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German Pages 346 [1926] Year 2019
Philosophische Bibliothek
Aristoteles P hilosophische Schriften Bände 1 – 6
Meiner
A R ISTOT ELES PH I LOSOPH ISC H E SC H R I F T EN inhalts ü b ersicht
1 einf ü hru ng in die k ate g orien
(porph y rios) k ate g orien her m ene u ti k erste analy ti k z w eite analy ti k
2 topi k sophistische w i derle gu ng en
3 ni ko m achische ethi k
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5 m etaph y si k
6 ph y si k ü ber die seele
F ELI X M EI N ER V ER L AG
ARISTOTELES
PHILOSOPHISCHE SCHRIFTEN in sechs Bänden
Band 1
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
ARISTOTELES
Porphyrios: Einführung in die Kategorien des Aristoteles (Isagoge)
Kategorien Hermeneutik oder vom sprachlichen Ausdruck (De interpretatione)
Erste Analytik Übersetzt von hans günter zekl
Zweite Analytik Übersetzt von wolfgang detel
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 721
Bibliographische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet abrufbar über http://portal.dnb.de. ISBN gesamt print: 978-3-7873-3550-3 ISBN einzeln print: 978-3-7873-3596-1 ISBN gesamt eBook: 978-3-7873-3594-7 ISBN einzeln eBook: 978-3-7873-3602-9
www.meiner.de © Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 2019. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Satz: tool-e-byte GmbH, Griesheim. Druck und Bindung: dimograf, Bielsko-Biała. Werkdruckpapier: Hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Poland.
VORBEMERKUNG DES VERLAGES
Mit dieser Leseausgabe der wichtigsten – im modernen Sinne – philosophischen Schriften von Aristoteles setzt der Verlag die Reihe der Aristoteles-Ausgaben in der Philosophischen Bibliothek (PhB) fort, die bereits 1922–25 mit der Ausgabe der „Philosophischen Werke“, hrsg. von Eugen Rolfes, begann und in denen jeweils die jüngsten in der PhB erschienenen Übersetzungen in einer handlichen Werkausgabe zusammengefasst sind. Im Gegensatz zu den Studienausgaben in der PhB wird in dieser Ausgabe auf ausführliche Einleitungen, Kommentare und Register sowie den Abdruck des griechischen Textes verzichtet; wer das Studium der aristotelischen Philosophie vertiefen möchte, sei auf die parallel lieferbaren Einzelausgaben in der PhB bzw. auf die umfangreichen Kommentare in der Akademieausgabe „Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung“, Berlin 1956 ff. verwiesen. Um ein leichtes und schnelles Auffinden gesuchter Textstellen zu ermöglichen, wird am Seitenrand die Paginierung der Gesamtausgabe der überlieferten Werke Aristoteles’ von Immanuel Bekker (Berlin 1831–1870) mitgeführt, nach der üblicherweise zitiert wird. Anders als in der 1995 erschienenen Ausgabe der „Philosophischen Schriften“ werden die Texte jetzt in einem einheitlichen Satzbild präsentiert. Einige veraltete Übersetzungen wurden durch inzwischen in der PhB erschienene neue ersetzt: die Politik, die Zweite Analytik und die Schrift Über die Seele (De anima). Da die zugrunde gelegten Ausgaben nicht alle einheitlichen Maßstäben folgen, gibt es geringfügige Unterschiede hinsichtlich der Rechtschreibung, der Kapitelbezeichnung und der Kennzeichnung von Ergänzungen und Auslassungen; Näheres hierzu in den Hinweisen zu den einzelnen Bänden.
Zu diesem Band
Der vorliegende Band enthält die Kategorien, die Einführung in die Kategorien (Isagoge) von Porphyrios, die Hermeneutik (De interpretatione), die Erste Analytik und die Zweite Analytik, die neben der Topik und den Sophistischen Widerlegungen (Band 2) das sogenannte Organon des Aristoteles, also die Schriften zur Logik und Wissenschaftstheorie, umfassen. Kategorien, Hermeneutik und Isagoge bildeten bis ins 12. Jahrhundert (vor dem Bekanntwerden der übrigen Schriften) den kanonischen Bestand der später so genannten Logica vetus. Obwohl sie nicht von Aristoteles, sondern von seinem antiken Kommentator Porphyrios stammt, wurde die Isagoge früh zum Standardwerk der Einführung in aristotelisches Denken und ist seit antiker Zeit in die meisten Organon-Ausgaben eingebunden. Kategorien, Isagoge, Hermeneutik und Erste Analytik wurden übersetzt von Hans Günter Zekl und sind den Bänden PhB 493 und 494 entnommen, ersch. 1998. An- und Abführungszeichen (einfache und doppelte) werden hier sowohl für Zitate als auch für Hervorhebungen verwendet; sie sind, ebenso wie Kursivierungen, Stilmittel der Übersetzung und finden sich nicht im griechischen Originaltext. Ergänzungen von Wörtern, die nicht ausdrücklich im griechischen Text stehen, sind in runde Klammern eingeschlossen. Die Zweite Analytik ist dem Band PhB 633, ersch. 2011, entnommen und wurde von Wolfgang Detel übersetzt. Sie stellt eine stark überarbeitete Fassung seiner Übersetzung in der Akademie-Ausgabe der aristotelischen Schriften (Band 3/II,1, Berlin 1993) dar. Überarbeitet wurden im Wesentlichen Interpunktion und Wortstellung, um die Übersetzung ohne ergänzenden Kommentar aus sich heraus verständlich zu gestalten und sprachlich zu glätten. Kursiv gesetzte Stellen zeigen hier Pronomina oder Vorkommnisse des Wortes Din-
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Zu diesem Band
ge (meist Wiedergabe des griechischen Neutrum Plural) an, deren Bezug oder Bedeutung unklar ist und die gegenüber der Akademie-Übersetzung durch nominale Phrasen ersetzt oder ergänzt wurden.
INHALT
Porphyrios: Einführung in die Kategorien des Aristoteles 11
Kategorien 45
Hermeneutik 91
Erste Analytik 119 1. Buch 121 2. Buch 209
Zweite Analytik 251 1. Buch 253 2. Buch 313
Porphyrios: Einführung in die Kategorien des Aristoteles (Isagoge) Porphyrios
PORPHYRIOS aus Phönizien Schüler des Plotin aus Nikopolis Einführung in die Kategorien des Aristoteles
Mein lieber Chrysaorios, da es nötig ist, erstens, für die Lehre der Grundaussagen bei Aristoteles Kenntnis darüber zu erwerben, was Seins-Geschlecht (ist), was (artbildender) Unterschied, was Erscheinungsform, was eigentümlich, was nebenbei zutreffend, und da, zweitens, die Betrachtung dieser (Grundbestimmungen) förderlich ist sowohl für die Angabe von Begriffsbestimmungen und überhaupt für das Geschäft des Einteilens und Beweisens, so fertige ich dir eine kurzgefaßte Mitteilung dazu an und will darin versuchen, in Kürze, gewissermaßen nach Art einer Einführung, das von den Früheren (dazu Zusammengetragene) durchzugehen, wobei ich mich aller tiefergehenden Untersuchung enthalte, die einfacheren Sachverhalte dagegen angemessen erkunden will. Gleich mit den Seins-Geschlechtern und ihren Erscheinungsformen anzufangen: Die Frage, ob sie Seinsbestand haben oder allein im bloßen Gedanken liegen, und wenn sie denn wirklich sind, ob es Körper sind oder körperlose Wesen, und ob sie getrennt rein für sich (sind) oder nur in Wahrnehmbarem und in dessen Reich ihr Sein haben, darüber zu sprechen versage ich mir, da ein derartiges Unterfangen sehr in die Tiefe geht und weiterer, ausführlicherer Untersuchung bedarf; dagegen, was darüber und über die oben angegebenen (Grundaussagen) die Alten mehr nach begrifflicher Weise für Unterscheidungen getroffen haben, und darunter besonders die aus der Schule des Peripatos, darüber will ich versuchen, Bericht zu erstatten.
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[Kapitel 1] Seins-Geschlecht
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Offenkundig werden weder »Geschlecht« noch »Erscheinungsform« in einfacher Bedeutung ausgesagt: (a) Geschlecht wird genannt die Versammlung derer, die hinsichtlich einer Eigenschaft und zueinander ein bestimmtes Verhältnis zeigen. In diesem Sinn des Wortes spricht man vom »Geschlecht der Herakliden«, infolge ihrer Herkunft von einem, nämlich Herakles, und bezogen auf die Vielzahl derer, die zueinander eine bestimmte Beziehung haben, nämlich ihre Verwandtschaft von ihm her, in Absetzung gegen die übrigen Geschlechter so genannt. (b) Es wird aber auch »Geschlecht« in wieder anderer Bedeutung ausgesagt, nämlich als Anfangspunkt der Herkunft eines jeden, entweder vom Erzeuger her gesehen oder von dem Ort, an dem einer geboren ist. So sagen wir: Orest leitet sein Geschlecht von Tantalos her, Hyllos von Herakles; und von Pindar sagen wir: Er ist von Herkunft Thebaner, und von Platon: Er stammt aus Athen; auch die Heimatstadt ist ja eine Art Quell der Herkunft eines jeden, so wie der Vater auch. Dies scheint die auf der Hand liegende Bedeutung des Wortes zu sein: »Herakliden« werden die genannt, die ihr Geschlecht auf Herakles zurückführen, »Kekropiden«, die es von Kekrops her tun, und deren Nahestehende. Und zuerst wurde der Herkunftsursprung eines jeden »Geschlecht« genannt, danach dann auch die Menge derer, die aus einem Ursprung kommen, z. B. Herakles; das grenzen wir ab, trennen es von den übrigen und haben die ganze Versammlung dann »Heraklidengeschlecht« genannt. (c) In wieder einer anderen Bedeutung wird »Geschlecht« das genannt, dem die sichtbare Erscheinungsform untergeordnet ist, möglicherweise ist es nach Ähnlichkeit zu den anderen so gesagt; denn auch diese Bedeutung von »Geschlecht« meint eine Art Ursprung der darunter (vorkommenden Erscheinungsformen), und sie scheint die gesamte unter sie fallende Menge zu umfassen.
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Angesichts nun also dieser drei Bedeutungen von »Geschlecht« geht die Rede der Philosophen um die dritte. Diese umreißen sie und haben den Sinn von »Geschlecht« mit folgenden Worten angegeben: Was von mehreren, der Erscheinungsform nach sich unterscheidenden (Bestimmungen) im Bereich des (wesentlichen) »was-es-ist« ausgesagt wird, z. B. »Lebewesen«. Unter allem, was da ausgesagt wird, werden ja die einen (Bestimmungen) von einem (Gegenstand) allein ausgesagt, als nicht weiter Teilbares, z. B. »Sokrates«, »dieser«, »das da«; andere von mehreren (Gegenständen), als die Geschlechter, die Erscheinungsformen, die Unterscheidungsmerkmale, die eigentümlichen (Eigenschaften) und nebenbei Zutreffendes, all dies in gemeinsam zusammenfassender Weise, nicht besonders für einen bestimmten Gegenstand. Seins-Geschlecht ist also so etwas wie »Lebewesen«, Erscheinungsform davon etwa »Mensch«, dessen Unterscheidungsmerkmal »Vernunft gebrauchend«, Eigentümlichkeit »kann lachen«, nebenbei zutreffende Bestimmungen: »weiß«, »schwarz«, »sitzt«. Von allem, was nur über einen (Gegenstand) ausgesagt wird, unterscheiden sich die Seins-Geschlechter dadurch, daß sie bei ihrer Angabe von mehrerem in der Aussage gelten; von den anderen (Bestimmungen) wieder, die auch von mehrerem gelten, so: Von den Erscheinungsformen, indem diese zwar auch von mehrerlei ausgesagt werden, aber solchem, das sich nicht der Erscheinungsform nach, sondern nur der Anzahl nach unterscheidet; »Mensch«, das eine Erscheinungsform ist, wird von Sokrates und Platon ausgesagt, die sich nicht ihrer erscheinenden Art nach voneinander unterscheiden, sondern der Anzahl nach; dagegen »Lebewesen«, als Seins-Geschlecht, wird von Mensch, Rind und Pferd ausgesagt, (Bestimmungen,) die sich auch der Art nach voneinander unterscheiden, nicht nur der Zahl nach. Von der Eigentümlichkeit aber unterscheidet sich das Seins-Geschlecht darin, daß sie nur von einer einzigen Erscheinungsform, deren Eigentümlichkeit je dies eben ist, ausgesagt wird, sowie von den unter diese Art fallenden nicht weiter teilbaren (Einzeldingen),
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so wie das »kann lachen« Eigentümlichkeit des Menschen allein und der einzelnen Menschen ist; das Seins-Geschlecht dagegen wird nicht von einer erscheinenden Art ausgesagt, sondern von mehreren, voneinander unterschiedenen. Von dem Unterscheidungsmerkmal andererseits und den gemeinhin nebenbei zutreffenden (Eigenschaften) unterscheidet sich das Seins-Geschlecht darin: Wenn diese Unterschiede und allgemein so nebenbei zutreffenden (Aussagen) auch von mehreren Gegenständen, die sich der Erscheinungsform nach voneinander unterscheiden, ausgesagt werden, so werden sie doch nicht im Bereich des »was-es-ist« ausgesagt. Wenn wir nach jenem fragen, von dem diese ausgesagt werden, so werden sie nicht in seinem Wesensbereich ausgesagt, sondern eher im Bereich der Frage, was für Eigenschaften es denn hat. In der Frage: »Welche Eigenschaft hat das, was Mensch ist?« erwarten wir als Antwort: »Er besitzt die Fähigkeit zum Vernunftgebrauch«; und mit: »Welche Eigenschaft hat das, was Rabe ist?« wollen wir die Aussage: »Er ist schwarz«. Dabei ist der mögliche Vernunftgebrauch (das artbildende) Unterscheidungsmerkmal, (die Bestimmung) »schwarz« ist nebenbei zutreffend. Wenn wir dagegen gefragt werden: »Was ist das, was Mensch ist?«, antworten wir: »Ein Lebewesen.« »Lebewesen« war aber eben das Seins-Geschlecht zu »Mensch«. Also, das Von-mehrerem-ausgesagt-werden des Seins-Geschlechts setzt es ab von den Bestimmungen, die nur von einem einzigen (Gegenstand) aus dem Bereiche der nicht weiter teilbaren ausgesagt werden; daß es von solchem ausgesagt wird, was sich der erscheinenden Art nach voneinander unterscheidet, setzt es ab von solchem, was als Erscheinungsform ausgesagt wird oder als eigentümlich; daß es schließlich im Bereich des »was-es-ist« ausgesagt wird, trennt es von den Unterschieden und dem gemeinhin nebenbei Zutreffenden, welches sich eben nicht im Bereich des wesentlichen »was-es-ist« findet, sondern in dem: »Was für Eigeschaften hat es?« oder: »In welchen Verhältnissen steht es?« von alledem ausgesagt wird, wovon es eben ausgesagt wird. –
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Der vorgetragene Umriß des Begriffsinhalts von »SeinsGeschlecht« zeigt also einen Umfang, der weder über die Sache unerlaubt hinausgeht, noch, gemessen an ihr, zu eng ist. [Kapitel 2] Erscheinungsform (a) »Form« wird auch zu jeder äußeren Gestalt von etwas gesagt, nach dem Dichterwort: Sein Aussehn schon, es ist der Herrschaft würdig. (b) »Form« wird aber auch das genannt, was unter das angegebene Geschlecht fällt; demgemäß sind wir gewohnt, den Menschen als eine »Art« von »Lebewesen« auszusagen, wobei »Lebewesen« eben das Seins-Geschlecht dazu ist, »weiß« als Erscheinungsform von »Farbe«, »Dreieck« als Erscheinungsform von »Raumgestalt«. Wenn wir aber bei der Angabe des Begriffsinhalts von »Seins-Geschlecht« auch die Erscheinungsform erwähnt haben, indem wir es nannten: »Was von mehrerlei, das sich der Erscheinungsform nach unterscheidet, im Bereiche des ›wases-ist‹ ausgesagt wird«, und wenn wir nun von der Erscheinungsform sagen: Sie ist das, was unter dem angegebenen Seins-Geschlecht steht, so muß man folgendes wissen: Da einerseits Geschlecht immer Gattung von etwas ist und ebenso die Erscheinungsform Art von etwas, und zwar jedesmal das eine vom anderen, so kann es gar nicht anders sein, als daß man in den Begriffserklärungen beider je beide heranzieht. (c) Man gibt »Erscheinungsform« auch so an: Erscheinungsform ist das, was unter dem Seins-Geschlecht eingeordnet ist und von dem diese Gattung im Bereich seines »was-es-ist« ausgesagt wird. (d) Und auch so: Erscheinungsform ist, was von mehrerem, der Anzahl nach Unterschiedenen im Bereich des »was-es-ist« ausgesagt wird. Aber diese (letzte) Angabe ginge auf das »Erscheinungsförmigste«, was nämlich immer nur eine solche Art
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ist, die anderen hingegen gingen auch auf solche Arten, die nicht »am meisten erscheinungsförmig« sind. Was gemeint ist, dürfte auf folgende Weise klar werden: Im Bereich einer jeden Grundaussage gibt es einige (Bestimmungen), die im Höchstmaß Gattungseigenschaften besitzen, und wieder andere, die sind im Höchstmaß erscheinungsförmig, und auch noch andere, die stehen zwischen den umfänglichsten und den am engsten festgelegten in der Mitte. »Im Höchstmaß Gattung« ist das, über welches kein anderes SeinsGeschlecht hinausgestiegen sein kann; »am meisten erscheinungsförmig« das, hinter welches keine andere Erscheinungsform heruntergestiegen sein kann; mitten zwischen dieser Gattung im Höchstmaß und dem Erscheinungsförmigsten stehen andere (Bestimmungen), die, je nachdem welcher anderen Bestimmung gegenüber man sie nimmt, als sie selbst einmal Gattungen, ein andermal Arten sind. Das Gemeinte soll am Beispiel einer Grundaussage klarwerden: Seiendes Wesen ist selbst ein Seins-Geschlecht, darunter steht Körper, unter Körper belebter Körper, unter diesem Lebewesen, unter Lebewesen vernunftfähiges Lebewesen, darunter Mensch, unter Mensch schließlich Sokrates, Platon und eben die Menschen im einzelnen. Darunter hat »seiendes Wesen« im höchsten Maße Gattungseigenschaft und ist, was allein Seins-Geschlecht ist, »Mensch« dagegen ist das am meisten Erscheinungsförmige, was eben nur Erscheinungsform sein kann, »Körper« schließlich ist Erscheinungsform von »seiendes Wesen«, aber Gattung von »belebter Körper«; »belebter Körper« seinerseits ist Erscheinungsform von »Körper«, aber zu »Lebewesen« ist er das Seins-Geschlecht; und wieder, »Lebewesen« ist Erscheinungsform von »belebter Körper«, zu »vernunftbegabtes Lebewesen« ist es die Gattung; »vernunftfähiges Lebewesen« schließlich ist Erscheinungsform von »Lebewesen«, Seins-Geschlecht zu »Mensch«; »Mensch« dagegen ist die Erscheinungsform des vernünftigen Lebewesens, selbst aber nicht mehr eine Gattung im Verhältnis zu den Einzelmenschen, sondern nichts als Erscheinungsform, und alles, was von den nicht weiter teilbaren Wesen in unmittelbarem
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Anschluß an sie ausgesagt wird, ist dann ja wohl nur Erscheinungsform, nicht mehr auch Seins-Geschlecht. So wie nun also »seiendes Wesen«, weil es an oberster Stelle steht, indem keine Gattung mehr davorliegt, ein Höchstmaß an Gattungseigenschaft an sich hat, entsprechend umgekehrt »Mensch«: Er ist die Erscheinungsform, hinter der keine andere Erscheinungsform mehr kommt und auch nichts, was sich in Erscheinungsformen einteilen ließe, sondern sie ist dann ja wohl die Erscheinungsform von nicht weiter Einteilbarem – in diesem Sinne unteilbar sind: Sokrates, Platon, dies bestimmte Weiße –, somit letzte Erscheinungsform und, wie wir sagten, das »Erscheinungsartigste«. Die in der Mitte stehenden Bestimmungen sind dann ja wohl jeweils Erscheinungsform der vor ihnen (stehenden Begriffe), für das, was hinter ihnen kommt, sind sie Seins-Geschlecht. Diese zeigen also zwei Verhaltensweisen, einmal im Verhältnis zu dem, was vor ihnen kommt, demgemäß sie als dessen Unterarten bezeichnet werden, ein andermal im Verhältnis zu dem, was hinter ihnen steht, demgemäß sie als dessen jeweilige Gattung ausgesagt werden. Die Eckbegriffe dagegen haben nur ein Verhältnis: Erstens, das Seins-Geschlecht im Höchstmaß, das ja die oberste Gattung von allem ist, hat nur ein Verhalten als zu den unter ihm selbst stehenden (Bestimmungen), ein solches gegenüber (Bestimmungen), die vor ihm selbst stehen, hat es nicht mehr, da es doch selbst an oberster Stelle steht, als ein erster Anfang und, wie wir sagten, als etwas, über welches hinaus kein anderes Seins-Geschlecht hinaufgestiegen ist; zweitens, das Erscheinungsartigste hat auch nur ein Verhalten, nämlich als zu den vor ihm stehenden Bestimmungen, deren erscheinende Art es eben ist; auch das Verhältnis, das es zu den ihm nachstehenden Bestimmungen hat, ist kein andersartiges, sondern es wird auch als die Art der nicht weiter teilbaren (Wesen) ausgesagt. Aber (der Unterschied ist zu bemerken:) Art wird es im Verhältnis zu den unteilbaren Wesen genannt, als etwas, das diese umfaßt, Erscheinungsart, andererseits, im Verhältnis zu den vor ihm stehenden Bestimmungen, als etwas von ihnen Eingeschlossenes.
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Man gibt nun also die Begriffsbestimmung dieser Gattung im Höchstmaß so an: Was als Seins-Geschlecht nicht zugleich auch Erscheinungsform ist; und wieder: Über welches hinaus kein anderes Seins-Geschlecht aufgestiegen ist. Für das Erscheinungsförmigste im Höchstmaß (macht man es so): Was als Erscheinungsform nicht zugleich auch übergeordnete Gattung ist; und: Was man, als diese erscheinende Art, nicht in noch weitere Arten einteilen kann; und: Was von mehrerlei, das sich der Anzahl nach unterscheidet, im Bereich des »wases-ist« ausgesagt wird. Die in der Mitte zwischen den Außenstellen stehenden Begriffe nennt man »wechselseitig über- und untergeordnete« Gattungen und Arten, und man setzt eine jede dieser Bestimmungen so an, daß sie Erscheinungsform und Seins-Geschlecht sein kann, allerdings je und je im Verhältnis zu einer anderen Bestimmung und in anderem Hinblick genommen. Also, die Bestimmungen vor den erscheinungsartigsten, die hinaufsteigen bis zu dem, was Seins-Geschlecht im Höchstmaß ist, werden Gattungen und Arten genannt und in Reihe einander unter- und übergeordnete Seins-Geschlechter, so wie (man) Agamemnon (bezeichnen kann als) »stammend von Atreus« oder »von Pelops« oder »von Tantalos« oder – schließlich – »von Zeus«. Nur, bei den Geschlechterabfolgen führt man es auf einen einzigen zurück, sagen wir einmal: den Zeus, den Ursprung in den allermeisten Fällen, bei den Seins-Geschlechtern und den Erscheinungsformen verhält es sich nicht so: »Seiend« ist nicht das eine, allem gemeinsame Geschlecht, und es hat nicht alles die gleiche Abkunft von einem einzigen, obersten Geschlecht her, wie Aristoteles sagt. Sondern es seien aufgestellt, wie eben in der Kategorienschrift, die ersten zehn Seins-Geschlechter, im Sinne von zehn unmittelbaren Anfangspunkten. Und wenn denn einer (diese) alle doch eben »seiend« nennen wollte, so wird er dies nur mittels einer Wortgleichheit tun, hinter der verschiedene Begriffe stehen, nicht im Sinne der Vereinigung mehrerer Wörter in einem Begriff. Wenn nämlich »seiend« ein einziges gemeinsames Herkunftsgeschlecht von allem wäre, so würde alles, auf dem Wege der Vereinigung unterer Bestimmungen zu einem
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Begriff, »seiend« genannt; nun gibt es aber von diesen Erstbestimmungen zehn, ihre Gemeinsamkeit könnte also nur über die Wortbezeichnung bestehen, nicht mehr auch gemäß der Begriffserklärung, die zur Wortbezeichnung gehört. Die obersten Seins-Geschlechter sind also zehn, die Erscheinungsformen im eigentlichsten Sinn (treten auf) in einer unbestimmten Anzahl, die allerdings nicht unendlich groß ist; die nicht mehr zu teilenden Wesen schließlich, die hinter den unmittelbarsten Erscheinungsformen kommen, sind unendlich viele. Daher gab Platon Anweisung, auf dem Weg herab von den allgemeinsten Seins-Geschlechtern hin zu den der Erscheinung nächsten Formen da Schluß zu machen; den Weg herab durch die inmitten stehenden Bestimmungen solle man nehmen, indem man sie mithilfe der artbildenden Unterschiede einteile. Von dem unbegrenzt Vielen, sagt er, lasse man die Hände, davon könne sich ja wohl kein Wissen einstellen. Auf dem Weg herab zum Erscheinungsnächsten muß man also einteilend durch die Vielzahl wandern; steigt man auf zu den allgemeinsten SeinsGeschlechtern, so muß man die Vielzahl zu immer einem zusammenfassen. Art, und Seins-Geschlecht noch mehr, sind etwas, das das Viele zu einer Naturgestalt zusammenführt, die Teilsachverhalte dagegen und all das viele Einzelne nehmen im Gegensatz dazu das Eine immer in die Vielzahl auseinander; durch Teilhabe an der (einen) Erscheinungsform sind die vielen Menschen einer, durch die vielen einzelnen ist der eine und gemeinsame (Begriff »Mensch«) eine Mehrzahl: trennend ist immer das Einzelne, zusammenführend und einsmachend das Gemeinsame. Nachdem nun von »Seins-Geschlecht« und »erscheinender Form« angegeben ist, was ein jedes der beiden denn ist, und angesichts der Tatsache, daß ein Seins-Geschlecht (im Hinblick auf seine Arten) eines ist, (in umgekehrter Hinsicht) die Erscheinungsform eine Mehrzahl: Die Zerschneidung einer Gattung führt immer zu mehreren Arten – (so gilt nun folgendes zur Aussagbarkeit:) Gattung wird immer von Art ausgesagt, und überhaupt alles Höherstehende vom weiter unten Stehenden, umgekehrt dagegen die Art schon nicht von dem
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unmittelbar anschließenden Seins-Geschlecht und erst recht nicht von den weiter oben stehenden; hier gibt es keine Umkehrung der Aussage. Es müssen nämlich entweder gleichgroße (Begriffsumfänge) von gleichgroßen ausgesagt werden, wie z. B. »wiehernd« von »Pferd«, oder solches von größerem Begriffsumfang von solchem mit kleinerem, wie z. B. »Lebewesen« von »Mensch«; dagegen, solche von kleinerem Umfang von solchen mit größerem (auszusagen, das geht) nicht mehr; man kann ja nicht mehr sagen: (Alles, was) Lebewesen (ist), ist Mensch, so wie man ja umgekehrt sagen kann: (Je)der Mensch ist ein Lebewesen. (Gegenstände,) von denen die Art ausgesagt ist, von denen wird notwendig auch das Seins-Geschlecht dieser erscheinenden Art (mit)ausgesagt werden, und auch die höhere Gattung dieses Geschlechts bis hinauf zum allgemeinsten Seins-Geschlecht; wenn es denn wahr ist, von Sokrates zu sagen: Er ist ein Mensch, und auch: Der Mensch ist ein Lebewesen ..., Lebewesen ist ein Wesen, das ist, – dann ist es auch wahr, Sokrates (gleich) »Lebewesen« zu nennen und »Wesen, das ist«. Da also das jeweils Höherstehende vom weiter unten Stehenden ausgesagt wird, so wird also die Erscheinungsform vom nicht weiter teilbaren Wesen ausgesagt, das Seins-Geschlecht sowohl von der unmittelbaren Art wie auch vom Einzelwesen, das höchste Seins-Geschlecht dann von der (vermittelnden) Gattung oder den Gattungen, wenn nämlich mehrere da in der Mitte stehen und unter einander sich ordnen, und auch von der unmittelbaren Erscheinungsform und schließlich dem unteilbaren Einzelwesen. Es wird nämlich das oberste Seinsgeschlecht von allen unter ihm stehenden Seins-Geschlechtern, Erscheinungsformen und Einzelwesen ausgesagt; das Seins-Geschlecht vor der unmittelbaren Erscheinungsform von allen diesen und von den Einzelwesen; was dann allein nur noch Erscheinungsform ist, von allen unteilbaren Einzelwesen; dies nicht mehr Teilbare dann nur noch von einem einzigen Einzelwesen allein. »Nicht weiter teilbar« wird nämlich (derlei) genannt (wie:) Sokrates, dies weiße Ding hier und dieser hier eintretende Sohn des Sophroniskos – wenn eben Sokrates sein einziger Sohn wäre.
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»Nicht weiter teilbar« wird derlei genannt, weil jedes Einzelstück davon aus lauter Eigentümlichkeiten besteht, deren Versammlung bei keinem anderen je genau die gleiche wird: Die Eigenheiten des Sokrates werden ja wohl bei keinem anderen Einzelmenschen als genau die gleichen wieder auftreten. Dagegen die eigentümlichen Merkmale des Menschen – ich meine ja damit die gemeinsame Bestimmung – können bei mehreren die gleichen sein, genauer noch, bei allen Einzelmenschen, soweit sie eben dies, Menschen, sind. Es wird also das Unteilbare von der Erscheinungsform umfaßt, diese Form von ihrem übergeordneten Seins-Geschlecht. Ein bestimmtes Ganze ist dies Seins-Geschlecht, das Unteilbare ist je und je nur Teil; die Erscheinungsform ist (beides), sowohl ein Ganzes wie auch Teil, nur, Teil von etwas anderem, als Ganzes aber nicht »von« etwas anderem, sondern in anderem (bestehend): in seinen Teilen findet sich das Ganze vor. Also, über Seins-Geschlecht und Erscheinungsform und über (die Frage:) Was ist Gattung im Höchstmaß, was ist das Erscheinungsnächste, welche (Bestimmungen) sind als dieselben sowohl Gattung als auch Art, welche Wesen sind nicht weiter teilbar, und schließlich, in wievielen Bedeutungen kommen Seins-Geschlecht und Erscheinungsform vor: darüber ist somit gesprochen. – [Kapitel 3] Unterschied Der Ausdruck »Unterschied« sei sowohl in allgemeiner wie eigentümlicher und auch in ganz besonders eigentümlicher Bedeutung ausgesagt. (a) In allgemeinem Sinne sagt man: Etwas unterscheidet sich von etwas, indem es mittels einer Verschiedenheit sich irgendwie davon abhebt, (und das kann es) entweder im Verhältnis zu sich selbst oder zu etwas anderem als es: Es unterscheidet sich Sokrates von Platon durch ein Anderssein und selbst im Verhältnis zu sich selbst, indem er erst ein Kind war und nun zum Mann geworden ist, indem er jetzt etwas tut und damit
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wieder aufhört, und je und je in den Andersheiten, sich so oder so zu verhalten. (b) Im eigentümlichen Sinne sagt man je dann: Etwas unterscheidet sich von etwas, wenn der Unterschied zwischen dem einen und dem anderen in einer untrennbaren nebenbei zutreffenden Eigenschaft besteht. So ein untrennbares nebenbei zutreffendes Merkmal ist z. B. Blauäugigkeit, Krummnasigkeit, hartgewordene Narbe infolge einer Verwundung. (c) Im eigentümlichsten Sinne spricht man davon, daß etwas sich von etwas unterscheide, wenn es mittels eines artbildenden Unterschieds von ihm abweicht, wie sich eben »Mensch« von »Pferd« durch ein artbildendes Merkmal unterschieden hat, nämlich die Eigenschaft der Fähigkeit zum Vernunftgebrauch. Ganz allgemein also, jede Unterscheidung macht, wenn sie an etwas herantritt, dies zu etwas »Verschiedenartigem«; nur, die im allgemeinen und im eigentümlichen Sinne machen es »andersartig«, die dagegen im eigentlichsten Sinne erst machen es wirklich zu etwas anderem; tatsächlich ja schaffen die einen Unterscheidungen ein Andersartiges, die anderen ein wirklich Anderes. Die nun also ein Anderes schaffen, werden artbildend genannt, die es nur zu andersartig bringen, heißen einfach und ohne Zusatz »Unterschiede«. Indem (z. B.) zu »Lebewesen« das Unterscheidungsmerkmal tritt, das da besagt »Fähigkeit zum Vernunftgebrauch«, hat es ein Anderes geschaffen; dagegen das (Unterscheidungsmerkmal) »in-Bewegung-sein« hat neben dem »in-Ruhe-sein« nur etwas Andersartiges bewirkt, also: Das eine hat Anderes, das andere Andersartiges geschaffen. Gemäß den Unterscheidungen nun also, die Anderes herstellen, erfolgen die Trennungen der Seins-Geschlechter in ihre Erscheinungsformen, und ebenso werden Begriffsbestimmungen angegeben, die aus der Gattung und derartigen (artbildenden) Unterschieden bestehen; gemäß den (anderen Unterscheidungen) dagegen, die nur Andersartiges fertigbringen, treten bloß die Verschiedenartigkeiten auf und die Zustandsänderungen der Dinge, die sich so oder so verhalten.
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Indem man nun noch einmal von oben anfängt, ist festzustellen: Unter den Unterscheidungen sind die einen ablösbar (vom betreffenden Gegenstand), die anderen sind es nicht: »in-Bewegung-sein«, »in-Ruhe-sein«, »gesund-sein«, »kranksein« und alles, was dem ähnlich ist, läßt sich ablösen, dagegen »hakennasig«, »stupsnasig«, »vernunftfähig«, »vernunftunfähig« lassen das nicht zu. Von den nicht-ablösbaren (Unterschieden) liegen die einen (an ihrem Gegenstand) vor, sofern sie eben genau dies sind, die anderen in nur nebenbei eintretender Folge: »vernunftfähig« liegt am Menschen vor gemäß dem Sinn, den (nur) es hat, und so »sterblich« und »aufnahmefähig-für-Wissen-sein«; dagegen »hakennasig« oder »stupsnasig« zu sein, das nur in nebenher sich ergebender Weise, nicht insofern sie genau dies sind. Die (Unterschiede) nun also, die demgemäß hinzutreten, was sie selbst sind, werden in die Begriffserklärung dessen aufgenommen, was der Gegenstand denn wirklich ist, und schaffen ein Anderes (gegenüber allem übrigen); dagegen, die nur nebenbei miteintreffen, werden weder in die Begriffserklärung dessen aufgenommen, was der Gegenstand ist, noch schaffen sie ein Anderes, sondern nur Andersartiges. Und, die es ihrer eigentlichen Bedeutung nach sind, nehmen ein »mehr« und »minder« nicht an sich, dagegen die nebenbei zutreffenden, auch wenn sie nicht ablösbar sein sollten, nehmen Zu- und Abnahme auf: Ein Seins-Geschlecht wird von dem, dessen Seins-Geschlecht es eben ist, nicht mehr oder weniger ausgesagt, und auch die Unterscheidungen in solcher Gattung nicht, nach denen sie eingeteilt wird. Diese sind es doch, welche den Begriffsinhalt eines jeden (Gegenstands) erfüllen, daß aber ein jedes dieses eine und dasselbe ist, läßt weder eine Abschwächung noch eine Steigerung zu; hingegen, »hakennasig-«, »stupsnasig-sein« oder »die-und-die-Hautfarbe-haben«, das läßt sich sowohl steigern wie auch abschwächen. Da nun also drei Erscheinungsformen von Unterschied vor Augen stehen und die einen ablösbar sind, die anderen unablösbar, und wieder von den unablösbaren die einen ihrem eigenen Sein nach (auftreten), die anderen nebenbei mit ein-
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treffend, so ergibt sich wieder: Von den ihrem eigenen Sein nach auftretenden Unterschieden sind die einen es, denen gemäß wir die Seins-Geschlechter in ihre Erscheinungsformen einteilen, die anderen, denen gemäß das Auseinandergenommene erst zu Arten gemacht wird. Da z. B. von den an sich vorliegenden Unterschieden alle, die an »Lebewesen« vorliegen, folgender Art sind: »beseelt«, »der Sinneswahrnehmung fähig«, »fähig zum Vernunftgebrauch« und »ohne Vernunftvermögen«, »sterblich« und »unsterblich«, so ist das Unterscheidungsmerkmal, das da »beseelt«, und das, welches da »mit Sinneswahrnehmung ausgestattet« sagt, für das, was »Lebewesen« wirklich ist, begriffsbildend – ein Lebewesen ist doch ein mit Seele ausgestattetes, der Sinneswahrnehmung fähiges seiendes Wesen –, dagegen die Unterscheidung »sterblich – unsterblich« und »Vernunftgebrauch – kein Vernunftgebrauch«, das sind Merkmale, die innerhalb von »Lebewesen« Trennungen setzen: durch sie nehmen wir die Seins-Geschlechter in deren Erscheinungsformen auseinander. Aber diese einteilenden Unterscheidungen (leisten ja wieder zweierlei: Sie) werden zu den erfüllenden Vollendern der jeweiligen Gattung und sind für deren Arten begriffsbildend: »Lebewesen« wird mittels der Unterscheidung »Vernunftgebrauch – kein Vernunftgebrauch« zerschnitten, und noch einmal durch die »sterblich – unsterblich«; davon werden nun wieder die Merkmale »sterblich« und »Vernunftgebrauch« begriffsbildend für »Mensch«, die »Vernunftgebrauch, unsterblich« (begriffsbildend) für »Gott«, die »kein Vernunftgebrauch, sterblich« (begriffsbildend) für die vernunftlosen Tiere. Da nun aber genauso die Unterscheidungen »beseelt – unbeseelt« und »der Sinnenswahrnehmung fähig – der Wahrnehmung nicht fähig« für das oberste Sein einteilende Wirkung haben, so haben die (Merkmale) »mit Seele und mit Wahrnehmungsvermögen ausgestattet«, mit »seiendes Wesen« zusammengenommen, (die Bestimmung) »Lebewesen« zur Vollendung gebracht, dagegen die »mit Seele begabt, der Wahrnehmung nicht fähig« haben »Pflanze« herbeigeführt. Da nun ein und dieselben (Unterscheidungen), einmal so genommen, begriffsbildend sind,
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ein andermal anders, mit einteilender Wirkung auftreten, so sind sie denn alle artbildend genannt worden. Und es sind vor allem diese, die man zur Einteilung der Seins-Geschlechter braucht und für die Begriffsbestimmungen, dagegen nicht die nebenbei zutreffenden nicht ablösbaren, von den ablösbaren erst gar nicht zu reden. Indem man also ihren Begriff bestimmt, sagt man: (I) Unterscheidungsmerkmal ist (der Punkt), um den die Art einen Überschuß hat gegenüber der Gattung; (z. B.) »Mensch« hat über »Lebewesen« hinaus noch »vernunftfähig« und »sterblich« an sich. »Lebewesen« ist nun zwar nicht nichts davon – Begründung: Woher erhielten denn wohl die Erscheinungsformen ihre besonderen Merkmale? –, andererseits kann es doch nicht alle entgegengesetzten (Merkmale) an sich haben – Begründung: Dann hätte ein und derselbe Gegenstand gleichzeitig entgegengesetzte (Bestimmungen) an sich –, sondern, wie man als Forderung aufstellt: Dem Vermögen nach hat (die Gattung) alle unter ihr vorkommenden Unterscheidungsmerkmale, dem tatsächlichen Vorliegen nach keins. Und so (werden zwei unsinnige Sätze vermieden:) Weder muß etwas aus etwas entstehen, das es nicht gibt, noch wird einander Ausschließendes zugleich bei einem und demselben Gegenstand sein. (II) Man bestimmt ihren Begriff aber auch so: Unterscheidungsmerkmal ist, was von mehrerlei, das sich der Art nach unterscheidet, im Bereich des »welche-Eigenschaften-hat-es« ausgesagt wird; denn »vernunftfähig« und »sterblich«, als von »Mensch« ausgesagt, wird im Bereich dessen geredet, welche besonderen Eigenschaften der Mensch denn hat, aber nicht in dem, was er denn ist; fragt man uns ja: »Was ist Mensch?« – so ist die angemessene Antwort: »Er ist ein Lebewesen«; will man von uns wissen: »Was für ein Lebewesen denn?« – werden wir mit »fähig zum Vernunftgebrauch, sterblich« die angemessene Angabe machen. Da doch die Dinge aus Stoff und Form bestehen, oder ihren Bestand entsprechend dem Verhältnis zwischen Stoff und Form haben, so wie das Standbild aus einem Stoff (besteht), der Bronze, und zur Form die Gestalt
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(, die der Künstler ihm gab,) hat, genauso ist es mit »Mensch«: Allgemein genommen und nach Art der Erscheinungsform, so besteht er aus der Gattung, als der Entsprechung zu Stoff, aus dem besonderen Unterschied, als der zur Gestalt; dieses Ganze dann aber, »Lebewesen, vernunftfähig, sterblich«, Mensch eben: so wie dort das Standbild. (III) Man umreißt diese derartigen Unterschiede aber auch so: Unterschied ist, was seiner Naturveranlagung nach dazu geeignet ist, die unter einem Seins-Geschlecht stehenden (Erscheinungsformen) von einander zu trennen; z. B. »vernunftfähig« und »unvernünftig« trennen Mensch und Pferd, die unter dem gleichen Seins-Geschlecht – Lebewesen – stehen. (IV) Man gibt es auch noch so an: Unterschied ist alles das, wodurch sich ein jedes voneinander abhebt. Mensch und Pferd haben sich ja ihrer Gattung nach nicht unterschieden: »Sterbliches Lebewesen« sind sowohl wir als auch die vernunftlosen (Tiere), nur, das »vernunftfähig«, hinzugesetzt, hat uns von ihnen abgehoben; und »vernunftfähige (Wesen)« sind sowohl wir als auch die Götter, aber das »sterblich«, hinzugesetzt, hat uns von ihnen abgesondert. (V) Diejenigen aber, welche die Sache mit dem Unterschied weiter ausarbeiten, sagen, nicht jedes beliebige (Merkmal) unter allem, was die unter der Seins-Gattung stehenden Arten trennt, sei dieser (gesuchte) Unterschied, sondern nur, was zu dem, was es je ist, beiträgt, und was ein Stück dessen ist, was das (zu bestimmende Ding) je und je sein sollte; denn (z. B.) die Naturbegabung, zur See fahren zu können, ist ja doch wohl nicht (artbildendes) Unterscheidungsmerkmal des Menschen, wenn es auch des Menschen Eigentümlichkeit sein mag; wir könnten ja wohl sagen: Unter den Lebewesen sind die einen dazu begabt, Seefahrt zu betreiben, die anderen nicht, und würden so eine Trennung unter sie setzen, nur, das (Merkmal) »zur Seefahrt veranlagt« war keins, das das erfüllt, was dies je ist, und auch kein Teilstück dieses Seins, sondern nur eine besondere Eignung dieses Wesens, weil es eben nicht von der Art ist wie die im eigentümlichen Sinn so genannten artbildenden Unterschiede. Es sollen denn also artbildende Unter-
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schiede alle die sein, welche eine (von anderen) unterschiedene Erscheinungsform herstellen und welche bei der Angabe dessen, was es denn sein sollte, herangezogen werden. Bezüglich Unterschied reicht also so viel aus.
[Kapitel 4] Eigentümlich Das Eigentümliche teilt man vierfach ein: (a) Was einer bestimmten Art allein, wenn auch etwa nicht in ihrem ganzen Umfang, zutrifft, wie etwa beim Menschen, daß er Heilkunst ausübt und Flächen mißt; (b) was (unter anderen Eigenschaften) an der ganzen Art vorkommt, wenn auch etwa nicht an ihr allein, wie etwa dem Menschen das Zweifüßigsein; (c) was (der Art) allein und in ihrem ganzen Umfange und zu einer bestimmten Zeit (zukommt), etwa allem, was Mensch ist, im Alter zu ergrauen; viertens (d) schließlich die Bedeutung, auf welche das »allein«, »dem ganzen Umfange nach« und »immer« zusammengekommen sind, etwa beim Menschen, daß er lachen kann; wenn er ja auch nicht immer lacht, so nennt man ihn doch »des Lachens fähig«, – nicht weil er es immer tut, sondern weil er dazu naturveranlagt ist; dies liegt, mit ihm zusammen erwachsen, an ihm immer vor, wie am Pferd die Fähigkeit, daß es wiehern kann. Diese (letzteren), sagt man, seien die Eigentümlichkeiten im eigentlichen Sinn, weil es hier auch Umkehrung der Aussage gibt: Wenn es ein Pferd ist, kann es wiehern, und wenn es wiehern kann, ist es ein Pferd. [Kapitel 5] Nebenbei zutreffend Nebenbei zutreffend ist (a) solches, was auftreten und auch wieder verschwinden kann ohne Verderben für den betroffenen Gegenstand. Es wird eingeteilt in zwei (Stücke): Das eine von dem (,was so nebenbei mitfolgt,) läßt sich (von dem Begriff des
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Gegenstandes) ablösen, das andere ist untrennbar. »Schlafen« (z. B.) ist ein ablösbares nebenbei eintretendes Ereignis, dagegen »schwarz-sein« trifft in unablösbarer Weise beim Raben und beim Äthiopier ein, es kann jedoch, ohne Untergang des Gegenstandes, gedacht werden, daß ein Rabe weiß wäre oder ein Äthiopier seine Hautfarbe abgelegt hat. Man bestimmt den Begriff aber auch so: (b) Nebenbei zutreffend ist, was an einem und demselben (Gegenstand) vorliegen oder auch nicht vorliegen kann; oder: (c) Was weder Gattung ist noch Unterschied noch erscheinende Art noch eigentümlich, aber doch immer an einem Gegenstande mit ins Sein tritt. – Nachdem nun alle vorgestellten (Bestimmungen) ihrem Begriffe nach genau bestimmt sind – ich meine: Seins-Geschlecht, Erscheinungsform, Unterschied, Eigentümlichkeit, nebenbei Zutreffendes – so ist darüber zu sprechen, was ihnen als gemeinsame Bestimmung beiwohnt und welche Eigentümlichkeiten (einer jeden davon).
[Kapitel 6] Die Gemeinsamkeit der fünf Ausdrücke Gemeinsam ist also allen, von je mehrerlei ausgesagt zu werden. Nur, das Seins-Geschlecht (wird ausgesagt) von den erscheinenden Arten und den nicht mehr teilbaren (Wesen), der Unterschied ebenso, die Art von den unter ihr stehenden unteilbaren (Wesen), die Eigentümlichkeit sowohl von der Art, deren Eigentümlichkeit sie ist, und von den unter dieser Art stehenden unteilbaren (Wesen), das nebenbei Zutreffende schließlich sowohl von den Arten wie von Unteilbarem. (Beispiele:) »Lebewesen« wird von Pferden und Rindern ausgesagt, was doch Arten sind, von diesem bestimmten Pferd und diesem bestimmten Rind, was doch nicht mehr einteilbare Einzelwesen sind; »ohne Vernunft« wird von Pferden und Rindern ausgesagt, Arten eben, und von den entsprechenden Einzeltieren auch; dagegen eine erscheinende Art, etwa
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»Mensch«, nur von den entsprechenden Einzelwesen; die Eigentümlichkeit dann, etwa »des Lachens fähig«, sowohl von (der Art) »Mensch« wie auch von den einzelnen Menschen; »schwarz« schließlich von der Art der Raben wie auch von deren Einzeltieren, und ist untrennbar davon, und »in-Bewegung-sein« (wird ausgesagt) von Mensch und Pferd als ein nebenbei Zutreffendes, das man ablösen kann, aber besonders von den unteilbaren Einzelwesen, erst im zweiten Sinn auch von dem, was diese Einzelwesen umfaßt.
[Kapitel 7] Gemeinsamkeit von Seins-Geschlecht und Unterschied (a) Gemeinsam ist dem Seins-Geschlecht und dem Unterschied, daß sie Erscheinungsformen umfassen. Denn es schließt ja auch der Unterschied Arten ein, wenn auch etwa nicht alle, die die Seins-Gattung umschließt. (Z. B.) »möglicher Vernunftgebrauch«, wenn (dieses Unterscheidungsmerkmal) auch die nicht-vernünftigen (Arten) nicht einschließt, so wie »Lebewesen« (das tut), so umfaßt es doch Mensch und Gott, was ja erscheinende Arten sind. (b) Und: Alles, was von der Seins-Gattung als Gattung ausgesagt wird, wird auch von den unter sie fallenden Erscheinungsformen ausgesagt, (entsprechend) alles, was von dem Unterschied als Unterschied, das wird auch von der aus ihm (hervorgegangenen) Art ausgesagt werden. Da nun ja »Lebewesen« ein Seins-Geschlecht ist, so wird von ihm, als einem Seins-Geschlecht, (beides) ausgesagt: »seiendes Wesen« und »beseelt«; aber auch von allen unter »Lebewesen« stehenden Arten wird das ausgesagt, bis hin zu den unteilbaren Wesen, (entsprechend bei Unterschied:) Da »zum Vernunftgebrauch fähig« ein Unterscheidungsmerkmal ist, so wird davon, als einem Unterschied, ausgesagt »Vernunftgebrauch«, aber dies nicht allein von dem (Merkmal) »zum Vernunftgebrauch fähig«, sondern dies – »Vernunftgebrauch« – wird
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auch von den unter »zum Vernunftgebrauch fähig« stehenden Erscheinungsformen ausgesagt werden. (c) Gemeinsam ist ihnen auch: Wird entweder die SeinsGattung aufgehoben oder die Unterscheidung, so wird auch das je unter ihnen Stehende aufgehoben: Wie, wenn es »Lebewesen« nicht gibt, dann auch Pferd und Mensch nicht sind, genauso, wenn es »Fähigkeit zum Vernunftgebrauch« nicht gibt, wird kein Lebewesen sein, das von Vernunft Gebrauch macht. Unterschied zwischen Seins-Geschlecht und Unterschied
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(a) Eine Eigentümlichkeit des Seins-Geschlechts ist es, von mehr (untergeordneten Bestimmungen) ausgesagt zu werden als Unterschied, Erscheinungsform, Eigentümlichkeit und nebenbei Zutreffendes: »Lebewesen« wird ausgesagt von Mensch, Pferd, Vogel und Schlange, »vierfüßig« dagegen allein von den Wesen, die eben vier Füße haben, »Mensch« allein von nicht mehr einteilbaren Einzelwesen, »kann wiehern« allein von Pferd und den darunter fallenden Einzeltieren, und nebenbei Zutreffendes entsprechend von weniger. Man muß aber als Unterschiede hier die nehmen, durch welche das Seins-Geschlecht zerlegt wird, nicht die, welche das Sein der Gattung erfüllen. (b) Des weiteren umfaßt das Seins-Geschlecht den Unterschied der Möglichkeit nach: Von »Lebewesen« ist die eine Art zum Vernunftgebrauch fähig, die andere dazu nicht fähig. [Die Unterschiede umfassen aber die Seins-Geschlechter nicht.] (c) Des weiteren sind die Seins-Geschlechter den unter sie fallenden Unterschieden vorgeordnet, daher heben sie diese mit auf, werden aber ihrerseits nicht mit aufgehoben: Wird »Lebewesen« aufgehoben, so fallen »vernunftfähig« und »vernunftunfähig« mit; dagegen die Unterschiede heben das Seins-Geschlecht nicht mehr mit sich auf: Wenn sie auch alle aufgehoben sein sollten, so bleibt im Gedanken immer noch »seiendes Wesen, mit Seele versehen, der Wahrnehmung fähig« – und das ist genau Lebewesen.
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(d) Des weiteren wird das Seins-Geschlecht im Bereich des »was-es-ist«, der Unterschied aber in dem des »von-welcherEigenschaft-es-ist« ausgesagt, wie schon vorgetragen. (e) Des weiteren, bezogen auf jede Erscheinungsform gibt es ein einziges Seins-Geschlecht, z. B. zu »Mensch« (ist das) »Lebewesen«, aber mehr als ein Unterscheidungsmerkmal, etwa »vernunftfähig«, »sterblich«, »aufnahmefähig für Geist und Wissen«, durch welche er sich von den übrigen Lebewesen unterscheidet. (f) Und: Das Seins-Geschlecht ist vergleichbar mit dem Stoff, mit der Form das Unterscheidungsmerkmal. Wenn auch noch andere Gemeinsamkeiten und Besonderheiten bei Seins-Geschlecht und Unterscheidung anzutreffen sind, so soll dies doch genügen.
[Kapitel 8] Gemeinsamkeit von Seins-Gattung und Erscheinungsform (a) Seins-Geschlecht und Erscheinungsform haben gemeinsam, von einer Mehrzahl (anderer Bestimmungen) ausgesagt zu werden, wie vorgetragen ist. Es soll dabei die Erscheinungsform als eben diese Art genommen werden, nicht auch als Seins-Gattung, für den Fall, daß eines und dasselbe sowohl Art wie auch Gattung sein kann. (b) Gemeinsam ist ihnen auch, dem vorgeordnet zu sein, wovon sie ausgesagt werden, und jedes für sich ein bestimmtes Ganze zu sein. Unterschied zwischen Seins-Gattung und Erscheinungsform (a) Es besteht ein Unterschied darin, daß das Seins-Geschlecht die (unter ihm) erscheinenden Arten umfaßt, diese Formen werden umfaßt, sie umfassen ihrerseits die (jeweiligen) Seins-Gattungen nicht: Seins-Geschlecht erstreckt sich über einen weiteren Inhalt als Erscheinungsform.
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(b) Des weiteren müssen die Seins-Gattungen zuvor dasein und, von den artbildenden Unterschieden durchgestaltet, die Erscheinungsform zuwegebringen; daher denn die Seins-Gattungen auch von Natur aus vorrangig sind. (c) Und: Sie heben (die Arten) mit sich auf, werden aber (von ihnen) nicht mit aufgehoben, also, ist eine Erscheinungsform, so liegt in jedem Fall auch ihr Seins-Geschlecht vor, liegt aber das Seins-Geschlecht vor, so ist nicht in jedem Falle auch die erscheinende Art da. (d) Und: Die Seins-Geschlechter werden in mitbezeichneter Weise von den unter ihnen erscheinenden Arten ausgesagt, umgekehrt aber die Erscheinungsformen von den Seins-Gattungen nicht. (e) Weiter, die Seins-Geschlechter haben einen Überschuß darin, daß sie die unter ihnen erscheinenden Formen umfassen, diese Arten dagegen haben den Seinsgattungen etwas voraus durch ihre eigentümlichen Unterscheidungsmerkmale. (f) Weiter kann wohl weder eine Erscheinungsform zur obersten Gattung schlechthin, noch umgekehrt eine SeinsGattung zur erscheinungsnächsten Art werden.
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(a) Dem Seins-Geschlecht und der Eigentümlichkeit ist es gemeinsam, den Erscheinungsformen zu folgen: Wenn »Mensch« (gesetzt) ist, so auch »Lebewesen«, und wenn »Mensch«, so auch »des Lachens fähig«. (b) Und (gemeinsam ist ihnen auch), daß die Seins-Gattung von (jeder) ihrer Erscheinungsformen gleichsehr ausgesagt wird, und die Eigentümlichkeit von den an ihr teilhabenden Einzelwesen auch: »Mensch« ist genau so sehr ein Lebewesen wie »Rind« auch, und Anytos ist genauso zum Lachen fähig wie Meletos. (c) Gemeinsam ist ihnen auch, daß die Seins-Gattung von ihren zugehörigen Erscheinungsformen ebenso in mitbezeich-
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neter Weise ausgesagt wird wie die Eigentümlichkeit von den (Dingen), deren Eigentümlichkeit sie ist. Unterschied zwischen Seins-Gattung und Eigentümlichkeit (a) Es besteht ein Unterschied darin, daß das Seins-Geschlecht zuerst kommt, die Eigentümlichkeit danach: Erst muß da sein »Lebewesen«, danach ist es einzuteilen mithilfe von Unterscheidungen und Eigentümlichkeiten (b) Und: Die Seins-Gattung wird von einer Mehrzahl von Erscheinungsformen ausgesagt, die Eigentümlichkeit dagegen nur von einer Art, der sie eben eigentümlich ist. (c) Und: Die eigentümliche Bestimmung läßt sich in der Aussage mit dem vertauschen, dessen Eigentümlichkeit sie ist, die Seins-Gattung dagegen läßt sich mit nichts wechselweise aussagen: Weder (gilt) »Wenn Lebewesen, so Mensch«, noch: »Wenn Lebewesen, so Fähigkeit zum Lachen«, und umgekehrt. (d) Weiter, die Eigentümlichkeit liegt an der gesamten Art vor, der sie eigentümlich ist, und an ihr allein und immer, dagegen die Seins-Gattung zwar an der gesamten Erscheinungsform, deren Seins-Geschlecht sie eben ist, und immer, jedoch nicht auch an ihr allein. (e) Weiter, die eigentümlichen Bestimmungen, wenn man sie aufhebt, heben die Seins-Gattungen nicht mit auf, dagegen die Gattungen, wenn man sie aufhebt, heben auch die Erscheinungsformen mit auf, welche Eigentümlichkeiten an sich haben, also, ist das aufgehoben, was Eigentümlichkeiten hat, so werden auch diese mit aufgehoben.
[Kapitel 10] Gemeinsamkeit von Seins-Geschlecht und nebenbei Zutreffendem Seins-Geschlecht und nebenbei zutreffende (Bestimmungen) haben gemeinsam, von einer Mehrzahl (von Gegenständen) ausgesagt zu werden, wie vorgetragen, mag es sich dabei um
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ablösbare (Bestimmungen) handeln oder mögen sie zu den nicht-ablösbaren gehören: Sowohl »in-Bewegung-sein« (gilt) von einer Vielzahl wie auch »schwarz« von Raben, Äthiopiern und einigen leblosen Dingen. Unterschied zwischen Seins-Geschlecht und nebenbei Zutreffendem (a) Es unterscheidet sich die Seins-Gattung von nebenbei Zutreffendem darin, daß die Gattung vor den Erscheinungsformen kommt, die nebenbei zutreffenden (Bestimmungen) aber nach ihnen; auch wenn man etwas nebenbei Zutreffendes nimmt, das sich nicht ablösen läßt, so kommt das, an dem das nebenbei Zutreffende vorkommt, immer noch vor diesem nebenbei Zutreffenden selbst. (b) Und: Was an einer Seins-Gattung teilhat, tut das in gleichem Maße, dagegen beim nebenbei Zutreffenden liegt dies gleiche Ausmaß nicht vor: Die Teilhabe an nebenbei Zutreffendem nimmt Steigerung und Abnahme an sich, die an SeinsGattungen aber nicht mehr. (c) Und: Die nebenbei zutreffenden Eigenschaften fassen im ursprünglichen Sinn der Beziehung Fuß auf den nicht weiter teilbaren Wesen, die Seins-Geschlechter und deren Erscheinungsformen sind aber dem natürlichen Wesen der Dinge nach den unteilbaren Wesen vorgeordnet. (d) Und: Die Seins-Gattungen werden von den unter ihnen stehenden (Bestimmungen) im Bereich des »was-es-ist« ausgesagt, die nebenbei zutreffenden Eigenschaften dagegen (werden von den Gegenständen, an denen sie vorliegen, ausgesagt) im Bereich des »wie-beschaffen-ist-« oder »in-welchenVerhältnissen-steht-ein-jedes«: Wird man gefragt: »Welche Beschaffenheit hat ein Äthiopier?« – so wird man sagen: »Er ist schwarz.«, und (auf die Frage:) »Was tut Sokrates gerade?« – wird man antworten: »Er sitzt.«, oder: »Er geht herum.«
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(Zwischenbesinnung) Von der Seins-Gattung ist nun also vorgetragen, worin sie sich von den anderen vier (Bestimmungen) unterscheidet; es ergibt sich aber auch, daß eine jede der anderen vier (Bestimmungen) Unterschied an sich hat, und da es nun also fünf sind und je eine davon gegenüber den je vier anderen sich unterscheidet, also: Fünf viermal, so wäre die Gesamtzahl der Unterschiede zwanzig. Indessen verhält es sich so nicht, sondern, wenn je (die Verhältnisse) in Reihe hergezählt werden und (sich dabei herausstellt, daß) Reihe zwei um ein Unterschiedsverhältnis kleiner ist, weil dies doch schon vorgekommen war, Reihe drei dann um zwei, Reihe vier um drei und Reihe fünf um vier, so wird die Gesamtzahl der Unterschiedsverhältnisse zehn: Vier und drei und zwei und eins. (Ausführung davon:) Seins-Geschlecht unterscheidet sich von Unterschied, Erscheinungsform, Eigentümlichkeit und nebenbei Zutreffendem, also vier Unterschiedsverhältnisse. Wie nun aber Unterschied sich von Seins-Geschlecht unterschieden hat, das ist ja schon vorgetragen bei der Gelegenheit, wo darüber gesprochen war, wie sich Seins-Geschlecht von ihm unterscheidet; was noch übrigbleibt, worin er sich unterscheidet von Erscheinungsform, Eigentümlichkeit und nebenbei Zutreffendem, darüber wird zu sprechen sein, das macht drei Verhältnisse; und wieder, worin sich Erscheinungsform von Unterschied unterscheidet, das ist ja vorgetragen bei der Gelegenheit, als gesagt wurde, worin sich Unterschied von Erscheinungsform unterscheidet; worin sich aber Erscheinungsform von Seins-Geschlecht unterscheidet, das wurde an der Stelle vorgetragen, wo darüber die Rede war, worin sich Seins-Geschlecht von Erscheinungsform unterscheidet; was also noch übrig ist, worin sie sich von Eigentümlichkeit und nebenbei Zutreffendem unterscheidet, darüber wird zu sprechen sein, und dies ergibt zwei Unterschiedsverhältnisse; worin sich Eigentümlichkeit vom nebenbei Zutreffenden unterscheidet, wird dann noch übrigbleiben; wie sie sich ja von Erscheinungsform, Unterschied und Seins-Geschlecht unterscheidet, dazu ist ja früher
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schon vorgetragen bei Gelegenheit der Unterscheidung derer im Verhältnis zu ihr. Nimmt man nun also vier Unterscheidungsverhältnisse von Seins-Geschlecht den anderen gegenüber, drei von Unterschied (entsprechend), zwei von Erscheinungsform und eines von Eigentümlichkeit im Verhältnis zu nebenbei zutreffend, werden es in der Gesamtheit zehn sein. Davon haben wir die vier, welche die von SeinsGeschlecht im Verhältnis zu den übrigen waren, im Vorhinein schon nachgewiesen. [Kapitel 11] Gemeinsamkeit von Unterschied und Erscheinungsform (a) Gemeinsam ist also dem Unterschied und der Erscheinungsform, daß (andere Bestimmungen) in gleicher Stärke an ihnen teilhaben: An »Mensch« haben alle Einzelmenschen in gleichem Maße Anteil, und an dem Unterscheidungsmerkmal »vernunftfähig« ebenso. (b) Gemeinsam ist ihnen auch, daß sie an dem, was an ihnen teilhat, immer vorhanden sind: Sokrates ist immer zu vernünftigem Denken fähig, und Sokrates ist immer ein Mensch. Unterschied zwischen Erscheinungsform und Unterschied (a) Eigentümlich ist für Unterschied, im Bereich des »wie-beschaffen-es-ist« ausgesagt zu werden, für Erscheinungsform dagegen, im Bereich des »was-es-ist« (entsprechend); auch wenn ja »Mensch« als ein »mit den und den Eigenschaften Ausgestattetes« genommen würde, so wäre er doch nicht zusatzlos ein solches, sondern nur, insofern die zur Seins-Gattung hinzutretenden Unterscheidungsmerkmale ihn als ein solches erstellt hätten. (b) Außerdem wird ein Unterscheidungsmerkmal oft über eine Mehrzahl von Erscheinungsformen hin angesehen, z. B. »vierfüßig« im Hinblick auf sehr viele Lebewesen, die sich der Erscheinungsform nach unterscheiden; die Erscheinungsform
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dagegen ist (das, was sie ist) allein im Hinblick auf die unter ihr stehenden unteilbaren Wesen. (c) Weiter, der Unterschied ist der nach ihm gebildeten Erscheinungsform vorgeordnet: »vernunftfähig«, aufgehoben, hebt »Mensch« mit auf, »Mensch« dagegen, aufgehoben, hat »vernunftfähig« nicht mit aufgehoben, es gibt dann immer noch »Gott«. (d) Weiter, Unterscheidung läßt sich zusammensetzen mit anderem Unterscheidungsmerkmal: »vernunftfähig« und »sterblich« wurde zusammengestellt zur Herstellung von »Mensch«; erscheinende Art dagegen läßt sich mit anderer Art nicht zusammensetzen, so daß sie irgend eine weitere Art erzeugten; ein bestimmtes, einzelnes Pferd tut sich mit einem bestimmten, einzelnen Esel wohl zusammen zur Erzeugung eines Maultiers, dagegen »Pferd«, ohne vereinzelnde Zutat mit »Esel« zusammengestellt, wird wohl nicht »Maultier« zuwegebringen. [Kapitel 12] Gemeinsamkeit von Unterschied und Eigentümlichkeit (a) Unterschied und Eigentümlichkeit haben gemeinsam, daß, was an ihnen teilhat, dies in gleicher Stärke tut: Was alles vernunftfähig ist, ist dies gleichsehr, und was zum Lachen fähig ist, ebenso. (b) Und: Gemeinsam ist beiden das »immer und allem«; auch wenn ein zweifüßiger (Mensch) verstümmelt worden sein sollte, so wird doch das »immer« im Hinblick auf den Naturzustand gesagt, da doch auch das »kann lachen« sein »immer« sich aus der Naturveranlagung dazu holt, und nicht daher, daß (dies Wesen) immer lachte. Unterschied zwischen Eigentümlichkeit und Unterschied (a) Eigentümlich ist für Unterschied, daß er oft über eine Mehrzahl von Erscheinungsarten hin ausgesagt wird, etwa »vernunftfähig« sowohl über »Gott« wie über »Mensch«; da-
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gegen die Eigentümlichkeit über eine einzige Erscheinungsart, der sie eben eigentümlich ist. (b) Und: Der Unterschied folgt den (Bestimmungen), deren Unterscheidungsmerkmal er war, allerdings gibt es dabei keine wechselseitige Aussage; die Eigentümlichkeiten dagegen werden in Gegenrichtung zu dem gesagt, dessen Eigentümlichkeiten sie sind, weil es hier Umkehrentsprechung gibt.
[Kapitel 13] Gemeinsamkeit von Unterschied und nebenbei Zutreffendem Dem Unterschied und dem nebenbei Zutreffenden ist gemeinsam, von einer Mehrzahl (von Gegenständen) ausgesagt zu werden; gemeinsam im Verhältnis zu unablösbaren NebenbeiBestimmungen ist das Immer-und-allen-Zukommen: »zweifüßig« ist immer an allen Raben vorhanden und »schwarz« ebenso. Eigentümlichkeiten von Unterschied und nebenbei Zutreffendem
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(a) Es liegt Unterschied darin vor, daß Unterschied (andere Bestimmungen) umfaßt, aber seinerseits nicht umfaßt wird: »vernunftfähig« schließt »Mensch« ein; nebenbei zutreffende Bestimmungen hingegen haben zwar auf eine bestimmte Weise einschließende Wirkung, dadurch daß sie an einer Mehrzahl (von Gegenständen) vorkommen, auf eine bestimmte andere Weise werden sie aber umfaßt, indem nämlich die zugrundeliegenden Gegenstände nicht bloß für eine Nebenbei-Bestimmung aufnahmefähig sind, sondern für eine Mehrzahl. (b) Und: Unterschied ist nicht steigerbar und nicht abzuschwächen, nebenbei zutreffende (Bestimmungen) nehmen das »mehr und minder« an sich. (c) Und: Einander gegenüberliegende Unterschiede sind nicht mit einander vermengbar, dagegen einander gegenüber-
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liegende Nebenbei-Eigenschaften lassen sich ja wohl vermengen. Solcher Art sind die Gemeinsamkeiten und die Eigentümlichkeiten also von Unterschied und den übrigen (Bestimmungen) im Verhältnis dazu. – Was nun die Erscheinungsform angeht, so ist, worin sie sich von Seins-Gattung und Unterschied unterscheidet, an den Stellen schon vorgetragen, wo darüber zu sprechen war, worin sich Seins-Gattung von allen anderen und worin sich Unterschied von den übrigen Bestimmungen unterscheidet.
[Kapitel 14] Gemeinsamkeit von Erscheinungsform und Eigentümlichkeit Erscheinungsform und Eigentümlichkeit haben gemeinsam, wechselseitig von einander ausgesagt zu werden: Wenn »Mensch«, so auch »des Lachens fähig«, und (umgekehrt), wenn »des Lachens fähig«, so auch »Mensch« – daß »des Lachens fähig« im Sinne der Naturveranlagung dazu zu nehmen ist, ist ja schon oft bemerkt –; die Erscheinungsformen kommen ja dem, was an ihnen Anteil hat, in gleichem Maße zu, und die Eigentümlichkeiten den (Gegenständen), deren Eigentümlichkeit sie je sind, auch. Unterschied zwischen Erscheinungsform und Eigentümlichkeit (a) Es besteht Unterschied zwischen Erscheinungsform und Eigentümlichkeit darin, daß erscheinende Art ihrerseits Seins-Geschlecht anderer (Arten) sein kann, daß dagegen etwas Eigentümliches zur Eigentümlichkeit anderer (Eigentümlichkeiten) werden könnte, ist unmöglich. (b) Und: Die Erscheinungsform ist vor dem Eigentümlichen ins Sein getreten, die Eigentümlichkeit tritt auf dem Rücken der erscheinenden Art auf: Es muß »Mensch« schon sein, wo »des Lachens fähig« sein soll.
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(c) Weiter, die Erscheinungsform liegt an dem zugrundeliegenden Gegenstand immer in tatsächlicher Wirklichkeit vor, die Eigentümlichkeit gelegentlich auch (nur) der Möglichkeit nach: Mensch ist Sokrates immer in tatsächlicher Wirklichkeit, er lacht aber nicht immer, wiewohl er immer die Naturveranlagung hat, lachen zu können. (d) Weiter, Gegenstände, deren Begriffsbestimmung sich unterscheidet, sind auch selbst unterschieden; nun besagt die Erscheinungsform das »Unter-der-Gattung-stehen« und das »von mehrerem, der Zahl nach Unterschiedenen im Bereich des ›was-es-ist‹ Ausgesagtsein«, und was dergleichen mehr ist; die von eigentümlich dagegen das »diesem-allein-und-immerund-in-allen-Fällen-Beiwohnen«.
[Kapitel 15] Gemeinsamkeit von Erscheinungsform und nebenbei Zutreffendem Erscheinungsform und nebenbei Zutreffendes haben gemeinsam, über eine Vielzahl von Gegenständen hin ausgesagt zu werden. Sonstige Gemeinsamkeiten sind selten, weil das nebenbei zutreffende Merkmal und der Gegenstand, dem dies eben nebenbei zugetroffen ist, sehr weit von einander entfernt sind. Unterschied zwischen denselben (a) Eigentümlichkeiten gibt es von jedem der beiden; bei der Erscheinungsform ist eine, daß sie von dem, dessen Erscheinungsform sie eben ist, im Bereich des »was-es-ist« ausgesagt wird, die dagegen des nebenbei Zutreffenden ist das Im-Bereich-des-»wie-beschaffen«- und des »wie-verhält-es-sich«(Ausgesagtwerden). (b) Und die Tatsache, daß jedes seiende Wesen an einer einzigen Erscheinungsform teilhat, aber an einer Mehrzahl nebenbei zutreffender (Eigenschaften), sowohl solcher, die man ablösen kann, wie solcher, wo man das nicht kann.
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(c) Und: Die Erscheinungsformen kommen früher in den Gedanken als das nebenbei Zutreffende, mag dies auch unablösbar sein: es muß ja ein zugrundeliegender Gegenstand dasein, wo ihm etwas zutreffen können soll; nebenbei zutreffende Bestimmungen sind ihrem Wesen nach spätgeboren und haben vorübergehende Natur. (d) Und: Die Teilhabe an der Erscheinungsform ist immer gleichstark, die an nebenbei Zutreffendem, und wäre es auch unablösbar, ist das nicht: Ein Äthiopier mag wohl unter dem Gesichtspunkt »Schwärze« eine stärkere oder weniger starke Hautfärbung haben als ein anderer. – Bleibt also noch übrig, über eigentümlich und nebenbei zutreffend zu sprechen; inwiefern sich ja eigentümlich von Erscheinungsform, Unterschied und Seins-Geschlecht unterschieden hat, ist vorgetragen.
[Kapitel 16] Gemeinsamkeit von Eigentümlichkeit und nicht-ablösbarem nebenbei Zutreffenden (a) Gemeinsam ist also der Eigentümlichkeit und dem nichtablösbaren nebenbei Zutreffenden, daß die Gegenstände, an denen man sie betrachtet, nicht ohne sie auftreten können: Wie ohne »zum Lachen fähig« nicht »Mensch« auftritt, so wird ja wohl ohne »schwarz« auch kein Äthiopier auftreten. (b) Und: Wie die Eigentümlichkeit (am jeweiligen Gegenstand) in allen Fällen und immer vorkommt, so auch die nichtablösbare Nebenbei-Eigenschaft. Unterschied derselben (a) Es ist dadurch Unterschied eingetreten, daß die Eigentümlichkeit allein an einer Erscheinungsform auftritt, wie »zum Lachen fähig« an »Mensch«, hingegen die unabtrennbare Nebenbei-Eigenschaft, etwa »schwarz«, nicht nur dem Äthiopier beiwohnt, sondern auch dem Raben, der Kohle, dem Ebenholz und einigen anderen (Gegenständen). Daher wird auch
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die eigentümliche Bestimmung wechselweise ausgesagt mit dem (Gegenstand), dessen Eigentümlichkeit sie ist, und die reicht genau so weit wie er, das untrennbare Nebenbei hingegen wird nicht wechselweise ausgesagt. (b) Und: Die Teilhabe an eigentümlichen Bestimmungen ist immer gleichstark, bei Nebenbei-Eigenschaften gibt es stärkere und schwächere (Teilhabe). – Es gibt nun also auch noch andere Gemeinsamkeiten und Eigentümlichkeiten der genannten (fünf Bestimmungen), aber es reichen auch diese schon zu ihrer Unterscheidung und zur Bereitstellung ihrer Gemeinsamkeit.
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Kapitel 1. »Wortgleich« wird (solches) genannt, wovon bloß die Bezeichnung gemeinsam (ist), dagegen die zu dieser Bezeichnung gegebene Erklärung dessen, was es ist, verschieden, z. B.: »Lebewesen« (ist) sowohl der (lebende) Mensch wie auch ein bloß Gemaltes; bei denen ist nämlich nur die Bezeichnung gemeinsam, die zum Namen gegebene Erklärung dessen, was es ist, verschieden: wenn nämlich jemand angeben will, was denn an jedem dieser beiden ihr »Lebewesen-sein« ist, so wird er von beiden eine eigene Erklärung angeben. »Begriffsgleich« wird genannt, wovon sowohl die Bezeichnung gemeinsam ist wie auch die zum Namen gegebene Erklärung dessen, was es ist, die gleiche, z. B.: »Lebewesen« ist sowohl der Mensch wie auch das Rind; jedes dieser beiden wird mittels gemeinsamer Bezeichnung als »Lebewesen« angesprochen, und die Erklärung dessen, was es ist, ist aber die gleiche: wenn nämlich jemand von einem jeden von ihnen die Erklärung abgeben will, was ihrer beider »Lebewesen-Sein« denn ist, so wird er die gleiche Erklärung abgeben. »Abgleitet« wird genannt, was von etwas (anderem) aus, von dem es sich (nur) durch seinen Beugungsfall unterscheidet, die namentliche Ansprache hat, z. B. von »Schriftkunde« der »Schriftkundige« und von »Mannestum« der »Mannhafte«. Kapitel 2. Von allem Ausgesprochenen wird das eine in Form einer Verknüpfung ausgesprochen, anderes ohne Verknüpfung. Also in Form einer Verknüpfung z. B.: »Mensch läuft«, »Mensch siegt«; ohne Verflechtung z. B.: »Mensch«, »Rind«, »läuft«, »siegt«. Von allem, was da ist, wird (1) das eine zwar von einem Zugrundeliegenden ausgesagt, ist aber an keinem Zugrundeliegenden, z. B., »Mensch« wird zwar von einem bestimmten Menschen als Zugrundeliegendem ausgesagt, ist aber an keinem Zugrundeliegenden; (2) anderes ist an einem Zugrun-
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deliegenden, wird aber von keinem Zugrundeliegenden ausgesagt – mit »an einem Zugrundeliegenden« meine ich: Was, an etwas – nicht wie ein Teil – vorkommend, unmöglich gesondert von dem sein kann, an welchem es ist –, z. B. diese bestimmte Schriftkundigkeit tritt an einem Zugrundeliegenden auf, der Seele, wird aber von nichts Zugrundeliegendem ausgesagt, und dies bestimmte Weiße begegnet an einem Zugrundeliegenden, dem Körper – jede Farbe kommt an einem Körper vor –, es wird aber von keinem Zugrundeliegenden ausgesagt. (3) Wieder anderes wird sowohl von etwas Zugrundeliegendem ausgesagt und ist auch an einem Zugrundeliegenden, z. B., »Wissen« tritt einerseits an einem bestimmten Zugrundeliegenden auf, der Seele, andererseits wird es auch von einem Zugrundeliegenden ausgesagt, der Schriftkunde. (4) Wieder anderes ist weder an einem Zugrundeliegenden, noch wird es von einem Zugrundeliegenden ausgesagt, z. B. dieser bestimmte Mensch oder dies bestimmte Pferd – nichts derartiges tritt ja an einem Zugrundeliegenden auf, noch wird es von einem Zugrundeliegenden ausgesagt. Vereinfacht, was nicht mehr geteilt werden kann und somit eines der Zahl nach ist, wird von keinem Zugrundeliegenden ausgesagt; an Zugrundeliegendem aufzutreten aber wird einiges durchaus nicht gehindert: Diese bestimmte Schriftkunde gehört zu dem, was an einem Zugrundeliegenden vorkommt. Kapitel 3. Wenn eines vom anderen ausgesagt wird als von einem Zugrundeliegenden, (dann gilt:) Alles, was mit dem Ausgesagten gemeint ist, das wird auch alles über das Zugrundeliegende ausgesagt werden; z. B. »Mensch« wird von einem bestimmten Menschen ausgesagt, »Lebewesen« aber von »Mensch«; mithin wird also auch vom bestimmten Menschen »Lebewesen« ausgesagt; denn dieser bestimmte Mensch ist erstens Mensch und somit auch Lebewesen. Von Dingen aus verschiedenen Gattungen, die auch nicht unter einander angeordnet sind, sind auch die Unterschiede verschieden der Art nach, z. B. von »Lebewesen« und »Wissen«: Von »Lebewesen« sind die Unterschiede »Fußgänger«, »geflügelt«, »im Wasser (lebend)«, »zweifüßig«; von »Wissen«
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ist es keiner davon; es unterscheidet sich ja wohl Wissen nicht dadurch von Wissen, zweifüßig zu sein. Bei den untereinander (stehenden) Gattungen hindert dagegen nichts, daß es dieselben Unterschiedsmerkmale sind; denn die oberhalb werden von den Seinsgeschlechtern unter ihnen ausgesagt, daher, wieviele die Unterschiede des Ausgesagten sind, so viele werden es auch vom Zugrundeliegenden sein. Kapitel 4. Von dem, was da nach keiner Verknüpfung ausgesagt wird, weist ein jedes entweder auf ein seiendes Wesen hin oder auf ein »irgendwieviel« oder »irgendwie-beschaffen« oder ein »im-Verhältnis-zu ...« oder »irgendwo« oder »irgendwann« oder ein Liegen oder Haben oder Tun oder Erleiden. – Seiendes Wesen ist dabei, um es umrißhaft zu sagen, z. B. »Mensch«, »Pferd« (usw.); so-und-so-viel z. B. »zwei Ellen«, »drei Ellen« ...; derartig z. B. »weiß«, »schriftkundig«; im-Verhältnis-zu ...« z. B. »doppelt«, »halb«, »größer« ...; da-und-dort z. B. »im Lykeion«, »auf dem Markt«; dann-und-dann z. B. »gestern«, »vor einem Jahr«; Lage z. B. »liegt da«, »sitzt«; Haben z. B. »hat Schuhe an«, »hat Waffen angelegt«; Tätigsein z. B. »schneiden«, »brennen«; Erleiden z. B. »geschnitten werden«, »gebrannt werden«. Jeder der genannten (Ausdrücke) wird, rein für sich, nicht in Form einer Behauptung oder Verneinung ausgesagt, aber durch die Verknüpfung dieser miteinander wird eine Behauptung oder Verneinung (daraus); jedes behauptende oder verneinende Urteil ist doch offenkundig entweder wahr oder falsch, von dem aber, was nicht in Form einer Verknüpfung ausgesagt wird, ist nichts (derart, sondern) weder wahr noch falsch, z. B. »Mensch«, »weiß«, »läuft«, »siegt«. Kapitel 5. Wesenheit ist im eigentlichsten Sinne und in unmittelbarster Erfassung und in stärkstem Maße ausgesprochen als die, welche weder von einem Zugrundeliegenden ausgesagt wird noch an einem Zugrundeliegenden auftritt, z. B. dieser bestimmte Mensch, dies bestimmte Pferd. »Zweite Wesenheiten« werden die genannt, in welchen, als den Erscheinungsformen, die im ersten Sinne genannten Wesenheiten vorkommen, – diese und auch die Seinsgeschlechter dieser er-
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scheinenden Arten; z. B. dieser bestimmte Mensch kommt in der Art »Mensch« vor, das Seinsgeschlecht dieser erscheinenden Art ist »Lebewesen«. Zweite Wesenheiten werden also solche genannt wie »Mensch«, »Lebewesen«. – Deutlich ist auch aus dem Gesagten: Von dem, was von einem Zugrundeliegenden ausgesagt wird, muß sowohl das Wort wie auch der Begriff von dem Zugrundeliegenden ausgesagt werden, z. B. »Mensch« wird von dem bestimmten Menschen als Zugrundeliegendem ausgesagt, und somit wird auch das Wort davon ausgesagt – man wird doch einen bestimmten Menschen eben »Mensch« nennen –, und auch der Begriff von Mensch wird von einem bestimmten Menschen ausgesagt werden – ein jeder bestimmte Mensch ist eben auch Mensch; daher denn also: Sowohl die Wortbezeichnung wie auch der Begriff werden von dem Zugrundeliegenden ausgesagt. – Von den (Bestimmungen), die an einem Zugrundeliegenden auftreten, wird in den allermeisten Fällen weder die Wortbezeichnung noch der Begriff vom Zugrundeliegenden ausgesagt; in einigen Fällen dagegen hindert zwar nichts, das Wort vom Zugrundeliegenden auszusagen, mit dem Begriff aber ist das unmöglich; Beispiel: »weiß«, das an einem Zugrundeliegenden auftritt, nämlich einem Körper, wird von dem Zugrundeliegenden ausgesagt – man sagt eben: Der Körper ist weiß. –, der Begriff von weiß wird aber niemals von dem Körper ausgesagt. – Alle übrigen (Bestimmungen) werden entweder von den ersten Wesenheiten als Zugrundeliegendem ausgesagt oder kommen an ihnen als Zugrundeliegendem vor. Das (wird) einsichtig aus den Einzelverhältnissen, wenn man sie vornimmt; z. B. »Lebewesen« wird von »Mensch« ausgesagt, somit auch von jedem bestimmten Menschen – wenn nämlich von keinem der bestimmten Menschen, so auch von »Mensch« insgesamt nicht; und wieder, »Farbe« kommt vor an »Körper«, somit auch am bestimmten Körper; wenn denn nicht an irgendeinem der Einzelkörper, so auch an »Körper« insgesamt nicht. Daher: Alles übrige wird entweder von den ersten Wesenheiten als Zugrundeliegendem ausgesagt, oder es kommt an ihnen
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als Zugrundeliegendem vor. Wenn also die ersten Wesenheiten nicht wären, so könnte unmöglich von allen übrigen etwas sein. [Alles übrige wird ja entweder von diesen als Zugrundeliegendem ausgesagt, oder es kommt an ihnen als Zugrundeliegendem vor; daher, wären die ersten Wesenheiten nicht, so könnte unmöglich von den anderen etwas sein.] Von den zweiten Wesenheiten ist in höherem Maße Wesenheit die erscheinende Art im Vergleich zum Seinsgeschlecht; sie ist ja näher an der ersten Wesenheit. Wenn nämlich jemand von der ersten Wesenheit ihr »was-es-ist« angeben will, so wird er dies einsehbarer und angemessener tun, indem er ihre Art angibt, als (wenn er) die Seinsgattung (nennt); z. B. dürfte man einen bestimmten Menschen auf erkennbarere Weise angeben, indem man ihn als Menschen bezeichnet statt als »Lebewesen« – das ist nämlich dem bestimmten Menschen mehr eigentümlich, das andere ist allgemeiner –; und wer einen bestimmten Baum angeben will, tut dies auf leichter erkennbare Weise, indem er ihn als Baum bezeichnet statt als »Pflanze«. Weiter, die ersten Wesenheiten (betreffend:) Wegen der Tatsache, daß sie allem übrigen zugrundeliegen und alles übrige von ihnen ausgesagt wird oder an ihnen vorkommt, eben deswegen heißen sie doch Wesenheiten im Höchstmaß; wie aber die ersten Wesenheiten sich zu allem übrigen verhalten, so verhält sich auch die erscheinende Art zur Seinsgattung – es liegt nämlich die Art der Gattung zugrunde; denn Gattungen werden von Arten ausgesagt, Arten aber nicht in umgekehrter Reihenfolge von Gattungen –, also auch aus dieser Überlegung ist die erscheinende Art in höherem Maße Wesenheit als die Seinsgattung. – Von den Erscheinungsarten selbst aber, was davon nicht auch Seinsgattungen sind, ist nicht eine in höherem Maße Wesenheit als eine andere; man macht ja in keiner Weise eine näherliegende Angabe, wenn man von einem bestimmten Menschen »Mensch« angibt, als (wenn man) von einem bestimmten Pferd »Pferd« (sagt). Entsprechend auch bei den ersten Wesenheiten: es ist nicht eines mehr Wesenheit als ein ande-
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res: um nichts mehr ist ein bestimmter Mensch Wesenheit als ein bestimmtes Rind. Aus gutem Grund werden nach den ersten Wesenheiten allein unter allem die erscheinenden Arten und die Seinsgeschlechter »zweite Wesenheiten« genannt; sie allein nämlich unter allem Ausgesagten klären die erste Wesenheit: Wenn jemand von diesem bestimmten Menschen das »was-es-ist« angeben will, so wird er, wenn er die Art oder die Gattung angibt, es angemessen tun – und auf leichter einsehbare Weise wird er es machen, indem er »Mensch« statt »Lebewesen« angibt –; von allen übrigen (möglichen Aussagen), was auch immer da einer angeben mag, so wird er diese Angabe auf sachfremde Weise gemacht haben, z. B. wenn er »weiß« oder »läuft« oder was auch immer derart angibt. Daher werden mit Grund diese allein unter allen übrigen (Bestimmungen) Wesenheiten genannt. – Weiter, die ersten Wesenheiten werden aufgrund dessen, daß sie allem übrigen zugrundeliegen, im eigentlichsten Sinne Wesenheiten genannt; wie aber die ersten Wesenheiten sich zu allem übrigen verhalten, so auch die Arten und Gattungen der ersten Wesenheiten zu allen restlichen: Von diesen wird alles restliche ausgesagt; diesen bestimmten Menschen wird man schriftkundig nennen, mithin wird man »schriftkundig« auch über »Mensch« und »Lebewesen« aussprechen. Entsprechend auch bei allem anderen. Gemeinsam (gilt) von jeder Wesenheit, daß sie nicht an einem Zugrundeliegenden vorkommt. Die erste Wesenheit wird weder von einem Zugrundeliegenden ausgesagt, noch kommt sie an einem Zugrundeliegenden vor. Von den zweiten Wesenheiten ist auch folgendermaßen deutlich, daß sie nicht an Zugrundeliegendem vorkommen: »Mensch« wird ja zwar von einem Zugrundeliegenden, nämlich einem bestimmten Menschen, ausgesagt, kommt aber daran als Zugrundeliegendem nicht vor – denn an dem bestimmten Menschen findet sich »Mensch« nicht vor –; ebenso wird auch »Lebewesen« zwar von Zugrundeliegendem ausgesagt, dem bestimmten Menschen, aber »Lebewesen« findet sich an dem bestimmten Menschen nicht vor. –
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Weiter, bei den (Bestimmungen), die an einem Zugrundeliegenden vorkommen, hindert nichts, die Bezeichnung gelegentlich von dem Zugrundeliegenden auszusagen, bei dem Begriff (davon) ist das aber unmöglich; von den zweiten Wesenheiten dagegen wird ebenso der Begriff von dem Zugrundeliegenden ausgesagt wie auch die Wortbezeichnung – den Begriff »Mensch« wird man von dem bestimmten Menschen aussagen und auch den von »Lebewesen«. Mithin gehörte also Wesenheit nicht zu den (Bestimmungen, die) an einem Zugrundeliegenden (vorkommen). – Das ist aber keine Eigentümlichkeit von Wesenheit, sondern auch der Unterschied gehört zu den (Bestimmungen, die) nicht an einem Zugrundeliegenden (vorkommen): »Fußgänger« und »zweifüßig« werden zwar von »Mensch« als Zugrundeliegendem ausgesagt, kommen aber an Zugrundeliegendem nicht vor – nicht an dem Menschen findet sich »zweifüßig« oder »zu Fuß gehend« vor –. Auch der Begriff des Unterschiedes wird (von dem) ausgesagt, wovon immer der Unterschied ausgesagt wird, z. B. wenn »zu Fuß gehend« von »Mensch« ausgesagt wird, so wird auch der Begriff von »zu Fuß gehend« von »Mensch« ausgesagt werden, – der Mensch ist doch ein Fußgänger. – Es soll uns aber nicht durcheinanderbringen, daß die Teile von Wesenheiten an dem jeweiligen Ganzen wie an Zugrundeliegendem vorkommen, daß wir nicht etwa gezwungen sind zu sagen, das wären keine Wesenheiten; das »an einem Zugrundeliegenden« war doch so nicht bestimmt, als wie Teile von etwas darin enthalten zu sein. Es trifft aber den Wesenheiten und den Unterschieden zu, daß alle von ihnen aus gebildeten Aussagen in begriffsgleicher Weise erfolgen; alle von diesen (hergeleiteten) Aussagen werden entweder vom Unteilbaren ausgesagt oder von den erscheinenden Arten. Von der ersten Wesenheit geht zwar keine Aussage aus – sie wird ja von keinem Zugrundeliegenden ausgesagt –, von den zweiten Wesenheiten wird die Art vom Unteilbaren ausgesagt, die Seinsgattung sowohl von der Erscheinungsart wie auch vom Unteilbaren. Entsprechend werden
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auch die Unterschiede sowohl von den Arten wie auch vom Unteilbaren ausgesagt. Und auch den Begriff übernehmen die ersten Wesenheiten mit, den der erscheinenden Arten und den der Seinsgeschlechter, und die Art ihrerseits den der Seinsgattung. Alles, was nämlich vom Ausgesagten gesagt wird, wird damit auch vom Zugrundeliegenden ausgesprochen. Entsprechend übernehmen sie auch den Begriff der Unterschiede mit, sowohl die erscheinenden Arten wie auch die Unteilbaren; begriffsgleich bedeutete doch: »... deren Bezeichnung gemeinsam ist wie auch der Begriff der gleiche«. Daher alles von den Wesenheiten und den Unterschieden Abgeleitete in begriffsgleicher Weise ausgesagt wird. Jede Wesenheit scheint ein »dieses-da« zu bedeuten. Bei den ersten Wesenheiten ist unbestreitbar und wahr, daß sie je ein »dieses-da« meint: Unteilbar und eines an Zahl ist doch je das Bezeichnete. Bei den zweiten Wesenheiten scheint es gleicherweise aufgrund der Form der Ansprache, als ob sie ein »dieses-da« meinten, wenn man etwa sagt: »Mensch« oder »Lebewesen«. Das ist aber nicht wahr, sondern das bedeutet eher »so-und-so-geartet«, – denn das Zugrundeliegende ist hier nicht eines, wie die erste Wesenheit, sondern über vieles wird »Mensch« ausgesagt und »Lebewesen«. Allerdings nicht ohne Einschränkung bedeutet es ein »so-und-so-geartet«, wie etwa »weiß«; »weiß« bedeutet nämlich nichts anderes als (nur) »derart«, Erscheinungsart und Seinsgattung dagegen legen bezüglich einer Wesenheit ihr »derartig« fest: sie machen kenntlich, (um) »was für eine« Wesenheit (es sich je handelt). – Es ist über einen weiteren Umfang, wenn man die Abgrenzung mithilfe der Seinsgattung als als wenn man sie mithilfe der Erscheinungsart macht: Wer »Lebewesen« sagt, umgreift einen größeren Bereich, als wer »Mensch« (sagt). Es trifft den Wesenheiten auch zu, daß es zu ihnen kein Gegenteil gibt. Was sollte denn zu einer ersten Wesenheit auch gegensätzlich sein? Z. B. zu diesem einen, bestimmten Menschen ist nichts gegensätzlich, und auch zu »Mensch« oder »Lebewesen« gibt es kein Gegenteil. Das ist jedoch der Wesenheit nicht eigentümlich, sondern (gilt) auch von vielem anderen,
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z. B. von »so-und-so-viel«: Zu »zwei Ellen lang« gibt es kein Gegenteil und zu »zehn« auch nicht und zu keiner derartigen (Bestimmung), wenn nicht etwa jemand sagen wollte, »viel« sei das Gegenteil zu »wenig« oder »groß« das von »klein«; von den genau bestimmten Vielheiten ist aber keine zu irgendeiner anderen das Gegenteil. Es scheint die Wesenheit ein Mehr oder Minder nicht zusätzlich an sich zu nehmen. Damit sage ich nicht, daß nicht eine Wesenheit dies in höherem Maße ist als eine andere – daß das so ist, ist ja gesagt –, sondern daß eine jede Wesenheit das, was sie denn ist, nicht in stärkerem oder minderem Maße genannt wird; z. B. wenn diese Wesenheit »Mensch« ist, so wird das nicht mehr oder weniger Mensch sein, weder an sich selbst gemessen noch als etwas Verschiedenes an einem anderen. Denn es ist nicht einer »mehr Mensch« als ein anderer, so wie ein »weiß« weißer sein kann als ein anderes und ein »schön« schöner als ein anderes; und auch an sich selbst gemessen sagt man hier »mehr oder weniger« aus, z. B. ein Körper, der weiß ist, wird – jetzt oder früher – »weißer« genannt, und einer, der warm ist, wird »wärmer« und »weniger warm« genannt. Die Wesenheit dagegen wird keinesfalls »mehr oder weniger (das)« genannt – es wird ja ein Mensch jetzt nicht mehr Mensch als früher genannt und auch nichts anderes von allem, was da Wesenheit ist. Daher, es dürfte wohl die Wesenheit das Mehr und Minder nicht zusätzlich an sich nehmen. – Das am stärksten Eigentümliche der Wesenheit scheint zu sein, daß das, was da mit sich selbig und der Zahl nach eines ist, fähig ist, die gegenteiligen Bestimmungen an sich zu nehmen. Eine derartige Eigenschaft könnte bei allem anderen wohl keiner vorbringen [...], was da eines an Zahl wäre und doch Gegensätzliches an sich nimmt; z. B. »Farbe«, die da eine und dieselbe der Zahl nach ist, wird nicht »weiß und schwarz« sein, auch eine einheitliche und dieselbe Handlung wird nicht »nichtsnutzig und tüchtig« sein, ebenso bei allem anderen, was da nicht Wesenheit ist. Die Wesenheit dagegen, die da eines und dasselbe der Zahl nach ist, ist in der Lage, gegensätzliche Bestimmungen anzunehmen; z. B. dieser be-
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stimmte Mensch, der einer und derselbe ist, wird mal weiß mal schwarz, mal warm und kalt und nichtsnutzig und tüchtig. Bei keinem unter allem übrigen tritt etwas derartiges in Erscheinung, wenn denn nicht jemand hier einreden wollte, indem er behauptet, »Rede« und »Meinung« gehörten auch hierher; denn eine und dieselbe Aussage scheint wahr und falsch sein zu können, z. B., wenn der Satz wahr wäre: »Jemand sitzt.«, dann wird, wenn der aufsteht, dieser selbe (Satz) falsch sein; ebenso auch bei der Meinung: Wenn einer wahrheitsgemäß meinte: »Da sitzt jemand.«, so wird, sobald der aufgestanden ist, der, welcher (immer noch) die gleiche Meinung über ihn hat, darüber falsch vermuten. Wollte man das auch zusätzlich annehmen, so unterscheidet sich das doch durch den Verlauf: Einerseits bei den Wesenheiten, da ändern sich die Dinge selbst, die fähig sind, Gegensätze an sich zu nehmen – was da aus einem Warmen kalt geworden ist, hat sich gewandelt, es hat ja Andersartigkeit angenommen, und aus einem Weißen schwarz, und aus einem Nichtsnutzigen tüchtig, entsprechend auch bei allem anderen: Ein jedes ist fähig, Gegensätze an sich zu nehmen dadurch, daß es selbst Wandel annimmt –; dagegen Rede und Meinung sind selbst unveränderlich und bleiben in jeder Weise durchaus (was sie sind), dadurch aber, daß der Sachverhalt sich bewegt, gerät das Gegenteil über sie. Der Satz bleibt ja derselbe, der da sagt: »Da sitzt einer.«, durch die Bewegung des Sachverhalts wird er mal wahr, dann falsch; entsprechend bei der Meinung. Also wäre es wenigstens dem Verlaufe nach eine Eigentümlichkeit der Wesenheit, daß sie über Veränderung an ihr selbst fähig wird, Gegensätzliches an sich zu nehmen. Wenn einer nun ganz entschieden auch das dazunehmen wollte, daß Meinung und Rede fähig seien, das Gegensätzliche an sich zu nehmen: – das ist aber nicht wahr. Denn von Rede und Meinung wird nicht deswegen, daß sie einen der Gegensätze annehmen, gesagt, sie könnten das, sondern deswegen, weil an einem von ihnen Verschiedenen dies Ereignis aufgetreten ist, – aufgrund davon, daß der (jeweilige) Sachverhalt besteht oder nicht besteht, wird auch der (ihn beschreibende) Satz wahr oder falsch genannt, nicht des-
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wegen, weil er selbst fähig wäre, diese Gegensätze an sich zu nehmen. Schlechterdings überhaupt nicht, von gar nichts werden Rede und Meinung verändert, daher sie denn nicht fähig wären, Gegensätze an sich zu nehmen, wo doch an ihnen selbst nichts geschieht. Dagegen wird die Wesenheit aufgrund dessen, daß sie selbst die Gegensätze an sich nimmt, aufnahmefähig für die Gegensätze genannt: Krankheit und Gesundheit nimmt sie an, und weiße und schwarze Farbe, und indem sie eine jede derartige (Bestimmtheit) selbst annimmt, sagt man von ihr, sie sei für die Gegensätze aufnahmefähig. Daher dürfte es wohl eine Eigentümlichkeit der Wesenheit sein, daß, was eines und dasselbe der Zahl nach ist, aufnahmefähig für die Gegensätze ist. Über Wesenheit soll nun also so viel gesagt sein. – Kapitel 6. An dem, was »so-und-so-viel« ist, (ist zu unterscheiden) einerseits, was feste Grenzen in sich hat, andererseits Zusammenhängendes, und das eine davon besteht aus Teilen darin, die gegen einander eine Anordnung haben, das andere nicht aus solchen, die Anordnung haben. Abgegrenzte (Vielheit) ist z. B. Zahl, (gesprochene) Rede, zusammenhängende (ist) Strich, Oberfläche, Körper, außerdem daneben noch Zeit, Ort. – Die Teile von Zahl haben keine gemeinsame Grenze, an der die Teile davon einander berühren; wenn z. B. »fünf« Teil von »zehn« ist, so kommen an keiner gemeinsamen Grenze die fünf und fünf zur Berührung, sondern sie sind abgegrenzt; und die drei und die sieben kommen auch an keiner gemeinsamen Grenze zur Berührung. Und überhaupt kann man bei Zahl wohl nicht eine gemeinsame Grenze der Teile ergreifen, sondern das ist immer abgegrenzt. Daher gehört Zahl auf die Seite der abgegrenzten (Bestimmungen). – Entsprechend gehört auch Rede zu den Abgegrenzten; – daß Rede ein »so-und-so-viel« ist, ist einsichtig: Sie wird ja gemessen mithilfe langer und kurzer Silbe; ich meine damit eben unter Stimmgebrauch zustandegekommene Rede –; an keiner gemeinsamen Grenze berühren einander ihre Teile; da ist ja keine gemeinsame Grenze, an der die Silben sich berühren, sondern eine jede ist für sich abgegrenzt. –
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Der Strich dagegen ist ein Zusammenhängendes; man kann nämlich eine gemeinsame Grenze greifen, an der seine Teile einander berühren, den Punkt. Und von der Oberfläche (ist diese gemeinsame Grenze dann) der Strich, – die Teile von Fläche berühren einander eben an einer gemeinsamen Grenze –; entsprechend kann man auch beim Körper eine gemeinsame Grenze greifen, eine Kante oder eine Oberfläche, an der die Teile des Körpers einander berühren. – Es gehört auch die Zeit und der Ort zu den derartigen (Bestimmungen); die Jetztzeit berührt sich doch mit der vergangenen und der bevorstehenden. Und der Ort wieder gehört zum Zusammenhängenden; es ist doch ein Ort, den die Teile des Körpers einnehmen, die da an einer gemeinsamen Grenze sich berühren; also auch die Teile von Ort, die da durch einen jeden der Teile von Körper eingenommen sind: sie werden sich an der gleichen Grenze berühren, an der das auch die Teile des Körpers tun. Daher ist ja wohl auch der Ort ein Zusammenhängendes: an einer einzigen, gemeinsamen Grenze berühren einander seine Teile. Weiter, die einen Dinge bestehen aus Teilen in ihnen, die zueinander eine Anordnung haben, die anderen nicht aus solchen, die eine haben; z. B. die Teile einer Geraden haben Anordnung zueinander: Jeder von ihnen liegt an einer bestimmten Stelle, und man kann doch erfassen und angeben, wo ein jeder in der Fläche liegt und mit welchem der übrigen Teile er sich berührt. Entsprechend haben auch die Teile einer Fläche eine bestimmte Anordnung; in gleicher Weise kann ja wohl angegeben werden, wo ein jeder liegt und welche berührend aneinanderstoßen. Und die Verhältnisse beim festen (Körper) entsprechend und die beim Ort. Bei der Zahl dagegen wüßte wohl keiner zu ersehen, daß ihre Teile irgendeine Lage zu einander hätten oder irgendwo liegen, oder welche unter den Teilen in Berührung zueinander kommen. Auch nicht die von Zeit; es hat nämlich keins der Teile von Zeit Bestand, was aber nicht beständig ist, wie sollte das irgendeine Lage haben können? Stattdessen könnte man eher sagen, sie haben eine Art Reihe, dadurch daß ein
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Zeitstück früher ist, das andere später. Und bei Zahl dann genauso, dadurch daß »eins« früher gezählt wird als »zwei«, und »zwei« (früher) als »drei«. Und so haben sie denn wohl eine Reihe, eine Lage kann man hier durchaus nicht greifen. Und mit Rede entsprechend: Keins ihrer Teile hat Bestand, sondern gesagt ist dies und ist nicht mehr zu fassen, daher es keine Lage ihrer Teile gibt, wenn doch keins Bestand hat. Also: Die einen Dinge bestehen aus Teilen, die eine Anordnung haben, die anderen nicht aus solchen, die eine haben. In eigentlicher Bedeutung »vielheitlich« wird dies allein genannt, was vorgetragen ist, alle anderen Bestimmungen nur in beiläufiger Folge so; indem wir auf diese nämlich hinblicken, nennen wir auch alles übrige »so-und-so-viel«, z. B. wird das Weiß »viel« genannt, dadurch daß da viel (weiße) Fläche ist, und man spricht von »viel Arbeit« aufgrund dessen, daß das lange Zeit dauert, und auch von »langer Bewegung« (spricht man, aus dem gleichen Grunde). Denn ein jedes davon wird nicht an sich »so-und-so-viel« genannt; z. B. wenn jemand angeben will, wie groß der Arbeitsumfang ist, so wird er das mittels der Zeit bestimmen, indem er sie als »ein Jahr in Anspruch nehmend« oder ähnlich angibt, und wenn er von »weiß« angeben will, es sei so und so viel, so wird er es nach der (davon bedeckten) Fläche bemessen, – wie groß nämlich die Oberfläche ist, »so viel weiß«, wird er sagen, sei da. Also: Ausschließlich im eigentlichen Sinn und an und für sich wird »so-und-so-viel« das genannt, was vorgetragen ist, von den anderen (Bestimmungen) keine an ihr selbst, sondern wenn denn schon, so in beiläufiger Folge. Weiter, zu Vielheitlichem gibt es kein Gegenteil, – bei den genau bestimmten Größen ist es ja einsichtig, daß es zu ihnen kein Gegenteil gibt, z. B. zu »zwei Ellen lang« oder »drei Ellen lang« oder dieser (so und so großen) Fläche oder (überhaupt) zu etwas derart – da ist gar kein Gegenteil –, wenn nicht einer sagen wollte, »viel« sei doch zu »wenig« das Gegenteil und »groß« zu »klein«. Aber davon ist ja nichts ein »so-undsoviel«, sondern die gehören zum »im Verhältnis zu ...«; nichts wird doch an sich selbst »groß« genannt oder »klein«, sondern
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es wird damit auf ein anderes bezogen, z. B. wird ein Berg wohl »klein« genannt, ein Hirsekorn aber »groß«, aufgrund dessen daß es größer ist als seine Artgenossen, er aber kleiner als seine Nachbarn. Es erfolgt also damit der Bezug auf ein anderes, denn wenn »groß« oder »klein« an und für sich ausgesagt würden, würde nie der Berg »klein« genannt, das Hirsekorn aber »groß«. Und wieder, wir sagen (gelegentlich): »In dem Dorf sind aber viele Leute.«, und: »In Athen sind wenig«, wo das doch vielmal so viele sind wie die (im Dorf), und: »Im Haus sind viele, im Theater aber wenige«, wo doch die wenigen im Theater bedeutend mehr sind (als die im Haus). – Weiter, »zweiellig« und »dreiellig« und alles derart bedeutet ein »so-und-so-viel«, dagegen »groß« oder »klein« bedeutet nicht ein »so-und-so-viel«, sondern eher ein »im Verhältnis zu ...«: Auf ein anderes hin wird »groß« und »klein« angesehen; daher denn einsichtig ist: Dies gehört zum »im Verhältnis zu ...«. – Weiter, ob nun einer sie ansetzt, »so-und-so-viele« zu sein, oder ob er sie nicht so setzt, ein Gegenteil haben sie in jedem Falle nicht; was doch gar nicht für sich zu greifen ist, sondern immer nur auf etwas anderes hin bezogen, wie sollte es dazu wohl ein Gegenteil geben? – Weiter, wenn »groß« und »klein« Gegensätze sind, so wird eintreten, daß ein und dasselbe gleichzeitig die Gegensätze an sich nimmt, es also Dinge gibt, die in sich widersprüchlich sind. Es ergibt sich ja, daß ein und dasselbe gleichzeitig groß und klein ist – im Verhältnis zu dem ist es nämlich klein, im Verhältnis zu einem anderen ist eben dieses groß –, sodaß eintritt, daß es denn also gleichzeitig die Gegensätze an sich nähme. Dagegen: Nichts nimmt offenbar gleichzeitig Gegensätze an sich; z. B., was die Wesenheit betrifft: Sie ist offenbar fähig, Gegensätze anzunehmen, aber kein eines ist gleichzeitig krank und gesund, und auch nicht weiß und schwarz ist es zugleich, und auch von allem übrigen nimmt nichts gleichzeitig die Gegensätze an sich. Und es tritt auch ein, daß die Dinge selbst mit sich in Widerspruch geraten; wenn doch »groß« dem »klein« entgegen-
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gesetzt ist und nun ein und dasselbe zugleich groß und klein ist, dann wäre es selbst mit sich im Gegensatz. Aber es gehört ja zu den Unmöglichkeiten, daß etwas mit sich selbst im Gegensatz ist. – Es ist also »groß« dem »klein« nicht entgegengesetzt und »viel« nicht dem »wenig«, daher, wenn es einer auch sagen wird, daß die nicht zum »im Verhältnis zu ...«, sondern zum »so-und-so-viel« gehören, sie doch kein Gegenteil haben werden. – Am meisten aber scheint die Gegensätzlichkeit im Bereich des »so-und-so-viel« beim Ort vorzuliegen; denn »oben« und »unten« setzt man als Gegenteil, wobei man den Platz um die Mitte (des Alls) herum »unten« nennt, weil diese Mitte den meisten Abstand zu den Grenzen der Welt hat. Sie scheinen auch die Begriffsbestimmung aller übrigen Gegensätze davon abzuziehen: Das, was am meisten von einander entfernt steht, von dem, was in die gleiche Seinsgattung gehört, das bestimmen sie als gegensätzlich. Es scheint aber das »so-und-so-viel« das »mehr« und »minder« nicht an sich zu nehmen, z. B. »zwei Ellen lang« – da ist nicht das eine »mehr zwei Ellen lang« als ein anderes; auch nicht bei der Zahl, z. B. ist »drei« nicht in höherem Maße drei, wenn man sie an »fünf« hält, auch nicht eine »Drei« mehr als eine andere; und überhaupt bei den genannten (Bestimmungen) nicht: Über keine wird das »mehr« oder »minder« ausgesagt. Daher nimmt das »so-und-so-viel« das »mehr oder minder« nicht an sich. Eine ganz besondere Eigentümlichkeit des »so-und-so-viel« ist, daß hier von »gleich« und »ungleich« gesprochen wird. Jedes der genannten »Irgendwievielen« wird ja »gleich« und »ungleich« genannt, z. B. einen Körper nennt man »gleich (groß)« und »ungleich(groß)«, und Zahl wird »gleich« und »ungleich« genannt und Zeit auch »gleich« und »ungleich«; entsprechend auch bei allem übrigen Genannten: Ein jedes wird da »gleich« und »ungleich« genannt. Bei allem übrigen, was da nicht ein »so-und-so-viel« ist, scheint es ja doch durchaus nicht so, daß man es »gleich« oder »ungleich« nennt, z. B. eine Befindlichkeit wird durchaus
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nicht »gleich(groß)« oder »ungleich(groß)« genannt, sondern eher »ähnlich«, und »weiß« durchaus nicht »gleich« oder »ungleich«, sondern »ähnlich«. Daher wäre eine ganz besondere Eigentümlichkeit des »so-und-so-viel«, daß da von »gleich« und »ungleich« gesprochen wird. Kapitel 7. »Im-Verhältnis-zu ...« wird solches genannt, bei dem man sagt, daß das, was es selbst ist, von einem anderen sich herleitet oder (das) irgendwie anders auf ein von ihm Verschiedenes (bezogen ist). Z. B. »größer« ist das, was es ist, (je) »als ein anderes« – man sagt doch: »Größer als etwas« –, und »doppelt so viel« wird mit Bezug auf ein anderes das genannt, was es ist – man sagt: »Doppelt so viel wie ...« –; entsprechend auch bei allem anderen, was derart ist. – Es gehören aber auch folgende (Bestimmungen) zu den »im Verhältnis zu ...« wie: Verhalten, Befindlichkeit, Wahrnehmung, Wissen, Lage; von all den Genannten sagt man, daß sie das, was sie sind, in Beziehung auf anderes sind, und nichts anderes: Sich-Verhalten wird als »Sich-Verhalten-zu-etwas« ausgesagt, Wissen als »Wissen-von-etwas« und Lage als »Lage-im-Verhältnis-zu-etwas«, und alles übrige genauso. »Im Verhältnis zu ...« ist also alles, von dem man sagt, daß das, was es selbst ist, von der Beziehung auf ein anderes herkommt, oder was irgendwie anders auf ein von ihm Verschiedenes (bezogen ist). Z. B., ein Berg wird »hoch« genannt im Vergleich zu einem anderen – »hoch im Verhältnis zu ...«, sagt man von dem Berg –, und was ähnlich ist, spricht man als »ähnlich wie ...« an, und alle übrigen derartigen Bestimmungen werden entsprechend »im Verhältnis zu ...« ausgesagt. Es sind auch Liegen, Stand, Sitz bestimmte Formen von Lage, Lage aber gehört zu den (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...«; dagegen das Sichniederlegen, Aufstehen, Sichhinsetzen sind selbst keine Lagen, sie werden aber in Ausdrücken, die von den genannten Lagen abgeleitet sind, ausgesprochen. Es kommt auch Gegensätzlichkeit unter diesen (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...« vor, z. B. ist die Tüchtigkeit dem Versagen entgegengesetzt, jedes der beiden ist ein »im Verhältnis zu ...«, und das Wissen der Unwissenheit. Aller-
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dings nicht allen den »im Verhältnis zu ...« trifft ein Gegenteil zu: »Doppelt« hat nämlich kein Gegenteil, »dreifach« auch nicht und von den derartigen keines. – Es scheinen aber die (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...« das »mehr und minder« an sich zu nehmen: »Ähnlich« nennt man doch etwas »in stärkerem oder geringerem Maße«, und bei »ungleich« sagt man auch »mehr oder weniger«, beides davon ist im Verhältnis zu etwas: Ähnlich wird als »ähnlich wie ...« ausgesagt und ungleich als »ungleich dem ...« Allerdings nicht alles nimmt hier das »mehr und minder« an: »Doppelt« wird nicht als »mehr oder weniger doppelt« ausgesagt, und (überhaupt) von derartigem nichts. Alle Bestimmungen »im Verhältnis zu ...« werden in wechselseitiger Entsprechung ausgesagt, z. B. der Sklave wird als »eines Herrn Sklave« gemeint und der Herr als »eines Sklaven Herr« ausgesagt, und »doppelt« ist die »Verdoppelung eines Halben« und »halb« die »Halbierung eines Doppelten«, und »größer« (meint) »größer als ein Kleineres«, und »kleiner« (ist) »kleiner als ein Größeres«; entsprechend auch bei allem übrigen, nur, der Beugungsform nach wird sich das manchmal in der Aussprache unterscheiden; z. B. Wissen wird als »Wissen von Wißbarem« ausgesprochen, und Wißbares ist »durch Wissen wißbar«, und Wahrnehmung ist »Wahrnehmung des Wahrnehmbaren«, und Wahrnehmbares ist »wahrnehmbar mithilfe der Wahrnehmung«. Indessen manchmal scheint die Entsprechung nicht zu bestehen, wenn das, im Verhältnis wozu es ausgesagt wird, nicht in passender Weise angegeben ist, sondern der Angebende da Fehler macht; z. B. wenn »Flügel« angegeben wird als »... eines Vogels«, so gilt die Umkehrung, »Vogel eines Flügels«, nicht; es ist dann nämlich nicht sachgemäß das unmittelbar Nächstliegende wiedergegeben mit »Flügel eines Vogels«, – denn nicht über die Beziehung, daß er ein Vogel ist, wird über ihn »Flügel« ausgesagt, sondern insofern er zu »geflügelt« gehört: viele andere (Tiere) haben ja auch Flügel, die keine Vögel sind. – Daher, wenn sachgemäß angegeben wird, dann gilt auch die entsprechende Umkehrung, z. B.: Flügel ist »Flügel eines
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Geflügelten«, und das Geflügelte (ist) »über Flügel geflügelt«. – Gelegentlich ist es vielleicht sogar notwendig, wortschöpferisch tätig zu sein, wenn keine vorliegende Bezeichnung da ist, auf die hin sachgemäß die Angabe gemacht werden könnte. Z. B., wenn »Steuerruder« als »... des Schiffes« angegeben würde, so (wäre) diese Angabe nicht sachgemäß: Nicht über die Verbindung, daß es ein Schiff ist, wird von ihm das Steuerruder ausgesagt, es gibt ja auch Schiffe, die kein Steuerruder haben; deshalb geht keine Umkehrung: Schiff wird nicht als »eines Steuerruders Schiff« ausgesagt. Dagegen wäre vielleicht die Angabe sachgemäßer, wenn irgendwie so angegeben würde: Steuerruder (ist) »Ruder eines Steuerbaren«, oder so ähnlich, – eine Bezeichnung dafür liegt nicht fest. Da gilt dann auch die Umkehrung, wenn das sachgemäß wiedergegeben ist: Steuerbar (ist) »durch ein Ruder steuerbar«. Entsprechend auch bei allem übrigen, z. B. wäre »Haupt« wohl sachgemäßer wiedergegeben als »eines Be-Haupteten« denn »eines Lebewesens« angegeben. Nicht insofern es ein Lebewesen ist, hat es ja ein Haupt, viele unter den Lebewesen haben ja kein Haupt. Folgendermaßen könnte man vielleicht am leichtesten erfassen, wofür es da keine Bezeichnungen gibt, wenn man von unmittelbar Nächstliegendem aus auch dem, was ihm da umgekehrt entsprechen soll, die Namen gäbe, wie bei dem oben Genannten: Von »Flügel« »geflügelt« und von »Steuerruder« »steuerbar«. Alle die Dinge »im Verhältnis zu ...« werden mithin, wenn sie nur sachgemäß angegeben werden, im Verhältnis zu umgekehrt Entsprechendem ausgesagt. – Indessen, wenn sie in Beziehung auf ein beliebig Herbeigerafftes angegeben werden und nicht in Beziehung auf das, als was es ausgesagt wird, besteht eine Umkehrung nicht. Ich meine damit: Auch bei eingestandenermaßen in Bezug auf umgekehrt Entsprechendes Ausgesagtem, und wenn dafür auch Bezeichnungen bereitstehen, wird nichts umgekehrt entsprechen, wenn die Angabe im Hinblick auf irgend etwas nur beiläufig Mitgemeintes erfolgt und nicht im Hinblick auf das, als was es da ausgesprochen wird; z. B. wenn »Sklave« nicht als »... eines Herrn« angegeben wird, sondern als »... eines Men-
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schen« oder »... eines Zweifüßigen«, oder wessen auch immer derart, dann gibt es keine entsprechende Umkehrung: diese Angabe war nicht sachgemäß. Weiter, wenn es nun sachgemäß angegeben ist im Hinblick auf das, als was es ausgesprochen wird, nach Fortnahme aller übrigen Bestimmungen, soviel da beiläufig mitgemeint sind, und wenn nur das allein zurückbleibt, im Hinblick auf welches es sachgemäß angegeben wurde, dann wird es immer im Verhältnis zu diesem ausgesagt werden. Z. B. wenn der Sklave »im Verhältnis zum Herrn« so genannt wird, nach Fortnahme von allem, was da dem »Herrn« beiläufig mitfolgt, z. B. »zweifüßig sein«, »fähig sein, sich Wissen anzueignen«, »Mensch sein«, und wenn dann allein das »Herr sein« übrigbleibt, so wird der Sklave immer im Verhältnis zu diesem so genannt werden: »Sklave« wird ausgesagt als »eines Herrn Sklave«. Wenn andererseits nicht sachgemäß angegeben worden ist im Hinblick auf das, als was es ausgesagt wird, und wenn zwar alles übrige fortgenommen wird und nur das übrigbleibt, im Hinblick auf das es angegeben war, so wird es nicht im Verhältnis zu diesem ausgesagt werden. Es soll einmal angegeben sein »Sklave« mit »... eines Menschen« und »Flügel« mit »... eines Vogels«, und es soll fortgenommen sein von »Mensch« dessen »Herr-sein«: Nicht mehr wird »Sklave« im Verhältnis zu »Mensch« ausgesagt werden – wenn nämlich kein Herr ist, so ist auch kein Sklave –; entsprechend soll auch von »Vogel« fortgenommen sein das »Geflügelt-sein«: Nicht mehr wird »Flügel« zu den Bestimmungen »im Verhältnis zu ...« gehören; wenn nämlich es kein Geflügeltes gibt, so wird auch kein »Flügel von etwas« sein. Daher: Man muß die Angabe machen im Verhältnis zu dem, als was es je sachgemäß ausgesagt wird, und wenn eine vorliegende Bezeichnung da ist, dann fällt die Angabe leicht, ist aber keine da, so ist es wohl nötig, Wortschöpfung zu betreiben. Wenn das in der Weise angegeben wird, so ist einsichtig: Alle (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...« werden im Verhältnis zu umgekehrt entsprechenden (Bestimmungen) ausgesagt werden.
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Es scheinen die (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...« von ihrer Naturbeschaffenheit her zugleich zu bestehen. Und bei den meisten ist das auch wahr: »Doppelt« und »halb« bestehen zugleich, und wo ein »halb« ist, ist auch ein »doppelt«, und wenn »Sklave« ist, ist auch »Herr«; ähnlich wie dies auch alles übrige. – Und das hebt sich gegenseitig auch auf: Wo kein »doppelt« ist, da auch kein »halb«, und wo kein »halb« ist, da auch kein »doppelt«. Entsprechend auch bei allem anderen, was da derartig ist. – Allerdings nicht bei allen den »im Verhältnis zu ...« scheint es wahr zu sein, daß sie ihrer Naturbeschaffenheit nach zugleich bestehen: Das Wißbare scheint ja wohl früher zu bestehen als das Wissen davon; denn in den meisten Fällen eignen wir uns Kenntnisse von Tatbeständen an, die schon vorliegen; nur bei wenigen (Gegenständen), oder so gut wie keinem, könnte man wohl sehen, daß Wißbares und das Wissen davon zugleich auftreten. – Weiter, wird »wißbar« gestrichen, so hebt das auch »Wissen davon« auf, dagegen Wissen hebt das Wißbare nicht auf; wo kein Wißbares ist, da ist auch kein Wissen davon – es wäre ja dann nur noch ein Wissen von nichts –, wenn dagegen Wissen nicht da ist, so hindert nichts, daß es Wißbares doch gibt. Beispiel: Die Vierecksumwandlung des Kreises – wenn das etwas Erforschbares ist, so gibt es zwar davon noch kein Wissen, (das Verfahren) selbst ist aber wißbar. – Weiter, würde »Lebewesen« gestrichen, so gibt es kein Wissen, von Wißbarem dagegen kann noch viel sein. – Ähnlich wie damit ist es auch bei den Verhältnissen der Wahrnehmung: Das Wahrnehmbare scheint früher da zu sein als die Wahrnehmung davon; wird »wahrnehmbar« fortgenommen, so hebt das auch »Wahrnehmung« mit auf, »Wahrnehmung« dagegen hebt »wahrnehmbar« nicht mit auf. Die Wahrnehmungen spielen sich nur um den Leib herum ab und sind an ihm; wird »wahrnehmbar« aufgehoben, so ist damit auch »Leib« aufgehoben – zu den wahrnehmbaren Dingen gehört doch auch der Leib –, wo aber »Leib« nicht ist, da ist auch »Wahrnehmung« aufgehoben, daher hebt »wahrnehmbar« »Wahrnehmung« mit auf. Dagegen »Wahrnehmung« das
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»wahrnehmbar« nicht; würde »Lebewesen« gestrichen, so ist damit zwar »Wahrnehmung« aufgehoben, Wahrnehmbares aber wird es geben: Körper, warm, süß, bitter und alles übrige, was da alles wahrnehmbar ist. – Weiter, Wahrnehmung entsteht zugleich mit Wahrnehmungsfähigem – gleichzeitig treten doch auf: Lebewesen und Wahrnehmung –, das Wahrnehmbare ist aber schon da, bevor es Wahrnehmung gibt – Feuer nämlich und Wasser und die derartigen (Stoffe), aus denen auch das Lebewesen zusammentritt, sind schon da, auch bevor es überhaupt Lebewesen gibt oder Wahrnehmung –; daher dürfte also das Wahrnehmbare früher als die Wahrnehmung sein. Es hat aber eine Schwierigkeit (zu entscheiden), ob keine Wesenheit unter den (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...« ausgesagt wird, so wie es denn scheint, oder ob dies doch sein kann für einige unter den zweiten Wesenheiten. Bei den ersten Wesenheiten ist es ja wahr: Weder das je Ganze (von ihnen) noch ihre Teilstücke werden als »im Verhältnis zu ...« ausgesagt: Dieser bestimmte Mensch wird nicht als »jemandes Mensch« ausgesprochen und dies bestimmte Rind nicht als »dies Rind im Verhältnis zu ...«; genauso auch die Teilstücke: Diese bestimmte Hand wird nicht als »diese Hand im Verhältnis zu etwas« ausgesagt, wohl aber als »jemandes Hand«, und dieser bestimmte Kopf wird nicht ausgesprochen als »dieser Kopf im Hinblick auf etwas«, sondern als »jemandes Kopf«. Genau so ist es auch bei den zweiten Wesenheiten, jedenfalls bei den meisten; z. B. »Mensch« wird nicht genannt »in einer Hinsicht auf etwas Mensch«, und »Rind« nicht »in Hinsicht auf etwas Rind«, und auch nicht »Holz« als »in Anbetracht von irgendetwas Holz«, dagegen, »jemandes Besitz« wird gesagt. Bei den derartigen (Bestimmungen) ist also einsichtig, daß sie nicht zu den »im Verhältnis zu ...« gehören, bei einigen von den zweiten Wesenheiten hat das aber Stoff zum Streit; z. B. »Kopf« wird als »jemandes Kopf« gemeint und »Hand« als »jemandes Hand« und jedes derart, daher dies denn anscheinend zu den »im Verhältnis zu ...«-(Bestimmungen) gehören möchte. –
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Wenn nun die Begriffsbestimmung von »im Verhältnis zu ...« hinreichend abgeliefert ist, gehört es zu den ganz schwierigen, wenn nicht gar unmöglichen Dingen, es umzustoßen, daß keine Wesenheit unter den »im Verhältnis zu ...« ausgesagt wird; falls (sie) aber nicht hinreichend (war), sondern solche (Dinge) »im Verhältnis zu ...« sind, für die ihr Sein gleichbedeutend ist mit »irgendwie sich zu etwas verhalten«, dann könnte vielleicht etwas dagegen gesagt werden. Die frühere Begriffsbestimmung folgt zwar allen den »im Verhältnis zu ...«, indessen, das ist ihnen ihr »Im-Verhältnis-zu ... -Sein« nicht, daß sie das, was sie sind, nur in Abhängigkeit von anderem genannt würden. Aus diesem ist klar: Wenn jemand eins dieser »im Verhältnis zu ...« auf fest bestimmte Weise kennt, so wird er auch jenes, im Verhältnis zu dem es ausgesagt wird, auf fest bestimmte Weise kennen. Einsichtig ist das auch aus ihm schon: Wenn einer von einem »dieses-da« weiß, daß es zu den »im Verhältnis zu ...« gehört, und wenn den »im Verhältnis zu ...« (-Bestimmungen) ihr Sein gleichbedeutend ist mit »zu-etwas-sich-irgendwie-verhalten«, dann kennt er auch jenes, zu welchem sich dies so und so verhält; wenn er nämlich gar nicht weiß, im Verhältnis wozu sich dies so und so verhält, so wird er auch nicht wissen, ob es sich überhaupt zu irgendetwas irgendwie verhält. – Auch bei den Einzelfällen ist diese Lage klar; z. B. wenn man von einem ganz bestimmten Betrag genau bestimmt weiß: Dies ist ein Doppeltes, so weiß man auch sofort genau, wovon es das Doppelte ist, – wenn man es nämlich nicht als »doppelt von einem ganz bestimmten Betrag« wüßte, dann wüßte man überhaupt nicht, ob es ein Doppeltes ist. Entsprechend auch, wenn man bei einer ganz bestimmten Handlung weiß: Sie ist sittlicher, so ist notwendig, deswegen auch ganz genau zu wissen: Sittlicher »als was ...«; – so auf unbestimmte Weise ist nicht zu wissen: Das ist sittlicher als ein weniger Wertvolles; so etwas gerät nur zur Vermutung, nicht zum Wissen, denn dann wird man nicht mehr genau wissen: Es ist sittlicher als ein Minderwertiges; denn wie sich’s dann so ergibt, ist auf einmal nichts weniger wertvoll als dies.
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Daher ist denn einsichtig: Notwendig muß jemand, wenn er eines der »im Verhältnis zu ...« genau bestimmt kennt, auch jenes andere, im Verhältnis zu dem es gesagt wird, genau bestimmt kennen. Aber bei »Kopf« und »Hand« und jedem derart, was Wesenheiten sind, kann man eben das, was es je ist, genau bestimmt wissen, das, »im Verhältnis wozu« es ausgesagt wird, (ist dazu) nicht notwendig; wessen doch dieser Kopf ist oder wessen die Hand – kommt vor, daß man das nicht genau bestimmt weiß. Also gehören diese nicht zu den »im Verhältnis zu ...«; wenn aber die nicht zu den »im Verhältnis zu ...« (-Bestimmungen) gehören, dann ist es wohl wahr zu sagen: Keine Wesenheit gehört zu den »im Verhältnis zu ...«. – Vielleicht ist es ja schwierig, über derlei Fragen entschieden vorzutragen, wenn man es nicht oftmals geprüft hat; das zweifelnde Durchfragen bei jedem einzelnen davon ist allerdings auch nicht nutzlos. Kapitel 8. »Beschaffenheit« nenne ich (die Bestimmung), dergemäß irgendwelche »so und so beschaffen« genannt werden. Beschaffenheit gehört zu den (Ausdrücken), die in mehrfacher Bedeutung ausgesagt werden. (1) Als eine Form von Beschaffenheit seien also »Haben« und »Verfassung« ausgesprochen. Es unterscheidet sich »Haben« von »Verfassung« dadurch, daß es beständiger und längerfristig ist; derartig sind die Arten von Wissen und Trefflichkeit. Wissen gehört offenkundig zum Bleibenden, das kaum aus der Bahn zu werfen ist, auch wenn einer nur sehr bescheiden Wissen ergriffen haben sollte, außer wenn ein großer Umschlag eingetreten ist infolge von Krankheit oder etwas anderem derartigen. Ebenso auch Trefflichkeit: Wie etwa Gerechtigkeit, Besonnenheit und ein jedes derart, – das ist offenkundig nicht leicht aus der Bahn zu bringen und nicht leicht umzuwerfen. Verfassungen dagegen nennt man, was leicht veränderbar ist und schnell umschlägt, z. B. Wärme, Abkühlung und Krankheit, Gesundheit, und was alles sonst derartig ist. Es befindet sich ja wohl diesen gemäß der Mensch in dieser oder jener Verfassung, schnell wechselt er von Wärme zu Verkühlung und vom Gesundsein zum Erkranken. Ebenso auch bei allen übrigen (Verfassungen), au-
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ßer wenn auch davon eine infolge der langen Dauer schon zur Naturbeschaffenheit geworden sein sollte und nun unheilbar oder nur sehr schwer wegzubringen ist, – die würde man vielleicht schon als ein »Haben« ansprechen. Es ist aber offenkundig, daß (die Leute) das mit »Haben« meinen wollen, was längerfristig ist und schwerer fortzuschaffen; denn diejenigen, die Wissensinhalte nicht ganz erfaßt haben, stattdessen noch leicht beeinflußbar sind, von denen sagt man nicht, sie hätten das schon im Besitz, doch sind sie bezüglich des Wissens schon in einer solchen und solchen, entweder schlechteren oder besseren, Verfassung. Also: Es unterscheidet sich »Haben« von »Verfassung« dadurch, daß sie leicht veränderbar ist, es dagegen längerwährend und schwerer zu verändern. – Es sind die Formen von Haben auch Verfassungen, aber nicht notwendig die von Verfassung auch solche von Haben: Die etwas in ihrem Besitz haben, sind demgemäß auch in der und der Verfassung dazu, dagegen, die in der und der Verfassung sind, haben das nicht schon gänzlich in ihrem festen Besitz. – (2) Eine (davon) verschiedene Gattung von Beschaffenheit: Gemäß deren wir (jemanden) »begabt zum Faustkampf« oder »veranlagt zum Laufen« oder »ausgestattet mit Gesundheit« oder »neigend zur Krankheit« nennen, und allgemein, was gemäß einer natürlichen Anlage oder Nichtveranlagung ausgesagt wird. Denn nicht aufgrund dessen, daß diese oder jene Verfassung vorläge, wird ein jedes Derartige ausgesagt, sondern weil man dann eine Naturveranlagung hat, etwas mühelos tun zu können, oder daß einem nichts widerfährt. So werden etwa (Leute) »begabt zum Faustkampf« und »veranlagt zum Lauf« genannt, nicht weil sie sich in der und der Verfassung befinden, sondern aufgrund dessen, daß sie ein Naturvermögen haben, etwas mühelos auszuführen; »voller Gesundheit« werden (Menschen) genannt, weil sie eine natürliche Anlage haben, daß ihnen nicht leicht von seiten beliebiger Einflüsse etwas zustößt, »kränklich« dagegen (heißen sie) infolge dessen, daß sie ein Unvermögen haben bezüglich dessen, daß ihnen nichts widerfährt.
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Ähnlich dazu steht es auch mit »hart« und »weich«: Das Harte wird so genannt, weil es die Anlage hat, nicht leicht durchgeteilt zu werden, das Weiche, weil es bezüglich eben des gleichen ein Unvermögen hat. (3) Eine dritte Gattung von Beschaffenheit: Zu erfahrende Eigenschaften und Einwirkungen. Derlei ist z. B. Süße, Bitterkeit, Säure und alles dem Verwandte, außerdem noch Wärme, Kälte, Weißfarbigkeit, Schwärze. Daß das Beschaffenheiten sind, ist offenkundig: Was sie angenommen hat, wird nach ihnen »so und so beschaffen« genannt. So wird etwa Honig aufgrund dessen, daß er Süße an sich genommen hat, »süß« genannt, und ein Körper »weiß« dadurch, daß er Weiße angenommen hat. Ebenso verhält es sich auch mit allem anderen. »Zu erfahrende Eigenschaften« werden sie genannt nicht aufgrund dessen, daß die Gegenstände, welche die Beschaffenheiten angenommen haben, etwas erlitten hätten: weder nennt man den Honig infolge dessen, daß ihm etwas widerfahren wäre, »süß«, noch irgendeins von den anderen derartigen (Dingen so); ähnlich dazu werden auch Wärme und Kälte »Erfahrungseigenschaften« genannt, nicht infolge dessen, daß die Dinge, die sie angenommen haben, etwas erlitten hätten, sondern weil eine jede der genannten Eigenschaften über die Sinneswerkzeuge eine Empfindung bewirkt, deshalb heißen sie »zu erfahrende Eigenschaften«; die Süße verursacht über den Geschmackssinn eine bestimmte Empfindung, die Wärme über das Berühren, entsprechend auch die übrigen. Weißfarbigkeit dagegen und Schwärze und die anderen Hautfärbungen werden nicht auf die gleiche Weise wie die genannten »zu erfahrende Eigenschaften« genannt, sondern aufgrund dessen, daß sie selbst infolge von Einwirkungen sich ergeben. Daß mancherlei Farbwechsel aufgrund des Gemütszustandes erfolgt, (ist) klar: Da schämt sich einer, und schon ist er rot geworden, einer bekommt Angst und erbleicht, und ein jedes derartige. Daher denn auch, wenn einer von Natur mit einer derartigen Gemütsveranlagung ausgestattet ist, es wahrscheinlich ist, daß er eine entsprechende Hautfarbe hat; denn welche Körperverfassung jetzt beim Sichschämen eingetreten
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ist, die gleiche Verfassung dürfte auch gemäß natürlicher Ausstattung sich ergeben, so daß von Natur aus auch eine entsprechende Färbung sich ergibt. – Alles, was nun an derartigen Begebenheiten von irgendwelchen schwer veränderbaren und langzeitigen Gemütsausstattungen seinen Ausgang nimmt, wird »Eigenschaft« genannt; denn ob nun in der natürlichen Ausstattung bleiche Farbe oder dunkle Farbe aufgetreten sind, so nennt man das »Eigenschaft« – »so und so beschaffen« werden wir ja ihnen gemäß genannt –, oder ob durch eine lange Krankheit oder infolge von Sonnenhitze Blässe oder Dunkelfärbung eingetreten ist und das nicht leicht loszuwerden ist oder sogar lebenslang erhalten bleibt, »Eigenschaften« nennt man auch das, – entsprechend werden wir auch diesen gemäß »so und so beschaffen« genannt. – Alles, was dagegen infolge von (Vorgängen) eintritt, die sich leicht wieder auflösen und die man schnell wieder loswird, nennt man »Einwirkungen«; denn denen gemäß werden nicht Leute »so und so beschaffen« genannt: Weder wird einer, der errötet, weil er sich geschämt hat, »rotgesichtig« genannt, noch einer, der erbleicht ist, weil er Angst hat, »bleichgesichtig«, sondern (man sagt) eher, ihm sei etwas widerfahren. Also nennt man derartiges »Einwirkungen«, nicht aber »Beschaffenheiten«. – Entsprechend dazu werden auch im Bereich der Seele zu erfahrende Eigenschaften und und Einwirkungen ausgesagt. Was da gleich bei der Entstehung bestimmter Einwirkungen sich ergeben hat, wird »Eigenschaft« genannt, z. B. leidenschaftliches Außersichsein, Zorn und dergleichen; denen gemäß werden ja (Leute) »jähzornig« genannt und »leidenschaftlich«; entsprechend auch alle Formen von Außersichsein, die nicht von Naturanlage her kommen, sondern infolge irgendwelcher anderer Begebenheiten eingetreten sind als solche, die man nur schwer wieder loswird oder die überhaupt nicht von der Stelle zu bringen sind: Eigenschaften sind auch das; denn ihnen gemäß wird man »so und so geartet« genannt. Alles, was dagegen infolge von (Vorgängen) auftritt, die auch
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schnell wieder verschwinden, heißt »Einwirkung«, z. B. wenn einer Kummer erfährt und dann leichter zu Zorn neigt: Wer in solchem Gemütszustand mehr zum Zorn neigt, wird nicht »jähzornig« genannt, sondern man sagt eher, es habe auf ihn etwas eingewirkt; daher man derlei »Einwirkung« nennt, »Eigenschaft« aber nicht. (4) Vierte Gattung von Beschaffenheit: Äußere Form und die an einem jeden (Ding) vorliegende Gestalt, dazu noch Geradheit, Krümmung, und wenn etwas dem ähnlich ist; über ein jedes davon wird (ein Ding) »so und so beschaffen« genannt: Aufgrund des Dreieckig- oder Viereckigseins wird etwas als das und das angesprochen, und aufgrund seines Gerade- oder Krummseins. Auch aufgrund der Gestalt wird ein jedes als »so und so beschaffen« ausgesagt. Dagegen »locker«, »dicht« und »rauh« und »glatt« möchte zwar ein »So-und-so-beschaffen« zu bezeichnen scheinen, doch ist derlei offenbar fremd bezüglich der Einteilung von So-und-so-beschaffen; es scheint nämlich beides eher eine Lage der Teile zu bezeichnen: Dicht (ist etwas) dadurch, daß seine Teile eng beieinanderliegen, locker aufgrund dessen, daß sie (weiter) voneinander entfernt sind; glatt infolge dessen, daß die Teile auf einer Art Geraden liegen, rauh dadurch, daß der eine hervorsteht, einer zurückbleibt. – Vielleicht erscheint wohl auch noch irgendeine andere Weise von Beschaffenheit, doch die am häufigsten so ausgesagten sind in etwa so viele, als da aufgezählt sind. – Beschaffenheiten sind nun also die genannten, so und so beschaffen sind die Dinge, die nach jenen in abgeleiteter Weise ausgesagt werden, oder irgendwie anders von ihnen her. In den meisten, ja fast in allen (Fällen) wird so abgeleitet gesprochen, z. B. nach »Weiße« »weiß« und nach »Schriftkunde« »schriftkundig« und nach »Gerechtigkeit« »gerecht«, ebenso bei den übrigen. Bei einigen aber ist es aufgrund dessen, daß für die Beschaffenheiten Namen nicht festliegen, nicht gegeben, sie in abgeleiteter Weise von diesen aus auszusagen, z. B. ein nach Naturbegabung »zum Lauf Geschickter« oder »zum Faustkampf Geeigneter« wird von keiner Beschaffenheit her abge-
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leitet so angesprochen; denn für die Vermögen, nach denen die so genannt werden, liegen Namen nicht fest, wie auf der anderen Seite für Übungsarten, nach denen die (Sportler) gemäß Verfassung »Boxer« oder »Ringer« genannt werden – es wird doch eine Sportart »Boxen« und eine »Ringen« genannt, und die sich dazu geübt haben, werden in abgeleiteter Weise von denen her »so und so beschaffen« genannt. – Gelegentlich aber auch (kommt es vor:) Obwohl zwar ein Name festliegt, so wird doch das gemäß dieser (Beschaffenheit) »so und so beschaffen« Genannte nicht von ihm aus abgeleitet ausgesagt, z. B. nach »Tüchtigkeit« der »Rechtschaffene«; denn aufgrund davon, daß er Tüchtigkeit hat, wird er »rechtschaffen« genannt, nur nicht in vom Worte »Tüchtigkeit« her abgeleiteter Weise. Aber nicht bei vielem ist derartiges anzutreffen. Also, »so und so beschaffen« wird das genannt, was in abgeleiteter Weise von den aufgeführten Beschaffenheiten her ausgesagt wird, oder irgendwie anders von ihnen her. Es trifft auch Gegensätzlichkeit im Bereich des So-undso-beschaffen zu, z. B. (ist) »Gerechtigkeit« das Gegenteil zu »Ungerechtigkeit« und »Weiße« zu »Schwärze« und das übrige entsprechend, und (das gilt auch) von den danach als »so und so beschaffen« angesprochenen Dingen, z. B. »ungerecht – gerecht«, »weiß – schwarz«. Doch nicht über alles gilt das: Rot oder bleich und dergleichen Hautfarben haben kein Gegenteil, wo sie doch ein So-und-so-beschaffen sind. – Sodann, wenn der eine der Gegensätze ein So-und-so-beschaffen ist, wird es auch der restliche sein. Das ist klar, wenn man die übrigen Aussageformen mit zur Hand nimmt; z. B., ist »Gerechtigkeit« das Gegenteil zu »Ungerechtigkeit«, Gerechtigkeit aber ein So-und-so-beschaffen, also dann auch Ungerechtigkeit ein solches; keine der anderen Aussageformen paßt für »Ungerechtigkeit«, nicht »so und so viel«, auch nicht »im Verhältnis zu ...«, noch »irgendwo« und überhaupt gar keine davon als eben nur »so und so beschaffen«. Genau so auch bei allen anderen Gegensätzen im Bereich des So-und-so-beschaffen. –
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Es nimmt das so und so Beschaffene aber auch das »mehr oder weniger« zusätzlich an: »Weiß« wird etwas in höherem oder geringerem Maße als ein anderes genannt, und »gerecht« eines mehr als ein anderes. Und auch für sich nimmt es Steigerung an – was weiß ist, kann noch weißer werden –, allerdings nicht alles, sondern nur das meiste: Bei »Gerechtigkeit« möchte man wohl im Zweifel sein, ob sie »mehr« Gerechtigkeit als (andere) Gerechtigkeit (ist), ähnlich auch bei den übrigen Verfassungen. Denn einige erheben ja Zweifel bezüglich dessen: Gerechtigkeit werde durchaus nicht, sagen sie, »mehr oder weniger« Gerechtigkeit genannt als andere, und auch nicht Gesundheit im Verhältnis zu Gesundheit, dagegen habe wohl einer in geringerem Maße Gesundheit, sagen sie, als ein anderer, und Gerechtigkeit in geringerem Maße einer als ein anderer, ebenso auch Schriftkunde und die übrigen Verfassungen. Dagegen, die diesen gemäß ausgesprochenen (Dinge) nehmen unbestreitbar das »mehr oder weniger« an: »Schriftkundiger« wird nämlich einer im Vergleich zu einem anderen genannt und »gerechter«, »gesünder«, und bei den anderen (Bestimmungen) genauso. »Dreieckig« aber und »viereckig« scheinen das »mehr« nicht anzunehmen, auch von den anderen Außenformen keine; was die Begriffserklärung von »dreieckig« angenommen hat und was die von »Kreis«, das sind alles in gleicher Weise Dreiecke oder Kreise, von dem, was sie nicht angenommen hat, wird keins »mehr als ein anderes« so genannt werden: Um nichts mehr ist doch das (gleichseitige) Viereck ein Kreis als das Rechteck; keins von beiden nimmt ja die Begriffserklärung von »Kreis« an. Überhaupt, wenn beide die Begriffserklärung des Vorliegenden nicht annehmen, so wird das eine nicht mehr so angesprochen als das andere. Nicht alles »So-und-sobeschaffen« nimmt also das »mehr und weniger« an. – Von den genannten (Bestimmungen) ist keine der Beschaffenheit eigentümlich, »ähnlich« dagegen und »unähnlich« werden allein im Bereich der Beschaffenheiten ausgesagt: Ähnlich ist eines einem anderen in keiner anderen Hinsicht als nur, insoweit es ein »So-und-so-beschaffen« ist. Daher es
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denn wohl der Beschaffenheit eigentümlich ist, daß »ähnlich« oder »unähnlich« in ihrem Bereich ausgesagt werden. – Man darf sich dadurch nicht verwirren lassen, daß jemand sagen könnte, wir, die wir uns doch das Vorhaben »Über Beschaffenheit« gesetzt hätten, zählten nun doch viele der (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...« mit auf; die (Bestimmungen) »Haben« und »Verfassung« gehörten ja zu denen »im Verhältnis zu ...«. Nahezu bei allen derartigen werden nämlich die Gattungen als »im Verhältnis zu ...« angesprochen, von den Einzeldingen aber keins. So wird zwar »Wissen«, was eine Gattung ist, als das, was es denn ist, als im Verhältnis zu einem anderen ausgesagt – man sagt: »Wissen von etwas«. Von den einzelnen (Erscheinungsformen) davon wird aber keine als das, was sie denn ist, im Verhältnis zu etwas ausgesagt, z. B. »Schriftkunde« wird nicht ausgesagt als »Schriftkunde von etwas«, und auch nicht »Tonkunst« als »Tonkunst von etwas«, sondern, wenn denn schon, so werden auch diese über ihre Gattung »im Verhältnis zu ...« genannt, z. B. wird »Schriftkunde« ausgesagt als »Wissen von etwas«, nicht »Schriftkunde von etwas«, und »Tonkunst« als »Wissen von etwas«, nicht »Tonkunst von etwas«. Daher denn die einzelnen Arten nicht zu den Bestimmungen »im Verhältnis zu ...« gehören. – Wir dagegen werden »so und so beschaffen« genannt nach den Einzel(arten), – die haben wir doch: »Wissend« werden wir genannt aufgrund dessen, daß wir eine der Einzelwissenschaften (uns angeeignet) haben. Daher diese doch wohl auch Beschaffenheiten sein werden, die Einzelarten, denen gemäß wir irgendwann »so und so beschaffen« genannt werden; die gehören nicht zu den (Bestimmungen) »im Verhältnis zu …«. – Schließlich: Wenn eines und dasselbe wirklich ein »So-undso-beschaffen« und ein »Im-Verhältnis-zu ...« sein sollte, so ist nichts Unsinniges dabei, es unter beiden Gattungen aufzuzählen.
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Kapitel 9. Es nimmt aber auch »Tun« und »Erleiden« Gegensätzlichkeit und «mehr und minder« an: »Wärmen« ist dem
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»Kühlen« entgegengesetzt, und »Angewärmt-werden« dem »Abgekühlt-werden« und »Sichfreuen« dem »Traurigsein«. Also nimmt es Gegensätzlichkeit an. Aber auch »mehr« und »weniger«: »Wärmen« geht mehr und weniger, und »Erwärmtwerden« mehr und weniger und »Traurigsein« mehr und weniger. Es nimmt also das Tun und Erleiden das »mehr« und »weniger« an.
[Darüber ist nun also soviel gesagt. Gesprochen ist aber auch über »Liegen« in den (Ausführungen über) »im Verhältnis zu ...« nämlich, daß es in abgeleiteter Weise nach den Lagen ausgesagt wird. Bezüglich der übrigen (Grundformen von Aussage), nämlich »irgendwann«, »irgendwo« und »Haben«, so ist, weil sie ja doch auf der Hand liegen, nichts anderes über sie gesagt, als was schon zu Anfang ausgeführt wurde, nämlich: »Haben« bedeutet »Schuhe anhaben«, »Waffen anhaben«, »da-und-dort« (meint) z. B. »im Lykeion«, – und was alles sonst noch darüber gesagt ist. – Kapitel 10. Für die zum Gegenstand gemachten Grundformen ist das Gesagte hinreichend. – Über Entgegengesetztes ist zu sprechen: In wievielfacher Bedeutung pflegt man es einander gegenüberzusetzen?] Es wird eines einem anderen entgegengesetzt ausgesagt auf vierfache Weise: Entweder wie die Dinge »im Verhältnis zu ...« oder wie Gegenüberliegendes oder wie Verlust und Besitz oder wie Behauptung und Verneinung. Entgegengesetzt ist ein jedes davon, um es im groben Umriß zu sagen, (etwa so): Als »im Verhältnis zu ...« z. B. »doppelt« dem »halb«, als Gegenüberliegende z. B. »schlecht« dem »gut«, als nach Verlust und Besitz z. B. »Blindheit« und »Augenlicht«, als Behauptung und Verneinung z. B. »sitzt« – »sitzt nicht«. (A) Alles, was nun als ein »im Verhältnis zu ...« entgegengesetzt ist, wird als das, was es ist, im Unterschied zu seinem Gegensätzlichen ausgesagt, oder irgendwie anders im Verhältnis dazu. Z. B. »doppelt« wird (erst) im Verhältnis zu einem Halben das, was es ist – doppelt – genannt. Und »Wissen« steht
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dem, was gewußt werden kann, als »im Verhältnis zu ...« gegenüber, und Wissen wird als das, was es denn ist, ausgesagt in Beziehung zu dem, was gewußt werden kann; und das, was gewußt werden kann, wird als das, was es ist, im Hinblick auf sein Gegenüberstehendes, das Wissen, ausgesagt. »Wißbar« wird als »wißbar für jemanden oder etwas« ausgesagt, hier für die Wissenschaft. Alles, was nun gegenübersteht als »im Verhältnis zu ...«, wird als das, was es ist, im Unterschied zu seinem Gegensätzlichen, oder wie auch immer im Verhältnis zueinander, ausgesagt. Was dagegen (B) als Gegenüberliegendes (entgegengesetzt ist), wird als das, was es denn ist, unter keinen Umständen im Verhältnis zueinander ausgesagt, als einander gegenüberliegend wird es allerdings ausgesagt: Weder wird »gut« als »eines Schlechten Gutes« ausgesagt, sondern als sein Gegenteil, noch »weiß« als »eines Schwarzen Weiß«, sondern als dessen Gegenteil. Daher unterscheiden sich diese Entgegensetzungen voneinander. – Alles, was an Gegenüberliegendem von der Art ist, daß bei den Dingen, an denen es ihnen gegeben ist vorzukommen oder von denen sie ausgesagt werden, notwendig eines von ihnen beiden vorliegen muß, dabei gibt es keine Vermittlung. [Bei welchen aber nicht notwendig eins von beiden vorliegen muß, dabei gibt es in jedem Fall etwas Vermittelndes.] Z. B. ist es naturgegeben, daß Krankheit und Gesundheit im Körper eines Lebewesens auftreten, und notwendig muß das eine von beiden im Körper des Lebewesens vorliegen, entweder Krankheit oder Gesundheit; und »ungerade« und »gerade« wird von »Zahl« ausgesagt, und notwendig muß das eine von beiden an dieser Zahl vorliegen, entweder ungerade oder gerade; und dabei gibt es nichts Vermittelndes, weder zwischen Krankheit und Gesundheit noch zwischen ungerade und gerade. Bei welchen dagegen nicht notwendig eins von beiden vorliegen muß, dabei gibt es etwas Vermittelndes; z. B. schwarz und weiß kommen am Körper natürlich vor, und es muß nicht sein, daß eins von ihnen beiden am Körper vorliegt – nicht jeder ist nämlich entweder weiß oder schwarz –, und »wertlos«
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und »vortrefflich« wird ausgesagt sowohl von Menschen wie auch von vielem anderen, nicht notwendig aber muß eins der beiden an jenem zutreffen, über die das ausgesagt wird: Nicht alles ist nämlich entweder wertlos oder vortrefflich. So gibt es dabei etwas, das in der Mitte steht, z. B. zwischen »weiß« und »schwarz« das »grau« und »bleich« und alles, was sonst noch andere Farben sind, und zwischen »wertlos« und »vortrefflich«, was weder wertlos noch vortrefflich ist. – In einigen Fällen liegen Namen fest für die Vermittlungen, z. B. zwischen weiß und schwarz »grau« und »bleich«; bei einigen dagegen ist es nicht leicht zu machen, mit einem Namen das in der Mitte Stehende wiederzugeben, es wird dann aber durch die Verneinung eines jeden der beiden Außenglieder das in der Mitte bestimmt, z. B. »weder gut noch schlecht« und »weder gerecht noch ungerecht«. (C) Verlust und Besitz wird über ein und dasselbe Ding ausgesagt, z. B. »Sehkraft« und »Blindheit« über »Auge«. Um es allgemein zu sagen: An welchem Gegenstand es naturbestimmt ist, daß Besitz statthaben soll, über den wird beides davon ausgesagt. »Verlustiggegangensein« sagen wir dann von einem jeden Gegenstand unter denen aus, die den Besitz an sich nehmen konnten, wenn (an dem Ding), an dem (die Eigenschaft) naturgegeben vorliegen sollte, und zu dem Zeitpunkt, wo es ihm naturbestimmt war, sie zu haben, sie dann keinesfalls vorliegt: »Zahnlos« nennen wir nämlich nicht etwas, was gar keine Zähne hat, und »blind« nicht das, was gar kein Augenlicht besitzt, sondern etwas, das dies nicht besitzt zu einem Zeitpunkt, wo es ihm naturbestimmt war, es zu haben. Einige (Wesen) haben ja ihrer Naturausstattung nach weder Sehkraft noch Zähne, aber die nennt man nicht zahnlos und nicht blind. – »Verlustiggegangensein« und »im Besitz sein« ist nicht gleich mit Verlust und Besitz; Besitz ist nämlich »Sehkraft«, Verlust »Blindheit«, dagegen »Sehkraft haben« ist nicht »Sehkraft« und »blind sein« nicht »Blindheit«; ein bestimmter Verlust ist nämlich die Blindheit, blind sein dagegen ist ein Verlustiggegangensein, nicht Verlust.
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Weiter, wenn »Blindheit« dasselbe wäre wie »blind sein«, dann würde ja beides von demselben Gegenstande ausgesagt, aber »blind« wird von einem Menschen ja wohl ausgesagt, »Blindheit« von einem Menschen dagegen nie und nimmer. Entgegengesetzt zu sein scheinen aber auch diese, das »Verlustiggegangensein« und das »im Besitz sein«, so wie »Verlust« und »Besitz«; die Weise der Entgegensetzung ist ja die gleiche: Wie Blindheit der Sehkraft entgegengesetzt ist, so auch das Blindsein dem Sehkraftbesitzen entgegengesetzt. – Auch ist das, wovon Behauptung und Verneinung ausgesagt wird, nicht selbst Behauptung und Verneinung: Behauptung ist eine zusagende Rede, Verneinung eine absprechende Rede; von den Gegenständen, über die behauptet oder von denen verneint wird, ist keiner eine Rede; man sagt aber auch davon, daß es einander entgegengesetzt sei, so wie Behauptung und Verneinung; auch dabei ist die Weise der Entgegensetzung die gleiche: Wie denn wohl Behauptung gegen Verneinung steht, z. B. »sitzt« – »sitzt nicht«, so ist auch der unter jedes von beiden fallende Tatbestand entgegengesetzt: »sitzen« – »nicht sitzen«. – Daß Verlust und Besitz nicht in der Weise entgegengesetzt sind wie die (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...«, ist offenkundig; denn (das eine Stück davon) wird nicht als das, was es denn ist, im Verhältnis zu seinem Gegensatz ausgesagt: Sehkraft ist nicht »einer Blindheit Sehkraft«, und auch anderswie wird sie in keiner Weise auf diese hin bezogen ausgesagt; ebenso wird ja wohl auch nicht die Blindheit als »Blindheit der Sehkraft« ausgesagt, sondern »Verlust von Sehkraft« wird die Blindheit zwar genannt, »Blindheit der Sehkraft« aber sagt man nicht. – Weiter, die Bestimmungen »im Verhältnis zu ...« werden alle in Beziehung zu einem durch Umkehr Entsprechenden ausgesagt, daher auch Blindheit, wenn sie denn zu den (Dingen) »im Verhältnis zu ...« gehörte: dann müßte das, woraufhin sie ausgesagt wird, auch umgekehrt entsprechen; aber es entspricht nicht: Sehkraft wird nicht als »Sehkraft von Blindheit« ausgesagt. Daß aber das nach Verlust Ausgesagte und das nach Besitz auch nicht wie das Gegenüberliegende entgegengesetzt ist,
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ist aus folgendem klar: Von den gegenüberliegenden (Bestimmungen), bei denen nichts vermittelnd in der Mitte steht, muß notwendig an den Dingen, an welchen sie naturgegeben vorkommen oder von denen sie ausgesagt werden, eines der beiden jeweils vorliegen; es gab ja bei denen nichts in der Mitte, wovon das eine von beiden notwendig an solchem vorliegen mußte, was dafür aufnahmefähig ist, z. B. bei Krankheit – Gesundheit und ungerade – gerade; bei welchen dagegen ein Mittleres da ist, ist es nie notwendig, daß einem jeden (Gegenstand) immer eins von beiden zukommen muß: Weder muß alles, was dafür empfänglich ist, je »weiß oder schwarz« sein noch »warm oder kalt« – daß daran irgendein Mittleres vorliege, hindert ja nichts. – Weiter, auch (umgekehrt) bei den (Bestimmungen) gab es irgendein Vermittelndes, bei denen es nicht notwendig war, daß je eins von beiden an dem Empfänglichen vorliegen mußte, wenn nicht (noch hinzugenommen werden) die (Dinge), denen von Natur aus nur (je) eines davon zukommt, z. B. dem Feuer das Warmsein und dem Schnee das Weißsein, – hierbei ist notwendig, daß je das eine für sich genommen vorliegt, nicht einerlei welches von beiden: es ist nicht gegeben, daß Feuer kalt wäre oder Schnee schwarz; daher ist es hier nicht notwendig, daß an allem Aufnahmefähigen je das eine von beiden vorliegen müßte, sondern (es gilt) nur: Dinge, denen von Natur aus nur je das eine zukommt, an denen liegt dies eine für sich genommen vor, und nicht, wie sich’s gerade so ergibt. – Bei Verlust dagegen und Besitz ist keine der beiden vorgetragenen (Seiten) wahr: Einerseits muß nämlich nicht je eins von den beiden dem Aufnahmefähigen zukommen – was nämlich überhaupt nicht dazu naturbestimmt ist, Augenlicht zu haben, davon wird weder ausgesagt, es sei blind, noch, es besitze Sehkraft, sodaß denn also dies nicht unter derartige Gegensätze fällt, bei denen es keine Vermittlung gibt –, aber andererseits (fällt es) auch nicht (unter die), bei denen es irgendwie ein Mittleres gibt; denn hierbei (d. h. bei Verlust/Besitz) muß ja notwendig zu irgendeinem Zeitpunkt an allem Aufnahmefähigen je das eine davon vorliegen: Wenn es denn schon dazu
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herangewachsen ist, Sehkraft zu besitzen, dann wird es entweder als »blind« oder »im Besitz der Sehkraft« angesprochen, und davon nicht ein jedes getrennt für sich, sondern wie es sich eben gerade so fügte – es ist ja nicht notwendig, daß es (nur eines von beiden, nämlich) entweder blind oder mit Sehkraft ausgestattet, ist, sondern es kann beides eintreten, wie es sich eben gerade so fügte –; bei den gegenüberliegenden Gegensätzen, bei denen es ein Vermittelndes gibt, war es ja zu keinem Zeitpunkt notwendig, daß einem jeden (Gegenstand) je eines der beiden zukommen mußte, sondern (das trifft nur) für einige (zu), und denen dann die eine Bestimmung für sich genommen. Daher denn klar ist: Auf keine der beiden Weisen ist das gemäß Verlust und Besitz Entgegengesetzte so entgegengesetzt wie Gegenüberliegendes. Weiter, bei gegenüberliegenden Gegensätzen ist es im Falle, daß ein Aufnahmefähiges da ist, möglich, daß ein Umschlag ineinander stattfindet, außer für den Fall, daß einem von Natur aus nur immer das eine zukommt, z. B. dem Feuer das Warmsein; das Gesunde kann in Krankheit geraten, Weißes kann schwarz geworden sein und Kaltes warm, und aus einem Tüchtigen kann ein Untaugliches und aus einem Untauglichen ein Tüchtiges geworden sein: Der Nichtsnutz, zu besserem Gebrauch seiner Zeit gebracht und zu (besserem) Gesprächsumgang, dürfte ja doch wohl einen kleinen Fortschritt wenigstens machen zum Besserwerden; wenn er aber einmal auch nur einen kleinen Fortschritt gemacht hat, so ist offenkundig, daß er sich entweder wohl völlig wandeln könnte oder doch sehr viel Besserung ergreifen; er wird ja immer leichter ansprechbar für Tüchtigkeit, wenn er von Anfang an einen, wie auch immer nur geringen, Fortschritt gemacht hat, sodaß er wahrscheinlich auch noch mehr Besserung nehmen wird; und das, immer weiter so erfolgend, bringt ihn endlich zu der entgegengesetzten Haltung fort, wenn er nicht in der Zeit daran gehindert wird. Bei Verlust und Besitz dagegen ist es unmöglich, daß ein Umschlag ineinander erfolgen kann: Vom Besitz zum Verlust erfolgt wohl Wandel, vom Verlust aber zum Besitz ist das unmöglich: Weder hat einer, der blind geworden ist, wie-
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der gesehen, noch hat ein Kahlkopf wieder die Haarpracht erlangt, noch hat ein Zahnloser je wieder Zähne wachsen lassen können. (D) Alles, was wie Behauptung und Verneinung (einander) entgegengesetzt ist, davon ist offenkundig, daß es nach keiner der genannten Weisen entgegengesetzt ist: Bei diesen allein muß notwendig immer das eine wahr, das andere davon falsch sein. Denn weder bei dem Gegenüberliegenden muß notwendig immer das eine wahr, das andere dagegen falsch sein, noch bei den »im Verhältnis zu ...«, noch bei Besitz und Verlust; z. B. »Gesundheit« und »Krankheit« sind gegenüberliegende Gegensätze, und auf keins von beiden trifft »wahr oder falsch« immer zu; entsprechend, »doppelt« und »halb« sind als »im Verhältnis zu ...« entgegengesetzt, und auch hier trifft auf keins von beiden »wahr oder falsch« immer zu; und auch nicht für (Gegensätze) nach Verlust und Besitz, z. B. »Sehkraft« und »Blindheit«. Überhaupt, von dem, was nach keiner Verknüpfung ausgesagt wird, davon ist gar nichts wahr oder falsch; alles Genannte ist aber ohne Verknüpfung ausgesprochen. Indessen aber möchte es doch besonders scheinen, daß derartiges eintritt bei den gegenüberliegenden Gegensätzen, die in einer Satzverknüpfung ausgesagt werden – daß »Sokrates gesund ist«, ist ja dem, daß »Sokrates krank ist« gegenüberliegend –; doch auch bei diesen (Sätzen) muß nicht immer notwendig das eine wahr, das andere dann falsch sein: (Erst) wenn es Sokrates gibt, wird das eine wahr, das andere dann falsch sein; gibt es ihn dagegen nicht, so beides falsch; denn weder, daß »Sokrates krank ist«, noch, daß »(Sokrates) gesund ist«, ist wahr, wenn Sokrates selbst überhaupt gar nicht ist. – Bei Verlust und Besitz ist, wenn (der Gegenstand der Aussage) nicht ist, gar keins von beiden wahr, gibt es ihn aber, so ist nicht immer eins von beiden wahr (das andere dann falsch): Daß »Sokrates Sehkraft besitze« ist dem, daß »Sokrates blind sei« entgegengesetzt als Verlust und Besitz, und wenn es ihn gibt, so ist nicht notwendig eins davon wahr oder falsch – zu einem Zeitpunkt, wo es ihm noch nicht naturgegeben ist, dies zu besitzen, ist beides falsch –, gibt es Sokrates dagegen gar
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nicht, so ist auch so beides falsch, sowohl daß er Sehkraft habe wie auch das Blindsein. – Dagegen bei Behauptung und Verneinung immer: Mag (der Gegenstand der Aussage) sein, mag er nicht sein, das eine wird falsch sein, das andere (dann) wahr; denn, daß »Sokrates krank ist«, und, daß »Sokrates nicht krank ist« – wenn es ihn gibt, so ist offenkundig: Eins davon ist wahr, (das andere) falsch; und wenn es ihn nicht gibt, entsprechend: Das Krankein (ist), wenn es ihn nicht gibt, falsch, das Nicht-Kranksein aber wahr. So daß denn also bei dieser Gegensatzform allein es die Eigentümlichkeit wäre, daß immer eines davon wahr, (das je andere) dann falsch ist, – was denn alles als Behauptung und Verneinung entgegengesetzt ist. Kapitel 11. Gegenüberliegend ist dem »gut« notwendig das »schlecht« – das ist klar mittels der Heranführung im Einzelfalle, z. B., der Gesundheit (steht gegenüber) Krankheit, der Gerechtigkeit Ungerechtigkeit, der Tapferkeit Feigheit und so entsprechend bei den übrigen; – es kommt aber auch vor, daß einem »schlecht« einmal ein »gut« gegenüberliegt, ein andermal ein (anderes) »schlecht«: Dem Mangel, der doch etwas Schlechtes ist, steht gegenüber das Übermaß, das auch schlecht ist; ebenso aber auch steht beiden das Mittelmaß gegenüber, das etwas Gutes ist. Bei wenigen Fällen (nur) mag man derartiges sehen, in den meisten ist immer dem »schlecht« ein »gut« entgegengesetzt. – Weiter, bei gegenüberliegenden Gegensätzen muß nicht notwendig, wenn das eine ist, dann notwendig auch das restliche sein: Sind alle gesund, so ist Gesundheit, Krankheit aber nicht; entsprechend auch, wenn alles weiß ist, so wird Weiße sein, Schwärze dagegen nicht. – Weiter, wenn, daß »Sokrates gesund ist«, dem, daß »Sokrates krank ist«, gegenübersteht, und es nicht sein kann, daß beides gleichzeitig an demselben vorliegt, dann kann es ja wohl auch nicht sein, wenn eine dieser Gegensatzbestimmungen vorliegt, daß dann auch die restliche vorläge; denn wenn, daß Sokrates gesund ist, Bestand hat, dann wird ja wohl, daß Sokrates krank ist, nicht gelten.
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Klar ist aber auch: Bei (Gegenständen, die) entweder der Art oder der Seinsgattung nach gleich (sind,) treten die gegenüberliegenden Gegensätze von Natur aus auf; Krankheit und Gesundheit nämlich im Leib eines Lebewesens, weiße und schwarze Farbe an Körper überhaupt, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in der (menschlichen) Seele. Notwendig muß alles Gegenüberliegende entweder in derselben Gattung sein oder in gegenüberliegenden Gattungen, oder es sind selbst Seinsgattungen: »Weiß« und »schwarz« (sind) in der gleichen Seinsgattung – Farbe ist nämlich deren Gattung –, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in den gegenüberliegenden Gattungen – des einen Gattung ist ja »Tugend«, des anderen »Schlechtigkeit« –; »gut« und »schlecht« sind nicht in einer Gattung, sondern das sind selbst Seinsgattungen von anderem. Kapitel 12. »Früher« als ein anderes wird etwas genannt auf vierfache Weise: Erstens und im eigentlichsten Sinne nach der Zeit – demgemäß wird eines »älter als ein anderes« und »vormaliger« ausgesagt: dadurch, daß da nämlich die Zeit mehr ist, wird es als »älter« und »vormaliger« angesprochen –; zweitens, was nicht umkehrbar ist nach der Folge des Seins, z. B. ist die Eins »früher« als die Zwei; wenn nämlich zweie sind, folgt daraus sofort, daß auch eines ist; dagegen wenn eines ist, müssen nicht notwendig auch zwei sein, sodaß denn von Eins aus nicht die umgekehrte Folge (eintritt), daß nun auch der Rest wäre; »Früher« scheint nun aber ein derartiges zu sein, von dem aus die Seinsfolge sich nicht umkehren läßt. Drittens wird nach einer bestimmten Anordnung »früher« ausgesagt, wie bei (den Gegenständen von) Wissen und dem Vortrag (darüber); in den herleitenden Wissensfächern ist ja doch das »früher und später der Anordnung nach« gegebenes – die Grundbestandteile (der Raumlehre) sind der Anordnung nach früher als die Darstellung mittels Zeichnung, und bei der Schriftkunde kommen die Buchstaben vor den Silben –, und beim Redevortrag entsprechend: Die Einleitung kommt der Anordnung nach vor der Ausführung. Weiter (4), neben dem Genannten scheint das Bessere und das Ehrenhaftere von Natur aus an vorderer Stelle zu stehen; es ist ja auch die Masse der Leute gewohnt zu
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sagen, die Namhafteren und von ihnen Höhergeschätzten gingen vor. Es ist dies zwar allerdings so ziemlich die am fernsten liegende Weise (von »früher«). Die besagten Weisen von »früher« sind nun also so viele. Es möchte aber scheinen, daß es neben den genannten noch eine weitere Weise von »früher« gibt: Von Gegenständen, die nach der Seinsfolge eine Umkehrung zulassen, dürfte das, was für das andere – wie auch immer – verursachend ist, daß es ist, wohl mit Recht »früher« genannt werden. Daß es Derartiges gibt, (ist) klar: Daß es Menschen gibt, läßt sich umkehren nach der Seinsfolge mit der wahren Aussage darüber; wenn es nämlich Menschen gibt, so ist wahr die Aussage, mit der wir sagen, daß es Menschen gibt; und das geht auch umgekehrt: Wenn wahr ist die Rede, mittels derer wir sagen, daß es Menschen gibt, so gibt es welche. Nun ist aber die wahre Aussage durchaus nicht ursächlich dafür, daß der Sachverhalt besteht, dagegen der Sachverhalt scheint irgendwie die Ursache dessen zu sein, daß die Aussage wahr ist; denn aufgrund dessen, daß der Sachverhalt besteht oder nicht, wird der Satz (über ihn) als wahrer oder falscher ausgesagt. Also, nach fünf Weisen wird wohl etwas »früher« als etwas anderes genannt. Kapitel 13. »Zugleich« werden (1) in einfacher und eigentlichster Bedeutung (Gegenstände) genannt, deren Entstehung in der gleichen Zeit stattfindet; denn in dem Fall ist keins von beiden früher oder später; »zugleich der Zeit nach« wird das genannt. (2) »Zugleich der Naturbeschaffenheit nach« (wird alles das genannt), was (a) nach der Seinsfolge Umkehrung zuläßt, dabei jedoch keinesfalls das eine für das andere ursächlich ist, daß es ist, z. B. bei »doppelt« und »halb«; die lassen ja Umkehrung zu – wo ein »doppelt« ist, ist auch ein »halb«, und wo ein »halb«, da auch ein »doppelt« –, keins von beiden ist aber für das andere ursächlich, daß es ist. (b) Auch die Bestimmungen aus der gleichen Gattung, die unterschieden werden in Absetzung gegen einander, werden »zugleich nach Natur« genannt. In-Absetzung-gegen-einander-unterschieden-werden meint Unterteilung gemäß einer und derselben Hinsicht, z. B. »geflügelt«, »auf Füßen«, »im Wasser (schwim-
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mend)«; das wird in Absetzung gegen einander unterschieden und ist aus der gleichen Seinsgattung; denn »Lebewesen« wird in diese eingeteilt, in »geflügelt«, »auf Füßen« und »im Wasser«, und keine dieser (Arten) ist früher oder später, sondern zugleich nach Natur scheint derartiges zu sein. [Es könnte wohl auch ein jedes davon wieder in Arten zerlegt werden, etwa »auf Füßen«, »geflügelt« und »im Wasser«.] – Es wird also auch alles das zugleich nach Natur sein, was aus der gleichen Seinsgattung über dieselbe Einteilungshinsicht sich ergibt; dagegen die Gattungen gehen den Arten immer vor: Sie lassen nach der Seinsabfolge keine Umkehrung zu, z. B., gibt es »im Wasser (lebend)«, so ist auch »Lebewesen«, gibt es dagegen »Lebewesen«, so muß nicht notwendig »im Wasser (lebend)« sein. – »Zugleich nach Natur« wird also alles das genannt, was nach der Seinsfolge eine Umkehrung zuläßt, wobei aber durchaus nicht das eine am anderen versursachend ist, daß es ist, und die (Bestimmungen) aus der gleichen Gattung, die in Absetzung gegen einander unterschieden werden; »zugleich«, ohne Zusatz, (sind die Dinge), deren Entstehung zur gleichen Zeit (stattfindet). Kapitel 14. Von »Veränderung« gibt es sechs Formen: Entstehen, Untergang, Wachsen, Schwinden, Eigenschaftswechsel, Ortsveränderung. Bei den einen Veränderungsformen (ist es) offenkundig, daß sie voneinander verschieden sind: Entstehen ist nicht Untergang, auch ist Wachsen nicht Schwinden, auch Ortsveränderung nicht (...?), entsprechend auch die übrigen; bei Eigenschaftswechsel dagegen hat es eine gewisse Schwierigkeit, ob es nicht doch etwa notwendig ist, daß das, was da seine Eigenschaften ändert, dies aufgrund irgendeiner der übrigen Veränderungsformen tut. Das stimmt aber nicht. So ziemlich nach allen Einwirkungen oder doch nach den meisten trifft es uns zu, Eigenschaften zu ändern, ohne daß wir an irgendeiner der anderen Veränderungsformen teilnehmen: Weder wachsen muß das, was da über Einwirkung in Bewegung gesetzt wird, noch (muß es) schwinden, ebenso auch bezüglich der anderen (Formen), sodaß denn also für sich verschieden,
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neben den anderen Veränderungsformen, die Eigenschaftsveränderung bestünde; wenn sie nämlich die gleiche wäre (wie eine davon), dann müßte das, was da eine Eigenschaft verändert, sofort auch (entweder) wachsen oder schwinden oder irgendeiner der anderen Veränderungsformen folgen; aber das muß nicht sein. Entsprechend (müßte) auch, was da wächst oder in irgendeiner anderen Veränderungsform sich bewegt, Eigenschaften ändern; nun gibt es aber (Gegenstände), die wachsen, welche nicht (gleichzeitig) Eigenschaften ändern, z. B. das gleichseitige Viereck: Wenn man den »Zahlenwinkel« herumlegt, ist es zwar größer geworden, doch in irgendeiner Form andersartig hat es sich in nichts entwickelt. Entsprechend auch bei den übrigen derartigen (Gegenständen). Daher denn also die Formen von Veränderung von einander verschieden wären. Es steht im allgemeinen »Veränderung« dem »Stillstand« gegenteilig gegenüber, bei den Einzelformen dagegen der Entstehung der Untergang, dem Anwachsen das Schwinden; dem Wechsel des Ortes möchte der Stillstand am Ort am meisten entgegengesetzt scheinen, und wenn denn, (so auch) der Übergang zum gegenüberliegenden Ort hin, z. B. der (Bewegung) nach unten die nach oben, [und der von oben herunter die von unten herauf]. – Bei der noch übrigen der wiedergegebenen Veränderungsformen ist es nicht leicht anzugeben, was denn das Gegenteil ist; es scheint zu ihr kein Gegenteil zu geben, außer wenn einer auch bei ihr den Stillstand bezüglich des »sound-so-beschaffen« dagegensetzen wollte oder den Übergang zum Gegenteil an Eigenschaft, so wie bei der Ortsveränderung ja auch (entweder) den Stillstand am Ort oder den Übergang zum gegenüberliegenden Ort – es ist doch Eigenschaftsveränderung ein Wandel hinsichtlich des »so-und-so-beschaffen« –, sodaß denn also entgegengesetzt ist Stillstand bezüglich des »so-und-so-beschaffen« der Übergang in die gegenteilige Eigenschaft, z. B. »weiß-werden« dem »schwarz-werden«; denn da liegt ja Eigenschaftveränderung vor, wenn Übergang zum Gegenteil an Eigenschaft stattfindet.
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Kapitel 15. »Haben« wird nach mehreren Weisen ausgesagt: Entweder als ein Besitz oder eine Verfassung oder irgendwie andere Eigenschaftlichkeit – man sagt von uns (Menschen), wir »haben« Wissen und Tugend –; oder als ein »so und so viel«, z. B. Größe, die da einer »hat« – es wird ausgesagt, daß (etwas) »drei Ellen lange Größe hat« oder »vier Ellen lange ...« –; oder als das »Um-den-Leib-herum«, z. B. Mantel oder Kleid; oder als an einem Teil (des Leibes), z. B. (hat man) an der Hand einen Fingerring; oder als selbst ein Teil, z. B. (hat der Leib) Hand oder Fuß; oder als in einem Gefäß (Enthaltensein), z. B. (»hat«) der Scheffel die Weizenkörner und der Krug den Wein – daß er Wein in sich habe, wird ja von dem Krug ausgesagt, und der Scheffel den Weizen –; oder als erworbenes Eigentum: Man sagt von uns (Menschen), wir »haben« ein Haus und ein Stück Land. Man sagt von uns (Männern), wir »haben« eine Frau, und eine Frau »hat« einen Mann; die damit genannte Weise von »Haben« scheint aber die am fernsten liegende zu sein; denn mit »eine Frau haben« bezeichnen wir ja nichts anderes, als daß er mit ihr zusammenlebt. – Vielleicht erscheinen ja auch noch irgendwelche anderen Weisen von »Haben«, aber die gewöhnlicherweise ausgesagten sind damit so ziemlich alle aufgezählt. –
ARISTOTELES Hermeneutik oder vom sprachlichen Ausdruck (De interpretatione)
HERMENEUTIK
Kapitel 1. Zuerst ist zu setzen, was ist Name und was Tätigkeitswort; danach, was ist Verneinung, Behauptung, Kundgebung und Rede. – Es ist nun also das zur Sprache Gekommene Ausdruck von Vorgängen im innern Bewußtsein, so wie das Geschriebene (Ausdruck) des Gesprochenen. Und so, wie nicht alle die gleichen Buchstaben haben, ebenso auch nicht die gleichen Lautäußerungen; wovon allerdings, als seelischen Ersterfahrungen, dies die Ausdrücke sind, die sind allen gleich, und die Tatsachen, deren Abbilder diese sind, die sind es auch. Darüber ist ja nun im Vortrag Über Seele gesprochen – es gehört in ein anderes Sachgebiet –, es ergibt sich aber: Wie im innern Bewußtsein einmal Denkinhalt ist ohne die Frage nach wahr oder falsch, ein andermal aber schon derart, daß dem notwendig das eine oder andere davon eignen muß, so auch in der Aussage; denn im Bereich von Verknüpfung und Trennung erst treten »wahr« und »falsch« auf. Die bloßen Namen und Handlungsworte für sich gleichen nun dem Denkinhalt ohne Verknüpfung und Trennung, z. B. »Mensch« oder »weiß«, wenn nicht etwas hinzugesetzt wird: da liegt nirgends wahr oder falsch vor. Beleg dafür ist: Auch »Bockhirsch« bezeichnet ja etwas, nur noch nicht Wahres oder Falsches, – solange man noch nicht ein »sein« oder »nicht sein« dazusetzt, entweder einfach so oder auf Zeit. Kapitel 2. »Name« ist nun also eine übereinstimmungsgemäß etwas bezeichnende Lautform ohne Zeitzusatz, von der kein für sich genommenes Teilstück mehr etwas bezeichnet: In »Kallippos« bedeutet ja »-ippos« nichts für sich, wie etwa in dem Wortausdruck »schönes Pferd«. Indessen, anders als bei einfachen Namen verhält es sich so nicht bei zusammengesetzten: bei den ersten bezeichnet das Teil nie etwas, bei letzteren will es das wohl, doch, für sich genommen, trifft es nichts, z. B.
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in »Küstenschnellsegler« das »-segler«. Übereinstimmungsgemäß meint, daß keine der Benennungen von Natur aus besteht, sondern erst dann dazu wird, wenn sie Ausdruck von etwas ist; es verlautbaren ja auch die unschriftlichen Laute, z. B. von Tieren, etwas, – nichts davon ist eine Benennung. »Nicht Mensch« ist keine Benennung. Es liegt aber auch keine Bezeichnung vor, wie man so etwas rufen soll – es ist nämlich weder eine erklärende noch eine verneinende Rede –, so heiße es denn: »unbestimmte Bezeichnung«. »Des Philon« oder »dem Philon« und dergleichen sind keine Bezeichnungen, sondern nur Fälle einer solchen; die Begriffserklärung verläuft dazu in allen übrigen Hinsichten über die gleichen Punkte, nur, daß diese in Verbindung mit »ist«, »war«, »wird sein« keine wahre oder falsche Aussage machen – das tut aber eine Benennung immer – z. B. »Philons ist« oder »... ist nicht« – das sagt ja wohl überhaupt nichts, redet weder wahr noch falsch. Kapitel 3. »Tätigkeitswort« ist eines, das zusätzlich Zeit mitbezeichnet, dessen Teil, für sich genommen, nichts anzeigt; es ist Ausdruck von Aussagen, die über andere Gegenstände gemacht werden. Mit »zeigt Zeit mit an« meine ich z. B.: »Gesundheit« ist eine Benennung, »ist gesund« ein Tätigkeitswort, es bezeichnet nämlich mit das Gegenwärtig-Vorliegen. Und es ist immer ein Ausdruck von Vorliegendem, z. B. dessen an einem Satzgegenstand. Dagegen »ist nicht gesund« oder »leidet nicht« nenne ich nicht Tätigkeitsausdruck; es bezeichnet zwar eine Zeit mit und liegt auch immer an etwas vor, doch liegt für den Unterschied keine Bezeichnung bereit; so heiße es denn »unbestimmtes Tätigkeitswort«, weil es gleicherweise an Beliebigem zutrifft, ob das nun ist oder nicht ist. Entsprechend aber auch, »gesundete« oder »wird gesund sein« sind nicht Tätigkeitswort, sondern Fälle eines solchen; sie unterscheiden sich vom Tätigkeitswort darin, daß dieses gegenwärtige Zeit mitbezeichnet, sie aber die Zeit darum herum. – Bloß so für sich ausgesprochen sind die Tätigkeitsworte auch Benennungen und deuten auf etwas hin – wer sie ausspricht, richtet das Verstehen fest auf einen Punkt, und wer
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sie hört, macht sich daran fest – nur, ob das nun ist oder nicht, zeigt dies noch nicht an; denn »sein« oder »nicht sein« sind nicht Anzeiger eines Gegenständlichen, auch nicht, wenn man »seiend« bloß für sich sagt. Als dieses selbst ist es nämlich nichts, es bezeichnet aber eine Verbindung mit, die ohne die verbundenen Stücke nicht zu denken ist. Kapitel 4. »Erklärende Rede« ist eine etwas bezeichnende Lautäußerung, von deren Teilen jeder beliebige für sich gesondert etwas bezeichnet, nur als bloßes Kundtun, aber noch nicht als behauptende Zusage. Ich meine z. B., »Mensch« bedeutet etwas, nur noch nicht, daß das ist oder nicht ist – zu einer bejahenden Zusage oder einer verneinenden Absage wird das erst, wenn etwas dazugesetzt wird –, dagegen die Einzelsilbe von »Men-schen« nicht; auch in »Maus« ist ja das »-us« kein Bedeutungsträger, sondern eben nur ein bloßer Laut. In den aus zweien zusammengesetzten (Worten) bedeutet dagegen (das Einzelteil) wohl etwas, nur nicht für sich genommen, wie gesagt. Es ist nun also jede erklärende Rede etwas bedeutend, nur nicht so wie ein natürliches Sinneswerkzeug, sondern, wie gesagt, übereinstimmungsgemäß. Darstellend ist aber nicht jede, sondern nur die, der es zutrifft, wahr oder falsch sein zu können; das trifft aber nicht auf alle (Sätze) zu, z. B. ein Gebet ist zwar auch eine Rede, doch weder wahr noch falsch. Die anderen Formen seien nun beiseitegesetzt – deren Betrachtung ist der Lehre von Rede und Dichtung angemessener –, die aussagende Rede ist Gegenstand der gegenwärtigen Betrachtung. – Kapitel 5. Die erste aussagende Rede, die zu einer Einheit kommt, ist die Behauptung, danach die Verneinung; die übrigen gewinnen durch Verknüpfung ihre Einheit. Notwendig kommt jede aussagende Rede her von einem Handlungswort oder einem seiner Fälle; die Begriffsvorstellung »Mensch«, wenn ihr nicht ein »ist« oder »wird sein« oder »war« oder dgl. hinzugefügt ist, ist noch keine aussagende Rede. – Wieso aber »Lebewesen, zu Fuß über Land gehend, zweifüßig« ein eines ist, nicht etwa eine Vielheit – die Einheit wird ja doch wohl nicht dadurch hergestellt, daß es hintereinander weg ausge-
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sprochen ist –, doch darüber zu sprechen ist Sache einer anderen Anstrengung. – Einheitlich ist aussagende Rede entweder, indem sie auf einen Sachverhalt hinweist, oder sie ist durch Verknüpfung einheitlich; vielheitlich die, welche auf vieles und nicht eines hinweisen, oder die unverknüpften. Bezeichnung und Handlungswort seien nun also bloßes Kundtun, denn indem man so mit Lautäußerung auf etwas hinweist, heißt das nicht so reden, daß da eine Aussage gemacht wird, einerlei ob da einer Fragen stellt oder nicht, sondern man sich selbst dazu entschließt. Davon ist die eine Form aussagender Rede die einfache: Etwas gilt von etwas, oder etwas wird von etwas verneint; die andere ist die aus diesen zusammengesetzte, etwa eine bestimmte schon zusammengebaute. Die einfache aussagende Rede ist eine Lautäußerung, die über etwas zum Ausdruck bringt, ob es vorliegt oder nicht, wie die Zeiten verschieden sind. Bejahende Zusage ist Rede, die etwas von etwas aussagt, verneinende Absage ist Rede, die etwas von etwas abspricht. Kapitel 6. Da nun aber folgende Möglichkeiten gehen: Etwas Vorliegendes aussagen als nicht vorliegend, etwas nicht Vorliegendes als vorliegend, etwas Vorliegendes als vorliegend, etwas nicht Vorliegendes als nicht vorliegend, und das nun auch noch für die Zeiten außerhalb der Gegenwart entsprechend, so kann denn wohl auch jede bejahende Aussage, die einer gemacht hat, verneint werden und jede verneinende bejaht; daher klar ist, daß jeder Behauptung eine Verneinung entgegengesetzt ist und jeder Verneinung eine Behauptung. Und das soll denn Widerspruch heißen: Behauptung und Verneinung, die einander gegenüberstehen. Mit »gegenüberstehen« meine ich Bezugnahme auf die gleiche Bestimmung in der gleichen Hinsicht, – und zwar nicht unter Verwendung von Wortgleichheiten, und was wir sonst noch alles derart zusätzlich festlegen gegen die Lästigkeiten der Wortverdreher. Kapitel 7. Da nun aber die einen Gegenstände allgemein sind, die anderen einzeln – mit »allgemein« meine ich: Was von der Art ist, von mehreren Gegenständen ausgesagt zu wer-
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den; mit »einzeln« etwas, wo das nicht geht; Beispiel: »Mensch« gehört zum Allgemeinen, »Kallias« zu den Einzelbestimmungen –; notwendig muß aber auch die Aussage, daß etwas vorliegt oder nicht, einmal über einen allgemeinen Gegenstand, ein andermal über einen Einzelgegenstand gehen: wenn denn nun also (a) allgemein ausgesagt wird über einen allgemeinen Gegenstand, daß es an ihm zutrifft oder nicht, so werden die Aussagen entgegengesetzt sein – mit »allgemein aussagen über einen allgemeinen Gegenstand« meine ich beispielshalber: »Jeder Mensch ist weiß«, »kein Mensch ist weiß« –; wenn sie dagegen (b) zwar über allgemeine Gegenstände gehen, aber nicht allgemein sind, sind sie nicht entgegengesetzt, was sie aussagen, kann allerdings entgegengesetzt sein, – mit »nicht allgemein aussagen über allgemeine Gegenstände« meine ich beispielshalber: »Mensch ist weiß«, »Mensch ist nicht weiß«; »Mensch« ist zwar ein Allgemeinbegriff, wird aber in dieser Aussage nicht so gebraucht; der Zusatz »jeder« zeigt nicht die Allgemeinheit an, sondern daß die Aussage allgemein sein soll. – (c) Von etwas Ausgesagtem etwas Allgemeines allgemein auszusagen, ermöglicht nicht Wahrheit: es wird nämlich keine Bejahung geben, in der von einem Ausgesagten ein Allgemeines allgemein ausgesagt wird, Beispiel: »Es ist jeder Mensch jedes Lebewesen«. – Daß nun also eine Behauptung einer Verneinung im Widerspruch entgegengesetzt sei, meine ich so: Die, welche ein Allgemeines aussagt über einen Gegenstand, im Verhältnis zu der, die über den gleichen Gegenstand eine nicht allgemeine Aussage macht, Beispiel: (d) »Jeder Mensch ist weiß« – »Nicht jeder Mensch ist weiß«; (e) »Kein Mensch ist weiß« – »Irgendein Mensch ist weiß«. Gegenüberliegend dagegen nenne ich die Behauptung eines Allgemeinen im Verhältnis zur Verneinung eines Allgemeinen, Beispiel: (f) »Jeder Mensch ist gerecht« – »Kein Mensch ist gerecht«. Diese (letzteren) Sätze können daher nicht zugleich wahr sein, die ihnen entgegengesetzten können es über den gleichen Gegenstand wohl, z. B.: (g) »Nicht jeder Mensch ist weiß« – »Irgendein Mensch ist weiß«. Von denjenigen Gegensätzen, die über Allgemeines allgemein gehen, muß notwendig jeweils der eine
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wahr, der andere dann falsch sein, und von denen, die über Einzelgegenstände gehen, ebenso, Beispiel: (h) »Sokrates ist weiß« – »Sokrates ist nicht weiß«; von denjenigen dagegen, die über Allgemeines nicht allgemein gehen, ist nicht immer, wenn der eine wahr, dann der andere falsch. Es ist ja gleichzeitig wahr, zu sagen: (b) »Mensch ist weiß« und »Mensch ist nicht weiß«, und: »Es gibt schöne Menschen« – »Es gibt nicht schöne Menschen«; wenn einer dann häßlich ist, so ist er auch nicht schön; und wenn etwas (erst) wird, so ist es auch (noch) nicht. Es möchte aber sofort unsinnig erscheinen, weil doch der Satz (b) »Mensch ist nicht weiß« gleichzeitig auch zu bedeuten scheint, daß kein Mensch weiß ist (a); doch weder bedeuten sie das gleiche, noch gelten sie notwendig gleichzeitig. – Klar ist aber, daß es eine einzige Verneinung von einer einzigen Behauptung gibt; die Verneinung muß doch genau das verneinen, was die Behauptung bejaht hatte, und zwar an dem gleichen Gegenstande, ob der nun aus dem Bereich der Einzelgegenstände einer ist oder aus dem Bereich der Allgemeinbestimmungen, und ob die Aussage allgemein gemacht war oder nicht allgemein; ich meine z. B.: (h) »Sokrates ist weiß« – »Sokrates ist nicht weiß«; wenn aber etwas anderes verneint wird, oder zwar das gleiche, doch von einem anderen Gegenstand, dann ist das nicht die entgegengesetzte Behauptung, sondern nur eine von der ersten verschiedene; der Behauptung: (d) »Jeder Mensch ist weiß« (ist entgegengesetzt die) »Nicht jeder Mensch ist weiß«, der: (e) »Irgendein Mensch ist weiß« die »Kein Mensch ist weiß«, der: (b) »Mensch ist weiß« die »Mensch ist nicht weiß«. Daß nun also eine Behauptung einer Verneinung widersprüchlich gegenübersteht, und welches die jeweils sind, ist vorgetragen, auch, daß die gegenüberliegenden andere sind, und welche das sind, und auch, daß nicht jeder Widerspruch wahr oder falsch sein muß, warum das so ist, und unter welchen Umständen wahr oder falsch. Kapitel 8. Einheitlich ist aber diejenige Behauptung oder Verneinung, die eines über eines aussagt, entweder über ein Allgemeines allgemein, oder nicht, in entsprechender Weise,
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z. B.: »Jeder Mensch ist weiß« – »Nicht jeder Mensch ist weiß«; »Mensch ist weiß« – »Mensch ist nicht weiß«; »Kein Mensch ist weiß« – »Es gibt einen weißen Menschen«, – wenn dabei »weiß« je eines bezeichnet. Wenn aber zwei Gegenständen eine Bezeichnung gegeben wird, aus denen tatsächlich nicht eine Einheit wird, so ist die Behauptung nicht eine und die Verneinung auch nicht; wenn z. B. jemand dem (Ausdruck) »Pferd und Mensch« die gemeinsame Bezeichnung »Mantel« gäbe, so ist der Satz: »Mantel ist weiß« nicht eine einzige Behauptung; es macht nämlich keinen Unterschied, das zu sagen, oder: »Pferd und Mensch ist weiß«, und das unterscheidet sich in nichts davon, zu sagen: »Pferd ist weiß« und »Mensch ist weiß«. Wenn also diese Aussagen eine Vielheit bezeichnen und dann selbst auch eine Vielheit sind, so ist klar, daß auch die erste Form entweder eine Vielheit bezeichnet oder nichts – es ist doch nicht irgendein Mensch Pferd –, daher es bei diesen also auch nicht notwendig ist, daß, wenn der eine Satz wahr, dann sein Gegen-Satz falsch sein müßte. Kapitel 9. Bei Sätzen von »ist«-Form und von »war«-Form muß nun also die Behauptung oder die Verneinung wahr oder falsch sein; und wenn es über Allgemeines allgemein geht, jeweils, wenn die eine wahr, so die andere falsch, entsprechend über Einzelgegenstände, wie gesagt ist. Wenn aber über Allgemeines nicht allgemein gesprochen wird, so ist das nicht notwendig. Auch darüber ist gesprochen. – Bei Einzelgegenständen und »wird sein«-Aussagen ist es nicht entsprechend: Wenn nämlich jede Behauptung oder Verneinung, je nachdem, wahr oder falsch ist, so muß auch alles (Behauptete, je nachdem) entweder vorliegen oder nicht vorliegen; wenn denn nun einer sagt: »Etwas Bestimmtes wird sein«, ein anderer dagegen sagt: »Genau das wird nicht sein«, so ist klar, daß notwendig nur einer von ihnen das Richtige sagt, wenn jede Behauptung wahr oder falsch ist; beides wird ja gleichzeitig in solchen Fällen nicht eintreten können. Wenn es denn wahr sein soll, gesagt zu haben: »... ist weiß« oder »... ist nicht weiß«, so muß dieser Gegenstand eben auch weiß
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oder nicht weiß sein, und wenn er nun das eine oder andere ist, so war es auch wahr, das Jeweilige zu behaupten oder zu leugnen; und wenn es je nicht zutrifft, so redet er falsch, und wenn er falsch redet, so liegt es auch nicht vor. Also ist notwendig die Behauptung oder die Verneinung wahr. Nichts also ist noch tritt ein, sei es aus Zufallsfügung oder als ein »Wie es sich gerade so ergeben hat«, und es wird auch nicht so sein oder nicht sein, sondern aus Notwendigkeit alles, und nicht als ein »Wie es sich gerade so ergeben hat«: entweder spricht der Behauptende wahr oder der Verneinende; denn sonst wäre es ja mit gleichem Recht eingetreten oder nicht eingetreten; eben das »Wie es sich gerade so gefügt hat« ist doch von der Art, um nichts mehr sich so oder nicht so in Gegenwart oder Zukunft zu verhalten. – Ferner, wenn »... ist weiß« jetzt gilt, so war es auch schon früher wahr, gesagt zu haben: »... wird weiß sein«, sodaß es immer wahr war, »... wird sein« von etwas zu sagen, das irgendwann einmal ins Sein eintreten sollte; wenn es aber immer wahr war, »... ist« oder »... wird sein« gesagt zu haben, so ist dies nicht von der Art, daß es nicht ist und auch in Zukunft nicht sein wird; was aber nicht von der Art ist, nicht ins Sein zu treten, davon ist es unmöglich, daß es nicht ins Sein tritt; wovon es wieder unmöglich ist, nicht ins Sein zu treten, das muß notwendig ins Sein treten; alles, was da sein wird, tritt also mit Notwendigkeit ins Sein. Nichts wird also ein »Wie es sich gerade so ergeben hat« und auch nicht infolge Zufallsfügung sein. Wenn es nämlich infolge von Zufallsfügung wäre, so nicht aus Notwendigkeit. – Indessen aber, daß keins von beiden wahr wäre, kann nicht gesagt werden, etwa: »... wird weder sein noch nicht sein«. Erstens nämlich, wäre die Bejahung falsch, so auch die Verneinung nicht wahr und wäre diese falsch, so ergibt sich, daß auch die Bejahung nicht wahr ist. Und zudem, wäre es wahr zu sagen: »weiß und schwarz«, dann muß beides zutreffen, wenn aber »wird morgen eintreffen« (wahr ist), so wird es morgen eintreffen; wenn es aber morgen weder sein noch nicht sein wird, dann gäbe es auch das »Wie es sich eben so ergab« nicht, Beispiel: Eine
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Seeschlacht; dann wäre es ja nötig, daß die Seeschlacht weder stattfindet noch nicht stattfindet. Was sich denn also ergibt, ist derlei Unsinn und derartiges mehr, wenn denn bei jeder Behauptung und Verneinung, sei es über Allgemeines allgemein ausgesagt oder von Einzelgegenständen, notwendig von den entgegengesetzten Aussagen immer die eine wahr, die andere dann falsch sein müßte, es aber bei Gegenständen des Werdens kein »Wie es sich gerade so fügte« gäbe, sondern alles aus Notwendigkeit sein und eintreten müßte. So brauchte man denn weder zu Rate zu gehen noch sich die Mühe der Überlegung zu machen: Wenn wir das tun werden, wird folgendes eintreten ..., wenn (wir) das aber nicht (tun werden), so wird es nicht eintreten ... – Nichts hindert dann noch die Annahme, daß einer aufs zehntausendste Jahr das zukünftige Eintreten von etwas behauptete, ein anderer bestritte das, folglich müßte dann das, wovon es zu dem Zeitpunkt wahr war, es zu sagen, mit Notwendigkeit eintreten. Indessen, nicht einmal das macht dann einen Unterschied, ob irgendwer den Widerspruch geäußert oder nicht geäußert hat: Klar doch, daß sich die Dinge so verhalten (wie sie’s eben tun), auch wenn nicht vorher der eine es so behauptet, der andere es bestritten hat; nicht aufgrund einer solchen Behauptung oder Bestreitung werden sie doch eintreten oder nicht eintreten, und das aufs zehntausendste Jahr nicht mehr als zu irgend beliebiger Zeit. Also, wenn es zu jeder Zeit sich so verhielt, daß eins von beiden wahr war, so war es auch notwendig, daß dies eingetreten ist, und alles, was je eingetreten ist, mußte dann immer von der Art sein, daß es aus Notwendigkeit eingetreten ist: wovon doch einer wahr ausgesagt hat: »Es wird sein«, das kann doch nicht nicht eintreten; und (umgekehrt) von etwas Eingetretenem war es immer wahr, gesagt zu haben: »Es wird sein«. Wenn das also unmöglich ist – wir sehen ja, daß zukünftig Eintretendes seinen Ausgangspunkt nimmt sowohl vom Beraten aus wie davon, daß man zu handeln beginnt, und überhaupt, daß im Bereich der Dinge, die nicht immer wirkend sind, das »kann sein oder auch nicht« sich findet, worin beides
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als Möglichkeit beschlossen liegt, sowohl das »sein« wie auch das »nicht sein«, somit aber auch sowohl das »eintreten« wie auch das »nicht eintreten«. Und vieles – ist uns klar – verhält sich so, z. B.: Dies Kleidungsstück kann zerschnitten werden, wird aber nicht zerschnitten werden, sondern zuvor abgetragen; ebenso ist aber auch »nicht zerschnitten werden« möglich: denn das »zuvor abgetragen sein« träfe ihm ja nicht zu, wenn »nicht zerschnitten werden« nicht möglich gewesen wäre. Also auch mit allen übrigen Werdensvorgängen, wieviele da nach derartiger Möglichkeit ausgesprochen werden. So ist denn also einsichtig: Nicht alles ist oder tritt ein aus Notwendigkeit, sondern einiges, wie es sich gerade so ergeben hat, und dann ist die Behauptung um nichts wahrer als die Verneinung, anderes wohl mehrheitlich so und daß meistens das eine von beiden eintritt, indessen jedoch kann auch das andere eintreten, das erste dann nicht. – Das Sein von etwas, das ist, solange es ist, und, daß Nichtseiendes nicht ist, solange es nicht ist, ist notwendig. Allerdings gilt weder: Alles, was ist, ist notwendig, noch: Alles, was nicht ist, ist notwendig nicht. Es ist nämlich nicht dasselbe (zu sagen): Alles, was ist, ist notwendig zu der Zeit, da es eben ist, und einfach so vom »Sein aus Notwendigkeit« zu sprechen. Entsprechendes gilt von dem, was nicht ist. Und mit dem Widerspruch dazu ist es die gleiche Erklärung: »Sein oder nicht sein« gilt von allem mit Notwendigkeit, und »in Zukunft sein oder nicht sein«; allerdings, je eines von beiden für sich zu nehmen und es auszusagen, ist nicht notwendig. Ich sage beispielsweise: »Notwendig gilt: Morgen wird eine Seeschlacht stattfinden, oder es wird keine stattfinden.« Nicht allerdings gilt: »Notwendig findet morgen eine Seeschlacht statt«, auch nicht: »Notwendig findet keine statt«. Dagegen »stattfinden oder nicht stattfinden« gilt notwendig. Da denn nun also die Reden in Entsprechung zu den Tatsachen wahr sind, so ist klar: Was von der Art ist, daß es sich gerade eben so ergeben hat, und wovon auch je das Gegenteil möglich war, bei dem muß auch der Widerspruch von entsprechender Art sein; das ergibt sich bei solchem, was nicht immer ist oder nicht immer nicht ist;
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dabei muß ja zwar je das eine Stück des Widerspruchs wahr sein oder falsch, allerdings nicht mit Bestimmtheit dies oder das, sondern wie es sich eben gerade so fügte, und es mag auch die eine Seite in höherem Maße wahr sein, allerdings ist ihre Wahrheit oder Falschheit nicht schon erwiesen. So ist denn klar: Nicht notwendig ist bei jeder Behauptung und Verneinung von je Entgegengesetztem die eine wahr, die andere falsch; denn nicht so wie bei »ist«-Aussagen verhält es sich auch hier, bei Aussagen über Sachverhalte, die zwar nicht sind, aber doch (dermaleinst) sein oder nicht sein können, – sondern so, wie gesagt. – Kapitel 10. Da nun aber Behauptung (eine Rede) ist, die etwas über etwas aussagt, und das ist entweder eine Bezeichnung oder etwas, wofür es einen Namen nicht gibt, und da das in der Behauptung (Ausgesagte) eines sein muß und über einen Gegenstand gesagt sein muß – was Bezeichnung ist und Namenloses, ist früher gesagt: »Nicht Mensch« nenne ich nicht Bezeichnung, sondern unbestimmte Bezeichnung – das bezeichnet eben irgendwie ein Unbestimmtes –, so wie ja auch »ist nicht gesund« keine Tätigkeitsaussage ist –: so wird denn jede Behauptung bestehen entweder aus einer Bezeichnung und einem Tätigkeitswort oder aus unbestimmter Bezeichnung und Tätigkeitswort. Ohne Tätigkeitswort gibt es keine Behauptung und Verneinung; »ist« oder »wird sein« oder »war« oder »tritt ein« oder anderes derart sind aufgrund des Festgelegten Tätigkeitsaussagen, sie bezeichnen ja eine Zeit mit. Ursprüngliche Behauptung und Verneinung sind also: »Mensch ist« – »Mensch ist nicht«, sodann: »Nicht Mensch ist« – »Nicht Mensch ist nicht«, und wieder: »Jeder Mensch ist« – »Jeder Mensch ist nicht«, »Jeder nicht Mensch ist« – »Jeder nicht Mensch ist nicht«. Und mit den außenliegenden Zeiten ist es die gleiche Erklärung. Wenn aber »ist« als ein Drittes zusätzlich ausgesagt wird, so werden die Gegensätze auf zweifache Weise ausgesagt. Ich sage z. B.: »Mensch ist gerecht«, dann behaupte ich: »ist« wird als Drittes – Bezeichnung oder Tätigkeitswort – in der Behauptung mitgesetzt. So werden das aus dem Grunde vier
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(Sätze) sein, von denen zwei bestimmte im Hinblick auf Behauptung und Verneinung sich entsprechungsgemäß verhalten werden, wie die Fortnahme von Eigenschaften, die anderen zwei dagegen nicht; ich meine damit: »ist« wird entweder dem »gerecht« hinzugesetzt oder dem »nicht gerecht«, folglich auch die Verneinung. So werden es also vier sein. Wir wollen das Gesagte begreifen aus folgender Aufzeichnung: »Mensch ist gerecht« – Verneinung dazu: »Mensch ist nicht gerecht«. »Mensch ist nicht-gerecht« – Davon die Verneinung: »Mensch ist nicht nicht-gerecht«. »Ist« und »ist nicht« stehen hier bei »gerecht« und »nicht gerecht«. Das ist also, wie in den Analytiken vorgetragen, auf diese Weise geordnet. Entsprechend verhält es sich auch, wenn die Behauptung über den Bezeichnungsgegenstand allgemein gemacht wird, Beispiel: »Jeder Mensch ist gerecht« – [Verneinung dazu:] »Nicht jeder Mensch ist gerecht«. »Jeder Mensch ist nicht gerecht« – »Nicht jeder Mensch ist nicht gerecht«. Nur, daß die am weitesten auseinanderliegenden Aussagen nicht entsprechend gleich wahr sein können, gelegentlich aber können sie es doch. Diese zwei sind nun also entgegengesetzt, andere im Hinblick auf »nicht Mensch«, als eine Art Satzgegenstand zur Aussage gesetzt:
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»Nicht Mensch ist gerecht« – »Nicht Mensch ist nicht gerecht« »Nicht Mensch ist nicht-gerecht« – »Nicht Mensch ist nicht nicht-gerecht«. Mehr als diese Gegensätze wird es nicht geben; die letzteren stehen aber gesondert von den ersten für sich allein, indem sie »nicht Mensch« wie eine Bezeichnung brauchen. Bei welchen (Tätigkeitsaussagen) »ist« nicht paßt, z. B. bei »sich wohlbefinden« und »gehen«, bei denen macht es die gleiche Aussage, wenn man sie so setzt, als wie wenn »ist« zugefügt wäre, Beispiel: »Wohlbefindet sich jeder Mensch« – »Nicht wohlbefindet sich jeder Mensch« »Wohlbefindet sich jeder nicht Mensch« – »Nicht wohlbefindet jeder sich nicht Mensch«. Nicht ist hier »nicht jeder Mensch« zu sagen, sondern das »nicht«, die Verneinung, muß zu »Mensch« gesetzt werden; denn das »jeder« meint nicht die Allgemeinheit des Gegenstandes, sondern die der Aussage. Das ist klar aus folgendem: »Mensch befindet sich wohl« – »Mensch befindet sich nicht wohl« »Nicht Mensch befindet sich wohl« – »Nicht Mensch befindet sich nicht wohl«. Letztere (Sätze) unterscheiden sich von den ersten dadurch, daß sie nicht allgemein ausgesagt sind. Also, »jeder« oder »kein« bezeichnet nichts weiter zusätzlich, als daß man dem bezeichneten Gegenstand etwas allgemein zu- oder abspricht. Das übrige muß man gleichbleibend dazusetzen. – Da nun aber der (Behauptung) »Jedes Lebewesen ist gerecht« gegenüberliegt die Verneinung, die da besagt: »Kein Lebewesen ist gerecht«, so ist einerseits klar, daß diese niemals zugleich wahr sein und auch nicht am selben Gegenstand gelten können, die diesen entgegengesetzten (Sätze) werden es
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aber gelegentlich können, z. B.: »Nicht jedes Lebewesen ist gerecht« und: »Es gibt irgendein Lebwesen, das gerecht ist«. Die folgen einander, nämlich dem »Jeder Mensch ist nicht gerecht« der »Kein Mensch ist gerecht«, dem »Es gibt irgendeinen gerechten Menschen« der entgegengesetzte »Nicht jeder Mensch ist nicht gerecht«, – denn dann muß es einer ja sein. – Klar ist nun auch (bei Aussagen) über Einzelgegenstände: Wenn es wahr ist, auf eine entsprechende Frage hin zu verneinen, dann ist die entsprechende Bejahung auch wahr, Beispiel: »Ist Sokrates weise?« – »(Ist er) nicht.« – Sokrates ist also nicht weise. Dagegen bei Allgegenständen ist die ebenso ausgesprochene (Behauptung) nicht wahr, wahr stattdessen (nur) die Verneinung, Beispiel: »Ist jeder Mensch weise?« – »(Ist so) nicht.« – »Jeder Mensch ist also nicht weise.« – das ist ja falsch, aber »Nicht jeder Mensch ist also weise« ist wahr. Das ist die entgegengesetzte, die andere aber war die gegenüberliegende. – Die über unbestimmte Bezeichnungen und Tätigkeitsworte gehenden entgegengesetzten (Sätze), wie über »nicht Mensch« und »nicht gerecht«, möchten wohl wie Verneinungen ohne Bezeichnung und Tätigkeitswort zu sein scheinen, sind es aber nicht; denn notwendig muß die Verneinung immer wahr oder falsch sein, wer aber »nicht Mensch« sagt, der hat überhaupt nicht mehr wahr oder falsch gesprochen als einer, der »Mensch« (sagt), sondern sogar weniger, solange nicht etwas zugesetzt ist. Es bezeichnet aber »Es ist jeder nicht Mensch gerecht« zu keinem der obigen Sätze das Gleiche, und auch nicht der diesem entgegengesetzte, »Es ist nicht jeder nicht Mensch gerecht«. Dagegen, »Jeder nicht Mensch (ist) nicht gerecht« bedeutet zu »Kein nicht Mensch ist gerecht« dasselbe. – Umgestellte Bezeichnungen und Tätigkeitsworte behalten dieselbe Aussage, Beispiel: »Weiß ist Mensch« – »Mensch ist weiß«; wenn das nämlich nicht ist, dann wird es zu dem selben (Satz) mehrere Verneinungen geben, aber es war doch gezeigt, daß es zu einer (Behauptung nur) eine (Verneinung gibt). Zu »Mensch ist weiß« ist die Verneinung: »Mensch ist nicht weiß«; wenn zu »Weiß ist Mensch« die Verneinung nicht die gleiche
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ist wie zu »Mensch ist weiß«, so wird die Verneinung entweder sein: »Nicht Mensch ist nicht weiß«, oder: »Weißer Mensch ist nicht«; nun ist aber die eine die Verneinung zu »Nicht Mensch ist weiß«, die andere zu »Mensch ist weiß«; so wären es denn zwei (Verneinungen) zu einer (Behauptung). Daß nun also bei Umstellung von Bezeichnung oder Tätigkeitswort Bejahung und Verneinung ihre Bedeutung als dieselbe behalten, ist klar. Kapitel 11. Eines über vieles oder vieles über eines zu behaupten oder zu verneinen ist, wenn ein aus vielen Zusammengesetztes nicht eine Einheit ist, nicht eine einzige Behauptung oder Verneinung. Von Einheit rede ich dann nicht, wenn (zwar) eine Bezeichnung gesetzt ist, aber aus jenen (vielen Bestandteilen) keine bestimmte Einheit (geworden) ist, Beispiel: »Mensch« ist ja wohl vielleicht auch: »Lebewesen, zweifüßig, gesittet«, aber aus alledem wird auch eine Einheit. Dagegen, aus »weiß«, »Mensch«, »gehen« (entsteht) keine Einheit. Daher also ist weder, wenn eines über diese ausgesagt wird, dies eine einheitliche Behauptung, sondern zwar eine Lautäußerung, aber viele Behauptungen, noch, wenn diese über eines ausgesagt werden, sondern ebenfalls viele. Wenn nun die Frage im Untersuchungsgespräch die Forderung nach einer Antwort darstellt, entweder auf die vorgelegte Frage oder (Wahl) der anderen Seite des Widerspruchs, wobei die vorgelegte Frage die eine Seite eines Widerspruchs ist, so wäre die Antwort darauf nicht eine; es war ja auch nicht eine Frage, auch dann nicht, wenn sie wahr wäre. Gesprochen ist in der Topik darüber. Gleichzeitig ist auch klar: Die »Was-ist-es«-Frage ist auch keine Gesprächsfrage; dazu muß nämlich (die Möglichkeit) gegeben sein, aufgrund der Fragestellung zu wählen, welche von beiden Seiten des Widerspruchs man aussagen will; so muß aber der Fragende zusätzlich eingrenzen: »Ist ›Mensch‹ das oder das nicht?« Da nun aber die einen Aussagen verbunden gemacht werden, so daß das ganze Ausgesagte, bestehend aus gesonderten Einzelaussagen, eine Einheit wird, für andere aber gilt das nicht: welches ist der Unterschied? Von »Mensch« ist es doch wahr, einerseits für sich zu sagen »Lebewesen«, und wieder
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für sich »zweifüßig«, und (drittens) das als Einheit; so auch »Mensch« und »weiß« und das (drittens) als eines. Aber nicht (gilt): Wenn »Schuster« und »gut«, dann auch »guter Schuster«. Wenn denn, weil jedes von beiden (wahr ist), dann auch das »aus beiden zusammen«, ergäbe sich ja viel Unsinn! Von einem Menschen ist doch sowohl die (Aussage) »Mensch« wahr wie auch die »weiß«, mithin also auch das Ganze; wenn dann erneut »weiß«, und wieder das Ganze, dann gibt es folglich: »Weißer Mensch weiß«, und das ins Unendliche. Und aufs neue: »Gebildet, weiß, gehend«, und das in vielfacher Verflechtung. Weiter dann, wenn Sokrates »Sokrates« und »Mensch«, dann auch »Sokrates-Mensch«, und wenn »Mensch« und »zweifüßig«, auch »Mensch-zweifüßig«. Daß nun also, wenn einer es einfach so setzt, daß Verflechtungen eintreten, sich ergibt, viel Unfug zu reden, ist klar. Wie es dagegen anzusetzen ist, sagen wir jetzt. Also: Alles, was an Ausgesagtem, und auch worüber sich das Ausgesagtwerden ergibt, gemäß bloß zukommender Eigenschaft, entweder an demselben oder als Verschiedenes über ein Verschiedenes, ausgesprochen wird, das findet nicht zur Einheit, Beispiel: Mensch ist »weiß und gebildet«, aber damit werden »weiß« und »gebildet« nicht zu einer Einheit; denn sie treffen eben nur beide demselben zu; auch wenn »weiß, gebildet« wahr wäre zu sagen, trotzdem wird »gebildet-weiß« nicht zu einem; nur beiläufig ist hier ein Gebildetes auch weiß, also ein »weißgebildet« wird es nicht geben. Daher ist auch ein Schuster nicht einfach so »gut«, doch »zweifüßiges Lebewesen« ist er; das ist er nämlich nicht beiläufig. – Sodann auch solches nicht, was in dem anderen schon enthalten ist; daher weder »weiß« mehrmals (zu setzen ist) noch »Mensch« als »Menschenlebewesen« oder »(Mensch)zweifüßig«; denn es ist in »Mensch« schon »zweifüßig« und »Lebewesen« enthalten. Wahr ist dagegen, es von einem Einzelgegenstand auch ohne Zusatz auszusagen, z. B. von irgendeinem bestimmten Menschen »Mensch« oder von einem bestimmten Weißen »weißer Mensch«. Aber nicht immer, sondern wenn in dem Hinzugesetzten etwas an Entgegengesetztem schon enthalten
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ist, dem ein Widerspruch folgt, so ist es nicht wahr, sondern falsch – z. B. einen gestorbenen Menschen »Mensch« zu nennen –, wenn dagegen (solches) nicht darin schon enthalten ist, ist es wahr. Oder (genauer): Wenn es darin eingeschlossen ist, ist es immer nicht wahr, wenn es aber nicht eingeschlossen ist, nicht immer wahr; wie also »Homer« etwas ist, etwa »Dichter«, – also, ist er nun auch oder nicht? Nur beiläufig wird doch hier das »ist« von Homer ausgesagt; weil er doch Dichter ist – aber nicht an und für sich –, wird von Homer hier »ist« gesagt. Daher, in welchen Aussageformen einerseits kein Gegensatz steht, wenn Begriffe anstatt von Bezeichnungen ausgesprochen werden, andererseits sie im eigentlichen Sinne ausgesagt sind, nicht bloß beiläufig, bei denen ist das »was« auch ohne Zusatz wahr auszusagen. »Nicht seiend« dagegen, weil es Gegenstand bloßer Meinung ist, ist nicht wahrheitsgemäß als ein Seiendes auszusagen; die Meinung über es geht ja nicht dahin, daß es ist, sondern daß es nicht ist. – Kapitel 12. Nachdem dies bestimmt ist, ist zu prüfen, wie sich die Behauptungen und Verneinungen zueinander verhalten, die da gehen um »möglich sein«, »nicht möglich« und »kann sein, daß ...«, »kann nicht sein, daß ...« und bezüglich »unmöglich« und »notwendig«. Denn das hat einige Schwierigkeiten. Wenn denn also von den zusammengesetzten Aussagen diese Widersprüche einander entgegengesetzt sind, wieviele gemäß »sein« und »nicht sein« angeordnet werden, z. B. von »... ist Mensch« ist die Verneinung »... ist nicht Mensch«, und nicht »nicht Mensch ist«, und von »weißer Mensch sein« (ist es) »nicht weißer Mensch sein«, aber nicht »nicht-weißer Mensch sein« – wenn denn von allem die Bejahung oder Verneinung (gälte), so wäre der Satz wahr: »Holz ist nicht-weißer Mensch«; wenn aber so, und (zusätzlich bei Sätzen), in welchen »sein« nicht hinzugesetzt, das anstatt »sein« Gesagte die gleiche Wirkung hervorbringen wird, z. B., von »Mensch geht« wäre nicht die Verneinung »nicht Mensch geht«, sondern »Mensch geht nicht«; – es macht denn doch keinen Unterschied zu sagen: »Mensch geht« oder »Mensch ist gehend«: –
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also, wenn das überall so ist, dann ist von »möglich sein« die Verneinung: »möglich, nicht zu sein«, aber nicht: »nicht möglich sein«. Es scheint aber doch eines und dasselbe sowohl sein wie nicht sein zu können: Alles, was zerschnitten werden oder gehen kann, kann auch nicht gehen oder nicht zerschnitten werden. Erklärung davon ist: Alles, was derart möglich ist, verwirklicht seine Möglichkeit nicht immer, daher ihm auch die Verneinung zutrifft. Es kann ja auch ein zum Gehen Befähigtes nicht gehen und ein Sichtbares nicht gesehen werden. Aber nun ist es doch unmöglich, daß entgegengesetzte Aussagen über den gleichen Gegenstand wahr sind; also auch diese Verneinung nicht. Es ergibt sich ja daraus, entweder das Gleiche gleichzeitig am Gleichen zu behaupten und zu verneinen, oder daß die hinzugesetzten (Aussagen) nicht Behauptungen und Verneinungen bezüglich »sein« oder »nicht sein« sind. Wenn nun das erste nicht geht, so wäre mithin das zweite zu wählen. So ist also die Verneinung zu »möglich sein«: »nicht möglich sein«. Dieselbe Erklärung gilt auch für »kann sein, daß ...«: Dazu ist die Verneinung »kann nicht sein, daß ...«. Und bei den anderen (Bestimmungen) ist es gleicherweise so, z. B. mit »notwendig« und »unmöglich«. Es ergibt sich doch (dies): Wie bei den früheren (Sätzen) das »sein« und »nicht sein« Zusätze sind, die zugrundeliegenden Sachverhalte aber (z. B.) »weiß« und »Mensch«, so wird hier »sein« gewissermaßen zur Grundlage, »können« und »eintreten können, daß ...« zu bestimmenden Zusätzen, und wie dort das »sein« und »nicht sein« die wahre Aussage ausmacht, entsprechend (betreffen) diese das »möglich sein« oder »nicht möglich sein«. Von »möglich, nicht zu sein« ist die Verneinung »nicht möglich, nicht zu sein«. Daher möchten wohl auch einander zu folgen scheinen die (Setzungen) »möglich sein« – »möglich, nicht zu sein«: dasselbe ist doch vermögend, zu sein und auch nicht zu sein; es sind ja derlei (Ausdrücke) keine Widersprüche gegen einander. Dagegen, »möglich sein« und »nicht möglich sein« (gehen) nie zusammen, die sind entgegengesetzt.
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Und auch »möglich, nicht zu sein« und »nicht möglich, nicht zu sein« (gehen) nie zusammen. Entsprechend auch, von »notwendig sein« (ist die) Verneinung nicht »notwendig, nicht zu sein«, sondern »nicht notwendig sein«; von »notwendig nicht sein« aber »nicht notwendig nicht sein«. Und von »unmöglich sein« nicht »unmöglich, nicht zu sein«, sondern »nicht unmöglich, zu sein«; von »unmöglich, nicht zu sein« aber (ist die Verneinung) »nicht unmöglich, nicht zu sein«. – Und überhaupt, wie gesagt ist, »sein« und »nicht sein« muß man setzen wie die Aussagegegenstände, diese dagegen zu Behauptung und Verneinung machen und so an »sein« und »nicht sein« anknüpfen; und diese muß man für die entgegengesetzten Aussagen halten: Möglich – nicht möglich, kann sein, daß ... – kann nicht sein, daß ..., unmöglich – nicht unmöglich, notwendig – nicht notwendig, wahr – nicht wahr. Kapitel 13. Und auch die Folgen ergeben sich in entsprechender Weise, wenn man es so setzt: Dem »möglich sein« (folgt) »sein können, daß ...«, und dies entspricht dem anderen, und: »nicht unmöglich sein« und »nicht notwendig sein« (entsprechend); dem »möglich, nicht zu sein« aber und dem »kann sein, daß nicht ...« (folgt) »nicht notwendig nicht sein« und »nicht unmöglich nicht sein«; dem »nicht möglich sein« aber und dem »kann nicht sein, daß ...« (folgt) »notwendig nicht sein« und »unmöglich, zu sein«; dem »nicht möglich, nicht zu sein« und »kann nicht sein, daß nicht ...« (folgt) »notwendig sein« und »unmöglich, nicht zu sein«. – Es mag aus folgender Tafel zu ersehen sein, wie wir es meinen: (a) möglich sein sein können, daß ... nicht unmöglich sein nicht notwendig sein
(b) nicht möglich sein nicht sein können, daß ... unmöglich sein notwendig nicht sein
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(c) möglich, nicht zu sein (d) nicht möglich, nicht zu sein nicht sein können, daß sein können, daß nicht ... nicht ... unmöglich, nicht zu sein nicht unmöglich, nicht zu sein nicht notwendig, nicht notwendig sein. zu sein
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Also: »unmöglich« und »nicht möglich« folgt dem »kann sein, daß ...« und »möglich« und dem »kann nicht sein, daß ...« und »nicht möglich« zwar auf widersprechende Weise, doch in umgekehrter Reihe; denn dem »möglich sein« folgt die Verneinung von »unmöglich«, der Verneinung die Bejahung; denn dem »nicht möglich sein« (folgt) das »unmöglich sein«; »unmöglich sein« ist nämlich eine Bejahung, dagegen »nicht unmöglich« eine Verneinung. – »Notwendig«, wie (es damit steht), ist zu sehen: Einsichtig doch, daß (es da) nicht so (ist), sondern die gegenüberliegenden (Sätze) folgen, die Widersprüche (stehen) für sich. Denn von »notwendig nicht sein« ist die Verneinung nicht »nicht notwendig sein«; da kann es ja sein, daß beide (Setzungen) über den gleichen Gegenstand wahr sind: »notwendig nicht sein« (schließt auch ein) »nicht notwendig sein«. Ursache dafür, daß hier nicht die entsprechende Folge besteht wie bei den anderen (Bestimmungen), ist: »unmöglich« wird zu »notwendig« in gegenüberliegender Form wiedergegeben, um dasselbe zu vermögen: Wenn nämlich etwas unmöglich sein kann, so ist von ihm notwendig nicht sein Sein, sondern sein Nichtsein; wenn es andererseits unmöglich nicht sein kann, so ist sein Sein notwendig. Wenn daher jene dem »möglich« und »nicht (möglich)« in entsprechender Weise (folgen), so diese in entgegengesetzter, da doch »notwendig« und »unmöglich« zwar auf dasselbe hinweisen, doch, wie gesagt ist, in umgekehrter Anordnung. – Oder ist es unmöglich, daß die Widersprüche zu »notwendig« so angeordnet sind? Das »notwendig sein« ist ja doch (auch) ein »möglich sein«; wenn denn nicht, so wird ja die
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Verneinung folgen; notwendig ist doch, entweder zu bejahen oder zu verneinen; daher denn, wenn »nicht möglich sein«, so auch »unmöglich sein«: »unmöglich sein« wäre somit ein »notwendig sein«, was ein Unsinn ist. Aber nun doch, dem »möglich sein« folgt das »nicht unmöglich sein«, diesem aber das »nicht notwendig sein«; daher sich ergibt, »notwendig sein« (wäre auch) »nicht notwendig sein«, was (erneut) Unsinn ist. Indessen, einerseits folgt nicht »notwendig sein« dem »möglich sein«, aber auch nicht »notwendig nicht sein«; einerseits kann es ja sein, daß dem beides zutrifft, bei diesem dagegen wird, einerlei welches von beiden wahr ist, jenes dann nicht mehr wahr sein: »möglich sein« und »... nicht sein« (gelten) gleichzeitig; wenn dagegen (gilt) »notwendig sein« oder »... nicht sein«, dann geht beides nicht mehr. Bleibt also, »nicht notwendig nicht sein« folgt dem »möglich sein«; das ist nämlich wahr auch (ausgesagt) von »notwendig sein«. Diese (Setzung) ist ja auch der Widerspruch zu der, die dem »nicht möglich« folgt: dem folgt nämlich »unmöglich sein« und »notwendig nicht sein«, dessen Verneinung das »nicht notwendig nicht sein« (ist). Es folgen also sowohl diese Widersprüche gemäß der vorgetragenen Ordnung, wie sich auch nichts Unmögliches ergibt, wenn das so gesetzt wird. Nun könnte man darüber im Zweifel sein, ob dem »notwendig sein« das »möglich sein« folgt. Wenn es nämlich nicht folgt, so wird sein Widerspruch folgen, »nicht möglich sein«; und wenn jemand sagen wollte, das sei nicht der Widerspruch, so wäre notwendig zu sagen »möglich, nicht zu sein«; was denn beides vom »notwendig sein« falsch (ausgesagt wäre). Indessen aber, es scheint doch wieder an einem und demselben möglich zu sein, zerschnitten und nicht zerschnitten zu werden und zu sein und nicht zu sein, sodaß denn »notwendig sein« (gleichbedeutend wäre mit) »sein können, daß es nicht ist«, das ist aber falsch. Einsichtig ist mithin: Nicht alles, wovon es möglich ist, zu sein oder zu gehen ..., vermag auch das Entgegengesetzte, sondern es gibt Fälle, bei denen das nicht wahr ist. Erstens bei den Dingen, die nicht über Vernunftausübung etwas können, z. B.: Feuer kann wärmen und hat (damit) eine ver-
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nunftlose Kraft; – die Vermögen also mit Vernunftgebrauch (gehen) als dieselben auf eine Mehrzahl, und zwar Gegenteiliges, (aus), die vernunftlosen dagegen nicht alle, sondern, wie gesagt ist, Feuer ist nicht in der Lage, zu wärmen und auch nicht, und auch alles andere nicht, was da immer in Tätigkeit ist; einige allerdings auch von den über vernunftlose Vermögen (wirkenden Dingen) können zugleich das Gegensätzliche; aber dies ist nur dessentwegen gesagt, weil nicht jedes Vermögen auf Entgegengesetztes geht, auch nicht solche, die im Bereich der gleichen Art ausgesagt werden; – einige Vermögen andererseits haben die gleiche Bezeichnung: das »möglich« wird ja nicht einfach ausgesagt, sondern in einem Fall so, daß es wahr ist, als in tatsächlicher Wirkung vorhanden, z. B.: »... kann gehen«, weil (er, sie, es gerade) geht, und allgemein: »... kann sein«, weil schon in tatsächlicher Wirklichkeit das ist, was da als »möglich« ausgesagt ist; im andern Fall (heißt es »möglich«), weil es zur Tätigkeit wohl kommen könnte, z. B.: »... kann gehen«, weil (er, sie, es) gehen könnte. Und dieses Vermögen ist bei den Gegenständen, die einer Bewegung fähig sind, allein (anzutreffen), jenes aber auch bei denen, die keiner Bewegung fähig sind. Bei beiden ist es aber wahr zu sagen, es sei »nicht unmöglich« für sie zu gehen oder zu sein, sowohl von dem, was da schon geht und dies bestätigt, wie auch von dem, was dazu (noch nur) in der Lage ist. Das so (bestimmte) »möglich« ist von einem Notwendigen ohne Zusatz nicht wahrheitsgemäß auszusprechen, das andere aber wohl. Da denn also dem nur teilweise Gültigen das allgemein Gültige folgt, so folgt dem »aus Notwendigkeit sein« das »sein können«, allerdings nicht jedes. Und so ist denn also vielleicht »notwendig« und »nicht notwendig« bei allem der Ausgangspunkt, zu sein oder nicht zu sein, und die übrigen (Bestimmungen) muß man als diesen folgend ansehen. Klar (ist) mithin aus dem Gesagten: Was infolge von Notwendigkeit ist, ist in tatsächlicher Wirklichkeit, daher, wenn das Immerwährende früher ist (als alles, was erst zur Wirklichkeit kommt), so ist die tatsächliche Wirklichkeit früher als die Möglichkeit. Und das eine sind Wirklichkeiten ohne
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(bloße) Möglichkeit, z. B. die ersten Wesenheiten, das andere sind solche in Verbindung mit ihr, was dem Wesen nach früher, der Zeit nach aber später ist, das dritte sind niemals Wirklichkeiten, sondern immer nur Möglichkeiten. – Kapitel 14. Ist etwa entgegengesetzt Bejahung der (entsprechenden) Verneinung oder Bejahung einer (anderen) Bejahung, und somit die Aussage, die da besagt: »Jeder Mensch (ist) gerecht«, der »Kein Mensch (ist) gerecht«, oder: »Jeder Mensch (ist) gerecht« dem »Jeder Mensch (ist) ungerecht«? Z. B.: »Kallias ist gerecht« – »Kallias ist nicht gerecht« – »Kallias ist ungerecht« –: welche davon sind entgegengesetzt? – Wenn doch das mit der Stimme zum Ausdruck Gebrachte dem im Denken (Vorgestellten) folgt, dort aber die entgegengesetzte Meinung die mit dem entgegengesetzten Inhalt ist, z. B. die: »Jeder Mensch (ist) gerecht« der »Jeder Mensch (ist) ungerecht«, dann muß es sich mit den zum Ausdruck gebrachten Behauptungen notwendig entsprechend verhalten. Wenn dagegen auch dort nicht die Meinung entgegengesetzten Inhalts entgegengesetzt ist, so wird auch nicht die Bejahung der Bejahung entgegengesetzt sein, sondern die dargestellte Verneinung. Daher ist zu prüfen, was für eine wahre Meinung welcher falschen entgegengesetzt ist, ob die mit dem verneinenden Inhalt oder die, welche das Entgegengesetzte als bestehend annimmt. Ich meine damit folgendes: Da ist eine wahre Meinung vom Guten (die besagt): Es ist gut, eine andere, falsche dagegen: Es ist nicht gut, eine davon verschiedene: Es ist schlecht. Welche dieser beiden ist also der wahren entgegengesetzt? Und wenn es nur eine einzige ist, über welche von beiden ergibt sich die Entgegensetzung? – Zu meinen nun, daß entgegengesetzte Meinungen dadurch bestimmt wären, daß sie Entgegengesetztes zum Inhalt hätten, (ist) falsch: die Meinung über Gutes, daß (es eben) gut (ist), und die über Schlechtes, daß (es) schlecht (ist), ist ja wohl dieselbe und wahr, ob das nun mehr als eine sind oder nur eine; die Inhalte sind aber entgegengesetzt; aber nicht dadurch, daß sie Entgegengesetztes zum Inhalt haben, sind sie entgegengesetzt, sondern eher dadurch, daß sie einander entgegenstehen. – Wenn denn also da
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eine Meinung über das Gute ist: Es ist gut, da eine: Es ist nicht gut, und wieder eine: Es ist irgendetwas anderes, – was ihm nicht zukommt und auch gar nicht derart ist, ihm je zukommen zu können – von den anderen darf man gar keine setzen, weder welche, die da vermuten, es komme ihm zu, was (tatsächlich) nicht an ihm vorliegt, noch solche, die (vermuten), es komme ihm nicht zu, was (tatsächlich) nicht an ihm vorliegt, noch solche, die (vermuten), es komme ihm nicht zu, was doch tatsächlich an ihm vorliegt – unzählig viele gibt es ja von beiden Arten, sowohl, welche da meinen, es liege vor, was nicht vorliegt, wie auch solche, es liege nicht vor, was doch vorliegt –, sondern die, in welchen der Trug steckt; diese (Trüglichkeiten) aber stammen daher, von wo aus die Werdevorgänge kommen: Aus den Entgegensetzungen aber gehen die Werdensvorgänge hervor, somit auch die Trugvorgänge –: wenn nun das Gute sowohl »gut« wie auch »nicht schlecht« ist, und das eine für sich, das andere in beiläufiger Folge – es ergibt sich ja für es mit, »nicht schlecht« zu sein – und wenn die Meinung über einen jeden Gegenstand, die ihn an sich betrifft, in höherem Maße wahr ist (als die nur beiläufige), so gilt entsprechendes auch für die falsche, wenn es doch für die wahre galt. – Die Meinung nun mit dem Inhalt: »Das Gute ist nicht gut« ist falsch hinsichtlich dessen, was ihm an sich zukommt, die: »Es ist schlecht« nur hinsichtlich der Beiläufigkeit, daher in höherem Maße falsch über das Gute die Meinung wäre, die die Verneinung zum Inhalt hat, als die, die das Gegenteil meint. Es irrt aber bezüglich jedes Gegenstandes der am meisten, der die gegenteilige Meinung hat: das Gegenteilige gehört zu dem, was bezüglich eines und desselben Gegenstandes am weitesten auseinanderliegt. Wenn nun die eine von ihnen gegenteilig ist, die mit dem Widerspruch als Inhalt aber noch gegenteiliger, so ist klar, daß dies wohl die gegenteilige ist. Die dagegen mit dem Inhalt: »Das Gute ist schlecht« ist zusammengesetzt: (wer sie hat), derselbe muß ja wohl auch annehmen, daß es »nicht gut« ist. Weiter, wenn es sich auch bei den übrigen (Vorstellungen) entsprechend verhalten muß, so dürfte auch auf diesem Wege
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sich zeigen, daß das gut gesagt war. Entweder (leistet die Meinung) mit dem Widerspruch als Inhalt überall (das gleiche wie die mit dem Gegenteil) oder nirgends; zu welchen Dingen es Gegenteiliges aber nicht gibt, bei denen ist die falsche Meinung die der wahren entgegengesetzte, z. B. wer einen Menschen nicht für einen Menschen hält, hat sich geirrt. Wenn nun diese (Meinungen) gegenteilig (sind), so auch die anderen mit dem Widerspruch als ihrem Inhalt. Weiter, es verhält sich entsprechend die (Meinung) über das Gute (die besagt): »Es ist gut«, und die über das nicht Gute (die besagt): »Es ist nicht gut«, und zu diesen die über das Gute (mit dem Inhalt): »Es ist nicht gut«. Der Meinung also über das nicht Gute (mit dem Inhalt): »Es ist nicht gut« – die (also) wahr ist –, welche ist ihr entgegengesetzt? Doch wohl nicht, die da besagt: »Es ist schlecht«; die ist ja wohl gelegentlich gleichzeitig wahr, niemals aber ist eine wahre (Meinung) zu einer wahren gegensätzlich; es gibt ja einiges nicht Gute, das auch schlecht ist, so daß es sein kann, daß sie zugleich wahr sind. Andererseits doch auch nicht die mit dem Inhalt: »Es ist nicht schlecht«; wahr ist ja auch diese; auch das könnte ja gleichzeitig sein. Bleibt denn also: Der (Meinung) über das nicht Gute mit dem Inhalt: »Es ist nicht gut« ist entgegen gesetzt die über das nicht Gute mit dem Inhalt: »Es ist gut«. [Falsch; die andere war doch wahr.] So denn also auch die (Meinung) über das Gute mit dem Inhalt: »Es ist nicht gut« der über das Gute mit dem Inhalt: »Es ist gut« (entgegengesetzt). – Einsichtig ist aber, daß es keinen Unterschied machen wird, auch dann nicht, wenn wir die Behauptung allgemein setzen; dann wird nämlich die allgemeine Verneinung das Gegenteil sein, z. B. der Meinung, die da meint: »Alles Gute (ist) gut«, die mit dem Inhalt: »Nichts von dem Guten ist gut«. Denn die (Meinung) über das Gute mit dem Inhalt: »Es ist gut«, wenn »das Gute« allgemein (genommen wird), ist dieselbe wie die, die da meint: »Was auch immer je gut ist, ist gut.« Das unterscheidet sich aber in nichts von dem: »Alles, was gut ist, ist gut.« Entsprechend (ist es) auch mit »nicht gut«.
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Wenn es sich denn also mit der Meinung so verhält und – weiter – die stimmlich geäußerten Behauptungen und Verneinungen Ausdrücke der (Vorgänge) im Bewußtsein sind, so ist klar: (1) Zu einer (allgemeinen) Behauptung ist (a) gegenteilig die Verneinung, die über denselben Gegenstand allgemein geht, Beispiel: Der (mit dem Inhalt) »Alles Gute (ist) gut«, oder: »Jeder Mensch (ist) gut« die (mit) »Nichts ...« oder »Kein ...«; dagegen (b) auf widersprechende Weise ist es die mit »Nicht alles ...« oder »Nicht jeder ...«. (2) Einsichtig ist aber auch, daß eine wahre (Aussage) zu einer wahren nicht gegenteilig sein kann, das gilt sowohl für Meinung wie geäußerten Widerspruch. Gegenteilig sind die (Meinungen, Aussagen) über das Entgegengesetzte, darüber kann es sein, daß einer und derselbe die Wahrheit sagt; dagegen, daß gleichzeitig an einem und demselben (Gegenstand) Gegenteiliges vorliegt, das kann nicht sein.
ARISTOTELES Erste Analytik
ERSTES BUCH
Kapitel 1. Als erstes ist vorzutragen, worum es in dieser Untersuchung geht und worauf sie aus ist: Es geht hier um Beweis, und sie ist auf beweisendes Wissen aus. Sodann ist klar einzugrenzen: Was ist »vorgegebener Satz« und was »klar bestimmter Begriff«, was »Schluß«, und welche Art davon ist vollkommen, welche unvollkommen; danach: Was bedeutet »dies ist – oder ist nicht – in dem als Ganzem«, und: Was verstehen wir unter »über alles oder von keinem ausgesagt werden«. Vorgegebener Satz ist also eine Rede, die etwas von etwas bejahend oder verneinend aussagt. Diese erfolgt entweder in der Allform oder in der Teilform oder ist (in der Hinsicht) unbestimmt. Mit »Allform« meine ich: Entweder allem oder keinem zukommen, mit »Teilform«: Einigem oder einigem nicht oder nicht allem zukommen, »unbestimmt«: Zukommen oder Nicht-Zukommen ohne Zusatz der All- oder Teilaussage, z. B. der Satz: »Gegensätze sind Gegenstand eines und desselben Wissens,» oder: »Lust ist nicht ein Gut.« Es unterscheidet sich der Eingangssatz im Beweisverfahren von dem des bloßen Untersuchungsgesprächs darin: Der im Beweisverfahren ist die Annahme der einen oder anderen Seite eines ausschließenden Widerspruchs – wer Beweis führt, stellt keine Fragen, sondern macht Annahmen –, der dagegen im Untersuchungsgespräch ist eine Frage nach (der einen oder anderen Seite) des Widerspruchs. Das wird aber keinen Unterschied machen im Hinblick darauf, daß auf diese oder die andere Seite hin ein Schluß erfolgt: Sowohl wer Beweis führt, wie der, der Fragen stellt, rechnet (die Aussagen) zusammen, nachdem er die Annahme gemacht hat: Das liegt an dem vor oder nicht vor. Es wird also Eingangssatz im Schluß folgendes sein: Zusatzlose Behauptung oder Leugnung (des Vorliegens) von etwas an etwas, auf die genannte Weise; (als Eingangssatz)
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im Beweisverfahren (taugt er dann), wenn er wahr ist und auf dem Wege über die Voraussetzungen vom Anfang her zur Annahme gelangt; (die Art des Satzes, eigentümlich) für das Untersuchungsgespräch, hat er (a) als Frage nach der oder der Seite eines Widerspruchs, indem einer (einen anderen) ausfragt, aber auch (b), wenn einer schließt, (dann ist er) Annahme von etwas, das anscheinend so und allgemein so anerkannt ist, wie ja in der topik vorgetragen. Was nun also Eingangssatz ist und worin sich der im Schluß, im Beweis und im Untersuchungsgespräch unterscheidet, darüber wird in aller Genauigkeit im folgenden gesprochen werden, für den gegenwärtigen Gebrauch mögen die jetzt getroffenen Bestimmungen ausreichend sein. Fest bestimmten Begriff nenne ich das, in was der Eingangssatz aufgelöst wird, etwa das »was ausgesagt wird« und »wovon es ausgesagt wird«, unter Hinzusetzung von »ist« oder »ist nicht«. Schluß ist eine Rede, in welcher bei Setzung einiger (Sachverhalte) etwas anderes als das Gesetzte mit Notwendigkeit zutrifft aufgrund dessen, daß diese (gültig) sind. Mit »aufgrund dessen, daß diese sind« meine ich: Deswegen tritt es ein, und mit »deswegen tritt es ein« (meine ich): Es bedarf keines von außen herzugenommenen Begriffes, daß die Notwendigkeit zustandekommt. Vollkommen nenne ich einen Schluß, der über das Angenommene hinaus keiner zusätzlichen weiteren Annahme bedarf, damit seine Notwendigkeit in Erscheinung tritt; unvollkommen einen solchen, der entweder einer oder mehrerer Zusatzannahmen bedarf, die zwar aufgrund der zugrundegelegten Begriffe notwendig sind, allerdings mittels der Eingangssätze nicht (ausdrücklich) angenommen waren. Der Ausdruck »eines ist in einem anderen als Ganzem« und der andere, »eines wird von einem über alles ausgesagt« meinen das gleiche. Wir sagen aber: »(Etwas wird von etwas) über alles ausgesagt«, wenn nichts zu greifen ist, von dem das andere nicht ausgesagt würde. Das »in keinem Falle« (ausgesagt werden) gilt entsprechend.
Erstes Buch ∙ Kapitel 2 123
Kapitel 2. Da jeder Eingangssatz auf (folgende Aussageweisen) bezogen ist, entweder: »Liegt vor«, oder: »Liegt mit Notwendigkeit vor«, oder: »Kann sein, daß vorliegt«, und da von diesen (Sätzen) in jeder (dieser drei) Aussageweisen die einen behauptend, die andern bestreitend sind, und da wieder von diesen behauptenden und bestreitenden (Sätzen) die einen in der Allform, andere als Teilaussage, wieder andere, ohne sich so oder so festzulegen, (gebildet werden, angesichts dieser Möglichkeiten gilt): Der (Satz), der beim Vorliegen in der Allform verneint, muß notwendig bezüglich der an ihm beteiligten Begriffe umkehrbar sein, z. B. wenn: Keine Form von Lust ist ein Gut, dann auch: Keine Art von Gut ist Lust. Der behauptende (Satz) muß zwar (auch) sich umkehren lassen, allerdings nicht in der Allgemeinform, sondern nur als Teilaussage, z. B. wenn: Jede Form von Lust ist ein Gut, so auch: Ein bestimmter Teilbereich von »Gut« ist Lust. Von den (Sätzen) in Form der Teilaussage muß der behauptende notwendig in Teilform sich umkehren lassen: Wenn doch ein bestimmter Teilbereich von Lust etwas Gutes ist, so wird auch ein bestimmtes Teilstück von »Gut« Lust sein; dagegen bei dem verneinenden ist das nicht notwendig, (es gilt) nämlich nicht: Wenn »Mensch« auf einen bestimmten Bereich von »Lebewesen« nicht zutrifft, daß dann auch »Lebewesen« auf einen bestimmten Bereich von »Mensch« nicht zuträfe. Erstens nun also, es sei der Eingangssatz AB allgemein verneinend. Wenn nun A an keinem B vorliegt, dann wird auch B keinem A zukommen. Wenn denn etwa doch einem Teilbereich davon, etwa C, so wird (der Satz) nicht mehr wahr sein, daß A keinem B zukommt: das C ist ja dann ein Teilstück der B. Wenn aber A dem ganzen B, so wird auch das B dem A teilweise zukommen; falls nämlich keinem, dann wird auch A an keinem B vorliegen; aber es war doch vorausgesetzt: Es sollte an allen vorliegen. Entsprechend auch, wenn der Eingangssatz in Teilform steht: Wenn A einigen B zukommt, muß notwendig auch das B einigen A zukommen; falls etwa keinem, dann auch das A keinem B.
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Wenn dagegen das A einigen B nicht zukommt, dann ist es nicht notwendig, daß auch B einigen A nicht zukomme, z. B.: Ist B »Lebewesen« und A »Mensch«, (dann zeigt es sich so): denn »Mensch« kommt nicht jedem Lebewesen, »Lebewesen« dagegen jedem Menschen zu. Kapitel 3. Auf gleiche Weise wird es sich auch bei den Eingangssätzen (mit dem Zusatz) »notwendig« verhalten: Der in Allform verneinende läßt sich in Allform umkehren, von den behauptenden beide (der in Allform und der in Teilform) in der Teilform. Wenn also A notwendig keinem B zukommt, dann kommt notwendig auch das B keinem A zu; falls es doch dem oder dem zukommen könnte, dann könnte ja auch das A dem oder dem B zukommen. Wenn dagegen notwendig das A jedem oder einigen B zukommt, dann muß notwendig auch das B einigen unter A zukommen; falls dies nicht notwendig sein sollte, dann würde ja auch A nicht einigen B notwendig zukommen. Dagegen die verneinende Aussage in Teilform ist nicht umzukehren, aus der gleichen Ursache, wie wir sie schon früher vorgetragen haben. Bei den »Kann-sein-daß«-Aussagen (sind Unterschiede zu machen): Da das »kann sein« in mehreren Bedeutungen ausgesagt wird – sowohl von dem, was notwendig ist, wie auch von Nicht-Notwendigem und von Möglichem sagen wir: Es kann sein–: also, bei behauptenden (Sätzen) verhält es sich bezüglich der Umkehrung in allen Fällen entsprechend: Wenn A jedem oder einigen B (zukommen) kann, dann wird es ja wohl auch sein können, daß B einigen A (zukommt); falls etwa keinem, dann ja auch das A keinem B. Das ist ja früher nachgewiesen. Bei den verneinenden (Sätzen) ist es nicht entsprechend, sondern (hier greifen die oben gemachten Unterschiede): Alles, wovon man »kann sein« sagt im Sinne des Aus-Notwendigkeit-Zukommens oder dem des Nicht-aus-NotwendigkeitNicht-Vorliegens, da ist es entsprechend so; z. B., wenn einer sagen wollte: Es kann sein, »Mensch« ist nicht »Pferd«, oder: (Kann sein,) »weiß« trifft auf keinen Mantel zu, – die eine
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dieser Aussagen trifft aus Notwendigkeit nicht zu, die muß nicht notwendig zutreffen, und entsprechend ist der Satz auch umzukehren: Wenn es sein kann, daß auf keinen Menschen »Pferd« zutrifft, dann geht es auch, daß »Mensch« auf kein Pferd zutrifft; und: Wenn es geht, daß »weiß« an keinem Mantel vorliegt, dann geht es auch, daß »Mantel« an nichts vorliegt, was weiß ist; wenn es nämlich notwendig wäre, daß er an dem oder dem (Weißen) doch vorläge, so müßte auch »weiß« mit Notwendigkeit an dem oder dem Mantel vorliegen. Das ist früher nachgewiesen. – Entsprechend (ist es) auch bei der in Teilform verneinenden (Aussage). Dagegen, was im Sinne von »allermeist« und »natürlicherweise so« mit »kann sein« gemeint ist, gemäß dem, wie wir das »kann sein« eben abgrenzen, das wird sich nicht entsprechend verhalten bei der Umkehr im Verneinungsfalle, sondern der in Allform verneinende Eingangssatz läßt keine Umkehr zu, der in Teilform läßt sie zu. Das wird dann klarer werden, wenn wir über das »kann sein« sprechen werden. Für den Augenblick soll für uns, zusätzlich zu dem Vorgetragenen, so viel klar sein: »Kann sein, daß es keinem ...« oder »... daß es einem nicht zukommt« hat bejahende Form – »kann sein« wird ja entsprechend gestellt wie »ist«, das »ist« bewirkt aber bei allem, dem es in der Aussage hinzugesetzt wird, immer und in jedem Falle Bejahung, z. B.: »ist nicht-gut« oder »ist nicht-weiß«, oder verallgemeinert: »ist nicht dies«; auch das wird im Verlaufe des folgenden gezeigt werden –, was die Umkehrung angeht, so werden sie sich entsprechend den anderen (behauptenden) Sätzen verhalten. Kapitel 4. Nachdem das festgesetzt ist, wollen wir nun darüber sprechen, über welche Schritte, wann und wie ein jeder Schluß erfolgt. Später wird dann über Beweis zu reden sein. Es ist deswegen früher über Schluß vorzutragen als über Beweis, weil der Schluß einen höheren Allgemeinheitswert hat: Der Beweis ist eine Form von Schluß, der Schluß aber ist nicht in jeder Form Beweis. Also: Wenn drei Begriffe sich so zueinander verhalten, daß der letzte in dem mittleren ganz enthalten ist und der mittlere
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in dem ersten ganz entweder enthalten ist oder nicht enthalten ist, dann muß sich notwendig für die Eckbegriffe ein vollkommener Schluß ergeben. »Mittleres« nenne ich dabei, was selbst in einem anderen, und anderes in ihm, ist, was denn auch der Anordnung nach in die Mitte tritt. »Außen« (nenne ich) erstens, was selbst in einem anderen enthalten ist, zweitens, in welchem ein anderes enthalten ist. Wenn nämlich A von jedem B und B von jedem C (ausgesagt wird), so ist notwendig: A wird von jedem C ausgesagt. Es ist ja früher angegeben, wie wir das »von jedem« verstehen. Entsprechend aber auch, wenn A von keinem B, B dagegen von jedem C (ausgesagt wird, dann gilt), daß A an keinem C vorliegen wird. Wenn dagegen das Erste dem Mittleren in allen Fällen folgt, das Mittlere andererseits an keinem Letzten vorliegt, dann erfolgt unter den Eckbegriffen kein Schlußverhältnis: Dadurch, daß das so ist, tritt nichts Notwendiges ein; es kann dann ja sein, das Erste liegt an jedem Letzten und an keinem vor, also weder in der Allform noch in der Teilform tritt Notwendigkeit ein; wenn da aber nichts notwendig wird, dann gibt es durch diese (Annahmen) keinen Schluß. (Beispiels-) Begriffe für An-jedem-Vorliegen: Lebewesen – Mensch – Pferd, für Ankeinem ...: Lebewesen – Mensch – Stein. Auch wenn weder das Erste dem Mittleren noch das Mittlere dem Letzten in irgendeinem Fall zukommt, wird so Schluß nicht stattfinden. Begriffe für Vorliegen: Wissen – Gerade – Heilkunst, für Nicht-Vorliegen: Wissen – Gerade – Einheit. Soweit nun also die Begriffe in Allform (verbunden) sind, so ist innerhalb dieser Schlußform klar, wann es Schluß gibt und wann nicht, und (umgekehrt), wenn einerseits Schlußverhältnis besteht, daß sich die Begriffe so verhalten müssen wie angegeben, wenn sie sich andererseits so verhalten, daß dann Schlußverhältnis sich ergibt. Wenn aber der eine der Begriffe in der Allform, der andere in der Teilform im Verhältnis zum anderen (steht, so ergibt sich): Wenn die Allgemeinaussage zum größeren Eckbegriff gesetzt wird, entweder zusprechend oder verneinend, die Teilaussage –
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zusprechend – zum kleineren, dann tritt notwendig vollkommenes Schlußverhältnis ein; wenn dagegen (die Allform) zum kleineren (tritt) oder sich auch die Begriffe anderswie verhalten, so ist das unmöglich. – Mit »größerem Eckbegriff« meine ich den, in welchem der mittlere enthalten ist, der »kleinere« ist dann der, welcher unter dem mittleren steht. – Es soll also einmal A an jedem B vorliegen, B an einigen C; folglich, wenn »von allem ausgesagt werden« das zu Anfang Bezeichnete ist, so muß notwendig das A irgendeinem C zukommen. Und wenn das A keinem B zukommt, das B aber irgendwelchen C, so ist notwendig: A kommt einigen C nicht zu. – Es ist ja auch bestimmt, wie wir »von keinem (ausgesagt werden)« verstehen. – Also dies wird ein vollkommener Schluß sein. Ebenso aber auch, wenn BC nicht so oder anders festgelegt wäre, es muß nur zusprechend sein; es wird derselbe Schluß sein, ob (dieser Satz) unbestimmt genommen wird oder in Form der Teilaussage. Wenn dagegen die Allaussage zum kleineren Eckbegriff gesetzt wird, entweder zusprechend oder verneinend, so wird sich kein Schlußverhältnis einstellen, weder wenn (die andere Begriffsbeziehung) behauptend noch wenn sie verneinend ist, einerlei ob sie nicht festgelegt oder in der Teilform gemacht ist; z. B.: Wenn A einigen B zukommt oder nicht zukommt, das B aber an jedem C vorliegt. (Einsetzungs-)Begriffe für Vorliegen: Gut – Verfassung – Einsicht, für Nicht-Vorliegen: Gut – Verfassung – Unwissenheit. Und wieder, wenn B keinem C (zukommt), das A einigen B entweder zukommt oder nicht zukommt, oder ihnen nicht allen zukommt, auch so stellt sich Schluß nicht ein. Begriffe (dafür): Weiß – Pferd – Schwan; Weiß – Pferd – Rabe. – Die gleichen (gehen) auch für den Fall, daß AB nicht festgelegt ist. Auch wenn die Allaussage zum größeren Eckbegriff kommt, entweder zusprechend oder verneinend, die Verneinung in Teilform zum kleineren, wird es keinen Schluß geben, z. B.: Wenn A jedem B zukommt, B aber einigen C nicht, oder wenn es an ihm nicht als Ganzem vorliegt; denn an welchem das Mittlere nur zu Teilen vorliegt, dem kann das Erste sowohl
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ganz als auch gar nicht folgen. Es seien als Begriffe einmal eingesetzt: Lebewesen – Mensch – weiß; sodann sei für weiße (Gegenstände), von denen »Mensch« nicht ausgesagt wird, angenommen: Schwan, Schnee; also, »Lebewesen« wird vom einen in allen Fällen ausgesagt, vom anderen in keinem, mithin erfolgt kein Schluß. Und erneut: A komme keinem B zu, B aber komme einigen C nicht zu; und die Einsetzungsbegriffe sollen sein: Unbelebt Mensch – weiß; sodann seien für weiße (Dinge), von denen »Mensch« nicht ausgesagt wird, genommen: Schwan, Schnee; dann wird ja »unbelebt« von dem einen in allen Fällen ausgesagt, vom anderen in keinem. Darüber hinaus, da »B kommt einigen C nicht zu« nicht festgelegt ist, aber wahr ist, daß, sowohl wenn es keinem zukommt, wie auch, wenn es nicht allen (zukommt), es dann an einigen nicht vorliegt, (und da) bei Ansetzung solcher Begriffe, daß es keinem zukommt, ein Schluß sich nicht ergibt – das ist ja früher gesagt –: nun, so ist offenkundig, wenn die Begriffe sich so (zueinander) verhalten, wird es Schluß nicht geben; denn sonst müßte es ja auch bei denen gehen. – Entsprechend läßt sich dies auch für den Fall zeigen, wenn die Allaussage verneinend gesetzt würde. Aber auch wenn beide Begriffsverhältnisse in Teilform ausgesagt werden, entweder behauptend oder verneinend, oder das eine behauptend das andere verneinend, oder das eine nicht festgelegt das andere genau bestimmt, oder beide nicht festgelegt: auch dann ergibt sich in keinem Falle Schlußverhältnis. Gemeinsame Einsetzungsbegriffe für all diese Fälle: Lebewesen – weiß – Pferd; Lebewesen – weiß – Stein. Offenkundig ist nun aus dem Gesagten: Wenn ein Schluß innerhalb dieser Form als Teilaussage vorliegt, daß sich dann die Begriffe so verhalten müssen, wie vorgetragen ist; wenn sie es nämlich anders tun, geht es auf keine Weise. Klar ist aber auch, daß alle Schlüsse in ihr vollkommen sind – alle werden doch aufgrund des zu Anfang Angenommenen zu einem sauberen Ende gebracht –, und daß alle gestellten Aufgaben durch diese Schlußform aufgezeigt werden: Sowohl das An-allem-Vorliegen wie das An-keinem ... und auch das An-
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einigen ... wie das An-einigen-nicht ... Ich nenne die Schlußform mit diesen Eigenschaften die erste. Kapitel 5. Wenn dagegen eine und dieselbe (Bestimmung) an dem einen in jedem Falle, an dem anderen in keinem vorliegt, oder auf beiden Seiten jedem oder keinem – die Schlußform mit diesen Eigenschaften nenne ich die zweite. Als Mittelbestimmung in ihr bezeichne ich das, was von beiden ausgesagt wird, Eckbegriffe sind die, von denen dies ausgesagt wird; größerer Eckbegriff ist der, welcher (näher) zum mittleren hin liegt, kleinerer der, welcher weiter weg von der Mitte liegt. Es wird dabei der Mittelbegriff außerhalb der Eckbegriffe gesetzt, er ist der Setzung nach der erste. Vollkommen wird in dieser Form gar kein Schlußverhältnis sein; es wird dennoch solches möglich sein, sowohl wenn die Begriffe in der Allform als auch wenn sie nicht in der Allform (verbunden) sind. Liegt also die Allform vor, so wird Schluß stattfinden, wenn der Mittelbegriff dem einen (Eckbegriff) in jedem Falle, dem anderen in keinem zukommt, einerlei bei welchem von beiden die Verneinung steht; anders auf keine Weise. Es sei also M von keinem N ausgesagt, aber von jedem X. Da nun die Verneinung Umkehrung zuläßt, so wird N keinem M zukommen; es war aber gesetzt, M sollte jedem X zukommen; also N keinem X, das ist ja früher gezeigt. Erneut, wenn M jedem N, aber keinem X (zukommt), dann wird auch X keinem N zukommen – wenn nämlich M keinem X, dann auch X keinem M; M aber kam doch jedem N zu; X wird also keinem N zukommen; es ist hier ja wieder die erste Schlußform entstanden –; da aber die Verneinung die Umkehrung zuläßt, so wird auch N keinem X zukommen, mithin wird es der gleiche Schluß. Man kann das auch nachweisen, indem man (die Gegenannahme) auf’s Unmögliche hinausbringt. Daß nun also Schlußverhältnis zustandekommt, wenn sich die Begriffe so verhalten, ist offenkundig, nur ist es kein vollkommenes; denn die Notwendigkeit dabei wird nicht allein aus den Anfangsannahmen, sondern unter Zuhilfenahme anderer herbeigeführt.
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Wenn dagegen M von jedem N und von (jedem) X ausgesagt wird, gibt es keinen Schluß. Einsetzungsbegriffe für Vorliegen: Seiendes Wesen – Lebewesen – Mensch; für Nicht-Vorliegen: Seiendes Wesen – Lebewesen – Zahl; Mittelbegriff dabei: Seiendes Wesen. Auch wenn M in keinem Falle von N noch von X ausgesagt wird, (erfolgt kein Schluß); Einsetzungsbegriffe für Vorliegen: Gerade – Lebewesen – Mensch; für Nicht-Vorliegen: Gerade – Lebewesen – Stein. Offenkundig also, wenn Schluß stattfindet bei Verbindung der Begriffe in der Allform, daß dann die Begriffe sich notwendig so verhalten müssen, wie zu Anfang gesagt; verhalten sie sich anders, tritt Notwendigkeit nicht ein. Wenn aber der Mittelbegriff (nur) zum einen (der Eckbegriffe) in der Allform tritt, dann für den Fall: Wenn er zum größeren in der Allform tritt, entweder behauptend oder verneinend, zum kleineren aber in der Teilform, also in der Allform entgegengesetzter Weise – und mit »entgegengesetzt« meine ich: In Allform verneinend – in Teilform behauptend; in Allform behauptend – in Teilform verneinend –, dann tritt notwendig ein in Teilform verneinender Schluß ein. Wenn also M keinem N, aber einigen X zukommt, so muß notwendig N einigen X nicht zukommen. Da nämlich die Verneinung Umkehrung zuläßt, wird N keinem M zukommen; es war aber ja gesetzt, daß M einigen X zukomme; also wird N einigen X nicht zukommen. Es ergibt sich ja so ein Schluß mittels der ersten Form. Wieder, wenn M jedem N, aber einigen X nicht zukommt, so ist notwendig, daß N einigen X nicht zukommt; wenn es ja nämlich allen zukäme, und es wird doch auch M von jedem N ausgesagt, dann müßte notwendig das M an jedem X vorliegen; es war aber doch gesetzt, an einigen liegt es nicht vor. Und wenn M jedem N zukommt, aber nicht jedem X, dann ergibt sich Schluß: N liegt nicht an jedem X vor. Beweis dafür ist der gleiche. Wenn dagegen (M) zwar von jedem X, aber nicht von allen N ausgesagt wird, gibt es kein Schlußverhältnis. Einsetzungs-
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begriffe (für Vorliegen): Lebewesen – seiendes Wesen – Rabe; (für Nicht-Vorliegen): Lebewesen – weiß – Rabe. Auch wenn es von keinem X, aber von einigen N (ausgesagt wird, erfolgt kein Schluß). Einsetzungsbegriffe für Vorliegen: Lebewesen – seiendes Wesen – Einheit; für Nicht-Vorliegen: Lebewesen – seiendes Wesen – Wissen. Für die Fälle, wo also die Allform der Teilaussage entgegengesetzt ist, ist nun vorgetragen, wann hier Schluß stattfindet, wann nicht. – In den Fällen dagegen, wo die Eingangssätze von gleicher Form sind, etwa beide verneinend oder beide behauptend, wird es in keinem Falle ein Schlußverhältnis geben. Sie seien also erst einmal verneinend, und die Allaussage stehe beim größeren Eckbegriff, etwa: M komme keinem N und einigen X nicht zu; dann kann es also sein, daß N jedem X und keinem zukommt. Einsetzungsbegriffe für Nicht-Zukommen: Schwarz – Schnee – Lebewesen; für Jedem-Zukommen sind keine zu greifen, wenn M einigen X zwar zukommt, anderen aber nicht. Wenn nämlich N jedem X, M aber keinem N (zukommt), so wird das M an keinem X vorliegen. Aber es war doch vorausgesetzt: Einigen sollte es zukommen. So also geht es nicht, Einsetzungsbegriffe zu greifen; wenn man aber die Aussagen unbestimmt läßt, ist es doch nachweisbar: Da nämlich (der Satz) »M kommt einigen X nicht zu« wahr ist auch dann, wenn es keinem zukommt, und wenn es keinem zukommt, so gab es ja keinen Schluß, also wird es offenbar auch jetzt keinen geben. Erneut, (die Eingangssätze) seien behauptend, und die Allaussage sei entsprechend gestellt (wie eben), etwa: M komme jedem N, aber (nur) einigen X zu. Dann kann es also sein, daß N sowohl jedem X wie auch keinem zukommt. Einsetzungsbegriffe für Keinem-Zukommen: Weiß – Schwan – Stein; für Jedem(-Zukommen) sind keine zu greifen aufgrund der gleichen Ursache wie zuvor, stattdessen ist es aus Nicht-Festgelegtem nachzuweisen. Wenn dagegen die Allaussage bei dem kleineren Eckbegriff steht und (es dann so steht): M kommt keinem X und einigen N nicht zu, dann kann es sein, daß N sowohl jedem
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X und keinem zukommt. Einsetzungsbegriffe für Zukommen: Weiß – Lebewesen – Rabe; für Nicht-Zukommen: Weiß – Stein – Rabe. – Sind dagegen die Eingangssätze behauptend, so sind die Einsetzungsbegriffe für Nicht-Zukommen: Weiß – Lebewesen – Schnee; für Zukommen: Weiß – Lebewesen – Schwan. Offenkundig nun also, wenn die Eingangssätze von gleicher Form sind und der eine die Allform hat, der andere eine Teilaussage macht, daß dann unter keinen Umständen sich Schluß ergibt. Aber auch dann nicht, wenn (der Mittelbegriff) beiden (Eckbegriffen) je in der Teilform zukommt oder nicht zukommt, oder dem einen wohl dem anderen aber nicht, oder keinem von beiden in der Allform, oder auch nicht festgelegt. Gemeinsame Begriffe für all diese Fälle, (für Vorliegen): Weiß – Lebewesen – Mensch; (für Nicht-Vorliegen): Weiß – Lebewesen – unbelebt. Offenkundig ist nun also aus dem Gesagten: Wenn sich die Begriffe so zueinander verhalten, wie vorgetragen ist, dann ergibt sich notwendig Schlußverhältnis, (und umgekehrt) wenn Schluß zustandekommt, müssen sich die Begriffe notwendig so verhalten. Klar ist aber auch: Alle Schlüsse in dieser Form sind unvollkommen – alle werden zu ihrem Ende geführt unter Zuhilfenahme bestimmter Annahmen, die entweder in den Begriffen miteingeschlossen sind oder die als Voraussetzungen unterstellt werden, wie z. B. wenn wir Nachweis führen durch Hinbringen auf’s Unmögliche (der Gegenannahme) –, und: Mittels dieser Schlußform kommt kein behauptender Schluß zustande, sondern sie alle sind verneinend, sowohl die in der All- wie die in der Teilform. Kapitel 6. Wenn einem und demselben (Begriff) einer in jedem Falle, der andere in keinem Falle zukommt, oder beide in allen Fällen oder in keinem – eine Schlußform mit diesen Merkmalen nenne ich die dritte. Mittelbegriff nenne ich in ihr das, von dem beide Aussagen gemacht werden, Eckbegriffe sind die Inhalte der beiden Aussagen; größerer Eckbegriff ist der weiter weg vom Mittelbegriff, kleinerer ist der näher daran. Angeordnet wird der Mittelbegriff außerhalb der Eckbe-
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griffe, der Setzung nach ist er der letzte. Ein vollkommener Schluß ergibt sich auch in dieser Form nicht, es wird aber (Schluß) möglich sein, sowohl wenn die Begriffe im Verhältnis zum mittleren in der Allform stehen und wenn sie es nicht tun. Stehen sie in der Allform, also wenn P und R jedem S zukommen, (so kann geschlossen werden): P kommt einigen R mit Notwendigkeit zu. Da nämlich die Behauptung umkehrbar ist, so wird S einigen R zukommen, also, da P jedem S, S aber einigen R (zukommt), so muß notwendig P einigen R zukommen. Damit erfolgt ja Schluß nach der ersten Form. Es geht aber auch, den Beweis mittels der Unmöglichkeit (der Gegenannahme) und mittels des Heraussetzungs-Verfahrens herzustellen: Wenn ja beide (P und R) jedem S zukommen, und wenn man sich irgendeins unter den S herausgreift, beispielshalber N, so wird diesem sowohl das P wie auch das R zukommen, folglich wird P an einigen R vorliegen. Und wenn R jedem S, P dagegen keinem zukommt, dann wird notwendig Schluß erfolgen: P kommt einigen R nicht zu. Es ist ja das gleiche Beweisverfahren, wenn der Satz RS umgekehrt wird. Das könnte auch mittels der Unmöglichkeit aufgezeigt werden, wie in den früheren Fällen auch. Wenn dagegen R keinem S, P aber jedem zukommt, wird es Schluß nicht geben. Einsetzungsbegriffe für Zukommen: Lebewesen – Pferd – Mensch; für Nicht-Zukommen: Lebewesen – unbelebt – Mensch. Auch wenn beide von keinem S ausgesagt werden, gibt es kein Schlußverhältnis. Einsetzungsbegriffe für Vorliegen: Lebewesen – Pferd – unbelebt; für Nicht-Vorliegen: Mensch – Pferd – unbelebt. Mittelbegriff ist »unbelebt«. Offenkundig ist nun also auch bei dieser Schlußform, wann Schluß erfolgt und wann nicht, für den Fall, daß die Begriffe in der Allform verbunden sind. Sind nämlich beide (Eck)-begriffe (mit dem mittleren) behauptend (verbunden), wird Schluß darauf erfolgen können, daß der eine Eckbegriff dem anderen in der Teilform zukommt; stehen sie dagegen verneint, so wird es kein Schlußverhältnis geben. Wenn aber der eine verneint, der andere behauptend (gesetzt ist), (dann für den Fall): Tritt
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der größere verneint auf, der andere behauptend, so erfolgt Schluß darauf, daß der eine Eckbegriff dem anderen in Teilform nicht zukommt; ist es dagegen andersherum, so erfolgt kein Schluß. Wenn aber der eine (Eckbegriff) zum mittleren in der Allform, der andere in Teilform (gesetzt ist), dann muß notwendig, für den Fall daß beide (Verbindungen) behauptend sind, Schluß sich ergeben, einerlei welcher von beiden Begriffen in der Allform verbunden ist. Wenn also R jedem S, P dagegen einigen (S zukommt), so muß notwendig das P einigen R zukommen. Da ja nämlich die Behauptung Umkehrung erlaubt, so wird das S einigen P zukommen, also, da R jedem S, S aber einigen P (zukommt), so wird auch R einigen P zukommen; somit das P einigen R. Und wieder, wenn das R einigen S, das P aber allen (S) zukommt, dann muß notwendig das P einigen R zukommen. Es ist ja das gleiche Beweisverfahren. Es geht auch nachzuweisen mittels der Unmöglichkeit (der Gegenannahme) und mit dem Heraussetzungs-Verfahren, wie in den früheren Fällen auch. Wenn aber der eine (Eckbegriff) in behauptender Form, der andere in verneinter (steht), und der behauptete steht in Allform, (dann für den Fall): Wenn der kleinere der behauptete ist, so wird Schluß erfolgen. Wenn nämlich R jedem S, P dagegen einigen (S) nicht zukommt, so kommt notwendig P einigen R nicht zu. Falls etwa doch allen, dann würde auch R allen S und P allen S zukommen; aber das kam ihm doch (annahmegemäß) nicht (in allen Fällen) zu. Das wird auch ohne Hinführung (auf’s Unmögliche) nachgewiesen, wenn irgendeins unter den S herausgegriffen wird, dem P nicht zukommt. Wenn aber der größere (Eckbegriff) behauptet ist, so gibt es kein Schlußverhältnis, z. B.: Wenn P jedem S, R dagegen einigen S nicht zukommt. Einsetzungsbegriffe für AllemZukommen: Belebt – Mensch – Lebewesen. Für Keinem(-Zukommen) geht es nicht, Begriffe zu greifen, wenn R einigen S zukommt, einigen aber nicht; wenn nämlich P jedem S zukommt, R aber einigen S, wird auch P einigen R zukommen; es war aber doch zugrundegelegt: Es sollte keinem zukom-
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men. Aber es ist wie in den früheren Fällen anzufassen: Da doch der Ausdruck »einigen nicht zukommen« nicht festgelegt ist, so ist auch etwas, das keinem zukommt, wahrheitsgemäß durch »kommt einigen nicht zu« mit abgedeckt; und wenn es keinem zukam, gab es keinen Schluß. Offenkundig ist nun also: Hier erfolgt kein Schluß. Wenn aber der verneinte unter den Begriffen in der Allform steht, dann gibt es, im Falle daß der größere verneint, der kleinere bejaht ist, ein Schlußverhältnis. Wenn nämlich P keinem S, R dagegen einigen S zukommt, dann wird P einigen R nicht zukommen. Es wird ja wieder die erste Schlußform geben, wenn der Eingangssatz RS umgekehrt wird. Wenn dagegen der kleinere (Eckbegriff) verneint steht, gibt es keinen Schluß. Einsetzungsbegriffe für Vorliegen: Lebewesen – Mensch – wildlebend; für Nicht-Vorliegen: Lebewesen – Wissen – wildlebend; Mittelbegriff in beiden Fällen »wildlebend«. Auch wenn beide (Eckbegriffe) verneint gesetzt sind, der eine in der Allform, der andere in der Teilform steht, (gibt es kein Schlußverhältnis). Einsetzungsbegriffe für den Fall, daß der kleinere (Eckbegriff) in Allform zum mittleren steht: Lebewesen – Wissen – wildlebend; Lebewesen – Mensch – wildlebend; wenn es der größere ist, für Nicht-Zukommen: Rabe – Schnee – weiß; für Vorliegen ist nichts zu greifen, wenn R einigen S zwar zukommt, einigen aber nicht zukommt; wenn nämlich P allen R, R aber einigen S (zukommt), dann auch P einigen S; es war aber vorausgesetzt: Keinem. Aber es ist dann von Nicht-Festgelegtem aus nachzuweisen. Auch wenn jeder der beiden (Eckbegriffe) einigem von dem Mittelbegriff zukommt oder nicht zukommt, oder wenn der eine zukommt, der andere nicht, oder der eine einigem, der andere nicht allem, oder wenn (das alles) nicht festgelegt ist, gibt es in keinem Falle ein Schlußverhältnis. Gemeinsame Einsetzungsbegriffe für alles (für Vorliegen): Lebewesen – Mensch – weiß; (für Nicht-Vorliegen): Lebewesen – unbelebt – weiß.
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Offenkundig ist nun auch in dieser Schlußform, wann Schluß sich ergibt, wann nicht, und daß einerseits, wenn die Begriffe sich so (zueinander) verhalten, wie gesagt ist, mit Notwendigkeit Schluß erfolgt, und (umgekehrt), wenn Schluß erfolgt, daß sich dann notwendig die Begriffe so verhalten müssen. Offenkundig ist auch, daß alle Schlüsse in dieser Form unvollkommen sind – alle finden zu ihrer Vollendung nur durch zusätzliche Annahmen –, und daß über diese Schlußform auf die Allaussage nicht zu schließen ist, weder in verneinter noch in behauptender Weise. Kapitel 7. Klar ist auch, daß in allen Schlußformen, wenn Schluß nicht erfolgt, im Falle daß beide (Eck)begriffe behauptet oder verneint sind, überhaupt keine Notwendigkeit eintritt; ist aber (eine Verbindung) behauptend und (eine) verneinend, dann erfolgt, wenn die Verneinung in Allform genommen wird, immer Schluß auf das Verhältnis des kleineren Eckbegriffs zum größeren, z. B., wenn A jedem B zukommt oder einigen, B aber keinem C; wenn nämlich die Eingangssätze umgekehrt werden, muß notwendig das C einigen A nicht zukommen. Entsprechend ist es auch bei den übrigen Schlußformen: Immer erfolgt über Umkehrung Schluß. Klar ist auch, daß die nicht festgelegte Aussage, anstelle des in Teilform Behauptenden gesetzt, den gleichen Schluß in allen Formen bewirken wird. Offensichtlich ist auch: Alle unvollkommenen Schlüsse werden mittels der ersten Schlußform zur Vollendung gebracht; entweder auf dem Beweisweg oder durch (Hinführung auf) das Unmögliche werden sie alle zum Ziel geführt. Auf beide Weisen entsteht dabei die erste Schlußform: Wenn sie auf dem Beweisweg ans Ende gebracht werden, (dadurch) daß alle mittels Umkehr zur Vollendung geführt wurden, die Umkehrung brachte aber die erste Form hervor; wenn sie durch Unmöglichkeit aufgezeigt werden, (dadurch) daß nach Setzung der falschen Aussage der Schluß über die erste Form erfolgt, z. B. in der letzten Schlußform: Wenn A und B jedem C zukommen, (erfolgt Schluß darauf), daß A einigen B zukommt; falls näm-
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lich keinem, aber B jedem C, dann A keinem C; aber es war (doch gesetzt): allen. Entsprechend auch in den anderen Fällen. Es geht auch, alle Schlüsse auf die von Allform innerhalb der ersten Schlußform zurückzubringen. Von denen in der zweiten Schlußform ist es offenkundig, daß sie durch die zum Ende gebracht werden, nur nicht alle auf gleiche Weise, sondern die mit der Allaussage dadurch, daß die Verneinung umgekehrt wird, die mit der Teilaussage beide durch Hinführung auf’s Unmögliche. Die Schlüsse in der ersten (Form), die mit Teilaussagen, werden zwar durch sich selbst vollendet, es geht aber auch, sie über die zweite Form nachzuweisen, indem man sie nämlich auf’s Unmögliche hinausbringt, z. B., wenn A jedem B, B aber einigen C (zukommt, dann Schluß darauf), daß A an einigen C (vorliegt); falls nämlich an keinem, aber an allen B, dann wird B keinem C zukommen. Das wissen wir über die zweite Schlußform. Entsprechend wird der Nachweis auch im Verneinungsfall erfolgen: Wenn A keinem B, B aber einigen C zukommt, so wird A einigen C nicht zukommen; falls es denn jedem, aber keinem B zukommt, dann wird B an keinem C vorliegen. Das war die mittlere Schlußform. Also, da alle Schlußverhältnisse in der mittleren Schlußform auf die Schlüsse mit Allaussagen in der ersten zurückgeführt werden, die mit Teilaussagen in der ersten auf die in der mittleren, so ist offenkundig: Auch die in der Teilform werden auf die mit Allaussage in der ersten Schlußform zurückgeführt werden. Die in der dritten Schlußform werden, wenn die Begriffe in der Allform verbunden sind, sogleich durch jene anderen Schlußverhältnisse zur Vollendung gebracht; sind sie aber in der Teilform genommen, dann durch die Schlüsse mit Teilaussagen, die es in der ersten Schlußform gibt; diese waren aber in jene überführt, somit also auch die (Verhältnisse) mit Teilaussagen in der dritten Schlußform. Offenkundig nun also: Alle werden in die Schlüsse mit Allaussagen in der ersten Form zurückgeführt werden können. Von den Schlüssen also, die »Zukommen« oder »Nicht-Zukommen« erweisen, ist vorgetragen, wie es damit steht, sowohl
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was das Verhältnis derer aus der gleichen Schlußform zueinander, wie das derer aus verschiedenen unter einander angeht. Kapitel 8. Da nun aber Unterschied zu machen ist zwischen »kommt zu«, »kommt mit Notwendigkeit zu« und »kann sein, daß zukommt« – vieles liegt ja vor, allerdings nicht aus Notwendigkeit; anderes liegt weder aus Notwendigkeit vor, noch liegt es einfach so vor, es kann aber sein, daß es vorliegt –, so ist klar: Der Schluß auf ein jedes davon wird auch verschieden sein und nicht aus Begriffen sich ergeben, die sich gleich verhielten, sondern der eine (Schluß) aus notwendigen (Begriffsverbindungen), der andere aus (nur eben) vorliegenden, wieder ein anderer aus solchen, von denen es (bloß) sein kann, (daß sie vorliegen). Bei den notwendigen (Schlußaussagen) verhält es sich in etwa gleich wie bei den (ohne Zusatz) vorliegenden: Wenn die Begriffe genauso angesetzt werden im Falle von »vorliegen« wie »aus Notwendigkeit vorliegen« oder (je) »nicht vorliegen«, so erfolgt – und erfolgt nicht – Schluß, nur wird der Unterschied darin liegen, daß zu den Begriffen der Zusatz tritt: »liegt aus Notwendigkeit vor oder nicht vor«. Die Verneinung erfährt die gleiche Umkehrung, und »in (etwas als) Ganzem sein« und »von allem (ausgesagt werden)« werden wir in gleichem Sinne angeben. In allen übrigen Fällen zwar wird sich auf die gleiche Weise die Notwendigkeit des Schlußsatzes durch Umkehrung nachweisen lassen, wie beim einfachen Vorliegen auch; im Falle der mittleren Schlußform aber, wenn die Allaussage behauptend, die Teilaussage verneinend ist, und wieder in der dritten, wenn die Allaussage behauptend, die Teilaussage verneinend ist, wird der Beweis nicht entsprechend gehen, sondern es ist notwendig, nach Heraussetzung von etwas, dem beides nicht zukommt, auf dies bezogen den Schluß zu machen; dafür wird er ja notwendig sein; wenn er aber für das Herausgestellte notwendig ist, dann auch bezogen auf Beliebiges unter jenem; denn das Herausgestellte ist doch ein wesentlicher Vertreter dessen. Jeder der beiden Schlüsse erfolgt in seiner angestammten Schlußform.
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Kapitel 9. Es tritt aber von Fall zu Fall auch dies ein: Auch wenn nur einer der beiden Eingangssätze notwendig ist, tritt der ganze Schluß (im Ergebnis) unter Notwendigkeit, nur darf das nicht nach Zufall verteilt sein, sondern es muß das Verhältnis zum größeren Eckbegriff betreffen, z. B., wenn angenommen ist: A kommt dem B mit Notwendigkeit zu oder nicht zu, B kommt dem C eben bloß so zu; sind die Eingangssätze so angenommen, wird A mit Notwendigkeit dem C zukommen oder nicht zukommen; da nämlich das A jedem B mit Notwendigkeit zukommt oder nicht zukommt, das C aber eines von den B ist, so ist offenkundig: Das eine oder andere davon wird auch für C aus Notwendigkeit gelten. Wenn dagegen (die Verbindung) AB nicht notwendig sein wird, die BC dagegen notwendig, so wird der Schlußsatz nicht unter Notwendigkeit treten. Falls er es nämlich täte, so wird eintreten über die erste und über die dritte Schlußform: A kommt einigen B notwendig zu. Und das ist falsch: Es kann ja B von der Art sein, die es zuläßt, daß A keinem (B) zukommt. Darüberhinaus ist auch aus den Begriffen offenkundig, daß der Schlußsatz nicht notwendig sein muß, z. B., wenn A »Veränderung« wäre, B »Lebewesen«, C »Mensch«: Lebewesen ist der Mensch aus Notwendigkeit, es ist aber das Lebewesen nicht aus Notwendigkeit in einer (orts- oder sonstwie verändernden) Bewegung, so auch der Mensch nicht. Entsprechend auch, wenn (die Verbindung) AB verneint sein sollte; der Nachweis ist der gleiche. Bei den Schlüssen mit Teilaussagen wird für den Fall, daß die Allaussage notwendig ist, auch der Schlußsatz unter Notwendigkeit treten; ist es aber die Teilaussage, dann nicht, einerlei ob der Eingangssatz in Allform verneinend oder behauptend ist. Es sei also, erstens, die Allaussage notwendig: A komme jedem B mit Notwendigkeit zu, B dagegen komme einigen C nur eben zu; dann ergibt sich zwingend: A kommt einigen C mit Notwendigkeit zu; C fällt ja unter B, dem B aber kam es in allen Fällen mit Notwendigkeit zu. Ebenso, wenn der Schluß verneinend wäre; es wird ja der gleiche Nachweis sein.
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Wenn dagegen die Teilaussage notwendig ist, wird der Schlußsatz nicht unter Notwendigkeit treten – es trägt sich dabei ja nichts Unmögliches zu –, wie auch nicht bei den Schlüssen in Allform. Entsprechend auch nicht bei den verneinten. Einsetzungsbegriffe: Veränderung – Lebewesen – weiß. Kapitel 10. Bei der zweiten Schlußform wird, wenn der verneinte Eingangssatz notwendig ist, auch der Schlußsatz unter Notwendigkeit treten; wenn es der behauptende ist, wird er nicht unter Notwendigkeit stehen. Es sei also, erstens, der verneinte notwendig: A soll unter keinen Umständen irgendeinem B zukommen können, an C aber liege es einfach vor. Da nun die Verneinung sich umkehren läßt, wird auch B keinem A zukommen können; A aber liegt an jedem C vor, also kann B an keinem C vorliegen; C steht ja unter A. Entsprechend auch, wenn die Verneinung zu C gesetzt würde: Wenn A an gar keinem C vorliegen kann, kann es auch gar nicht gehen, daß C an irgendeinem A vorläge; A dagegen kommt jedem B zu, also kann es nicht sein, daß C an irgendeinem B vorläge; es entsteht ja wieder die erste Schlußform. Also auch das B nicht dem C; das läßt sich ja entsprechend umkehren. Wenn aber der behauptende Eingangssatz notwendig ist, wird der Schlußsatz nicht unter Notwendigkeit treten. Es liege also A an jedem B mit Notwendigkeit vor, es komme aber keinem C – ohne Zusatz – zu; wird nun also die Verneinung umgekehrt, entsteht die erste Schlußform. Nun ist aber in dieser ersten nachgewiesen, daß, wenn die Verneinung beim größeren (Eckbegriff) nicht notwendig ist, dann auch der Schlußsatz nicht notwendig sein muß, also auch bei diesen (Verhältnissen) wird er nicht mit Notwendigkeit gelten. Weiter dann, wenn der Schlußsatz unter Notwendigkeit steht, tritt ein, daß C einigen A mit Notwendigkeit nicht zukommt; wenn nämlich B mit Notwendigkeit keinem C zukommt, wird auch C keinem B aus Notwendigkeit zukommen; B dagegen muß einigen A notwendig zukommen, wenn doch auch A jedem B mit Notwendigkeit zukam; also muß C notwendig einigen A
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nicht zukommen. Aber es hindert nichts, das A als so beschaffen anzunehmen, daß ihm als Ganzem das C zukommen kann. Weiter könnte auch, indem man Begriffe heraussetzt, nachzuweisen sein, daß der Schlußsatz nicht voraussetzungslos notwendig ist, sondern notwendig nur dann wird, wenn diese (Annahmen) gelten. Es sei z. B. A »Lebewesen«, B »Mensch«, C »weiß«, und die Vordersätze seien entsprechend genommen: es kann ja sein, daß »Lebewesen« auf nichts Weißes zutrifft; dann wird auch »Mensch« an nichts Weißem vorliegen, aber nicht aus Notwendigkeit: es kann sein, daß die Verbindung von »Mensch« und »weiß« auftritt, allerdings nicht, solange »Lebewesen« auf nichts Weißes zutrifft. Also, wenn diese (Annahmen) gelten, wird der Schlußsatz notwendig sein, unter allen Umständen notwendig ist er nicht. Entsprechend wird es sich auch bei den Schlüssen mit Teilaussagen verhalten: Wenn der verneinte Eingangssatz Allform hat und notwendig ist, wird auch der Schlußsatz unter Notwendigkeit treten; wenn dagegen der behauptende Satz eine Allaussage, der verneinende eine Teilaussage ist, wird der Schlußsatz nicht notwendig sein. Es sei also, erstens, der verneinende Satz eine Allaussage und notwendig: A soll dem B unter gar keinen Umständen zukommen können, einigen C aber komme es zu; da nun die Verneinung Umkehrung zuläßt, wird es ja wohl auch nicht sein können, daß B irgendeinem A zukäme; A dagegen kommt einigen C zu, sodaß also B einigen C mit Notwendigkeit nicht zukommen wird. Und wieder, es sei der behauptende Satz eine Allaussage und notwendig, und die Behauptung sei zu B gestellt: Wenn denn also A jedem B mit Notwendigkeit zukommt, einigen C aber nicht zukommt, so ist offenkundig, B wird einigen C nicht zukommen, allerdings nicht mit Notwendigkeit. Es werden zum Nachweis die gleichen Einsetzungsbegriffe sein wie auch bei den Schlüssen in Allform. Aber auch, wenn die als Teilaussage genommene Verneinung notwendig ist, wird der Schlußsatz nicht unter Notwen-
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digkeit treten. Der Nachweis geht durch die gleichen Einsetzungsbegriffe. Kapitel 11. In der letzten Schlußform (tritt ein): Stehen die Verhältnisse der (Eck)begriffe zum mittleren in Allform und sind beide Eingangssätze behauptend, dann wird, wenn einer davon, einerlei welcher, notwendig ist, auch der Schlußsatz mit Notwendigkeit auftreten. Wenn dagegen der eine verneinend ist, der andere behauptend, dann wird für den Fall, daß der verneinende notwendig ist, auch der Schlußsatz notwendig gelten; ist es dagegen der behauptende, so wird er nicht notwendig sein. Es seien also, erstens, beide Eingangssätze behauptend: A und B sollen allen C zukommen, notwendig sei dabei die Verbindung AC; da nun das B jedem C zukommt, wird auch C einigen B zukommen aufgrund der Umkehrung der Allaussage durch die Teilaussage, also, wenn A allen C mit Notwendigkeit zukommt und das C einigen B, so muß auch notwendig das A einigen B zukommen; denn B steht ja unter C. Es tritt somit die erste Schlußform auf. Entsprechend läßt sich Nachweis führen für den Fall, daß BC notwendig ist; das C gilt ja in Umkehrentsprechung für einige A, also, wenn B allen C aus Notwendigkeit zukommt, wird es auch einigen A aus Notwendigkeit zukommen. Und wieder, es sei AC verneint, BC behauptet, notwendig sei die Verneinung; da nun C in Umkehrung einigen B entspricht, A aber mit Notwendigkeit an keinem C (vorlag), so wird auch A an einigen B mit Notwendigkeit nicht vorliegen; denn B steht ja unter C. Wenn dagegen die behauptende (Aussage) notwendig ist, wird der Schlußsatz nicht mit Notwendigkeit auftreten. Es sei also BC behauptet und notwendig, AC dagegen verneint und nicht notwendig; da nun also die Behauptung eine Umkehrung zuläßt, wird auch das C einigen B mit Notwendigkeit zukommen, also, wenn A an keinem C, C dagegen an einigen B (vorliegt), so wird A an einigen B nicht vorliegen; aber dies nicht mit Notwendigkeit. Es ist ja in der ersten Schlußform nachgewiesen: Wenn der verneinte Eingangssatz nicht
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notwendig ist, wird auch der Schlußsatz nicht notwendig sein. Darüber hinaus wird das ja wohl auch durch die Begriffe klar: Es sei A »gut«, B »Lebewesen«, C »Pferd«; es kann nun sein, »gut« trifft auf kein Pferd zu, »Lebewesen« aber muß notwendig auf jedes (Pferd) zutreffen; aber (daraus folgt) nicht notwendig (das Schlußverhältnis): Ein bestimmtes Lebewesen ist nicht gut, wenn es denn doch sein kann, daß ein jedes gut ist. Oder, wenn nicht dies (als) möglich (angenommen wird), dann ist eben »aufwachen« oder »schlafen« als (Beispiels)begriff einzusetzen: Jedes Lebewesen unterliegt dem. Für den Fall nun also, daß die Begriffe in Allform zum mittleren setehen, ist vorgetragen, wann der Schlußsatz notwendig ist. Für den Fall dagegen, daß der eine (Eckbegriff) in Allform (zum mittleren gesetzt wird), der andere in Teilform, (ergibt sich): Sind beide (Eingangssätze) behauptend, wird, wenn die Allaussage notwendig ist, auch der Schlußsatz notwendig werden. Nachweis ist der gleiche wie früher auch: Die behauptende Teilaussage läßt Umkehrung zu. Wenn nun also B notwendig jedem C zukommt, A aber unter C steht, dann muß notwendig B einigen A zukommen; wenn aber B einigen A, dann muß auch notwendig A einigen B zukommen, das läßt sich ja umkehren. Entsprechend auch, wenn die Verbindung AC notwendig sein sollte und in Allform steht; B steht nämlich unter C. Wenn dagegen die Teilaussage notwendig ist, wird der Schluß (im Ergebnis) nicht als notwendig auftreten: Es sei also BC eine Teilaussage und notwendig, A dagegen komme jedem C zu, allerdings nicht aus Notwendigkeit; wenn nun also BC umgekehrt wird, tritt die erste Schlußform ein, und der Eingangssatz in Allform ist nicht notwendig, der in Teilform ist notwendig. Wenn sich die Eingangssätze so verhielten, war der Schlußsatz nicht notwendig, also ist er es auch bei diesen (Verhältnissen) nicht. Darüber hinaus ist das auch von den Begriffen aus offenkundig: Es sei A »aufwachen«, B »zweifüßig«, C »Lebewesen«; B muß nun notwendig einigen C zukommen, für A kann es sein, daß es an C vorliegt, und das Vorliegen von A an B ist nicht notwendig: Es ist nämlich nicht
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notwendig, daß ein bestimmtes Zweifüßiges schläft oder wach ist. – Entsprechend wird sich auch durch die gleichen Begriffe Nachweis führen lassen für den Fall, daß AC eine Teilaussage und notwendig ist. Wenn aber der eine der (Eck)begriffe behauptend, der andere verneinend (gesetzt ist), dann wird, wenn die Allaussage verneint und notwendig ist, auch der Schlußsatz unter Notwendigkeit treten: Wenn A keinem C zukommen kann, B aber einigen C zukommt, dann muß notwendig das A einigen B nicht zukommen. Wenn dagegen die Behauptung als notwendig gesetzt wird, mag sie in Allform oder in Teilform stehen, oder die Verneinung in Teilform (als notwendig gesetzt), dann wird der Schlußsatz nicht unter Notwendigkeit treten. Was die übrigen (Nachweise) dazu betrifft, können wir die gleichen anführen wie in den früheren Fällen, Einsetzungsbegriffe aber (sollen sein) für den Fall, daß die als notwendig gesetzte Behauptung die Allform hat: Wachen – Lebewesen – Mensch; Mittelbegriff ist »Mensch«; für den Fall, daß die als notwendig gesetzte Behauptung die Teilform hat: Wachen – Lebewesen – weiß; »Lebewesen« muß notwendig bei einigem Weißen vorliegen, »wachen« kann an keinem vorliegen, und es ist nicht notwendig, daß einigen Lebewesen »wachen« nicht zukommt. Für den Fall, daß die verneinte (Aussage), in Teilform, notwendig ist, (die Einsetzungsbegriffe): Zweifüßig – in Veränderung – Lebewesen; Mittelbegriff: »Lebewesen«. Kapitel 12. Offenkundig ist nun also: Auf Zukommen erfolgt Schluß nicht, wenn nicht beide Eingangssätze im Zukommen liegen, dagegen auf notwendig erfolgt (ein Schluß) auch dann schon, wenn nur der eine davon notwendig ist. In beiden Fällen, mögen die Schlüsse zu behauptendem oder verneinendem Ergebnis kommen, muß notwendig der eine Eingangssatz dem Schlußsatz ähnlich sein. Mit »ähnlich« meine ich: Sagt (der Schlußsatz) »liegt vor«, dann (auch der Eingangssatz) zukommend, sagt er »notwendig«, dann (der Eingangssatz) notwendig. Also ist auch das klar: Es wird nicht gehen, daß der Schlußsatz entweder notwendig oder (einfach) vorliegend
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ist, wenn nicht ein Eingangssatz als notwendig oder vorliegend angenommen ist. Kapitel 13. Also: Über »notwendig« – (die Fragen betreffend), wie das verläuft und welchen Unterschied es zeigt gegenüber einfachem Zukommen – ist nun in etwa hinreichend gesprochen. – Über »kann sein, daß ...« wollen wir hiernach vortragen (mit der Fragestellung), wann und wie und unter welchen (Voraussetzungen) Schluß erfolgt. Mit »kann sein, daß ...« und »möglicherweise« meine ich: Was zwar nicht notwendig sein muß, woraus aber, wenn man es als vorliegend setzt, deswegen nichts Unmögliches folgen muß; »notwendig« sprechen wir in einer anderen Bedeutung des Wortes auch als »möglich« aus. Daß dies der Sinn von »möglicherweise« ist, ist offenkundig von den Verneinungen und Bejahungen von Gegenteiligem aus: »Kann nicht sein, daß vorliegt« und »liegt unmöglich vor« und »liegt notwendig nicht vor« bedeutet entweder das gleiche oder folgt doch aufeinander; also auch deren jeweilige Gegenaussage: »Kann sein, daß vorliegt« und »ist nicht unmöglich, daß vorliegt« und »ist nicht notwendig, daß nicht vorliegt« sagt entweder dasselbe oder solches, das einander folgt. Bejahung und Verneinung schöpfen doch eine Aussagehinsicht voll aus. Es wird also, was sein kann, nicht notwendig sein, und was nicht notwendig ist, ist möglich. Es ergibt sich, daß alle Eingangssätze unter »kann sein, daß ...« sich unter einander umkehren lassen. Ich will damit nicht sagen: Die behauptenden mit den verneinenden, sondern: Alle die, welche in der Entgegensetzung behauptende Form haben, z. B.: »Kann sein, daß vorliegt« mit »kann sein, daß nicht vorliegt«, und: »Kann an allem vorliegen« mit »kann an keinem ...« oder »... an nicht allen«, und: »(Kann) an einigen (vorliegen)« mit »(kann) an einigen nicht ...«. Auf die gleiche Weise auch in den übrigen Fällen. Da ja, was sein kann, nicht notwendig ist, andererseits, was nicht notwendig ist, auch die Möglichkeit hat, nicht vorzuliegen, so ist offenkundig: Wenn A dem B zukommen kann, so kann es auch sein, daß es ihm
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nicht zukommt. Und: Wenn es allen zukommen kann, dann geht es auch, allen nicht zuzukommen. Entsprechend auch bei den Behauptungen in der Teilform; es ist der gleiche Nachweis. Derartige Eingangssätze sind behauptend, nicht verneinend: das »kann sein« wird entsprechend angesetzt wie »ist«, wie früher vorgetragen. Nachdem das bestimmt ist, wollen wir noch einmal darüber sprechen, daß »kann sein« auf zwei Weisen ausgesagt wird: In einer (besagt es), was allermeist so eintritt, aber an Notwendigkeit nicht heranreicht, z. B. daß ein Mensch graue Haare bekommt oder daß er an allem zu- oder abnimmt, oder überhaupt, was dem natürlichen Gange nach auf ihn zutrifft – das hat nämlich nicht stetige Notwendigkeit bei sich, weil der Mensch nicht immer ist; wenn aber der Mensch da ist, tritt es entweder mit Notwendigkeit oder doch allermeist so auf –; in einer anderen (besagt es) die unbestimmten Ereignisse, was denn so oder auch nicht so sein kann, wie z. B.: Da bewegt sich ein Lebewesen, oder während es dahergeht, ereignet sich ein Erdbeben, oder überhaupt, was sich so von Ungefähr zuträgt; hier ist ja nichts dem natürlichen Gange nach mehr so als genau gegenteilig. Es entspricht nun jedes der beiden, was da sein kann, in Umkehr gemäß entgegengesetzten Sätzen einander, allerdings nicht auf gleiche Weise, sondern: Was dem natürlichen Gange nach so ist, dem, was nicht notwendig vorliegt – in dem Sinne kann es sein, daß ein Mensch nicht ergraut –, das unbestimmte Ereignis dem »nicht mehr so als gegenteilig«. Wissen und beweisenden Schluß gibt es von diesen unbestimmten Ereignissen nicht, weil der Mittelbegriff ohne festen Platz ist; von dem, was natürlicherweise so sein kann, gibt es das, und allermeist gehen die Reden und Untersuchungen auf solches, was in dem Sinne sein kann. Von jenem anderen kann es zwar Schluß geben, allerdings forscht man gewöhnlicherweise danach nicht. Das wird im folgenden noch mehr zur klaren Bestimmung geführt werden; jetzt wollen wir vortragen, wann und wie
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Schlüsse aus Eingangssätzen erfolgen, die unter »kann sein, daß ...« stehen, und welche es sind. Da nun also »kann sein, daß das an dem vorliegt« zweifach aufzufassen ist: Entweder »dem dies (tatsächlich auch) zukommt« oder »dem dies zukommen kann« – der Satz: »Wovon B, – davon kann A (gelten)« bedeutet ja eins von den beiden: Entweder »wovon B ausgesagt wird« oder »wovon es ausgesagt werden kann«; der Satz aber »wovon B, davon kann A (ausgesagt werden)« oder der andere, »A kann möglicherweise allen B (zukommen)« unterscheiden sich in nichts so ist offenkundig: »A kann an allen B vorliegen« wird ja wohl in zweifacher Bedeutung ausgesprochen. Erstens wollen wir nun sagen: Gesetzt die beiden Eingangssätze »wovon C, davon kann B (ausgesagt werden)« und »wovon B, davon A«, – welcher Schluß geht dann, und was hat er für Eigenschaften? So werden ja beide Eingangssätze im Sinne dessen, was sein kann, genommen; wenn dagegen, woran B vorliegt, A es nur kann, besagt der eine ein tatsächliches Vorliegen, der andere ein nur mögliches. Man muß also bei (Sätzen) von gleicher Form anfangen, so wie auch in den anderen Fällen. Kapitel 14. Wenn also A jedem B (zukommen) kann und B allen C, wird sich der vollkommene Schluß ergeben: A kann an allen C vorliegen. Das ist klar aus der Begriffsbestimmung: das »allem zukommen können« haben wir ja so ausgesagt. Entsprechend auch, wenn A keinem B (zukommen) kann, B aber allen C, dann: Es kann sein, daß A keinem C (zukommt). Denn (die Annahme) »wovon B (ausgesagt werden) kann, kann A es nicht« – das bedeutete doch: Nichts von dem auslassen, was unter B sein können sollte. Wenn dagegen A jedem B (zukommen) kann, B aber die Möglichkeit hat, keinem C zuzukommen, dann tritt aufgrund der angenommenen Eingangssätze kein Schluß ein; kehrt man aber den Eingangssatz BC in Bezug auf das Seinkönnen um, ergibt sich der gleiche Schluß wie zuvor: Da es denn sein kann, B liegt an keinem C vor, so kann es auch sein, es liegt an allen vor. Das ist früher vorgetragen. Also, wenn B an allen C
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(vorliegen kann), und A an allen B, so wird es wieder derselbe Schluß. Entsprechend auch, wenn die Verneinung in Verbindung mit »kann sein« zu beiden Eingangssätzen gestellt würde; ich meine z. B., wenn es sein kann, A kommt keinem B, und B kommt keinem C zu. Aufgrund der angenommenen Eingangssätze ergibt sich kein Schlußverhältnis, werden sie dagegen umgekehrt, wird es wieder derselbe sein wie vorhin auch. Offenkundig ist denn also: Wird die Verneinung zum kleineren Eckbegriff oder zu beiden Eingangssätzen gestellt, so erfolgt entweder kein Schluß, oder es erfolgt wohl einer, doch kein vollkommener; denn erst infolge der Umkehrung wird seine zwingende Notwendigkeit erreicht. Wenn der eine Eingangssatz in Allform, der andere in Teilform genommen wird, dann wird, wenn die Allaussage beim größeren Eckbegriff steht, Schluß erfolgen: Wenn A jedem B (zukommen) kann, B aber einigen C, dann kann A einigen C zukommen. Das ist offenkundig nach der Begriffsbestimmung von »kann sein«. Erneut, wenn es sein kann, A kommt keinem B zu, B aber kann einigen C zukommen, so ist notwendig (zu schließen): Es kann sein, A kommt einigen C nicht zu. Nachweis ist der gleiche. Wenn dagegen der Eingangssatz in Teilform verneint genommen wird, der in Allform behauptet, und der Stellung nach verhalten sie sich gleich (wie zuvor) – z. B.: A kann jedem B (zukommen), von B kann es sein, es kommt einigen C nicht zu –, dann ergibt sich aufgrund der angenommenen Eingangssätze kein durchsichtiger Schluß; kehrt man aber die Teilaussage um und setzt: Es kann sein, daß B einigen C zukommt, so wird sich derselbe Schluß ergeben wie zuvor auch, wie in den Ausführungen zu Anfang (gesagt). Wenn dagegen das (Verhältnis) zum größeren Eckbegriff in Teilform genommen wird, das zum kleineren in Allform, dann wird, einerlei ob man beide behauptend setzt oder verneinend, ob sie nicht von gleicher Form oder beide nicht festgelegt oder in Teilform sind, auf keine Weise Schluß stattfinden; es hin-
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dert ja nichts (die Annahme), daß B über A hinausreicht und nicht über den gleichen Bereich ausgesagt wird. (Die Größe), um die B über A hinausreicht, sei genommen als C; dem kann A weder in allen Fällen, noch in keinem, noch in einigen, noch in einigen nicht zukommen, wenn doch die unter »kann sein« stehenden Eingangssätze Umkehrung zulassen und B mehr (Gegenständen) zukommen kann, als A dies kann. Darüber hinaus ist das auch aus den Begriffen klar: Wenn die Eingangssätze dies Verhältnis haben, kann das Erste dem Letzten sowohl in keinem Fall und muß ihm in jedem Falle zukommen. Gemeinsame Einsetzungsbegriffe für alle Fälle, bei »aus Notwendigkeit vorliegen«: Lebewesen – weiß – Mensch; für »kann nicht vorliegen«: Lebewesen – weiß – Mantel. Somit ist offenkundig: Wenn die Begriffe auf diese Weise im Verhältnis stehen, gibt es kein Schlußverhältnis. Jeder Schluß geht doch entweder auf vorliegen oder auf aus Notwendigkeit (vorliegen) oder auf möglicherweise vorliegen. Daß es hier auf »vorliegen« und auf »notwendig« nicht geht, ist offenkundig: Der behauptende (Schluß) wird durch den verneinenden aufgehoben, der verneinende durch den behauptenden; bleibt also (Schluß) auf das »sein können«; das aber ist unmöglich. Es ist ja nachgewiesen, daß, wenn die Begriffe in dem Verhältnis stehen, das Erste dem Letzten sowohl in jedem Falle wie auch in keinem zukommen kann; also geht hier ja wohl auch kein Schluß auf »kann sein, daß ...«; »notwendig« war ja nicht als »möglich« bestimmt. Offenkundig ist: Wenn die Begriffe in den unter »kann sein« stehenden Eingangssätzen in Allaussage verbunden sind, erfolgt immer Schluß in der ersten Form, sowohl wenn sie behauptend, wie wenn sie verneinend sind, nur (ist es) im Falle von Behauptung ein vollkommener, im Falle von Verneinung ein unvollkommener. Man darf aber das »kann sein, daß ...« nicht unter »notwendig« nehmen, sondern gemäß der angegebenen Begriffsbestimmung. Gelegentlich wird das übersehen. Kapitel 15. Wenn einer der Eingangssätze in der Form von »(einfach) vorliegen«, der andere in der von »kann sein, daß ...« genommen wird, so werden im Falle, daß die (Be-
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griffsbeziehung) zum größeren Eckbegriff das möglich sein bedeutet, alle Schlüsse, erstens, vollkommen sein, zweitens auf »kann sein« gehen, gemäß der vorgetragenen Begriffsbestimmung davon; ist es dagegen die zum kleineren, so sind sie, erstens, alle unvollkommen, zweitens gehen die verneinten unter den Schlüssen nicht auf das »kann sein« im Sinne der Begriffsbestimmung, sondern auf »keinem oder nicht allem aus Notwendigkeit zukommen«; wenn nämlich (etwas) keinem oder nicht allem aus Notwendigkeit (zukommt), dann, sagen wir, kann es sein, daß es keinem und nicht allem zukommt. Es soll also sein können, A kommt jedem B zu, von B sei gesetzt, es kommt allen C zu. Da nun also C unter B steht, allen B aber A zukommen kann, so ist offenkundig, es kann auch allen C (zukommen). Der Schluß wird somit vollkommen. Entsprechend auch, wenn der Eingangssatz AB verneint wird, der BC aber behauptet, und der eine als möglich, der andere als einfach vorliegend genommen wird, dann wird vollkommener Schluß erfolgen, nämlich: Es kann sein, A liegt an keinem C vor. Daß also, wenn das (einfache) Vorliegen zum kleineren Eckbegriff gesetzt wird, vollkommene Schlüsse sich ergeben, ist offenkundig. Daß sich Schlüsse ergeben sollen, wenn es sich gegenteilig verhält, ist durch (Hinführung auf) das Unmögliche (der Gegenannahme) nachzuweisen; damit wird zugleich auch klar, sie sind unvollkommen: ihr Nachweis erfolgt nicht aus den angenommenen Eingangssätzen. Als erstes ist auszusagen: Wenn, aufgrund des Geltens von A, notwendig B sein muß, dann gilt auch: Wenn es sein kann, daß A vorliegt, wird es auch sein können, daß B notwendig ist. Es sei also, dies Verhältnis gesetzt, der Betrag A möglich, der B unmöglich; wenn nun das, was sein kann, dann, wann es das kann, auch wohl eintreten mag, das, was unmöglich sein kann, dann, wann es so ist, wohl nicht eintreten wird, und zugleich gelten soll: A ist möglich, B ist unmöglich, so wird es ja wohl sein können, daß A ohne B eingetreten ist, wenn aber eingetreten, dann ist es auch, – was eben geworden ist, ist zu dem Zeitpunkt, wo es mit Werden fertig ist. – Man darf aber
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»unmöglich« und »möglich« nicht allein bloß für den Werdevorgang nehmen, sondern (muß es auch nehmen) für den Fall wahrer Aussage und Vorliegen, und auf wieviele andere Weisen »möglich« noch ausgesagt wird: in allen wird es sich ja entsprechend verhalten. – Weiter, »wenn A ist, dann ist B« – das darf man nicht so verstehen: »Wenn ein bestimmtes (Ding namens) A ist, wird B sein« – es ist nämlich nichts aus Notwendigkeit, wenn ein bestimmtes (Andere) ist, sondern es müssen schon mindestens zwei sein, z. B. wenn sich die Eingangssätze, so wie vorgetragen, zum Ablauf des Schlusses verhalten: Wenn C von D (ausgesagt wird) und D von F, dann notwendig auch C von F. Und wenn beide (Eingangssätze) möglich sind, so wird auch der Schlußsatz nur möglich sein. Entsprechend also auch, wenn einer setzte: A für (beide) Eingangssätze, B als Schlußsatz, – dann ergäbe sich nicht nur: Wenn A notwendig ist, ist zugleich auch B notwendig, sondern auch: Ist (A) möglich, (dann B auch nur) möglich. Nachdem das nachgewiesen ist, ist offenkundig: Wird etwas Falsches unterstellt, und (zwar) etwas, das nicht unmöglich ist, so wird auch, was infolge der Voraussetzung eintritt (je nachdem) falsch und nicht unmöglich sein. Z. B., wenn A zwar falsch ist, allerdings nicht unmöglich, und wenn aufgrund des Geltens von A auch B ist, so wird auch B falsch, aber nicht unmöglich sein. Da ja nachgewiesen ist: Wenn aufgrund der Geltung von A auch B ist, und wenn A möglich ist, ist auch B möglich, und da nun als Voraussetzung angenommen ist: A ist möglich, so wird auch B möglich sein; falls (es) denn unmöglich (wäre), so würde ja eines und dasselbe gleichzeitig möglich und unmöglich sein. Dies also festgesetzt, so soll A allen B zukommen, für B aber soll es sein können, allen C zuzukommen; somit ist notwendig: Es kann sein, daß A allen C zukommt. Gesetzt einmal, dies sei nicht möglich, B dagegen komme allen C zu – dies zwar falsch aber nicht unmöglich –, wenn nun also A nicht allen C zukommen kann, B dagegen allen C zukommt, kann es nicht sein, daß A allen B (zukommt); es erfolgt damit Schluß in der dritten Form. Es war aber doch zugrundegelegt, es soll-
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te allen zukommen können. Somit ist notwendig: Es kann sein, A kommt allen C zu. Nachdem ja Falsches, nicht Unmögliches gesetzt war, ist die Folge (doch) unmöglich. [Es geht auch, über die erste Schlußform die Unmöglichkeit herbeizuführen, indem man setzt: B kommt C zu; wenn nämlich B allen C zukommt, A aber allen B zukommen kann, dann müßte ja auch A allen C zukommen können. Es war aber vorausgesetzt, es kann nicht allen zukommen.] Man muß aber das »allem zukommend« nehmen – nicht indem man es der Zeit nach festlegt, etwa: »jetzt« oder: »in der und der Zeit«; sondern ohne jeden einschränkenden Zusatz. Es sind nämlich derartige Eingangssätze, mittels derer wir Schlüsse machen, während aus einem in der Gültigkeit auf jetzt beschränkten Eingangssatz kein Schluß erfolgen wird. Es hindert ja vielleicht nichts (die Annahme), daß zu irgendeinem Zeitpunkt einmal »Mensch« an allem sich Bewegenden vorliegen mag, wie etwa, wenn gerade nichts anderes in Bewegung wäre; »in Bewegung« kann an jedem Pferd Vorkommen, aber »Mensch« kann an keinem Pferd vorliegen. – Weiter, es sei der erste (Begriff) »Lebewesen«, der mittlere »bewegt«, der letzte »Mensch«; da werden sich die Eingangssätze entsprechend verhalten, der Schlußsatz dagegen ist notwendig, kann nicht bloß sein: Notwendig ist der Mensch ein Lebewesen. Offenkundig ist nun also: Die Allaussage muß man ohne Einschränkung nehmen, sie ist nicht zeitlich festzulegen. Erneut, es sei der verneinte Eingangssatz AB eine Allaussage, es werde also angenommen: A liegt an keinem B vor, B aber soll an allen C vorliegen können. Ist das gesetzt, so ist notwendig: Es kann sein, A liegt an keinem C vor. Das soll einmal nicht sein können, es liege aber fest, B kommt C zu – wie früher; dann ist also notwendig: A liegt an einigen B vor. Es erfolgt ja Schluß durch die dritte Form. Das aber ist unmöglich. Also muß es ja wohl sein können, daß A keinem C (zukommt); nachdem ja eine falsche Annahme gesetzt war, ist das, was eintritt, unmöglich. – Dieser Schluß also erfolgt nicht auf ein »kann sein« im Sinne der Begriffsbestimmung, sondern im Sinne des »keinem aus Notwendigkeit« – das ist näm-
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lich der genaue Widerspruch zur erfolgten Voraussetzung: Es war ja gesetzt, A sollte einigen C aus Notwendigkeit zukommen; und der »Schluß mittels des Unmöglichen« geht ja auf die genau entgegengesetzte Aussage. – Weiter ist auch von den Einsetzungsbegriffen her klar, daß der Schlußsatz nicht unter »möglich« steht: Es sei also A »Rabe«, B »mit Denkfähigkeit ausgestattet«, C »Mensch«; keinem B kommt also das A zu: Nichts, was denken kann, ist ein Rabe. B aber kann allen C zukommen: Jedem Menschen die Fähigkeit zu denken. Aber A kommt notwendig keinem C zu, mithin ist der Schlußsatz nicht (bloß) möglich. Aber auch notwendig ist er nicht immer: Es sei also A »in Bewegung«, B »Wissen«, C »Mensch«; das A also wird an keinem B vorliegen, das B kann an jedem C vorkommen, und der Schlußsatz wird nicht notwendig sein: Es ist nicht notwendig, daß kein Mensch in Bewegung ist, sondern es ist nicht notwendig, daß irgendeiner es ist. Klar ist somit: Der Schlußsatz geht darauf, daß es keinem aus Notwendigkeit zukommt. – Es wären aber die Begriffe besser auszusuchen. Wenn die Verneinung zum kleineren Eckbegriff gesetzt wird und das (nur) ein »kann sein« bezeichnet, so wird sich aus den angenommenen Eingangssätzen allein kein Schluß ergeben. Wird dagegen der Eingangssatz unter »kann sein« umgekehrt, so wird es einen geben, wie in früheren Fällen auch: Es komme also A jedem B zu, von B aber gelte: Es kann sein, daß es keinem C zukommt. Haben die Begriffe dies Verhältnis, tritt nichts mit Notwendigkeit ein. Wenn dagegen BC umgekehrt wird und man annimmt, es kann sein, daß B allen C zukommt, dann erfolgt Schluß, wie früher; die Begriffe verhalten sich dann ja der Anordnung entsprechend. Auf gleiche Weise (geht es auch), wenn beide Begriffsverhältnisse verneinend sind, für den Fall daß AB ein (einfaches) Nicht-Vorliegen besagt, BC ein An-keinem-vorliegen-können: Aufgrund der Annahmen selbst tritt unter keinen Umständen etwas Notwendiges ein, kehrt man dagegen den unter »kann sein« stehenden Eingangssatz um, wird es ein Schlußverhältnis geben. Es sei also angenommen: A kommt keinem B zu, von B kann es sein, daß es keinem C zukommt; aufgrund die-
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ser (Annahmen folgt) nichts notwendig; nimmt man dagegen an: Es kann sein, B kommt allen C zu, was ja wahr ist, und der Eingangssatz AB bleibe genau so stehen, dann wird sich wieder derselbe Schluß ergeben. Wenn dagegen gesetzt wird, B kommt jedem C nicht zu – und nicht bloß: Es könne sein, es komme ihm nicht zu –, dann wird es auf keinen Fall Schluß geben, einerlei ob der Eingangssatz AB verneinend oder behauptend ist. Gemeinsame Einsetzungsbegriffe für Notwendig-Zukommen: Weiß – Lebewesen – Schnee; für »kann sein, daß nicht ...«: Weiß – Lebewesen – Pech. Offenkundig ist also: Stehen die Begriffe in einer Allgemein-Verbindung und ist der eine Eingangssatz im Sinne von »(einfach) vorliegen«, der andere unter »kann sein, daß ...« genommen, dann erfolgt für den Fall, daß der Eingangssatz mit dem kleineren Eckbegriff als möglich genommen wird, immer ein Schluß, nur, einmal aus den (Annahmen) selbst, das andere Mal, wenn man den Eingangssatz umkehrt. Wann jedes davon eintritt und aufgrund welcher Ursache, haben wir vorgetragen. Wenn aber das eine der Begriffsverhältnisse in Allform, das andere in Teilform genommen wird, dann wird, wenn (das Verhältnis) zum größeren Eckbegriff in Allform und als möglich gesetzt wird, entweder verneinend oder behauptend, die Teilaussage dagegen behauptend und einfach vorliegend, vollkommener Schluß erfolgen wie auch, wenn die Begriffe in Allform verbunden sind. Nachweis ist der gleiche wie auch früher. Wenn dagegen das Verhältnis zum größeren Eckbegriff in Allform steht, vorliegend und nicht bloß möglich, das andere in Teilform und möglich, und mögen nun beide (Eingangssätze) verneinend oder behauptend gesetzt sein, mag auch der eine verneinend der andere behauptend (gesetzt sein), in allen Fällen ergibt sich unvollkommener Schluß; nur, die einen davon werden durch (Hinführung auf) das Unmögliche nachgewiesen, die anderen durch Umkehrung des Satzes, der unter »kann sein« steht, wie in den früheren Fällen. Mithilfe der Umkehrung erfolgt dann Schluß, wenn die Allaussage, zum größeren Eckbegriff gesetzt, ein (einfaches) Zukommen
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besagt, der in Teilform auftretende Satz, verneint, das bloße »sein können« annimmt, z. B.: Wenn A allen B zukommt oder nicht zukommt, von B dagegen es sein kann, einigen C nicht zuzukommen; wenn man also BC, das »sein können« betreffend, umkehrt, erfolgt Schluß. Wenn andererseits der Eingangssatz, der in Teilform gesetzt ist, ein (einfaches) »nicht vorliegen« annimmt, erfolgt kein Schluß. Einsetzungsbegriffe für Vorliegen: Weiß – Lebewesen – Schnee; für Nicht-Vorliegen: Weiß – Lebewesen – Pech. Man muß ja den Nachweis mittels der nicht festgelegten (Aussageform) sich holen. Wenn aber die Allaussage zum kleineren Eckbegriff gesetzt wird, die Teilaussage zum größeren, einerlei welche davon verneint oder behauptet, welche als nur möglich oder als (tatsächlich) vorliegend (genommen ist), so ergibt sich in keinem Falle Schluß. Auch wenn die Eingangssätze in Teilform oder nicht festgelegt gesetzt sind, mögen sie das »möglich sein« annehmen oder das »(tatsächlich) vorliegen«, oder auch der eine dies, der andere jenes, wird es in keinem Falle Schluß geben. Nachweis ist der gleiche wie in den früheren Fällen auch. Gemeinsame Einsetzungsbegriffe für »aus Notwendigkeit vorliegen«: Lebewesen – weiß – Mensch; für »kann sein, daß nicht ...«: Lebewesen – weiß – Mantel. Offenkundig ist also: Wird die Allaussage zum größeren Eckbegriff gestellt, gibt es immer Schluß, wird das Verhältnis zum kleineren so genommen, in keinem Fall auf irgendetwas. Kapitel 16. Wenn der eine Eingangssatz ein notwendiges Zukommen, der andere ein mögliches bezeichnet, so wird zwar, wenn sich die Begriffe auf gleiche Weise verhalten (wie eben), Schluß stattfinden, und auch vollkommener, wenn das »notwendig« zum kleineren Eckbegriff gesetzt wird; der Schlußsatz wird aber, wenn die Begriffe behauptend stehen, nur auf sein können, nicht auf »vorliegen« gehen, sowohl wenn sie in Allform oder nicht in Allform gesetzt sind. Ist dagegen die eine (Aussage) behauptend, die andere verneinend, (dann wird), wenn die bejahende notwendig ist, (der Schluß erfol-
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gen) auf »kann sein (daß nicht vorliegt)«, und nicht auf »liegt nicht vor«. Ist aber der verneinende Satz (notwendig), dann (kann) sowohl (geschlossen werden) auf »kann sein, daß nicht zukommt« wie auch auf »kommt nicht zu«, sowohl wenn die Begriffe in Allform wie wenn sie nicht in Allform verbunden sind. Das »kann sein, daß ...« im Schlußsatz ist auf die gleiche Weise zu nehmen wie auch in den früheren Fällen. Auf »liegt aus Notwendigkeit nicht vor« gibt es keinen Schluß; es ist ja doch etwas anderes: »Liegt nicht aus Notwendigkeit vor« und »liegt aus Notwendigkeit nicht vor«. Daß nun also für den Fall, daß die Begriffe behauptend verbunden sind, der Schluß nicht notwendig wird, ist offenkundig. Es komme also A jedem B mit Notwendigkeit zu, B soll jedem C zukommen können; dann ergibt sich unvollkommener Schluß: A kann allen C zukommen. Daß er unvollkommen ist, wird aus dem Beweis klar; er wird ja auf gleiche Weise geführt werden wie in den früheren Fällen auch. Und wieder, A soll jedem B zukommen können, B liege an allen C mit Notwendigkeit vor; dann erfolgt also Schluß: A kann an allen C vorliegen, aber nicht: Es liegt vor. Und er ist vollkommen, nicht unvollkommen: er kommt nämlich unmittelbar aufgrund der Anfangssätze zu seinem Ziel. Haben die Eingangssätze nicht die gleiche Form, so sei also, erstens, der verneinte Satz notwendig: A soll keinem B zukommen können, B dagegen soll an allen C vorliegen können. Dann ergibt sich notwendig: A liegt an keinem C vor. Es sei also einmal gesetzt, es liege an allen oder einigen vor – es war aber zugrundegelegt: Dem B konnte es in keinem Falle zukommen –; da nun die Verneinung Umkehrung zuläßt, so wird auch B keinem A zukommen können; nun ist aber gesetzt: A komme entweder allen C oder einigen zu; also könnte es sein, B kommt entweder keinem C oder nicht allen zu; es war aber vorausgesetzt: Allen aus Notwendigkeit. Offenkundig aber, daß Schluß auch erfolgt auf »kann sein, daß nicht vorliegt«, wenn er doch schon auf (tatsächliches) Nicht-Vorliegen geht. Aufs neue, es sei der behauptende Eingangssatz notwendig: A soll keinem B zukommen können, B aber liege an allen C mit
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Notwendigkeit vor. Der Schluß daraus wird vollkommen sein, aber (er geht) nicht auf Nicht-Vorliegen, sondern auf »kann sein, daß nicht vorliegt«. Es ist ja der Eingangssatz mit dem größeren Eckbegriff genommen worden, und die Hinführung auf das Unmögliche geht hier nicht: würde nämlich unterstellt, A kommt einigen C zu, und es liegt fest, dem B kann es in keinem Falle zukommen, dann ergibt sich daraus nichts Unmögliches. Wenn dagegen die Verneinung zum kleineren Eckbegriff gesetzt wird, so wird für den Fall, daß dies ein »kann sein« aussagt, Schluß durch Umkehrung erfolgen, wie in den früheren Fällen; sagt es dagegen »kann nicht sein«, so erfolgt keiner. Auch wenn beide verneinend gesetzt sind, das »kann nicht sein, daß ...« beim kleineren (Eckbegriff steht), erfolgt keiner. Einsetzungsbegriffe sind dieselben, für Vorliegen: Weiß – Lebewesen – Schnee; für Nicht-Vorliegen: Weiß – Lebewesen – Pech. Auf gleiche Weise wird es sich auch bei den Schlüssen in Teilform verhalten: Ist der verneinte Satz notwendig, wird auch der Schlußsatz auf »nicht vorliegen« gehen, etwa: Wenn A keinem B zukommen kann, B aber einigen C zukommen kann, dann ist notwendig: A kommt einigen C nicht zu. Falls es doch allen zukommt, aber keinem B zukommen kann, dann kann auch B keinem A zukommen; also, wenn A allen C zukommt, kann B keinem C zukommen. Aber es war doch vorausgesetzt, einigen sollte es zukommen können. Wenn aber der in Teilform behauptende Satz notwendig ist, der in dem Schluß mit verneinendem Ergebnis, etwa BC, oder der in Allform in dem Schluß mit behauptendem Ergebnis, etwa AB, findet kein Schluß auf Vorliegen statt. Nachweis ist der gleiche wie in den früheren Fällen auch. Wenn dagegen die Allaussage zum kleineren Eckbegriff gesetzt ist, entweder behauptend oder verneinend, und als (nur) möglich, der Satz in Teilform aber notwendig, wird kein Schluß stattfinden. Einsetzungsbegriffe für »aus Notwendigkeit vorliegen«: Lebewesen – weiß – Mensch; für »nicht sein können«: Lebewesen – weiß – Mantel. Im Falle, daß andererseits die Allaussage notwendig ist, die Teilaussage möglich, (dann) wenn die Allaussage verneinend ist, (sind die) Einset-
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zungsbegriffe für Vorliegen: Lebewesen – weiß – Rabe; für Nicht-Vorliegen: Lebewesen – weiß – Pech; ist sie behauptend, dann für Vorliegen: Lebewesen – weiß – Schwan; für NichtVorliegen-Können: Lebewesen – weiß – Schnee. Auch wenn die Eingangssätze nicht festgelegt genommen werden, oder beide in Teilform, findet kein Schluß statt. Gemeinsame Einsetzungsbegriffe für Vorliegen: Lebewesen – weiß – Mensch; für Nicht-Vorliegen: Lebewesen – weiß – unbelebt. Denn, »Lebewesen« kommt irgendeinem Weißen, und »weiß« irgendeinem Unbelebten sowohl notwendig zu und es kann nicht sein, daß es ihm zukäme. Und bei »kann sein, daß ...« ist es entsprechend, somit sind die Einsetzungsbegriffe für alle Fälle verwendbar. Offenkundig ist nun aus dem Vorgetragenen: Verhalten sich die Begriffe im Falle einfachen Vorliegens und in den unter »notwendig« stehenden Sätzen entsprechend, so erfolgt Schluß und erfolgt auch nicht, hier wie dort; nur, wird der verneinende Eingangssatz auf »einfach vorliegen« gesetzt, ging der Schluß auf »kann sein, daß ...«, wird der verneinende Satz auf »notwendig« gesetzt, (geht der Schluß) sowohl auf »kann sein, daß ...« und auf »liegt (tatsächlich) nicht vor«. [Klar ist auch: Alle die Schlüsse sind unvollkommen und werden mittels der früher vorgetragenen Schlußformen zum Ziel gebracht.] Kapitel 17. In der zweiten Schlußform wird es, wenn beide Eingangssätze das bloße »kann sein« annehmen, keinen Schluß geben, einerlei ob sie behauptend oder verneinend gesetzt werden, ob in All- oder in Teilform. Wenn dagegen einer »vorliegen« besagt, der andere »(vorliegen) können«, dann wird es, wenn der behauptende ein Vorliegen besagt, niemals einen geben, wenn aber der in Allform verneinende (es tut), dann immer. Auf gleiche Weise auch, wenn der eine der Eingangssätze als »notwendig«, der andere als »möglich« genommen wird. Man muß auch in diesen Fällen das in den Schlußsätzen stehende »kann sein, daß ...« so nehmen wie in den früheren Fällen. Erstens ist also nachzuweisen, daß die unter »kann sein, daß ...« stehende Verneinung keine Umkehrung zuläßt, z.
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B., wenn es sein kann, A kommt keinem B zu, so tritt nicht notwendig ein: Es kann sein, B kommt keinem A zu. Dies sei einmal so gesetzt, es soll also sein können, B komme keinem A zu. Folglich, da die unter »kann sein« stehenden Behauptungen den (entsprechenden) Verneinungen in Umkehr entsprechen, u.z. die gegenüberliegenden sowohl wie die entgegengesetzten (je entsprechend), und da es nun (annahmegemäß) sein kann, B kommt keinem A zu, so ist offenkundig: Es könnte auch sein, es komme allen A zu; das aber ist falsch. Es tritt nämlich nicht notwendig ein: Wenn das dem in allen Fällen (zukommen) kann, dann auch Letzteres dem Ersteren. Also die Verneinung läßt eine Umkehrung nicht zu. Weiter hindert nichts (die Annahme), daß es zwar sein kann, A kommt keinem B zu, B dagegen kommt einigen A mit Notwendigkeit nicht zu, z. B.: Es kann sein, »weiß« kommt jedem Menschen nicht zu – es kann ihm ja auch zukommen –, von »Mensch« aber ist es nicht wahr zu sagen: Es kann sein, er komme keinem Weißen zu; vielem (was da weiß ist) kommt er notwendig nicht zu, und »notwendig« war nicht »was sein (oder eben auch nicht sein) kann«. Aber nun ja, auch aus (der Rückführung auf das) Unmögliche wird sich eine Umkehrung nicht erweisen lassen, wie etwa jemand fordern wollte: Da die Aussage falsch ist »Es kann sein, B kommt keinem A zu«, (so muß die) wahr (sein): »Es kann nicht sein, (B kommt) keinem (A zu)« – (das wäre) ja Behauptung und (ihre) Verneinung –, wenn aber das (gilt), so ist es wahr, daß (B) notwendig einigen A zukommt; somit also auch A einigen B. Das aber sei dann unmöglich. – (Es gilt) nämlich nicht: Wenn es nicht sein kann, daß B keinem A (zukommt), dann kommt es notwendig einigen zu. Denn der Ausdruck »es kann nicht sein, daß keinem ...« wird in zwei Bedeutungen ausgesagt, einmal, wenn es mit Notwendigkeit einigen zukommt, zum anderen, wenn es mit Notwendigkeit einigen nicht zukommt. Was ja mit Notwendigkeit einigen A nicht zukommt, davon ist es nicht wahr zu sagen: Es kann sein, es kommt allen nicht zu, wie (es) auch nicht wahr (ist zu sagen): Was einigen aus Notwendigkeit zukommt, das kann allen
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zukommen. Wenn nun einer fordern wollte: Da es nicht sein kann, C kommt allen D zu, so kommt es mit Notwendigkeit einigen nicht zu, dann würde der etwas Falsches annehmen; es kommt ja allen zu, aber weil es einigen (darüber hinaus) mit Notwendigkeit zukommt, deshalb sagen wir: Nicht jedem möglicherweise. Also, dem »kann sein, es liegt an allen vor« ist einerseits das »es liegt mit Notwendigkeit an einigen vor« entgegengesetzt, andererseits das »es liegt aus Notwendigkeit an einigen nicht vor«. Entsprechend auch (mit der Entgegensetzung) zu »kann sein, daß keinem ...«. Klar nun also: Zu dem so (verstandenen) »kann sein ...« und »kann sein, daß nicht ...«, wie wir es zu Anfang bestimmt haben, ist (als Gegensatz) nicht das »kommt mit Notwendigkeit einigen zu«, sondern das »kommt mit Notwendigkeit einigen nicht zu« zu nehmen. Wird das aber genommen, so tritt nichts Unmögliches ein, also gibt es in diesem Falle keinen Schluß. – Offenkundig ist nun also aus dem Vorgetragenen, daß die Verneinung keine Umkehrung zuläßt. Nachdem dies aufgezeigt ist, sei also gesetzt: Es kann sein, A liegt an keinem B vor, aber an jedem C. Mithilfe von Umkehrung gibt es also keinen Schluß; es ist ja gesagt, daß sich ein derartiger Eingangssatz nicht umkehren läßt. Aber auch nicht durch (Rückführung auf) das Unmögliche; gesetzt nämlich: Es kann sein, B kommt allen C zu, ergibt sich ja nichts Falsches: es könnte ja sein, A kommt sowohl allen wie auch keinem C zu. Überhaupt, wenn (denn hier) Schluß ist, so ist klar, er ginge nur auf ein »kann sein«, weil keiner der beiden Eingangssätze unter »(tatsächlich) vorliegen« genommen ist; und der wäre nun behauptend oder verneinend, aber weder so noch so geht es: Würde er behauptend gesetzt, so läßt sich mithilfe der Einsetzungsbegriffe nachweisen, daß ein Vorliegen nicht sein kann; setzt man ihn aber verneinend, (so läßt sich nachweisen), daß der Schlußsatz nicht unter »kann sein« steht, sondern notwendig ist. Es sei also A »weiß«, B »Mensch«, C »Pferd«; dann kann es also sein, A – weiß – kommt dem einen in allen, dem anderen in keinem Falle zu; aber von B gilt: Es kann dem
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C weder zukommen, noch kann es (nur) sein, daß es ihm nicht zukommt. Daß es ihm nicht zukommen kann, ist offenkundig: Kein Pferd ist Mensch; aber auch, daß es nur sein könnte, es kommt ihm nicht zu, geht nicht: Es ist nämlich notwendig, daß kein Pferd Mensch ist, und »notwendig« war etwas anderes als nur »möglich«. Es erfolgt also kein Schluß. Entsprechend wird auch Nachweis geführt, wenn die Verneinung umgekehrt gesetzt ist, und auch, wenn beide (Eingangssätze) behauptend genommen sind oder verneinend – der Nachweis wird mittels der gleichen Einsetzungegriffe gehen –; und wenn der eine (Eingangssatz) in Allform, der andere in Teilform (gesetzt wird), oder auch beide in Teilform oder nicht festgelegt, oder auf wieviele Weisen sonst noch es geht, die Eingangssätze umzustellen: es wird immer mittels derselben Begriffe der Nachweis erfolgen. Offenkundig ist nun also: Werden beide Eingangssätze unter »kann sein« gestellt, so erfolgt kein Schluß. Kapitel 18. Wenn der eine (Eingangssatz) ein (einfaches) Vorliegen, der andere ein »kann sein« besagt, und wenn der behauptende unter »vorliegen« gesetzt wird, der verneinende unter »kann sein«, gibt es in keinem Falle Schluß, einerlei ob die Begriffe (in ihrem Verhältnis zueinander) in Allform oder in Teilform genommen werden – Nachweis ist der gleiche und mit den gleichen Begriffen –; wenn dagegen der behauptende unter »kann sein« steht, der verneinende ein (tatsächliches) Vorliegen aussagt, gibt es Schluß. Es sei also angenommen: A komme keinem B zu, es könne aber sein, daß es jedem C zukommt. Kehrt man nun die Verneinung um, so wird B keinem A zukommen, A aber sollte jedem C zukommen können; dann erfolgt also Schluß in der ersten Form: Es kann sein, B kommt keinem C zu. Entsprechend auch, wenn die Verneinung zu C gesetzt wäre. Wenn dagegen beide (Eingangssätze) verneint sind und der eine ein Nicht-Vorliegen besagt, der andere ein »kann sein, daß nicht ...«, dann tritt aufgrund der Annahmen nichts notwendig ein; wird dagegen der Eingangssatz unter »kann sein« umgekehrt, erfolgt Schluß: Es kann sein, B kommt keinem C
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zu, wie in den früheren Fällen auch; es ist ja wieder die erste Schlußform. Wenn aber beide (Eingangsätze) behauptend gesetzt sind, gibt es keinen Schluß. Einsetzungsbegriffe für Zukommen: Gesundheit – Lebewesen – Mensch; für Nicht-Zukommen: Gesundheit – Pferd – Mensch. Auf die gleiche Weise wird es sich auch bei den Schlüssen mit Teilaussagen verhalten: Wenn die bejahende Aussage ein Vorliegen besagt, entweder in Allform oder in Teilform genommen, gibt es keinen Schluß – das läßt sich in gleicher Weise und mit denselben Begriffen nachweisen wie früher –; ist es dagegen die verneinende, so gibt es (Schluß) mittels Umkehrung, wie in den früheren Fällen. Und wieder, wenn beide Begriffsverhältnisse verneint genommen sind und der (Satz) in Allform ein einfaches Vorliegen besagt, dann tritt aus den Eingangssätzen selbst kein notwendiges Ergebnis ein; wird aber (der Satz mit) »kann sein« umgekehrt, dann gibt es Schluß, wie in den früheren Fällen auch. Wenn dagegen der verneinte Satz ein Vorliegen besagt und in Teilform genommen ist, gibt es keinen Schluß, einerlei ob der andere Eingangssatz behauptend oder verneinend ist. Auch wenn beide (Eingangssätze) unbestimmt genommen sind – entweder behauptend oder verneinend – oder in Teilform, (dann kein Schluß). Nachweis ist der gleiche und mit den gleichen Begriffen. Kapitel 19. Wenn der eine der Eingangssätze »notwendig«, der andere »kann sein« besagt, dann wird es, wenn der verneinende Satz notwendig ist, Schluß geben, (u.z.) nicht nur: Kann sein, daß nicht vorliegt, sondern auch: Liegt (tatsächlich) nicht vor; ist es der behauptende Satz, so gibt es keinen. Es sei also gesetzt: A kommt notwendig keinem B zu, es kann aber sein, daß es jedem C zukommt. Wird der verneinte (Eingangssatz) umgekehrt, wird auch B keinem A zukommen; A aber sollte allen C zukommen können; so erfolgt also wieder der Schluß über die erste Form: Es kann sein, B kommt keinem C zu. Zugleich ist aber klar: B wird auch tatsächlich keinem C zukommen. Es sei gesetzt, es kommt ihm zu; folg-
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lich, wenn A keinem B zukommen kann, B aber einigen C zukommt, dann kann es sein, A kommt einigen C nicht zu. Aber es war doch vorausgesetzt: Es sollte allen zukommen können. Auf die gleiche Weise wird Nachweis geführt auch für den Fall, daß die Verneinung zu C gesetzt wäre. Erneut, es sei der behauptende Satz notwendig, der andere möglich: Es soll sein können, A kommt keinem B zu, dagegen soll es jedem C mit Notwendigkeit zukommen. Haben die Begriffe dies Verhältnis, so ergibt sich kein Schluß. Es tritt ja ein, daß B dem C aus Notwendigkeit nicht zukommt. Es sei also A »weiß«, B »Mensch«, C »Schwan«; »weiß« liegt also an »Schwan« aus Notwendigkeit vor, bei »Mensch« kann es sein, daß es an keinem vorkommt; und »Mensch« liegt notwendig an keinem Schwan vor. Daß also hier kein Schluß auf »kann sein« erfolgt, ist offenkundig; »notwendig« war ja etwas anderes als »kann sein«. Aber doch auch nicht auf »notwendig«: Notwendigkeit trat doch nur ein entweder bei beiden (Eingangssätzen) als notwendig, oder wenn es der verneinte war. Darüberhinaus geht es ja auch bei dieser Setzung, daß B dem C zukommt; es hindert ja nichts (die Annahme), daß C unter B steht, A aber allen B zukommen kann und dem C aus Notwendigkeit zukommt, z. B. wenn C »wach« wäre, B »Lebewesen«, A »Bewegung«: Bei »wach« liegt mit Notwendigkeit Bewegung vor – sie kann es bei allen Lebewesen –, und: Alles, was wach ist, ist Lebewesen. Offenkundig also, daß auch kein Schluß auf Nicht-Vorliegen geht, wenn doch, bei diesem Verhältnis, Notwendig-Vorliegen eintritt. Also auch keiner auf die entgegengesetzten Behauptungen; somit gibt es also gar keinen Schluß. Entsprechend wird auch Nachweis geführt für den Fall, daß der behauptende (Eingangssatz) andersherum gestellt wird. Wenn die Eingangssätze die gleiche Form haben, dann wird es, wenn sie verneint sind, immer Schluß geben, nachdem der unter »kann sein« stehende Eingangssatz umgekehrt worden ist, wie in den früheren Fällen. Es sei also angenommen: A kommt dem B mit Notwendigkeit nicht zu, bei C kann es sein, daß es ihm nicht zukommt. Werden nun die Eingangssätze umgekehrt, so kommt B kei-
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nem A zu, A kann jedem C zukommen; es entsteht also die erste Schlußform. Und wenn die Verneinung zu C gesetzt wäre, genauso. Wenn sie dagegen behauptend gesetzt sind, gibt es keinen Schluß: daß er auf »nicht vorliegen« oder auf »aus Notwendigkeit nicht vorliegen« nicht gehen kann, ist offenkundig aufgrund der Tatsache, daß der verneinende Eingangssatz nicht so genommen ist, weder mit »vorliegen« noch mit »notwendig vorliegen«; aber auch auf »kann sein, daß nicht vorliegt« nicht: bei diesen Verhältnissen wird B dem C mit Notwendigkeit nicht zukommen, z. B., wenn A gesetzt ist als »weiß«, B »Schwan«, C »Mensch«. Auch kein (Schluß geht) auf die entgegengesetzten Behauptungen; ist doch nachgewiesen: B kommt dem C mit Notwendigkeit nicht zu. Es erfolgt also überhaupt kein Schluß. Entsprechend wird es sich auch bei den Schlüssen in Teilform verhalten: Wenn der verneinte Satz eine Allaussage ist und notwendig, wird es immer Schluß geben sowohl auf »kann sein« wie auf »liegt nicht vor« – Nachweis erfolgt durch Umkehrung –; ist es dagegen der behauptende Satz, dann nie; auf gleiche Weise wird sich der Nachweis führen lassen wie bei den Allaussagen und mittels der gleichen Begriffe. Auch wenn beide (Eingangssätze) behauptend genommen sind, (erfolgt) kein (Schluß); auch dafür ist es der gleiche Nachweis wie früher. Wenn aber beide verneint sind und der Satz, der das Nicht-Vorliegen besagt eine Allaussage ist und notwendig, dann tritt zwar aufgrund der Annahmen selbst keine (Schluß)-Notwendigkeit ein; wenn aber der Eingangssatz mit »kann sein« umgekehrt wird, gibt es Schluß, wie in den früheren Fällen. Wenn (schließlich) beide (Eingangssätze) nicht festgelegt oder in Teilform gesetzt sind, erfolgt kein Schluß; Nachweis ist der gleiche und mit den gleichen Begriffen. Offenkundig ist also aus dem Vorgetragenen: Wird der in Allform verneinende Satz als notwendig gesetzt, ergibt sich immer Schluß, nicht nur auf »kann sein, daß nicht vorliegt«, sondern auch auf »liegt nicht vor«; ist es dagegen der behaup-
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tende, so niemals. Und, wenn die Begriffsverhältnisse die gleichen sind, je in den Sätzen mit »notwendig« und denen, die ein einfaches Vorliegen besagen, so erfolgt (hier wie dort) Schluß und erfolgt auch nicht. Klar ist auch: Alle die Schlüsse sind unvollkommen; sie werden zum Ziel gebracht durch die vorgenannten Schlußformen. Kapitel 20. In der letzten Form erfolgt Schluß, sowohl wenn beide (Eingangssätze) unter »kann sein« stehen, wie auch wenn es nur einer davon ist. Wenn also die Eingangssätze ein »kann sein« besagen, wird auch der Schlußsatz unter »möglich« stehen; auch, wenn der eine (Eingangssatz) ein »kann sein« besagt, der andere ein »(tatsächlich) vorliegen«. Wird dagegen der eine als »notwendig« gesetzt, dann für den Fall, daß es ein behauptender ist, gibt es keinen Schluß, weder auf »notwendig« noch auf »liegt (einfach) vor«; ist er dagegen verneint, gibt es Schluß auf »nicht vorliegen«, wie in den früheren Fällen auch. Man muß auch in diesem Falle das »kann sein« in den Schlußsätzen entsprechend (wie früher angegeben) nehmen. Es seien also zuerst (die Eingangssätze) möglich: Es soll sein können, A und B kommen jedem C zu. Da nun die Behauptung eine Umkehrung in Teilform zuläßt, B allen C zukommen können soll, wird also auch C einigen B zukommen können; also, wenn A allen C (zukommen) kann und C einigen B, ergibt sich notwendig: Es kann auch für A sein, daß es einigen B zukommt. Es tritt ja die erste Schlußform ein. Und, wenn es sein kann, A kommt keinem C zu, B aber allen C, ergibt sich notwendig: Es kann sein, A kommt einigen B nicht zu. Das wird ja wieder die erste Schlußform sein, mittels Umkehrung. Sollten dagegen beide (Eingangssätze) verneint gesetzt sein, dann wird sich aus den Annahmen selbst kein Schluß mit Notwendigkeit ergeben; hat man aber die Eingangssätze umgekehrt, gibt es Schluß, wie in den früheren Fällen auch: Wenn es sein kann, A und B kommen dem C nicht zu, wenn man dann das »zukommen können« umwendet, so tritt mittels dieser Umkehrung wieder die erste Schlußform auf.
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Wenn aber der eine der Begriffe in einer Allaussage steht, der andere in einer Teilaussage, und wenn die Begriffe die gleichen Verhältnisse haben wie bei »(einfach) vorliegen« auch, (dann ist es hier wie dort): Es gibt, je nachdem, Schluß oder nicht. Es soll also sein können, A kommt allen C, B einigen C zu; dann tritt also wieder die erste Schlußform auf, wenn der Eingangssatz in Teilform umgekehrt ist: Wenn es sein kann, A kommt allen C zu, C aber einigen B, dann kann es auch sein, A kommt einigen B zu. Und wenn die Allaussage zu BC gesetzt ist, dann genauso. Entsprechend auch, wenn AC verneint wäre, BC behauptet: über Umkehrung wird wieder die erste Schlußform eintreten. Wenn dagegen beide (Eingangssätze) verneint gesetzt sein sollten, der eine in All-, der andere in Teilform, dann ergibt sich aufgrund der Annahmen selbst kein Schluß; sind sie dagegen umgekehrt, gibt es ihn, wie in den früheren Fällen. Wenn schließlich beide nicht festgelegt oder in Teilform genommen sind, erfolgt kein Schluß: hier tritt notwendig ein, A kommt allen B zu und keinem. Einsetzungsbegriffe für Zukommen: Lebewesen – Mensch – weiß; für Nicht-Zukommen: Pferd – Mensch – weiß; Mittelbegriff ist »weiß«. Kapitel 21. Wenn der eine Eingangssatz ein (einfaches) »vorliegen«, der andere ein »kann sein« besagt, wird der Schlußsatz gehen auf »kann sein«, und nicht auf »liegt vor«; Schluß wird sich dann ergeben, wenn die Begriffe in den gleichen Verhältnissen stehen wie in den früheren Fällen. Sie seien also, erstens, behauptet: A liege an allen C vor, von B soll es sein können, daß es an allen (C) vorliegt; wird nun die Aussage BC umgekehrt, entsteht die erste Schlußform, und der Schlußsatz ist: Es kann sein, A kommt einigen B zu. In dem Falle, daß doch der eine der Eingangssätze in der ersten Schlußform ein »kann sein« besagte, war auch der Schlußsatz (bloß) möglich. Entsprechend aber auch, wenn BC das »(einfach) vorliegen«, AC das »sein können« (besagt); und wenn AC verneint, BC behauptet (ist), einerlei welches von beiden nun das einfache Vorliegen (besagte), in beiden Fällen wird der Schlußsatz unter »möglich« stehen. Es tritt ja wieder die
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erste Schlußform auf, und es ist nachgewiesen: Besagt der eine Eingangssatz ein (bloßes) »sein können«, so ist in ihr auch der Schlußsatz (nur) »möglich«. Wenn dagegen die Verneinung zum kleineren Eckbegriff gestellt wäre, oder auch wenn beide verneint genommen wären, erfolgt aufgrund der Aufstellungen selbst kein Schluß; kehrt man sie dagegen um, gibt es ihn, wie in den früheren Fällen auch. Wenn dagegen der eine der Eingangssätze in Allform, der andere in Teilform (steht), dann wird es für den Fall, daß beide behauptend sind, oder wenn der in der Allform verneinend, der in der Teilform behauptend (ist), die gleiche Weise mit den Schlüssen sein: Alle werden über die erste Schlußform zum Ziel gebracht; somit ist offenkundig: Der Schluß geht auf »kann sein«, und nicht auf »liegt vor«. Wenn dagegen der behauptende (Eingangssatz) in Allform, der verneinende in Teilform (steht), erfolgt der Nachweis durch (Rückführung auf) das Unmögliche (des Gegenteils): Es komme also B allen C zu, von A aber soll es sein können, es kommt einigen C nicht zu; notwendig dann also: Es kann sein, daß A einigen B nicht zukommt; falls nämlich A allen B notwendig zukommt, von B aber ist gesetzt, es liegt an allen C vor, dann wird A allen C mit Notwendigkeit zukommen, das ist früher nachgewiesen. Aber es war doch zugrundegelegt: Es sollte sein können, einigen (C) kommt es nicht zu. Wenn (schließlich) beide (Eingangssätze) nicht festgelegt oder in Teilform genommen sind, gibt es keinen Schluß. Nachweis ist der gleiche wie auch in den früheren Fällen und mittels der gleichen Begriffe. Kapitel 22. Wenn der eine der Eingangssätze unter »notwendig« steht, der andere unter »kann sein«, dann wird es, wenn die Begriffe behauptend verbunden sind, immer Schluß auf »kann sein« geben; wenn dagegen die eine Aussage behauptet, die andere verneint ist, (dann geht der Schluß), wenn die Behauptung unter »notwendig« steht, auf »kann sein, daß nicht vorliegt«; ist es die Verneinung, (dann geht der Schluß) sowohl auf »kann sein« wie auf »liegt (tatsächlich) nicht vor«. Auf »liegt aus Notwendigkeit nicht vor«
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erfolgt kein Schluß, wie ja auch in den anderen Schlußformen nicht. Es seien also zuerst die Begriffe (als einander zukommend) behauptet: A soll allen C mit Notwendigkeit zukommen, von B soll sein können, es liegt an allen (C) vor; da nun A allen C mit Notwendigkeit (zukommt), es bei C aber sein kann, daß es einigen B (zukommt), so kann es auch (nur) sein, A kommt einigen B zu, und es liegt nicht (ohne Zusatz) vor; so fiel das ja bei der ersten Schlußform zusammen. Entsprechend wird auch Nachweis geführt, wenn BC als notwendig gesetzt wäre, AC als nur möglich. Erneut, es sei die eine Aussage behauptend, die andere verneinend, die behauptende notwendig: Es soll sein können, A kommt keinem C zu, B dagegen komme allen (C) mit Notwendigkeit zu. Dann gibt es also wieder die erste Schlußform: auch der verneinte Eingangssatz besagt ja ein »sein können«; offenkundig ist somit, der Schlußsatz geht auf »kann sein«: als ja die Eingangssätze in der ersten Schlußform dies Verhältnis hatten, ging der Schlußsatz auch auf »kann sein«. Wenn aber der verneinte Eingangssatz notwendig ist, wird der Schlußsatz gehen sowohl auf »kann sein, einigen kommt es nicht zu« wie auch auf »kommt nicht zu«. Es sei also gesetzt: A kommt C aus Notwendigkeit nicht zu, von B dagegen kann es sein, daß es allen (C) zukommt; nachdem man den behauptenden Satz BC umgekehrt hat, tritt die erste Schlußform ein, und der verneinte Eingangssatz ist dabei »notwendig«; als nun die Eingangssätze dies Verhältnis hatten, ergab sich sowohl: Es konnte sein, daß A einigen C nicht zukommt, wie auch: Es kam ihnen wirklich nicht zu; also ist auch zwingend: A kommt einigen B nicht zu. Für den Fall, daß die Verneinung zum kleineren Eckbegriff gesetzt ist, wird es, wenn sie unter »kann sein« steht, Schluß geben, nachdem der Eingangssatz gewendet ist, wie in den früheren Fällen; steht sie unter »notwendig«, gibt es keinen: Dann kommt es sowohl allen mit Notwendigkeit zu, und es kann auch sein, daß es keinem zukommt. Einsetzungsbegriffe für
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Allem-Zukommen: Schlaf – schlafendes Pferd – Mensch; für Keinem(-Zukommen): Schlaf – Pferd, das wach ist – Mensch. Entsprechend wird es sich auch verhalten, wenn der eine der Begriffe im Verhältnis zum Mittelbegriff in Allform, der andere in Teilform (ausgesagt wird): Sind beide behauptend, erfolgt Schluß auf »kann sein«, nicht auf »liegt vor«; (ebenso) auch, wenn das eine Verhältnis verneint genommen ist, das andere behauptet, das behauptete notwendig. Wenn dagegen das verneinte (als) notwendig (genommen ist), wird auch der Schlußsatz auf »liegt nicht vor« gehen; es wird ja dasselbe Nachweisverfahren sein, sowohl wenn die Begriffe in Allaussagen verbunden sind, wie auch wenn sie nicht in Allform stehen. Es ist nämlich notwendig, daß die Schlüsse mittels der ersten Form zum Ende gebracht werden, sodaß wie in jenen (früheren Fällen) auch hier bei diesen die zwingende Schlußnotwendigkeit eintritt. Wenn dagegen die Verneinung, in Allform genommen, zum kleineren Eckbegriff gesetzt ist, dann wird es, wenn sie unter »kann sein« steht, Schluß mittels Umkehrung geben; steht sie aber unter »notwendig«, gibt es keinen. Das läßt sich auf die gleiche Art nachweisen wie auch bei den Aussagen in Allform und mit den gleichen Begriffen. Offenkundig ist nun also auch bei dieser Schlußform, wann und wie Schluß erfolgt, wann er auf »kann sein« geht, wann auf »(tatsächlich) vorliegen«. Klar ist auch, sie sind alle unvollkommen, und sie werden über die erste Schlußform zur Vollendung gebracht. – Kapitel 23. Daß nun also die Schlußverhältnisse in diesen Formen, erstens, vollendet werden durch die als Allaussagen auftretenden Schlüsse in der ersten Form, zweitens, auf diese zurückgeführt werden, ist nach dem Vorgetragenen klar. Daß (darüberhinaus) einschränkungslos jeder Schluß sich so verhält, wird nun klarwerden, indem nachgewiesen werden soll: Jeder erfolgt durch eine dieser Formen. Notwendig (gilt) also (folgendes): Jeder Beweis und jeder Schluß zeigt entweder ein Vorliegen oder ein Nicht-Vorliegen von etwas auf, und das entweder in Allform oder in Teilform,
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und schließlich entweder zeigt er es unmittelbar auf oder aufgrund einer Voraussetzung; ein Teilstück dieses »aufgrund von Voraussetzung« ist (Nachweis) aufgrund von Unmöglichkeit. Erstens wollen wir nun also sprechen über die unmittelbar nachweisenden (Schlüsse). Ist es bei denen aufgezeigt, so wird es offenkundig sein auch bei denen, die auf Unmöglichkeit (zurückführen) und überhaupt bei denen aufgrund von Voraussetzung. Wenn denn also (folgendes) sein soll: Im Verhältnis von A zu B einen Schluß zu ziehen, es komme ihm entweder zu oder nicht zu, dann muß man notwendig etwas von etwas angenommen haben. Wenn also A von B angenommen wäre, hat man sich ja gleich die Ausgangsfrage schlicht genommen. Wenn man dagegen (A) von C (annimmt), C dann weiter von nichts und auch nichts anderes von ihm und auch nichts anderes von A, dann gibt es kein Schlußverhältnis: Dadurch, daß man eines von einem angenommen hat, tritt nichts mit Notwendigkeit ein. Also muß man noch einen zweiten Vorspann mit hinzunehmen. Wenn man nun also A von etwas anderem angenommen hat oder etwas anderes von A oder etwas anderes von C, dann hindert zwar nichts, daß ein Schlußverhältnis zustandekommt, allerdings wird dieses aufgrund des Angenommenen nicht in eine Beziehung zu B kommen. Auch wenn C einem anderen (zukommen soll), dieses wieder einem anderen, das erneut einem anderen, sich dabei aber keine Verknüpfung zu B herstellt –: auch so wird sich kein Schluß auf B ergeben. Sagen wir es ganz allgemein: Es wird nie jemals Schluß erfolgen vom einen aufs andere, wenn nicht etwas Vermittelndes angenommen wird, welches zu jedem der beiden in irgendein Verhältnis von Grundaussagen gesetzt werden kann. Der Schluß ganz allgemein erfolgt von vorgelegten Eingangssätzen aus; der Schluß auf dies bestimmte (Ergebnis) dann von Eingangssätzen auf dieses hin aus, und der von dem auf dies hin über Eingangssätze dessen im Verhältnis zu dem. Es ist aber unmöglich, auf B hin einen Eingangssatz in die Hand zu bekommen, wenn man nichts, weder in behauptender noch in verneinender Form, von ihm aussagt, oder anders gewendet, (es geht nichts)
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von A auf B hin, wenn man nichts ihnen Gemeinsames ergreift, sondern von jedem irgendwelche ihm eigenen, behauptenden oder leugnenden, Aussagen macht. Also, es ist etwas in der Mitte zwischen beiden anzunehmen, welches die Aussagen verknüpft, wenn denn Schluß von dem auf das gehen können soll. Wenn es nun notwendig ist, etwas Bestimmtes zu erfassen, das zu beiden hin Gemeinsamkeit hat, und das nun dreifach sein kann: Entweder indem man A von C und C von B aussagt, oder C von beiden, oder beide von C, und da genau das die genannten Schlußformen sind, so ist offenkundig: Jeder Schluß muß notwendig durch eine dieser Formen gehen. Es ist ja dieselbe Erklärung, auch wenn (A) über mehrere (Verbindungsglieder) an B anknüpfte: es wird ja auch über viele Stufen die gleiche Form sich ergeben. Daß nun also die unmittelbar nachweisenden (Schlüsse) durch die vorher aufgeführten Formen erfolgen, ist einsichtig. Daß es aber auch die aufs Unmögliche führenden tun, wird klar aus folgendem: Alle (Schlüsse), die ihr Ziel durch Rückführung (von etwas) auf Unmöglichkeit erreichen, erschließen das eine als falsch, damit weisen sie die Anfangsannahme aufgrund von Voraussetzung (als richtig) nach, wenn nämlich etwas Unmögliches folgt, nachdem man den Widerspruch zu ihr gesetzt hat, z. B.: (Der Satz) »der Durchmesser ist nicht mit vereinbaren Maßen zu messen« (wird als richtig nachgewiesen dadurch), daß, nachdem man ihn als meßbar gesetzt hat, herauskommt: Ungerade (Zahlen) werden geraden gleich. Dabei wird (der Satz) »ungerade Zahlen werden geraden gleich« erschlossen, den anderen, »der Durchmesser hat kein vereinbares Maß«, weist man aufgrund der Voraussetzung nach, daß ja aufgrund seines Widerspruchs etwas Falsches folgte. Das eben war doch »Schließen durch Unmöglichkeit«, zu zeigen, daß aufgrund der anfänglichen Voraussetzung etwas Unmögliches folgt. Also, da in den Fällen von Rückführung auf Unmöglichkeit ein nachweisender Schluß auf Falsches erfolgt, und damit wird die Ausgangsbehauptung aufgrund von Voraussetzung nachgewiesen, da wir nun schon früher gesagt haben, daß die
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nachweisenden Schlüsse genau durch diese Formen erfolgen, so ist offenkundig: Auch die Schlüsse aufgrund des Unmöglichen werden durch diese Formen gehen. Entsprechend auch alle anderen (Schlußarten) aufgrund von Voraussetzung: In allen denen erfolgt ja der Schluß auf das, was da umgesetzt ist, die Anfangsannahme wird erreicht durch Verabredung oder irgendeine andere Voraussetzung. Wenn das aber wahr ist, so muß notwendig jeder Beweis und jeder Schluß durch die drei zuvor bezeichneten Formen gehen. Nachdem das nachgewiesen ist, ist klar: Erstens, jeder Schluß wird durch die erste Schlußform vollendet, zweitens, er wird auf die Schlüsse in Allform innerhalb dieser zurückgeführt. Kapitel 24. Darüberhinaus muß, erstens, in jedem (Schluß) einer der Begriffe behauptet sein, zweitens muß eine Allaussage vorliegen: ohne Allaussage gibt es entweder keinen Schluß oder keinen auf den gesetzten Sachverhalt, oder es wird die Ausgangsbehauptung nur herbeigefordert. – Es sei also gesetzt: Lust in Form von Kunstgenuß ist edel. Wenn daraufhin einer (Zustimmung) einforderte für (den Satz) »Lust ist edel« und hat nicht dazugesetzt »jede«, so gibt es keinen Schluß; läßt er es »irgendeine« Lust sein, (dann tritt ein): Ist es eine andere, so trägt das nichts aus für die gesetzte Behauptung; soll es genau diese sein, so nimmt er sich die Ausgangsbehauptung. Das wird klarer bei den Zeichnungen, z. B. (der Satz): Beim gleichschenkligen (Dreieck) sind die (Winkel) an der Grundstrecke gleich. Es seien also die (Strecken) A, B zum Mittelpunkt geführt; wenn nun einer sich nehmen wollte: Winkel AC ist gleich (Winkel) BD, und hat nicht allgemein gefordert: Halbkreiswinkel sind gleich, oder andersherum, (Winkel) C gleich D, und nimmt nicht jeden (Winkel), der bei Schnitt entsteht, hinzu, oder nochmal, wenn von den Gesamtwinkeln, die gleich sind, je die gleichen abgezogen werden, dann sind auch die Restwinkel, E, F, gleich, der fordert also die Ausgangsbehauptung herbei, wenn er nicht die (allgemeine) Annahme macht: Wenn Gleiches von Gleichem abgezogen wird, bleibt Gleiches übrig.
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Offenkundig nun also: In jedem (Schluß) muß eine Allaussage vorliegen; und: Ein allgemeiner Sachverhalt läßt sich (nur) nachweisen, wenn alle Begriffe in Allaussagen verbunden sind, ein Teilsachverhalt dagegen sowohl so wie auch auf jene andere Weise. Also: Ist der Schlußsatz eine Allaussage, müssen notwendig auch die Begriffe in Allform verbunden sein; wenn andererseits die Begriffe in Allaussagen stehen, kann es sein, daß der Schlußsatz nicht allgemein ist. Klar ist auch: In jedem Schluß müssen entweder beide Eingangssätze oder einer davon dem Schlußsatz ähnlich (gesetzt) werden. Damit will ich sagen: Nicht nur indem sie behauptend sind oder verneinend, sondern auch, was »notwendig« betrifft oder »liegt (einfach) vor« oder »kann sein ...«. Man muß aber auch die anderen Aussageformen in Betracht ziehen. Klar ist nun auch ohne alle Einschränkung, wann Schluß gehen kann, wann nicht, wann er möglich ist, wann vollendet, und daß, wenn Schluß vorliegt, die Begriffe notwendig in einer der vorgetragenen Weisen von Verhältnis zueinander stehen müssen. Kapitel 25. Klar ist auch: Jeder Beweis erfolgt mittels dreier Begriffe, mehr (brauchen es) nicht (zu sein), wenn nicht mittels anderer und wieder anderer (Begriffe) ein und derselbe Schlußsatz erreicht werden soll, z. B. (Schlußsatz) E über AB und über CD, oder über AB und ACD: es hindert ja nichts, daß es für dieselben (Sachverhalte im Ergebnis) eine Mehrzahl von Vermittlungsbegriffen geben kann. Gibt es die, so ist es nicht ein, sondern es sind mehrere Schlüsse, die erfolgen. Oder wieder, wenn ein jeder der beiden (Eingangssätze) A,B durch Schluß erhalten worden ist – etwa A über DE und wieder B über FH –, oder der eine mittels Heranführung, der andere durch Schluß: aber auch so ist das eine Mehrzahl von Schlüssen, es ist ja eine Mehrzahl von Schluß-Ergebnissen, etwa A, B und C. Sind es aber nun nicht mehrere, sondern einer, so kann es so sein, daß ein und derselbe Schlußsatz über eine größere Anzahl (von Begriffen als nötig) erreicht wird, dagegen, so wie C über AB (erreicht wird), ist das unmöglich: Es sei also E
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als Schlußergebnis erreicht von A, B, C, D aus; es muß folglich einer unter diesen (Begriffen) ins Verhältnis zu einem anderen genommen sein, der eine als Ganzes, der andere als Teil; das ist ja früher nachgewiesen: Wenn Schluß sein soll, müssen einige der Begriffe sich so verhalten. Es stehe also A in diesem Verhältnis zu B; dann wird es also von ihnen aus irgendein Schlußergebnis geben: Also entweder E, oder von C, D das eine oder andere, oder noch sonst etwas neben alledem. Wenn es also E ist, dann wäre der Schluß allein aus A, B (gezogen). Wenn dagegen C, D sich so zu einander verhalten, daß das eine als Ganzes, das andere als Teil (auftritt), dann wird auch aus diesem sich etwas ergeben, entweder E oder von A, B das eine oder andere, oder sonst noch etwas neben dem; und wenn es E ist oder eines von A, B, dann wird es entweder eine Mehrzahl von Schlüssen sein, oder – wie es ja auch sein konnte – es ergibt sich, daß eines und dasselbe (Ergebnis) über eine Mehrzahl von (Vermittlungs-)Begriffen erreicht wird; ist es dagegen noch etwas anderes außer dem, so wird es eine Mehrzahl von Schlüssen sein, und die sind auch noch unverbunden zu einander. Wenn schließlich C zu D in einem solchen Verhältnis stünde, daß dies keinen Schluß hervorbrächte, dann wären die gemachten Annahmen zwecklos, außer etwa vielleicht zum Zwecke der Heranführung oder des Verbergens (von etwas, das man in Wirklichkeit verfolgt), oder um etwas anderen derartigen willen. Wenn aber aus A, B nicht E, sondern irgendein anderes Schlußergebnis folgt, aus C, D entweder das eine oder das andere davon, oder noch etwas anderes außer dem, dann ist es erstens eine Mehrzahl von Schlüssen, die erfolgt, zweitens gehen sie nicht auf das, was zugrundegelegt war: es war doch zugrundegelegt, der Schluß sollte auf E erfolgen. Wenn (schließlich) aus CD gar kein Schlußergebnis folgt, dann tritt sowohl ein, daß die Annahmen sinnlos gemacht sind, wie auch, daß der Schluß nicht auf die Ausgangsaufgabe geht. Somit ist also einleuchtend: Jeder Beweis und jeder Schluß erfolgt allein durch drei Begriffe.
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Ist das offenkundig, so ist auch klar: (Schluß erfolgt) von zwei – und nicht mehr – Eingangssätzen aus: Die drei Begriffe (bilden) zwei Eingangssätze, – wenn nicht etwa zusätzliche Annahmen gemacht werden, wie in den Ausführungen zu Anfang gesagt, im Hinblick auf die Vervollkommnung der Schlüsse. Offenkundig ist dann also: Eine schließende Rede, in welcher die Anzahl der Eingangssätze nicht gerade ist, durch die das hauptsächliche Schlußergebnis zustandekommt – einige der weiter oben gewonnenen Schlußergebnisse müssen (weiter unten wieder) Eingangssätze sein –, eine solche Rede ist also entweder nicht schlüssig, oder sie hat mehr Fragen gestellt als im Hinblick auf die Aufgabenstellung notwendig. Nimmt man die Schlüsse nach ihren hauptsächlichen Eingangssätzen, (so ergibt sich): Jeder Schluß erfolgt aus einer geraden Anzahl von Sätzen, einer ungeraden von Begriffen: die Begriffe sind immer genau einer mehr als die Sätze. Es sind dann auch genau halb so viele Schlußsätze wie Vordersätze. Wenn aber (der Schluß) durch vorausgegangene Schlüsse vollendet wird oder über eine Mehrzahl zusammenhängender Mittelglieder, z. B. AB durch C, D, dann wird die Anzahl der Begriffe ebenso die (der) Sätze um eins übertreffen – der dazwischenfallende Begriff wird ja entweder nach außen zu oder zur Mitte hin gesetzt: in beiden Fällen tritt es ein, daß die Anzahl der Verhältnisse unter ihnen um eins kleiner ist als die der Begriffe –, die Eingangssätze aber sind gleichviele wie die Verhältnisse. Allerdings werden nicht immer die einen von gerader, die anderen von ungerader Anzahl sein, sondern wechselweise: Bilden die Eingangssätze eine gerade, so die Begriffe eine ungerade Anzahl, (und umgekehrt), sind die Begriffe gerade, so die Eingangssätze ungerade; es wird ja doch zugleich mit dem Begriff auch ein Eingangssatz hinzugesetzt, einerlei auf welcher Seite der Begriff hinzugesetzt wird; also, da die einen eine gerade, die anderen eine ungerade Anzahl hatten, so muß sich das umkehren, wenn auf jeder Seite der gleiche Zusatz erfolgt. Die Schlußsätze werden dann nicht mehr das gleiche Verhältnis haben, weder zur Zahl der Begriffe noch zu der der Eingangssätze: Wird ja ein Begriff hinzugesetzt,
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so werden Schlußsätze hinzugefügt, an Zahl um eins geringer als die vorher schon vorhanden gewesenen Begriffe, denn (der hinzugesetzte Begriff) macht allein im Verhältnis zum letzten keinen Schlußsatz, wohl aber gegenüber allen anderen, z. B.: Wenn das D zu A, B, C hinzugesetzt ist, sind zugleich auch zwei Schlußsätze hinzugesetzt, der im Verhältnis zu A und der zu B; entsprechend auch bei weiteren; und wenn er aber in die Mitte fiele, dann genauso: Im Verhältnis zu einem (anderen Begriff) allein wird er keinen Schluß bilden. Also, es werden sehr viel mehr an Schlußsätzen sein als Begriffe und Eingangssätze. Kapitel 26. Da wir nun darüber verfügen, auf was für Gegenstände die Schlüsse gehen, was da in jeder Schlußform vor sich geht und auf wieviele Weisen es sich aufzeigen läßt, so ist uns auch klar, was für eine Aufgabenstellung schwierig ist und an welche man leicht herankann: Etwas, das in einer Mehrzahl von Formen und über eine Mehrzahl von Abwandlungen durchzuführen ist, ist leichter, das in weniger Formen und über weniger Abwandlungen ist schwerer zu behandeln. Die in Allform behauptend (zu lösende Aufgabe) wird allein durch die erste Schlußform aufgezeigt, und durch sie nur auf eine Weise; die (in Allform) verneinende sowohl durch die erste wie durch die mittlere, durch die erste nur auf einem Weg, durch die mittlere zweifach; die Behauptung in Teilform (geht) durch die erste und durch die letzte, auf einem Weg durch die erste, auf dreien durch die letzte; die Verneinung in Teilform läßt sich in allen Schlußformen beweisen, nur, in der ersten einfach, in der mittleren zweifach, in der letzten dreifach. – Offenkundig nun also: Die Behauptung in Allform ist am schwierigsten zu errichten, am leichtesten einzureißen. Überhaupt ist für einen, der einreißen will, die Allgemeinbehauptung ein leichterer Gegenstand als eine Teilbehauptung: Sie ist ja sowohl aufgehoben, wenn (etwas) keinem, wie auch schon, wenn es einem nicht zukommt; davon wird das »einem nicht ...« in allen Schlußformen nachgewiesen, das »keinem ...« in zweien.
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Auf gleiche Weise auch bei den verneinenden (Aussagen): Sowohl wenn (etwas) allen, wie auch wenn es nur einem (zukommt), so ist die Ausgangsbehauptung eingerissen; dieses aber ging in zwei Formen. Bei den Teilaussagen (geht es) nur auf eine Weise, indem man (je nachdem) nachweist: Es liegt an allen vor oder an keinem. Für einen, der eine Behauptung errichten will, sind Teilaussagen leichter: Sie gehen in mehr Schlußformen und durch mehr Abwandlungsweisen. Und überhaupt muß (folgendes) klar sein: Einreißen geht wechselseitig, sowohl Allaussagen durch Teilaussagen wie (umgekehrt) diese durch Allaussagen; beim Errichten (gilt diese Entsprechung nicht): Allaussagen nicht durch Teilaussagen, wohl aber (umgekehrt) diese durch jene, das geht. Zugleich ist dann auch klar: Einreißen ist leichter als Errichten. Wie nun also ein jeder Schluß zustandekommt, durch wieviele Begriffe und Eingangssätze, und wie die sich zueinander verhalten müssen, darüberhinaus, welche Aufgabenstellung in einer jeden Schlußform, welche in einer Mehrzahl, welche in weniger (Formen) aufgezeigt wird: das ist aus dem Vorgetragenen klar. Kapitel 27. Wie wir nun selber auf eine je gestellte Aufgabe hin gut mit Schlüssen versorgt sind, auf was für einem Weg wir die Ausgangspunkte zu einem jeden ergreifen können, darüber ist nunmehr zu sprechen. Man muß ja wohl nicht nur die Herkunft der Schlüsse betrachten, sondern auch über die Fähigkeit verfügen, solche zu machen. Von allem also, was es da gibt, sind die einen Dinge von der Art, daß sie von nichts anderem wahrheitsgemäß in Allform ausgesagt werden können, z. B. »Kleon« und »Kallias« und (überhaupt) ein jedes Einzelne und sinnlich Wahrnehmbare; dagegen anderes (kann) von ihnen (ausgesagt werden): »Mensch« und »Lebewesen« sind sie ja beide. Anderes wird selber von anderem ausgesagt, von ihm aber wird anderes nicht zuvor ausgesagt; wieder anderes (wird) sowohl von an-
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derem, wie auch anderes von ihm (ausgesagt), z. B. »Mensch« von Kallias und von Mensch »Lebewesen«. Daß nun also einiges unter dem, was da ist, natürlicher Weise von nichts (anderem) ausgesagt wird, ist klar. Unter den sinnlich wahrnehmbaren (Dingen) ist ja so ziemlich ein jedes von der Art, von nichts (mehr) ausgesagt zu werden, außer etwa in nebenbei zutreffender Bedeutung: Wir sagen ja gelegentlich »dies Weiße da ist Sokrates« und »was da herankommt, ist Kallias«. Daß andererseits auch, wenn man in der Reihe aufsteigt, irgendwo ein Halt eintritt, werden wir später vortragen; jetzt sei dies vorausgesetzt. Daß von diesen (Bestimmungen) noch etwas anderes ausgesagt würde, läßt sich nicht beweisen, außer vielleicht auf bloße Meinung hin; dagegen sie von anderem; auch das Einzelne nicht von anderem, sondern anderes von den Einzeldingen. Was alles dazwischenliegt, davon ist klar, es kann damit auf beide Weisen gehen: Sowohl es selbst kann von anderem, wie anderes über dies ausgesagt werden. Und die Erklärungsreden und Untersuchungen beschäftigen sich so ziemlich allermeist genau damit. Man muß also die Eingangssätze, einen jeden Gegenstand betreffend, so herausholen: Man legt erstens (den Gegenstand) selbst zugrunde und die Bestimmungen seines Begriffs sowie alles, was es an Eigentümlichkeiten der Sache gibt; dann, nach diesem, alles, was der Sache folgt, und wieder alles, dem die Sache folgt, und alles, wovon es nicht sein kann, daß es ihr zukommt; die Bestimmungen dagegen, denen sie selbst nicht zukommen kann, braucht man nicht herauszuheben, weil die Verneinung Umkehr erlaubt. Man muß auch bei dem, was ihr folgt, auseinanderhalten, was alles in ihrem »was es ist« (vorkommt), was alles ihr eigentümlich ist und was alles als nebenbei zutreffend ausgesagt wird, und darunter wieder, was nur im Rahmen von Vermutungen und was in Wahrheit (von ihr ausgesagt wird). Je mehr einer reichen Vorrat davon, und von je mehr davon er ihn hat, umso schneller wird er an einen Schlußsatz geraten, und je stärkeren Wahrheitswert sie haben, desto stärkeren Beweis wird er führen können.
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Man darf aber nicht herauslesen, was dem oder dem folgt, sondern was dem ganzen Sachverhalt folgt, z. B. nicht: Was folgt diesem bestimmten Menschen, sondern: Was allem, was Mensch ist? Der Schluß geht ja über Eingangssätze in Allform. Legt man nun den Sachverhalt nicht fest, so bleibt unklar, ob der Eingangssatz eine Allaussage ist; hat man es fest umrissen, so ist das offenkundig. Entsprechend muß man auch solches auswählen, dem in seiner Ganzheit der Sachverhalt folgt, aus dem gleichen Grunde. Das, was folgt, darf aber nicht so genommen werden, als folgte es ganz, ich meine z. B., daß auf »Mensch« »jedes Lebewesen« und auf »Musenkunst« »jedes Sich-auf-etwas-Verstehen« folgte, sondern hier ist allein, ohne Zusatz, bloß »folgen« zu setzen, wie wir es auch in den Eingangssatz bringen; die andere Annahme wäre ja unbrauchbar und unmöglich, etwa: Jeder Mensch ist jedes Lebewesen, oder: Gerechtigkeit ist jedes Gute. Aber, dem es folgt, bei diesem wird das »allem« gesagt. Wenn dagegen die zugrundegelegte Sache, zu der man das greifen soll, was ihr folgt, von etwas (anderem) umfaßt wird, darf man in solchen Fällen nicht herauslesen, was dem Ganzen zusammen folgt oder nicht folgt – das ist darin ja schon angenommen: Alles, was »Lebewesen« folgt, folgt auch auf »Mensch«, und was daran nicht vorliegt, entsprechend –, stattdessen muß man das für ein jedes Eigentümliche nehmen. Es ist ja einiges besonders der Art eigentümlich, über die Gattung hinaus: die verschiedenen Arten müssen doch einige für sie eigenartige Merkmale haben, die an ihnen vorliegen. Man darf also auch nicht für den übergeordneten Begriff das aussuchen, welchem der (in ihm) umfaßte folgt, z. B. für »Lebewesen« solches, dem »Mensch« folgt: Wenn doch »Lebewesen« auf »Mensch« folgt, dann muß es doch auch alledem folgen, nur ist das alles näherstehend zur Auswahl von »Mensch«. Nehmen muß man auch, was allermeist folgt und welchem es folgt: Bei Aufgabenstellungen aus dem Bereich des »allermeist so« erfolgt auch der Schluß aus Allermeist-so-Sätzen, u. z. entweder sind das alle oder doch einige; der Schlußsatz
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ist bei einem jeden Sachverhalt den Ausgangsannahmen ähnlich. Schließlich noch, etwas, das auf alles folgt, soll man nicht auswählen; aus so etwas ergibt sich kein Schluß. Aus welchem Grunde das so ist, wird im folgenden klarwerden. Kapitel 28. Wenn man nun also eine Behauptung errichten will über irgendein Ganzes, so muß man auf seiten des zu Behauptenden hinsehen auf solche zugrundeliegenden Gegenstände, von denen es eben ausgesagt wird, auf seiten dessen, von dem es ausgesagt werden soll, (ist) auf alles das (zu achten), was diesem folgt: Wenn sich auf beiden Seiten eine gleiche Bestimmung findet, so muß notwendig das eine dem anderen zukommen. Wenn dagegen nicht gelten muß: »Es kommt allen ...«, sondern nur: »Es kommt einigen zu«, (dann muß man auf das sehen), welchem dies beides folgt: Findet sich darunter irgendeine Übereinstimmung, so muß das eine dem anderen in einigen Fällen zukommen. Wenn es dagegen keinem zukommen soll, dann (muß man) bei dem, dem es nicht zukommen soll, (sehen) auf das, was diesem folgt, auf seiten dessen, was nicht zukommen soll, auf das, was an ihm nicht vorkommen kann; oder umgekehrt, auf seiten dessen, an dem es nicht vorliegen soll, (ist zu sehen) auf das, was bei ihm nicht vorkommen kann, auf seiten dessen, was nicht vorliegen soll, auf das, was diesem folgt: Wenn diese Bestimmungen, einerlei welche unter ihnen, gleich sind, dann kann das eine dem anderen in keinem Falle zukommen; es erfolgt nämlich einmal Schluß in der ersten Form, das andere Mal in der mittleren. Wenn (schließlich) das eine in einigen Fällen (am anderen) nicht vorliegen soll, dann auf seiten dessen, dem es nicht zukommen soll, (Augenmerk auf das), dem dies folgt, auf seiten dessen, was nicht vorliegen soll, (Augenmerk auf das), was ihm unmöglich zukommen kann: Findet sich hier eine Übereinstimmung, so kommt (das eine dem anderen) notwendig in einigen Fällen nicht zu. Das Vorgetragene wird im einzelnen auf folgende Weise wohl noch mehr einleuchtend: Es sei also (angesetzt), was dem A folgt, sei B, das, dem es selbst folgt, sei C, das, was an ihm
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nicht vorliegen kann, sei D; und wieder, was dem E zukommt, sei F, das, dem es selbst folgt, sei G, was an ihm nicht vorliegen kann, sei H. Wenn jetzt also (1) irgendeins der C irgendeinem der F gleich ist, dann muß notwendig A jedem E zukommen; denn F (kommt) allen E (zu), A jedem C, somit also A jedem E. Wenn andererseits (2) C und G gleich sind, dann muß A einigen E zukommen; denn dem C folgt A, dem gesamten G das E. Wenn aber (3) F und D das gleiche sind, so wird A keinem E zukommen, infolge Vorausschlusses: Da nämlich die Verneinung Umkehrung zuläßt und F das gleiche ist wie D, wird A keinem F zukommen, aber F allen E. Erneut (4), wenn B und H das gleiche sind, wird A keinem E zukommen; denn das B wird dem gesamten A, dem E aber in keinem Falle zukommen; es war ja das gleiche wie H, H aber kam keinem E zu. Wenn aber (5) D und G das gleiche sind, so wird A einigen E nicht zukommen; dem G kommt es ja nicht zu, weil dem D auch nicht; das G steht aber unter E, also (A) wird einigen E nicht zukommen. Wenn aber (6) B mit G das gleiche ist, findet umgekehrter Schluß statt: E wird einigen A zukommen – denn B dem A, E dem B, das war ja dasselbe wie G –, A dagegen muß nicht allen E zukommen, wohl aber einigen, aufgrund der Umkehrung der Allaussage durch die Teilaussage. Einleuchtend ist nun also, daß man bei jeder Aufgabenstellung beiderseits auf die zuvor genannten (Gesichtspunkte) schauen muß; über sie erfolgen ja alle Schlüsse. Man muß aber auch bei dem, was da folgt, und bei dem, dem ein jedes je folgt, auf die ersten und allgemeinsten (Bestimmungen) schauen, z. B. für E mehr auf K, F als bloß auf F allein und für A (mehr) auf K, C als auf C allein; wenn nämlich A dem KF zukommt, kommt es auch dem F und dem E zu; wenn es aber dem nicht folgt, so ist für es immer noch möglich, dem F zu folgen. Entsprechend ist auch auf das das Augenmerk zu richten, dem es selbst folgt: wenn es nämlich den ersten (Bestimmungen in der Reihe) folgt, dann auch den unter ihnen stehenden, wenn aber diesen (ersteren) nicht, so kann es doch den unter diesen stehenden (folgen).
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Klar ist auch, daß diese Untersuchung durch die drei Begriffe und die zwei Eingangssätze geht und daß alle Schlüsse über die zuvor genannten Formen laufen. Es wird ja nachgewiesen, A liegt an allen E vor, wenn von den C und F eines erfaßt wird, das dasselbe ist; das wird dann zum Mittelbegriff, A und E stehen außen; es tritt somit die erste Schlußform auf. Daß (A) an einigen (E vorliegt, wird bewiesen), wenn C und G als dasselbe genommen werden; das ist dann die letzte Schlußform; Mittelbegriff wird G. (Daß es) an keinem (vorliegt, wird bewiesen), wenn D und F gleich sind; so tritt sowohl die erste Form auf wie die mittlere, die erste, weil A keinem F zukommt, wenn doch die Verneinung sich umkehren läßt, das F aber jedem E; die mittlere, weil D keinem A aber jedem E zukommt. Daß es einigen nicht zukommt, (wird bewiesen), wenn D und G dasselbe sind; das ist die letzte Schlußform: A liegt an keinem G vor, E dagegen an allen G. Offenkundig ist nun also, alle Schlüsse erfolgen durch die zuvor genannten Formen, und man darf nicht aussuchen, was allem folgt, weil daraus nämlich kein Schluß erfolgt: Etwas zu errichten – das ging überhaupt nicht aus Folgen, und etwas wegnehmen, das geht nicht an, weil es doch allen folgen sollte; es muß eben dem einen zukommen, dem anderen nicht zukommen. Offenkundig ist auch, daß die anderen Fragestellungen in diesem Bereich der Auswahl nutzlos sind im Hinblick auf das Verfertigen von Schlüssen, z. B. (Fragen wie): Ist das, was beiden (Bestimmungen) folgt unter einander gleich? Oder, das, dem A folgt, und das, was dem E nicht folgen kann, (ist das unter einander gleich)? Oder, alles, was wieder an keinem der beiden vorliegen kann, (ist das einander gleich)? Über diese Bestimmungsreihen erfolgt nämlich kein Schluß: Wenn die Folgen gleich sind, etwa B und F, tritt ein die mittlere Schlußform mit behauptenden Eingangssätzen, (und das gibt keinen Schluß); wenn das, dem A folgt, und, was dem E nicht folgen kann, (gleich sind), etwa C und H, tritt ein die erste Schlußform mit einem verneinenden Eingangssatz zum kleineren Eckbegriff hin; wenn schließlich, was beiden nicht (folgen)
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kann, (einander gleich ist), etwa D und H, sind beide Eingangssätze verneint, entweder in der ersten oder in der mittleren Schlußform. So erfolgt auf keine Weise ein Schluß. Klar ist auch: Man muß die zur Untersuchung einschlägigen Bestimmungen danach nehmen, was für welche einander gleich sind, und nicht, welche voneinander verschieden oder einander entgegengesetzt sind, erstens (aus dem Grunde), weil die Untersuchung zum Zwecke der Findung des Mittelbegriffs (angestellt wird), und als Mittelbegriff darf man nicht etwas Unterschiedenes, sondern muß etwas (auf beiden Seiten) Gleiches erfassen. Zweitens, in allen Fällen, wo es auch eintritt, daß Schluß dadurch zustandekommt, daß man Entgegengesetztes ergriffen hat oder solches, was nicht an einem und demselben (Gegenstand) vorliegen kann, läßt sich alles auf die früher aufgezählten Weisen zurückführen, z. B. wenn B und F gegensätzlich sind oder nicht an dem gleichen (Gegenstand) vorliegen können. Dies angenommen, so gibt es den Schluß: A liegt an keinem E vor, aber nicht aus dem Angenommenen selbst, sondern von der zuvor beschriebenen Weise aus: B wird jedem A aber keinem E zukommen; also muß B notwendig dasselbe sein wie einige H. [Erneut, wenn es nicht geht, daß B und G an dem gleichen (Gegenstand) vorkommen können, (so ergibt sich Schluß): A kommt einigen E nicht zu; auch auf dem Wege tritt ja die mittlere Schlußform auf: B wird jedem A aber keinem E zukommen; also muß B notwendig das gleiche sein wie H; denn die Tatsache, daß B und G nicht an dem gleichen (Gegenstand) vorliegen können, unterscheidet sich ja in nichts davon, daß B mit einigen H das gleiche ist; es ist ja (unter H) alles erfaßt, was an E nicht vorliegen kann.] Offenkundig ist dann also, von diesen Hinsichten selbst aus ergibt sich kein Schluß, dagegen wenn B und F entgegengesetzt sind, muß B notwendig einigen H gleich sein, und der Schluß erfolgt hierüber. So ergibt sich also für die, welche die Sache so anschauen, nach einem anderen Weg als dem notwendigen Ausschau zu halten, weil ihnen die Selbigkeit der B und H entgeht.
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Kapitel 29. Auf gleiche Art wie die beweisenden verhalten sich auch die auf’s Unmögliche führenden Schlüsse: Auch sie erfolgen über das, was (den untersuchten Begriffen) je folgt, und über das, dem ein jeder der beiden je folgt. Und die Untersuchung ist auch in beiden Fällen die gleiche: Was nachweisend gezeigt wird, kann auch über Unmöglichkeit (der Gegenannahme) erschlossen werden mittels der gleichen Begriffe, und was mittels des Unmöglichen (gezeigt wird, geht) auch nachweisend, z. B. daß A an keinem E vorliegt. Es sei also gesetzt, es komme einigen zu; folglich, da B an allen A (vorliegt), A aber an einigen B, wird auch B an einigen E vorliegen; aber es kam doch keinem zu. Erneut, es soll jetzt (A) an einigen (E) vorliegen; wenn also (– Gegenannahme –) A keinem E zukommt, E aber allen G, dann wird A keinem G zukommen; aber es kam doch allen zu. Entsprechend auch bei den übrigen Aufgabenstellungen: Immer und in allen Fällen erfolgt der Beweis mittels des Unmöglichen von dem aus, was (den beiden Begriffen) folgt, und dem, welchem sie beide folgen; und bei jeder Aufgabenstellung ist es die gleiche Untersuchung für einen, der einen aufzeigenden Schluß ziehen will, wie für einen, der es ins Unmögliche führen will; beide Beweisarten erfolgen aus den gleichen Begriffen, z. B.: Wenn nachgewiesen ist, A kommt keinem E zu, weil sonst eintritt, daß auch B einigen E zukommt, was unmöglich (ist); und wenn dann angenommen ist, B kommt keinem E aber allen A zu, so ist offenkundig, daß A keinem E zukommen wird. Und wieder, wenn nachweisend geschlossen ist, A liegt an keinem E vor, so wird sich, indem man unterstellt, es liege an einigen vor, durch die Unmöglichkeit (dessen) zeigen lassen: An keinem liegt es vor. Entsprechend auch in den anderen Fällen: In allen muß man irgendeinen gemeinsamen Begriff erhalten, der ein anderer ist als die zugrundegelegten, im Verhältnis zu dem der Schluß auf das Falsche erfolgt, sodaß, wenn dieser Eingangssatz umgekehrt ist, der andere sich weiterhin genauso verhält, mittels derselben Begriffe der Schluß nachweisend erfolgt. Es
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unterscheidet sich ja der nachweisende Schluß von dem auf’s Unmögliche (führenden) dadurch, daß in dem nachweisenden beide Eingangssätze als wahr gesetzt werden, in dem auf’s Unmögliche (führenden) einer als falsch. Das wird im Laufe des Folgenden noch klarer werden, wenn wir über »unmöglich« sprechen werden; gegenwärtig soll uns nur so viel klar sein: Man muß auf die gleichen (Bestimmungen) hinsehen, sowohl wenn man nachweisend schließen will wie auch wenn man es auf Unmöglichkeit hinbringen will. Bei den übrigen Schlüssen aufgrund von Voraussetzung, z. B. solchen, die mit einer Vertauschung arbeiten oder anhand einer bestimmten Eigenschaft vorgehen, liegt die Untersuchung in den Voraussetzungen, nicht den anfänglichen, sondern in den umgetauschten, die Art und Weise der Hinsicht ist die gleiche. Man muß aber auch darauf achten und es auseinanderhalten, auf wieviele Weisen die (Schlüsse) »aufgrund von Voraussetzung« (gehen). Es wird also jede Aufgabenstellung so beweisend gelöst, es geht aber auch, einiges davon auf andere Weise zu erschließen, etwa Allaussagen mittels eines Hinsehens auf Teilsachverhalte, aufgrund von Voraussetzung: Wenn C und G das gleiche wäre, aber angenommen wäre, E kommt bloß den G zu, dann käme A allen E zu; und wieder, wenn D und G das gleiche wäre, E aber allein von den G ausgesagt würde, dann (ginge der Schluß auf): A kommt keinem E zu. Einleuchtend also, daß man auch in dieser Hinsicht prüfen muß. Auf die gleiche Weise geht es auch mit den Notwendigkeitsund Möglichkeitsschlüssen: es ist dieselbe Untersuchung, und der Schluß auf »kann sein« und »liegt vor« kommt durch in gleicher Anordnung stehende Begriffe zustande. Man muß bei solchem, was sein kann, auch (Sachverhalte) nehmen, die zwar nicht vorliegen, aber vorliegen können; es ist ja nachgewiesen, daß der Schluß auf »kann sein« auch über solches geht. Entsprechend auch bei allen anderen Weisen von Aussage. Offenkundig ist also aus dem Vorgetragenen nicht allein, daß es gehen kann, daß über diesen Weg alle Schlüsse erfolgen, sondern auch, daß es über einen anderen unmöglich ist.
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Es ist ja von jedem Schluß nachgewiesen: Er geht durch eine der vorgenannten Formen, diese aber können nicht durch anderes zusammengestellt werden, außer eben nur durch solches, was einem jeden und dem ein jedes folgt. Daraus (werden) ja die Eingangssätze und die Erfassung des Mittelbegriffs (hergenommen), also ist auch kein Raum für die Annahme, daß Schluß mit anderen Mitteln erfolgen könnte. Kapitel 30. Der Weg also ist in allen Fällen der gleiche und (anwendbar) im Bereich der Suche nach Wahrheit und jeder beliebigen Fertigkeit und allem, was gelernt werden kann: Man muß auf jeder der beiden Seiten betrachten, was (der Bestimmung) zukommt und wem sie zukommt, und in solcherlei Bezügen soll man möglichst große Fülle haben und das dann, angewendet auf die drei Begriffe, prüfen, wenn man eine Behauptung errichten will, so, will man etwas (von einem anderen Behauptetes) einreißen, dann so, und geht es um Wahrheit, (so ist auszugehen) von solchen (Sachverhalten), die als in Wahrheit vorliegend festgeschrieben sind, für Schlüsse dagegen im Rahmen der bloßen Kunst der Gesprächsführung von Eingangssätzen im Bereich dessen, was man so meint. Was die Grundlagen der Schlüsse angeht, so ist im Allgemeinen vorgetragen, wie es mit ihnen steht und auf welche Weise man sie aufspüren muß, damit man nicht hinsieht auf alles, was so gesagt wird, und nicht auf das gleiche, wenn man errichten und wenn man einreißen will, und nicht (durcheinanderwirft), ob man etwas in Allform oder nur in einigen Fällen behaupten will und etwas an allen oder nur einigen (Gegenständen) leugnen will, sondern (man soll hinsehen) auf weniger und festbestimmte (Gesichtspunkte), indem man Auswahl trifft dem je einzelnen (Gegenstand), der da ist, gemäß, etwa für »Gut« oder »Wissen«. Die meisten (Ausgangspunkte) sind für jedes (Wissensfach) eigentümlich. Daher ist es Erfahrungssache, die Anfangsannahmen bezüglich eines jeden (Gegenstandes) bereitzustellen, ich meine z. B. gestirnkundliche Erfahrung (gibt die Anfangsannahmen) des Wissensfachs, das eben Gestirnkunde ist, (an): Nachdem hinreichend Erscheinungen aufgenommen
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wurden, wurden infolge davon die gestirnkundlichen Beweiswege gefunden; entsprechend auch verhält es sich bei jeder beliebigen anderen Kunst und Wissenschaft; also, wenn das, was an jedem (Gegenstand) vorliegt, aufgenommen ist, dann ist es nunmehr unsere Aufgabe, die Beweisarten bereitwillig zu erhellen; wenn nämlich auf dem Wege der Forschung nichts mehr ausgelassen wäre von alledem, was an den Sachverhalten tatsächlich vorliegt, dann werden wir für alles, wovon es Beweis gibt, diesen zu finden und nachzuweisen wissen, wovon es aber Beweis von Natur aus nicht gibt, dies durchsichtig zu machen. In großen Zügen ist also in etwa vorgetragen, auf welche Weise man die Eingangssätze auswählen muß. In Genauigkeit sind wir es durchgegangen in der Arbeit Über die Kunst der Gesprächsführung. Kapitel 31. Daß das Einteilungsverfahren mithilfe von Gattungen nur ein kleines Teilstück des vorgetragenen Verfahrens ist, kann man leicht sehen: Dies Auseinandernehmen ist so etwas wie ein kraftloser Schluß; was nämlich nachgewiesen werden muß, wird hier nur fordernd genommen; er schließt immer auf etwas, das weiter oben liegt. Zuerst blieb genau das allen denen verborgen, die sich dessen bedienten, und sie versuchten, Vertrauen für die Annahme zu erwecken, daß es möglich sei, es könne Nachweis für das Wesen (der Dinge) und das, was sie wirklich sind, erfolgen. Sie hatten also weder ein Verständnis davon, was man, wenn man dies Einteilungsverfahren anwendet, erschließen kann, noch daß dies so möglich war, wie wir es vorgetragen haben. In Beweisen also, wenn darauf geschlossen werden soll, daß etwas (an etwas) vorliegt, muß der Mittelbegriff, durch den der Schluß geht, stets von geringerem Umfang sein als der erste Eckbegriff und kann dann nicht in Allform von ihm gelten. Das Einteilungsverfahren will das Gegenteil: den Allgemeinausdruck nimmt es in die Mitte Es sei also »Lebewesen« A, »sterblich« B, »unsterblich« C, »Mensch« dann, wovon es hier die Bestimmung zu erhalten gilt, D. Jedes »Lebewesen« nimmt dann entweder (die Eigen-
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schaft) »sterblich« oder »unsterblich« an; das bedeutet: Alles, was A ist, ist entweder B oder C. Und wieder setzt man »Mensch«, im Laufe der schrittweisen Einteilung, (schließlich) als »Lebewesen«, sodaß man also annimmt, A liegt an D vor. Der Schluß ist dann: D muß als Ganzes entweder B oder C sein; somit also ist zwar notwendig, daß »Mensch« entweder sterblich oder unsterblich ist, dagegen, daß er »sterbliches Lebewesen« sei, das ist nicht notwendig, sondern wird nur gefordert. Das aber war es doch, was durch Schluß erreicht sein sollte. – Und (Entsprechendes) noch einmal: Man hat also gesetzt A als »Lebewesen, sterblich«, B als »mit Füßen ausgestattet«, C als »fußlos«, »Mensch« schließlich D, und danach nimmt man ganz entsprechend an, A muß entweder in B oder C auftreten – jedes sterbliche Lebewesen ist ja entweder mit Füßen ausgestattet oder fußlos –, von D aber gilt A – denn daß »Mensch« ein sterbliches Lebwesen sei, hat man ja angenommen; somit also muß der Mensch zwar ein Lebewesen sein, mit Füßen ausgestattet oder nicht, aber daß er mit Füßen ausgestattet ist, ist nicht notwendig, sondern man nimmt es sich. Das aber war es doch, auch diesmal wieder, was nachzuweisen war. Und wenn sie denn also auf diese Weise immer weiter einteilen, geschieht es ihnen, die Allgemeinvorstellung in die Mitte zu nehmen, wovon aber etwas nachgewiesen werden sollte, und die Unterscheidungen, das tritt auf die Außenseiten. Schließlich und endlich aber, daß »Mensch« dies ist, oder, was denn das Untersuchte wohl wirklich ist, dazu tragen sie nichts Klares vor, so daß es zwingend wäre; auch die ganze restliche Reise machen sie ja, indem sie nicht einmal mitbekommen, daß die tatsächlich möglichen Bahnen ihnen zur Verfügung stünden. Offenkundig ist, daß man mit diesem Verfahren weder etwas einreißen kann noch Schlüsse auf nebenbei Zutreffendes oder Eigentümliches ziehen kann noch auf eine Gattung noch in solchen Fällen, in denen man nicht weiß: Verhält es sich so oder so, z. B. ob nun der Durchmesser mit einheitlichen Maßen meßbar ist oder nicht. Wenn man nämlich (den Satz) nimmt: Jede Länge ist entweder mit einheitlichem Maß meß-
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bar oder ist es nicht, und der Durchmesser ist eine Länge, so ist durch Schluß festgestellt: Der Durchmesser ist mit einheitlichem Maß nicht meßbar, oder er ist es. Wenn man sich aber nimmt: Er ist unmeßbar, dann nimmt man sich ja, was doch zu erschließen war. Also geht es (so) nicht nachzuweisen: der Weg war dieser, auf dem geht es nicht. (Der Sachverhalt) »unmeßbar oder meßbar« sei A, »Länge« B, »Durchmesser« C. Offenkundig nun also, diese Untersuchungsweise paßt weder für jede Form von Fragestellung, noch ist sie gerade in den Fällen nützlich, in welchen sie doch am meisten zu taugen scheint. Woraus nun also die Beweise hervorgehen und wie (sie es tun), und worauf man bei einer jeden Aufgabenstellung hinsehen muß, das ist aus dem Vorgetragenen klar. – Kapitel 32. Wie wir die Schlüsse auf die vorgenannten Formen zurückführen können, darüber wäre hiernach zu sprechen; das ist nämlich an der Untersuchung noch übrig. Wenn wir nämlich die Herkunft der Schlüsse durchschauten und über die Fähigkeit verfügten, (solche) zu finden, (und wenn) wir darüberhinaus in abgelaufener Form vorliegende (Schlüsse) in die vorgenannten Schlußformen auflösen könnten, dann hätte unser anfängliches Vorhaben Ziel und Ende erreicht. Zugleich wird sich auch aufgrund des nun Vorzutragenden mit ergeben, erstens, daß das zuvor Gesagte auf festere Füße gestellt wird, zweitens, daß klarer wird: So verhält es sich wirklich. Alles Wahre muß doch an allen Stellen und in jeder Beziehung mit sich selbst in Übereinstimmung stehen. Erstens nun also muß man versuchen, die zwei Eingangssätze des Schlusses herauszubekommen – es ist ja leichter, das Größere zu zerteilen als das Kleinere, und was zusammengesetzt ist, ist größer als (die Stücke), aus denen es besteht –; danach ist zu prüfen, welcher in Allform, welcher in Teilform (vorliegt), und wenn noch nicht beide erhalten sein sollten, muß man selbst den zweiten setzen. Gelegentlich nämlich (kommt es vor): Leute, die den allgemeinen Satz vorlegen, nehmen den in ihm (enthaltenen Teilsatz) nicht an, schreiben ihn nicht auf und stellen keine Frage danach; oder
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sie legen diese zwar vor, (die Sätze) aber, durch welche diese zum Ziel geführt werden, lassen sie aus, fragen stattdessen sinnloserweise nach anderem. Man muß also prüfen, ob irgendetwas Überflüssiges angenommen ist oder etwas Notwendiges ausgelassen, und das eine muß man setzen, das andere streichen, -bis man auf die zwei Eingangssätze kommt: ohne solche sind Untersuchungen in dieser Frageform nicht durchzuführen. Bei einigen (Fällen) ist es nun nicht leicht, das Fehlende genau in den Blick zu bekommen, einige bleiben undurchschaut und scheinen einen Schluß zu ergeben, weil doch aus dem Gesetzten etwas Notwendiges sich ergibt, z. B. wenn man (folgende) Annahmen machte: Wird ein vorhandenes Wesen nicht vernichtet, so geht kein solches Wesen zugrunde; werden aber (die Teile), aus denen es besteht, vernichtet, so geht auch das aus diesen (Bestehende) unter. Hat man das gesetzt, ist zwar (die Folge) notwendig: Teil eines Wesens ist (selber) Wesen, allerdings ist das aufgrund des Angenommenen nicht durch Schluß erreicht, sondern die Eingangssätze zeigen Mängel. Noch ein Fall: Wenn im Zusammenhang damit, daß es »Mensch« gibt, notwendig auch »Lebewesen« sein soll, und wenn »Lebewesen«, dann auch »seiendes Wesen« (überhaupt), dann ist notwendig: Gibt es »Mensch«, dann auch »seiendes Wesen«. Aber das ist noch nicht durch Schluß erreicht: die Eingangssätze haben nicht die verlangten Eigenschaften. Wir werden in solchen Fällen hinters Licht geführt, weil ja aus dem Gesetzten etwas Notwendiges sich ergibt und weil doch auch der Schluß eine zwingende Notwendigkeit hat. Aber »notwendig« reicht ja weiter als »Schluß«: Jeder Schluß ist notwendig, aber nicht alles Notwendige ist Schluß. Also darf man nicht, wenn nach Setzung von etwas irgendetwas folgt, gleich den Versuch machen, das (auf Schlußformen) hinaufzuführen, sondern erst einmal muß man die zwei Eingangssätze in die Hand bekommen, danach sie so (wie angegeben) in die Begriffe zerlegen, als Mittelbegriff den ansetzen, der in beiden Eingangssätzen augesagt wird; denn der Mittelbegriff muß in allen Schlußformen in beiden (Eingangssätzen) vorliegen.
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Wenn nun also der Mittelbegriff (selbst) eine behauptende Aussage macht und von ihm etwas so ausgesagt wird, oder, wenn er selbst eine behauptende Aussage macht, etwas anderes aber von ihm verneint wird, ist das die erste Schlußform. Wenn er einerseits etwas behauptet, andererseits von etwas verneint wird, ist es die mittlere. Wenn anderes von ihm behauptend ausgesagt wird, oder, wenn das eine von ihm verneint, das andere behauptet wird, ist es die letzte. Entsprechend auch, wenn die Eingangssätze keine Allform haben: Die Begriffsbestimmung von »vermittelnd« bleibt die gleiche. Offenkundig ist also: Eine Herleitungsrede, in der nicht eine und dieselbe Bestimmung mehrfach ausgesagt wird, kann nicht zum Schluß werden: da ist keine Vermittlung angenommen. Da wir nun aber darüber verfügen, welche unter den Aufgabenstellungen in einer jeden Schlußform zum Ziel geführt wird und in welcher die Allform, in was für einer die Teilform (vorliegt), so ist offenkundig: Man muß nicht auf alle Schlußformen schauen, sondern auf die für jede Aufgabenstellung zuständige. Was (an Aufgaben) in mehreren (Schlußformen) durchzuführen geht, da werden wir die Schlußform an der Stellung des Mittelbegriffs erkennen. Kapitel 33. Oft also tritt Täuschung ein bei den Schlüssen infolge der Vorstellung von Notwendigkeit, wie früher vorgetragen ist, gelegentlich auch über die Ähnlichkeit bei der Stellung der Begriffe; das darf uns nicht entgehen. Z. B., wenn A von B ausgesagt wird, und B von C: Das scheint ja wohl, wenn die Begriffe dies Verhältnis haben, ein Schluß zu sein, doch tritt weder (immer) zwingende Notwendigkeit ein, noch wird das (immer) ein Schluß. Es sei also A »ist immer«, B »Aristomenes, an den man denken kann«, C »Aristomenes«; dann ist also wahr, daß A an B vorliegt: Ein denkbarer Aristomenes ist immer; aber (wahr ist) auch, daß B an C (vorliegt): Aristomenes ist ein Aristomenes, an den man denken kann. Das A liegt an C aber nicht vor: Aristomenes ist sterblich. Es ist also aus den in diesem Verhältnis stehenden Begriffen kein Schluß entstanden, sondern dafür war es nötig, den Eingangssatz AB in der Allform zu nehmen; das wäre aber falsch, for-
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dern zu wollen: Jeder Aristomenes, an den man denken kann, ist immer, wo doch »Aristomenes« etwas ist, das vergehen muß. Noch einmal, es sei Wert C »Mikkalos«, B »gebildeter Mikkalos«, A »geht morgen zugrunde«; dann ist es also wahr, B von C auszusagen: Mikkalos ist ein gebildeter Mikkalos; aber auch A von B (könnte wahr sein): Es könnte ja sein, der gebildete Mikkalos findet morgen sein Ende; daß aber A von C gelten sollte, ist falsch. Das ist also die gleiche Sachlage wie eben: Es ist eben nicht in der Allform wahr, »gebildeter Mikkalos wird morgen sterben«; war das aber nicht angenommen, so gab es keinen Schluß. Diese Form der Täuschung schleicht sich ein über das »ein klein wenig (anders)«: Als ob es nämlich keinen Unterschied machte, gesagt zu haben: »Das liegt an dem vor«, oder: »Das liegt an dem in allen Fällen vor«, so räumen wir es halt ein. Kapitel 34. Oft dagegen trägt es sich zu, einer Täuschung zu unterliegen, dadurch daß die im Eingangssatz verwandten Begriffe nicht sauber herausgestellt werden, z. B.: A wäre »Gesundheit«, B »Krankheit«, C »Mensch«; es ist ja wahr, zu sagen: Es kann nicht sein, daß A an irgendeinem B vorläge – keiner Krankheit kommt Gesundheit zu –, und auch: B kommt allen C zu – jeder Mensch ist Krankheiten ausgesetzt; dann scheint sich ja wohl zu ergeben: Es kann nicht sein, daß Gesundheit an irgendeinem Menschen vorliege. Ursächlich für diesen (Irrtum) ist (die Tatsache), daß die Begriffe dem sprachlichen Ausdruck nach nicht sauber herausgestellt sind, (wie sich daran zeigt), daß, wenn man die auf Zustände bezogenen (Begriffe) umformt, kein Schluß zustandekommt, z. B., wenn man anstatt von »Gesundheit« setzte »gesund« und anstatt von »Krankheit« »krank«; dann ist es nämlich nicht wahr, zu sagen: Es kann nicht sein, daß am Kranken das Gesunden vorliegt. Wird das aber nicht angenommen, so gibt es keinen Schluß, außer unter »kann sein, daß ...«; das ist nicht unmöglich: Es kann ja sein, daß an keinem Menschen Gesundheit vorliegt. Und wieder, über die mittlere Schlußform wird der Irrtum sich entsprechend ergeben: Es kann ja sein, die Gesundheit
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kommt keiner Krankheit zu, liegt aber an allen Menschen vor, also dann Krankheit an keinem Menschen. In der dritten Schlußform kommt der Irrtum über das »kann sein«: Sowohl »Gesundheit« wie auch »Krankheit« wie auch »Wissen« und »Unkenntnis«, und überhaupt gegensätzliche Bestimmungen können an dem gleichen (Gegenstand) vorliegen, einander aber (können sie) unmöglich (zukommen). Das ist aber nicht in Übereinstimmung mit dem zuvor Gesagten: Dann, wenn mehrerlei dem gleichen (Gegenstande) zukommen konnte, konnte es dies auch gegenseitig. Offenkundig nun also, in allen diesen (Fällen) kommt der Trug über die (nicht richtige) Herausstellung der Begriffe: Formt man die zustandsbezogenen um, gibt es keinen Irrtum. Klar nun also, daß man bei solcherlei Eingangssätzen immer den Gegenstand, an dem der Zustand auftritt, anstatt des Zustandes selbst nehmen und als Begriff dann setzen muß. Kapitel 35. Man darf nicht immer unbedingt danach trachten, die Begriffe in Form (eines) Wortes herauszustellen: oft wird es zu Erklärungen kommen, für die eine bestimmte Namensbezeichnung nicht festliegt. Es ist daher schwierig, derartige Schlüsse (auf eine der drei Formen) zurückzuführen. Gelegentlich wird es auch dahin kommen, daß man sich auf dem Wege einer solchen Suche verirrt, etwa daß der Schluß aus Unvermitteltem erfolgt. Es sei A »zwei Rechte«, B »Dreieck«, C »gleichschenklig«; dem C kommt also A zu über B, dem B nicht mehr vermittelt über etwas anderes – das Dreieck hat, als es selbst, einen Winkelbetrag gleich zwei Rechten –, also wird es für AB keinen Mittelbegriff geben, obwohl dies doch beweisbar ist. Offenkundig ist somit: Die Vermittlung ist nicht immer so zu nehmen, daß es ein »dieses-da« ist, sondern gelegentlich als erklärende Rede, was eben bei dem genannten Fall eintritt. Kapitel 36. Was den Sachverhalt angeht, daß die erste (Bestimmung) der mittleren und diese der äußeren »zukommt«, so darf man das nicht so nehmen, als würden die stets und immer voneinander ausgesagt oder das erste vom mittleren und dies vom letzten in (immer) gleicher Weise – und für »nicht zu-
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kommen« entsprechend –, sondern in wievielerlei Bedeutungen von »sein« die Rede ist und in wievielfacher Weise man ebendas wahrheitsgemäß aussagen kann, genau so viele Bedeutungen hat, muß man sich klarmachen, auch »zukommen«. Z. B. der Satz: »Von Gegensätzlichem ist es ein (und dasselbe) Wissen«; es sei also A »es ist ein Wissen«, die zu einander gegensätzlichen Bestimmungen B; dann kommt also A dem B zu, nicht so, daß »das Gegensätzliche ein Wissen ist«, sondern so: Es ist wahrheitsgemäß auszusagen, auf sie bezogen ist nur ein einziges Wissen. Es tritt gelegentlich der Fall ein, daß von der mittleren (Bestimmung) die erste (einfach) ausgesagt werden kann, die mittlere von der dritten aber nicht, z. B., wenn (es so geht): Weisheit ist ein Wissen; Weisheit ist bezogen auf das Gute; dann ist der Schlußsatz: Es gibt ein Wissen vom Guten. Also, das Gute ist nicht ein Wissen, die Weisheit aber ist eines. Ein andermal wird die mittlere (Bestimmung) von der dritten ausgesagt, die erste aber von der mittleren nicht, z. B., wenn (es so geht): Von allem, was die und die Eigenschaft hat oder ein Gegenteil zu sich, gibt es ein Wissen; das Gute ist nun von der Art, und es gibt ein Gegenteil dazu; dann ist der Schlußsatz: Es gibt ein Wissen vom Guten. Es gilt aber nicht: Das Gute ist ein Wissen, oder: Was die und die Eigenschaft oder ein Gegenteil hat, (ist ein Wissen), sondern: Das Gute ist dies (beides). Es gibt auch den Fall, daß weder die erste (Bestimmung) von der mittleren noch diese von der dritten (ausgesagt wird), wobei die erste von der dritten gelegentlich ausgesagt wird, gelegentlich nicht, z. B., wenn (es so geht): Das, wovon es ein Wissen gibt, dazu gibt es eine Gattung; vom Guten gibt es aber ein Wissen; dann ist der Schlußsatz: Es gibt zu »gut« eine Gattung. Hier wird kein (Begriff) von einem anderen ausgesagt. Wenn dagegen (gelten soll): Das, wovon es ein Wissen gibt, ist (selbst) eine Gattung; vom Guten gibt es ein Wissen; dann ist der Schlußsatz: Das Gute ist eine Gattung. Also wird in diesem Falle das erste vom letzten ausgesagt, unter einander aber gilt die Aussagereihe nicht.
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Auf gleiche Weise ist es auch bei »nicht zukommen« zu nehmen: »Das kommt dem nicht zu« bedeutet nicht immer: »Das ist nicht dies«, sondern gelegentlich auch: »Das ist nicht auf dies bezogen« oder: »Das (folgt) dem (nicht)«, z. B. (folgender Trugschluß): Es gibt keine Veränderung der Veränderung und kein Werden des Werdens; von Lust aber gibt es das; also ist die Lust kein Werdevorgang. Oder noch einmal: Es gibt Anzeichen des Lachens; es gibt aber kein Anzeichen des Anzeichens; also ist Lachen kein Anzeichen. Ähnlich auch in den übrigen Fällen, in welchen die Aufgabenstellung dadurch zum Verschwinden gebracht wird, daß irgendwie Gattungsaussagen auf sie hin gemacht werden; auch dafür (ein Beispiel): Der Augenblick, auf den es ankommt, ist nicht die notwendige Zeit zu handeln. (Diesen falschen Schlußsatz beweist man dann so:) Für einen Gott gibt es zwar wohl den rechten Augenblick, aber nicht eine notwendige Zeit, weil für einen Gott nichts dienlich sein kann. Als Begriffe muß man hier ja setzen »rechten Augenblick«, »notwendigen Zeitpunkt«, »Gott«; den Eingangssatz muß man nehmen nach der Formabwandlung des Namenswortes. In ganz allgemeiner Weise sagen wir das einmal für alle Fälle: Man muß die Begriffe immer in der Nennform der Namensworte setzen, z. B. »Mensch«, »gut«, »Gegenteiliges«, und nicht »des Menschen«, »des Guten«, »der Gegenteile«; die Eingangssätze dagegen muß man so nehmen, wie die Formabwandlung eines jeden das erfordert: Entweder »diesem« – etwa bei »gleich« – oder »dessen« – etwa bei »Verdoppelung« – »(den oder) das« – etwa bei »schlägt« oder »sieht« oder »dieser« – etwa bei »der Mensch (ist) ein Lebewesen« –, oder wie auch immer sonst noch das Namenswort gemäß der Eingabe fallen mag. Kapitel 37. Die Sachverhalte »das kommt dem zu« und »das von dem ... ist eine wahre Aussage« muß man in genau so vielen Bedeutungen nehmen, in wieviele die Grundformen der Aussage eingeteilt sind, und diese dann noch entweder in bestimmter Beziehung oder ohne einschränkenden Zusatz, und schließlich noch entweder in einfacher oder verknüpfter
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Setzung. Entsprechend auch bei »nicht zukommen«. – Das ist noch zu betrachten und fester zu bestimmen. Kapitel 38. Die verdoppelte Vorstellung ist in den Eingangsannahmen zum ersten Eckbegriff zu setzen, nicht zum mittleren. Ich meine damit z. B. dies: Es möge ein Schluß erfolgt sein des Inhalts: »Es gibt ein Wissen von der Gerechtigkeit, (das besagt), daß sie ein Gut ist«, – da ist also »daß sie ein Gut ist« oder »insofern sie ein Gut« zum ersten (Begriff) zu setzen. Es sei also A »Wissen darum, daß es ein Gut«, B »Gut«, C »Gerechtigkeit«; dann ist es also wahr, A mit Bestimmtheit von B auszusagen: Vom Guten gibt es ein Wissen, (das weiß und sagt), es ist gut; aber auch B von C (ist wahr): Wenn etwas gut ist, dann doch Gerechtigkeit. So (und nur so) erfolgt Auflösung. Wenn dagegen das »daß es ein Gut ist« zu B gesetzt wäre, erfolgt sie nicht: A wird von B wahr sein, B von C aber nicht, denn »Gut, daß es ein Gut ist« von »Gerechtigkeit« auszusagen ist (nicht nur) eine Falschheit, (sondern auch) unverständlich. Entsprechend auch, wenn nachgewiesen sein sollte: Von dem Gesunden gibt es ein Wissen, insofern es gut ist, oder: Der Bockhirsch, insofern es ihn nicht gibt ..., oder: Der Mensch ist vergänglich, insofern er ein Gegenstand der Sinnenwelt ist. In allen Fällen solcher zusätzlichen Aussagen muß man die Verdoppelung zum Eckbegriff setzen. Wenn etwas ohne Einschränkung erschlossen werden soll, ist die Stellung der Begriffe nicht die gleiche wie dann, wenn (geschlossen werden soll, es ist z. B.) ein »dieses da« oder (es ist) in der und der Hinsicht oder unter den und den Umständen; ich meine z. B. (den Unterschied), wenn nachgewiesen worden ist: Von dem Guten kann man ein Wissen haben, und: Man kann von ihm wissen, es ist gut. Wenn es einfach so nachgewiesen ist als etwas, wovon man ein Wissen haben kann, muß man als Vermittlung ein (einfaches) »ist« setzen; soll dies Wissen nun auch noch besagen, es ist gut, (so muß als Vermittlung dienen): »ist etwas«. Es sei also A »Wissen, daß es etwas ist«, B »etwas, das etwas Bestimmtes ist«, C »gut«; dann ist es also wahr, A von B auszusagen: es ging ja um ein Wissen von etwas, das etwas Bestimmtes ist, (und dies Wissen besagt),
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daß es dies Bestimmte ist; aber auch B von C (ist wahr): Was auf C steht, ist ja auch etwas Bestimmtes; also auch A von C: es wird mithin ein Wissen vom Guten geben, (das weiß), daß und warum es gut ist. Das »etwas sein« galt uns doch als Zeichen für ein eigentümliches Wesen. Wäre dagegen ein (einfaches) »ist« als Vermittlung gesetzt und bei dem Eckbegriff zusatzlos »ist«, und nicht »ist etwas« gesagt, dann ginge der Schluß nicht auf den Satz: Es gibt ein Wissen vom Guten, (das weiß), daß es gut ist, sondern (auf den anderen): »... daß es das gibt«; z. B. sei A »Wissen, daß es das gibt«, B »es gibt das«, C »gut«. – Offenkundig nun also: Bei Schlüssen, die einen Sachverhalt nur zu Teilen aufnehmen, muß man die Begriffe in der Weise nehmen. Kapitel 39. Man muß auch Ausdrücke, die ihrem Inhalt nach das gleiche bedeuten, durch einander ersetzen können: Namensbezeichnungen anstatt anderer Namenwörter, begriffserklärende Reden anstatt begriffserklärender Reden, auch Namenswort mit Begriffserklärung; und immer (wenn es geht) ist anstatt der begriffserklärenden Rede das Namenswort zu nehmen; dann ist die Herausstellung der Begriffe leichter. Wenn es z. B keinen Unterschied macht zu sagen: Das Vermutliche ist nicht Gattung des Wahrscheinlichen, oder: Was wahrscheinlich ist, ist nicht von der Art, vermutet werden zu können – die Bedeutung kommt nämlich auf das gleiche heraus –, dann sind anstatt der ganzen vorgetragenen Rede (lieber gleich) »vermutbar« und »wahrscheinlich« als Begriffe zu setzen. Kapitel 40. Da es aber nicht das gleiche ist (zu sagen): »Lust ist etwas Gutes« und: »Lust ist das Gute«, so darf man die Begriffe nicht so setzen, als wäre es das, sondern wenn der Schluß darauf geht, Lust ist das Gute, dann (ist zu setzen): »das Gute«, wenn es nur darum geht, daß sie etwas Gutes ist, dann: »gut«. So auch in allen anderen Fällen. Kapitel 41. Es ist nicht dasselbe, weder dem Sein noch der Rede darüber nach, zu sagen: »An welchem B vorliegt, an dem allen liegt A vor« und: »An welchem allen B vorliegt, an dem allen liegt A vor«; es hindert nämlich nichts (die An-
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nahme), daß B an C zwar vorliegt, aber nicht an allen. Z. B sei B »schön«, C »weiß«; wenn denn also an einigem Weißen »schön« vorliegt, so ist es wahr zu sagen: An »weiß« liegt »schön« vor; aber eben vielleicht nicht an allem. Wenn nun also A an B vorliegt, aber nicht an allem, so weit das B reicht, dann tritt keine Notwendigkeit ein, weder im Falle, daß B an allen C vorläge noch wenn es ihm bloß so zukäme, daß dann A – wir wollen gar nicht von allen (C) reden, sondern daß es ihm überhaupt zukäme. Wenn es dagegen an all dem vorliegt, wovon B wahrheitsgemäß ausgesagt wird, dann ergibt sich für A: Von all dem wird es ausgesagt, von welchem allen B ausgesagt wird. Wenn allerdings A (nur einfach) ausgesagt wird (von dem), wovon B in allen Fällen ausgesagt wird, so hindert nichts (die Annahme), daß B an C zwar vorliegt, A dagegen nicht an allen (C) oder ihm auch gar nicht zukommt. Für die drei Begriffe ist also klar: (Die Rede) »Wovon B, davon wird in jedem Falle auch A ausgesagt« meint dies: »Von wievielen (Gegenständen) B ausgesagt wird, von allen denen wird A ausgesagt«. Und wenn B in allen Fällen (von C ausgesagt wird), dann A genauso; wenn aber nicht in allen Fällen, dann ist nicht notwendig, daß auch A in allen Fällen (ausgesagt würde). Man darf nicht meinen, auf dem Wege über das Herausstellen ergäbe sich irgendetwas Unsinniges: wir benutzen das »dieses-da-sein« (von etwas) zu nichts weiter, sondern (machen es) wie der Flächenmesser, der da sagt: Dieser Strich ist 1 Fuß lang, gerade und ohne Breite, – wo sie’s doch nicht sind; aber er benutzt sie ja auch nicht so, als käme seine Rechnung aus diesen (gezeichneten Strichen) zusammen. Überhaupt ja, was sich nicht wie ein Ganzes zum Teil verhält, und anderes zu ihm wie Teil zu Ganzem, aus nichts derartigem führt der Beweisende seinen Beweis, also erfolgt auch kein Schluß. Das Herausstellen benutzen wir so, wie auch die sichtbare Darstellung, indem wir es dabei auf den Lernenden abgesehen haben: nicht so, als ginge es ohne das nicht nachzuweisen, als wären es etwa die Annahmen zu einem Schluß. Kapitel 42. Es darf uns nicht entgehen, daß bei einem und demselben Schlußverhältnis nicht alle Schlußsätze durch eine
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einzige Schlußform gehen, sondern (es kann) der eine durch diese, der andere durch jene (erfolgen). Klar dann also, auch die Auflösungen sind so zu machen. Da nicht jede Aufgabenstellung in jeder Schlußform, sondern das eine in der, das andere in einer anderen eingeordnet ist, so ist ganz offenkundig aus dem Schlußsatz zu ermitteln, in welcher Form (es steht). Kapitel 43. Was die herleitenden Erklärungen auf eine Begriffsbestimmung hin angeht, so soll man bei allen denen, die nur auf ein bestimmtes Bestandsstück derer, die in dem festen Begriff vorkommen, hin vorgebracht wurden, nur das als Begriff setzen, woraufhin sie vorgebracht sind, und nicht die gesamte Herleitungserklärung, dann wird es nämlich nicht so leicht eintreten, durch Langwierigkeit in Verwirrung zu geraten, z. B.: Hat man von »Wasser« gezeigt: naß, trinkbar, so sind »trinkbar« und »Wasser« als Begriffe zu setzen. Kapitel 44. Darüberhinaus, die Schlüsse aufgrund von Voraussetzung darf man nicht zurückzuführen versuchen; sie sind nämlich nicht aus dem Festgesetzten rückleitbar. Sie sind ja nicht durch Schluß nachgewiesen, sondern alle mittels einer Übereinkunft zum Zugeständnis gebracht. Z. B., wenn man erst einmal unterstellt hat: Wenn es keinen einheitlichen Bedeutungsbereich gegensätzlicher Bestimmungen gibt, so gibt es auch kein einheitliches Wissen (davon), und sodann das Gespräch darauf hinausgeführt hat: Es gibt keinen einheitlichganzen Bedeutungsbereich von Gegensätzen, wie etwa von »gesundheitsförderlich« und »krankmachend«; denn (andernfalls) wäre ja eines und dasselbe sowohl gesundheitsförderlich wie auch krankheitserregend. Daß es nun also keinen einheitlichen Bedeutungsbereich gibt für alles, was da gegensätzlich ist, hat man ja begründet; daß es davon kein (einheitliches) Wissen gibt, ist nicht nachgewiesen; und doch muß man dem (so) zustimmen, nur, nicht infolge eines Schlusses, sondern von der Voraussetzung aus. Dieser ist nun also nicht zurückführbar, dagegen (der Satz) »(Gegensätzliches) hat nicht eine Bedeutung« ist es; er war ja vielleicht sogar ein Schluß, jenes andere ist eine Voraussetzung.
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Entsprechend auch bei den (Schlußvorgängen), die mithilfe der Unmöglichkeitsbestimmung zu ihrem Ende kommen: Auch die sind nicht aufzulösen, genauer, die Rückführung auf Unmöglichkeit ist es zwar – hier wird ja durch Schluß nachgewiesen –, das andere dagegen ist es nicht: es kommt aufgrund einer Voraussetzung zum Ziel. (Diese Art von Schlüssen) unterscheiden sich aber von den zuvor genannten (darin): Bei denen muß man zuvor Übereinstimmung herbeigeführt haben, wenn (der andere) zustimmen soll, etwa wenn gezeigt ist: Ein einziger Bedeutungsbereich von Gegensätzen, dann bezieht sich auch ein und dasselbe Wissen darauf; hier dagegen machen (die Leute) auch ohne vorherige Verständigung das Zugeständnis, weil doch die Falschheit auf der Hand liegt, etwa wenn man den Durchmesser für einheitlich meßbar setzt, (kommt heraus): Ungerades wird Geradem gleich. Es sind auch noch viele andere (Schlußvorgänge), die aufgrund von Voraussetzung zum Ziel kommen; die muß man durchprüfen und sauber klären. Welches ihre Unterscheidungsmerkmale sind und in wievielen Formen das »aufgrund von Voraussetzung« auftritt, werden wir später vortragen; jetzt soll für uns nur soviel klar sein: Derartige Schlüsse sind nicht in die Schlußformen aufzulösen. Und aus welchem Grunde (das so ist), haben wir vorgetragen. Kapitel 45. Alles, was an Aufgabenstellungen in mehreren Schlußformen nachzuweisen ist, (hat folgende Eigenschaft): Wenn in der einen davon geschlossen worden ist, läßt sich der Schluß auf die andere zurückführen, etwa der in der ersten Form verneinende auf die zweite, der in der mittleren auf die erste, – doch nicht alle, sondern nur einige. Das wird im folgenden klar werden. Wenn also A keinem B, B aber jedem C (zukommt), dann A keinem C. So ist das also die erste Schlußform, wenn aber die Verneinung umgekehrt wird, wird es die mittlere: B kommt keinem A zu, aber jedem C. Entsprechend auch, wenn der Schluß nicht in Allform, sondern in Teilform (steht), etwa wenn A keinem B, B aber einigen C (zukommt); wird hier die Verneinung umgekehrt, tritt die mittlere Schlußform auf.
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Von den Schlüssen in der zweiten (Form) werden die in Allform auf die erste zurückgeleitet, von denen in Teilform aber nur der eine von beiden. Es sei also (gesetzt): A liegt an keinem B, aber an allen C vor; wird also die Verneinung umgekehrt, wird es die erste Form: B wird an keinem A, A aber an jedem C vorliegen. Wenn dagegen die behauptende Aussage bei B steht, die verneinende bei C, so ist C als erster Begriff zu setzen: Es kommt keinem A, A aber kommt allen B zu, also C keinem B; also auch B keinem C, denn die Verneinung läßt ja Umkehrung zu. Wenn aber der Schluß in Teilform steht, dann ist er für den Fall, daß die Verneinung beim größeren Eckbegriff steht, zurückzuführen auf die erste (Form), etwa: Wenn A keinem B, aber einigen C (zukommt); wird ja die Verneinung umgekehrt, wird daraus die erste Form: B (liegt) an keinem A, A aber an einigen C (vor); für den anderen Fall aber, daß die Behauptung (beim größeren Eckbegriff steht), gibt es keine Auflösung, etwa: Wenn A allen B, aber nicht allen C (zukommt); in dem Fall läßt ja weder (der Satz) AB eine Umkehrung zu, noch, selbst wenn das ginge, wird daraus ein Schluß. Und wieder, die (Schlüsse) in der dritten Form lassen sich nicht alle in die erste auflösen, die in der ersten aber alle in die dritte. Es liege also A an allen B vor, B an einigen C; also, da die Behauptung in Teilform Umkehrung zuläßt, wird C einigen B zukommen; A kam aber allen (B) zu, also wird es die dritte Form. Und wenn der Schluß verneinend ist, genauso: Es läßt ja die Behauptung in Teilform Umkehrung zu, also A wird keinem B, C dagegen einigen (B) zukommen. Von den Schlüssen in der letzten Form läßt sich einer allein nicht in die erste auflösen, wenn nämlich die Verneinung nicht in Allform gesetzt wird, die anderen lassen alle Auflösung zu. Es sei also A und B von allen C ausgesagt; folglich kehrt sich C im Verhältnis zu beiden in Teilform um: Es kommt also einigen B zu; somit ist es die erste Form, wenn A allen C, C aber einigen B (zukommt). Und wenn A allen C, B aber einigen (C zukommt), ist es die gleiche Erklärung: C läßt im Verhältnis zu B ja Umkehrung zu. Wenn dagegen B allen C, A einigen C
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(zukommt), ist B als erster Begriff zu setzen: B (liegt) an allen C, C an einigen A vor, somit also B an einigen A. Da aber die Teilaussage Umkehrung zuläßt, wird auch A einigen B zukommen. Und wenn der Schluß verneinend ist, vorausgesetzt, die Begriffe sind in Allform verbunden, ist es entsprechend zu nehmen: Es liege also B an allen C vor, A aber an keinem; also wird C an einigen B vorliegen, A aber an keinem C, somit wird C der Vermittlungsbegriff sein. Entsprechend auch, wenn die Verneinung in Allform steht, die Behauptung in Teilform: A wird an keinem C, C an einigen B vorliegen. Wenn dagegen die Verneinung in Teilform genommen ist, wird es keine Auflösung geben, etwa wenn B allen C, A dagegen einigen (C) nicht zukommt: Wird die Aussage BC umgekehrt, werden beide Eingangssätze in Teilform auftreten. Offenkundig ist auch: Zum Zwecke der Auflösung der Schlußformen in einander ist in beiden Formen der Eingangssatz beim kleineren Eckbegriff umzukehren; wenn dieser umgestellt wurde, erfolgte der Übergang. Von den (Schlüssen) in der mittleren Form läßt sich der eine in die dritte auflösen, der andere nicht. Wenn die Allaussage verneint ist, geht es: Wenn A keinem B (zukommt), aber einigen C, läßt sich beides im Verhältnis zu A umkehren, also B an keinem A, C an einigen (A); Mittelbegriff ist sonach A. Wenn dagegen A allen B (zukommt), aber einigen C nicht, dann gibt es keine Auflösung: Keiner der beiden Eingangssätze, die aus der Umkehrung entstehen, ist eine Aussage in Allform. Schließlich noch, die (Schlüsse) aus der dritten Form lassen sich dann in die mittlere auflösen, wenn die Verneinung in Allform steht, etwa: Wenn A an keinem C, B aber an einigen oder allen (C vorliegt); dann wird ja C auch an keinem A, aber an einigen B vorliegen. Wenn dagegen die Verneinung in Teilform steht, gibt es keine Auflösung: die teilweise Absprechung nimmt Umkehrung nicht an sich. Offenkundig ist nun also: Es sind in diesen Formen die gleichen Schlüsse, die sich nicht (in einander) auflösen lassen, wie die, welche nicht in die erste aufzulösen waren; und, wenn man die Schlüsse auf die erste Form zurückbringt, kommen
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diese allein durch Hinführung aufs Unmögliche (der Gegenannahme) zum Ziel. Wie man nun also die Schlüsse zurückführen muß und daß sich die Schlußformen in einander zurückführen lassen, ist aus dem Gesagten klar. Kapitel 46. Es macht aber beim Errichten oder beim Einreißen (von Behauptungen) schon einen Unterschied, ob man annimmt, die Ausdrücke »das nicht sein« und »nicht das sein« meinten dasselbe oder etwas verschiedenes, etwa z. B. bei »nicht weiß-sein« und »nicht-weiß sein«. Das meint nämlich nicht dasselbe, und die Verneinung von »weiß sein« ist nicht »nicht-weiß sein«, sondern »nicht weiß-sein«. Die Erklärung dazu ist folgende: (Der Satz) »er kann gehen« verhält sich zu dem »er ist in der Lage, nicht zu gehen« entsprechend wie der »es ist weiß« zu dem »es ist nicht-weiß«, und wieder »er versteht sich auf das Gute« zu dem »er versteht sich auf das Nicht-Gute«; der Satz »er versteht sich auf das Gute« oder der andere »er ist des Guten verständig« unterscheiden sich ja in nichts, auch nicht der »er kann gehen« von dem »er ist in der Lage zu gehen«; also (gilt das) auch (für) deren Gegen-Sätze: »er kann nicht gehen« – »er ist nicht in der Lage zu gehen«. Wenn nun der Satz »er ist nicht in der Lage zu gehen« dasselbe meinte wie »er ist in der Lage, nicht zu gehen« oder »... zum Nichtgehen«, so würde das ja gleichzeitig an einem und demselben vorliegen – denn einer und derselbe kann doch sowohl gehen wie auch nicht gehen und ist verständig des Guten sowohl wie des Nichtguten –, aber einander entgegengesetze Behauptung und Verneinung liegen doch eben nicht gleichzeitig an einem und demselben vor. Also, wie »sich auf das Gute nicht verstehen« und »sich auf das Nichtgute verstehen« nicht dasselbe sind, so auch nicht »nicht-gut sein« und »nicht gut-sein«; denn wenn von Bestimmungen, die einander entsprechen, je das eine Paar unterschieden ist, so auch das andere. (Also ist) auch nicht (dasselbe): »nicht-gleich (sein)« und »nicht gleich-sein«: das eine hat nämlich einen Gegenstand, der ihm zugrundeliegt, das, was da nicht-gleich ist, und das ist das Ungleiche, das andere hat nichts dergleichen. Deshalb
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steht auch nicht alles vor der Wahl: »gleich oder ungleich«, dagegen wohl: »gleich oder nicht-gleich«. Ferner, (die Sätze) »(dies) Holz ist nicht weiß« und »(dies) ist nicht weißes Holz« liegen nicht gleichzeitig vor: Wenn nämlich Holz nicht weiß ist, so ist es immer noch Holz, was aber nicht weißes Holz ist, muß nicht notwendig Holz sein. Also ist offenkundig: Zu »... ist gut« ist die Verneinung nicht »... ist etwas Nichtgutes«. Wenn nun von jedem einheitlichen Gegenstand entweder eine Behauptung oder ihre Verneinung wahr ist, so ist klar, wenn das keine Verneinung ist, dann wird das ja wohl eine Art Behauptung sein. Nun gibt es aber zu jeder Behauptung eine (ihr entsprechende) Verneinung, und zu dieser also wird sie sein: »... ist nicht etwas Nichtgutes«. Das hat nun folgende Anordnung zueinander: Es sei »gut sein« A, »nicht gut sein« B; »nicht-gut sein«, C, (stehe) unter B, »nicht-gut nicht sein«, D, (stehe) unter A. Dann steht alles vor der Wahl: Entweder A oder B kommt ihm zu, keinem mit sich Selbigen (beides oder keins), und somit auch: Entweder C oder D, und keinem (entsprechend). Und welchem das C (zukommt), an dem allen muß notwendig auch B vorliegen – wenn es doch wahr zu sagen ist »ist nicht-weiß«, so auch wahr »ist nicht weiß«; unmöglich ist es doch, gleichzeitig weiß zu sein und nicht-weiß zu sein oder nicht-weißes Holz zu sein und weißes Holz zu sein, also, wenn die Verneinung nicht, so wird die Behauptung vorliegen –; (umgekehrt) aber dem (durch) B (Bestimmten) das C nicht immer: Was nämlich ganz und gar nicht Holz (ist), das wird auch nicht nicht-weißes Holz sein. Andersherum nun, welchem A (zukommt), dem allen auch D – entweder ja doch C oder D; da es nun aber nicht geht, gleichzeitig nicht-weiß zu sein und weiß, wird also D vorliegen; von solchem, das weiß ist, ist es ja wahr zu sagen: Es ist nicht nicht-weiß –; dagegen von (dem durch) D (Bestimmten) nicht in allen Fällen auch A: Von solchem, was ganz und gar kein Holz ist, ist es nicht wahr, A zu sagen: Es ist weißes Holz, also ist D wahr, A dagegen, »es ist weißes Holz«, nicht wahr. Klar dann: A,C können nie an einem und demselben (Gegenstand) vorliegen, B und D dagegen können das in einigen Fällen.
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Entsprechend verhalten sich in dieser Anordnung auch die Verneinungen zu den Behauptungen: »Gleich« (sei) A, »nichtgleich« B, »ungleich« C, »nicht ungleich« D. Auch in vielen Fällen, wo eine und dieselbe (Eigenschaft) den einen (Teilstücken des Gegenstandsbegriffs) zukommt, den anderen nicht, kann ja wohl die Verneinung gleichermaßen wahr sein, (z. B.): Nicht alle sind weiß, oder: Nicht ein jedes ist weiß; dagegen, »jedes ist nicht-weiß« oder »alle sind nicht-weiß« – (diese Behauptung) ist falsch. Entsprechend ist auch zu »jedes Lebewesen ist weiß« die Verneinung nicht: »jedes Lebewesen ist nicht-weiß« – beide sind ja falsch –, sondern: »nicht jedes Lebewesen ist weiß«. Da es denn klar ist: »ist nicht-weiß« meint etwas anderes als »ist nicht weiß«, und das erste ist eine Behauptung, das zweite eine Verneinung, so ist offenkundig, daß die Weise, dies beides nachzuweisen, nicht die gleiche ist, etwa (für die Sätze): »Alles, was ein Lebewesen ist, ist nicht weiß« oder »... von dem kann es sein, daß es nicht weiß ist« und: »Es ist wahr gesprochen, (wenn man behauptet, es ist) nicht-weiß«, denn das will dies »es ist nicht-weiß« ja besagen. Genauer, für »es ist wahr gesprochen: Es ist weiß« oder: »... es ist nicht-weiß« ist es die gleiche Weise: Will man es aufstellen, so werden beide (Sätze) durch die erste (Schlußform) nachgewiesen; denn dies »wahrheitsgemäß« ist ja dem »ist« gleichgestellt: Zu »wahr gesprochen: weiß« ist die Verneinung nicht: »wahr gesprochen: nicht-weiß«, sondern: »nicht wahr gesprochen: weiß«. Wenn es denn also wahr gesprochen sein soll: Alles, was Mensch ist, ist gebildet, oder: ... ist nicht-gebildet, so muß man es nehmen als: Alles, was (menschliches) Lebewesen ist, ist entweder gebildet oder ist nicht-gebildet, und so ist es dann nachgewiesen. Dagegen, daß das, was Mensch ist, nicht gebildet sei, das wird, wenn man es einreißen will, nachgewiesen auf die drei vorgetragenen Weisen. Kurz und gut, wenn es zwischen A und B so steht, daß sie gleichzeitig an einem und demselben (Gegenstand) nicht (vorliegen) können, aber jeder (Gegenstand) sich notwendig entscheiden muß: Das eine oder das andere, und wieder, wenn
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es mit C und D genauso steht, und wenn dann A auf C folgt und das keine Umkehrung zuläßt: dann wird auch D dem B folgen, und das wird sich nicht umkehren lassen; und A und D können an dem gleichen (Gegenstand vorliegen), B und C dagegen können es nicht. Erstens nun also, daß D dem B folgt, ist aus folgendem einsichtig: Da an jedem (Gegenstand) von C, D notwendig das eine oder andere (vorliegen) muß, an welchem dann B (vorliegt), C es nicht kann, weil es doch A mit sich führt, A und B aber an dem gleichen nicht (vorliegen) können, so ist offenkundig: D folgt (dem B). Nochmal, da C dem A nicht in Umkehr entspricht, jeder (Gegenstand) aber wählen muß: Entweder C oder D, so kann A und D an dem gleichen (Gegenstand) vorliegen. Dagegen B und C können das nicht, weil dem C das A mitfolgt; es kommt ja sonst eine Unmöglichkeit heraus. Offenkundig nun also, daß auch B dem D nicht in Umkehr entspricht, wenn es doch gehen kann, daß D und A zugleich (an einem und demselben Gegenstande) vorliegt. Gelegentlich tritt es bei solcher Anordnung der Begriffe auch ein, daß man sich aufgrund dessen täuscht, daß man die Gegensätze nicht richtig nimmt, von denen doch notwendig der eine oder der andere an jedem (Gegenstand, den man herausgreift,) vorliegen muß. Z. B., wenn A und B nicht zugleich an einem und demselben (Gegenstand) vorliegen können, dabei aber notwendig ist: Welchem das eine davon nicht, dem kommt das andere zu, und wieder bei C und D genauso, und an welchem dann C vorliegt, dem allen folgt auch A –: dann wird ja eintreten: Welchem das D (zukommt), dem muß notwendig das B zukommen, – was denn aber falsch ist. Es sei also genommen F, als Verneinung von A, B, und wieder als die von C, D H; dann muß also alles sich entscheiden: Entweder A oder F, entweder die Behauptung oder ihre Verneinung. Und wieder, entweder C oder H, denn (die verhalten sich wie) Behauptung und Verneinung. Und: Welchem C, dem allen auch A, so ist es vorausgesetzt; also, welchem F, dem allen auch H. Wieder, da von F, B einem jeden (Gegenstand) entweder das eine oder das andere (zukommen muß), und von H, D entspre-
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chend, und da nun dem F das H folgt, so wird auch das B dem D folgen, das wissen wir ja. Wenn also dem C das A, dann auch dem D das B, das aber ist falsch: Die Folge bei Begriffen, die sich so (zu einander) verhalten, war doch umgekehrt. Also ist ja wohl (die Annahme) nicht notwendig: An allem entweder A oder F, und: (Entweder) F oder B; denn F ist nicht die Verneinung zu A. Zu »gut« ist »nicht gut« die Verneinung; »nicht gut« ist aber nicht das gleiche wie »weder gut noch nicht gut«. Entsprechend auch mit C, D: die genommenen Verneinungen sind zwei.
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Kapitel 1. In wievielen Formen nun also und mittels was für welcher und wievieler Eingaben und wann und wie Schluß sich ergibt, außerdem, worauf einer, der (eine Behauptung) aufstellen oder (eine) einreißen will, zu sehen hat, und wie man bei einer vorgelegten Aufgabe nach dem oder dem Verfahren auf die Suche zu gehen hat, schließlich noch, über welchen Weg wir die Anfangssetzungen in jedem Fall in die Hand bekommen: das alles sind wir nunmehr durchgegangen. – Da aber die einen Begriffsverhältnisse in Allform auftreten, die anderen in Teilform, (so liegt folgender Tatbestand vor): Die in Allform schließen alle immer auf mehrere Sachverhalte, von denen in Teilform (schließen) die mit den behauptenden Aussagen auf mehrerlei, die verneinenden dagegen nur auf (diesen einen) Schlußsatz allein. (Begründung): Die übrigen Eingangssätze lassen eine Umkehrung zu, der verneinende kennt keine Umkehrentsprechung; der Schlußsatz sagt etwas von etwas, also schließen die übrigen Schlüsse auf mehrere Sachverhalte, z. B., wenn gezeigt ist: A an allen B, oder an einigen, dann muß auch notwendig B an einigen A vorliegen; und wenn (gezeigt ist): A an keinem B, dann auch B an keinem A; das ist aber etwas anderes als das erste. Wenn dagegen (A) einigen (B) nicht zukommt, ist nicht notwendig, daß B auch einigen A nicht zukäme: es kann nämlich sein, es liegt an allen vor. Dies ist nun eine für alle – Schlüsse in Allform und solche in Teilform – gemeinsame Begründung; man kann es für die in Allform auch noch anders vortragen: Für alles, was entweder unter dem Mittelbegriff oder unter dem Schlußsatz steht, wird es der gleiche Schluß sein, wenn man das eine davon in den Mittelbegriff, das andere in den Schlußsatz stellt, z. B.: Wenn AB ein Schlußsatz ist, erreicht über C, dann muß von alledem, was unter B und C steht, A ausgesagt werden; wenn nämlich
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(etwa) D ganz in B (enthalten wäre), B aber in A, so wird auch D in A enthalten sein. Und wieder, wenn E ganz in C ist, C aber in A, so wird auch E in A sein. Entsprechend auch, wenn der Schluß verneinend ist. Im Falle der zweiten Schlußform ist nur zu schließen auf solches, was unter dem Schlußsatz steht, z. B.: Wenn A an keinem B, aber an allen C (vorliegt); Schlußsatz dann: B an keinem C. Wenn nun also D unter C steht, so ist offenkundig, daß ihm B nicht zukommt. Daß es dem unter A Stehenden nicht zukommt, ist aufgrund des Begriffsverhältnisses nicht klar; dennoch kommt es dem E nicht zu, wenn das unter A steht. Dagegen, daß B an keinem C vorliegt, ist zwar durch Schluß nachgewiesen, daß es aber an A nicht vorliege, ist unbewiesen angenommen, also ergibt sich die Behauptung, B komme E nicht zu, nicht durch einen Schluß. Im Falle der (Schlüsse) in Teilform ergibt sich für die unter dem Schlußsatz stehenden (Begriffe) keine Notwendigkeit – es ergibt sich nämlich kein Schluß, wenn diese (Eingabe) in Teilform genommen wird –, für die unter dem Mittelbegriff stehenden in allen Fällen, nur, nicht durch Schluß, etwa wenn A an allen B, B an einigen C (vorliegen soll): Für etwas, das unter C gesetzt ist, gibt es keinen Schluß, für etwas unter B Stehendes gibt es ihn, aber nicht aufgrund des Vorhergegangenen. Entsprechend auch im Falle der anderen Schlußform: Für etwas, das unter dem Schlußsatz steht, wird es das nicht geben, für das andere wohl, nur, nicht aufgrund von Schluß, insoweit auch in den Fällen mitAllaussage das unter dem Mittelbegriff Stehende von der unbewiesenen Eingabe aus nachgewiesen war; also, entweder geht das auch dort nicht oder in diesen Fällen eben auch. Kapitel 2. Es geht nun, erstens, daß es sich so verhält: Die Eingangssätze, durch die das Begriffsverhältnis eintritt, sind wahr, es geht auch, zweitens, sie sind falsch, es kann drittens sein, der eine ist wahr, der andere ist falsch. Der Schlußsatz ist notwendig entweder wahr oder falsch. Aus wahren (Eingangsannahmen) kann man nun nicht etwas Falsches schließen, aus falschen aber Wahres, nur, nicht, warum (das so ist),
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sondern (nur) daß (es so ist). Auf das Warum geht von falschen (Eingangsannahmen) aus ein Schluß nicht; aus welcher Ursache (das so ist), wird im folgenden vorgetragen werden. Erstens nun also, daß es nicht geht, aus Wahrem Falsches zu schließen, ist von folgendem aus klar: Wenn aufgrund dessen, daß A ist, notwendig auch B sein muß, dann ist notwendig, wenn B nicht ist, auch A nicht. Wenn nun also A wahr ist, muß notwendig auch B wahr sein, oder es würde sich ergeben, daß eines und dasselbe zugleich ist wie auch nicht ist; das aber ist unmöglich. Es soll aber nicht, weil hier mit A ein Begriff gesetzt ist, die Meinung entstehen, es könne sein, wenn ein Bestimmtes sei, daß dann aus Notwendigkeit irgendetwas folge; es ist nicht von der Art: Was da folgt, ist ja mit Notwendigkeit der Schlußsatz, durch was der aber zumindest zustandekommt, das sind drei Begriffe, zwei Verhältnisse (unter ihnen), also Eingaben. Wenn nun wahr ist: An welchem B vorliegt, dem allen kommt auch A zu, welchem aber C, dem auch B, dann muß notwendig an dem, welchem C zukommt, auch A vorliegen, und es kann nicht sein, daß das falsch wäre; denn sonst würde eines und dasselbe (an etwas) zugleich vorliegen und nicht vorliegen. »A« ist also hier wie eines gesetzt – zwei Eingangsannahmen zusammengenommen. Entsprechend verhält es sich auch im Falle der Verneinungen: Aus Wahrem kann man nichts Falsches nachweisen. Dagegen, aus falschen (Annahmen) Wahres zu erschließen, das geht, sowohl wenn beide Eingangssätze falsch sind, wie auch wenn es nur einer ist; der aber darf nicht einerlei welcher, sondern es muß der zweite sein, jedenfalls wenn man ihn ganz falsch nimmt; nimmt man ihn dagegen nicht als ganz falsch, so kann es jeder beliebige sein. Es sei also: A am ganzen C vorliegend, aber an keinem B, und auch B nicht an C. Das kann etwa sein im Falle von: »Lebewesen« an keinem Stein, und »Stein« an keinem Menschen. Wenn nun genommen wird: A an allen B, und B an allen C, dann wird auch A an allen C vorliegen, also aus zwei falschen
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(Annahmen) ergibt sich das wahre Verhältnis: Jeder Mensch ist ein Lebewesen. Entsprechend auch der Verneinungsfall: Es kommt ja vor, weder A noch B liegen an C in irgendeinem Falle vor, dagegen A an allen B, etwa bei gleichen ausgewählten Begriffen, wenn »Mensch« als Vermittlung gesetzt ist: Einem Stein kommt weder »Lebewesen« noch »Mensch« in irgendeinem Falle zu, dagegen jedem Menschen das »Lebewesen«. Wenn man nun also (die Sätze ins Gegenteil verkehrt und) annimmt: An welchem es (tatsächlich) vorliegt, dem komme es in keinem Falle zu, dann wird aus diesen beiden falschen (Annahmen) das wahre Begriffsverhältnis folgen. Entsprechend läßt sich das nachweisen auch für den Fall, daß jeder der beiden (Eingangssätze) nur in einer bestimmten Hinsicht als falsch angenommen ist. Wenn andererseits nur der eine (der Eingangssätze) als falsch gesetzt wird, dann wird im Falle, daß es der erste ist, und er ist als ganz falsch angenommen, also AB, der Schluß nicht wahr sein; gilt das dagegen für BC, so wird er es sein. Mit »ganz falsch« meine ich (den Satz), der das Gegenteil (des wahren) aussagt, z. B. wenn man nimmt: Etwas, das an keinem vorliegt, soll nun allen zukommen, oder (umgekehrt), was an allen vorliegt, nun an keinem. Es sei also (gesetzt): A kommt keinem B zu, B aber allen C; wenn ich also nun den Eingangssatz BC als wahr nehme, den AB aber als ganz falsch, also daß A allen B zukäme, dann ist es unmöglich, daß der Schlußsatz wahr wäre; (A) lag ja an keinem C vor, wenn doch (gegolten hat): Welchem B (zukommt), dem (kommt) A in keinem Falle (zu), und B liegt doch nun an allen C vor. Entsprechend auch (für folgenden Fall): Wenn A an allen B vorliegt und B an C, es wurde aber der Eingangssatz BC als wahr genommen, hingegen der AB als ganz falsch, also: Keinem, welchem B, kommt A zu –: so wird der Schlußsatz falsch sein; an jedem C wird A vorliegen, wenn doch (galt): An welchem B, an dem allen A, und B (liegt) an allen C (vor).
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Einleuchtend ist also: Wird die erste (Eingangsannahme) als ganz falsch genommen, einerlei ob sie nun behauptend ist oder verneinend, die andere dagegen als wahr, so wird der Schluß nicht wahr. Wird sie dagegen nicht als ganz falsch genommen, so wird er es: Wenn A dem C in allen Fällen zukommt, dem B in einigen, B aber allen C – z. B. »Lebewesen« (trifft) auf jeden Schwan (zu), auf Weißes nur in einigen Fällen, »weiß« aber liegt an jedem Schwan vor –: wenn dann angenommen wird, A an allen B, und B an allen C, dann wird auch A an allen C wahrheitsgemäß vorliegen: Jeder Schwan ist ein Lebewesen. Entsprechend auch, wenn AB verneint wäre: Es kann ja gehen, A liegt an einigen B vor, aber an keinem C, B hingegen an allen C, etwa: »Lebewesen« an einigem Weißen, aber in keinem Fall an Schnee, »weiß« dagegen an allem, was Schnee ist. Wenn nun angenommen würde: A an keinem B, B an allen C, dann wird A an keinem C vorliegen. Wenn andererseits die Eingangsannahme AB ganz wahr genommen ist, die BC als ganz falsch, gibt es wahres Verhältnis: es hindert ja nichts, daß A dem B und dem C in allen Fällen zukommt, B dagegen keinem C, etwa alle Arten der gleichen Gattung, die nicht unter einander stehen: »Lebewesen« kommt sowohl dem Pferd wie auch dem Menschen zu, »Pferd« aber keinem Menschen. Wenn nun angenommen wird: A an allen B, und B an allen C, dann wird der Schluß wahr sein, wo doch die Eingangsannahme BC ganz falsch war. Entsprechend auch, wenn die Eingangsannahme AB verneint ist: es kann nämlich sein, A liegt weder an B noch an irgendeinem C vor, und B auch nicht an irgendeinem C, wie etwa bei Arten aus verschiedener Gattung die (jeweils andere) Gattung: »Lebewesen« liegt weder an Musik noch an Heilkunst vor, und auch nicht »Musik« an Heilkunst. Wird nun angenommen: A an keinem B, B aber an allen C, so wird das Schlußverhältnis wahr sein. Und wenn (die Eingangsannahme) BC nicht ganz falsch ist, sondern nur in einer bestimmten Hinsicht, auch so wird das Schlußverhältnis wahr sein; es hindert ja nichts, daß A sowohl
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dem B wie auch dem C ganz zukommt, B dagegen einigen C, wie etwa die Gattung der Art und dem (artbildenden) Unterschied: »Lebewesen« (liegt) an allen Menschen (vor) und an allen Landwesen, »Mensch« dagegen nur einigem, eben nicht allem, was da auf Füßen geht. Wenn nun angenommen wäre: A an allen B, und B an allen C, dann wird A an allen C vorliegen, was ja wahr war. Entsprechend auch, wenn die Eingangsannahme AB verneint ist: Es kann ja sein, A liegt weder an B noch an C in irgendeinem Falle vor, B dagegen an einigen C, etwa die Gattung an der Art aus einer anderen Gattung und ihrem (artbildenden) Unterschied: »Lebewesen« liegt weder in irgendeinem Falle an »Einsicht« vor noch an der denkend-anschauenden, »Einsicht« dagegen an einigem, was anschauendes Denken ist. Wenn nun angenommen wäre: A an keinem B, B an allen C, dann wird A an keinem C vorliegen; das aber war wahr. Bei den Begriffsverhältnissen in Teilform kann es sein, erstens, wenn die erste Eingangsannahme ganz falsch, die andere aber wahr ist, ist der Schlußsatz wahr; zweitens, wenn die erste in einer Hinsicht falsch, die andere aber wahr ist, drittens, wenn die eine wahr, die in Teilform dagegen falsch ist, viertens, wenn beide falsch sind, (in allen Fällen entsprechend). Es hindert ja nichts, daß A an keinem B vorliegt, aber an einigen C, und B an einigen C, etwa, »Lebewesen« liegt an Schnee in keinem Falle vor, an Weißem aber in einigen, und »Schnee« an Weißem in einigen Fällen. Wenn nun »Schnee« als Mittelbegriff gesetzt wird, als erster »Lebewesen«, und angenommen würde: A liegt an dem ganzen B vor, B an einigen C – AB also ganz falsch, BC wahr –, so ist auch der Schlußsatz wahr. Entsprechend auch, wenn die Eingangsannahme AB verneint ist: es kann ja gehen, A liegt am ganzen B vor, an einigen C aber nicht, B dagegen liegt an einigen C vor, z. B. »Lebewesen« kommt allen Menschen zu, einigem Weißen aber folgt es nicht, »Mensch« dagegen liegt an einigem vor, was weiß ist; also, »Mensch« als Mittelbegriff gesetzt und dann angenommen: A liegt an keinem B vor, B an einigen C, dann wird
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der Schlußsatz wahr sein, wo doch die Eingangsannahme AB ganz falsch war. Und wenn die Eingangsannahme AB nur in bestimmter Hinsicht falsch ist, wird der Schlußsatz auch wahr sein. Es hindert ja nichts, daß A sowohl dem B wie dem C nur in einigen Fällen zukommt, und B an C in einigen Fällen vorliegt, etwa »Lebewesen« an einigem, was schön ist und was groß ist, und daß »schön« an einigem vorliegt, was groß ist. Wenn nun also angenommen wird: A an allen B, und B an einigen C, dann ist die Eingangsannahme AB in bestimmter Hinsicht falsch, die BC ist wahr, und der Schlußsatz ist auch wahr. Entsprechend für den Fall, daß die Eingangsannahme AB verneint ist: es sind dann die gleichen Einsetzungsbegriffe, und sie sind zum Nachweis genauso gestellt. Und wieder, ist (die Eingangsannahme) AB wahr, die BC falsch, so wird der Schlußsatz wahr sein; es hindert ja nichts, daß A am B in allen Fällen vorliegt, am C in einigen, und daß B keinem C zukommt, etwa: »Lebewesen« am Schwan in jedem Falle, an Schwarzem in einigen Fällen, »Schwan« dagegen an nichts, was schwarz ist. Wenn also nun angenommen würde: A an allen B, und B an einigen C, so wird der Schlußsatz wahr sein, wo doch BC falsch war. Entsprechend auch, wenn die Eingangsannahme AB verneint genommen wird: es kann ja gehen, A kommt dem B in keinem Falle, dem C in einigen Fällen nicht zu, dagegen B dem C in keinem Fall, etwa die Gattung der Art aus einer anderen Gattung und dem, was Arten ihrer selbst so nebenbei zutrifft: »Lebewesen« liegt an Zahl in keinem Falle vor, an Weißem in einigen, »Zahl« aber an nichts, was weiß ist. Wenn nun »Zahl« als Mittelbegriff gesetzt wird und man annimmt: A an keinem B, B aber an einigen C, dann wird A an einigen C nicht vorliegen, was denn wahr war; dabei ist die Eingangsannahme AB wahr, die BC falsch. Und wenn AB in bestimmter Hinsicht falsch, falsch aber auch die BC ist, so wird der Schlußsatz auch wahr; es hindert ja nichts, daß A einigen B und einigen C, beidesmal so, zukommt, B dagegen keinem C, etwa wenn B dem C entgegen-
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gesetzt ist, beide aber an der gleichen Gattung nebenbei auch zutreffen: »Lebewesen« liegt an einigem vor, was weiß, und an einigem, was schwarz ist, »weiß« dagegen aber an nichts, was schwarz ist. Wenn nun also angenommen wird: A an allen B, und B an einigen C, so wird der Schlußsatz wahr sein. Und wenn man (die Eingangsannahme) AB verneint nimmt, genauso: es werden dann die gleichen Einsetzungsbegriffe, und sie werden auch zum Nachweis genauso gestellt werden. Auch wenn beide (Eingangsannahmen) falsch sind, kann es einen wahren Schlußsatz geben: Es kann ja gehen, A liegt an keinem B, aber an einigen C vor, B dagegen an keinem C, etwa die Gattung an der Art aus einer anderen Gattung und an dem, was auf ihre eigenen Arten nebenbei auch zutrifft: »Lebewesen« liegt an Zahl in keinem Falle, an etwas Weißem aber in einigen Fällen vor, und »Zahl« an nichts, was weiß ist. Wenn nun also angenommen ist: A an allen B, und B an einigen C, so ergibt sich wahrer Schlußsatz, die Annahmen aber waren beide falsch. Entsprechend auch, wenn (die Eingangsannahme) AB verneint ist: Es hindert ja nichts, daß A dem B in allen Fällen zukommt, an C aber in einigen Fällen nicht vorliegt, und auch B in keinem Falle an C, etwa »Lebewesen« an jedem Schwan, an einigem aber, was schwarz ist, liegt es nicht vor, »Schwan« dagegen an nichts, was schwarz ist. Wenn also nun angenommen wäre: A an keinem B, B aber an einigen C, dann wird A an einigen C nicht vorliegen. Der Schlußsatz ist also wahr, die Eingangsannahmen aber (waren) falsch. Kapitel 3. In der mittleren Schlußform geht es auf alle Weisen, aufgrund falscher (Annahmen) etwas Wahres zu erschließen, sowohl wenn beide Eingänge als ganz falsch genommen werden, wie auch wenn jeder der beiden es nur in bestimmter Hinsicht ist, und auch wenn die eine (Annahme) wahr, die andere [ganz] falsch ist, einerlei welche nun als falsch gesetzt ist, [und wenn beide in bestimmter Hinsicht falsch sind, und wenn die eine ohne Einschränkung wahr, die andere in bestimmter Hinsicht falsch, und wenn die eine ganz falsch, die andere
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in bestimmter Hinsicht wahr ist] sowohl in den Schlüssen mit All- wie bei denen in Teilform: Wenn also A an keinem B vorliegt, aber an allen C, etwa »Lebewesen« an keinem Stein, aber an jedem Pferd, wenn dann die Eingangssätze ins Gegenteil gesetzt werden und man annimmt: A an allen B, aber an keinem C, dann wird aus diesen Annahmen, die ganz falsch sind, ein wahrer Schlußsatz folgen. Entsprechend auch, wenn A an allen B, aber an keinem C vorliegt: es ist ja der gleiche Schluß. Und wieder, wenn die eine (Eingangsannahme) ganz falsch, die andere ganz wahr (ist, dann entsprechend): Es hindert ja nichts, daß A sowohl dem B wie auch dem C in jedem Falle zukommt, B dagegen keinem C, etwa die Gattung an den Arten, die nicht unter einander stehen: »Lebewesen« kommt jedem Pferd und jedem Menschen zu, und kein Mensch (ist ein) Pferd. Wenn nun also angenommen wird: (A) kommt dem einen in allen Fällen, dem anderen in keinem zu, so ist die eine (Annahme) ganz falsch, die andere ganz wahr, und der Schlußsatz wahr, einerlei wozu die Verneinung gesetzt wird. Und wenn die eine in bestimmter Hinsicht falsch, die andere ganz wahr ist: Es kann ja gehen, A liegt an einigen B vor, aber an allen C, dagegen B an keinem C, etwa »Lebewesen« an einigem, was weiß ist, aber an jedem Raben, und »weiß« an keinem Raben. Wenn nun also angenommen ist: A kommt keinem B, aber dem C in seiner Gesamtheit zu, dann ist die Eingangsannahme AB in bestimmter Hinsicht falsch, die AC ganz wahr, und der Schlußsatz wahr. Und setzt man die Verneinung um, genauso: der Beweis geht ja durch die gleichen Begriffe. Und wenn die behauptende Annahme in bestimmtem Sinne falsch, die verneinende ganz wahr ist: es hindert ja nichts, daß A einigen B zukommt, dem C aber ganz und gar nicht, und auch B keinem C, etwa »Lebewesen« einigem, was weiß ist, aber an Pech liegt es in keinem Falle vor, und »weiß« an Pech in keinem Falle. Wenn nun also angenommen ist: A kommt dem B in seiner Gesamtheit zu, dem C aber in keinem Falle, so ist die (Annahme) AB in bestimmter Hinsicht falsch, die AC ganz wahr, und der Schlußsatz wahr.
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Auch wenn beide Eingangsannahmen in bestimmter Hinsicht falsch sind, gibt es einen wahren Schlußsatz: Es kann ja gehen, A liegt an B sowie auch an C in einigen Fällen vor, B aber an keinem C, etwa »Lebewesen« an einigem, was weiß ist, und einigem, was schwarz ist, »weiß« aber an nichts, was schwarz ist. Wenn nun angenommen ist: A an allen B, aber an keinem C, so sind beide Annahmen in bestimmter Hinsicht falsch, der Schlußsatz aber wahr. Entsprechend auch bei Umstellung der Verneinung, (Nachweis) durch die gleichen Einsetzungsbegriffe. Offenkundig ist das auch bei den Begriffsverhältnissen in Teilform: Es hindert ja nichts, daß A allen B und einigen C zukommt, und B dann an einigen C nicht vorliegt, etwa »Lebewesen« an jedem Menschen und einigem, was weiß ist, dann wird »Mensch« an einigem, was weiß ist, nicht vorliegen. Wenn nun also gesetzt ist: A liegt an keinem B vor, aber es trifft bei einigen C zu, dann ist die Eingangsannahme in Allform ganz falsch, die in Teilform wahr, und auch der Schlußsatz wahr. Genauso auch, wenn die Annahme AB behauptend genommen wird: Es kann ja gehen, daß A an keinem B, und einigen C nicht vorliegt, und B dann an einigen C nicht vorliegt, etwa »Lebewesen« an nichts, was keine Seele hat, an einigem, was weiß ist, , und »unbelebt« liegt an einigem, was weiß ist, nicht vor. Wenn nun gesetzt ist: A liegt an allen B, an einigen C aber nicht vor, dann ist die Annahme AB – die Allaussage – ganz falsch, die AC wahr, und der Schlußsatz wahr. Und wenn die (Annahme) in Allform als wahr gesetzt wird, die in Teilform als falsch, (dann genauso): Es hindert ja nichts, daß A weder dem B noch dem C in irgendeinem Falle folgt, daß dann allerdings B an einigen C nicht vorliegt, etwa »Lebewesen« an Zahl in keinem Fall, und an Unbeseeltem ebenso, und »Zahl« folgt einigem, was leblos ist, nicht. Wenn nun gesetzt ist: A an keinem B, aber an einigen C, so wird der Schlußsatz wahr sein, wie die Eingangsannahme in Allform auch, die in der Teilform dagegen war falsch. Und wenn die (Annahme) in Allform behauptend gesetzt wird, dann genauso: Es kann ja gehen, daß A sowohl an B
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wie auch an C zur Gänze vorliegt, und doch B einigen C nicht folgt, etwa die Gattung der Art und dem (artbildenden) Unterschied: »Lebewesen« folgt allem, was Mensch ist, und allem, was zu Lande lebt, »Mensch« aber nicht allem, was zu Lande lebt. Wenn also angenommen ist: A liegt an B in seiner Gesamtheit vor, auf einige C aber trifft es nicht zu, so ist die Annahme in Allform wahr, die in Teilform falsch, der Schlußsatz wahr. Offenkundig ist auch, daß aus beiden, als falsch genommenen, (Eingangssätzen) ein wahrer Schlußsatz folgen kann, wenn doch sein kann: A liegt sowohl an B wie auch an C in ihrer Gesamtheit vor, B dagegen folgt einigen C nicht. Wird nun also genommen: A liegt an keinem B vor, aber an einigen C, dann sind beide Eingangsannahmen falsch, der Schlußsatz aber wahr. Entsprechend auch, wenn der Eingangssatz in Allform behauptend ist, der in Teilform verneinend: Es kann ja gehen, daß A dem B in keinem, dem C dagegen in jedem Falle folgt, und B liegt dann an einigen C nicht vor, etwa »Lebewesen« folgt auf Wissen in keinem, auf Mensch aber in jedem Falle, »Wissen« auf Mensch nicht in jedem Fall. Wenn nun genommen wird: A liegt an B in seiner Gesamtheit vor, folgt einigen C aber nicht, dann sind die Eingangssätze falsch, der Schlußsatz aber wahr. Kapitel 4. Es kann auch in der letzten Schlußform über falsche (Annahmen) Wahres geben, sowohl wenn beide ganz falsch sind, wie auch wenn es eine jede nur in bestimmter Hinsicht ist, und auch wenn die eine ganz wahr, die andere (ganz) falsch ist, und wenn die eine in bestimmter Hinsicht falsch, die andere ganz wahr ist, und auch umgekehrt, und wie anders sonst noch es gehen kann, die Annahmen zu verändern. Es hindert ja nichts, daß weder A noch B in irgendeinem Falle an C vorliegen, und doch A einigen B zukommt, etwa: Weder »Mensch« noch »Landlebewesen« folgen irgendeinem, das unbeseelt ist, dagegen »Mensch« liegt an einigen Landlebewesen wohl vor. Wenn nun angenommen ist: A und B liegen an allen C vor, dann sind die Eingangssätze zwar ganz falsch, der Schluß aber wahr.
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Genauso auch, wenn die eine (Annahme) verneinend, die andere behauptend ist: Es kann ja gehen, daß B an keinem C vorliegt, A dagegen an allen, und daß A dann an einigen B nicht vorliegt, etwa »schwarz« an keinem Schwan, »Lebewesen« aber an jedem, und »Lebewesen« nicht an allem, was schwarz ist. Wenn also nun genommen ist: B an allen C, A an keinem, dann wird A einigen B nicht zukommen, und der Schlußsatz ist wahr, die Annahmen zu ihm aber falsch. Auch wenn jede der beiden (Annahmen) nur in bestimmter Hinsicht falsch ist, so kann es wahren Schlußsatz geben: Es hindert ja nichts, daß sowohl A wie auch B an einigen C vorliegen, und dann A an einigen B, etwa »weiß« und »schön« treffen auf einige Lebewesen zu, und »weiß« auf einiges, das schön ist. Wenn nun gesetzt ist: A und B liegen an allen C vor, dann sind die Annahmen in bestimmter Hinsicht falsch, der Schlußsatz aber wahr. Und wenn (die Annahme) AC verneinend gesetzt wird, dann entsprechend: Es hindert ja nichts, daß A an einigen C nicht vorliegt, B aber einigen zukommt, und daß dann A nicht an allen B vorliegt, etwa liegt »weiß« an einigen Lebewesen nicht vor, »schön« liegt an einigen vor, und dann »weiß« nicht an allem, was schön ist. Wenn also nun angenommen ist: A an keinem C, B dagegen an allen, so sind beide Eingangssätze in bestimmter Hinsicht falsch, der Schlußsatz aber wahr. Genauso auch, wenn die eine (Annahme) als ganz falsch, die andere als ganz wahr genommen wird: Es kann ja gehen, daß sowohl A wie auch B allen C folgen, daß dann jedoch A an einigen B nicht vorliegt, etwa: »Lebewesen« und »weiß« folgt auf Schwan in allen Fällen, »Lebewesen« dagegen liegt nicht an allem vor, was weiß ist. Nachdem nun also die Begriffe so gesetzt sind – wenn dann angenommen wird: B liegt an C in allen seinen Fällen vor, A dagegen in allen nicht, dann ist (die Annahme) BC ganz wahr, die AC dagegen ganz falsch, und der Schlußsatz wahr.
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Entsprechend auch, wenn BC falsch, AC aber wahr ist: es sind ja die gleichen Einsetzungsbegriffe für den Nachweis [schwarz, Schwan, unbeseelt]. Aber auch, wenn beide (Eingangsannahmen) behauptend genommen würden: Es hindert ja nichts, daß B allen C folgt, A dagegen ihm in seiner Gesamtheit nicht zukommt, und dann A an einigen B vorliegt, etwa jedem Schwan »Lebewesen«, »schwarz« dagegen keinem Schwan, und »schwarz« liegt an einigen Lebewesen vor. Wenn nun also angenommen wird: A und B liegen an allen C vor, so ist (die Annahme) BC ganz wahr, die AC ganz falsch, und der Schlußsatz wahr. Entsprechend auch, wenn AC als wahr genommen wird: der Nachweis erfolgt durch die gleichen Einsetzungsbegriffe. Und wieder, ist die eine (Annahme) ganz wahr, die andere in bestimmter Hinsicht falsch, (so geht es auch): Es kann ja gehen, daß B an allen C vorliegt, A an einigen, und dann A an einigen B, etwa »zweifüßig« an jedem Menschen, »schön« dagegen nicht an allen, und dann liegt »schön« an einigem vor, was zweifüßig ist. Wenn nun angenommen ist: Sowohl A wie auch B liegen an C in seiner Ganzheit vor, dann ist (die Annahme) BC ganz wahr, die AC in bestimmter Hinsicht falsch, der Schlußsatz wahr. Entsprechend auch, wenn (die Annahme) AC als wahr, die BC als in bestimmter Hinsicht falsch genommen wird: Indem man die gleichen Begriffe umstellt, erfolgt der Nachweis dafür. Und wenn die eine (Annahme) verneinend, die andere behauptend ist, (dann ebenso): Da es ja gehen kann, daß B an dem gesamten C vorliegt, A an einigen (C), und wenn sie in dem Verhältnis stehen, dann A nicht an allen B –: und wenn nun angenommen wird: B liegt an dem gesamten C vor, A dagegen an keinem, dann ist die verneinende (Annahme) in bestimmter Hinsicht falsch, die andere ganz wahr, und (ebenso) der Schlußsatz. Und wieder, da nachgewiesen ist: Wenn A an keinem C vorliegt, das B aber an einigen, dann kann es gehen, daß A an einigen B nicht vorliegt, so ist offenkundig: Auch wenn (die
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Annahme) AC ganz wahr ist, die BC dagegen in bestimmter Hinsicht falsch, dann kann es gehen, daß der Schlußsatz wahr ist. Wenn nämlich angenommen wird: A an keinem C, B aber an allen, (so ist) die (Annahme) AC ganz wahr, die BC dagegen in bestimmter Hinsicht falsch. Offenkundig ist das auch im Falle der Schlüsse in Teilform: In allen Fällen kann Wahres durch Falsches erschlossen werden; man muß dazu die gleichen Einsetzungsbegriffe nehmen wie in dem Falle, wenn die Eingangsannahmen in Allform stehen: In behauptenden behauptete, in verneinenden verneinte. Es macht nämlich im Hinblick auf die Herausstellung der Begriffe keinen Unterschied, wenn er an keinem vorliegt, zu nehmen, er liege in allen Fällen vor, und wenn er in einigen Fällen vorliegt, zu nehmen, er liege in Allform vor; entsprechend auch im Falle der Verneinungen. – Offenkundig ist nun also: Wenn der Schlußsatz falsch ist, so müssen notwendig (die Annahmen), von denen aus die Herleitung (erfolgt), entweder alle, oder einige davon, falsch sein; ist er dagegen wahr, so ist nicht notwendig, daß sie wahr sein müssen, weder eine bestimmte noch alle, sondern es geht auch, wenn von den Bestandteilen in einem Schlußablauf keiner wahr ist, daß doch der Schlußsatz gleichermaßen wahr ist. Allerdings nicht aus Notwendigkeit so. Ursächlich dafür ist: Wenn zwei (Bestimmungen) sich so zu einander verhalten, daß, wenn es die eine gibt, notwendig auch die andere sein muß, dann wird, wenn dies (Letztere) nicht ist, es auch das andere nicht geben; wenn es aber ist, muß das andere nicht notwendig sein. Wenn aber eines und dasselbe ist und nicht ist, so ist aus Notwendigkeit unmöglich, daß es eines und dasselbe ist – ich meine z. B. (folgendes): Wenn A weiß ist, daß dann B mit Notwendigkeit groß sein muß, und wenn A nicht weiß ist, daß B aus Notwendigkeit groß sein muß; wenn nämlich aufgrund dessen, daß dies – A – weiß ist, jenes – B – notwendig groß ist, wenn aber B groß ist, dann C nicht weiß, so ist notwendig: Wenn A weiß, daß dann C nicht weiß ist. Und wenn von zwei vorhandenen (Bestimmungen) aufgrund dessen, daß
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die eine gilt, notwendig auch die andere gelten muß, ist diese (Letztere) aber nicht, so gilt notwendig auch die erste nicht, nun also: Wenn B nicht groß ist, ist A nicht in der Lage, weiß zu sein. Ist es aber doch notwendig, angesichts dessen daß A nicht weiß ist, daß B groß ist, so ergibt sich mit Notwendigkeit: Angesichts dessen, daß B nicht groß ist, ist eben dies B groß, und das ist unmöglich. Wenn nämlich B nicht groß ist, wird A aus Notwendigkeit nicht weiß sein; wenn nun angesichts der Lage, daß dies nicht weiß ist, B groß sein wird, so ergibt sich: Wenn B nicht groß ist, ist es groß, als wäre es aus drei (Begriffen erfolgt). Kapitel 5. Das »Im-Kreis-herum-« und »Aus-einander-Beweisen« ist dies: Mithilfe des Schlußsatzes und indem man, in umgekehrter Aussage, den einen Eingangssatz hernimmt, den dann noch übrigen zum Ziel eines Schlußsatzes zu machen, den man doch in einem anderen Schluß angenommen hatte. Etwa wenn nachzuweisen wäre: A liegt an allen C vor, und man hat es nachgewiesen mittels B, wenn man dann wieder nachweisen wollte: A liegt an B vor, indem man nimmt: A liegt an C vor, und C an B; zuvor hatte man doch umgekehrt angenommen: B liegt an C vor. Oder, wenn nachzuweisen ist: B liegt an C vor, wenn man dann nähme: A (wird) von C (ausgesagt), was der Schlußsatz war, und: B gilt von A, – zuvor war doch umgekehrt angenommen: A von B. Anders geht es nicht, den Beweis aus einander zu führen: wenn man nämlich einen anderen Mittelbegriff nehmen will, (geht es) nicht im Kreis herum; man nimmt ja nicht wieder (eine Bestimmung aus dem Bestand) derselben; wenn andererseits eine von diesen, so kann es notwendig nur die andere sein: nähme man sie nämlich beide, so gibt es wieder den gleichen Schlußsatz; es sollte jedoch ein anderer sein. Bei Aussagen, die keine Umkehrentsprechung kennen, erfolgt somit der Schluß von der Sachlage aus, daß eine der beiden Eingangsannahmen unbewiesen ist, denn mittels dieser (gesetzten) Begriffe kann man nicht nachweisen, daß dem mittleren der dritte oder dem ersten der mittlere zukommt. Bei solchen Sätzen dagegen, die Umkehrung zulassen, kann
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man alles durch einander beweisen, etwa wenn A und B und C sich durch einander ersetzen lassen. Es sei also nachgewiesen: AC, durch Vermittlung von B, und umgekehrt: AB, durch den Schlußsatz und die umgekehrte Eingangsannahme BC; entsprechend auch: BC, durch den Schlußsatz und die umgekehrte Eingangsannahme AB. Nun sind aber Eingangsannahme CB und BA noch zu beweisen, wir haben ja sie allein unbewiesen in Gebrauch genommen. Wenn man nun angenommen hat: B liegt an allen C vor, und C an allen A, so ergibt sich Schluß auf das Verhältnis B zu A. Und wieder, wenn angenommen ist: C an allen A, A an allen B, so ist notwendig: C kommt allen B zu. In diesen beiden Schlüssen also ist die Eingangsannahme CA unbewiesen angenommen worden; die anderen waren ja aufgezeigt. Wenn wir also diese nachweisen können, werden sie alle durch einander aufgezeigt sein. Wenn nun also angemommen wird: C liegt an allen B vor, und B an allen A, sind es erstens beide Eingangsannahmen, die als bewiesene angenommen sind, zweitens ist (aus ihnen) auch notwendig: C liegt an A vor. Somit ist also offenkundig: Allein bei Sätzen, die sich umkehren lassen, kann es sein, daß Beweise im Kreis herum und durch einander erfolgen, bei den anderen (ist es so), wie wir früher vorgetragen haben. Es tritt auch in diesen Fällen ein, das Nachgewiesene selbst für den Beweis in Gebrauch zu nehmen: C wird, als von B geltend, und B, als von A (geltend), bewiesen, dadurch daß angenommen ist: C wird von A ausgesagt; daß aber C seinerseits von A (gilt), wird wieder durch diese Eingangsannahmen aufgezeigt, also: Wir nehmen das Schlußergebnis zum Beweise in Anspruch. Bei den verneinenden Schlüssen wird folgendermaßen aus einander Beweis geführt: Es gelte, B liegt an allen C vor, A aber an keinem B; Schlußsatz dann: A an keinem C. Wenn nun also in Umkehrrichtung zustandegebracht werden soll: A an keinem B, was man doch vormals angenommen hatte, so gelte also: A an keinem C, C an allen B – so ist die Eingangsannahme ja umgekehrt. Wenn es dagegen darum geht, als Ergebnis zustandezubringen: B an C, ist der Sachverhalt AB nicht mehr in entsprechender Weise umzukehren – es ist
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nämlich die gleiche Annahme: B liegt an keinem A vor, und A an keinem B –, sondern man muß nehmen: An welchem A in keinem Falle vorliegt, an dem B in jedem Falle. Es gelte: A liegt an keinem C vor, – das war doch der Schlußsatz; welchem aber A in keinem Falle, dem – so sei angenommen – kommt B in jedem Falle zu, also notwendig: B liegt an allen C vor. Also, von den Sätzen, die dreie sind, ist jeder einmal zum Schlußergebnis geworden, und das heißt doch dies »Im-Kreis-HerumBeweisen«: Den Schlußsatz zur Annahme machen, die andere Annahme in umgekehrter Form dazuzunehmen und dann auf die restliche (Annahme) zu schließen. Bei Schlüssen in Teilform ist der Eingangssatz in Allform nicht mithilfe der anderen (Sätze) nachzuweisen, bei denen in Teilform geht es. Daß also die Allaussage nicht beweisbar ist, liegt auf der Hand: Aussagen in Allform werden nachgewiesen durch solche in Allform, der Schlußsatz ist aber hier keine Allaussage, man muß aber doch den Nachweis mithilfe des Schluß- und des anderen Eingangssatzes führen. Darüber hinaus, es erfolgt überhaupt kein Schluß, wenn der Eingangssatz umgekehrt wird: beide Eingangssätze treten ja dann in Teilform auf. Den (Eingangssatz) in Teilform dagegen kann man (aus den anderen beweisen). Es sei also bewiesen: A (wird) von einigen C (ausgesagt), über B. Wenn nun also angenommen ist: B an allen A, und der Schlußsatz bleibt so, dann wird B einigen C zukommen; es tritt ja dann die erste Schlußform auf, und A ist die Vermittlung. Ist dagegen der Schluß verneinend, dann ist die Eingangsannahme in Allform nicht zu beweisen, aus dem gleichen Grunde, der vorhin genannt wurde; bei der in Teilform geht es, wenn (der Satz) AB entsprechend umgekehrt wird, wie bei den Allaussagen auch [geht nicht, geht nur mithilfe von Hinzunahme], etwa: Welchem A in einigen Fällen nicht zukommt, an dem liegt B in einigen Fällen vor; anders erfolgt ja auch kein Schluß, aufgrund dessen daß der Eingangssatz in Teilform verneint ist.
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Kapitel 6. In der zweiten Schlußform ist behauptete Aussage auf diese Weise nicht aufzuzeigen, bei verneinter geht es: Zusprechende Aussage läßt sich deshalb nicht nachweisen, weil nicht beide Eingangsannahmen behauptend sind: der Schlußsatz ist ja verneint, von behauptender Aussage war aber nachgewiesen, (sie ergibt sich nur) aus beiden (als) behauptend (gesetzten Eingangssätzen). Verneinte Aussage wird so nachgewiesen: Es liege also A an allen B vor, aber an keinem C; Schlußsatz dann: B an keinem C. Wenn nun angenommen ist: B liegt an allen A vor [aber an keinem C], so ist notwendig: A liegt an keinem C vor; es tritt dann ja die zweite Schlußform auf, Vermittlung (ist) B. Wenn dagegen (der Satz) AB verneint genommen ist, der andere behauptet, so wird es die erste Schlußform: C an allen A, B an keinem C, also: B an keinem A; dann also auch nicht A an B. Aufgrund des Schlußsatzes und der einen Eingangsannahme erfolgt also kein Schluß, wird die andere dagegen hinzugenommen, so gibt es einen. Wenn aber der Schluß nicht in Allform steht, dann ist die Eingangsannahme mit der Ganzheitsaussage nicht nachzuweisen, aus dem gleichen Grund, den wir auch schon früher vorgetragen haben; die dagegen in Teilform läßt sich nachweisen, wenn die Allaussage behauptend ist: Es liege A an allen B vor, aber an nicht allen C; Schlußsatz dann: BC. Wenn nun angenommen ist: B an allen A, aber nicht an allen C, dann wird A an einigen C nicht vorliegen; Vermittlung (ist) B. Ist dagegen die Allaussage verneint, läßt sich die Eingangsannahme AC nicht nachweisen, nachdem der Satz AB umgekehrt ist; dann tritt nämlich ein, daß entweder beide Eingangssätze oder der eine davon verneint werden, sodaß es keinen Schluß gibt. Aber es läßt sich gleichermaßen Nachweis führen wie auch in den Fällen der Allaussage, wenn angenommen ist: An welchem B in einigen Fällen nicht vorliegt, dem kommt A in einigen Fällen zu. Kapitel 7. Bei der dritten Schlußform (liegt es so): Wenn beide Eingangssätze in Allform genommen sind, geht es nicht, den Nachweis aus einander zu führen: Allaussage wird durch
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Allaussagen nachgewiesen, der Schlußsatz in dieser (Schlußform) ist aber immer in Teilform, somit liegt auf der Hand: Es kann überhaupt nicht sein, durch diese Schlußform die Eingangsannahme in Allform zu beweisen. Wenn andererseits die eine (Eingangsannahme) in Allform, die andere in Teilform steht, so wird es bald gehen, bald aber nicht. Wenn also beide behauptend genommen sind, und die Allaussage tritt zu dem kleineren Eckbegriff, geht es; steht sie bei dem anderen, geht es nicht. Es liege als A an allen C vor, B an einigen; Schlußsatz dann: AB. Wenn nun genommen wird: C liegt an allen A vor, so ist zwar nachgewiesen: C kommt einigen B zu, dagegen B an einigen C ist nicht nachgewiesen; dennoch ist notwendig: Wenn C einigen B (zukommt), dann liegt auch B an einigen C vor. Aber es ist nicht das gleiche (zu sagen): »Das kommt diesem, und dieses kommt dem zu«, sondern man muß noch dazunehmen: »Wenn das an einigem von diesem, dann auch das andere an einigem von dem ...« Wird das nun genommen, dann erfolgt von dem Schlußsatz und der anderen Eingangsannahme aus kein Schluß mehr. Wenn dagegen (vorliegt): B an allen C, A an einigen C, so läßt sich die Aussage AC beweisen, wenn angenommen ist: C liegt an allen B vor, A an einigen; wenn nämlich C an allen B, und A an einigen B, so ist notwendig, daß A an einigen C vorliegt; Mittelbegriff (ist) B. Und, ist die eine (Eingangsannahme) behauptend, die andere verneinend, die behauptete in Allform, so läßt sich die andere nachweisen. Es liege also B an allen C vor, A dagegen an einigen (C) nicht; dann Schlußsatz: A kommt einigen B nicht zu. Wird nun dazugenommen: C liegt an allen B vor, so ist notwendig: A liegt an einigen C nicht vor; Mittelbegriff (ist) B. Wenn dagegen die verneinende (Eingangsannahme) in Allform getreten ist, läßt sich die andere nicht nachweisen, außer etwa wie in dem früheren Fall, wenn man annimmt: Welchem dies in einigen Fällen nicht zukommt, dem kommt das andere in einigen zu, z. B.: Wenn A keinem C, B aber einigen (C zu-
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kommt), so ist der Schlußsatz: A liegt an einigen B nicht vor. Wenn nun genommen wird: An welchem A in einigen Fällen nicht vorliegt, an dem liegt C in einigen vor, so ist notwendig: C liegt an einigen B vor. Anders geht es nicht, indem man die Eingangsannahme in Allform umkehrt, die andere zu beweisen; es ergibt sich auf keine Weise ein eindeutiges Begriffsverhältnis. [Offenkundig nun also: In der ersten Schlußform findet der gegenseitige Nachweis sowohl durch die dritte wie auch durch die erste Form statt; ist der Schlußsatz behauptend, dann durch die erste, ist er verneinend, dann durch die letzte; es wird dazu genommen: Welchem dieses in keinem Falle, an dem liegt das andere in allen Fällen vor. In der mittleren (Schlußform führt man den Beweis so): Ist der Schluß eine Allaussage, dann durch sie selbst und durch die erste Form; ist er eine Teilaussage, so durch sie selbst und die letzte. In der dritten (Schlußform) aber alle (Beweise) durch sie selbst. Offenkundig ist aber auch: In der dritten und der mittleren (Schlußform) laufen die nicht in diesen selbst erfolgenden Schlüsse entweder nicht im Sinne des Beweises im Kreisgang ab, oder sie sind unvollkommen.] Kapitel 8. Umkehren bedeutet: Man setzt das Schlußergebnis (ins Gegenteil) um und zieht dann Schluß darauf, daß entweder der (erste) Eckbegriff dem mittleren nicht zukommt oder dieser (nicht) dem letzten. Es ist ja notwendig, wenn der Schlußsatz umgekehrt wird und die eine Eingangsannahme stehenbleibt, daß die restliche umgerissen wird; würde sie stehenbleiben, hätte ja auch das Schlußergebnis Bestand. Es macht aber einen Unterschied, das Schlußergebnis entweder in entgegensetzender oder in gegenüberstellender Weise umzukehren: es erfolgt nämlich nicht der gleiche Schluß, wenn (die Aussage) so oder anders umgekehrt wird; das wird aus dem folgenden klarwerden. Mit »entgegengesetzt sein« meine ich: Allem (zukommen) – nicht allem, und: Einigem (zukommen) – keinem; mit »gegenüberstehen«: Allem (zukommen) – keinem, und: Einigem zukommen – einigem nicht.
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Es sei also bewiesen: A (ausgesagt) von C, durch Vermittlung von B. Wenn denn also angenommen wäre: A liegt an keinem C vor, aber an allen B, so wird B an keinem C vorliegen; und: Wenn A an keinem C, B aber an allen C, dann: A nicht an allen B, und nicht zusatzlos: An keinem. (Begründung): Es wurde ja eine Allaussage durch die letzte Schlußform nicht nachgewiesen. Überhaupt ist die Eingangsannahme, die das Verhältnis zum größeren Eckbegriff ausspricht, nicht in allgemeiner Form durch Umkehrung einzureißen: sie wird ja immer durch die dritte Schlußform aufgehoben; es ist ja notwendig, beide Eingangsannahmen im Verhältnis zum letzten Eckbegriff zu nehmen. Und wenn der Schluß verneinend ist, genauso: Es sei also bewiesen, A liegt an keinem C vor, mittels B. Wenn nun also genommen wird: A liegt an allen C vor, B aber an keinem, dann wird B an keinem C vorliegen. Und: Wenn A und B an allen C (vorliegen), so auch A an einigen B. Aber es kam doch keinem zu. Wenn dagegen das Schlußergebnis in entgegenstellender Form umgekehrt wird, so werden auch die Schlüsse entgegengesetzt sein und nicht in Allform auftreten: es erfolgt ja die eine Eingangsannahme in Teilform, also wird auch der Schlußsatz die Teilform annehmen. Es sei also der Schluß behauptend, und er soll so umgekehrt werden: Wenn also A nicht an allen C, aber an allen B (vorliegt), so B nicht an allen C; und wenn A nicht jedem C, B aber jedem (zukommt), so A nicht allen B. Entsprechend auch, wenn der Schluß (im Ergebnis) verneint ist: Wenn A an einigen C vorliegt, aber an keinem B, so wird B an einigen C nicht vorliegen, nicht zusatzlos an keinem; und wenn A an einigen C, B aber an allen (C vorliegt), wie zu Anfang genommen war, so wird A an einigen B vorliegen. Bei den Schlüssen in Teilform werden, wenn der Schlußsatz in entgegengesetzter Weise umgekehrt wird, beide Eingangsannahmen eingerissen; geschieht es in gegenüberstellender Weise, so keine. Es tritt nämlich nicht mehr ein, wie
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in den Fällen mit der Allaussage, dadurch einzureißen, daß das Schlußergebnis in seiner umgekehrten Form einen Mangel aufweist, sondern überhaupt kein Einreißen. Es sei also bewiesen: A (ausgesagt) von einigen C. Wenn nun angenommen ist: A liegt an keinem C vor, B an einigen, so wird A einigen B nicht zukommen; und wenn A an keinem C, aber an allen B (vorliegt), so B an keinem C. Somit werden beide (Eingangssätze) eingerissen. Erfolgt dagegen die Umkehrung in gegenüberstellender Weise, so keiner von beiden: Wenn A einigen C nicht zukommt, aber allen B, so wird B an einigen C nicht vorliegen, aber damit ist die Anfangsannahme noch nicht aufgehoben: es kann nämlich sein, es kommt einigen zu und einigen nicht zu. Auf die (Eingangsannahme) in Allform, AB, erfolgt überhaupt kein Schluß: Wenn A einigen C nicht zukommt, B aber kommt einigen zu, so steht ja keine der Eingangsannahmen in Allform. Entsprechend auch, wenn der Schluß (im Ergebnis) verneint ist: Wenn nämlich angenommen wäre, A liegt an allen C vor, so werden beide (Eingangsannahmen) eingerissen; wenn (A) nur an einigen (C vorliegt), so keine. Beweis ist der gleiche. Kapitel 9. In der zweiten Schlußform geht es nicht, die Eingangsannahme, die das Verhältnis zum größeren Eckbegriff darstellt, so einzureißen, daß das gegenüberliegende Gegenteil herauskommt, einerlei wie nun die Umkehrung (des Schlußsatzes) erfolgt: immer wird der Schlußsatz in der dritten Form auftreten, einen Schluß mit einem Ergebnis in Allform gab es in dieser aber nicht. Die andere (Eingangsannahme) reißen wir entsprechend der Umkehrung ein – mit »entsprechend« meine ich: Wenn die Umkehrung ins gegenüberliegende Gegenteil erfolgt, dann in dieses; erfolgt sie auf Entgegensetzung hin, dann in diese. Es liege also A an allen B vor, aber an keinem C, Schlußsatz dann: BC. Wenn nun angenommen ist: B liegt an allen C vor, und der Satz AB bleibt so, so wird A allen C zukommen. Es tritt nämlich die erste Schlußform auf. Wenn dagegen B allen C (zukommt), A aber keinem C, dann A nicht allen B – letzte
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Schlußform. Wenn andererseits BC in die Entgegensetzung umgekehrt wird, so wird AB auf gleiche Weise nachgewiesen werden, die (Annahme) AC aber auf das entgegengesetzte Gegenteil hin: Wenn B einigen C (zukommt), A aber keinem C, so wird A an einigen B nicht vorliegen; und wieder, wenn B einigen C (zukommt), A aber allen B, so A einigen C, sodaß also ein Schluß auf das entgegengesetzte Gegenteil herauskommt. Entsprechend wird auch Nachweis geführt, wenn sich die Eingangssätze umgekehrt verhalten sollten. Wenn aber der Schluß in Teilform steht, so wird, wenn das Schlußergebnis ins gegenüberliegende Gegenteil umgekehrt wird, keine der beiden Annahmen eingerissen, wie auch in der ersten Schlußform nicht; geschieht es dagegen ins entgegengesetzte Gegenteil, dann beide. Es sei also gesetzt: A liegt an keinem B vor, aber an einigen C, Schlußsatz dann: BC. Wenn nun gesetzt ist: B liegt an einigen C vor, und der Sachverhalt AB bleibt so, dann wird der Schlußsatz sein: A liegt an einigen C nicht vor; aber damit ist die Anfangsannahme nicht eingerissen: es kann sein, (A) liegt an einigen (C) vor und an einigen nicht vor. Und wieder, wenn B einigen C (zukommt), und A einigen C, so gibt es keinen Schluß: keine der Annahmen liegt in Allform vor; also wird (der Satz) AB nicht eingerissen. Wenn dagegen die Umkehrung ins entgegengesetzte Gegenteil geht, werden beide (Eingangsannahmen) eingerissen: Wenn B an allen C, A aber an keinem B (vorliegt), dann A auch an keinem C; es galt aber: An einigen. Und wieder, wenn B an allen C, A aber an einigen C (vorliegt), dann A an einigen B. Der Beweis ist der gleiche auch für den Fall, daß die Allaussage behauptend ist. Kapitel 10. Bei der dritten Schlußform wird, wenn der Schlußsatz ins gegenüberliegende Gegenteil umgekehrt wird, keine der Eingangsannahmen, in keinem Schlußablauf, eingerissen; erfolgt die Umkehrung dagegen ins entgegengesetzte Gegenteil, dann beide, und in allen. Es sei also nachgewiesen: A liegt an einigen B vor, als Vermittlung sei C genommen, es sollen die Eingangssätze in
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Allform stehen. Wenn nun also angenommen ist: A liegt an einigen B nicht vor, B aber an allen C, so tritt kein Schlußverhältnis zwischen A und C ein. Auch wenn A einigen B nicht zukommt, aber allen C, tritt kein Schlußverhältnis zwischen B und C ein. Entsprechend wird auch Nachweis geführt, wenn die Eingangssätze nicht in Allform stehen: Entweder müssen beide infolge der Umkehrung in Teilform stehen, oder die Allaussage muß zum kleineren Eckbegriff treten; so gab es aber keinen Schluß, weder in der ersten Form noch in der mittleren. Wenn dagegen die Umkehrung ins entgegengesetzte Gegenteil erfolgt, werden beide Eingangssätze eingerissen: Wenn A keinem B, B aber allen C (zukommt), dann A keinem C; und wieder: Wenn A keinem B, aber allen C (zukommt), so B keinem C. Und wenn die eine (Eingangsannahme) nicht in Allform steht, genauso: Wenn A an keinem B, B aber an einigen C (vorliegt), dann wird A an einigen C nicht vorliegen; wenn dagegen A an keinem B, aber an allen C (vorliegt), dann B an keinem C. Entsprechend auch, wenn der Schluß verneinend ist. Es sei also nachgewiesen: A liegt an einigen B nicht vor, die Aussage BC sei behauptend, die AC verneinend; so ging der Schluß ja. Wenn nun das gegenüberliegende Gegenteil zum Schlußergebnis angenommen wird, so erfolgt kein Schluß: Wenn A einigen B (zukommt), B allen C, gab es kein Schlußverhältnis zwischen A und C. Auch wenn A einigen B, aber keinem C (zukommt), gab es kein Schlußverhältnis zwischen B und C. Somit werden die Eingangssätze nicht eingerissen. (Erfolgt die Umkehrung) dagegen ins entgegengesetzte Gegenteil, so werden sie es: Wenn A allen B, und B dem C (entsprechend zukommt), so A allen C; aber es lag ja an keinem vor. Und wieder: Wenn A allen B, aber keinem C (zukommt), dann auch B keinem C; aber es lag ja an allen vor. Entsprechend wird auch Beweis geführt, wenn die Eingangssätze nicht in Allform stehen; es tritt dann ja AC in Allform und verneint auf, die andere (Annahme) in Teilform und behauptet. Wenn also A allen B, B aber einigen C (zukommt),
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so tritt A an einigen C auf; aber es lag ja an keinem vor. Und wieder, wenn A an allen B, aber an keinem C (vorliegt), so B an keinem C; es war aber doch gesetzt: An einigen. Wenn dagegen A an einigen B, und B an einigen C (vorliegt), so ergibt sich kein Schluß; und wenn A an einigen B, aber an keinem C (vorliegt), dann auch nicht. Also, in den ersteren Fällen werden die Eingangssätze eingerissen, so aber werden sie es nicht. Offenkundig ist nun also aufgrund des Vorgetragenen, wie bei Umkehrung des Schlußsatzes ins Gegenteil in einer jeden Schlußform ein Verhältnis sich ergibt, wann es im gegenüberliegenden, wann im entgegengesetzten Gegenteil zur Eingangsannahme steht, und daß in der ersten Form die Schlüsse durch die mittlere und die letzte Form gehen, und daß die (Eingangsannahme) mit dem Verhältis zum kleineren Eckbegriff immer durch die mittlere (Form) eingerissen wird, die mit dem zum größeren durch die letzte; in der zweiten (Schlußform ergeben sich die Verhältnisse) durch die erste und die letzte, die (Eingangsannahme) mit dem Verhältnis zum kleineren Eckbegriff (wird) immer durch die erste Schlußform (eingerissen), die mit dem zum größeren durch die letzte; in der dritten (Schlußform schließlich ergeben sich die Verhältnisse) durch die erste und die mittlere, und die (Eingangsannahme) mit dem Verhältnis zum größeren Eckbegriff (wird) immer durch die erste (eingerissen), die mit dem zum kleineren immer durch die mittlere. Kapitel 11. Was nun also Umkehren heißt, wie in jeder Form ein Schluß erfolgt und was für einer es ist, ist offenkundig. – Auf der anderen Seite (steht) der Schluß durch das Unmögliche: Er tritt seinen Beweis an, wenn der Widerspruch zum Schlußergebnis gesetzt wird und die andere Eingangsannahme dazugenommen ist, und geht in allen Formen. Er ist ja der Umkehrung ähnlich, nur unterscheidet er sich (von ihr) insoweit, daß umgekehrt wird, nachdem Schluß erfolgt war und beide Eingangssätze angenommen worden sind, dagegen die Zurückführung auf das Unmögliche erfolgt, ohne daß das Gegenteil zuvor übereinstimmend angenommen ist, wobei aber offenkundig ist, es ist wahr. Die Begriffe haben in beiden
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(Verfahren) ein entsprechendes Verhältnis, und die Art, wie sie in beiden Fällen genommen werden, ist die gleiche. Etwa wenn A an allen B vorliegt und Mittelbegriff C ist: Ist nun vorausgesetzt, A liegt entweder nicht an allen oder an keinem B vor, aber an allen C, was ja wahr war, so muß notwendig C an B entweder in keinem Falle oder in nicht allen vorliegen; das aber ist unmöglich, somit das Unterstellte falsch, also dessen Gegenteil wahr. Entsprechend auch in den anderen Schlußformen: Alles, was Umkehrung an sich nimmt, (läßt) auch den Schluß durch das Unmögliche (zu). Die übrigen Aufgabenstellungen finden ihre Beweislösung durch das Unmögliche alle in allen Schlußformen, nur der in Allform behauptende Fall läßt sich zwar in der mittleren und der dritten (Form) beweisen, in der ersten aber nicht. Es sei also vorausgesetzt: A liegt an B nicht in allen oder in keinem Falle vor, und es sei hinzugenommen eine Eingangsannahme, welche von beiden auch immer, – entweder: C liegt an allen A vor, oder B an allen D – so wäre es ja die erste Form; wenn nun also vorausgesetzt ist, A liegt nicht an allen B vor, so gibt es keinen Schluß, von welcher der beiden Seiten auch man die Eingangsannahme nimmt; wenn dagegen (vorausgesetzt ist), (A) an keinem (B), dann wird, wenn die (Eingangsannahme) BD hinzugenommen wird, zwar Schluß auf den falschen Satz erfolgen, doch der Beweis geht nicht auf die vorliegende (Aufgabenstellung): Wenn A keinem B (zukommt), B aber allen D, dann A keinem D; das sei unmöglich: es ist also falsch, daß A keinem B zukommt; aber wenn das »(es kommt) keinem (zu)« falsch ist, so ist das »(es kommt) allen (zu)« dadurch nicht wahr. Wird andererseits die (Eingangsannahme) CA hinzugenommen, so stellt sich kein Schluß ein, auch nicht wenn vorausgesetzt ist, A liegt nicht an allen B vor. Somit liegt also auf der Hand: Das »an allem vorliegen« läßt sich in der ersten Schlußform mithilfe des Unmöglichen nicht beweisen. Dagegen (der Fall, daß etwas) in einigen Fällen und in gar keinem und in nicht allen (an etwas vorliegt), läßt sich beweisen: Es sei vorausgesetzt, A liegt an keinem B vor, B dagegen, so sei angenommen, an allen oder einigen C; folglich muß A
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an keinem oder an nicht allen C vorliegen; das aber ist unmöglich – es soll nämlich wahr sein und offenkundig, daß A an allen C vorliegt –, also, wenn das falsch ist, so muß notwendig A an einigen B vorliegen. Wenn andererseits zu A die andere Eingangsannahme genommen wird, so gibt es keinen Schluß. Auch nicht, wenn man das gegenüberliegende Gegenteil zum Schlußergebnis voraussetzt, etwa: »... liegt an einigen nicht vor«. Offenkundig somit: Man muß das entgegengesetzte Gegenteil voraussetzen. Aufs neue sei vorausgesetzt: A kommt einigen B zu, (dazu) genommen sei: C allen A; folglich muß C an einigen B vorliegen. Das sei unmöglich, somit das Vorausgesetzte falsch. Wenn aber das, so ist wahr: (A) kommt keinem (B) zu. Entsprechend auch, wenn der Satz CA verneint genommen ist. Wenn dagegen die Eingangsannahme bei B genommen wird, gibt es keinen Schluß. Wenn das gegenüberliegende Gegenteil vorausgesetzt wird, erfolgt zwar Schluß und Unmögliches auch, allerdings wird nicht bewiesen, was man sich vorgenommen hatte. Es sei also vorausgesetzt: A liegt an allen B vor, und es sei die (Eingangsannahme) genommen: C (liegt) an allen A (vor); folglich muß C allen B zukommen; das aber ist unmöglich, somit also falsch der Satz: A liegt an allen B vor. Aber es ist durchaus noch nicht notwendig, wenn es nicht allen, daß es dann gar keinem zukäme. Entsprechend auch, wenn zu B die andere Eingangsannahme genommen ist: Dann gibt es zwar Schluß und Unmögliches, aber die Voraussetzung wird nicht eingerissen; also muß man das entgegengesetzte Gegenteil zur Voraussetzung machen. Um nachzuweisen: A liegt nicht an allen B vor, ist vorauszusetzen: Es liegt an allen vor; wenn nämlich A allen B, und C allen A (zukommt), dann auch C allen B, sodaß also, wenn das unmöglich ist, das Vorausgesetzte falsch ist. Entsprechend auch, wenn zu B die andere Eingangsannahme genommen wurde. Und wenn der Satz CA verneint war, dann genauso; auch so gibt es ja Schluß; wenn dagegen die Verneinung bei B steht, läßt sich kein Beweis führen.
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Wenn andererseits vorausgesetzt wird: Es liegt nicht an allen, aber an einigen vor, so wird nicht bewiesen »nicht an allen«, sondern »an keinem«: Wenn also A an einigen B, C an allen A (vorliegt), so wird C einigen B zukommen; ist das nun unmöglich, so ist falsch der Satz: A kommt einigen B zu, mithin wahr: (Es kommt) keinem (zu). Ist das jedoch nachgewiesen, so wird der wahre Satz mit eingerissen: A kam zwar einigen B zu, einigen aber auch nicht zu. Darüberhinaus tritt über die Voraussetzung nichts Unmögliches ein: Sie wäre ja falsch, da aus wahren Sätzen Falsches nicht zu schließen ist; nun ist sie aber wahr: A kommt ja einigen B zu. Also ist nicht vorauszusetzen, es komme einigen zu, sondern allen. Entsprechend auch, wenn wir nachweisen wollten: A liegt an einigen B nicht vor; wenn nämlich »einigen nicht zukommen« und »nicht allen zukommen« dasselbe ist, so ist es für beide der gleiche Beweis. Offenkundig ist nun also: Bei allen Begriffsverhältnissen ist nicht das gegenüberliegende, sondern das entgegengesetzte Gegenteil zur Voraussetzung zu machen; so tritt Notwendigkeit ein und ist die Forderung einleuchtend: Wenn nämlich eine Behauptung und ihre Verneinung erschöpfende Aussagen sind, dann muß, wenn nachgewiesen ist: Die Verneinung ist es nicht, die Behauptung notwendig wahr sein. Und wieder, wenn (der andere) nicht setzt: Die Behauptung ist wahr, so ist es einleuchtend, die Forderung zu erheben: Dann also die Verneinung. Das gegenüberliegende Gegenteil zu fordern, will weder auf die eine noch die andere Weise passen. Weder gilt notwendig: »Wenn ’keinem’ falsch, dann ’allen’ wahr«, noch ist es einleuchtend (zu fordern), daß, wenn das eine falsch, das andere wahr sein muß. Kapitel 12. Offenkundig nun also, in der ersten Schlußform finden die anderen Aufgabenstellungen alle eine Beweislösung mithilfe des Unmöglichen, dagegen die in Allform behauptende Weise findet keine. In der mittleren und der letzten (Schlußform) läßt sich auch dies nachweisen: Es sei also gesetzt, A liegt nicht an allen B vor, und es sei (hinzu)-genommen, A liegt an allen C vor; folglich, wenn (A) nicht an allen B, aber an allen C (vorliegt), dann C nicht an allen B; das aber ist
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unmöglich, – es soll nämlich offenkundig sein, C liegt an allen B vor, also ist das Vorausgesetzte falsch; wahr ist somit: Es liegt an allen vor. Wenn dagegen das gegenüberliegende Gegenteil davon vorausgesetzt ist, gibt es zwar Schluß und Unmögliches auch, allerdings wird nicht nachgewiesen, was man sich vorgenommen hatte: Wenn A an keinem B, aber an allen C (vorliegt), dann C an keinem B; das aber ist unmöglich, also das »an keinem vorliegen« falsch. Aber wenn das falsch ist, so ist das »an allen« noch nicht wahr. Dafür aber, daß A an einigen B vorliegt, sei vorausgesetzt: A kommt keinem B zu, dem C soll es in allen Fällen zukommen; folglich (ist) notwendig, C liegt an keinem B vor; also muß, wenn das unmöglich ist, A einigen B zukommen. Wenn dagegen vorausgesetzt ist, es kommt einigen nicht zu, wird es das gleiche sein wie in der ersten Schlußform schon. Wieder sei vorausgesetzt: A liegt an einigen B vor, an C aber soll es in keinem Fall vorliegen; folglich ist notwendig: C liegt an einigen B nicht vor. Aber es kam ja allen zu, somit ist das Vorausgesetzte falsch; also kommt A keinem B zu. Dafür daß A nicht an allen B (vorliegt), sei vorausgesetzt, es kommt allen zu, dem C aber in keinem Fall; dann ist notwendig: C liegt an keinem B vor. Das aber ist unmöglich, also ist wahr: Es kommt nicht allen zu. Also liegt auf der Hand: Durch die mittlere Schlußform ergeben sich alle Schlußverhältnisse. Kapitel 13. Entsprechend auch durch die letzte. Es sei also gesetzt: A liegt an einigen B nicht vor, aber C an allen; dann kommt also A einigen C nicht zu. Ist das nun unmöglich, so ist falsch, daß es einigen nicht zukommt, also wahr: (Es kommt) allen (zu). Wenn dagegen vorausgesetzt wird, es kommt keinem zu, dann gibt es zwar Schluß und Unmögliches auch, nur wird nicht nachgewiesen, was man sich vorgenommen hatte: wenn man nämlich das gegenüberliegende Gegenteil voraussetzt, wird sich dasselbe einstellen wie in den früheren Fällen auch. Hingegen, zum Erweis der Behauptung »es liegt an einigen vor«, ist diese Voraussetzung zu wählen: Wenn nämlich A keinem B, C dagegen einigen B (zukommt), dann A nicht allen C; wenn nun das falsch ist, so ist wahr: A kommt einigen B zu.
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Dafür daß A an keinem B vorliegt, sei vorausgesetzt: Es liegt an einigen vor, hinzugenommen sei auch: C liegt an allen B vor; folglich muß A an einigen C vorliegen. Aber es kam doch keinem zu, somit ist »A liegt an einigen B vor« falsch. Wenn andererseits vorausgesetzt ist: A liegt an allen B vor, so läßt sich, was man vorhatte, nicht nachweisen, sondern diese Voraussetzung ist zu wählen zum Erweis des Satzes »es liegt nicht an allen vor«: Wenn A allen B, und C allen B (zukommt), liegt A an einigen C vor; das aber galt nicht, also ist falsch, daß es allen zukommt; wenn aber das, so ist wahr »nicht allen«. Wenn dagegen vorausgesetzt ist: Es kommt einigen zu, wird sich dasselbe einstellen wie in den früheren Fällen auch. Offenkundig nun also: In allen Schlüssen mithilfe des Unmöglichen muß man das entgegengesetzte Gegenteil zur Voraussetzung machen. Klar ist auch: In der mittleren Form findet gewissermaßen die Behauptung ihren Beweis, in der letzten die Allaussage. Kapitel 14. Es unterscheidet sich der Nachweis auf das Unmögliche hin von dem aufzeigenden dadurch, daß er das setzt, was er einreißen will, indem er es dann auf etwas zugegebenermaßen Falsches hinausbringt; der aufzeigende dagegen fängt an bei zugestandenen Aufstellungen. Es nehmen also beide (Beweiswege) zwei zugestandene Eingangssätze an, nur, der eine (solche), aus denen der Schluß (folgt), der andere zwar die eine davon, als die andere aber den Widerspruch zum Schlußergebnis; und, in diesem (ersten) Fall muß das Schlußergebnis nicht notwendig bekannt sein, und man muß nicht vorweg eine Auffassung davon haben, daß er gilt oder nicht; im anderen Fall dagegen ist notwendig, daß er keinen Bestand hat. Es macht dabei keinen Unterschied, ob der Schlußsatz eine Behauptung oder eine Verneinung ist, sondern es verhält sich bei beiden gleich. Alles, was nachweisend zum Ziel gebracht werden kann, läßt sich auch durch das Unmögliche zeigen, und (umgekehrt), was mithilfe des Unmöglichen, auch nachweisend, mithilfe der gleichen (Einsetzungsbegriffe) [aber nicht in den gleichen Schlußformen]: Wenn der Schluß (auf das Unmögliche) in der
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ersten Form stattgefunden hat, ergibt sich der wahre Sachverhalt in der mittleren oder der letzten, (u.z.) das Verneinte in der mittleren, das Behauptete in der letzten. Wenn dagegen der (Unmöglichkeits)-Schluß in der mittleren (Form stattgefunden hat), so (findet man) den wahren Sachverhalt für alle Aufgabenstellungen in der ersten. Wenn schließlich der (Unmöglichkeits)-Schluß in der letzten (Form stattgefunden hat), so (ergibt sich) der wahre Sachverhalt in der ersten und der mittleren, (u.z.) die behauptenden Aussagen in der ersten, die verneinenden in der mittleren. Es sei also (mithilfe des Unmöglichen) nachgewiesen: A (kommt) keinem oder nicht allen B (zu), in der ersten Schlußform; folglich war die Voraussetzung: A kommt einigen B zu, und von C war angenommen, es komme allen A zu, aber keinem B; so kamen Schluß und Unmöglichkeit ja zustande. Das ist aber die mittlere Schlußform, wenn C allen A, aber keinem B zukommt; und daraus ist offenkundig: A liegt an keinem B vor. Entsprechend auch, wenn (so) nachgewiesen ist, es liegt nicht an allen vor: dann ist ja die Voraussetzung, es kommt allen zu, und von C war angenommen, (es kommt) allen A, aber nicht allen B (zu). Und wenn CA verneint genommen würde, dann entsprechend: auch so tritt die mittlere Schlußform auf. Erneut, es sei (so) nachgewiesen: A liegt an einigen B vor; dann war also die Voraussetzung, es liege an keinem vor, von B aber war angenommen, es liegt an allen C vor, und A entweder an allen oder einigen C: so ergibt sich ja das Unmögliche. Das ist aber die letzte Schlußform, wenn A und B allen C (zukommen). Und daraus ist offenkundig: A muß an einigen B vorliegen. Entsprechend auch, wenn angenommen wäre, B oder A liegt an einigen C vor. Erneut, es sei in der mittleren Schlußform (auf dem Unmöglichkeitsweg) nachgewiesen: A liegt an allen B vor; folglich war die Voraussetzung: A liegt nicht an allen B vor, und es ist hinzugenommen: A an allen C, und C an allen B; so kommt das Unmögliche ja zustande. Das aber ist die erste Schlußform: A an allen C, und C an allen B.
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Entsprechend auch, wenn nachgewiesen ist, es liegt an einigen vor; dann war die Voraussetzung: A liegt an keinem B vor, hinzugenommen ist: A an allen C, und C an einigen B. Wenn aber der Schlußsatz verneint ist, so war die Voraussetzung: A liegt an einigen B vor, hinzugenommen ist: A an keinem C, und C an allen B; somit tritt die erste Schlußform auf. Und wenn der Schluß nicht in Allform steht, sondern nachgewiesen ist: A liegt an einigen B nicht vor, dann genauso: Voraussetzung war, A liege an allen B vor, hinzugenommen ist: A an keinem C, und C an einigen B; so tritt ja die erste Schlußform ein. Erneut, in der dritten Schlußform sei nachgewiesen: A liegt an allen B vor; dann war also die Voraussetzung, daß A nicht an allen B vorliegt, hinzugenommen ist: C an allen B, und A an allen C; so findet der Schluß auf das Unmögliche ja statt. Das ist aber die erste Schlußform. Genauso auch, wenn der Nachweis auf (das Vorliegen an nur) einigen (geht); Voraussetzung war dann: A liegt an keinem B vor, hinzugenommen ist: C an einigen B, und A an allen C. Ist dagegen der Schluß verneinend, so war Voraussetzung: A liegt an einigen B vor, hinzugenommen ist: C an keinem A, aber an allen B; das ist die mittlere Schlußform. Entsprechend auch, wenn der Nachweis nicht auf die Allaussage führt: Voraussetzung wird dann (gewesen) sein, daß A an allen B vorliegt, hinzugenommen ist: C an keinem A, aber an einigen B. Das ist die mittlere Schlußform. Offenkundig ist nun also: Mithilfe der gleichen Einsetzungsbegriffe geht es, jede Aufgabenstellung auch auf aufzeigenden Weg nachzuweisen [wie auch durch das Unmögliche]. Entsprechend wird es auch gehen, wenn die Schlüsse aufzeigend sind, sie im Rahmen der gewählten Begriffe auf das Unmögliche hinzubringen, wenn die dem Schlußergebnis entgegengesetzte Annahme gemacht wird. Es erfolgen ja dieselben Schlüsse wie die bei der Umkehrung, somit haben wir auch die Schlußformen in der Hand, durch welche ein jedes sich ergibt. Klar ist also, daß jede Aufgabenstellung über beide Weisen ihre Beweislösung findet, sowohl über das Unmögliche wie
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unmittelbar aufzeigend, und es geht nicht, die eine (von der anderen) zu trennen. Kapitel 15. In welcher Schlußform es geht, aus entgegengesetzten Eingangsannahmen Schlüsse zu ziehen, und in welcher das nicht geht, wird folgendermaßen ersichtlich. Ich nenne zunächst »entgegengesetzte Eingangsannahmen« nach dem Sprachausdruck vier: Allem (zukommen) – keinem; allem – nicht allem; einigem (zukommen) – keinem; einigem – einigem nicht; dem wahren Sachverhalt nach (sind es nur) drei: Einigem (zukommen) ist dem einigen nicht ja nur im Sprachausdruck entgegengesetzt. Davon liegen einander gegenüber die Allaussagen: Allem zukommen – keinem, etwa: Jedes Wissen ist wertvoll – kein Wissen ist es; die übrigen schließen einander im Widerspruch aus. In der ersten Schlußform also gibt es aus entgegengesetzten Eingangsannahmen keinen Schluß, weder einen behauptenden noch einen verneinenden; einen behauptenden nicht, weil dazu beide Eingangsannahmen behauptend sein müssen, die entgegengesetzten sind aber doch Aussage und ihre Verneinung; einen verneinenden nicht, weil doch die entgegengesetzten (Eingangsannahmen) eines und dasselbe von einem und demselben (Gegenstand) behaupten und bestreiten, in der ersten Form aber wird der Mittelbegriff eben nicht von beiden (Eckbegriffen) ausgesagt, sondern an ihm wird dies geleugnet, er selbst wird von dem anderen ausgesagt: diese (Eingangsannahmen) stehen zu einander nicht im Widerspruch. In der mittleren Schlußform dagegen kann sowohl aus entgegengesetzten wie aus gegenüberstehenden (Eingangsannahmen) Schluß erfolgen: Es sei also »gut« A, »Wissen« stehe unter B und C; hat man also angenommen: Jedes Wissen ist wertvoll, und: Kein ..., so liegt A an allen B vor, aber an keinem C, also B an keinem C – kein Wissen ist somit Wissen. Entsprechend auch, wenn man angenommen hat: Jedes (Wissen) ist wertvoll, und dazunimmt: Die Heilkunst ist es aber nicht; dann liegt A an allen B vor, aber an keinem C, somit wird dies bestimmte Wissen kein Wissen sein. Und wenn A zwar an allen C vorliegt, aber an keinem B, und es ist B »Wis-
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sen«, C »Heilkunst«, A »Wirklichkeitserfassung«, dann hat man ja erst angenommen: Kein Wissen ist Wirklichkeitserfassung, und dann nimmt man an: Ein bestimmtes ist das doch. Das unterscheidet sich von dem vormaligen Fall dadurch, daß mit den Begriffen eine Umkehrung stattfindet: Zuvor stand die Behauptung bei B, jetzt bei C. Und wenn die eine (Eingangsannahme) keine Allaussage ist, dann genauso; es ist ja immer der Mittelbegriff, der vom einen (Eckbegriff) in verneinter Weise ausgesagt wird, vom anderen in bejahter. Somit kann es also gehen, zu entgegengesetzten Zielen zu kommen, nur, nicht immer und auf jede Weise, sondern nur dann, wenn das unter dem Mittelbegriff (Stehende) das Verhältnis (zum jeweiligen Eckbegriff) hat, daß es entweder dasselbe ist (wie er) oder wie ein Ganzes zum Teil (steht); anders ist es unmöglich: die Eingangsannahmen sind ja sonst weder gegenüberliegend noch entgegengesetzt. In der dritten Schlußform wird ein behauptender Schluß niemals aus entgegengesetzten Eingangsannahmen gehen, aus dem gleichen Grund, wie schon zur ersten Schlußform angeführt; ein verneinender kann sein, sowohl wenn die Begriffe in ein Allverhältnis gesetzt sind, wie auch wenn sie es nicht sind. Es sei also »Wissen« B und C, »Heilkunst« A; nähme man nun an: Alles, was Heilkunst ist, ist ein Wissen, und: Nichts, was Heilkunst ist, ist ein Wissen, so hat man angenommen: B (kommt) allem A (zu) und keinem C, somit wird ein bestimmtes Wissen kein Wissen sein. Entsprechend auch, wenn die Eingangsannahme BA nicht in Allform genommen ist: Wenn eine bestimmte Form von Heilkunst ein Wissen ist, und andererseits keine Form von Heilkunst ein Wissen, so ergibt sich: Eine bestimmte Form von Wissen ist kein Wissen. Es sind dabei, wenn die Begriffe ins Verhältnis der Allform genommen werden, die Eingangsannahmen gegenüberliegend, steht der eine in Teilform (im Verhältnis zum anderen), so entgegengesetzt. Man muß aber (stets) bedenken, daß es einerseits geht, die Gegensätze so zu nehmen, wie wir gesagt haben: Jedes Wissen ist wertvoll, und wieder: Keines ..., oder: Ein bestimmtes ist
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nicht wertvoll; das bleibt in der Regel nicht verborgen. Es geht andererseits, die eine Seite davon mittels anderer Fragen zu erschließen oder sie so zu erhalten, wie in der topik vorgetragen. Da aber die Entgegensetzungen zu den Behauptungen auf drei kommen, so ergibt sich, daß man entgegengesetzte (Bestimmungen) auf sechsfache Weise nehmen kann, entweder: Allen – keinem, oder: Allen – nicht allen, oder: Einigen – keinem; und das (kann man) an den Begriffen noch umkehren, z. B.: A (liegt) an allen B, aber keinem C (vor), oder: An allen C, aber keinem B, oder: Am einen in allen Fällen, am anderen nicht in allen; und auch das ist noch umkehrbar bezüglich der Begriffe. Entsprechend auch für die dritte Schlußform. Somit ist einsichtig, auf wieviele Weisen und in welchen Schlußformen es geht, daß mittels entgegengesetzter Eingangsannahmen Schluß erfolgt. Ersichtlich ist aber auch, daß es zwar geht, aus falschen (Annahmen) Wahres zu erschließen, wie früher vorgetragen ist, aus entgegengesetzten (Annahmen) aber geht es nicht: Es kommt immer der zum Sachverhalt gegenteilige Schluß heraus, z. B. wenn (A) gut ist, daß es nicht gut ist, und wenn es ein Lebewesen ist, daß es keins ist, (und das) infolge der Tatsache, daß der Schluß von der Gegenaussage aus erfolgt und daß die zugrundegelegten Begriffe entweder (im Verhältnis zu einander) dasselbe sind oder der eine wie ein Ganzes zum anderen als seinem Teil (sich verhält). Klar ist aber auch, daß bei den Fang- und Fehlschlüssen kein Hindernis besteht, daß der Widerspruch zur angesetzten Voraussetzung eintritt, etwa wenn (A) ungerade ist, daß es nicht ungerade sei: aus Eingangsannahmen, die einander entgegengesetzt waren, ergab sich doch auch gegenteiliger Schluß; hat man also solche zur Annahme gemacht, so wird der Widerspruch zur gemachten Voraussetzung eintreten. Man muß aber bedenken, daß es in der Weise nicht geht, Gegenteiliges aus einem Schlußvorgang zustandezubringen, daß das Schlußergebnis wäre: Was nicht gut ist, ist gut, oder anderes derart, wenn nicht gleich eine derartige Ein-
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gangsannahme getroffen ist – etwa: Jedes Lebewesen ist weiß, und: ... ist nicht weiß; der Mensch ist aber ein Lebewesen –; sondern man muß entweder den Widerspruch dazunehmen, etwa: Jedes Wissen ist eine Wirklichkeitserfassung, dann dazunehmen: Die Heilkunst ist zwar ein Wissen, aber keine Wirklichkeitserfassung, wie eben diese Widerlegungsschlüsse gehen; oder es erfolgt aus zwei Schlußvorgängen. Daß dabei das Angenommene tatsächlich gegensätzlich ist, ist auf keine andere Weise zu gewährleisten als diese, wie ja früher gesagt ist. Kapitel 16. Die Ausgangsbehauptung herzufordern und sich einfach zu nehmen, besteht, um es in seinen allgemeinen Zügen zu fassen, darin, daß man für die gestellte Aufgabe keinen Nachweis liefert. Das jedoch tritt auf vielfache Weise auf. Erstens, wenn einer überhaupt nicht Begriffe ins Verhältnis setzt, zweitens, wenn er (den Weg) über Unbekannteres oder genauso Unbekanntes (wie das zu Beweisende nimmt), drittens, wenn er über Nachgeordnetes zu Früheren (vorstoßen will): Beweis erfolgt ja aus Glaubhafterem und Vorgeordnetem. Von alledem ist nun (noch) keines (genau) das Herfordern der Ausgangsbehauptung, sondern (erst folgendes): Da die einen (Gegenstände möglicher Erkenntnis) von Natur so beschaffen sind, durch sich selbst erkannt werden zu können, die anderen (erst) über andere – die Anfangsannahmen durch sich selbst, was unter diesen Erstannahmen steht, durch anderes –: nun also, wenn jemand den Versuch macht, etwas, das nicht durch sich selbst erkennbar ist, durch dieses selbst nachzuweisen, dann fordert er die Ausgangsbehauptung (unerlaubt) her. Das ist einerseits so zu schaffen, daß man die hingestellte Behauptung auf geradem Wege gleich (als gültig) fordert, es geht aber auch, indem man zuerst hinübergeht auf irgendwelche anderen Gegenstände, die ihrer Naturbeschaffenheit nach durch jenes andere erst ihren Nachweis finden, und nun über sie einen Beweis für die Ausgangsbehauptung liefert, etwa in dem Falle: A würde nachgewiesen durch B, B durch C, wohingegen doch C von der Art wäre, durch A nachgewiesen zu wer-
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den; es tritt ja für die, welche so schließen, ein, daß sie für A einen Nachweis durch es selbst liefern. Dies genau machen die, welche da meinen, die Geraden mit gleichem Abstand durch Zeichnung herzuleiten: sie merken bei ihnen selbst nicht, daß sie solche Annahmen machen, die nicht zu beweisen wären, wenn es in gleichem Abstand nebeneinanderher laufende Geraden nicht schon gäbe; also geschieht es denen, die dermaßen schließen, im jedesmaligen Falle zu sagen: Dies gilt, weil es gilt. So wird aber alles durch sich selbst erkennbar werden, was denn doch unmöglich ist. Wenn nun also jemand (folgendermaßen vorginge): Angesichts einer Lage, wo es unklar ist, ob A an C vorliegt, entsprechend auch, ob (A) an B, würde er fordern: A liegt an B vor, – dann ist durchaus noch nicht klar, ob er damit die Ausgangsbehauptung herfordert; daß er aber keinen Beweis führt, ist klar: Etwas, das genauso unklar ist (wie das zu Beweisende selbst), kann nicht Anfangsannahme zu einem Beweis sein. Wenn allerdings B zu C in einem solchen Verhältnis steht, daß es das gleiche ist (wie es), oder wenn klar ist, eins läßt sich an die Stelle des anderen setzen, oder das eine liegt in dem anderen eingeschlossen mit vor, dann fordert man die Ausgangsbehauptung her; man könnte ja mittels dieser (Begriffe), wenn man sie in ihrer Anordnung vertauschen kann, auch nachweisen, daß A an B vorliegt – nun aber hindert dieses daran, aber die Art und Weise, wie vorgegangen wird, nicht; wenn er das aber täte, so würde er eben tun, was schon gesagt ist, und würde über drei (Begriffe) den einen durch den anderen ersetzen. Genauso auch, wenn er annähme: B liegt an C vor, wo es in gleicher Weise unklar wäre, (ob das so ist), wie bei A auch, dann (fordert er) noch nicht die Ausgangsannahme (ein), aber Beweis führt er auch nicht. Sind dagegen A und B dasselbe, entweder indem man sie durcheinander ersetzen kann, oder dadurch, daß A dem B folgt, dann fordert er die Ausgangsbehauptung ein, aus dem gleichen Grunde (wie eben): Was »Ausgangsbehauptung einfordern« bedeutet, ist von uns vorgetragen, nämlich: Etwas aufgrund seiner selbst nachzuweisen, was aus sich selbst nicht klar ist.
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Wenn nun also das »die Ausgangsbehauptung einfordern« ist, etwas aufgrund seiner selbst nachzuweisen, was nicht von sich aus klar ist, d. h. eben, keinen Beweis zu führen, und das tritt dann ein, wenn das Nachzuweisende und das, durch welches es nachgewiesen werden soll, gleichermaßen unklar sind, entweder dadurch, daß (mehrere) gleiche (Bestimmungen) an einem und demselben (vorliegen), oder eines und dasselbe an (mehreren) gleichen vorliegt: so wird es in der mittleren Schlußform und der dritten ja wohl auf beide Weisen möglich sein, die Ausgangsbehauptung einzufordern, im Falle eines entschieden behauptenden Schlusses aber in der dritten und der ersten. Wenn es um einen verneinenden Schluß geht, (so ist das dann möglich), wenn die gleichen (Bestimmungen) vom gleichen (Gegenstand verneint werden); und beide Eingangsannahmen (dürfen sich) nicht in entsprechender Weise (verhalten) – genauso auch in der mittleren (Schlußform) – aus dem Grunde, weil die Begriffe bei verneinenden Schlüssen keine umkehrende Ersetzung durch einander erlauben. – Das »die Ausgangsbehauptung herfordern« bezieht sich im Bereich der (strengen) Beweisführung auf Sachverhalte, die in Wahrheit so Bestand haben, in den bloßen Gesprächszusammenhängen (geht es um solche, die) nach allgemeinem Dafürhalten (so gelten). Kapitel 17. Der Satz: »Auf diesem Wege tritt die Falschheit nicht ein«, (ein Einwand), den wir oftmals in Erörterungen auszusprechen pflegen, hat erstens seinen Platz bei den Schlüssen auf das Unmögliche hin, wenn es nämlich auf Widerspruch zu dem hinaussoll, was da mittels der (Rückführung) auf das Unmögliche erwiesen war; wenn man nämlich nicht Widerspruch (gegen das Schlußergebnis) eingelegt hat, wird man ja dies »auf diesem Wege aber nicht ...« nicht Vorbringen, sondern etwa: Irgendeine der früheren Aufstellungen war falsch ...; und bei der unmittelbar aufzeigenden (Beweisführung wird man es) schon gar nicht (tun): die setzt doch nicht, was (der anderen Annahme) widerspricht. Darüberhinaus, wenn irgendein (Sachverhalt) nachweisend durch die (Verhältnisse von) ABC eingerissen ist, so geht es nicht zu sagen, der
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Schluß sei nicht entlang der Festlegungen erfolgt: das »auf diesem Wege tritt es nicht ein« bringen wir doch dann vor, wenn, nachdem dies weggeräumt ist, der Schluß nichtsdestoweniger zu seinem Ende kommt, und das tritt bei den unmittelbar nachweisenden (Schlüssen) ja nicht auf; wenn nämlich da die Behauptung aufgehoben ist, wird auch der Schluß auf diese keinen Bestand mehr haben. Ersichtlich ist somit, daß das »auf diesem Wege aber nicht ...« bei den (Schlüssen) auf das Unmögliche ausgesagt wird, (u. z. genau dann), wenn die anfängliche Voraussetzung zu der Unmöglichkeit in dem Verhältnis steht, daß, ob sie nun gilt oder nicht gilt, das Unmögliche in jedem Falle eintritt. Die augenfälligste Weise davon, daß die Falschheit nicht auf dem Wege über die aufgestellte Behauptung eintritt, liegt dann vor, wenn der Schluß von den Mittelbegriffen auf das Unmögliche hin ohne Verknüpfung von seiten der Voraussetzung her erfolgt, ein Fall, der ja auch in der TOPIK vorgetragen ist. Das heißt ja, was nicht Ursache ist, für Ursache ausgeben, wie etwa wenn einer, der nachweisen will, daß der Durchmesser sich nicht regelmäßigen Maßen fügt, die Erklärung Zenons zur Hand nähme, (die da »nachweist«), daß es Bewegung nicht geben kann, und hierauf dann die Unmöglichkeit herausbrächte: (in dem Falle) hat die Falschheit auf keine Weise und an keiner Stelle einen Zusammenhang mit der anfänglichen Behauptung. Eine andere Weise (liegt dann vor), wenn zwar die Unmöglichkeit mit der Voraussetzung in einem Zusammenhang stehen mag, allerdings nicht ihr zufolge eintritt. Daß sich das ergeben kann, dafür gibt es Raum, sowohl wenn man den Zusammenhang nach oben, wie wenn man ihn nach unten verfolgt, etwa wenn festliegt: A kommt dem B zu, B dem C, C dem D, folgendes aber wäre falsch, nämlich: B liegt an D vor; wenn nämlich, nach Streichung von A, B dem C nichtsdestoweniger zukäme, und C dem D, dann träte die Falschheit nicht in der Folge der Ausgangsvoraussetzung ein. Oder, andersherum, wenn einer den Zusammenhang nach oben verfolgt, etwa: A liegt an B vor, an A aber E, an E dann F, und falsch wäre
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dabei, daß F dem A zukomme; auch so träte das Unmögliche nach Einreißung der Ausgangsvoraussetzung nichtsdestoweniger ein. Dagegen: Die Unmöglichkeit muß zu den anfänglichen Begriffen in einem Zusammenhangsverhältnis stehen; so wird sie in der Folge der Voraussetzung stehen, etwa wenn man den Zusammenhang nach unten nimmt, der Zusammenhang in dem, was von den Begriffen ausgesagt wird: Ist es unmöglich, daß A an D vorliegt, so wird mit Fortnahme von A auch die Falschheit nicht mehr bestehen; (nimmt man) dagegen den nach oben, (so liegt der Zusammenhang bei dem), wovon (etwas) ausgesagt wird: Wenn es nicht geht, daß F an B vorliegt, wird nach Fortnahme von B die Unmöglichkeit nicht mehr gelten. Entsprechend auch dann, wenn die Schlüsse verneinend sind. Offenkundig ist nun also: Wenn die Unmöglichkeit in keinem Verhältnis zu den Anfangsbegriffen steht, kann es nicht eintreten, daß die Falschheit der Voraussetzung zuwider sich ergibt, – oder tritt auch im anderen Falle die Falschheit nicht immer infolge der Voraussetzung ein? Auch wenn ja gesetzt wäre: A kommt nicht dem B, sondern dem K zu, K seinerseits dem C, und dies dem D, – auch so bleibt die Unmöglichkeit – entsprechend auch, wenn man die Begriffe nach oben verfolgt –, also, da nun die Unmöglichkeit eintritt, mag dies gelten oder nicht gelten, so tritt sie ja wohl nicht entlang der (Ausgangs)Voraussetzung ein. Oder (ist es vielleicht so zu verstehen): Der Ausdruck »auch wenn das nicht gilt, so tritt die Falschheit nichtsdestoweniger ein« ist nicht so zu nehmen, daß, wenn etwas anderes gesetzt wird, die Unmöglichkeit eintritt, sondern, wenn das fortgenommen ist, so wird aufgrund der übrigen Eingangsannahmen immer noch dieselbe Unmöglichkeit zuwege gebracht, womit denn also die Tatsache, daß eine und dieselbe Falschheit aufgrund mehrerer Voraussetzungen eintritt, vielleicht nichts Unsinniges ist, etwa (mit folgendem Beispiel): Nebeneinander in gleichem Abstand herlaufende Geraden bewegen sich sowohl dann auf einander zu, wenn der Innen(winkel) größer ist als der außen, als auch, wenn das Dreieck einen Winkelbetrag, größer als zwei Rechte, hat.
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Kapitel 18. Eine falsche Herleitung ergibt sich über die erste Falschheit in ihr. Jeder Schluß erfolgt doch aus den zwei, oder aus mehr als zwei Eingangsannahmen: Wenn er nun also aus den (notwendigen) zweien (hervorgeht), so muß dann eine davon, oder es können auch beide falsch sein; aus wahren (Annahmen) gab es keinen falschen Schluß. Wenn er andererseits aus mehr als zwei (Annahmen hervorgeht), etwa C aufgrund von AB, das dann wieder aufgrund von D, E, F, G, so wird etwas von diesem weiter oben Stehenden falsch sein müssen, und über dies dann auch die ganze Herleitung: A und B werden ja über diese erreicht. Also, über eine unter diesen (Annahmen) treten Schlußergebnis und (in diesem Fall) Falschheit ein. Kapitel 19. Damit wir beim Schließen nicht unter die Räder geraten, ist (auf folgendes) zu achten: Wenn (der andere) seine Herleitungsrede abfragt, ohne die jeweiligen Schlußergebnisse (ausdrücklich zu machen), darf in den Eingangssätzen nicht zweimal dasselbe zugegeben werden, da wir doch wissen: Ohne Vermittlung findet Schluß nicht statt, und Mittelbegriff ist das, was mehr als einmal ausgesprochen wird. Wie man aber im Hinblick auf das jeweilige Schlußergebnis den Mittelbegriff ausfindig machen muß, das liegt auf der Hand, wenn man weiß, was für ein (Ergebnis) sich in jeder Schlußform nachweisen läßt; daran kann es uns aber nicht fehlen, weil wir doch wissen, wie wir (im jeweiligen Fall) Rede und Antwort stehen. Wovor man sich nach dieser Anweisung nun hüten muß, wenn man der Antwortende ist, genau das muß man, wenn man selbst am Zuge ist, zu tun versuchen, und das möglichst unbemerkt. Dies kann erstens geschehen, wenn die Ergebnisse der Vor-Schlüsse nicht schon gezogen werden, sondern, nachdem die notwendigen Annahmen getroffen sind, im Unklaren bleiben; zweitens, indem man nicht nach Naheliegendem fragt, sondern nach möglichst Unvermitteltem. Es sei z. B. notwendig, A, als von F ausgesagt, als Schlußergebnis herbeizuführen, Vermittlungen: B, C, D, E. Dann muß man also fragen: Kommt A dem B zu, dann aber nicht: Kommt B dem C zu, sondern: Kommt D dem E zu, und danach erst: Kommt
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Erste Analytik
B dem C zu, und dann das übrige. Und wenn der Schluß durch eine einzige Vermittlung erfolgt, soll man von dem Mittelbegriff losgehen: so dürfte (das eigene Vorhaben) vor dem Antwortenden am besten verborgen bleiben.
ARISTOTELES Zweite Analytik
BUCH I
Kapitel 1. Jede Unterweisung und jedes verständige Erwerben von Wissen entsteht aus bereits vorhandener Kenntnis. Einleuchtend ist dies für diejenigen, die alle Einzelfälle betrachten. Denn sowohl die mathematischen unter den Wissenschaften kommen auf diese Weise zustande als auch jede der übrigen Künste, und ähnlich auch, was die Argumente angeht, sowohl diejenigen, die durch Deduktion, als auch diejenigen, die durch Induktion entstehen. Denn beide bringen durch bereits bekannte Dinge die Unterweisung zustande, die einen, indem sie etwas annehmen von Leuten, die angeblich die bereits bekannten Dinge verstehen, die anderen, indem sie das Allgemeine dadurch aufweisen, dass das Einzelne klar ist. Auf dieselbe Weise überzeugen auch die rhetorischen Argumente – entweder nämlich durch Beispiele, was eine Induktion ist, oder durch rhetorische Schlüsse, was eine Deduktion ist. Auf zweifache Weise jedoch ist es notwendig, bereits über Kenntnisse zu verfügen. Denn es ist notwendig, von einigen Dingen im Voraus anzunehmen, dass sie sind, von anderen zu verstehen, was das Gesagte ist, von wieder anderen dagegen beides – wie etwa davon, dass man wahrheitsgemäß alles entweder bejaht oder verneint, dass es der Fall ist; vom Dreieck, dass es dies bezeichnet; von der Einheit dagegen beides, sowohl was sie bezeichnet als auch dass sie ist. Denn nicht auf ähnliche Weise ist ein jedes dieser Dinge klar für uns. Man kann aber auch insofern über Kenntnisse verfügen, als man einige Dinge zuvor zur Kenntnis nimmt, von anderen dagegen auch gleichzeitig Kenntnis gewinnt, wie etwa von allem, was unter das Allgemeine fällt, von dem man über Kenntnis verfügt. Dass nämlich jedes Dreieck Winkel besitzt, die zwei Rechten gleich sind, wusste man bereits; dass aber diese Figur hier im Halbkreis ein Dreieck ist, davon gewinnt man zugleich unter Durchführung einer Induktion Kenntnis. Bei ei-
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nigen Dingen nämlich erfolgt auf diese Weise das Erwerben von Wissen – und nicht durch den Mittelbegriff gewinnt man vom Außenbegriff Kenntnis – , und zwar bei allen Dingen, die tatsächlich zum Einzelnen gehören und nicht von einem Zugrundeliegenden ausgesagt werden. Bevor man dagegen eine Induktion durchgeführt oder eine Deduktion vorgenommen hat, muß man vielleicht sagen, dass man es zwar auf gewisse Weise weiß, auf andere Weise jedoch nicht. Wovon man nämlich nicht wußte, ob es schlechthin ist, wie wußte man davon schlechthin, dass es zwei rechte Winkel hat? Aber es ist klar, dass man es so weiß, dass man es allgemein weiß, schlechthin jedoch nicht weiß. Andernfalls wird sich das Problem im Menon ergeben: entweder man wird keinerlei Wissen erwerben oder nur dasjenige, worüber man verfügt. Keineswegs nämlich darf man so reden, wie einige es zu lösen versuchen: Weißt du von jeder Zweiheit, dass sie gerade ist, oder nicht? Bejaht man, so bringen sie gewöhnlich eine Zweiheit vor, von der man nicht glaubte, dass sie eine Zweiheit ist, also auch nicht, dass sie gerade ist. Sie lösen es nämlich, indem sie nicht behaupten zu wissen, dass jede Zweiheit gerade ist, sondern nur jene, von der sie wissen, dass sie eine Zweiheit ist. Dennoch wissen sie dasjenige, wovon sie über eine Demonstration verfügen und worüber sie Annahmen gemacht haben, sie haben jedoch nicht Annahmen gemacht über alles, wovon sie irgend wissen, dass es ein Dreieck oder dass es eine Zahl ist, sondern schlechthin über jede Zahl und jedes Dreieck. Denn keine Prämisse wird angenommen, die von der Art ist, dass sie sagt: wovon du weißt, dass es eine Zahl ist, oder: wovon du weißt, dass es geradlinig ist, sondern: von jedem. Aber nichts, so glaube ich, hindert daran, dasjenige, wovon jemand Wissen erwirbt, auf eine Weise zu wissen, auf eine andere Weise jedoch nicht zu wissen. Absurd nämlich ist es nicht, wenn jemand in gewisser Weise weiß, wovon er Wissen erwirbt, sondern nur, wenn er es auf diese bestimmte Weise weiß, das heißt inwiefern er Wissen erwirbt und wie.
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Kapitel 2. Zu wissen nun glauben wir eine jede Sache schlechthin, und nicht auf die sophistische, zufällige Weise, wenn wir von der Ursache glauben Kenntnis zu besitzen, aufgrund derer die Sache besteht, dass sie ihre Ursache ist, und dass sie sich nicht anders verhalten kann. Klar ist also, dass das Wissen etwas von dieser Art ist. Denn sowohl was die Nicht-Wissenden als auch was die Wissenden angeht, so glauben die einen selbst in diesem Zustand zu sein, die Wissenden dagegen sind es auch, so dass, wovon es schlechthin Wissen gibt, sich unmöglich anders verhalten kann. Ob es nun auch eine andere Weise des Wissens gibt, werden wir später sagen; wir behaupten jedenfalls auch durch Demonstration zu wissen. Demonstration nenne ich dabei eine wissenschaftliche Deduktion, und wissenschaftlich nenne ich jene Deduktion, gemäß der wir dadurch, dass wir über sie verfügen, etwas wissen. Wenn also das Wissen von der Art ist, wie wir es festgesetzt haben, so hängt auch notwendigerweise das demonstrative Wissen von Dingen ab, die wahr und ursprünglich und unvermittelt und bekannter und vorrangig und ursächlich im Verhältnis zur Konklusion sind. Denn so werden auch die Prinzipien angemessen sein für das Aufgewiesene. Eine Deduktion nämlich wird es auch ohne diese Dinge geben, eine Demonstration dagegen wird es nicht geben, denn sie wird kein Wissen zustande bringen. Wahr nun also müssen sie sein, weil es nicht möglich ist, das was nicht der Fall ist zu wissen, wie etwa dass die Diagonale kommensurabel ist. Von ursprünglichen und nicht-demonstrierbaren Dingen müssen sie abhängen: weil man nichts wissen wird, ohne dass man über eine Demonstration von ihnen verfügt. Denn das Wissen jener Dinge, von denen es eine Demonstration gibt – nicht – , ist das Verfügen über eine Demonstration. Ursächlicher und bekannter müssen sie sein und vorrangig – ursächlich, weil wir eine Sache dann wissen, wenn wir die Ursache dieser Sache wissen, und vorrangig, wenn in der Tat ursächlich, und bereits bekannt nicht nur auf die eine Art, durch das Verstehen, sondern auch durch das Wissen, dass sie sind.
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Vorrangig aber ist etwas, und bekannter, auf doppelte Weise. Denn es ist nicht dasselbe, vorrangig von Natur aus zu sein und in Bezug auf uns vorrangig, und auch nicht bekannter und für uns bekannter. Ich nenne dabei in bezug auf uns vorrangig und bekannter das der Wahrnehmung Nähere, schlechthin vorrangig und bekannter dagegen das Entferntere. Es ist aber am entferntesten das Allgemeinste, am nächsten jedoch das Einzelne, und diese sind einander entgegengesetzt. Von ursprünglichen Dingen heißt: von angemessenen Prinzipien, denn dasselbe nenne ich Ursprüngliches und Prinzip. Ein Prinzip ist eine unvermittelte Prämisse einer Demonstration, unvermittelt aber ist diejenige Prämisse, der gegenüber keine andere vorrangig ist. Eine Prämisse ist der eine Teil einer Prädikation – eines wird über anderes prädiziert, und zwar eine dialektische Prämisse, wenn sie unterschiedslos einen beliebigen Teil annimmt, eine demonstrative dagegen, wenn sie definitiv einen der beiden annimmt, weil er wahr ist. Eine Prädikation ist ein beliebiger Teil einer Kontradiktion, und eine Kontradiktion ist ein Gegensatz, zu dem es in bezug auf ihn selbst nichts dazwischen gibt. Teil einer Kontradiktion schließlich ist einerseits – etwas wird prädiziert über etwas – eine Bejahung, andererseits – etwas wird nicht prädiziert über etwas – eine Verneinung. Ein unvermitteltes deduktives Prinzip nenne ich: Festsetzung, wenn man es nicht beweisen kann und darüber nicht verfügen muss, um irgendein Wissen zu erwerben. Wenn man dagegen darüber verfügen muss, um welches Wissen auch immer zu erwerben, nenne ich es: Postulat. Es gibt nämlich einiges von dieser Art, und diesen Namen pflegen wir meistens bei solchen Dingen zu verwenden. Eine Festsetzung, die welchen der Teile einer Kontradiktion auch immer annimmt – ich meine, dass etwas der Fall ist oder dass etwas nicht der Fall ist – nenne ich: Hypothese, diejenige dagegen ohne dieses: Definition. Die Definition nämlich ist eine Festsetzung: es setzt nämlich der Arithmetiker fest, dass eine Einheit das Unteilbare in Hinsicht auf das Quantitative ist; eine Hypothese
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aber ist es nicht, denn was eine Einheit ist und dass eine Einheit ist, ist nicht dasselbe. Da man jedoch von einer Sache überzeugt sein und eine Sache wissen sollte dadurch, dass man über eine Art von Deduktion verfügt, die wir Demonstration nennen, und diese dadurch zustande kommt, dass diejenigen Dinge bestehen, von denen die Deduktion abhängt, so ist es nicht nur notwendig, die ursprünglichen Dinge bereits zu kennen, entweder alle oder einige, sondern auch in höherem Grade. Stets nämlich trifft jenes, aufgrund dessen ein jedes zutrifft, in höherem Grade zu, wie etwa: aufgrund dessen wir lieben, das ist liebenswert in höherem Grade. Daher, wenn wir wirklich etwas wissen aufgrund der ursprünglichen Dinge, und von ihnen überzeugt sind, dann wissen wir jene Dinge, und sind von ihnen überzeugt, auch in höherem Grade, weil aufgrund jener auch die späteren Dinge zutreffen. Und es ist nicht möglich, von denjenigen Dingen, von denen man weder weiß noch besser disponiert ist als wenn man sie nur wüsste, in höherem Grade überzeugt zu sein, als von jenen Dingen, die man weiß. Es wird dies aber folgen, wenn jemand nicht bereits etwas im vorhinein kennt gegenüber jenen, die aufgrund einer Demonstration überzeugt sind. Denn in höherem Grade muss man von den Prinzipien überzeugt sein – entweder von allen oder von einigen – als von der Konklusion. Wer aber über das Wissen verfügen will, und zwar aufgrund einer Demonstration, muss nicht nur die Prinzipien in höherem Grade kennen und in höherem Grade von ihnen überzeugt sein als vom Bewiesenen, sondern auch nichts anderes darf für ihn überzeugender oder bekannter sein unter denjeni gen – den Prinzipien entgegen gesetzten – Dingen, von denen die Deduktion des konträren Irrtums abhängt, wenn denn wirklich der schlechthin Wissende nicht vom Gegenteil überzeugt werden kann. Kapitel 3. Einigen freilich scheint es aufgrund der Notwendigkeit, die ursprünglichen Dinge zu wissen, kein Wissen zu geben. Anderen scheint es zwar Wissen, aber von allem auch
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Demonstrationen zu geben. Davon ist nichts wahr oder notwendig. Die einen nämlich, die voraussetzen, es sei nicht möglich, auf andere Weise zu wissen – diese Leute betonen, man werde ins Unendliche geführt, so dass man nicht die nachrangigen Dinge aufgrund der vorrangigen Dinge wissen kann, zu denen ursprüngliche Dinge nicht gehören. Damit haben sie recht, denn es ist unmöglich, das Unendliche durchzugehen. Und wenn es zum Stehen kommt und es Prinzipien gibt, dann seien diese unerkennbar, da es von ihnen keine Demonstration gebe, was – so behaupten sie – das Wissen ausmache, und zwar einzig und allein. Wenn es aber nicht möglich ist, die ursprünglichen Dinge zu wissen, dann könne man auch die von ihnen abhängigen Dinge nicht schlechthin oder auf vorzügliche Weise wissen, sondern nur abhängig von einer Hypothese – wenn jene Hypothesen wahr sind. Die anderen stimmen zwar über das Wissen überein: durch Demonstration komme es zustande, und zwar einzig und allein; aber dass es von allem eine Demonstration gibt, daran hindere nichts, denn es sei möglich, dass die Demonstration zirkulär entsteht und Sätze wechselseitig auseinander demonstriert werden können. Wir aber behaupten, dass nicht jedes Wissen demonstrierbar ist, sondern dass das Wissen der unvermittelten Dinge undemonstrierbar ist. Und dass dies notwendig ist, ist einleuchtend, denn wenn es notwendig ist, das Vorrangige zu wissen und folglich das, wovon die Demonstration abhängt, und wenn die unvermittelten Dinge irgendwann zum Stehen kommen, dann müssen sie undemonstrierbar sein. Dieses also sagen wir auf diese Weise, und wir behaupten, dass es nicht nur Wissen, sondern auch ein gewisses Prinzip von Wissen gibt, durch das wir von den Definitionen Kenntnis besitzen. Und dass es unmöglich ist, zirkulär zu demonstrieren, und zwar schlechthin, ist klar, wenn die Demonstration wirklich von vorrangigen und bekannteren Dingen abhängen soll. Denn unmöglich kann dasselbe denselben Dingen gegenüber zugleich vorrangig und nachrangig sein, es sei denn auf eine andere Weise: wie etwa das eine in Bezug auf uns, das andere schlechthin – auf welche Weise es die Induktion bekannt macht. Wenn es sich aber so verhält, dann wäre
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wohl das Wissen schlechthin nicht angemessen definiert, sondern ein Doppeltes; oder die andere Demonstration ist dies nicht schlechthin, da sie doch von dem uns Bekannteren abhängt. Es ergibt sich aber für diejenigen, die sagen, eine zirkuläre Demonstration sei möglich, nicht nur das soeben Gesagte, sondern auch dass sie nichts anderes sagen, als dass dieses der Fall ist, wenn dieses der Fall ist. Auf diese Weise allerdings ist alles leicht zu beweisen. Es ist klar, dass sich dies ergibt, wenn drei Begriffe festgesetzt werden. Denn zu behaupten, dass es durch viele oder durch wenige wieder zum Ausgangspunkt zurückkommt, macht keinen Unterschied – durch wenige oder sogar durch zwei. Denn wenn, falls A der Fall ist, notwendigerweise B der Fall ist, und wenn dies, dann C, so wird, wenn A der Fall ist, C der Fall sein. Wenn also, falls A der Fall ist, notwendigerweise B der Fall ist, und wenn dies, dann A (denn dies war das Zirkuläre), so sei das A als das C zugrunde gelegt. Zu sagen also, dass – wenn B der Fall ist – A der Fall ist, heißt zu sagen, dass C der Fall ist, und dies, dass wenn A der Fall ist, C der Fall ist; das C aber war dasselbe wie A. So dass folgt, dass diejenigen, die behaupten, eine zirkuläre Demonstration sei möglich, nichts anderes sagen, als dass, wenn A der Fall ist, A der Fall ist. So aber alles zu beweisen, ist leicht. Nicht einmal dies freilich ist möglich, außer bei denjenigen Dingen, die einander wechselseitig folgen, wie die spezifischen Eigenschaften. Wenn Eines zugrunde gelegt ist, so ist bewiesen worden, dass niemals notwendigerweise etwas anderes der Fall ist – dabei verstehe ich unter: wenn Eines, dass weder wenn ein einziger Begriff noch wenn eine einzige Festsetzung festgesetzt ist. Von zwei Festsetzungen aus dagegen als ersten und der Zahl nach wenigsten kann es der Fall sein, wenn man überhaupt deduzieren kann. Wenn also das A dem B und dem C folgt, und diese einander und dem A, so können auf diese Weise alle geforderten Dinge wechselseitig auseinander bewiesen werden, und zwar in der ersten Figur, wie es bewiesen worden ist in der Abhandlung über die Deduktion. Es wurde ferner auch bewiesen, dass in den anderen Figuren ent-
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weder eine Deduktion nicht zustande kommt oder nicht von den angenommenen Dingen aus. Diejenigen Dinge dagegen, die nicht gegenseitig voneinander ausgesagt werden, können niemals zirkulär bewiesen werden, so dass es, da wenige derartige Dinge in den Demonstrationen vorkommen, einleuchtend ist, dass es leer und unmöglich ist zu sagen, die Demonstration erfolge aus wechselseitig einander folgenden Dingen und deshalb könne es von allem eine Demonstration geben. Kapitel 4. Da sich nun dasjenige unmöglich anders verhalten kann, wovon es Wissen schlechthin gibt, so dürfte dasjenige notwendig sein, was nach Maßgabe des demonstrativen Wissens gewusst wird; demonstrativ aber ist jenes Wissen, über das wir dadurch verfügen, dass wir über eine Demonstration verfügen. Eine Deduktion aus notwendigen Prämissen ist folglich die Demonstration. Wir müssen daher genauer fassen, von welchen und wie beschaffenen Dingen die Demonstrationen abhängen. Zuerst aber wollen wir bestimmen, was wir das auf jedes und das an sich und das allgemein Zutreffende nennen. Auf jedes zutreffend nun nenne ich das, was weder auf einige zutrifft, auf anderes jedoch nicht, noch zuweilen, zuweilen jedoch nicht, wie etwa wenn auf jeden Menschen Lebewesen zutrifft: Wenn es wahr ist, diesen hier Mensch zu nennen, dann auch Lebewesen, und wenn jetzt das eine, dann auch das andere; und wenn in jeder Linie ein Punkt ist, verhält es sich ebenso. Ein Zeichen dafür ist: Auch die Einwände bringen wir ja so vor, wenn gefragt wird, ob etwas auf jedes zutrifft – entweder sagen wir: wenn es bei einem nicht zutrifft, oder wenn irgendwann nicht. An sich aber trifft sowohl dasjenige zu, was im Was-es-ist vorkommt, wie etwa Linie auf Dreieck und Punkt auf Linie – denn ihre Substanz hängt von diesen Dingen ab, und sie kommen in der Bestimmung, die sagt was sie sind, vor – als auch dasjenige, bei dem die Dinge, auf die es zutrifft, selbst in der Bestimmung vorkommen, die klar macht, was es ist, wie etwa das Gerade auf Linie zutrifft und auch das Runde, und das Gerade und Ungerade auf Zahl, und auch das prim und zu-
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sammengesetzt und gleichseitig und rechteckig. Und in der Tat, bei all diesen Dingen kommt in der Bestimmung, die sagt, was sie sind, hier Linie, dort Zahl vor. Ähnlich auch bei den übrigen Dingen nenne ich derartiges an sich zutreffend auf jedes einzelne; was dagegen auf keine dieser Weisen zutrifft, nenne ich Zufälliges, wie zum Beispiel das Musikalische oder Weiße auf Lebewesen zutrifft. Ferner, was nicht über irgendein anderes Zugrundeliegendes ausgesagt wird – wie etwa das Gehende als ein gewisses anderes Ding gehend ist und auch weiß, die Substanz dagegen, und was ein Dieses bezeichnet, nicht als ein gewisses anderes Ding das ist, was es wirklich ist – das nicht über ein Zugrundeliegendes Ausgesagte also nenne ich an sich, das über ein Zugrundeliegendes Ausgesagte dagegen zufällig. Ferner ist auf andere Weise dasjenige, was durch sich selbst auf ein jedes Ding zutrifft, an sich, dasjenige dagegen, was nicht durch sich selbst zutrifft, ist zufällig. Wenn es etwa, als jemand spazieren ging, blitzte, so ist es zufällig, denn nicht aufgrund des Spazierengehens blitzte es, sondern zufälligerweise, behaupten wir, traf es sich so. Wenn es dagegen durch sich selbst zutrifft, dann auch an sich, wie zum Beispiel etwas, das geopfert wurde, starb, und zwar im Verlaufe des Opfers, weil aufgrund des Opferns, und es sich nicht zufällig so traf, dass es geopfert wurde und dabei starb. Was also bei den schlechthin gewussten Dingen an sich zutreffend genannt wird, insofern es im Ausgesagten vorkommt oder dieses in jenem, trifft durch sich selbst und aus Notwendigkeit zu. Denn es ist nicht möglich, dass es nicht zutrifft – entweder schlechthin oder einer der gegensätzlichen Teile, wie etwa auf Linie das Gerade oder das Runde zutrifft und auf Zahl das Gerade oder das Ungerade. Denn das Konträre ist entweder eine Wegnahme oder eine Kontradiktion in derselben Gattung, wie zum Beispiel bei Zahlen etwas gerade ist, was nicht ungerade ist, insofern es dem anderen folgt. Daher, wenn es notwendig ist zu bejahen oder zu verneinen, so ist es auch für das an sich Zutreffende notwendig, zuzutreffen.
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Das auf jedes und an sich Zutreffen sei also auf diese Weise bestimmt. Allgemein zutreffend aber nenne ich das, was auf jedes zutrifft und an sich und als solches. Es ist daher einleuchtend, dass das, was allgemein zutrifft, aus Notwendigkeit auf die Dinge zutrifft. Das an sich aber und als solches ist dasselbe, wie etwa Punkt und das Gerade an sich auf die Linie – nämlich auch als Linie – zutrifft, und zwei Rechte auf das Dreieck als Dreieck – das Dreieck ist nämlich auch an sich zwei Rechten gleich. Das Allgemeine aber trifft dann zu, wenn es für etwas Beliebiges und Ursprüngliches bewiesen wird, wie etwa das zwei Rechte haben weder auf die Figur allgemein zutrifft – freilich kann man für eine Figur beweisen, dass sie zwei Rechte hat, aber nicht für eine beliebige Figur, und der Beweisende benutzt auch nicht eine beliebige Figur. Denn das Viereck ist zwar eine Figur, hat aber nicht Winkel, die zwei Rechten gleich sind. Das Gleichschenklige dagegen, und zwar ein beliebiges, hat zwar Winkel, die zwei Rechten gleich sind, ist aber nicht ursprünglich, sondern das Dreieck ist vorrangig. Wovon also als einem Beliebigen, Ursprünglichen bewiesen wird, dass es zwei Rechte hat oder irgendetwas anderes, auf das trifft es als auf ein Ursprüngliches allgemein zu, und die Demonstration gilt davon an sich allgemein, von den übrigen Dingen aber gilt sie in gewisser Weise nicht an sich, und außerdem gilt sie vom Gleichschenkligen nicht allgemein, sondern reicht weiter. Kapitel 5. Es darf aber nicht verborgen bleiben, dass es häufig geschieht, dass Fehler vorkommen und das Bewiesene nicht als Ursprüngliches allgemein zutrifft, in der Form, in der es allgemein als Ursprüngliches bewiesen zu werden scheint. Und wir begehen diesen Fehler immer dann, wenn es entweder nicht möglich ist, etwas Höheres – neben dem Einzelnen– als die einzelnen Sachen zu erfassen, oder wenn es zwar möglich ist, es aber namenlos ist in Hinsicht auf Dinge, die der Art nach verschieden sind, oder wenn das, worüber es bewiesen wird, nur ein Ganzes gleichsam als Spezielles ist. Denn auf die speziellen Dinge wird die Demonstration zwar zutreffen, und sie
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wird auf jedes zutreffen, aber dennoch wird die Demonstration nicht von diesem als einem Ursprünglichen allgemein gelten – ich sage, dass von diesem Ursprünglichen, als solchem, eine Demonstration immer dann gilt, wenn sie vom Ursprünglichen allgemein gilt. Wenn also jemand bewiese, dass die rechten Winkel sich nicht schneiden, so könnte es scheinen, als gelte die Demonstration dieser Sache deshalb, weil sie für alle Rechten gilt. Aber das ist nicht so – wenn die Demonstration denn wirklich gilt, nicht weil sie in dieser bestimmten Weise gleich sind, sondern weil sie in beliebiger Weise gleich sind. Und wenn ein Dreieck nichts anderes wäre als gleichschenklig, so würde die Demonstration auf das Dreieck als gleichschenkliges zuzutreffen scheinen. Und es könnte auch von der Proportion scheinen, dass sie vertauschbar ist, insofern es um Zahlen und Linien und dreidimensionale Körper und Zeiten geht, so wie dies einst jeweils getrennt bewiesen wurde, während es doch für alle Dinge durch eine einzige Demonstration bewiesen werden kann. Aber weil alle diese Dinge nicht ein benanntes Eines sind – Zahlen, Längen, Zeiten, dreidimensionale Körper –, und sich der Art nach voneinander unterscheiden, wurden sie jeweils getrennt genommen. Nun aber ist es allgemein bewiesen; denn nicht auf sie als Linien oder als Zahlen traf es zu, sondern als dasjenige, wovon sie voraussetzen, dass es allgemein zutrifft. Daher, selbst wenn jemand für jedes einzelne Dreieck bewiese – durch entweder eine oder verschiedene Demonstrationen –, dass jedes einzelne Winkel gleich zwei Rechten hat, getrennt das gleichseitige und das ungleichseitige und das gleichschenklige –, so wüsste er noch nicht vom Dreieck, dass es Winkel gleich zwei Rechten hat – es sei denn auf die sophistische Weise –, und auch nicht vom Dreieck allgemein, auch wenn es neben diesen kein anderes Dreieck gäbe. Denn er wüsste es nicht von ihm als Dreieck oder als jedes Dreieck, es sei denn der Zahl nach, aber nicht der Art nach als jedes, auch wenn es keines gäbe, von dem er es nicht wüsste. Wann also wüsste er es nicht allgemein, und wann wüsste er es schlechthin? Klarerweise doch wohl wenn es dasselbe wäre,
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ein Dreieck und ein gleichseitiges Dreieck zu sein, entweder bei jedem einzelnen oder bei allen. Wenn es aber nicht dasselbe ist, sondern verschieden, und es darauf als Dreieck zuträfe, so wüsste er es nicht. Trifft es darauf als Dreieck oder als Gleichschenkliges zu? Und wann trifft es darauf zu als etwas Ursprüngliches? Und wovon gilt die Demonstration allgemein? Klarerweise wenn es, nachdem abstrahiert wurde, auf Ursprüngliches zutrifft, wie etwa auf das gleichschenklige bronzene Dreieck zwei Rechte zutreffen werden – aber auch wenn vom Bronzen-Sein abstrahiert worden ist und vom Gleichschenkligen, aber nicht von der Figur oder Grenze; aber sie sind nicht ursprünglich. Wovon also gilt es als Ursprünglichem? Wenn vom Dreieck, dann trifft es nach diesem auch auf die übrigen Dinge zu, und von diesem gilt die Demonstration allgemein. Kapitel 6. Von notwendigen Prämissennotwendigen Prinzipien abhängt – denn was man weiß, kann sich nicht anders verhalten –, und das an sich Zutreffende notwendig ist für die Dinge – teils nämlich kommt es im Was-es-ist vor, teils kommt es bei ihnen im Was-es-ist vor, wenn es von ihnen ausgesagt wird, wovon der eine der Gegensätze notwendigerweise zutrifft, – dann ist einleuchtend, dass die demonstrative Deduktion von derartigen Prämissen abhängen dürfte; alles nämlich trifft entweder auf diese Weise zu oder zufälligerweise, das Zufällige aber ist nicht notwendig. Entweder also muss man auf diese Weise reden oder indem man als Prinzip festsetzt, dass die Demonstration sich auf Notwendiges richtet und dass sich etwas, wenn es demonstriert ist, nicht anders verhalten kann. Von notwendigen Prämissen folglich muss die Deduktion abhängen. Aus wahren Prämissen nämlich kann man auch ohne zu demonstrieren deduzieren, aus notwendigen Prämissen dagegen nur wenn man demonstriert, denn dies ist gerade für eine Demonstration kennzeichnend. Ein Zeichen dafür, dass die Demonstration von notwendigen Prämissen abhängt, ist, dass wir auch die Einwände in dieser Weise vorbringen gegenüber jenen, die glau-
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ben zu demonstrieren – dass keine Notwendigkeit vorliegt, wann immer wir glauben, es könne sich entweder insgesamt anders verhalten oder doch zumindest um des Argumentes willen. Klar ist daraus aber auch, dass derjenige einfältig ist, der glaubt die Prinzipien angemessen anzunehmen, wenn die Prämisse allgemein anerkannt und wahr ist, wie zum Beispiel die Sophisten, weil das Wissen das Besitzen von Wissen ist. Denn nicht was allgemein anerkannt ist oder nicht, ist Prinzip, sondern das Ursprüngliche der Gattung, über die bewiesen wird; und das Wahre ist nicht in jedem Fall angemessen. Dass ferner die Deduktion von notwendigen Prämissen abhängen muss, ist auch aus Folgendem deutlich. Wenn nämlich jemand, der nicht eine Bestimmung des Warum besitzt, obgleich es eine Demonstration gibt, nicht ein Wissender ist, und es ferner so ist, dass das A auf das C mit Notwendigkeit zutrifft, das B jedoch, der Mittelbegriff, durch den demonstriert worden ist, nicht mit Notwendigkeit zutrifft, dann wusste er nicht weshalb. Denn dies ist nicht aufgrund des Mittelbegriffes der Fall. Das eine kann nämlich auch nicht der Fall sein, die Konklusion dagegen ist notwendig. Ferner, wenn jemand jetzt nicht weiß, obgleich er eine Bestimmung besitzt und erhalten bleibt, wobei auch die Sache erhalten bleibt, und wenn er nicht vergessen hat, dann wusste er auch zuvor nicht. Es könnte jedoch der Mittelbegriff zugrunde gehen, wenn er nicht notwendig ist, so dass er die Bestimmung besitzen wird und erhalten bleibt – erhalten bleibt auch die Sache –, er aber dennoch nicht weiß. Folglich wusste er auch zuvor nicht. Wenn der Mittelbegriff dagegen nicht zugrunde gegangen ist, jedoch zugrunde gehen kann, dann dürfte auch das Resultat fähig sein zu existieren und möglich sein. Aber es ist unmöglich, dass jemand in einem solchen Zustand weiß. Wenn freilich die Konklusion mit Notwendigkeit der Fall ist, hindert nichts daran, dass der Mittelbegriff nicht notwendig ist, durch den sie bewiesen wurde, denn es ist möglich, das Notwendige auch aus nicht-notwendigen Prämissen zu deduzieren, sowie auch das Wahre aus nicht-wahren Prämissen. Wenn aber der Mittelbegriff mit Notwendigkeit besteht, dann
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besteht auch die Konklusion mit Notwendigkeit, sowie auch aus wahren Prämissen stets Wahres deduziert wird. Es treffe nämlich das A auf das B mit Notwendigkeit zu, und dieses auf das C; notwendig folglich trifft auch das A auf das C zu. Wenn dagegen die Konklusion nicht notwendig ist, so kann auch der Mittelbegriff nicht notwendig sein. Es treffe nämlich das A auf das C nicht mit Notwendigkeit zu, wohl aber auf das B, und dieses auf das C mit Notwendigkeit; dann wird folglich auch das A auf das C mit Notwendigkeit zutreffen – aber das lag nicht zugrunde. Da folglich, wenn jemand etwas auf demonstrative Weise weiß, es mit Notwendigkeit zutreffen muss, ist klar, dass er die Demonstration auch durch einen notwendigen Mittelbegriff besitzen muss; oder er wird nicht wissen – weder das Weshalb noch dass jenes notwendig ist, sondern er wird es entweder glauben, ohne es zu wissen – wenn er als notwendig annimmt, was nicht notwendig ist –, oder er wird es nicht einmal glauben, gleichgültig ob er das Dass weiß durch Mittelbegriffe oder das Weshalb sogar durch unvermittelte Prämissen. Vom Zufälligen aber, das nicht an sich zutrifft – so wie das an sich Zutreffende definiert wurde –, gibt es kein demonstratives Wissen, denn es ist nicht möglich, die Konklusion mit Notwendigkeit zu beweisen. Das Zufällige nämlich kann auch nicht zutreffen – denn über ein derartiges Zufälliges rede ich. Allerdings könnte jemand vielleicht das Problem aufwerfen, zu welchem Zweck man diese Fragen über diese Dinge stellen muss, wenn die Konklusion nicht notwendig ist. Denn es macht keinen Unterschied, wenn jemand nach Zufälligem fragt und dann die Konklusion nennt. Man muss jedoch Fragen stellen, nicht als ob es notwendig wäre aufgrund des Gefragten, sondern weil es notwendig ist sie zu nennen für jemanden, der jene Dinge nennt, und zwar sie wahrheitsgemäß zu nennen, wenn sie wahrheitsgemäß zutreffen. Da aber dasjenige mit Notwendigkeit auf jede einzelne Gattung zutrifft, was an sich zutrifft und als jedes einzelne, so ist einleuchtend, dass es die an sich zutreffenden Dinge sind, auf die sich die wissenschaftlichen Demonstrationen beziehen,
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und dass sie von derartigen Prämissen abhängen. Denn das Zufällige ist nicht notwendig, so dass man von der Konklusion nicht notwendigerweise weiß, warum sie zutrifft, nicht einmal wenn sie stets der Fall ist, ohne dass sie jedoch an sich zutrifft, wie etwa die Deduktionen durch Zeichen. Denn das an sich Zutreffende wird man dann nicht an sich wissen, und auch nicht das Weshalb – das Wissen des Weshalb ist aber das Wissen durch das Ursächliche. Durch sich selbst folglich muss sowohl der Mittelbegriff auf den dritten Begriff als auch der erste Begriff auf den Mittelbegriff zutreffen. Kapitel 7. Es ist daher nicht möglich, aus einer anderen Gattung überzuwechseln und dadurch etwas zu beweisen, wie etwa das Geometrische durch Arithmetik. Drei Dinge nämlich gibt es in den Demonstrationen; eines: das Demonstrierte, die Konklusion – dies ist das, was auf eine gewisse Gattung an sich zutrifft; ein anderes: die Postulate – Postulate sind das, wovon die Demonstration abhängt; ein drittes: die Gattung, die zugrunde liegt, deren Eigenschaften und das an sich auf sie zutreffende Zufällige die Demonstration klar macht. Wovon nun die Demonstration abhängt, das kann dasselbe sein; wovon dagegen die Gattung verschieden ist, wie von Arithmetik und Geometrie, da ist es nicht möglich, die arithmetische Demonstration auf das Zufällige anzuwenden, das auf die Größen zutrifft, es sei denn die Größen sind Zahlen; wie das möglich ist bei gewissen Dingen, wird später gesagt werden. Die arithmetische Demonstration besitzt stets die Gattung, auf die sich die Demonstration bezieht, und die übrigen Demonstrationen in ähnlicher Weise. Daher muss die Gattung entweder schlechthin dieselbe sein oder in gewisser Weise, wenn die Demonstration überwechseln soll. Dass es auf andere Weise unmöglich ist, ist klar, denn aus derselben Gattung müssen die Außenbegriffe und die Mittelbegriffe sein. Wenn sie nämlich nicht an sich zutreffen, werden sie zufällig sein. Aus diesem Grund ist es der Geometrie nicht möglich zu beweisen, dass es von den konträren Dingen eine einzige Wissenschaft gibt – und nicht einmal dass zwei Ku-
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bikzahlen eine Kubikzahl bilden – noch ist es einer anderen Wissenschaft möglich, das zu beweisen, was einer von ihr verschiedenen Wissenschaft zugehört, außer im Falle von Wissenschaften, die sich so zueinander verhalten, dass die eine der anderen untergeordnet ist, so wie sich die Optik zur Geome trie und die Harmonik zur Arithmetik verhält. Und ebenfalls ist es der Geometrie nicht möglich, etwas zu beweisen, wenn es auf die Linien nicht als Linien zutrifft und nicht als abhängig von den spezifischen Prinzipien, wie etwa ob die schönste aller Linien die Gerade ist oder ob sie sich konträr verhält zum Kreisförmigen; denn dies trifft auf sie nicht als ihre spezifische Gattung zu, sondern als etwas Gemeinsames. Kapitel 8. Es ist aber auch einleuchtend, dass wenn die Prämissen allgemein sind, von denen die Deduktion abhängt, notwendig auch die Konklusion einer derartigen Demonstration ewig ist – und zwar der schlechthin zu nennenden Demonstration. Es gibt folglich keine Demonstration von den vergänglichen Dingen und auch kein Wissen schlechthin, sondern höchstens so wie auf zufällige Weise, weil sie nicht allgemein von ihm gilt, sondern irgendwann und irgendwie. Wenn es dagegen eine solche Demonstration gibt, dann ist notwendig die eine Prämisse nicht-allgemein und vergänglich – vergänglich, weil es auch die Konklusion sein wird, wenn die eine Prämisse es ist, und nichtallgemein, weil das, was zugesprochen wird, für das eine der Fall sein wird, für das andere dagegen nicht der Fall sein wird, so dass nicht allgemein deduziert werden kann, sondern nur dass es jetzt der Fall ist. Ähnlich verhält es sich auch mit Definitionen, wenn denn die Definition entweder ein Prinzip einer Demonstration oder eine Demonstration, die sich durch Position unterscheidet, oder eine gewisse Konklusion einer Demonstration ist. Die Demonstrationen und Wissenschaften von Dingen, die sich häufig ereignen, wie etwa von einer Mondfinsternis, gelten klarerweise, insofern sie von dieser so und so beschaffenen Sache gelten, immer, insofern sie jedoch nicht immer gelten,
Erstes Buch · Kapitel 9 269
gelten sie speziell. Und so wie die Verfinsterung, ebenso verhält sich die Sache auch in den anderen Fällen. Kapitel 9. Da es einleuchtend ist, dass man eine jede Sache nicht demonstrieren kann außer aus den Prinzipien einer jeden Sache, wenn das Bewiesene als solches zutrifft, so ist das Wissen nicht dies, wenn aus wahren und nicht-demonstrierbaren und unvermittelten Prämissen bewiesen wurde. Es ist nämlich möglich, auf solche Weise zu beweisen, wie Bryson die Quadratur des Kreises bewiesen hat. In Hinsicht auf etwas Gemeinsames nämlich beweisen derartige Argumente, was auch auf anderes zutreffen wird. Deshalb sind die Argumente auch auf andere Dinge anwendbar, die nicht von derselben Gattung sind. Also wird es nicht als solches gewusst, sondern auf zufällige Weise, denn sonst wäre die Demonstration nicht auch auf eine andere Gattung anwendbar. Wir wissen eine jede Sache andererseits auf nicht-zufällige Weise, wenn wir von ihr in Hinsicht auf jenes Ding Kenntnis besitzen, in Hinsicht auf welches es zutrifft, aus den Prinzipien jedes Dinges als eines solchen – wie wir etwa das Haben von Winkeln gleich zwei Rechten wissen, wenn wir von ihm in Hinsicht auf jenes Ding Kenntnis besitzen, in Hinsicht auf welches das Gesagte an sich zutrifft, aus den Prinzipien dieses Dinges; so dass, wenn auch jenes an sich zutrifft auf dasjenige, auf das es zutrifft, notwendig der Mittelbegriff in derselben Gattung ist – wenn nicht, dann wird die Sache so bewiesen wie das Harmonische durch Arithmetik. Derartige Dinge werden zwar auf dieselbe Weise bewiesen, unterscheiden sich jedoch. Das Dass nämlich gehört zu einer anderen Wissenschaft (denn die zugrunde liegende Gattung ist eine andere), das Weshalb dagegen gehört zu einer höheren Wissenschaft, zu der die an sich zutreffenden Eigenschaften gehören. Daher ist auch aus diesen Dingen einleuchtend, dass es nicht möglich ist, eine jede Sache schlechthin zu demonstrieren außer aus den Prinzipien einer jeden Sache. Aber die Prinzipien dieser Dinge besitzen das Gemeinsame.
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Wenn aber dies einleuchtend ist, dann ist auch einleuchtend, dass es nicht möglich ist, die für jede Sache spezifischen Prinzipien zu demonstrieren. Es würden nämlich jene übergeordnete Prinzipien für alle Dinge Prinzipien sein – und ihr Wissen maßgebend für alle Dinge. In der Tat nämlich weiß derjenige in höherem Grade, der aufgrund höherer Ursachen weiß; aufgrund der vorrangigen Dinge nämlich weiß man, wenn man aufgrund nicht verursachter Ursachen weiß. Daher, wenn man in höherem Grade weiß und in höchstem Grade, so dürfte auch jenes Wissen von höherem und höchsten Grade sein. Und die Demonstration ist nicht anwendbar auf eine andere Gattung – außer, wie gesagt, die geometrischen Demonstrationen auf die mechanischen oder optischen und die arithmetischen auf die harmonischen. Es ist freilich schwer, Kenntnis darüber zu gewinnen, ob man etwas weiß oder nicht. Schwer nämlich ist es, Kenntnis darüber zu gewinnen, ob wir etwas aufgrund der Prinzipien einer jeden Sache wissen oder nicht – was das Wissen wirklich ist. Wir glauben freilich, wenn wir aufgrund gewisser wahrer und ursprünglicher Dinge eine Deduktion besitzen, etwas zu wissen. Das aber ist nicht der Fall, sondern die gewussten Dinge müssen in derselben Gattung sein wie die ursprünglichen Dinge. Kapitel 10. Ich nenne Prinzipien in einer jeden Gattung diejenigen, von denen es unmöglich ist zu beweisen, dass sie sind. Was sie bezeichnen – und zwar sowohl die ursprünglichen Dinge als auch die von ihnen abhängigen Dinge –, wird angenommen; dass sie jedoch sind, muss man von den Prinzipien annehmen, von den übrigen Dingen dagegen beweisen, wie zum Beispiel was eine Einheit ist oder was das Gerade und Dreieck, aber auch dass die Einheit und Größe ist, muss man annehmen, das übrige dagegen beweisen. Es sind aber von den Prinzipien, die sie benutzen in den demonstrativen Wissenschaften, einige spezifisch für jede einzelne Wissenschaft, andere dagegen gemeinsam – gemeinsam freilich nach Analogie, da nützlich nur in der unter die Wissenschaft fallenden Gattung. Spezifisch ist etwa, dass eine Linie
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und das Gerade von der und der Art ist, gemeinsam etwa, dass wenn man Gleiches von Gleichem abzieht, das Übrige gleich ist. Hinreichend freilich ist ein jedes dieser Prinzipien, soweit es in der Gattung gilt; dasselbe nämlich wird es zustande bringen, auch wenn man es nicht für alle Dinge annimmt, sondern für Größen allein und – für den Arithmetiker – für Zahlen allein. Es sind aber spezifisch auch Prinzipien – von denen angenommen wird, dass sie sind –, bei denen die Wissenschaft das an sich Zutreffende betrachtet, wie etwa bei Einheiten die Arithmetik, die Geometrie dagegen bei Punkten und Linien. Von diesen Dingen nämlich nehmen sie an, dass sie sind und dass sie dieses sind. Was jedoch die an sich zutreffenden Eigenschaften dieser Dinge betrifft, so nehmen sie an, was eine jede bezeichnet, wie etwa die Arithmetik, was ungerade oder gerade oder Quadratzahl oder Kubikzahl ist, und die Geometrie, was das Inkommensurable oder das Bilden nicht-rechter oder rechter Winkel ist; dass sie dagegen sind, beweisen sie durch die gemeinsamen Postulate und aus den demonstrierten Dingen; und ebenso die Astronomie. Jede demonstrative Wissenschaft nämlich ist auf drei Dinge gerichtet: diejenigen, von denen sie festsetzt, dass sie sind – diese aber bilden die Gattung, deren an sich zutreffende Eigenschaften sie betrachtet –, und die gemeinsamen sogenannten Postulate, aus denen, als ursprünglichen Dingen, sie demonstriert, und als drittes die Eigenschaften, von denen sie das, was eine jede bezeichnet, annimmt. Dass einige Wissenschaften freilich über einige dieser Dinge hinwegsehen, daran hindert nichts, wie etwa von der Gattung nicht vorauszusetzen, dass sie ist, wenn es einleuchtend ist, dass sie ist – denn nicht in ähnlicher Weise ist klar, dass eine Zahl ist und dass Kaltes und Warmes sind –, und von den Eigenschaften nicht anzunehmen, was sie bezeichnen, wenn sie klar sind, sowie auch von den gemeinsamen Postulaten nicht anzunehmen, was sie bezeichnen – das Gleiches vom Gleichen Abziehen –, weil es bekannt ist. Aber nichtsdestoweniger sind es jedenfalls
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von Natur aus diese drei Dinge: worüber sie beweisen und was sie beweisen und woraus. Es ist aber weder eine Hypothese noch eine Forderung, was notwendig durch sich selbst ist und notwendig zu sein scheint. Denn nicht auf das äußere Argument bezieht sich die Demon stration, sondern auf das Argument in der Seele – da das äußere Argument nicht einmal eine Deduktion ist. Immer nämlich ist es möglich, Einwände vorzubringen gegen das äußere Argument, aber nicht immer gegen das innere Argument. Was jemand nun, obgleich es beweisbar ist, annimmt, ohne es selbst zu beweisen, das setzt er, wenn er es als plausibel annimmt für den, der Wissen erwirbt, voraus, und es ist nicht schlechthin eine Hypothese, sondern nur relativ zu jenem. Wenn er dagegen, ohne dass eine Meinung vorhanden ist oder wenn sogar eine konträre vorhanden ist, dasselbe annimmt, so stellt er eine Forderung auf. Und darin unterscheiden sich Hypothese und Forderung: eine Forderung ist nämlich das Konträre zu der Meinung desjenigen, der Wissen erwirbt: etwas, was jemand, obgleich es demonstrierbar ist, annimmt und benutzt, ohne es bewiesen zu haben. Die Begriffe sind nicht Hypothesen – denn in keiner Weise wird gesagt, dass sie sind oder nicht –, sondern die Hypothesen gehören zu den Prämissen, die Begriffe dagegen muss man nur verstehen. Dieses Verstehen aber ist nicht eine Hypothese – es sei denn jemand will behaupten, dass auch das Hören eine Hypothese ist –, sondern Hypothesen sind diejenigen Dinge, durch die, wenn sie bestehen, dadurch dass jene Dinge bestehen, die Konklusion zustande kommt. Auch setzt der Geometer nichts Falsches voraus, wie einige behauptet haben, indem sie sagen, dass man nicht das Falsche benutzen darf, dass aber der Geometer falsch redet, wenn er die Linie, die nicht einen Fuß lang ist, einen Fuß lang nennt, oder die gezeichnete Linie Gerade, obgleich sie nicht gerade ist. Aber der Geometer folgert nicht daraus, dass diese Linie hier existiert, die er selbst beschrieben hat, sondern daraus, was durch diese Dinge klargemacht wird. Ferner ist die Forderung und jede Hypothese
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entweder wie ein Ganzes oder wie ein Spezielles, die Begriffe dagegen sind keines von beiden. Kapitel 11. Dass es Formen oder ein gewisses Eines neben den vielen Dingen gibt, ist nicht notwendig, wenn Demonstration möglich sein soll. Dass es jedoch ein Eines gibt, das auf viele Dinge zutrifft – dass dies wahr ist zu sagen, ist notwendig. Denn es wird kein Allgemeines geben, wenn dies nicht der Fall ist. Wenn es aber das Allgemeine nicht gibt, wird es den Mittelbegriff nicht geben, und daher auch keine Demonstration. Es muss folglich ein gewisses Eines und Identisches bei mehreren Dingen geben, das nicht mehrdeutig ist. Dass es nicht möglich ist, zugleich zu bejahen und zu verneinen, nimmt keine Demonstration an, es sei denn es ist nötig zu beweisen, dass auch die Konklusion von dieser Art ist. Es wird aber bewiesen, wenn man annimmt, dass das Ursprüngliche auf den Mittelbegriff zutrifft – dass dies wahr ist –, und dass es zu verneinen nicht wahr ist. Was jedoch den Mittelbegriff betrifft, so macht es keinen Unterschied anzunehmen, dass er zutrifft und dass er nicht zutrifft, ebenso auch was den dritten Begriff angeht. Wenn nämlich eingeräumt wird, dass das, wovon Mensch zu sagen wahr ist – selbst wenn es auch von einem Nicht-Menschen wahr ist, aber wenn nur vom Menschen – Lebewesen ist, Nicht-Lebewesen jedoch nicht, so wird es wahr sein zu sagen, dass Kallias, selbst wenn es auch von einem Nicht-Kallias gilt, dennoch Lebewesen ist, Nicht-Lebewesen jedoch nicht. Ursache dafür ist, dass das Ursprüngliche nicht nur vom Mittelbegriff gesagt wird, sondern auch von anderem, weil es von mehreren Dingen gilt, sodass selbst wenn der Mittelbegriff es sowohl ist als auch nicht, es für die Konklusion keinen Unterschied macht. Dass man aber alles bejaht oder verneint, nimmt die auf das Unmögliche führende Demonstration an, und dies nicht immer allgemein, sondern soweit ausreichend, und zwar ausreichend für die Gattung – ich sage für die Gattung wie in Bezug auf die Gattung, für die man Demonstrationen vorbringt, so wie auch früher gesagt wurde.
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Es vereinigen sich aber alle Wissenschaften miteinander in Hinsicht auf die gemeinsamen Postulate – gemeinsam nenne ich jene, die sie benutzen, um aus ihnen zu demonstrieren, aber nicht jene Dinge, über die sie beweisen und auch nicht jene Dinge, die sie beweisen. Und die Dialektik vereinigt sich mit allen Wissenschaften, und wenn sonst irgendeine Wissenschaft allgemein versuchte, die gemeinsamen Postulate zu beweisen, wie dass man alles bejaht oder verneint, oder dass Gleiches von Gleichem abgezogen Gleiches ergibt, oder von derartigen Dingen irgendetwas. Die Dialektik aber ist nicht in dieser Weise auf bestimmte Dinge gerichtet und auch nicht auf irgendeine einzige Gattung. Denn dann würde sie keine Fragen stellen – wer nämlich demonstriert, kann nicht Fragen stellen, weil, wenn Gegensätzliches der Fall ist, nicht dasselbe bewiesen wird. Bewiesen ist dies aber in der Schrift über Deduktion.
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Kapitel 12. Wenn eine deduktive Frage dasselbe ist wie eine Prämisse in einer Kontradiktion und Prämissen in jeder Wissenschaft diejenigen Dinge sind, aus denen die Deduktion in jeder Wissenschaft zustande kommt, dann dürfte es wohl eine Art wissenschaftlicher Frage geben, aus der die in jeder Wissenschaft angemessene Deduktion zustande kommt. Es ist folglich klar, dass nicht jede Frage geometrisch sein dürfte oder medizinisch, und in ähnlicher Weise verhält es sich auch bei den übrigen Dingen – sondern nur jene Fragen, aus denen etwas bewiesen wird über das, worauf die Geometrie sich richtet, oder über das, was aus denselben Dingen bewiesen wird wie die Geometrie, wie zum Beispiel die optischen Dinge; in ähnlicher Weise verhält es sich auch bei den übrigen Dingen. Und bei diesen Dingen muss auch ein Argument vorgelegt werden aus den geometrischen Prinzipien und Konklusionen, über die Prinzipien dagegen muss der Geometer als Geometer kein Argument vorlegen; und in ähnlicher Weise verhält es sich auch bei den übrigen Wissenschaften. Weder darf man folglich jede Frage jeden einzelnen Wissenden fragen, noch muss jedes Gefragte beantwortet werden über eine jede Sache, sondern nur das, was nach Maßgabe der Wissenschaft bestimmt worden ist.
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Und wenn man mit einem Geometer als Geometer auf diese Weise sprechen wird, dann einleuchtenderweise auch angemessen, wann immer man etwas aus diesen Dingen beweist; wenn aber nicht, dann nicht angemessen, aber es ist klar, dass man dann den Geometer nicht widerlegt, es sei denn auf zufällige Weise. Daher sollte man unter ungeometrischen Menschen nicht über Geometrie reden; es wird nämlich verborgen bleiben, wer schlecht redet. In ähnlicher Weise verhält es sich auch bei den übrigen Wissenschaften. Da es geometrische Fragen gibt – gibt es auch ungeometrische? Und – mit Rücksicht auf jede einzelne Wissenschaft – in Hinsicht auf welche Art von Unwissenheit sind sie etwa geometrisch? Und ist die unter Unwissenheit vollzogene Deduktion die aus Gegensätzen vollzogene Deduktion oder ein Paralogismus, freilich nach Maßgabe der Geometrie, oder die aus einer anderen Kunst, wie etwa die musikalische Frage ungeometrisch ist über Geometrie, der Glaube dagegen, dass die Parallelen sich schneiden, ist irgendwie geometrisch und ungeometrisch in anderer Weise? Ein Doppeltes nämlich ist dieses Ungeometrische, so wie das Unrhythmische, und zwar ist das eine ungeometrisch dadurch, dass es etwas nicht besitzt, so wie das Unrhythmische, das andere dagegen dadurch, dass es etwas schlecht besitzt. Und diese Unwissenheit, und zwar diejenige aus derartigen Prinzipien, ist konträr. In den mathematischen Wissenschaften dagegen gibt es den Paralogismus nicht in ähnlicher Weise, weil der Mittelbegriff stets doppelt ist, denn etwas wird von all diesem, und dies wiederum von all dem anderen gesagt – vom Ausgesagten dagegen wird nicht gesagt: alles –, dieses aber ist wie ein Sehen durch die Einsicht; in den Argumenten freilich bleibt es verborgen. Ist jeder Kreis eine Figur? Wenn man zeichnet, ist es klar. Wie aber – ist das Epos ein Kreis? Es ist einleuchtend, dass das nicht der Fall ist. Man sollte nicht einen Einwand gegen eine Prämisse vorbringen, wenn die Prämisse induktiv ist. Denn so wie es nicht einmal eine Prämisse ist, wenn sie nicht von mehreren Dingen gilt – denn dann wird sie nicht von allen Dingen gelten, vom Allgemeinen aber hängt die Deduktion ab –, so klarer-
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weise auch nicht ein Einwand. Dasselbe sind nämlich Prämissen und Einwände, denn was jemand als Einwand vorbringt, das könnte die demonstrative Prämisse werden. Es kommt vor, dass einige nicht-deduktiv reden, weil sie annehmen, was beiden Begriffen folgt, wie es auch Kaineus macht: das Feuer verbreitet sich im mehrfachen Verhältnis, denn sowohl das Feuer wird schnell erzeugt, wie er sagt, als auch dieses Verhältnis. Auf diese Weise ist es aber nicht eine Deduktion, sondern nur dann, wenn dem schnellsten Verhältnis das Mehrfache folgt und dem Feuer das in der Bewegung schnellste Verhältnis. Zuweilen also ist es nicht möglich zu deduzieren aus dem Angenommenen, zuweilen dagegen ist es möglich, wird aber nicht gesehen. Wenn es unmöglich wäre, aus Falschem Wahres zu beweisen, so wäre das Analysieren leichter, denn die Begriffe würden mit Notwendigkeit konvertieren. Es sei nämlich das A der Fall, und wenn dieses der Fall ist, dann sind diese Dinge der Fall, von denen ich weiß, dass sie der Fall sind, etwa das B. Aus diesen Dingen folglich werde ich beweisen, dass jenes der Fall ist. Es konvertieren aber in höherem Grade die Begriffe in den mathematischen Wissenschaften, weil sie nichts Zufälliges annehmen – auch darin unterscheiden sie sich von dem, was in den Gesprächen vorkommt –, sondern Definitionen. Erweitert aber wird nicht durch die Mittelbegriffe, sondern durch das Hinzunehmen, wie etwa das A auf das B zutrifft, dieses aber auf das C, wiederum dieses auf das D, und dies bis ins Unendliche; aber auch in das Breite wird erweitert, wie etwa das A sowohl auf das C als auch auf das E zutrifft, wie etwa es ist Zahl – bestimmte oder auch unbestimmte – A, die ungerade bestimmte Zahl B, ungerade Zahl C. Es gilt folglich das A vom C. Und es ist die gerade bestimmte Zahl das D, die gerade Zahl das E. Es gilt folglich das A vom E. Kapitel 13. Das Dass und das Weshalb zu wissen, macht einen Unterschied, zuerst in derselben Wissenschaft, und in dieser auf doppelte Weise – auf eine Art, wenn die Deduktion nicht durch unvermittelte Prämissen zustande kommt, denn es wird
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nicht das ursprünglich Ursächliche angenommen, das Wissen des Weshalb jedoch ist bezogen auf das ursprüngliche Ursächliche; auf eine andere Art ferner, wenn die Deduktion zwar durch unvermittelte Prämissen zustande kommt, aber nicht durch das Ursächliche, sondern, wenn die Begriffe konvertieren, durch das Bekanntere. Es hindert nämlich nichts daran, dass, wenn sie wechselseitig voneinander ausgesagt werden, zuweilen das Nicht-Ursächliche bekannter ist, so dass durch dieses die Demonstration zustande kommen wird, wie etwa dass die Planeten nahe sind durch das Nicht-Funkeln: es sei C Planeten, B das Nicht-Funkeln, A das Nahesein. Wahr also ist es, das B vom C auszusagen, denn die Planeten funkeln nicht, aber auch das A vom B, denn das Nicht-Funkelnde ist nahe; dieses aber sei angenommen durch Induktion oder durch Wahrnehmung. Notwendig also trifft das A auf das C zu, so dass demonstriert ist, dass die Planeten nahe sind. Dieses nun ist die Deduktion nicht des Weshalb, sondern des Dass, denn nicht aufgrund des Nicht-Funkelns sind sie nahe, sondern aufgrund des Naheseins funkeln sie nicht. Es ist aber möglich, dass auch durch das Erstere das Letztere bewiesen wird, und es wird die Demonstration des Weshalb sein: es sei etwa C Planeten, B das Nahesein, das A das Nicht-Funkeln; so trifft also das B auf das C zu und das A auf das B, so dass auch auf das C das A, das Nicht-Funkeln, zutrifft. Und es ist die Deduktion des Weshalb; es wurde nämlich das ursprüngliche Ursächliche angenommen. Wiederum, wie sie vom Mond beweisen, dass er kugelförmig ist, durch die Zunahmen – wenn nämlich das so Zunehmende kugelförmig ist, der Mond aber zunimmt, so ist einleuchtend, dass er kugelförmig ist –, so ist auf diese Weise nun die Deduktion des Dass entstanden, wenn dagegen der Mittelbegriff umgekehrt festgesetzt ist, die des Weshalb. Denn nicht aufgrund der Zunahmen ist er kugelförmig, sondern aufgrund des Kugelförmig-Seins nimmt er derartige Zunahmen an – Mond C, Kugelförmig B, Zunahme A. Bei denjenigen Dingen dagegen, bei denen die Mittelbegriffe nicht konvertieren und das Nicht-Ursächliche bekannter ist, wird das Dass bewiesen, das Weshalb jedoch nicht, und
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außerdem bei denjenigen Dingen, bei denen der Mittelbegriff nach außen gesetzt wird. Denn auch in diesen Fällen kommt die Demonstration des Dass, und nicht des Weshalb, zustande; es wird nämlich nicht das Ursächliche genannt. Wie etwa: warum atmet die Mauer nicht? Weil sie kein Lebewesen ist. Wenn nämlich dieses für das Nicht-Atmen ursächlich wäre, so müsste das Lebewesen-Sein ursächlich sein für das Atmen, wie wenn die Verneinung Ursache des Nicht-Zutreffens, die Bejahung die des Zutreffens ist – zum Beispiel wenn das Nicht-imGleichgewicht-Sein des Warmen und des Kalten für das NichtGesundsein Ursache ist, dann auch das Im-Gleichgewicht-Sein für das Gesundsein; und in ähnlicher Weise auch wenn die Bejahung für das Zutreffen, so die Verneinung für das Nicht-Zutreffen. Bei den auf diese Weise vorgegebenen Dingen jedoch folgt das Gesagte nicht: nicht jedes Lebewesen nämlich atmet. Die Deduktion kommt allerdings bei einer derartigen Ursache in der mittleren Figur zustande. Es sei etwa das A Lebewesen, das B das Atmen, das C Mauer; auf jedes B folglich trifft das A zu – denn jedes Atmende ist Lebewesen –, aber auf kein C, so dass auch das B auf kein C zutrifft; es atmet folglich die Mauer nicht. Es gleichen aber diese Arten von Ursachen den überzogenen Argumenten – das ist das Nennen des weiter entfernt stehenden Mittelbegriffs –, wie zum Beispiel das Argument des Anacharsis, dass es bei den Skythen keine Flötenspielerinnen gibt, weil es keine Weinstöcke gibt. In Hinsicht also auf dieselbe Wissenschaft und in Hinsicht auf die Position der Mittelbegriffe sind dies die Unterschiede der Deduktion des Dass zur Deduktion des Weshalb. Auf andere Weise dagegen unterscheidet sich das Weshalb vom Dass durch das Betrachten jedes von beiden durch eine jeweils andere Wissenschaft. Von solcher Art sind Dinge, die sich so zueinander verhalten, dass das eine dem anderen untergeordnet ist, wie die Optik zur Geometrie und die Mechanik zur Stereometrie und die Harmonik zur Arithmetik und die Himmelskunde zur Astronomie. Einige dieser Wissenschaften sind nahezu gleichnamig, wie etwa die mathematische und die nautische Astronomie, und die mathematische und die akusti-
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sche Harmonik. Hier nämlich ist das Dass zu wissen Sache der beobachtenden Wissenschaften, das Weshalb dagegen Sache der mathematischen Wissenschaften. Diese nämlich besitzen die Demonstrationen der Ursachen, und oft wissen sie nicht das Dass, geradeso wie diejenigen, die das Allgemeine betrachten, häufig einiges vom Einzelnen nicht wissen, und zwar aufgrund mangelnder Beobachtung. Es sind dies aber all jene, die, da sie ihrer Substanz nach etwas anderes sind, die Formen benutzen. Denn die mathematischen Dinge werden über Formen ausgesagt – nicht nämlich von einem Zugrundeliegenden; denn wenn die geometrischen Dinge auch von einem Zugrundeliegenden ausgesagt sind, so doch jedenfalls nicht als von einem Zugrundeliegenden. Es verhält sich aber auch zur Optik, so wie diese zur Geometrie, eine andere Wissenschaft zu dieser – etwa die vom Regenbogen. Das Dass nämlich zu wissen, ist Sache des Naturwissenschaftlers, das Weshalb dagegen Sache des Optikers, entweder schlechthin oder des mathematischen Optikers. Und auch viele von den nicht untereinander geordneten Wissenschaften verhalten sich in dieser Weise zueinander, wie Medizin zur Geometrie. Zu wissen nämlich, dass die runden Wunden langsamer heilen, ist Sache des Arztes, zu wissen weshalb dagegen ist Sache des Geometers. Kapitel 14. Von den Figuren ist die erste im höchsten Grade wissenschaftlich. Denn sowohl die mathematischen unter den Wissenschaften bringen durch diese Figur die Demons trationen vor, wie Arithmetik und Geometrie und Optik, als auch sozusagen fast alle, die die Untersuchung des Weshalb zustande bringen. Entweder nämlich im Ganzen oder häufig und in den meisten Fällen kommt durch diese Figur die Deduktion des Weshalb zustande, so dass sie auch aus diesem Grunde im höchsten Grade wissenschaftlich sein dürfte. Am vorzüglichsten nämlich ist es für das Wissen, das Weshalb zu betrachten. Ferner, das Wissen des Was-es-ist kann allein durch diese Figur eingefangen werden. Denn in der mittleren Figur kommt eine bejahende Deduktion nicht zustande, das Wissen
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des Was-es-ist dagegen ist das Wissen einer Bejahung. Und in der letzten Figur kommt zwar eine bejahende Deduktion zustande, aber nicht eine allgemeine, das Was-es-ist dagegen gehört zum Allgemeinen – nicht nur in gewisser Weise nämlich ist der Mensch zweifüßiges Lebewesen. Außerdem bedarf diese jener nicht, jene dagegen werden durch diese verdichtet und erweitert, bis man zu den unvermittelten Dingen kommt. Es ist also einleuchtend: am vorzüglichsten für das Wissen ist die erste Figur.
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Kapitel 15. So wie das A auf das B unmittelbar zutreffen kann, so kann es in dieser Weise auch nicht zutreffen. Ich verstehe unter dem Unmittelbar-Zutreffen oder Nicht-Zutreffen, dass es zu ihnen keinen Mittelbegriff gibt. So wird nämlich das Zutreffen oder Nicht-Zutreffen nicht mehr in Hinsicht auf anderes gelten. Wenn also entweder das A oder das B in einem Ganzen ist, oder auch beide, dann ist es nicht möglich, dass das A auf das B ursprünglich nicht zutrifft. Es sei nämlich das A im ganzen C; wenn also das B nicht im ganzen C ist – denn es ist möglich, dass das A in einem Ganzen ist, dass jedoch das B nicht in diesem Ganzen ist –, so wird es eine Deduktion davon geben, dass das A nicht auf das B zutrifft; wenn nämlich auf jedes A das C zutrifft, aber auf kein B, so auch das A auf kein B. In ähnlicher Weise auch wenn das B in einem Ganzen ist, wie etwa im D: das D nämlich trifft auf jedes B zu, und das A auf kein D, so dass das A auf kein B zutreffen wird durch Deduktion. Auf dieselbe Weise wird es bewiesen werden auch dann, wenn beide in einem Ganzen sind. Dass es möglich ist, dass das B nicht in einem Ganzen ist, in dem das A ist, oder umgekehrt das A nicht in einem Ganzen, in dem das B ist, ist einleuchtend aus den Begriffsreihen, die einander nicht überschneiden. Wenn nämlich keines der Dinge in der A-C-D-Begriffsreihe von keinem der Dinge in der B-E-F-Begriffsreihe ausgesagt wird, das A aber im ganzen H ist, das in derselben Begriffsreihe ist, so ist einleuchtend, dass das B nicht im H sein wird, denn sonst werden sich die
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Begriffsreihen überschneiden; in ähnlicher Weise auch wenn das B in einem Ganzen ist. Wenn aber keines in irgendeinem Ganzen ist, und das A auf das B nicht zutrifft, so trifft es notwendig unmittelbar nicht zu. Denn wenn es einen Mittelbegriff geben soll, ist notwendig das eine von ihnen in einem Ganzen. Entweder nämlich in der ersten Figur oder in der mittleren wird die Deduktion zustande kommen. Wenn in der ersten, so wird das B in einem Ganzen sein – bejahend nämlich muss die darauf bezogene Prämisse sein –, wenn dagegen in der mittleren, könnte es ein beliebiges sein, – denn bei beiden kommt, wenn das Verneinende angenommen worden ist, eine Deduktion zustande, wenn dagegen beide verneinend sind, wird sie nicht zustande kommen. Es ist also einleuchtend, dass es möglich ist, dass eines auf ein anderes unmittelbar nicht zutrifft; und auch wann es möglich ist und wie, haben wir gesagt. Kapitel 16. Die Unwissenheit aber, die nicht in Hinsicht auf eine Verneinung, sondern in Hinsicht auf eine Disposition so genannt wird, ist der durch Deduktion entstehende Irrtum. Dieser aber kommt bei den Dingen, die ursprünglich zutreffen und nicht zutreffen, in doppelter Weise vor, entweder nämlich wenn man schlechthin annimmt, dass etwas zutrifft oder nicht zutrifft, oder wenn man die Annahme durch Deduktion erfasst. Bei der Annahme schlechthin nun ist der Irrtum schlechthin, bei der durch Deduktion dagegen gibt es mehrere Irrtümer. Es treffe nämlich das A auf kein B unmittelbar zu; wenn man also deduziert, dass das A auf das B zutrifft, indem man als Mittelbegriff das C annimmt, so wird man im Irrtum durch Deduktion sein. Es ist nun möglich, dass beide Prämissen falsch sind, es ist aber auch möglich, dass es nur die eine ist. Wenn nämlich weder das A auf irgendein C zutrifft noch das C auf irgendein B, beides aber verkehrt angenommen worden ist, so werden beide Prämissen falsch sein. Ferner ist es möglich, dass sich das C so zum A und B verhält, dass es weder unter das A fällt noch allgemein auf B zutrifft. Das B näm-
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lich kann unmöglich in einem Ganzen sein, denn es wurde gesagt, dass das A darauf ursprünglich nicht zutrifft; das A dagegen trifft nicht notwendig auf alle bestehenden Dinge allgemein zu, so dass beide Prämissen falsch sein werden. Aber es ist auch möglich, die eine Prämisse als wahr anzunehmen, nicht freilich eine beliebige, sondern die AC-Prämisse, denn die CB-Prämisse wird stets falsch sein, weil das B in keinem Begriff ist, die AC-Prämisse dagegen kann es sein, wie zum Beispiel wenn das A sowohl auf das C als auch auf das B unmittelbar zutrifft; wenn nämlich dasselbe ursprünglich von mehreren Dingen ausgesagt wird, so wird keines im anderen sein. Es macht allerdings keinen Unterschied, selbst wenn es nicht unmittelbar zutrifft. Der Irrtum über das Zutreffen entsteht also durch diese Dinge und auf diese Weise, und zwar einzig und allein, denn es gab in der anderen Figur keine Deduktion des Zutreffens. Der Irrtum über das Nicht-Zutreffen dagegen kommt sowohl in der ersten als auch in der mittleren Figur zustande. Zuerst nun wollen wir sagen, auf wie viele Weisen er in der ersten Figur zustande kommt und wie es sich mit den Prämissen verhält. Es ist jedenfalls möglich, wenn beide Prämissen falsch sind, wie etwa wenn das A sowohl auf das C als auch auf das B unmittelbar zutrifft; wenn nämlich angenommen worden ist, dass das A auf kein C und das C auf jedes B zutrifft, sind die Prämissen falsch. Es ist aber auch möglich, wenn die eine von beiden falsch ist, und diese ist beliebig. Denn es ist möglich, dass die AC-Prämisse wahr ist und die CB-Prämisse falsch – die AC-Prämisse wahr, weil das A nicht auf alle bestehenden Dinge zutrifft, und die CB-Prämisse falsch, weil es unmöglich ist, dass das C auf das B zutrifft, wenn das A auf kein C zutrifft; denn sonst wird die AC-Prämisse nicht mehr wahr sein, und zugleich wird, wenn sogar beide wahr sind, auch die Konklusion wahr sein. Aber auch die CB-Prämisse kann wahr sein, wenn die andere falsch ist, wie etwa wenn das B sowohl im C als auch im A ist; denn notwendig ist das eine unter dem anderen, so dass, wenn man annimmt, dass das A auf kein C zutrifft, die Prämisse falsch sein wird. Es ist also einleuchtend,
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dass sowohl wenn die eine Prämisse falsch ist als auch wenn beide falsch sind, die Deduktion falsch sein wird. Dass aber in der mittleren Figur die Prämissen als ganze beide falsch sind, ist nicht möglich. Wenn nämlich das A auf jedes B zutrifft, wird man nichts annehmen können, was bei dem einen auf jedes und bei dem anderen auf keines zutreffen wird. Es ist jedoch nötig, die Prämissen in der Weise anzunehmen, dass es auf das eine zutrifft, auf das andere dagegen nicht zutrifft, wenn eine Deduktion zustande kommen soll. Wenn die Prämissen nun, auf diese Weise angenommen, falsch sind, so ist klar, dass sie sich auf konträre Weise umgekehrt verhalten werden; das aber ist unmöglich. Dass jedoch in Hinsicht auf ein gewisses Ding jede Prämisse falsch ist, daran hindert nichts, wie etwa wenn das C sowohl auf ein gewisses A als auch auf ein gewisses B zutrifft. Wenn nämlich angenommen worden ist, dass es auf jedes A zutrifft und auf kein B, sind beide Prämissen falsch, nicht freilich als ganze, sondern in Hinsicht auf ein gewisses Ding; und wenn das Verneinende umgekehrt festgesetzt wird, ebenso. Und dass die eine der beiden Prämissen falsch ist, und zwar eine beliebige, ist ebenfalls möglich. Denn was auf jedes A zutrifft, trifft auch auf das B zu; wenn also angenommen worden ist, dass zwar auf das A als ganzes das C zutrifft, auf das B als ganzes jedoch nicht zutrifft, so wird die CA-Prämisse wahr sein, die CB-Prämisse dagegen falsch. Wiederum was auf kein B zutrifft, wird auch nicht auf jedes A zutreffen, denn wenn auf das A, dann auch auf das B, aber es traf nicht zu. Wenn also angenommen worden ist, dass das C auf das A als ganzes zutrifft und auf kein B, so ist die CB-Prämisse wahr, die andere dagegen falsch; in ähnlicher Weise auch wenn das Verneinende umgesetzt wird. Was nämlich auf kein A zutrifft, wird auch nicht auf irgendein B zutreffen; wenn also angenommen worden ist, dass das C auf das A als ganzes nicht zutrifft, dagegen auf das B als ganzes zutrifft, so wird die CA-Prämisse wahr sein, die andere dagegen falsch. Und wiederum, was auf jedes B zutrifft, von dem anzunehmen, dass es auf kein A zutrifft, ist falsch; denn es ist notwendig, dass es, wenn auf jedes
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B, so auch auf ein gewisses A zutrifft. Wenn also angenommen worden ist, dass auf jedes B das C zutrifft, aber auf kein A, so wird die CB-Prämisse wahr sein, die CA-Prämisse dagegen falsch. Es ist also einleuchtend, dass sowohl wenn beide Prämissen falsch sind als auch wenn nur die eine Prämisse falsch ist, eine irrtümliche Deduktion zustande kommen wird, und zwar bei den unmittelbaren Dingen. Kapitel 17. Bei den nicht unmittelbar zutreffenden Dingen – wenn die Deduktion des Falschen durch den angemessenen Mittelbegriff zustande kommt – ist es nicht möglich, dass beide Prämissen falsch sind, sondern nur die mit dem größeren Außenbegriff; ich nenne einen Mittelbegriff angemessen, durch den die Deduktion der Kontradiktion zustande kommt. Es treffe nämlich das A auf das B durch den Mittelbegriff C zu; da es nun notwendig ist, die CB-Prämisse als bejahend anzunehmen, wenn eine Deduktion zustande kommt, so ist klar, dass stets diese wahr sein wird, denn sie konvertiert nicht, die AC-Prämisse dagegen falsch, denn wenn diese konvertiert, kommt die konträre Deduktion zustande. Auf ähnliche Weise auch wenn der Mittelbegriff aus einer anderen Begriffsreihe genommen wird, wie etwa das D, wenn es sowohl in dem A als ganzem ist als auch von jedem B ausgesagt wird; denn notwendig bleibt die DB-Prämisse bestehen, die andere dagegen konvertiert, so dass die eine stets wahr ist, die andere dagegen stets falsch. Und ein derartiger Irrtum ist fast derselbe wie der durch den angemessenen Mittelbegriff. Wenn dagegen die Deduktion nicht durch den angemessenen Mittelbegriff zustande kommt, dann sind, wenn der Mittelbegriff unter dem A ist und auf kein B zutrifft, notwendig beide Prämissen falsch. Es müssen nämlich die Prämissen auf eine Weise angenommen werden, die konträr ist dazu, wie sie sich verhalten, wenn es eine Deduktion geben soll; so angenommen aber werden beide falsch, wie etwa wenn das A auf das ganze D zutrifft, das D aber auf keines der B. Wenn diese nämlich konvertiert sind, wird eine Deduktion zustande kom-
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men und werden beide Prämissen falsch sein. Wenn dagegen der Mittelbegriff nicht unter dem A ist, wie etwa das D, so wird die AD-Prämisse wahr sein, die DB-Prämisse dagegen falsch – die AD-Prämisse ist nämlich wahr, weil das D nicht im A war, und die DB-Prämisse ist falsch, weil wenn sie wahr wäre, auch die Konklusion wahr wäre, aber sie war falsch. Wenn der Irrtum durch die mittlere Figur zustande kommt, dann können nicht beide Prämissen als ganze falsch sein – wenn nämlich das B unter dem A ist, kann nichts bei dem einen auf jedes, bei dem anderen auf keines zutreffen, wie auch zuvor gesagt worden ist –, eine von beiden dagegen kann als ganze falsch sein, und zwar eine beliebige. Wenn nämlich das C auf das A und auf das B zutrifft, so wird, wenn angenommen worden ist, dass es auf das A zutrifft, auf das B dagegen nicht zutrifft, die CA-Prämisse wahr sein, die andere dagegen falsch. Wiederum, wenn angenommen worden ist, dass auf das B das C zutrifft, jedoch auf kein A, so wird die CB-Prämisse wahr sein, die andere dagegen falsch. Wenn also die Deduktion des Irrtums verneinend ist, so ist gesagt worden, wann und durch welche Dinge der Irrtum zustande kommen wird. Wenn sie aber bejahend ist, so können, wenn die Deduktion durch den angemessenen Mittelbegriff zustande kommt, unmöglich beide Prämissen falsch sein. Notwendig nämlich bleibt die CB-Prämisse bestehen, wenn wirklich eine Deduktion zustande kommen soll, wie auch zuvor gesagt worden ist. Daher wird die AC-Prämisse stets falsch sein, diese nämlich ist die Konvertierende. In ähnlicher Weise auch wenn der Mittelbegriff aus einer anderen Begriffsreihe genommen wird, wie auch bei dem verneinenden Irrtum gesagt worden ist. Notwendig nämlich bleibt die DB-Prämisse bestehen, die AD-Prämisse dagegen konvertiert, und der Irrtum ist derselbe wie zuvor. Wenn die Deduktion aber nicht durch den angemessenen Mittelbegriff zustande kommt, so wird, wenn das D unter dem A ist, diese zwar wahr sein, die andere jedoch falsch. Es ist nämlich möglich, dass das A auf mehrere Dinge zutrifft, die nicht unter einander sind. Wenn aber das D nicht unter dem A
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ist, so wird diese Prämisse klarerweise stets falsch sein – denn als bejahend ist sie angenommen –, die DB-Prämisse jedoch kann sowohl wahr als auch falsch sein. Nichts nämlich hindert daran, dass das A auf kein D zutrifft, das D aber auf jedes B; wie etwa Lebewesen auf Wissen, Wissen auf Musik –, noch wiederum das A auf keines der D und das D auf keines der B. Auf wie viele Weisen also und durch welche Dinge es möglich ist, dass die Irrtümer gemäß einer Deduktion zustande kommen, und zwar bei den unvermittelten Dingen und den durch Demonstration bewiesenen Dingen, ist einleuchtend.
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Kapitel 18. Es ist auch einleuchtend, dass wenn eine bestimmte Wahrnehmung ausbleibt, notwendig auch ein bestimmtes Wissen ausbleibt, welches unmöglich zu erwerben ist, wenn wir wirklich Wissen erwerben entweder durch Induktion oder durch Demonstration und wenn die Demonstration vom Allgemeinen abhängt, die Induktion dagegen vom Speziellen, und wenn es unmöglich ist, das Allgemeine zu betrachten außer durch Induktion – denn auch die sogenannten abstrakten Dinge wird man durch Induktion bekannt machen können: dass auf jede Gattung einige von ihnen zutreffen, auch wenn sie nicht abgetrennt sind, insofern ein jedes von der und der Beschaffenheit ist –, und wenn schließlich eine Induktion durchzuführen ohne Wahrnehmung zu haben unmöglich ist. Die Wahrnehmung richtet sich nämlich auf das Einzelne, denn man kann davon kein Wissen erwerben. Weder nämlich kann es aus dem Allgemeinen ohne Induktion erworben werden noch durch Induktion ohne die Wahrnehmung. Kapitel 19. Es kommt aber jede Deduktion durch drei Begriffe zustande; und die eine ist zu beweisen fähig, dass das A auf das C zutrifft, weil es auf das B zutrifft und dieses auf das C, die verneinende dagegen hat als die eine Prämisse: dass eines auf ein anderes zutrifft, und als die andere: dass es nicht zutrifft. Es ist also einleuchtend, dass die Prinzipien und die sogenannten Hypothesen diese sind. Indem man nämlich diese Dinge auf diese Weise annimmt, muss man beweisen – wie
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etwa dass das A auf das C zutrifft durch das B, und wiederum das A auf das B durch einen anderen Mittelbegriff, und ebenso das B auf das C. Diejenigen nun, die mit Rücksicht auf Meinung deduzieren, und nur auf dialektische Weise, müssen klarerweise nur untersuchen, ob die Deduktion aus möglichst allgemein anerkannten Prämissen zustande kommt, so dass, wenn es auch in Wahrheit keinen Mittelbegriff für A und B gibt, aber doch zu geben scheint, der durch diesen Begriff Deduzierende auf dialektische Weise deduziert hat. In Bezug auf Wahrheit dagegen muss man vom Zutreffenden aus untersuchen. Es verhält sich nun so: Da es etwas gibt, was selbst von anderem auf nicht-zufällige Weise ausgesagt wird – ich meine auf zufällige Weise, wie wir etwa von jenem weißen Ding sagen, es sei ein Mensch, wobei wir nicht auf dieselbe Weise reden wie dass der Mensch weiß ist; dieser ist nämlich, ohne etwas anderes zu sein, weiß, das Weiße dagegen ist ein Mensch, weil es für den Menschen zufällig war, weiß zu sein –, so gibt es also einiges von der Art, dass es an sich ausgesagt wird. Es sei also das C von der Art, dass es selbst nicht mehr auf anderes zutrifft, auf dieses C jedoch das B ursprünglich zutrifft und es nichts anderes dazwischen gibt, und wiederum das E auf das F ebenso, und dieses auf das B; kommt nun dies notwendig zum Stehen, oder kann es ins Unendliche gehen? Und wiederum wenn vom A nichts an sich ausgesagt wird, das A jedoch auf das H ursprünglich zutrifft, und nicht dazwischen auf irgendetwas Vorrangiges, und das H auf das G und dieses auf das B, muss auch dieses zum Stehen kommen oder kann auch dieses ins Unendliche gehen? Es unterscheidet sich dies aber vom Vorigen insoweit, als das eine die Frage ist: Ist es möglich, wenn man beginnt mit einem solchen Ding, das auf nichts anderes zutrifft – wohl aber anderes auf jenes –, nach oben bis ins Unendliche zu gehen? Das andere dagegen ist die Frage: Wenn man beginnt mit einem solchen Ding, das selbst von anderen – von jenem dagegen nichts – ausgesagt wird, ob es dann, wenn man nach unten sieht, möglich ist, bis ins Unendliche zu gehen.
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Ferner: Können die Dinge dazwischen unendlich viele sein, wenn die Außenbegriffe bestimmt sind? Ich meine zum Beispiel wenn das A auf das C zutrifft, und ihr Mittelbegriff das B ist, und es zum B und zum A andere Mittelbegriffe gibt, und zu diesen andere, können auch diese bis ins Unendliche gehen, oder ist es unmöglich? Dieses zu untersuchen ist aber dasselbe wie ob die Demonstrationen bis ins Unendliche gehen, und ob es eine Demonstration von allem gibt, oder ob sie sich gegenseitig begrenzen. In ähnlicher Weise meine ich es auch bei den verneinenden Deduktionen und Prämissen, wie etwa wenn das A auf kein B zutrifft, so entweder ursprünglich, oder es wird etwas Vorrangiges dazwischen geben, auf das es nicht zutrifft – wie etwa das G, das auf jedes B zutrifft –, und wiederum noch ein anderes, vorrangig gegenüber diesem, wie etwa das H, das auf jedes G zutrifft: denn auch bei diesen Dingen sind die vorrangigen Begriffe, auf die es zutrifft, entweder unendlich viele, oder kommen zum Stehen. Bei den konvertierenden Begriffen aber verhält es sich nicht in ähnlicher Weise. Denn unter den wechselseitig voneinander ausgesagten Begriffen gibt es keinen, von dem etwas als erstem ausgesagt wird oder als Letztem. Alle nämlich verhalten sich zu allen in dieser Hinsicht jedenfalls auf ähnliche Weise, sei es dass die von etwas ausgesagten Begriffe unendlich viele sind, oder sei es dass beide diskutierten Dinge unendlich viele sind – es sei denn, es ist möglich, dass sie nicht auf ähnliche Weise konvertieren, sondern teils wie ein Zufälliges, teils wie ein Prädikat. Kapitel 20. Dass nun die Begriffe dazwischen nicht unendlich viele sein können, wenn die Prädikate nach unten und nach oben zum Stehen kommen, ist klar. Ich nenne nach oben den Weg zum Allgemeineren, nach unten den zum Speziellen. Wenn nämlich, falls A ausgesagt wird vom F, die Begriffe dazwischen unendlich viele sind – die B’s –, so ist klar, dass es möglich wäre, sowohl vom A aus nach unten das eine vom anderen bis ins Unendliche auszusagen – denn bevor man zum F kommt, sind
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unendlich viele Begriffe dazwischen –, als auch dass es vom F aus nach oben unendlich viele sind, bevor man zum A kommt. Wenn daher dies unmöglich ist, so ist es auch unmöglich, dass es zwischen A und F unendlich viele Begriffe sind. Denn selbst wenn jemand sagen sollte, dass einige der Begriffe A, B, F aneinander anschließen, so dass nichts dazwischen ist, die anderen dagegen nicht erfasst werden können, so macht das keinen Unterschied. Welches der B’s ich nämlich auch immer erfasse, es werden in Richtung auf A oder in Richtung auf F entweder unendlich viele Begriffe dazwischen sein oder nicht. Von welchem aus sie also zuerst unendlich viele sind – sei es sofort oder nicht sofort –, macht keinen Unterschied, denn danach sind es unendlich viele. Kapitel 21. Es ist auch im Falle der verneinenden Demonstration einleuchtend, dass es zum Stehen kommen wird, wenn es im Falle der bejahenden in beiden Richtungen zum Stehen kommt. Es sei nämlich weder möglich, nach oben hin vom letzten Ding aus bis ins Unendliche zu gehen – ich nenne letztes Ding, was selbst auf kein anderes zutrifft, während jedoch anderes auf jenes zutrifft, wie etwas das F –, noch sei es vom ersten zum letzten möglich – ich nenne erstes, was selbst auf anderes zutrifft, während jedoch nichts anderes auf jenes zutrifft. Wenn also dies gilt, dann wird es auch bei der Verneinung zum Stehen kommen. Auf dreifache Weise nämlich wird bewiesen, dass etwas nicht zutrifft. Entweder nämlich trifft das B auf alles zu, auf das C zutrifft, und das A auf keines, auf das B zutrifft. Bei der BC-Prämisse folglich, und stets beim zweiten Intervall, kommt man notwendig zu den unvermittelten Dingen; bejahend nämlich ist dieses Intervall. Wenn aber das andere auf etwas noch anderes nicht zutrifft, das vorrangig ist, etwa auf das D, dann wird es klarerweise auf jedes B zutreffen müssen. Und wenn es wiederum auf ein anderes, dem D gegenüber vorrangiges Ding nicht zutrifft, so wird jenes auf jedes D zutreffen müssen. Wenn daher der Weg nach oben zum Stehen
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kommt, so wird auch der zum A hin zum Stehen kommen, und es wird ein Erstes geben, auf das es nicht zutrifft. Wiederum, wenn das B auf jedes A und auf kein C zutrifft, so trifft das A auf kein C zu. Wenn dieses wiederum bewiesen werden muss, so ist klar, dass es entweder in der oben genannten Weise bewiesen werden wird oder durch diese oder die dritte Weise. Die erste nun ist genannt worden, die zweite wird bewiesen werden. Man könnte es etwa so beweisen: das D trifft auf jedes B zu, und auf kein C, wenn etwas notwendig auf das B zutrifft. Und wenn dieses wiederum auf das C nicht zutreffen soll, dann trifft ein anderes auf das D zu, das auf das C nicht zutrifft. Weil daher das auf immer Höheres Zutreffende zum Stehen kommt, wird auch das Nicht-Zutreffen zum Stehen kommen. Die dritte Weise aber war: wenn das A auf jedes B zutrifft, das C aber nicht auf jedes B zutrifft, dann trifft C nicht auf jedes A zu. Wiederum wird dieses entweder durch die oben genannten Weisen oder auf ähnliche Weise bewiesen werden. Wenn also auf jene zuerst genannten Weisen, so kommt es zum Stehen, wenn dagegen auf diese letztere Weise, so wird wiederum angenommen werden, dass das B auf das E zutrifft, von dem das C nicht auf jedes zutrifft; und dieses wiederum auf ähnliche Weise. Da aber zugrunde gelegt worden ist, dass es auch nach unten hin zum Stehen kommt, so ist klar, dass auch das nicht-zutreffende C zum Stehen kommen wird. Es ist also einleuchtend, dass auch wenn man nicht auf einem Weg beweist, sondern auf allen – bald aus der ersten Figur, bald aus der zweiten –, es auch so zum Stehen kommen wird. Begrenzt nämlich sind die Wege, und alles Begrenzte, begrenzt oft addiert, ist notwendig begrenzt. Dass es also bei der Verneinung, wenn wirklich auch beim Zutreffen, zum Stehen kommt, ist klar; dass es aber auch beim Zutreffen gilt, ist, wenn man es auf allgemeine Weise betrachtet, folgendermaßen einleuchtend. Kapitel 22. Bei den Dingen nun, die im Was-es-ist ausgesagt werden, ist es klar. Wenn es nämlich möglich ist zu definieren,
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oder wenn das Was-es-hieß-dies-zu-sein erkennbar ist, das Unendliche durchzugehen aber nicht möglich ist, dann ist dasjenige notwendigerweise begrenzt, was im Was-es-ist ausgesagt wird. Allgemein aber reden wir folgendermaßen. Es ist ja möglich, wahrheitsgemäß zu sagen, dass das Weiße geht und das Große dort ein Stück Holz ist, und wiederum, dass das Stück Holz groß ist und dass der Mensch geht. Das Reden auf diese Weise und das auf jene Weise ist doch wohl verschieden. Wenn ich nämlich sage, dass das Weiße ein Stück Holz ist, dann sage ich, dass etwas, für das es zufällig war weiß zu sein, ein Stück Holz ist – aber nicht, dass das dem Holz zugrundeliegende Ding das Weiße ist. Denn weder insofern es weiß ist noch insofern es das ist, was ein weißes Ding wirklich ist, war es ein Stück Holz, so dass es nur zufälligerweise so ist. Wenn ich dagegen sage, dass das Stück Holz weiß ist, dann nicht insofern etwas anderes weiß ist und es für jenes zufällig war, ein Stück Holz zu sein – wie wenn ich etwa sage, dass das Musikalische weiß ist: dann sage ich es, insofern der Mensch weiß ist, für den es zufällig war, musikalisch zu sein –, sondern das Stück Holz ist das zugrundeliegende Ding, was es auch wirklich war, ohne verschieden zu sein entweder von dem, was ein Stück Holz wirklich ist oder von einem bestimmten Stück Holz. Wenn es also nötig ist, eine Regelung vorzuschreiben, so sei das Reden auf diese Weise ein Aussagen, das Reden auf jene Weise dagegen entweder auf keine Weise ein Aussagen, oder zwar ein Aussagen, aber nicht schlechthin, sondern ein Aussagen auf zufällige Weise. Es ist aber das Ausgesagte wie das Weiße und das, wovon es ausgesagt wird, wie das Stück Holz. Es sei also zugrunde gelegt, dass das Ausgesagte von dem, wovon es ausgesagt wird, stets schlechthin ausgesagt wird, und nicht auf zufällige Weise. So nämlich demonstrieren die Demonstrationen, so dass es entweder im Was-es-ist ist oder insofern es qualitativ oder quantitativ oder relativ oder bewirkend oder erleidend oder irgendwo oder irgendwann ist, wenn eines vom anderen ausgesagt wird. Außerdem, die Dinge, die eine Substanz bezeichnen, bezeichnen von jenem, von dem sie ausgesagt werden, was es
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wirklich ist oder was ein bestimmtes Ding wirklich ist. Die Dinge dagegen, die nicht eine Substanz bezeichnen, sondern über ein anderes zugrundeliegendes Ding ausgesagt werden, welches weder das ist, was jenes wirklich ist, noch das, was ein bestimmtes Ding wirklich ist, sind zufällig, wie etwa das Weiße vom Menschen ausgesagt wird. Denn der Mensch ist nicht das, was Weißes wirklich ist oder was ein bestimmtes weißes Ding wirklich ist, sondern vielleicht Lebewesen; denn der Mensch ist das, was ein Lebewesen wirklich ist. Die Dinge dagegen, die nicht eine Substanz bezeichnen, müssen von einem zugrundeliegenden Ding ausgesagt werden, und es kann nichts Weißes geben, was nicht insofern es etwas anderes ist weiß ist. Denn die Formen mögen dahinfahren – sie sind nämlich nur Trällerei, und wenn sie existieren, dann tun sie nichts zur Sache. Denn die Demonstrationen richten sich auf derartige Dinge. Außerdem, wenn nicht dieses von diesem eine Qualität sein kann und jenes von diesem – eine Qualität von einer Qualität –, so ist es unmöglich, dass sie in dieser Weise wechselseitig voneinander ausgesagt werden, sondern es ist zwar möglich, Wahres zu sagen, aber wahrheitsgemäß wechselseitig auszusagen ist nicht möglich. Denn entweder werden sie wie eine Substanz ausgesagt werden, zum Beispiel entweder als Gattung oder als Differenz des Ausgesagten – von diesen Dingen aber ist bereits bewiesen worden, dass sie nicht unendlich viele sein werden, und zwar weder nach unten noch nach oben, wie etwa der Mensch ist Zweifüßiges, dieses ist ein Lebewesen, und dieses ist etwas anderes; und auch nicht wie etwa Lebewesen über Mensch, dieses über Kallias, und dieses über ein anderes Ding im Was-es-ist; denn jede derartige Substanz kann definiert werden, das Unendliche aber durchzugehen ist nicht möglich, wenn man es einsieht. Daher sind sie weder nach oben noch nach unten unendlich viele, denn diejenige Substanz, von der unendlich Vieles ausgesagt wird, kann nicht definiert werden. Als Gattungen also werden sie nicht wechselseitig voneinander ausgesagt werden – es wird nämlich sonst dasjenige, was etwas Bestimmtes wirklich ist, es selbst sein. Aber auch nichts vom Qualitativen oder von den anderen Dingen wird wechsel-
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seitig voneinander ausgesagt, es sei denn, es wird auf zufällige Weise ausgesagt. Alle diese Dinge nämlich treffen zufälligerweise zu und werden von Substanzen ausgesagt. Aber es ist klar, dass es auch nach oben nicht unendlich viele sein werden. Von jedem nämlich wird ausgesagt, was entweder ein Qualitatives bezeichnet oder ein Quantitatives oder eines von derartigen Dingen oder die Dinge in der Substanz. Diese Dinge aber sind begrenzt, und die Gattungen der Prädikate sind begrenzt, da sie entweder Qualitatives oder Quantitatives oder Relatives oder Bewirkendes oder Erleidendes oder ein Irgendwo oder ein Irgendwann sind. Es liegt also zugrunde, dass eines vom anderen ausgesagt wird, dass sie aber von sich selbst, soweit sie nicht das sind, was etwas ist, nicht ausgesagt werden. Denn sie sind alle zufällig, allerdings einige an sich, andere auf andere Weise. Und alle diese Dinge werden von einem Zugrundeliegenden ausgesagt – so sagen wir –, das Zufällige aber ist kein Zugrundeliegendes. Von keinem solcher Dinge nämlich setzen wir fest, dass es etwas ist, was nicht, insofern es etwas anderes ist, das genannt wird, was es genannt wird, sondern es selbst kommt anderen Dingen zu. Weder nach oben folglich noch nach unten wird gesagt werden, dass eines auf anderes zutrifft. Die Dinge nämlich, von denen gesagt wird, dass das Zufällige auf sie zutrifft – die in der Substanz eines jeden Dinges sind –, diese sind nicht unendlich viele; nach oben aber sind sowohl diese Dinge als auch das Zufällige – beide – nicht unendlich viele. Es ist folglich notwendig, dass es etwas gibt, von dem etwas Ursprüngliches ausgesagt wird und von diesem ein anderes, und dass dieses zum Stehen kommt und es etwas gibt, was nicht mehr von einem anderen Vorrangigen und von dem auch nicht mehr ein anderes Vorrangiges ausgesagt wird. Als eine Weise der Demonstration also wird diese genannt, noch eine andere liegt aber dann vor, wenn es von denjenigen Dingen, von denen einiges Vorrangige ausgesagt wird, eine Demonstration gibt, und es denjenigen Dingen gegenüber, von denen es eine Demonstration gibt, weder möglich ist, besser disponiert zu sein als sie zu wissen, noch es mög-
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lich ist, sie ohne Demonstration zu wissen, und wir ferner, falls dieses durch jene Dinge bekannt ist und wir jene Dinge nicht wissen und ihnen gegenüber auch nicht besser disponiert sind als sie zu wissen, auch das durch diese Dinge Bekannte nicht wissen werden. Wenn es also möglich ist, etwas zu wissen durch Demonstration schlechthin und nicht abhängig von gewissen Dingen oder abhängig von einer Hypothese, so kommen notwendig die Prädikate dazwischen zum Stehen. Wenn sie nämlich nicht zum Stehen kommen, sondern es stets eines gibt oberhalb des angenommenen, so wird es von allem eine Demonstration geben. Daher, wenn es nicht möglich ist, das Unendliche durchzugehen, von dem es eine Demonstration gibt, so werden wir diese Dinge nicht durch Demonstration wissen. Wenn wir also ihnen gegenüber nicht besser disponiert sind als sie zu wissen, so wird es nicht möglich sein, irgendetwas durch Demonstration schlechthin zu wissen, sondern nur abhängig von einer Hypothese. Auf allgemeine Weise nun dürfte man sich aufgrund dieser Dinge vom Gesagten überzeugen. Auf analytische Weise dagegen wird aufgrund folgender Dinge bündiger einleuchtend, dass die ausgesagten Dinge weder nach oben noch nach unten unendlich viele sein können in den demonstrativen Wissenschaften, auf die unsere Untersuchung gerichtet ist. Die Demonstration richtet sich nämlich auf diejenigen Dinge, die an sich auf die Sachen zutreffen – an sich jedoch trifft etwas zu auf doppelte Weise: nämlich sowohl das, was in jenen Dingen, auf die es zutrifft, im Was-es-ist vorkommt, als auch das, bei dem diejenigen Dinge, auf die es zutrifft, selbst im Wases-ist vorkommen, wie etwa bei der Zahl das Ungerade, was zwar auf Zahl zutrifft, aber die Zahl selbst kommt in seiner Bestimmung vor, und wiederum Menge oder das Teilbare kommt in der Bestimmung der Zahl vor. Von diesen Dingen können keine unendlich viele sein, weder was wie das Ungerade auf die Zahl zutrifft – denn es gäbe wiederum ein anderes, in welchem das Ungerade vorkäme und das auf das Ungerade zutrifft; und wenn dieses der Fall ist, dann wird die Zahl ursprünglich in den Dingen vorkommen, die auf sie zutreffen.
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Wenn es also nicht möglich ist, dass unendlich viele derartige Dinge in dem Einen vorkommen, so werden sie auch nach oben nicht unendlich viele sein; aber tatsächlich treffen notwendig alle auf das Ursprüngliche zu, wie etwa auf die Zahl, und auf jene die Zahl, so dass sie konvertieren werden und nicht hinausragen – noch auch diejenigen Dinge, die im Wases-ist vorkommen, auch diese sind nicht unendlich viele; sonst wäre es nämlich nicht zu definieren. Daher, wenn die ausgesagten Dinge alle an sich gesagt werden, diese aber nicht unendlich viele sind, so dürften die Dinge nach oben zum Stehen kommen, daher auch nach unten. Wenn es aber so ist, dann sind auch die Dinge zwischen zwei Begriffen stets begrenzt. Und wenn dieses gilt, dann ist bereits klar, dass es auch von den Demonstrationen notwendigerweise Prinzipien gibt und dass es nicht von allem eine Demonstration gibt, was, wie wir am Anfang gesagt haben, einige behaupten. Denn wenn es Prinzipien gibt, dann ist weder alles demonstrierbar noch kann es ins Unendliche gehen – denn dass irgendein beliebiges dieser Dinge der Fall ist, ist nichts anderes als dass es kein unvermitteltes und unteilbares Intervall gibt, sondern alles teilbar ist. Denn dadurch, dass ein Begriff innen eingeschoben wird, und nicht dadurch, dass er hinzugenommen wird, wird das Demonstrierte demonstriert. Wenn daher dies bis ins Unendliche gehen kann, dann könnte es zwischen zwei Begriffen unendlich viele Mittelbegriffe geben. Aber dies ist unmöglich, wenn die Prädikate nach oben und unten zum Stehen kommen. Dass sie aber zum Stehen kommen, ist sie bewiesen worden – auf allgemeine Weise zuvor, auf analytische Weise jetzt. Kapitel 23. Nachdem diese Dinge bewiesen worden sind, ist einleuchtend, dass wenn dasselbe auf zwei Dinge zutrifft, wie etwa das A auf das C und das D, ohne dass das eine vom anderen ausgesagt wird – entweder auf keine Weise oder nicht von jedem –, dass es dann nicht stets in Hinsicht auf etwas Gemeinsames zutreffen wird, wie etwa das Haben von Winkeln gleich zwei Rechten auf das Gleichschenklige und das Un-
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gleichschenklige in Hinsicht auf etwas Gemeinsames zutrifft: es trifft nämlich auf sie als bestimmte Figur und nicht als Verschiedenes zu. Dies aber verhält sich nicht immer so. Es sei nämlich das B dasjenige, in Hinsicht auf welches das A auf das C, D zutrifft; es ist folglich klar, dass auch das B auf das C und D in Hinsicht auf ein anderes Gemeinsames zutrifft und dieses in Hinsicht auf noch ein anderes, so dass zwischen zwei Begriffe unendlich viele Begriffe hineinfallen würden. Aber das ist unmöglich. In Hinsicht auf etwas Gemeinsames also trifft nicht notwendig stets dasselbe auf mehrere Dinge zu, denn es wird doch unvermittelte Intervalle geben. In derselben Gattung freilich müssen die Begriffe sein und von denselben unteilbaren Dingen abhängig, wenn wirklich das Gemeinsame zu den an sich zutreffenden Dingen gehören soll. Denn es war nicht möglich, dass das Bewiesene aus einer Gattung in eine andere überwechselt. Einleuchtend ist aber auch, dass wenn das A auf das B zutrifft, es dann, falls es einen Mittelbegriff gibt, möglich ist zu beweisen, dass das A auf das B zutrifft, und die Elemente dieser Sache diese sind, und zwar so viele, wie es Mittelbegriffe gibt. Die unvermittelten Prämissen nämlich sind Elemente, entweder alle oder die allgemeinen Prämissen. Wenn es dagegen keinen Mittelbegriff gibt, dann ist keine Demonstration mehr möglich; vielmehr ist dies der Weg zu den Prinzipien. In ähnlicher Weise auch wenn das A auf das B nicht zutrifft, so ist, wenn es entweder einen Mittelbegriff oder etwas Vorrangiges gibt, auf das es nicht zutrifft, eine Demonstration möglich, wenn dagegen nicht, dann ist sie unmöglich, sondern es ist ein Prinzip, und die Elemente sind so viele wie die Begriffe. Denn die Prämissen dieser Dinge sind Prinzipien der Demonstration, und so wie einige nicht-demonstrierbare Prinzipien besagen, dass dieses dieses ist und dieses auf dieses zutrifft, so besagen auch einige, dass dieses nicht dieses ist und dieses nicht auf dieses zutrifft, so dass die einen Prinzipien besagen werden, dass etwas der Fall ist, die anderen Prinzipien dagegen, dass etwas nicht der Fall ist.
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Wenn man beweisen soll, so muss etwas angenommen werden, was vom B ursprünglich ausgesagt wird – es sei das C – und von diesem in ähnlicher Weise das D; und wenn man stets auf diese Weise vorgeht, wird niemals eine Prämisse oder ein Zutreffendes außerhalb des A angenommen beim Beweisen, sondern stets wird der Mittelbegriff verdichtet, bis die Prämissen unteilbar werden und Eines. Es ist aber Eines, wenn es unvermittelt wird, und die unvermittelte Prämisse ist schlechthin Eine. Und so wie bei den übrigen Dingen das Prinzip einfach ist, dieses jedoch nicht überall dasselbe ist, sondern beim Gewicht die Mine, beim Gesang der Halbton, und anderes bei anderem, so ist bei der Deduktion das Eine die unvermittelte Prämisse und bei der Demonstration und dem Wissen die Einsicht. Bei den Deduktionen also, die das Zutreffende beweisen, fällt nichts außerhalb der Außenbegriffe. Bei den verneinenden Deduktionen dagegen fällt in einem Fall, was das Ding betrifft, das nicht zutreffen soll, nichts außerhalb dieses Dinges, wie etwa wenn das A auf das B durch das C nicht zutrifft – wenn nämlich auf jedes B das C, und auf kein C das A zutrifft. Wenn es wiederum so sein soll, dass das A auf kein C zutrifft, muss ein Mittelbegriff für das A und C angenommen werden, und auf diese Weise wird man stets fortfahren. Wenn man dagegen beweisen soll, dass das D auf das E nicht zutrifft dadurch, dass das C auf jedes D zutrifft und auf kein E, so wird es niemals außerhalb des E fallen; dieses aber ist das, worauf es zutreffen soll. Und bei der dritten Art wird man niemals, weder bei dem wovon man verneinen soll, noch bei dem, was man verneinen soll, nach außen gehen. Kapitel 24. Eine Demonstration ist teils allgemein, teils speziell, und teils bejahend, teils verneinend, und es wird darüber gestritten, welche besser ist – ebenso auch über die Demonstration, von der man sagt, sie weise auf, und über die zum Unmöglichen führende Demonstration. Zuerst nun wollen wir eine Untersuchung anstellen über die allgemeine und die spezielle Demonstration. Und nachdem wir dies geklärt haben, wollen wir auch über die Demonstration, von der man sagt, sie weise
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auf, und über die zum Unmöglichen führende Demonstration sprechen. Es könnte nun vielleicht Leuten, die auf folgende Weise untersuchen, so vorkommen, als sei die spezielle Demonstration besser. Wenn nämlich eine Demonstration, gemäß der wir in höherem Grade wissen, besser ist – dieses nämlich ist der Vorzug einer Demonstration –, und wir jede Sache in höherem Grade wissen, wenn wir sie selbst an sich wissen, als wenn in Hinsicht auf anderes – wie wir etwa den musikalischen Koris kos in höherem Grade wissen, wenn wir wissen, dass Koriskos musikalisch ist, als wenn wir wissen, dass ein Mensch musikalisch ist; in ähnlicher Weise verhält es sich auch bei den anderen Dingen –, und wenn ferner die allgemeine Demonstration beweist, dass anderes, nicht es selbst so ist – wie etwa dass das Gleichschenklige so ist nicht als Gleichschenkliges, sondern als Dreieck –, die spezielle Demonstration dagegen beweist, dass es selbst so ist; wenn also die an sich beweisende Demonstration besser ist, die spezielle Demonstration jedoch in höherem Grade von dieser Art ist als die allgemeine, dann dürfte die spezielle Demonstration auch besser sein. Ferner, wenn das Allgemeine nicht irgendetwas neben den einzelnen Dingen ist, die Demonstration aber die Meinung hervorbringt, dass es dasjenige gibt, in Hinsicht auf das sie demonstriert, und dass es als eine bestimmte Natur unter den Dingen vorkommt, wie etwa die Natur vom Dreieck neben den einzelnen Dreiecken und von der Figur neben den einzelnen Figuren und von der Zahl neben den einzelnen Zahlen, und wenn die Demonstration über Seiendes besser ist als über Nichtseiendes, und die Demonstration, aufgrund deren man sich nicht irren wird, besser als die Demonstration, aufgrund deren man sich irren wird, die allgemeine Demonstration jedoch von dieser Art ist – denn wenn sie vorangehen, beweisen sie wie über die Proportion, wie etwa dass was auch immer ein solches Ding ist, proportional sein wird, und zwar was weder Linie noch Zahl noch dreidimensionaler Körper noch Fläche ist, sondern etwas neben diesen – : wenn also die allgemeine Demonstration in höherem Grade diese ist und sich in
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geringerem Grade auf Seiendes richtet als die spezielle Demonstration und eine falsche Meinung hervorbringt, dann dürfte die allgemeine Demonstration schlechter sein als die spezielle. Oder trifft, erstens, das erste Argument in nicht höherem Grade auf das Allgemeine zu als auf das Spezielle? Wenn nämlich das Haben von Winkeln gleich zwei Rechten auf etwas zutrifft nicht insofern es gleichschenklig ist, sondern insofern es Dreieck ist, so wird derjenige, der es vom Gleichschenkligen weiß, es in geringerem Grade als solches wissen als derjenige, der es vom Dreieck weiß. Und im Ganzen, wenn es nicht von ihm gilt insofern es Dreieck ist, und daraufhin beweist es jemand, dann dürfte es nicht eine Demonstration sein. Wenn es dagegen gilt, so weiß derjenige, der ein jedes Ding weiß, insofern ein jedes zutrifft, in höherem Grade. Wenn also das Dreieck sich auf mehr bezieht und die Bestimmung dieselbe ist und das Dreieck nicht durch Mehrdeutigkeit vorliegt und das Haben von Winkeln gleich zwei Rechte auf jedes Dreieck zutrifft, dann dürfte nicht das Dreieck als gleichschenkliges, sondern das Gleichschenklige als Dreieck derartige Winkel besitzen. Wer daher das Allgemeine weiß, der weiß in höherem Grade, insofern etwas zutrifft, als wer das Spezielle weiß. Folglich ist die allgemeine Demonstration besser als die spezielle. Ferner, wenn es eine einzige Bestimmung gibt und das Allgemeine nicht eine Mehrdeutigkeit ist, so dürfte es in nicht geringerem Grade existieren als einige spezielle Dinge, sondern sogar in höherem Grade, insofern als das Unvergängliche unter dem Allgemeinen vorkommt, die speziellen Dinge dagegen in höherem Grade vergänglich sind. Und ferner besteht keine Notwendigkeit anzunehmen, dass das Allgemeine etwas neben diesen Dingen ist, weil es Eines klar macht – nicht in höherem Grade als bei den übrigen Dingen, die nicht ein Was bezeichnen, sondern ein Qualitatives oder ein Relatives oder ein Bewirken. Wenn dies aber doch angenommen wird, so ist folglich nicht die Demonstration, sondern der Zuhörer die Ursache dafür. Ferner, wenn die Demonstration eine Deduktion ist, die eine Ursache und das Warum aufweist, das Allgemeine jedoch
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ursächlicher ist – auf was nämlich etwas an sich zutrifft, dieses ist selbst für es ursächlich, und das Allgemeine ist ursprünglich; also ist das Allgemeine ursächlich –, so ist auch die entsprechende Demonstration besser, denn sie bezieht sich in höherem Grade auf das Ursächliche und das Warum. Ferner, bis zu demjenigen Punkt untersuchen wir das Warum, und dann glauben wir etwas zu wissen, wenn dieses nicht deshalb, weil etwas anderes der Fall ist, entweder geschieht oder der Fall ist. Ziel nämlich und Grenze ist das äußerste Ding bereits auf diese Weise, wie etwa: weswegen kam er? Um das Geld in Empfang zu nehmen, und dies um zurückzugeben, was er schuldete, und dies um nicht Unrecht zu tun; und so fortfahrend, wenn es nicht mehr aufgrund eines anderen oder wegen eines anderen besteht, sagen wir, dass er aufgrund dieser Sache als eines Zieles kommt – und dass es der Fall ist und geschieht –, und dass wir dann im höchsten Grade wissen, warum er kam. Wenn es sich also in ähnlicher Weise bei allen Ursachen und dem Warum verhält und wir bei den Dingen, die in der Weise ursächlich sind wie ein Weswegen, in der Weise auch im höchsten Grade wissen, so wissen wir folglich auch bei den anderen Dingen dann im höchsten Grade, wenn dieses nicht mehr zutrifft, weil ein anderes zutrifft. Wenn wir also Kenntnis davon besitzen, dass die Außenwinkel eines Dreiecks vier Rechten gleich sind, insofern es gleichschenklig ist, so bleibt noch zu fragen übrig, warum das Gleichschenklige so ist – insofern es ein Dreieck ist, und dieses, insofern es eine geradlinige Figur ist. Wenn aber dies nicht mehr zutrifft, weil anderes zutrifft, dann wissen wir in höchstem Grade, und zwar dann allgemein; die allgemeine Demonstration folglich ist besser. Ferner, je spezieller die Demonstration ist, desto mehr fällt sie ins Unendliche, die allgemeine Demonstration dagegen fällt in das Einfache und die Grenze. Man kann aber Dinge, insofern sie unendlich sind, nicht wissen, insofern sie jedoch begrenzt sind, kann man sie wissen. Als allgemeine folglich kann man sie in höherem Grade wissen denn als spezielle. Demonstrierbar in höherem Grade sind folglich die allgemeinen Dinge. Und auf die in höherem Grade demonstrierbaren
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Dinge richtet sich eine Demonstration in höherem Grade, denn die relativen Dinge bestehen in höherem Grade zugleich. Besser folglich ist die allgemeine Demonstration, da sie in der Tat auch in höherem Grade eine Demonstration ist. Ferner, wenn eher eine Demonstration zu wählen ist, aufgrund deren man dieses und anderes, als aufgrund deren man nur dieses weiß, und wenn derjenige, der das Allgemeine besitzt, auch das Spezielle weiß, dieser aber das Allgemeine nicht weiß: so dürfte die allgemeine Demonstration auch auf diese Weise eher zu wählen sein – außerdem aber auch auf folgende Weise. Das Allgemeinere nämlich zu beweisen ist das Beweisen durch den Mittelbegriff, der dem Prinzip näher ist. Das Nächste aber ist das Unvermittelte, und dieses ist ein Prinzip. Wenn also die von einem Prinzip abhängende Demonstration gegenüber der nicht von einem Prinzip abhängenden Demonstration, und die in höherem Grade von einem Prinzip abhängende Demonstration gegenüber der in geringerem Grade abhängenden Demonstration eine genauere Demonstration ist und eine solche allgemeiner ist, dann dürfte die allgemeine Demonstration überlegen sein, wie etwa falls das A vom D demonstriert werden sollte, die Mittelbegriffe B, C sind und das B höher ist – so dass die Demonstration durch dieses allgemeiner ist. Aber von den gesagten Dingen sind einige allgemein. Am klarsten aber ist die Tatsache, dass die allgemeine Demons tration vorzüglicher ist, weil wenn wir von den Prämissen die vorrangige wissen, wir in gewisser Weise auch die nachrangige wissen und besitzen, der Möglichkeit nach, wie etwa wenn jemand weiß, dass jedes Dreieck Winkel gleich zwei Rechten hat, er in gewisser Weise auch weiß, dass das Gleichschenklige Winkel gleich zwei Rechten hat, der Möglichkeit nach, auch wenn er vom Gleichschenkligen nicht weiß, dass es ein Dreieck ist. Wer dagegen diese letztere Prämisse benutzt, weiß das Allgemeine auf keine Weise, weder der Möglichkeit noch der Wirklichkeit nach. Und die allgemeine Demonstration ist einsichtig, die spezielle dagegen endet in der Wahrnehmung.
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Kapitel 25. Dass also die allgemeine Demonstration besser ist als die spezielle, darüber sei soviel von uns gesagt; dass aber die aufweisende Demonstration besser ist als die verneinende, wird aus Folgendem klar. Es sei diejenige Demonstration besser – wenn alle übrigen Dinge dieselben bleiben –, die von weniger Forderungen oder Hypothesen oder Prämissen abhängt. Denn wenn sie auf ähnliche Weise bekannt sind, so wird das schnellere Gewinnen von Kenntnis durch die von weniger Prämissen abhängende Demonstration zustande kommen, und dieses ist eher zu wählen. Ein Argument für die Prämisse, dass die von weniger Prämissen abhängende Demonstration besser ist, ist allgemein das folgende. Wenn nämlich die Mittelbegriffe auf ähnliche Weise bekannt und die vorrangigen Begriffe bekannter sind, so sei die Demonstration durch die Mittelbegriffe B, C, D gegeben, und zwar so, dass das A auf das E zutrifft; und die Demons tration durch die Mittelbegriffe F, G sei so gegeben, dass das A auf E zutrifft. Dann verhält es sich auf ähnliche Weise, dass das A auf D zutrifft, wie dass das A auf E zutrifft, aber dass das A auf D zutrifft, ist vorrangig und bekannter als dass das A auf E zutrifft. Denn durch dieses wird jenes demonstriert, überzeugender aber ist das, durch was etwas bewiesen wird. Und die durch weniger Prämissen zustande kommende Demonstration ist folglich besser, wenn alle übrigen Dinge dieselben bleiben. Beide nun beweisen durch drei Begriffe und zwei Prämissen, aber die eine nimmt an, dass etwas der Fall ist, die andere dagegen dass etwas der Fall ist und etwas nicht der Fall ist – folglich beweist die letztere Demonstration durch mehr Dinge und ist daher schlechter. Ferner, da bewiesen worden ist, dass, wenn beide Prämissen verneinend sind, unmöglich eine Deduktion zustande kommt, sondern dass die eine Prämisse zwar von dieser Art ist, die andere dagegen von der Art, dass es zutrifft, so ist es nötig, zusätzlich zu diesem das folgende anzunehmen: dass nämlich die bejahenden Prämissen, wenn die Demonstration erweitert wird, notwendig mehr werden, dass die verneinenden Prämissen dagegen unmöglich mehr als eine in jeder Deduktion sein
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können. Es treffe nämlich das A auf keines der B zu und das B auf jedes C; wenn es also nötig ist, wiederum beide Prämissen zu erweitern, so muss ein Mittelbegriff eingeschoben werden. Für das AB sei es das D, für das BC das E; dann ist einleuchtend, dass das E bejahend, das D jedoch vom B bejahend, in Bezug auf das A dagegen verneinend zugrunde liegt. Denn das D muss auf jedes B und das A auf keines der D zutreffen. Es kommt also eine einzige verneinende Prämisse zustande – die AD-Prämisse. Und auf dieselbe Weise verhält es sich auch bei den anderen Deduktionen, denn stets ist der Mittelbegriff von bejahenden Begriffen in Bezug auf beide bejahend, beim verneinenden Begriff dagegen ist er notwendigerweise in Bezug auf das eine von beiden verneinend, so dass diese die einzige derartige Prämisse wird, die anderen Prämissen dagegen bejahend sind. Wenn daher bekannter und überzeugender ist, wodurch etwas bewiesen wird, und die verneinende Demons tration durch die bejahende beweist, diese aber nicht durch jene beweist, so dürfte die bejahende Demonstration, vorrangig und bekannter und überzeugender wie sie ist, besser sein. Ferner, wenn die allgemeine unvermittelte Prämisse Prinzip einer Deduktion ist, und zwar in der aufweisenden Demonstration die bejahende, in der verneinenden dagegen die verneinende allgemeine Prämisse, und die bejahende Prämisse gegenüber der verneinenden vorrangig und bekannter ist – aufgrund der Bejahung nämlich wird die Verneinung bekannt, und vorrangig ist die Bejahung, so wie auch das Sein gegenüber dem Nichtsein –, so ist daher das Prinzip der aufweisenden Demonstration besser als das der verneinenden; diejenige Demonstration aber, die bessere Prinzipien benutzt, ist besser. Ferner ist die aufweisende Prämisse eher von der Form eines Prinzips, denn ohne die aufweisende gibt es keine verneinende Prämisse. Kapitel 26. Da die bejahende Demonstration besser ist als die verneinende, so ist sie klarerweise auch besser als die zum Unmöglichen führende Demonstration. Es ist jedoch nötig zu wissen, welches der Unterschied zwischen ihnen ist.
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Es treffe also das A auf kein B zu, das B aber auf jedes C; notwendig trifft dann das A auf kein C zu. Wenn die Dinge also so angenommen worden sind, so ist die negative Demons tration, dass das A auf das C nicht zutrifft, aufweisend. Die zum Unmöglichen führende Demonstration dagegen ist folgendermaßen angeordnet. Wenn man beweisen soll, dass das A auf das B nicht zutrifft, so muss angenommen werden, dass es zutrifft, und auch das B auf das C, so dass folgt, dass das A auf das C zutrifft. Von diesem aber sei bekannt und eingestanden, dass es unmöglich ist. Folglich ist es nicht möglich, dass das A auf das B zutrifft. Wenn nun zugestanden wird, dass das B auf das C zutrifft, dann ist es unmöglich, dass das A auf das B zutrifft. Die Begriffe also sind auf ähnliche Weise angeordnet, aber es macht einen Unterschied aus, welche negative Prämisse bekannter ist – dass das A auf das B nicht zutrifft, oder dass das A auf das C nicht zutrifft. Wenn nun die Konklusion, dass es nicht der Fall ist, bekannter ist, so kommt die zum Unmöglichen führende Demonstration zustande, wenn dagegen die Prämisse in der Deduktion bekannter ist, so kommt die aufweisende Demonstration zustande. Von Natur aus vorrangig aber ist die Prämisse, dass das A auf das B zutrifft, gegenüber der Konklusion, dass das A auf das C zutrifft. Denn vorrangig gegenüber der Konklusion sind die Dinge, von denen die Konklusion abhängt. Es ist aber das NichtZutreffen von A auf C Konklusion, das Nicht-Zutreffen von A auf B dagegen das, wovon die Konklusion abhängt. Nicht nämlich ist, wenn etwas aufgehoben ist, dieses eine Konklusion und jenes das, wovon sie abhängt. Vielmehr ist das, wovon eine Deduktion abhängt, dasjenige, was sich so verhält wie entweder ein Ganzes zum Teil oder ein Teil zum Ganzen; die AC- und BC-Prämissen jedoch verhalten sich nicht so zueinander. Wenn also die von bekannteren und vorrangigen Dingen abhängige Demonstration überlegen ist und beide zwar aufgrund dessen, dass etwas nicht der Fall ist, überzeugend sind, aber die eine aufgrund eines vorrangigen, die andere dagegen aufgrund eines nachrangigen Satzes, dann dürfte die schlecht-
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hin verneinende Demonstration besser als die zum Unmöglichen führende Demonstration sein, so dass auch die bejahende Demonstration, die besser ist als die schlechthin verneinende Demonstration, klarerweise auch gegenüber der zum Unmöglichen führenden Demonstration besser ist. Kapitel 27. Genauer und vorrangig ist eine Wissenschaft gegenüber einer anderen Wissenschaft, wenn sie sich als dieselbe sowohl auf das Dass als auch auf das Weshalb richtet und nicht nur auf das Dass, getrennt von der auf das Weshalb gerichteten Wissenschaft; und wenn sie nicht von einem Zugrundeliegenden ausgesagt wird, gegenüber der von einem Zugrundeliegenden ausgesagten Wissenschaft, wie etwa die Arithmetik gegenüber der Harmonik; und wenn sie von weniger Dingen abhängt, gegenüber der von einem Zusatz abhängenden Wissenschaft, wie etwa die Arithmetik gegenüber der Geometrie. Ich sage: von einem Zusatz, wie etwa: Einheit ist eine Substanz ohne Position, Punkt dagegen eine Substanz mit Position – diese hängt von einem Zusatz ab. Kapitel 28. Eine einzige aber ist eine Wissenschaft, wenn sie sich auf eine einzige Gattung richtet – auf alle Dinge, die aus den ursprünglichen Dingen zusammengesetzt sind und deren Teile oder an sich zutreffende Eigenschaften sind. Verschieden dagegen ist eine Wissenschaft von einer anderen, wenn deren Prinzipien weder von denselben Dingen abhängen noch die einen von den anderen. Ein Zeichen dafür ist, wenn man zu den nicht-demonstrierbaren Dingen kommt, denn diese müssen in derselben Gattung sein wie die demonstrierten Dinge. Und ein Zeichen für das letztere ist, wenn die durch sie bewiesenen Dinge in derselben Gattung und von derselben Gattung sind. Kapitel 29. Dass es mehrere Demonstrationen derselben Sache gibt, ist möglich nicht nur, wenn man den nicht anschließenden Mittelbegriff aus derselben Begriffsreihe nimmt, wie etwa für das AB das C und D und F, sondern auch wenn man einen Mittelbegriff aus einer anderen Begriffsreihe nimmt. Zum
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Beispiel sei das A: sich ändern, das D: sich bewegen, das B: Lust empfinden, und wiederum das G: zur Ruhe kommen; es ist dann wahr, sowohl das D vom B als auch das A vom D auszusagen, denn wer Lust empfindet, bewegt sich, und was sich bewegt, ändert sich. Wiederum, das A vom G und das G vom B auszusagen, ist wahr; jeder nämlich, der Lust empfindet, kommt zur Ruhe, und wer zur Ruhe kommt, ändert sich – so dass die Deduktion durch verschiedene Mittelbegriffe, und zwar nicht aus derselben Begriffsreihe, zustande kommt, allerdings nicht so, dass keiner vom anderen ausgesagt wird, denn notwendig treffen beide auf dieselbe Sache zu. Man kann aber auch untersuchen, auf wie viele Weisen durch die anderen Figuren eine Deduktion von derselben Sache zustande kommt. Kapitel 30. Vom Zufälligen gibt es kein Wissen durch Demonstration. Das Zufällige ist nämlich weder notwendig noch häufig, sondern kommt abweichend von diesen Dingen vor. Die Demonstration dagegen richtet sich auf eines dieser Dinge. Jede Deduktion nämlich kommt entweder durch notwendige oder durch häufig zutreffende Prämissen zustande, und wenn die Prämissen notwendig sind, dann ist auch die Konklusion notwendig, wenn aber häufig zutreffend, dann ist auch die Konklusion von dieser Art. Daher, wenn das Zufällige weder häufig noch notwendig ist, so dürfte es von ihm keine Demonstration geben. Kapitel 31. Auch durch Wahrnehmung ist es nicht möglich, etwas zu wissen. Auch wenn nämlich die Wahrnehmung sich auf das Quale und nicht auf ein Dieses richtet – wahrgenommen wird doch jedenfalls notwendigerweise ein Dieses, und zwar irgendwo und jetzt. Was allgemein ist und auf alles zutrifft, kann dagegen nicht wahrgenommen werden, denn es ist kein Dieses und auch nicht jetzt; sonst wäre es nicht allgemein. Denn was immer und überall ist, nennen wir allgemein. Da nun die Demonstrationen allgemein sind, das Allgemeine aber nicht wahrgenommen werden kann, ist es einleuch-
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tend, dass man durch Wahrnehmung auch nicht wissen kann. Vielmehr ist klar, dass selbst wenn man wahrnehmen könnte, dass das Dreieck Winkel gleich zwei Rechten hat, wir nach einer Demonstration suchen und es nicht schon, wie einige behaupten, wissen würden. Wahrgenommen nämlich wird notwendig das Einzelne, das Wissen dagegen ist das Kennen des Allgemeinen. Auch wenn wir daher auf dem Mond wären und sähen, wie die Erde dazwischentritt, so würden wir noch nicht die Ursache der Verfinsterung wissen. Denn wir würden wahrnehmen, dass er sich jetzt verfinstert, und nicht weshalb im Ganzen, denn die Wahrnehmung richtete sich nicht auf das Allgemeine. Allerdings, wenn wir aufgrund der Betrachtung, dass dies oft geschieht, das Allgemeine einfingen, würden wir eine Demonstration besitzen, denn aus mehreren einzelnen Dingen wird das Allgemeine klar. Das Allgemeine aber ist wertvoll, weil es das Ursächliche klar macht. Daher ist bei solchen Dingen, deren Ursache von ihnen selbst verschieden ist, das allgemeine Wissen wertvoller als die Wahrnehmungen und die Einsicht. Über die ursprünglichen Dinge dagegen gibt es eine andere Bestimmung. Es ist also einleuchtend, dass es unmöglich ist, eines der demonstrierbaren Dinge durch das Wahrnehmen zu wissen, es sei denn jemand nennt das Wahrnehmen dies: das Besitzen von Wissen durch Demonstration. Es gibt freilich einige unter den Problemen, die auf ein Ausbleiben von Wahrnehmung zurückgeführt werden. Einige Dinge nämlich würden wir, wenn wir sie sähen, nicht untersuchen – nicht weil wir sie durch das Sehen wüssten, sondern weil wir infolge des Sehens das Allgemeine besitzen, wie etwa wenn wir das Glas durchbrochen und das Licht hindurchgehen sähen, dann auch klar wäre warum – wenn auch nur dadurch, dass wir es getrennt bei jedem einzelnen sähen, dann jedoch zugleich einsähen, dass es bei allen so ist. Kapitel 32. Dass die Prinzipien aller Deduktionen dieselben sind, ist unmöglich, wenn man es zuerst auf allgemeine Weise betrachtet.
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Einige der Deduktionen nämlich sind wahr, andere falsch. Denn auch wenn es möglich ist, Wahres aus Falschem zu deduzieren, so geschieht dies doch nur einmal, wie etwa wenn es wahr ist, dass das A auf das C zutrifft, der Mittelbegriff dagegen, das B, falsch ist – weder nämlich trifft das A auf das B zu noch das B auf das C. Aber wenn von diesen Prämissen Mittelbegriffe angenommen werden, so werden sie falsch sein, weil jede falsche Konklusion von Falschem abhängt, Wahres dagegen von Wahrem, und weil Wahres und Falsches verschieden sind. Ferner, nicht einmal Falsches hängt von Dingen ab, die miteinander identisch sind. Es gibt nämlich falsche Dinge, die zueinander konträr sind und nicht zugleich bestehen können, wie etwa dass die Gerechtigkeit Unrecht oder Feigheit ist und der Mensch Pferd oder Rind, oder das Gleiche größer oder kleiner. Aufgrund der Dinge jedoch, die zugrunde liegen, betrachte man es folgendermaßen. Nicht einmal für alles Wahre sind die Prinzipien dieselben. Die Prinzipien vieler Dinge sind nämlich verschieden der Gattung nach und nicht aufeinander anwendbar, wie etwa die Einheiten nicht auf die Punkte anzuwenden sind, denn die ersteren haben keine Position, die letzteren haben eine. Aber es ist notwendig, dass sie entweder auf Mittelbegriffe anzuwenden sind – entweder von oben oder von unten – oder einige der Begriffe innen haben und andere außen. Aber es kann auch unter den gemeinsamen Prinzipien keine geben, aus denen alle Dinge bewiesen werden können – ich sage: gemeinsame, wie etwa dass man alles bejaht oder verneint. Denn die Gattungen der existierenden Dinge sind verschieden, und einige treffen nur auf die quantitativen, andere nur auf die qualitativen Dinge zu, mit deren Hilfe Beweise durch die gemeinsamen Postulate geführt werden. Ferner sind die Prinzipien nicht viel weniger zahlreich als die Konklusionen. Prinzipien nämlich sind die Prämissen, die Prämissen aber kommen zustande entweder wenn ein Begriff hinzugenommen oder wenn er eingeschoben wird.
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Ferner sind die Konklusionen unendlich viele, die Begriffe dagegen begrenzt. Ferner sind einige Prinzipien notwendig, andere dagegen möglich. Wenn man also auf diese Weise untersucht, ist es unmöglich, dass die Prinzipien dieselben sind, da sie begrenzt sind, während die Konklusionen unendlich viele sind. Wenn aber jemand auf eine gewisse andere Weise redet, wie etwa dass diese die Prinzipien der Geometrie, diese die der Rechnungen, diese die der Medizin sind, was würde er dann anderes sagen als dass es Prinzipien der Wissenschaften gibt? Sie jedoch dieselben zu nennen, insofern sie dieselben wie sie selbst sind, ist lächerlich; alle Dinge würden nämlich auf diese Weise dieselben werden. Auch ist das Beweisen von Beliebigem aus allen Dingen nicht dasselbe wie das Suchen nach denselben Prinzipien für alle Dinge, denn das ist zu einfältig. Weder kommt dieses nämlich bei den einleuchtenden Lehrsätzen vor, noch ist es in der Analyse möglich. Denn die unvermittelten Prämissen sind Prinzipien, und eine andere Konklusion kommt zustande, wenn eine unvermittelte Prämisse hinzugenommen wird. Wenn aber jemand von den ursprünglichen unvermittelten Prämissen sagen würde, diese seien Prinzipien, dann gibt es eine einzige dieser Prämissen in jeder Gattung. Wenn aber weder aus allen Prinzipien Beliebiges bewiesen werden soll noch die Prinzipien in der Weise verschieden sein sollen, dass sie für jede einzelne Wissenschaft verschieden sind, so bleibt übrig zu betrachten, ob die Prinzipien aller Dinge zwar in derselben Gattung sind, aber von diesen Prinzipien diese Dinge, von jenen Prinzipien jene Dinge abhängen. Es ist aber einleuchtend, dass auch dies nicht möglich ist, denn es ist bewiesen worden, dass diejenigen Prinzipien der Gattung nach verschieden sind, die Prinzipien von Dingen sind, die der Gattung nach unterschiedlich sind. Denn Prinzipien sind von doppelter Art: diejenigen, aus welchen bewiesen wird, und diejenigen Dinge, über die bewiesen wird – die Prinzipien, aus welchen bewiesen wird, sind gemeinsam,
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die Dinge, über die bewiesen wird, sind spezifisch, wie Zahl, Größe.
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Kapitel 33. Das Gewusste, und Wissen, unterscheidet sich vom Gemeinten, und Meinung, insofern das Wissen allgemein ist und durch notwendige Prämissen zustande kommt und das Notwendige sich nicht anders verhalten kann. Es gibt jedoch Dinge, die wahr sind und existieren, die aber auch anders sein können. Es ist also klar, dass sich Wissen nicht auf diese Dinge bezieht – es wäre sonst unmöglich, dass sich die Dinge, die sich anders verhalten können, anders verhalten – und erst recht nicht Einsicht – ich nenne nämlich Einsicht: Prinzip von Wissen – noch auch nicht-demonstrierbares Wissen; dieses aber ist die Annahme der unvermittelten Prämisse. Es ist aber Einsicht und Wissen und Meinung und das durch diese Dinge Gesagte wahr, sodass übrig bleibt, dass sich Meinung auf das Wahre oder Falsche bezieht, was sich auch anders verhalten kann. Dieses aber ist eine Annahme der unvermittelten und nicht-notwendigen Prämisse. Und dies stimmt mit den Phänomenen überein; denn die Meinung ist unsicher, und die Natur dieser Dinge ist von dieser Art. Außerdem glaubt niemand zu meinen, wenn er glaubt, dass es sich nicht anders verhalten kann, sondern zu wissen. Wenn er dagegen glaubt, dass es so ist, es hindere aber nichts daran, dass es sich auch anders verhält –, dann glaubt er nur zu meinen, da auf ein solches sich die Meinung richte, auf Notwendiges dagegen Wissen. Wie also ist es möglich, dasselbe zu meinen und zu wissen, und warum wird nicht die Meinung Wissen sein, wenn jemand festsetzt, dass man alles, was man weiß, meinen kann? Denn es werden der Wissende und der Meinende einander folgen durch die Mittelbegriffe, bis man zu den unvermittelten Dingen kommt, so dass wenn wirklich jener weiß, auch der Meinende weiß. So wie man nämlich das Daß meinen kann, so auch das Weshalb, dieses aber ist der Mittelbegriff. Oder wenn man die Dinge, die sich nicht anders verhalten können, so annimmt wie man die Definitionen besitzt, durch welche die Demonstrationen zustande kommen – wird man
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dann nicht meinen, sondern wissen? Wenn man die Dinge dagegen so annimmt, dass sie zwar wahr sind, aber freilich nicht, dass diese Dinge auf sie zutreffen gemäß einer Substanz und gemäß der Art, so wird man meinen und nicht wahrhaft wissen, und zwar sowohl das Dass als auch das Weshalb, wenn man aufgrund der unvermittelten Dinge meint, wenn dagegen nicht aufgrund der unvermittelten Dinge, wird man nur das Dass meinen? Auf dasselbe nun richten sich Meinung und Wissen nicht auf jede Weise, sondern so wie falsche und wahre Meinung sich in gewisser Weise auf dasselbe richten, so richten sich auch Wissen und Meinung auf dasselbe. Wenn freilich wahre und falsche Meinung sich in der Weise, wie es einige sagen, auf dasselbe beziehen, so folgt, dass man sich an andere Absurditäten bindet und auch an die Absurdität, dass man nicht meint, was man falsch meint. Da aber Dasselbe auf vielfache Weise gesagt wird, ist es auf eine Weise möglich, auf andere Weise dagegen nicht. Dass nämlich die Diagonale kommensurabel ist, dies wahrheitsgemäß zu meinen ist unsinnig. Aber insofern die Diagonale, auf die sich die Meinungen beziehen, dasselbe ist, beziehen sie sich in dieser Weise auf dasselbe; aber das Was-es-hieß-dies-zu-sein ist für jede der beiden Sachen ihrer Bestimmung nach nicht dasselbe. In ähnlicher Weise richten sich auch Wissen und Meinung auf dasselbe – das erstere nämlich so auf das Lebewesen, dass es nicht möglich ist nicht Lebewesen zu sein, die letztere dagegen so, dass es möglich ist nicht Lebewesen zu sein, wie etwa wenn das erstere sich darauf richtet, was Mensch wirklich ist, die letztere dagegen zwar auf Mensch, aber nicht darauf, was Mensch wirklich ist. Es ist nämlich dasselbe, insofern es Mensch ist, das Wie dagegen ist nicht dasselbe. Es ist aber daraus deutlich, dass es nicht möglich ist, dasselbe zugleich zu meinen und zu wissen. Man würde nämlich zugleich die Annahmen haben, dass dasselbe sich anders verhalten kann und nicht anders – was nicht möglich ist. In einem jeweils anderen Menschen kann jedes von beiden sich auf dasselbe richten, wie gesagt worden ist; in demselben Menschen
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jedoch ist es so nicht möglich, sonst wird er nämlich zugleich die Annahme haben, z. B. dass was der Mensch wirklich ist, Lebewesen ist – das nämlich war es, unmöglich nicht Mensch sein zu können – und dass was der Mensch nicht wirklich ist, Lebewesen ist – denn dieses sei das Möglichsein. Wie aber das übrige aufgeteilt werden soll zwischen Verstand und Einsicht und Wissen und Kunst und Klugheit und Weisheit, ist mehr Sache teils der physikalischen, teils der ethischen Betrachtung. Kapitel 34. Der Scharfsinn ist eine Treffsicherheit in Hinsicht auf den Mittelbegriff in unmerklich kurzer Zeit, wie etwa wenn jemand sieht, dass der Mond das Leuchtende stets gegen die Sonne gerichtet hat, und schnell eingesehen hat, warum dies so ist – weil er von der Sonne her leuchtet; oder wenn er erkennt, dass jemand mit einem Reichen spricht, weil er sich Geld leiht; oder warum sie Freunde sind: weil sie Feinde desselben Menschen sind. Denn alle Ursachen – die Mittelbegriffe – erkennt er unmittelbar, indem er auf die Außenbegriffe blickt. Das Leuchtende gegen die Sonne richten A, das Leuchten von der Sonne her B, Mond C; es trifft also auf den Mond, das C, das B zu, das Leuchten von der Sonne her; auf das B aber das A, das gegen dasjenige das Leuchtende richten, von dem her es leuchtet; so dass auch auf das C das A zutrifft durch das B.
BUCH II
Kapitel 1. Die untersuchten Dinge sind an Zahl denjenigen gleich, die wir wissen. Wir untersuchen aber vier Dinge: das Daß, das Weshalb, ob es ist, was es ist. Wenn wir nämlich untersuchen, ob etwas dieses oder jenes ist, indem wir es in eine Zahl setzen, wie etwa ob die Sonne sich verfinstert oder nicht, so untersuchen wir das Dass. Ein Zeichen dafür ist: wenn wir nämlich entdeckt haben, dass die Sonne sich verfinstert, kommen wir zur Ruhe; und wenn wir von Anfang an wissen, dass die Sonne sich verfinstert, untersuchen wir nicht, ob sie sich verfinstert. Wenn wir dagegen das Dass wissen, untersuchen wir das Weshalb, wie etwa wenn wir wissen, dass die Sonne sich verfinstert und dass sich die Erde bewegt, so untersuchen wir, weshalb die Sonne sich verfinstert oder weshalb die Erde sich bewegt. Diese Dinge also untersuchen wir auf diese Weise, einige dagegen auf andere Weise, wie etwa ob ein Kentaur oder ein Gott ist oder nicht ist; das ob-er-ist-oder-nicht-ist meine ich schlechthin, nicht jedoch ob er weiß ist oder nicht. Wenn wir erkannt haben, dass er ist, untersuchen wir, was er ist, wie etwa was also ein Gott ist, oder was ein Mensch ist. Kapitel 2. Was wir also untersuchen und was wir, wenn wir es entdeckt haben, wissen, sind diese und so viele Dinge. Wir untersuchen aber, wann immer wir das Dass untersuchen oder das Ob-es-ist schlechthin, ob es von ihm einen Mittelbegriff gibt oder nicht gibt. Und wann immer wir, nachdem wir das Dass erkannt haben oder das Ob-es-ist – entweder das spezielle Ob-es-ist oder das Ob-es-ist schlechthin –, wiederum das Warum untersuchen oder das Was-es-ist, dann untersuchen wir, was der Mittelbegriff ist. Ich meine das Dass-es-ist speziell und schlechthin so: speziell, verfinstert sich der Mond oder nimmt er zu? Ob es nämlich etwas ist oder nicht etwas ist,
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untersuchen wir in derartigen Fällen; schlechthin dagegen, ist oder ist nicht Mond oder Nacht? Es folgt demnach, dass wir in allen Untersuchungen entweder untersuchen, ob es einen Mittelbegriff gibt, oder was der Mittelbegriff ist. Denn die Ursache ist der Mittelbegriff, und in allem wird diese untersucht. Verfinstert sich der Mond? Gibt es irgendeine Ursache dafür oder nicht? Danach, wenn wir erkannt haben, dass es so ist, untersuchen wir, was dieses also ist. Die Ursache nämlich dafür, dass etwas ist, nicht dieses oder jenes sondern schlechthin, oder dafür, dass etwas ist, nicht schlechthin, sondern etwas von den an sich oder auf zufällige Weise zutreffenden Dingen, ist der Mittelbegriff. Ich nenne das schlechthin Seiende das Zugrundeliegende, wie etwa Mond oder Erde oder Sonne oder Dreieck, das Was dagegen Verfinsterung, Gleichheit, Ungleichheit, ob in der Mitte oder nicht. In all diesen Dingen nämlich ist deutlich, dass das Was-es-ist und das Warum-es-ist dasselbe ist. Was ist eine Verfinsterung? Wegnahme des Lichts vom Mond infolge des Dazwischentretens der Erde. Warum gibt es eine Verfinsterung, oder warum verfinstert sich der Mond? Weil das Licht fehlt, wenn die Erde dazwischentritt. Was ist eine Harmonie? Eine Proportion von Zahlen im Hohen und Tiefen. Warum harmoniert das Hohe mit dem Tiefen? Weil das Hohe und das Tiefe zueinander eine Proportion von Zahlen haben. Gibt es ein Harmonieren des Hohen und Tiefen? Gibt es unter den Zahlen eine Proportion von ihnen? Wenn wir annehmen, dass es sie gibt – was also ist die Proportion? Dass sich die Untersuchung aber auf den Mittelbegriff richtet, machen jene Dinge klar, deren Mittelbegriff wahrnehmbar ist. Wir untersuchen etwas nämlich, wenn wir es nicht wahrgenommen haben – wie wir etwa bei der Verfinsterung untersuchen, ob sie ist oder nicht. Wenn wir aber auf dem Mond wären, würden wir es nicht untersuchen – weder ob es sie gibt noch warum es sie gibt, sondern beides wäre zugleich klar; aus dem Wahrnehmen nämlich käme auch unser Wissen des Allgemeinen zustande. Es gäbe nämlich die Wahrnehmung, dass die Erde jetzt dazwischentritt, und es wäre auch klar, dass der
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Mond sich jetzt verfinstert; aus diesem aber würde das Allgemeine zustande kommen. Wie wir also sagen: das Was-es-ist zu wissen ist dasselbe wie das Warum-es-ist, und dieses entweder schlechthin und nicht als etwas von den zutreffenden Dingen, oder von den zutreffenden Dingen, wie etwa dass das Dreieck Winkel gleich zwei Rechten hat oder dass es größer oder kleiner ist. Kapitel 3. Dass also alles, was untersucht wird, eine Untersuchung eines Mittelbegriffs ist, ist klar. Wie aber das Was-es-ist bewiesen wird und welches die Weise der Zurückführung ist, und was eine Definition ist und von welchen Dingen es eine Definition gibt, das wollen wir sagen, indem wir zuerst die Probleme durcharbeiten, die es damit gibt. Der Anfang der Dinge, die gesagt werden sollten, sei derjenige, der am angemessensten ist für die anschließenden Argumente. Es könnte nämlich jemand das Problem aufwerfen, ob es möglich ist, dasselbe und in derselben Hinsicht durch Definition und durch Demonstration zu wissen. Oder ist es unmöglich? Denn die Definition scheint sich auf das Was-es-ist zu richten, das Was-es-ist jedoch ist in jedem Fall allgemein und bejahend. Deduktionen dagegen sind teils verneinend, teils nicht allgemein, wie etwa die Deduktionen in der zweiten F igur alle verneinend sind, die Deduktionen in der dritten Figur dagegen nicht allgemein. Ferner, nicht einmal von allen bejahenden Aussagen in der ersten Figur gibt es eine Definition, wie etwa dass jedes Dreieck Winkel gleich zwei Rechten hat. Ein Argument dafür ist, dass das Wissen des Demonstrierbaren das Besitzen einer Demonstration ist, so dass, da es von derartigen Dingen eine Demonstration gibt, es klarerweise von ihnen nicht auch noch eine Definition geben dürfte; sonst würde nämlich jemand derartige Dinge auch gemäß der Definition wissen, ohne die Demonstration zu besitzen. Nichts nämlich hindert daran, nicht beides zugleich zu besitzen. Hinreichende Überzeugung entsteht auch aus der Induktion. Von nichts nämlich haben wir jemals dadurch, dass wir
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definiert haben, Kenntnis erhalten – weder von den an sich zutreffenden Dingen noch von den zufälligen Dingen. Ferner, wenn die Definition eine Kenntnis einer gewissen Substanz ist, so ist einleuchtend, dass derartige Dinge jedenfalls keine Substanzen sind. Dass es also nicht von allem eine Definition gibt, wovon es auch eine Demonstration gibt, ist klar. Wie aber, wovon es eine Definition gibt, gibt es von dem allem auch eine Demonstration oder nicht? Nun, ein bestimmtes Argument ist auch zu dieser Sache dasselbe. Denn von einem einzigen Ding, als einem, gibt es ein einziges Wissen, so dass, wenn wirklich das Wissen des Demonstrierbaren das Besitzen der Demonstration ist, etwas Unmögliches folgen wird; wer nämlich eine Definition des Demonstrierbaren besitzt, wird das Demonstrierbare ohne die Demonstration wissen. Ferner sind die Prinzipien der Demonstrationen Definitionen, von denen früher bewiesen worden ist, dass es von ihnen keine Demonstrationen geben wird – entweder werden die Prinzipien demonstrierbar sein und es gibt Prinzipien der Prinzipien, und dies wird bis ins Unendliche gehen, oder die ursprünglichen Prämissen werden nicht-demonstrierbare Definitionen sein. Aber wenn nicht jedes Ding dasselbe ist, auf das sich Definition und Demonstration richten, ist dann nicht wenigstens einiges dasselbe? Oder ist es unmöglich? Denn es gibt keine Demonstration von dem, wovon es eine Definition gibt. Eine Definition nämlich richtet sich auf das Was-es-ist und eine Substanz; die Demonstrationen dagegen scheinen alle das Was-es-ist vorauszusetzen und anzunehmen, wie etwa die mathematischen Demonstrationen anzunehmen scheinen, was eine Einheit und was das Ungerade ist, und die anderen auf ähnliche Weise. Ferner, jede Demonstration beweist etwas von etwas, wie etwa dass es so ist oder nicht ist; in der Definition dagegen wird in keiner Weise eines vom anderen ausgesagt; zum Beispiel weder das Lebewesen vom Zweifüßigen noch dieses vom Lebewesen, und auch nicht die Figur von der Fläche; die
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Fläche ist nämlich nicht Figur und die Figur ist auch nicht Fläche. Ferner, es ist verschieden, das Was-es-ist und das Dasses-ist zu beweisen. Die Definition macht das Was-es-ist klar, die Demonstration dagegen macht klar, dass dieses von diesem gilt oder nicht gilt. Von jeweils Verschiedenem aber ist auch die jeweilige Demonstration verschieden, wenn etwas nicht gleichsam Teil des Ganzen ist. Damit meine ich, dass bewiesen worden ist, dass das gleichschenklige Dreieck Winkel gleich zwei Rechten hat, wenn es von jedem Dreieck bewiesen worden ist, denn jenes ist ein Teil, letzteres aber das Ganze. Jene Dinge dagegen – das Dass-es-ist und das Was-es-ist – verhalten sich zueinander nicht auf diese Weise, denn das eine ist nicht Teil des anderen. Es ist folglich einleuchtend, dass es weder von allem, wovon es eine Definition gibt, eine Demonstration gibt, noch dass es von allem, wovon es eine Demonstration gibt, auch eine Definition gibt, noch dass es im Ganzen möglich ist, von irgend ein- und derselben Sache beide zu besitzen; so dass klar ist, dass Definition und Demonstration weder dasselbe sein dürften noch das eine von beiden im anderen enthalten sein dürfte, denn sonst würden sich die zugrunde liegenden Dinge auf ähnliche Weise verhalten. Kapitel 4. Diese Probleme seien nun bis zu diesem Punkt durchgearbeitet; gibt es aber vom Was-es-ist eine Deduktion und Demonstration, oder gibt es sie nicht, wie das Argument soeben vorausgesetzt hat? Die Deduktion nämlich beweist etwas von etwas durch den Mittelbegriff; das Was-es-ist dagegen ist spezifisch und wird im Was-es-ist ausgesagt. Diese spezifischen Begriffe konvertieren jedoch notwendigerweise. Denn wenn das A spezifisch ist für das C, dann klarerweise auch für das B und dieses für das C, so dass alle es füreinander sind. Aber auch wenn das A im Was-es-ist auf jedes B zutrifft und allgemein das B von jedem C im Was-es-ist ausgesagt wird, so wird notwendig auch das A im Was-es-ist vom C ausgesagt. Wenn man es dagegen nicht auf diese Weise annimmt, dass
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man es verdoppelt, wird es nicht notwendig sein, dass das A vom C im Was-es-ist ausgesagt wird – wenn das A vom B im Was-es-ist ausgesagt wird, nicht aber von den Dingen, von denen B im Was-es-ist ausgesagt wird. Vielmehr werden beide Dinge das Was-es-ist enthalten; es wird also auch das B das Was-es-ist vom C sein. Wenn also beide das Was-es-ist und das Was-es-hieß-dies-zu-sein enthalten, dann wird das Was-eshieß-dies-zu-sein zuvor beim Mittelbegriff vorkommen. Und im Ganzen, wenn es möglich ist zu beweisen, was ein Mensch ist, so sei das C Mensch und das A das Was-es-ist, sei es zweifüßiges Lebewesen oder etwas anderes; wenn nun deduziert wird, so wird notwendig das A von jedem B ausgesagt, und es wird diesem gegenüber eine andere Mittelbestimmung geben, so dass auch diese das sein wird, was ein Mensch ist. Man nimmt also an, was bewiesen werden soll, denn auch das B wird das sein, was ein Mensch ist. Man sollte dies an zwei Prämissen – und zwar an ursprünglichen und unvermittelten Prämissen – untersuchen, denn so wird das Gesagte am einleuchtendsten. Diejenigen nun, die durch das Konvertieren beweisen, was eine Seele ist oder was ein Mensch ist oder irgendetwas anderes von den existierenden Dingen, fordern es von Anfang an, wie etwa wenn jemand postulierte, dass die Seele dasjenige ist, was für sich selbst Ursache des Lebens ist, und dass dieses eine Zahl ist, die sich selbst bewegt. Dann ist es nämlich notwendig zu fordern, dass die Seele das ist, was ein Zahl, die sich selbst bewegt, wirklich ist – in der Weise, dass es dasselbe ist. Nicht nämlich wird, wenn das A dem B folgt und dieses dem C, das A das Was-eshieß-dies-zu-sein für das C sein, sondern es wird nur wahr sein es zu sagen, selbst wenn das A das ist, was B wirklich ist und von jedem B ausgesagt wird. Denn was es heißt ein Lebewesen zu sein, wird auch von dem ausgesagt, was es heißt ein Mensch zu sein – wahr ist es nämlich, dass in jedem Falle das, was es heißt ein Mensch zu sein, auch das ist, was es heißt ein Lebewesen zu sein, so wie es auch wahr ist, dass jeder Mensch ein Lebewesen ist, aber nicht so, dass sie eines sind. Wenn man es also nicht in dieser Weise annimmt, wird man nicht deduzie-
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ren, dass das A für das C das Was-es-hieß-dies-zu-sein und die Substanz ist; wenn man es dagegen in dieser Weise annimmt, so wird man zuvor angenommen haben, was das Was-es-hießdies-zu-sein für das C ist – das B; sodass es nicht demonstriert worden ist, denn man hat es am Anfang angenommen. Kapitel 5. Aber auch der Weg durch die Begriffsteilungen deduziert nicht, wie in der Analyse, die sich auf die Figuren bezieht, gesagt worden ist. Nirgendwo nämlich wird es notwendig, dass jene Sache so ist, wenn diese Prämissen so sind, so wie auch jemand, der eine Induktion durchführt, nicht demonstriert. Weder darf man nämlich zur Konklusion Fragen stellen noch darf die Konklusion durch Einräumen gegeben sein, sondern sie muss notwendig sein, wenn jene Prämissen so sind, auch wenn es der Antwortende verneint. Ist der Mensch Lebewesen oder unbeseelt? Darauf nimmt man an: Lebewesen; es ist nicht deduziert. Wiederum, jedes Lebewesen hat entweder Füße oder lebt im Wasser; man nimmt an: es hat Füße. Und dass der Mensch das Ganze ist, ein Lebewesen mit Füßen, folgt nicht notwendig aus dem Gesagten, sondern man nimmt auch dieses an. Und es macht keinen Unterschied, es auf diese Weise bei vielen oder wenigen Dingen zustande zu bringen; denn es ist dasselbe. Nicht-deduktiv also wird, wenn man so vorgeht, der Gebrauch sogar von den Dingen, die deduziert werden können. Was nämlich hindert daran, dass dieses Ganze vom Menschen zwar wahr ist, dass es aber nicht das Was-es-ist oder das Was-es-hieß-dies-zu-sein klar macht? Ferner, was hindert daran, dass es etwas hinzusetzt oder abstrahiert oder über die Substanz hinausgeht? Diese Dinge nun werden übergangen, können aber dadurch gelöst werden, dass man alles im Was-es-ist annimmt und das der Reihe nach Folgende durch die Begriffsteilung zustande bringt, indem man das Ursprüngliche fordert und nichts auslässt. Dieses aber ist – wenn alles in die Begriffsteilung hineinfällt und nichts fehlt – notwendigerweise bereits unteilbar. Aber eine Deduktion ist es dennoch nicht, sondern wenn überhaupt so bringt man auf andere Weise eine Kenntnis des Was-
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es-ist zustande. Und dies ist in keiner Weise abwegig, denn auch wer eine Induktion durchführt, demonstriert vielleicht nicht, macht aber dennoch etwas klar. Eine Deduktion jedoch benennt nicht bereits derjenige, der aufgrund einer Begriffsteilung die Definition benennt. So wie nämlich bei den Konklusionen ohne die Mittelbegriffe, wann immer jemand sagt, dass wenn diese Prämissen der Fall sind, dieses notwendig ist, es möglich ist zu fragen warum, so auch bei den auf Begriffsteilungen beruhenden Definitionen. Was ist ein Mensch? Lebewesen, sterblich, mit Füßen versehen, zweifüßig, ohne Flügel; warum, in Hinsicht auf jeden Zusatz? Man wird nämlich sagen und durch die Begriffsteilung beweisen, wie man glaubt, dass alles entweder sterblich oder unsterblich ist. Eine derartige Bestimmung ist jedoch insgesamt keine Definition mehr, sodass, selbst wenn diese Bestimmung durch die Begriffsteilung demonstriert wird, die Definition jedenfalls nicht zu einer Deduktion wird. Kapitel 6. Aber ist es vielleicht möglich, das Was-es-ist in Hinsicht auf eine Substanz zu demonstrieren, jedoch aufgrund einer Hypothese, indem man annimmt, dass das Was-es-hießdies-zu-sein das Spezifische ist, das aus den Dingen im Wases-ist besteht, und dass diese Dinge allein im Was-es-ist sind, und dass das Ganze spezifisch ist? Denn dies ist es, was es heißt jenes zu sein. Oder hat man wiederum das Was-es- hieß-dies-zu-sein auch in diesem Fall angenommen? Es ist nämlich notwendig, durch den Mittelbegriff zu beweisen. Ferner, so wie in einer Deduktion nicht angenommen wird, was das Deduziertsein ist – stets nämlich ist die Prämisse ganz oder speziell, wovon die Deduktion abhängt –, so darf auch das Was-es-hieß-dies-zu-sein nicht in der Deduktion sein, sondern dieses muss von den zugrunde gelegten Dingen getrennt sein. Und, demjenigen, der zweifelt, ob deduziert worden ist oder nicht, muss man entgegenhalten: dieses war doch eine Deduktion; und demjenigen, der sagt, dass nicht das Was-es-hieß-dies-zu-sein deduziert ist, muss man entgegenhal-
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ten: doch, denn es liegt für uns zugrunde, dass dieses das Wases-hieß-dies-zu-sein ist. Daher ist es notwendig, etwas ohne das Voraussetzen, was eine Deduktion ist, oder das Voraussetzen, was das Was-es-hieß-dies-zu-sein ist, zu deduzieren. Und auch wenn man aufgrund einer Hypothese beweist – wie etwa: wenn das, was es heißt schlecht zu sein, das ist, was es heißt teilbar zu sein, und das, was es heißt konträr zu sein, das ist was es heißt, zu einem Konträren konträr zu sein – bei den Dingen, zu denen es etwas Konträres gibt – und wenn das Gute zum Schlechten konträr ist und das Unteilbare zum Teilbaren, so ist folglich das, was es heißt gut zu sein, genau das, was es heißt unteilbar zu sein –, so beweist man auch hier, indem man das Was-es-hieß-dies-zu-sein angenommen hat, und man nimmt es an, um das Was-es-hieß-dies-zu-sein zu beweisen. Ein anderes Was-es-hieß-dies-zu-sein freilich; es sei so – ebenso nämlich verhält es sich in den Demonstrationen, die aufweisen, dass dieses von diesem gilt, aber nicht dasselbe wie letzteres, und nicht etwas, dessen Bestimmung dieselbe ist wie bei letzterem und das mit ihm konvertiert. Und in Bezug auf beide – sowohl den, der gemäß einer Begriffsteilung beweist, als auch den, der auf diese Weise deduziert – gibt es dasselbe Problem: warum wird der Mensch ein zweifüßiges auf dem Land lebendes Tier sein und nicht ein Tier und auf dem Land lebend? Aus den angenommenen Prämissen nämlich ergibt sich keine Notwendigkeit, dass das Ausgesagte Eines wird – sondern es wird Eines allenfalls so wie etwa derselbe Mensch musikalisch und sprachkundig ist. Kapitel 7. Wie also wird der Definierende die Substanz oder das Was-es-ist beweisen? Denn weder wird er, so wie wenn er demonstriert, aufgrund eingestandener Prämissen klar machen, dass wenn jene Prämissen der Fall sind, etwas anderes notwendig ist – denn dies ist eine Demonstration –, noch wird er – so wie wenn er eine Induktion durchführt dadurch, dass die einzelnen Dinge klar sind – zeigen, dass alles so ist dadurch, dass nichts anders ist; denn nicht das Was-es-ist beweist er, sondern dass es der Fall ist oder nicht der Fall ist.
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Welche andere Weise also bleibt übrig? Denn man wird jedenfalls nicht durch die Wahrnehmung beweisen oder mit dem Finger. Ferner, wie wird man das Was-es-ist beweisen? Wer nämlich weiß, was ein Mensch ist oder irgendetwas anderes, der weiß notwendigerweise auch, dass er ist – denn von dem, was nicht ist, weiß niemand, was es ist, sondern allenfalls was die Bestimmung oder der Name bezeichnet, wenn ich etwa sage: Ziegenhirsch; was jedoch ein Ziegenhirsch ist, ist unmöglich zu wissen. Aber wenn man beweisen soll, was es ist und dass es ist, wie wird man es durch dasselbe Argument beweisen? Denn sowohl die Definition macht ein einziges Ding klar als auch die Demonstration; was aber ein Mensch ist und dass ein Mensch ist, ist verschieden. Ferner behaupten wir auch, dass es notwendig ist, durch Demonstration alles zu beweisen, was etwas ist, es sei denn es ist seine Substanz ist. Das Sein aber ist nicht eine Substanz für irgendetwas, denn das Seiende ist nicht eine Gattung. Es wird folglich eine Demonstration geben, dass etwas ist, was die Wissenschaften auch ohnehin schon zustande bringen. Was nämlich das Dreieck bezeichnet, nimmt der Geometer an, dass es dagegen ist, beweist er. Was also wird derjenige beweisen, der definiert, was es ist – oder etwa das Dreieck? Es wird folglich jemand durch Definition wissen, was es ist; ob es ist, wird er nicht wissen. Aber das ist unmöglich. Es ist einleuchtend, dass auch in Hinsicht auf die jetzt üblichen Arten der Definitionen die Definierenden nicht beweisen, dass etwas ist. Auch wenn nämlich etwas das vom Mittelpunkt gleich weit Entfernte ist – warum ist aber das Definierte? Und warum ist dieses ein Kreis? Es wäre nämlich auch möglich zu sagen, es wäre aus Messing. Weder nämlich machen die Definitionen zusätzlich klar, dass das Gesagte sein kann, noch dass es jenes ist, dessen Definitionen, wie sie behaupten, sie sind; vielmehr ist es immer möglich, die WarumFrage zu stellen. Wenn folglich der Definierende entweder beweist, was es ist, oder was der Name bezeichnet, dann dürfte die Defini-
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tion, wenn sie sich auf keine Weise auf das Was-es-ist richtet, eine Bestimmung sein, die dasselbe wie ein Name bezeichnet. Aber das ist abwegig. Erstens nämlich würde es auch von Dingen, die nicht Substanzen sind, und von Dingen, die nicht sind, eine Definition geben; bezeichnen nämlich kann man auch Dinge, die nicht sind. Ferner würden alle Darlegungen Definitionen sein, denn es wäre möglich, einen Namen festzusetzen für eine beliebige Art von Darlegung, so dass wir alle einander Definitionen erzählen würden und die Ilias eine Definition wäre. Ferner dürfte keine Demonstration demonstrieren, dass dieser Name dieses klar macht; auch die Definitionen also machen dies nicht zusätzlich klar. Aufgrund dieser Dinge also scheint weder Definition und Deduktion dasselbe zu sein noch sich Deduktion und Definition auf dasselbe zu richten, und außerdem scheint sich zu ergeben, dass weder die Definition etwas demonstriert oder beweist noch es möglich ist, durch Definition oder Demons tration vom Was-es-ist Kenntnis zu gewinnen. Kapitel 8. Noch einmal aber muss untersucht werden, welches von diesen Dingen angemessen und welches nicht angemessen gesagt ist, und was die Definition ist, und ob es vom Was-es-ist in irgendeiner Weise eine Demonstration und eine Definition gibt oder in keiner Weise. Da es nun, wie wir sagten, dasselbe ist, das Was-es-ist zu wissen und die Ursache des Ob-es-ist zu wissen – eine nähere Bestimmung dieses Faktums ist, dass irgendetwas seine Ursache ist und dieses entweder dasselbe wie die Ursache oder etwas anderes ist, und wenn etwas anderes, entweder demonstrierbar oder nicht demonstrierbar – wenn es also etwas anderes ist und demonstriert werden kann, so ist notwendig die Ursache ein Mittelbegriff und es wird in der ersten Figur bewiesen; allgemein nämlich und bejahend ist das Bewiesene. Eine Weise also wäre die jetzt untersuchte, das Beweisen des Was-es-ist durch etwas anderes. Vom Was-es-ist nämlich ist der Mittelbegriff notwendig ein Was-es-ist, und von spezifischen Dingen ist er spezifisch; so dass man von einer Sache
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das eine beweisen, das andere jedoch nicht beweisen wird von demjenigen, was es für dieselbe Sache hieß, dies zu sein. Dass nun diese Vorgehensweise keine Demonstration sein dürfte, ist zuvor gesagt worden. Aber es gibt eine allgemeine Deduktion des Was-es-ist. Auf welche Weise sie möglich ist, das wollen wir sagen, indem wir noch einmal von Anfang an beginnen. So wie wir nämlich das Weshalb untersuchen, wenn wir das Dass besitzen – zuweilen wird beides aber auch zugleich klar; allerdings ist es jedenfalls nicht möglich, vom Weshalb früher Kenntnis zu gewinnen als vom Dass –, in ähnlicher Weise untersuchen wir offenbar auch nicht das Was-es-hieß-dies-zusein ohne das Dass-es-ist. Es ist nämlich unmöglich zu wissen, was etwas ist, ohne zu wissen, ob es ist. Das Ob-es-ist jedoch besitzen wir zuweilen auf zufällige Weise, zuweilen aber auch indem wir etwas von der Sache selbst besitzen, wie etwa vom Donner, dass er ein gewisses Geräusch in den Wolken ist, und von der Verfinsterung, dass sie eine gewisse Wegnahme des Lichtes ist, und vom Menschen, dass er ein gewisses Lebewesen ist, und von der Seele, dass sie etwas sich selbst Bewegendes ist. Diejenigen Dinge nun, von denen wir auf zufällige Weise wissen, dass sie der Fall sind, besitzen unmöglich auf irgendeine Weise eine Verbindung zum Was-es-ist; denn wir wissen nicht einmal, dass sie der Fall sind. Zu untersuchen jedoch, was etwas ist, ohne davon Kenntnis zu besitzen, dass es der Fall ist, heißt nichts zu untersuchen. Bei den Dingen jedoch, von denen wir etwas vom Was-es-ist besitzen, ist es leicht. In welcher Weise wir also Kenntnis davon besitzen, dass es der Fall ist, in der Weise besitzen wir auch eine Verbindung zum Was-es-ist. Die Dinge also, von denen wir etwas vom Was-es-ist besitzen, seien zunächst folgendermaßen gegeben: Verfinsterung das worauf A zutrifft, Mond worauf C zutrifft, Dazwischentreten der Erde worauf B zutrifft; ob der Mond verfinstert ist oder nicht, heißt vom B zu untersuchen, ob es ist oder nicht. Dieses aber unterscheidet sich in nichts davon zu untersuchen, ob es eine Bestimmung davon gibt; und wenn es sie gibt, sagen wir,
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dass es auch jenes gibt. Oder: von welchem Teil der Kontradiktion gibt es eine Bestimmung, vom Winkel gleich zwei Rechten Haben oder vom Nicht-Haben? Wenn wir es aber entdeckt haben, wissen wir zugleich das Dass und das Weshalb, wenn es durch Mittelbegriffe zustande kommt. Andernfalls besitzen wir das Dass, das Weshalb dagegen nicht: Mond C, Verfinsterung A, nicht fähig sein einen Schatten zustande zu bringen, wobei nichts Deutliches zwischen uns und dem Mond ist, B. Wenn also auf das C das B zutrifft, das Nicht-Fähig-Sein einen Schatten zustande zu bringen, wobei nichts zwischen uns und dem Mond ist, auf dieses aber das A, das Verfinstert-Sein, so ist klar, dass er verfinstert ist, weshalb er es ist, ist dagegen noch nicht klar; und dass es eine Verfinsterung gibt, wissen wir, was sie jedoch ist, wissen wir nicht. Und wenn es klar ist, dass das A auf das C zutrifft, dann ist freilich das Untersuchen, warum es zutrifft, das Untersuchen, was das B ist – ob ein Dazwischentreten oder eine Drehung des Mondes oder ein Erlöschen. Dieses aber ist die Bestimmung des einen Außenbegriffs, wie etwa in den angeführten Umständen das A; es ist nämlich eine Verfinsterung ein Dazwischentreten von Seiten der Erde. Was ist Donner? Erlöschen von Feuer in einer Wolke. Warum donnert es? Aufgrund des Erlöschens von Feuer in der Wolke. Wolke C, Donner A, Erlöschen von Feuer das B. Auf das C also, die Wolke, trifft das B zu – es erlischt nämlich in ihr das Feuer –, auf dieses aber das A, Geräusch; und es ist das B eine Bestimmung des A, des ersten Außenbegriffs. Und wenn es wiederum für dieses einen anderen Mittelbegriff gibt, wird er unter den restlichen Bestimmungen sein. Wie also das Was-es-ist angenommen und bekannt wird, ist gesagt worden, so dass auf der einen Seite eine Deduktion des Was-es-ist zwar nicht zustande kommt – und auch keine Demonstration –, auf der anderen Seite das Was-es-ist aber durch Deduktion und durch Demonstration klar wird. Daher ist es weder ohne Demonstration möglich, Kenntnis zu gewinnen vom Was-es-ist eines Dinges, dessen Ursache etwas anderes ist als es selbst, noch gibt es eine Demonstration von ihm, so wie wir auch im Durcharbeiten der Probleme gesagt haben.
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Kapitel 9. Von einigen Dingen nun ist die Ursache etwas anderes, von anderen dagegen nicht. Daher ist klar, dass auch vom Was-es-ist einige Dinge unvermittelt und Prinzipien sind, von denen man voraussetzen oder auf andere Weise einleuchtend machen muss, dass sie sind und auch was sie sind – was etwa der Arithmetiker auch wirklich macht, denn zum Beispiel von der Einheit setzt er voraus, was sie ist, und auch dass sie ist. Von denjenigen Dingen dagegen, die einen Mittelbegriff haben und von denen etwas anderes die Ursache der Substanz ist, kann man es, so wie wir es gesagt haben, durch Demonstration klar machen, ohne dass man das Was-es-ist demonstriert.
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Kapitel 10. Da eine Definition nun eine Bestimmung des Wases-ist genannt wird, ist einleuchtend, dass die eine Art von Definition eine Bestimmung dessen sein wird, was der Name bezeichnet, oder eine andere namensähnliche Bestimmung, wie etwa die Angabe: was es bezeichnet, was ein Dreieck ist. Und wenn wir davon Kenntnis besitzen, dass es der Fall ist, so untersuchen wir, warum es der Fall ist. Allerdings ist es schwierig, auf diese Weise Dinge zu erfassen, von denen wir nicht wissen, dass sie der Fall sind. Die Ursache dieser Schwierigkeit ist zuvor genannt worden: dass wir nicht einmal wissen, ob sie der Fall sind oder nicht, es sei denn auf zufällige Weise. Eine Bestimmung ist eine einzige auf doppelte Weise – die eine durch einen Zusammenhang, wie die Ilias, die andere dadurch, dass sie eines vom anderen klar macht, auf nicht-zufällige Weise. Die eine Definition einer Definition ist also die genannte; eine andere Definition aber ist eine Bestimmung, die klar macht, warum etwas der Fall ist, so dass die erstere zwar bezeichnet, aber nicht beweist, von der letzteren dagegen einleuchtend ist, dass sie gleichsam eine Demonstration des Wases-ist sein wird, aber durch Position unterschieden von der Demonstration. Es macht nämlich einen Unterschied zu sagen, warum es donnert, und was Donner ist. Man wird nämlich einerseits sagen: weil das Feuer in den Wolken erlischt; was aber ist Donner? Ein Geräusch von erlöschendem Feuer in Wolken; sodass dieselbe Bestimmung auf verschiedene Weise ge-
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sagt wird und auf die erstere Weise eine zusammenhängende Demonstration ist und auf diese letztere andere Weise eine Definition. Ferner ist eine Definition von Donner: Geräusch in Wolken. Dieses aber ist die Konklusion der Demonstration des Was-es-ist. Die Definition dagegen, die aus unvermittelten Sätzen besteht, ist eine Festsetzung des Was-es-ist, die nicht demonstrierbar ist. Es ist folglich die eine Definition eine Bestimmung des Was-es-ist, die nicht demonstrierbar ist. Eine andere Definition ist eine Deduktion des Was-es-ist, der Form nach unterschieden von der Demonstration. Und eine dritte Definition ist eine Konklusion der Demonstration des Was-es-ist. Es ist also aus dem Gesagten deutlich, inwiefern es vom Was-es-ist eine Demonstration gibt und inwiefern es sie nicht gibt, und von welchen Dingen es sie gibt und von welchen Dingen es sie nicht gibt, ferner auf wie viele Weisen man von einer Definition spricht und inwiefern man das Was-es-ist beweist und inwiefern nicht und von welchen Dingen man es beweist und von welchen nicht, und ferner wie sie sich zur Demonstration verhält und inwiefern sie sich auf dasselbe beziehen kann und inwiefern sie es nicht kann. Kapitel 11. Da wir nun etwas zu wissen glauben, wann immer wir die Ursache wissen, und es vier Ursachen gibt – eine das Was-es-hieß-dies-zu-sein, eine weitere dass wenn gewisse Dinge so sind, dieses notwendig so ist, eine andere das, was etwas zuerst in Bewegung brachte, und eine vierte das Weswegen – so werden alle diese durch den Mittelbegriff bewiesen. Denn dass, wenn etwas so ist, dieses notwendig so ist, gilt nicht, wenn eine einzige Prämisse angenommen worden ist, sondern nur wenn es mindestens zwei Prämissen sind. Dieses aber ist der Fall, wenn die Sätze einen Mittelbegriff besitzen; und wenn dieser eine Mittelbegriff angenommen worden ist, so ist die Konklusion notwendig. Dies ist klar auch auf folgende Weise: Warum ist der Winkel im Halbkreis ein rechter? Wenn was so ist, ist er ein rechter? Es sei ein Rechter A, eine Hälfte
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von zwei Rechten B, der Winkel im Halbkreis C. Dafür also, dass das A, der Rechte, auf das C, den Winkel im Halbkreis zutrifft, ist das B Ursache. Dieser Winkel nämlich ist dem A gleich, und das C ist dem B gleich, denn er ist eine Hälfte von zwei Rechten. Wenn also das B eine Hälfte von zwei Rechten ist, trifft das A auf das C zu – dies aber hieß es, ein Rechter im Halbkreis zu sein. Mit diesem aber ist das Was-es-hieß-dieszu-sein identisch, insofern die Bestimmung dieses bezeichnet. Aber vom Was-es-hieß-dies-zu-sein ist auch bewiesen worden, dass es als Ursache der Mittelbegriff ist. Und ferner, warum brach der Persische Krieg gegen die Athener aus? Welches war die Ursache dafür, dass die Athener bekriegt wurden? Weil sie zusammen mit den Eretriern in Sardis einfielen; dieses nämlich brachte die Sache zuerst in Bewegung. Krieg A, als erste einfallen B, Athener das C; es trifft also das B auf das C zu – das als erste einfallen auf die Athener – und das A auf das B; die Menschen bekriegen nämlich diejenigen, die als erste Unrecht tun. Es trifft folglich das A auf das B zu – das bekriegt werden auf die, die als erste beginnen – und dieses, das B, auf die Athener – denn sie begannen als erste. Auch hier ist folglich ein Mittelbegriff die Ursache: das was die Sache zuerst in Bewegung brachte. Von welchen Dingen aber ist das Weswegen die Ursache – wie etwa: warum geht man spazieren? Damit man gesund bleibt. Warum ist dort ein Haus? Damit die Geräte aufbewahrt werden: das eine ist wegen des Gesundbleibens der Fall, das andere wegen des Aufbewahrtwerdens. Warum man nach dem Essen spazieren gehen soll, und weswegen man es soll, macht keinen Unterschied. Spaziergang nach dem Essen C, dass die Speisen nicht unverdaut bleiben B, das Gesundbleiben A; es treffe also auf das Spazierengehen nach dem Essen zu, dass es dazu führt, dass die Speisen nicht unverdaut am Eingang des Magens bleiben, und dieses sei gesund. Es scheint nämlich auf das Spazierengehen, das C, das B, dass die Speisen nicht unverdaut bleiben, zuzutreffen, und auf dieses das A, das Gesunde. Was also ist Ursache dafür, dass das A auf das C zutrifft, das Weswegen? Das B, das Nicht-Unverdaut-Bleiben.
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Dieses aber ist gleichsam eine Bestimmung für jenes, denn auf diese Weise wird das A ausgelegt werden. Warum also trifft das B auf das C zu? Weil das Gesundbleiben dieses ist: sich auf die genannte Weise zu verhalten. Es ist jedoch nötig die Bestimmungen zu vertauschen, und dann werden die einzelnen Dinge in höherem Grade einleuchtend sein. Die Erzeugung ist hier jedoch umgekehrt wie bei den Bewegungsursachen, denn dort muss der Mittelbegriff zuerst da sein, hier dagegen das C, der Außenbegriff, und das Weswegen kommt als letztes. Es ist möglich, dass dasselbe sowohl wegen einer Sache so ist als auch aus Notwendigkeit, wie etwa das durch die Laterne tretende Licht. Denn sowohl aus Notwendigkeit tritt das Ding mit feineren Teilen durch die größeren Poren – wenn durch das Hindurchgehen wirklich Licht zustande kommt – als auch wegen einer Sache: damit wir nicht straucheln. Wenn es also möglich ist, dass etwas aufgrund verschiedener Ursachen der Fall ist – ist es dann auch möglich, dass etwas auf diese doppelte Weise geschieht? So wie etwa, wenn es donnert, das Feuer erlischt und es daher notwendigerweise zischt und kracht, aber auch, wie die Pythagoreer sagen, wegen einer Drohung gegenüber denen im Tartarus, damit sie sich fürchten? Es gibt in der Tat sehr viele derartige Dinge, und zwar vor allem unter den Dingen, die naturgemäß zusammengesetzt werden und zusammengesetzt sind. Denn die eine Art von Natur bringt sie einer Sache wegen zustande, die andere dagegen aus Notwendigkeit. Die Notwendigkeit ist jedoch zweifach: die eine gemäß einer Natur und dem inneren Drang, die andere durch Gewalt und gegen den inneren Drang, so wie ein Stein aus Notwendigkeit sowohl nach oben als auch nach unten getragen wird, aber nicht aufgrund derselben Notwendigkeit. Unter den vom Verstand zustande gebrachten Dingen kommen einige niemals spontan vor, wie etwa ein Haus oder eine Statue, und auch nicht aus Notwendigkeit, sondern wegen einer Sache. Andere Dinge dagegen kommen auch durch Zufall vor, wie Gesundheit und Erhaltung. Vor allem aber bei den Dingen, die sowohl so als auch anders sein können, geschieht es, wenn die Entstehung nicht durch Zufall geschieht, sondern
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so, dass das Ziel gut ist, wegen einer Sache, und zwar entweder durch Natur oder durch Kunst. Nichts jedoch, was durch Zufall geschieht, geschieht zugleich wegen einer Sache. Kapitel 12. Ursache für die entstehenden und die entstandenen und die zukünftigen Dinge ist dasselbe, was es auch für die bestehenden Dinge ist: diese Ursache ist nämlich der Mittelbegriff – außer dass er für die bestehenden Dinge bestehend ist, für die entstehenden entstehend, für die entstandenen entstanden und für die zukünftigen zukünftig, wie etwa: warum ist eine Verfinsterung des Mondes entstanden? Weil die Erde in die Mitte geraten ist; und die Verfinsterung entsteht, weil die Erde dorthin gerät, sie wird zustande kommen, weil die Erde in die Mitte geraten wird, und sie kommt zustande, weil die Erde dort ist. Was ist Eis? Es sei angenommen: Wasser, das hart geworden ist. Wasser C, hart geworden A, der Mittelbegriff als Ursache B: gänzliches Ausbleiben des Warmen. Es trifft also auf das C das B zu, und auf dieses das Hartsein, das A; und es entsteht Eis, wenn das B entsteht, es ist entstanden, wenn das B entstanden ist, und es wird bestehen, wenn das B bestehen wird. Dasjenige also, was auf diese Weise Ursache ist, und dasjenige, dessen Ursache es ist, entstehen zugleich, wenn sie entstehen, und bestehen zugleich, wenn sie bestehen; und beim Entstandensein und zukünftigen Sein verhält es sich ebenso. Bei den nicht zugleich bestehenden Dingen aber – ist es da möglich, dass, wie es uns scheint, die einen Dinge in der kontinuierlichen Zeit Ursachen von anderen Dingen sind – vom Entstehen dieses Dinges ein anderes entstehendes Ding, und von seinem zukünftigen Sein ein anderes zukünftiges Ding, und vom Entstehen, wenn etwas zuvor entstand? Die Deduktion geht doch wohl vom später Entstandenen aus – Prinzip auch dieser Dinge aber ist das zuvor Entstandene –, weshalb dies auch ebenso bei den entstehenden Dingen gilt. Vom Früheren dagegen geht die Deduktion nicht aus, wie etwa dass, weil dieses geschehen ist, dieses spätere geschehen ist, und beim zukünftigen Sein ebenso. Weder nämlich wenn die
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Zeit unbestimmt ist noch wenn sie bestimmt ist, wird es so sein, dass, da es wahr ist zu sagen, dass dieses entstanden ist, es wahr ist zu sagen, dass dieses, das Spätere, entstanden ist. Denn dazwischen wird es falsch sein, dieses zu sagen – nachdem das eine der beiden bereits entstanden ist. Dasselbe Argument gilt auch für das Zukünftige – nicht einmal da dieses entstanden ist, wird dieses bestehen. Denn der Mittelbegriff muss gleichartig sein: von entstandenen Dingen entstanden, von zukünftigen zukünftig, von entstehenden entstehend, von bestehenden bestehend; als Mittelbegriff vom: es ist entstanden, und vom: es wird bestehen kann er jedoch nicht gleichartig sein. Ferner kann die Zeit dazwischen weder unbestimmt sein noch bestimmt, denn dazwischen wird es falsch sein, es zu sagen. Man muss auch untersuchen, was das Kontinuierliche ist – sodass nach dem Entstandensein unter den Dingen auch das Entstehen vorkommt. Oder ist klar, dass das Entstehende nicht an das Entstandene anschließt? Denn es schließt auch nicht das Entstandene an das Entstandene an; sie sind nämlich Grenzen und unteilbar. So wie also die Punkte nicht aneinander anschließen, so auch nicht entstandene Dinge, denn beide sind unteilbar; aber aus demselben Grund schließt auch Entstehendes nicht an Entstandenes an: das Entstehende ist nämlich teilbar, das Entstandene dagegen ist unteilbar. Wie sich also Linie zu Punkt verhält, so das Entstehende zum Entstandenen; es kommen nämlich unendlich viele entstandene Dinge im Entstehenden vor. In einleuchtenderer Weise aber muss über diese Dinge in den allgemeinen Untersuchungen über die Veränderung gesprochen werden. Darüber nun, wie es sich, wenn die Entstehung kontinuierlich zustande kommt, mit dem Mittelbegriff – der Ursache – verhält, sei soviel angenommen. Es ist nämlich notwendig, dass auch in diesen Dingen der Mittelbegriff und das Ursprüngliche unvermittelt sind. Beispielsweise: das A ist entstanden, weil das C entstanden ist – später entstanden ist aber das C, früher dagegen das A, und Prinzip ist das C, weil es dem Jetzt näher ist, welches das Prinzip der Zeit ist – ; das
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C aber ist entstanden, wenn das D entstanden ist. Wenn also das D entstanden ist, ist notwendig das A entstanden. Ursache aber ist das C, denn wenn das D entstanden ist, so ist notwendig das C entstanden, und wenn das C entstanden ist, so ist notwendig früher das A entstanden. Wenn man es in dieser Weise annimmt – wird dann der Mittelbegriff irgendwo an einem Unvermittelten zum Stehen kommen oder wird stets ein Mittelbegriff dazwischen fallen aufgrund des Unendlichen? Denn Entstandenes schließt nicht an Entstandenes an, wie gesagt worden ist. Aber beginnen muss man jedenfalls dennoch bei einem Unvermittelten und einem vom Jetzt her Ursprünglichen; auf ähnliche Weise verhält es sich auch bei dem: es wird bestehen. Wenn es nämlich wahr ist zu sagen, dass das D bestehen wird, so ist es wahr zu sagen, dass notwendig früher das A bestehen wird. Ursache dafür aber ist das C; wenn nämlich das D bestehen wird, so wird früher das C bestehen, und wenn das C bestehen wird, so wird früher das A bestehen. Und auf ähnliche Weise ist der Schnitt auch in diesen Dingen unendlich, denn die zukünftigen Dinge schließen nicht aneinander an. Und auch in diesen Dingen muss ein unvermitteltes Prinzip angenommen werden. Es verhält sich aber auf diese Weise auch bei den wirklichen Dingen. Wenn ein Haus entstanden ist, so sind notwendig Steine geschnitten worden und entstanden. Warum dies? Weil notwendig ein Fundament entstanden ist, wenn wirklich auch ein Haus entstanden ist, und wenn ein Fundament, so sind notwendig früher Steine entstanden. Wiederum, wenn ein Haus bestehen wird, so werden ebenso früher Steine bestehen. Und es wird auf ähnliche Weise durch den Mittelbegriff bewiesen; denn es wird früher ein Fundament bestehen. Da wir nun sehen, dass es unter den entstehenden Dingen eine Erzeugung im Kreis gibt, so kann dies dann der Fall sein, wenn der Mittelbegriff und die Außenbegriffe einander folgen; in diesen Fällen nämlich gibt es das Konvertieren. Bewiesen worden ist dies in den ersten Untersuchungen – dass die Konklusionen konvertieren –, und das heißt es, ein Herumgehen im Kreis zu sein. Bei den wirklichen Dingen gibt es
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Phänomene der folgenden Art. Wenn die Erde feucht geworden ist, entsteht notwendig Dunst, und wenn dieser entstanden ist, entsteht Bewölkung, und wenn diese entstanden ist, entsteht Regen; und wenn dieser entstanden ist, wird die Erde notwendig feucht. Dieses aber war das am Anfang Stehende, so dass man im Kreis herumgegangen ist. Wenn nämlich eines von ihnen, welches auch immer, besteht, so besteht ein anderes, und wenn jenes, ein noch anderes, und wenn dieses, das erste. Es sind aber einige entstehende Dinge allgemein, denn immer und bei jedem verhalten sie sich oder entstehen auf diese Weise, andere dagegen kommen zwar nicht immer, aber häufig vor, wie etwa nicht jeder männliche Mensch am Kinn behaart ist, aber dies doch häufig vorkommt. Von derartigen Dingen ist notwendig auch der Mittelbegriff häufig. Wenn nämlich das A vom B allgemein ausgesagt wird und dieses vom C allgemein, dann wird notwendig auch das A vom C immer und bei jedem ausgesagt; dieses nämlich ist das Allgemeine, das bei jedem und immer Vorkommende. Aber es lag zugrunde: dass es häufig vorkommt; notwendig ist folglich auch der Mittelbegriff häufig – das B. Es wird also auch von den häufigen Dingen unvermittelte Prinzipien geben, die auf diese Weise häufig bestehen oder entstehen. Kapitel 13. Wie nun das Was-es-ist in die Begriffe ausgelegt wird und auf welche Weise es eine Demonstration oder Definition von ihm gibt oder nicht gibt, ist früher gesagt worden. Wie man aber die im Was-es-ist ausgesagten Dinge einfangen soll, das wollen wir jetzt sagen. Von denjenigen Begriffen also, die stets auf jedes einzelne Ding zutreffen, erstrecken sich einige auf mehr, allerdings nicht außerhalb der Gattung. Ich sage: auf mehr zutreffen, wenn etwas auf jedes Einzelne allgemein zutrifft, aber auch auf anderes; wie es etwa etwas gibt, was auf jede Dreiheit zutrifft, aber auch auf etwas, was nicht Dreiheit ist, so wie das Seiende auf die Dreiheit zutrifft, aber auch auf etwas, was nicht Zahl ist; und auch das Ungerade trifft auf jede Dreiheit
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und auf mehr zu – denn es trifft auch auf die Fünfheit zu –, aber nicht außerhalb der Gattung; die Fünfheit nämlich ist eine Zahl, und nichts außerhalb von Zahl ist ungerade. Derartige Begriffe also müssen solange angenommen werden, bis zuerst so viele angenommen worden sind, dass von ihnen zwar jedes einzelne auf mehr zutrifft, alle zusammen genommen jedoch nicht auf mehr zutreffen; dies nämlich ist notwendig die Substanz der Sache. So trifft etwa auf jede Dreiheit zu: Zahl, das Ungerade, das Prim auf beide Weisen – sowohl als nicht zu messen durch eine Zahl als auch als nicht zusammenzusetzen aus Zahlen. Dieses folglich ist bereits die Dreiheit: eine Zahl, ungerade, prim und in dieser Weise prim. Von diesen Dingen trifft nämlich jedes einzelne teils auf alle ungeraden Zahlen zu, das letzte dagegen auch auf die Zweiheit, alle zusammen genommen treffen jedoch auf nichts anderes als die Dreiheit zu. Da wir nun in den obigen Untersuchungen klargemacht haben, dass die im Was-es-ist ausgesagten Dinge notwendig sind und dass das Allgemeine notwendig ist, und da im Falle der Dreiheit – und bei jedem anderen Ding, das auf diese Weise angenommen wird – das Angenommene im Wases-ist liegt, so dürfte auf diese Weise eine Dreiheit mit Notwendigkeit dieses sein. Dass es aber Substanz ist, wird aus folgendem klar. Wenn dieses nämlich nicht das war, was es heißt eine Dreiheit zu sein, so ist dieses notwendigerweise wie eine Gattung, entweder benannt oder namenlos. Es wird folglich auf mehr als die Dreiheit zutreffen. Es sei nämlich zugrunde gelegt, dass die Gattung von der Art ist, dass sie der Möglichkeit nach auf mehr zutrifft. Wenn es folglich auf nichts anderes zutrifft als auf die ungeteilten Dreiheiten, dann dürfte es dies sein, was es heißt, eine Dreiheit zu sein – zugrunde gelegt sei nämlich auch dieses, dass die Substanz eines jeden Dinges das für die unteilbaren Dinge letzte derartige Prädikat ist. Daher wird dieses Prädikat in ähnlicher Weise auch für ein beliebiges anderes der auf diese Weise bewiesenen Dinge das sein, was es heißt es selbst zu sein. Man sollte ferner, wenn man sich mit einem bestimmten Ganzen beschäftigt, die Gattung in die der Art nach unteilba-
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ren Dinge, also in die ursprünglichen Dinge, teilen, wie etwa Zahl in Dreiheit und Zweiheit. Daraufhin sollte man auf diese Weise Definitionen jener Dinge anzunehmen versuchen, wie etwa von gerader Linie und Kreis und rechtem Winkel. Und danach, nachdem man angenommen hat, was die Gattung ist, wie etwa ob die Zahl zu den quantitativen oder qualitativen Dingen gehört, sollte man die spezifischen Eigenschaften betrachten, und zwar auf der Grundlage der ursprünglichen gemeinsamen Dinge. Denn was für die Dinge, die aus den unteilbaren Dingen zusammengesetzt sind, gilt, wird aus den Definitionen klar sein, weil die Definition und das Einfache Prinzip von allem ist und weil die geltenden Dinge allein auf die einfachen Dinge an sich zutreffen, auf die anderen dagegen gemäß jenen. Die Begriffsteilungen anhand der Differenzen sind nützlich für das Vorgehen auf diese Weise; inwiefern sie allerdings beweisen, ist in den früheren Untersuchungen gesagt worden. Nützlich für das Deduzieren des Was-es-ist aber dürften sie nur auf folgende Weise sein – obgleich sie es in keiner Weise zu sein scheinen, sondern geradewegs alles anzunehmen scheinen, so wie wenn jemand es von Anfang an angenommen hätte ohne die Begriffsteilung. Es macht aber einen Unterschied, eines der ausgesagten Dinge zuerst oder später auszusagen, wie etwa zu sagen: Lebewesen, zahm, zweifüßig, oder: zweifüßig, Lebewesen, zahm. Wenn nämlich alles von zwei Dingen abhängt und das zahme Lebewesen ein einziges Ding ist und wiederum aus diesem und der Differenz der Mensch besteht – oder welches eine Ding es auch immer ist – , so ist es notwendig, dass der Teilende etwas fordert. Ferner, um im Was-es-ist nichts zu übergehen, kann man nur auf diese Weise vorgehen. Wenn nämlich die ursprüngliche Gattung angenommen worden ist, so wird sie, wenn man eine der unteren Begriffsteilungen nimmt, nicht ganz in dieses begrifflich Geteilte hineinfallen, wie etwa nicht jedes Lebewesen entweder ganze Flügel oder gespaltene Flügel hat, sondern nur jedes geflügelte Lebewesen; von diesem nämlich ist jenes eine Differenz. Die erste Differenz von Lebewesen
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ist vielmehr diejenige, in die Lebewesen ganz hineinfällt, und auf ähnliche Weise verhält es sich auch bei jedem der anderen Dinge – sowohl bei den Gattungen außen als auch bei denen unter ihm, wie etwa bei der Gattung von Vogel, in die jeder Vogel hineinfällt, und bei der Gattung von Fisch, in die jeder Fisch hineinfällt. Wenn man also auf diese Weise vorgeht, so ist es möglich zu wissen, dass nichts übergangen ist; auf andere Weise dagegen übergeht man notwendig etwas und weiß es nicht. Keineswegs aber muss der Definierende und Teilende alle Dinge wissen. Freilich behaupten einige, es sei unmöglich, in Hinsicht auf jedes Ding die Differenzen zu wissen, ohne jedes Ding zu wissen, und ohne die Differenzen sei es nicht möglich, ein jedes Ding zu wissen, denn es sei mit demjenigen identisch, wovon es sich nicht unterscheide, und von demjenigen, wovon es sich unterscheide, von dem sei es verschieden. Erstens nun ist dieses falsch. Denn nicht in Hinsicht auf jede Differenz ist etwas verschieden. Viele Differenzen treffen nämlich auf Dinge zu, die der Art nach identisch sind, aber nicht in Hinsicht auf ihre Substanz und auch nicht an sich. Ferner, wenn man die Gegensätze und die Differenz annimmt und behauptet, dass alles hierhin oder dorthin fällt, und wenn man annimmt, dass das Untersuchte zu dem einen der beiden gehört, und dieses bekannt ist, dann macht es keinen Unterschied zu wissen oder nicht zu wissen, von welchen anderen Dingen die Differenzen ausgesagt werden. Es ist nämlich einleuchtend, dass wenn man auf diese Weise vorgeht und zu denjenigen Dingen kommt, von denen es keine Differenz mehr gibt, man die Bestimmung der Substanz besitzen wird. Dass aber alles in die Begriffsteilung hineinfällt, wenn es Gegensätze gibt, zwischen denen es nichts gibt, ist keine Forderung, denn es ist notwendig, dass alles in einem von ihnen ist, wenn es wirklich eine Differenz jenes Dinges ist. Für das Herstellen einer Definition durch Begriffsteilungen muss man drei Dinge anstreben: diejenigen Begriffe anzunehmen, die im Was-es-ist ausgesagt werden; und diese zu ordnen: was erstes oder zweites ist; und darauf zu achten,
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dass sie alles sind, was das zu Definierende auszeichnet. Eines dieser Dinge, das erste, ist dadurch möglich, dass man, so wie man beim Zufälligen fähig ist zu deduzieren, dass es zutrifft, so auch hier fähig ist, die Definition durch die Gattung herzustellen. Das Ordnen dagegen – so wie es sein soll – wird möglich sein, wenn man den ursprünglichen Begriff annimmt, und dieses wird möglich sein, wenn angenommen worden ist, was allen Begriffen folgt, während ihm aber nicht alle folgen; denn notwendigerweise gibt es etwas Derartiges. Und wenn dieses angenommen worden ist, so wird dieselbe Weise auf die unteren Begriffe angewendet, denn der zweite Begriff wird der ursprüngliche der übrigen Begriffe sein, und der dritte der ursprüngliche der anschließenden Begriffe, denn wenn vom oberen abstrahiert wird, ist der anschließende ursprünglich für die übrigen Begriffe; auf ähnliche Weise verhält es sich auch bei den anderen Dingen. Dass die Begriffe ferner alles sind, was das zu Definierende auszeichnet, ist einleuchtend, wenn man sowohl das Ursprüngliche in Hinsicht auf eine Begriffsteilung annimmt – dass jedes Lebewesen entweder dieses oder jenes ist, jedoch dieses zutrifft – als auch wiederum von diesem Ganzen die Differenz annimmt und dass es vom letzten keine Differenz mehr gibt oder sich vielmehr dieses unmittelbar nach der letzten Differenz vom Zusammengesetzten der Art nach nicht mehr unterscheidet. Denn es ist klar, dass weder mehr hinzugesetzt worden ist – sämtliche dieser Begriffe nämlich sind im Was-esist angenommen – noch dass irgendetwas fehlt, denn es wäre entweder Gattung oder Differenz. Gattung nun ist sowohl das Ursprüngliche als auch das, was sich ergibt, wenn dieses zusätzlich zusammen mit den Differenzen angenommen wird. Und die Differenzen sind alle erfasst, denn es gibt keine nachgeordnete Differenz mehr – denn in diesem Fall würde sich das letzte Ding der Art nach unterscheiden, aber es ist gesagt worden, dass dieses sich nicht unterscheidet. Im Blick auf die ähnlichen und undifferenzierten Dinge sollte man zuerst untersuchen, was sie alle als Identisches besitzen, darauf so wiederum bei anderen Dingen vorgehen, die
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in derselben Gattung wie jene sind und die untereinander der Art nach identisch, von jenen dagegen verschieden sind. Und wenn bei diesen Dingen angenommen worden ist, was sie alle als Identisches besitzen, und bei den übrigen Dingen auf ähnliche Weise, so muss man bei den angenommenen Dingen wiederum untersuchen, ob etwas identisch ist, bis man zu einer einzigen Bestimmung kommt; diese nämlich wird eine Definition der Sache sein. Wenn man jedoch nicht zu einer einzigen Bestimmung kommt, sondern zu zweien oder mehreren, so ist klar, dass das Untersuchte nicht ein einziges Ding sein dürfte, sondern mehrere Dinge. Ich meine etwa, wenn wir untersuchen würden, was Stolz ist, so müssen wir bei stolzen Menschen, die wir kennen, untersuchen, was alle solche Menschen als Eines besitzen; wie etwa wenn Alkibiades stolz ist und der Achill und der Ajax, was besitzen sie alle als Eines? Es nicht zu ertragen, wenn sie verhöhnt werden; denn der eine zog in den Krieg, der andere brach in Zorn aus, der dritte tötete sich. Und wiederum bei anderen, wie Lysander oder Sokrates: wenn sie als Eines besitzen, im Glück und im Unglück indifferent zu sein, so nehme ich diese beiden Dinge an und untersuche, was sowohl die Leidenschaftslosigkeit gegenüber den Zufällen als auch die mangelnde Geduld bei verächtlicher Behandlung als Identisches besitzen. Und wenn beide nichts Identisches besitzen, so dürfte es zwei Arten des Stolzes geben. Stets aber ist jede Definition allgemein. Denn der Arzt sagt nicht, was für ein gewisses Auge gesund ist, sondern was entweder für jedes Auge oder für eine Art von Augen, die er abgesondert hat, gesund ist. Und es ist leichter, das Einzelne zu definieren als das Allgemeine; deshalb sollte man vom Einzelnen zum Allgemeinen übergehen. Denn auch die Mehrdeutigkeiten bleiben mehr in den allgemeinen Dingen als in den undifferenzierten Dingen verborgen. So wie in den Demonstrationen deduziert werden sollte, so sollte auch in den Definitionen Klarheit herrschen. Dieses aber wird möglich sein, wenn es mit Hilfe der einzelnen angenommenen Dinge möglich ist, für jede Gattung getrennt zu definieren – wie etwa das Ähnliche nicht im Ganzen zu definieren,
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sondern das Ähnliche in Farben und Figuren, und das Hohe beim Ton – und auf diese Weise zum Allgemeinen voranzuschreiten, auf der Hut, nicht in eine Mehrdeutigkeit zu verfallen. Und wenn man nicht mittels Metaphern diskutieren sollte, dann sollte man klarerweise auch nicht mittels Metaphern definieren oder definieren, was mittels Metaphern gesagt wird; denn sonst wird man notwendig mittels Metaphern diskutieren. Kapitel 14. Für das Besitzen der Probleme sollte man die Schnitte und die Begriffsteilungen auswählen, und zwar auf folgende Weise: Indem man die Gattung voraussetzt, die allen betrachteten Dingen gemeinsam ist, sollte man, zum Beispiel wenn es Lebewesen sind, die betrachtet werden, auswählen, welche Begriffe auf jedes Lebewesen zutreffen, und wenn diese angenommen sind, welche Begriffe wiederum dem ursprünglichen Begriff der übrigen Dingen ganz folgen – wie etwa wenn dieses ein Vogel ist, welche Dinge jedem Vogel folgen –, und so stets welche dem nächsten Begriff folgen. Denn es ist klar, dass wir bereits werden sagen können, warum die folgenden Begriffe auf die Dinge unterhalb des Gemeinsamen zutreffen – wie etwa warum sie auf Mensch oder Pferd zutreffen. Es sei Lebewesen A, das B die Begriffe, die jedem Lebewesen folgen, und C, D, E bestimmte spezifische Lebewesen; es ist also klar, warum das B auf das D zutrifft, nämlich aufgrund des A. Und in ähnlicher Weise verhält es sich auch bei den anderen Dingen; und dasselbe Argument gilt stets für die Dinge darunter. Bis jetzt nun reden wir in Hinsicht auf die überlieferten, gemeinsamen Namen; man sollte es jedoch nicht nur bei diesen Begriffen untersuchen, sondern auch, falls etwas anderes Gemeinsames als zutreffend beobachtet würde, es herausnehmen und dann untersuchen, welchen Dingen dieses folgt und welche Dinge diesem folgen, wie etwa den Tieren, die Hörner besitzen, das Besitzen eines Vormagens und das Fehlen doppelter Zähne folgt. und wiederum sollten wir untersuchen, inwie-
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fern das Besitzen von Hörnern gewissen Dingen folgt. Klar ist nämlich, warum das Genannte auf jene Dinge zutreffen wird; es wird nämlich aufgrund des Besitzens von Hörnern zutreffen. Eine noch andere Weise des Vorgehens ist es, nach dem Analogen auszuwählen. Es ist nämlich nicht möglich, dasjenige Identische als Eines anzunehmen, als was man Knorpel und Gräte und Knochen bezeichnen soll; es wird aber Begriffe geben, die auch diesen folgen, so als wären sie eine einzige derartige Natur. Kapitel 15. Identisch sind Probleme teils dadurch, dass sie denselben Mittebegriff besitzen, wie etwa weil sie alle einem wechselseitigen Austausch unterliegen. Von diesen Problemen sind einige der Gattung nach identisch, und zwar diejenigen, die dadurch Unterschiede besitzen, dass sie von verschiedenen Dingen oder auf verschiedene Weise gelten, wie etwa: warum hallt es wider, oder warum spiegelt es sich wider, und warum entsteht ein Regenbogen? Alle diese Dinge nämlich sind dasselbe Problem der Gattung nach – alle nämlich sind eine Reflexion –, aber der Art nach verschieden. Andere Probleme dagegen unterscheiden sich dadurch, dass der Mittelbegriff unter dem anderen Mittelbegriff ist – wie etwa warum fließt der Nil stärker, wenn der Monat zu Ende geht? Weil der Monat am Ende stürmischer ist; und warum ist er am Ende stürmischer? Weil der Mond abnimmt. Diese Dinge nämlich verhalten sich auf diese Weise zueinander.
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Kapitel 16. Zu der Ursache und dem, dessen Ursache sie ist, könnte jemand das Problem aufwerfen, ob immer dann, wenn das Verursachte zutrifft, auch die Ursache zutrifft – wie etwa wenn etwas Blätter abwirft oder sich verfinstert, ob dann auch die Ursache des Verfinsterns oder Abwerfens von Blättern vorliegen wird. Wie etwa wenn diese Ursache das Besitzen breiter Blätter ist, die Ursache des Verfinsterns dagegen: dass die Erde in der Mitte ist; denn wenn sie nicht zutreffen, wird etwas anderes ihre Ursache sein. Und wenn die Ursache
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zutrifft, trifft dann zugleich auch das Verursachte zu – wie etwa wenn die Erde in der Mitte ist, verfinstert sich der Mond, oder wenn etwas breitblättrig ist, wirft es Blätter ab? Wenn es aber so ist, dann dürften Ursache und Verursachtes zugleich vorliegen und wechselseitig durcheinander bewiesen werden. Es sei nämlich das Abwerfen von Blättern A, das Breitblättrige B, Weinstock C; wenn also das A auf das B zutrifft – alles nämlich, was breitblättrig ist, wirft Blätter ab –, und das B auf das C zutrifft – jeder Weinstock nämlich ist breitblättrig –, so trifft das A auf das C zu, und jeder Weinstock wirft Blätter ab. Ursache aber ist das B, der Mittelbegriff. Aber dass der Weinstock breitblättrig ist, kann ebenso auch durch das Abwerfen von Blättern demonstriert werden. Es sei nämlich das D breitblättrig, das E das Abwerfen von Blättern, und Weinstock F; auf das F also trifft das E zu – es wirft nämlich jeder Weinstock Blätter ab –, und auf das E das D – alles nämlich, was Blätter abwirft, ist breitblättrig; jeder Weinstock ist folglich breitblättrig. Ursache aber ist das Abwerfen von Blättern. Wenn sie aber nicht wechselseitig voneinander Ursachen sein können – die Ursache nämlich ist vorrangig gegenüber dem, dessen Ursache sie ist, und vom Verfinstern ist Ursache, dass die Erde in der Mitte ist; davon dagegen, dass die Erde in der Mitte ist, ist das Verfinstern nicht Ursache – wenn also die Demonstration durch die Ursache sich auf das Warum richtet, die Demonstration dagegen, die nicht durch die Ursache erfolgt, auf das Dass, so weiß man im letzteren Fall, dass sie in der Mitte ist, nicht aber warum. Und dass nicht das Verfinstern Ursache des In-der-Mitte-Seins ist, sondern dieses die Ursache vom Verfinstern, ist einleuchtend; denn in der Bestimmung des Verfinsterns kommt das In-der-Mitte-Sein vor, so dass klar ist, dass jenes durch dieses bekannt wird, aber nicht dieses durch jenes. Oder kann es von einem einzigen Faktum mehrere Ursachen geben? Denn auch wenn es möglich ist, dasselbe von mehreren ursprünglichen Dingen auszusagen, so treffe A auf das B als ursprüngliches Ding zu und auf das C als ein ande-
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res ursprüngliches Ding, und diese auf die Dinge D, E; es wird folglich das A auf die Dinge D, E zutreffen. Ursache aber ist für das D das B, für das E aber das C, sodass wenn die Ursache zutrifft, notwendig auch die Sache zutrifft, wenn dagegen die Sache zutrifft, so nicht notwendig alles, was Ursache ist, sondern zwar eine Ursache, aber nicht jede. Oder wenn das Problem stets allgemein ist, ist dann auch die Ursache ein gewisses Ganzes, und ist das, dessen Ursache sie ist, ebenfalls allgemein? Wie etwa das Abwerfen von Blättern abgesondert für ein gewisses Ganzes bestimmt ist, und wenn es Arten von ihm gibt, dann auch abgesondert allgemein für diese, entweder für Pflanzen oder für Pflanzen von der und der Art, sodass auch bei diesen Dingen der Mittelbegriff und das, dessen Ursache er ist, gleich sein und konvertieren müssen. Wie etwa: warum werfen die Bäume Blätter ab? Wenn aufgrund einer Erstarrung des Feuchten, so muss sowohl wenn ein Baum Blätter abwirft, Erstarrung vorliegen, als auch muss, wenn Erstarrung vorliegt – nicht bei Beliebigem, sondern beim Baum – , das Abwerfen von Blättern vorliegen. 99a
Kapitel 17. Ist es möglich, dass nicht in allen Fällen dasselbe Ding Ursache für dasselbe Ding ist, sondern ein anderes Ding? Oder ist dies nicht möglich? Oder ist es, wenn etwas an sich demonstriert ist und nicht infolge eines Zeichens oder Zufälligen, nicht möglich – denn die Bestimmung des Außenbegriffs ist der Mittelbegriff –, wenn es aber nicht so demonstriert ist, ist es möglich? Es ist möglich, sowohl dasjenige zu untersuchen, dessen Ursache etwas auf zufällige Weise ist, als auch dasjenige, für das etwas Ursache auf zufällige Weise ist, aber diese Fälle scheinen keine Probleme zu sein. Wenn es sich aber nicht so verhält, wird der Mittelbegriff sich auf ähnliche Weise verhalten: wenn die untersuchten Dinge mehrdeutig sind, wird der Mittelbegriff mehrdeutig sein, wenn sie in ein- und derselben Gattung sind, wird er sich ähnlich verhalten. Wie etwa: warum ist eine Proportion auch vertauschbar? Ursache dafür ist nämlich bei Linien und bei Zahlen jeweils ein anderes Ding – und doch dasselbe: insofern es sich um eine Linie handelt, ein
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anderes, insofern es sich jedoch um ein Ding handelt, das einen Zuwachs von dieser Art hat, dasselbe. Auf dieselbe Weise verhält es sich bei allen Dingen. Dass dagegen die Farbe der Farbe ähnlich ist und die Figur der Figur, dafür ist anderes bei jeweils anderem Ursache; mehrdeutig nämlich ist das Ähnliche bei diesen Dingen – hier nämlich heißt es vielleicht, proportionale Seiten und gleiche Winkel zu haben, bei den Farben dagegen heißt es vielleicht, dass die Wahrnehmung eine einzige ist, oder etwas anderes derartiges. Und die Dinge, die nach Analogie dieselben sind, werden auch den Mittelbegriff nach Analogie besitzen. Das wechselseitige Folgen der Ursache und desjenigen, dessen Ursache und für das sie Ursache ist, verhält sich nun auf folgende Weise: Wenn man die Fälle einzeln nimmt, erstreckt sich das, dessen Ursache sie ist, auf mehr, wie sich etwa das Haben von Außenwinkel gleich vier Rechten auf mehr erstreckt als auf entweder Dreieck oder Viereck, bei allen zusammen genommen aber erstreckt es sich auf Gleiches – nämlich auf alles, was Außenwinkel gleich vier Rechten hat; und der Mittelbegriff verhält sich auf ähnliche Weise. Der Mittelbegriff ist aber eine Bestimmung des ersten Außenbegriffs, weshalb alle Wissenschaften durch Definition zustande kommen. Zum Beispiel folgt das Abwerfen von Blättern zugleich dem Weinstock und geht darüber hinaus, und es folgt auch dem Feigenbaum und geht darüber hinaus, aber über alle zusammen genommen geht es nicht hinaus, sondern es ist ihnen gleich. Wenn man also den ursprünglichen Mittelbegriff annimmt, so ist er eine Bestimmung des Abwerfens von Blättern. Es wird nämlich in Hinsicht auf die verschiedenen Dinge einen ursprünglichen Mittelbegriff geben – dass alle von der und der Art sind – und dann von diesem einen Mittelbegriff – dass Saft erstarrt, oder etwas anderes derartiges. Was ist das Abwerfen von Blättern? Das Erstarren des Saftes in der Verbindung zum Stiel. In Hinsicht auf die Figuren wird man es folgendermaßen auslegen, wenn man die Folge der Ursache und dessen, wovon sie Ursache ist, untersucht. Es treffe das A auf jedes B
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zu und das B auf jedes der D-Dinge, und auf mehr; dazu gilt das B allgemein für die D-Dinge; ich nenne nämlich Allgemeines dasjenige, mit dem sie nicht konvertieren, ursprüngliches Allgemeines dagegen dasjenige, mit dem jedes einzelne zwar nicht konvertiert, mit dem dagegen alle zusammen genommen konvertieren und mit dem sie sich entlang strecken. Für die DDinge also ist das B Ursache des A. Folglich muss sich das A auf mehr erstrecken als das B; wenn nicht, wieso wird dann dieses in höherem Maße Ursache sein als jenes? Wenn also das A auf alle die E-Dinge zutrifft, so werden alle jene Dinge ein bestimmtes Eines sein, verschieden von B; denn wenn nicht, wie wird es dann möglich sein zu sagen, dass auf alles, auf das das E zutrifft, auch das A zutrifft, dass aber nicht auf alles, auf das A zutrifft, auch das E zutrifft? Denn warum wird nicht irgendetwas Ursache sein wie dafür, dass das A auf alle die DDinge zutrifft? Aber werden auch die E-Dinge ein bestimmtes Eines sein? Dieses muss untersucht werden, und es sei das C. Es ist also möglich, dass es von derselben Sache mehrere Ursachen gibt, aber nicht für Dinge, die der Art nach identisch sind – wie etwa die Ursache der Langlebigkeit bei Vierfüßlern ist, dass sie keine Galle besitzen, bei den Vögeln dagegen, dass sie trocken sind oder etwas anderes. Kapitel 18. Wenn die Demonstrationen aber nicht sofort zum Unteilbaren kommen und der Mittelbegriff nicht nur einer ist, sondern es mehrere Mittelbegriffe gibt, so sind auch die Ursachen mehrere. Welcher der Mittelbegriffe aber ist Ursache für die einzelnen Dinge – der zum Allgemeinen hin erste oder der zum Einzelnen hin erste? Klarerweise doch wohl der einem jeden Ding nächste Mittelbegriff, für das er Ursache ist. Denn dafür, dass der erste Mittelbegriff unter dem Allgemeinen zutrifft, ist dieses Ursache, wie etwa das C für das D Ursache ist dafür, dass das B zutrifft; für das D also ist C Ursache des A, für das C das B, und für dieses es selbst. Kapitel 19. Was also Deduktion und Demonstration anbetrifft, so ist einleuchtend sowohl was ein jedes der beiden ist als auch
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wie es zustande kommt – zugleich auch was demonstratives Wissen anbetrifft, denn es ist dasselbe. Was dagegen die Prinzipien angeht, so wird aus folgendem sowohl klar, wie sie bekannt werden als auch welches der Zustand ist, in dem wir sie kennen – wobei wir zuerst Probleme aufwerfen. Dass es nicht möglich ist, etwas durch Demonstration zu wissen, ohne Kenntnis zu besitzen von den ursprünglichen, unvermittelten Prinzipien, ist früher gesagt worden. Was jedoch die Kenntnis der unvermittelten Dinge angeht, so könnte jemand sowohl das Problem aufwerfen, ob sie dieselbe wie die der vermittelten Dinge ist oder nicht dieselbe, als auch das Problem, ob es ein Wissen von jedem Ding gibt oder nicht, oder ob es vom einen zwar Wissen gibt, vom anderen dagegen eine andere Gattung von Kenntnissen, und ob die Zustände ihrer Kenntnis nicht bereits in uns sind, sondern zustande kommen oder bereits in uns sind, aber verborgen bleiben. Nun, wenn wir sie besitzen, ist das letztere abwegig; es folgt nämlich, dass wir Kenntnisse besitzen, die genauer sind als eine Demonstration, und dass dies zugleich verborgen bleibt. Wenn wir sie dagegen annehmen, ohne sie zuvor zu besitzen, wie sollten wir dann wohl Kenntnisse gewinnen und Wissen erwerben, ohne sie aus bereits vorhandener Kenntnis zu gewinnen? Dies ist nämlich unmöglich, wie wir auch im Falle der Demonstration sagten. Es ist folglich einleuchtend, dass es weder möglich ist, Zustände dieser Kenntnisse zu besitzen, noch dass sie in uns zustande kommen, ohne dass wir es wissen und irgendeinen derartigen Zustand besitzen. Es ist folglich notwendig, eine bestimmte Fähigkeit zu besitzen – nicht allerdings eine Fähigkeit von der Art zu besitzen, dass sie in Hinsicht auf Genauigkeit wertvoller sein wird als die genannten Kenntnisse. Es scheint dieses nun in der Tat bereits bei allen Tieren vorzuliegen. Sie besitzen nämlich eine Fähigkeit, die mit ihrer Natur verbunden und unterscheidungskräftig ist, die man Wahrnehmung nennt. Und wenn Wahrnehmung in ihnen vorhanden ist, kommt in einigen Tieren ein Bleiben des Wahrnehmungsinhalts zustande, in anderen dagegen kommt es nicht zustande. Für diejenigen nun, in
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denen es nicht zustande kommt, entweder ganz oder in Bezug auf dasjenige, für das ein Bleiben nicht zustande kommt, gibt es keine Kenntnis außerhalb des Wahrnehmens. Denjenigen Tieren dagegen, in denen es zustande kommt, ist es möglich, wenn sie ein gewisses Eines wahrnehmen, es in der Seele zu halten. Und wenn viele derartige Vorgänge zustande kommen, so kommt endlich auch ein Unterschied zustande, so dass für einige Wesen aus dem Bleiben derartiger Wahrnehmungsinhalte eine Bestimmung zustande kommt, für andere dagegen nicht. Aus Wahrnehmung also entsteht Erinnerung, wie wir sagen. Und aus der Erinnerung desselben Dinges, wenn sie oft zustande kommt, entsteht Erfahrung – denn viele Erinne rungen sind eine einzige Erfahrung. Und aus Erfahrung, oder aus jedem Allgemeinen, das zur Ruhe gekommen ist in der Seele – das eine neben den vielen Dingen, was in allen jenen Dingen als eines dasselbe ist –, entsteht ein Prinzip von Kunst und Wissen – wenn in Hinsicht auf Werden, ein Prinzip von Kunst, wenn dagegen in Hinsicht auf Sein, ein Prinzip von Wissen. Weder also kommen die Zustände der genannten Kenntnisse abgesondert bestimmt in uns vor, noch entstehen sie von anderen Zuständen aus, die kenntnisreicher sind, sondern sie entstehen von der Wahrnehmung aus – wie etwa in einer Schlacht, wenn eine Wende zustande kommt, falls einer stehen bleibt, ein anderer stehen bleibt, darauf ein weiterer, bis man zum Ausgangspunkt kommt: die Seele ist grundsätzlich von der Art, dass sie fähig ist, dieses geschehen zu lassen. Was soeben gesagt worden ist, aber nicht deutlich gesagt worden ist, wollen wir noch einmal sagen. Wenn nämlich eines der undifferenzierten Dinge zum Stehen kommt, so gibt es ein erstes Allgemeines in der Seele. In der Tat nämlich wird zwar das Einzelne wahrgenommen, aber die Wahrnehmung richtet sich auf das Allgemeine, wie etwa auf Mensch, jedoch nicht auf Kallias den Menschen. Und es kommt wiederum in diesen Dingen zum Stehen, bis die Dinge, die ohne Teile und die allgemein sind, zum Stehen kommen – wie etwa ein solches Tier zum Stehen kommt, bis schließlich Tier zum Stehen kommt,
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und in diesem ebenso etwas zum Stehen kommt. Es ist also klar, dass uns die ursprünglichen Dinge notwendig durch Induktion bekannt werden; in der Tat nämlich bringt die Wahrnehmung auf diese Weise darin das Allgemeine zustande. Da nun von den auf den Verstand bezogenen Zuständen, mit denen wir die Wahrheit erfassen, die einen immer wahr sind, die anderen dagegen das Falsche zulassen – wie etwa Meinung und Folgerung das Falsche zulassen, Wissen und Einsicht dagegen stets wahr sind – und da keine andere Gattung von Kenntnissen als Einsicht genauer als Wissen ist, und da die Prinzipien der Demonstrationen bekannter sind und jedes Wissen mit einem Argument verbunden ist, so dürfte es von den Prinzipien kein Wissen geben. Da aber gegenüber einem Wissen nichts wahrer sein kann als Einsicht, so dürfte sich die Einsicht auf die Prinzipien richten. Und wenn man es von diesen Voraussetzungen aus untersucht, so gilt dies auch deshalb, weil ein Prinzip von Demonstration nicht Demonstration und also ein Prinzip von Wissen nicht Wissen ist. Wenn wir also neben Wissen keine andere wahre Gattung besitzen als Einsicht, so dürfte Einsicht das Prinzip von Wissen sein. Und die Einsicht dürfte sich als Prinzip auf das Prinzip richten, und das Wissen verhält sich insgesamt auf ähnliche Weise zu der gesamten Sache.
ARISTOTELES
PHILOSOPHISCHE SCHRIFTEN in sechs Bänden
Band 2
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
ARISTOTELES
Topik Topik, neuntes Buch oder Über die sophistischen Widerlegungsschlüsse Übersetzt von hans günter zekl
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 722
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INHALT
Topik
1. Buch 9 2. Buch 35 3. Buch 59 4. Buch 75 5. Buch 101 6. Buch 139 7. Buch 179 8. Buch 191 9. Buch 225
Zu diesem Band 291
ARISTOTELES
Topik
ERSTES BUCH
Kapitel 1. Vorhaben der Untersuchung (ist): Ein Verfahren finden, von dem aus wir werden Schlüsse ziehen können über jede aufgegebene Streitfrage aus einleuchtenden (Annahmen) und selbst, wenn wir Rede stehen müssen, nichts Widersprüchliches zu sagen. – Erstens ist nun also zu sagen, was ist ein Schluß und welches sind die Unterschiede darin, damit der Schluß im Untersuchungsgespräch ergriffen wird; den suchen wir nämlich im Sinne der vorgenommenen Untersuchung. Es ist denn also Schluß: Eine Herleitung, in der, bestimmte (Aussagen) gesetzt, etwas von dem Angesetzten Verschiedenes aus Notwendigkeit aufgrund des Angesetzten eintritt. Ein (wissenschaftlicher) Beweis ist es dann, wenn aus wahren und unmittelbaren (Annahmen) der Schluß erfolgt, oder aus solchen, die von bestimmten wahren Erstannahmen aus den Ausgangspunkt der Erkenntnis darüber genommen haben. Der Schluß im Untersuchungsgespräch dagegen ist der, welcher aus einleuchtenden (Annahmen) zum Schlußergebnis kommt. Es sind aber wahre und unmittelbare (Annahmen) solche, die nicht über andere vermittelt, sondern durch sich selbst die Gewähr besitzen, – man darf nämlich bei den wissenschaftlichen Anfangsgründen nicht nach dem »aufgrund wovon?« suchen, sondern (muß annehmen), daß jede der Anfangsannahmen selbst für sich selbst beglaubigt ist –; einleuchtend dagegen (sind Annahmen), die allen oder den meisten oder den Klugen so erscheinen, und bei diesen (letzteren) wieder entweder allen oder den meisten oder den angesehensten und namhaftesten. Spitzfindig dagegen ist der Schluß, der aus anscheinend Einleuchtendem, das es in Wirklichkeit aber nicht ist, (erfolgt), und der, welcher aus Einleuchtendem oder anscheinend Einleuchtendem nur scheinbar zusammenkommt; – denn nicht alles, was einleuchtend erscheint, ist auch einleuchtend. Keine der sogenannten einleuchtenden Annahmen nämlich
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trägt ihr Erscheinungsbild völlig auf der Oberfläche, wie das bei den Anfangsannahmen der spitzfindigen Streitreden sich so ergibt: Bei denen nämlich ist sogleich und allermeist sogar Leuten, die nur ein weniges zusammensehen können, die Wurzel der Falschheit klar. Der erste der genannten Schlüsse der Streitrede soll nun also auch »Schluß« genannt werden, der andere ist wohl ein spitzfindiges Schließen, aber kein wirklicher Schluß, da er doch zu schließen nur scheint, es in Wirklichkeit aber nicht tut. Weiter aber (gibt es noch) neben all den genannten Schlüssen die aus den Eigenheiten bei bestimmten Wissensgebieten erfolgenden Trugschlüsse, wie es denn bei der Vermessungslehre und den ihr verwandten (Wissensgebieten) eintritt, daß es sich so verhält. Denn diese Weise scheint sich von den genannten Schlüssen zu unterscheiden: Weder aus wahren und unmittelbaren (Annahmen) zieht der Zeichner falscher Figuren seine Schlüsse noch aus einleuchtenden. Denn (was er macht) fällt nicht unter die (oben genannte) Begriffsbestimmung: Weder nimmt er (etwas), das allen einleuchtet, noch was den meisten, noch was den Fachleuten, und auch bei diesen weder, was allen noch den meisten noch den namhaftesten (einleuchtet), sondern aus Annahmen, die dem Wissensgebiet zwar eigentümlich sind, aber nicht wahr, macht er seinen Schluß. Nämlich entweder indem er die Halbkreise nicht so umschreibt, wie das sein muß, oder indem er bestimmte Geraden nicht so legt, wie sie wohl gezogen werden sollten, macht er den Trugschluß. Formen der Schlüsse nun also, um es im Umriß zu erfassen, sollen die genannten sein. Allgemein zu sprechen über alle die genannten, und die danach noch vorzutragen sein werden, (dazu) soll insoweit von uns Bestimmung getroffen sein, weil wir nämlich über keinen davon den genauen Vortrag zu geben die Absicht haben, sondern sie (nur), wie weit (es) im Umriß (geht), durchgehen wollen, indem wir es für völlig hinreichend halten, gemäß dem vorliegenden Verfahren das Einzelne davon irgendwie zur Erkenntnis bringen zu können.
Erstes Buch ∙ Kapitel 3 11
Kapitel 2. Anschließend an das Gesagte wäre zu reden darüber, zu wievielen (Anwendungen) und zu welchen diese Anstrengung nützlich ist. Sie ist es also zu dreierlei: Zur Übung, zu den Unterredungen und zu den Wissensgebieten im Bereich der Philosophie. Daß sie nun also zur Übung nützlich ist, ist aus der Sache selbst klar: Im Besitze eines wegbereitenden Verfahrens werden wir leichter die Untersuchung über die gestellte Aufgabe anpacken können. Zu den Unterredungen (ist sie nützlich), weil wir, nachdem wir die Meinungen der vielen (Leute) aufgezählt haben, nicht von fremden, sondern von uns eigenen Ansichten aus mit denen umgehen werden, wobei wir alles, was sie unserem Eindruck nach nicht gut sagen, in eine andere Richtung bringen. In den Wissensgebieten im Bereich der Philosophie (ist sie nützlich), weil wir mit der Fähigkeit, nach beiden Seiten hin Zweifel zu erheben, in jedem Einzelfalle leichter durchschauen werden, (was) wahr (ist) und (was) falsch. Darüber hinaus (ist sie) aber (auch nützlich) für die Erstannahmen bezüglich der Gegenstände jedes Wissensgebiets; denn aus den der je vorgenommenen Wissenschaft eigentümlichen Anfangssätzen ist es unmöglich, etwas über sie selbst zu sagen, da eben doch die Anfangsannahmen die ersten von allem sind, stattdessen ist es notwendig, mittels der über ein jedes einleuchtenden Annahmen darüber die Untersuchung durchzuführen. Das ist aber Eigentümlichkeit – oder doch besonders verwandt – der Unterredungskunst: Indem sie nämlich herausfragend ist, hat sie einen Zugang zu den Anfängen aller Wissensgebiete. Kapitel 3. Wir werden über das wegbereitende Verfahren vollkommen verfügen, wenn wir es ähnlich handhaben können, wie (es) bei der Rede- und der Heilkunst und den derartigen Anwendungswissenschaften (ist); das ist, aus den (gegebenen) Möglichkeiten zu machen, was wir uns vorgenommen haben. Denn weder kann ja zwar der Redner auf jeden Fall überzeugen noch der Arzt heilen, aber wenn er von seinen Möglichkeiten nichts ausläßt, so werden wir doch sagen, daß er sein Fach hinreichend beherrscht.
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Kapitel 4. Als erstes ist nun zu betrachten, woraus dies Verfahren hervorgeht. Wenn wir erfassen könnten, auf wieviele (Gesichtspunkte) und was für welche die Erklärungsreden (gehen) und woher (sie kommen) und wie wir darüber sichere Verfügung gewinnen können, dann hätten wir das Vorhaben wohl hinreichend geleistet. Es ist aber das, wovon die Reden (je ausgehen) und worüber die Schlüsse (gemacht werden), der Zahl nach das gleiche und (der Sache nach) dasselbe: Die Reden gehen aus von vorgelegten Fragen; worauf die Schlüsse gehen, das sind die gestellten Aufgaben. Jede Frage und jede Aufgabe bezeichnet entweder eine Eigentümlichkeit oder eine Gattung oder ein (nur) nebenbei Zutreffendes; nämlich den Unterschied muß man, als gattungsbildend, zusammen mit der Gattung anordnen. Da aber nun vom Eigentümlichen ein Teil das »was-es-sein-sollte« bezeichnet, der andere dies aber nicht bezeichnet, so sei das Eigentümliche in die beiden gerade genannten Teile auseinandergenommen, und es sei das das »was-es-sein-sollte« Bezeichnende einerseits Begriffsbestimmung genannt, das restliche sei, entsprechend der allgemein dazu gegebenen Benennung, als Eigentümlichkeit angesprochen. Klar ist nun aus dem Gesagten: Gemäß der jetzt vorgenommenen Einteilung ergibt sich, daß es insgesamt vier sind, entweder Begriffsbestimmung oder eigentümlich oder Gattung oder nebenbei zutreffend. Niemand aber soll uns so verstehen, als wollten wir sagen, daß ein jedes davon, für sich ausgesagt, schon eine vorgelegte Frage oder gestellte Aufgabe sei, sondern (es ist so gemeint): Davon kommen die Aufgaben und Fragen her. Es unterscheiden sich gestellte Aufgabe und vorgelegte Frage durch die Vorgehensweise; wenn nämlich so gesprochen ist: Nicht wahr, »Lebewesen, zu Lande lebend, zweifüßig«, das ist die Begriffsbestimmung von »Mensch«? Und: Nicht wahr, »Lebewesen« ist die Gattung von »Mensch«? – dann ist das eine vorgelegte Frage. Wenn dagegen (so vorgegangen wird): Ist »Lebewesen, zu Lande lebend, zweifüßig« die Begriffsbestimmung von »Mensch« oder nicht? [und: Ist »Lebwesen« die Gattung von »Mensch« oder nicht?] – dann ist
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es eine gestellte Aufgabe. Entsprechend auch bei allem anderen. Daher denn also einsehbarer Weise die Aufgaben gleich an Zahl sind wie die Fragen: Von jeder Frage aus wird man doch eine Aufgabe herstellen können, indem man in der Vorgehensweise umstellt. Kapitel 5. Zu sagen ist nun: Was ist Begriffsbestimmung, was eigentümlich, was Gattung, was nebenbei zutreffend. Es ist also Begriffsbestimmung eine Rede, die das »was-es-seinsollte« bezeichnet; dabei wird entweder eine Rede für ein Wort abgegeben oder eine Rede für eine Rede; es geht nämlich auch, Dinge dem Begriffe nach zu bestimmen, die mittels einer Rede bezeichnet werden. Wer da auch immer wie auch immer mit einem (bloßen) Wort die Wiedergabe macht – klar, daß die nicht die Begriffsbestimmung der Sache geben, da denn doch jede Begriffsbestimmung eine Rede ist. Als auf die Bestimmung hinführend muß man allerdings auch solches setzen, z. B.: »Das Schöne ist das Anständige«. Entsprechend auch (bei der Frage): »Sind Wahrnehmung und Wissen das gleiche oder etwas verschiedenes?« Denn auch bei den Begriffsbestimmungen geht ja der meiste Aufwand darum, ob (das je) das gleiche ist oder verschieden. Im einfachen Sinne zur Bestimmung führend sei denn also alles genannt, was unter das gleiche Verfahren fällt wie die Begriffsbestimmungen. Daß alles jetzt Angeführte derart ist, ist aus der Sache klar; sind wir nämlich in der Lage, darüber das Gespräch zu führen, daß (etwas) das gleiche (ist wie etwas anderes) oder daß (es) verschieden (davon ist), so werden wir mit dem gleichen Verfahren auch auf gutem Wege sein, die Begriffsbestimmungen anzupacken; indem wir nämlich zeigen können, daß (es im Einzelfall) nicht das gleiche ist, werden wir die Begriffsbestimmung aufgehoben haben. Allerdings hat das jetzt Gesagte keine Umkehrentsprechung: es reicht zum Aufstellen einer Begriffserklärung nämlich nicht aus zu zeigen, daß (es je) das gleiche ist; dagegen zum Niederreißen (einer uns vorgelegten Begriffsbestimmung) ist der Nachweis stark genug, daß dies nicht das gleiche ist.
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Eigentümlich ist, was zwar nicht das »was-es-sein-sollte« bezeichnet, doch dem (in Frage stehenden) Gegenstand allein zukommt und es wechselweise voneinander ausgesagt wird. Z. B. ist es Eigentümlichkeit des Menschen, der Schriftkunst fähig zu sein: Wenn er denn Mensch ist, so ist er der Schriftkunstfähig, und wenn er der Schriftkunst fähig ist, so ist er ein Mensch. Niemand nennt ja etwas »eigentümlich«, was auch einem anderen zutreffen mag, z. B. das Schlafen (als) dem Menschen (eigentümlich), auch dann nicht, wenn es zu einem bestimmten Zeitpunkt nur diesem allein zukommen sollte. Wenn denn also auch etwas derartiges »eigentümlich« genannt werden sollte, so wird es nicht schlechterdings so, sondern nur zu einer bestimmten Zeit und in Beziehung auf etwas »eigentümlich« genannt werden: »Zur Rechten sein« – das ist zu bestimmter Zeit zwar eigentümlich, und »zweifüßig« mag in Beziehung auf etwas »eigentümlich« genannt werden, z. B. dem Menschen im Verhältnis zu Pferd und Hund; daß dagegen von dem, was auch einem anderen zukommen kann, nichts in Umkehrung ausgesagt werden kann, ist klar; es ist nämlich nicht notwendig, wenn etwas schläft, daß das ein Mensch sei. Gattung ist das, was über mehrere (Gegenstände), die der Art nach verschieden sind, in dem Bereich »was ist es?« ausgesagt wird. Mit »in dem Was-ist-es-Bezug ausgesagt werden« soll solches gemeint sein, was dann passend vorzubringen ist, wenn man gefragt wurde: »Was ist das Vorliegende?« Wie es denn bei »Mensch« passend ist, wenn man gefragt wird: »Was ist es?«, dann zu sagen: »Ein Lebewesen«. Gattungsbezogen (sind) auch (Aufgaben wie:) »Ist dies eine in der gleichen Gattung wie dies andere oder in einer davon verschiedenen?« Denn auch derartiges (Fragen) fällt unter das gleiche Verfahren wie das Angeben von Gattung. Wenn wir nämlich im Untersuchungsgespräch festgestellt haben, »Lebewesen« ist Gattung von »Mensch«, entsprechend auch von »Rind«, so werden wir im Gespräch gezeigt haben, daß die unter der gleichen Gattung stehen; wenn wir dagegen zeigen können, daß (dies) Gattung des einen zwar ist, des anderen aber nicht ist, dann
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werden wir im Gespräch gezeigt haben, daß diese nicht in der gleichen Gattung sind. Nebenbei zutreffend ist, was nichts davon ist, weder Begriffsbestimmung noch eigentümlich noch Gattung, aber doch dem Gegenstande zutrifft, und was jedem beliebigen Einenund-demselben zukommen und nicht zukommen kann; z. B. »sitzen« – das mag auf irgendein mit sich Selbiges zutreffen, es kann aber auch nicht zutreffen; ähnlich auch mit »weiß«: Es hindert nichts, daß derselbe Gegenstand zu einer Zeit einmal weiß ist, ein andermal nicht weiß. – Es ist von den Begriffsbestimmungen von »nebenbei zutreffend« die zweite die bessere. Hat man nämlich die erste angegeben, so ist es notwendig, wenn einer das verstehen können soll, vorher schon zu wissen: Was ist Begriffsbestimmung, eigentümlich und Gattung? Die zweite dagegen ist für sich ausreichend, um zur Kenntnis zu bringen, was das Gemeinte an sich selbst ist. – Es sollen zum nebenbei Zutreffenden auch die Vergleiche untereinander gesetzt sein, die irgendwie vom nebenbei Zutreffenden aus erfolgen, z. B.: »Ist das sittlich Gute vorzuziehen oder das Nutzbringende?« Und: »Ist die Lebensführung gemäß der sittlichen Leistung angenehmer oder die nach dem Genuß?« – und wenn anderes in ähnlicher Weise wie dies behandelt werden sollte. Bei allem derartigen geht die Untersuchung doch darum, welchem von beiden das Ausgesagte in höherem Maße zutrifft. – Klar ist aus der Sache, daß nichts das nebenbei Zutreffende daran hindert, gelegentlich auch in irgendeiner Beziehung eigentümlich zu werden; z. B. »sitzen«, das doch nebenbei zutreffend ist: Wenn es einer allein ist, der da sitzt, dann ist es ihm eigentümlich; ist es aber nicht einer allein, der da sitzt, dann ist es (den Sitzenden) eigentümlich gegenüber den Nicht-Sitzenden. Daher denn nichts hindert, daß in bestimmter Beziehung und zu bestimmter Zeit das nebenbei Zutreffende auch eigentümlich werden kann. Schlechthin eigentümlich wird es dagegen nicht sein. Kapitel 6. Wir dürfen aber nicht übersehen, daß die Feststellungen zu eigentümlich, Gattung und nebenbei zutreffend alle auch für die Begriffsbestimmungen passend ausgesagt
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werden. Wenn wir nämlich gezeigt haben, daß (dies und das) dem unter die Begriffsbestimmung gestellten Gegenstand nicht zukommt, sowie auch bei eigentümlich, oder daß das in der Begriffsbestimmung Angegebene tatsächlich nicht die Gattung ist, oder daß etwas von dem in der erklärenden Rede Vorgebrachten (dem Gegenstand) nicht zukommt, was denn auch über das nebenbei Zutreffende gesagt werden könnte, so werden wir die Begriffsbestimmung aufgehoben haben; sodaß denn gemäß der weiter vorn abgegebenen Erklärung alles Aufgezählte in gewisser Weise zur Begriffsbestimmung beitragend ist. Jedoch darf man deswegen nicht nach einem gemeinsamen Verfahren für sie alle suchen. Denn das ist weder leicht zu finden, und wenn es denn gefunden werden könnte, dann wäre es im Hinblick auf die vorliegende Anstrengung durchaus undurchsichtig und schwer anwendbar. Wenn dagegen für jede der abgegrenzten Gattungen für sich ein Verfahren aufgezeigt ist, so läßt sich wohl leichter aus den für ein jedes eigentümlichen (Gesichtspunkten) der Durchgang des Vorgenommenen machen. Daher denn also nur im Umriß, wie früher gesagt ist, die Einteilung vorzunehmen ist, von dem übrigen ist das einem jeden am meisten Eigentümliche anzufügen, indem man es als »zur Bestimmung beitragend« oder »gattungsbezogen« anspricht. Es ist ja das Vorgetragene schon in etwa an ein jedes so angefügt. Kapitel 7. Zuerst von allem muß über »dasselbe« die Begriffsbestimmung getroffen werden: In wievielen Bedeutungen wird es ausgesagt? Es scheint wohl richtig, (die Bestimmung) »dasselbe«, im Umriß genommen, dreifach einzuteilen: Entweder der Zahl nach oder der Art oder der Gattung nach pflegen wir (etwas als) dasselbe anzusprechen. Der Zahl nach: Wovon es mehrere Bezeichnungen gibt, der Gegenstand aber immer einer ist, z. B. »Kleidung« und »Gewand«; der Art nach: Was, als eine Mehrzahl, der Erscheinungsform nach ununterscheidbar ist, wie Mensch mit Mensch und Pferd mit Pferd; von dergleichen sagt man ja, daß es der Art nach dasselbe ist – alles, was unter der gleichen Art steht. Entsprechend auch der Gattung nach dasselbe: Alles, was unter die gleiche Gattung
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fällt, z. B. Pferd mit Mensch. – Nun scheint dagegen wohl aus dem gleichen Brunnen entnommenes Wasser, das man »das gleiche« nennt, irgendeinen Unterschied über die genannten Weisen hinaus zu enthalten; indessen aber auch so etwas soll an gleicher Stelle eingeordnet sein wie die Dinge, die man irgendwie gemäß einer einzigen Art aussagt; alles derartige ist nämlich offenbar verwandt und ähnlich untereinander. Alles Wasser wird ja mit allem der Art nach gleich genannt, weil es eine bestimmte Gleichartigkeit hat; das Wasser aus dem gleichen Brunnen unterscheidet sich in nichts anderem davon, als daß hier nur die Gleichartigkeit stärker ausgeprägt ist; daher trennen wir es nicht von dem, was irgendwie gemäß einer einzigen Art ausgesagt wird. – In größter Übereinstimmung unter allen scheint das der Zahl nach eine als dasselbe ausgesagt zu werden. Doch auch das wird gewöhnlich in mehrfacher Bedeutung vorgebracht; im eigentlichsten und unmittelbaren Sinne: Wenn der Bezeichnung oder Begriffsbestimmung das »dasselbe« beigelegt wird, wie etwa »Kleid« dem Gewand und »Lebewesen, zu Lande, zweifüßig« dem Menschen. Zweitens, wenn (»dasselbe«) der Eigentümlichkeit (beigelegt wird), wie etwa »des Wissens fähig« dem Menschen und »von Natur aus nach oben getragen« dem Feuer. Drittens, wenn (das) vom nebenbei Zutreffenden (ausgeht), z. B. »sitzend« oder »gebildet« dem Sokrates. All das will ein der Zahl nach eines bezeichnen. – Daß das soeben Gesagte stimmt, mag man am besten begreifen aus (dem Vorgehen) derer, die Anreden vertauschen; denn oft, wenn wir Anweisung geben, einen der da Sitzenden mit Namen zu rufen, und wenn der, dem gegenüber wir die Anweisung machen, uns einmal nicht versteht, dann ändern wir nun, in der Annahme, daß er es von einem nebenbei Zutreffenden aus besser versteht, und wir fordern ihn auf, den da Sitzenden oder sich Unterhaltenden zu uns zu rufen; klar doch, daß wir meinen, mittels des Namens und auch über das nebenbei Zutreffende den gleichen zu bezeichnen. Kapitel 8. Also sei »dasselbe«, wie gesagt, dreifach eingeteilt. Dafür, daß die Reden aus dem früher Aufgezählten (hervorgehen) und durch es und auf es hin (sich entwickeln), ist ein
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Beleg der mittels der Heranführung: Wenn nämlich einer eine jede der gestellten Fragen oder vorgelegten Aufgaben durchmustern wollte, so stellte sich ihm heraus, daß sie sich entweder von der Begriffsbestimmung aus oder vom Eigentümlichen aus oder von der Gattung oder vom nebenbei Zutreffenden aus ergeben haben. Ein anderer Beleg ist der durch Schluß: Alles, was über etwas ausgesagt wird, muß entweder mit dem Gegenstand in der Aussage vertauscht werden können, oder (das geht) nicht. Und wenn es wechselweise ausgesagt wird, so ist es wohl Begriffsbestimmung oder Eigentümlichkeit – wenn es nämlich das »was-es-sein-sollte« bezeichnet, dann Begriffsbestimmung, wenn es das nicht bezeichnet, dann eigentümlich, – das war doch eigentümlich: Was zwar in der Aussage vertauscht werden kann, doch nicht das »was-es-sein-sollte« bezeichnet – wenn es dagegen nicht wechselweise mit dem Gegenstand ausgesagt wird, dann gehört es entweder zu in der Begriffsbestimmung ausgesagten (Bestimmungen) oder nicht; und wenn es zu den in der Begriffsbestimmung ausgesagten (Bestimmungen) gehört, dann ist es ja wohl Gattung oder Unterschied, wenn doch Begriffsbestimmung erfolgt aus Gattung und Unterschieden. Gehört es dagegen nicht zu den in der Begriffsbestimmung ausgesagten (Bestimmungen), so ist klar: Es ist wohl nur nebenbei zutreffend – nebenbei zutreffend war doch so bestimmt: Was weder Begriffsbestimmung noch eigentümlich noch Gattung ist, aber dem Gegenstand doch zukommt. Kapitel 9. Danach nun also müssen bestimmt werden die Gattungen der Aussageformen, in denen die genannten vier vorkommen. Es sind dies der Zahl nach zehn: Was-es-ist, Sound-so-viel, So-und-so-beschaffen, Im-Verhältnis-zu ..., Anirgendeiner-Stelle, Zu-der-und-der-Zeit, Lage, Haben, Tun, Erleiden. Stets wird ein nebenbei Zutreffendes, eine Gattung, eine Eigentümlichkeit und die Begriffsbestimmung in einer dieser Aussageformen sich vorfinden; denn alle dadurch gestellten Fragen bezeichnen entweder ein Was-ist-es oder ein Irgendwieviel oder Irgendwiebeschaffen oder irgendeine der anderen Grundformen von Aussage. Klar ist aus dem: Wer das
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»was-es-ist« angibt, bezeichnet einmal ein seiendes Wesen, ein andermal ein So-und-so-viel, ein andermal ein So-undso-beschaffen, ein andermal eine der übrigen Aussageformen. Wenn denn also ein Mensch vor Augen steht und er sagt, das vor Augen Stehende sei »Mensch« oder »Lebewesen«, spricht er aus, was es ist, und weist hin auf »seiendes Wesen«; wenn dagegen weiße Farbe vor Augen steht und er sagt, das vor Augen Stehende sei »weiß« oder »Farbe«, spricht er aus, was es ist und weist hin auf ein So-und-so-beschaffen; entsprechend auch, wenn eine Größe von einer Elle vor Augen steht und er sagt, das vor Augen Stehende sei »einellig« [oder] »Größe«, spricht er aus, was es ist, und weist hin auf ein So-und-so-viel. Entsprechend auch bei den übrigen (Fällen): Ein jedes derartige, mag es selbst von sich selbst ausgesagt werden oder die (entsprechende) Gattung von ihm, weist hin auf das, was es ist; wenn (es) dagegen über ein anderes (ausgesagt wird), dann deutet es nicht hin auf das, was es ist, sondern auf So-undso-viel oder So-und-so-beschaffen oder auf eine der übrigen Grundaussagen. Also: Worüber die Reden (gehen) und woraus (sie herkommen), das ist dies und so viel. Wie wir sie aber erhalten und wodurch wir guten Weg finden, ist danach vorzutragen. Kapitel 10. Erstens sei nun also bestimmt: Was ist eine Unterredungsfrage, was eine im Untersuchungsgespräch gestellte Aufgabe? Man soll ja nicht jede vorgelegte Frage und jede gestellte Aufgabe für gesprächsgeeignet setzen, niemand dürfte ja wohl, der wenigstens Verstand hat, etwas als Frage vorlegen, was keinem so erscheint, und auch nicht etwas zur Aufgabe machen, was allen klar ist oder (doch) den meisten; letzteres bedeutet nämlich keine Zweifelsentscheidung, ersteres würde wohl niemand setzen. Es ist denn also eine Untersuchungsfrage: Das Fragen (nach etwas, das) einleuchtend (ist), entweder allen oder den meisten oder den Klugen, und bei diesen wieder entweder allen oder den meisten oder den namhaftesten, (also) nicht widersinnig. Man wird ja doch wohl das setzen, was den Klugen so erscheint, wenn es den Meinungen der großen Masse nicht entgegensteht.
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Fragen des Untersuchungsgesprächs sind auch (Gegenstände), die dem Einleuchtenden ähnlich sind, und Dinge, die dem einleuchtend Erscheinenden entgegengesetzt sind – die werden dann über einen Einspruch zur Frage gemacht –, und alles, was es an Meinungen im Bereich der Vorgefundenen Künste und Wissenschaften so gibt. (Beispiel:) Wenn denn einleuchtend ist, daß ein und dasselbe Wissen auf Gegensätzliches sich bezieht, so erscheint ja wohl auch einleuchtend, daß das gleiche Wahrnehmungsvermögen auf Gegensätzliches geht; und (wenn es einleuchtend ist), daß es nur eine einzige Schriftkunde gibt, so auch eine einzige Flötenkunst; wenn (es) dagegen (einleuchtend erscheint), daß es eine Mehrzahl von Schriftkunden gäbe, so auch mehrere Flötenkünste; alles das scheint ja ähnlich und verwandt miteinander zu sein. Entsprechend auch erscheinen die dem Einleuchtenden entgegengesetzten (Annahmen), die man über einen Einspruch zur Frage macht, einleuchtend: Ist es nämlich einleuchtend, daß man den Freunden Gutes tun soll, so ist es auch einleuchtend, daß man ihnen nichts Böses tun soll. Der Gegensatz dazu ist: Man soll den Freunden Böses tun, über Verneinung dann aber: Man soll ihnen nicht Böses tun. Entsprechend auch, wenn man den Freunden Gutes tun soll, so ist dies bei Feinden nicht verlangt; auch das läuft über die Verneinung des Gegenteils; das Gegenteil (dazu) ist doch: Man soll seinen Feinden Gutes tun. Ebenso auch mit allem übrigen. Einleuchtend wird auch bei der Nebeneinanderstellung erscheinen: Das Gegenteil, vom Gegenteil (ausgesagt), z. B.: Soll man den Freunden Gutes tun, so soll man auch den Feinden Böses (tun). Es möchte wohl gegenteilig erscheinen das »den Freunden Gutes tun« dem »den Feinden Böses«; ob sich das aber in Wahrheit so verhält oder nicht, wird in den Ausführungen über Gegensätze vorgetragen werden. – Klar ist auch: Alles, was es an Meinungen im Bereich von Künsten und Wissenschaften gibt, taugt zur Frage im Untersuchungsgespräch; man wird ja wohl das ansetzen, was Leuten, die darin ausgewiesen sind, so erscheint, z. B. worum es in der Heilkunde geht, wie der Arzt (es beurteilt), worum es in der
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Vermessungslehre geht, wie der landvermessende Fachmann (es ansieht). Entsprechend auch bei allem übrigen. Kapitel 11. Aufgabe in einem Untersuchungsgespräch ist ein Untersuchungsgegenstand, der abzielt auf Wahl oder Vermeidung oder auf Wahrheit und Erkenntnis, entweder selbst (als Gegenstand) oder als mithelfend zu einem anderen derartigen, worüber bei den Klugen entweder gar keine Meinungsbildung da ist oder sie gegenteiliger Auffassung sind im Verhältnis zur großen Menge oder beide Seiten je untereinander uneins sind. Einige von den Untersuchungsaufgaben auf Wissen hin zu lösen ist nützlich fürs Wählen oder Vermeiden, z. B.: Ist Lust anstrebenswert oder nicht? Einige dagegen (nützlich) nur zu wissen allein, z. B.: Ist das Weltall ewigwährend oder nicht? Wieder andere (sind), für sich genommen, (nützlich) für keines der beiden, sie sind aber mithelfend für einige derartige (Aufgaben); vieles wollen wir ja als dieses selbst für sich selbst nicht erkennen, wohl aber um anderer (Dinge) willen, um durch diese ein anderes zur Erkenntnis zu bringen. – Es gibt auch Aufgaben, bei denen es zu gegenteiligen Schlüssen kommt – die haben dann den Zweifel an sich, ob es sich so verhält oder nicht so, weil eben die Reden über beide (Möglichkeiten) überzeugend sind –, und solche über Gegenstände, zu denen wir nicht Rede stehen können, wo sie doch schwerwiegend sind, indem wir meinen, es sei schwierig, das »weshalb« anzugeben, z. B.: Ist das Weltall ewigwährend oder nicht? Denn derlei Dinge mag man ja wohl untersuchen. Aufgaben und Fragen seien also, wie es vorgetragen ist, bestimmt. Behauptung ist dagegen eine widersinnige Annahme eines der namhaften Männer im Bereiche der Philosophie, z. B.: »Es geht nicht zu widersprechen«, wie Antisthenes behauptete oder: »Alles ist in Bewegung«, nach Heraklit, oder: »Eines das Seiende«, wie Melissos sagt; – denn den ersten besten, der da Gegenteiliges zur geläufigen Meinung darlegt, ernstzunehmen, wäre ja einfältig. Oder (Behauptung ist auch zu Gegenständen), über die wir erklärende Rede haben, die geläufiger Meinung entgegengesetzt ist, z. B.: »Nicht alles Seiende ist entweder entstanden oder immerwährend«, wie die
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Sophisten sagen; (Begründung:) Ein Gebildeter »sei« (auch) schriftkundig, weder als einer, der das geworden ist, noch als einer, der (es) auf immer ist. Wenn das auch jemandem nicht einleuchtet, so könnte es das doch wohl, weil es eine Begründung hat. – Es ist nun auch die Behauptung eine vorgelegte Aufgabe, aber nicht (umgekehrt) jede Aufgabe eine Behauptung, da denn einige der Aufgaben derart sind, (daß sie Gegenstände betreffen,) über die wir weder die noch die andere Meinung haben. Daß auch die Behauptung eine Aufgabe ist, ist klar; notwendig gilt doch nach dem Gesagten: Entweder ist die große Masse mit den Klugen über die Behauptung uneins, oder es sind beide Seiten je unter sich (uneins), da doch die Behauptung eine widersinnige Annahme ist. Gegenwärtig werden aber so ziemlich alle Aufgaben im Untersuchungsgespräch »Behauptungen« genannt. Es soll jedoch keinen Unterschied machen, wie immer man das nennt; wir wollten ja keine neuen Worte bilden, als wir das so auseinandergenommen haben, sondern (taten das nur), damit uns nicht verborgen bleibt, welches die Unterschiede dabei eben sind. Man darf aber nicht jede Aufgabe und jede Behauptung zur Prüfung zulassen, sondern nur solche, wo die Zweifelsfrage auf etwas zielt, das der Erklärung bedarf, und nicht wo Zurechtweisung ausreicht oder bloßes Hinsehen. Leute, die da zweifelnd in Frage stellen: »Soll man die Götter ehren und die Eltern lieben oder nicht?«, verdienen Zurechtweisung, undsolche, die da fragen: »Ist Schnee weiß oder nicht?«, sollten einfach hinschauen. Also (soll man) auch nicht (Aufgaben zulassen), bei denen der Nachweis auf der Hand liegt, auch nicht (solche), wo er zu fern liegt; das erste bietet keine Schwierigkeit, das zweite mehr Schwierigkeit, als zu Übungszwecken gut ist. Kapitel 12. Nachdem das bestimmt ist, muß eingeteilt werden, wieviele Formen von Rede im Untersuchungsgespräch es gibt. Es ist eine die Heranführung, die andere der Schluß. Schluß – was das ist, ist früher gesagt. Heranführung ist der Aufstieg vom Einzelnen zum Allgemeinen, z. B.: Wenn wirkungsvollster Steuermann der ist, der seine Sache versteht,
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und so beim Wagenlenker auch (usf.), dann ist auch überhaupt in jedem Belange, wer seine Sache versteht, der vorzüglichste. Dabei ist die Heranführung überzeugender, durchsichtiger, über Wahrnehmung leichter erkennbar und der großen Masse der Leute gemeinsam; der Schluß ist zwingender und gegenüber spitzfindigen Streitkünstlern wirksamer. Kapitel 13. Die Gattungen, um die die Reden (kreisen) und von denen (sie herkommen), seien so bestimmt, wie es früher gesagt ist. Die Werkzeuge dagegen, mittels derer wir guten Weg finden zu Schlüssen [und Heranführungen], sind vier: Eines (ist) das Erfassen von Fragen, das zweite das Einteilenkönnen, in wievielfacher Bedeutung ein jedes (Wort) ausgesagt wird, das dritte das Auffinden der Unterschiede, das vierte die Prüfung der Ähnlichkeit. – Es sind nun in gewisser Weise die drei (Letztgenannten) davon auch vorzulegende Fragen; es geht nämlich, daß man gemäß einem jeden von ihnen eine Frage macht, z. B.: »Vorzuziehen ist das Sittliche oder das Lustbringende oder das Nutzbringende«, und: »Sinnliches Wahrnehmungsvermögen unterscheidet sich von Wissen dadurch, daß man nach Verlust des einen dies wiedergewinnen kann, beim anderen aber ist das unmöglich«, und: »Das Heilsame verhält sich entsprechend zur Gesundheit wie das zur guten körperlichen Verfassung Dienliche zur guten Verfassung«. Die erste Frage (kommt her) von den vielfachen Wortbedeutungen, die zweite von den Unterschieden, die dritte von den Ähnlichkeiten. Kapitel 14. Die vorzulegenden Fragen muß man nun auswählen auf genauso viele Weisen, wie zu »Frage« die Bestimmung getroffen war: Entweder indem man die geläufige Meinung aller hernimmt oder die der meisten oder die der Klugen, und davon wieder entweder die aller oder der meisten oder der Namhaftesten, oder solche, die den geläufig vorkommenden 〈nicht〉 entgegengesetzt sind, und alles an Meinungen, was im Bereich der Künste und Wissenschaften da ist. Man muß aber, wenn man zu den geläufigen einleuchtenden (Meinungen) die gegenteiligen zur Frage macht, dies über Verneinung tun, wie früher gesagt ist. Nützlich ist auch, sie dadurch (zur
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Frage) zu machen, daß man nicht nur die tatsächlich einleuchtenden (Meinungen) auswählt, sondern auch solche, die diesen ähnlich sind, z. B.: »Auf Gegensätzliches (bezieht sich) das gleiche Wahrnehmungsvermögen« – so war es nämlich auch beim Wissen –, und: »Wir sehen, indem wir etwas in uns aufnehmen, nicht, indem wir etwas aussenden«; es ist ja auch bei den anderen Sinnen so: Wir hören, indem wir etwas in uns aufnehmen, nicht, indem wir aussenden, und wir kosten genauso; ebenso auch bei allem anderen. – Weiter, alles, was über alles oder doch das meiste so erscheint, muß man erfassen als einen Grundsatz und eine Behauptung, die das zu sein nur scheint; es setzen das nämlich die Leute, die über etwas die Zusammenschau nicht haben, nicht so an. – Aussuchen muß man (seinen Stoff) auch aus niedergeschriebenen Reden, und man muß die Aufstellungen machen, indem man sie, für jede Gattung genommen, anlegt, z. B. über »gut« oder über »Lebewesen«, und (dann) über »gut« insgesamt, beginnend mit seinem »was-es-ist«. Dazu muß man auch anmerken, daß es Meinung dieses oder jenes Mannes ist, z. B. Empedokles (war es, der) gesagt hat, daß es vier Grundbausteine der Körper gibt; denn was von einem so angesehenen Mann gesagt ist, wird man ja gern zur Behauptung machen. Es gibt, um es umrißhaft zu ergreifen, von den Fragen und Aufgaben drei Teilbereiche: Die einen Fragestellungen sind bezogen auf sittliches Verhalten, die anderen beziehen sich auf Natur, wieder andere beziehen sich auf die Denkgesetze. Sittliche Fragen sind z. B. solche: »Muß man den Eltern mehr Gehorsam leisten als den Gesetzen, wenn beide Verschiedenes verlangen?« Solche des Denkens z. B.: »Bezieht sich das gleiche Wissen auf die Gegensätze oder nicht?« Solche der Natur z. B.: »Ist das Weltall ewigwährend oder nicht?« Entsprechend auch die Aufgabenstellungen. Zu welchem Bereich eine jede der früher genannten (Fragen) gehört, darüber ist mittels der Begriffsbestimmung nicht so leicht Auskunft zu geben; man muß statt dessen versuchen, mittels Eingewöhnung über Heranführung eine jede davon einzuordnen, indem man die Untersuchung nach dem Vorbild der eben genannten Beispiele anstellt.
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In Hinsicht auf die Gewinnung echter Erkenntnis muß man sich nach Maßgabe der Wahrheit damit abmühen, in der Gesprächssituation nur im Hinblick auf Meinung. Man muß alle die Fragen so allgemein wie nur möglich erfassen, und die eine muß man zu vielen machen, z. B. (die Setzung): »Von Entgegengesetztem handelt ein und dasselbe Wissen« (wird) sodann (überführt in:) »Von Gegenüberliegendem (handelt dasselbe Wissen)« und: »Von den Beziehungen im Verhältnis zu ... (auch)«. Nach gleicher Weise muß man auch die wieder einteilen, solange dies Auseinandernehmen geht, z. B.: »Von Gut und Böse (handelt ein Wissen)« und: »Von Weiß und Schwarz ...« und: »Von Kalt und Warm ...«. Entsprechend bei allem anderen. Kapitel 15. Die Frage betreffend, reicht das Vorgetragene aus. Was die Frage der Bedeutungsvielfalt angeht, so muß man sich nicht allein bloß darum bemühen, was alles in verschiedener Weise ausgesagt wird, sondern man muß auch versuchen, die Erklärungen dazu vorzutragen, z. B. nicht nur: »Gerechtigkeit und Tapferkeit werden in anderer Weise ›gut‹ genannt, dagegen das zur guten Körperverfassung und zur Gesundheit Beiträgliche auf wieder eine andere«, sondern auch: Weil das eine aufgrund dessen, daß es selbst ein bestimmtes So-und-sobeschaffen ist, ... (ist es gut), das andere dagegen (ist es), weil es hervorbringend etwas bewirkt, nicht, weil es selbst ein Sound-so-beschaffen ist. Entsprechend auch bei allem anderen. Ob (ein Wort) in vielerlei Bedeutung oder nur einer der Art nach ausgesagt wird, ist mittels folgender (Überlegungen) zu betrachten: Erstens [l] ist bei seinem Gegenteil zu prüfen, ob es in vielen Bedeutungen ausgesagt wird, einerlei ob es nun der Art nach oder der Bezeichnung nach anders lautet. Einiges ist nämlich schon gleich auch den Bezeichnungen nach verschieden, z. B., dem »Scharfen« bei der Stimme ist entgegengesetzt das Dumpfe, bei stofflichen Gegenständen dagegen das Stumpfe. Klar ist somit, das Gegenteil von »scharf« wird in einer Mehrzahl von Bedeutungen ausgesagt; wenn aber das, so auch »scharf« selbst; gemäß einer jeden von dessen (Bedeutungen) wird auch das jeweilige Gegenteil verschieden sein.
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Denn nicht dasselbe »scharf« wird dem »stumpf« oder dem »dumpf« entgegengesetzt sein; zu beidem ist aber »Scharf« das Gegenteil. Und wieder, dem »schwer« bei der Stimme steht das »scharf« gegenüber, beim stofflichen Gegenstand aber das »leicht«; also wird »schwer« in einer Mehrzahl von Bedeutungen ausgesagt, da doch auch sein Gegenteil (von der Art ist). Entsprechend (ist) dem »schön« beim Lebewesen das »häßlich« (entgegengesetzt), dem (»schön«) bei einem Hause aber das »unbrauchbar«; daher also »schön« ein Wort mit mehreren Bedeutungen ist. [2] Bei einigen (Bezeichnungen) besteht den Worten nach kein Ausspracheunterschied, aber aufgrund der Art ist bei ihnen der Unterschied sogleich klar, z. B. bei »hell« und »dunkel«; es wird ja eine Stimme als »hell« und »dunkel« bezeichnet, entsprechend aber auch Farbe. Den Bezeichnungen nach ist hier kein anderer Laut, der Art nach ist dabei der Unterschied aber sogleich klar: Nicht in gleicher Weise wird Farbe als »hell« angesprochen wie Stimme. Klar ist das auch durch Sinnesanschauung: Auf das, was der Art nach gleich ist, geht auch der gleiche Wahrnehmungssinn; »hell« bei der Stimme und bei der Farbe beurteilen wir nicht mit dem gleichen Sinneswerkzeug, sondern das Letztere mit dem Gesicht, das Erstere mit dem Gehör. Entsprechend auch »scharf« und »stumpf« bei Säften und festen Gegenständen, nur (nehmen wir) Letzteres durch Berührung (wahr), Ersteres über Geschmack. Auch das hat ja den Namen nach keinen anderen Klang, weder auf der eigenen Seite noch beim jeweiligen Gegenteil: »stumpf« heißt nämlich das Gegenteil bei beiden. Weiter [3] (ist zu untersuchen), ob die eine (Bedeutung namensgleicher Worte) ein bestimmtes Gegenteil hat, die andere aber gar keins, z. B., der Lust beim Trinken steht gegenüber die Unlust des Durstes, dagegen der bei der einsehenden Betrachtung (der Tatsache), daß das Durchmaß von Ecke zu Ecke nicht die gleichen Meßeinheiten hat wie die Seite, (entspricht) kein (Gegenteil), also wird »Lust« in mehrfacher Bedeutung ausgesagt. Und dem Lieben, das über die Seele geht, ist das Hassen entgegengesetzt, dem, das über körperliche
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Betätigung geht, nichts; klar denn, daß »lieben« ein Wort mit mehreren Bedeutungen ist. Weiter [4], bei inmitten stehenden Bezeichnungen (muß man prüfen:) Haben die einen (Gegensätze) etwas, das zwischen ihnen inmitten steht, andere wieder kein solches, oder ob beide zwar ein solches haben, das aber nicht das gleiche ist, z. B. bei »hell« und »dunkel« ist es bei Farben das »grau«, bei der Stimme aber ist da nichts, oder wenn denn schon, dann »belegt«, wie denn gewisse Leute sagen, eine belegte Stimme liege in der Mitte; also, »hell« ist ein Wort mit mehreren Bedeutungen, entsprechend auch »dunkel«. Weiter [5] (ist zu sehen), ob bei den einen (Bestimmungen) mehrere Mittelbestimmungen (vorhanden sind), bei anderen nur eine, z. B. bei »hell« und »dunkel«; bei den Farben gibt es da viel, was dazwischensteht, bei Stimme nur eins, das »belegt«. Wiederum [6] ist auch bei solchem, was über Widerspruch entgegengesetzt ist, zu sehen, ob es in mehreren Bedeutungen ausgesagt wird; wenn nämlich das in mehreren Bedeutungen ausgesagt wird, so wird auch das, was diesem entgegengesetzt ist, in mehreren Bedeutungen ausgesagt werden, z. B.: »nicht sehen« wird in mehrfacher Bedeutung ausgesagt, einmal: »kein Sehvermögen haben«, zum anderen: »sein Sehvermögen nicht betätigen«; wenn aber das in mehreren Bedeutungen, so muß notwendig auch »sehen« in mehrfacher Bedeutung ausgesagt werden; denn jeder der beiden Bedeutungen von »nicht sehen« wird etwas entgegengesetzt sein: Dem »kein Sehvermögen haben« das »ein solches haben«, dem: »Sehvermögen nicht betätigen« das »es betätigen«. Weiter [7] ist Untersuchung zu führen über (Ausdrücke), die nach Maßgabe von Verlust und Besitz ausgesagt werden; wenn nämlich die eine Seite davon in mehrfacher Bedeutung ausgesagt wird, so auch die restliche, z. B.: Wenn »über Sinne wahrnehmen« in mehrfacher Bedeutung ausgesagt wird, nämlich über die Empfindung in der Seele und über die Werkzeuge des Körpers, so wird auch »empfindungslos sein« in mehrfacher Bedeutung ausgesagt werden, im Bereich der
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Seele und im Bereich des Körpers. Daß sich aber das jetzt Gesagte nach Verlust und Besitz entgegensteht, ist klar, da doch von Natur vorgesehen ist, daß die Lebewesen beide Formen von Sinnesempfindung besitzen, die über die Seele und über den Körper. Weiter [8] ist auch über die Formenbildung (von Worten) Untersuchung zu führen. Wenn nämlich »auf gerechte Weise« in mehreren Bedeutungen ausgesagt wird, so wird auch »gerecht« in mehreren Bedeutungen ausgesagt werden: nach beiden Bedeutungen von »auf gerechte Weise« wird es auch »gerecht« geben, z. B.: Wenn »auf gerechte Weise« aussagt, erstens, das Beurteilen (von etwas) gemäß der eigenständigen Meinungsbildung, und zweitens (das Urteilen) so, wie es zu sein hat, (so ist es) entsprechend auch (mit) »gerecht«. Ebenso auch, wenn »gesund« mehrere Bedeutungen hat, so wird auch »in heilsamer Weise« in mehreren Bedeutungen ausgesagt werden, z. B.: Wenn »gesund« einmal ist, was Gesundheit erzeugt, dann, was sie bewahrt, drittens, was sie anzeigt, so wird auch »in heilsamer Weise« entweder als bewirkend oder erhaltend oder anzeigend ausgesagt werden. Ebenso auch bei allem übrigen: Wenn das (Wort) selbst in mehrfacher Bedeutung ausgesagt wird, so wird auch die von ihm aus gebildete Formveränderung in mehrfacher Bedeutung ausgesagt werden, und wenn diese, dann auch es. [9] Zu mustern sind auch die Gattungen der Grundformen von Aussage an der Bezeichnung: Sind es die gleichen über allen? Sind es nämlich nicht die gleichen, so ist klar, das Ausgesagte ist ein Wort mit mehreren Bedeutungen. Z. B.: »gut« ist beim Essen das, was Lust bereitet, in der Heilkunst das, was Gesundheit schafft, für die Seele dagegen ein So-undso-beschaffen-sein, z. B. besonnen oder Tapferkeit oder Gerechtigkeit; entsprechend auch für den Menschen. Gelegentlich (meint es) aber ein Dann-und-dann, z. B., was in diesem entscheidenden Augenblick gut ist; »gut« wird nämlich auch das im richtigen Augenblick (zu Ergreifende) genannt. Oft aber (meint es) das So-und-so-viel, z. B. im Falle von »maßvoll«; denn auch das maßvolle (Verhalten) wird ja als »gut«
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angesprochen. Daher denn also »gut« ein Wort mit mehreren Bedeutungen ist. Entsprechend (bedeutet) auch »hell« beim Körper die Farbe, bei der Stimme das Wohl-Hörbare; ähnlich auch »spitz«: Es wird nicht in allen Fällen als dasselbe ausgesagt; spitzer Ton ist der schnell bewegte, wie die Klangforscher mittels Zahlen behaupten; spitzer Winkel ist der, der kleiner ist als der rechte; spitzes Kampfschwert ist das mit den scharfen Kanten. [10] Zu prüfen sind auch die Gattungen der unter dem gleichen Wort (verstandenen Bedeutungen), ob sie verschieden (von einander) und nicht die eine unter die andere fällt, z. B.: »Esel« (heißt) sowohl das entsprechende Tier wie auch das (so genannte) Gerät; die über das Wort gegebene Begriffserklärung ist dabei verschieden: Das erste wird als ein so und so beschaffenes Tier ausgesagt werden, das zweite als ein so und so geartetes Gerät. Wenn dagegen die Gattungen untereinander stehen, dann müssen die Begriffserklärungen nicht notwendig verschieden sein; z. B. von »Rabe« ist sowohl »Tier« wie auch »Vogel« Gattung. Wenn wir nun sagen: »Der Rabe ist ein Vogel«, so sagen wir mit: Er ist ein so und so geartetes Tier, so daß denn beide Gattungen ihm bestimmt zugesagt werden. Entsprechend auch, wenn wir sagen: »Rabe ist ein zweifüßiges Tier mit Flügeln«, so sagen wir mit, daß er ein Vogel ist; und so werden denn beide Gattungen vom Raben bestimmt ausgesagt, ebenfalls ihre Begriffserklärung. Bei den Gattungen, die nicht untereinander stehen, tritt das aber nicht ein: Weder wenn wir das Gerät meinen, meinen wir das Tier mit, noch (umgekehrt) wenn das Tier, so das Gerät. [11] Zu prüfen ist aber nicht nur bei den vorgenommenen (Gegenständen), ob die Gattungen verschieden sind und nicht untereinander stehen, sondern auch beim (jeweiligen) Gegenteil; wenn nämlich das Gegenteil in vielen Bedeutungen ausgesagt wird, so klar, daß auch das Vorgenommene (derart ist). [12] Nützlich ist auch, auf die abgrenzende Begriffsbestimmung das Augenmerk zu richten, die bei zusammengesetzten (Ausdrücken) zustandekommt, z. B.: »heller Körper«, »helle Stimme«; wenn da nämlich das Eigentümliche fortgenommen
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wird, so muß die gleiche Begriffserklärung bleiben. Das tritt aber bei den Bezeichnungen, die aus einem Wort mit mehreren Bedeutungen bestehen, nicht ein, z. B. bei den eben genannten: Ersteres wird ein Körper sein, der die und die Farbe hat, das zweite ein Ton, der leicht zu hören ist. Ist nun einmal »Körper« und »Stimme« fortgenommen, so ist in beiden Fällen das Übrigbleibende nicht das gleiche; das müßte es aber sein, wenn das in beiden Fällen ausgesagte »hell« in seiner Bedeutung ineins fiele. [13] In vielen Fällen bleibt es sogar bei den Begriffserklärungen selbst verborgen, daß da »ein-Wort-mit-mehrerenBedeutungen« mitfolgt; daher muß man die Aufmerksamkeit auch auf die Begriffserklärungen richten, z. B.: Wenn einer sagen wollte, das Gesundheit Anzeigende und das sie Hervorbringende ist »was sich zu Gesundheit in einem Ebenmaß verhält«, so darf man sich damit nicht zufriedengeben, sondern muß prüfen, was das »im Ebenmaß« in beiden Fällen besagt hat, etwa, ob das eine von der Art ist, Gesundheit hervorzubringen, das andere dagegen derartig anzuzeigen, von was für einer Beschaffenheit der Körperzustand ist. [14] Weiter (ist darauf zu achten), ob etwas nicht zu vergleichen ist nach dem Gesichtspunkt von »mehr« oder »entsprechend«, z. B.: »helle Stimme« und »helles Kleid« und »scharfer Saft« und »scharfer Ton«; das wird nämlich weder in entsprechender Weise als »hell« und »scharf« ausgesagt noch eins davon mehr (als das andere); daher sind also »hell« und »scharf« je ein Wort mit mehreren Bedeutungen; denn das, dessen Bedeutung ineins geht, ist alles vergleichbar: entweder wird es in entsprechender Weise ausgesagt werden oder eins davon in höherem Maße (als das andere). [15] Da von den unterschiedenen Gattungen, die auch nicht untereinander 〈angeordnet sind〉, auch die Unterschiede der Art nach verschieden sind, z. B. von »Lebewesen« und »Wissen« – deren Unterschiedsmerkmale sind ja verschieden –, so ist zu sehen, ob die unter den gleichen Namen (laufenden Merkmale) Unterschiede verschiedener Gattungen, die nicht untereinander (fallen), sind, z. B.: »scharf« bei Ton und stofflichem Gegen-
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stand; es unterscheidet sich ja ein Ton vom anderen dadurch, daß der eine scharf ist, entsprechend auch ein stofflicher Gegenstand vom anderen; daher denn also »scharf« ein Wort mit mehreren Bedeutungen ist; denn aus verschiedenen Gattungen, die nicht untereinander (stehen), sind die Unterschiede. [16] Und wieder: Ob die Unterschiede der (Sachen) selbst, die unter dem gleichen Namen (begegnen), verschieden sind, z. B.: »Färbung« bei Körpern und bei Gesängen; die bei Körpern (liegt darin), daß die Sichtwahrnehmung auseinandergeschieden oder vereinigt wird, die dagegen bei Liedvorträgen hat nicht die gleichen Unterschiede. Also ist »Färbung« ein Wort mit mehreren Bedeutungen, denn von den gleichen (Dingen) sind auch die Unterschiede die gleichen. [17] Weiter, da die Art von nichts der Unterschied ist, so ist bei (Gegenständen), die unter dem gleichen Namen (vorkommen), zu sehen, ob der eine davon Art ist, der andere Unterschied, z. B. »hell«: Am Körper vorkommend ist es Art von Farbe, dagegen bei Tönen ist es Unterschied; es unterscheidet sich nämlich ein Ton von dem anderen dadurch, daß er hell ist. Kapitel 16. Bezüglich der Vielzahl von Bedeutungen ist also mittels dieser und derartiger (Gesichtspunkte) die Prüfung zu machen. Die Unterschiede dagegen müssen an den Gattungen selbst in ihrem gegenseitigen Verhältnis angeschaut werden, z. B.: Worin unterscheidet sich Gerechtigkeit von Tapferkeit und Vernunft von Besonnenheit – das alles stammt ja aus der gleichen Gattung –, und aus der einen (Gattung) im Verhältnis zu einer anderen, jedenfalls) bei solchen, die nicht allzu weit auseinanderstehen, z. B.: Worin (unterscheidet sich) Sinneswahrnehmung von Wissen? Denn bei denen, die weit auseinanderstehen, sind die Unterschiede ja ganz klar. Kapitel 17. Die Ähnlichkeit dagegen ist zu untersuchen, erstens, bei den (Dingen, die) in verschiedenen Gattungen (vorkommen): Wie ein Verschiedenes zu einem von ihm Verschiedenen (sich verhält), so entsprechend auch ein Anderes zu einem wieder Anderen, z. B.: Wie Wissen zu dem, was man wissen kann, so Sinneswahrnehmung zu dem, was man wahrnehmen kann; und: Wie ein Verschiedenes in einem von ihm
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Verschiedenen (vorkommt), so entsprechend ein Anderes in einem wieder Anderen, z. B.: Wie Sehvermögen im Auge (vorhanden ist), so Denkvermögen in der Seele, und: Wie glatte Oberfläche auf dem Meer, so Windstille in der Luft. Besonders muß man sich hier an solchem üben, was weit auseinander steht; leichter werden wir dann nämlich bei den übrigen (Verhältnissen) die Entsprechungen zusammenschauen können. Zu mustern sind auch (zweitens) die in der gleichen Gattung vorkommenden (Dinge) daraufhin, ob ihnen allen ein bestimmtes gleiches (Merkmal) eignet, z. B. für Mensch, Pferd und Hund; insoweit nämlich ihnen ein bestimmtes gleiches (Merkmal) zukommt, insoweit sind sie ähnlich. Kapitel 18. Nutzbringend ist das Geprüfthaben, in wievielen Bedeutungen (etwas) ausgesagt wird, erstens im Hinblick auf Klarheit: In höherem Maße dürfte man wissen, was man da setzt, wenn aufgeklärt ist, in wievielen Bedeutungen es ausgesagt wird; und (zweitens) im Hinblick darauf, daß die Schlüsse über den Sachverhalt selbst, und nicht über das bloße Wort, gehen. Ist nämlich unklar, in wievielen Bedeutungen es ausgesagt wird, so kann es sein, daß der Antwortende seinen Sinn nicht auf das gleiche richtet wie der Fragesteller; ist dagegen aufgeklärt, in wievielen Bedeutungen es ausgesagt wird und worauf bezugnehmend (der Behauptende) die Behauptung aufstellt, so würde der Fragesteller ja lächerlich erscheinen, wenn er nicht darauf bezogen seine Ausführung machte. Nutzbringend (ist es) auch im Hinblick darauf, keinen Trugschlüssen zu erliegen und selber (solche) ansetzen zu können. Indem wir nämlich wissen, in wievielfacher Bedeutung (das) ausgesagt wird, werden wir uns ja wohl keinesfalls durch Trugschlüsse hereinlegen lassen, sondern wir werden es begreifen, wenn der Fragesteller seine Ausführung nicht zur gleichen Sache macht. Und wenn wir selbst die Fragen stellen, werden wir Trugschlüsse durchbringen können, wenn der Antwortende etwa nicht begreift, in wieviel Bedeutungen das gesagt wird. Das ist aber nicht bei allem möglich, sondern nur, wenn von dem in vielfacher Bedeutung Ausgesagten das eine wahr (ist), das andere falsch. Es ist aber diese Art dem Untersuchungs-
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gespräch nicht angemessen; daher sollen die Teilnehmer an solchem Gespräch derartiges streng meiden, nämlich das Aufdas-bloße-Wort-hin-sprechen, außer wenn man anders gar nicht in der Lage wäre, über den vorliegenden Gegenstand die Gesprächsuntersuchung zu führen. Das genaue Auffinden der Unterschiede ist nutzbringend im Hinblick auf die Schlüsse über »gleich« und »verschieden«, und um zu erkennen, was ein jedes ist. Daß es nun also für die Schlüsse auf »gleich« und »verschieden« nutzbringend ist, (ist) klar: Indem wir nämlich Unterschied, welchen auch immer, am Vorliegenden gefunden haben, werden wir damit aufgezeigt haben, daß es nicht das gleiche ist; für das Erkennen, was es ist, (ist es nützlich), weil wir die eigentümliche Begriffserklärung des Wesens eines jeden mittels der an einem jeden eigentümlichen Unterschiede voneinander abzugrenzen pflegen. Die Anschauung des Ähnlichen ist nutzbringend, erstens, für die heranführenden Erklärungen, zweitens für die Schlüsse aus Voraussetzung und drittens für die Angabe der Begriffsbestimmung. Für die heranführenden Erklärungen (ist es das), weil wir mittels der Heranführung über das Einzelne durch ähnliche (Züge daran) das Allgemeine herbeizuführen beanspruchen; es ist nämlich nicht leicht, dies Herbeiführen zu schaffen, wenn man die ähnlichen (Merkmale) nicht kennt. Für die Schlüsse aufgrund von Voraussetzung (ist es nützlich), weil einleuchtend ist: Wie es sich einmal bei einem unter ähnlichen (Fällen) verhält, so dann auch bei den übrigen. Daher (können wir so verfahren:) Bei welchem Gegenstand davon wir gute Wege finden, die Gesprächsuntersuchung zu führen, werden wir vorher Übereinstimmung herstellen, daß, wie es sich einmal damit verhält, es sich so auch mit dem Vorgenommenen verhalte; haben wir dann das Erste nachgewiesen, so werden wir auch das Vorgenommene gemäß Voraussetzung gezeigthaben; wir setzten ja voraus: Wie es sich einmal damit verhält, so sollte es sich auch bei dem Vorgenommenen verhalten, und damit haben wir den Nachweis geführt. Für die Angabe der Begriffsbestimmung schließlich (ist es nützlich), weil wir, indem wir zusammenschauen können, was an einem jeden gleich
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ist, nicht in Ausweglosigkeit geraten werden, wenn es darum geht, in welche Gattung das Vorgenommene bestimmend gesetzt werden muß; denn von den gemeinsam (ausgesagten Bestimmungen) ist ja wohl die in höchstem Maße im Bereich des »was-es-ist« bestimmt zugesprochene die Gattung. – Entsprechend ist auch die Anschauung der Ähnlichkeit bei weit auseinanderstehenden (Begriffen) nutzbringend für deren genaue Bestimmung, z. B.: Ruhige Oberfläche auf dem Meer, Windstille in der Luft ist (insoweit) gleich, beides ist nämlich Ruhe; und: Punkt bei der Geraden, Eins bei der Zahl (sind insoweit gleich,) beides ist nämlich Ausgangspunkt. Daher, das Gemeinsame über allem als Gattung angebend, werden wir offenkundig die Bestimmung nicht unsachgemäß treffen. In etwa so sind es ja auch die Begriffsbestimmer gewohnt, die Angabe zu machen: Die Einzahl, sagen sie, sei »der Anfang von Zahl«, und der Punkt »der Anfang der Geraden«. Klar denn also: In das Gemeinsame beider setzen sie die Gattung. Die Werkzeuge, mittels derer die Schlüsse (zustandekommen), sind also diese. Die Örter, zu denen das Vorgetragene nutzbringend ist, sind die folgenden.
ZWEITES BUCH
Kapitel 1. Es sind von den gestellten Aufgaben die einen allgemein, die anderen (gehen nur) auf Teile. Allgemein also z. B.: »Jede Lust ist etwas gutes«, und: »Keine Lust ist etwas gutes«. Zu Teilen dagegen z. B.: »Eine bestimmte (Form von) Lust ist etwas gutes«, und: »Eine bestimmte (Form von) Lust ist nicht gut«. Für beide Aufgabengattungen sind die allgemein aufstellenden und niederreißenden (Mittel) gemeinsam: Haben wir nämlich gezeigt, daß (dies oder jenes) allen zukommt, so werden wir auch nachgewiesen haben, daß es diesem Bestimmten (darunter) zukommt; entsprechend auch, wenn wir zeigen können, daß (es) keinem zukommt, werden wir auch nachgewiesen haben, daß es nicht jedem zukommt. – Erstens ist somit über die allgemein niederreißenden (Begründungsmittel) zu reden, weil einmal derlei für die allgemeinen und die teilweisen (Sätze) gemeinsam ist, und sodann, weil die aufgestellten Behauptungen in Form des Vorliegens mehr mit sich bringen als in der des Nichtvorliegens, die Gesprächsteilnehmer (dann die Aufgabe haben, sie) niederzureißen. Es ist aber äußerst schwierig, die vom nebenbei Zutreffenden herkommende angemessene Bezeichnung in der Aussage auch umzutauschen; denn das »in der und der Hinsicht« und »nicht allgemein« ist allein bei den nebenbei zutreffenden Bestimmungen möglich. Von der Begriffsbestimmung aus und von der Eigentümlichkeit und von der Gattung muß dies Umkehren ja notwendig gehen, z. B.: Kommt es einem bestimmten Lebewesen zu, »zu Lande lebend, zweifüßig« zu sein, so wird es auch in umgekehrter Folge wahr sein zu sagen, es ist ein »zu Lande lebendes, zweifüßiges Lebewesen«. Entsprechend auch von der Gattung aus: Wenn es einem Lebewesen zukommt, dies bestimmte zu sein, so ist es auch Lebewesen. Das gleiche (gilt) auch bei der Eigentümlichkeit: Kommt es einem Bestimmten zu, der Schriftkunst fähig zu sein, so wird
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es der Schriftkunst fähig sein. Denn nichts davon kann (nur) in einer bestimmten Hinsicht zukommen oder nicht zukommen, sondern es trifft entweder einfachhin zu oder gar nicht. Bei nebenbei Zutreffendem dagegen besteht kein Hindernis, nur in bestimmter Hinsicht vorzuliegen, z. B. helle Farbe oder Gerechtigkeit; daher es durchaus nicht hinreicht, gezeigt zu haben, daß »helle Farbe« oder »Gerechtigkeit« vorliegt, für den gelungenen Nachweis: (Der und der) ist hellfarbig oder gerecht; es hat nämlich allerlei Unklarheit bei sich, daß (der und der) in dieser bestimmten Hinsicht hell oder gerecht ist. Also ergibt sich die umgekehrte Entsprechung bei nebenbei Zutreffendem nicht mit Notwendigkeit. Gegen einander abgrenzen muß man auch die Fehler in den Aufgabenstellungen. Sie sind zweifach: Entweder (liegen sie) in falscher Aussage oder darin, die bestehende Ausdrucksgewohnheit zu übertreten. Die da falsche Aussagen machen und behaupten, es treffe auf einen Gegenstand etwas zu, was (in Wirklichkeit) nicht zutrifft, gehen fehl, und die, welche die Dinge mit fremden Namen ansprechen, z. B. eine Platane als »Mensch«, übertreten die festliegende Namensgebung. Kapitel 2. Ein Gesichtspunkt ist denn also: [1] Das Augenmerk darauf richten, ob (der Behauptende) etwas, das in anderer Weise zutrifft, als nur nebenbei zutreffend angegeben hat. Dieser Fehler wird am häufigsten bei den Gattungen gemacht, z. B. wenn einer sagen wollte, es treffe dem Hellen nur nebenbei zu, Farbe zu sein; es trifft nämlich auf »hell« nicht nur nebenbei zu, Farbe zu sein, sondern »Farbe« ist die Gattung davon. Es kann nun sein, daß der Behauptende gemäß der Namensgebung (ausdrücklich) die Bestimmung trifft, z. B.: »Es trifft auf Gerechtigkeit auch zu, eine Tugend zu sein«; oftmals ist aber auch ohne solche (ausdrückliche) Festlegung klar, daß (er) die Gattung wie nebenbei zutreffend angegeben hat, z. B. wenn einer helle Farbe als »gefärbt sein« aussagte oder den Gang als »in Bewegung sein«. Von keiner Gattung aus wird nämlich die zusprechende Aussage mittels Ableitung aus einem Wort über die Art gemacht, sondern alle Gattungen werden in bedeutungsgleicher Weise von den Arten ausgesagt:
Zweites Buch ∙ Kapitel 2 37
Sowohl die Wortbezeichnung wie auch die Begriffserklärung der (jeweiligen) Gattungen nehmen die Arten an sich. Wer da also »hell« als ein »Gefärbtes« ausgesagt hat, hat das weder als Gattung angegeben, da er es in wortabgeleiteter Form ausgesagt hat, noch aber auch als eigentümlich oder als Begriffsbestimmung; denn Begriffsbestimmung und Eigentümlichkeit treffen auf kein anderes zu (als nur dies eine), – »gefärbt« ist dagegen vieles auch von anderen (Dingen), z. B. Holz, Stein, Mensch, Pferd. Klar also, daß er es als nebenbei zutreffend angegeben hat. Ein anderer (Gesichtspunkt) ist: [2] Das Augenmerk richten auf die Gegenstände, von denen da gesagt ist, (das und das) komme ihnen entweder allen zu oder keinem. (Die) muß man nach Arten mustern und nicht in den unzähligen (Einzelfällen); dann ist nämlich die Untersuchung auf geordneterem Wege und hat es mit weniger (Fällen) zu tun. Man muß aber die Musterung beginnen von den ersten (Arten) aus, sodann der Reihe nach bis zu den nicht weiter teilbaren, z. B.: Hat (einer) gesagt, es sei das gleiche Wissen, das sich auf die Gegenteile beziehe, so ist zu prüfen, ob es von denen »im Verhältnis zu etwas« (oder) von den einander Gegenüberstehenden, von denen nach Verlust und Besitz und von den nach Widerspruch ausgesagten (je) das gleiche Wissen ist; und wenn das dabei noch nicht klar sein sollte, dann sind die wieder weiter einzuteilen bis zum Unteilbaren, z. B. ob (es) bei »gerecht – ungerecht« oder »doppelt – halb« oder »Blindheit – Sehvermögen« oder »Sein – nicht sein« (genauso ist). Wenn nämlich bei irgendeinem (dieser Fälle) gezeigt werden kann, daß (es da) nicht das gleiche (Wissen ist), so werden wir die gestellte Aufgabe aufgehoben haben. Entsprechend auch, wenn (etwas) keinem zukommen soll. – Dieser Gesichtspunkt paßt wechselweise für das Aufstellen wie das Niederreißen; wenn (es) nämlich nach Einführung einer Unterscheidung in allen (Fällen so) erscheint, oder doch bei vielen, dann ist zu fordern, daß dies nun auch allgemein gesetzt wird, oder es ist ein Gegenfall zu bringen von etwas, wo es nicht so ist; wenn (er) nämlich keins
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dieser beiden tut, so wird er mit seiner Nichtsetzung fehl am Platze erscheinen. Ein weiterer (Gesichtspunkt): [3] Erklärende Ausführung zu machen vom nebenbei Zutreffenden und von dem, an dem es zutrifft, entweder von beidem je für sich oder nur vom je einen, und dann zu prüfen, ob etwas nicht Wahres in diesen Ausführungen für wahr genommen ist, z. B.: »Kann es sein, daß man einem Gott Unrecht antut?« – Was heißt dann »Unrecht tun«? Bedeutet es nämlich »vorsätzlich Schaden zufügen«, so (ist) klar, daß einem Gott kein Unrecht getan werden kann; es geht nämlich nicht, daß ein Gott Schaden erleidet. Und: »Kann ein anständiger Mann neidisch sein?« – Was heißt dann »neidisch« und was »Neid«? Ist nämlich Neid das Ärgernis über offenkundiges Wohlergehen eines anderen tüchtigen Mannes, so (ist) klar, daß der Anständige nicht neidisch sein darf, dann wäre er nämlich ein schlechter Kerl. Und: »Ist einer, der zur sittlichen Entrüstung neigt, neidisch?« – Was heißt dann beides davon? So wird nämlich durchsichtig werden, ob das Behauptete wahr ist oder falsch, z. B. ist der neidisch, der sich am Wohlergehen anständiger Leute ärgert, der dagegen zur sittlichen Empörung neigend, der sich am Wohlergehen von Bösewichtern stößt, so (ist) klar, daß ein solcher Sittenwächter nicht neidisch ist. – Man muß aber auch anstelle der in den Erklärungen (benutzten) Worte (eigene) Begriffe nehmen und nicht eher damit aufhören, als bis man zu etwas gekommen ist, das man kennt; oftmals ist nämlich auch dann, wenn die ganze erklärende Rede abgegeben ist, das Gesuchte noch nicht klar; wird dagegen anstelle eines in der erklärenden Rede (benutzten) Wortes eine (eigene) Begriffserklärung vorgetragen, dann wird es klar. Weiter, [4] indem man eine gestellte Aufgabe bei sich selbst in eine Fragestellung umformt, kann man dann dagegen auftreten; denn dies Dagegen-Auftreten ist doch ein Angriff auf die Behauptung. Es ist aber dieser Gesichtspunkt in etwa der gleiche wie das Aufmerken auf die Gegenstände, denen da, gemäß der Behauptung, entweder allen oder keinem davon (etwas) zukommen soll; er unterscheidet sich aber in der Vorgehensweise.
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Weiter [5] ist auseinanderzuhalten, was für Gegenstände man so nennen muß wie die Masse der Leute auch, und welche nicht; das ist nämlich nutzbringend sowohl fürs Errichten wie fürs Niederreißen, z. B.: Man muß die Dinge mit den geläufigen Wortbildungen ansprechen wie die vielen Leute auch; was für welche unter den Dingen aber derart sind oder auch nicht von der Art, dabei darf man sich nicht mehr an die Masse der Leute halten, z. B.: »heilsam« ist auszusagen als »das, was Gesundheit hervorbringt«, wie’s die vielen Leute auch sagen; ob dagegen das (im Einzelfall) Vorliegende nun gesundheitsförderlich ist oder nicht, das ist nicht mehr im Sinne der vielen Leute zu bezeichnen, sondern so, wie der Arzt (es bestimmt). Kapitel 3. Weiter, [6] wenn (etwas) in einer Vielzahl von Bedeutungen ausgesagt wird, behauptet sei dabei, daß es zutrifft oder daß es nicht zutrifft, so ist das von einer der Bedeutungen des in mehrfachem Sinn Ausgesagten aufzuzeigen, wenn es bei beiden nicht geht. [a] Zu benutzen ist (dies Mittel) bei den Fällen, wo (die Mehrdeutigkeit) verborgen ist; ist nämlich die Mehrdeutigkeit des Gesagten nicht verborgen, so wird (der Gegner) einwenden, daß nicht das, worauf er selbst die Zweifelsfrage richtete, durchgesprochen sei, sondern die andere Bedeutung. – Dieser Gesichtspunkt läßt sich wechselweise anwenden sowohl für das Errichten wie auch für das Niederreißen. Wollen wir nämlich (eine Behauptung) festigen, werden wir aufzeigen, daß eine der beiden (Bedeutungen) vorliegt, wenn wir es bei beiden schon nicht können; beim Niederreißen werden wir aufzeigen, daß eine der beiden (Bedeutungen) nicht vorliegt, wenn wir es bei beiden nicht können. Nur, daß man beim Niederreißen durchaus nicht aufgrund einer Einigung das Gespräch führen muß, weder darüber, ob die Behauptung nun sein soll, das komme allen (Gegenständen) zu oder keinem; denn wenn wir aufzeigen können, daß es irgendeinem einzelnen nicht zukommt, so werden wir damit (schon) die Behauptung, es komme allen zu, weggenommen haben. Entsprechend auch, wenn wir zeigen können, daß es einem einzigen (Gegenstand) zukommt, so werden wir den Satz, es komme keinem zu, aufheben. Dagegen, wer eine Behauptung
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fest errichten will, muß vorher darüber Einigkeit herstellen, daß (dies oder jenes), wenn es irgendeinem (Gegenstand) zukommt, dann jedem zukommt, wenn denn diese Forderung überzeugend sein sollte; es reicht nämlich nicht hin, um zu zeigen, daß (es) jedem zukommt, die Gesprächsuntersuchung nur über einen einzigen Fall gehen zu lassen, z. B., wenn des Menschen Seele unsterblich (ist, reicht das nicht für den Nachweis), daß alle Seelen unsterblich (sind); also muß man vorher die Übereinstimmung herstellen: Wenn Seele, welche auch immer, unsterblich (ist), dann (ist) jede (Seele) unsterblich. Das darf man aber nicht immer tun, sondern nur dann, wenn wir keinen guten Weg finden, einen einzigen gemeinsamen Begriff über allem anzugeben, wie (es) der Landvermesser (für den Satz): »Das Dreieck hat Winkel, die gleich zwei Rechten sind« (kann). [b] Wenn dagegen die Vielzahl der Bedeutungen nicht verborgen ist, so ist erst auseinanderzunehmen, in wievielfachem Sinne (es) ausgesagt wird, und dann geht es ans Aufheben und ans Errichten, z. B.: »Ist das Gebotene das Gemeinnützige oder das sittlich Gute?« – so ist zu versuchen, beides für den vorliegenden (Gegenstand) fest zu errichten oder von ihm wegzunehmen, z. B.: »Es ist sittlich gut und gemeinnützig«, oder: »Es ist weder sittlich gut noch gemeinnützig«. Wenn das aber bei beiden nicht geht, so ist eins davon zu zeigen, wobei zusätzlich darauf hinzuweisen ist: Das eine (trifft zu), das andere nicht. [c] Die gleiche Rede (hat stattzufinden), auch wenn es (noch) mehr (als zwei) Bedeutungen sind, in die etwas auseinandergenommen wird. [7] Und wieder (gilt das auch) bei allem, was nicht auf dem Wege über Wortgleichheit in vielen Bedeutungen ausgesagt wird, sondern nach anderer Weise, z. B.: »Es ist ein Wissen, das auf eine Mehrzahl von Gegenständen geht« – sei es als auf einen Zweck oder auf Mittel zum Zweck: Etwa (zielt) die Heilkunst auf Herstellung von Gesundheit und (schließt ein) eine entsprechende Lebensweise (als Mittel dazu); oder sei es auf zweierlei als Zielen, so wie die gleiche Wissenschaft als die von Gegenteiligem ausgesagt wird – das eine ist hier
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in keiner Weise mehr Zweck als das andere –, oder sei es als (Wissen) von dem »An-sich-so« und von dem »Nur-nebenbeizutreffend«, z. B. »an sich«: »Das Dreieck hat Winkel, die zwei Rechten gleich (sind)«; »nebenbei zutreffend«: »(Das gilt auch für) das gleichseitige (Dreieck)«; weil es doch auf das gleichseitige mit zutrifft, Dreieck zu sein, demgemäß erkennen wir: Es hat Winkel gleich zwei Rechten. Wenn es nun auf keine (der aufgezeigten) Weisen sein kann, daß die gleiche Wissenschaft auf mehrere (Gegenstandsfelder) geht, so (ist) klar: Das kann überhaupt nicht sein; oder, wenn es auf irgendeine (der angegebenen) Weisen geht, so (ist) klar: Es geht. Zu unterscheiden aber, auf wievielfache Weise (es geht), ist nutzbringend. Wenn wir z. B. (die Behauptung) festigen wollen, ist derlei vorzubringen, wo es eben geht, und es ist nur genau in die Fälle einzuteilen, welche für das feste Erreichen auch brauchbar sind; dagegen, (wollen wir) niederreißen, (so ist vorzubringen) alles, wo es nicht geht, das übrige aber ist beiseite zu lassen. Das muß man auch bei solchen (Gegenständen) tun, wo verborgen ist, in wievielen Bedeutungen (das Behauptete) ausgesagt wird. Und daß das zu dem gehört oder nicht gehört, ist aufgrund der gleichen Gesichtspunkte zu errichten, z. B., daß dies Wissen zu dem Gegenstand gehört, entweder als einem Zweck oder als einem Mittel zum Zweck oder als dem nebenbei Zutreffenden angehörig, oder andersherum: Das alles gelte nicht, nach keiner der genannten Weisen. Dieselbe Erklärung ist es auch bei »Begierde« und was denn alles sonst noch so ausgesagt wird, daß es auf mehreres geht; denn es richtet sich die begehrende Sehnsucht auf (z. B.) dies, als auf ein Ziel, etwa Gesundheit, oder (auf das), als auf ein Mittel zum Zweck, z. B. die Einnahme von Heilmitteln, oder (auf jenes), als ein nebenbei Zutreffendes, wie etwa der Liebhaber süßen Geschmacks auf den Wein, nicht weil es Wein ist, sondern weil er süß schmeckt. Eigentlich begehrt er ja nach dem süßen Geschmack, nach Wein dann nur nebenbei zutreffend: wenn der nämlich herb ist, hat er kein Verlangen mehr danach, also verlangt es ihn danach nur nebenbei.
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Nutzbringend ist dieser Gesichtspunkt bei den Dingen »im Verhältnis zu ...«; denn das derartige (was aufgezählt ist) gehört ja in etwa zu den Bestimmungen »im Verhältnis zu ...«. Kapitel 4. [8] Weiter (gehört hierher auch) das Umformen in ein bekannteres Wort, z. B. beim Aufnehmen des Vortrags eines anderen (sagt man) statt »genau angepaßt«: »klar«, und statt »Vielgeschäftigkeit«: »Fleiß«. Ist nämlich das Ausgesagte in eine bekanntere Form gebracht, so ist die Behauptung leichter angreifbar. Es ist aber auch dieser Gesichtspunkt für beides gemeinsam, sowohl für das Aufrichten wie für das Niederreißen. [9] Zum Zwecke des Nachweises, daß Gegensätzliches an dem gleichen (Gegenstand) vorkommt, ist die Betrachtung über die Gattung zu machen z. B.: Wenn wir nachweisen wollen, daß es im Bereich der Sinneswahrnehmung Richtigkeit und Fehler gibt, (ist herzuleiten): Da »mit den Sinnen wahrnehmen« ein Unterscheidungsvorgang ist, da es weiter beim Unterscheiden ein »richtig« und »nicht richtig« gibt, so ist wohl auch im Bereich der Sinneswahrnehmung Richtigkeit und Fehlen (anzutreffen). Damit also (geht) der Beweis von der Gattung aus über die Art: denn »Unterscheiden« ist Gattung von »Sinneswahrnehmung«, – wer da mit den Sinnen wahrnimmt, trifft ja irgendwelche Unterscheidungen. [10] Andersherum (geht es auch): Von der Art aus zur Gattung; was nämlich bei der Art zutrifft, (tut das) auch an der Gattung, z. B.: Gibt es ein nichtsnutziges und ein taugliches Wissen, so auch nichtsnutzige und taugliche Verfassung; denn »Verfassung« ist ja die Gattung von »Wissen«. Der erstgenannte Gesichtspunkt ist falsch (in Anwendung) für das Errichten, der zweite dagegen wahr. Es ist ja nicht notwendig, daß alles, was der Gattung zukommt, auch auf die Art zutreffe: »Lebewesen« hat in sich (auch die Bestimmungen) »geflügelt« und »Vierfüßig«, dagegen »Mensch« nicht. Umgekehrt, was auf die Art zutrifft, (gilt) notwendig auch von der Gattung: Gibt es »tüchtiger Mensch«, so auch »tüchtiges Lebewesen«. – Für das Niederreißen ist der erstgenannte (Gesichtspunkt) wahr, dagegen der zweite falsch: Alles, was der
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Gattung nicht zukommt, (trifft) auch der Art nicht (zu); was dagegen der Art nicht zutrifft, muß nicht notwendig auch der Gattung nicht zutreffen. [11] Da nun notwendig (gilt): Wovon die Gattung ausgesagt wird, muß auch irgendeine der Arten ausgesagt werden, so (gilt) auch: Alles, was die Gattung (bei sich) hat oder in abgeleiteter Weise vom Wort der Gattung her ausgesagt wird, muß auch notwendig irgendeine der Arten mit sich führen oder in abgeleiteter Weise von einer Art her ausgesagt werden, z. B.: Wird jemandem ein Wissen zugesprochen, so wird (ihm dadurch) auch Schriftkunde, Tonkunst oder irgendeine der anderen Wissensarten zugesprochen werden; und wenn einer Wissen besitzt oder in abgeleiteter Weise von seinem Wissen her (so und so) genannt wird, so wird er auch Schriftkunde besitzen oder Tonkunst oder irgendeine der anderen Wissensformen, oder er wird in abgeleiteter Weise von einer von ihnen aus angesprochen werden, z. B. »schriftkundig« oder »tonkundig«. Wenn nun irgendetwas behauptend gesetzt wird, das von der Gattung her, auf welche Weise auch immer, ausgesagt wird, z. B.: »Die Seele ist in Bewegung«, so ist zu prüfen, ob nach irgendeiner der Formen von »Bewegung« die Seele bewegt sein kann, etwa: Größerwerden, verschwinden, entstehen, oder was es da an Arten von Bewegung sonst noch gibt; wenn nämlich nach keiner, so (ist) klar: Sie ist nicht in Bewegung. Dieser Gesichtspunkt ist gemeinsam für beides, fürs Niederreißen und fürs Errichten. Wird sie nämlich nach irgendeiner der Arten bewegt, so klar: Sie ist in Bewegung; und wird sie nach keiner der Arten bewegt, so klar: Sie ist nicht in Bewegung. [12] Hat man keinen guten Weg zum Zugriff auf die Behauptung, so ist die Betrachtung von den Begriffsbestimmungen aus zu führen, u.z. entweder von solchen, die das von dem vorliegenden Ding wirklich sind, oder von solchen, die bloß so aussehen, und wenn schon nicht von einer aus, so dann von einer Mehrzahl; es wird nämlich leichter sein zuzugreifen, wenn man vorher die Bestimmung getroffen hat: auf solche Bestimmungen ist der Angriff leichter.
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[13] Zu prüfen ist bezüglich des Vorliegenden: Was muß sein, damit das Vorliegende sein kann, oder (umgekehrt), was ergibt sich aus Notwendigkeit, wenn das Vorliegende ist? (Und zwar) wer (eine Behauptung) errichten will, (muß fragen): »Was muß sein, damit das Vorliegende sein kann?« – ist nämlich erst einmal aufgezeigt, daß das eine zutrifft, so wird (das) auch vom Vorliegenden aufgezeigt sein; wer dagegen (eine Behauptung) niederreißen will, (muß fragen): »Was ist, wenn das Vorliegende ist?« – wenn wir nämlich zeigen können, daß das dem Vorliegenden Folgende nicht besteht, so werden wir auch das Vorliegende aufgehoben haben. [14] Weiter ist auf die Zeit das Augenmerk zu richten: Gibt es da Mißklänge, z. B., hat (der Gegner) gesagt: »Was Nahrung zu sich nimmt, wächst mit Notwendigkeit«, (so ist zu entgegnen): Es nehmen Lebewesen die ganze Zeit lang Nahrung zu sich, wachsen aber nicht ihr ganzes Leben lang. Entsprechend auch, wenn er behauptet hat: »Wissen ist ein Sich-Erinnern«, (Entgegnung): Letzteres richtet sich auf vergangene Zeit, das andere dagegen auf gegenwärtige und zukünftige. (Wenn wir etwas wissen,) sagt man von uns doch, wir verständen uns aufs Gegenwärtige und Zukünftige, z. B. (mit der Vorhersage): Es wird eine (Sonnen- oder Mond-)Finsternis eintreten. In Erinnerung zu rufen geht nichts anderes als nur Vergangenes. Kapitel 5. Weiter (ist da noch) [15] die verfängliche Weise, (nämlich) das Hinüberführen (der Gesprächslage) auf einen derartigen (Punkt), dem gegenüber wir mit Zugriffsmitteln gut bestückt sind. Das wird einmal notwendig sein, ein andermal anscheinend notwendig, wieder ein andermal weder anscheinend noch notwendig. – Notwendig also (ist es) dann, wenn der Antwortende etwas von dem, was für die Behauptung nutzbringend ist, bestritten hat, daß man daraufhin auf diesen Punkt die Reden richtet, wenn dieser von der Art ist, daß man dagegen reichliche Angriffsmittel hat. Entsprechend auch dann, wenn er mittels des Festgesetzten eine Heranführung auf etwas hin unternimmt und damit den Versuch zur Aufhebung macht; wenn nämlich das dann aufgehoben wäre,
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wird auch das Vorliegende aufgehoben. – Anscheinend notwendig (ist es dann), wenn (die fragliche Bestimmung) zwar nutzbringend scheint und der Behauptung dienlich, es (tatsächlich) aber nicht ist, woraufhin dann die Reden sich richten, mag es nun sein, daß der, der Rede und Antwort stehen muß, es bestreitet, oder daß er dadurch versuchen sollte, es aufzuheben, daß er eine einleuchtende Heranführung mittels der Behauptung auf es hin zustande gebracht hat. – Der restliche Fall (ist dann gegeben), wenn das, worauf die Reden sich richten, weder notwendig noch anscheinend notwendig (für das Beweisziel) ist, anders aber es dem Antwortenden sich ergäbe, auf Umwegen widerlegt zu werden. Vor dieser letzten der aufgezählten Weisen muß man sich aber hüten; sie ist offenkundig ganz weit weg von der Gesprächskunst und ihr fremd. Daher darf auch der Antwortende hier nicht mürrisch werden, sondern soll solches, was für die Behauptung nicht nutzbringend ist, (ruhig auch) stehenlassen, indem er (allerdings immer) dazusagt, er hält das zwar nicht für richtig, läßt es aber stehen. Es geschieht nämlich allermeist den Fragestellern, daß sie in umso schwierigere Lage kommen, wenn ihnen alles derartige stehengelassen wird und sie dann doch nicht durchdringen. Weiter, [16] jeder, der irgendetwas ausgesprochen hat, hat auf gewisse Weise vieles ausgesagt, da einer jeden (Aussage) aus Notwendigkeit eine Mehrzahl (von weiteren Aussagen) folgt, z. B.: Wer gesagt hat »Es gibt Menschen«, der hat auch gesagt: Es gibt Lebewesen und »solche mit Seele« und »zweifüßig« und »zu Vernunft und Wissen fähig«; daher, wenn eine einzige der Folgebestimmungen, welche auch immer, aufgehoben ist, auch alles das zu Anfang (Gesetzte) aufgehoben wird. Man muß sich aber davor hüten, die Umformung auf etwas Schwierigeres zu bringen; denn einmal (ist es) leichter, das Folgende aufzuheben, ein andermal das Vorgenommene selbst. Kapitel 6. [17] Bei den (Bestimmungen), von welchen notwendig nur je eine von beiden vorliegen kann, z. B. an »Mensch« (entweder) Krankheit oder Gesundheit – so werden wir, wenn wir bei der einen die Gesprächsuntersuchung
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gut führen können, daß sie nun vorliegt oder nicht vorliegt, das auch bei der restlichen können. Das gilt wechselweise für beide (Ziele): Haben wir gezeigt, daß das eine vorliegt, so werden wir (zugleich auch) gezeigt haben, daß das restliche nicht vorliegt; wenn wir andererseits zeigen können: (Es) liegt nicht vor, so werden wir vom restlichen gezeigt haben: Es liegt vor. Klar denn also: Zu beidem ist dieser Gesichtspunkt nützlich. Weiter [18] (ist zu nennen) der Versuch, die Wortbezeichnung über die Begriffserklärung auf eine andere Bedeutung zu bringen, (mit dem Anspruch) es sei angemessener, es so aufzufassen, als was das bloße Wort so sagt, z. B.: »wohlgemut« (meint dann) nicht den Mutigen, wie es nun eben so festliegt, sondern den, der sein Gemüt in guter Verfassung hat, so wie auch »hoffnungsfroh« (dann meinen soll) einen, der auf Gutes hofft; entsprechend (meint dann) »gottgesegnet« einen, dessen Schutzgeist tüchtig ist, so wie es ja Xenokrates sagt: Gottwohlgefällig sei der, der eine tüchtige Seelenverfassung habe; diese sei nämlich der gute Geist eines jeden. [19] Da von den gegebenen Verhältnissen die einen aus Notwendigkeit sind, andere nur allermeist so, wieder andere, wie sich’s halt so ergeben hat, (so gilt): Wenn ein »aus Notwendigkeit« gesetzt ist (als) »allermeist so«, oder ein »allermeist so« (als) »aus Notwendigkeit« – entweder dies selbst oder das Gegenteil zu »allermeist« -: das gibt immer Platz für Zugriff. Ist nämlich ein »aus Notwendigkeit« (als) »allermeist« gesetzt, so (ist) klar: Er sagt, es kommt nicht allem zu, wo es das doch tut, also hat er gefehlt. Und wenn er gesagt hat, ein nur »allermeist so« Ausgesagtes sei »aus Notwendigkeit«, (hat er auch gefehlt): Er behauptet ja, es kommt allem zu, aber das tut es nicht. Entsprechend auch, wenn er das Gegenteil zu »allermeist« (als) »aus Notwendigkeit« behauptet hat: das Gegenteil zu »allermeist« wird ja immer über (eine) geringere (Anzahl von Fällen) ausgesagt (als dieses selbst), z. B.: Allermeist sind die Leute gewöhnlich, echte Kerle (gibt es) weniger; daher hat er nur noch weiter gefehlt, wenn er (Menschen) »gut aus Notwendigkeit« genannt hat. Ebenso auch (macht er Fehler), wenn er ein »wie sich’s halt so ergab« (als) »aus Notwendig-
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keit« behauptet hat oder (als) »allermeist so«; denn das »wie sich’s halt so fügte« ist weder aus Notwendigkeit so noch allermeist so. – Es geht auch (so): Wenn (einer) vorgetragen hat, ohne unterschieden zu haben, ob er nun »allermeist so« oder »aus Notwendigkeit« gesagt haben will, der Sachverhalt aber (ein) »allermeist so« ist, dann führt man das Gespräch so, daß (man unterstellt), er habe »aus Notwendigkeit« gesagt, z. B.: Hat er gesagt, die zu Ämtern Gelosten seien untüchtige Leute, und hat er da keinen Unterschied gemacht, so kann die Untersuchung so angelegt werden, als habe er »aus Notwendigkeit so« behauptet. Weiter [20] (ist einer angreifbar), wenn er ein Gleiches als auf sich selbst mitfolgend Zutreffendes angesetzt hat, als wäre es verschieden, weil die Wortbezeichnung eine andere ist, so wie Prodikos die Formen von Lust auseinandergenommen hat in »Freude«, »Genuß«, »Wohlbefinden«; das sind doch alles nur Worte für das gleiche, nämlich Lust. Wenn einer nun sagt, das Sichfreuen gehe einher mit dem Sichwohlbefinden, so dürfte er ja behaupten, daß etwas auf sich selbst zutrifft. Kapitel 7. Angesichts dessen, daß Gegenüberliegendes miteinander zwar sechsfach verknüpft wird, es eine Entgegensetzung aber (nur) vierfach verbunden macht, muß man das Gegenüberliegende (so) nehmen, daß es nutzbringend ist, sowohl wenn man aufheben will, wie auch zum Errichten. Daß es sechsfach verknüpft wird, (ist) klar: Entweder wird jeder der beiden Gegensätze mit einem jeden zweier (anderer) Gegensätze verknüpft werden – und das zweifach, z. B.: Den Freunden Gutes tun – den Feinden Böses, oder umgekehrt: Den Freunden Böses – den Feinden Gutes –, oder beide (werden) über eines (ausgesagt) – auch das zweifach, z. B.: Den Freunden Gutes – den Freunden Schlechtes, oder: Den Feinden Gutes – den Feinden Böses –, oder eines (wird) über beide (ausgesagt) – zweifach auch das, z. B.: Den Freunden Gutes – den Feinden Gutes, oder: Den Freunden Böses – den Feinden Böses. Die ersten zwei genannten Verknüpfungen machen keine Entgegensetzung: Den Freunden Gutes zu tun ist dem »den Feinden Böses« nicht entgegengesetzt; beides ist erwünscht
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und kommt aus der gleichen Gesinnung. Auch das »den Freunden Böses« (ist) nicht dem »den Feinden Gutes« (entgegengesetzt); das ist ja beides abzulehnen, und auch das kommt von der gleichen Gesinnung. Ein Abzulehnendes kann aber offensichtlich nicht einem (anderen) Abzulehnenden entgegengesetzt sein, außer es wäre das eine davon nach dem Gesichtspunkt von Übermaß, das andere nach Mangel ausgesagt; denn Übermaß gehört offenbar zu den abzulehnenden (Verhaltensweisen), ebenso auch Ermangelung. Die übrigen vier dagegen alle machen Entgegensetzung: Den Freunden Gutes tun ist dem »den Freunden Böses« entgegengesetzt; es kommt ja aus einer entgegengesetzten Gesinnung, und das eine ist erwünscht, das andere abzulehnen. Ebenso auch bei den anderen: Nach jeder Zusammenstellung ist das eine erwünscht, das andere abzulehnen, und das eine zeugt von anständiger Gesinnung, das andere von schlechter. Klar (ist) also aus dem Gesagten: Für die gleiche (Bestimmung) ergibt es sich, daß ihr eine Mehrzahl von Gegenteilen erwächst; denn dem »den Freunden Gutes tun« ist sowohl »den Feinden Gutes tun« entgegengesetzt wie auch »den Freunden Böses«; entsprechend werden auch einem jeden der übrigen (Sätze), wenn man (die Sache) auf die gleiche Weise betrachtet, zwei Gegensätze erscheinen. Zu nehmen ist nun von den Gegensätzen immer der, welcher im Hinblick auf die Behauptung nützlich ist. [22] Weiter, wenn das nebenbei zutreffende (Merkmal) ein Gegenteil hat, so ist zu prüfen, ob das etwa an dem vorliegt, von dem gesagt ist, das nebenbei zutreffende (Merkmal) komme ihm zu; wenn das nämlich zutrifft, dann kann jenes (dazu gegensätzliche) wohl nicht vorliegen; es ist ja unmöglich, daß Gegensätzliches zugleich an dem gleichen (Gegenstand) vorkommt. Ganz sicher (gilt das für folgenden Fall:) Wenn von etwas etwas derartiges ausgesagt ist, mit dessen Geltung dann Gegensätzliches zutreffen müßte; wenn z. B. jemand gesagt hat: »Die Ideen sind in uns«, dann wird sich ja ergeben, daß sie sowohl in Bewegung sind wie auch in Ruhe, und weiter noch,
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daß sie sinnlich wahrnehmbar und durch Denken erfaßbar sind. Es scheinen ja die Ideen für die, welche da behaupten, daß es Ideen gibt, in Ruhe und durch Denken erfaßbar zu sein; sind sie aber dagegen in uns, so ist es unmöglich, daß sie bewegungslos wären: wenn wir uns fortbewegen, muß sich notwendig auch alles an und in uns mitbewegen. Klar, daß sie dann auch sinnlich wahrnehmbar wären, wenn sie denn in uns sind: wir nehmen doch mittels der Sichtwahrnehmung die äußere Gestalt an einem jeden (Ding) zur Kenntnis. [23] Umgekehrt, wenn gesetzt ist ein nebenbei Zutreffendes, zu dem es ein Gegenteil gibt, ist zu prüfen, ob das, was dies nebenbei zutreffende Merkmal an sich nahm, auch fähig ist, sein Gegenteil anzunehmen; es kann doch eines und das gleiche gegenteilige Bestimmungen an sich nehmen, z. B.: Wenn er gesagt hat »Der Haß folgt der zornigen Auseinandersetzung«, so wäre der Haß in dem leidenschaftlichen (Seelenvermögen angesiedelt); dort (wurzelt) ja der Zorn. Zu prüfen ist nun, ob auch das Gegenteil (von Haß) in dem leidenschaftlichen (Seelenteil anzutreffen ist); wenn (das) nämlich nicht (zutrifft), sondern die liebende Zuneigung in dem begehrlichen (Seelenteil) liegt, so dürfte der Haß dem Zornausbruch nicht folgen. Entprechend auch, wenn er gesagt hat, das begehrliche (Seelenvermögen) sei unwissend; es wäre dann ja wohl auch fähig, Wissen anzunehmen, wenn (es) das Unwissen doch (annehmen kann); das erscheint aber doch nicht richtig, daß das begehrliche Seelenteil eines Wissens fähig sein soll! Für einen, der (eine Behauptung) einreißen will, ist das, wie gesagt, nützlich. Will man dagegen (die Behauptung) errichten, daß dies und das nebenbei Zutreffende vorliege, so ist der Gesichtspunkt nicht nutzbringend; (nur dafür,) daß es vorliegen kann, ist er es; haben wir nämlich gezeigt, daß (der Gegenstand) das Gegenteil (des Merkmals) nicht an sich nehmen kann, so werden wir auch gezeigt haben, daß das nebenbei zutreffende (Merkmal) an ihm weder vorliegt noch vorliegen kann; wenn wir dagegen zeigen können, daß das Gegenteil vorliegt oder daß (der Gegenstand) fähig ist, das Gegenteil anzunehmen, so werden wir durchaus noch nicht gezeigt haben, daß auch das nebenbei
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zutreffende (Merkmal selbst an ihm) vorliegt, sondern nur, daß es vorliegen kann, so weit allein wird es aufgezeigt sein. Kapitel 8. [24] Da es vier Weisen gibt, wie man Dinge gegeneinander stellen kann, so ist [a] bei den Fällen von Widerspruch wechselseitig aus der Folge die Prüfung zu machen, sowohl für den Fall, daß man aufheben will oder errichten; zu nehmen ist (der Stoff) aus der Heranführung, z. B.: Ist der Mensch ein Lebewesen, so ist, was nicht Lebewesen ist, auch nicht Mensch; entsprechend auch bei allem übrigen. Hier gilt die Folge wechselweise: Dem »Mensch« folgt das »Lebewesen«; dagegen, dem »nicht Mensch« (folgt) das »nicht Lebewesen« nicht, sondern (nur) umgekehrt dem »nicht Lebewesen« das »nicht Mensch«. In allen Fällen ist nun derartiges zu fordern, z. B.: Ist das Schöne genußvoll, so ist, was nicht genußvoll ist, auch nicht schön; wenn aber das nicht, so auch jenes nicht. Entsprechend auch, wenn das Nicht-Genußvolle nicht schön (ist), so (ist) das Schöne genußvoll. Klar denn also: Die Folge gemäß dem Widerspruch, in umgekehrter Reihe ausgeführt, entspricht wechselweise für beide (Seiten). [b] Bei gegenüberliegenden (Gegensätzen) ist zu sehen, ob dem einen Gegenteil das andere folgt, entweder im Falle, daß man die Dinge an gleicher Stelle stehenläßt, oder daß man sie tauscht, und das für den Fall, daß man aufheben oder daß man errichten will. Zu entnehmen ist auch derlei (Stoff) aus der Heranführung, soweit eben nützlich. Folge für den Fall gleicher Stelle (geht) z. B. (so): (Was folgt) der Tapferkeit, (was) Bei diesen ist der Feigheit, – der einen folgt gute Leistung, der anderen Versagen, und der einen folgt das »wünschenswert«, der anderen das »abzulehnen«. Auch deren Folge läßt die Dinge am gleichen Platz: »wünschenswert« ist das Gegenteil zu »abzulehnen«. Entsprechend auch in den übrigen (Fällen). Umgekehrt aber ist die Folge (so), z. B.: Körperlich guter Verfassung folgt Gesundheit, körperlich schlechter Verfassung aber Krankheit nicht, sondern (umgekehrt) der Krankheit der schlechte Körperzustand. Klar somit: Bei diesen ist die Folge andersherum. Doch selten nur tritt dies »umgekehrt« bei gegenteiligen (Bestimmungen) ein,
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sondern in den meisten Fällen (geht) die Folge über die gleiche Reihe. Wenn nun das Gegenteil dem Gegenteil weder über die gleiche Reihe folgt noch in umgekehrter, so (ist) klar: Auch bei dem Behaupteten folgt eins dem anderen nicht. Wenn dagegen bei den (nachgeordneten) Gegenteilen (Folge besteht), so muß auch bei dem (in der Behauptung) Ausgesagten notwendig eines dem anderen folgen. [c] In gleicher Weise wie bei den gegenüberliegenden (Gegensätzen) ist auch bei den Fällen von Verlust und Besitz die Prüfung zu machen, nur daß es bei den Verlust-Fällen das »andersherum« nicht gibt, sondern da ist es notwendig, daß die Folge immer über die gleiche Reihe geht, so wie dem Gesichtssinn die Sinneswahrnehmung, der Erblindung die Unfähigkeit zur Sinneswahrnehmung (folgt); es ist ja die Sinneswahrnehmung der Wahrnehmungslosigkeit entgegengesetzt wie Besitz (von etwas) und Verlust (dessen): das eine ist ein Haben dessen, das andere ein seiner Beraubtsein. [d] Entsprechend wie bei Besitz und Verlust ist die Sache auch bei den (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...« in die Hand zu nehmen. Über die gleiche Reihe geht ja auch dabei die Folge, z. B.: Ist »dreifach« auch »vielfach«, so ist »DrittTeil« auch »Viel-Teil«; es wird ja doch »dreifach« ausgesagt im Verhältnis zu einem dreimal so Kleinen, »vielfach« im Verhältnis zu einem vielmal so Kleinen. Und wieder, ist »Wissen« ein »Auffassen«, so ist auch »was gewußt werden kann« etwas, »das man auffassen kann«; und wenn der Sehvorgang eine Wahrnehmung ist, so ist auch das »sichtbare« »wahrnehmbar«. – Einwand: Bei den (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...« verläuft die Folge nicht notwendig so, wie gesagt ist: Was wahrgenommen werden kann, kann auch gewußt werden, aber Wahrnehmung ist nicht Wissen. Indessen, der Einwand scheint nicht zutreffend zu sein: Viele bestreiten nämlich, daß es von Wahrnehmbarem ein Wissen gebe. – Weiter, zum Zwecke des Gegenteils ist das Gesagte nicht weniger brauchbar, z. B.: Wahrnehmbares ist nicht Gegenstand von Wissen; es ist ja auch die Sinneswahrnehmung kein (genaues) Wissen.
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Kapitel 9. [25] Und wieder (ist das Augenmerk zu richten) auf Bestimmungen aus der gleichen Reihe und abgewandelte Formen, sowohl beim Aufheben wie beim Errichten. Mit »aus der gleichen Reihe« ist gemeint derartiges wie: Das Gerechte, der Gerechte – gebildet von »Gerechtigkeit« her, und: Tapfere Taten, der Tapfere – gebildet von »Tapferkeit« aus. Entsprechend (ist) auch das, was (etwas) hervorbringt oder erhält, aus einer Reihe mit dem, dessen Hervorbringendes oder Erhaltendes es ist, z. B.: Gesundheitsvorschriften (als Hersteller) von Gesundheit und Kräftigungsmaßnahmen (als Erhalter) guter Körperverfassung. Auf gleiche Weise auch in den anderen (Fällen). Derlei ist man nun gewohnt, »aus der gleichen Reihe« zu nennen, abgewandelte Formen dagegen (sind) z. B.: Gerechtermaßen, tapfererweise, gesundheitsförderlich, und was alles auf diese Weise ausgesagt wird. Es sieht so aus, daß auch die Formen von Wortabwandlung aus der gleichen Reihe sind, z. B. »gerechtermaßen« nach »Gerechtigkeit«, »tapfererweise« nach »Tapferkeit«. Aus der gleichen Reihe wird somit denn alles das genannt, was über das gleiche Wortfeld her (kommt), z. B.: Gerechtigkeit, (der) Gerechte, (das) Gerechte, gerechtermaßen. – Klar nun also: Ist ein einziges, welches auch immer, von denen aus der gleichen Reihe nachgewiesen als »gut« oder »lobenswert«, so wird dieser Nachweis auch von allem übrigen gelten, z. B.: Gehört die Gerechtigkeit zu den lobenswerten (Verhaltensweisen), so ist auch »der Gerechte«, »das Gerechte« und »gerechtermaßen« aus der Reihe des Lobenswerten. Es wird aber das »lobenswerterweise« über die gleiche Formabwandlung von »lobenswert« her gebildet wie »gerechtermaßen« nach »Gerechtigkeit«. Die Prüfung ist zu machen nicht nur über das Behauptete selbst, sondern (es ist) auch aus dem Gegenteil das Gegenteil (abzuleiten), z. B. (zum Beweise), daß das Gute nicht aus Notwendigkeit genußreich ist; es ist ja auch das Schlechte nicht (notwendig) schmerzbringend; andernfalls, wenn dies, so auch jenes. Und: Ist die Gerechtigkeit ein Wissen, so auch die Unge-
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rechtigkeit ein Nichtwissen; und ist das »gerechtermaßen« ein »wissentlich« und »erfahrungskundig«, so das »ungerechterweise« ein »in Unkenntnis« und »unkundig«; wenn aber das nicht, so auch jenes nicht, genau wie bei dem eben Gesagten. Es sieht ja wohl mehr danach aus, daß das »ungerechterweise« in kundig erfahrener Art (getan wird), als danach, (es geschähe) stümperhaft. – Dieser Gesichtspunkt ist früher schon vorgetragen im Rahmen der Folgen aus Gegenteilen; auch jetzt erheben wir ja keinen weiteren Anspruch, als daß dem Gegenteil Gegenteiliges folge. [26] Weiter (ist das Augenmerk zu richten) auf Entstehungs- und Untergangsvorgänge und auf Dinge, die geeignet sind, (anderes) hervorzubringen oder zu vernichten, und das sowohl für das Aufheben wie für das Errichten. Dinge, deren Herkunft aus Gutem (kommt), sind auch selbst gut, und wenn sie selbst gut sind, so auch ihre Herkunftsgründe; kommt dagegen die Herkunft aus Schlechtem, so gehören die Dinge auch selbst zum Schlechten, 〈und wenn sie selbst zum Schlechten gehören, so leitet sich auch ihre Herkunft von Schlechtem ab〉. Bei Untergängen ist es umgekehrt: Gehören die Vernichtungsgründe zum Guten, so die Dinge selbst zum Schlechten; kommen die Zerstörungsursachen aus dem Schlechten, so gehörten die Dinge zum Guten. Die gleiche Erklärung ist es mit hervorbringenden und vernichtenden (Dingen oder Vorgängen): Dinge, deren Hervorbringer gut sind, gehören auch selbst zum Guten, Dinge, deren Vernichter gut sind, gehören selbst zum Schlechten. Kapitel 10. [27] Und wieder (ist) bei ähnlichen (Bestimmungen zu sehen), ob sie sich auch entsprechend verhalten, z. B.: Gibt es ein Wissen von mehreren (Gegenständen), so auch (eine) Meinung, und: Ist »Sehvermögen haben« Sehen, so »Gehör haben« Hören. Entsprechend auch bei allem übrigen, sowohl dem, was da wirklich ist, wie auch dem, was nur so scheint. Nutzbringend ist der Gesichtspunkt für beides: Wenn es sich nämlich bei einem unter ähnlichen (Fällen) so und so verhält, so (wird das) bei den anderen ähnlichen (Fällen auch
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so sein); wenn dagegen in einem Einzelfalle nicht, so auch bei den anderen nicht. [28] Zu prüfen ist auch, ob sich etwas, angewandt auf eines, entsprechend verhält wie in Anwendung auf vieles; gelegentlich stimmt das nämlich nicht zusammen, z. B.: Ist Wissen ein Verstandesgebrauch, so (bedeutet) »vieles wissen« auch »über vieles nachdenken«; das ist aber nicht wahr: Es ist zwar möglich, vieles zu wissen, aber nicht (gleichzeitig) über vieles nachzudenken; wenn aber das nicht, so (gilt) auch das andere für die Einzelanwendung nicht, daß Wissen ein Vorgang des Nachdenkens ist. [29] Weiter (kann man Beweise führen) aus (dem Gesichtspunkt) von Mehr und Weniger. Es sind der Gesichtspunkte nach Mehr und Weniger vier: Einer (liegt dann vor), wenn das »mehr« dem »mehr« folgt, z. B.: Ist Lust ein Gut, so ist größere Lust ein größeres Gut, und: Ist Unrechttun böse, so ist die schwerere Unrechtshandlung ein schlimmeres Übel. Nutzbringend ist der Gesichtspunkt zu beidem; wenn nämlich der Zunahme des zuerst Gesetzten die Zunahme des Hinzugetretenen folgt, wie gesagt ist, so ist klar, daß es ihm zutrifft; folgt sie dagegen nicht, so trifft es ihm auch nicht zu. Das ist mittels Heranführung anzupacken. [30] Zweiter (Gesichtspunkt): Ein (Merkmal) wird über zwei (Gegenstände) ausgesagt, und wenn es nun an dem Gegenstand, an dem es mit mehr Wahrscheinlichkeit vorliegen sollte, nicht vorliegt, dann auch nicht an dem, wo das weniger wahrscheinlich war, und (umgekehrt), wenn es an dem vorliegt, wo sein Vorliegen weniger wahrscheinlich war, dann auch an dem, wo es wahrscheinlicher war. Andersherum, [31] werden zwei (Merkmale) über einen (Gegenstand) ausgesagt, (so gilt): Wenn das, dessen Vorliegen in höherem Maße wahrscheinlich war, nicht vorliegt, so auch nicht das weniger wahrscheinliche, wenn dagegen (umgekehrt) das weniger wahrscheinlich Vorliegende vorliegt, so auch das wahrscheinlichere. Schließlich, [32] werden zwei (Merkmale) über zwei (Gegenstände) ausgesagt, (so gilt): Wenn das dem einen von bei-
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den (Gegenständen) mit mehr Wahrscheinlichkeit Zukommende an diesem nicht vorliegt, so auch das übrige an dem anderen nicht; wenn dagegen (umgekehrt) das, dessen Vorliegen unwahrscheinlicher war, dem einen zukommt, so auch das übrige am anderen. Weiter, aus dem In-entsprechender-Weise-Vorliegen oderVorzuliegen-Scheinen (geht es) dreifach, so wie es nach dem »mehr« bei den drei letztgenannten Gesichtspunkten gesagt war. [33] Wenn nämlich ein einziges (Merkmal) zwei (Gegenständen) in entsprechender Weise zukommt oder zuzukommen scheint, (so gilt): Liegt es an dem einen nicht vor, so an dem anderen auch nicht; kommt es dagegen dem einen davon zu, so dem übrigen auch. [34] Kommen zwei (Merkmale) dem gleichen (Gegenstand) in entsprechender Weise zu, (so gilt): Liegt das eine davon nicht vor, so das restliche auch nicht; wenn aber das eine, so auch das andere. [35] Auf die gleiche Weise (geht es) auch, wenn zwei (Merkmale) an zwei (Gegenständen) in entsprechender Weise vorkommen: Liegt das eine an dem einen nicht vor, so auch das übrige nicht an dem anderen; liegt dagegen das eine am einen vor, so auch das restliche am anderen. Kapitel 11. Von (den Gesichtspunkten) des »mehr« und »weniger« und des »entsprechend« aus geht es also auf so viele Weisen, den Zugriff zu machen. Weiter [36] auch vom Hinzusetzen aus: Wenn eines, zu einem anderen hinzugesetzt, dies »gut« macht oder »hell«, was zuvor nicht gut und nicht hell war, so wird das Hinzugesetzte gut oder hell sein müssen, wozu es ja das Ganze macht. Weiter, [37] wenn etwas, zu einem schon vorliegenden (Merkmal) hinzugetan, macht, daß diese Eigenschaft in noch stärkerem Maße vorliegt, als sie schon vorgelegen hatte, dann wird auch es selbst derartig sein. Entsprechend auch in allen übrigen (Fällen). Nutzbringend ist der Gesichtspunkt aber nicht in allen (Fällen), sondern nur bei denen, wo ein Überschuß an »mehr« eintreten kann. Dieser Gesichtspunkt ist auch nicht in umgekehrter Richtung anwendbar für das Einreißen. Wenn nämlich das
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Hinzugesetzte (das, wozu es gesetzt wird,) nicht gut macht, so ist durchaus noch nicht klar, ob es selbst nicht doch gut sein kann: Gutes, zu Schlechtem hinzugefügt, macht nicht notwendig das Ganze gut; auch nicht weiß, zu schwarz gefügt, (das Ganze) weiß. Und wieder, [38] wenn etwas (mit dem Zusatz) »mehr« und »weniger« ausgesagt wird, so liegt es auch ohne Zusatz vor: Was nicht gut ist oder (nicht) hell, das wird man auch nicht als mehr oder weniger gut oder hell aussagen können; denn »schlecht« wird man in keinem Vergleich als »mehr oder weniger gut« aussagen können, sondern nur als »mehr oder weniger schlecht«. Auch dieser Gesichtspunkt läßt keine Umkehranwendung zu zum Einreißen; viele der (Bestimmungen), die nicht nach »mehr« oder »Weniger« ausgesagt werden, liegen in einfacher Form vor: Als Mensch wird (einer) nicht mehr oder weniger angesprochen, deshalb gilt noch lange nicht, daß man von niemandem sagen könnte, er sei ein Mensch. [39] Auf die gleiche Weise ist die Betrachtung zu machen auch über (solche Merkmale, die nur) »in Hinsicht auf etwas« (gelten) oder nur zu der und der Zeit und dort und dort; wenn (etwas) in bestimmter Hinsicht sein kann, so kann es auch einfach ohne sie sein. Entsprechend (ist es) auch mit »zu der und der Zeit« und »da und da«: Was einfachhin unmöglich ist, kann auch in der und der Hinsicht oder dann und dann oder dort und dort nicht sein. Einwand: In bestimmter Hinsicht gibt es doch von Natur aus tüchtige (Leute), z. B. freigebige oder besonnene, aber einfach so ist von Natur aus keiner tüchtig, [niemand ist nämlich von Natur aus vernünftig]; entsprechend kann es auch eine zeitlang sein, daß etwas aus dem Bereiche des Vergänglichen nicht zugrundegeht, schlechthin aber kann es nicht sein, daß es nicht zugrundeginge. Auf gleiche Weise ist es auch da und dort vorteilhaft, eine so und so bestimmte Lebensweise zu führen, z. B. in ungesunden Gegenden, ohne Zusatz bringt sie aber keinen Nutzen. Weiter ist es auch möglich, daß da und dort nur ein einziger ist, einfachhin ist es aber nicht möglich,
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daß es einen allein gibt. Auf gleiche Art mag es auch irgendwo sittlich angebracht sein, den eigenen Vater zu opfern, wie bei den Triballern, ohne Zusatz ist es das aber nicht. – Oder, meint dies nicht so sehr das »da und dort«, sondern (zielt eher) auf das »bei wem« (das gilt)? Es macht (ihnen) ja keinen Unterschied, wo sie dabei denn sind; es wird ihnen, da sie eben Triballer sind, überall sittlich angebracht sein. – Und wieder, zu bestimmter Zeit ist es von Nutzen, Heilmittel einzunehmen, z. B. wenn man erkrankt ist, einfach so (ist es das) aber nicht. – Oder meint etwa auch das nicht ein »dann und dann«, sondern (bezieht sich auf) einen (Menschen) in dem und dem Zustand? Es macht ja keinen Unterschied, wann immer, wenn er nur in dem und dem Körperzustand ist. Dagegen ist das schlechterdings (gültig), wovon man ohne irgendeinen Zusatz sagen wird: »Es ist sittlich schön«, oder das Gegenteil. Z. B., den Vater schlachten wird man nicht für sittlich schön erklären, sondern (nur sagen), für bestimmte (Menschen) ist es das; im Gegensatz dazu, »die Götter ehren« wird man sittlich gut nennen, ohne jeden Zusatz; es ist nämlich schlechterdings sittlich angemessen. Also, was denn ohne Zusatz von irgendetwas »sittlich schön« oder »abscheulich« zu sein scheint, oder irgendetwas anderes derart, das wird schlechterdings so ausgesagt werden.
DRITTES BUCH
Kapitel 1. Was von zwei oder mehr (Wahlmöglichkeiten) in höherem Maße vorzuziehen oder besser ist, (ist) aus folgenden (Gesichtspunkten) zu betrachten. Als erstes sei dabei klargestellt, daß wir die Prüfung nicht machen für weit auseinanderstehende (Werte), die gegen einander großen Unterschied aufweisen – keiner treibt sich mit dem Zweifel herum, ob inneres Glück oder Reichtum vorzuziehen seien –, sondern für (Wertvorstellungen), die eng beieinander liegen und über die wir dann im Zweifel sind, welchem wir eher beitreten sollen, weil wir eben keine Überlegenheit des einen über das andere sehen. Klar (ist) bei derartigem also: Sind eine oder mehrere Überlegenheiten (an etwas) aufgezeigt, so wird die Vernunft dem beipflichten, daß dies vorzüglicher ist, welches von beiden das Überlegene auch sein mag. [1] Erstens nun also, was längere Zeit währt oder beständiger ist, ist erwünschter als das, was weniger von der Art ist. Auch das, was (im Einzelfalle) der Vernünftige wählen würde oder der brave Mann oder das rechte Gesetz oder die im Einzelfalle ausgewiesenen Leute, wenn sie die Wahl treffen, insofern sie eben derartige (Leute) sind, oder die im jeweiligen Fach des Wissens Kundigen, entweder in ihrer Mehrzahl oder alle, z. B. in der Heilkunst oder Baukunst, was eben die Mehrzahl der Ärzte (und Baumeister) oder alle (wählen würden), oder überhaupt, alles, was die Mehrzahl oder alle [oder alles] (haben wollen), z. B. das Gute. Alles ist doch nach dem Guten aus. Man muß es aber darauf hinausbringen, wozu das, was gesagt werden soll, nützlich ist. Einfachhin besser und vorzüglicher ist das, was aus dem besseren Wissen (hervorgeht), für den und den ist es dagegen das, (was) aus seinem eigentümlichen (Wissen folgt).
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[2] Sodann (ist besser) das »was-dies-da-wirklich-ist« als das, was nicht in der Gattung (auftritt), z. B. Gerechtigkeit (stärker) als (die oder die) gerechte Handlung; das eine davon (tritt auf) im Guten als seiner Gattung, das andere nicht; von nichts wird doch das, was die Gattung denn ist, ausgesagt, was nicht in der Gattung (enthalten) ist, z. B.: »heller Mensch« ist nicht »Was-Farbe-denn-wirklich-ist«. Entsprechend auch bei allem anderen. [3] Auch (ist) das seiner selbst wegen Erwünschte vorzüglicher als etwas, das eines anderen wegen erwünscht ist, z. B. das Gesundsein (erwünschter) als die körperlichen Übungen (dazu); ersteres ist um seiner selbst willen erwünscht, das andere eines anderen wegen. [4] Ebenfalls das an sich selbst (Erwünschte vorzüglicher) als das nebenbei zutreffend (Erwünschte), z. B., daß unsere Freunde gerecht sind (ist erwünschter) als daß die Feinde es sind; ersteres ist an und für sich erwünscht, das andere nur nebenbei zutreffend; denn daß unsere Feinde gerecht sind, wünschen wir im Sinne der nebenbei zutreffenden Folge, daß sie uns dann niemals schaden. Es ist das der gleiche (Fall) wie der davor (genannte), unterscheidet sich aber in der Weise: Daß unsere Freunde gerecht sind, wünschen wir um seiner selbst willen, auch wenn für uns daraus sich nichts ergeben wird, auch wenn sie bei den Indern wären; daß dagegen unsere Feinde (es sind, wünschen wir) um eines anderen willen, nämlich daß sie uns keinen Schaden stiften. [5] Ebenfalls, die An-und-für-sich-Ursache von Gutem (ist erwünschter) als die Nebenbei-Ursache, wie etwa Leistung (vorzüglicher) als Zufallsglück – sie ist Ursache von Gutem an ihr selbst, es ist es in nebenbei eintretender Folge –, und wenn es sonst noch anderes derartiges gibt. Entsprechend ist es auch mit dem Gegenteil: Was an sich ursächlich für Schlimmes ist, ist in stärkerem Maße zu meiden als das, was es nur nebenbei ist, z. B. Bosheit mehr als Schicksalsschlag; sie ist an und für sich schlecht, der Schicksalsschlag ist es in nebenbei zutreffender Weise.
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[6] Auch das schlechterdings Gute (ist) erwünschter als eines nur für den oder den, z. B. Gesundsein (besser) als Unters-Messer-Kommen: sie ist einfachhin gut, es dagegen nur für den oder den, der nämlich dieser Behandlung mit dem Messer bedarf. [7] Und: Das von Natur aus (für ein Gutes Ursächliche erwünschter) als ein nicht von Natur aus (Ursächliches), z. B. die Gerechtigkeit im Vergleich zu einer gerechten Handlung: sie ist es ihrem Wesen nach, das (gerechte Handeln) ist ein erworbenes. [8] Und: Was an einem Besseren und Wertvolleren vorliegt, ist wünschenswerter (als was an einem weniger Wertvollen), z. B. (was) an einem Gott im Vergleich zu dem an einem Menschen (vorliegt), und (was) an der Seele im Vergleich zu dem, was am Leibe (vorliegt). [9] Und: Das dem Besseren Eigentümliche (ist) besser als das (Eigentümliche) des Schlechteren, z. B. Eigentümlichkeit des Gottes (besser) als die des Menschen; gemäß den gemeinsamen (Bestimmungen) an beiden unterscheiden sie sich ja nicht voneinander, in den eigentümlichen dagegen übertrifft das eine das andere. [10] Und: Was an Besserem oder Vorrangigem oder Wertvollerem sich vorfindet, ist besser (als das jeweils Nachgeordnete), z. B. Gesundheit (besser) als Körperkraft und Schönheit; sie (liegt) nämlich in (einem stimmigen Verhältnis von) Feuchtem, Trockenem, Warmem und Kaltem, einfach gesprochen, (den Bestandteilen,) aus welchen, als unmittelbar ersten, das Lebewesen sich zusammensetzt, die anderen (Güter finden sich) in den (Verhältnissen der) nachgeordneten (Bestandteile): Körperkraft (liegt) in Sehnen und Knochen, Schönheit ist anscheinend eine Art Ebenmaß der Glieder. [11] Und: Der Endzweck ist offenbar mehr erwünscht als die auf den Zweck hin (führenden Mittel), und von zweien (davon) das, was näher beim Zweck liegt. Und allgemein, was dem Ziele des Lebens dient, ist in höherem Maße vorzüglich, als was auf ein anderes (zielt), z. B., was auf inneres Lebensglück hinauswill (vorzüglicher), als was zur Einsicht (dient).
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[12] Und: Das Mögliche (besser) als das Unmögliche. [13] Weiter: Von zwei hervorbringenden (Dingen oder Verhältnissen) das, dessen Zweck der bessere ist; Hervorbringendes und Zweck (sind dabei) aus einer Aufrechnung (zu bestimmen), jedesmal wenn ein Zweck den anderen um mehr übertrifft als der sein ihm eigentümliches Hervorbringendes, z. B.: Wenn Lebensglück Gesundheit um mehr übertrifft als Gesundheit die gesundheitshervorbringenden Maßnahmen, so (ist) das, was Lebensglück bewirkt, besser als Gesundheit; um wieviel nämlich Lebensglück Gesundheit übertrifft, um soviel übertrifft auch das Glück-Bewirkende das GesundheitHervorbringende; die Gesundheit übertraf aber das Gesundheitsdienliche um weniger, sodaß denn das Glückschaffende das Gesundheitsförderliche um mehr übertrifft als die Gesundheit das Gesundheitbringende. Klar somit: In höherem Maß zu wählen ist das, was Lebensglück bewirkt, als das, was Gesundheit (hervorbringt); denn es übertrifft das gleiche um mehr. [14] Weiter (ist vorzuziehen) das an sich selbst sittlich Schönere und Wertvollere und Lobenswertere, z. B. Freundschaft dem Reichtum und Gerechtigkeit der Körperkraft, denn das eine (davon) gehört zu dem an sich selbst Wertvollen und Löblichen, das andere (ist es) nicht an sich selbst, sondern eines anderen wegen. Niemand hält doch den Reichtum seiner selbst wegen für wertvoll, sondern anderer Dinge wegen, dagegen die Freundschaft schätzt jeder an und für sich, auch wenn uns nichts anderes aus ihr erwachsen sollte. Kapitel 2. [15] Weiter: Wenn irgendwelche zwei (Wertvorstellungen) einander sehr benachbart sind und wir gar keine Überlegenheit des einen über das andere zu ersehen vermögen, so (ist) zu schauen von dem her, was ihnen nachfolgt; welchem nämlich ein größeres Gut folgt, das ist vorzuziehen. Sollten aber die Folgen übel sein, so ist das, dem weniger Schlimmes folgt, eher zu wählen; mögen ja auch beide (Werte) erwünscht sein, so hindert nichts, daß etwas Unangenehmes (ihnen) folgt.
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Zweifach ist die Betrachtung von den Folgen aus: Es gibt nämlich [a] eine Folge nach vorn und [b] eine nach hinten, z. B. »lernend« hat »Nichtwissen« als vordere Folge, aber »Wissen« als Nach-Folge. Besser ist allermeist das später Folgende. Zu ergreifen ist nun also von den Folge(bestimmungen) immer die, welche je und je brauchbar ist. [16] Weiter (ist vorzuziehen) [a] die größere (Zahl oder Menge) an Gütern denen, die weniger sind, entweder einfachhin oder, wenn die einen an den anderen vorkommen, die wenigeren an den mehreren. Einwand: Wenn einmal das eine um des anderen willen (da ist) – dann sind nämlich beide zusammen um nichts mehr vorzuziehen als das eine, z. B.: »gesunden und Gesundheit« (nicht vorzüglicher) als »Gesundheit«, da wir doch das Gesunden um der Gesundheit willen wählen. [b] Auch daß Nicht-Güter einmal Gütern vorzuziehen seien, hindert nichts, z. B., Lebensglück zusammen mit etwas anderem, was kein Gut ist, (ist vorzüglicher) als Gerechtigkeit und Tapferkeit. [17] Und: Die gleichen (Handlungen) in Verbindung mit Lust (sind) mehr (zu wählen) als (die) ohne Lust; und die gleichen in Verbindung mit Schmerzlosigkeit (mehr) als die in Verbindung mit Schmerz. [18] Und: Ein jedes Erstrebenswerte (ist) [a] in dem erfüllten Augenblick, wo es mehr zu bewirken vermag, auch in höherem Maße erwünscht (als zu anderem), z. B. »schmerzlos im Alter« mehr als »... in der Jugend«; denn das bedeutet im Alter mehr. Demgemäß ist auch Einsicht im Alter wünschenswerter; niemand wählt doch junge Burschen zu Anführern, weil man nicht dafür hält, daß sie Einsicht besäßen. Bei Tapferkeit (ist es) umgekehrt: In der Jugend ist tätiges Handeln nach tapferem Mute notwendiger. Entsprechend (steht es) auch mit besonnenem Maß: die jungen Leute werden mehr als die Älteren von Begierden umgetrieben.Auch, was zu jedem guten Augenblick, oder in den meisten, nützlicher ist (als anderes, ist dem vorzuziehen), z. B. Gerechtigkeit und besonnenes Maß dem tapferen Mut; die beiden sind stets, er nur gelegentlich nützlich.
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[19] Und: Etwas, das, wenn alle es haben, nicht zur Folge hat, daß wir des anderen dazu auch bedürfen, (ist wünschenswerter) als das, wobei wir, wenn alle es haben, auch des restlichen zusätzlich bedürfen, so wie (es) im Falle von Gerechtigkeit und Tapferkeit ist: Sind alle gerecht, ist tapferer Mut zu nichts nutze, sind dagegen alle tapfer und mutig, so ist Gerechtigkeit nutzbringend. [20] Ferner (kann man die Betrachtung machen) nach den Gesichtspunkten von Untergang, Verlust und Entstehung, Gewinnung und den Gegenteilen (des Gegenstandes). (Werte), deren Untergang in höherem Maße zu meiden ist, sind selbst wünschenswerter; entsprechend (ist es) auch mit den Vorgängen von Verlust und den Gegenteilen: Ist der Verlust oder das Gegenteil (von etwas) in höherem Maße zu meiden, so ist es selbst wünschenswerter. Bei Entstehung und Gewinnung (ist es) umgekehrt: Wessen Erwerb und Zustandekommen erwünschter ist, das ist es auch selbst. Anderer Gesichtspunkt: [21] Was näher am Guten ist, ist besser und wünschenswerter und das dem Guten Ähnlichere auch, z. B. Gerechtigkeit im Vergleich zu Gerechtem (im Einzelfall). [22] Und: Was einem, was besser ist als es selbst, ähnlicher ist (als ein anderes), so wie bestimmte Leute sagen, Aias sei besser als Odysseus, weil er dem Achill ähnlicher war. Einwand dazu: Das stimmt nicht! Es hindert nichts die Annahme, daß Aias nicht in der Hinsicht, in welcher Achill der Beste war, ihm ähnlicher war, und der andere ist (trotzdem) gut, aber (dem Achill) nicht ähnlich. – [23] Zu prüfen ist auch, ob (die Sache) auch zu einigermaßen lächerlichen (Vergleichsfällen) ähnlich sein mag, so wie der Affe zum Menschen im Verhältnis zum Pferd, das (beiden) doch nun gar nicht ähnlich ist: Der Affe ist nicht schöner (als es), obzwar dem Menschen ähnlicher. [24] Und wieder, im Falle von zweien, wenn das eine davon dem Besseren, das andere dem Geringeren ähnlicher ist, so wird ja wohl besser sein, was dem Besseren ähnlicher ist.
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Auch das hat einen Einwand (gegen sich): Nichts hindert (anzunehmen), daß das eine dem Besseren nur ein wenig ähnlich ist, das andere dem Geringeren aber sehr, z. B.: Aias dem Achill nur gerade so eben, Odysseus dagegen dem Nestor in hohem Maße. Und wenn das eine dem Besseren zur schlechteren Seite hin ähnlich wäre, das andere dem Schlechteren zur besseren Seite hin, so wie Pferd zu Esel und Affe zum Menschen. Anderer (Gesichtspunkt): [25] Das Angenehmere (ist erstrebenswerter) als das, was weniger von der Art ist, und das Schwierigere auch; wir sind ja in höherem Maße befriedigt im Besitze dessen, was nicht leicht zu bekommen ist. [26] Und: Das mehr Eigene (wünschenswerter) als das mehr Gemeine. [27] Und: Das, was dem Üblen gegenüber unnahbarer ist; erwünschter ist doch, dem keine Mißhelligkeit folgt, als das, dem eine folgt. [28] Weiter, wenn einfachhin das besser ist als dies, so (ist) auch das Beste von denen in dieser Reihe besser als das Beste von denen in der anderen, z. B.: Ist Mensch besser als Pferd, so ist auch der beste Mensch besser als das beste Pferd; und (umgekehrt), ist das Beste (dieser Reihe) besser als das Beste (jener), so ist auch einfachhin dies besser als das, z. B.: Ist der beste Mensch besser als das beste Pferd, so auch einfach Mensch besser als Pferd. [29] Weiter, das, woran man die Freunde teilhaben lassen kann, (ist) wünschenswerter als das, wo das nicht geht. [30] Und: Was einem Freund gegenüber zu tun wir lieber wollen als was jedem beliebigen Menschen gegenüber, das ist vorzüglicher, z. B. gerechte Handlungen zu begehen und Gefallen erweisen als nur den Schein davon zu erzeugen; den Freunden Gutes (wirklich) zu tun wollen wir ja lieber, als nur so zu erscheinen; bei zufälligen Bekannten (ist das) umgekehrt. [31] Und: Was aus reicher Fülle (genommen werden kann, ist) besser als das nur Notwendige, gelegentlich auch in höherem Maße erwünscht; besser als bloßes Leben ist doch das
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Wohlleben, das Wohlleben aber kommt aus Überfluß, das bloße Leben selbst ist Sache des Notwendigen. – Gelegentlich aber ist das Bessere nicht auch in höherem Maße erwünscht; denn (es gilt) nicht: Wenn besser, so notwendig auch wünschenswerter. (Z. B.) sich mit geistigen Dingen beschäftigen ist ja wohl besser als um Geld arbeiten, für jemanden, der des Notwendigen bedarf, aber nicht vorzuziehen; das ergibt sich doch erst in Folge eines Überschusses, wenn nämlich angesichts des Vorhandenseins der notwendigen (Mittel) einer von diesen Gutgestellten sich irgendwelche andere (Tätigkeiten) zusätzlich leisten kann. In etwa ist in stärkerem Maße zu wählen das Notwendige, besser ist das, (was) aus reicher Fülle (hervorgeht). [32] Und: (Vorzüglicher ist,) was nicht von einem anderen zuwege gebracht werden kann, als das, was auch durch einen anderen geht, wie es z. B. der Gerechtigkeit widerfährt, verglichen mit der Tapferkeit. [33] Und: Wenn dies zwar ohne das erstrebenswert (ist), das aber ohne dies nicht, z. B.: Macht ohne Besonnenheit (ist) nicht wünschenswert, Besonnenheit dagegen ohne Macht ist es. [34] Und: Wenn von zwei (Wertvorstellungen) wir das eine abstreiten, damit es so aussieht, daß das andere uns zur Verfügung stünde, so ist jenes wertvoller, wovon wir wollen, daß es uns offenbar zukommt, z. B.: Wir streiten ab, fleißige Arbeiter zu sein, damit es so aussieht, daß wir gut veranlagt wären. [35] Weiter, etwas, über dessen Abwesenheit man sich grämt, wenn dies (Verhalten) weniger tadelnswert ist, dann ist dieses erwünschter (als ein entsprechendes anderes); und (umgekehrt), wo es mehr zu tadeln ist, wenn man über die Abwesenheit von etwas nicht trauert, das ist wertvoller. Kapitel 3. [36] Weiter, von den (Vorstellungen) unter der (gleichen) Art (ist die wünschenswerter), die die eigentümliche Tüchtigkeit besitzt, als die, die sie nicht hat; haben beide sie, so das, was sie in höherem Maße hat. [37] Weiter, wenn die eine (Eigenschaft) das gut macht, zu dem sie tritt, die andere aber macht es nicht, so ist das vorzuziehen, was das macht, so wie auch das wärmer ist, was wärmt,
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als das, was es nicht tut. Haben beide die Wirkung, so (ist das vorzüglicher), was die Wirkung stärker hervorbringt; oder wenn es das Bessere und Beherrschendere gut macht, z. B., wenn das eine die Seele, das andere den Leib (gut macht). [38] Weiter (geht es) von den Formabwandlungen her und den Gebrauchsformen, den Handlungen und Taten, und auch (umgekehrt) diese von jenem aus; denn das folgt wechselweise, z. B.: Ist »gerechterweise« mehr zu wählen als »tapferermaßen«, so ist auch Gerechtigkeit vorzüglicher als tapferer Mut; und (umgekehrt), ist Gerechtigkeit wünschenswerter als tapferer Mut, so auch »gerechterweise« im Verhältnis zu »tapferermaßen«. Ähnlich in den übrigen Fällen. [39] Weiter, wenn im Vergleich zu einem bestimmten, gleichen (Wert) das eine ein größeres Gut ist, das andere ein geringeres, so ist vorzuziehen das größere; oder wenn eins davon größer ist als ein größeres (Gut). Aber auch wenn zwei bestimmte (Güter) vorzüglicher sein sollten als ein bestimmtes (drittes), so ist (von den beiden) das mehr erwünscht, das in seiner Wünschbarkeit mehr über das dritte hinausgeht, als das, was es weniger tut. [40] Weiter, etwas, dessen Steigerung wünschenswerter ist als die Steigerung (eines anderen), ist auch selbst mehr erwünscht, z. B. Freundschaft im Vergleich zu Geld; wünschenswerter ist doch die immer festere Freundesbindung als mehr Geld. [41] Und: Wovon man eher wählen würde, es selbst für sich selbst herbeigeführt zu haben (ist wünschenswerter) als das, was ein anderer verschafft hat, z. B. Freunde mehr als Geld. [42] Weiter (geht es auch) infolge von Hinzusetzung, wenn etwas, zu demselben hinzugesetzt, das Ganze erwünschter macht (als ein anderer Zusatz) Man muß sich aber davorhüten, das auf solche (Fälle) auszuweiten, wo die zusammengesetzte (Vorstellung) den einen von den Zusätzen wohl gebraucht oder sonstwie mit ihm zusammenarbeitet, den anderen aber nicht gebraucht und nicht mit ihm zusammenarbeitet, z. B.: Säge und Sichel zu Zimmermannskunst gesetzt; in dieser Zweierverbindung ist die Säge das vorzuziehende (Werkzeug), einfachhin ist sie es dagegen nicht.
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[43] Und erneut: Wenn etwas, zu Geringerem hinzugesetzt, das Ganze größer macht, (ist es wünschenswerter als etwas, das das nicht tut). [44] Entsprechend geht es auch infolge von Fortnahme: Etwas, das mit seiner Wegnahme von der gleichen (Größe) den Rest kleiner macht (als ein anderes), das wird ja wohl größer sein, – was eben, fortgenommen, das Übrigbleibende kleiner macht. [45] Und: Wenn eines seiner selbst wegen, das andere des Eindrucks bei anderen wegen erwünscht (ist; so ist ersteres wünschenswerter), z. B. Gesundheit im Vergleich zu Schönheit. Begriffsbestimmung von »des Eindrucks wegen« (ist): »Wenn kein anderer es auch zur Kenntnis nimmt, bemüht man sich nicht darum, daß es auf einen zutrifft.« [46] Und: Wenn das eine seiner selbst wegen und des Eindrucks bei anderen erwünscht (ist), das andere dagegen allein des einen oder des anderen wegen, (ist das erste vorzuziehen). [47] Und: Was von zweien seiner selbst wegen in höherem Maße wertvoll (ist), das (ist) auch besser und vorzuziehen. Wertvoller an sich selbst ist ja wohl das, was wir seiner selbst wegen vorziehen, ohne daß (dadurch) voraussichtlich etwas anderes (Gutes) für uns eintreffen wird. [48] Weiter, (es ist) auseinanderzunehmen, in wievielen Bedeutungen »wünschenswert« ausgesagt wird und welcher (Dinge) wegen (es das ist), z. B. des Nützlichen wegen oder des sittlich Schönen oder des Angenehmen; denn was in allen Hinsichten oder in der Mehrzahl (von ihnen) Nutzen stiftet, dürfte ja wohl als etwas Wünschenswerteres auftreten als das, wo es nicht entsprechend ist. [49] Kommen beiden (verglichenen Werten) die gleichen (Bestimmungen) zu, so ist zu prüfen, welchem von beiden (sie) in höherem Maße (zukommen), z. B., (ist es) angenehmer, sittlich schöner oder zuträglicher? [50] Und wieder: Was um eines Besseren willen (erwünscht ist, ist) wünschenswerter (als das um eines Geringeren willen), z. B. das um der sittlichen Leistung willen (Erwünschte besser) als das der Lust wegen.
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[51] Entsprechend auch bei dem, was zu meiden ist: In stärkerem Maße ist zu meiden, was Erwünschtem in stärkerem Maß hinderlich im Wege steht, z. B. Krankheit (mehr) als Häßlichkeit; denn für Lust und Tüchtigsein ist Krankheit ein stärkeres Hindernis. [52] Weiter (geht es damit), daß man aufzeigt, das Vorliegende sei gleichermaßen zu meiden wie zu erstreben; etwas derartiges, was einer gleichermaßen wählen und meiden würde, ist ja weniger wünschenswert als ein anderes, das nur erwünscht ist. – Kapitel 4. Die Vergleiche gegen einander sind nun also so, wie vorgetragen, zu machen. Die gleichen Gesichtspunkte sind brauchbar auch zu zeigen, daß jedes beliebige (werthafte Ding) entweder zu wählen oder zu meiden ist; man muß dazu ja nur den Überschuß gegenüber dem je anderen fortnehmen: Ist das Wertvollere mehr vorzuziehen, so ist auch das Wertvolle vorzuziehen, und ist das Nützlichere vorzüglicher, so auch das Nützliche zu wählen. Entsprechend auch bei allem anderen, was alles derartigen Vergleich bei sich hat; bei einigen (Wertvorstellungen) sagen wir ja gleich beim Vergleich gegeneinander, daß entweder beide oder eines davon zu wählen ist, z. B. wenn wir sagen, das eine ist von Natur aus gut, das andere nicht von Natur aus; klar, daß das von Natur aus Gute zu wählen ist . Kapitel 5. Man muß aber diese Gesichtspunkte im Bereich von »mehr« und »größer« möglichst allgemein ergreifen; so genommen sind sie ja wohl für mehr (Anwendungen) brauchbar. Es geht dabei bei einigen der aufgezählten, sie allgemeiner zu machen, indem man bei der Aussprache ein klein wenig ändert, z. B.: Was »von Natur aus so und so« ist, ist »mehr« so, als was nicht von Natur aus so und so ist. Und wenn das eine (Merkmal) den Gegenstand, der es (an sich) hat, an dem es vorliegt, so und so macht, das andere das aber nicht tut, so ist »mehr so und so« das, was es macht, als das, was es nicht macht; machen es aber beide, so (ist) das, was es in höherem Maße macht, (mehr) so und so.
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[a] Weiter, wenn eines mehr derart, das andere aber weniger derart ist als ein und das gleiche (dritte), und wenn das eine mehr derart als ein derartiges, das andere aber (mehr) als ein nicht derartiges, so (ist) klar: das erste ist mehr so und so. [b] Weiter (geht es) auch vom Zusatz aus, wenn (etwas), zu dem gleichen hinzugesetzt, das Ganze in höherem Maße so und so macht, oder wenn (etwas), hinzugesetzt zu etwas weniger derartigem, das Ganze mehr von der Art macht, (dann ist es das selbst mehr). [c] Entsprechend auch mit der Fortnahme: Wenn etwas durch seine Fortnahme das Übrigbleibende weniger derart macht (als ein anderes), so ist es selbst mehr derart (als dies). Und was mit dem jeweiligen Gegenteil weniger vermischt ist, ist mehr so und so (als das umgekehrte), z. B. ist weißer, was weniger mit schwarz vermischt ist. [d] Weiter, über das früher Gesagte hinaus: Was die dem Vorliegenden eigentümliche Begriffserklärung in stärkerem Maße an sich nimmt, (ist das auch mehr), z. B.: Ist die Begriffserklärung von »weiß«: »Farbe, die das Sehvermögen auseinanderscheidet«, so ist weißer das, was mehr eine Farbe ist, die das Sehvermögen auseinanderscheidet. Kapitel 6. Wenn aber die Aufgabe zu Teilen und nicht aufs Ganze hin gestellt ist, so sind, erstens, die genannten allgemein errichtenden oder niederreißenden Gesichtspunkte alle anwendbar; indem wir aufs Ganze überhaupt hin aufheben oder errichten, weisen wir ja auch die Teilaussagen nach: Kommt (etwas) jedem und allen zu, so auch irgendeinem (davon), wenn aber keinem, so auch nicht irgendeinem. Besonders vorteilhaft und allgemeingültig unter den Gesichtspunkten sind die von Entgegengesetztem, die von der gleichen Reihe und die von den Formabwandlungen aus. Gleichermaßen einsehbar ist es doch, die Forderung aufzustellen: Ist jede Lust etwas Gutes, so ist auch jedes Leid etwas Schlimmes, und: Ist eine bestimmte Art Lust ein Gutes, so auch eine bestimmte Art Leides ein Schlimmes. Weiter: Ist eine bestimmte Form von Wahrnehmung nicht ein Vermögen, so ist auch eine bestimmte Form von Wahrnehmungslosigkeit
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nicht ein Unvermögen. Und: Wenn etwas, das vermutet werden kann, auch gewußt werden kann, so ist auch (diese oder jene) bestimmte Vermutung ein Wissen. Und erneut: Ist etwas aus dem Bereich des Ungerechten gut, so ist auch (das entsprechende) etwas aus dem Bereich des Gerechten schlecht. Und wieder: Ist etwas aus der Reihe »gerechtermaßen« schlecht, so (das entsprechende) etwas aus der Reihe »ungerechterweise« gut. Und: Ist ein Bestimmtes aus der Reihe des Lustvollen zu meiden, so ist auch eine bestimmte (Form von) Lust zu meiden. Gemäß dem gleichen (Verfahren gilt) auch: Ist etwas von dem Lustvollen förderlich, so ist auch eine bestimmte Lustform förderlich. Und bei den Dingen, die Untergang herbeiführen, und bei Entstehungs- und Untergangsvorgängen genauso: Ist etwas Bestimmtes, das Lust oder Wissen zum Verschwinden bringt, ein Gutes, so sind ja wohl diese bestimmte Lust oder dies bestimmte Wissen vom Bösen. Entsprechend auch: Ist ein bestimmtes Verschwinden von Wissen vom Guten oder ein (entsprechendes) Entstehen vom Bösen, so wird es ein bestimmtes Wissen geben, das vom Bösen ist, z. B.: Ist das Vergessen dessen, was man an schlimmen Handlungen vollführt hat, vom Guten, oder das Sich-daran-Erinnern vom Schlimmen, so ist ja wohl das Wissen darum, was einer an Bösen getan hat, vom Schlimmen. Entsprechend auch in allen anderen (Fällen): in allen findet sich das Einleuchtende gleichermaßen. Weiter, aus dem »mehr« und »weniger« (geht es) auch entsprechend: Ist etwas aus dem Bereich einer anderen Gattung in stärkerem Maße so und so, (das, worüber die Rede ist,) aber keins von denen, so ist ja wohl das Genannte auch nicht so und so, z. B.: Ist ein bestimmtes Wissen in höherem Maße ein Gut als eine (Form von Lust), und ist dann keine (Form von) Wissen ein Gut, so ist es dann wohl auch keine (Form von) Lust. Und vom »gleichermaßen« und »weniger« aus (geht es) genauso; da kann man nämlich sowohl aufheben wie auch errichten, nur, aus dem »gleichermaßen« beides, aus dem »weniger« aber bloß errichten, niederreißen dagegen nicht: Ist ein bestimmtes Können gleichermaßen ein Gut wie ein Wissen,
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und ist nun tatsächlich dies bestimmte Können etwas Gutes, so ist es auch das Wissen; wenn aber kein Können (ein Gut ist), so auch kein Wissen. Ist dagegen ein bestimmtes Können weniger ein Gut, als ein Wissen (es ist), und ist nun tatsächlich ein bestimmtes Können gut, so auch das Wissen; ist dagegen kein Können ein Gut, so (gilt) nicht notwendig, daß auch kein Wissen ein Gut sei. Klar denn also: Von »weniger« aus geht nur das Errichten. Es geht aber das Einreißen nicht bloß von einer anderen Gattung aus, sondern auch aus der gleichen, wenn man da nimmt, was am meisten so und so ist, z. B.: Ist gesetzt ein bestimmtes Wissen als gut, und sollte nun gezeigt werden können, daß Einsicht kein Gut ist, so wird es auch keine andere Form davon sein, wenn es die doch nicht war, die den meisten Anschein davon hatte. Weiter (geht es) aufgrund von Unterstellung, indem man gleichermaßen die Forderung erhebt: Wenn einem, so kommt es auch allen zu, oder es kommt nicht zu, z. B.: Ist des Menschen Seele unsterblich, so (sind es) auch alle anderen, wenn aber diese nicht, so auch die anderen nicht. Ist nun gesetzt, (etwas) liege an etwas Bestimmtem vor, so ist zu zeigen: Es kommt einem Bestimmten nicht zu; dann wird nämlich über die vorausgesetzte Unterstellung folgen: Es kommt keinem zu. Ist dagegen gesetzt: (Etwas) liegt an einem Bestimmten nicht vor, so ist zu zeigen: Es kommt an einem Bestimmten vor; auch so wird ja (nach Unterstellung) folgen: Es kommt an allen vor. Klar ist, wer solche Voraussetzung unterstellt, macht die Aufgabe allgemein, wo sie doch nur als Teilaussage gesetzt war; er erhebt die Forderung: Wer zum Teil zustimmt, stimmt auch fürs Ganze zu, da er doch fordert: Wenn einem, so kommt es auch gleichermaßen allen zu. Ist nun die Aufgabe unbestimmt gestellt, so geht allein das Niederreißen, z. B.: Hat (der Gegner) gesagt: »Lust ist gut« oder »... nicht gut«, und dazu keine weitere Bestimmung getroffen; wenn er nämlich damit gemeint hat, daß eine bestimmte (Form von) Lust gut sei, so ist allgemein zu zeigen, daß keine es ist, wenn man die aufgestellte Behauptung aufheben will.
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Entsprechend auch, wenn er gesagt hat, eine bestimmte (Form von) Lust sei nicht gut, so ist allgemein zu zeigen, daß jede (eines ist). Anders geht Aufheben nicht; wenn wir nämlich zeigen können, daß eine bestimmte (Form von) Lust nicht gut ist oder gut, so ist das in der Behauptung Hingestellte noch nicht aufgehoben. Klar denn nun: Aufheben geht nur auf eine Weise, Errichten dagegen doppelt. Entweder wir zeigen: Jede Lust ist gut, oder (wir zeigen): Es gibt eine bestimmte (Form von) Lust, die ist gut, – das in der Behauptung Aufgestellte wird erwiesen sein. Entsprechend, wenn es nötig wird, die Gesprächsuntersuchung zu führen (über die Behauptung): Es gibt eine bestimmte (Form von) Lust, die ist nicht gut, so werden wir, wenn wir zeigen können: Keine ist gut, oder: Eine bestimmte (Form davon) ist nicht gut, auf beide Weisen im Vortrag erwiesen haben, sowohl allgemein wie über die Teilaussage, daß es eine bestimmte (Form von) Lust gibt, die nicht gut ist. Ist dagegen die aufgestellte Behauptung bestimmt, so geht das Aufheben doppelt, z. B.: Wenn gesetzt sein sollte: Einer bestimmten (Form von) Lust kommt es zu, gut zu sein, einer bestimmten (anderen) komme das nicht zu, so wird, ob nun gezeigt werden kann: Jede (Art von) Lust ist gut, oder: Keine (ist es), das Behauptete aufgehoben sein. Wenn (der Gegner) aber gesetzt hat: Eine einzige (Art von) Lust allein ist gut, so geht das dreifach aufzuheben. Indem wir zeigen: Jede, oder keine, oder mehr als eine (Form davon) ist gut, werden wir das Aufgestellte aufgehoben haben. Sollte die Behauptung in noch stärkerem Maße bestimmt sein, z. B.: Einsicht allein unter den sittlichen Verhaltensweisen ist ein Wissen, so geht das Aufheben vierfach. Indem gezeigt ist: Jede (Form von) Tüchtigkeit ist ein Wissen, oder: Keine (ist es), oder: Irgendeine andere, z. B. Gerechtigkeit, (ist es), oder: Die Einsicht selbst ist kein Wissen, – in all den Fällen wird das Behauptete aufgehoben sein. Nützlich ist auch (hier) das Hinblicken auf das Einzelne, an dem etwas gemäß der Behauptung vorliegen soll oder nicht, so wie (es das) bei den allgemein gestellten Aufgaben (auch war). Weiter muß man bei den Gattungen genau hinsehen,
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wenn man dabei ist, sie nach Arten zu zerlegen, bis die Teilung nicht weiter geht, wie früher schon gesagt ist. Ob (die in Rede stehende Eigenschaft) nun allen zuzukommen scheint oder keinem, – wer da viele (Einzelfälle) vorgebracht hat, der muß dann fordern, daß (der andere) allgemein zustimmt, oder er soll einen Gegenfall einbringen von etwas, wo das nicht so ist. Weiter, in Fällen, wo entweder der Art nach oder der Zahl nach das nebenbei Zutreffende zu bestimmen geht, ist zu prüfen, ob nichts davon vorliegt, z. B. (bei der Behauptung): Die Zeit bewegt sich nicht und ist keine (Art von) Bewegung, da zählt man auf, wieviele Arten von Bewegung (es gibt); wenn dann keine davon der Zeit zukommt, so (ist) klar: Sie bewegt sich nicht und ist nicht Bewegung. Entsprechend auch (bei dem Satz): Die Seele ist nicht Zahl, – da nimmt man auseinander: Jede Zahl ist entweder ungerade oder gerade; ist nun die Seele weder ungerade noch gerade, so ist klar: Sie ist nicht Zahl. – Das »nebenbei zutreffend« anbelangend, ist also mittels derartiger (Gesichtspunkte) und auf diese Weise der Zugriff zu machen.
VIERTES BUCH
Kapitel 1. Danach ist auf die (Bestimmungen), die Seinsgattung und Eigentümlichkeit betreffen, das Augenmerk zu richten. Diese sind Grundbestandteile der (Verfahren) hin zur Begriffsbestimmung; doch eben um sie geht es den Gesprächsführern nur selten in hrer Betrachtung. [1] Wenn denn also die Gattung gesetzt wird von etwas, das da ist, so ist zuerst auf alles zu schauen, was dem Genannten verwandt ist, ob sie von einem davon etwa nicht ausgesagt wird, so wie (das) beim nebenbei Zutreffenden (der Fall ist), z. B.: Ist von »Lust« als Seinsgattung »Gutes« gesetzt, (ist zu sehen), ob eine bestimmte Lust nicht gut ist; wenn das nämlich (zutrifft), so klar: Gutes ist nicht Gattung von Lust. Denn die Gattung wird von allem ausgesagt, was unter dieselbe Form fällt. [2] Sodann (ist zu sehen), ob (etwas) nicht im (Bedeutungsbereich des) »was-es-ist« ausgesagt wird, sondern nur als nebenbei auch zutreffend, wie »weiß« von »Schnee« oder von der Seele das »von sich selbst bewegt«; weder ist Schnee »was-überhaupt-weiß-ist«, daher »weiß« nicht die Gattung von Schnee ist, noch ist die Seele »das-was-überhaupt-bewegtist«, es trifft ihr nur auch zu, bewegt zu sein, so wie ja auch dem (ganzen) Lebewesen oft das »Sich-Fortbewegen« (mitfolgt) oder »sich-fortbewegend« zu sein. Weiter, »bewegt« ist offenbar nicht ein »was-es-ist«, sondern meint ein Tun oder Erfahren. Entsprechend auch »weiß«: Es macht nicht klar, was Schnee ist, sondern nur, daß er diese bestimmte Eigenschaft hat. Sodaß denn also keins der beiden im Sinne des »wases-ist« ausgesagt wird, – die Gattung wird aber im Sinne des »was-es-ist« ausgesagt. [3] Ganz besonders ist auf die Begriffsbestimmung von »nebenbei zutreffend« zu sehen, ob nicht vielleicht sie auf das als Gattung Angegebene paßt, z. B. die soeben genannten: Es
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ist ja als möglich gegeben, daß etwas sich selbst in Bewegung setzt, wie auch, daß es das nicht tut, entsprechend auch kann etwas weiß sein oder auch nicht, daher keins der beiden Gattung ist, sondern nur nebenbei zutreffend, da wir doch gesagt haben: Nebenbei zutreffend ist, was an etwas vorliegen kann, aber auch nicht. [4] Weiter (ist darauf zu achten), ob etwa die Seinsgattung und ihre Erscheinungsform nicht in der gleichen Einteilung (sich finden), sondern das eine ein Wesen, das andere eine Eigenschaft (meint), oder das eine ein »im Verhältnis zu ...«, das andere ein »so und so beschaffen«; z. B., »Schnee« oder »Schwan« (bezeichnen) etwas, das wirklich ist, »weiß« dagegen nicht etwas, das ist, sondern ein »so und so beschaffen«, sodaß denn »weiß« nicht Seinsgattung von »Schnee« oder »Schwan« (sein kann). Und noch einmal, »Wissen« (gehört) zu den (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...«, »gut« und »schön« dagegen (bezeichnen) ein »so und so geartet«, daher denn Gut oder Schön nicht Gattung von Wissen (sein können). Denn die Gattungen von »im Verhältnis zu ...« (-Bestimmungen) müssen selbst zu »im Verhältnis zu ...« (-Bestimmungen) gehören, wie etwa bei »doppelt«: »Vielfach«, was die Gattung von »doppelt« ist, gehört auch selbst zu den »im Verhältnis zu ...«. Um es über alles zu sagen, so muß die Gattung unter dieselbe Einteilung zu stehen kommen wie die Erscheinungsform: Ist die Erscheinungsform ein seiendes Wesen, so auch die Gattung, und ist die Erscheinungsform ein »so und so beschaffen«, so auch die Gattung ein solches, z. B.: Ist »weiß« ein »so und so beschaffen«, dann auch »Farbe«. Entsprechend bei allem anderen auch. [5] Und wieder (ist darauf zu sehen), ob an dem, was unter die Gattung gesetzt ist, die (entsprechende) Gattung notwendig teilhat oder dies doch kann. – Begriffsbestimmung von »teilhaben« (ist): Die Begriffserklärung dessen, woran teilgenommen wird, an sich nehmen. – Klar (ist) dann: Die Erscheinungsformen haben an den Gattungen teil, die Gattungen an den Formen aber nicht; denn die Erscheinungsform nimmt die Begriffserklärung der Gattung in sich auf, die Gattung dage-
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gen die der Erscheinungsform nicht. Man muß also prüfen, ob das, was als Gattung angegeben ist, an der Erscheinungsform teilhat oder teilhaben kann, z. B., wenn einer für »seiend« oder »Einheit« eine Gattung angeben wollte; dann wird ja eintreten müssen, daß die Gattung an der Erscheinungsform teilhat; denn von allem, was da ist, wird »seiend« und »eines« ausgesagt, somit auch deren Begriffserklärung. [6] Weiter (ist zu fragen), ob die für etwas angegebene Erscheinungsart zwar eine wahre Aussage ist, die Seinsgattung aber nicht, z. B., wenn »seiend« oder »möglich zu wissen« als Gattung von »der Meinung zugänglich« gesetzt wäre. (Das wäre dann falsch), denn das »vermutlich« wird ja auch von (Dingen oder Sachverhalten), die nicht sind, ausgesagt – vieles von dem, was gar nicht so ist, kann man ja meinen –, dagegen »seiend« und »zu wissen« wird nicht ausgesagt von solchem, was nicht ist; das ist klar. Also: »seiend« und auch »dem Wissen zugänglich« sind nicht Gattung zu »der Meinung zugänglich«; wovon nämlich die Art ausgesagt wird, davon muß auch die Gattung ausgesagt werden. [7] Erneut (ist zu prüfen), ob etwas, das unter die Gattung gesetzt ist, etwa an keiner der Erscheinungsformen teilhaben kann; es ist ja unmöglich, daß etwas, das an keiner der Formen teilhat, an der Gattung teilhätte, außer wenn es eine der gemäß der ersten Einteilung (aufgefundenen) Arten ist; die haben allein an der Gattung teil. Wenn nun »Veränderung« als Gattung von »Lust« gesetzt wäre, so ist zu prüfen, ob Lust weder Ortsbewegung noch Eigenschaftwechsel noch irgendeine andere der übrigen angegebenen Erscheinungsformen von Veränderung ist. Dann wäre ja klar: Sie hat an keiner der Arten teil; dann also auch nicht an der Gattung, wenn denn doch notwendig ist, daß, was an der Gattung teilhat, auch an einer der Arten teilhaben muß. Somit wäre denn Lust keine Erscheinungsform von Veränderung, und auch keine der nicht weiter teilbaren (Bestimmungen), die unter eine bestimmte Erscheinungsform von Veränderung fallen; denn das nicht weiter Teilbare hat teil an Gattung und an Erscheinungsform,
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z. B., dieser bestimmte Mensch hat teil sowohl an »Mensch« wie auch an »Lebewesen«. [8] Weiter (ist zu prüfen), ob etwas, das unter eine Gattung gesetzt ist, über einen weiteren Bereich, als diese Gattung (umfaßt), ausgesagt wird, z. B.: »der Meinung zugänglich« (geht weiter) als »seiend«; sowohl, was ist, als auch, was nicht ist, ist Gegenstand möglicher Vermutung, daher denn also das »der Vermutung zugänglich« wohl keine Unterart von »seiend« ist; es wird ja doch die Gattung immer über einen weiteren Bereich ausgesagt als die erscheinende Art. [9] Und wieder (ist zu unterscheiden), ob Art und Gattung über gleichweit reichende (Bestimmungen) ausgesagt werden, z. B., wenn von (Bestimmungen, die so allgemein sind, daß sie) allem folgen, die eine als Art, die andere als Gattung gesetzt würde, wie im Falle von »seiend« und »eines« – »seiend« und »eines« (folgt) ja jedem (Gegenstand): daher denn von diesen beiden keines die Gattung des anderen sein kann, wenn sie doch über gleichgroße Bereiche ausgesagt werden Entsprechend auch, wenn »Erstes« und »Anfang« einander so zugeordnet werden sollten; sowohl der Anfang ist ein Erstes wie auch das Erste ein Anfang, sodaß entweder beide Genannten dasselbe sind oder keins die Gattung des anderen. Kernstück zu alledem (ist der Satz): Die Seinsgattung geht über mehr als die Erscheinungsart und deren unterscheidendes Merkmal in ihrem Aussagebereich; auch das unterscheidende Merkmal wird ja von weniger ausgesagt als die Gattung. [10] Hinzusehen ist auch darauf, ob bei einem von der Art nach ununterschiedenen Gegenständen etwa die behauptete Gattung nicht zutrifft oder vielleicht nicht zuzutreffen scheint; im Falle, daß man eine Behauptung errichten will, aber (umgekehrt): Ob sie es für ein Bestimmtes ist. Denn für alle der Art nach ununterschiedenen (Bestimmungen) gilt die gleiche Gattung. Wenn das nun bei einem gezeigt ist, dann klar, für alle, und (umgekehrt), wenn von einem nicht, dann für keines; z. B., wenn einer, der unteilbare Linien ansetzt, sagte: Das »nichtauseinandernehmbar« ist deren Gattung; für die Linien, die Trennung sehr wohl zulassen, ist das Genannte Gattung nicht,
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und die sind doch der Art nach (von den anderen) ununterschieden. Ununterscheidbar von einander der Erscheinungsform nach sind eben die Geraden alle. Kapitel 2. [11] Zu achten ist aber auch darauf, ob es von der angegebenen Art eine andere Gattung gibt, die die angegebene Gattung weder umfaßt noch unter ihr steht, z. B., wenn jemand von »Gerechtigkeit« »Wissen« als Gattung gesetzt hätte; es ist nämlich auch »Tugend« (hier) Gattung, und keine dieser Gattungen schließt die andere ein. Somit wäre also Wissen nicht Gattung von Gerechtigkeit; es ist doch offenkundig so, wenn eine Art unter zwei Gattungen fallen sollte, dann wird die eine von der anderen umfaßt. – Diese Auffassung bringt aber in einigen Fällen Schwierigkeit: Einigen scheint Besonnenheit sowohl eine Tugend wie auch ein Wissen zu sein, und keine der beiden Gattungen werde von der anderen umfaßt. Indessen wird nicht von allen eingeräumt, daß Besonnenheit ein Wissen sei. Wenn man nun aber einräumte, daß das Behauptete wahr ist, so scheint ja doch zu den Notwendigkeiten zu gehören, daß die Gattungen derselben (Art) untereinander (angeordnet sind) oder beide unter dieselbe fallen, wie das bei »Tugend« und »Wissen« zutrifft: Beide fallen unter die gleiche Gattung, jedes von beiden ist nämlich ein Besitz und eine Verfassung. Zu prüfen ist nun also, ob keins von beiden auf die angegebene Gattung zutrifft; wenn nämlich die Gattungen weder untereinander angeordnet sind noch beide unter die gleiche fallen, so wird das Angegebene wohl nicht Gattung sein. [12] Zu betrachten ist auch die Gattung der angegebenen Gattung und so immer fort die nächsthöhere Gattung (darauf hin), ob sie alle von der Erscheinungsform ausgesagt werden und ob sie im Bereich des »was-es-ist« ausgesagt werden; alle höherliegenden Gattungen müssen nämlich von der Erscheinungsart im Bereich des »was-es-ist« ausgesagt werden; wenn da nun an irgendeiner Stelle es nicht zusammenpaßt, so (ist) klar: Das Angegebene ist nicht Gattung. [13] Und wieder (ist zu prüfen), ob die (angegebene) Gattung an der Art teilhat, entweder sie selbst oder eine von den
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höheren Gattungen; denn das Höherliegende hat an keinem Tieferen teil. Wer einreißen will, der muß es, wie angegeben, verwenden. Wer dagegen errichtet, (muß sich so verhalten): Wird zugegeben, daß die genannte Gattung der Art zwar zukommt, dagegen aber bestritten, daß sie ihr als Gattung zukommt, so reicht es, ihm zu zeigen, daß eine der höheren Gattungen von der Erscheinungsart im Bereich des »was-es-ist« ausgesagt wird; wird nämlich eine einzige in diesem wesentlichen Sinne ausgesagt, dann werden auch alle, sowohl die ihr über- wie auch die ihr untergeordneten, sofern sie nur von der Art ausgesagt werden, im Bereich des »was-es-ist« ausgesagt werden; sodaß denn also auch die angegebene Gattung im Sinne des »was-es-ist« ausgesagt wird. Daß aber, wenn eine im Sinne des »was-es-ist« ausgesagt ist, auch alle übrigen, sofern sie nur ausgesagt werden, im Sinne des »was-es-ist« ausgesagt werden, das ist durch Heranführung zu ergreifen. Wenn dagegen überhaupt bestritten wird, daß die angegebene Gattung zutreffe, dann reicht es nicht zu zeigen, daß eine der höherliegenden Gattungen im Bereich des »was-es-ist« von der Art ausgesagt wird; z. B., wenn einer als Gattung zu »Gehen« »Ortsbewegung« angegeben hat, so reicht es nicht zu zeigen, daß Gehen eine Form von »Veränderung« ist, für den Nachweis, daß es eine Ortsbewegung ist, da es ja auch andere Erscheinungsformen von Veränderung gibt, sondern man muß zusätzlich zeigen, daß »Gehen« an keiner der unter die gleiche Einteilung fallenden (Formen) teilhat, außer nur an Ortsbewegung. Denn was an der Gattung teilhat, muß notwendig auch an einer der Erscheinungsformen teilhaben, die bei der ersten Einteilung entstehen. Wenn denn also »Gehen« weder an »Zuwachs« noch an »Verminderung« noch an den anderen Erscheinungsformen von »Veränderung« teilhat, so (ist) ja wohl klar: Es hat an »Ortsbewegung« teil; somit wäre Ortsbewegung die Gattung zu Gehen. [14] Und wieder, in Fällen, wo die angesetzte Art über irgendwelche Dinge als Gattung ausgesagt wird, da ist zu prüfen, ob auch die angegebene Gattung im Sinne des »was-esist« eben von denen ausgesagt wird, von denen auch die Art
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(ausgesagt war); entsprechend auch, ob (das) für alle weiteren oberhalb dieser Gattung (gilt); wenn nämlich da irgendwo etwas nicht stimmt, so (ist) klar: Auch das Angegebene ist nicht Gattung. Wäre es das nämlich, so würden auch alle höherliegenden (Gattungen) als sie, und sie selbst auch, im Sinne des »was-es-ist« ausgesagt, wovon doch die Art im wesentlichen Sinne ausgesagt wird. Will man niederreißen, so ist das verwendbar, wenn die Gattung nicht im Sinne des »was-es-ist« ausgesagt wird über das, wovon doch die Art so ausgesagt wird; will man errichten, so ist es verwendbar, wenn sie im Sinne des »was-es-ist« ausgesagt wird. Es wird ja dann eintreten, daß Gattung und Art von einem und demselben (Gegenstand) im Sinne des »was-es-ist« ausgesagt werden, sodaß denn eines und dasselbe unter zwei Gattungen gerät; notwendig ist dann, daß die Gattungen untereinander angeordnet sind. Ist nun also von dem, was wir als Gattung errichten wollen, gezeigt, daß es nicht unter der Art steht, so (ist) ja wohl klar: Die Art steht unter ihr; somit wäre gezeigt, daß das die Gattung ist. [15] Zu prüfen sind auch die Begriffserklärungen der Gattungen, ob sie zu der angegebenen Art passen und zu dem, was an der Art teilhat; es ist ja notwendig, daß die Begriffserklärungen der Gattungen (auch) von der Art und dem, was an der Art teilhat, ausgesagt werden. Wenn da irgendwo etwas nicht stimmt, (so ist) klar: Das Angegebene ist nicht Gattung. [16] Und wieder (ist zu prüfen), ob (der Gegner) etwa das Unterscheidungsmerkmal als Gattung angegeben hat, z. B. »unsterblich« als Gattung zu »Gott«. »Unsterblich« ist doch unterscheidendes Merkmal von »Lebewesen«, da doch von den Lebwesen die einen sterblich, die anderen unsterblich sind. Klar ist nun, daß er darin gefehlt hat: Das Unterscheidungsmerkmal ist Gattung von nichts. Daß das wahr ist, (ist) klar: Kein unterscheidendes Merkmal bezeichnet ein »was-esist«, sondern eher ein »so und so beschaffen«, wie etwa »zu Lande lebend« oder »zweifüßig«. [17] Auch (ist zu prüfen), ob er das Unterscheidungsmerkmal wie eine Art unter die Gattung gesetzt hat, z. B. »ungera-
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de« als »Was-Zahl-ist«; »ungerade« ist nur Unterscheidungsmerkmal von »Zahl«, nicht Art von ihr. Es scheint das Unterscheidungsmerkmal an der Gattung nicht teilzuhaben: Alles, was an der Gattung teilhat, ist entweder Art oder unteilbar (Einzelnes), das Unterscheidungsmerkmal ist weder Art noch Einzelnes. Klar denn also: An Gattung hat das Unterscheidungsmerkmal nicht teil; daher denn auch »ungerade« ja wohl nicht Art sein kann, sondern nur Unterscheidungsmerkmal, da es doch an der Gattung nicht teilhat. [18] Weiter (ist zu prüfen), ob er die Gattung unter die Art gesetzt hat, z. B. »Berührung« als »was-Zusammenhalt-ist«, oder »Mischung« als »Was-Lösung-in-Wasser« (oder Luft), oder, wie Platon festlegt, »Ortsveränderung« als »dahin eilen«. Nicht notwendig ist nämlich Berührung Zusammenhalt, sondern umgekehrt, Zusammenhalt (schließt) Berührung (ein): nicht alles, was sich berührt, hängt zusammen, aber (umgekehrt) alles, was zusammenhängt, berührt sich auch. Entsprechend auch bei den übrigen: Nicht jede Mischung ist Lösung – die Mischung trockener (Bestandteile) ist nicht Lösung –, und nicht jeder Ortswandel ist eine Fortbewegung; Gehen ist doch offensichtlich kein Davongetragen werden, dies Dahingetragenwerden wird doch in etwa von solchen (Gegenständen) ausgesagt, die ohne Willen ihren Platz mit einem anderen wechseln, wie das z. B. bei leblosen (Körpern) eintritt. Klar, daß in den angegebenen (Fällen) die Art über einen weiteren Bereich ausgesagt wird als die Gattung, wo es doch umgekehrt zu sein hätte. [19] Und wieder: Ob er das Unterscheidungsmerkmal anstelle der Art gesetzt hat, z. B.: »unsterblich« als »was-Gottist«. Dann wird ja eintreten, daß die Art über gleichen oder größeren Bereich ausgesagt wird; (es ist aber umgekehrt:) Immer wird das Unterscheidungsmerkmal über gleichen oder größeren Bereich ausgesagt als die Art. [20] Weiter, ob (er) die Gattung anstelle des Unterscheidungsmerkmals (gesetzt hat), z. B. »Farbe« als »was-versammelnde-Art-hat« oder »Zahl« als »was-ungerade-ist«; und ob er (somit) die Gattung wie ein Unterscheidungsmerkmal aus-
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gesagt hat; dann läßt er ja zu, daß jemand auch derartige Behauptungen anbringt, wie z. B.: Von »Lösung« sei »Mischung« das Unterscheidungsmerkmal, oder von »Fortbewegtwerden« sei es »Ortswechsel«. Alles derartige ist nach den gleichen (Gesichtspunkten) zu prüfen; Denn die Gesichtspunkte laufen auf einen gemeinsamen Punkt zu: Die Gattung muß einerseits über einen weiteren Bereich ausgesagt werden als das Unterscheidungsmerkmal, und sie darf an dem Unterscheidungsmerkmal nicht teilhaben; wird es aber so (wie oben) angegeben, dann kann keine der genannten (Bedingungen) eintreten: dann wird nämlich, erstens, die Gattung über einen kleineren Bereich ausgesagt werden als das Unterscheidungsmerkmal, und – zweitens – wird sie an ihm teilhaben. [21] Und erneut: Wenn kein Unterscheidungsmerkmal derer, die zur Gattung gehören, von der angegebenen Art ausgesagt wird, dann wird auch die Gattung (von ihr) nicht ausgesagt werden, z. B.: Von »Seele« wird weder »ungerade« noch »gerade« ausgesagt, somit auch nicht »Zahl«. [22] Weiter, wenn die Art von Natur aus früher ist (als die Gattung) und die Gattung auch mit sich zugleich aufhebt, (kann das Angegebene nicht Gattung sein): Es ist ja offensichtlich das Gegenteil (zutreffend). [23] Weiter, wenn sie (die Art) die angegebene Gattung oder das Unterscheidungsmerkmal hinter sich lassen kann, z. B. »Seele« das »in Bewegung sein« oder »Meinung« das »wahr« und »falsch«, dann ist ja wohl keines der Angegebenen entweder Gattung oder Unterscheidungsmerkmal; es ist doch offensichtlich, daß Gattung und Unterscheidungsmerkmal (überall dahin) mitfolgen, wie weit die Art reicht. Kapitel 3. [24] Zu prüfen ist auch, ob etwas, das in eine Gattung gesetzt ist, teilhat an etwas, das der Gattung entgegengesetzt ist oder (an so etwas) teilhaben kann. Dann würde ja eines und dasselbe gleichzeitig an Gegensätzlichem teilhaben, wenn es doch einerseits die Gattung nie verlassen kann, andererseits aber teilhat an ihrem Gegenteil oder doch teilhaben kann.
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[25] Weiter, ob die (angegebene) Art Gemeinsamkeit mit etwas hat, was dem, was unter die Gattung fällt, überhaupt nicht zukommen kann, z. B.: Wenn »Seele« mit »Leben« gemeinsam geht, von den Zahlen aber keine leben kann, so ist ja wohl »Seele« keine Art von »Zahl«. [26] Zu prüfen ist auch, ob die Art mit der Gattung die gleiche Wortbezeichnung hat, wobei man sich der Grundlagen bedient, die zu »gleichnamig« vorgetragen sind. Gattung und Art zielen mit verschiedenen Bezeichnungen auf die gleiche Bedeutung. [27] Da zu jeder Gattung es mehrere Arten gibt, ist zu prüfen, ob zu der genannten Gattung möglicherweise eine weitere Art nicht gehören kann; gibt es nämlich keine weitere, so (ist) klar: Das Genannte ist überhaupt nicht Gattung. [28] Zu prüfen ist auch, ob (der Gegner) etwas, das nur in übertragener Bedeutung ausgesagt wird, als Gattung angegeben hat, z. B., (indem er) »Besonnenheit« (für einen) »Einklang« (erklärt hat); jede Gattung wird nämlich im eigentlichen Sinne von ihren Arten ausgesagt, »Einklang« aber von »Besonnenheit« nicht im eigentlichen Sinne, sondern nur übertragsweise: Jeder Einklang liegt doch im Bereich der Töne. [29] Weiter ist auch zu prüfen, ob es zur Art irgendein Gegenteil gibt. Die Untersuchung ist mehrschichtig: Erstens, ob auch das Gegenteil in derselben Gattung steht, wenn die Gattung kein Gegenteil hat; es muß nämlich das Gegenteilige in derselben Gattung sein, wenn es zur Gattung kein Gegenteil gibt. Gibt es dagegen zur Gattung ein Gegenteil, so ist zu prüfen, ob das (angegebene) Gegenteil unter der gegenteiligen Gattung steht, wenn es denn ein Gegenteil zur Gattung gibt. Davon wird ein jedes klar durch Heranführung. [30] Und erneut (ist zu prüfen), ob das Gegenteil zur Art überhaupt unter keiner Gattung steht, sondern selbst Gattung ist, z. B. »das Gute«; wenn nämlich dieses nicht unter eine Gattung fällt, so wird auch das Gegenteil dazu nicht unter eine Gattung fallen, sondern selbst Gattung sein, wie es bei dem Guten und dem Schlechten ja eintrifft: Keines der beiden steht unter einer Gattung, sondern jedes von beiden ist selbst Gattung.
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[31] Weiter (ist zu prüfen): Gibt es zu etwas sowohl eine gegenteilige Gattung wie auch Art, und gibt es bei den einen Bestimmungen etwas in der Mitte Stehendes, bei den anderen dagegen nicht. Wenn es nämlich bei den Gattungen etwas Vermittelndes gibt, dann auch bei den Arten, und wenn bei den Arten, dann auch bei den Gattungen, wie (das) bei »Gutsein« und »Schlechtsein« (als Gattungen) und »Gerechtigkeit« und »Ungerechtigkeit« (als Arten der Fall ist): In beiden Fällen gibt es ein Mittleres. [Einwand dazu: Zwischen Gesundheit und Krankheit gibt es keinen Mittelzustand, zwischen gut und schlecht aber doch.] Oder (es ist zu beachten), ob es zwischen beiden ein Mittleres zwar gibt, sowohl bei Arten wie auch bei Gattungen, aber nicht entsprechend, sondern im einen Falle über Verneinung, im anderen dagegen als vorliegend. Es liegt doch nahe, daß es in beiden Fällen entsprechend sein muß, wie es bei Gutsein – Schlechtsein und Gerechtigkeit – Ungerechtigkeit (ja so ist): In beiden Fällen (tritt) das Vermittelnde über Verneinung (ein). [32] Weiter, wenn es zur Gattung kein Gegenteil gibt, so ist nicht allein zu prüfen, ob das Gegenteil (zur angegebenen Art) unter die gleiche Gattung fällt, sondern (ob das) auch (für) das Vermittelnde (zutrifft); denn in welcher (Gattung) die Außenbegriffe (stehen, steht) auch das Vermittelnde, z. B. bei »weiß« und »schwarz«: »Farbe« ist nämlich die Gattung davon wie auch aller in der Mitte stehenden Farben. [Einwand: »Mangel« und »Überschuß« stehen in der gleichen Gattung – nämlich beide unter »schlecht« – dagegen »ausgewogen«, das doch in der Mitte zwischen diesen steht, fällt nicht unter »schlecht«, sondern unter »gut«.] [33] Zu prüfen ist aber auch, ob zwar die Gattung zu etwas entgegengesetzt ist, die Art aber zu nichts; (das kann nicht sein) denn wenn die Gattung zu etwas gegenteilig ist, so auch die Art, wie »Gutsein« zu »Schlechtsein« und »Gerechtigkeit« zu »Ungerechtigkeit«. Entsprechend auch, wenn man bei allem übrigen zusieht, dürfte derartiges ja wohl klar erscheinen. [Einwand: Gesundheit und Krankheit; »Gesundheit« ist zu »Krankheit« einfach entgegengesetzt, die und die bestimmte
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Krankheit, die doch eine Erscheinungsform von Krankheit ist, ist zu nichts entgegengesetzt, z. B. Fieber, Augenleiden und alle übrigen.] Wer aufheben will, muß auf so viele Weisen die Prüfung machen; liegt nämlich das Genannte nicht vor, so (ist) klar: Das Angegebene ist nicht Gattung. Wer dagegen errichten will, (kann dies) auf dreifache Weise: [34] Erstens (prüft er), ob das Gegenteil zur Art in der genannten Gattung (vorkommt), wenn es zur Gattung (selbst) kein Gegenteil gibt; findet sich nämlich das Gegenteil (der Art) in dieser Gattung, so klar: Auch die vorliegende (Art fällt unter sie). [35] Sodann (prüft er), ob das Vermittelnde in der besagten Gattung steht; in welcher nämlich die Mittelbegriffe stehen, dort auch die Außenbegriffe. [36] Und wieder, wenn es zur Gattung ein Gegenteil gibt, so ist zu prüfen, ob auch das Gegenteil (zur Art) in der gegenteiligen (Gattung) steht; ist das nämlich der Fall, so klar: Auch die vorliegende (Art) in der vorliegenden (Gattung). [37] Und wieder, bei den Wortabwandlungen und dem, was in einer Reihe steht, (ist zu prüfen,) ob sie entsprechend mitfolgen, sowohl wenn man aufheben wie wenn man errichten will; denn dies trifft entweder auf eines und alles zugleich zu, oder es trifft nicht zu, z. B.: Ist »Gerechtigkeit« eine Form von »Wissen«, so ist auch das »gerechtermaßen« ein »gewußtermaßen«, und der Gerechte ist ein Kundiger; trifft eines davon nicht zu, so auch von den übrigen keines. Kapitel 4. [38] Und wieder (ist das Augenmerk zu richten) auf die (Bestimmungen), die sich entsprechend zu einander verhalten, z. B.: »angenehm« verhält sich entsprechend zu »Lust« wie »nützlich« zu »gut«; je das eine ist nämlich Hervorbringer des je anderen. Wenn nun die Lust »was-überhauptgut-ist« bedeutet, so wird auch das Angenehme »das-wasüberhaupt-nützlich-ist« sein; klar doch, es wäre ein Bewirker von Gutem, wenn doch Lust ein Gut ist. [39] Entsprechend auch mit Vorgängen von Entstehung und Untergang, z. B., ist »Hausbauen« ein »Tätigsein«, so »Haus-
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gebauthaben« ein »Tätiggewesensein«, und ist »Lernen« ein»Sicherinnern«, so »Gelernthaben« ein »Sicherinnerthaben«, und ist »Aufgelöstwerden« ein »Zugrundegehen«, so »Aufgelöstsein« ein »Zugrundegegangensein«, und »Auflösung« ist eine Form von »Untergang«. Und mit dem, was Entstehung und Untergang bewirkt, entsprechend, und mit den Möglichkeiten von Können und Gebrauch (ebenso), und überhaupt, gemäß welcher Entsprechung auch immer, einerlei ob man aufheben oder errichten will, so muß man es prüfen, so wie wir es zu Entstehung und Untergang gesagt haben: Ist das Untergang-Bewirkende Auflösung bewirkend, so ist Untergehen ein Aufgelöstwerden; und ist das Entstehung-Bewirkende seinschaffend, so auch das Entstehen ein Geschaffenwerden und Entstehung eine Ersschaffung. Entsprechend auch mit Formen von Können und Gebrauch: Ist »Können« ein (So und so)-Verfaßtsein, so »können« ein (so und so)-verfaßtsein, und wenn »Gebrauch« (dieses Könnens) eine »Tätigkeit« ist, so ist das »gebrauchen« ein »tätigsein« und das »gebrauchthaben« ein »tätiggewesensein«. [40] Wenn dagegen das Gegenteil der Art ein Verlust ist, so geht das Aufheben doppelt: Erstens, wenn das Entgegengesetzte innerhalb der angegebenen Gattung steht; denn der Verlust steht entweder überhaupt in keinem Falle in derselben Gattung oder nicht in der letzten, z. B.: Steht »Sehvermögen« unter »Sinneswahrnehmung« als seiner letzten (unmittelbaren) Gattung, so wird »Blindheit« nicht Sinneswahrnehmung sein. Zweitens, wenn der Verlust sowohl der Gattung wie auch der Art entgegengesetzt ist, aber das Entgegengesetzte nicht unter der entgegengesetzten (Gattung), so wird ja auch wohl das Angegebene nicht unter der angegebenen (Gattung) stehen. Für jemanden, der aufheben will, ist nun also, wie vorgetragen, die Sache in die Hand zu nehmen. Will man errichten, (geht es) nur auf eine Weise: Findet sich das Entgegengesetzte unter dem Entgegengesetzten, so steht ja wohl auch das Angegebene unter dem Angegebenen, z. B.: Ist »Blindheit« eine Form von »Wahrnehmungsverlust«, so ist »Sehvermögen« eine Form von »Sinneswahrnehmung«.
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[41] Und wieder, bei Verneinungen muß man es umgekehrt ansehen, als es zu »nebenbei zutreffend« gesagt war, z. B.: Ist »angenehm« »was-gut-ist«, so ist »was nicht gut ist« »nicht angenehm«. Verhielte es sich nämlich nicht so, so wäre ja auch etwas, das »nicht gut« ist, »angenehm«, es kann aber unmöglich sein, wenn »gut« die Gattung von »angenehm« ist, daß etwas Nicht-Gutes angenehm ist: (Dinge), von denen nämlich die Gattung nicht ausgesagt wird, von denen (wird) auch keine der Arten (ausgesagt). Auch wer errichten will, muß es genauso ansehen: Ist das Nicht-Gute nicht angenehm, so das Angenehme gut; also: »gut« ist die Gattung von »angenehm«. [42] Wenn die Art ein »im Verhältnis zu ...« ist, so ist zu prüfen, ob auch die Gattung ein »im Verhältnis zu ...« ist; wenn nämlich die Art zu den (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...« gehört, dann auch die Gattung, wie bei »doppelt« und »vielfach« (zu sehen): Beides gehört zu den »im Verhältnis zu ...«. Gehört dagegen die Gattung zu den »im Verhältnis zu ...«, so nicht notwendig auch die Art: »Wissen« gehört zu den »im Verhältnis zu«-(Bestimmungen), »Schreibkunst« dagegen nicht. [Oder erscheint auch das zuvor Gesagte vielleicht etwa nicht wahr: Tugend ist doch »was-schön-und-gut-ist«, und Tugend gehört zwar zu den »im Verhältnis zu«-(Bestimmungen), dagegen »gut« und »schön« nicht zu den (Dingen) »im Verhältnis zu ...«, sondern (sind) so und so beschaffen.] [43] Und erneut (ist zu prüfen), ob etwa die Art, für sich genommen, nicht im Verhältnis zu dem gleichen ausgesagt wird, wie wenn man sie von ihrer Gattung her aussagt, z. B.: Wenn »doppelt« als »doppelt im Verhältnis zu einem halb so Großen« ausgesagt wird, so muß auch »vielfach« als »(Vielfaches) eines Halben« ausgesagt werden; andernfalls wäre »vielfach« nicht Gattung zu »doppelt«. [44] Weiter (ist zu beachten), ob etwa (die Art), über ihre Gattung vermittelt ausgesagt, nicht im Verhältnis zu dem gleichen ausgesagt wird, wie wenn (sie) vermittelt über alle Gattungen der Gattung (ausgesagt wird): Ist »doppelt« (auch) »Vielfaches von halb«, so wird es auch als »Halbes übertreffend« ausgesagt werden, und schlechterdings über alle noch
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höher liegenden Gattungen vermittelt, wird es »im Verhältnis zu halb« ausgesagt werden. [Einwand: Es ist nicht notwendig, daß etwas, für sich genommen, und auch über die Gattung vermittelt, im Verhältnis zu dem gleichen ausgesagt wird: »Wissen« wird ausgesagt im Verhältnis zu Gegenständen, von denen man etwas wissen kann, »Besitz« und »Verfassung« dagegen nicht im Verhältnis zu solchen Gegenständen, sondern von der Seele.] [45] Erneut (ist zu prüfen), ob Gattung und Art in den Wortabwandlungen gleichlaufend ausgesagt werden, z. B., ob es mit »wem?« (so ist) oder mit »wessen?« oder wie auch immer anders. Wie nämlich die Art, so (muß auch) die Gattung (gehen), wie bei »doppelt« und den höheren (Gattungen) auch: Doppelt ist (dies) im Verhältnis zu etwas und vielfach (entsprechend). Ebenso auch mit »Wissen«: Es selbst ist (Wissen) von etwas, und so seine Gattungen auch, z. B. »Verfassung« und »Besitz«. [Einwand: Gelegentlich geht es nicht so: »unterschieden« und »entgegengesetzt« ist »zu etwas«, »verschieden«, das doch deren Gattung ist, ist nicht »zu etwas«, sondern »von etwas«; man sagt doch: »verschieden wovon«.] [46] Und wieder (ist zu beachten), ob die (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...«, die in ihren Wortabwandlungen entsprechend ausgesagt werden, dies bei ihrer entsprechenden Umkehrung etwa nicht tun, wie im Falle von »doppelt« und »vielfach«: Beides wird ja sowohl für sich wie auch im Umkehrfalle mit »wovon« ausgesagt: »Wovon ist es doch die Hälfte?« und: » Wovon ist es der so und so vielte Teil?« Ebenso auch mit »Wissen« und »Auffassen«: Sie selbst sind (was sie sind) »von etwas«, und das läßt sich umkehren; entsprechend auch, was »jemandem« durch Wissen oder Auffassung zugänglich ist. Geht nun bei einigen (Bestimmungen) die Umkehrung nicht entsprechend, so (ist) klar: Das eine ist nicht Gattung des anderen. [47] Und wieder (ist zu fragen), ob etwa Art und Gattung nicht im Verhältnis zu gleichvielen (Bestimmungen) ausgesagt werden; jedes davon scheint doch in gleichen und gleichvielen Beziehungen ausgesagt zu werden, wie etwa bei »Schenkung«
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und »Gabe« der Fall: Schenkung wird als »von etwas« und »an jemanden« ausgesagt, auch Gabe ist »von etwas an jemanden«. »Gabe« ist dabei Gattung zu »Schenkung«; Schenkung ist nämlich »Gabe, die man nicht vergelten muß«. Bei einigen (Bestimmungen) dagegen tritt es nicht ein, daß sie im Verhältnis zu gleichviel ausgesagt werden: »Doppelt« ist das Doppelte »von etwas«, dagegen »übertreffend« und »größer« sind das (was sie sind) »als etwas« oder »durch etwas«: Alles, was (etwas) übertrifft oder größer ist (als es), übertrifft »um so und so viel«, und es übertrifft »etwas«. Also ist das Genannte nicht Gattung von »doppelt«, da es doch nicht im Verhältnis zu gleichem ausgesagt wird wie die (angenommene) Art. [Oder ist es vielleicht nicht durchgehend wahr, daß Art und Gattung im Verhältnis zum gleichen ausgesagt werden?] [48] Zu sehen ist auch darauf, ob Gattung von Gegenteiligem Gegenteiliges ist, z. B.: Wenn von »doppelt« »vielfach« (die Gattung ist), so von »halb« »so und so vielter Teil«. Es muß nämlich Gegenteiliges Gattung von Gegenteiligem sein. Würde nun jemand gesetzt haben: Wissen ist »was-Wahrnehmung-ist«, so wird auch »was gewußt werden kann« ein »was wahrgenommen werden kann« sein müssen. Das ist es aber nicht: Nicht alles, was gewußt werden kann, ist auch wahrnehmbar; auch von dem, was nur gedacht wird, ist einiges dem Wissen zugänglich. Also ist »wahrnehmbar« nicht Gattung zu »dem Wissen zugänglich«; wenn aber das nicht, so auch nicht »Wahrnehmung« (Gattung) von »Wissen«. [49] Da nun von den (Bestimmungen), die »im Verhältnis zu ...« ausgesagt werden, die einen mit Notwendigkeit an dem oder im Bereich dessen vorkommen, im Verhältnis zu dem es gerade ausgesagt wird – z. B. »Verfassung« und »Besitz« und »Ebenmaß«: Die Genannten können an nichts anderem vorliegen als nur an dem, im Verhältnis worauf sie ausgesagt werden –, anderes dagegen zwar nicht notwendig an dem vorkommen muß, im Verhältnis wozu es gerade ausgesagt wird, aber vorkommen kann – z. B. (die Frage), ob Seele etwas ist, das dem Wissen zugänglich ist: Es hindert ja nichts (die Annahme), daß die Seele ein Wissen von sich selbst habe, das ist
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aber nicht notwendig; es kann nämlich auch sein, daß eben dieses an einem anderen vorliegt –, (da drittens) wieder anderes überhaupt nicht an dem vorliegen kann, im Verhältnis zu dem es gerade ausgesagt wird – z. B. Gegenteiliges nicht an Gegenteiligem und Wissen nicht an dem, was gewußt werden kann, außer in dem Falle, daß Gegenstand des Wissens gerade Seele selbst oder Mensch wäre –: so muß nun also hingesehen werden, ob jemand etwas derartiges unter eine Gattung setzt, die nicht von der Art ist, z. B., hat er etwa gesagt: »Gedächtnis ist ein Bleiben von Wissen«. Jedes »Bleiben« nämlich liegt an dem Bleibenden und in seinem Bereich vor, somit denn also auch das »Bleiben von Wissen« am Wissen; folglich also liegt »Gedächtnis« an dem Wissen vor, da es doch »bleibendes Wissen« ist. Das ist aber nicht gegeben: Jede Form von Gedächtnis kommt vor an »Seele«. Der genannte Gesichtspunkt ist gemeinsam auch für nebenbei Zutreffendes; es macht nämlich keinen Unterschied, als Gattung von »Gedächtnis« das »Bleiben« zu behaupten oder zu sagen, dies treffe auf es nur nebenbei zu; ist nämlich, wie auch immer, Gedächtnis ein »Bleiben des Wissens«, so wird dieselbe Rede darauf passen. Kapitel 5. [50] Und aufs neue, wenn (der Gegner) das »wasman-hat« unter das »was-man tut« gesetzt hat oder (umgekehrt) solche Tätigkeit unter solches Haben, (so ist das falsch), z. B.: »Sinneswahrnehmung« als »Veränderung, (die) durch den Leib (abläuft)«; denn Sinneswahrnehmung ist ein Besitz, Bewegung dagegen ein Tun. Entsprechend auch, wenn er gesagt hat: »Erinnerung ist ein festhaltender Besitz von Aufgenommenem«; denn keine Erinnerung ist ein Haben, sondern eher eine Tätigkeit. [51] Einen Fehler machen auch die, welche solches Haben unter das dem mitfolgende Können setzen, z. B. »Sanftmut« als »Fähigkeit, den Zorn zu beherrschen«, und »Mannesmut« und »Gerechtigkeit« als (solche Fähigkeit), über Furcht und Gewinnsucht (zu siegen): »Tapfer« und »sanftmütig« wird doch der genannt, der solchen Anfechtungen nicht unterliegt, »beherrscht« dagegen der, der sie zwar erfährt, aber sich von
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ihnen nicht treiben läßt. Vielleicht folgt ja ein derartiges Können beiden (Tugenden), so daß (einer), wenn er (die entsprechenden Anfechtungen) erführe, sich nicht (von ihnen) treiben ließe, sondern sie beherrschte; indessen, das ist es nicht, was den einen tapfer und den anderen mutig macht, sondern es ist die Eigenschaft, von solchen (Anfechtungen) überhaupt nicht ergriffen zu werden. [5] Gelegentlich setzen (die Leute) auch, was nur irgendwie mitfolgt, als Gattung an, z. B. »Leid« als die von »Zornausbruch« und »Kenntnisnahme« als die von »Überzeugung«. Beide genannten folgen zwar auf irgendeine Weise den angegebenen Arten, doch keine ist deren Gattung: Wessen Zorn ausbricht, der empfindet schon Unlust, nur tritt diese Unlust in ihm vorher auf; denn nicht der Zorn ist Ursache von Leid, sondern (umgekehrt) Unlust die von Zorn, daher einfach so der Zorn nicht Leid ist. Nach den gleichen (Überlegungen) ist auch Überzeugung nicht (einfach so) ein Aufnehmen; es geht doch auch, daß man in Kenntnisnahme der gleichen Sachverhalte sich (einmal) davon nicht überzeugen läßt (ein andermal doch), das geht aber nicht, wenn »Überzeugung« eine Art wäre von »Kenntnisnahme«; denn es geht nicht an, daß (etwas) noch dasselbe bleibt, wenn es ganz aus der Art herausgefallen ist, so wie auch nicht ein und dasselbe Lebewesen mal Mensch sein kann, mal nicht. Wenn dagegen einer sagt, aus Notwendigkeit müsse einer, der etwas zur Kenntnis nimmt, sich auch davon überzeugen, so wird »Kenntnisnahme« und »Überzeugung« über einen gleichgroßen Bereich ausgesagt werden, so daß sie auch so deren Gattung nicht sein kann, denn die Gattung muß über einen größeren Bereich ausgesagt werden (als die Art). [53] Zu sehen ist auch, ob es beiden gegeben ist, an einem und dem gleichen vorzukommen: An welchem die Art (vorliegt), da auch die Gattung, z. B.: Wem »weiß« zukommt, dem auch »Farbe«, und wem »Schreibkunst«, dem auch »Wissen«. Wenn nun einer den Sinn für Anstand als »Furcht« anspricht oder den Zorn als »Leid«, so wird sich nicht ergeben, daß Art und Gattung an dem Selben auftreten: Sinn für Anstand tritt auf an dem vernünftigen (Seelenvermögen), Furcht dagegen
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an dem willensbestimmten; und Leid an dem begehrlichen – an diesem ja auch Lust –, Zorn dagegen an dem willensbestimmten; sodaß denn also das Behauptete keine Gattungen sind, da es ihnen vom Wesen her nicht gegeben ist, an dem gleichen wie die Arten aufzutreten. Entsprechend auch, wenn die Liebessehnsucht in dem begehrlichen (Seelenvermögen) liegt, so ist sie ja wohl keine Form von Willensentschluß: jedes Mit-sich-zu-Rate-Gehen liegt ja in dem Vernünftigen. Anwendbar ist der Gesichtspunkt auch für nebenbei Zutreffendes: dieses nur nebenbei Eintreffende kommt doch an demselben vor wie das, dem es nebenbei mitfolgt, also, wenn es nicht an demselben erscheint, so klar: Es ist kein nebenbei Zutreffendes. [54] Und wieder (ist darauf zu achten), ob die Art nur ineiner bestimmten Hinsicht an der genannten Gattung teilhat; es scheint doch nicht richtig, daß an der Gattung nur in der und der Hinsicht teilgenommen wird: »Mensch« ist doch nicht (nur) in der und der Hinsicht »Lebewesen« und »Schreibkunst« nicht »Wissen in der Hinsicht«; entsprechend auch mit dem übrigen. Zu prüfen ist nun also, ob in einigen Fällen an der Gattung nur über eine Hinsicht teilgenommen wird, z. B., wenn »Lebewesen« als »was-wahrnehmbar-ist« oder »wassichtbar ...« ausgesagt wäre; denn Lebewesen ist nur in einer bestimmten Hinsicht wahrnehmbar oder sichtbar, nämlich über seinen Körper ist es wahrnehmbar und sichtbar, über seine Seele nicht; sodaß denn also »sichtbar« und »wahrnehmbar« nicht Gattung von »Lebewesen« wären. [55] Gelegentlich merkt man es auch nicht, wenn (Leute) das Ganze unter den Teil setzen, z. B. »Lebewesen« unter »Belebter Körper«. Keinesfalls wird aber der Teil vom Ganzen ausgesagt, sodaß denn also »Körper« nicht Gattung wäre von »Lebewesen«, da er doch ein Teil davon ist. [56] Zu beachten ist auch, ob (der Gegner) etwas von dem, was man tadeln oder meiden soll, unter »können« und »möglich« gesetzt hat, z. B. den Sophisten 〈als einen, »der mit vorgetäuschter Weisheit Geld verdienen kann«), oder den Verleumder (als einen, »der üble Nachrede vermag und Freunde
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zu Feinden machen kann«〉, oder den Dieb als einen, »der heimlich fremdes Gut auf die Seite bringen kann«. Keiner der Genannten wird ja doch als solcher angesprochen, weil er zu dergleichen fähig ist – es vermag ja auch ein Gott oder ein anständiger Mann, Böses zu tun, nur sind sie eben nicht derart. Alle Nichtsnutzigen werden nach einer vorsätzlichen Wahlentscheidung so genannt. Sodann gehört jedes Können zum Wünschenswerten; auch die Fähigkeiten von Nichtsnutzen sind ja wünschenswert; daher sagen wir, daß auch der Gott und der anständige Mann sie habe: Fähig sind sie doch, sagen wir, Schlechtes zu tun. Also ist ja doch wohl das Können zu nichts die Gattung, was man tadeln muß. Andernfalls würde ja eintreten, daß von Tadelnswertem etwas auch wünschenswert wäre; denn es wird ja dann ein Können geben, das tadelnswert ist. [57] Und (man muß darauf achten), ob (der Gegner) etwas von dem, was um seiner selbst willen achtbar und wünschenswert ist, unter »können« oder »möglich« oder »verhilft zu etwas« gesetzt hat; (das ist dann falsch), denn jedes Vermögen, alles, was sein kann, oder alles, was zu etwas verhilft, ist wünschenswert eines anderen wegen. [58] Oder wenn er etwas von dem, was unter zwei oder mehr Gattungen steht, in je nur die eine oder andere davon gesetzt hat. Es gibt nämlich einiges, was sich nicht unter nur eine Gattung setzen läßt, z. B. »Betrüger« und »Verleumder«: Weder wer es sich zwar vorgenommen hat, aber nicht zustandebringt, noch wer es zwar könnte, aber die Entscheidung dagegen trifft, ist ein Verleumder oder Betrüger, sondern nur, wer dies beides hat. Also ist das Genannte nicht unter eine Gattung zu setzen, sondern unter beide. [59] Weiter geben (die Leute) gelegentlich in verkehrter Reihenfolge die Gattung als den (artbildenden) Unterschied an, den Unterschied als Gattung, z. B. »Bestürzung« als »Übermaß an Verwunderung« und »Überzeugung« als »Überwältigenden Eindruck«; (das ist falsch), denn weder »Übermaß« noch »Überwältigung« sind Gattung, sondern (nur) Unterscheidungsmerkmal. Es ist doch anscheinend Bestürzung
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ein »Übermäßiges Verwundertsein« und Überzeugung eine »entschiedene Annahme«, sodaß als »Verwunderung« und »Annahme« (hier) die Gattung sind, »Übermaß« und »Nachdrücklichkeit« (nur) Unterscheidungsmerkmal. Weiter, wenn einer Übermaß und Heftigkeit als Gattungen angeben will, so werden dann ja auch leblose Dinge überzeugt und bestürzt sein können; denn Heftigkeit und Übermaß eines jeden liegt doch bei jenem vor, dessen Heftigkeit und Übermaß es ist. Wenn nun Bestürzung ein Übermaß an Verwunderung ist, so wird bei »Verwunderung« »Bestürzung« vorkommen, mit der Folge, daß die Verwunderung bestürzt sein würde. Entsprechend auch wird »Überzeugung« an »Annahme« vorliegen, wenn sie doch eine »Nachdrücklichkeit der Annahme« ist, mit der Folge, daß die Annahme überzeugt sein wird. Sodann wird es einem, der es so angibt, geschehen, daß er »heftige Heftigkeit« und »Übermäßiges Übermaß« sagt; die Überzeugung ist ja »nachdrücklich« [und die Bestürzung übermäßig]; ist nun eine Überzeugung eine Nachdrücklichkeit, so wäre auch Nachdrücklichkeit nachdrücklich. Entsprechend ist auch Bestürzung »Übermäßig«; ist nun Bestürzung ein »Übermaß«, so wäre auch Übermaß übermäßig. Es ist aber offenkundig keins der beiden so, so wie ja auch das Wissen nicht »wissend« und die Bewegung nicht »bewegt«. [60] Gelegentlich fehlen (die Leute) auch, indem sie etwas, das von außen zustößt, in die Gattung setzen, der dies zustößt, z. B. Leute, die sagen: »Unsterblichkeit ist immerwährendes Leben«; es ist doch offenbar nur eine äußere Begleiterscheinung oder etwas, das ihm zufallen kann, was so Unsterblichkeit ist. Daß das Behauptete wahr ist, dürfte klarwerden, wenn einer einräumte, jemand könne aus einem Sterblichen unsterblich werden; niemand wird ja dann sagen, daß er ein (vom alten) verschiedenes neues Leben annehme, sondern daß eben diesem selben (Leben) ein bestimmtes Ereignis oder eine Einwirkung, die es ändert, zuteil wird. Also ist »Leben« nicht Gattung von »Unsterblichkeit«. [61] Und wieder (begeht man einen Fehler), wenn man sagt, von einer Einwirkung sei das, an dem diese Einwirkung vor-
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kommt, die Gattung, z. B.: »Wind ist bewegte Luft«; Wind ist eher »Bewegung von Luft«; die Luft ist es nämlich, die dieselbe bleibt, einerlei ob sie bewegt wird oder steht. Also, nicht überhaupt ist Wind Luft; sonst gäbe es ja auch Wind, wenn Luft nicht bewegt ist, wenn doch dieselbe Luft zur Ruhe kommen kann, die eben noch Wind war. Entsprechend auch mit allem übrigen derart. – Und wenn man denn schon in diesem Falle einräumen muß: Wind ist in Bewegung geratene Luft, so ist doch derartiges nicht bei allen (Fällen) hinzunehmen, bei denen die Gattung nicht wahrheitsgemäß ausgesagt wird, sondern nur in den Fällen, soweit die angegebene Gattung wahrheitsgemäß ausgesagt wird. Bei einigen Fällen wird das ja anscheinend nicht wahrheitsgemäß angegeben, z. B. bei »Schlamm« und »Schnee«; Schnee, so sagt man doch, ist »festgewordenes Wasser«, und Schlamm »mit Feuchtigkeit vermischte Erde«. Nun ist aber weder der Schnee Wasser noch der Schlamm Erde; somit wäre keines der Angegebenen Gattung; die Gattung muß doch wahrheitsgemäß von den Arten ausgesagt werden. Entsprechend auch »Wein« nicht »in Gärung übergegangenes Wasser«, so wie Empedokles spricht von »gegoren im Holze Wasser«. Er ist nämlich schlechterdings nicht Wasser. Kapitel 6. [62] Des weiteren (ist zu prüfen), ob das Angegebene etwa überhaupt von nichts Gattung ist. Klar dann ja: Von dem Behaupteten auch nicht. Zu überprüfen ist das daran, daß sich das, was an der angegebenen Gattung teilhat, in nichts der Art nach unterscheidet, z. B. »alles, was weiß ist« – das unterscheidet sich ja nicht der Art nach voneinander; von jeder Gattung dagegen gibt es unterschiedliche Arten. Somit wäre also »weiß« Gattung von nichts. [63] Und wieder (ist zu beachten), ob (der Gegner) etwas, das allen Bestimmungen folgt, für eine Gattung oder (artbildenden) Unterschied erklärt hat. Es gibt eine Mehrzahl (solcher Bestimmungen), die allem folgen, z. B., »seiend« und »eines« gehören zu dem, was allem folgt. Wenn er nun »seiend« als Gattung angegeben hat, so (ist) klar: Es wäre Gattung von
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allem, wenn es doch davon ausgesagt wird. Die Gattung wird ja doch über nichts als nur über (ihre) Arten ausgesagt; sodaß denn auch »eines« eine Art wäre von »seiend«; folglich tritt dann ein, daß über alles, wovon die Gattung ausgesagt wird, auch die Art ausgesagt wird, da doch »seiend« und »eines« schlechterdings über alles und jedes ausgesagt werden; wo es doch nötig wäre, daß die Art über einen kleineren Bereich ausgesagt wird. Hat er dagegen eine allem folgende Bestimmung als (artbildenden) Unterschied genannt, so (ist) klar: Entweder wird der Unterschied über einen gleichgroßen Bereich ausgesagt werden wie die Gattung oder sogar über einen noch größeren als sie; gehört nämlich auch die Gattung zu der Sorte, die allem folgt, so über einen gleichen; folgt die Gattung dagegen nicht allem, so wird ja wohl der Unterschied über einen größeren Bereich ausgesagt als sie. [64] Weiter (ist darauf zu achten), ob die angegebene Gattung an der Art als (an ihrem) Zugrundeliegenden (vorkommend) ausgesagt wird, wie z. B. »weiß« von »Schnee«; somit (wäre) klar: Sie kann nicht Gattung sein, die Gattung wird nämlich nur von der zugrunde gelegten Art ausgesagt. [65] Zu prüfen ist auch, ob nicht etwa die Gattung mit der Art gleichbedeutend ausgesagt wird; (das wäre dann falsch), denn die Gattung wird gleichbedeutend (nur) von der Gesamtheit ihrer Arten ausgesagt. [66] Sodann (ist zu sehen): Gibt es zur Art und zur Gattung ein Gegenteil, ob (der Gegner) dann das bessere der Gegenteile unter die geringerwertige Gattung gesetzt hat; dann wird sich nämlich ergeben, daß das restliche (Gegenteil) in der restlichen (Gattung) sich findet, wenn doch gegenteilige Bestimmungen in gegenteiligen Gattungen stehen; also wird dann das Bessere in dem Geringeren sich finden und das Geringere in dem Besseren. Es scheint aber doch, daß von Besserem auch die Gattung die wertvollere sein muß. [67] Und (zu beachten ist) auch: Wenn eine und dieselbe Art sich zu beiden (Formen von Gegenteil) gleich verhält, ob er sie dann unter die geringerwertige und nicht unter die wertvollere Gattung gesetzt hat, z. B.: »Seele« als »was-Bewegung-
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ist« oder »in Bewegung«; diese scheint doch gleichermaßen zur Ruhe wie zur Bewegung fähig zu sein; also, wenn »Ruhe« wertvoller ist, so hätte er (Seele) unter diese Gattung setzen müssen. [68] Sodann (geht es) aus dem Gesichtspunkt von mehr und weniger, wenn, einerseits, man einreißen will: (Da fragt man), ob die Gattung ein »mehr« an sich nimmt, die Art es aber nicht annimmt, weder sie selbst, noch was ihr gemäß ausgesagt wird, z. B.: Nimmt »gutsein« eine Steigerung an, so auch »Gerechtigkeit« und »gerecht«; es wird ja auch einer »gerechter« als ein anderer genannt. Wenn folglich die angegebene Gattung ein »mehr« an sich nimmt, die Art dagegen nimmt es nicht an sich, weder sie selbst noch das nach ihr Ausgesagte, so wäre ja wohl das Angegebene nicht Gattung. [69] Und wieder, wenn etwas, das eher oder gleichsehr Gattung (zu sein) scheint, es nicht ist, so klar: Auch das Angegebene nicht. Der Gesichtspunkt ist besonders gut anwendbar bei solchen (Sachlagen), wo von einer Art mehrere Aussagen im Bereich der »Was-ist-es«-(Frage) erscheinen und nicht bestimmt ist und wir nicht zu sagen wissen, welches davon nun Gattung ist, z. B.: Von »Zorn« scheint sowohl »Leid« wie auch »Annahme verächtlicher Behandlung« im »Was-ist-es«(Bereich) ausgesagt zu werden: Wer in Zorn gerät, empfindet ja Unlust und nimmt an, geringschätzig behandelt zu werden. – Die gleiche Betrachtung (ist) auch (angezeigt), wenn man bei einer Art (sie) mit einer anderen vergleicht: Wenn die, die eher oder doch gleichsehr unter der angegebenen Gattung zu stehen scheint, tatsächlich unter der Gattung nicht ist, so klar: Auch die angegebene Art wird ja wohl nicht unter der Gattung sein. Wer nun also aufheben will, für den ist es wie gesagt zu brauchen. Wer dagegen errichten will, (für den gilt) [70]: Wenn die angegebene Gattung sowohl wie die Arten das »mehr« an sich nimmt, so ist der Gesichtspunkt nicht brauchbar; denn nichts hindert (die Annahme), auch wenn beide es an sich nehmen, daß doch das eine nicht des anderen Gattung ist: »Schön« (z. B.) und »weiß« nehmen das »mehr« an sich, und keins davon ist
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des anderen Gattung. Dagegen die Vergleichung der Gattungen und der Arten untereinander ist verwendbar, z. B.: Wenn das und jenes gleichermaßen Gattung ist, (so gilt): Wenn das eine Gattung, so auch das andere. Entsprechend auch: Wenn das, was in schwächerem Maße (Gattung ist, dies tatsächlich ist), dann auch das, was (es) in stärkerem Maße (ist), z. B.: Ist von »Selbstbeherrschung« eher »Können« die Gattung als »Tugend«, ist aber Tugend (als) Gattung (erwiesen), so ist auch Können eine. Das gleiche wird auch passen, bezüglich der Art gesagt zu werden: Ist dies und jenes gleichsehr Art des Vorliegenden, (so gilt): Wenn das eine Art ist, dann auch das restliche; und wenn das, was es weniger zu sein scheint, (doch) Art ist, so auch das, was es in höherem Maße zu sein scheint. [71] Weiter ist für das Errichten zu prüfen: Ob (bei den Bestimmungen), von denen die Gattung angegeben wurde, dies auch im Bereich des »was es ist« ausgesagt wird, (dies für den Fall), wenn es nicht eine Art ist, die da angegeben wurde, sondern deren mehrere und unterschiedene; klar, daß es dann Gattung sein wird. Wenn dagegen die angegebene Art nur eine ist, so ist zu prüfen, ob auch von anderen Arten die Gattung im Bereich des »was ist es« ausgesagt wird; (ist das so), dann wird ja wieder eintreten, daß sie von einer Mehrzahl und unterschiedenen ausgesagt wird. [72] Angesichts dessen, daß einigen (Leuten) es so scheint, daß auch der (artbildende) Unterschied von den Arten im Bereich des »was es ist« ausgesagt wird, so ist die Gattung von dem Unterscheidungsmerkmal zu sondern, indem man sich der genannten Grundregeln bedient, erstens: Die Gattung wird über einen größeren Bereich ausgesagt als der Unterschied; zweitens: Zur Angabe des »was ist es« paßt es eher, die Gattung als den Unterschied zu nennen – wer »Lebewesen« genannt hat, macht »Mensch« in näherem Maße deutlich, als wer »Landgänger« (gesagt hat); drittens: Der Unterschied bezeichnet immer ein So-und-so-beschaffen-sein der Gattung, die Gattung dagegen (das gleiche) vom Unterschied nicht; wer nämlich gesagt hat: »Landgänger«, meint ein »so und so beschaffenes Lebewesen«, wer dagegen »Lebewesen« gesagt
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hat, sagt nicht: »So und so beschaffener Landgänger«. – Den Unterschied muß man also von der Gattung auf diese Weise sondern. [73] Da aber (folgendes richtig) scheint: Ist »gebildet«, insofern es eben das ist, »etwas wissend«, so ist auch »Bildung« eine Art von »Wissen«, und: Wenn etwas, das »auf Füßen geht«, durch dies Gehen auch »in Bewegung ist«, dann ist »Gehen« eine Art von »Bewegung«, so ist (die Frage): »In welcher Gattung willst du etwas einstellen?« auf besagte Weise zu prüfen, z. B.: Ist »Wissen« »das-was-Überzeugung-ist«, wenn doch einer, der etwas weiß, insofern er dies weiß, davon überzeugt ist: Klar dann, daß »Wissen« eine Art von »Überzeugung« wäre. Auf die gleiche Weise (ist) auch bei allem anderen derart (zu verfahren). [74] Weiter, da etwas, was einem anderen immer mitfolgt, was sich aber nicht in der Folge umkehren läßt, nur schwer davon zu sondern ist, nicht Gattung zu sein, wenn zwar dies auf das in jedem Falle folgt, (umgekehrt) aber nicht das auf dies in jedem Falle – z. B. auf »Windstille« »Ruhe« und auf »Zahl« »teilbar«, umgekehrt aber nicht: Was teilbar ist, ist nicht alles Zahl und auch nicht (jede Form von) Ruhe Windstille –, so darf man selbst wohl das immer Mitfolgende brauchen, als wäre es Gattung, wenn das andere nicht umgekehrt entspricht; dagegen, wenn ein anderer uns das vorsetzt, so muß man nicht in allen Fällen zustimmen. – Einwand dagegen: »Nicht seiend« folgt in jedem Falle dem »entstehend« – was da wird, ist ja noch nicht –, und es kehrt sich nicht um – nicht alles, was nicht ist, entsteht einmal –, gleichwohl ist »nicht seiend« nicht Gattung zu »entstehend«; es gibt nämlich überhaupt keine Arten von »nicht seiend«. – Die Gattung betreffend, ist also in der vorgetragenen Weise die Sache anzufassen.
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Kapitel 1. Ob nun aber das je Behauptete eine eigentümliche Eigenschaft ist oder nicht eigentümlich, ist mittels folgender (Gesichtspunkte) zu prüfen. Die Eigentümlichkeit wird gegeben (a) als »an sich« (bestehend) und (b) »immer« (zutreffend), (c) »im Verhältnis zu einem anderen« und (d) »auf Zeit«, z. B.: An und für sich von »Mensch« (die Eigentümlichkeit) »Lebewesen, gesittet nach Naturanlage«; im Verhältnis zu einem anderen z. B. das von »Seele« zu »Leib«: Das eine ist »Anordnung gebend«, das andere »dienend«; (Beispiel für) immer: (Eigentümlichkeit) von »Gott« (ist) »Lebewesen, unsterblich«, (für) auf Zeit: (Eigentümlichkeit) »dieses bestimmten Menschen« (ist) »auf dem Sportplatz herumlaufen«. Was im Verhältnis zu einem anderen als eigentümlich angegeben wird, davon gibt es entweder zwei Aufgaben oder vier: Wenn man nämlich einerseits eine und dieselbe (Eigentümlichkeit) für den einen Gegenstand angibt, am anderen aber sie bestreitet, ergeben sich nur zwei Fragestellungen, wie z. B., Eigentümlichkeit von »Mensch« gegenüber »Pferd« ist: Er ist zweifüßig. Dann könnte nämlich einer den Versuch machen (durchzusetzen): »Mensch ist nicht zweifüßig« und: »Pferd ist zweifüßig«. In beiden Fällen würde die Eigentümlichkeit weggeschafft. Wenn man andererseits beides von beidem angibt oder an beidem leugnet, werden es vier Aufgabenfragen sein, wie z. B. in dem Falle der Eigentümlichkeit von »Mensch« gegenüber »Pferd«, daß er zweifüßig, es dagegen vierfüßig ist; dann kann man sich ja (an den Behauptugen) versuchen: »Mensch ist nicht zweifüßig naturgewachsen« oder: »ist vierfüßig«; und: »Pferd ist zweifüßig« und: »ist nicht vierfüßig«, daran kann man sich auch versuchen. Einerlei wie auch immer das nachgewiesen werden mag, so ist die gesetzte (Eigentümlichkeit) aufgehoben.
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Eigentümlichkeit an und für sich ist (die), welche (dem so Bezeichneten) im Verhältnis zu allem übrigen beigegeben wird und es gegenüber jedem (anderen) absondert, wie z. B. von »Mensch«: »Lebewesen, sterblich, fähig, sich Wissen anzueignen«. (Eigentümlichkeit) im Verhältnis zu einem anderen ist, was (das so Bezeichnete) nicht von jedem (anderen), sondern nur von einem bestimmten Festgesetzten sondert, wie z. B. (Eigentümlichkeit) von »Tugend« gegenüber »Wissen«: Es ist naturgegeben, daß sie in mehreren (Seelenvermögen), es dagegen nur in dem vernünftigen und in (solchen Wesen), die ein vernünftiges (Seelenteil) besitzen, auftritt. Immer (bestehende Eigentümlichkeit) ist, welche zu jeder Zeit wahr ausgesagt wird und nie (von dem so Bezeichneten) abläßt, wie z. B. von »Lebewesen« die »aus Seele und Leib gemeinsam bestehend«; dagegen (Eigentümlichkeit) auf Zeit ist, was zu irgend einem bestimmten Zeitpunkt wahr ausgesagt wird, aber nicht aus Notwendigkeit immer mitfolgt, wie z. B. von dem und dem bestimmten Menschen das »auf dem Markt herumlaufen«. Die Eigentümlichkeit im Verhältnis zu einem anderen anzugeben heißt: Den Unterschied aussagen, (der) entweder für alle (Bestimmungen) und immer (gilt), oder (doch) allermeist und in der Mehrzahl (der Fälle); z. B. in allen (Fällen) und immer: Eigentümlichkeit von »Mensch« im Verhältnis zu »Pferd« ist »zweifüßig«; bei »Mensch« liegt nämlich immer und bei jedem »zweifüßig« vor, kein Pferd dagegen ist jemals zweifüßig. Allermeist dagegen und in der Mehrzahl der Fälle z. B.: Eigentümlichkeit des vernunftfähigen (Seelenvermögens) im Verhältnis zum begehrlichen und leidenschaftlichen ist: Das eine gibt Anweisungen, die andere Seite führt dienend aus; denn weder hat ja zu jeder Zeit das vernunftgeleitete die auftraggebende Führung, sondern gelegentlich muß es sich auch befehlen lassen, noch läßt sich das begehrliche und das leidenschaftliche immer Anweisungen geben, sondern manchmal übernehmen auch sie die Führung, wenn nämlich die Seele des Menschen lasterhaft ist. Von den Eigentümlichkeiten sind am meisten für das Untersuchungsgespräch geeignet die an und für sich und immer
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und die im Verhältnis zu anderem (gültigen). Von der Eigentümlichkeit im Verhältnis zu einem anderen aus gibt es mehrere Aufgabenstellungen, wie wir ja schon früher sagten: Entweder sind es ja zwei oder vier Aufgabenarten, die sich aus Notwendigkeit ergeben; folglich sind es auch eine Mehrzahl von Ausführungen, die sich dazu ergeben. Das an sich und das immer (gültige Eigentümliche) ist im Verhältnis zu vielen (Bestimmungen) zu erproben oder im Verhältnis zu mehreren Zeitpunkten zu beobachten; (dabei besonders) das (Eigentümliche) an sich ist zu beobachten im Verhältnis zu vielen – in unterscheidendem Verhältnis zu allem, was es gibt, muß diesem einen die Eigentümlichkeit zukommen, mit der Folge: Wenn es (damit) nicht gegenüber allem abgesondert wird, so wäre dies Eigentümliche nicht ansprechend angegeben –; das immer (gültige) in Hinsicht auf viele (verschiedene) Zeitpunkte: Wenn es nämlich jetzt einmal nicht zutrifft oder einmal nicht zugetroffen ist oder einmal nicht zutreffen wird, in keinem Falle ist es dann eigentümlich. Dagegen das auf Zeit (gültige Eigentümliche) schauen wir nur im Hinblick auf die Jetztzeit an; dazu gibt es dann also nicht viele Erklärungsreden. »Logisch« ist eben die Aufgabe, zu der es zahlreiche und angemessene Erklärungsreden geben kann. Die sogenannte »Eigentümlichkeit in Hinsicht auf anderes« ist also aus den Gesichtspunkten zu »nebenbei zutreffend« zu prüfen: Trifft es dem einen nebenbei zu, dem anderen aber nicht? Hinsichtlich der (Eigentümlichkeiten) »auf immer« und »an sich« ist die Betrachtung mittels folgender (Gesichtspunkte) anzustellen. Kapitel 2. Erstens, ob das Eigentümliche nicht sauber angegeben ist, oder ob es das ist. [1] Von diesem »nicht sauber oder doch« ist die eine Hinsicht: Ist die Eigentümlichkeit nicht mittels bekannterer (Vorstellungen als das, was sie bestimmen soll,) gesetzt oder mittels bekannterer? (Dabei) für den Fall, daß man einreißen will, (kommt es darauf an), ob (es) nicht durch bekanntere (erfolgt); will man dagegen errichten, (geht es darum), ob durch bekanntere. Für den Fall »nicht durch bekanntere« ist die eine Seite: [a] Ist die Eigentümlichkeit,
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die er angibt, schlechterdings unbekannter als das, für dessen Eigentümlichkeit er sie erklärt hat? Dann wird nämlich dieEigentümlichkeit nicht angemessen gesetzt sein; wir schaffen die Eigentümlichkeit ja um der Erkenntnis willen. Folglich ist sie mittels bekannterer (Begriffe) anzugeben; nur so wird es ja gehen, (das in Frage Stehende) angemessener zu begreifen. Wenn z. B. einer als Eigentümlichkeit von »Feuer« gesetzt hat: »Es ist der Seele äußerst ähnlich«, der hat damit etwas Unbekannteres als das Feuer benutzt, »Seele« – wir wissen doch mit mehr Genauigkeit, was Feuer ist, als was Seele –, also wäre ja wohl nicht sauber das »der Seele sehr ähnlich« als Eigentümlichkeit von Feuer angesetzt. – [b] Die andere Seite (liegt vor), wenn nicht bekannter ist, daß dies (Eigentümliche) dem (Ding) zukommt (als daß es ihm nicht zukommt). (Das Eigentümliche) muß nämlich nicht nur bekannter sein als das Ding, (das es bestimmen soll), sondern es muß auch bekannter sein, daß es diesem zukommt (als daß es einem anderen zukommt); wer ja nicht weiß, ob es diesem zukommt, wird auch nicht zur Kenntnis bringen können, ob es diesem allein zukommt, sodaß denn also, einerlei was davon nun zutrifft, die Eigentümlichkeit undeutlich bleibt. Z. B.: Da einer, der als Eigentümlichkeit von »Feuer« setzt: »Worin als erstem (Grundstoff) Seele naturgegeben ist«, damit unbekanntere (Vorstellungen) benutzt hat als »Feuer«, (nämlich) ob darin Seele vorkommt und ob sie darin als ErstUnmittelbarem vorkommt, so wäre also diese Eigentümlichkeit von Feuer nicht gut angegeben, (die da besagt:) »Worin als erstem Seele naturgegeben ist«. Will man andererseits errichten, (muß man darauf achten), ob die Eigentümlichkeit mittels bekannterer (Bestimmungen) festgesetzt ist und ob es bekanntere nach jeder der beiden Weisen sind. (1) wird nämlich die Eigentümlichkeit »dem und dem gegenüber« sauber gesetzt sein, – von den errichtenden Gesichtspunkten, die auf Sauberkeit dabei aus sind, zeigen die einen nämlich (nur) »dem gegenüber«, (2) die anderen ohne Zusatz, daß (es) sauber (so angesetzt ist); z. B., da einer, der gesagt hat: »Eigentümlichkeit von ›Lebewesen‹ ist, Sinnes-
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wahrnehmung zu haben«, auf beide Weisen die Eigentümlichkeit mittels bekannterer (Vorstellungen) und als Bekannteres angegeben hat, so wäre das »Wahrnehmung haben« als Eigentümlichkeit von »Lebewesen« dem und dem gegenüber sauber ausgesagt. [2] Zweitens, will man einreißen, (so ist darauf zu achten), ob etwa eines der Worte, die bei Angabe der Eigentümlichkeit benutzt worden sind, in mehrfacher Bedeutung ausgesagt werden, oder ob etwa die ganze Erklärungsrede mehr Bedeutungen hat. In dem Fall wird nämlich die Eigentümlichkeit nicht sauber angegeben sein, z. B.: Da »Sinneswahrnehmung« mehr Bedeutungen hat, einmal »Wahrnehmungsvermögen besitzen«, ein andermal »sein Wahrnehmungsvermögen betätigen«, so wäre als Eigentümlichkeit von »Lebewesen« die Angabe »naturveranlagt zur Sinneswahrnehmung« nicht sauber gesetzt. Deshalb soll man weder ein mehrdeutiges Wort noch eine (mehrdeutige) Erklärungsrede, die Eigentümlichkeit angeben soll, benutzen, weil ein in mehrfacher Bedeutung Ausgesagtes das Behauptete undeutlich macht, indem einer, der das Behauptete bearbeiten will, sich im Unklaren darüber ist, welche von den mehreren Bedeutungen des Gesagten denn nun gemeint ist; die Eigentümlichkeit wird doch eigentlich um eines Erkenntnisgewinns willen angegeben. – Weiter ist außerdem notwendig, daß denen, die die Eigentümlichkeit so angeben, irgend eine Widerlegung zuteil wird, wenn (nämlich) jemand seinen Schluß auf der abweichenden Bedeutung des mehrdeutig Ausgesagten aufbaut. Beim Errichten dagegen (ist es zu vermeiden), daß etwa irgend eins der Worte oder die ganze Erklärungsrede mehr Bedeutungen hätte. Diesem (Leitfaden) gemäß wird dann die Eigentümlichkeit sauber angesetzt sein, z. B.: Da weder »Körper« viele Bedeutungen hat noch »leichtestbeweglich nach oben«, noch auch das daraus zusammengesetzte Sinnganze, so wäre also in der Hinsicht als Eigentümlichkeit von »Feuer« sauber gesetzt: »Körper, der sich am leichtesten nach oben bewegt«. Sodann [3], will man einreißen, (ist darauf zu achten), ob das in mehrfacher Bedeutung ausgesagt wird, dessen Eigen-
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tümlichkeit er angibt, wobei aber nicht bestimmt ist, von welcher Bedeutung davon er es als Eigentümlichkeit setzt; in dem Fall wird nämlich die Eigentümlichkeit nicht sauber angegeben sein. Aus welchen Ursachen, (das herzuleiten) ist nicht unklar aufgrund des früher Gesagten: es muß nämlich dasselbe sich ergeben, z. B.: Da »dieses wissen« viele Bedeutungen hat – (a) daß es ein Wissen hat, (b) daß es dieses Wissen (gerade) benutzt, (c) daß (jemand) ein Wissen davon hat, (d) daß (dieser) das Wissen davon (gerade) benutzt –, so wäre also von »dieses wissen« eine Eigentümlichkeit nicht sauber angegeben, solange nicht bestimmt ist, zu welcher der Bedeutungen davon er sie als Eigentümlichkeit denn setzt. Will man dagegen errichten, (so ist darauf zu achten), daß das, dessen Eigentümlichkeit man setzt, eben nicht in mehrfacher Bedeutung ausgesagt wird, sondern eines und einfach ist; dann wird in dieser Hinsicht die Eigentümlichkeit sauber gesetzt sein, z. B.: Da »Mensch« nur in einer einheitlichen Bedeutung ausgesagt wird, so wäre in dieser Beziehung als Eigentümlichkeit von »Mensch« sauber angesetzt: »Lebewesen, freundlich nach Naturanlage«. Sodann [4], beim Einreißen (ist darauf zu achten), ob etwa bei der Angabe der Eigentümlichkeit eines und dasselbe mehrfach gesagt wird. Oft merkt man ja gar nicht, wenn Leute das tun auch bei Angabe von Eigentümlichkeiten, so wie ja auch bei den Begriffsbestimmungen. Eine Eigentümlichkeit, der es so ergeht, wird aber nicht sauber gesetzt sein; es verwirrt nämlich den Hörer ein derart mehrfach Gesagtes. Folglich ist notwendig, daß es undeutlich wird, und darüber hinaus erwecken die Leute den Eindruck, sie schwätzten nur Unfug. Das Dasselbe-mehrfach-Sagen läuft auf zwei Weisen auf dasselbe hinaus: Erstens, wenn man mehrmals das gleiche mit (gleichen) Namen nennt, z. B. wenn einer als Eigentümlichkeit von »Feuer« angäbe: »feinster Körper unter den Körpern« – der hat nämlich »Körper« mehrmals ausgesagt. Zweitens, wenn einer anstelle der Namen zu den Erklärungsreden dafür greift, wie z. B. wenn einer als Eigentümlichkeit von »Erde« angeben wollte: »Gegenstand, der sich naturgemäß unter al-
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len Körpern am stärksten nach unten bewegt«, und der dann anstelle von »Körpern« zu dem Ausdruck griffe: »derartigen Gegenständen«; denn »Körper« und »derartiger Gegenstand« sind hier ja doch eines und dasselbe; der hat dann also »Gegenstand« mehrmals ausgesagt. Also: Keine dieser beiden Angaben von Eigentümlichkeit wäre sauber gesetzt. Will man dagegen errichten, (so ist zu beachten), daß man nicht ein und dasselbige Wort mehrfach verwendet; in dieser Hinsicht wird dann die Eigentümlichkeit sauber angegeben sein, z. B., da einer, der gesagt hat: Eigentümlichkeit von »Mensch« ist »Lebewesen, des Wissens fähig«, nicht das gleiche Wort mehrmals benutzt hat, so wäre demgemäß diese Eigentümlichkeit von »Mensch« sauber angegeben. Sodann [5], ist man beim Einreißen, (so ist darauf zu achten), ob (der Gegner) innerhalb seiner Angabe zu »eigentümlich« etwa eine derartige Bestimmung angegeben hat, die allem zukommt; unbrauchbar ist doch (eine Bestimmung), die (das zu Bestimmende) nicht von irgend etwas absondert; im Gegenteil, was unter »eigentümlich« gesagt wird, muß absondern, wie (das) eben auch für das unter »Begriffsbestimmung« (Gesagte gilt). So wird also die Eigentümlichkeit nicht sauber gesetzt sein, z. B.: Da einer, der gesetzt hat: Eigentümlichkeit von »Wissen« ist »Annahme, die von Vernunftgründen nicht mehr umzustoßen ist und eine ist«, eine derartige Bestimmung innerhalb dieser Eigentümlichkeitsangabe benutzt hat, nämlich »eines«, die an allem vorkommt, so wäre diese Eigentümlichkeit von »Wissen« nicht sauber gesetzt. Wer dagegen errichten will, (soll darauf achten), daß er keine solche Gemein-Bestimmung verwendet, sondern eine, die (etwas) von etwas absondert; dann wird nämlich demgemäß die Eigentümlichkeit sauber gesetzt sein, z. B.: Da einer, der gesagt hat: Eigentümlichkeit von »Lebewesen« ist »Seele zuhaben«, keine solche Allgemein-Vorstellung benutzt hat, so wäre also in diesem Belange die Eigentümlichkeit von »Lebewesen« mit »Seele haben« sauber gesetzt. Sodann [6], beim Einreißen (ist gegebenenfalls herauszubringen), ob (der andere) etwa mehrere Eigentümlichkeiten
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des gleichen (Gegenstands) angibt, ohne deutlich zu machen, daß er mehrere setzt; dann wird die Eigentümlichkeit nämlich nicht sauber gesetzt sein. Wie nämlich auch bei den Begriffsbestimmungen nicht neben der das Wesen (des zu Bestimmenden) anzeigenden Erklärungsrede noch etwas mehr hinzugesetzt sein darf, genauso darf auch bei der Angabe von Eigentümlichkeiten neben der die Eigentümlichkeit ausmachenden Erklärungsrede das Vorgetragene keine zusätzlichen Angaben machen; derlei wird nämlich unbrauchbar, z. B.: Da einer, der gesagt hat: Eigentümlichkeit von »Feuer« ist »feinster und leichtester Körper«, mehrere Eigentümlichkeiten angegeben hat – beides ist nämlich allein vom Feuer wahr auszusagen –, so wäre also als Eigentümlichkeit von Feuer das »feinster und leichtester Körper« nicht sauber gesetzt. Beim Errichten dagegen (ist zu beachten), daß man nicht etwa mehrere Eigentümlichkeiten des gleichen (Gegenstandes) angegeben hat, sondern nur eine; dann wird nämlich in diesem Betracht die Eigentümlichkeit sauber gesetzt sein, z. B.: Da einer, der gesagt hat: Eigentümlichkeit von »flüssig« ist »Körper, der jede äußerliche Form annimmt«, eine Eigentümlichkeit angegeben hat – und nicht mehr –, so wäre demgemäß die Eigentümlichkeit von »flüssig« sauber gesetzt. Kapitel 3. Sodann [7], beim Einreißen (ist darauf zu achten), ob er das, dessen Eigentümlichkeit er angibt, selbst mitverwendet hat, oder eines seiner (Bestimmungsstücke); denn dann wird das Eigentümliche nicht sauber gesetzt sein. Die Eigentümlichkeit wird doch angegeben, um etwas zusätzlich zu erfahren; (der Gegenstand) selbst bleibt genauso unbekannt, wenn man ihn selbst nur wieder benutzt, ein beliebiges seiner (Bestandsstücke) ist ihm (sogar) nachgeordnet: so ist es durchaus nicht bekannter (als er selbst). Also geschieht es dadurch nicht, daß man etwas zusätzlich erfährt, z. B.: Da einer, der behauptet hat: Eigentümlichkeit von »Lebewesen« ist »Seinsform, deren eine Anschauungsform ›Mensch‹ ist«, eines der (Bestandsstücke) davon zusätzlich verwandt hat, so wäre die Eigentümlichkeit nicht sauber gesetzt.
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Beim Errichten dagegen (ist darauf zu achten), daß man weder (den Gegenstand) selbst noch irgend eines seiner (Bestandsstücke) benutzt hat; dann wird in dieser Hinsicht die Eigentümlichkeit sauber angesetzt sein, z. B.: Da einer, der als Eigentümlichkeit von »Lebewesen« angesetzt hat: »aus Seele und Leib zusammen bestehend«, weder es selbst noch eins seiner Stücke zusätzlich gebraucht hat, so wäre nach dieser Hinsicht die Eigentümlichkeit von »Lebewesen« sauber angegeben. Auf die gleiche Art ist auch bei allen übrigen (Bestimmungen) die Untersuchung zu führen, die da (den Gegenstand) bekannter machen oder nicht, und zwar im Falle des Einreißens (mit der Frage): Benutzt er zusätzlich etwas, das (dem in Frage stehenden Gegenstand) entweder entgegengesetzt ist, oder seiner naturgegebenen Beschaffenheit nach ihm durchaus gleichrangig, oder was erst danach kommt? Denn dann wird die Eigentümlichkeit nicht sauber gesetzt sein. Was nämlich entgegengesetzt ist, ist dem Wesen nach gleichrangig; das dem Wesen nach Gleichrangige und das, was danach erst kommt, macht (den Gegenstand) aber nicht bekannter, z. B.: Da einer, der gesagt hat: Eigentümlichkeit von »gut« ist »was dem ›schlecht‹ am stärksten entgegengesetzt ist«, (damit) das Gegenteil von »gut« mitbenutzt hat, so wäre die Eigentümlichkeit von »gut« nicht sauber angegeben. Beim Errichten dagegen (kommt es darauf an), daß man nichts derartiges mitbenutzt, weder das Gegenteilige, noch was dem Wesen nach völlig gleichrangig ist, noch was erst später kommt; in der Hinsicht wird dann die Eigentümlichkeit sauber angegeben sein, z. B.: Da einer, der gesetzt hat: Eigentümlichkeit von »Wissen« ist »vertrauenswürdigste Annahme«, nichts derartiges mitverwendet, weder den Gegensatz, noch was dem Wesen nach gleichrangig ist, noch was danach kommt, so wäre nach dieser Hinsicht die Eigentümlichkeit von »Wissen« sauber gesetzt. Sodann [8], beim Einreißen (ist darauf zu achten), ob er nicht etwas, das (dem Gegenstand) immer folgt, als eigentümlich angegeben hat, sondern ein solches, das gelegentlich
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einmal sich auch als nicht eigentümlich herausstellen kann; dann wird nämlich die Eigentümlichkeit nicht sauber ausgesagt sein. Denn (dann ergibt sich): Weder wird bei dem Gegenstand, woran wir es als zutreffend ergreifen, dem gemäß auch die Bezeichnung aus Notwendigkeit (immer) richtig sein, noch (von dem Gegenstand), an dem es als nicht zutreffend angetroffen wird, dem gemäß die Bezeichnung aus Notwendigkeit nie ausgesagt werden, sodaß also die Eigentümlichkeit nicht sauber gesetzt wäre. Zudem wird weiter auch zu dem Zeitpunkt, wo er die Eigentümlichkeit (als vorliegend) angegeben hat, nicht offenkundig sein, ob sie (tatsächlich) vorliegt, wenn sie doch von der Art ist, es auch einmal bleiben lassen zu können. So wird die Eigentümlichkeit durchaus nicht durchsichtig sein, z. B.: Da einer, der gesetzt hat: Eigentümlichkeit von »Lebewesen« ist »einmal in Bewegung zu sein, (ein andermal) auch zu ruhen«, die Eigentümlichkeit als derartig angegeben hat, daß es sich gelegentlich auch einmal als nicht eigentümlich herausstellen kann, so wäre die Eigentümlichkeit nicht sauber gesetzt. Beim Errichten dagegen (geht es darum), ob man eine Eigentümlichkeit angegeben hat, die immer besteht; dann wird in dieser Hinsicht die Eigentümlichkeit sauber gesetzt sein, z. B.: Da einer, der gesetzt hat: Eigentümlichkeit von »Tugend« ist »was den, der sie besitzt, trefflich macht«, eine immer mitfolgende Eigentümlichkeit angegeben hat, so wäre in dieser Hinsicht die Eigentümlichkeit von »Tugend« sauber angegeben. Sodann [9], beim Einreißen (ist darauf zu achten), ob er bei Angabe von etwas, das nur gerade jetzt eigentümlich ist, nicht die zusätzliche Bestimmung geliefert hat, daß er ein nur gerade jetzt Eigentümliches angibt; so wird nämlich die Eigentümlichkeit nicht sauber gesetzt sein. Erstens nämlich, was der Gewohnheit zuwider erfolgt, verlangt alles nach einer Zusatzerklärung; nun sind es aber alle allermeist gewohnt, etwas, das immer mitfolgt, als eigentümlich anzugeben. Zweitens bleibt der undeutlich, der nicht ausdrücklich festlegt, ob er etwas nur gerade jetzt Eigentümliches gesetzt haben will;
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man soll aber durchaus nicht Anlaß zum Tadel geben, z. B.: Da einer, der gesetzt hat: Eigentümlichkeit dieses bestimmten Menschen da ist das »Mit-jemandem-beisammen-Sitzen«, nur die Eigentümlichkeit für gerade jetzt aufstellt, so wäre die Eigentümlichkeit nicht sauber angegeben, wenn er das bei seiner Aussage nicht so festgelegt hat. Beim Errichten dagegen (kommt es darauf an), wenn man ein nur gerade jetzt Eigentümliches angibt, daß man es mit der ausdrücklichen Bestimmung setzt, daß man eine nur gerade jetzt gültige Eigentümlichkeit setzt; dann wird in dieser Hinsicht die Eigentümlichkeit sauber gesetzt sein, z. B.: Da einer, der gesagt hat: Eigentümlichkeit dieses bestimmten Menschen ist »gerade jetzt Herumgehen«, dies deutlich unterschieden mitgesetzt hat, so wäre das Eigentümliche sauber gesetzt. Sodann [10], beim Einreißen (ist zu beachten), ob er die Eigentümlichkeit als ein solches angegeben hat, was als vorliegend nicht anders offenkundig wird als nur durch Sinneswahrnehmung; dann wird nämlich die Eigentümlichkeit nicht sauber gesetzt sein. Alles Wahrnehmbare wird, sobald es aus der Wahrnehmung fortkommt, ungewiß: unklar ist, ob es noch vorliegt (oder nicht mehr), weil es eben allein durch Wahrnehmung zur Kenntnis gelangt. Das wird zutreffen bei den Bestimmungen, die nicht aus Notwendigkeit immer mitfolgen, z. B.: Da einer, der gesetzt hat: Eigentümlichkeit von »Sonne« ist »hellstes über die Erde ziehendes Gestirn«, etwas derartiges bei der (Angabe der) Eigentümlichkeit benutzt hat, nämlich »über die Erde ziehen«, was mittels Wahrnehmung zur Kenntnis gelangt, so wäre die von »Sonne« angegebene Eigentümlichkeit nicht sauber (gesetzt); es wird dann ja ungewiß sein, wenn die Sonne untergegangen ist, ob sie »über die Erde zieht«, weil doch zu der Zeit die Wahrnehmung uns im Stich läßt. Beim Errichten dagegen (kommt es darauf an), ob man die Eigentümlichkeit als derartig angegeben hat, was nicht durch Wahrnehmung klar ist, oder, was zwar wahrnehmbar ist, doch als aus Notwendigkeit vorliegend klar ist; dann wird in dieser Hinsicht die Eigentümlichkeit sauber gesetzt sein, z. B.: Da
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einer, der gesetzt hat: Eigentümlichkeit von »Fläche« ist »was unmittelbar gefärbt ist«, zwar etwas Wahrnehmbares mitbenutzt hat – »gefärbt sein« –, ein solches aber, was offenkundig immer vorliegt, so wäre in dieser Hinsicht die Eigentümlichkeit von »Fläche« sauber wiedergegeben. Sodann [11], beim Einreißen (ist darauf zu achten), ob er die Begriffsbestimmung (selbst) für die Eigentümlichkeit angegeben hat; dann wird nämlich die Eigentümlichkeit nicht sauber gesetzt sein; sie darf doch das »was-es-sein-sollte« nicht bezeichnen. Z. B.: Da einer, der gesagt hat: Eigentümlichkeit von »Mensch« ist »Lebewesen, zu Lande lebend, zweifüßig«, den Begriff, der das »was-es-sein-sollte« bezeichnet, angegeben hat als Eigentümlichkeit von »Mensch«, so wäre diese Eigentümlichkeit von »Mensch« nicht sauber angegeben. Beim Errichten dagegen (geht es darum), ob man zwar die Eigentümlichkeit als (mit ihrer Bestimmung) wechselseitig Ausgesagtes angegeben hat, das aber nicht das »was-es-seinsollte« bezeichnet; dann wird in dieser Hinsicht die Eigentümlichkeit sauber angegeben sein, z. B.: Da einer, der als Eigentümlichkeit von »Mensch« gesetzt hat: »Lebewesen, friedlich von Natur aus«, zwar eine wechselweise aussagbare Eigentümlichkeit angegeben hat, die doch nicht das »was-es-seinsollte« bezeichnet, so wäre dem gemäß die Eigentümlichkeit von »Mensch« sauber angegeben. Sodann [12], beim Einreißen (ist zu beachten), ob er die Eigentümlichkeit angegeben hat, ohne (den Bestimmungsgegenstand) in sein »was-es-ist« gesetzt zu haben. Es muß doch bei den Eigentümlichkeiten, wie bei den Begriffsbestimmungen auch, zunächst einmal die Gattung angegeben sein, danach ist dann so erst das übrige anzuknüpfen und abzusondern. Also: Eine nicht auf diese Art gesetzte Eigentümlichkeit wäre nicht sauber angegeben, z. B.: Da einer, der gesagt hat: Eigentümlichkeit von »Lebewesen« ist »Seele haben«, dies »Lebewesen« nicht unter sein »was-es-ist« gesetzt hat, so wäre die Eigentümlichkeit von »Lebewesen« nicht sauber gesetzt. Beim Errichten dagegen (kommt es darauf an), ob einer den Bestimmungsgegenstand, dessen Eigentümlichkeit er angibt,
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erst unter sein »was-es-ist« setzt und dann das Restliche anknüpft; dann wird in dieser Hinsicht die Eigentümlichkeit sauber angegeben sein, z. B.: Da einer, der als Eigentümlichkeit von »Mensch« gesetzt hat »Lebewesen, des Wissens fähig«, die Eigentümlichkeit angegeben hat mithilfe der Setzung unter das »was-es-ist«, so wäre in dieser Hinsicht die Eigentümlichkeit von »Mensch« sauber gesetzt. – Kapitel 4. Ob nun also die Eigentümlichkeit sauber oder nicht angegeben ist, ist mittels dieser (Gesichtspunkte) zu prüfen. Ob dagegen das (jeweils) Angegebene eigentümlich ist oder nicht eigentümlich, ist aus folgenden (Gesichtspunkten) zu ersehen. (Wir kennen sie schon,) denn die Gesichtspunkte, die einfachhin die Eigentümlichkeit unter Hinblick auf ihre saubere Setzung nachweisen, werden ja wohl dieselben sein wie die, die Eigentümlichkeit überhaupt erst herstellen; sie sind also unter ihnen schon aufgeführt. [1] Erstens nun also ist beim Einreißen hinzusehen auf einen jeden (Gegenstand), dessen Eigentümlichkeit (der Gegner) angegeben hat, etwa (mit der Fragestellung), ob sie gar keinem davon zukommt, oder sie in dem Hinblick nicht richtig ausgesagt ist, oder ob sie in der Hinsicht, nach der er die Eigentümlichkeit hat, nicht die eines jeden (Beispielfalls des Bestimmungsgegenstandes) ist; denn dann wird das als eigentümlich Gesetzte es eben nicht sein, z. B.: Da von einem Flächenmesser nicht wahrheitsgemäß ausgesagt wird »er ist untäuschbar von vernünftiger Erwägung« – der Flächenmesser täuscht sich ja nachweislich, wenn nämlich falsche Figuren gezeichnet werden –, so wäre die Eigentümlichkeit von »wissend« nicht »durch Vernunfterwägung nicht getäuscht werden«. Beim Errichten dagegen (kommt es darauf an), ob es (– das Eigentümliche –) in jedem Falle wahrheitsgemäß ausgesagt wird und auch in dieser Hinsicht wahrheitsgemäß; denn dann wird eigentümlich sein auch, was (vom Gegner) als nicht eigentümlich gesetzt war, z. B.: Da »Lebewesen, des Wissens fähig« von jedem Menschen wahrheitsgemäß ausgesagt wird, und auch insofern er eben Mensch ist, so wäre eben dies
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»Lebewesen, des Wissens fähig« die Eigentümlichkeit von »Mensch«. [Dieser Gesichtspunkt ist für einen da, der niederreißen will; (es geht dabei darum), ob (bei dem Gegenstand), von dem die Bezeichnung richtig ist, nicht auch die Begriffserklärung wahrheitsgemäß ist, und (umgekehrt), wovon die Begriffserklärung wahrheitsgemäß, die Bezeichnung nicht ebenso. Für einen, der errichten will, (geht es darum), ob, wovon die Bezeichnung (richtig ist), es auch die Begriffserklärung ist, und, wovon die Begriffserklärung, davon auch die Namensbezeichnung (richtig) ausgesagt wird.] Sodann [2], beim Einreißen (ist darauf zu achten), ob (bei dem Gegenstand), von dem die Bezeichnung (richtig) ausgesagt wird, die Begriffserklärung nicht (richtig ausgesagt ist), und (umgekehrt), ob, wovon die Begriffserklärung (richtig ausgesagt wird), die Namensbezeichnung nicht; denn in dem Falle wird das, was als eigentümlich gesetzt ist, es nicht sein, z. B.: Da »Lebewesen, des Wissens teilhaftig« von »Gott« zutreffend ausgesagt ist, dagegen »Mensch« nicht (von ihm) ausgesagt wird, so wäre »Lebewesen, des Wissens teilhaftig« nicht Eigentümlichkeit von »Mensch«. Beim Errichten dagegen (ist darauf zu achten), ob, wovon die Begriffserklärung, davon auch die Namensbezeichnung ausgesagt wird, und (umgekehrt), wovon der Name, davon auch die Erklärung; dann wird nämlich eigentümlich sein auch, was (vom Gegner) als nicht eigentümlich gesetzt war, z. B.: Da, wovon »Seele haben« richtig ausgesagt ist, auch »Lebewesen« (gilt), und wovon »Lebewesen«, davon auch »Seele haben«, so wäre »Seele haben« eine Eigentümlichkeit von »Lebewesen«. Sodann [3], beim Einreißen (ist aufzupassen), ob er nicht (in falscher Umkehr der Sache) das Zugrundeliegende als Eigentümlichkeit dessen angegeben hat, was doch an dem Zugrundeliegenden (selbst) ausgesagt wird; dann wird nämlich die als solche gesetzte Eigentümlichkeit keine sein, z. B.: Da einer, der als Eigentümlichkeit von »feinstteiligem Körper« angegeben hat »Feuer«, das Zugrundeliegende als Eigentüm-
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lichkeit des von diesem Ausgesagten angegeben hat, so wäre »Feuer« nicht die Eigentümlichkeit von »feinstteiliger Körper«. Aus dem Grunde aber kann das Zugrundeliegende nicht Eigentümlichkeit dessen sein, was an dem Zugrundeliegenden (ausgesagt wird), weil dann eines und dasselbe zur Eigentümlichkeit mehrerer und der Art nach voneinander verschiedener (Gegenstände) wird. Denn demselben kommen mehrere, der Art nach verschiedene (Bestimmungen) zu, die von ihm allein ausgesagt werden, deren aller Eigentümlichkeit das Zugrundeliegende dann sein wird, wenn einer die Eigentümlichkeit so ansetzen wollte. Beim Errichten dagegen (ist zu beachten), daß man ein vom Zugrundeliegenden (Ausgesagtes) als Eigentümlichkeit des Zugrundeliegenden angegeben hat; dann wird nämlich Eigentümlichkeit sein, was (vom Gegner) als keine angesetzt war, wenn (zusätzlich die Bedingung erfüllt ist, daß) die Eigentümlichkeit von dem, wovon sie ausgesagt ist, allein ausgesagt wird, z. B.: Da einer, der gesagt hat: Eigentümlichkeit von »Erde« ist »schwerster Körper seiner Art«, von dem Zugrundeliegenden eine Eigentümlichkeit angegeben hat, die nur von diesem Ding ausgesagt wird, und da es als (diese seine) Eigentümlichkeit ausgesagt wird, so wäre wohl die Eigentümlichkeit von »Erde« richtig gesetzt. Sodann [4], beim Einreißen (ist darauf zu achten), ob er die Eigentümlichkeit über Teilhabe angegeben hat; denn dann wird das als eigentümlich Gesetzte es nicht sein. Was nämlich über Teilhabe (an etwas) vorliegt, fällt mit unter das »was-essein-sollte«; derartiges wäre dann ein bestimmtes Unterscheidungsmerkmal, das von einer einzigen bestimmten Art ausgesagt würde, z. B.: Da einer, der gesagt hat: Eigentümlichkeit von »Mensch« ist »zu Lande lebend, zweifüßig«, die Eigentümlichkeit über Teilhabe (vermittelt) angegeben hat, so wäre »zu Lande lebend, zweifüßig« nicht die Eigentümlichkeit von »Mensch«. Beim Errichten dagegen (kommt es darauf an), daß man die Eigentümlichkeit nicht über Teilhabe angegeben hat, also eben nicht so, daß sie das »was-es-sein-sollte« bezeichnet und
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das Ding wechselseitig von ihr ausgesagt werden könnte; dann wird (tatsächlich) Eigentümlichkeit sein, wovon (vom Gegner) gesetzt war, daß es das nicht ist, z. B.: Da einer, der gesetzt hat: Eigentümlichkeit von »Lebewesen« ist »von Natur aus zur Sinneswahrnehmung angelegt«, die Eigentümlichkeit weder über Teilhabe angegeben hat noch als etwas, das das »was-es-seinsollte« bezeichnet, mit dem das Ding wechselweise ausgesagt würde, so wäre »Von Natur zur Wahrnehmung angelegt« Eigentümlichkeit von »Lebewesen«. Sodann [5], beim Einreißen (ist zu beachten), ob es sein kann, daß die Eigentümlichkeit (auch einmal) nicht gleichzeitig mit dem bezeichneten Ding sein kann, sondern entweder früher oder später (als es); denn dann wird das als eigentümlich Gesetzte es nicht sein, entweder nie oder doch nicht immer. Da es z. B. sein kann, daß jemandem die Bestimmung »Mensch« sowohl früher wie auch später zukommt als »über den Markt gehen«, so wäre »über den Markt gehen« ja wohl nicht Eigentümlichkeit von »Mensch«, entweder ist es das nie oder doch nicht immer. Beim Errichten dagegen (kommt es darauf an), daß (die gesetzte Eigentümlichkeit) zwar immer aus Notwendigkeit gleichzeitig (mit dem Bezeichneten) vorliegt, dabei doch nicht die Begriffsbestimmung ist, auch nicht Unterscheidungsmerkmal; dann wird (tatsächlich) eigentümlich sein, was (vom Gegner) als nicht eigentümlich gesetzt war, z. B.: Da »Lebewesen, des Wissens fähig« aus Notwendigkeit immer gleichzeitig vorliegt wie »Mensch« auch, wobei das kein Unterscheidungsmerkmal ist und auch nicht die Begriffsbestimmung, so wäre »Lebewesen, des Wissens fähig« Eigentümlichkeit von »Mensch«. Sodann [6], beim Einreißen (ist darauf die Aufmerksamkeit zu richten), ob von den gleichen (Gegenständen), insofern sie eben dieselben sind, etwa nicht die gleiche Eigentümlichkeit gilt; dann wird nämlich, was als eigentümlich gesetzt war, es nicht sein, z. B.: Da »einigen (Leuten) als gut erscheinen« nicht die Eigentümlichkeit von »erstrebenswert« ist, so wird dies »einigen als gut erscheinen« auch nicht die Eigentümlich-
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keit von »wünschenswert« sein; denn das ist ja dasselbe, »erstrebenswert« und »wünschenswert«. Beim Errichten dagegen (gilt es zu beachten): Gilt von demselben, insofern es dasselbe ist, auch die gleiche Eigentümlichkeit? Denn dann wird eigentümlich sein auch, was (vom Gegner) als nicht eigentümlich gesetzt war, z. B.: Da von »Mensch«, insofern er dies – Mensch – ist, als eigentümlich ausgesagt wird »eine aus drei Vermögen bestehende Seele haben«, so wäre auch von »Sterblicher«, insofern er eben sterblich ist, dies »eine Seele aus drei Vermögen haben« die Eigentümlichkeit. – Anwendbar ist dieser Gesichtspunkt auch bei nebenbei Zutreffendem: Den selbigen (Bestimmungen), insofern sie eben dieselben sind, muß immer das gleiche (einerseits) zutreffen oder nicht zutreffen. Sodann [7], beim Einreißen (ist darauf zu achten), ob (solchen Bestimmungen), die der Art nach die gleichen sind, etwa nicht immer ein der Art nach Gleiches eigentümlich ist; (ist das so,) dann wird auch bei dem, wovon die Rede ist, das nicht eigentümlich sein, was als eigentümlich gesetzt war, z. B.: Da »Mensch« und »Pferd« der Art nach gleich sind, es aber nicht immer Eigentümlichkeit von »Pferd« ist, aus eigener Entscheidung stillzustehen, so wäre auch nicht Eigentümlichkeit von »Mensch« das »aus eigener Entscheidung sich bewegen«; denn das »sich von sich aus bewegen« und »... stillstehen« sind doch der Art nach das Gleiche, sie treffen auf jedes der beiden aber nebenbei zu, insofern sie »Lebewesen« sind. Beim Errichten dagegen (ist zu beachten), ob von (Gegenständen), die der Art nach gleich sind, auch immer die Eigentümlichkeit der Art nach gleich ist; dann wird nämlich eigentümlich sein auch das, was (vom Gegner) als nicht eigentümlich gesetzt war, z. B.: Da von »Mensch« die Eigentümlichkeit ist »zu Lande lebend zweifüßig sein«, so wird wohl auch von »Vogel« die Eigentümlichkeit sein »geflügelt zweifüßig sein«; jedes davon ist doch der Art nach das gleiche, die einen (Bestimmungen), insofern sie Arten unter derselben Gattung sind, nämlich als unter »Lebewesen« (fallend), die anderen als die artbildenden Unterschiede dieser Gattung »Lebewesen«. –
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Dieser Gesichtspunkt führt zu falschen Aussagen, wenn die eine der genannten (Bestimmungen) nur einer Art allein zukommt, die andere dagegen vielen, wie etwa »zu Lande lebend, vierfüßig«. Da nun aber »dasselbe« und »verschieden« in mehreren Bedeutungen ausgesagt wird, so ist es harte Mühe, gegenüber jemandem, der das sophistisch nimmt, die Eigentümlichkeit eines bestimmten (Gegenstandes) einzig und allein anzugeben; was nämlich auf einen bestimmten (Gegenstand) zutrifft, dem nebenbei irgend etwas anderes auch zutrifft, wird auch dem nebenbei Zutreffenden zukommen, wenn man das mit dem zusammennimmt, dem es eben nebenbei zutrifft, z. B.: Was auf »Mensch« zutrifft, wird auch auf »weißer Mensch« zutreffen, wenn eben »Mensch« (hier) die Eigenschaft »weiß« haben sollte; und (dann umgekehrt), was auf »weißer Mensch« zutrifft, wird dann auch auf »Mensch« zutreffen. Nun kann einer die Mehrzahl der Eigentümlichkeiten in üblen Verruf bringen, indem er den Satzgegenstand, für sich genommen, einmal zu dem macht, ein andermal, zusammen mit seiner Nebenbei-Bestimmung, zu einem anderen, indem er z. B. sagt: »Mensch« ist das eine, und etwas anderes ist »weißer Mensch«; und indem er darüber hinaus den Besitz (von etwas) und das, was hinsichtlich dieses Habens (so und so) ausgesagt wird, zu etwas (von einander) Verschiedenem macht – (tatsächlich) wird ja doch, was auf »Besitz« zutrifft, auch auf das zutreffen, was nach Maßgabe dieses Habens (so und so) genannt wird, und (umgekehrt), was an dem vorliegt, was gemäß seinem Haben (von etwas) (so und so) genannt wird, das wird auch auf »Besitz« selbst zutreffen –, z. B.: Da von einem »Kundigen« eben nach Maßgabe seines Wissens gesagt wird, daß er sich in dem und dem Zustand befindet, so wäre von »Wissen« nicht die Eigentümlichkeit »aufgrund vernünftiger Erwägungen unumstößlich«; denn dies »unerschütterlich durch Gegenerwägungen« soll doch von dem Kundigen gelten. Beim Errichten dagegen ist ausdrücklich zu sagen: Das, dem etwas nebenbei zutrifft und das nebenbei Zutreffende, mit dem, an dem es zutrifft, zusammengenommen, sind nicht
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schlechterdings von einander verschieden, sondern sie werden je ein anderes nur genannt, indem ihr »Sein« je verschieden ist; denn für »Mensch« ist »Menschsein« nicht das gleiche wie für »weißer Mensch« das »weißer Mensch sein«. Außerdem muß man die Betrachtung machen nach Hinsicht der Fallabwandlungen, indem man ausdrücklich sagt: »Der« Kundige ist nicht »das, was« durch Gegengründe unerschütterlich ist, sondern »einer, der« durch Gegenerwägungen nicht umzuwerfen ist, und »die« Wissenschaft nicht »das, was« gegen alle Einwände abgesichert ist, sondern »die (Art von Wissen), welche« von Einwänden nicht mehr umgestoßen werden kann, Gegen einen, der alle Arten von Einwand vorbringt, muß man auch auf alle und jede Weise gegenhalten. Kapitel 5. Sodann [8], beim Einreißen (ist zu bemerken), ob er, in der Absicht, etwas anzugeben, was von Natur vorliegt, es in seiner Wortwahl auf die Weise setzt, daß es ein immer Vorliegendes bezeichnet; denn dann scheint ja wohl das als eigentümlich Gesetzte in Bewegung zu geraten, z. B.: Da einer, der gesagt hat: Eigentümlichkeit von »Mensch« ist »zweifüßig«, zwar die Absicht hat, etwas von Natur Vorliegendes anzugeben, doch mit seinen Wortausdrücken ein immer Vorliegendes bezeichnet, so wäre »zweifüßig« nicht die Eigentümlichkeit von »Mensch«; denn nicht jeder Mensch ist (von der Eigenschaft, immer) zwei Füße zu haben. Beim Errichten dagegen (geht es darum): Wenn man ein von Natur Vorliegendes als eigentümlich angeben will, daß dann auch der Wortausdruck diese Weise meint; denn in der Hinsicht wird dann die Eigentümlichkeit nicht in Bewegung geraten, z. B.: Da einer, der als Eigentümlichkeit von »Mensch« angibt »Lebewesen, des Wissens fähig«, sowohl die Absicht hat wie auch durch den Wortausdruck tatsächlich etwas von Natur Vorliegendes bezeichnet, so dürfte in der Hinsicht das »Lebewesen, des Wissens teilhaftig« als Eigentümlichkeit von »Mensch« nicht in Bewegung geraten, als wäre es das nicht. Weiter, [a] was alles nach einem anderen als unmittelbar Erstem ausgesagt wird, oder auch selbst als solches Erstes, von derartigem ist es eine schwere Aufgabe, die Eigentümlichkeit
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anzugeben; wenn man nämlich von einem (so vermittelt) nach einem Anderen Ausgesagten die Eigentümlichkeit angibt, so wird sie auch von dem Ersten wahr ausgesagt werden; (umgekehrt), wenn man sie andererseits vom Ersten setzt, so wird sie auch dem nach anderem (vermittelt Ausgesagten) zugesprochen werden, z. B.: Wenn einer von »Fläche« als eigentümlich angibt »Gefärbtsein«, dann wird dies Gefärbtsein auch von dem Körper (dessen Fläche diese Fläche eben ist) wahr ausgesagt sein; wenn (umgekehrt) es vom Körper (gilt), dann wird es auch von der Fläche (dieses Körpers) ausgesagt sein. Also gilt nicht: Wovon der Begriff, davon wird auch die Namensbezeichnung wahr ausgesagt. [b] Es tritt bei einigen unter den eigentümlichen (Bestimmungen) häufig ein, daß sich ein Fehler ergibt, dadurch daß nicht festgelegt wird, wie und wovon man die Eigentümlichkeit setzt. Alle packen die Sache bei der Angabe von Eigentümlichkeit ja doch so an: (Sie führen als eigentümlich auf) entweder [1] etwas von Natur Vorliegendes, so wie von »Mensch« das »zweifüßig«, oder, [2] was (in diesem Einzelfall) vorliegt, etwa an diesem bestimmten Menschen, daß er nur vier Finger hat, oder [3] (es ist eine Eigentümlichkeit) der Art nach, so wie von »Feuer« das »feinstteilig«, oder [4] ohne jede Hinsicht, wie von »Lebewesen« das »leben«, oder [5] (es geht) über ein anderes, so wie von »Seele« das »vernünftig«, oder [6] unvermittelt, so wie von »Denkvermögen« das »vernünftig«, oder [7] (es erfolgt) über Besitz, so wie (Eigentümlichkeit) des Wissenden (ist), daß er durch Gegengründe nicht zu einer anderen Auffassung zu bringen ist – denn in keiner anderen Hinsicht als dadurch, daß er etwas hat, ist er von Gegenerwägungen nicht zu erschüttern –, oder (es erfolgt) [8] über die Seite des Besessenwerdens, so wie von »Wissen« das »durch Gegengründe nicht umzuwerfen«, oder [9] darüber, daß es eine Bestimmung ist, an der andere teilhaben, so wie von »Lebewesen« das »wahrnehmen« – Wahrnehmung hat ja auch anderes, z. B. (die Art) »Mensch«, doch dies hat Wahrnehmung als etwas, das schon (an anderem) teilhat –, oder [10] über Teilhabe, so wie von diesem bestimmten Lebewesen das »leben«.
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Setzt man nun [1'] nicht dazu »von Natur«, so fehlt man, weil es sein kann, daß etwas, das von Natur vorliegt, diesem einen, an dem es von Natur vorkommt, eben einmal nicht zukommt, wie z. B. bei Mensch« das »zwei Füße haben«. – Legt man [2'] nicht fest, daß man dies im Einzelfall Vorliegende angibt, (so fehlt man), weil diese Eigentümlichkeit doch eigentlich nicht derartig ist, diesem (zu Bestimmenden) zuzukommen, wie z. B. daß »Mensch« vier Finger haben sollte! – Macht man dagegen [5', 6'] nicht klar, daß man es unvermittelt oder erst über ein anderes setzt, (so fehlt man), weil, wovon die Begriffserklärung, (davon) nicht auch die Namensbezeichnung richtig ausgesagt wird, wie etwa »Gefärbtsein«, sei es nun von »Fläche« oder von »Körper« als Eigentümlichkeit angegeben. – Hat man [7', 8'] nicht zuvor gesagt, daß man die Eigentümlichkeit mittels Besitzen oder Besessenwerden angegeben hat, (so fehlt man), weil es keine Eigentümlichkeit ist; denn dann wird ja, wenn man die Eigentümlichkeit mithilfe von Besessenwerden angibt, (sie auch) dem zukommen, was da besitzt, (umgekehrt), wenn es mittels Besitzen erfolgt, dann auch dem, was besessen wird, so wie das »durch Vernunfterwägungen nicht umzuwerfen« die sowohl (je nachdem) von »Wissen« wie auch von »kundig« gesetzte Eigentümlichkeit sein wird. – Hat man dagegen [9', 10'] nicht zusätzlich klargemacht, (daß es) durch Teilhabe oder als solches, an dem teilgenommen wird, (erfolgt), (so fehlt man darin), daß diese Eigentümlichkeit auch bestimmten anderen (Bestimmungen) zukommen wird: Wenn man nämlich (die Eigentümlichkeit) über das angibt, woran teilgenommen wird, dann (kommt sie auch vor) an dem, was daran teilhat, wenn (umgekehrt) es über Teilhaben erfolgt, dann (auch) an dem, woran teilgenommen wird, so wie wenn »leben« als Eigentümlichkeit dieses bestimmten Lebewesens oder (allgemein) von »Lebewesen« gesetzt würde. – Hat man dagegen [3'] die Unterscheidung »der Art nach« nicht klar getroffen, (so fehlt man), weil dann nur einem einzigen (Gegenstand) von denen, die unter das fallen, dessen Eigentümlichkeit man doch setzt, sie zukommen wird; denn das »im Höchstmaß« trifft ja nur auf einen (Gegenstand) allein zu, so wie etwa
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von »Feuer« das »das leichteste«. – Gelegentlich hat aber auch einer, der das »der Art nach« hinzusetzt, gefehlt; es wird sich ja doch um eine einzige Art von ausgesagten (Bestimmungen) handeln müssen, wenn das »der Art nach« zugesetzt ist; das trifft aber in einigen Fällen nicht ein, so wie etwa bei »Feuer« nicht: Es gibt nämlich nicht eine einzige Art von Feuer; denn glühende Kohle, offene Flamme, und Lichterscheinung sind verschieden der Art nach, wo jedes doch eine Form von Feuer ist. Deshalb aber darf, wenn das »der Art nach« zugesetzt ist, die Art des Genannten nicht verschieden sein, weil dann die genannte Eigentümlichkeit den einen (Bestimmungen) in höherem Maße, den anderen in geringerem zukommen würde, so wie etwa bei »Feuer« das »feinstteilig«: Licht ist feiner in seinen Teilchen als Glut und Flamme; das darf jedoch nicht eintreten, wenn nicht auch die Wortbezeichnung in stärkerem Maße von dem ausgesagt wird, von dem die Begriffserklärung in stärkerem Maße wahr ist. Andernfalls würde ja nicht gelten: Wovon die Begriffserklärung in höherem Maße (stimmt), (dem kommt) auch der Name mehr (zu). Weiter und zudem wird sich ergeben, daß die Eigentümlichkeit dieselbe ist, sowohl dessen, was ohne Zusatz (so und so ist), und dessen, was innerhalb des Einfachen am meisten derartig ist, wie etwa bei »Feuer« das »feinstteilig« sich verhält: auch »Licht« wird dann eben dieselbe Eigentümlichkeit haben, denn Licht ist doch das feinstteilige. – Wenn also nun ein anderer eine Eigentümlichkeit derart angibt, so muß man ihn angreifen; ihm selbst seinerseits soll man derartigen Anlaß zum Einwand nicht geben, sondern gleich, wenn man die Eigentümlichkeit setzt, muß man klar bestimmen, nach welcher Weise man die Eigentümlichkeit ansetzt. Sodann [9], beim Einreißen (ist darauf zu achten), ob er (den Gegenstand) selbst als seine eigene Eigentümlichkeit gesetzt hat; denn dann wird das als eigentümlich Gesetzte es nicht sein. Bei (dem Bestimmen) »selbst durch sich selbst« weist doch alles auf sein (wesentliches) Sein hin; was aber dies »Sein« bezeichnet, ist nicht Eigentümlichkeit, sondern Begriffsbestimmung, z. B.: Da einer, der gesagt hat: Eigentüm-
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lichkeit von (sittlich) »schön« ist »schicklich«, es selbst als seine eigene Eigentümlichkeit angegeben hat – schön und schicklich ist nämlich dasselbe –, so wäre also »schicklich« nicht die Eigentümlichkeit von »schön«. Beim Errichten dagegen (ist darauf zu achten), daß man zwar nicht (eine Bestimmung) selbst als ihre eigene Eigentümlichkeit angegeben hat, aber etwas gesetzt hat, was sich wechselweise mit ihr aussagen läßt; dann wird nämlich eigentümlich sein auch, was (vom Gegner) als nicht eigentümlich gesetzt war, z. B.: Da einer, der gesetzt hat: Eigentümlichkeit von »Lebewesen« ist »mit Seele begabtes Sein«, nicht dies selbst als seine eigene Eigentümlichkeit gesetzt hat, es aber wohl als wechselseitig Aussagbares angegeben hat, so wäre also »mit Seele begabtes Sein« Eigentümlichkeit von »Lebewesen«. Sodann [10], bei Dingen, die aus gleichen Teilen bestehen ist genau zu prüfen, beim Einreißen einerseits, ob, was Eigentümlichkeit des Ganzen zusammen ist, etwa bei einem Teil davon nicht wahrheitsgemäß gilt, oder (umgekehrt), ob, was vom Teil (als eigentümlich gilt), etwa nicht vom Ganzen zusammen ausgesagt wird; denn dann wird das nicht eigentümlich sein, was als eigentümlich gesetzt war. Es ergibt sich aber in einigen Fällen, daß das so kommt; es mag nämlich einer bei solchen gleichteiligen (Dingen) die Eigentümlichkeit einmal angeben, indem er auf das Ganze zusammen hinblickt, ein andermal, indem er sich selbst auf das vom Teil Ausgesagte einstellt. Es wird aber keines davon richtig wiedergegeben sein, z. B. im Falle von »ganz zusammen«: Da einer, der gesagt hat: Eigentümlichkeit von »Meer« ist »größte Salzwassermenge«, von einem aus gleichteiligen Stoffen (bestehenden Gegenstand) die Eigentümlichkeit angegeben hat, sie aber als solche angegeben hat, daß sie für einen Teil davon nicht mehr stimmt – denn dieser bestimmte Meeresabschnitt ist nicht »größte Menge an Salzwasser« –, so wäre wohl »größte Menge Salzwasser« nicht Eigentümlichkeit von »Meer«. Im Falle des Teils dagegen z. B.: Da einer, der gesetzt hat: Eigentümlichkeit von »Luft« ist »daß man sie einatmen kann«, zwar einerseits die Eigentümlichkeit eines bestimmten gleichteilig zusammengesetzten
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(Stoffes) genannt hat, sie aber als eine solche angegeben hat, daß dies von der und der bestimmten Menge Luft wahr ist, von dem Ganzen zusammen aber nicht (wahrheitsgemäß) ausgesagt wird – denn es geht nicht, daß die gesamte (Luft) zusammen eingeatmet ist –, so wäre dies »kann eingeatmet werden« nicht Eigentümlichkeit von »Luft«. Beim Errichten dagegen (ist darauf zu achten), ob zwar einerseits (die Eigentümlichkeit) wahrheitsgemäß ausgesagt wird von jedem Einzelstück dieser Gleichteiligen, doch daß sie ihnen eigentümlich ist über das Ganze zusammen; dann wird nämlich eigentümlich sein auch, was (vom Gegner) als nicht eigentümlich gesetzt war, z. B.: Da von allem, was »Erde« ist, wahrheitsgemäß ausgesagt wird »bewegt sich nach Naturanlage abwärts«, und da dies auch für jedes Einzelstück von Erde über die Tatsache, daß es eben dies, Erde, ist, eigentümlich ist, so wäre also das »von Natur nach unten bewegt werden« die Eigentümlichkeit von »Erde«. Kapitel 6. Sodann ist aus (den Gesichtspunkten) der Entgegensetzungen die Prüfung zu machen, erstens [1] von dem aus, was einander gegenüberliegt, beim Einreißen nun also: Hat das Gegenüberliegende etwa keine gegenüberliegende Eigentümlichkeit? Denn dann wird ja auch dessen Gegenteil nicht die gegenteilige Eigentümlichkeit haben, z. B.: Da von »Gerechtigkeit« das Gegenteil »Ungerechtigkeit« ist, und von »das Beste« (ist es) »das Schlechteste«, wenn dann weiter »das Beste« nicht Eigentümlichkeit von »Gerechtigkeit« ist, so wäre auch »das Schlechteste« nicht Eigentümlichkeit von »Ungerechtigkeit«. Beim Errichten dagegen (ist dafür zu sorgen), daß vom Gegenteil auch das Gegenteil eigentümlich ist, dann wird auch dessen Gegenteil das Gegenteil eigentümlich sein, z. B.: Da von »gut« das Gegenteil »schlecht« ist, von »erwünscht« aber »zu meiden«, und da nun »erwünscht« Eigentümlichkeit von »gut« ist, so wird auch wohl »zu meiden« die Eigentümlichkeit von »schlecht« sein. Zweitens [2] (ist zu prüfen) aus (dem Gesichtspunkt) der (Bestimmungen) im Verhältnis zu ..., beim Einreißen einer-
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seits: Ist etwa nicht ein »im Verhältnis zu ...« die Eigentümlichkeit eines »im Verhältnis zu ...«? Denn in dem Falle wird auch dessen Entsprechung nichts Entsprechendes zur Eigentümlichkeit haben, z. B.: Da »doppelt« im Verhältnis zu »halb« ausgesagt wird, und »größer als ...« in Entsprechung zu »kleiner als ...«, da nun aber »größer als ...« nicht die Eigentümlichkeit von »doppelt« ist, so wird ja wohl auch »kleiner als ...« nicht die Eigentümlichkeit von »halb« sein. Beim Errichten andererseits (ist es darauf hinauszubringen): Ist ein »im Verhältnis zu ...« die Eigentümlichkeit eines »im Verhältnis zu ...«, dann wird auch (umgekehrt) dessen Entsprechung ein Entsprechendes zur Eigentümlichkeit haben, z. B.: Da »doppelt« im Verhältnis zu »halb« ausgesagt wird und »zwei zu eins« im Verhältnis zu »eins zu zwei«, und da nun das »wie zwei zu eins« dem »doppelt« eigentümlich ist, so wird ja wohl auch das »wie eins zu zwei« dem »halb« eigentümlich sein. Drittens [3], beim Einreißen (ist zu prüfen): Ist etwa das über (den Gesichtspunkt) Besitz Ausgesagte nicht Eigentümlichkeit dieses Besitzens? Denn in dem Falle wäre auch das hinsichtlich Verlust Ausgesagte nicht Eigentümlichkeit des Verlierens. Und (umgekehrt), wenn das nach (Hinsicht von) Verlust Ausgesagte nicht Eigentümlichkeit dieses Verlierens ist, so wird auch das über (die Hinsicht) Haben Ausgesagte nicht Eigentümlichkeit dieses Besitzens sein, z. B.: Da »Empfindungslosigkeit sein« nicht als Eigentümlichkeit von »Taubheit« ausgesagt wird, so wird ja wohl auch nicht »Sinnesempfindung sein« als Eigentümlichkeit von »Hören« ausgesagt werden. Beim Errichten (geht es eben darum): Ist das nach Maßgabe von Besitz Ausgesagte Eigentümlichkeit dieses Habens, so wird auch das nach Hinsicht von Verlust Ausgesagte Eigentümlichkeit dieses Verlierens sein; und (umgekehrt), wenn das nach (Hinsicht von) Verlust Ausgesagte Eigentümlichkeit dieses Verlustes ist, dann wird auch das (in Hinsicht) von Haben Ausgesagte Eigentümlichkeit dieses Besitzens sein, z. B.: Da von »Augenlicht« die Eigentümlichkeit »sehen« ist, dem-
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gemäß wir ja Sehfähigkeit haben, so wird ja wohl auch von »Blindheit« die Eigentümlichkeit »nicht sehen« sein, dergemäß wir Sehvermögen nicht haben, wo es doch naturbestimmt war, daß wir es besitzen sollten. Sodann [4], (ist nach dem Gesichtspunkt) von Aussage und Verneinung (zu prüfen), erstens [a] von dem Ausgesagten selbst her. Dieser Gesichtspunkt ist verwendbar nur für das Einreißen, z. B.: Wenn die Behauptung oder das mittels Behauptung Ausgesagte Eigentümlichkeit dessen, (was Gegenstand der Aussage ist), ist, so wird ja wohl dessen Verneinung oder das über Verneinung (an ihm) Ausgesagte nicht seine Eigentümlichkeit sein können; und (umgekehrt), wenn die Verneinung oder das gemäß Verneinung Ausgesagte seine Eigentümlichkeit ist, so wird die Behauptung und das über Behauptung (an ihm) Ausgesagte nicht seine Eigentümlichkeit sein können, z. B.: Da von »Lebewesen« die Eigentümlichkeit »mit Seele versehen« ist, so wird ja wohl »nicht mit Seele begabt« nicht Eigentümlichkeit von »Lebewesen« sein. Zweitens [b], von dem Ausgesagten oder verneint Ausgesagten und, wovon es ausgesagt oder verneint ausgesagt wird, her, und zwar beim Einreißen: Ist Behauptung nicht Eigentümlichkeit von Behauptung, so wird auch Verneinung nicht Eigentümlichkeit von Verneinung sein; und (umgekehrt), ist Verneinung nicht Eigentümlichkeit von Verneinung, so wird auch Behauptung nicht Eigentümlichkeit von Behauptung sein, z. B.: Da »Lebewesen« nicht Eigentümlichkeit von »Mensch« ist, so wird ja wohl auch »nicht Lebewesen« nicht Eigentümlichkeit von »nicht Mensch« sein; und wenn »nicht Lebewesen« nicht Eigentümlichkeit von »nicht Mensch« ist, so wird auch »Lebewesen« nicht Eigentümlichkeit von »Mensch« sein. Beim Errichten dagegen (geht es darum): Ist Behauptung Eigentümlichkeit von Behauptung, so wird auch Verneinung Eigentümlichkeit von Verneinung sein; und (umgekehrt), ist Verneinung Eigentümlichkeit von Verneinung, so wird auch Behauptung Eigentümlichkeit von Behauptung sein, z. B.: Da »nicht leben« Eigentümlichkeit von »nicht Lebewesen« ist, so
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wird wohl auch »leben« Eigentümlichkeit von »Lebewesen« sein; und wenn offensichtlich »leben« Eigentümlichkeit von »Lebewesen« ist, so wird ebenso offensichtlich »nicht leben« Eigentümlichkeit von »nicht Lebewesen« sein. Drittens [c], von den zugrundegelegten (Satzgegenständen) selbst aus, beim Einreißen: Ist die angegebene Eigentümlichkeit der Behauptung eigentümlich, so wird ja dasselbe nicht auch Eigentümlichkeit der Verneinung sein; und (umgekehrt), ist das Angegebene der Verneinung eigentümlich, so wird es nicht Eigentümlichkeit der Bejahung sein, z. B.: Da »mit Seele begabt« Eigentümlichkeit von »Lebewesen« ist, so wird ja wohl dies »mit Seele ausgestattet« nicht Eigentümlichkeit von »nicht Lebewesen« sein. Beim Errichten dagegen (geht es darum): Ist das Angegebene nicht Eigentümlichkeit der Behauptung, so wird es ja wohl die der Verneinung sein. – Dieser Gesichtspunkt ist aber fehlerhaft: Bejahung ist nicht Eigentümlichkeit einer Verneinung und Verneinung nicht die einer Bejahung; denn die Behauptung kommt einer Verneinung überhaupt nicht zu, die Verneinung dagegen kommt der Bejahung zwar zu, doch liegt an ihr nicht als Eigentümlichkeit vor. – Sodann [5], aus (dem Gesichtspunkt) der Bestimmungen, die in einer Einteilungsreihe einander gegenüberstehen, und zwar beim Einreißen: Ist etwa keine (weitere) Bestimmung der gegenüberliegenden Einteilung einer der übrigen auf der anderen Seite der Einteilung eigentümlich, so wird auch die Eigentümlichkeit dessen, an dem sie gesetzt war, keine Eigentümlichkeit sein, z. B.: Da »wahrnehmbares Lebewesen« für keines aller übrigen Lebwesen eigentümlich ist, so wird ja wohl auch »Lebewesen, das man denken kann« nicht Eigentümlichkeit von »Gott« sein. Beim Errichten dagegen (ist die Folge): Wenn von den restlichen (Bestimmungen) auf der anderen Seite jede beliebig herausnehmbare einer jeden (entsprechenden) derer auf dieser Seite der Einteilung eigentümlich ist, so wird auch die restliche die Eigentümlichkeit von der sein, an der sie (vom Gegner) als nicht eigentümlich gesetzt war, z. B.: Da es Eigen-
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tümlichkeit von »Einsicht« ist, »wesensmäßig für sich genommen, Tugend des vernünftigen (Seelenvermögens)« zu sein, und wenn die übrigen Tugenden ebenso jede für sich genommen werden, dann wird ja wohl Eigentümlichkeit von »Besonnenheit« sein: »wesensmäßig für sich genommen, Tugend des triebhaften (Seelenvermögens)«. Kapitel 7. Sodann [6] auch aus (dem Gesichtspunkt) der Formveränderung von Wörtern, und zwar beim Einreißen: Wenn die eine Wortform der entsprechenden anderen nicht eigentümlich ist, dann wird auch (andere) Wortform nicht Eigentümlichkeit der entsprechenden sein, z. B.: Da von »gerechtermaßen« das »anständigermaßen« nicht die Eigentümlichkeit ist, so wird auch nicht von »gerecht« das »anständig« Eigentümlichkeit sein. Beim Errichten dagegen (ist die Folge): Wenn eine Wortform Eigentümlichkeit der (entsprechenden) Wortform ist, so wird auch die (andere) Wortform Eigentümlichkeit der ihr entsprechenden sein, z. B.: Da »zu Lande lebend, zweifüßig« Eigentümlichkeit von »Mensch« ist, so wird ja wohl auch »dem« Menschen ein »dem zu Lande lebenden, zweifüßigen« als eigentümlich zugesagt werden. Aber nicht allein bei dem Genannten selbst ist die Untersuchung nach den Formveränderungen zu führen, sondern auch bei den jeweiligen Gegensätzen, wie ja schon anläßlich der früheren Gesichtspunkte gesagt ist, und zwar beim Einreißen (so): Ist die Wortform des Gegenteils nicht Eigentümlichkeit der (entsprechenden) Wortform ihres Gegenteils, so wird auch die (entsprechende) Wortform des Gegenteils (der angeblichen Eigentümlichkeit) nicht Eigentümlichkeit des Gegenteils (des in Rede stehenden Gegenstandes) sein, z. B.: Da »anständigermaßen« nicht Eigentümlichkeit von »gerechtermaßen« ist, so wird auch »verwerflicherweise« nicht Eigentümlichkeit von »ungerechterweise« sein. Bei Errichten dagegen (ist die Folge): Wenn die Wortform des Gegensatzes Eigentümlichkeit der entsprechenden Wortform des Gegensatzes ist, so wird auch die (gleiche) Wortform des Gegensatzes (der Eigentümlichkeit) Eigentümlichkeit
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des Gegenteils (des Gegenstandes) sein, z. B.: Da von »sittlich gut« Eigentümlichkeit ist »bestes (Verhalten)«, so wird ja wohl auch von »sittlich schlecht« die Eigentümlichkeit sein »schlechtestes (Verhalten)«. Sodann [7] (geht es auch) nach dem, was sich entsprechend verhält, und zwar beim Einreißen: Wenn etwas, das sich entsprechend verhält, nicht Eigentümlichkeit ist von etwas, das sich entsprechend verhält, so wird auch ein entsprechend sich Verhaltendes (wie die angenommene Eigentümlichkeit) nicht Eigentümlichkeit von etwas sein, das sich entsprechend verhält (wie der Gegenstand), z. B.: Da sich »Hauserbauer« zu Hausbauen« genauso verhält wie »Arzt« zu »Gesundheit herstellen«, und da nun aber »Gesundheit herbeiführen« nicht Eigentümlichkeit von »Arzt« ist, so wird wohl auch nicht »Hauserbauen« Eigentümlichkeit von »Hauserbauer« sein. Beim Errichten dagegen (ist die Folge): Wenn ein entsprechend sich Verhaltendes Eigentümlichkeit eines entsprechend sich Verhaltenden ist, so wird auch ein entsprechend (zu anderem) sich Verhaltendes Eigentümlichkeit dieses entsprechend sich Verhaltenden sein, z. B.: Da »Arzt« sich zu »angetreten mit Willen und Auftrag, Gesundheit herbeizuführen« genauso verhält wie »Sportlehrer« zu »angetreten mit Willen und Auftrag, Körpertüchtigkeit herbeizuführen«, und da nun aber dieser Auftrag zur Körperertüchtigung Eigentümlichkeit des Sportlehrers ist, so ist ja wohl auch der Auftrag zur Herstellung von Gesundheit Eigentümlichkeit des Arztes. Sodann [8], nach dem, was sich genauso verhält, beim Einreißen: Ist ein ebenso sich Verhaltendes nicht die Eigentümlichkeit von etwas, das sich ebenso verhält, so wird ja auch (umgekehrt) das ebenso sich Verhaltende nicht Eigentümlichkeit dessen sein, was sich genauso verhält; ist dagegen ein genauso sich Verhaltendes die Eigentümlichkeit eines genauso sich Verhaltenden, so wird es doch nicht Eigentümlichkeit dessen sein, als dessen Eigentümlichkeit es (vom Gegner) gesetzt war, z. B.: Da sich »Einsicht« genauso verhält zu »sittlich gut« und zu »verwerflich«, nämlich darin, ein Wissen um beides zu sein, und da nun aber das »Wissen vom sittlich Guten
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zu sein« nicht Eigentümlichkeit von »Einsicht« ist, so wird ja wohl auch »Wissen vom Verwerflichen zu sein« nicht Eigentümlichkeit von »Einsicht« sein; wenn dagegen »Wissen vom sittlich Guten zu sein« die Eigentümlichkeit von »Einsicht« ist, so wird ja wohl das »Wissen vom Verwerflichen zu sein« nicht Eigentümlichkeit einer anderen Tugend sein, denn unmöglich kann eines und dasselbe Eigentümlichkeit mehrerer (Bestimmungen) sein. Für einen, der errichten will, ist dieser Gesichtspunkt in keinem Fall verwendbar, denn da wird ein genauso sich Verhaltendes mit mehrerem verglichen. Sodann [9], beim Einreißen (ist auch die Frage): Ist etwas unter Verwendung von »sein« Ausgesagtes etwa nicht Eigentümlichkeit dessen, von dem es unter Gebrauch von »sein« ausgesagt war? Denn dann wird auch »untergehen« nicht von dem, an dem es mittels dieses »untergehen«, und auch »werden« nicht von dem, an dem es mittels dieses »werden« ausgesagt war, die Eigentümlichkeit sein, z. B.: Da von »Mensch« nicht die Eigentümlichkeit ist »Lebewesen sein«, so wird auch von »Mensch werden« die Eigentümlichkeit nicht sein »Lebewesen werden«, und auch von »Mensch geht zugrunde« wird die Eigentümlichkeit nicht sein »Lebewesen geht unter«. Auf die gleiche Weise muß man es nehmen auch von »werden« aus in Übertragung auf »sein« und »untergehen«, und von »untergehen« aus in Übertragung auf »sein« und »werden«, so wie es gerade von »sein« aus in Übertragung auf »werden« und »untergehen« vorgetragen ist. Beim Errichten dagegen (geht die Folge umgekehrt): Wenn von einem unter »sein« Eingeordneten etwas, das ebenso eingeordnet ist, die Eigentümlichkeit ist, so wird auch etwas mittels »werden« Ausgesagtes die Eigentümlichkeit des unter »werden« so Angesprochenen sein, und von einem unter Verwendung von »untergehen« (Angesprochenen) eine unter diesem (Gesichtspunkt) angegebene (Eigentümlichkeit), z. B.: Da von »Mensch« die Eigentümlichkeit ist das »sterblich sein«, so wird ja wohl auch von »Mensch werden« die Eigentümlichkeit sein das »sterblich werden«, und von »Mensch geht zugrunde«
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das »Sterbliches geht unter«. Auf die gleiche Weise ist es zu nehmen von »werden« und »vergehen« aus in Übertragung auf »sein«, so wie diese von ihm aus, wie für den Fall des Einreißens schon vorgetragen. Sodann [10] ist hinzuschauen auf das Urbild des Gesetzten, und zwar für den Fall des Einreißens: Wenn (die Eigentümlichkeit) dem Urbild nicht zukommt, oder doch nicht in der Hinsicht, nach der das ausgesagt ist, als dessen Eigentümlichkeit sie doch angegeben war, so wird die als solche gesetzte Eigentümlichkeit keine sein, z. B.: Da für »Mensch an und für sich« das »in Ruhe sein« nicht zutrifft, insofern er eben Mensch ist, sondern nur insofern (diese Bestimmung) ein Urbild ist, so ist ja wohl »ruhen« keine Eigentümlichkeit von »Mensch«. Beim Errichten (ist die Folge): Wenn das, was (vom Gegner) als nicht eigentümlich gesetzt war, dem Urbild doch zukommt, und auch in der Hinsicht zukommt, in der es über es ausgesagt wird, so wird nämlich das eigentümlich sein, wovon gesetzt war, es sei es nicht, z. B.: Da dem »Lebewesen an und für sich« zukommt das »aus Seele und Körper zusammen bestehen«, und da ihm das eben in der Hinsicht zukommt, insofern es eben Lebewesen ist, so wird also dies »aus Seele und Leib bestehen« Eigentümlichkeit von »Lebewesen« sein. Kapitel 8. Sodann [11], von (dem Gesichtspunkt) des »mehr« und »minder« aus, erstens beim Einreißen: [a] Ist das, was (etwas) »in höherem Maße« ist, nicht Eigentümlichkeit von etwas, das auch »mehr so« ist, dann wird auch nicht ein »Weniger so« Eigentümlichkeit eines »weniger so« sein, und schon gar nicht ein »am wenigsten so« (Eigentümlichkeit) eines »am wenigsten so«, aber auch nicht ein »in höchstem Maße so« (Eigentümlichkeit) eines »im höchsten Maße so«, auch nicht ein »einfach so« von einem »einfach so«, z. B.: Da »kräftiger Gefärbtsein« nicht Eigentümlichkeit von »in höherem Maße Körper« ist, so wird auch »schwächer Gefärbtsein ja wohl nicht Eigentümlichkeit von »in geringerem Maße Körper« sein, und überhaupt auch nicht »Gefärbtsein« von »Körper«. Beim Errichten (ist die Folge): Wenn ein »mehr so« Eigentümlichkeit eines »mehr so«, dann wird auch das (entspre-
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chende) »weniger so« Eigentümlichkeit des (entsprechenden) »weniger so«, und (so fort) das »am wenigsten so« die des »am wenigsten so«, das »in höchsten Maße« des »in höchstem Maße« und das »einfach nur so« die des (entsprechenden) »einfach so«, z. B.: Da von »in höherem Maße lebendig« die Eigentümlichkeit ist »mehr Sinneswahrnehmung haben«, so wird ja wohl auch von »in minderem Maße lebendig« das »weniger Sinneswahrnehmung haben« die Eigentümlichkeit sein, und entsprechend von dem »in höchstem Maße« ein »in höchstem Maße«, und von dem einfach, ohne Zusatz (Gesagten) ein ebensolches. Und man muß auch [b] von dem ohne Zusatz, einfach so (Ausgesagten) auf diese (zurück) die Prüfung machen, und zwar beim Einreißen (mit der Folge): Wenn die einfach so (ausgesagte Bestimmung) nicht die Eigentümlichkeit der (entsprechenden) einfach so (ausgesagten), dann wird hier auch nicht »mehr so« von »mehr«, nicht »weniger so« von »weniger«, nicht »in höchstem Maße« von »in höchstem Maße«, und nicht »am wenigsten so« von einem »am wenigsten« die Eigentümlichkeit sein, z. B.: Da von »Mensch« nicht »tüchtig« die Eigentümlichkeit ist, so wird ja wohl von »in höherem Maße Mensch« die Eigentümlichkeit nicht sein »in höherem Maße tüchtig«; (usw). Beim Errichten dagegen (folgt): Ist ein einfach, ohne Zusatz (Ausgesagtes) die Eigentümlichkeit des (entsprechenden) einfach (Ausgesagten), so wird ja wohl auch das »mehr so« die des »mehr so«, das »weniger« die des »weniger«, das »am allerwenigsten« die des »am allerwenigsten« und das »in höchstem Maße so« die Eigentümlichkeit des (entsprechenden) »am meisten so« sein, z. B.: Da von »Feuer« die Eigentümlichkeit ist »von Natur aus nach oben steigen«, so wird ja wohl auch dem, was in stärkerem Maße Feuer ist, eigentümlich sein, in stärkerem Maße von Natur aus nach oben zu steigen. – Auf die gleiche Weise ist auch von allen übrigen (Bestimmungen) aus im Hinblick auf alle diese die Prüfung zu machen. Zum zweiten (ist zu fragen) beim Einreißen, ob (etwas, das) »in höherem Maße« (vorliegt), etwa nicht Eigentümlichkeit
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dessen ist, im Verhältnis zu dem es in stärkerem Maße vorliegt; denn dann wird ja auch ein in minderem Maße Vorliegendes nicht Eigentümlichkeit dessen sein, bezogen auf das es in geringerem Maße vorliegt, z. B.: Wenn denn »Wahrnehmung haben« in stärkerem Maße Eigentümlichkeit von »Lebewesen« ist als »Wissen besitzen« von »Mensch«, wenn nun aber dies »Sinneswahrnehmung besitzen« nicht Eigentümlichkeit von »Lebewesen« ist, dann ist ja wohl auch »Wissen besitzen« nicht Eigentümlichkeit von »Mensch«. Beim Errichten (ist die Folge): Ist ein in minderem Maße Vorliegendes Eigentümlichkeit dessen, im Vergleich zu dem es in minderem Maße vorliegt, dann wird ja auch das in stärkerem Maße Vorliegende Eigentümlichkeit dessen sein, im Vergleich zu dem es in stärkerem Maße vorliegt, z. B.: Wenn das »gesittet von Natur« weniger stark Eigentümlichkeit von »Mensch« ist als »leben« von »Lebewesen«, und da nun aber »gesittet von Natur« Eigentümlichkeit von »Mensch« ist, so wird ja wohl auch »leben« die Eigentümlichkeit von »Lebewesen« sein. Zum dritten (ist zu fragen) beim Einreißen, ob etwas etwa nicht Eigentümlichkeit dessen ist, dessen Eigentümlichkeit es in höherem Maße ist (als die von etwas anderem); denn dann wird es ja auch nicht Eigentümlichkeit dessen sein, dessen Eigentümlichkeit es in minderem Maße ist, z. B.: Wenn denn »Gefärbtsein« in stärkerem Maße Eigentümlichkeit von »Fläche« als von »Körper« ist, und wenn es aber Eigentümlichkeit von Fläche nicht ist, dann wird ja wohl »Gefärbtsein« auch nicht Eigentümlichkeit von »Körper« sein. Für jemanden, der errichten will, ist dieser Gesichtspunkt nicht brauchbar; es ist nämlich unmöglich, daß eines und dasselbe Eigentümlichkeit von mehreren (Bestimmungen) ist. Zum vierten (ist vom Gegenstand aus zu fragen), beim Einreißen: Ist etwa das, was in stärkerem Maße Eigentümlichkeit an ihm ist, es in Wirklichkeit doch nicht? Dann wird nämlich auch das, was in minderem Maße seine Eigentümlichkeit ist, nicht eigentümlich sein, z. B.: Wenn das »sinnlich wahrnehmbar« in stärkerem Maße die Eigentümlichkeit von »Lebewesen« ist als das »in Teile zerlegbar«, und wenn denn weiter dies
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»wahrnehmbar« nicht Eigentümlichkeit von »Lebewesen« ist, so wird ja wohl auch nicht das »in Teile zerlegbar« Eigentümlichkeit von »Lebewesen« sein. Beim Errichten dagegen (ist die Folge): Wenn etwas, das in geringerem Maße seine (des Gegenstandes) Eigentümlichkeit ist, es in der Tat doch ist, dann wird ja auch etwas, das in höherem Maße seine Eigentümlichkeit ist, (ihm) eigentümlich sein, z. B.: Wenn denn das »kann wahrnehmen« weniger für »Lebewesen« eigentümlich ist als das »leben«, nun aber tatsächlich dies »wahrnehmen« Eigentümlichkeit von »Lebewesen« ist, so wird ja wohl auch »leben« zu »Lebewesen« Eigentümlichkeit sein. Sodann (fünftens) auch von den (Bestimmungen) aus, die in ähnlicher Weise (an Gegenständen) vorliegen, und zwar beim Einreißen, erstens: [a] Ist etwas, das in gleichem Maße (wie etwas anderes) Eigentümlichkeit (von etwas) ist, etwa nicht Eigentümlichkeit dessen, dessen Eigentümlichkeit es doch genau so sehr (wie das andere an anderem) sein sollte? (Ist das so), dann wird ja auch das, was in gleichem Maße eigentümlich sein sollte (wie es), nicht Eigentümlichkeit dessen sein, an dem es doch genauso Eigentümlichkeit sein sollte (wie das andere), z. B.: Wenn denn »begehrlich sein« in ebendem Maße Eigentümlichkeit des triebhaften (Seelenvermögens) ist wie »Verstandgebrauchen« des vernunftbegabten, und wenn dann aber das »begehrlich sein« nicht die Eigentümlichkeit des triebgeleiteten (Seelenteils) ist, dann ist ja wohl auch das »Vernunftgebrauchen« nicht Eigentümlichkeit des Denkvermögens. Beim Errichten dagegen (ist die Folge): Wenn das, was in gleichem Maße (wie etwas anderes) Eigentümlichkeit ist, tatsächlich dessen Eigentümlichkeit ist, dessen Eigentümlichkeit es doch genauso (wie das andere) sein soll, dann wird ja auch dieses, was doch genauso die Eigentümlichkeit sein soll, dessen Eigentümlichkeit sein, an dem es das genauso sein soll, z. B.: Wenn denn »in unvermittelter Weise verständig« ebenso sehr Eigentümlichkeit des vernunftbegabten (Seelenteils) ist wie »in unmittelbarer Weise maßvoll« die des triebhaften, und wenn nun tatsächlich die Eigentümlichkeit dieses »ver-
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nunftgeleitet« das »in unvermitteltem Sinn verständig« ist, so wird ja wohl auch von »triebhaft« die Eigentümlichkeit sein »unmittelbar maßvoll«. Zum zweiten [b], beim Einreißen (geht es auch darum), ob etwas, das in gleichem Maße (wie etwas anderes) Eigentümlichkeit (eines Gegenstandes) ist, dann tatsächlich dessen Eigentümlichkeit doch nicht ist; in dem Falle wird nämlich (das andere), das ihm ja genauso eigentümlich sein sollte, dessen Eigentümlichkeit auch nicht sein, z. B.: Wenn denn »sehen« und »hören« in gleichem Maße Eigentümlichkeit von »Mensch« sind, und wenn dann »sehen« nicht Eigentümlichkeit von »Mensch« ist, dann wird ja wohl auch »hören« nicht Eigentümlichkeit von »Mensch« sein. Beim Errichten dagegen (ist die Folge): Wenn etwas, das genauso Eigentümlichkeit des Gegenstandes ist (wie das andere), es dann tatsächlich auch ist, so wird ja wohl auch das andere, das genauso seine Eigentümlichkeit sein sollte, es auch sein, z. B.: Wenn es denn genauso für »Seele« eigentümlich ist, daß ein Teil von ihr in unvermittelter Weise triebhaft ist, wie ein anderer von ihr in unvermitteltem Sinne vernunftgeleitet, und wenn es tatsächlich Eigentümlichkeit der Seele ist, daß ein Teil von ihr in unmittelbarem Sinne triebgebunden ist, dann wird es ja wohl auch Eigentümlichkeit der Seele sein, daß ein anderes Teil von ihr in unmittelbarem Sinne vernunftbestimmt ist. Drittens, beim Einreißen (ist zu prüfen), ob etwas, das einem (Gegenstand) genauso eigentümlich ist (wie einem anderen), es an diesem doch nicht ist; denn in dem Falle wird es auch Eigentümlichkeit (des anderen), dessen Eigentümlichkeit es genauso sein sollte, nicht sein können. Wenn es dagegen Eigentümlichkeit des ersteren ist, wird es die des anderen nicht sein können. Z.B.: Wenn denn »lodern« genauso eigentümlich ist für »Flamme« wie für »Glut«, und wenn dann dies »lodern« nicht Eigentümlichkeit ist von »Flamme«, dann ist dies »lodern« ja wohl auch nicht der Glut eigentümlich. Für jemanden, der errichten will, ist dieser Gesichtspunkt in keinem Falle brauchbar.
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Es unterscheidet sich der (Gesichtspunkt) »vom entsprechend sich Verhaltenden aus« von dem »vom gleichermaßen Vorliegenden aus« (darin): Das eine wird nur nach der Entsprechung genommen, es wird nicht darauf gesehen, daß etwas auch vorliegt, das andere dagegen wird verglichen danach, ob etwas (auch wirklich) vorliegt. Kapitel 9. Sodann [12], beim Einreißen (ist die Frage): Hat einer, der die Eigentümlichkeit nur in der Möglichkeitsform angibt, dieses nur möglicherweise Eigentümliche auch im Hinblick auf den nichtvorkommenden Fall (dieser Möglichkeit) angegeben, wo doch die Möglichkeitsform dem Nichtvorhandenen gar nicht eignen kann? Dann wird nämlich das als eigentümlich Gesetzte dies nicht sein, z. B.: Da einer, der gesagt hat: Eigentümlichkeit von »Luft« ist »möglicherweise eingeatmet werden zu können«, zwar etwas Eigentümliches angegeben hat – denn so etwas, was einzuatmen ist, ist ja »einatmungsfähig« –, aber dies Eigentümliche auch darauf hin, daß es einmal nicht geschieht, angegeben hat – denn wenn einmal kein Lebewesen da wäre, dem es naturgegeben ist, Luft einzuatmen, so kann es die Luft ja trotzdem geben; umgekehrt aber, wenn es Lebewesen nicht gibt, ist auch »atmen« nicht möglich; daher es denn nicht Eigentümlichkeit von »Luft« sein kann, von der Art zu sein, eingeatmet zu werden, dann, wenn es »Lebewesen« nicht gibt, das von der Art ist einzuatmen –: so wäre also dies »einatmungsfähig« nicht Eigentümlichkeit von »Luft«. Beim Errichten dagegen (ist darauf zu achten), ob man bei Angabe des Eigentümlichen in der Möglichkeitsform entweder dies Eigentümliche nur im Hinblick auf den Vorliegensfall angibt oder auch für den des Nichtvorliegens, dann nämlich, wenn die Möglichkeit auch im Falle von etwas vorliegen kann, was nicht ist; denn dann wird eigentümlich sein auch, was (vom Gegner) als nicht eigentümlich gesetzt war, z. B.: Da einer, der als Eigentümlichkeit von etwas, das es gibt, angibt »kann erleiden oder wirken«, diese Eigentümlichkeit im Möglichkeitsfalle angibt und sie für den Seinsfall angegeben hat – genau zu der Zeit doch, wenn und solange es vorhanden
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ist, ist es ihm möglich, etwas zu erfahren oder zu bewirken –: daher denn also dies »kann Einwirkung erleiden oder solche ausüben« Eigentümlichkeit von etwas wäre, das da ist. Sodann [13], beim Einreißen (ist zu beachten): Hat er etwa die Eigentümlichkeit in der Übermaßform gesetzt? Denn in dem Fall wird das als eigentümlich Gesetzte dies nicht sein. Es geschieht ja denen, die die Eigentümlichkeit in der Weise angeben, daß, wovon die Begriffserklärung (stimmt), nicht mehr auch die Wortbezeichnung richtig ist: Ist das gemeinte Ding verschwunden, so besteht die Begriffserklärung nichtsdestoweniger fort; sie wird nämlich dann einem anderen (Gegenstand), den es noch gibt, am meisten zutreffen, z. B.: Würde jemand als Eigentümlichkeit von »Feuer« angeben »leichtester Körper«, (und nimmt man dann an, alles, was) Feuer (ist), wäre verschwunden, so wird ja irgendein anderer unter den Körpern der sein, der dann der leichteste ist. Also wird ja wohl »leichtester Körper« die Eigentümlichkeit von »Feuer« nicht sein. Beim Errichten dagegen (kommt es darauf an), daß man nicht etwa die Eigentümlichkeit in der Höchstform gesetzt hat; dann wird in dieser Hinsicht die Eigentümlichkeit sauber gesetzt sein, z. B.: Da einer, der als Eigentümlichkeit von »Mensch« gesetzt hat »Lebewesen, von Natur gesittet«, die Eigentümlichkeit nicht in der Höchststufe angegeben hat, so wäre also diese Eigentümlichkeit in der Hinsicht sauber gesetzt.
SECHSTES BUCH
Kapitel 1. Der Anstrengung um die Begriffsbestimmung sind fünf Teile: Entweder (I), daß es gar nicht wahr ist, von dem, worauf die Wortbezeichnung geht, auch die Begriffserklärung auszusagen – die Begriffsbestimmung von »Mensch« muß ja über jeden Menschen wahr ausgesagt werden können –, oder (II), daß er (der Gegner), wo es doch eine Gattung gibt, ihn (den Gegenstand) nicht unter eine Gattung oder doch nicht unter die verwandte Gattung gesetzt hat – denn wer da Begriffe eingrenzt, muß (es doch so machen): (den Gegenstand) erst unter die entsprechende Gattung setzen und dann die (artbildenden) Unterschiede anfügen; dabei macht offenbar von allen (Bestandsstücken) in der Begriffsbestimmung die Gattung am meisten das Wesen des zu Bestimmenden klar –, oder (III), daß die begriffserklärende Rede (dem Gegenstand) nicht eigentümlich ist – die Begriffsbestimmung muß doch (dem gemeinten Gegenstand allein) eigentümlich sein, wie ja früher gesagt ist –, oder (IV), wenn man zwar alles Genannte gemacht hat und doch nicht fest eingegrenzt und ausgesagt hat, was das zu Bestimmende denn wesentlich und wirklich sein sollte; übrig (bleibt noch) neben all dem Gesagten (V), wenn man zwar genau abgegrenzt hat, doch dies nicht sauber abgegrenzt ist. Ob nun (I), wovon der Name gilt, davon etwa die begriffserklärende Rede nicht auch gilt, das muß man von den Gesichtspunkten »vom nebenbei Zutreffenden« aus durchprüfen; denn dort schon geht die ganze Untersuchung ja (um die Frage): Ist es (das Ausgesagte) wahr oder nicht wahr? Wenn nämlich in dem Untersuchungsgespräch herauskommt, daß dies nebenbei Zutreffende tatsächlich vorliegt, sagen wir: (Dieser Satz ist) »wahr«; (kommt heraus), es liegt nicht vor, so: »nicht wahr«. Ob er es aber (II) nicht unter die verwandte Gattung gesetzt hat, oder (III), ob die angegebene begriffserklärende Rede
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nicht eigentümlich ist, ist von den genannten Gesichtspunkten »von der Gattung« und »von der Eigentümlichkeit« her zu überprüfen. Bleibt also übrig, darüber zu reden, wie man damit umgehen soll, ob er (der Gegner) gar nicht klar abgegrenzt hat (IV), oder nicht sauber abgegrenzt hat (V). Erstens nun also ist zu prüfen (die Frage), ob etwa nicht sauber abgegrenzt ist; es ist ja leichter, irgendetwas fertiggebracht zu haben, als, es sauber hingebracht zu haben. Klar ist nun also: Da wird es mehr Fehler geben, da es eben schwieriger ist; also ist in diesem Falle angreifender Zugriff leichter als in dem anderen zu machen. Von diesem »nicht sauber« gibt es zwei Teilbereiche: Eine (Weise) ist der Gebrauch unklarer Ausdrucksweise – einer, der Bestimmungen abgrenzt, muß ja doch sich möglichst klarer Ausdrucksmittel bedienen, da doch eine Begriffsbestimmung um der Gewinnung von Erkenntnis willen angegeben wird – die zweite (liegt dann vor), wenn er seine Erklärungsrede über einen weiteren Bereich als nötig vorgetragen hat; alles Zusätzliche ist bei der Begriffsbestimmung nämlich überflüssig. Und wieder, jede der beiden genannten (Weisen) ist erneut in mehrere (Bereiche) eingeteilt. Kapitel 2. [1] Ein Gesichtspunkt zum (Stichwort) »unklar« (tritt dann auf), wenn das Genannte mit irgendetwas anderem die gleiche Wortbezeichnung hat, z. B.: (Die Bestimmung von) »Werden« (als) »Hinführung zum Sein«, und (die von) »Gesundheit« als »ausgeglichenes Verhältnis des Warmen und Kalten«; »Hinführung« und »Verhältnis« sind eben je ein Wort mit mehreren Bedeutungen, und so ist denn unklar, welchen unter den Begriffen, auf die von dem Wort mit mehreren Bedeutungen hingewiesen wird, er aussagen will. [2] Entsprechend ist es auch, wenn das zu Bestimmende ein Wort mit mehreren Sachbedeutungen ist und er vorgetragen hat, ohne sie auseinanderzunehmen; dann ist nämlich unklar, von welcher davon er die Bestimmung angegeben hat, und dann kann der verleumderische Angriff losgehen (mit dem Vorwurf), daß doch die Erklärungsrede nicht auf alles passe, wovon er die
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Begriffsbestimmung angegeben habe. Am besten geht so etwas zu machen, wenn die Mehrdeutigkeit versteckt ist; es geht aber auch, indem man selbst auseinandernimmt, in wievielen Bedeutungen das in der Begriffsbestimmung Angegebene ausgesagt wird, und dann die Rechnung aufmacht: Wenn nach keiner der Weisen (die Sache) hinreichend ausgesprochen ist, so (ist) klar: Er hat ja wohl nicht regelgerecht bestimmt. [3] Ein anderer (Fall liegt vor), wenn er (der Gegner) in bedeutungsverändernder Weise gesprochen hat, z. B. wenn er »wissen« (bezeichnet als) »unschlagbar« oder die Erde als »Amme« oder die Besonnenheit als »Zusammenklang«; alles das ist doch undeutlich, was so in übertragener Bedeutung gesagt wird. Es geht auch, einem, der so übertragen redet, das Wort zu verdrehen, als habe er im eigentlichen Sinne gesprochen, dann wird nämlich die vorgetragene Begriffsbestimmung nicht passen, z. B. bei »Besonnenheit«: jeder »Zusammenklang« gehört doch in den Bereich der Töne. Und weiter, wenn »Zusammenklang« die Gattung zu »Besonnenheit« wäre, dann wird ja eines und dasselbe unter zwei Gattungen stehen, die nicht einander umfassen: weder ist es doch »Zusammenklang«, der »Tugend«, noch »Tugend«, die »Zusammenklang« umfaßte. [4] Weiter (liegt Undeutlichkeit vor), wenn man nicht im Sprachgebrauch erprobte Worte benutzt, z. B. Platon: »wimpernschattig« das Auge, oder: die Spinne »entzündungsbissig«, oder: das Mark »knochenentstammt«. Alles, was nicht gewohnt ist, ist undeutlich. [5] Einiges auch ist weder aufgrund von Gleichnamigkeit noch in übertragener Bedeutung, noch aber auch im eigentlichen Sinne gesagt, z. B.: Das Gesetz ist »Maß und Bild des von Natur Gerechten«. Derlei ist noch schlimmer als Bedeutungsübertragung; denn übertragene Bedeutung macht ja das Gemeinte aufgrund der Ähnlichkeit doch irgendwie klar – alle, die Bedeutungen übertragen, tun dies ja über irgendeine Ähnlichkeit –, doch derlei macht gar nichts bekannt: weder liegt hier eine Ähnlichkeit vor, dergemäß ein Gesetz »Maß und Bild« ist, noch ist es üblich, so zu reden. Also, wenn man
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nun im eigentlichen Sinne sagt: Gesetz ist »Maß« oder »Bild«, ist es falsch – Bild ist doch etwas, dessen Entstehung mittels Nachgestaltung (erfolgt), das trifft aber auf Gesetz nicht zu – (redet man aber) in nicht eigentlicher Bedeutung, so (ist) klar: Man hat undeutlich geredet und schlimmer als irgendetwas, was in übertragener Bedeutung gesagt war. [6] Weiter (ist es undeutlich), wenn aus dem Gesagten nicht auch die Begriffserklärung des Gegenteils klar (hervorgeht); Leute, die sauber angeben, weisen auch auf (die Begriffsbestimmungen) des jeweiligen Gegenteils zusätzlich hin. [7] Oder (Undeutlichkeit liegt dann vor), wenn (die Begriffsbestimmung), für sich ausgesprochen, nicht klar sagt, wessen Begriffsbestimmung sie eigentlich ist, sondern (es einem so geht) wie bei alten Schriftzeichen: Wenn man nicht drüberschreibt, weiß man nicht, was es im einzelnen sein soll. Kapitel 3. Ob (es) nun also nicht deutlich (erfolgt ist), ist aus derartigen (Erwägungen) zu prüfen. Ob er (der Gegner) dagegen die Begriffsbestimmung über einen weiteren (Bereich, als sinnvoll ist,) ausgesagt hat, ist, erstens [1], (danach) zu prüfen, ob er sich dabei einer Bestimmung bedient hat, die auf alles zutrifft, entweder auf alles, was es gibt, überhaupt oder doch (alles), was unter die gleiche Gattung wie das zu Bestimmende (fällt). Es muß ja doch die Gattung (das zu Bestimmende) von allem übrigen trennen, der (artbildende) Unterschied von (allem), was in der gleichen Gattung (steht). Eine Bestimmung nun also, die auf alles zutrifft, trennt überhaupt von nichts; was aber allem unter einer und derselben Gattung zukommt, trennt (das zu Bestimmende) nicht von den (anderen Bestimmungen) in der gleichen Gattung, mithin ist derartiger Zusatz sinnlos. [2] Oder (es ist daraufhin zu prüfen), ob der Zusatz zwar eigentümlich ist, aber wenn man ihn wegläßt, die restliche Erklärungsrede auch eigentümlich bleibt und das Wesen angibt; z. B. in der begriffserklärenden Rede für »Mensch« ist ein hinzugesetztes »des Wissens fähig« überflüssig; auch wenn das fortgenommen wird, ist der Rest der Erklärung eigentümlich und gibt das Wesen an. Einfach gesagt, alles das
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ist überflüssig, nach dessen Wegnahme der Rest das zu Bestimmende (immer noch) klar macht. Von der Art ist auch die Begriffsbestimmung von »Seele«, wenn sie »Zahl, sich selbst bewegend« sein soll; ist doch das »selbst sich selbst Bewegende« auch schon »Seele«, wie Platon es bestimmt hat. Oder, das Genannte ist zwar wohl eigentümlich, bezeichnet aber das Wesen nicht, wenn »Zahl« fortgenommen ist. Wie sich das nun verhält, ist schwer zu erklären, man muß (das) aber in allen derartigen Fällen im Hinblick auf das Nützliche dabei anwenden, z. B.: Begriffsbestimmung von »Schleim« sei »feucht, erste Nahrungsumsetzung, unverdaut«; nun bedeutet doch »erstes« ein »eins«, nicht ein »vieles«, also ist der Zusatz »unverdaut« überflüssig; auch wenn das fortgenommen ist, bleibt die restliche Erklärungsrede eigentümlich; es kann nämlich nicht sein, daß sowohl dies die »erste« Umsetzung von Nahrung sei und etwas anderes dann auch noch. Oder ist der Schleim nicht einfach so die erste Umsetzungsstufe von Nahrung überhaupt, sondern nur die erste Form des noch Unverdauten, sodaß das »unverdaut« hinzuzusetzen wäre? Wäre es dann auf die erstere (verkürzte) Weise gesagt, so wäre die Erklärungsrede dann ja nicht wahr, wenn er dann nicht das erste von allen (Umwandlungsstufen) ist. [3] Sodann (ist zu prüfen), ob etwa eine der Bestimmungen in der Erklärungsrede nicht allem zukommt, was unter die gleiche Art (fällt). Wer das macht, hat schlechter bestimmt als die, die etwas verwenden, was allem zukommt, was (in der gleichen Gattung) ist. In diesem anderen Falle nämlich wird, wenn die Einzelerklärung eigentümlich ist, auch die Gesamterklärung es sein; es wird dann ja, wenn man zu der Eigentümlichkeit was auch immer, es muß nur wahr sein, hinzusetzt, ohne weiteres die ganze erklärende Rede eigentümlich sein. Wenn dagegen eine Bestimmung von denen in der Erklärungsrede nicht allem zukommt, (was) unter der gleichen Art (steht), so ist es unmöglich, daß die ganze Erklärungsrede eigentümlich wäre; denn dann kann das mit der Sache nicht wechselseitig ausgesagt werden, z. B.: »Lebewesen, zu Lande lebend, zweifüßig, vier Ellen groß« – eine solche Erklärungs-
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rede läßt sich mit dem Gegenstand nicht wechselseitig aussagen, weil eben nicht allen, (die) unter die gleiche Art (fallen), das »vierellig« zukommt. [4] Und wieder (kommt es darauf an), ob er mehrmals dasselbe gesagt hat, z. B., indem er »Begierde« als »Streben nach Lustvollem« bezeichnet; jede Begierde (geht doch selbst schon) »nach Lustvollem«, daher also hier auch, was dasselbe ist wie Begierde, »nach Lustvollem« ausgehen wird; dann stellt sich also als Begriffsbestimmung von »Begierde« heraus »Streben nach lustvollem Lustvollen«; es macht ja keinen Unterschied, »Begierde« zu sagen oder »Streben nach Lustvollem«, sodaß also beides davon nach Lustbringendem ausgeht. – Oder ist das vielleicht gar kein Unsinn? Es ist doch auch der Mensch zweifüßig, also wird auch, was das gleiche ist wie »Mensch«, die Bestimmung »zweifüßig« haben müssen; nun ist aber das gleiche wie »Mensch«: »Lebewesen, zu Lande lebend, zweifüßig«, sodaß es also »Lebewesen, zu Lande lebend, zweifüßig zweifüßig« geben müßte. Aber deshalb tritt doch kein Unsinn auf: es wird nämlich »zweifüßig« nicht von »Lebewesen, zu Lande lebend« ausgesagt – so wäre dann ja wirklich »zweifüßig« zweimal von demselben ausgesagt –, sondern über »Lebewesen, zu Lande lebend, zweifüßig« wird das »zweifüßig« ausgesagt, sodaß »zweifüßig« also nur einmal zugesprochen wird. – Ähnlich ist es dann auch mit »Begierde«: Nicht von dem bloßen »Streben« wird das »auf Lustvolles ausgehen« ausgesagt, sondern von dem Ganzen zusammen, daher denn also auch hier die Zusprechung nur einmal erfolgt. Nicht daß zweimal das gleiche Wort ausgesprochen wird, ist der Unsinn, sondern daß mehrmals die gleiche Bestimmung über etwas ausgesagt wird, so wie Xenokrates es bei »Klugheit« (macht): Sie sei »Grenzen setzend und hinschauend auf alles, was es gibt«, sagt er; nun ist dies »Bestimmungen abgrenzende« Vorgehen doch eine Form von »betrachtender«« (Wissenschaft), also sagt er zweimal das gleiche, wenn er wieder »anschauend« dazusetzt. Ähnlich machen es auch die, welche »Verkühlung« als »Verlust der naturgegebenen Wärme« bezeichnen: jeder Verlust betrifft doch etwas, das von Natur aus vorhanden sein
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sollte, also ist es überflüssig, das »naturvorhanden« dazuzusetzen, stattdessen reichte es schon, »Verlust von Wärme« zu sagen, da doch der Begriff »Verlust« selbst schon klarmacht, daß er in Beziehung auf Naturvorhandenes ausgesagt wird. [5] Und wieder (ist zu beachten), ob er, nachdem er das Allgemeine schon gesagt hat, auch noch eine Teilaussage dazusetzt, z. B.: »Nachsicht« (sei) »Minderung von Nützlich und Gerecht«; »gerecht« ist doch eine (der Formen) von »nützlich«, wird also mit »nützlich« schon mit umfaßt; also ist »gerecht« hier überzählig: nachdem er das Allgemeine schon gesagt hat, reicht er nun auch noch die Teilaussage nach. Und so auch, wenn (gesetzt wird): »Heilkunst« (ist) »Wissen von dem, was für Lebewesen und Mensch gesundheitsförderlich ist«, oder: »Gesetz« (ist) »Bild dessen, was von Natur sittlich schön und gerecht ist«; »gerecht« ist (immer schon) ein sittlich Schönes, also sagt er dasselbe mehrmals. Kapitel 4. Ob nun sauber oder nicht sauber (der Begriff bestimmt ist), ist mittels dieser und derartiger (Gesichtspunkte) zu untersuchen. Ob er (überhaupt) eine Begriffsbestimmung gemacht und das »was es wirklich sein sollte« ausgesprochen hat oder nicht, (ist) aus folgenden (zu ersehen). [1] Erstens (geht es darum), ob er etwa nicht mittels näherliegender und bekannterer (Begriffe) die Bestimmung gemacht hat. Da doch diese Begriffsabgrenzung angegeben wird, um den in Rede stehenden Gegenstand zu erkennen, und da wir weiter diese Erkenntnis nicht gewinnen aus beliebigen (Vorstellungen), sondern aus solchen, die davor liegen und bekannter sind, so wie eben in den Beweisführungen – so geht ja jede Lehre und jedes Lernen vor –, (so ist also) klar: Wer die Bestimmung nicht mittels derartiger (Begriffe) macht, hat keine gemacht. Andernfalls würde es mehrere Begriffsbestimmungen des gleichen (Gegenstandes) geben; klar doch, wer (es) mittels davorliegender und bekannterer (Vorstellungen macht), hat besser begriffsbestimmt, mithin würden beide (Bestimmungswege) auf den gleichen (Gegenstand) gehen. So etwas erscheint aber durchaus nicht als richtig: Für alles, was es da gibt, ist sein »sein, was es ist« nur eines. Gäbe es also
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mehrere Begriffsbestimmungen eines und desselben, dann müßte für das zu Bestimmende dies »sein, was nach beiden Bestimmungen erhellt wird« ja das gleiche sein; diese (Inhalte) sind aber nicht die gleichen, wenn denn doch die Begriffsbestimmungen verschiedene sind. Klar denn also: Wer nicht mittels davorliegender und bekannterer (Begriffe) die Bestimmung gemacht hat, hat keine gemacht. Daß nun also (je und je) die Begriffsbestimmung nicht mittels bekannterer (Begriffe) vorgetragen ist, ist auf zweifache Weise zu erfassen: Entweder ob (es) schlechterdings aus unbekannteren (erfolgt ist) oder (nur) uns unbekannteren; denn es geht ja auf beide Weisen. An sich bekannter ist nun also das Frühere gegenüber dem ihm Folgenden, z. B. Punkt im Verhältnis zur Geraden, Gerade zu Fläche, Fläche zu Körper, wie auch Einheit im Verhältnis zu Zahl; sie ist nämlich früher da als jede Zahl und (ist) ihrer aller Anfang. Entsprechend auch Buchstaben vor Silbe. Uns dagegen ergeht es gelegentlich umgekehrt: Der räumliche Gegenstand fällt am stärksten unter die Wahrnehmung, die Fläche wieder mehr als der Strich, der Strich wieder mehr als der Punkt; derlei nehmen die Leute doch zu allererst zur Kenntnis, das fällt jedem beliebigen Hinsehen auf; das andere dagegen zu erlernen ist schon Sache genauen und darüber hinausgehenden Denkens. Ganz einfach besser ist der Versuch, mittels der davorliegenden die danach kommenden (Bestimmungen) zu erkennen; derlei Verfahren ist wissenschaftlicher. Indessen für solche, die nicht in der Lage sind, auf solchem Wege Erkenntnis zu gewinnen, ist es vielleicht wohl notwendig, den Erklärungsgang durch Vorstellungen zu nehmen, die ihnen bekannt sind. Zu dieser Art Begriffsbestimmungen (zählen dann) die von Punkt, von Gerader und von Fläche; es klären ja alle das Frühere mittels des Späteren: Das eine (der Punkt) ist danach die Grenze der Geraden, diese die von Fläche, diese die des raumeinnehmenden (Körpers), so sagt man. Es darf allerdings nicht verborgen bleiben, daß Leute, die so die Bestimmung machen, es damit nicht fertigbringen, an dem zu Bestimmenden sein »was es doch sein sollte« zu
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klären, wenn nicht etwa das, was uns bekannter ist und das an sich Bekanntere zufällig das gleiche sein sollte; wo doch einer, der sauber den Begriff bestimmt, dies tun muß mittels der Gattung und der (artbildenden) Unterschiede, die aber gehören zu dem, was an sich bekannter ist als die Art und ihr vorausliegt; denn Gattung und Unterschied heben die Art mit sich auf, also liegen diese der Art voraus. Sie sind aber auch bekannter; ist nämlich die Art zur Kenntnis gebracht, so muß (darin) notwendig auch die Gattung und der (artbildende) Unterschied zur Kenntnis kommen – wer »Mensch« kennt, kennt auch »Lebewesen« und »zu Lande lebend« –, (umgekehrt) dagegen, ist die Gattung und der Unterschied bekannt, so muß nicht notwendig auch die Art bekannt sein, mithin ist die Art unbekannter. Weiter, es geschieht denen, die da sagen: Derartige Begriffsbestimmungen erfolgen wahrheitsgemäß – die von dem aus, was einem jeden bekannter ist –, daß sie damit sagen, es gebe viele Begriffsbestimmungen von einem und demselben (Gegenstand): verschiedenen (Leuten) ist ja halt Verschiedenes, nicht immer allen das gleiche, bekannter, sodaß im Hinblick auf einen jeden eine andere Begriffsbestimmung anzugeben wäre, wenn es denn doch sein soll, die Begriffsbestimmung von dem aus zu machen, was einem jeden bekannter ist. Weiter ist dem gleichen (Menschen) zu verschiedener Zeit je anderes mehr bekannt, von Kindheit auf zunächst das sinnlich Wahrnehmbare; sind sie dann herangewachsen, es genauer zu nehmen, so kehrt sich das um, sodaß denn also nicht einmal dem gleichen (Menschen) gegenüber immer die gleiche Begriffsbestimmung anzugeben wäre, wenn man behauptet, die Begriffsbestimmung müsse mittels dessen angegeben werden, was einem jeden einzelnen je bekannter ist. Klar nun also: Nicht mittels solcher (Vorstellungen), sondern von solchen aus, die für sich bekannter sind, ist Begriffsbestimmung zu machen; so allein wird es ja wohl immer eine und dieselbe werden. Vielleicht aber auch: Das an sich Bekannte ist nicht das allen Bekannte, sondern das, (was) denen (bekannt ist), mit de-
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ren Verstand es wohl bestellt ist, so wie ja auch »gesund«, rein ohne Zusatz, das ist, was für (Leute) gilt, deren Leib in gutem Zustand ist. Die einzelnen Punkte all dessen sind zwar sorgfältig auszuarbeiten, verwenden muß man es aber im Untersuchungsgespräch im Hinblick auf Nutzen. Am wirksamsten geht es eingestandenermaßen, eine Begriffsbestimmung aufzuheben, wenn (der Gegner) etwa die Erklärungsrede weder vom an sich Bekannteren noch vom uns (Bekannteren) aus gemacht hat. Eine Weise also dieses »nicht durch Bekannteres« ist: (1) Mittels nachgeordneter (Begriffe) die vorgeordneten klären zu wollen, wie wir ja schon früher gesagt haben. Eine zweite (2), wenn uns Erklärung von etwas, das sich in Ruhe befindet und fest bestimmt ist, mittels (Vorstellungen) geliefert wird, die unbestimmt und in Veränderung sind; das Bleibend-Beharrende und Bestimmte stehen vor dem Unbestimmten, in Veränderung Befindlichen. Von dem »nicht von Vorrangigem aus« gibt es drei Weisen. Die erste (Ia) (liegt vor), wenn Gegenteil durch Gegenteil bestimmt ist, z. B. »gut« durch »schlecht«; gegenteilige (Bestimmungen begegnen) doch von Natur zugleich. Einigen scheint es auch, daß eines und dasselbe Wissen auf beides geht, also ist auch so hier nicht eines bekannter als das andere. Es darf aber nicht verborgen bleiben, daß einige (Bestimmungen) vielleicht nicht anders abzugrenzen sind, z. B. »doppelt« ohne »halb« und alles, was nach seinem bloßen Inhalt nur »im Verhältnis zu etwas« ausgesagt wird; für alle derartigen (Bestimmungen) ist das »was sie sind« eben genau ihr »sich zu etwas so und so verhalten«, daher es denn unmöglich ist, das eine ohne das andere zur Kenntnis zu bringen; aus dem Grunde ist es notwendig, in der begriffserklärenden Rede des einen auch das andere mit einzubegreifen. (Wie gesagt:) Kennen muß man das alles zwar, brauchen (soll man) es, soweit es eben offenbar Nutzen bringt. (Ib) Eine zweite (Weise liegt dann vor), wenn er (bei der Begriffsbestimmung) das zu Bestimmende selbst benutzt hat. Das bleibt dann verborgen, wenn er nicht eben genau das
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gleiche Wort für das zu Bestimmende benutzt, z. B., wenn er »Sonne« als »tagleuchtendes Gestirn« bestimmt hat; wer nämlich »Tag« verwendet, benutzt auch schon »Sonne«. Man muß aber, um derlei zu entlarven, anstatt des Wortes auf die Begriffserklärung zurückgreifen, z. B.: »Tag« ist »Lauf der Sonne über die Erde«; dann ist ja klar: Wer »Lauf der Sonne über die Erde« gesagt hat, hat »Tag« gemeint, also, wer hier »Tag« verwendet hat, benutzt »Sonne« mit. (Ic) Und erneut (fehlt man), wenn man einen in einer Einteilung gegenüberstehenden Begriff durch sein Gegenüber bestimmt hat, z. B. »ungerade« als »um eins größer als gerade«; denn die aus (dem Bereich) der gleichen Seinsgattung einander gegenübergeordneten Bestimmungen sind ihrem Wesen nach zugleich (da); »ungerade« und »gerade« sind aber so gegenübergeordnet: beides sind Unterschiede von »Zahl«. Ähnlich aber auch (ist es), wenn man Übergeordnetes durch unten Angeordnetes bestimmt hat, z. B. »gerade Zahl« mit »läßt sich entzweinehmen«, oder »gut« mit »Besitz von Tugend«; denn, erstens, das »entzwei« ist von »zwei« genommen, und die ist schon gerade, und »Tugend«, andererseits, ist ja selbst eine Form von »gut«, also ist das unterhalb des anderen angeordnet. Darüber hinaus muß ja einer, der das Untergeordnete verwendet, auch (die Bestimmung) selbst mitbenutzen: Wer »Tugend« verwendet, verwendet auch »gut«, da doch »Tugend« eine Weise von »gut« ist; entsprechend auch, wer »entzwei« benutzt, benutzt »gerade« mit, da doch »entzwei« eben bedeutet »in zwei Teile zerlegen«, »zwei« aber ist eine Weise von »gerade«. Kapitel 5. Alles zusammengefaßt, ist es also ein einziger Gesichtspunkt, nämlich wenn man nicht mittels vorgeordneter und bekannterer (Begriffe) die Erklärung macht; seine Teilansichten sind die vorgetragenen. [2] Ein zweiter (geht darauf), wenn angesichts dessen, daß der Gegenstand unter einer Gattung steht, er doch nicht unter die Gattung gesetzt wird. In allen den (Bestimmungsversuchen) ist ein solcher Fehler enthalten, in denen nicht das »was es ist« der Erklärung vorliegt, z. B. die Begriffsbestimmung
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von »Körper«: »was drei Ausdehnungsrichtungen hat«, oder wenn jemand »Mensch« bestimmen wollte als »das, was zählen kann«; da ist nämlich nicht gesagt, was denn das ist, das da drei Ausdehnungsrichtungen hat, oder was denn das ist, das da zu zählen versteht. Nun will aber doch die Gattung das »was es ist« bezeichnen, und sie zu allererst wird allem unterlegt, was sonst in der Begriffsbestimmung noch gesagt wird. [3] Sodann (liegt ein Fehler vor), wenn das zu Bestimmende im Verhältnis zu mehreren (anderen Bestimmungen) ausgesagt wird, man es aber nicht in Hinsicht auf alle wiedergegeben hat, z. B., wenn man »Schriftkunde« bestimmt als »(Fähigkeit), Vorgesagtes schreiben zu können«; das bedarf nämlich des Zusatzes, daß es hier auch ums Lesenkönnen geht. Wer »schreiben können« angegeben hat, hat (die Sache) um nichts mehr bestimmt, als wer »lesen können« (sagt), also beide nicht, sondern nur, wer dies beides sagt, da es ja doch nicht geht, daß es zu einem und demselben mehrere Begriffsbestimmungen gäbe. – In einigen (Fällen) verhält es sich nun in Wahrheit so, wie gesagt, in einigen (anderen) aber nicht, z. B. überall, wo nicht im eigentlichen Sinne auf beide Hinsichten hin ausgesagt wird, wie etwa bei »Heilkunst«: »macht Gesundheit und Krankheit«; auf das eine hin wird sie ja in ihrer eigenen Bedeutung ausgesagt, auf das andere hin nur nebenbei zutreffend; dem eigentlichen Sinne nach ist es der Heilkunst ja fremd, »Krankheit zu verursachen«. So daß denn also, wer es in beide Richtungen angibt, (die Sache) um nichts mehr bestimmt hat, als wer es nur in die eine tut, sondern vielleicht sogar schlechter, da ja doch von allen übrigen (Leuten) jeder beliebige ebenso gut in der Lage ist, Krankheit zu verursachen. [4] Weiter (wird gefehlt), wenn man nicht in Hinsicht aufs Bessere, sondern nach der geringeren Seite hin die Angabe gemacht hat, sofern es eben mehrere (Stufen) gibt, auf die hin das zu Bestimmende ausgesagt werden kann; jedes Wissen und Können will doch offenbar auf ein Bestes hinaus. [5] Und wieder: Ob das Gesagte etwa nicht in seine verwandte Gattung gesetzt ist, ist zu prüfen aus den Grundüberlegungen zu den Gattungen, wie ja früher vorgetragen ist.
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[6] Weiter (fehlt man), wenn man spricht, indem man Gattungen übergeht, z. B. (die Bestimmung) von »Gerechtigkeit« als » Haltung, die Gleichheit herstellt oder Gleiches austeilt«; wer so bestimmt, überspringt dabei »Tugend«. Indem er also die Gattung zu »Gerechtigkeit« ausläßt, sagt er nicht ihr »was sie sein sollte«; denn das, was es wesentlich ist, (folgt) für ein jedes mit seiner Gattung. Dieser (Fehler) ist der gleiche wie der, wenn man (den Gegenstand) nicht unter die nächste Gattung setzt; wer nämlich in die allernächste (Gattung) setzt, der hat alle darüber (angeordneten) schon mitgesagt, da ja doch alle weiter oben liegenden Gattungen von den weiter untenliegenden ausgesagt werden. Also ist entweder in die nächste Gattung zu setzen, oder man muß der höherstehenden Gattung alle die Unterschiede zusätzlich anfügen, durch welche die nächststehende Gattung bestimmt wird. So hat er dann ja wohl nichts ausgelassen, sondern hätte anstatt in Gestalt des bloßen Wortes in Form der Begriffserklärung die untergeordnete Gattung zum Ausdruck gebracht; wer ja »Pflanze« gesagt hat, sagt noch nicht »Baum«. Kapitel 6. [7] Und erneut ist bei den (artbildenden) Unterschieden entsprechend zu prüfen, ob er (der Gegner) auch die Unterschiede der Gattung (richtig und vollständig) ausgesagt hat. Hat er nämlich nicht mithilfe der dem Gegenstand eigentümlichen Unterschiede die Bestimmung gemacht, oder, hat er überhaupt etwas derartiges gesagt, was von nichts der Unterschied sein kann, z. B. »Lebewesen« oder »Ding, das es gibt«, so (ist) klar: Er hat überhaupt nicht den Begriff bestimmt; das Genannte ist ja Unterschied zu nichts. [8] Zu sehen ist auch darauf, ob es zu dem vorgetragenen Unterschied etwas gibt, das ihm gegenübergeordnet ist; gibt es das nämlich nicht, so (ist) klar: Der aufgeführte kann ein Unterschied (innerhalb) dieser Gattung wohl nicht sein; jede Gattung wird ja doch durch Unterschiede eingeteilt, die einander gegenübergeordnet sind, so wie »Lebewesen« durch »auf Land lebend« und »fliegend« und »im Wasser lebend«. Oder, wenn es einen gegenübergeordneten Unterschied zwar gibt, der aber von der Gattung nicht wahrheitsgemäß ausgesagt
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wird; klar doch, daß dann keiner der beiden wohl Unterschied der Gattung sein kann; alle gegenübergeordneten Unterschiede werden ja von der betreffenden Gattung wahrheitsgemäß ausgesagt. Entsprechend auch (ist zu betrachten), ob (dieser angegebene Unterschied) zwar wahrheitsgemäß ausgesagt wird, aber, dazugesetzt, in der Gattung keine Art bildet; klar doch, dies wäre dann kein artbildender Unterschied der Gattung; jeder artschaffende Unterschied macht doch, zusammen mit der Gattung, eine Art. Wenn dieser (gegenübergeordnete) aber tatsächlich kein Unterschied ist, dann auch der behauptete nicht, da er ihm doch gegenübergeordnet ist. [9] Weiter (wird dann gefehlt), wenn man die Gattung mittels Verneinung einteilt, so wie die, welche »Gerade« bestimmen als »breitenlose Länge«; das meint ja doch nichts anderes, als daß sie »Breite nicht hat«; dann stellt sich nämlich in der Folge heraus, daß die Gattung teilhätte an der Art: Jede Länge ist dann entweder breitenlos, oder sie hat Breitenerstreckung, wenn doch bei jedem (Gegenstand) entweder die Behauptung (von etwas) oder deren Verneinung wahrheitsgemäß ausgesagt wird; also auch die Gattung von »Gerade«, was »Längenerstreckung« ist, wird dann entweder »breitenlos« oder » Breitenerstreckung besitzend« sein. »Längenerstreckung ohne Breite« ist aber die Begriffserklärung der Art (davon); ebenso aber auch »Längenerstreckung, die Breite hat«. Denn »breitenlos« und »breitenerstreckt« sind ja Unterschiede; aus Unterschied und Gattung (besteht) die begriffserklärende Rede der Art, so daß also hier die Gattung die Begriffserklärung ihrer Art an sich nähme; entsprechend aber auch die des Unterschiedes, da doch der eine der genannten Unterschiede mit Notwendigkeit von der Gattung ausgesagt wird. Der vorgetragene Gesichtspunkt ist verwendbar gegenüber denen, die ansetzen, daß es Ideen gibt: Wenn es so etwas gibt wie »Länge selbst«, wie wird dann von der Gattung gesagt, daß sie »Breite habend« ist oder »breitenlos« ist? Es müßte ja doch von jeder Länge (nur) eins davon wahr sein, wenn es auch von der Gattung wahr ausgesagt sein soll. Das tritt aber nicht ein: es gibt Längen ohne und mit Breitenerstreckung. Also allein
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gegenüber denen ist dieser Gesichtspunkt verwendbar, die sagen, jede Gattung sei nur eine an Zahl; das tun aber eben die, welche Ideen setzen: »Länge selbst« und »Lebewesen an und für sich«, sagen sie, sind Gattung. Vielleicht ist es in einigen Fällen notwendig, daß man beim Begriffsbestimmen auch die Verneinung verwendet, z. B. in Fällen von Verlust: »blind« ist, »was Sehkraft nicht hat«, wo es sie von Natur doch besitzen sollte. – Es macht aber keinen Unterschied, mithilfe einer Verneinung die Gattung zu zerteilen oder mittels einer solchen Bejahung, der (dann doch) eine Verneinung gegenübergeordnet sein muß, z. B., wenn »Länge, die Breitenerstreckung hat« als Bestimmung gegeben ist; dem »was Breitenerstreckung hat« ist das »was Breitenerstreckung nicht hat« gegenübergeordnet, sonst aber nichts, sodaß denn also wieder durch Verneinung die Gattung zerlegt wird. [10] Und wieder (wird gefehlt), wenn er die Art anstelle des Unterschiedes angegeben hat, so wie die Leute (tun), die »Beschimpfung« als »Mißachtung in Verbindung mit Hohn« begriffsbestimmen; »Verhöhnung« ist ja eine Form von Mißachtung, also ist dieser »Hohn« hier nicht (artbildender) Unterschied, sondern (selbst) Art. [11] Weiter (liegt Fehler vor), wenn er die Gattung für den Unterschied ausgesagt hat, z. B. »Tugend« als »gute« oder »treffliche« Verhaltensweise; die Bestimmung »gut« ist doch die Gattung zu »Tugend«. – Oder ist »gut« doch nicht Gattung, sondern Unterschied, wenn doch wahr ist, daß es nicht geht, daß eines und dasselbe in zwei Gattungen steht, deren eine die andere nicht umfaßt? Weder schließt nämlich »gut« das »Verhalten« ein noch (umgekehrt) »Verhalten« das »gut«: nicht jedes Verhalten ist ein gutes, und nicht alles, was gut ist, ein Verhalten; somit können ja wohl nicht beide (hier) Gattungen sein. Wenn nun also »Verhalten« die Gattung zu »Tugend« (wäre), so (ist) klar: »gut« kann nicht Gattung sein, sondern (ist dann) eher Unterschied. Darüber hinaus gibt »Verhalten« an, was Tugend denn ist, »gut« dagegen (bezeichnet) nicht ein »was es ist«, sondern ein »wie beschaffen«; es scheint der Unterschied aber ein »so und so beschaffen« zu meinen.
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Darauf zu sehen ist auch, ob der angegebene Unterschied etwa nicht ein »so und so beschaffen«, sondern ein »dieses da« bezeichnet; es scheint doch jeder Unterschied ein »so und so beschaffen« zu bezeichnen. Zu prüfen ist auch, ob der Unterschied dem zu Bestimmenden (etwa nur) nebenbei zukommt. Kein (artbildender) Unterschied gehört in den Bereich dessen, was nur nebenbei zukommt, so ja auch die Gattung nicht; es kann ja nicht sein, daß dieser Unterschied an etwas einmal vorliegt, ein andermal nicht. [12] Weiter, wenn der Unterschied oder die Art oder irgendeine der Bestimmungen, die noch unterhalb der Art angeordnet sind, von der Gattung ausgesagt werden, dann ist das ja wohl keine Begriffsbestimmung; nichts von dem Aufgezählten kann doch von der Gattung ausgesagt werden, wenn denn die Gattung den weitesten Aussagebereich von allem hat. [13] Und wieder, wenn die Gattung von dem Unterschied ausgesagt wird; die Gattung wird ja doch offenbar nicht von dem unterscheidenden Merkmal, sondern von den (Bestimmungen), deren Unterschied dies ist, ausgesagt, z. B. »Lebewesen« von »Mensch«, »Rind« und den übrigen landbewohnenden Lebewesen, nicht von dem Unterscheidungsmerkmal selbst, das von der Art ausgesagt wird. Wenn nämlich von jedem der unterscheidenden Merkmale das »Lebewesen« ausgesagt werden sollte, dann würden ja viele »Lebewesen« von der (jeweiligen) Art ausgesagt; denn die Unterscheidungsmerkmale werden doch von der Art ausgesagt. Darüber hinaus werden auch alle Unterscheidungsmerkmale entweder Arten oder Einzeldinge sein, wenn doch »Lebewesen« (von ihnen allen ausgesagt wird). Jedes unter den Lebewesen ist doch entweder Art oder Einzelwesen. [14] Entsprechend ist auch zu prüfen, ob die Art oder etwas von dem, was unterhalb der Art (steht), von dem Unterschied ausgesagt wird; das geht nämlich nicht, da doch die (Angabe der) Unterscheidung einen weiteren Aussagebereich hat als die Arten. Außerdem würde sich dann ergeben, daß der Unterschied Art ist, wenn doch eine der Arten von ihm ausgesagt
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würde; wenn (z. B.) »Mensch« (von ihm) ausgesagt würde, so (ist) klar: Der Unterschied ist »Mensch«. [15] Und aufs neue (ist zu beachten), ob etwa das Unterscheidungsmerkmal der Art nicht vorgeordnet ist; (das wäre falsch), denn das Unterscheidungsmerkmal muß der Gattung nach-, der Art aber vorgeordnet sein. [16] Zu prüfen ist auch, ob das genannte Unterscheidungsmerkmal etwa das einer anderen Gattung ist, die nicht (von der angegebenen) umfaßt wird noch sie einschließt; offenkundig ist ja nicht ein und dasselbe Unterscheidungsmerkmal zwei Gattungen zugeordnet, die unter einander kein Einschließungsverhältnis haben. Andernfalls würde ja eintreten, daß auch eine und dieselbe Art in zwei Gattungen stünde, die kein solches wechselseitiges Einschließungsverhältnis haben. Jedes der Unterscheidungsmerkmale bringt doch seine ihm eigene Gattung mit sich, wie etwa das »zu Lande lebend« und »zweifüßig« (die Gattung) »Lebewesen« mit sich führt; also, wovon die Unterscheidung (ausgesagt wird), davon auch eine jede der beiden Gattungen; klar nun also: Die Art (stünde dann) in zwei Gattungen, die kein wechselseitiges Verhältnis der Einschließung haben. – Oder ist es doch nicht unmöglich, daß dasselbe Unterscheidungsmerkmal das zweier Gattungen ist, deren eine nicht die andere einschließt, sondern man müßte noch hin zusetzen: »die auch beide nicht unter der gleichen (höheren Gattung) stehen«? »Landbegehendes Lebewesen« und »geflügeltes Lebewesen« sind doch Gattungen, deren eine die andere nicht umfaßt, und doch ist »zweifüßig« Unterscheidungsmerkmal in beiden von ihnen. Daher wäre hinzuzusetzen: »die auch beide nicht unter der gleichen (Gattung) stehen«; denn diese beiden stehen ja unter (einer, nämlich) »Lebewesen«. Klar ist auch: Es ist nicht notwendig, daß das Unterscheidungsmerkmal jede verwandte Gattung mit sich führen muß, wenn es denn sein kann, daß eines und dasselbe zu zwei Gattungen gehört, deren eine die andere nicht umfaßt, sondern es ist nur notwendig, daß es die eine davon mit sich führt und alle anderen, die oberhalb dieser (stehen), so wie etwa »zweifüßig«, »geflügelt«, »auf Land lebend« das »Lebewesen« mit sich führen.
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[17] Zu schauen ist auch darauf, ob er (der Gegner) das »in etwas (sein)« als Unterscheidungsmerkmal dessen, was es ist, angegeben hat; es unterscheidet sich doch offensichtlich ein Wesen nicht dadurch vom anderen, daß es da oder dort ist. Daher macht man ja auch jenen, die »Lebewesen« einteilen in »auf Land« und »im Wasser«, den Vorwurf, daß dies »auf Land« und »im Wasser« ein »da und dort« bezeichne. – Oder tadelt man etwa in diesem Punkte nicht zu recht? Das »im Wasser (lebend)« meint doch nicht »in dem und dem« oder »da und da«, sondern ein »so und so beschaffen«. Auch wenn es sich einmal auf dem Trockenen befinden sollte, bleibt (ein Wassertier) ebenso ein Wassertier, wie (umgekehrt) ein Landtier, auch wenn es im Naß sein sollte, doch ein Landtier, und nicht ein Wassertier sein wird. Trotz alledem, wenn einmal die Unterscheidung ein »darin« meinen sollte, so ist klar, daß er gefehlt hat. [18] Und wieder (ist es gefehlt), wenn er etwas, das (der Gegenstand) nur erfährt, als sein Unterscheidungsmerkmal angegeben hat; alles, was (einem Gegenstande) so widerfährt, bringt ihn ja, wenn es sich steigert, aus dem heraus, was er war, das Unterscheidungsmerkmal ist nicht von der Art; eher (umgekehrt), das unterscheidende Merkmal scheint ja das zu erhalten, dessen Merkmal es ist, und es scheint ein jedes schlechterdings nicht (das) sein zu können (was es ist) ohne sein eigenes unterscheidendes Merkmal: Ist es (z. B.) nicht »zu Lande lebend«, so wird es auch nicht »Mensch« sein. Einfach gesagt, über welche (Einwirkungen) das, was sie erhält, eine Veränderung seiner Eigenschaften erfährt, nichts davon ist dessen Unterscheidungsmerkmal; alles dergleichen, gesteigert, bringt es ja aus dem heraus, was es ist. Wenn er also irgendeinen derartigen Unterschied angegeben hat, so hat er gefehlt: wir erfahren ganz einfach über die Unterscheidungsmerkmale keine Eigenschaftsveränderung. [19] Und: Wenn er von etwas, (das zu den) »im Verhältnis zu ...« (gehört), den Unterschied nicht »im Verhältnis zu einem anderen« angegeben hat, (ist das auch falsch); von den Gegenständen »im Verhältnis zu ...« sind auch die Unterschiede »im
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Verhältnis zu ...«, wie bei »Wissen«: Es wird als »anschauend«, »handlungsanleitend« und »herstellend« ausgesagt; jede dieser (Bestimmungen) meint ein »im Verhältnis zu ...«: Etwas anschauend, etwas verfertigend, zu etwas anleitend. [20] Darauf zu schauen ist auch, ob der Bestimmende ein jedes, das da »im Verhältnis zu ...« ist, im Verhältnis zu dem angibt, auf was es eben von Natur bezogen ist. Einiges ist nämlich nur im Verhältnis zu dem zu verwenden, worauf es eben von Natur bezogen ist, im Verhältnis zu anderem aber keinesfalls; bei anderem (geht es) auch im Verhältnis zu anderem, z. B.: »Sehkraft« (ist) allein zum Sehen (da), mit einem Schaber könnte jemand auch (etwas) schöpfen; trotzdem, wollte jemand (die Bestimmung) »Schaber« festlegen als »Werkzeug zum Schöpfen«, so hat der sich geirrt: zu dem Zwecke ist er nicht geschaffen. Die Begriffsbestimmung von »wozu geschaffen« ist: »Zu welchem Zwecke es ein vernünftiger Mensch, insofern er eben dies – vernünftig – ist, brauchen würde«, und das für ein jedes (Ding) einschlägige Wissen (ebenso). [21] Oder: Wenn man die Angabe nicht bezogen auf den Gegenstand, an dem sie unmittelbar vorliegt, gemacht hat, (ist das zumindest mißverständlich), wenn sie auf mehrere (Gegenstände) hin ausgesagt werden kann, z. B.: »Einsicht« sei eine Tugend »des Menschen«, oder (näher) »der Seele«, aber nicht (wie es eigentlich sein müßte) »des Denkvermögens«; unmittelbar ist ja Einsicht eine Tugend des Denkvermögens, darüber erst vermittelt sagt man auch von »Seele« und »Mensch«, sie seien einsichtig. [22] Weiter, wenn das, wovon die bestimmte Einwirkung, oder der Zustand, oder wie auch immer, ausgesagt ist, dies gar nicht an sich nehmen kann, so hat er gefehlt. Jeder Zustand und jede Einwirkung tritt ja doch naturgegeben an dem (Gegenstand) auf, dessen Zustand oder erfahrene Einwirkung es eben ist, so wie etwa »Wissen« (auftritt) an »Seele«, da es doch eine bestimmte Seelenverfassung ist. Gelegentlich aber machen Leute in derlei Dingen Fehler, z. B., die da sagen: »Schlaf« ist »Unfähigkeit der Sinneswahrnehmung«, und: »Ausweglosigkeit« ist »gleiche Stärke einander entgegenge-
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setzter Erwägungen«, und: »Schmerz« ist »Spaltung der von Natur zusammengehörigen Teile unter Gewalteinwirkung«; denn weder liegt »Schlaf« an »Wahrnehmungsvermögen« vor – müßte es aber doch, wenn er eine »Unfähigkeit der Sinneswahrnehmung« ist; entsprechend liegt auch die Ausweglosigkeit nicht an den entgegengesetzten Erwägungen vor und auch der Schmerz nicht an den zusammen aufgewachsenen Teilen; denn dann müßten ja auch leblose (Dinge) Schmerz empfinden, wenn Schmerz (auf diese Weise) zu ihnen treten könnte. Derart ist auch die Begriffsbestimmung von »Gesundheit«, wenn sie denn »angemessenes Verhältnis des Warmen und Kalten« sein soll; dann wäre ja notwendig, daß Warmes und Kaltes »gesund sind«! Das »Ebenmaß« an einem jeden (Ding) liegt doch an den (Bestandteilen) vor, deren angemessenes Verhältnis es ist, also müßte »Gesundheit« an diesen (warmen und kalten Bestandteilen) vorliegen. [23] Darüberhinaus geschieht es denen, die so die Begriffsbestimmung machen, daß sie das Bewirkte anstelle des Bewirkenden – und umgekehrt – setzen: Die »Spaltung der naturzusammengehörigen Teile« ist nicht Schmerz, sondern »Schmerz hervorrufend«; und die »Unfähigkeit der Sinneswahrnehmung« ist nicht »Schlaf«, sondern das eine ist hier Bewirker des anderen: Entweder fallen wir infolge dieses Unvermögens in Schlaf, oder infolge des Schlafes sind wir dazu nicht imstande. Entsprechend auch scheint das »Gleichgewicht entgegengesetzter Erwägungen« ja wohl ein Hervorbringer von »Ausweglosigkeit« zu sein: Wenn wir unsere Überlegungen in beide Richtungen gehen lassen und es uns vorkommt, daß alles nach beiden Seiten hin mit gleicher Richtigkeit abläuft, dann sind wir im Zweifel, welches von beiden wir denn tun sollen. [24] Weiterhin ist auf alle Zeit(ausdrücke) die Aufmerksamkeit zu richten, ob es da irgendwo Mißklang gibt, z. B., wenn jemand das »Unsterbliche« (damit) bestimmen wollte, »Lebewesen, unvergänglich zu diesem Zeitpunkt« zu sein; denn ein »zum gegenwärtigen Zeitpunkt unvergängliches Lebewesen« wird (auch nur) »zum gegenwärtigen Zeitpunkt unsterblich« sein. – Oder tritt das in dem Falle etwa nicht
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ein? »Zum gegenwärtigen Zeitpunkt unvergänglich sein« ist ja mehrdeutig: Entweder meint es doch: »ist bis jetzt nicht untergegangen«, oder: »ist von der Art, gegenwärtig nicht untergehen zu können«, oder: »ist gegenwärtig von der Art, niemals unterzugehen«. Wenn wir nun also sagen, es ist »zum gegenwärtigen Zeitpunkt unvergängliches Lebewesen«, so meinen wir dies: »ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Lebewesen der Art, nie untergehen zu können«; das aber war das gleiche wie »unsterblich«, mithin tritt nicht ein: »es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt unsterblich«. Trotz alledem, wenn sich ergibt, daß das in der begriffserklärenden Rede Angegebene »gegenwärtig« oder »früher einmal« vorliegt (oder vorgelegen hat), das unter der Wortbezeichnung (der Sache) Verstandene aber nicht (in dieser eingeschränkten Weise), so ist das ja wohl nicht dasselbe. – Man muß diesen Gesichtspunkt also so verwenden, wie vorgetragen ist. Kapitel 7. [25] Zu prüfen ist auch, ob das bestimmte (Ding) mittels einer anderen begriffserklärenden Rede eher zum Ausdruck kommt als über die angegebene, z. B. für den Fall: »Gerechtigkeit ist die Fähigkeit, das Gleiche zuteilen zu können«. »Gerecht« ist doch in höherem Maße einer, der es sich zum festen Vorsatz gemacht hat, je das Gleiche auszuteilen, als der, welcher das tun kann (aber eben auch bleiben lassen kann); somit wäre also Gerechtigkeit nicht ein solches »Können«, das je Gleiche auszuteilen; (andernfalls) wäre ja auch »gerecht im Höchstmaß« einer, der »am allermeisten vermag, das je Gleiche zu verteilen«. [26] Weiter, wenn der Gegenstand ein »mehr« an sich nimmt, das in der begriffserklärenden Rede Angegebene das aber nicht tut, oder umgekehrt, das in der Begriffserklärung Angegebene nimmt es an sich, die (damit beschriebene) Sache aber nicht, (dann ist das falsch); denn entweder muß beides das an sich nehmen oder keins von beiden, wenn denn doch das in der begriffserklärenden Rede Angegebene dasselbe sein soll wie der Sachverhalt. [27] Weiter, wenn zwar beide das »mehr« an sich nehmen, aber nicht gleichzeitig beide die Zunahme erfahren, z. B. in
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dem Falle: »Liebe ist Verlangen nach Beischlaf«; einer, der »heftiger liebt«, hat ja kein »heftigeres Verlangen« nach Beischlaf; also nimmt beides die Steigerung nicht zugleich an, müßte aber doch sein, wenn sie dasselbe wären. [28] Weiter, für den Fall, daß zwei (Bestimmungen) in Rede stehen: Wenn dann von dem, wovon der Sachverhalt in stärkerem Maße ausgesagt wird, das mittels der Begriffserklärung (Angegebene) weniger gilt, (so ist das falsch), z. B. für den Fall: »Feuer ist der feinstteilige Körper«; »Feuer« ist nämlich in höherem Maße die offene Flamme als der (dabei entstehende) Feuerschein, »feinstteiliger Körper« dagegen ist »Flamme« weniger als »Licht«; es müßte aber doch beides dem gleichen in stärkerem Maße zukommen, wenn es dasselbe wäre. [29] Und nochmals, wenn zwar das eine davon beiden vorgenommenen (Bestimmungen) in gleichem Maße zukommt, das andere aber nicht beiden in gleichem Maße, sondern dem einen davon mehr (als dem anderen, dann ist das auch falsch). [30] Weiter, wenn er (der Gegner) die Begriffsbestimmung (von etwas) auf zwei (Herleitungen) hinaus nach jeder von beiden angibt, (ist das falsch), z. B.: »schön« (ist) »das übers Auge oder übers Ohr eingehende Angenehme«, und: »seiend« (ist) »was Einwirkungen erfahren oder solche verursachen kann«; danach würde ja eines und dasselbe zugleich schön und nicht schön sein, ebenso auch seiend und nicht seiend: Das »übers Ohr eingehende Angenehme« wird dasselbe sein wie »schön«, folglich das »nicht übers Ohr eingehende Angenehme« dasselbe wie »nicht schön«; Bestimmungen, die dasselbe bedeuten, haben ebensolche zu ihrem Gegensatz; nun ist dem »schön« das »nicht schön« entgegengesetzt, dem »übers Ohr eingehenden Angenehmen« das »übers Ohr eingehende nicht Angenehme«; klar nun also: Das gleiche ist »nicht angenehm übers Ohr eingehend« mit »nicht schön«. Wenn nun also etwas zwar »angenehm fürs Auge«, aber »nicht angenehm fürs Ohr« ist, so wird es dann sowohl »schön« als auch »nicht schön« sein. Ebenso können wir dann auch zeigen, daß »seiend« und »nicht seiend« das gleiche ist.
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[31] Ferner soll man, indem man von Gattungen, (artbildenden) Unterschieden und allem anderen, was in Begriffsbestimmungen noch so angegeben wird, anstelle der Wortbezeichnung einmal die jeweilige begriffserklärende Rede bildet, dann prüfen, ob etwa etwas nicht übereinstimmt. Kapitel 8. [32] Wenn das zu Bestimmende ein »im Verhältnis zu ...« ist, entweder in seiner eigenen Bedeutung oder über seine Gattung, so ist zu prüfen, ob etwa in der Begriffsbestimmung nicht ausgesagt ist, im Verhältnis wozu es ausgesagt wird, entweder es selbst oder über seine Gattung, z. B., wenn man »Wissen« bestimmt haben sollte als »unumstößliche Annahme« oder »Wunsch« als »schmerzloses Begehren«: alles, was »im Verhältnis zu ...« ist, hat sein Sein nur auf anderes hin, da doch für ein jedes dieser »im Verhältnis zu ...« das »etwas sein« dasselbe ist wie »sich so und so zu etwas verhalten«. Man hätte also gesagt haben müssen: »Wissen ist Aufnahme von etwas, das gewußt werden kann«, und: »Wunsch ist Begehren nach etwas Gutem«. Ebenso auch, wenn man die Schreibkunst bestimmt hätte als »Wissen vom geschriebenen Wort«, (so reicht das nicht); es hätte nämlich in der Begriffsbestimmung angegeben werden müssen entweder, woraufhin dies selbst, oder woraufhin seine Gattung ausgesagt wird. [33] Oder (es ist auch darauf zu achten), ob ein »im Verhältnis zu ...« Ausgesagtes etwa nicht auf sein Ziel hin angegeben ist; »Ziel und Zweck« ist doch an einem jeden sein »Bestes«, oder das, »um dessentwillen das übrige« (stattfindet). Anzugeben ist also entweder dies Beste oder das Letzte (in der Entwicklungsreihe), z. B., »Begehrlichkeit« ist nicht nach Lustbringendem, sondern nach Lust; um dieser willen greifen wir doch nach Lustvollem. [34] Darauf zu achten ist auch, ob das, woraufhin er die Angabe gemacht hat, ein Werdevorgang ist oder ein (noch) Tätigsein; nichts dergleichen ist ein Endzustand; eher ist ja doch »Tätiggewesensein« und »Gewordensein« ein Ende als »werden« und »wirken«. – Oder ist solches nicht in allen Fällen richtig? So ziemlich die meisten wollen doch lieber Lust gerade empfinden als die Lustempfindung gerade zu Ende gebracht
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haben, daher sie denn das gegenwärtige Wirken mehr zum Ziele machten als das Gewirkthaben. [35] Und erneut, in einigen Fällen (muß man darauf achten), ob er etwa nicht genau bestimmt hat das »um wieviel«« oder »nach was für ...« oder »woraufhin«, oder (was) nach den übrigen Unterscheidungen (so geht), z. B. »ehrgeizig«: Nach was für Ehre und nach wieviel davon ist er begehrlich? Alle (Leute) streben doch nach Anerkennung, daher reicht es eben nicht, »ehrgeizig« den zu nennen, »der nach Ehre begierig ist«, sondern man muß die genannten Unterschiede dazusetzen. Ebenso auch »geldgierig«: Nach wieviel an Geld begehrt er doch? Oder »unbeherrscht«: In was für einer Art von Lust ist er es? »Unbeherrscht« wird ja doch nicht jeder genannt, der welcher Lust auch immer unterliegt, sondern nur infolge einer ganz bestimmten. Oder erneut, wie man so »Nacht« bestimmt als »Schatten der Erde«, oder »Erdbeben« als »Bewegung der Erde«, oder »Wolke« als »Verdichtung der Luft«, oder »Wind« als »Bewegung von Luft«, (so reicht das nicht); man muß da nämlich hinzusetzen: »von wieviel ...«, »von was für ...«, »von wo nach wo« und »infolge wovon«. Ebenso auch bei allem anderen derart: Wer irgendeine (notwendige) Unterscheidung, welche auch immer, ausläßt, sagt nicht das »was es sein sollte«. Man muß den Angriff immer auf die Stelle machen, wo etwas mangelhaft ist: Nicht bei jeder beliebigen Erdbewegung und auch nicht bei jedem bißchen davon ist es gleich ein Erdbeben, entsprechend nicht bei jeder beliebigen Luftbewegung und auch bei jeder Menge davon (ist es gleich) ein Wind. [36] Weiter, bei Begehrlichkeiten (ist darauf zu achten), ob etwa das »anscheinend« nicht hinzugesetzt ist, und bei allem anderen, wo das sonst noch passend hingehört, z. B.: »Wunsch (ist) Begierde nach Gutem«, oder: »Begier (ist) Streben nach Lustvollem«, und nicht: »nach dem, was als gut oder lustvoll erscheint«. Oft bleibt ja denen, die nach etwas begehren, verborgen, was denn wirklich gut oder lustbringend ist, daher ist es gar nicht notwendig, daß das gut oder lustbringend ist, sondern es muß nur so erscheinen. So müßte man nun also auch
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die Angabe machen. – Wenn man aber das Genannte auch zusätzlich angibt, so muß einer, der ansetzt, daß es »Ideen« gibt, das dann auch auf diese »Formen« anwenden, (und das bringt Schwierigkeiten): Es gibt nämlich keine Idee von etwas, das nur scheinbar so ist, die (eine) »Form« wird offenbar im Verhältnis zur (anderen) Form ausgesagt, z. B.: »Begehrlichkeit an sich« nach »lustvoll an sich«, und »Wunsch selbst« nach »Gutem selbst«. Das wird also nun nicht gehen auf »was als gut erscheint« und »offensichtlich lustvoll«; es wäre ja sinnlos, sollte es ein »anscheinend Gutes oder Lustvolles an sich selbst« geben! Kapitel 9. [37] Weiter, wenn es Begriffsbestimmung von etwas ist, das man »haben« kann, so ist das Augenmerk auch auf den zu richten, der das hat, wenn aber (umgekehrt sie) auf einen »Inhaber« (sich bezieht), so auch auf das, was da innegehabt wird; entsprechend auch bei allem anderen derart, z. B., ist »angenehm« das »was zuträglich ist«, so ist auch »der diese Annehmlichkeit empfindet« einer, »dem dies Zuträgliche zugute kommt«. Allgemein gesprochen, bei derartigen Begriffsbestimmungen ergibt es sich gewissermaßen nebenbei, daß der Bestimmende mehr als eine Bestimmung trifft. Wer etwa »Wissen« bestimmt, bestimmt nebenbei irgendwie auch »nicht wissen« mit, entsprechend auch »wissend« und »unwissend« und (die Tatsache, etwas) »zu wissen« und »nicht zu wissen«; ist nämlich das erste (Stück dieser Reihe) klargeworden, werden auf bestimmte Weise auch die übrigen klar. Zu prüfen ist nun bei alledem, ob da nicht etwas widerstreitet, indem man die Grundsätze heranzieht, (die) »aus Gegenteiligem« und »aus gemeinsamen Reihen« (abgezogen sind). [38] Weiterhin ist bei den (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...« (dies) zu prüfen: Wenn die Gattung im Verhältnis auf etwas hin angegeben wird, wird dann auch die (darunter fallende) Art auf etwas Bestimmtes hin angegeben, das unter die entsprechende Gattung fällt? Z. B.: Wenn »Annahme« auf »Anzunehmendes« hin (bezogen ist), so »diese bestimmte Annahme« auf »dies bestimmte Anzunehmende« hin, und wenn »Vielfaches« auf »Bruchteil«, so auch dies »So-und-so-
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Vielfache« auf »diesen bestimmten Bruchteil«. Ist es nämlich nicht so angegeben, so klar: Das ist gefehlt. [39] Zu beachten ist auch, ob von Entgegengesetztem das entgegengesetzte Begriffsverhältnis (angegeben ist), z. B. von »halb« das entgegengesetzte mit »doppelt«; ist doch »zweifach« das, was (ein anderes) um die gleiche (Größe) übertrifft (wie dies selbst hat), so ist (entsprechend) »halb«, was (von einem anderen) um den gleichen (Betrag, den es selbst hat), übertroffen wird. [40] Und bei den gegenüberliegenden (Bestimmungen) genauso: Von Gegenüberliegendem wird es der gegenüberliegende Begriff sein gemäß einer einzigen, ganz bestimmten Verknüpfung dieser Gegenteile, z. B.: Ist »nützlich« das, »was Gutes bewirkt«, »schädlich« »was Schlimmes bewirkt« oder »was Gutes verdirbt«; eins der beiden muß ja notwendig dem anfangs Gesagten gegenüberstehen. Ist nun keins der beiden zum anfangs Gesagten gegenteilig, so (ist) klar: Keins der beiden später Angegebenen ist der Begriff des Gegenteils, also war dann auch die anfangs wiedergegebene (begriffserklärende Rede) nicht richtig angegeben. [41] Da nun aber einige dieser gegenteiligen (Bestimmungen) über Verlust der je anderen ausgesagt werden, z. B.: »Ungleichheit« ist offenbar »Verlust von Gleichheit« – denn was nicht gleich ist, wird als »ungleich« ausgesagt –, so ist klar: Einerseits ist zwar notwendig, ein solches »über Verlust« ausgesagtes Gegenteil mittels der anderen (Bestimmung dazu) festzulegen, andererseits aber das restliche nicht mehr mittels des über Verlust Ausgesagten; sonst ergäbe sich ja, daß jedes von beiden durch je das andere erkannt würde. Es ist also nun bei diesen gegenteiligen (Bestimmungen) auf solche (mögliche) Fehlerquelle zu achten, z. B., wenn jemand festlegen wollte: »Gleichheit ist das Gegenteil zu Ungleichheit«; dann wird sie ja durch etwas in ihrem Begriff bestimmt sein, was nur »über Verlust« ausgesagt ist. Darüber hinaus muß einer, der die Bestimmung so macht, notwendig das zu Bestimmende selbst verwenden; das (wird) klar, wenn anstelle des Wortes dafür die begriffserklärende Rede genommen wird: Es macht
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gar keinen Unterschied, »Ungleichheit« gesagt zu haben oder »Verlust von Gleichheit«. Dann wird nun also »Gleichheit« das Gegenteil sein zu »Verlust von Gleichheit«, mithin hat er die Bestimmung selbst ja mitbenutzt. [42] Wenn dagegen keins der beiden Gegenteile über Verlust ausgesagt wird und die Begriffserklärung entsprechend angegeben ist, z. B.: »gut ist das Gegenteil zu schlecht«, so (ist) klar: »schlecht« wird das Gegenteil zu »gut« sein. Von den (Bestimmungen), die in der Weise (einander) gegenüberliegen, ist die Begriffserklärung entsprechend anzugeben; mithin tritt erneut ein, das zu Bestimmende selbst (beim Bestimmen) zu verwenden, denn in der Begriffserklärung von »schlecht« liegt »gut« mit vor. Also, wenn »gut« das Gegenteil zu »schlecht« ist, »schlecht« dagegen sich in nichts unterscheidet von »Gegenteil zu gut«, so wäre dann »gut«: »Gegenteil vom Gegenteil zu ›gut‹«! Klar also, er hat es selbst mitverwendet. [43] Weiter, wenn er (der Gegner) etwas nach Verlust Ausgesagtes angibt und dabei nicht angegeben hat, um wessen Verlust es sich dabei handelt, (so ist das falsch), z. B. dessen, das es doch hatte, oder des Gegenteils (dazu), oder wovon auch immer es ein Verlust war; und wenn er nicht hinzugesetzt hat, woran es doch von Natur hätte auftreten müssen, entweder einfach so ohne Zusatz, oder woran als unmittelbar Erstem es von Natur hätte auftreten müssen, z. B.: Hat er »Unwissenheit« als »Verlust« bezeichnet, hat aber nicht »Verlust von Wissen« gesagt, oder hat nicht hinzugesetzt, woran dies von Natur doch hätte vorkommen sollen, oder hat zwar einen Zusatz gemacht, aber nicht angegeben, woran als unmittelbar Erstem (dies vorkommen müßte), z. B. nicht: »an dem denkfähigen (Seelenvermögen)«, sondern »am Menschen« oder »an der Seele« -: wenn er irgendetwas davon nicht getan hat, so hat er gefehlt. Genauso auch, wenn er »Blindheit« nicht als »Verlust der Sehfähigkeit im Auge« ausgesagt hat. Es muß doch, wer da sauber die Angabe machen will, (erstens) das »was ist es« angeben, (zweitens) wessen Verlust es ist, und (drittens), was das ist, das da den Verlust erlitten hat.
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[44] Darauf zu sehen ist auch, ob er die Begriffsbestimmung von etwas, was nicht über Verlust ausgesagt wird, mittels einer Verlust(angabe) gemacht hat, z. B. scheint ja wohl auch bei »Unkenntnis« dieser Fehler vorzuliegen, (jedenfalls) bei Leuten, die die Unkenntnis nicht über eine Verneinung aussagen: was nämlich (noch) gar kein Wissen hat, ist offenbar nicht »in Unkenntnis«, sondern (das gilt) eher für jemanden, der hinters Licht geführt worden ist; daher sagen wir ja auch nicht von leblosen Dingen und auch von Kindern nicht, sie seien »in Unkenntnis«. Also wird »Unkenntnis« nicht mittels »Verlust von Wissen« ausgesagt. Kapitel 10. [45] Weiter, bei den entsprechenden Formveränderungen des Wortes passen die entsprechenden Formveränderungen auf seiten der begriffserklärenden Rede, z. B.: Wenn das, »was Gesundheit herstellt«, das ist, »was Nutzen bringt«, so auch »Gesundheit herstellend« »nutzbringend«, und »was Gesundheit hergestellt hat«, »hat Nutzen gebracht«. [46] Die Prüfung ist auch in Richtung »Idee« zu machen, ob die vorgetragene Begriffsbestimmung dazu paßt. In einigen Fällen tritt das nämlich nicht ein, z. B. wie Platon die Bestimmung macht, indem er zu den Begriffsbestimmungen der Lebewesen (immer) »sterblich« hinzusetzt; die Idee kann doch gar nicht sterblich sein, z. B. »Mensch selbst«; also paßt die begriffserklärende Rede nicht zur Idee. Vereinfacht gesprochen, (Bestimmungen), bei denen das »bewirkend« oder »erleidend« zusätzlich steht, müssen mit ihrer Begriffsbestimmung zu den Ideen in Mißklang geraten; für die, die da sagen, daß es so etwas wie Ideen gibt, sind diese Ideen ja offenbar ohne äußere Einwirkung und veränderungslos; denen gegenüber sind also derartige Erwägungen verwendbar. [47] Weiter, wenn er im Falle mehrerer Vorstellungen, die durch eine gemeinsame Wortbezeichnung angesprochen sind, nur eine einzige, für alle gemeinsam geltensollende Begriffserklärung angegeben hat, (so ist das falsch); denn Dinge, bei denen die Begriffserklärung unter Anleitung der Wortbedeutung eine einzige ist, sind »ähnlich-bezeichnet«; also (trifft) die angegebene Begriffsbestimmung keines der unter dem
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Namen aufgeführten Dinge, wenn sie denn gleichermaßen auf alles unter diesem gleichen Namen Bezeichnete passen soll. So ist es auch der Begriffsbestimmung von »Leben« des Dionysios ergangen, wenn es denn sein soll: »verändernde Entwicklung nahrungsabhängiger Gattung, mit ihr geboren und sie begleitend«; nichts davon trifft auf Tiere in höherem Maße zu als auf Pflanzen. »Leben« aber wird offenbar nicht auf eine Art hin aus gesagt, sondern es scheint eine Form davon bei den Tieren, eine andere bei den Pflanzen vorzuliegen. Es geht ja nun auch, mit willentlichem Vorsatz die Begriffsbestimmung so wiederzugeben, als ob alle Wortbedeutungen auf eins hinausliefen und alles, was Leben ist, auf eine einzige Form hin ausgesagt würde; es hindert aber nichts, daß auch einem, der die verschiedenen Bedeutungen dieses gleichen Wortes durchaus sieht und nur die Begriffsbestimmung der einen davon angeben will, doch verborgen bleibt, daß er nicht eine eigentümliche, sondern eine beiden gemeinsame Begriffserklärung angibt. Aber einerlei, wie auch immer er es hier gemacht hat, er hat genauso gefehlt. Da einige dieser verschiedenen Bedeutungen unter einem Wort verborgen sind, so muß man das beim Fragenstellen so verwenden, als liefe das alles auf eine Bedeutung hinaus – dann wird nämlich die Begriffsbestimmung des einen nicht auf das andere passen, somit wird der Eindruck erweckt: Er hat nicht regelrecht begriffsbestimmt; denn, was auf gemeinsame Bedeutung hinausläuft, muß doch über alles zusammenpassen –, ist man dagegen selbst in der Lage, antworten zu müssen, so muß man das auseinandernehmen. Da nun aber einige unter denen, die Antwort stehen müssen, (je und je) behaupten, das auf gleiche Bedeutung Hinauslaufende sei ein Name mit mehreren Bedeutungen, nämlich dann, wenn die angegebene Begriffserklärung nicht auf alles passen will, und (umgekehrt behaupten sie), das »Gleichnamige« sei ein »Gemeinsam-Namiges«, dann nämlich, wenn sie auf beides paßt: so muß man vorher Übereinstimmung darüber treffen oder vorher durch Schlüsse herbeiführen, daß es nun entweder ein Wort mit mehreren Bedeutungen ist oder
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daß hier mehrere Worte auf gleiche Bedeutung hinauslaufen, einerlei, was es denn nun ist; denn wer da noch nicht voraussieht, was sich ergeben wird, macht eher Zugeständnisse. Wenn aber keine solche Übereinkunft getroffen ist und einer jetzt sagt, etwas, das auf gleiche Bedeutung hinausläuft, sei (in Wirklichkeit) ein Wort mit mehreren Bedeutungen, weil die angegebene Begriffserklärung nicht auch in diesem Falle paßt, so ist zu prüfen, ob die Begriffserklärung davon (etwa umgekehrt) auf alles übrige paßt; klar dann, es läuft mit dem übrigen auf eine Bedeutung hinaus. Andernfalls würde es mehrere Begriffsbestimmungen der übrigen (Beteiligten) geben; zwei entlang der Wortbedeutung (gegebene) Begriffserklärungen werden dann darauf passen, die zuvor abgegebene und die spätere. [48] Und erneut, wenn einer so ein Wort, das in vielfacher Bedeutung ausgesagt wird, seinem Begriffe nach bestimmt hat, und wenn dann die begriffserklärende Rede nicht auf alles paßt, wenn er dann zwar nicht sagte: Dies ist ein Wort mit mehreren Bedeutungen, aber bestritte, daß das Wort auf alles paßt, weil (es) die Begriffserklärung doch auch nicht (tue), so ist so einem Mann gegenüber zu sagen: Die überlieferte und geläufige Namensgebung ist zu benutzen, und man soll das nicht ändern; einiges aber soll man nicht so aussagen wie die vielen Leute. Kapitel 11. [49] Wenn Begriffsbestimmung von etwas angegeben wird, das zu verknüpften (Vorstellungen oder Ausdrücken) gehört, so ist zu prüfen, ob, nachdem die begriffserklärende Rede des einen Stücks dieser Zusammensetzung fortgenommen ist, auch der Rest zum Rest noch stimmt; falls nämlich nicht, so (ist) klar: Auch die ganze (Bestimmung) zum ganzen (zu Bestimmenden) nicht, z. B.: Wenn jemand »gerade Strecke« bestimmen sollte als »Grenze einer Fläche, die Grenzen hat, deren Mitte die jeweiligen Enden verdeckt«, und wenn dann von »Strecke« die Begriffserklärung ist »Grenze einer Fläche, die Grenzen hat«, so müßte von »gerade« der Rest (der Begriffsbestimmung) sein: »dessen Mitte die Enden verdeckt«. Aber die Gerade hat, als endlos, ja weder Mitte
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noch Endpunkte und ist doch gerade; also ist hier nicht der verbleibende Rest (die Begriffsbestimmung) des Restes. (Also auch nicht das Ganze zum Ganzen.) [50] Weiter (ist zu prüfen): Wenn das zu Bestimmende zusammengesetzt ist, ist dann auch die begriffserklärende Rede gleichgliedrig zu dem zu Bestimmenden angegeben? »Gleichgliedrig« soll dabei eine Begriffserklärung sein, wenn, so viele (an Zahl) die Bestandsstücke sind, genau so viele Namensbezeichnungen und Tätigkeitsaussagen in der begriffserklärenden Rede sich finden. Es muß ja notwendig dabei eine Umwandlung der Namensbezeichnungen vor sich gehen, entweder aller oder einiger, da doch ja jetzt nicht ein einziges Wort mehr ausgesprochen ist als vorher. Es muß aber einer, der da Bestimmungen abgrenzt, anstatt der bezeichnenden Namen die (jeweilige) begriffserklärende Rede angeben, möglichst von allen, wo nicht, doch von möglichst vielen. Sonst hätte man ja auch schon bei einfachen (Ausdrücken) dann bereits die Begriffsbestimmung gemacht, wenn man nur ein anderes Wort einsetzt, z. B. anstatt von »Mantel« »Obergewand«. [51] Noch größer ist der Fehler, wenn man beim Namenswechsel auch noch unbekanntere Worte nähme, z. B. anstatt »weißer Mensch«: »hellstrahlender Sterblicher«. Weder hat man so eine Begriffsbestimmung gemacht, und andererseits ist so noch weniger deutlich gesprochen. [52] Zu prüfen ist auch bei dem Tausch der Wortbezeichnungen, ob es (das neu eingesetzte Wort) etwa nicht mehr dasselbe bedeutet (wie das alte), z. B., wenn einer das »anschauende Wissen« zu »anschauender Annahme« umbenannt hat; »Annahme« ist nämlich nicht dasselbe wie »Wissen«, müßte es aber doch, wenn denn der ganze Ausdruck dasselbe sein soll; »anschauend« ist doch in beiden Ausdrücken gemeinsamer Bestandteil, der Rest ist unterschiedlich. [53] Weiter (ist zu prüfen), ob einer, der die Umbenennung einer der beiden Namensbezeichnungen vornimmt, etwa nicht einen (bloßen) Tausch des Unterscheidungsmerkmals, sondern einen der Gattung vorgenommen hat, wie (es) bei dem eben Gesagten (vorliegt): Unbekannter ist doch »anschau-
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end« als »Wissen«; das eine davon ist nun Gattung, das andere unterscheidendes Merkmal, von allem das bekannteste ist aber die Gattung; also müßte doch nicht mit der Gattung, sondern mit dem Unterscheidungsmerkmal die Umbenennung vorgenommen worden sein, wenn es doch das Unbekanntere ist. – Oder ist dieser Einwand etwa lachhaft? Es hindert doch nichts (die Annahme), daß der Unterschied mit dem bekanntesten Wort ausgesprochen ist, die Gattung aber nicht. Verhält es sich dann so, dann klar: Die Umwahl der Namensbezeichnung ist mit der Gattung, nicht mit dem Unterschied zu machen. – Wenn man dagegen nicht ein Wort für das andere, sondern anstatt eines Wortes eine Begriffserklärung einsetzt, so (ist) klar: Eher ist hier die Begriffsbestimmung des Unterschiedes als die der Gattung anzugeben, da denn doch die Begriffsbestimmung um einer Erkenntnis willen angegeben wird; es ist ja doch der Unterschied weniger bekannt als die Gattung. Kapitel 12. [54] Hat (der Gegner) den festen Begriff des Unterscheidungsmerkmals angegeben, so ist zu prüfen, ob die angegebene Begriffsbestimmung etwa auch für etwas anderes mit gültig ist, z. B., wenn er gesagt hat: »Ungerade Zahl« ist »Zahl, die ein Mittleres hat«, so ist zusätzlich zu bestimmen, wie dies »ein Mittleres haben« (zu verstehen ist). Der Ausdruck »Zahl« kommt beiden Seiten der begriffserklärenden Rede gemeinsam zu, der Begriff von »ungerade« ist aber umgeformt; nun haben aber auch Strecke und Körper eine Mitte und sind doch nicht »ungerade«; somit kann ja wohl das die Begriffsbestimmung von »ungerade« nicht sein. Wenn denn nun dies »ein Mittleres haben« in mehreren Bedeutungen ausgesagt wird, so ist eben festzulegen, wie dies »Mitte haben« zu verstehen ist. Also gibt es hier entweder Anlaß zu Tadel, oder (man zieht) den Schluß: Hier ist der Begriff nicht bestimmt. [55] Und wieder (ist es falsch), wenn das, wovon er die Begriffserklärung angibt, zu den Dingen gehört, die es wirklich gibt, was aber unter der begriffserklärenden Rede gebracht wird, ist nicht in der Weise, z. B., wenn er »weiß« bestimmt hat als »Farbe, mit Feuer gemischt«; es ist nämlich unmöglich,
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daß etwas Körperloses mit einem Körper gemischt sein könnte, daher es denn so etwas wie »feuergemischte Farbe« nicht gibt, weiß aber gibt es. [56] Weiter, alle, die beiden (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...« nicht auseinanderhalten, woraufhin es denn nun wirklich ausgesagt ist, sondern gesprochen haben, indem sie in mehreren (Beziehungsebenen) herumgegriffen haben, die sagen entweder überhaupt oder in bestimmter Beziehung Falsches aus, z. B., wenn einer »Heilkunst« bestimmt hat als »Wissen von dem, was ist«. Wenn (erstens) die Heilkunst von gar nichts von dem, was da ist, ein Wissen (wäre), so klar: Es ist ganz falsch. Wenn (zweitens) sie etwas davon erfaßt, anderes nicht, so ist es zum Teil falsch; sie müßte ja auf das Ganze sich beziehen, wenn doch von ihr im eigentlichen Sinne und nicht nur nebenbei gesagt wird: Sie bezieht sich auf das, was ist; so verhält es sich bei allen übrigen (Bestimmungen) »im Verhältnis zu ...«, (z. B.): Alles, was gewußt werden kann, wird in Beziehung auf (sein) Wissen ausgesagt, Ähnlich ist es auch mit allen übrigen (Bestimmungen), da doch alle »im Verhältnis zu ...« einander in Umkehr entsprechen. [57] Weiter, wenn denn einer, der die Angabe nicht in der eigentlichen Bedeutung, sondern nur in nebenbei mit eintretender macht, dies richtig so machte, dann würde ja eine jede Verhältnisbestimmung nicht in Beziehung zu einer, sondern zu mehreren anderen ausgesagt. Es hindert ja nichts, daß eines und dasselbe, erstens, »ist«, und dann auch noch »weiß« ist und »gut«, so daß also einer, der die Angabe bezogen auf irgendeine, welche auch immer, dieser (Bestimmungen) macht, es ja wohl richtig gemacht haben müßte, wenn wirklich einer, der über nebenbei zutreffende Bedeutungen die Angabe macht, dies zu recht machen soll. [58] Darüber hinaus ist es unmöglich, daß eine derartige begriffserklärende Rede für das Anzugebende eigentümlich wäre: Nicht allein die Heilkunst, sondern auch die große Anzahl der übrigen Wissenschaften werden »auf Seiendes hin« ausgesagt, mithin ist jede ein »Wissen von dem, was ist«. Klar nun also: Etwas derartiges kann von keiner Form von »Wis-
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sen« die Begriffsbestimmung sein; die Begriffsbestimmung hat eigentümlich und nicht allgemein zu sein. [59] Gelegentlich bestimmen die Leute nicht nur einen Tatbestand, sondern die Sache in ihrer guten oder vollendeten Form. Von der Art ist die Bestimmung von »Redner« und »Dieb«, wenn denn doch »Redner« der sein soll, »der in jedem Ding das Überzeugende daran ausfindig machen kann und nichts dabei ausläßt«, und »Dieb« einer, »der heimlich nimmt«; klar doch, daß jeder der beiden in dieser Form gut ist, der eine guter Redner, der andere als Dieb gut, – denn nicht, wer »heimlich nimmt«, sondern schon, »wer heimlich nehmen will«, ist Dieb. [60] Und erneut, wenn er etwas um seiner selbst willen Wünschenswertes so angegeben hat, als stellte es erst etwas her oder bewirkte etwas oder sei wie auch immer um eines anderen willen erwünscht, (so ist das falsch), z. B., wenn er gesagt hat: »Gerechtigkeit ist Wahrerin der Gesetze«, oder: »Weisheit ist Bewirkerin von Glück«; denn etwas, das erst »bewirkt« oder »erhält«, gehört ja zu dem, was um anderer Dinge willen erstrebt wird. – Oder hindert nichts die Annahme: Das um seiner selbst willen Erwünschte kann auch eines anderen wegen erwünscht sein? Indessen aber, wer ein um seiner selbst willen Erwünschtes so bestimmt hat, hat nichtsdestoweniger gefehlt: Das Beste eines jeden (Gegenstandes) liegt am meisten in dem, was es wirklich und wesentlich ist; besser ist aber das »um seiner selbst willen erwünscht sein« als das »eines anderen wegen ...«; also müßte die Begriffsbestimmung dies mehr zum Ausdruck bringen. Kapitel 13. [61] Zu prüfen sind auch (die Fälle), wenn einer, der von etwas die Begriffsbestimmung angibt, dies gemacht hat mithilfe der Ausdrücke »diese« (Sachen) oder »aus diesen« (bestehend) oder »das in Verbindung mit dem«. Hat er nämlich »diese« (gesagt), so wird eintreten, daß (das in Rede Stehende) beiden und keinem zukommt, z. B., wenn er »Gerechtigkeit« als »Besonnenheit und Mut« bestimmt hat: sind nun zweie da, von denen jeder eine, und zwar die je andere der beiden (Eigenschaften), besitzt, so werden beide zusam-
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men gerecht sein, und doch keiner von beiden ist es, da denn zwar beide zusammen (das) »Gerechtigkeit haben« (gewährleisten), jeder einzelne von ihnen es aber nicht hat. – Wenn aber das Vorgetragene noch nicht sehr widersinnig (erscheint), weil derartiges ja auch in anderen Fällen eintritt – es hindert ja nichts, daß zweie zusammen eine Mine besitzen, wobei keiner von beiden eine hat –, so wird es aber doch als völlig unsinnig erscheinen, wenn denen nun gegenteilige (Eigenschaften) zukommen; das tritt nämlich ein, wenn der eine von ihnen Besonnenheit und Furchtsamkeit besitzt, der andere dagegen Kühnheit und Unbeherrschtheit: beide zusammen haben dann Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit an sich; ist doch »Gerechtigkeit« »Besonnenheit und Mut«, so wird »Ungerechtigkeit« »Furchtsamkeit und Unbeherrschtheit« sein. – [62] Überhaupt, alles, womit zu erweisen ist, daß Teile und Ganzes nicht das gleiche sind, das ist verwendbar für das eben Gesagte; denn offenkundig setzt einer, der so die Begriffsbestimmung macht, die Behauptung voraus, die Teile seien das gleiche wie das Ganze. Am stärksten sind aber alle die Erklärungen einschlägig, bei denen die Zusammensetzung der Teile klar ist, wie etwa bei einem Haus und anderem dergleichen; klar doch, hier sind zwar die Teile, aber nichts hindert, daß das Ganze (aus ihnen noch) nicht ist; also sind Teile und Ganzes nicht das gleiche. [63] Wenn er nun aber nicht »diese« gesagt hat, sondern, das zu Bestimmende sei »aus diesen« (bestehend), so ist erstens zu prüfen, ob es etwa von Natur gar nicht sein kann, daß aus dem Genannten eine Einheit werde; einiges verhält sich ja zueinander so, daß kein Eines daraus werden kann, z. B. »Strich« und »Zahl«. [64] Sodann (ist zu prüfen), wenn zwar das als Bestimmung Angegebene an einem einheitlichen Gegenstand naturgegeben unmittelbar auftreten kann, ob dann aber die Bestandsstücke, aus denen es nach seiner Behauptung zusammengesetzt ist, etwa nicht an so einem Einheitlich-Unmittelbaren (auftreten), sondern jedes von beiden an einem anderen. Klar denn: Jenes (das zu Bestimmende) kann aus diesen (Teilen)
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nicht wohl (zusammengesetzt) sein; woran ja die Teile, an dem muß notwendig auch das Ganze vorliegen, sodaß (in diesem Falle) das Ganze nicht an Einem, Unmittelbaren, sondern an mehreren (vorkommt). Wenn aber sowohl die Teile wie auch das Ganze an so einem Einheitlich-Unmittelbaren (vorkommen), so ist zu prüfen, ob (das) etwa nicht an dem gleichen (der Fall ist), sondern an einem anderen das Ganze, an wieder einem anderen die Teile. [65] Und erneut (ist zu fragen), ob mit dem Ganzen zusammen auch die Teile untergehen; umgekehrt muß es ja eintreten, daß, wenn die Teile zugrundegegangen sind, auch das Ganze mit verschwindet; wenn aber das Ganze untergegangen ist, müssen nicht notwendig auch die Teile verschwunden sein. [66] Oder: Wenn das Ganze »gut« (ist) oder »Schlecht«, sie aber (die Teile) beides nicht, oder umgekehrt, sie »gut« oder »schlecht«, das Ganze aber keines von beiden, (dann ist das falsch); denn weder kann aus (Teilen, die) keins von beiden (sind), entweder etwas »Gutes« oder »Schlechtes« entstanden sein, noch aus (Teilen, die) »schlecht« oder »gut«« (waren), etwas, das keins von beiden ist [67] Oder: Wenn das eine (Teil) in höherem Maße gut ist als das andere schlecht, das (Ganze) »aus diesen« aber nicht in höherem Maße gut als schlecht, (so kann das auch nicht sein), z. B., wenn »Unverfrorenheit« aus »Kühnheit« und »falscher Meinung« (bestehen soll); denn Kühnheit ist in höherem Maße gut als falsche Meinung schlecht; es müßte nun also auch das (Ganze) »aus diesen« dem Überschuß folgen und entweder einfachhin gut sein oder doch in höherem Maße gut als schlecht. – Oder ist das etwa nicht notwendig, wenn nicht jedes der beiden an und für sich gut (ist) oder schlecht? Vieles von dem, was (Gutes) bewirkt, ist, für sich genommen, ja nicht gut, wenn es aber vermengt ist, wohl; oder umgekehrt, jedes für sich ist gut, vermengt aber dann schlecht oder weder das eine noch das andere. Am meisten ist das eben Gesagte klar bei den (Dingen), die Gesundheit stiften oder Krankheit erregen: Einige Heilmittel verhalten sich ja so, daß jedes für sich
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gut ist, werden aber beide zusammengemischt verabreicht, dann (bewirken sie) Schlechtes. [68] Und wieder (ist zu beachten): Wenn das Ganze auseinem besseren und einem schlechteren (Teil) besteht, und es selbst ist nicht einerseits schlechter als der bessere, andererseits aber besser als der schlechtere, (dann ist das falsch). – Oder ist auch das nicht notwendig, wenn nicht das, »woraus« es zusammengesetzt ist, für sich gut wäre, sondern es besteht kein Hindernis, daß das Ganze nicht gut werden sollte, so wie bei dem eben Gesagten auch? – Weiter (ist darauf zu achten), ob das Ganze mit einem der beiden (Teile) etwa wortgleiche Bedeutung hat; das darf es ja nicht, so wie bei den Silben eben auch: Mit keinem der Buchstaben, aus denen eine Silbe besteht, ist sie doch bedeutungsgleich. [69] Weiter, wenn er die Art und Weise der Zusammensetzung nicht ausgesagt hat, (so ist das zu wenig); denn zum Erkenntnisgewinn reicht es nicht aus zu sagen: »aus dem und dem«; nicht das »aus diesen«, sondern das »auf diese Weise daraus« ist von jedem zusammengesetzten Ding das Wesen, wie etwa bei einem Haus: Wenn das alles irgendwie zusammengesetzt worden wäre, dann ist das ja noch kein Haus. [70] Wenn er angegeben hat: »das mit dem«, so ist zuerst zu sagen: »das mit dem« ist das gleiche wie »diese« (Bestandteile) oder auch wie das »aus diesen«; wer das sagt: »Honig mit Wasser«, der meint doch entweder »Honig und Wasser« oder »(bestehend) aus Honig und Wasser«. Wenn er dann also zugegeben hat, daß dies »das mit dem« mit einem der beiden Vorgenannten, einerlei welchem, dasselbe ist, dann paßt es, die gleichen Einwände zu machen, die man gegen ein jedes davon schon früher vorgebracht hat. [71] Sodann nimmt man auseinander, in wievielen Bedeutungen denn der Ausdruck »eines mit einem anderen« ausgesagt wird, und es ist zu sehen, ob »dies mit dem« in keiner der Weisen geht; z. B., wenn »eines mit einem anderen« entweder so ausgesagt wird, als kämen beide an demselben vor, das sie an sich nimmt, so wie etwa »Gerechtigkeit und Tapferkeit« »an der Seele« (vorliegen), oder als wenn die beiden »am gleichen
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Ort« oder »zur gleichen Zeit« wären, wenn dann weiter das Behauptete in diesen Hinsichten durchaus nicht wahr ist, so ist klar: Die angegebene Begriffsbestimmung ist eine von nichts, da doch auf keine Weise »das mit dem« ist. [72] Wenn aber von den eingeteilten (Bedeutungen) die zutreffen sollte, daß beides »in der gleichen Zeit« vorkommt, so ist zu prüfen, ob es sein kann, daß beide nicht im Verhältnis zu dem gleichen ausgesagt werden, z. B., wenn er »Tapferkeit« bestimmt hat als »Wagemut mit rechtem Bedacht«: es kann ja sein, daß einer Wagemut hat zum Rauben, richtige Bedachtsamkeit aber in Gesundheitsdingen, aber einer, der zur gleichen Zeit »das mit dem« hat, ist ja noch nicht tapfer. [73] Sodann für den Fall, daß beides im Verhältnis zu dem gleichen ausgesagt wird, z. B. auf ärztliche Verfahren hin – es hindert ja nichts, sowohl Wagemut wie richtigen Bedacht im Hinblick auf Maßnahmen des Heilens zu haben -: (selbst wenn das so wäre,) trotzdem ist einer, der auf die Weise »das mit dem« hat, noch nicht tapfer; weder darf ja ein jedes der beiden auf etwas anderes hin ausgesagt werden, noch auf das erstbeste beliebige gleiche, sondern (hier) auf Ziel und Zweck von »Tapferkeit« hin, z. B.: »vor kriegerischen Gefahren« oder falls etwas (anderes) noch mehr Ziel davon sein sollte. [74] Einiges, was so angegeben wird, fällt aber durchaus nicht unter die genannte Einteilung, z. B., wenn (bestimmt wird): »Zorn« ist »Unlustempfindung in Verbindung mit der Annahme, verächtlich behandelt zu werden«; das will ja doch wohl besagen, daß infolge dieser Annahme derartige Unlust auftritt; aber daß etwas »infolge dessen« eintritt, ist nicht das gleiche wie, daß »dies in Verbindung mit dem« stehe, und zwar auf keine der genannten Weisen. Kapitel 14. [75] Und erneut, hat er »Ganzes« als »Zusammensetzung dieser« (Teile) bezeichnet, z. B., Zusammenfügung von »Seele« und »Leib« (ergebe) »Lebewesen«, so ist erstens zu überprüfen, ob er etwa unterlassen hat zu sagen, was für eine Verbindung dies sein soll, etwa wenn er »Fleisch« bestimmt oder »Knochen« und dabei sagt, dies sei »Zusammenfügung von Feuer, Erde und Luft«; es reicht nämlich nicht,
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bloß »Zusammenfügung« gesagt zu haben, sondern man muß zusätzlich bestimmen, was für eine Form davon; denn wenn das, beliebig wie, zusammengesetzt wird, entsteht ja nicht Fleisch, sondern wenn es genau so und so zusammenkommt, wird es Fleisch, wenn genau so und so (anders), Knochen. – Es scheint indessen keins der beiden Genannten überhaupt so etwas zu sein wie eine Zusammenfügung: jeder Form von Zusammensetzung ist eine von Auflösung entgegengesetzt, von den Genannten hat aber keins von beiden einen Gegensatz. – Wenn es darüber hinaus genauso überzeugend ist, daß alles Zusammengesetzte eine Zusammenfügung ist wie keins, und wenn nun aber jedes unter den Lebewesen zwar zusammengesetzt ist, aber keine Zusammenfügung, dann würde ja wohl bei allen übrigen Dingen kein Zusammengesetztes eine Zusammenfügung sein. [76] Und erneut, wenn Gegenteiliges an etwas von Natur gleichermaßen vorliegt, er es aber nur über eine Seite davon bestimmt hat, so (ist) klar: Er hat überhaupt nicht den Begriff bestimmt. Sollte das nicht so sein, so ergäbe sich ja, daß es von einem und demselben (Gegenstand) mehrere Begriffsbestimmungen gäbe; warum soll denn der, der mittels dieser einen (Seite des Gegensatzes) die Bestimmung macht, mehr die Sache wirklich ausgesagt haben als der, der es mittels der anderen getan hat, wenn doch beides naturgegeben gleichermaßen an demselben vorkommt? Von der Art ist die Begriffsbestimmung von »Seele«, wenn sie sein soll »etwas, das des Wissens fähig ist«: sie ist ja nämlich auch genauso »der Unkenntnisfähig«. [77] Wenn einer nicht die Möglichkeit zum Angriff auf die ganze Begriffsbestimmung hat, weil dies Ganze ihm nicht bekannt ist, so muß er auf irgendeinen der Teile den Zugriff machen, wenn der ihm klar ist und offensichtlich nicht sauber angegeben; ist diese Teilbestimmung aufgehoben, so wird es auch die ganze Begriffsbestimmung sein. [78] Alle Begriffsbestimmungen, die unklar (ausgesagt) sind, muß man erst einmal zusammen (mit dem Gegner) berichtigen und auf eine solche Form bringen, daß sie etwas klar
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sagen und insofern auch Zugriff gestatten, und so soll man sie dann prüfen; notwendig ist dabei für den Antwortenden, entweder das anzunehmen, was der Frager sich herausgenommen hat, oder seinerseits selbst klarzustellen, was denn das von der Rede Gemeinte genau sein soll. [79] Weiter, ebenso wie man in den Bürgerversammlungen eine Satzung einzubringen pflegt, und wenn die neu eingebrachte besser ist (als die bestehende), so heben sie die früher (gültige) auf: genau so ist es auch bei den Begriffsbestimmungen zu machen, man muß selbst eine andere Bestimmung einbringen; wenn die dann nämlich besser erscheint (als die des anderen) und das zu Bestimmende klarer macht, so (ist) klar: Die bestehende ist aufgehoben, da es doch mehrere Begriffsbestimmungen eines und desselben (Gegenstandes) nicht gibt. [80] Für alle diese Begriffsbestimmungen ist es nicht die geringste Grundregel: Den in Rede stehenden Gegenstand bei sich selbst schon treffend bestimmt zu haben oder nach einer sauber ausgesagten Bestimmung greifen zu können; es ist ja ganz notwendig, wenn man gewissermaßen auf ein Vorbild hinschaut, sowohl klar zu sehen, was fehlt und was diese Bestimmung noch erhalten sollte, wie auch, was überflüssig zugesetzt ist, so daß man also einen größeren Reichtum an Zugriffsmöglichkeiten hat. – Die Ausführungen über die Begriffsbestimmungen seien also so weit vorgebracht.
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Kapitel 1. Ob nun aber (etwas) dasselbe ist (wie etwas) oder verschieden (davon) nach der eigentlichsten der Weisen, die über »dasselbe« vorgetragen sind – im eigentlichsten Sinne »dasselbe« wurde doch das genannt, was »der Zahl nach eines« ist –, das ist zu prüfen von den Formveränderungen aus, dem in einer Reihe damit Stehenden und dem, was ihm gegenübersteht. [1] Wenn denn also »Gerechtigkeit« das gleiche (wäre) wie »Tapferkeit«, so auch »der Gerechte« (der gleiche) wie »der Tapfere« und »gerechtermaßen« (das gleiche) wie »tapfererweise«. [2] Entsprechend auch mit den Gegensätzen: Ist das und das das gleiche, so ist auch das dem (je) Entgegengesetzte gleich, nach welcher Art der aufgeführten Entgegensetzungen auch immer; es macht ja keinen Unterschied, das dem oder dem Entgegengesetzte zu nehmen, da sie doch das gleiche sind. [3] Und wieder (ist es anzusehen) von dem aus, was dies hervorbringt oder was ihm Untergang bereitet, und von den Werde- und Untergangsvorgängen aus und überhaupt von allem aus, was sich zu beiden (Beteiligten) gleich verhält: Alles, was nämlich einfach so das gleiche ist, dessen Entstehungsweisen und Untergänge sind auch dieselben, und was es hervorbringt oder untergehen läßt, auch. [4] Zu prüfen ist aber auch im Falle zweier (Gegenstände), deren einer etwas »in besonderem Maße« nach der Aussage sein soll, ob auch der je andere davon in der gleichen Hinsicht als »in besonderem Maße so« ausgesagt wird; so wie etwa Xenokrates »glückliches Leben« und »rechtschaffenes« als das gleiche erweist, da doch von allen Arten der Lebensführung die rechtschaffene und die glückliche »am meisten wünschenswert« sei; eines (und dasselbe) sei doch »am meisten wünschenswert und höchstbedeutend«. Entsprechend auch
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bei allem anderen derart. – Es muß aber jedes der beiden, was da »höchstbedeutend« und »vorzüglichst« genannt wird, eines der Zahl nach sein; andernfalls wird nicht gezeigt sein, daß (sie) dasselbe sind. Es ist ja nicht notwendig (zu folgern): Wenn die Tapfersten unter den Griechen die Peloponnesier und die Spartaner sind, dann sind »Peloponnesier« und »Spartaner« die gleichen; ist doch »Peloponnesier« und »Spartaner« nicht »eins der Zahl nach«. Sondern das eine muß von dem anderen eingeschlossen werden, wie eben »Spartaner« von »Peloponnesier«; andernfalls würde ja herauskommen, daß sie untereinander (je) tüchtiger wären (als je die anderen), wenn hier nicht die einen von den anderen umfaßt wären: Notwendig müßten die Peloponnesier tüchtiger sein als die Spartaner, wenn doch die einen von den anderen nicht eingeschlossen werden; denn sie sind ja tüchtiger als alle übrigen; entsprechend aber auch müßten die Spartaner tüchtiger sein als die Peloponnesier, auch diese sind ja tüchtiger als alle übrigen. Also würden sie tüchtiger als je die anderen. Klar nun also: Es muß eines an Zahl sein, was da »das Beste« und »das Bedeutendste« genannt wird, wenn gezeigt werden soll, daß das gleich ist. Deshalb beweist ja Xenokrates nicht wirklich: »glückliches Leben« und »rechtschaffenes Leben« sind nämlich nicht eines der Zahl nach, so daß das also nicht notwendig dasselbe sein muß, aus dem Grunde weil beide »in höchstem Maße erwünscht« (sind), sondern das eine (ist) unter dem anderen (anzusetzen). [5] Und erneut ist zu prüfen: Ist das eine mit etwas (Drittem) das gleiche, ob auch das andere (dies ist); wenn nämlich beide zu dem gleichen (Dritten) nicht (das gleiche sind), dann, klar, auch untereinander nicht. [6] Weiter ist zu prüfen von dem aus, was diesem nebenbei mitfolgt, und (von dem aus), dem dieses mitfolgt: Was dem einen mitgefolgt ist, muß auch dem anderen mitgefolgt sein, und (umgekehrt), welchem das eine davon mitgefolgt ist, dem muß auch das andere mitgefolgt sein. Wenn etwas davon nicht zusammenstimmt, klar, dann sind sie nicht das gleiche. [7] Zu sehen ist auch darauf, ob etwa nicht beide in einer einzigen Grundgattung von Aussage (stehen), sondern das
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eine ein »so und so geartet«, das andere ein »so und so groß« oder ein »im Verhältnis zu ...« bedeutet. – [8] Und aufs neue, ob die Gattung beider etwa nicht die gleiche (ist), sondern die eine »Gutes«, die andere »Schlechtes« (bedeutet), oder die eine »Tüchtigkeit«, die andere »Wissen«. Oder, wenn zwar die Gattung die gleiche ist, ob dann nicht etwa die (artbildenden) Unterscheidungsmerkmale eines jeden als nicht die gleichen ausgesagt werden, sondern vom einen, daß dies ein »anschauendes Wissen«, vom anderen, daß es ein »handelndes Wissen« (ist). Entsprechend auch bei allem übrigen. [9] Sodann (ist auch zu prüfen) nach dem »mehr«: Nimmt das eine solche Steigerung an, das andere aber nicht, oder, wenn beide sie zwar annehmen, aber nicht zugleich? So wie einer, der »in stärkerem Maße« liebt, nicht »mehr« nach Beischlaf begehrt, so daß denn also »Liebe« und »Begehr nach Beischlaf« nicht das gleiche ist. [10] Sodann vom Zusatz aus: Wenn jedes der beiden, zum gleichen (Dritten) hinzugesetzt, dies (neu entstehende) Ganze nicht zu demselben macht. – Oder, wenn von jedem der beiden das gleiche weggenommen wird und der Rest dann (je) verschieden ist, z. B., wenn er behauptet hat: »Das Doppelte eines Halben und das Vielfache eines Halben ist das gleiche«; wird dann nämlich von jedem der beiden (Beträge) dies Halbe abgezogen, müßte ja auch der (jeweilige) Rest das gleiche anzeigen, tut es aber nicht; »zweifach« und »vielfach« meinen eben nicht dasselbe. [11] Zu prüfen ist aber nicht nur, ob unmittelbar durch die aufgestellte Behauptung schon etwas Unmögliches herauskommt, sondern auch, ob es sein kann, daß das erst aufgrund der gemachten Voraussetzungen zur Geltung kommt, so wie (es) denen (ergeht), die behaupten: »Leer« und »voller Luft« ist das gleiche; klar doch: Wenn die Luft da herausgenommen wäre, wird es nicht weniger leer sein, sondern in stärkerem Maße, und »voller Luft« wird es dann nicht mehr sein. Also, wenn etwas Bestimmtes unterstellt wird – es mag falsch sein oder wahr, das macht hier keinen Unterschied –, so wird das
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eine davon aufgehoben, das andere nicht; somit sind sie nicht dasselbe. [12] Allgemein gesprochen: Von dem aus, was – wie auch immer – von einem jeden der beiden ausgesagt wird und (umgekehrt), wovon diese ausgesagt werden, ist zu prüfen, ob es irgendwo nicht stimmt; alles, was von dem einen entschieden ausgesagt wird, muß auch von dem anderen genauso entschieden ausgesagt werden, und wovon das eine ausgesagt wird, davon muß auch das andere ausgesagt werden. [13] Weiter, da »dasselbe« in vielerlei Bedeutung ausgesagt wird, ist zu prüfen, ob (etwas als »dasselbe« Behauptetes) etwa nach irgendeiner (von einander) verschiedenen Weise »dasselbe« ist: Was »der Art nach« oder »der Gattung nach« dasselbe ist, ist nicht notwendig oder kann vielmehr gar nicht »der Zahl nach« dasselbe sein; wir betrachten aber (die Frage), ob (etwas) in der Weise dasselbe ist oder in der nicht. [14] Weiter (ist zu prüfen), ob das eine ohne das andere sein kann; (ginge das), so wären die ja wohl nicht dasselbe. Kapitel 2. So viele Gesichtspunkte sind also zu »dasselbe« vorgetragen. Klar (ist) aus dem Gesagten, daß alle einreißenden Gesichtspunkte zu »dasselbe« auch bei Begriffsbestimmungen verwendbar sind, wie ja früher gesagt ist; wenn nämlich Wort und begriffserklärende Rede nicht dasselbe meinen, dann (ist) klar: Die angegebene Rede kann ja wohl keine Begriffsbestimmung sein. – Dagegen von den errichtenden Gesichtspunkten ist keiner verwendbar für Begriffsbestimmung: Es reicht nämlich nicht, gezeigt zu haben: »Dasselbe ist, was unter der Begriffserklärung (steht) und der Name dafür«, um schon untermauert zu haben: Dies ist eine Begriffsbestimmung; sondern auch alles übrige, was auftragsgemäß dazugehört, muß die Begriffsbestimmung enthalten. Kapitel 3. Das Aufheben einer Begriffsbestimmung ist nun also so und mittels dieser (Gesichtspunkte) je in Angriff zu nehmen. Wenn wir dagegen errichten wollen, muß man zuerst wissen: Niemand oder nur wenige derer, die derartige Gesprächsuntersuchungen anstellen, ermitteln eine Begriffsbestimmung durch Schluß, sondern alle nehmen so etwas zum
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Ausgangspunkt, z. B. die es mit Flächenmessung, Zahlen und anderen derartigen Gegenständen von Lernen und Wissen zu tun haben. Zweitens (ist festzuhalten): Es ist Sache einer anderen Denkanstrengung, in aller Genauigkeit anzugeben, was eine Begriffsbestimmung ist und wie man Begriffsbestimmung machen muß, – jetzt nur so viel, wie für das gegenwärtige Vorhaben reicht, so daß also nur so viel zu sagen ist: Es ist möglich, daß Schluß auf Begriffsbestimmung und das »was es sein sollte« erfolgen kann. Wenn nämlich »Begriffsbestimmung« ist: »erklärende Rede, die für einen Gegenstand sein ›was es sein sollte‹ bezeichnet«, und wenn das in der Begriffsbestimmung entschieden Zugesprochene das Alleinige ist, was bei der Frage: »Was ist dieser Gegenstand denn eigentlich?« ausgesagt werden darf, wenn aber bei dieser Frage nach dem Wesen die Gattungen und artbildenden Unterschiede ausgesagt werden, so ist offenkundig: Wenn jemand diese Bestimmungen nähme, die als einzige bei der »Was-ist-es«-Frage des Gegenstandes ihm zugesprochen werden, dann ist ja wohl eine begriffserklärende Rede, die genau das enthält, notwendig Begriffsbestimmung. Es kann ja nicht sein, daß es dazu eine verschiedene Begriffsbestimmung (des Gegenstandes) gibt, da doch eben nichts anderes bei der »Was-ist-es«-Frage des Gegenstandes entschieden zugesprochen wird. Daß es nun also erlaubt ist (anzunehmen), daß auf Begriffsbestimmung hin Schluß erfolgen kann, ist offenkundig. Von welchen (Voraussetzungen) aus man das aber errichten muß, ist in anderen (Darlegungen) genauer bestimmt, für das gegenwärtige Vorhaben sind die gleichen Gesichtspunkte verwendbar: Man muß nämlich die Betrachtung führen [1] über das jeweilige Gegenteil, und was sonst noch entgegengesetzt ist, und zwar indem man die Begriffserklärungen als ganze und Teil für Teil der Prüfung unterzieht; wenn nämlich die entgegengesetzte (Begriffserklärung) von dem entgegengesetzten (Sachverhalt gilt), so hat notwendig auch die behauptete von dem vorliegenden (Sachverhalt) Bestand. Da es aber von gegenüberstehenden (Bestimmungen) mehrere Verknüpfungs-
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formen gibt, so ist von den gegenüberliegenden (Bestimmungen) je die zu nehmen, deren gegenteiliger Begriffsinhalt am stärksten auf der Hand liegt. Als ganze muß man die begriffserklärenden Reden prüfen, wie vorgetragen, Teil für Teil aber wie folgt: [2] Erstens also, daß die angegebene Gattung auch richtig angegeben ist; wenn nämlich Gegenteiliges in gegenteiliger (Gattung steht), und wenn aber nun das Vorliegende nicht in der gleichen (Gattung steht wie sein Gegenteil), so klar: Es wird ja wohl in der gegenteiligen (Gattung) sein, wenn doch notwendig (gilt): Gegenteiliges steht (entweder) in der gleichen Gattung oder in gegenteiligen Gattungen. – [3] Auch was die (artbildenden) Unterschiede angeht, so stellen wir die Forderung auf: Gegensätzlichen (Bestimmungen) müssen gegensätzliche (Unterschiede) zugesprochen werden, wie etwa bei »weiß« und »schwarz«: Das eine sondert das Sichtvermögen auseinander, das andere zieht es zusammen. Also, wenn dem Gegenteiligen die gegenteiligen (Unterschiede) zugesprochen werden, dann ja wohl auch dem Vorliegenden die angegebenen, mithin: Wenn denn sowohl die Gattung wie auch die Unterscheidungsmerkmale richtig angegeben werden, dann (ist) klar: Das Angegebene ist ja wohl eine Begriffsbestimmung. – Oder ist es etwa nicht notwendig, gegensätzlichen (Bestimmungen) die gegensätzlichen Unterschiede zuzusprechen, wenn diese Gegensätze nicht in der gleichen Gattung stehen, (im Gegenteil) bei Bestimmungen, deren Gattungen gegenteilig sind, hindert nichts, das gleiche Unterscheidungsmerkmal über beide auszusagen, z. B. im Fall von »Gerechtigkeit« und »Ungerechtigkeit«: Die eine ist »Tüchtigkeit der Seele«, die andere »schlechte Eigenschaft ...«, daher wird »der Seele« als ihr Unterscheidungsmerkmal an beiden ausgesagt (gegenüber Dritten), da es ja auch von »Leib« Tüchtigkeit und schlechte Eigenschaft geben kann. Aber nun (bleibt) doch das richtig: Von Gegensätzlichem gelten entweder gegensätzliche oder die gleichen Unterscheidungsmerkmale. Wenn nun also dem Gegenteil (des Vorliegenden) die gegenteilige Unterscheidung zugesprochen wird,
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diesem aber nicht, so (ist) klar: Es ist die genannte, die diesem ja wohl zuzusprechen ist. Allgemein gesprochen, da eine Begriffsbestimmung besteht aus Gattung und (artbildenden) Unterschieden, (so gilt): Wenn die Begriffsbestimmung des Gegenteils (zum Vorliegenden) offenkundig auf der Hand liegt, so wird auch die Begriffsbestimmung des Vorliegenden klar sein. Da nämlich Gegenteiliges entweder in der gleichen Gattung oder in der gegenteiligen steht, ebenso aber auch bei den Unterscheidungsmerkmalen entweder gegenteilige dem Gegenteiligen oder aber auch die gleichen (ihm) zugesprochen werden, so (ist) klar: Dem Vorliegenden wird ja wohl entweder die gleiche Gattung zugesprochen wie seinem Gegenteil, und dann die entgegengesetzten Unterschiede, entweder alle oder einige. die übrigen (wären dann) die gleichen; oder umgekehrt, die Unterschiede sind die gleichen, die Gattungen dann gegenteilig; oder (drittens) beides ist gegensätzlich, sowohl die Gattungen wie auch die Unterschiede. Daß beides das gleiche wäre, geht ja nicht; andernfalls hätten gegenteilige (Tatbestände) die gleiche Begriffsbestimmung. [4] Sodann (ist) auch von Formveränderungen und verwandten Reihen aus (die Begriffsbestimmung zu machen): Notwendig ja, daß Gattungen Gattungen folgen und (so eben auch) Begriffsbestimmungen auf Begriffsbestimmungen, z. B.: Ist »Vergeßlichkeit« »Verlust von Wissen«, so wird auch »vergessen« ein »Wissen verlieren« sein und »Vergessenhaben« ein »Wissen verloren haben«; ist über eines der Genannten, welches auch immer, Einigkeit hergestellt, muß notwendig auch über das Restliche Einigkeit herrschen. Entsprechend auch, ist »Untergang« »Auflösung von etwas, das ist«, so ist »untergehen« ein »aufgelöstwerden von etwas, das ist« und »vernichtend« (ist) »auflösend«, (und in umgekehrter Richtung), wenn etwas, »das Untergang herbeiführt«, eines ist, »das etwas auflöst, das ist«, so (ist) auch »Untergang« die »Auflösung von etwas, das ist«. Entsprechend auch bei allem übrigen. Also, ist eines davon, welches auch immer, angenommen, sind auch alle übrigen zugegeben.
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[5] Auch von den (Bestimmungen) aus, die sich zueinander entsprechend verhalten, (ist es zu machen): Ist »gesund« etwas, »das Gesundheit schafft«, so auch »wohlbekömmlich« etwas, »das Wohlbefinden herbeiführt«, und: »nutzbringend« wird sein »das, was Gutes bewirkt«; denn ein jedes der Genannten verhält sich ja genau so zu seinem ganz eigenen Ziel (wie die anderen), also, wenn von einem davon die Begriffsbestimmung ist »auf eine Aufgabe bezogen und diesen Zweck erfüllend«, so wird ja wohl auch von jedem der übrigen dies die Begriffsbestimmung sein. [6] Sodann (ist es) auch vom mehr aus und vom genauso aus (zu versuchen), insoweit es geht, etwas zu errichten, indem man zwei mit zweien vergleicht, z. B.: Wenn dies in höherem Maße Begriffsbestimmung dessen ist als das davon, und wenn nun aber das, was »weniger« Begriffsbestimmung ist, (es tatsächlich doch ist), so ja auch das wohl, was es »mehr« ist. Und wenn das »genau so« (Begriffsbestimmung) von dem wie dies von dem da, und wenn weiter das eine (Begriffsbestimmung) des einen (ist), dann ja wohl auch das restliche vom restlichen. Wird dagegen eine Begriffsbestimmung im Hinblick auf zwei (Gegenstände) beurteilt oder zwei Begriffsbestimmungen im Hinblick auf einen (Gegenstand) verglichen, so ist die Prüfung von dem »mehr« aus zu nichts tauglich: Weder kann es eine (Begriffsbestimmung) von zwei (Gegenständen) noch zwei Begriffsbestimmungen von einem und demselben (Gegenstand) geben. Kapitel 4 . Die am vielseitigsten verwendbaren Gesichtspunkte sind die eben genannten und die von verwandten Reihen und den Formveränderungen aus. Deshalb auch muß man diese am sichersten beherrschen und vorrätig haben; sie sind am besten brauchbar für die meisten Fälle. Und von den anderen sind es die allgemeinsten; das sind je die erfolgreichsten unter den übrigen, z. B. das Hinschauen auf die Einzeldinge und dann bei den Arten prüfen, ob die erklärende Rede auch paßt, da doch die Art etwas bezeichnet, wofür es auch andere Namen geben kann. Ein derartiges (Vorgehen) ist verwendbar gegenüber denen, die ansetzen, daß es »Ideen« gibt, wie früher
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gesagt. Dann auch, ob er das Wort ausgesagt hat, indem er es in übertragener Bedeutung verwendet, oder ob er (den Gegenstand) selbst von sich selbst ausgesagt hat, als wäre es (beidesmal) etwas anderes. Und wenn noch irgendein anderer unter den Gesichtspunkten allgemein verwendbar und wirksam ist, so soll man ihn brauchen. Kapitel 5. Daß es nun schwieriger ist, eine Begriffsbestimmung zu errichten als einzureißen, wird aus dem einsichtig, was hiernach zu sagen ist. Derlei Ansätze entweder selbst in den Blick zu bekommen oder sie von denen, die die Befragten sind, zu erhalten, ist ja keine leichte Mühe, z. B., daß in der angegebenen begriffserklärenden Rede das eine (Stück) Gattung, das andere artbildender Unterschied (ist) und daß Gattung und Unterschiede im Rahmen der »was-ist-es«-Frage zugesprochen werden. Ohne das ist es unmöglich, daß ein Schluß auf Begriffsbestimmung hin erfolgen könnte; wenn nämlich auch noch irgendwelche anderen (Bestimmungen) im »wasist-es«-(Bereich) der Sache zugesagt werden, so ist unklar, ob die vorgetragene (Rede) oder eine andere die Begriffsbestimmung davon ist, wenn doch »Begriffsbestimmung« ist: »erklärende Rede, die das ›was es ist‹ bezeichnet«. Klar ist (das Gemeinte) auch aus folgendem: Leichter ist es, ein (Schlußergebnis) zustande zu bringen als viele. Einem, der aufheben will, reicht es nun schon, auf einen Punkt hin die Untersuchung zu führen; haben wir nämlich ein Stück, welches auch immer, eingerissen, so werden wir schon die Begriffsbestimmung aufgehoben haben. Für den, der errichten will, dagegen ist es notwendig, alles zusammenzuführen, damit die für Begriffsbestimmung erforderlichen Stücke vorliegen. – Sodann muß einer, der errichtet, seinen Schluß auch allgemein durchhalten: Von allem, wovon doch das Wort ausgesagt wird, muß auch die Begriffsbestimmung ausgesagt werden können, zudem ist das auch noch umzukehren, wenn die angegebene Begriffsbestimmung eigentümlich sein soll. Wer dagegen einreißt, für den ist es nicht mehr notwendig, das »über alles« nachzuweisen; es reicht ihm nämlich, aufgezeigt zu haben, daß die begriffserklärende Rede für irgendeinen Fall, der unter
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diesem Namen läuft, nicht stimmt. Und wenn auch allgemein eingerissen werden müßte, so wäre bei diesem Einreißen immer noch keine Umkehrung nötig; es reichte dann ja für den Einreißenden, über alle Fälle aufgezeigt zu haben, daß in keinem Fall, wovon der Name ausgesagt wird, dem auch die begriffserklärende Rede zugesagt werden kann; den Umkehrfall muß er nicht zusätzlich erweisen, daß, wovon die erklärende Rede nicht ausgesagt wird, dem die Namensbezeichnung (aber doch) zugesprochen wird. Des weiteren, wenn auch (der Inhalt der begriffserklärenden Rede) allem zukommt, was unter diesem Namen (je auftaucht), aber nicht diesem allein, so tritt ein, daß die Begriffsbestimmung aufgehoben ist. Entsprechend verhält es sich mit Eigentümlichkeit und Gattung: bei beiden ist das Einreißen leichter als das Errichten. Beim Eigentümlichen ist das aus dem Gesagten klar: Allermeist wird die Eigentümlichkeit mittels einer Verknüpfung (mehrerer Worte) angegeben, so daß das Einreißen schon geht, wenn man nur eins davon aufhebt; dagegen, wer da errichten will, muß erst alles zum Zusammenschluß führen. Nahezu aber auch alles übrige, was im Hinblick auf Begriffsbestimmung hin (festzustellen ist), paßt auch, im Hinblick auf Eigentümlichkeit auszusagen: Wer errichtet, muß zeigen, daß (das in der Begriffserklärung Behauptete) jedem und allem, was unter diesem Namen läuft, tatsächlich zukommt, für den Einreißenden dagegen reicht es gezeigt zu haben, daß es einem nicht zukommt; und wenn es zwar allem zukommt, dem aber nicht allein, so tritt auch so der Fall des Einreißens ein, wie eben bei »Begriffsbestimmung« gesagt wurde. Bei der Gattung (zeigt sich das oben Behauptete darin): Errichten (erfolgt) notwendig auf eine Weise allein, nämlich indem man zeigt, dies kommt jedem zu; eingerissen werden kann dagegen auf zwei Weisen: Sowohl wenn gezeigt ist, daß es keinem, wie auch, daß es einem nicht zukommt, so ist die Anfangsbehauptung aufgehoben. – Darüberhinaus reicht es für einen, der errichtet, nicht, gezeigt zu haben, daß dies zukommt, sondern er muß auch noch zeigen, daß es als Gattung
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vorliegt; für den Einreißenden dagegen ist es hinreichend, gezeigt zu haben, daß es nicht vorliegt, entweder an irgendeinem oder an allen. So hat es also den Anschein: Wie auch in allen übrigen (Verhältnissen) das Zerstören leichter ist als das Herstellen, so auch in diesen Dingen das Einreißen (leichter) als das Errichten. Bei dem nebenbei Zutreffenden ist die Allgemein-Aussage leichter einzureißen als zu errichten: Wer errichtet, muß zeigen, daß (dies) allem zukommt, dem Einreißenden reicht es gezeigt zu haben: einem nicht. Bei der Teilaussage ist umgekehrt errichten leichter als einreißen; dem Errichtenden reicht es nämlich gezeigt zu haben: Es liegt an irgendeinem vor; wer dagegen einreißen will, hat zu zeigen: Es liegt an keinem vor. Einsehbar ist auch, daß es am leichtesten von allem ist, eine Begriffsbestimmung einzureißen; in ihr ist ja die ganze Menge des nach vielen Aussagen Zugegebenen besonders groß, je mehr aber (an Stoff da ist), desto schneller ergibt sich ein (möglicher) Schluß; es ist ja wahrscheinlich, daß in einer großen Menge mehr Möglichkeiten zu Fehlern als in einer kleinen liegen. Darüberhinaus geht es auch, auf die Begriffsbestimmung über die anderen (aufgezählten Bestimmungen) den Angriff zu machen: Mag denn nun die erklärende Rede nicht eigentümlich sein oder das Angegebene keine Gattung, oder mag etwas von dem in der erklärenden Rede (Behaupteten) tatsächlich nicht vorliegen: die Begriffsbestimmung ist aufgehoben. Zu einem Angriff auf die übrigen (Bestimmungen) dagegen lassen sich weder die (Stücke) aus den Begriffsbestimmungen noch die übrigen alle verwenden: allein die (Verhältnisse) bei »nebenbei zutreffend« sind allen Genannten gemeinsam. Vorliegen (an dem Gegenstand) muß ja jedes der Genannten; wenn die Gattung nicht als Eigentümlichkeit vorliegt, so ist damit die Gattung noch nicht aufgehoben; entsprechend ist auch nicht notwendig, daß das Eigentümliche mit Wertigkeit einer Gattung, oder das nebenbei Zutreffende mit Wertigkeit von Gattung oder Eigentümlichkeit (vorläge), es muß eben nur vorliegen. Also geht es nicht, aus dem einen Ansätze zum
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Angriff auf die anderen zu entnehmen, außer eben bei der Begriffsbestimmung. Klar nun also: Am leichtesten von allem ist es, eine Begriffsbestimmung aufzuheben, sie zu errichten dagegen am schwierigsten; erstens einmal muß man alle die anderen (Bestimmungen) im Schluß zusammenbringen: Daß die Genannten tatsächlich vorliegen, daß das Angegebene auch wirklich Gattung ist und daß die erklärende Rede auch eigentümlich ist, – und dann über all das hinaus noch, daß die erklärende Rede auch das »was es sein sollte« (des zu Bestimmenden) bezeichnet. Und das alles muß noch sauber gemacht sein. Von den übrigen (Bestimmungen) ist die Eigentümlichkeit am meisten derartig (wie die Begriffsbestimmung): Sie ist leichter aufzuheben, weil (sie) allermeist aus vielen (Stücken zusammengesetzt ist); zu errichten ist sie am schwierigsten, weil erstens viel zusammengebracht werden muß, und dazu noch, daß sie dem Gegenstand allein zukommt und sich mit ihm wechselseitig aussagen läßt. Am leichtesten von allen zu errichten ist das nebenbei Zutreffende; bei den anderen ist ja nicht nur zu zeigen, daß sie bloß vorliegen, sondern auch, daß sie in der und der Weise vorliegen; beim nebenbei Zutreffenden ist schon hinreichend, überhaupt gezeigt zu haben, daß es vorliegt. Ein nebenbei Zutreffendes einzureißen ist am schwierigsten, weil bei ihm am wenigsten zugegeben ist; es wird nämlich beim nebenbei Zutreffenden keinerlei Zusatzangabe gemacht, in welcher Weise es vorliegt. Also kann man bei den anderen die Aufhebung auf zwei Weisen machen, entweder indem man zeigt, es liegt nicht vor, oder, es liegt in dieser Weise nicht vor; beim nebenbei Zutreffenden kann man die Aufhebung nicht anders machen, als indem man zeigt, es liegt nicht vor. Die Gesichtspunkte, mittels derer wir reichlich Vorrat haben, an jede gestellte Aufgabe Hand anzulegen, sind somit in etwa vollständig aufgezählt.
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Kapitel 1. Nach dem ist über Anordnung und, wie gefragt werden muß, zu sprechen. – Erstens muß, wer da das Geschäft des Fragenstellens betreiben will, den Gesichtspunkt herausgefunden haben, von wo aus Zugriff zu machen ist, zweitens (muß er) bei sich selbst schon im einzelnen die Fragen gestellt und in eine Reihe gebracht haben, schließlich und drittens ist das nunmehr gegenüber einem anderen zur Sprache zu bringen. Bis zu dem Punkt, den Gesichtspunkt aufgefunden zu haben, ist es in gleicher Weise Untersuchungsaufgabe des Philosophen wie des gesprächführenden Dialektikers, dann aber, dies nunmehr zu ordnen und in Frageform zu bringen, ist eigentümliche Aufgabe des Gesprächführenden; denn alles das richtet sich ja auf einen anderen. Dem die Weisheit liebenden und für sich allein suchenden Mann dagegen liegt daran nichts: Wenn (die Voraussetzungen), durch die der Schluß (erfolgt), zwar wahr und bekannt sein sollten, der Antwortgebende sie aber nicht setzt, weil das so nah beim Ausgangspunkt liegt und er voraussieht, was sich da ergeben wird, – er hingegen wird sich ja wohl darum bemühen, daß die Ausgangsforderungen möglichst bekannt und naheliegend sind: daraus (ergeben sich) nämlich die wissen-schaffenden Schlüsse. Von wo aus man sich nun die Gesichtspunkte nehmen muß, ist früher vorgetragen. Über Anordnung und das Fragenbilden ist zu sprechen, indem man die Vorgaben unterteilt, die über die notwendigen hinaus anzunehmen sind. »Notwendig« werden die genannt, durch welche der Schluß sich ergibt. Die über diese hinaus angenommenen sind vier: Entweder [1] (werden sie gemacht) der Heranführung wegen, und damit das Allgemeine gegeben ist, oder [2] zum größeren Gewicht der Rede, oder [3], um den Schlußsatz noch verborgen zu halten, oder [4], damit die Rede deutlicher sei. Über diese hinaus soll man kei-
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ne Vorgabe annehmen, sondern soll versuchen, mittels dieser (die Sache) wachsen zu lassen und Fragen zu bilden. – Die (Vorannahmen) zum Zwecke des Verhergens dienen nur dem Wettstreit; da aber diese ganze Anstrengung auf Auseinandersetzung mit einem anderen ausgerichtet ist, muß man sich auch dieser bedienen. Was die notwendigen (Voraussetzungen) angeht, mittels derer der Schluß (zustandekommt), so muß man mit denen nicht gleich herauskommen, sondern (sie) möglichst weit nach oben hinaus wegstellen, z. B., indem man nicht gleich fordert, daß dasselbe Wissen auf Gegenüberliegendes sich beziehe, wenn man doch dies bekommen will, sondern (man fordert erst einmal, es sei Wissen) des Entgegengesetzten; ist das nämlich erst einmal gesetzt, so wird auch geschlossen werden können, daß eines und dasselbe (Wissen) auf Gegenüberliegendes sich bezieht, wenn denn doch Gegenüberliegendes auch entgegengesetzt ist. Wenn er es aber nicht setzen will, muß man es über Heranführung zu erhalten versuchen, indem man ihm Sätze vorlegt mit Einzelfällen von Gegenüberliegendem. Entweder sind ja doch die notwendigen (Voraussätze) mittels Schluß oder mittels Heranführung zu gewinnen, oder die einen davon durch Heranführung, die anderen durch Schluß; welche aber allzu einsichtig sind, die soll man auch unmittelbar vorgeben: das zukünftige Ergebnis wird ja doch einerseits bei Zurückstellung und Heranführung je immer nur unklarer, und gleichzeitig liegt die Möglichkeit bereit, die verwendbaren (Sätze) unmittelbar vorzugeben, wenn man sie auf die andere Weise nicht bekommen kann. Die genannten darüber hinausgehenden (Vorgaben) muß man hernehmen dieser (notwendigen) wegen und dabei eine jede auf folgende Weise behandeln: Man führt (die Sache) von den Einzelfällen zum Allgemeinen herauf und vom Bekannten zum Unbekannten. In näherem Maße bekannt ist das, was unter die Sinneswahrnehmung fällt, entweder überhaupt oder für die große Menge der Leute. Will man dagegen seine Absicht verbergen, so sind Schlüsse vorzuschalten (auf die Annahmen), durch welche der Schluß auf den Ausgangspunkt erst erfolgen soll, und das (sollen) so
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viele wie nur möglich (sein); das könnte man so fertigbringen, wenn einer nicht nur die notwendigen (Sätze) erschließt, sondern auch solche, die auf deren Gewinnung hin verwendbar sind. – Außerdem darf man die Schlußsätze nicht einfach sagen, sondern soll sie erst hernach in geschlossener Reihe herleiten; so kämen sie ja auch am weitesten weg von der Anfangsannahme zu stehen. – Um es allgemein zu sagen: Wer da auf diese verschleierte Art an seine Antworten kommen will, der muß so fragen, daß der, von dem man die ganze Reihe der Erklärungen abgefragt hat und der den Schlußsatz auch ausgesprochen hat, nun noch nach dem »weshalb« fragt. Das wird sich am besten über die oben angegebene Weise ergeben; ist nämlich nur der letzte, vollendende Schlußsatz ausgesagt, (so ist) unklar, wie das denn zustandekommt, weil der Antwortgebende nicht voraussieht, aufgrund welcher (Voraussetzungen) es zustandekommt, wenn die vorausliegenden Schlüsse nicht durchgegliedert sind; am wenigsten wird ja wohl der Schlußvorgang auf den vollendenden Satz durchgegliedert sein, wenn wir nicht die auf diesen (Schlußsatz) hinführenden Annahmen setzen, sondern jene, von denen aus der Schlußvorgang sich ergibt. Nützlich ist es auch, die Annahmen nicht in fortlaufender Reihe einzufordern, aus denen (sich) die Schlüsse (ergeben), sondern im Wechsel eine für den einen, eine für den anderen Schlußsatz; denn wenn die zusammengehörigen (Vorausannahmen) nebeneinandergesetzt werden, so ist das, was aus ihnen sich ergeben kann, leichter ersichtlich. Man muß auch in den Fällen, wo das geht, die allgemeine Voraussetzung nicht durch Festlegung der in ihr gesagten Dinge selbst, sondern von solchen, die damit in einer verwandten Reihe stehen, anpacken. Denn die Leute schließen falsch und täuschen sich darin, (wenn sie meinen), sie gäben nicht den allgemeinen Fall zu, wenn die Begriffsbestimmung bei dem, was in verwandter Reihe steht, angenommen ist, z. B., falls folgende Annahme gemacht werden soll: »Einer, der zornig ist, ist begierig auf Vergeltung infolge offenkundiger verächtlicher Behandlung«, und man hätte aber erhalten: »Zorn ist ein Streben nach Vergeltung infolge offenkundiger verächtlicher
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Behandlung«: klar doch, wenn wir das bekommen haben, haben wir ja wohl auch allgemein, worauf wir aus sind. Denen, die die Dinge selbst gleich vorlegen, geschieht es ja oft, daß der Antwortgebende sich weigert, weil er gegen die Annahme selbst leichter über einen Einwand verfügt, z. B.: Ein Zorniger ist gar nicht auf Vergeltung aus; es kommt ja vor, daß wir unseren Eltern zürnen, und in dem Fall wollen wir doch keine Vergeltung. – Vielleicht ist ja nun dieser Einwand nicht richtig: in einigen Fällen ist es wohl hinreichend Vergeltung, (den Übeltäter) nur traurig zu machen und Reue zu bewirken. Indessen hat er aber doch etwas Überzeugendes im Hinblick darauf, daß man offenkundig nicht ohne Begründung die vorgelegte Behauptung leugnet. Dagegen bei der Begriffsbestimmung (bloß) von »Zorn« ist es nicht genauso leicht, einen Einwand aufzufinden. Weiter (ist es zweckdienlich, seine Sätze) nicht so vorzulegen, als ginge es um die Sache selbst, sondern man legt so vor, als ginge es um etwas anderes; denn vor dem, was für die aufgestellte Behauptung (sichtbar) dienlich ist, sind die Leute auf der Hut. Einfach gesprochen, man soll möglichst unklar halten, ob man das Vorgelegte oder dessen Gegenteil haben will; solange nämlich unklar bleibt, was zum Ziel der Rede beiträgt, setzen die Leute eher, was sie so meinen. Weiter (ist es nützlich), sich seine Antworten über Ähnlichkeiten zu besorgen. Das ist erstens überzeugend, zweitens bleibt die Verallgemeinerung auch länger verborgen, z. B.: Wie Wissen und Nichtwissen von Gegenteiligem je eines und dasselbe sind, so geht auch eine und dieselbe Sinneswahrnehmung auf Gegenteiliges aus; oder umgekehrt, da es bei der Wahrnehmung je die gleiche ist, so auch das Wissen. Das ist der Heranführung ähnlich, allerdings nicht dasselbe; dort bekommt man ja von Einzelfällen aus das Allgemeine, bei den Ähnlichkeitsfällen ist das Erhaltene nicht das Allgemeine, unter welchem alle ähnlichen Fälle stehen. Man muß gelegentlich auch selbst gegen sich einen Einwand vorbringen; die Antwortgebenden verhalten sich dann ja arglos gegenüber Leuten, die den Eindruck erwecken, sie
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gingen auf redliche Weise an die Sache. – Nützlich ist es auch, zusätzlich zu bemerken, daß derartiges (wie behauptet) ja anerkannt und in aller Leute Munde sei; dann zögern sie ja, etwas Geläufiges umzustoßen, wenn sie keinen Einwand dagegen haben, und zugleich, weil sie ja auch selbst derartiges benutzen, hüten sie sich, daran zu rühren. – Weiter auch (ist es nützlich), nicht zu viel Druck zu machen, auch wenn (das Behauptete) sehr brauchbar sein sollte; gegen Leute, die zu viel Eifer zeigen, sperrt man sich mehr. – (Nützlich ist) auch, (seine Sache) gewissermaßen in einem Gleichnis hereinzugeben; was eines anderen wegen vorgelegt wird und nicht um seiner selbst willen verwendbar sein soll, gibt man leichter zu. – Weiter: Nicht das selbst vorlegen, was angenommen werden soll, sondern (etwas), dem dieses (erst) mit Notwendigkeit folgt; das geben die Leute ja leichter zu, weil daraus nicht gleich ersichtlich ist, was da sich ergeben soll, und wenn man das erst einmal erhalten hat, dann ist ja auch jenes schon erreicht. Und: Erst mit dem letzten Schritt fragen, was man doch am meisten bekommen will; am meisten weigern sich (die Antwortgebenden) bei den ersten (Schritten), weil nämlich die allermeisten Fragesteller gleich als erstes heraussagen, worauf sie den größten Nachdruck legen. Einigen Leuten gegenüber allerdings (sollte man) gleich in den ersten Schritten so etwas vorlegen; denn schwierige Leute geben die ersten (Sätze) ganz leicht her, wenn nicht vollkommen durchsichtig ist, was sich da ergeben wird, gegen Ende werden sie dann störrisch. Ähnlich ja auch alle die, welche da meinen, beim Antwortgeben neunmalschlau zu sein: Die ersten (Annahmen) setzen sie ja, gegen Ende machen sie Haarspalterei, mit der Begründung, das ergebe sich doch nicht aus dem Festgesetzten; (am Anfang) setzen sie so bereitwillig, weil sie auf ihre Fähigkeiten vetrauen und annehmen, ihnen könne schon nichts passieren. – Weiter (ist es nützlich), weitläufig zu werden und Dinge einzustreuen, die zum Gang der Herleitung gar nichts beitragen, so wie die Leute, die falsche Abbildungen zeichnen: wenn da vieles ist, so ist unklar, in welchem davon der Fehler steckt. Und so bringen es gelegentlich die Fragesteller fertig, so im Vorbei-
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gehen ein paar Zusatzbehauptungen aufzustellen, ohne daß man es merkt; für sich selbst vorgelegt, würden sie das nicht zugestanden erhalten. Zur Verschleierung der Absichten nun also muß man die genannten (Mittel) verwenden, zur Ausschmückung dagegen (taugt) Heranführung und Einteilung verwandter (Bestimmungen). Was dabei unter »Heranführung« verstanden ist, ist klar; Einteilen ist von der Art, wie z. B.: (Diese eine Form von) »Wissen« ist besser als (ein anderes) »Wissen«, entweder aufgrund davon, daß es genauer ist, oder weil es von wertvolleren Gegenständen handelt, und: Von den Wissensarten ist die eine »anschauend«, die andere »handlungsbezogen«, die dritte »herstellend«. Von alledem schmückt ja ein jedes die Rede mit aus, nur ist es nicht notwendig gesagt zu sein im Hinblick auf den Schlußsatz. Zur durchsichtigen Klarheit sind Beispiele und Vergleiche anzubringen, an Beispielen aber vertraute, von denen aus wir uns Wissen aneignen können, – wie (sie) Homer (macht), nicht wie Choirilos. So wird ja wohl das Vorgelegte klarer verständlich sein. Kapitel 2. Zu verwenden ist bei der Gesprächsführung der Schluß mehr denen gegenüber, die von dieser Art Gesprächsführung etwas verstehen, als den vielen Leuten gegenüber, hingegen umgekehrt der großen Masse gegenüber eher die Heranführung. Darüber ist ja auch schon früher gesprochen. In einigen Fällen ist es möglich, in heranführender Weise das Allgemeine zu erfragen, in einigen Fällen wieder (ist das) nicht leicht, weil für die Ähnlichkeitsfälle eben nicht eine allen gemeinsame Wortbezeichnung festliegt, sondern wenn man das Allgemeine ergreifen muß, sagt man dann halt: »... und so bei allem übrigen derart«; das aber genau festzusetzen, gehört zu den schwierigsten (Aufgaben), was denn nun von dem Vorgebrachten »derart« ist, was nicht. Darüberhinaus hintergehen (die Leute) einander oft im Verlauf der Erklärungsrede, indem die einen behaupten, es sei ähnlich, was doch in Wirklichkeit nicht ähnlich ist, die anderen bei Dingen, die ähnlich sind, allerlei Zweifel erheben, sie seien es wohl nicht. Daher
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muß man versuchen, in allen derartigen Fällen selbst dafür Namen zu bilden, damit es weder dem Antwortenden freisteht zu bestreiten: Das Angebrachte werde doch gar nicht »in ähnlicher Weise« ausgesagt, noch dem Fragesteller, die Worte zu verdrehen: Es werde doch »in ähnlicher Weise« ausgesagt, da nämlich vieles, was in Wirklichkeit nicht »so entsprechend« ausgesagt wird, »so in entsprechender Weise« ausgesagt zu werden scheint. Wenn aber, nachdem (man selbst) über viele Einzelfälle herangeführt hat, (der andere) die Allgemeinheit der Sache nicht zugeben will, dann ist es berechtigt, ihm eine Gegen-Stellungnahme abzuverlangen. Hat man dagegen selbst nicht gesagt: »In dem und dem Falle so ...«, so ist man nicht berechtigt, (dem anderen) abzuverlangen, »in welchen Fällen nicht so ...«; es muß nämlich so gehen: Erst ist die Heranführung zu machen, danach erst die Gegen-Stellungnahme einzufordern. – Es ist auch zu fordern, die Gegenbeispiele nicht an dem Vorgelegten selbst zu bringen, falls dieses nicht das einzige seiner Art sein sollte, wie etwa die Zwei allein »erste Zahl der geraden« ist; wer da Gegenfälle aufführt, muß seinen Stoff dafür von anderen Fällen hernehmen, oder er muß sagen, daß dies der einzige derartige Fall ist. Gegenüber denen, die sich der Verallgemeinerung widersetzen, aber ihren Einwand nicht an der Sache selbst einbringen, sondern an etwas, was mit dem nur den gleichen Namen gemeinsam hat, z. B.: Es könnte einer sehr wohl Farbe, Fuß oder Hand »haben«, »die nicht sein sind«; denn ein Maler könnte Farbe (in der Hand oder zur Verfügung) »haben« oder ein Koch einen Fuß, »der nicht seiner ist« –: nun, in derartigen Fällen sind die Fragen zu stellen, indem man das unterteilt: solange diese bloße Namensgleichheit ja verborgen ist, scheint er guten Grund zu haben, sich der Vorgabe zu widersetzen. – Wenn er aber seinen Widerstand nicht an einer bloßen Wortgleichheit festmacht, sondern an der Sache selbst und so das Weiterfragen verhindert, dann muß man das wegnehmen, woran der Widerstand sich festmacht, und gibt den Rest dann ein, indem man ihn verallgemeinert, bis man das bekommt, was
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man braucht. Z. B. (der) Fall »Vergessenheit« und »Vergessenhaben«: man wird ja nicht einräumen, daß einer, der »Wissen verloren hat«, auch »vergessen habe«, aus folgendem Grunde: Ist der Sachverhalt (in den Dingen draußen) umgeschlagen, so hat (der davon wußte) zwar sein Wissen verloren, vergessen aber hat er nicht. Nun ist also, indem man das wegnimmt, woran der Einwand sich festmacht, das Übriggebliebene vorzutragen, z. B.: Wenn er, unter Voraussetzung der Tatsache, daß der Tatbestand bestehenbleibt, sein Wissen verloren hat, dann hat er vergessen. – Ebenso auch denen gegenüber, die da als Einwand vorbringen: Dem »größeren Gut« steht nicht das »größere Übel« gegenüber; dafür bringen sie bei, der »Gesundheit«, die doch ein geringeres Gut ist als »tadelloser Körperzustand«, steht ein größeres Übel entgegen; nämlich »Krankheit« sei doch ein schlimmeres Übel als »schlechte Körperverfassung«. Auch in dem Fall ist nun also fortzunehmen, woran der Einwand festgemacht wird; ist das nämlich weggenommen, wird er ja wohl mit größerer Bereitwilligkeit setzen – z. B. –: Dem »größeren Gut« steht ein »größeres Übel« entgegen, wenn nicht das eine das andere mit sich führt, wie die »gute Körperverfassung« eben die »Gesundheit«. – Nicht nur, wenn er mithilfe von Gegenbeispielen Einwände macht, ist das zu tun, sondern auch, wenn er ohne Gegenbeispiel sich ganz einfach weigert, weil er dies und das als mögliche Folge voraussieht: ist das fortgenommen, woran sich der Einwand (festmachen könnte), so wird er ja gezwungen sein, (die Sache) so zu setzen, weil er bei dem Übriggebliebenen nicht vorhersehen kann, in welchem Falle (es) nicht so (sein sollte); will er es aber nicht so setzen, so wird von ihm ein Gegenbeispiel abverlangt, und das kann er dann ganz bestimmt nicht liefern. Dazu tauglich sind unter den einzugebenden Sätzen die, die in einer Hinsicht zwar falsch, in anderer aber wahr sind; bei denen geht es ja, wenn man etwas weggenommen hat, den Rest als wahr gelten zu lassen. Wenn man aber selbst über viele Fälle Vorannahmen gemacht hat und (der andere) keinen Einwand dagegen erhebt, so muß man fordern, daß er auch so setzt; denn genau für so ein Untersuchungsgespräch tauglich ist doch ein vorgelegter Satz, gegen
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den, angesichts der Tatsache daß er sich in vielen Fällen als richtig erweist, es keine Möglichkeit zum Einwand gibt. Wenn es aber gehen sollte, einen und denselben Sachverhalt sowohl ohne (Annahme von) Unmöglichem wie auch über (Annahme von) Unmöglichem zu erschließen, so macht es für einen, der nur den Beweis führt und sich nicht auf ein Gespräch dabei einläßt, keinen Unterschied, über diesen oder den anderen Weg zum Schluß zu kommen, dagegen, wer sich im Gespräch mit einem anderen auseinanderzusetzen hat, der soll den Schluß mittels der unmöglichen Annahme nicht benutzen: Jemandem, der ohne (Annahme von) Unmöglichem seine Schlüsse zieht, kann man nämlich nichts einreden; wenn er dagegen auf Tatbestände schließt, die gar nicht sein können, so werden (die anderen), wenn es nicht so sehr am Tage liegen sollte, daß dies falsch ist, sagen, ja, das sei nicht unmöglich so, und so tritt für die Fragesteller das nicht ein, was sie doch wollten. Man soll als Satz vorgeben, was sich in vielen Fällen ebenso verhält und wogegen es Einwand entweder gar nicht gibt oder solcher ersichtlich nicht zutage liegt; wenn (die anderen) nicht in der Lage sind, (Fälle) zusammenzusuchen, bei denen es nicht so ist, so werden sie es als tatsächlich bestehend setzen. Man darf den letzten Schlußsatz nicht als Frage machen; andernfalls, wenn der andere sich dann weigert, sieht es so aus, als habe es hier gar keinen Schluß gegeben. Oft ja schon streiten die Leute es ab, auch wenn man nicht fragt, sondern als sich ergebend vorträgt, und wenn sie das machen, so scheinen sie nicht widerlegt, jedenfalls nicht für Leute, denen die Zusammenschau fehlt, was denn aus dem Gesetzten wirklich zusammenkommt. Wenn man nun, ohne behauptet zu haben: Das kommt so zusammen, einfach fragt, (der andere) es dann abstreitet, dann scheint ganz und gar kein Schluß zustandegekommen zu sein. Nicht jede Allgemeinheit scheint als vorgegebener Satz für ein Untersuchungsgespräch (geeignet), z. B.: Was ist »Mensch«? Oder: In wievielen Bedeutungen wird »gut« ausgesagt? Es ist nämlich ein solcher eingegebener Satz ge-
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sprächstauglich, auf den man mit »Ja« oder »Nein« antworten kann; auf die genannten (Fragen) gibt es solche Antwort nicht; deshalb sind derartige Fragen nicht gesprächsgeeignet, wenn man nicht selbst sich genau festlegt oder eine Unterscheidung trifft und dann erst spricht, z. B.: Wird »gut« in der oder der Bedeutung ausgesagt? Auf derartige (Fragestellungen) ist ja die Antwort (in der Form) leicht, daß man da entweder zustimmt oder ablehnt. Daher ist zu versuchen, derartige Vorannahmen in dieser Form einzugeben. Gleichzeitig ist es dann ja wohl auch berechtigt, von dem anderen wissen zu wollen, in wievielen Bedeutungen (nach ihm) »gut« ausgesagt wird, wenn man selbst vorher eingeteilt und es ihm vorgelegt hat, er aber auf keine Weise zustimmen wollte. Jeder, der viele Zeit lang an einer einzigen Erklärung herumfragt, zieht seine Erkundigungen schlecht ein: Wenn nämlich einerseits der Gefragte auf das Gefragte Antwort gibt, so (ist) klar: Er stellt viele Fragen, oder (besser), er fragt vielmals das Gleiche, so daß er also entweder müßig herumredet oder keinen Schluß erhält – jeder Schluß (kommt) aus wenigen (Voraussetzungen zustande); gibt er andererseits keine Antwort, (so geht man schlecht vor), indem man ihn (deswegen) nicht tadelt oder die Sache eben nicht bleibenläßt. Kapitel 3. Es kommt vor, daß es bei einer und derselben Voraussetzung einerseits schwierig ist, sie anzugreifen, andererseits leicht, sich für sie einzusetzen. Von der Art sind ihrem Wesen nach Erstannahmen und letzte (Sätze). Die Erstvoraussetzungen bedürfen einer Begriffsbestimmung, die letzten (Sätze) werden über viele (Zwischenschritte) hergestellt von einem jeden, der die zusammenhängende Reihe von den ersten (Sätzen) an durchnehmen will; andernfalls erscheinen diese Versuche trugschlüssig: es ist nämlich unmöglich, etwas herleiten zu wollen, ohne daß man von den dazu passenden Erstannahmen ausgegangen ist und es dann aneinanderreiht bis zu den letzten (Sätzen). Das Bestimmen von Begriffen wird einerseits von den Antwortgebern nicht eingefordert, andererseits, wenn ein Fragesteller derlei Begriffsfestlegung macht, passen sie darauf nicht auf; wenn aber überhaupt nicht
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klargeworden ist, was denn eigentlich das Vorgenommene ist, so ist es nicht leicht, ihm zu Leibe zu rücken. Am stärksten tritt derlei bei den Anfangsannahmen auf: alles übrige wird ja aus diesen gezeigt; daß diese durch anderes hergeleitet würden, geht nicht, sondern es ist notwendig, eine jede derartige (Erstannahme) mithilfe einer Begriffsfestlegung bekannt zu machen. Schwer angreifbar sind auch die (Annahmen), die noch sehr nah beim Ausgangspunkt liegen; es ist nicht gegeben, viele Begründungen gegen sie aufbringen zu können, da es doch nur wenig ist, was zwischen ihnen und der Ausgangsannahme inmitten liegt, wodurch doch alles, was danach (steht), erst gezeigt werden muß. Von den bestimmten Begriffen sind am allerschwersten angreifbar die, welche solche Wortbezeichnungen verwenden, die erstens einmal unklar sind bezüglich dessen, ob sie nun in einer oder in mehreren Bedeutungen ausgesagt werden, zudem auch noch in dem Punkt nicht erkannt sind, ob sie nun im eigentlichen Sinne oder in übertragener Bedeutung von dem, der sie bestimmt hat, ausgesagt werden. Weil sie so undurchsichtig sind, geben sie keinen Ansatz zum Zugriff; weil auf der anderen Seite man nicht weiß, ob sie das, was sie sind, dadurch sind, daß hier die Worte in übertragener Bedeutung benutzt werden, gibt es keinen Ansatz zum Tadel. Überhaupt, bei jeder gestellten Aufgabe, wenn es schwer ist, an sie heranzukommen, ist entweder zu unterstellen, daß dies eines bestimmten Begriffes bedarf, oder daß da Worte benutzt sind, die zu denen mit vielen Bedeutungen gehören, oder die in übertragener Bedeutung ausgesagt sind, oder (es sind Annahmen), die nicht weit von den Erstannahmen entfernt sind, weil uns zunächst einmal eben das nicht klar ist, nach welcher der aufgezählten Weisen wohl das ist, was uns die Schwierigkeit bereitet; würde diese Weise offenkundig, (so wäre ja) klar: Entweder müßte hier der Begriff genau festgelegt werden, oder es wäre zu unterteilen, oder es wären die inmitten stehenden Annahmen aufzufinden, durch die kann man dann die letzten (Sätze) herleiten.
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Bei vielen Behauptungen ist es deshalb nicht leicht, sie zum Gesprächsgegenstand zu machen und an sie heranzukommen, weil die Bestimmung des Begriffs dabei nicht sauber angegeben wird, z. B. (bei der Frage): Hat eine Bestimmung ein Gegenteil oder (gibt es zu ihr) mehrere? Ist dagegen das, was zu ihr gegenteilig ist, wie sich’s gehört, fest bestimmt, (so ist es) leicht zusammenzubekommen, ob es nun geht, daß eines und dasselbe mehrere Gegenteile hat, oder nicht. Auf die gleiche Weise bei allem anderen, das einer Begriffsbestimmung bedarf. Es scheint aber auch in der Mathematik, daß einiges wegen der Ermangelung eines bestimmtes Begriffes nicht leicht zeichnerisch darzustellen ist, z. B. (die Behauptung), daß die Neben-der-Seite-her-Schneidende (d. h. Winkelhalbierende) die Fläche in gleiche Teile auseinandernimmt, sowohl die Grundlinie wie den Flächeninhalt. Ist dagegen die Begriffsbestimmung vorgetragen, so ist das Gemeinte sofort klar: Die Flächen- und Streckenstücke haben die Eigenschaft, einander genau aufzuheben, das eben ist die Begriffsbestimmung des Verhältnisses »dasselbe«. Überhaupt sind (hier) die ersten unter den Grundbestandteilen sehr leicht zu zeigen, sobald nur die Begriffsbestimmungen gesetzt sind, z. B.: Was ist »Gerade«, was ist »Kreis«? Nur eben, gegen einen jeden kann man nicht viel angreifend vorbringen, weil die in der Mitte (stehenden Sätze) nicht viele sind. Sobald andererseits die Begriffsbestimmungen der Erstannahmen nicht gesetzt werden, (so wird das Beweisen) schwierig, wenn nicht ganz und gar unmöglich. – Ähnlich wie hier verhält es sich auch in dem Falle, daß man die Zusammenhänge bei der vernünftigen Begründung überdenkt. Es darf also nicht verborgen bleiben: Wenn die Behauptung schwer angreifbar ist, dann ist es ihr nach einer der beschriebenen Weisen ergangen. Wenn es aber größere Arbeit ist, gegen die (Anfangs)forderung oder die Vorgabe anzureden als gegen die Behauptung, dann möchte man wohl im Zweifel sein, ob man derlei nun setzen soll oder nicht. Setzt man es also nicht, sondern fordert, daß auch dazu gesprochen werden
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muß, so verlangt man eine größere Aufgabe ab, als was zu Anfang festgesetzt war; setzt man es dagegen, so vertraut man auf Annahmen, die das eigentlich nicht so sehr verdienen. Wenn es denn also sein soll, daß man eine gestellte Aufgabe nicht schwieriger macht, so wäre zu setzen; wenn dagegen (gelten soll): Man soll mittels bekannterer (Annahmen) schließen, so ist nicht zu setzen. Oder (sagen wir es so): Wer da Erkenntnis gewinnen will, darf es nicht setzen, wenn es nicht zu Bekannterem gehört; wer sich dagegen üben will, mag es setzen, wenn es nur wahr scheint. Also (ist) einleuchtend: Man darf einem Fragenden und einem Lehrenden nicht abverlangen, daß sie genau so (wie der andere) ihre Aufstellungen machen. Kapitel 4. Wie nun also Fragen zu stellen und (die Sätze) anzuordnen sind, dazu ist das Gesagte in etwa ausreichend. Was andererseits das Antwortgeben anbetrifft, so ist erstens zu bestimmen: Was ist die Aufgabe jemandes, der saubere Antwort geben soll, so wie eben auch bei dem, der sauber fragen sollte. – Nun ist es Aufgabe des Fragestellers auf der einen Seite, den Erklärungsgang so hinzuführen, daß er den Antwortgeber dazu bringt, das Unwahrscheinlichste unter alledem zu sagen, was nach der Behauptung notwendig (folgt), Aufgabe des Antwortgebers hingegen ist es, den Eindruck zu vermeiden, das unmögliche und widersinnige Zeug ergebe sich seinetwegen, sondern eben nur infolge der Behauptung. Es sind ja wohl zwei verschiedene Fehler, einerseits etwas als Erstannahme zu setzen, was dies nicht hätte sein dürfen, andererseits nicht in der Lage gewesen zu sein, das Gesetzte nach vorschriftsmäßiger Weise zu wahren. Kapitel 5. Angesichts dessen, daß denen, die ihre Reden der Übung und listiger Versuchung wegen machen, nichts fest vorbestimmt ist – es sind ja durchaus nicht die gleichen Ziele, die Lehrende oder Lernende (einerseits) und Leute, die immer nur streiten wollen (auf der anderen Seite) verfolgen; und wieder andere Ziele als diese haben die, welche miteinander die Zeit verbringen gemeinsamer Untersuchung wegen. Der da lernend Erkenntnis gewinnen will, muß das setzen, was ihm je und je so (richtig) scheint; es wird ja auch keiner versuchen,
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etwas Falsches zu lehren. Bei denen, die nur Streit austragen, muß der Fragesteller unter allen Umständen den Eindruck erwekken, daß er die Sache führt und in der Hand hat, der Antwortende hingegen den, sich nichts aufzwingen zu lassen. Für die Gesprächszusammenkünfte, wo nicht um des Wettstreits willen, sondern der Erkundung und Prüfung wegen die Reden gemacht werden, ist noch nicht genau Bestimmung getroffen, woran der Antwortgebende sich halten soll, was zuzugeben ist und was nicht im Hinblick darauf, die aufgestellte Behauptung nun sauber zu halten oder an ihr herumdrehen zu lassen: Da wir nun (in diesem Punkt) nichts von anderen vorgegeben finden, wollen wir selbst versuchen, darüber etwas zu sagen. Der Antwortgebende also muß Rede stehen für eine Behauptung, entweder eine einleuchtende oder nicht einleuchtende oder auch keins von beiden, die er gesetzt hat, und entweder ist sie einfach so einleuchtend oder nicht einleuchtend, oder sie ist es auf genau bestimmte Weise, z. B. diesem bestimmten hier Anwesenden, entweder (dem Antwortenden) selbst oder einem anderen. Es macht dabei keinen Unterschied, auf welche Weise auch immer (die Behauptung) einleuchtend oder nicht einleuchtend ist; es wird ja dieselbe Weise sein, die Antworten sauber zu geben und das Gefragte entweder zuzugeben oder nicht zuzugeben. – Ist nun also die Behauptung nicht einleuchtend, so muß notwendig der Schlußsatz einleuchtend werden; ist sie einleuchtend, so er nicht einleuchtend: der Fragesteller will ja immer auf etwas hinaus, was der Behauptung entgegengesetzt ist. Wenn aber das (anfangs) Gesetzte weder nicht einleuchtend noch einleuchtend (ist), so wird auch der Schlußsatz derartig sein. Da nun aber einer, der auf saubere Weise schlußfolgert, aus einleuchtenderen und bekannteren (Begriffen) die vorgelegte Aufgabe herleitet, so ist offenkundig: Ist das (anfangs) Gesetzte ganz einfach nicht einleuchtend, so darf der Antwortgebende es nicht zugeben, weder was schlechterdings nicht (richtig) scheint, noch was zwar wohl so scheint, doch in geringerem Maße als der Schlußsatz. Ist ja doch die Ausgangsbehauptung nicht einleuchtend, so der Schlußsatz einleuchtend, also muß
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alles Angenommene einleuchtend sein, und zwar in höherem Maße einleuchtend als das Vorgenommene, wenn doch ein weniger Bekanntes mittels bekannterer (Sätze) schließend erreicht werden soll. Also, wenn irgendetwas unter dem Gefragten nicht derartig ist, so darf der Antwortgebende es nicht setzen. Wenn dagegen die Behauptung ohne Einschränkung einleuchtend ist, so klar: Der Schlußsatz (muß) ohne Einschränkung nicht einleuchtend (sein); zu setzen ist folglich alles, was (einleuchtend) erscheint, und von dem, was nicht so scheint, alles, was weniger unwahrscheinlich ist als der Schlußsatz. So dürfte man ja hinreichend am Untersuchungsgespräch sich beteiligt haben. Entsprechend auch, wenn die Behauptung weder nicht einleuchtend ist noch einleuchtend: Auch in dem Fall ist alles, was einem (so richtig) erscheint, zuzugeben, und von dem, was einem nicht so erscheint, alles, was in höherem Maße einleuchtend ist als der Schlußsatz. So wird sich ergeben, daß die Rede einleuchtender wird. Wenn nun also der aufgestellte Untersuchungsgegenstand ohne Zusatz einleuchtend oder nicht einleuchtend ist, so muß man den Vergleich im Verhältnis zu dem vornehmen, was den einfachen Anschein, (so oder so zu sein), an sich hat. Ist dieses Angesetzte aber nicht in diesem einfachen Sinne einleuchtend oder nicht einleuchtend, sondern (gilt das nur) für den Antwortgebenden, so muß man auf ihn hin entscheiden, was so oder nicht so erscheint, und dann es setzen oder nicht setzen. Wenn der Antwortgeber sich für die Meinung eines anderen wachsam einsetzen soll, dann ist klar: Er muß auf dessen Denken hinsehen und dann ein jedes setzen oder leugnen. So machen es ja auch die, welche anderer Leute Meinungen anbringen, z. B., »gut« und »schlecht« seien dasselbe, so wie Heraklit behauptet: die geben nicht zu, daß Gegenteiliges nicht gleichzeitig an einem und demselben vorliegen könne, nicht als ob sie selbst die Meinung hätten, das müsse so sein, sondern weil man gemäß Heraklit so sagen muß. Das machen auch die, welche ihre Behauptungen von einander überneh-
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men: sie halten sich an das, was der wohl sagen würde, der sie aufgestellt hat. Kapitel 6. Offenkundig (ist) nun, woran der Antwortgebende sich zu halten hat, ob nun die vorgelegte Aufgabe einfach so einleuchtend ist oder nur für jemand bestimmten. Da nun aber notwendig alles, was gefragt wird, entweder einleuchtend sein muß oder nicht einleuchtend oder weder das eine noch das andere, und was da gefragt wird, gehört entweder zu dieser Rede, oder es gehört nicht zu ihr – (nun also): wenn es einerseits so erscheint, aber nicht zu dieser Rede gehört, so soll man es zugeben, indem man sagt, es scheine so zu sein; wenn es dagegen nicht so scheint und auch nicht zur Rede gehört, so soll man es zwar zugeben, aber soll zusätzlich anmerken, daß es einem nicht so vorkomme, um sich vor dem Eindruck der Beschränktheit zu hüten. Ist es aber zur Sache gesprochen und erscheint es auch so, so ist zu sagen: Ja, es erscheint zwar so, doch steht es allzu nahe bei der Anfangsannahme, und es wird, wenn das gesetzt ist, das (ursprünglich) Angesetzte aufgehoben. Wenn dann das, was von einem verlangt wird, zwar zur Sache gesprochen ist, doch allzu unwahrscheinlich ist, so muß man sagen: Dies gesetzt, ergebe sich zwar die (gewünschte) Folge, aber das Vorgelegte sei doch allzu einfältig. Wenn es aber weder nicht einleuchtend noch einleuchtend (ist), (dann einerseits für den Fall): Wenn das nichts zur Sache ist, so ist es zuzugeben, ohne irgendeine genauere Bestimmung zu treffen; ist es dagegen zur Sache gesprochen, so ist zusätzlich anzumerken, daß, wenn das gesetzt wird, die Ausgangsannahme aufgehoben wird. So wird nämlich der Antwortende nie den Eindruck machen, es werde mit ihm wegen eigener Unfähigkeit etwas angestellt, wenn er ja in Voraussehung jeder einzelnen Folge seine Setzung macht. Der Fragende andererseits wird seinen Schluß bekommen, wenn ihm doch alles hingesetzt wird, was einleuchtender ist als der Schlußsatz. Alle, die den Versuch machen, aus Annahmen, die weniger einleuchtend sind als der Schlußsatz, eine Schlußfolgerung zu machen, klar, daß die nicht sauber schließen. Deshalb darf man (derlei) den Fragestellern auch nicht zugeben.
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Kapitel 7. Entsprechend ist auch bei (Aussagen), die undeutlich oder in mehrfacher Bedeutung ausgesagt sind, gegenzuhalten. Da es ja doch dem Antwortenden zugestanden ist, wenn er etwas nicht begreift, zu sagen: Verstehe ich nicht! –, und wenn es in mehreren Bedeutungen ausgesagt ist, hier nicht notwendig zustimmen oder nein sagen zu müssen, so (ist) klar: Erstens, wenn das Gesagte nicht klar ist, darf man keine Bedenken tragen zu sagen, dies verstehe man nicht; denn oft stößt einem infolge der Tatsache, daß man nicht klar gefragt worden ist und es doch zugegeben hat, etwas Widriges zu. Wenn aber andererseits (die Sache) zwar verständlich ist, doch das Gefragte mehrere Bedeutungen hat, (dann): Wenn einerseits in allen möglichen Bedeutungen das Gesagte wahr ist oder falsch, dann ist es ohne weiteres zuzugeben oder zu leugnen; wenn andererseits es in dem Sinne zwar falsch, in dem aber wahr ist, muß man zusätzlich anmerken, daß dies in mehreren Bedeutungen ausgesagt wird und daß die eine Seite davon falsch, die andere wahr ist; denn wenn man das erst später auseinandernimmt, so bleibt unklar, ob man gleich zu Anfang schon die Mehrdeutigkeit durchschaut hat. Hat man aber das Mehrdeutige daran nicht gleich durchschaut, sondern im Hinblick auf die eine Seite davon die Sache so gesetzt, dann ist einem gegenüber, der das nun auf die andere Seite bringen will, zu sagen: Nicht im Hinblick auf das habe ich dir die Sache zugegeben, sondern auf die andere Bedeutung davon. Wenn es nämlich mehrere (Sachverhalte) sind, die unter das gleiche Wort oder unter die gleiche begriffserklärende Rede fallen, dann ist das Daran-Herumdrehen leicht. Wenn dagegen der Inhalt der Frage erstens klar ist, zweitens einfach, so ist mit Ja oder Nein zu antworten. Kapitel 8. Da nun aber jeder im Schlußverfahren vorgelegte Satz entweder einer aus der Gruppe derer ist, aus denen der Schluß (sich ergibt), oder (er wird) um eines dieser (Sätze) willen (angesetzt) – wann da etwas um eines anderen willen angenommen wird, wird klar dadurch, daß nach mehreren ähnlich gelagerten Fällen gefragt wird; entweder mittels Heranführung oder über Ähnlichkeit holt man sich ja allermeist
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die Verallgemeinerung –: nun, die Einzelaussagen sind alle zu setzen, wenn sie wahr und einleuchtend sind, gegenüber der Verallgemeinerung muß man jedoch versuchen, Einrede zu erheben; denn ohne Einwendung von etwas, sei es tatsächlich oder nur anscheinend so, den Gang der Rede zu hindern, das bedeutet, sich unbillig zu sperren. Wenn man nun, wo es in vielen Fällen doch so scheint, die Allgemeinheit davon nicht zugibt und dabei keinen wirklichen Einwand zur Hand hat, so ist offenbar: Man verweigert sich nur. Darüber hinaus, wenn man kein Mittel zum Gegenangriff hat, (zu sagen): Das (von dem anderen Behauptete) ist nicht wahr, so erweckt man ja wohl noch viel mehr den Eindruck, man sperre sich grundlos. – Doch dies reicht nicht aus: Wir haben viele Erklärungsreden, die dem, was man so meint, geradewegs entgegenstehen und die aufzulösen schwierig ist, wie etwa die (Herleitung) Zenons, daß Bewegung gar nicht geht und daß es nicht möglich ist, ein Stadion zu durchmessen; nur ist das kein Grund, das Gegenteil davon nicht zu setzen. – Wenn man nun also, ohne etwas zum Gegenangriff zu haben und ohne auch einen Einwand vorbringen zu können, (die Sache) nicht setzt, so (ist) klar: Man verweigert sich nur. Diese Verweigerungshaltung bei der herleitenden Rede ist eine »Antwort« zuwider den ausgemachten Verfahrensweisen und macht jedes Schließen kaputt. Kapitel 9. Die Vertretung einer Ausgangsbehauptung oder eines fest bestimmten Begriffs soll man erst übernehmen, nachdem man selbst bei sich selbst einen Vorversuch gemacht hat. Es ist ja klar, man hat folgende Aufgabe: Sich den (Aussagen) widersetzen, von denen aus die Fragesteller die Ausgangsbehauptung aufheben wollen. Man soll sich davor hüten, die Vertretung einer unwahrscheinlichen Ausgangsannahme zu übernehmen. »Unwahrscheinlich« kann sie ja wohl auf zweierlei Weise sein: Sowohl eine, nach der es sich ergibt, unsinniges Zeug zu sagen, z. B., wenn einer sagen wollte: Alles ist in Veränderung, oder: Nichts bewegt sich; zweitens, solche (Annahmen), für die sich zu entscheiden von ziemlich schlechter Gesinnung zeugt und
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die dem entgegenstehen, was man anständiger Weise wollen soll, z. B.: Lust ist das Gut schlechthin, oder: Unrechttun ist besser als Unrecht erleiden; denn dann zieht man sich Mißbilligung zu, als verträte man das nicht nur gesprächshalber, sondern redete im Sinn der eigenen Meinung. Kapitel 10. Alle die Reden, in denen falsche (Ergebnisse) erschlossen werden, sind aufzulösen, indem man (die Annahmen) aufhebt, durch welche das Falsche zustandekommt; nicht wer irgendetwas auflöst, hat (die Sache) schon gelöst, auch dann nicht, wenn das Aufgehobene wirklich falsch war; es könnte die Herleitung ja mehrere falsche Annahmen enthalten, z. B., wenn einer sich nimmt: Wer da sitzt, der schreibt, Sokrates sitzt da ...: Daraus würde ja folgen: Sokrates schreibt. Wäre nun der Satz »Sokrates sitzt« aufgehoben, so ist damit die Herleitung um nichts mehr gelöst, die geforderte Annahme ist immer noch falsch. Die Herleitung ist aber nicht über diese (Verknüpfung) falsch: Wenn einer zwar da sitzen sollte, der aber nicht schreibt, so wird darauf die gleiche Lösung noch nicht passen; also nicht das ist aufzuheben, sondern das »wer da sitzt, schreibt«; denn eben nicht jeder, der da sitzt, schreibt auch. Aufgelöst hat (die Sache) nun also in jedem Fall, der (die Annahme) aufgehoben hat, über die das Falsche sich ergibt; genaue Kenntnis von der (Art der) Lösung hat aber erst der, der weiß, daß die Herleitung über (Vermittlung) läuft, so wie bei den falschen Zeichnungen: da reicht es nicht, Einwand zu erheben, auch nicht, wenn das Aufgehobene (wirklich) falsch ist, sondern es ist darzulegen, wodurch die Falschheit sich ergibt. So wird ja dann wohl klar sein, ob man in Voraussicht auf etwas, oder nicht, seinen Einwand macht. Eine herleitende Rede daran zu hindern, zum beabsichtigten Schluß zu kommen, geht vierfach: Entweder (1), indem man (die Annahme) aufhebt, über die das Falsche sich ergibt, oder (2), indem man Einwand erhebt, der auf den Fragesteller hin abgestellt ist; in vielen Fällen hat man die Sache damit zwar nicht gelöst, der Fragesteller kann aber seine Sache nicht weiter voranbringen. Drittens, (mit einem Einwand) im Hin-
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blick auf das Gefragte; es kann sich ja aus dem Inhalt der Fragen ergeben, daß das, was er will, sich gar nicht einstellt, weil er schlecht gefragt hat, wenn dann aber dies und das hinzugesetzt würde, ergäbe sich der Schluß schon. Wenn nun also der Fragende seine Sache nicht weiterführen kann, dann wäre der Einwand gegen den Fragenden (gerichtet), kann er es dagegen, so gegen das Gefragte. Die vierte (Art der) Einwendung, die von geringstem Wert, ist die im Hinblick auf Zeit(gewinn): Einige machen nämlich solche Einwendungen, auf die hin eine Gesprächsuntersuchung anzulegen mehr Zeit erfordern würde, als für das gegenwärtige Vorhaben zur Verfügung steht. Die Arten von Einwendung, wie gesagt ist, treten also vierfach auf. Eine wirkliche Auflösung des Gesagten ist allein die erste, die übrigen sind (nur) eine Art von Verhinderung und Hemmnis von Schlußsätzen. Kapitel 11. Ansatz zur Rüge einer solchen herleitenden Rede ist nicht der selbe, wenn man den Inhalt der Rede selbst nimmt und wenn man die Form ansieht, wie sie in Fragen gefaßt wird. Oft ist ja dafür, daß die Herleitungsrede nicht gut verläuft, der Gefragte verantwortlich, weil er etwas nicht zugeben will, mittels dessen man im Hinblick auf die Behauptung gut hätte ein Gespräch führen können. Es liegt nämlich nicht nur bei einem, daß die gemeinsame Arbeit ordentlich zu Ende gebracht werden kann. So ist denn also manchmal nötig, gegen den Sprecher, und nicht gegen (den Inhalt) der Behauptung den Angriff zu machen, wenn der Antwortende nur darauflauert, dem Frager verbissen das Gegenteil entgegenzuhalten. Leute, die sich so verweigern, machen den Umgang miteinander hitzig, und nicht wie sich’s für ein Gespräch gehört. Außerdem, da derartige Reden der Übung und Erprobung, aber nicht der Lehre wegen (stattfinden), so (ist) klar, daß hier nicht nur Wahres zu erschließen ist, sondern auch Falsches, und nicht immer mittels wahrer (Annahmen), sondern gelegentlich auch über falsche; oft ist es ja nötig, wenn etwas Wahres gesetzt worden ist, daß der Unterredner es aufheben muß, daher man (in dem Falle) falsche (Annahmen) hereingeben muß; gelegentlich (tritt) aber auch (der Fall auf): Falsches ist
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gesetzt und mittels falscher (Annahmen) aufzuheben; es ist ja gar nicht zu verhindern, daß jemandem etwas, das gar nicht so ist, mehr scheint, als was wirklich ist, also, wenn die Rede nach dem entwickelt wird, was ihm so scheint, dann wird er sich in stärkerem Maße überreden lassen, als daß er einen Nutzen davon hätte. Es muß aber einer, der (die Sache) sauber auf einen anderen Weg hinüberbringen will, diese Umlenkung auf eine dem Gespräch eigentümliche, nicht auf eine zänkisch-rechthaberische Weise machen, so, wie der Geometer geometrisch (vorgehen muß), mag das Erschlossene nun falsch oder wahr sein. Von welcher Art diese Schlüsse des Untersuchungsgesprächs sind, ist früher gesagt. Da nun der ein schlechter Mitarbeiter ist, der das gemeinsame Werk behindert, so (ist) klar: (Das gilt) auch für die herleitende Rede. Etwas Gemeinsames ist es doch auch in diesem Falle, was sie sich vorgenommen haben, außer bei Leuten, die nur streiten wollen; denen ist es nicht gegeben, zu zweit das gleiche Ziel zu erreichen: mehr als einer kann nicht siegen. Es macht dabei keinen Unterschied, ob man das durch die Art, wie man antwortet oder wie man fragt, herbeiführt: Wer spitzfindig fragt, führt die Unterredung schlecht, und auch der, welcher bei seinem Antworten das nicht zugibt, was ihm (doch auch) richtig erscheint, und auf keinen Fall das aufnehmen will, was doch der Fragende in Erfahrung zu bringen wünscht. Klar ist nun also aus dem Gesagten: Der Beweisführung, für sich genommen, sind nicht die gleichen Vorwürfe zu machen wie dem Fragesteller; es hindert ja nichts (die Annahme), daß die Herleitung zwar schlecht ist, doch der Fragende so gut, wie es nur geht, gegenüber dem Antwortenden die Unterredung geführt hat. Gegen Leute, die sich nur querlegen, ist es ja wohl nicht möglich, gleich solche Schlüsse durchzusetzen, wie man sie sich vorgenommen hat, sondern nur solche, wie dann halt geht. Da es nicht festzulegen ist, wann die Leute das Gegenteil (dessen, was sie vorher für richtig hielten) annehmen und wann sie bei der Anfangsannahme bleiben – oft nämlich, wenn sie
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für sich selbst sprechen, sagen sie einander Widersprechendes, und was sie früher abgelehnt haben, geben sie später zu; daher auch, wenn sie gefragt werden, willigen sie oft in das Gegenteil dessen ein, was (sie) zu Anfang (angenommen haben) –, so kommt es notwendig, daß die Herleitungen schlecht werden. Verantwortlich dafür ist der Antwortende, der das und das nicht zugeben will, anderes von der Art aber zugibt. Offenkundig also, daß man den Fragestellern nicht die gleichen Vorwürfe zu machen hat wie dem Gang der Herleitung selbst. Dem Gang der Herleitung, für sich genommen, lassen sich fünf (Arten von) Vorwürfen machen. Erster (Vorwurf): Wenn aus dem Gefragten weder das Vorgenommene noch überhaupt etwas als Schluß folgt, da das falsch war oder unwahrscheinlich, entweder alles oder doch das meiste davon, worin der Schluß stecken sollte, und weder, wenn man etwas davon wegnimmt, noch, wenn man etwas hinzusetzt, noch, wenn man dies wegnimmt und das dazusetzt, der Schluß zustandekommt. Zweiter (Vorwurf): Wenn der infolge dieser Annahmen und mit dem Verfahren, wie früher beschrieben, zustandegekommene Schluß nicht im Verhältnis zur Ausgangsbehauptung mehr stehen sollte. Dritter (Vorwurf): Wenn nach Hinzusetzung bestimmter Annahmen (zwar) ein Schluß sich ergäbe, diese aber von geringerem Beweiswert wären als das Gefragte und weniger einleuchtend als der Schlußsatz. Und wieder (4): Wenn nach Wegnahme bestimmter Annahmen ... (entsprechend 3); gelegentlich nimmt man sich ja mehr als notwendig, so daß der Schluß also nicht dadurch zustandekommt, daß dies gilt. Sodann (5): Wenn (geschlossen wird) von Voraussetzungen aus, die weniger einleuchtend sind und weniger verläßlich als der Schlußsatz, oder wenn es zwar von wahren (Voraussetzungen ausgeht), die nachzuweisen es aber mehr Arbeit braucht als für die gestellte Aufgabe selbst. Man darf aber nicht verlangen, daß für alle gestellten Aufgaben die Schlüsse gleichermaßen einleuchtend sind und überzeugend. Es liegt unmittelbar in der Natur der Dinge, daß
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die einen Gegenstände der Untersuchung leichter sind, andere schwieriger, also: Wenn einer es aus Voraussetzungen zusammenbringt, die so einleuchtend sind, wie es eben nur geht, so hat der das Untersuchungsgespräch sauber durchgeführt. Somit ist offenkundig: Auch für den Gang der Untersuchung ist es nicht die gleiche Art Vorwurf, je nachdem, ob man die vorgesetzte Aufgabe ansieht oder ihn bloß für sich nimmt; es hindert ja nichts, daß, für sich genommen, der Untersuchungsgang zwar tadelnswert sein mag, im Hinblick auf die gestellte Aufgabe aber zu loben, und auch wieder umgekehrt, für sich lobenswert, im Hinblick auf die gestellte Aufgabe zu tadeln, wenn es nämlich leicht ist, aus vielen, einleuchtenden und wahren (Voraussetzungen) zum Schlußergebnis zu kommen. Es kann auch einmal sein, daß ein Beweisgang, auch wenn er zum Schluß gekommen ist, weniger Wert hat als einer, bei dem kein Schluß erreicht wurde, dann nämlich, wenn er aus einfältigen (Annahmen) zusammengeschlossen ist, wo die vorgelegte Aufgabe doch gar nicht von dieser Art war; während der andere vielleicht noch solcher (Annahmen) zusätzlich bedarf, die einleuchtend und wahr sind, nur darf in diesen Zusatzannahmen das Zustandekommen des Beweises nicht liegen. Leuten, die aus falschen Annahmen Wahres erschließen, ist man nicht berechtigt, einen Vorwurf zu machen; Falsches wird notwendig immer durch Falsches erschlossen, Wahres kann gelegentlich auch über falsche (Annahmen) erschlossen werden. Das ist aus den Analytiken klar. Für den Fall, daß die vorgetragene Erklärung von etwas als Beweis dient, (so gilt): Gibt es da noch etwas anderes, was zu dem Schlußsatz in gar keinem Verhältnis steht, so ist darüber kein Schluß erfolgt. Sollte das so scheinen, so ist das ein Trugschluß, kein Beweis. Es ist nun aber »Philosophem« ein Schluß, der zwingend beweist, »Epicheirem« ein Schluß, wie er im Untersuchungsgespräch üblich ist, »Sophisma« ist ein spitzfindig-streitsüchtiger Schluß, »Aporem« ist ein Schluß im Untersuchungsgespräch, der auf Widerspruch aus ist.
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Wenn etwas gezeigt werden könnte (mittels zweier Sätze), die beide so richtig erscheinen, aber nicht gleich stark so scheinen, so hindert nichts, daß das Beweisergebnis einen höheren Wahrheitsanschein haben kann als jeder der beiden (Vordersätze). Dagegen wenn die eine Annahme so richtig erscheinen sollte, die andere aber in ihrem Richtigkeitsanschein nicht auszumachen ist, oder, wenn die eine Annahme so richtig erscheint, die andere aber nicht, (dann gilt): Wenn sie das je gleichstark sind, dann wird ja wohl auch (das Ergebnis) entsprechend den Wahrheitsanschein haben oder nicht; hat dagegen die eine Annahme den stärkeren Anschein, so wird es dem Stärkeren folgen. Eine Art Verfehlung bei den Schlüssen ist auch diese: Wenn man (das Ergebnis) nachgewiesen hat über längere Wege, wo dies doch mit weniger aufwendigen und in dem Begriffe schon liegenden (Vorstellungen) möglich wäre, z. B.: »Diese eine Meinung ist in höherem Maße (zuverlässige Meinung) als die andere«; wenn nun einer, dies zu beweisen, fordern wollte: Was »ein jedes selbst« ist, ist dies doch am meisten; nun gibt es doch wahrhaftig ein »an und für sich der Meinung Zugängliches«, also ist dies »an und für sich« das (was es ist) in höherem Maße als die Einzelmeinungen über das und das; zu etwas, das etwas »mehr« ist, gibt es auch etwas, das »in stärkerem Maße« so ausgesagt wird; nun ist aber auch die »Meinung an und für sich« wahr, welche da »in höherem Maße« zuverlässig ist als die und die Einzelmeinung; somit liegt also an Forderungen vor, erstens: Die Meinung an und für sich ist wahr; zweitens: Ein jedes selbst ist (das, was es ist,) am meisten; also: Diese Meinung ist zuverlässiger (als die andere). – Was ist dabei die Fehlerhaftigkeit? Doch wohl, daß (dies Vorgehen) bewirkt, daß die Ursache, über die der Beweisgang (läuft), verborgen bleibt. Kapitel 12. Eine Herleitung ist klar, erstens und am allgemeinsten verständlich, wenn sie so zum Schluß geführt ist, daß man keine weitere Frage mehr stellen muß; auf eine zweite Weise, und so wird sie es im strengsten Sinne genannt, wenn solche Vorstellungen angenommen sind, aus denen sie
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sich notwendig ergibt, und wenn sie über Schlüsse zu ihrem eigenen Schlußergebnis kommt; schließlich, wenn sie nur etwas ausläßt, das seinerseits sehr einleuchtend ist. «Falsch« wird eine Herleitungsrede genannt auf vier Weisen: Erstens, wenn es so aussieht, als käme sie durch Schlüsse zusammen, wo das doch tatsächlich nicht der Fall ist, was denn »spitzfindiges Schlußverfahren« heißt. Zweitens, wenn sie zwar durch Schlüsse zusammenkommt, doch (diese) nicht im Hinblick auf die ursprünglich gesetzte Behauptung (erfolgen) – was bei denen am meisten eintritt, die (die Sache) »auf unmöglich« herausbringen wollen; oder (3), wenn der Schluß zwar auf die Ausgangsbehauptung erfolgt, jedoch nicht über das dazugehörige Verfahren; das ist dann der Fall, wenn er, tatsächlich ärztlichem Verfahren nicht gemäß, dies doch zu sein scheint, oder den Eindruck erweckt, geometrisch zu sein, wo er es doch nicht ist, oder ein »Schluß im Untersuchungsgespräch«, ohne dies wirklich zu sein, mag dabei je das Ergebnis falsch sein oder wahr. Auf andere Weise (4), wenn der Schluß über falsche (Annahmen) erfolgt; von derlei Fällen wird der Schlußsatz manchmal falsch, mal auch wahr sein: Falsches wird ja immer aus Falschem hergeleitet, Wahres – das geht durchaus – auch aus nicht Wahrem, wie auch früher gesagt ist. Die Tatsache nun also, daß eine Herleitung falsch ist, ist eher ein Fehler des Sprechenden als der Rede selbst, und auch nicht immer des Sprechenden, sondern nur dann, wenn ihm (die Fehlerhaftigkeit) entgeht; mögen da auch, die Rede an und für sich genommen, viele wahre (Sätze) sein, so nehmen wir es doch lieber an, wenn von Annahmen aus, die in höchstem Maß so zu sein scheinen, etwas Wahres aufgehoben wird; ist die Rede nämlich von der Art, so ist sie der Beweis anderer, wahrer (Sätze). Es muß ja etwas von dem Gesetzten nicht den vollen Wahrheitsbestand haben, also ist es dann dessen Beweis. Wenn dagegen Wahres erschlossen würde mittels Falschem oder allzu Einfältigem, so wäre (die Herleitung) von geringerem Wert als viele andere, die auf ein falsches Ergebnis schließen; von der Art könnte aber auch eine sein, die auf Falsches schließt; also klar: Erste Prüfung ist die der Herlei-
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tungsrede selbst, für sich genommen – ist sie schlüssig? Zweite (Prüfung): Ist (das Ergebnis) wahr oder falsch? Dritte (Prüfung): Aus was für Annahmen (kommt es zustande)? Wenn nämlich aus falschen zwar, die aber ganz einsehbar scheinen, dann ist sie den Regeln solcher Rede gemäß; wenn dagegen aus solchen, die tatsächlich bestehen, doch fast niemandem so erscheinen wollen, so ist sie schlecht; wenn sie dann auch noch Falsches und höchst Unwahrscheinliches (erschließt), so klar: Schlecht ist sie, entweder ganz uneingeschränkt oder (gemessen) an ihrem Gegenstand. Kapitel 13. Die Ausgangsbehauptung und die gegenteiligen Annahmen betreffend, wie der Fragesteller hier seine Forderungen aufstellt, darüber ist, (wenn dies) nach Wahrheit (geschehen soll), in den Analytiken gesprochen, (wenn es) nach Meinung (geht), darüber ist nun zu sprechen. Die Ausgangsbehauptung (einfach) fordern, das tun die Leute offenbar auf fünf Weisen. Am offenkundigsten und erstens: Wenn einer das selbst, was doch erst gezeigt werden müßte, (einfach) verlangt. Das kann bei der Sache selbst nicht leicht verborgen bleiben, bei mehreren Worten, die auf eine Bedeutung hinauslaufen, und bei allem, wo Name und Begriffserklärung dasselbe bezeichnen, (geht das schon) eher. Zweitens, wenn (die Sache) über Teilaussagen gezeigt werden müßte, einer aber den Allgemein-Beweis fordert, z. B.: Wenn einer bei dem Versuch des Nachweises (der Behauptung:) »Es ist ein Wissen, das sich auf Gegenüberliegendes bezieht«, verlangte, es müsse überhaupt für jede Art von Gegensätzlichem eines sein; der scheint doch offenbar etwas, das für sich nachzuweisen wäre, in Verbindung mit mehreren anderen (Sätzen) einfach mitzufordern. Drittens, wenn einer bei einer Aufgabenstellung, die allgemeinen Beweis verlangte, (den Beweis) über Teilaussagen verlangte, z. B., wenn die Aufgabe gestellt ist: »Von allen gegenteiligen (Bestimmungen ist es nur ein Wissen)«, er nun verlangte: Bei diesen bestimmten (muß es so sein). Der (macht es) ja anscheinend (umgekehrt): Was zusammen mit einer Mehrzahl (von Bestimmungen) gezeigt werden müßte, davon fordert er Beweis je für sich getrennt. Und
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wieder (4), wenn einer erst die gestellte Aufgabe auseinandernimmt und dann (etwas davon) fordert, z. B., wenn er, wo es nötig wäre zu zeigen, daß die Heilkunst sich auf Gesundmachendes und Krankheitserregendes bezieht, (den Beweis) für jedes einzelne getrennt fordern wollte. Oder (5), wenn einer von Bestimmungen, die einander notwendig folgen, nur je die eine fordern wollte, z. B. (den Satz): »Die Seite ist nicht mit dem Durchmesser ins gleiche Maß zu bringen«, wo doch nachzuweisen wäre: »Der Durchmesser mit der Seite ...« Auf ebenso viele Weisen fordert man auch das Gegenteil zur Ausgangsbehauptung. Erstens, wenn einer das Gegenteil fordern sollte – Behauptung und Verneinung; zweitens, (wenn er) das Gegenüberliegende gemäß Entgegensetzung (fordert), z. B., daß ein und derselbe Gegenstand, der »gut« war, nun »schlecht« sein soll; drittens, wenn einer, nachdem er eine All-Aussage eingefordert hat, den Widerspruch dazu über Teilaussagen einfordern wollte, z. B., wenn er erhalten hat (den Satz): »Es ist ein Wissen von Gegenteiligem«, daß er dann fordert, für »gesund« und »krank« müsse es aber ein verschiedenes sein, oder (umgekehrt), daß er zunächst dieses fordert und dann versuchen sollte, für die Allgemein-Aussage den Widerspruch zu erhalten. Erneut (4), wenn einer das Gegenteil dessen fordert, was sich mit Notwendigkeit aufgrund des Festgestellten ergibt; und (schließlich, 5.), wenn einer zwar das Gegenteil selbst nicht haben wollte, aber zwei solche (Annahmen) forderte, aus denen sich der Widerspruch aufs Gegenteil ergibt. Es unterscheidet sich dies »das Gegenteil annehmen« von dem »die Ausgangsannahme (fordern)« darin, daß bei dem einen die Verfehlung auf den Schluß-Satz (sich bezieht) – im Hinblick auf den sprechen wir doch davon, daß die Anfangsannahme gefordert würde –, das Gegenteil (fordern) geschieht innerhalb der auf den Schluß hinführenden Sätze, dadurch daß die sich so und so zueinander verhalten. Kapitel 14. Zum Zwecke der Übung und des gewandten Umgangs mit derlei Reden ist es erstens nötig, Erfahrung darin zu gewinnen, die Redeverläufe umzukehren. So näm-
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lich werden wir uns im Hinblick auf die Behauptung, um die es geht, geschickter verhalten und werden in wenigen (Sätzen) viele Begriffe herauszubringen verstehen. »Umkehren« heißt ja in diesem Fall: Den Schlußsatz umformen und dann unter Verwendung der restlichen Fragen eine der gegebenen (Behauptungen) aufzuheben; notwendig gilt ja: Wenn der Schluß-Satz nicht besteht, wird mindestens einer der auf ihn zuführenden Sätze aufgehoben, wenn doch, nachdem sie alle aufgestellt waren, es notwendig war, daß der Schluß-Satz gilt. Im Hinblick auf jede Setzung – sowohl daß sie so (gilt), wie auch daß sie (etwa) nicht so (gilt) – muß man den Ansatz zum möglichen Angriff prüfen, und hat man einen gefunden, muß man sofort nach einer Auflösung suchen; so wird es sich zugleich ergeben, fürs Fragestellen wie fürs Antworten geübt zu sein, und wenn wir das keinem anderen gegenüber können, so (sollen wir es) bei uns selbst (tun). Und man soll gleichlaufende Angriffspunkte zur gleichen Behauptung auswählen und nebeneinanderstellen; das verschafft viel bereitliegenden Stoff im Hinblick darauf, nichts aufgezwungen zu bekommen, und fürs Widerlegen bringt es große Hilfe, wenn einer für das »so ist es« und »so ist es nicht« reichlich Gesichtspunkte zur Verfügung hat; so ergibt sich ja, daß man nach der Seite und der des Gegenteils davon wachsam ist. Und im Hinblick auf Erkenntnis und philosophische Einsicht ist dies Zusehenkönnen und die Fähigkeit zur Zusammenschau dessen, was von jeder der beiden Voraussetzungen aus sich ergibt, kein geringes Werkzeug; dann (ist) ja nur übrig, davon die eine richtig auszuwählen. Zu derartigem (Geschäft) müssen aber gute Begabungsvoraussetzungen vorhanden sein, und das ist die wahrhaftig gute Anlage dazu: Sauber das Wahre auswählen zu können und das Falsche zu meiden; was denn die dazu Geborenen gut vollbringen können: Sie haben die rechte Zuneigung und die rechte Abneigung gegenüber dem, was man ihnen vorbringt, und recht entscheiden sie das Beste. Für die am häufigsten anfallenden Aufgabenstellungen muß man über Erklärungsvorrat auswendig verfügen, besonders bei den ersten Setzungen; bei denen erheben die Antwor-
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tenden nämlich oft Schwierigkeiten. Des weiteren muß man einen Vorrat von Begriffsbestimmungen bereithaben und wahrscheinliche (Annahmen) und Erstannahmen zur Hand haben; über solche kommen nämlich die Schlüsse zustande. Zu versuchen ist auch, die Stellen, auf die die Erklärungsreden allermeist hinauskommen, im Kopf zu haben. Wie es nämlich in der Geometrie von Vorteil ist, in den Anfangsgründen geübt zu sein, und im Bereich der Zahlen das Verfügen über das »kleine Einmaleins« schon einen großen Unterschied macht zu wissen, wie dann auch andere Zahlen vervielfältigt werden, ähnlich auch bei den Erklärungsreden das Verfügbarsein der Anfangsannahmen und das Auswendigwissen von einzugebenden Vordersätzen. Wie ja auch bei der Kunst der Gedächtnisübung die nur hingesetzten Merkpunkte es sogleich bewirken, sich auch an die Dinge selbst zu erinnern, so macht auch dieses hier tauglicher zum Schlüsseziehen, weil man auf diese (Anfangsgründe) als der Anzahl nach begrenzte hinblicken kann. Und man soll sich einen allgemeinen Vordersatz eher ins Gedächtnis prägen als eine (ganze) Herleitung; über Einsätze und Grundannahmen reichlich zu verfügen, ist nämlich nicht sehr schwierig. Sodann muß man sich eingewöhnen, eine Herleitung zu vielen machen zu können, indem man das im unklaren läßt und verschleiert. So etwas kann gehen, wenn einer von der Zusammengehörigkeit mit dem, wovon die Rede war, möglichst weit fortgeht. Unter allen Erklärungen werden die am meisten allgemeinen das (am besten) mit sich machen lassen, z. B.: »Es ist nicht ein Wissen, das auf mehreres geht«; so kann das angewandt werden auf Dinge »im Verhältnis zu ...«, auf Gegenteiliges, auf Dinge, die in einer Reihe stehen. Man muß auch das Wieder-in-Erinnerung-rufen von Erklärungen in der Allgemein-Form machen, auch wenn (der andere) es nur in Teilform ausgesagt haben sollte; auch so ist es ja möglich, die eine Feststellung zu mehreren (Sätzen) zu machen. Ähnlich verfährt man ja auch in der Redekunst mit den dort üblichen »Beweisen«. Selbst dagegen soll man es möglichst vermeiden, die Schlüsse über die Allgemein-Form zu
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bringen. Und man muß die Herleitungen immer prüfen, ob sie mittels allgemeiner (Sätze) ausgesagt sind: alle Teilaussagen sind auch allgemein gesprochen, und es liegt in dem über Teil geführten Beweis auch der über das Ganze, weil man doch überhaupt nichts erschließen kann ohne allgemeine (Sätze). Gewandten Umgang (mit der Sache) muß man einsetzen gegenüber einem Unerfahrenen in Sachen Heranführung, gegenüber einem Erfahrenen in Sachen Schlußverfahren. Man muß versuchen, von den Schluß-Erfahrenen, die entsprechend einzugebenden Vordersätze zu erhalten, von denen, die es nur über Heranführung können, die entsprechenden Vergleiche; darin sind ja beide geübt. Überhaupt muß man versuchen, wenn man die Unterhaltung aus dem Übungszweck führt, entweder einen Schluß auf etwas davonzutragen oder eine Auflösung oder einen Vordersatz oder einen Einwendungsgrund oder (eine Entscheidung darüber), ob einer richtig gefragt hat oder nicht richtig, entweder man selbst oder der andere, und über was sich dies oder das ergeben hat. Daraus erwächst doch die Fähigkeit in der Sache, das Sich-Üben geschieht aber um dieser Fähigkeit willen, und besonders (das) mit den Vordersätzen und Einwänden; es ist doch, um es einfach zu sagen, der ein guter Unterredner, der geeignete Vordersätze und gute Einwände einbringen kann. »Vordersätze eingeben« heißt: Die Vielzahl zu einem machen – es muß ja doch ein Eines in seiner Ganzheit genommen werden, woraufhin die Rede geht – »Einwenden« heißt: Das Eine zu Vielem zu machen; man nimmt auseinander oder man hebt auf, indem man von dem Vorgelegten das eine zugibt, das andere nicht. Man soll sich nicht mit jedem in ein solches Gespräch einlassen und auch nicht an jedem beliebigen sich üben: einigen Leuten gegenüber müssen die Reden schlecht werden. Gegenüber einem, der auf Biegen und Brechen versucht, den Eindruck zu wahren, er komme durch, ist man zwar berechtigt zu versuchen, den Schluß mit allen Mitteln herbeizuzwingen, man gibt aber kein gutes Bild ab. Daher darf man sich nicht unbedenklich mit beliebigen Leuten zusammensetzen, denn
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da muß mieses Gerede herauskommen; auch Leute, die sich üben wollen, können dann nicht anders, als die Unterredung in streitsüchtiger Weise zu führen. Man muß auch fertiggestellte Begründungen in der Hand haben für solche unter den zu stellenden Aufgaben, in denen wir zwar über sehr wenige (Ansatzpunkte) verfügen, die aber für sehr viel verwendbar sind. Das sind die allgemeinen (Erwägungen), die (zugleich auch die sind), zu denen der Weg heran von dem aus, was vor den Füßen liegt, schwieriger ist.
ARISTOTELES Topik, neuntes Buch oder Über die sophistischen Widerlegungsschlüsse
ÜBER DIE SOPHISTISCHEN WIDERLEGUNGSSCHLÜSSE NEUNTES BUCH
Kapitel 1. Über die spitzfindigen Beweisführungen und solche, die widerlegende Beweisführungen nur scheinen, in Wirklichkeit jedoch Trugschlüsse, keine Beweise sind, wollen wir nun reden, beginnend wie sich’s gehört, mit dem Ersten. Daß nun also das eine Schlüsse sind, die anderen dagegen, die es nicht sind, nur so scheinen, ist offenkundig. Wie sich das ja auch in allen anderen Fällen durch eine bestimmte Ähnlichkeit ergibt, so verhält es sich bei den Reden nicht anders: Mit den einen ist es wirklich wohl bestellt, bei den anderen scheint es nur so, die haben sich nur, nach Weise der Stadtteilumzüge, aufgepumpt und herausgeputzt; und die einen sind schön aufgrund wirklicher Schönheit, die anderen scheinen es nur, weil sie sich so aufgemacht haben. Und bei den unbeseelten Dingen ist es ebenso: Davon ist das eine wirklich Silber, das andere Gold, anderes ist es nicht, sondern erscheint nur der Wahrnehmung so, z. B., Dinge aus »Steinsilber« (Blei) oder aus Zinn (erscheinen) silbern, gelbfarbige (Dinge) erscheinen golden. Auf gleiche Weise auch bei Schluß und Widerlegung: das eine ist es, anderes ist es nicht, scheint aber so aus mangelnder Erfahrung damit; die darin unerfahrenen Leute stehen gleichsam daneben und betrachten es nur von fern. Der Schluß besteht aus einigen (Annahmen), die gesetzt werden, so, daß er mit Notwendigkeit aufgrund des Gesetzten etwas von diesem Gesetzten Verschiedenes aussagt. Eine Widerlegung ist ein Schluß mit Widerspruch gegen einen (zuvor erreichten) Schluß-Satz. Die dagegen (die scheinbaren Schlüsse und Widerlegungen) tun das genau zwar nicht, erwecken aber den Eindruck, aus vielen Gründen: Davon ist ein Gesichtspunkt der verwendbarste und am weitesten verbreitete, der mittels der Wortbedeutungen.
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Da es nämlich nicht geht, eine Unterredung zu führen, indem man die Dinge selbst herbeischleppt, sondern wir statt der Dinge uns der Worte als deren Stellvertretern bedienen, so meinen wir, was bei den Worten eintritt, trete auch für die Dinge ein, wie die Leute, die mit Rechensteinen ihre Rechnung machen. Das ist aber nicht vergleichbar: Die Worte sind der Anzahl nach begrenzt, und die Menge der (dazugehörigen) Begriffserklärungen auch, die Dinge dagegen sind der Anzahl nach unbegrenzt; notwendig muß also eine und dieselbe Erklärung und dies eine Wort eine Mehrzahl (von Dingen) bezeichnen. Wie nun also dort, die nicht geschickt sind, die Rechensteine zu setzen, von denen, die darin kundig sind, an die Wand gespielt werden, auf die gleiche Weise werden auch bei den Unterredungen, die dessen unkundig sind, was Worte so alles können, durch Trugschlüsse hereingelegt, sowohl wenn sie selbst am Gespräch beteiligt sind, wie auch, wenn sie anderen zuhören. Aus dem Grunde nun also und wegen solcher, die noch zu nennen sein werden, gibt es Schluß und Widerlegung, die das zu sein scheinen, wo sie es doch nicht sind. Da es nun einigen Leuten zweckdienlicher ist, klug zu scheinen als es wirklich zu sein und nicht so zu scheinen – die Sophistik ist ja doch so eine scheinbare Klugheit, ohne es zu sein, und der Sophist macht Geld mit dieser Scheinweisheit, die doch keine ist –, so ist klar: Die scheinen auch die Arbeit des Weisen zu tun, eher als daß sie sie wirklich vollbrächten und nicht so scheinen. Es ist aber, um eines gegen eines zu setzen, das Werk des Wissenden, selbst in einem jeden, wovon er etwas weiß, ohne Falsch zu sein, andererseits den, der Falsches sagt, entlarven zu können. Dies besteht einerseits darin, Rechenschaft ablegen zu können, andererseits, sie gezielt einfordern zu können. Es müssen also die, welche sich als Sophisten betätigen wollen, die Art der genannten Erklärungsformen aufsuchen, das ist (für sie) zweckdienlich; derartiges Können wird ihnen geben, weise zu erscheinen, worauf sie ja ihren Vorsatz gerichtet haben.
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Daß es nun also eine bestimmte derartige Gattung von Reden gibt und daß die, welche wir »Sophisten« nennen, auf ein derartiges Können aus sind, ist klar. Wieviele Formen von diesen sophistischen Redeweisen es gibt und aus wievielen (Kunstgriffen), der Anzahl nach, sich diese Fähigkeit zusammensetzt, (somit also auch) wieviele Teilstücke dieser Untersuchung es denn sind, und über alles andere, was zu dieser Kunst zusammenkommt, wollen wir nunmehr sprechen. Kapitel 2. Es gibt also an Redeformen, die im Gespräch vorkommen, vier Arten: Belehrende, gesprächsartige, auf die Probe stellende und streitsüchtige. Belehrend sind die, welche aus den zugehörigen Erstsätzen eines jeden Wissensgebiets, und nicht von den Meinungen des Antwortenden aus, ihren Schluß finden – denn wer da lernt, muß (darauf) vertrauen –; gesprächsartig die, welche aus einleuchtenden Annahmen auf die eine oder andere Seite eines Widerspruchs schließen; auf die Probe stellend die, welche von dem aus (schließen), was dem Antwortenden so erscheint und was einer, der beansprucht, Wissen zu besitzen, doch wissen müßte: auf welche Weise (das alles geht), ist in anderen (Untersuchungen) bestimmt worden; streitsüchtig die, welche von scheinbar Einleuchtendem aus, das es aber nicht ist, ihren Schluß ziehen oder diesen Schluß nur scheinbar finden. Über die wissenschaftlichen Beweisschlüsse ist in den Analytiken gesprochen, über die gesprächsartigen und auf die Probe stellenden anderswo; über die streitbaren und spitzfindigen (Redeformen) wollen wir jetzt sprechen. Kapitel 3. Erstens ist nun also zu erfassen, auf wieviele (Ziele) diejenigen es abgesehen haben, die beim Reden nur streiten und ihre Sache zänkisch durchbringen wollen. Das sind fünfe der Zahl nach: Widerlegung, Falschheit der Aussage, Widersinniges, sprachliche Fehlleistung und fünftens, es hinzubekommen, daß ihr Gesprächsteilnehmer dummes Zeug redet, d. h. ihn oftmals zwingen, sich zu wiederholen; oder daß all das gar nicht wirklich stattfindet, sondern nur zu geschehen scheint. Am meisten nämlich haben sie sich vorgenommen, scheinbare Widerlegungen hinzubringen, als zweites nachzuweisen,
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daß der andere etwas sagt, das falsch ist, als drittes, die Sache zur Widersinnigkeit zu führen, viertens, es hinzubringen, daß der andere sich falsch ausdrückt, d. h. es hinzubekommen, daß der Antwortende infolge des Redegangs sich so ausdrücken muß, als ob er die Sprache nicht könnte; schließlich noch das Mehrmals-das-Gleiche-sagen. Kapitel 4. Von der Widerlegung gibt es zwei Weisen: (A) Die einen (Widerlegungen) erfolgen auf dem Rücken sprachlichen Ausdrucks, (B) die anderen außerhalb davon. Was mittels des sprachlichen Ausdrucks diesen Schein erzeugt, ist sechserlei, nämlich: Mehrfache Bedeutung des gleichen Worts, Doppelsinn (von Ausdrücken), Zusammenfügung, Auseinandernehmen, Betonung, Ausdrucksform. Daß dies so stimmt, kann man glaubhaft ermitteln durch Heranführung und Schluß: wenn irgendeine andere (Weise) angenommen würde und wir dann nicht zeigen können sollten, daß dies »in so und so viel Weisen« genau das gleiche ist wie eben die (aufgezählten) Wortbezeichnungen und Begriffserklärungen dazu. (1) Über mehrfache Wortbedeutung laufen derartige Redeformen wie: »Es begreifen die, die es schon wissen«; denn »das, was die Lehrer der Schreibkunst auswendig vortragen, darauf verstehen sie sich doch«. »Begreifen« ist nämlich hierbei ein Wort mit mehreren Begriffen darin, einmal gebraucht im Sinne von »sich auf ein Wissen verstehen«, aber auch im Sinne von »sich Wissen aneignen«. – Und erneut: »Das Böse ist Gutes«; denn »was zu sein hat, ist Gutes; es hat aber Schlechtes zu sein«. Hier ist »was zu sein hat« zweideutig, einmal als »notwendig«, was denn oft auch bei Schlimmem zutrifft – es gibt ja notwendiges Übel –, aber auch von Gutem sagen wir: »es hat zu sein«. – Weiter: »Der gleiche sitzt und steht« und »... ist krank und gesund«; denn »Wer aufgestanden ist, steht« und »wer gesundet ist, ist gesund«; es ist aber aufgestanden »ein Sitzender«, und es ist gesund geworden »ein Kranker«. (Erklärung:) Daß ein Kranker etwas tut oder ihm etwas widerfährt, meint nämlich nicht eines, sondern einmal (ist die Rede von einem), der jetzt gerade krank ist, ein andermal (von einem), der früher krank war; allerdings (gilt) zwar
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(beides): »Er wurde gesund von seinem Leiden« und: »Der an Krankheit Leidende wurde gesund«; nur, er gesundet nicht, indem er an Krankheit leidet, sondern: Es gesundet einer, der an Krankheit leidet, nur nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt, sondern einer, bei dem das früher der Fall war. (2) Über die Zweideutigkeit (von Ausdrücken) laufen derartige (Redeweisen) wie: »Wollen, daß ich die Feinde – oder: die Feinde mich – ergreife(n)«; und: »Was einer erkennt, erkennt (er) das?« Es geht nämlich mit dieser Rede, sowohl den Erkennenden wie auch das zu Erkennende, als wäre es ein Erkennendes, zu meinen. Und: »Was einer sieht, sieht (er) das? – Er sieht aber (z. B.) diese Säule da, also sieht die Säule!« Und: »Wovon du sagst, es sei, sagst du, das zu sein? – Du sagst aber, Stein sei; sagst du also, Stein zu sein?« Und: »Geht ›schweigend sprechen‹?« Dies ist ja zweideutig, das »schweigend sagen«, einmal (meint es), daß einer, der spricht, schweigt, zum anderen, daß er »schweigend« sagt. Es sind drei Weisen der Rede mittels mehrerer Begriffe in einem Wort und mittels zweideutigen Ausdrucks: (a) Eine, wenn die Rede oder das einzelne Wort, im eigentlichen Sinn genommen, mehrerlei bedeutet, z. B. »Adler«, »Hund«; (b) wieder eine, wenn wir es eben so gewohnt sind, derart zu reden; eine dritte (c), wenn der zusammengesetzte Ausdruck mehrerlei bedeutet, die Einzelausdrücke aber einfache Bedeutung haben, z. B.: »Buchstaben kennen« – jedes einzelne davon, wenn es begegnet, hat eine Bedeutung, »kennen« und »Buchstaben«, beides zusammen aber mehr als eine, entweder daß die Buchstaben selbst ein Wissen (von etwas) hätten, oder daß jemand von Buchstaben etwas weiß. – Zweideutigkeit von Ausdrücken und Begriffsverschiedenheiten von Worten gehen also über diese Weisen. (3) Über die Zufügung geht folgendes, z. B.: »Es kann ein Sitzender gehen« und »... ein Nicht-Schreibender schreiben« – es meint nämlich nicht dasselbe, wenn einer es auseinandergenommen hat und dann aussagt, und wenn er es zusammengesetzt hat (und sagt), daß es möglich sei, daß »wer da sitzt, geht«; und genauso, wenn einer zusammengesetzt hätte: »Wer
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da nicht schreibt, schreibt« – so meint das ja, daß er die Fähigkeit hat, nicht-schreibend zu schreiben; wenn er es aber nicht zusammengesetzt hat, (meint es,) daß er die Möglichkeit hat, zu einem Zeitpunkt, wo er nicht schreibt, es doch zu tun –; und: »Er versteht sich jetzt auf Schrift, wenn er doch gelernt hat, was er weiß«; schließlich: »Wer eines allein tragen kann, kann auch vieles tragen.«. (4) Über Auseinandernehmen (geht es so): »Fünf ist zwei und drei, somit ungerade und gerade«, und: »Was größer ist, ist gleichgroß; es ist nämlich so und so viel (wie das andere) und noch dazu etwas«. Eine und dieselbe Rede nämlich, auseinandergenommen und zusammengesetzt, mag wohl nicht immer dasselbe zu bedeuten scheinen, z. B.: »Ich habe dich gemacht, der du ein Sklave warst, zu einem Freien«, und: »Fünfzig, von hundert Mann, ließ da (am Leben) der göttliche Achilleus« (oder: Von fünfzig Mann ließ hundert da ...). (5) Über Betonung: (Hier) ist bei denen, die ohne Schriftlichkeit die Unterredung führen, nicht leicht eine erklärende Aussage zu machen, bei Geschriebenem, besonders bei Dichtung, geht das eher; z. B. berichtigen einige sogar den Homer gegen Leute, die ihm vorwerfen, er habe unsinnigerweise gesagt: »(Das Holz), das im Regen nicht faulet«; sie lösen das nämlich mithilfe der Aussprache, indem sie das u schärfer aussprechen. Und die Sache mit dem Traum Agamemnons – daß nicht Zeus selbst gesagt hat: »Wir schenken ihm, Ehr’ zu erlangen ...«, sondern daß er nur dem Traum auftrug, es ihm zu geben. Derlei (Redeweisen) laufen also über Betonung. (6) Die (Trugschlüsse) über die Ausdrucksform kommen zusammen, wenn Dinge, die nicht das gleiche sind, eins wie das andere ausgedrückt werden; z. B. ein männliches (Wort) weiblich oder ein weibliches männlich oder eins, das dazwischen steht, entweder männlich oder weiblich; oder wieder ein So-und-so-Beschaffenes als ein So-und-so-viel oder ein So-und-so-viel als ein So-und-so-beschaffen, oder ein Bewirkendes als etwas, an dem Wirkung geschieht, oder etwas, das in dem und dem Zustand ist, als ein Bewirkendes, und so fort, wie es früher eingeteilt ist. Es geht ja nämlich, etwas, das nicht
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zu den Dingen gehört, die etwas »tun«, mittels des sprachlichen Ausdrucks so zu bezeichnen, als wäre es eins dieser tätigen Dinge, z. B. »gesund sein« wird in der Ausdrucksform ganz so ausgesagt wie »schneiden« oder »Haus-bauen«; indessen bezeichnet das eine ein So-und-so-beschaffen und etwas, das in dem und dem Zustand ist, die anderen dagegen ein Tun. Auf gleiche Weise bei allem übrigen (was hierher gehört). Die Widerlegungsschlüsse unter Verwendung sprachlichen Ausdrucks ergeben sich also von diesen Ausgangspunkten aus. – (B) Von den Trugschlüssen außerhalb des sprachlichen Ausdrucks gibt es sieben Formen: Eine über nebenbei Zutreffendes; die zweite (arbeitet damit, etwas) einfachhin oder nicht so einfachhin, sondern nur in der und der Hinsicht oder an der und der Stelle oder zu der und der Zeit oder im Verhältnis zu dem und dem aussagen zu können; die dritte (ist die Form) mittels Unkenntnis der Widerlegung; die vierte ist die über die Folgen; die fünfte läuft darüber, daß man die Anfangsbehauptung (einfach als schon zugegeben) nimmt; die sechste (besteht darin), etwas, das nicht ursächlich ist, für ursächlich zu setzen; die siebente (darin), aus mehreren Fragen eine zu machen. Kapitel 5. (1) Die Trugschlüsse über das nebenbei Zutreffende gibt es dann, wenn gefordert wird, daß etwas dem Ding selbst wie auch dem, was daran nur nebenbei mit vorkommt, in gleicher Weise zukommen soll. Da nämlich einem und demselben (Gegenstand) vieles so nebenbei auch zutrifft, ist es nicht notwendig, daß allem, was davon ausgesagt wird, immer all das gleiche zukommt, z. B.: »Wenn Koriskos etwas anderes ist als ›Mensch‹, so wird er selbst verschieden von sich selbst sein; denn er ist doch (ein) Mensch«; oder: »Wenn ein anderer als Sokrates ..., Sokrates aber ist ein Mensch ...«, so hätte man, sagen sie, zugegeben »etwas anderes als ein Mensch«, weil es doch so mit eintrifft, daß der ein Mensch ist, im Verhältnis zu dem man hier gesagt hat: »verschieden von ...«. (2) Die (Trugschlüsse) über das »einfach-so-« oder »(nur)in-der-Hinsicht-Ausgesagtwerden« – und dann eben nicht in der eigentlichen Bedeutung – (kommen dann zustande), wenn
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etwas, das als Aussage nur für den Teil gilt, wie etwas schlech terdings Gesagtes genommen wird, z. B.: Wenn »nicht-seiend« Gegenstand von Meinung »ist«, daß dann gelten soll: »nichtseiend ist«; es ist nämlich nicht das gleiche, etwas sein und dasein ohne Einschränkung; es scheint nur so wegen der Tatsache, daß die Ausdrücke so eng beieinander liegen und sich das »etwas sein« von »sein« und das »etwas nicht sein« von »nicht sein« nur wenig unterscheidet. Ähnlich (liegt es auch) mit dem »in der und der Hinsicht so« und dem »ohne Einschränkung«, z. B.: Der Inder, der als Ganzer schwarz ist, ist doch weiß an den Zähnen; so ist er also »weiß und nicht-weiß«; oder, wenn denn in der und der Hinsicht beides, (so schließt man:) Hier liegt gleichzeitig Gegenteiliges vor. Derlei (Trugschluß) ist in einigen Fällen für jeden leicht zu durchschauen, z. B. wenn man (zugestanden) erhalten hat »ein Äthiopier ist schwarz« und dann fragte, ob er hinsichtlich seiner Zähne denn nicht weiß ist; und wenn er also in der Hinsicht weiß ist, daß man dann wohl annehmen sollte, im Gespräch wäre herausgekommen: »Er ist schwarz und nicht schwarz«, und so hätte man die Fragerei auch noch schlußrichtig zu Ende gebracht! – In einigen (anderen Fällen) ist das dagegen oftmals verborgen, insoweit es da nämlich vorkommt, wenn (etwas) in der und der Hinsicht ausgesagt wird, daß dann das »ohne Einschränkung« zu folgen scheint; und in all den Fällen, wo nicht leicht zu ersehen ist, was von den beiden (Aussagen) im eigentlichen Sinne anzugeben ist; derlei tritt auf in den Fällen, wo Entgegengesetztes in gleicher Weise zutrifft: Da sieht es nämlich so aus, als ob entweder beides oder keins von beiden uneingeschränkt zuzugeben sei, z. B.: Wenn die Hälfte (dieses Dinges da) weiß ist, die andere Hälfte schwarz, was ist es nun, weiß oder schwarz? (3) Die (Trugschlüsse) über Nichtbestimmtsein dessen, was Schluß ist oder was Widerlegung ist, laufen anders, (nämlich) über Mangel an Begriff. Widerlegung ist nämlich Widerspruch hinsichtlich eines und desselben – nicht Wortes, sondern Sachverhalts, und wenn schon eines Wortes, so nicht eines anderen, das in etwa das gleiche bezeichnet, sondern genau des selben –
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aufgrund, des Zugegebenen, mit Notwendigkeit – wobei die Anfangsannahme nicht mitgezählt wird –, in einer und derselben Hinsicht, im Verhältnis zu dem gleichen (Sachverhalt, wie behauptet), auf die gleiche Weise und in der gleichen Zeit. Auf genau die gleiche Weise geht auch die Falschaussage über etwas. Einige aber lassen etwas von dem Aufgezählten aus und erwecken so den Anschein einer Widerlegung, z. B.: Eines und dasselbe ist »doppelt und nicht doppelt« –: »zwei« ist doch »das Doppelte von ›eins‹«, »von ›drei‹ das Doppelte« ist es aber nicht! Oder wenn ein und derselbe Gegenstand im Verhältnis zu einem und demselben (anderen) »doppelt so groß und nicht doppelt so groß« (sein sollte), nur nicht in der gleichen Richtung: Der Länge nach ist er doppelt so groß, der Breite nach aber nicht. Oder wenn (das alles zwar) im Verhältnis zu demselben und in der gleichen Hinsicht und in der gleichen Weise (zutreffen sollte), aber nicht zur gleichen Zeit: aus dem Grunde ist das nur eine scheinbare Widerlegung. – Man könnte diesen Fall aber auch zu denen ziehen, die über sprachlichen Ausdruck laufen. – (4) Die (Trugschlüsse) über das (unbewiesene) Voraussetzen der Anfangsannahme können mit eben den Mitteln und auf genau so vielen Wegen erfolgen, wie es geht, daß man die Ausgangsbehauptung (als gegeben) fordert. Ihr Widerlegungsschein ergibt sich aufgrund des Unvermögens, das, was gleich und was verschieden ist, zusammensehen zu können. (5) Der Widerlegungs»schluß« über die Folgen (ergibt sich) aufgrund der Annahme, die Folge ließe sich umkehren: Wenn mit der Annahme der Geltung dessen notwendig auch dies ist, so, meinen sie, müsse, wenn dies ist, nun also auch das andere notwendig sein. Von da gehen ja auch die Wahrnehmungstäuschungen aus, die zu (falscher) Meinung führen: Oft schon hat man Galle für Honig gehalten, weil dem Honig eben die gelbe Farbe mitfolgt; und da es zutrifft, daß die Erde, wenn es geregnet hat, feucht ist, so nehmen wir an, wenn sie feucht ist, so hat es geregnet. Das ist aber nicht notwendig. – Und in den Anweisungen für Redner gehen die »Beweise über Anzeichen« von Folgen aus: Man will nachweisen »der ist ein Ehebrecher«
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und hat sich hergenommen, was dem folgt: Er hat sich schön gemacht, oder, man sieht ihn nachts herumstreichen. Das trifft ja auf viele zu, das, was die Anklage vorbringt, aber nicht. – Ähnlich aber auch beim Schlußverfahren, z. B. die Rede des Melissos: »Das All ist unbegrenzt«; da hat er sich (den Satz) genommen »das All ist ungeworden« – aus etwas, das es gar nicht gibt, kann ja wohl nichts entstanden sein –; »was aber geworden ist, ist aus einem Ursprung entstanden; wenn es nun nicht entstanden ist, so hat das All auch keinen Anfang;« also: »es ist unbegrenzt« Es ist aber nicht notwendig, daß das so eintritt; es gilt nämlich nicht: Wenn alles, was geworden ist, einen Anfang hat, so auch, wenn etwas Anfang hat, so ist es geworden; wie ja auch (folgendes) nicht: Wenn der Fieberkranke warm ist, so notwendig auch: Wer warm ist, leidet an Fieber. (6) Der (falsche Widerlegungsschluß) über Setzung von nicht ursächlich als ursächlich (geht so): Wenn etwas, das gar nicht Ursache ist, hinzugenommen ist, als ob über genau dieses die Widerlegung zustande käme. Derlei tritt ein in den Schlüssen auf das Unmögliche; bei denen ist es ja nötig, eine der ausgemachten Aussagen aufzuheben. Wenn nun unter den notwendigen Fragen etwas mit eingerechnet wird auf dem Wege zum Eintritt des Unmöglichen, so wird es oft den Anschein haben, als käme die Widerlegung über dieses zustande, z. B. (beim Beweis): »Seele und Leben sind nicht das gleiche«: Wenn doch dem »Untergang« das »Entstehen« entgegengesetzt ist, so wird auch diesem »bestimmten Untergang« (eines einzelnen) dies »bestimmte Entstehen« (entgegengesetzt) sein; »Tod« ist nun aber »dieser bestimmte Untergang« (eines einzelnen) und ist ein Gegensatz zu »Leben«, also: »Leben« ist »Entstehen«, und »leben« heißt »entstehen«, das aber ist unmöglich; also: »Leben und Seele sind nicht dasselbe«. – Das kommt aber nicht durch Schluß zustande; denn die Unmöglichkeit ergibt sich auch, wenn einer sagt: »Leben und Seele sind nicht das gleiche«, sondern nur: »Leben« ist das Gegenteil zu »Tod«, der ist ein »Untergang«, zu »Untergang« (ist das Gegenteil) »Entstehen«.
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Derartige Redeverfahren sind nun also nicht uneingeschränkt unschlüssig, im Hinblick auf die gestellte Aufgabe aber sind sie es; und daß es so ist, bleibt oft den Fragestellern selbst nicht weniger verborgen (als den Gefragten). – Die Redeformen unter Verwendung von Folgen und mit Einsetzung des Nicht-Ursächlichen sind also diese. – (7) Die darüber laufen, daß man aus zwei Fragestellungen eine macht, (liegen dann vor,) wenn verborgen bleibt, daß es eine Mehrzahl ist und eine einzige Antwort darauf gegeben wird, als wäre es eine einzige. In einigen Fällen ist nun leicht zu durchschauen, daß es mehr sind und daß man nicht nur eine Antwort darauf zu geben hat, z. B.: »Ist die Erde Meer oder der Himmel? «In einigen (anderen) Fällen (ist das) weniger (klar), und als wäre es eines, stimmt man entweder zu, dadurch daß man auf das Gefragte keine Antwort weiß, oder man läßt den Eindruck zu, widerlegt zu sein. Z. B.: »Ist dieser oder der da ›Mensch‹?« Also: Wenn einer diesen und den da stößt, so wird er »Mensch«, nicht »Menschen« stoßen! Oder nochmal: »(Bei Tatbeständen,) wovon die einen ›gut‹ sind, die anderen ›nicht gut‹, ist da nun die Gesamtheit aller gut oder nicht gut?« Einerlei was man da sagt, so geschieht es im einen Falle, daß man anscheinend Widerlegungsschluß oder Falschaussage herbeiführt – denn zu behaupten, von Nicht-Gutem sei doch etwas gut oder von Gutem etwas nicht gut, ist falsch –; ein andermal, wenn bestimmte Zusatzannahmen gemacht werden, könnte wohl auch eine tatsächliche Widerlegung eintreten, z. B. wenn einer zugäbe, eines und vieles werde in gleicher Weise »weiß«, »bloß«, »blind« genannt; wenn doch »blind« (bestimmt ist als) »was Sichtwahrnehmung nicht hat, wo es sie von Natur aus doch haben sollte«, so wird auch »Blindes« sein »solches, das Sichtwahrnehmung nicht hat, sie aber von Natur haben sollte«; wenn nun das eine (Lebewesen) sie hat, ein anderes sie nicht hat, dann werden die beiden zusammen entweder sehend sein oder blind – was doch unmöglich ist. Kapitel 6. Entweder also muß man die Schein-Schlüsse und die Widerlegungsschlüsse so einteilen, oder man muß sie alle zurückführen auf die Unkenntnis von Widerlegungsschluß,
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indem man dabei folgenden Ausgangspunkt nimmt: Es geht, alle die aufgezählten Weisen auf die Begriffsbestimmung von »Widerlegung« hin aufzulösen. Erstens, wenn sie nicht schlüssig sind: es muß doch der Schlußsatz aus den aufgestellten (Behauptungen) sich ergeben, sodaß er seine Aussage aus Notwendigkeit macht, nicht bloß scheinbar. Sodann auch gemäß den Teilstücken der Begriffsbestimmung (von Widerlegung): Von den (Trugschlüssen), die auf der sprachlichen Ausdrucksform beruhen, gehen die einen über zweideutigen (Ausdruck), z. B. Gleichheit von Worten (die Verschiedenes bezeichnen), (zweideutige) Begriffserklärung und ähnliche Gestaltungsform – es ist ja eingefahrene Gewohnheit, daß alle (Worte) ein »Diesesda« meinten; Zusammensetzung dagegen, Trennung und Betonung (arbeiten damit), daß die Begriffserklärung nicht dieselbe ist oder das Wort ein Verschiedenes (bezeichnet); es müßte aber doch auch dieses (nur eines meinen), wie ja auch der Sachverhalt einer und derselbe ist, wenn denn Widerlegung oder Schluß erfolgen soll, z. B., wenn »Mantel« (im Eingangssatz gegeben ist), dann nicht auf »Obergewand« schließen, sondern eben auf »Mantel«; wahr ist zwar auch das andere, nur ist der Schluß noch nicht erreicht, sondern es bedarf noch der zusätzlichen Frage, ob denn (die beiden Worte) dasselbe bezeichnen, dem gegenüber, der nach dem »aufgrund wovon« fragt. Die (falschen Widerlegungsschlüsse), die mithilfe von nebenbei Zutreffendem arbeiten, werden als solche klar, wenn bestimmt ist, was Schluß ist; genau dieselbe Bestimmung muß ja auch die von Widerlegung sein, nur mit dem Unterschied, daß eine Verneinung dabeisteht: Widerlegung ist ein Schluß auf Verneinung. Wenn es nun also keinen Schluß mithilfe des nebenbei Zutreffenden gibt, so erfolgt auch keine Widerlegung. Es gilt nämlich nicht: Wenn dies ist und dann notwendig das sein muß – das sei einmal »weiß« –, dann ist »weiß-sein« notwendig aufgrund von Schluß. Und auch nicht: Wenn das Dreieck Winkel gleich zwei Rechten hat, und es trifft auch auf es zu, entweder »erste Figur« zu sein oder »Ausgangsfigur«, daß dann dies für »Figur« oder »Ausgang« oder »erstes« gelten soll; denn nicht insofern das eine Figur war oder eine erste,
Sophistische Widerlegungsschlüsse ∙ Kapitel 6 237
sondern insofern es ein Dreieck war, verlief der Beweis. Entsprechend auch in allen anderen Fällen. Wenn daher die Widerlegung eine Form von Schluß ist, dann kann es ja wohl so etwas wie Widerlegung mittels nebenbei Zutreffendem nicht geben. – Und doch lassen sich eben auf diesem Wege sowohl Fachleute wie überhaupt Kundige von Leuten widerlegen, die in der Sache gar keine Ahnung haben: Die machen ihre Schlüsse gegenüber den Kenntnisreichen eben mithilfe von nebenbei Zutreffendem; und die können das nicht auseinanderhalten, und entweder, wenn sie so gefragt werden, geben sie es zu, oder, obwohl sie es tatsächlich gar nicht zugegeben haben, meinen sie doch, sie hätten es. Die (Widerlegungstrugschlüsse) über »in der Beziehung« und »uneingeschränkt so« (werden als solche offenkundig) dadurch, daß Bejahung und Verneinung sich nicht auf dasselbe beziehen; denn von »in der und der Hinsicht weiß« ist das »in der und der Hinsicht nicht weiß« die Verneinung, und von »ohne Einschränkung weiß« das »ohne Einschränkung nicht weiß«; sei nun zugegeben, (etwas) sei in der und der Hinsicht weiß, und man nimmt das, als sei das ohne Einschränkung gesagt, dann erzielt man keine Widerlegung, sondern es scheint nur so aufgrund der Unkenntnis dessen, was Widerlegung denn ist. Am offenkundigsten von allen sind die, welche früher schon genannt wurden: »der Begriffsbestimmung von Widerlegung zuwider« – deshalb wurden sie ja eben so genannt. Über einen Mangel in der herleitenden Rede ergibt sich der Anschein, und wenn man sie so einteilt, so ist als das Gemeinsame über ihnen allen zu sehen: Mangel in der herleitenden Rede. Die (falschen Widerlegungen) über das Sich-nehmen der Ausgangsbehauptung und über das Als-ursächlich-setzen von etwas, das tatsächlich nicht Ursache ist, sind als solche klar über die Begriffsbestimmung (von Schluß): Es muß doch der Schluß-Satz sich infolge dessen, daß dies und jenes so ist, ergeben, was denn bei Nicht-Ursächlichem eben nicht so war. Und wieder: Die Ausgangsbehauptung darf in der Rechnung selbst nicht vorkommen, was denn eben die (Beweisgänge) nicht er-
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füllen, die über ein Einfordern der Ausgangsbehauptung gehen. Die (Widerlegungstrugschlüsse) über etwas, das (nur) folgt, sind ein Teilstück von nebenbei zutreffend: eine Folgebestimmung trifft eben mit zu. («Folgend«) unterscheidet sich aber von »nebenbei zutreffend« darin, daß etwas, was nebenbei mit zutrifft, auf einen Gegenstand allein angewandt werden kann, z. B. sollen »gelb« und »Honig« das gleiche sein und »weiß« und »Schwan«; dagegen, was über Folge eintritt, (kommt) immer an einer Mehrzahl (vor): Dinge, die mit einem und demselben gleich sind, von denen fordern wir, daß sie auch untereinander das gleiche sind; auf dem Wege kommt eine Widerlegung über Folgen zustande. Nur ist das nicht in jedem Falle wahr, z. B. wenn dies über ein nur »nebenbei zutreffend« ginge: dann ja sind »Schnee« und »Schwan« mit »weiß« das gleiche. Oder wieder, wie in der Herleitung von Melissos: Er nimmt an, »Entstandensein« und »Anfang haben« sei das gleiche, oder »gleich viele werden« und »dieselbe Größe annehmen«; weil dann nun also, was entstanden ist, einen Anfang hat, fordert er, soll auch, was einen Anfang hat, entstanden sein, als ob beides das gleiche wäre wie »Anfang haben«, nämlich »entstanden sein« und »begrenzt sein«. Entsprechend auch bei Dingen, die »gleichviele« werden: Wenn Dinge, die eine und dieselbe Größe annehmen, gleichviele werden müssen, so müßten (meint er) Dinge, die gleichviele werden, auch (gemeinsam) eine Größe annehmen. Also, er nimmt sich eine Folgebestimmung her. – Da nun also die Widerlegung über »nebenbei zutreffend« auf Unkenntnis dessen beruht, was Widerlegung wirklich ist, so ist offenkundig: (Bei Widerlegung) über Folgen (gilt das) auf andere Weise zu prüfen. – Die (Trug- und Widerlegungsschlüsse), die darüber laufen, mehrere Fragen zu einer zu machen, (beruhen darauf,) daß wir den Begriff von Vordersatz nicht recht gliedern: so ein vorlegender Eingangssatz ist eine (Aussage) über einen (Gegenstand); es ist doch dieselbe Begriffsbestimmung eines Einzelgegenstandes und der ganzen Sache ohne Abstrich, z. B. »Mensch« und dieses Einzelmenschen für sich allein; entsprechend auch
Sophistische Widerlegungsschlüsse ∙ Kapitel 7 239
in allen anderen Fällen. Wenn nun ein Vordersatz ist: Der eines als für eines gültig fordert, dann wird auch eine ebenso gestellte Frage einen Vordersatz ohne Wenn und Aber ergeben können. Da nun der Schluß aus Vordersätzen (sich zwingend ergibt), und da eine Widerlegung ein Schluß (sein muß), so ergibt sich auch die Widerlegung aus Vordersätzen. Wenn nun so ein Vorgabe-Satz eine Aussage über einen (Gegenstand macht), so ist klar: Auch diese (Art von Fehlschluß beruht) auf Unkenntnis dessen, was Widerlegung ist: Hier scheint nur das ein solcher Vordersatz zu sein, was in Wirklichkeit keiner ist. Wenn (einer) nun also Antwort gegeben hat als auf eine Frage, dann ist es (am Ende wirklich) Widerlegung; wenn er aber nicht wirklich eine gegeben hat, sondern nur scheinbar, so (kann es nur) eine scheinbare Widerlegung (sein). Also: Alle diese Weisen fallen unter Unkenntnis dessen, was Widerlegung ist, die einen, (die) über sprachlichen Ausdruck (zustandekommen), aufgrund dessen, daß der Widerspruch nur scheinbar ist, was doch aber die wesentliche Eigentümlichkeit von Widerlegung war; die anderen laufen der Begriffsbestimmung von »Schluß« zuwider. Kapitel 7. Die Täuschung dabei kommt (so) zustande: Bei den (Trugschlüssen) mittels Namensgleichheit von Wort und Rede dadurch, daß einer es nicht vermag, die mehrfachen Bedeutungen (eines Wortes oder Ausdrucks) auseinanderzuhalten – einige sind ja nun wirklich nicht leicht zu trennen, wie z. B. »eines«, »seiend« und »dasselbe« –; bei denen mittels Zusammenfügung und Auseinandernehmen (ergibt sie sich) dadurch, daß man meint, es mache gar keinen Unterschied, ob die Rede zusammengesetzt (genommen wird) oder jeder Ausdruck einzeln, wie es ja in den meisten Fällen auch ist. Entsprechend auch bei den (Trugschlüssen) mittels Betonung: Die Rede scheint doch bei gelockerter oder angezogener Aussprache keinen anderen Sinn zu bekommen, in keinem Fall oder doch nur in wenigen. Bei denen über die Ausdrucksform (erfolgt sie) aufgrund der Ähnlichkeit des Sprachausdrucks: es ist ja schwierig auseinanderzuhalten, was nun eben so, was eben anders ausgesagt wird – wer das zu tun versteht, der ist
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schon ziemlich nahe daran, das Wahre zu sehen, besonders versteht er sich darauf, mit zuzustimmen –, weil wir bei allem, was von etwas ausgesagt wird, annehmen, es sei ein »Diesesda«, und immer durchhören, es wäre eine Einheit; denn dem »einheitlich« und dem »etwas, das es gibt« scheint ganz besonders das »Dieses-da« und »seiend« mitzufolgen. Daher ist dieser Fall zu den (Täuschungen) über sprachlichen Ausdruck zu setzen, erstens, weil die Täuschung häufiger erfolgt, wenn man mit anderen zusammen untersucht, als wenn man es für sich allein tut – die Untersuchung zusammen mit einem anderen (geschieht) über Worte und Reden, die bei sich allein nicht weniger an der Sache selbst –; sodann tritt es ja auch ein, daß man bei sich allein sich täuscht, (eben dann) wenn man seine Betrachtung auf die Art der Rede richtet; weiter, die Täuschung kommt von der Ähnlichkeit, die Ähnlichkeit aus der sprachlichen Ausdrucksform. Bei den (Trugschlüssen) über nebenbei Zutreffendes (erfolgt die Täuschung) infolge dessen, daß man nicht unterscheiden kann, was dasselbe ist, was verschieden, was eines, was vieles, und nicht (klarstellen kann), welchen unter den ausgesagten Bestimmungen all genau die gleichen (Eigenschaften) zukommen wie dem Gegenstande selbst. Entsprechend (ist es) auch mit denen über Folgebestimmungen: Ein Teilstück von »nebenbei zutreffend« ist ja doch das »folgend«. Darüber hinaus ergibt sich in vielen Fällen der Schein, und man fordert es dann auch so: Wenn das von dem nicht abgetrennt wird, dann läßt sich auch das zweite vom ersten nicht trennen. Bei denen über Mangel in der herleitenden Rede und denen über das »in der und der Hinsicht« und »ohne Einschränkung so« (liegt) der Trug in dem »nur ein klein wenig«: Als ob sich damit nämlich keine weitere Bedeutung ergäbe, räumen wir ein, ein »irgendein« oder »in der Hinsicht« oder »so und so« oder »jetzt gerade« über alles zu nehmen. Entsprechend auch bei denen, die die Ausgangsbehauptung als gegeben nehmen, und denen, die Nicht-Ursächliches (für ursächlich nehmen), und welche da mehrere Fragen zu einer
Sophistische Widerlegungsschlüsse ∙ Kapitel 8 241
machen: Bei all denen liegt der Trug in dem »ein ganz klein wenig«; wir nehmen es da nicht genau, weder mit der Begriffsbestimmung von »Vordersatz« noch mit der von »Schluß«, aus dem besagten Grunde. Kapitel 8. Da wir nun darüber verfügen, über wieviele (Wege) die scheinbaren Schlüsse zustandekommen, haben wir auch in der Hand, über wieviele die sophistischen Schlüsse und Widerlegungen wohl sich ergeben. Ich bezeichne aber als »sophistische Widerlegung und Schluß« nicht allein den Scheinschluß oder die Scheinwiderlegung, die nicht sind (was zu sein sie vorgeben), sondern auch, die es wirklich sind, aber nur scheinbar dem Sachverhalt (um den es je geht) eigentümlich sind. Das sind die, welche nicht aus Gründen der Sache widerlegen und (die Gesprächspartner als Leute) erweisen, die keine Ahnung haben, was denn Aufgabe und Eigenschaft der Gesprächsart war, die jemanden auf die Probe stellt. Diese Erprobungskunst ist ein Teil der Gesprächsführung überhaupt; sie kann auf Falsches schließen aufgrund der Unkenntnis dessen, der da für etwas geradestehen soll. Die sophistischen Widerlegungen dagegen machen auch dann, wenn sie auf Widerspruch (zum ursprünglich Behaupteten) schließen, nicht klar, ob (der Gesprächsteilnehmer) keine Ahnung hat; denn auch dem kundigen Mann legen sie mit solchen Reden Fallen. Daß wir diese mit dem gleichen Verfahren in der Hand haben, ist klar: Über wieviele Wege den Zuhörern, als wären hier tatsächlich Fragen gestellt, ein Schluß erreicht scheint, über ebenso viele kann man ja einem Antwortgebenden die und die Meinung einreden; also werden Schlüsse falsch mittels dieser (Gesichtspunkte), entweder aller oder einiger davon: wovon einer, der gar nicht gefragt worden ist, meint, es sei gegeben, das wird er ja wohl auch setzen, wenn man ihn fragt. Nur bei einigen Fällen tritt sofort mit ein die zusätzliche Frage nach dem, was da fehlt, und so wird die Falschheit aufgedeckt, z. B. bei den (Trugschlüssen) über die sprachliche Ausdrucksform und den Verstoß gegen die sprachliche Richtigkeit.
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Wenn nun also die Trugschlüsse auf Widerspruch (zum ursprünglich Gesetzten) über die scheinbare Widerlegung gehen, so ist klar: Über genau so viele (Wege) gibt es ja wohl Schlüsse auf Falsches, über wieviele auch Scheinwiderlegung führt. Die scheinbare (Widerlegung) führt aber über Teile der wahren: indem nämlich an einem jeden davon etwas mangelt, scheint es zur Widerlegung zu kommen, z. B. die über das geht, was aufgrund der Herleitung sich gar nicht ergibt – die auf das Unmögliche –, und die, welche zwei Fragen zu einer macht über den Vordersatz, und die anstatt des »an sich« über das nur nebenbei Zutreffende geht, und deren Teilverfahren, das über die Folge; sodann auch noch die, daß (das Ergebnis) nicht für die Sache, sondern nur für die Rede (über sie) zustande kommt; weiter (die damit arbeitet), anstatt des Widerspruchs über alles und bezüglich der gleichen Sache und in der gleichen Hinsicht und in der gleichen Weise (es) über »insoweit« oder »im Einzelfalle davon« (laufen zu lassen); außerdem die, welche trotz der Anweisung: »die Anfangsannahme nicht mit einrechnen« darüber geht, eben die Anfangsannahme als gegeben zu nehmen. Also hätten wir es denn, über wieviele Wege die Trugschlüsse sich ergeben; über noch mehr laufen ja wohl keine: alle werden über die aufgezählten gehen. Es ist aber die sophistische Widerlegung nicht Widerlegung ohne Zusatz, sondern ist eine jemandem gegenüber; und beim Schluß genauso. Wenn die mittels Wortgleichheit es nicht zugestanden erhält, daß dies nur eine Bedeutung hätte, und die mittels ähnlicher Sprachform das »allein dies« (nicht erhält), und die anderen (Formen) ebenso, dann wird es weder Widerlegung noch Schluß geben, weder ohne Zusatz noch einem Gefragten gegenüber; wenn sie das aber erhalten, so treten sie dem Gefragten gegenüber zwar ein, ohne so einschränkenden Zusatz aber haben sie keinen Bestand: sie haben nämlich nicht etwas, das nur eines bedeutet, ergriffen, sondern was dies nur scheinbar tut, und das nur von diesem (Gefragten) hier. Kapitel 9. Bei wie vielen (Gegenständen) die widerlegt werden, denen das eben widerfährt, das darf man nicht zu erfassen suchen ohne Wissen von allem, was es gibt. Das ist dann
Sophistische Widerlegungsschlüsse ∙ Kapitel 9 243
nicht Aufgabe einer einzigen Kunst; vielleicht sind die Wissenschaften ja zahllos, also klar: die Beweise auch. Widerlegungen können auch wahr sein: von allem, was bewiesen werden kann, kann man auch einen Widerlegungsbeweis führen gegen einen, der den Widerspruch zum Wahren angesetzt hat, z. B., hat er gesetzt, der Durchmesser lasse sich in gleichen Einheiten messen (wie die Seite), so würde ihn einer widerlegen mit dem Nachweis: Es geht nicht mit gleichen Meßeinheiten. Also müßte man in allem und jedem kundig sein: Die einen (Widerlegungen) werden über die Anfangssätze der Geometrie und deren Schluß-Sätze laufen, andere über die in der Heilkunst, wieder andere über die der übrigen Wissenschaften. Indessen aber auch die falschen Widerlegungen dürften gleichermaßen in zahllosen (Feldern) auftreten: Im Bereich jeder einzelnen Kunst gibt es falschen Schluß, z. B. gemäß (den Regeln) der Geometrie den geometrischen, gemäß denen der Heilkunst den ärztlichen; mit »der Kunst gemäß« meine ich, was den Anfangsannahmen je dieser entspricht. Klar nun also, daß hier nicht die Fundorte aller Widerlegungsformen, sondern nur die gemäß der Kunst der Gesprächsführung zu ergreifen sind: diese nämlich sind auf alle Kunst und (jedes) Können gemeinsam (anwendbar). Die einer jeden Einzelwissenschaft gemäße Widerlegungsform zu betrachten ist Sache des darin Kundigen, ob sie (schlüssig) nur scheint, ohne es zu sein, und wenn sie es wirklich ist, aus welchem Grunde sie es ist; die (Widerlegungsform) aus allgemeinen (Sätzen), die unter keine (bestimmte) Kunst fallen, ist Sache derer, die Gesprächsführung überhaupt untersuchen. Wenn wir nämlich darüber verfügen, woraus die wahrscheinlichen Schlüsse, über welchen Gegenstand auch immer, (sich ergeben), so verfügen wir auch über (die Gesichtspunkte), woraus die Widerlegungen (kommen); der Widerlegungsschluß ist doch ein Schluß auf Widerspruch, so daß denn entweder ein oder zwei Schlüsse auf Widerspruch eine Widerlegung sind. Wir haben dann also fest, über wieviele (Wege) die derartigen (Widerlegungen) laufen; wenn wir aber das wissen, so verfü-
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gen wir auch über die Lösungen: Die jeweiligen Einwendungen dagegen sind die Lösungen. Wir haben aber (mit dem Wissen), über wieviele Wege sie gehen, auch die scheinbaren (Widerlegungen) fest, und zwar die, welche nicht jedem beliebigen so vorkommen, sondern denen, die etwas davon verstehen; es gibt nämlich unzählig viel davon, wenn einer das untersuchen wollte auf all den Wegen, über die es beliebigen Leuten so vorkommt. Also (ist) einleuchtend: Es ist Aufgabe dessen, der Gesprächsführung für sich betrachtet, erfassen zu können, über wieviele Wege unter Verwendung allgemeiner (Vorstellungen und Sätze) das alles geht, entweder die tatsächliche Widerlegung oder die nur scheinbare und die dem Untersuchungsgespräch eigene, oder die nur so scheint, oder die jemanden nur erprobende. Kapitel 10. Das Unterscheidungsmerkmal an den Reden, das einige vorbringen, nämlich daß die einen auf das Wort hin gehen, die davon verschiedenen aber auf den gemeinten Sinn, ist nicht (maßgeblich): Es ist ja unsinnig anzunehmen, daß es eine besondere Art von Reden gibt, die auf die Wortbedeutung hin erklären, davon verschiedene auf die gemeinte Bedeutung hin, und das wären nicht die gleichen. Was heißt denn dies »nicht auf die gemeinte Bedeutung hin«, wenn nicht (folgendes): Wenn man nicht das Wort verwendet, das der Gefragte in der Meinung, eben danach gefragt zu sein, angegeben hat? Das genau eben heißt doch »auf das Wort hin (gehen)«; das »auf den Sinn hin« (bedeutet dagegen): Wenn man sich auf das bezieht, woran er bei seiner Zugabe gedacht hat. Wenn denn nun also Leute angesichts dessen, daß das Wort (das sie behandeln) mehr Bedeutungen hat, meinen sollten, es habe nur eine, und zwar sowohl der Fragesteller wie auch der Gefragte – z. B. etwa »seiend« und »eines« haben viele Bedeutungen, aber sowohl der Antwortende wie der Fragesteller haben in der Meinung gesprochen, es sei nur eine, und die Rede (um die es geht) heißt: »Eines ist alles.« –: geht denn also diese (Rede) auf das Wort hin, oder ist sie auf das hin ausgesagt, was der Gefragte sich dabei denkt? Wenn aber jedenfalls einer
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meint, es habe viele Bedeutungen, dann klar: Das geht nicht auf den gemeinten Sinn aus. Erstens nämlich gilt dies »auf das Wort hin« und das »auf den Sinn hin« für alle derartigen Reden, die mehrere Bedeutungen haben; zweitens gilt es dann bei jeder beliebigen; denn das »auf-den-Sinn-sich-beziehen« liegt nicht in der Rede selbst vor, sondern darin, daß der Antwortgebende sich zu dem (von ihm) Zugegebenen in der und der Weise verhält. Sodann kann es sein, daß alle diese auf das Wort hin gehen; denn »auf das Wort hin« heißt hier nur »nicht auf den gemeinten Sinn« hin ausgehen. Denn wenn nicht alle (unter diese Einteilung fallen), so wird es irgendwelche davon unterschiedenen geben, die weder auf das Wort hin noch auf den gemeinten Sinn (bezogen sind); diese (Leute) aber sagen: »alle«, und sie teilen sie alle ein in entweder »auf-das-Wort-hin-« oder »aufden-gemeinten-Sinn-hin-bezogen-sein«, andere dagegen (gibt es nach ihnen) nicht. Indessen aber (liegt es ja ganz anders): Alle die Schlüsse, die über mehrfache Wortbedeutung laufen, von denen sind die »auf das Wort hin« eine Untergruppe. Es ist ja doch unsinnig gesprochen, mit »auf das Wort hin« alle (die Widerlegungsformen) zu bezeichnen, die über sprachlichen Ausdruck zustandekommen. Aber nun ergeben sich ja bestimmte Trugschlüsse nicht dadurch, daß der Antwortende sich so und so zu ihnen verhält, sondern dadurch, daß die Rede selbst eine derartige Frage mit sich führt, welche mehrere Bedeutungen hat. Überhaupt ist es unsinnig, über Widerlegung allerlei auszuführen, aber nicht zuvor über Schluß; der Widerlegungsschluß ist nämlich eine Form von Schluß, also ist es auch nötig, zunächst einmal über Schluß (zu sprechen), und dann erst über falschen Widerlegungsschluß; eine derartige Widerlegung ist nämlich ein scheinbarer Schluß auf Widerspruch; daher wird die Ursache (der Falschheit) entweder im Verlauf des Schlusses liegen oder in der Bestimmung des Widerspruchs – ein Widerspruch muß ja dabeistehen –, gelegentlich auch in beiden, wenn die Widerlegung nur scheinbar ist. Der Widerlegungsbeweis mit dem Namen »Schweigend sagen« (liegt) in der Be-
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stimmung von Widerspruch, nicht im Schlußverlauf; der mit dem Namen »Was er nicht hat, kann er geben« (liegt) in beiden; der, daß die Dichtung Homers eine »Form« ist, weil es doch einen »(epischen) Kreis« gibt, liegt im Schlußverlauf. Wo in keinem von beiden (ein Fehler liegt), ist der Schluß wahr. – Aber nun ja (zurückzukommen auf das), wovon die Rede doch ausging: Sind die Herleitungen in der Mathematik nun auf den gemeinten Sinn hin oder nicht? Und, wenn es jemandem so vorkommt, daß »Dreieck« viele Bedeutungen hat, und er nicht hat zugeben wollen, daß es die Gestalt ist, für die man im Schluß bewiesen hat, daß (ihr Winkelbetrag) zwei Rechte (ausmacht), hat der nun auf den damit gemeinten Sinn hin gesprochen oder nicht? Weiter, wenn zwar ein Wort viele Bedeutungen hat, der aber denkt daran nicht und vermeint es also auch nicht, wie kann dann der »nicht auf den gemeinten Sinn hin« gesprochen haben? Oder wie soll man denn fragen, außer indem man eine Einteilung vorgibt, mag nun einer so fragen: »Geht es, ›schweigend sagen‹, oder (geht es) nicht?« – oder: »Geht das in einer Hinsicht nicht, in anderer aber wohl?« –: wenn denn also einer zur Antwort gäbe: »Weder so noch so«, der andere aber trotzdem in seiner Ausführung weitermachte – hat er damit nun etwa nicht auf den gemeinten Sinn hin gesprochen? Dabei scheint doch diese Rede zu denen zu gehören, die auf das Wort hin gehen. Also, das »auf den gemeinten Sinn hin« ist gar keine Gattung von Redeformen; dagegen die (Reden) »auf das Wort hin« sind es, freilich diese nicht alle (in einer Art), gar nicht zu reden von den echten Widerlegungen, sondern nicht einmal die scheinbaren: Es gibt ja Scheinwiderlegungen, die nicht über sprachlichen Ausdruck gehen, z. B. die über »nebenbei zutreffend« und andere. Wenn aber einer die Forderung erhebt, es auseinanderzunehmen: »Mit ›schweigend sagen‹ meine ich es mal so, mal so«, so ist das aber ja erstens unsinnig, dies Fordern: manchmal scheint das Gefragte nicht mehrere Bedeutungen zu haben, es ist aber unmöglich, etwas auseinanderzuhalten, wovon man dies gar nicht meint. Zweitens, »Lehren« – was wäre das
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denn anderes? Man würde ja jemandem klarmachen: So und so verhält es sich, – einem, der es weder überprüft hat noch davon weiß noch auch annimmt, daß man dies auch anders vortragen kann. Indessen, was hindert, daß dies auch bei Doppelverbindungen eintreten kann? (Z. B.:) »Sind die Einheiten den Zweiheiten in Vier gleich? – Die einen stellen doch so die Einheit (von Vier) her, die anderen anders.« Und: »Gibt es ein Wissen vom Gegensätzlichen oder nicht? Gegensätzlich sind aber doch auch ›erkennbar – unerkennbar‹.« – Also scheint, wer das fordert, nicht zu beachten, daß Lehren etwas anderes ist als eine Unterredung führen und daß der Lehrende keine Fragen stellen darf, sondern selbst es anderen klarmachen soll; der andere hingegen (der eine Unterredung führt) – der soll fragen. Kapitel 11. Weiter, das Einfordern von Zustimmung oder Ablehnung ist nicht Aufgabe dessen, der (lehrend) etwas aufzeigt, sondern dessen, der ein Auf-die-Probe-stellen vornimmt. Diese Erprobungskunst ist eine Form von Gesprächskunst und schaut sich nicht den an, der da Wissen hat, sondern den, der keines hat, aber es zu haben vorgibt. Wer nun, an die Sache sich haltend, das Allgemeine daran ins Auge faßt, der ist ein guter Unterredner; wer dagegen das nur scheinbar tut, ist sophistisch; und ein streitsüchtiger und spitzfindiger Schluß ist einmal der, welcher nur scheinbar schlüssig ist für Gegenstände, bei denen die Gesprächskunst jemanden auf die Probe stellt, (das gilt) auch dann, wenn der Schlußsatz wahr sein sollte – er ist nämlich trügerisch beim »warum« –, und alle die Trugschlüsse auch, die nicht dem Verfahren eines jeden (Wissensgebiets) gemäß sind, doch kunstgerecht zu sein scheinen. Die Falschzeichnungen sind ja nicht aus Streitlust gemacht – die (aus ihnen folgenden) Trugschlüsse bleiben im Rahmen dessen, was diesem Fach gemäß ist –, auch dann nicht, wenn eine Falschzeichnung um den wahren Sachverhalt herumführt, wie z. B. die des Hippokrates oder die Umwandlung (eines Kreises) in ein Viereck mithilfe der »kleinen Monde«; dagegen wie Bryson den Kreis in ein Viereck verwandelt hat – auch
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wenn der Kreis damit wirklich zum Viereck wird –: aber weil er nicht gemäß der Sache (vorgeht), deshalb ist er sophistisch. Also: Einmal der Scheinschluß im Bereich dieser Gegenstände ist eine streitsüchtige Rede, so wie auch der nur scheinbar gemäß der Sache gezogene Schluß, auch wenn er wirklich ein Schluß sein sollte, eine streitsüchtige Rede ist; er ist ja nur scheinbar bei der Sache, also ist er betrügerisch, somit unredlich. So wie ja auch beim sportlichen Wettkampf die Anwendung unredlicher Mittel die Vortäuschung einer gewissen Ansehnlichkeit mit sich führt und es eine Art unerlaubten Kampfes gibt, so ist die Streitsucht ein Kampf mit unrechten Mitteln beim Widersprechen: Dort greifen die, welche um jeden Preis den Sieg haben wollen, nach jedem Mittel, und hier (machen es) die Streithähne (genauso). Die nun um des bloßen Sieges willen sich derartig aufführen, das sind offenbar streitsüchtige Leute und Zankliebhaber; die das aber tun, um sich einen Namen zu machen, unter dem dann Geld zu verdienen ist, das sind die Sophistischen; denn die Sophistik ist, wie schon gesagt, eine Kunst, Geld zu verdienen unter Vortäuschung von Weisheit. Deshalb sind sie so auf den Scheinbeweis aus und (benutzen) die gleichen Arten von Rede, diese Zankliebhaber und Sophisten, nur nicht der gleichen Ziele wegen, und es ist dieselbe Form von Rede, die sophistisch und streitsüchtig ist, nur nicht in gleicher Absicht, sondern insofern (das) um scheinbaren Sieges willen (gemacht wird), ist es streitsüchtig, insofern um (scheinbarer) Weisheit willen, sophistisch. Die Sophistik ist ja doch eine Scheinweisheit, keine wirkliche. Der Streitsüchtige ist etwa von der Art, sich zu den echten Gesprächskundigen so zu verhalten wie der Falschzeichner zu dem Geometriker: Er zieht seine Fehlschlüsse aus denselben (Grundvoraussetzungen) wie der Gesprächskundige, und der Falschzeichner (macht es) im Verhältnis zum Geometriker (ebenso); nur ist der kein Streitsüchtiger, weil er aus den Anfangs- und Schluß-Sätzen, die unter diese Kunst fallen, seine falsche Zeichnung ableitet, dagegen, der sich entsprechend in allen übrigen Hinsichten im Rahmen der Kunst der Ge-
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sprächsführung bewegt, der ist klar ein Streitsüchtiger. Z. B. die Kreisumwandlung ins Viereck mittels der kleinen Monde ist nicht von streitsüchtiger Art, die des Bryson aber ist es: das eine Verfahren geht nicht zu übertragen, sondern (ist) allein auf Geometrie (anwendbar), weil es nämlich aus ihr eigentümlichen Anfangssätzen hervorgeht; das andere ist vielseitig anwendbar gegenüber allen Leuten, die das, was in einem jeden Gebiet möglich ist und was nicht geht, nicht wissen; da paßt es. – Oder wie Antiphon die Vierecksumwandlung des Kreises gemacht hat. – Oder wenn einer bestreiten wollte, daß es besser ist, nach dem Essen einen Spaziergang zu machen, (und wollte das begründen) über die Herleitung Zenons, das ist dann keine heilkundige Begründung: sie ist nämlich ganz allgemein. Wenn nun der Streitsüchtige in jeder Hinsicht zum Gesprächskundigen sich so verhält wie der Falschzeichner zum Geometriker, dann gäbe es auf jenem Felde keine streitsüchtige (Rede); nun aber ist der Gesprächskundige nicht für ein bestimmtes, fest abgegrenztes Gebiet zuständig, und es ist auch nicht seine Aufgabe, etwas (Sachhaltiges) zu beweisen, auch ist er nicht von der Art wie der Mann, der für das Allgemeine zuständig ist: Weder steht ja alles in einer bestimmten Gattung, noch, wenn es so wäre, sind die Dinge von der Art, daß alles, was es gibt, unter denselben Anfangssätzen stünde. Also: Kein wissenschaftliches Verfahren unter denen, die irgendetwas aufzeigen, was von Natur so gegeben ist, bedient sich des Fragestellens: es geht da nämlich nicht, eine der beiden Seiten, einerlei welche, herzugeben; es kommt nämlich kein Schluß aus beiden zustande. Dagegen die Gesprächskunst – die geht so fragend vor; würde sie selbst etwas beweisen, so würde sie, wenn schon nicht alles, so doch zumindest die Erstannahmen und eigentümlichen Grundsätze nicht in Frageform vorbringen; denn wenn (der andere) das nicht zugäbe, dann hätte sie ja nichts mehr, von wo aus sie noch gegen den Einwand etwas vorbringen könnte. Diese selbe (Gesprächskunst) verfährt auch erprobend. Die Kunst, jemanden auf sein Wissen hin zu prüfen, ist ja auch nicht von der Art wie die Geometrie, sondern es könnte auch
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einer mit ihr umgehen, der selbst nichts weiß: Es geht ja, daß auch einer, der von der Sache nichts weiß, eine Prüfung vornimmt an einem, der davon ebenfalls nichts weiß, wenn der nur seine Zugaben macht, nicht aufgrund dessen, was er weiß, auch nicht von dem der Sache Eigentümlichen aus, sondern von Folgebestimmungen aus, alles was derart ist, was man wissen kann, ohne doch von dem Sachgebiet (um das es geht) etwas wissen zu müssen, (umgekehrt) aber, wenn man das schon nicht weiß, hat man (von dem Sachgebiet) gar keine Ahnung; – also einleuchtend: Diese Prüfungswissenschaft hat kein bestimmtes Sachgebiet zu ihrem Gegenstand, daher ist sie auf alles anwendbar: alle Einzelgebiete verwenden auch bestimmte Allgemeinvorstellungen. Daher bedienen sich alle, auch Leute, die sonst nicht viel Ahnung haben, auf gewisse Weise der Gesprächs- und Prüfungskunst: alle versuchen nämlich, bis zu einem bestimmten Punkte die Leute zu beurteilen, die die große Ankündigung machen (sie wüßten dies und das) –: das aber sind die Allgemeinbegriffe; die kennen sie selbst nicht weniger (als die Klügsten), auch wenn sie sonst offenbar ganz an der Sache vorbeireden. Widerlegungen führen alle durch: ohne große Verfahrenskenntnisse haben sie an dem teil, dessen bewußtes Verfahren eben die Kunst der Gesprächsführung ist, und wer mithilfe des Schlußverfahrens jemanden einer Prüfung unterzieht, der ist so ein Gesprächskundiger. Da es nun aber viele (Bestimmungen) sind, die sich, immer als die gleichen, durch alles hindurchziehen, nur nicht von der Art, daß sie selbst etwas wären, was Naturwesen ist oder eine Gattung, sondern eher so etwas wie die Verneinungen, und (da) andererseits (es auch solche gibt, die) nicht von der Art (sind), sondern eigentümlich, so geht es, von diesen (ersteren) aus über alles und jedes eine Erprobung vorzunehmen, und daß es eine bestimmte Kunst gibt, die allerdings nicht von der Art ist wie die an der Sache beweisenden. Daher ist es mit dem Streitsüchtigen nicht so, daß er sich in jeder Hinsicht ebenso verhielte wie der Falschzeichner: Er zieht seine Trugschlüsse nicht von einer bestimmten Gattung von Anfangssetzungen
Sophistische Widerlegungsschlüsse ∙ Kapitel 12 251
aus, sondern dieser Streithahn treibt sich auf jedem Gebiet herum. – Dies also sind die Weisen der sophistischen Widerlegungsschlüsse. Daß es Aufgabe des Gesprächskundigen ist, über sie Betrachtungen anzustellen und solche (Fehlschlüsse) auch selbst machen zu können, ist nicht schwer zu sehen: Es ist das Verfahren mit den eingebenden Vordersätzen, das diese ganze Betrachtung in sich faßt. Kapitel 12. Über die Scheinwiderlegungen ist (somit) gesprochen. Bezüglich dessen, wie man nachweist, daß (der andere) etwas Falsches gesagt hat und wie man die Rede aufs Unsinnige hinausbringt – das war ja das zweite Vorhaben der sophistischen Richtung – (folgendes): Erstens tritt das am meisten auf in Folge dessen, daß man in ganz bestimmter Weise (den anderen) aushorcht, und mittels der Art zu fragen: Nichts durch Bestimmung festzulegen, sondern einfach loszufragen ist so ein Haschen danach; Leute, die frei von der Leber weg reden, machen mehr Fehler; sie reden aber so frei heraus, wenn sie nichts haben, was voraus-gesetzt ist. Und (zweitens), das Nach-vielem-Fragen, auch wenn die Behauptung, auf die hin das Gespräch geführt wird, genau eingegrenzt sein sollte, und die Aufforderung, doch zu sagen, was man so meine, schafft eine Menge Möglichkeiten, (die Rede) auf Unsinn hinzuführen oder auf Falschheit, mag der Gefragte nun etwas davon bejahen oder verneinen, man bringt es auf einen Punkt, wo man guten Ansatz zum Zupacken hat. Über dies Verfahren können (die Sophisten)jetzt allerdings weniger Schlimmes stiften als vorher: Man wird von ihnen eine Begründung verlangen, was denn das mit der Ausgangsfrage noch zu tun habe. Grundlegender Einstieg aber, um entweder etwas Falsches oder Unsinniges zu erreichen, ist: Keine aufgestellte Behauptung sofort befragen, sondern behaupten, man frage nur in der Absicht, es genauer begreifen zu wollen; diese Zurückhaltung im Urteil schafft Platz fürs Zupacken. Um aufzuzeigen, der andere hat etwas Falsches gesagt, ist (folgender) sophistischer Gesichtspunkt eigentümlich: Die Sache hinauszubringen auf solche (Vorstellungen), denen
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gegenüber man einen reichen Vorrat an Begründungen zur Verfügung hat. Das geht sauber und auch nicht ordentlich zu machen, wie früher gesagt ist. Und erneut, um auf unglaubhafte Aussagen zu kommen, so ist das Augenmerk darauf zu richten, aus welchem »Verein« der Gesprächsteilnehmer kommt, sodann ist er nach dem zu befragen, was die so sagen, das der großen Masse unglaubhaft vorkommt – bei allen gibt es da so etwas. Die grundlegende Maßnahme dabei ist, die Behauptungen jeder dieser Richtungen in vorgebenden Sätzen zu fassen. Die angemessene Lösung dazu wird geliefert, indem man herausstellt: Durch diese Herleitung kommt die Unglaublichkeit nicht zustande; aber das will der Streitende doch immer. Sodann (geht es) von (dem Gegensatz zwischen) dem, was man eigentlich will, und der offen geäußerten Meinung aus: (Die Leute) wollen ja nicht das gleiche, was sie sagen, sondern reden die ehrbarsten Worte, wollen dagegen, was ihnen nütz lich erscheint, z.B.: »Lieber ehrenhaft gestorben sein als genußreich leben«, sagen sie, solle sein, und: »Lieber unbescholten arm als reich auf krummem Wege«, das Gegenteil aber wollen sie. Wer nun spricht, so wie sein Wunsch es ihm eingibt, den muß man auf die offen geäußerten Meinungen hinbringen, den, der (sich) diesen gemäß (äußert), auf die verstecketn (Wünsche); in beiden Fällen ist es ja notwendig, unglaubhafte Dinge zu sagen: Entweder sie werden den offen geäußerten oder sie werden den unsichtbaren Meinungen widersprechen. Der ergiebigste Gesichtspunkt, um unglaubwürdige Behauptungen hervorzurufen, wie ja auch im Gorgias geschrieben steht, daß Kallikles so spricht, und die Alten meinten alle auch wirklich, das ergebe sich so, führt über (die Unterscheidung von) »der Natur nach« und »dem Brauche gemäß«. (Begründung:) Natur und menschliche Übereinkunft stünden einander entgegen, und Gerechtigkeit sei nach dem Gesetze zwar sittlich geboten, der Natur nach aber sei sie es nicht. Also muß man (als Sophist) gegen den, der »nach der Natur« vorträgt, das »der menschlichen Übereinkunft nach« ins Feld führen, gegen den, (der) »menschlicher Weise gemäß« (vorträgt), muß
Sophistische Widerlegungsschlüsse ∙ Kapitel 13 253
man die Sache auf »Natur« bringen: auf beide Weisen ergibt sich ihm, Unsinniges zu reden. Dabei legten sie folgende Bedeutungen unter: »Naturgemäß« für »wahr«, »nach Übereinkunft« für »was die große Menge so meint«. Also klar: Auch die, so wie auch die heutigen (Sophisten), versuchten, den Antwortenden entweder zu widerlegen oder ihn dazu zu bringen, Unsinn zu reden. Einige unter den Fragestellungen haben es an sich, daß nach beiden Seiten hin die Antwort unsinnig ist, z. B.: »Muß man den Weisen oder dem Vater gehorchen?« Und: »(Soll man) tun, was einem nützt, oder was gerecht ist?« Und: »Ist Unrecht erleiden eher auf sich zu nehmen, als jemandem zu schaden?« Da muß man (als Sophist) es auf das bringen, was der (Meinung der) großen Menge, und auf das, was den (Sätzen der) Weisen entgegengesetzt ist: Wenn einer redet wie die, welche in vernünftigem Denken Erfahrung haben, dann auf die Meinung der vielen Leute, wenn (er) aber wie die vielen Leute (spricht), dann auf das, was die Weisen sagen. Nun sagen ja die einen, »glücklich« sei notwendig mit »gerecht« verbunden; der großen Menge dagegen erscheint es unsinnig, daß es einem Könige nicht gut gehen soll. – Die Sache auf Widersinn dieser Art zu bringen ist dasselbe wie, es auf die Entgegensetzung von »der Natur nach« und »dem Brauche gemäß« hinauszubringen: Die übliche Weise – das ist eben die Meinung der vielen Leute, die Weisen dagegen sprechen dem gemäß, wie es ist, und (somit) der Wahrheit gemäß. Kapitel 13. Die unsinnigen Aussagen muß man also von diesen Gesichtspunkten aus zu erreichen suchen. – Was den Punkt angeht, den anderen zu leerem Geschwätz zu bringen, so haben wir schon vorgetragen, was wir mit diesem sinnlosen Gerede meinen. Alle derartigen Redeweisen wollen folgendes herbeiführen: Wenn es keinen Unterschied macht, ein Wort oder seine Begriffserklärung auszusagen, dann ist »doppelt« und »doppelt im Verhältnis zu etwas, das halb so groß ist« das gleiche; ist also für »doppelt« einsetzbar: »doppelt so groß wie die Hälfte«, dann wird es »eines Halben Halben Doppeltes« geben; und wenn wieder für »doppelt« eingesetzt wird: »dop-
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pelt im Verhältnis zu einem Halben«, dann wird es also dreimal ausgesprochen sein: »eines Halben Halben Halben Doppeltes«, Und: Gibt es »Begehren nach Lustvollem«? Das ist dann »Streben nach Lust«; also ist Begehren »Streben nach lustvoller Lust«. Alle derartigen Redeformen finden sich zu allererst im Bereich der Bestimmungen »im Verhältnis zu ...«, und zwar soweit nicht nur die Gattungen, sondern auch die Dinge selbst im Verhältnis zu etwas ausgesagt und dabei auf eines und dasselbe hin angegeben werden, z. B., »Streben« ist »Streben nach etwas«, und »Begehren« ist »Begehren nach etwas«, und »doppelt« ist » das »Doppelte von etwas«, und zwar das im Verhältnis zu einem Halben. Dann aber auch im Bereich der Bestimmungen, die zwar nicht ganz solche Verhältnisbestimmungen sind, die aber so ausgesagt werden, daß die Gegenstände, deren »Besitz« oder »Einwirkungszustand« oder dergleichen sie eben sind, in ihrer Begriffsbestimmung mit ausgesagt werden, z. B.: Das »Ungerade« ist »Zahl, die (beim Teilen) ein Mittelstück hat«; nun gibt es aber »ungerade Zahl«, also gibt es auch (den Ausdruck): »Zahl Zahl, die ein Mittelstück hat«. Und: Wenn »stupsnasig« eine »Wölbung der Nase nach innen« ist, und wenn es nun so »gestupste Nase« gibt, dann auch »Nase Nase mit Wölbung«. Manchmal scheinen sie (das alles) nur herbeizuführen, ohne es wirklich zu tun, weil sie keine zusätzliche Erkundigung einholen, ob nicht (z. B.) »doppelt«, für sich ausgesprochen, etwas bedeutet oder nichts, und wenn es etwas bedeutet, ob dann dasselbe (wie mit Zusatz) oder etwas davon verschiedenes; stattdessen sprechen sie gleich den Schluß-Satz aus. Aber das ist doch nur ein Scheineindruck, daß, weil die Wortbezeichnung dieselbe ist, das auch das gleiche bedeuten müßte. Kapitel 14. Was einen sprachlichen Schnitzer ausmacht, ist früher vorgetragen. Man kann ihn (erstens) machen (und die anderen merken es auch), man kann (zweitens) den Eindruck erwecken, man machte einen, ohne daß es doch so ist, und man kann (drittens) einen machen, ohne daß es sichtbar wird, wie z. B. wenn – was Protagaras behauptet hat – »die
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Groll« und »die Helm« weiblich sind, dann macht, wer da sagt: »Groll, verderblicher«, zwar nach ihm einen Sprachschnitzer, nur kommt das allen anderen nicht so vor; (umgekehrt) wer »verderbliche« sagte, scheint einen solchen Fehler zu machen, verstößt aber (nach Protagoras) nicht gegen die Sprachrichtigkeit. Klar nun also: So etwas kann ja wohl einer ganz kunstgerecht machen: daher scheinen viele Herleitungen, die in Wirklichkeit auf keine Sprachunrichtigkeit schließen, es dann doch zu tun, so wie bei den Widerlegungsschlüssen auch. So ziemlich alle scheinbaren Sprachschnitzer laufen über (den Ausdruck) »dieses«, wenn nämlich die Formveränderung weder »männlich« besagt noch »weiblich«, sondern was dazwischenliegt: »dieser« weist ja auf Männliches hin, »diese« auf Weibliches; »das« will auf solches hinweisen, was dazwischen in der Mitte steht, oft aber weist es auch auf das eine oder andere der beiden hin, z.B.: »Was ist das?« – »Kalliope, Holz, Koriskos.« Bei dem männlichen und dem weiblichen (Wort) unterscheiden sich alle Fälle voneinander, bei dem Dazwischenliegenden (tun es) die einen, die anderen nicht. Ist denn also vorgegeben ein »dieses«, so wird oft der Schluß gezogen, als sei gesagt gewesen: »diesen«. Entsprechend (verwechselt man) auch einen anderen Fall mit einem anderen. Der Fehlschluß erfolgt nun, weil das »dieses« mehreren Fällen gemeinsam ist: So ein »dies« weist einmal hin auf »der«, ein andermal auf »den«; es muß aber sein Hinweisen auf etwas wechseln können: Bei »ist« (steht) »der«, bei »sein« »den«, z. B.: »Koriskos ist«, »(es wird behauptet,) Koriskos sei ...«. Bei weiblichen Worten entsprechend, auch bei den sogenannten »Gerätschaften«, die aber die Bezeichnung eines Weiblichen oder Männlichen haben; was nämlich auf »-o« und »-n« endigt, das allein hat den Namen von »Zeug«, z. B. »(das) Holz«, »(das) Seil«; was aber nicht so (auslautet), den von Männlichem oder Weiblichem, von denen wir also einige auf »Sachen« übertragen, z. B. »der« Schlauch hat einen männlichen Namen, »die« Liege dagegen einen weiblichen. Also unterscheidet sich auch bei diesen (der Fall) entsprechend bei »ist« und »sein«.
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Auf gewisse Weise ist der Sprachverstoß vergleichbar mit den Widerlegungsschlüssen, die laufen über »Nicht-Ähnliches auf ähnliche Weise aussagen«: So wie es denen geschieht, bei den Dingen (ungenau zu sein), so wird hier bei Worten gegen die Richtigkeit verstoßen; »Mensch« und »weiß« sind ja (beides): Eine Sache (die es gibt) und ein Wort dafür. – Klar nun also: Den Sprachschnitzer muß man von den genannten Formabwandlungen aus im Schluß unterzubringen versuchen. Dies sind nun also die Formen der Streitreden, und die Teilstücke und Vorkommensweisen dieser Formen sind die aufgezählten. Nun macht es aber dafür, daß man (bei dieser Art Gesprächsführung) nicht gleich ertappt wird, eine Menge aus, wenn der ganze Bereich der Fragenstellerei einmal geordnet wird, wie bei den Untersuchungen über Gesprächsführung auch. Im Anschluß an das Gesagte ist darüber nun zuerst zu sprechen. Kapitel 15. Es ist also zum Widerlegen ein (wichtiger Punkt) die Länge (des Vortrags): schwierig ist es, gleichzeitig vieles zu überblicken. Um solche Länge herzustellen, muß man sich der früher vorgetragenen Grundmittel bedienen. Ein (weiterer wichtiger Punkt) ist Geschwindigkeit: Leute, die immer nachhinken, sehen weniger etwas voraus. Dann (als weitere Punkte) Heftigkeit und Rechthaberei: Alle Leute können sich weniger gut in acht nehmen, wenn sie in Verwirrung geraten. Grundmittel zum Zorn (beim Gegner) sind: Ganz offenkundig machen, daß man selbst mit unredlichen Mitteln herangehen will, und überhaupt, sich frech betragen. Dann noch (ein Punkt), beim Fragenstellen ständig wechseln, einerlei ob nun einer mehr Erklärungswege für das gleiche zur Verfügung hat oder ob er mal für mal gegen die Sache redet; es geschieht (dem anderen) dann ja, entweder gegenüber einer Mehrzahl oder gegenüber sich selbst widersprechenden (Erklärungen) auf der Hut sein zu müssen. Überhaupt, alles, was früher zu »Verbergen« gesagt war, ist verwendbar auch bei den Streitreden; das Verbergen geschieht doch darum, daß man heimlich etwas tun kann, diese Heimlichkeit dient zum Betrug.
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Gegenüber Leuten, die alles beliebige ablehnen, wenn sie meinen, das wäre ihrer Rede dienlich, muß man von der Verneinung aus die Fragen stellen, als wolle man das Gegenteil, oder man muß auch die Fragestellung möglichst im Unentschiedenen lassen; solange nämlich unklar ist, was der andere denn herausbekommen will, sind sie weniger widerspenstig. Wenn einer über Teilschritte die jeweilige Einzelaussage zugibt, so soll (der andere), der das Allgemeine dazu herbeiführen will, nicht so viele Fragen stellen, sondern es so verwenden, als sei es schon zugestanden; gelegentlich meinen sie ja selbst, sie hätten es schon zugegeben, und die Zuhörer haben auch den Eindruck, weil sie sich noch an die Art erinnern, wie das herbeigeführt wurde: die ganzen Fragen seien doch wohl nicht sinnlos gestellt. Und in Fällen, wo das Allgemeine nicht mit einem Wort bezeichnet werden kann, sondern nur mithilfe von Ähnlichkeit, da ist das zum eigenen Vorteil zu nutzen; oft bleibt die Ähnlichkeit ja verborgen. Um die Aussage, die man zum Schluß braucht, zu erhalten, muß man die Nachfragen machen, indem man das Gegenteil dazu danebenstellt, z. B., wenn man bekommen müßte: »Man muß in allem dem Vater gehorchen«, (so fragt man:) »Muß man in allen Stücken seinen Erzeugern gehorchen oder in allen den Gehorsam verweigern?« Und, das »oft« und »viel« betreffend, (so ist zu fragen): »Muß man vieles einräumen oder nur weniges?« Wenn man da schon »vieles« einräumen muß, so wird dieses »viel« (bei der Art zu fragen) noch mehr erscheinen; wenn man nämlich die gegenteiligen Bestimmungen je nahe danebensetzt, dann erscheint den Leuten (das Gesuchte) je nachdem geringer und größer und schlechter und besser (als es je wirklich ist). Besonders eindrucksvoll und oft schafft es das in höchstem Maße hinterlistige Wortverdrehen der Fragesteller, den Schein des Widerlegtseins zu erzeugen (das darin besteht), ohne wirklich auf etwas geschlossen zu haben, den letzten Schritt nicht zur Frage zu machen, sondern es in abschließender Weise festzustellen, als hätte man es durch Schluß erreicht: »Also: Das und das (ist es) nicht ...«
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Sophistisch ist es auch, wenn eine unsinnige Behauptung vorliegt, (den anderen) scheinheilig zur Antwort aufzufordern, wo doch das, was er dazu meint, seit Anfang vorliegt, und die Frage hierüber dann so zu stellen: »Meinst du das auch (oder nicht)?« Da muß nämlich, wenn die Frage (auf etwas geht), woraus der Schluß (hergeleitet war), entweder eine Widerlegung oder ein Unsinn herauskommen, – wenn er »ja« sagt, eine Widerlegung, gibt er es nicht zu und sagt, er meine das nicht, so ein Widersinn; wenn er es nicht zugibt, aber sich die Zustimmung entlocken läßt, es sehe doch so aus, dann etwas einer Widerlegung Ähnliches. Weiter, wie auch bei den Anweisungen für Redner, so muß man, wenn es ums Widerlegen geht, genauso alles ins Auge fassen, was dagegensteht, entweder im Verhältnis zu dem, was er selbst gesagt hat, oder mit Bezugnahme auf Leute, von denen er zugibt, sie sprechen und handeln edel, weiter auf solche, die den Ruf haben, so zu sein, oder solche, die diesen ähnlich sind, oder unter Berufung auf die allermeisten oder gar alle. Und wie die Antwortenden oft, wenn sie widerlegt werden sollen, ihre Antwort zu einer doppelten machen, wenn ihnen das Widerlegtwerden unmittelbar droht, so müssen auch die Fragesteller gelegentlich sich dieses Mittels bedienen gegen Leute, die Einwände erheben: Wenn die Sache so zustandekommt, so aber nicht, (erklärt man), daß man es eben so genommen hat, wie es ja z. B. Kleophon im »Mandrobulos« tut. Man muß auch (von Fall zu Fall) sich vom Gange der Herleitung absetzen und so die restlichen Angriffspunkte von vornherein abschneiden, und als Antwortender, wenn man (Unheil) voraussieht, von vornherein Einwände machen und sich vorweg äußern. Manchmal muß man sich auch an etwas anderes machen als an das, wovon die Rede ist, indem man das ausnimmt, (dann nämlich,) wenn man an dem Behaupteten nichts Angreifbares findet; genau das hat Lykophron getan, nachdem man ihm die Aufgabe gestellt hatte, eine Leier zu feiern. Gegenüber Leuten, die da verlangen, den Angriff gegen einen bestimmten Punkt zu richten, (soll man,) da dies ja offen-
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kundig nötig macht, das auch mit einer Begründung zu versehen – nachdem man einiges recht vorsichtig vorgebracht hat: Was sich so überhaupt bei den Widerlegungsschlüssen ergibt –, dann von Einspruch reden (in dem Sinne): Was der gesagt hat, bestreitet man selbst, oder, was der bestritten hat, behauptet man, aber nicht (so etwas Bestimmtes wie): »Von Gegensätzlichem ist das Wissen dasselbe«, oder »... nicht dasselbe«. Man darf aber nicht nach dem Schluß-Satz nach Weise eines Vordersatzes fragen. Einige (Sachverhalte) soll man gar nicht in Frageform bringen, sondern soll es verwenden, als wäre darin Übereinkunft erzielt. Kapitel 16. Wovon aus man also die Fragen nehmen und wie man sie stellen soll bei dieser Beschäftigung mit Streitgesprächen, darüber ist gesprochen. Über das Antworten, wie man (die Trugschlüsse) lösen muß und welche, und auf welche Verwendung hin derartige Reden nützlich sind, darüber ist hiernach zu sprechen. Verwendbar sind sie also zur Gewinnung von Erkenntnis, aus zwei Gründen: Erstens, da sie ja allermeist über sprachlichen Ausdruck zustandekommen, so machen sie (uns) aufmerksamer dafür, in wievielen Bedeutungen ein jedes ausgesprochen wird und, was ähnlich gelagert ist, was verschieden, sowohl auf seiten der Dinge wie auf der der Worte. Zweitens, bei eigener, einsamer Forschung: Wer von einem anderen leicht mit Trugschlüssen hereingelegt wird und es nicht merkt, dem könnte das von eigener Seite auch oft geschehen. Drittens und endlich (dient es) auch dem guten Ruf, den Anschein zu erwecken, in allem geübt zu sein und in nichts unerfahren sich zu benehmen; denn wenn einer an solchen Gesprächen teilnimmt, die Reden dann tadelt, ohne daß er doch über die Punkte ihrer Mängel genauere Bestimmung treffen könnte, der setzt sich dem Verdacht aus, seinen Unwillen offenbar nicht der Wahrheit wegen, sondern aus Unwissenheit zu äußern. Wie nun Leute, die antworten müssen, solchen Reden zu begegnen haben, ist klar, wenn wir früher richtig vorgetragen haben, von wo aus sich die Trugschlüsse ergeben, und wenn
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wir den reichen Vorrat an Möglichkeiten beim Fragenstellen hinreichend auseinandergenommen haben. Es ist aber nicht das gleiche, einerseits einen solchen Erklärungsgang herzunehmen, genau zu durchschauen und dann die Fehlerhaftigkeit zu lösen, und andererseits als einer, der Fragen beantworten soll, (derartigen Fehlern) schnell begegnen zu können: was wir wissen, erkennen wir doch oft nicht, wenn es in anderen Zusammenhang gestellt ist. Darüber hinaus, wie in allen anderen Dingen das »schneller« und »langsamer« aus einem höheren Maß an Übung kommt, so verhält es sich auch bei den Reden: Also, wenn uns (etwas) auch klar wäre, wir aber im Moment unachtsam sind, so hinken wir dem rechten Augenblick oft hinterher. Da geht es uns gelegentlich so wie bei den (geometrischen) Zeichnungen: da haben wir die Auflösung gemacht und sind manchmal nicht in der Lage, es wieder zusammenzusetzen; so also auch bei diesen Widerlegungsschlüssen: Wir wissen, über welche Schritte der Beweisgang eben so sich zusammenfügt, haben aber die Mittel nicht, (den Hergang) der Rede aufzulösen. Kapitel 17. Erstens nun also: Wie wir sagen, man müsse es gelegentlich vorziehen, einen nur anscheinenden Schluß zu machen statt eines auf dem Wege der Wahrheit zu ziehenden, genauso muß man gelegentlich auch (Fehlschlüsse anderer) eher auf dem Wahrscheinlichkeitswege lösen als streng wahrheitsgemäß. Überhaupt ist ja gegen diese Streitkünstler zu kämpfen nicht als mit Leuten, die wirkliche Widerlegungen machen, sondern die nur den Schein (davon) erwecken; wir behaupten ja, daß sie nicht wirklich schließen, also muß die Richtigstellung darauf abzielen, daß sie es auch nicht zu tun scheinen. Wenn doch Widerlegung (bestimmungsgemäß) ist: »Widerspruch, nicht in einer harmlosen Bedeutung des Wortes, aus bestimmten (Vorannahmen)«, dann brauchte es hier keiner Unterscheidung auf zweideutige (Worte) und mehrfache Begriffe eines Wortes hin – denn (derlei) macht eben keinen Schluß –, sondern solche zusätzlichen Unterscheidungen muß man wegen nichts anderem vornehmen als nur, weil (in diesen Fällen) der Schluß-Satz widerlegungsartig eben nur
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scheint. Nicht also vor dem Widerlegtwerden, sondern davor, daß es einem nur scheinbar so ergeht, muß man sich in acht nehmen, da doch dies Fragen nach zweideutigen Inhalten und der ganze Umgang mit Worten von mehrerlei Bedeutungen, und was dergleichen Betrügereien sonst noch so sind, einerseits die echte Widerlegung zum Verschwinden bringt und somit unklar macht, wer hier widerlegt ist, wer nicht. Da es nämlich sein kann, wenn man die eigenen Schlußergebnisse am Ende beisammen hat, daß (der andere) dann sagt, man habe (in Wirklichkeit) nicht das verneint, was er behauptet habe, außer nur das gleiche Wort, aber in anderer Bedeutung – und wenn er es auch wirklich für den gleichen Sachverhalt herangezogen haben sollte –, so ist dann unklar, ob er tatsächlich widerlegt ist; es ist nämlich unklar, ob er gerade jetzt die Wahrheit sagt. Hätte man aber die Fragen so gestellt, daß Bedeutungsverschiedenheit eines Wortes oder zweideutige Ausdrücke voneinander unterschieden waren, dann bliebe die Widerlegung nicht unklar, und was diese Streitredner jetzt weniger haben wollen, vorher (wollten sie es) mehr, nämlich daß der Gefragte mit »ja« oder »nein« antwortet, das träte dann ein. Nun aber, weil die Fragesteller nicht sauber fragen, muß der Gefragte notwendig in seiner Antwort Zusätze machen, womit er den Mangel der Vorgabe je berichtigt. Indessen, ist die Sache hinreichend auseinandergehalten, so muß der Antwortende entweder »ja« oder »nein« sagen. Wenn aber einer unterstellen will, die Widerlegung mittels verschiedener Wortbedeutung sei (wirklich) eine Widerlegung, dann wird auf gewisse Weise der Antwortende dem Widerlegtwerden gar nicht entkommen können: Bei sichtbar auf der Hand liegenden (Tatbeständen) wird es ihm dann notwendig, das Wort, das er gesetzt hat, nun zu leugnen, und das er geleugnet hat, nun zu behaupten. Wie einige das ja richtigstellen wollen, das nutzt nichts; sie sagen nämlich nicht: »Koriskos ist gebildet« und »... ungebildet«, sondern: »dieser Koriskos hier ist gebildet« und: »dieser Koriskos da ist ungebildet«; das ist dann der gleiche Begriff: »dieser Koriskos da« und, daß dieser Koriskos ungebildet sei oder (je nachdem) gebildet –, was man
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denn also zugleich behauptet oder verneint. Aber vielleicht bedeutet das ja nicht dasselbe – dort der Name ja auch nicht –, also was macht es dann für einen Unterschied? Wenn man aber dem einen das Ohne-Zusatz-Sagen, (also) »Koriskos«, zuweist, dem anderen hingegen ein »bestimmt« oder »dieser da« hinzusetzt, dann ist das unsinnig: Auf keinen der beiden trifft es mehr zu als auf den anderen; welchem von beiden (es beigelegt wird), macht keinen Unterschied. Indessen aber, da es bei einem, der die Zweideutigkeit nicht durch genaue Bestimmung bereinigt hat, nicht klar ist, ob er nun widerlegt ist oder nicht, da aber im Lauf der Herleitung (ihm die Möglichkeit zum) Auseinandernehmen gegeben ist, so ist offenkundig: Den gefragten Inhalt zuzugeben, ohne solche Bestimmung getroffen zu haben, sondern einfach so – das ist ein Fehler; also wenn schon vielleicht nicht er selbst, so sieht doch wenigstens seine Rede so aus, als wäre sie widerlegt. Es tritt allerdings oft ein, daß Leute, die die Zweideutigkeit wohl sehen, doch zögern, die Unterscheidungen zu machen, angesichts eines dichten Haufens solcher Leute, die ebensolche Vorgaben machen, damit sie nicht den Eindruck erwecken, sich allen gegenüber zu sperren; und dann, wenn sie es gar nicht vermuten, daß die Herleitung über diesen Punkt laufen könnte, ist ihnen oft ein widersinniges Ergebnis zuteil geworden. Also, da die Möglichkeit zum Setzen von Unterschieden gegeben ist, darf man damit nicht zögern, wie vorher gesagt ist. Wenn man nicht aus den zwei Fragen eine machen würde, dann würde der Trugschluß über Bedeutungsverschiedenheit von Worten und Zweideutigkeit von Ausdrücken gar nicht gehen, sondern (es gäbe) nur Widerlegung oder nicht. Was macht es denn für einen Unterschied zu fragen, ob »Kailias und The mistokles« gebildet sind, oder ob beide, wo sie doch verschieden sind, einen Namen hätten? Wenn er mehr als einen bezeichnet, hat man auch mehrere Fragen gestellt. Ist es nun nicht richtig, auf zwei Fragen hin eine einzige zusatzlose Antwort erhalten zu wollen, so ist offenkundig: Niemandem ist es gestattet, im Falle von bedeutungsverschiedenen Worten
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Antworten ohne Zusatz zu geben, auch dann nicht, wenn das in allen Fällen wahr wäre, wie einige das ja fordern. Das unterscheidet sich ja nicht von dem, wie wenn man fragte: »Sind Koriskos und Kallias zu Hause oder nicht zu Hause?« – mögen nun beide da sein oder nicht da sein, in beiden Fällen bilden die eingegebenen Vordersätze eine Mehrzahl; es wird ja nicht deshalb eine Frage daraus, wenn es wahr wäre, dies zu sagen. Es mag ja angehen, auf unzählig viele andere Fragen, die einem so gestellt werden, ohne irgendeinen Zusatz entweder mit »ja« oder mit »nein« wahrheitsgemäß zu antworten, trotzdem ist nicht mit nur einer Antwort zu sprechen; denn so würde das Gesprächführen aufgehoben. – Das ist nun aber vergleichbar mit dem Falle, wie wenn verschiedenen (Tatbeständen) die gleiche Wortbezeichnung gegeben wäre. Wenn man nun also auf zwei Fragen nicht eine Antwort geben darf, so ist einleuchtend, daß man auch nicht bei bedeutungsverschiedenen Wörtern einfach »ja« oder »nein« sagen darf: wer so sagt, hat gar nicht geantwortet, sondern nur geredet. Doch wird es unter Leuten, die das Gespräch führen, wohl so gefordert, weil das, was sich da abspielt, im Verborgenen bleibt. Wie wir nun also schon gesagt haben: Da einige Widerlegungsschlüsse, ohne dies doch wirklich zu sein, sich den Anschein geben, sie wären es – in genau der gleichen Weise geben sich auch einige Lösungen den Anschein, Bestand zu haben, wo sie doch keine wirklichen Lösungen sind –: von denen sagen wir nun mit Entschiedenheit: Die muß man in diesen streitsüchtigen Reden, und um der zweideutigen Ausdrucksweise zu begegnen, gelegentlich eher anbringen als solche, die es wirklich sind. Bei (Tatbeständen), die (so und so zu sein) nur scheinen, ist zu antworten, indem man sagt: »(Nun gut), mag das so sein.« So kommt nämlich am wenigsten eine Trugwiderlegung zustande. Soll man gezwungen werden, etwas Widersinniges zu sagen, da ist ganz besonders ein »scheint so« hinzuzusetzen; so nämlich dürfte anscheinend weder eine Widerlegung noch ein Widersinn sich ergeben.
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Im Falle, daß klar ist, wie die Ausgangsbehauptung (als gegeben) eingefordert wird, aber man der Meinung ist, was (ihr) nahesteht, müsse unter allen Umständen aufgehoben werden, und einige (Sätze) seien nicht einzuräumen, mit der Begründung, daß (der andere) eben die Ausgangsbehauptung (als gegeben) fordere, (so gilt): Wenn einer etwas derartiges einfordert, was aufgrund der Behauptung notwendig eintreten muß, und wenn das falsch ist oder unsinnig, so muß man sagen: »(Das ist) dasselbe (wie die Ausgangsbehauptung).« Was sich notwendig aus ihr ergibt, scheint ja doch zur selben Behauptung zu gehören. Weiter, wenn die Verallgemeinerung nicht mittels eines Wortausdrucks erreicht wird, sondern nur mittels eines Vergleichs, so muß man sagen, daß er die Sache nicht so nimmt, wie sie zugegeben war und wie er es eingegeben hatte. Auch über diesen Weg läuft ja oft eine Widerlegung. Ist solches ausgeschlossen, muß man über den Weg gehen: Dies sei nicht sauber nachgewiesen, indem man (dieser Herleitung) gemäß der vorgetragenen Begriffsbestimmung (von »Schluß«) entgegentritt. Bei den in eigentlicher Bedeutung ausgesagten Worten ist es notwendig, entweder ohne Zusatz zu antworten oder indem man Unterscheidung vornimmt. Was wir nun setzen (als solches), worunter man sich auch etwas anderes mitdenken kann, alles, was z. B. nicht klar, sondern verkürzt gefragt wird, über dies kommt die Widerlegung zustande; z. B.: Nicht wahr, was doch »der Athener« (Eigentum) ist, ist »Besitz der Athener«? – Ja. – Ähnlich aber auch bei allem anderen. Nun aber, »Mensch« ist doch (aus der Gattung) »der Lebewesen«? – Ja. – Dann ist also »Mensch« ein »Besitz der Lebewesen.« (Erklärung:) Wir sagen ja, daß der Mensch (ein Mitglied des Reichs) »der Lebewesen« sei, weil er ein Lebewesen ist, und Lysander sei (einer) »der Lakoner«, weil er Lakoner ist. Klar also, daß man dort, wo das Vorgelegte undeutlich ist, nicht einfach so zustimmen darf. Wenn da zwei Annahmen sind (und die Lage ist die): Wenn die eine gilt, dann gilt auch anscheinend die andere mit Not-
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wendigkeit, (umgekehrt) aber, wenn die andere, dann diese nicht mit Notwendigkeit, und wenn man dann gefragt wird: Welche von beiden (soll gelten)? – dann muß man die schwächere Folge angeben; es ist nämlich schwieriger, aus mehr (Voraussetzungen) den Schluß zusammenzubekommen. Wenn (der Gegner) es damit versucht: Die eine Annahme hat ein Gegenteil, zur anderen gibt es keins, dann soll man, wenn der Satz als solcher wahr ist, sagen, Gegenteil (zu beidem) gebe es doch, nur liege für das des einen keine Bezeichnung fest. Da nun die große Masse der Leute bei einigem, was sie so sagen, von einem, der das nicht (als richtig) einräumen will, wohl behauptete: Der irrt sich, – bei anderem täten sie das nicht, z. B. in Fällen, wo sie selbst nicht genau wissen, was sie meinen sollen: Ob die Seele alles dessen, was lebt, vergänglich ist oder unsterblich, darüber sind sich die vielen Leute nicht einig – nun, in solchen Fällen, wo unklar ist, wie gewöhnlicher Weise die vorgelegte (Behauptung) einzuordnen ist: Ob wie ein allgemein üblicher Spruch – als solche Sprichwörter bezeichnet man ja erfahrungserprobte Meinungen und ganz allgemeine Sätze über alles – oder (wird es ausgesagt) wie »der Durchmesser ist nicht mit gleichen Meßeinheiten angebbar«, (in solchen Fällen also,) wo die Wahrheit von allerlei Meinungen umringt ist, da dürfte einer am unauffälligsten durchkommen, wenn er die Worte dazu auf andere Bedeutungen überträgt. Weil jedoch unklar ist, wie es sich hier mit der Wahrheit verhält, wird er nicht den Eindruck der Wortverdreherei erwecken; weil es so viele Meinungen dazu gibt, wird er nicht den Eindruck erwecken, die Unwahrheit zu sagen. Die Bedeutungsübertragung wird seine Rede unwiderlegbar machen. Weiter, alles, was man an Fragen im Vorhinein auf sich zukommen sieht, dazu muß man vorweg Einwände machen und vorausgreifend dazu sprechen; so kann man dem Fragesteller am wirkungsvollsten das Leben schwer machen. Kapitel 18. Da die richtige Lösung in dem Sichtbarmachen der Falschheit eines Schlusses besteht: Durch was für eine Art von Frage kommt die Falschheit zustande? –, (da nun) aber von
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falschem Schluß in zwei Bedeutungen die Rede ist: Entweder, wenn ein falsches Ergebnis erschlossen worden ist, oder, wenn er, obwohl er (tatsächlich) kein Schluß ist, doch den Schein erweckt, einer zu sein -: so wird es ja wohl die eben genannte (Art der) Lösung wie auch die des nur scheinbaren Schlusses geben, die eine Berichtigung dessen ist, durch was an Fragen er diesen Schein gewinnt. Also ergibt es sich, die schlüssigen Herleitungen aufzulösen durch Aufhebung, die scheinbar schlüssigen durch unterscheidendes Auseinandernehmen. Und erneut, da von den schlüssigen Herleitungen die einen einen wahren, die anderen einen falschen Schluß-Satz haben, so ist es möglich, die mit dem falschen Schluß-Satz auf zwei Weisen zu lösen: Erstens durch Aufhebung von etwas, das gefragt worden ist (und dem zu Unrecht zugestimmt worden war), zweitens dadurch, daß man zeigt: So, wie es der SchlußSatz behauptet, ist es in Wirklichkeit nicht. Die (Schlüsse, die nur) in den Vordersätzen (etwas Falsches haben, sind) allein dadurch (zu lösen), daß man davon etwas aufhebt; ihr SchlußSatz (war) ja wahr. Also, wenn wir die Absicht haben, eine Herleitung aufzulösen, ist zuerst einmal zu sehen, ob sie schlüssig ist oder nicht auf schlüssige Weise zustandegekommen, danach, ob ihr Schluß-Satz wahr ist oder falsch, damit wir entweder durch Unterscheidung oder durch Aufhebung die Lösung machen, und beim Aufheben entweder so oder so, wie es früher beschrieben ist. Es macht einen sehr großen Unterschied, ob man eine Herleitung aufzulösen hat als einer, der Fragen beantworten muß, oder nicht: Das Vorhersehen ist schwer, das In-Ruhe-Zusehen leichter. Kapitel 19. Von den Widerlegungsschlüssen, die über Bedeutungsverschiedenheit von Worten und Zweideutigkeit von Ausdrücken gehen, haben die einen unter ihren Fragen eine, die mehrere Bedeutungen hat, bei den anderen ist es der Schluß-Satz, der in mehrfacher Bedeutung ausgesagt ist; z. B., bei »schweigend sagen« ist der Schluß-Satz zweifach, bei dem Fall »einer, der (etwas) weiß, weiß es zugleich auch nicht« ist
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eine der Fragen mehrdeutig. Und was da zweideutig ist, das gilt manchmal (beides als vorliegend), ein andermal nicht, sondern dann bezeichnet »zweideutig«: Das eine (davon) gilt, das andere nicht. In solchen Fällen, wo die Vielfalt der Bedeutungen (erst) am Ende (sich zeigt), gibt es keine Widerlegung, wenn man nicht den Widerspruch (des anderen Gesprächsteilnehmers) mit hereinnimmt, z. B. in dem Fall »den Bilden sehen« : ohne Einspruch gab es hier keine Widerlegung. In den Fällen hingegen, wo (sie schon) in den Fragen (liegt), ist es nicht nötig, das Zweideutige schon vorweg abzulehnen: die Rede geht ja nicht auf dies zu, sondern über dieses. Zu Anfang gleich also soll man auf ein doppeldeutiges Wort oder (entsprechenden) Satz so antworten: In einem Sinne ja, im anderen aber nein, wie z. B. »schweigend sagen«, das geht in einer Hinsicht, in anderer geht es nicht, und: »das Nötige ist zu tun«, da gibt es einiges, wo das richtig ist, es gibt aber auch einiges, wo nicht; »das Nötige« wird nämlich in vielen Bedeutungen ausgesagt. Wenn (solcherlei Zweideutigkeit) aber (im Gange der Herleitung) einem entgangen sein sollte, dann muß man am Schluß durch einen Zusatz zur Frage die Sache ins Reine bringen: »Also gibt es das: ›schweigend sagen‹?« – »Nein, aber man kann diesen hier ›schweigend‹ nennen.« Und in den (Herleitungen), die das Mehrdeutige in den Vordersätzen haben, entsprechend: »Also wissen sie zugleich auch nicht, was sie doch wissen?« – »Ja, aber nicht die, welche es in der beschriebenen Weise wissen.« Es ist nämlich nicht das gleiche: »Es geht nicht, gleichzeitig auch zu wissen« und: »die es in der und der (beschriebenen) Weise wissen, können das nicht«. – Und überhaupt muß man sich zur Wehr setzen, auch wenn ohne Zusatz geschlossen sein sollte, (mit dem Einwand): Er hat nicht den Tatbestand verneint, den (man selbst) behauptet hat, sondern nur einen Wortausdruck; also ist es keine Widerlegung. Kapitel 20. Offenkundig ist auch bei den (Widerlegungsschlüssen) über Auseinandernehmen und Zusammensetzen, wie man sie lösen muß: Wenn (je nachdem), auseinanderge-
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nommen und zusammengesetzt, die Rede etwas anderes bedeutet, so muß man das Gegenteil des Erschlossenen sagen. Es laufen aber alle Reden folgender Art über Zusammensetzung oder Auseinandernahme: »Nicht wahr, dieser (Mann) wurde mit dem (Gegenstand) geschlagen, womit du ihn geschlagen werden sahst?« Und: »Womit er geschlagen wurde, damit hast du (ihn) auch gesehen?« Das hat nun auch etwas von undeutlich gestellten Fragen an sich, es geht aber über Zusammensetzung; denn das, was über Trennung herauskommt, ist durchaus nicht zweideutig – es wird ja nicht die gleiche Rede, wenn es auseinandergenommen ist –, außer wenn es, wie bei »oros« und »horos«, über die bloße Art der Aussprache etwas Verschiedenes bedeute. In der geschriebenen Form ist das ja das gleiche Wort, wenn es aus den gleichen Buchstaben und in derselben Reihenfolge geschrieben ist – doch auch in dem Falle setzt man schon besondere Zeichen hinzu –, das Ausgesprochene ist dann nicht das gleiche. Also, was über Auseinandernehmen geht, ist nicht der Fall von Zweideutigkeit. Dann ist aber auch offenkundig: Nicht alle Widerlegungen gehen über zweideutige (Worte), wie einige das behaupten. Der Antwortende muß es also auseinandernehmen: Es ist nämlich nicht dasselbe, zu sehen »daß er mit den Augen geschlagen wird« und »mit den Augen zu sehen«, daß er geschlagen wird. Auch die Rede des Euthydem (ist so zu behandeln; sie endet mit dem Satz): »Also weißt du zur Zeit Kriegsschiffe im Piräus in Sizilien dort befindlich«. Und auf neue: »Kann es sein, daß einer, der gut ist, ein schlechter Schuster ist? Das gibt es doch wohl: Einer, der gut ist, ist ein schlechter Schuster; also wird es geben: Guter schlechter Schuster!« (Und:) »Nicht wahr, wovon das Wissen trefflich ist, da müssen doch auch die Wissensinhalte so sein? Das Wissen von dem, was böse ist, ist nun aber doch trefflich. Also ist das Böse ein trefflicher Lerngegenstand. Aber nun doch, das Böse ist sowohl böse wie auch ein Lerninhalt, also ist das Böse ein schlimmer Lerninhalt; aber das Wissen vom Bösen sollte doch trefflich sein ...!« (Und:) »Nicht wahr, es ist doch zum gegenwärtigen Zeitpunkt
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wahr festzustellen: Du bist geboren. Also bist du geade jetzt geboren ...« – Oder bedeutet es – auseinandergenommen – etwas anderes? Es ist ja zum gegenwärtigen Zeitpunkt richtig zu sagen: »Du bist geboren«, aber nicht: »Du bist gerade jetzt geboren«. (Und:) »Nicht wahr, was du kannst und wie du es kannst, das und so wirst dus ja wohl auch machen? Obwohl du aber (zur Zeit) nicht Zither spielst, hast du das Können zum Zitherspielen. Du würdest also Zither spielen, ohne Zither zu spielen!« Oder? Nicht dazu hat er das Können, zum »nicht Zitherspielend Zither spielen«, sondern dazu, zu einem Zeitpunkt, da er es nicht tut, (dies jederzeit zu ändern und) es zu tun. Einige lösen diesen (Trugschluß) auch anders: Wenn man zugegeben hat »wie (einer etwas) kann, (so) macht er (es) auch«, so bestreiten sie, daß daraus folge »nicht zitherspielend Zither zu spielen«; denn »wie er (es) kann, so tut er (es) auch« gesetzt, so sei damit nicht für jeden Fall zugegeben, daß er es auch immer tun werde; es sei nämlich nicht dasselbe: »wie er kann« und »unter allen Umständen wie er kann«. Aber offenkundig ist, daß sie das nicht sauber lösen: Von Herleitungen, die über den gleichen (Fehler) laufen, muß auch die Lösung dieselbe sein, diese (Lösung) aber paßt nicht auf alle und nicht für Leute, die sich aufalle (erdenkliche) Weise befragt sehen, sondern sie ist abgestellt auf den Fragesteller, nicht aufden Inhalt der Rede. Kapitel 21. Herleitungen, die über Aussprache und Betonung gehen, gibt es nicht, weder bei geschriebenem noch gesprochenem (Wort), außer wenn denn doch einige wenige gelingen könnten, z. B. folgender »Schluß«: »Nicht wahr, das, wo du zur Rast einkehrst, ist doch ein Haus? – Ja. – Nun ist aber doch ›du kehrst nicht ein‹ die Verneinung zu ›du kehrst ein‹? – Ja. – Du sagtest aber doch, das, ›wo du einkehrst‹ sei ein Haus; ›Haus‹ ist also eine Verneinung!« – Wie das denn nun zu lösen ist, ist ja klar: Es bedeutet nicht dasselbe, je nachdem, ob es schärfer oder schwerer ausgesprochen wird. Kapitel 22. Klar ist auch, wie man den (Redeweisen) zu begegnen hat, die über »auf gleiche Weise sagen, was doch nicht
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gleich ist« gehen, da wir nun doch über die Grundgattungen von Aussage verfügen: Da hat einer, auf Fragen hin, zugegeben, etwas Bestimmtes liege nicht vor, – das sei nun eine der Bestimmungen, wie sie das »was es ist« bezeichnen; und der andere hat dann nachgewiesen, daß etwas von der Gattung »im Verhältnis zu ...« oder »so und so viel«, das aber aufgrund des Sprachausdrucks ein »was es ist« zu meinen scheint, doch vorliegt, z. B. in folgender Herleitungsrede: »Ist es etwa annehmbar, daß eines und dasselbe zugleich tätig ist und tätig gewesen ist? – Nein. – Aber nun doch, sehen und zugleich auch gesehen haben, das ist doch im Hinblick auf den gleichen Gegenstand und in der gleichen Hinsicht als möglich anzunehmen.« – »Geht es, daß etwas aus dem Bereich ›Einwirkung erfahren‹ auch selbst etwas bewirkt? – Nein. – Nun also, ›wird geschnitten‹, ›wird verbrannt‹, ›wird durch Sinneswahrnehmung beeinflußt‹, das wird doch in gleicher Form ausgesagt und meint alles ein ›Einwirkung erfahren‹? Und weiter, ›sagen‹, ›laufen‹, ›sehen‹, die werden doch auch, verglichen miteinander, in gleicher Form ausgesagt; nun ist aber doch ›sehen‹ eine Form von ›durch Wahrnehmung Einwirkung erfahren‹, also: Etwas kann zugleich Einwirkung erfahren und selbst bewirken!« Wenn da einer, nachdem er zugegeben hat, es sei nicht annehmbar, daß eines und dasselbe gleichzeitig wirken und gewirkt haben kann, nun aber sagen wollte, bei »sehen« und »gesehen haben« gehe das doch, so ist der noch nicht widerlegt, wenn er bestritte, daß »sehen« ein »Einwirken auf etwas« sei, sondern (behauptet), es sei ein »Einwirkung erfahren«. Dieser Frage bedarf es ja zusätzlich auch noch. Nur wird von dem Zuhörer eben unterstellt, es sei so zugegeben, nachdem er doch »schneiden« als ein »einwirken« und »geschnitten haben« als »eingewirkt haben« zugegeben hat, und was alles sonst noch in der gleichen Form ausgesagt wird; dann setzt ja der Zuhörer das Restliche von sich aus dazu, da es ja in gleicher Form ausgesprochen wird. Es wird aber in Wirklichkeit nicht in gleicher Weise ausgesagt, das scheint nur so aufgrund des Sprachausdrucks. Hier geschieht das gleiche wie bei den Bedeutungsverschiedenheiten von Worten auch: bei diesen
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begriffsverschiedenen Worten meint einer, der sich in den Redeformen nicht auskennt, daß der Sachverhalt, den er behauptend gesetzt hat, nun verneint sei, nicht das bloße Wort. Der andere müßte eigentlich noch die zusätzliche Frage stellen, ob (dieser) dies »Gleichnamige« aussagt im Hinblick auf die eine Bedeutung (die er selbst unterstellt); erst wenn er es so zugegeben hat, wird eine Widerlegung daraus. Diesen ähnlich sind auch die folgenden Herleitungen: »Wenn einer, was er hat, nachher nicht mehr hat, so ist es ihm abhanden gekommen; denn einer, der (ursprünglich 10 Würfel hatte und) nur einen Würfel verloren hat, wird nicht mehr 10 Würfel haben. (Also ...)« – Oder (gilt nicht vielmehr dies): Was einer nun nicht mehr hat, das er doch vorher hatte, ist ihm in der Tat abhanden gekommen, aber: Eine wie große Anzahl er nun nicht mehr hat (dies, betrachtet unter dem Gesichtspunkt), insofern es eben so und so viele sind, so viele muß er nicht notwendig verloren haben. – Nachdem der also die Frage gestellt hat, was er hat, bringt er die Sache hinüber auf das »wie viele«, denn zehn ist ja ein so und so viel. Hätte man also gleich zu Anfang gefragt: »Wie viele (Stücke dessen und dessen) einer nicht mehr hat, nachdem er doch früher (so und so viele davon) hatte, hat er genau so viele verloren?« – niemand hätte das in der Form zugegeben, sondern (man hätte gesagt): »Ja, entweder genau diese Anzahl oder einen Teil davon.« Und (ebenso geht): »Es kann einer geben, was er nicht hat; er ›hat ja nicht‹ nur einen Würfel.« – Oder? (Nein:) Er hat nicht gegeben, was er nicht hatte, sondern wie er es nicht hatte, (nämlich nur) den einen (Würfel); das »nur« meint kein »dieses« und nicht ein »derartig« und nicht ein »so und so viel«, sondern daß (es) sich im Verhältnis zu etwas befindet, z. B. »nicht zusammen mit einem anderen«, wie wenn man fragte: »Könnte einer wohl, was er nicht hat, geben?« – und der andere das verneinte und man daraufhin weiterfragte, ob einer etwas schnell hergeben könnte, das er nicht schnell (erworben) hat, und wenn der das bejahte, zöge man dann den Schluß: »Also kann doch einer geben, was er nicht hat!« – Klar, daß das nicht schlüssig gemacht ist: Das »schnell ...« ist kein »die-
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ses da geben«, sondern ein »in der Weise geben«; »wie« einer etwas nicht hat, kann er es sehr wohl geben, z. B., was er mit Freuden besitzt, gibt er unter Schmerzen her. Ähnlich sind auch alle derartigen (Fangschlüsse): »Nicht wahr, mit der Hand, die er nicht hat, kann er doch wohl schlagen ...?« Oder: »Mit dem Auge, das er nicht hat, kann er sehen ...?« – Er hat ja nicht nur eins. – Einige lösen das, indem sie sagen: Wer von irgendetwas, sei es Auge oder was sonst, mehr (als eines) hat, der hat davon auch »nur eins«. Andere (machen es) so wie (bei dem »Schluß«): »Was er hat, muß er erhalten haben; der hier hat (dem) nur einen Rechenstein gegeben; auch dieser hat dann« – sagen sie – »nur einen Rechenstein von dem.« Wieder andere machen sich gleich an die Aufhebung des Inhalts der Frage (die da unterstellte): Es ist möglich zu haben, was man nicht bekommen hat; z. B., man übernimmt süßen Wein, der aber während der Übernahme verdirbt, und hat nun sauren. Aber, was ja nun auch schon früher gesagt war, alle die zielen ihre Lösung nicht auf den Gang der Herleitung ab, sondern auf den Mann (der sie macht). Wenn das ja eine Lösung wäre, dann wäre man, nachdem man das Gegenteil (zu dem Behaupteten) erst einmal zugegeben hat, nicht mehr in der Lage, (die Sache) zu lösen, wie bei allen anderen Fällen auch, z. B., ist die Lösung: »In einem Sinne ist es das wohl, im anderen aber nicht«, so kommt, wenn man eingeräumt hat, es ohne jeden Zusatz aussagen zu dürfen, der Schluß doch zustande; wenn er jedoch nicht zustandekommen sollte, hätte auch die Lösung keinen Bestand. Bei den oben aufgezählten (Herleitungen) kommt aber, sagen wir, auch wenn alles eingeräumt wird, kein Schluß zustande. Auch noch folgende gehören zu dieser Art von Herleitungsreden: »Nicht wahr, was geschrieben dasteht, das hat doch einer geschrieben? Da steht aber jetzt geschrieben: Du sitzt, – ein falscher Satz; er war aber wahr zu dem Zeitpunkt, da er geschrieben wurde; da wurde also (ein Satz) aufgeschrieben, (der) zugleich wahr und falsch (ist)!« (Lösung:) Daß eine Rede oder eine Meinung falsch ist oder wahr, das bedeutet nicht ein
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»dieses da«, sondern weist hin auf ein »so und so beschaffen«, – bei »Meinung« ist es nämlich die gleiche Erklärung. – Und: »Nicht wahr, was ein Lernender lernt, das ist doch der Inhalt seines Lernens? Nun lernt aber jemand schnell, was »langsam« heißt ...« – Nun aber, (mit »schnell«) hat man nicht gesagt, was er lernt, sondern wie er lernt. Und: »Nicht wahr, was einer beim Spazieren begeht, darauf läuft er doch herum? Nun spaziert aber einer den ganzen Tag ...!« – Nein, damit hat er doch nicht gesagt, was er spaziert, sondern nur zu welcher Zeit er da spazierengeht, und das »den Becher trinken« (sagt ja) auch nicht, was der trinkt, sondern woraus. Und: »Nicht wahr, was einer weiß, das weiß er entweder, weil er's gelernt oder (weil er's selbst) gefunden hat? Bei Gegenständen, wo er einen Teil selbst gefunden, den anderen Teil (von anderen) gelernt hat, ist das »beides zusammen« dann also »keins von beiden«. – (Unterstellt) damit der (Fragesteller) nicht etwa das Ganze, der gefragte Inhalt aber ein jedes Einzelne? Und: Daß es eine Art »Dritter Mensch« geben soll neben »(Mensch) an und für sich« und all den Einzelmenschen (– das ist auch eine falsche Herleitung). (Lösung:) »Mensch« und jeder solche Allgemeinbegriff meint nicht ein »dieses da«, sondern ein »so und so beschaffen« oder »so und so viel« oder »im Verhältnis zu ...« oder irgendeine andere dieser Art (von Grundbestimmungen). Ähnlich ist es ja auch mit »Koriskos« und »gebildeter Koriskos«: Ist das das gleiche oder etwas verschiedenes? Der eine (Ausdruck) bezeichnet ein »dieses da«, der andere ein »so und so geartet«, so daß man das also gar nicht durch Darlegung herausstellen kann. Nicht das Heraussetzen macht aber den »Dritten Menschen«, sondern das Einräumen, («Mensch«) wäre so etwas wie ein »dieses da«; es geht nämlich nicht, ein »dieses da« zu sein, so wie Kallias, und (im Sinne von) »was denn Mensch ist«. Und wenn einer das Herausgesetzte nicht als ein »was dieses da wirklich sein soll« aussagte, sondern als ein »was in seinem Wesen so und so geartet«, dann macht das
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auch keinen Unterschied; dann wird es nämlich in den Augen der vielen Leute ein bestimmtes (Besonderes) sein, wie »Mensch« auch. So ist also einleuchtend: Man darf nicht zugeben, daß ein allgemein über alles hin Ausgesagtes ein »dieses da« sei, sondern (muß darauf bestehen, daßes) entweder ein »so und so beschaffen« oder »im Verhältnis zu ...« oder »so und so viel« oder etwas anderes dieser (Grundbestimmungen) meint. Kapitel 23. Aufs Ganze gesehen, bei den (sophistischen) Herleitungen, die über den sprachlichen Ausdruck gehen, wird die Auflösung immer am Gegenteil dessen sich festmachen, über das die Herleitung erfolgt ist, z. B., wenn die Herleitung über Zusammensetzung kam, so (ergibt sich) die Lösung für einen, der es auflöst, (umgekehrt) wenn (sie) über Trennung (herkam), so (ergibt sich die Lösung) für einen, der es wieder zusammensetzt. Und wieder, wenn (sie) auf dem Weg über scharfe Aussprache (kam), ist die dumpfe Betonung die Lösung, (umgekehrt) wenn über dumpfe, so die scharfe. Wenn (sie) über Bedeutungsverschiedenheit von Worten (kam), so ist das zu lösen, indem man die gegensätzliche Wortbedeutung ausagt, z. B., wenn sich ergibt, (von etwas, das lebt,) »hat keine Seele« sagen zu sollen, so soll man nein sagen, so sei es nicht, und dann klarmachen, daß es »mit Seele begabt« ist; wenn man aber selbst gesagt hat »ohne Seele« und der andere wollte auf »hat Seele« schließen, (so muß man dabei bleiben:) »Es ist ohne Seele«. Entsprechend auch bei der Zweideutigkeit von Ausdrücken. Wenn es aber über die Ähnlichkeit des Sprachausdrucks geht, so ist das (Herausstellen von etwas, das) dem entgegensteht, eine Lösung: »Nicht wahr, was einer nicht hat, könnte er (hiernach einem anderen) geben?« – Nein doch, nicht, was er nicht hat, sondern wie er es nicht hat, z. B. nur einen Würfel. – »Nicht wahr, was einer weiß, das weiß er doch, indem er es entweder (von anderen) gelernt oder (selbst) gefunden hat?« – (Mag ja sein), aber (das gilt) nicht für die einzelnen Wissensinhalte. Und wenn er schon »was er spaziert, betritt«, so (gilt das) nicht (für das) dann und solange. Entsprechend auch bei allem anderen.
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Kapitel 24. Den (Herleitungen) gegenüber, die über nebenbei zutreffende Eigenschaften herkommen, gibt es, und zwar für alle, eine einzige und dieselbe Lösung. Da nämlich unbestimmt ist, wann denn (etwas auch) von dem Gegenstand auszusagen ist, wenn es an einer nebenbei an ihm zutreffenden Eigenschaft vorliegt, und in einigen Fällen sieht es so aus und man sagt auch so, in anderen Fällen dagegen, sagt man, sei das nicht so, so muß man sagen, indem man es gleicherweise für alle Fälle zusammengebracht hat: Es ist nicht notwendig. Man muß aber immer Stoff zur Verfügung haben, um ein »zum Beispiel« vorbringen zu können. (Also:) Alle die folgenden Arten, etwas herzuleiten, gehen über nebenbei Zutreffendes: »Nicht wahr, du weißt, was ich dich gleich fragen werde?« – »Nicht wahr, du kennst den, der da herankommt, oder den, der sich verhüllt hat?« – »Nicht wahr, dies Standbild ist dein – Werk?« Oder: »Dieser Hund ist dein – Vater?« – »Nicht wahr, weniges mal wenig ergibt wenig?« – In all diesen Fällen ist ja offenkundig: Hier muß nicht notwendig, was von dem nebenbei Zutreffenden wahr ist, auch von der Sache gelten. Allein doch bei solchem, was in seinem Sein und Wesen ununterschieden ist und eine Einheit bildet, liegen offenkundig die genau gleichen Bestimmungen vor: Für »gut« ist es eben nicht daselbe, daß es gut ist und daß gleich danach gefragt werden soll; und für den »Herankommenden« oder »Verhüllten« (ist es nicht dasselbe), »herankommend« und »Koriskos« zu sein. Also (folgt) nicht: Wenn ich Koriskos kenne, aber nicht weiß, wer da herankommt (weil der sich unkenntlich gemacht hat), daß ich dann den gleichen kenne und nicht weiß, wer er ist. Und auch nicht: Wenn dies hier »mein« ist, und nun ist es auch noch ein »Werk«, daß dies daraufhin mein Werk ist, sondern nur, es ist dann (mein) »Besitz« oder (meine) Sache oder sonst so etwas. Auf gleiche Weise auch in den anderen Fällen. Nun lösen einige (die Sache) auf, indem sie die Frage auseinandernehmen. Sie sagen ja, es sei durchaus gegeben, das gleiche Ding sowohl zu kennen wie auch nichts davon zu wissen, nur freilich nicht in der gleichen Hinsicht: Da sie nicht wissen, wer da herankommt, aber den Koriskos kennen, sagen
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sie, kennten sie »das gleiche« und kennten es auch nicht, nur eben nicht im gleichen Hinblick. – Allerdings, erstens, wie wir schon gesagt haben, muß die Berichtigung der Reden, die über das gleiche laufen, auch die gleiche sein; diese aber wird das nicht sein, wenn man dieselbe Forderung nicht beim »kennen«, sondern beim »sein« oder »so und so sich verhalten« ansetzt, wie z. B. in dem Falle: Wenn der hier »Vater« ist, und er ist nun auch »dein« ..., mag denn also in einigen Fällen das ja richtig sein und mag es gehen, dasselbe zu kennen und nicht zu kennen, nur, hier leistet das Gesagte keinerlei Gemeinsamkeit. Nichts hindert (die Annahme), daß eine und dieselbe Herleitung mehrere Fehler enthält, aber das Zutagefördern der gesamten Fehlerhaftigkeit ist noch keine Lösung; es geht ja an, daß einer nachweist: Hier ist auf ein falsches Ergebnis geschlossen, über welche Schritte aber, das zeigt er nicht, z. B., was den »Beweis« Zenons angeht, daß es Bewegung nicht gäbe: Wenn da also einer versuchen wollte, das auf »unmöglich« hinzubringen, der ist auf der falschen Seite, und wenn er zehntausendmal »Schlüsse gezogen« hätte; das ist ja keine Lösung. Lösung – das war doch Sichtbarmachen des falschen Schlusses von dem Punkte aus, wo er den Fehler macht. Wenn nun die Schlußfolge nicht besteht – mag er es auf ein wahres oder ein falsches Ergebnis hinauszubringen versuchen –, so ist dieses Tatbestandes Klärung die Lösung. Vielleicht hindert in einigen Fällen auch nichts, daß sich das so ergibt, nur in diesen (genannten) Fällen wird es ja wohl nicht einmal so scheinen: Von Koriskos weiß man doch, daß er Koriskos ist, und von dem, was sich da nähert, (weiß man) daß es etwas ist, das sich da nähert. Es scheint aber doch möglich zu sein, von dem seihen sowohl Kenntnis zu haben als auch nicht, z. B. zu wissen: »Es ist weiß«, aber von »es ist gebildet« keine Kenntnis zu haben. So ja wohl »weiß« man von dem gleichen und weiß auch nicht; dagegen, was sich da nähert und Koriskos ist, davon weiß man (erstens), daß es sich nähert, und (zweitens, wenn es sich zu erkennen gibt), daß es Koriskos ist. Entsprechend wie die Genannten fehlen auch die, die da als Lösung anbringen: Jede Zahl ist gering, wenn sie doch, obwohl
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tatsächlich keine Schlußfolge besteht, genau an dem Punkt vorbeigehen und sagen, der zustandegekommene Schluß-Satz sei durchaus wahr – alles habe nämlich die Eigenschaft, sowohl »viel« wie auch »wenig« zu sein –, dann fehlen sie. Einige lösen solche »Schlüsse« wie: Das ist »dein Vater« oder »... Sohn« oder »... Diener« mithilfe der Doppeldeutigkeit. Doch offenkundig ist, wenn dieser Fangschluß anscheinend über die mehrfache Aussagebedeutung geht, dann muß das Einzelwort oder der Satz, im eigentlichen Sinn genommen, auf mehrerlei gehen können. Dagegen, »der ist der Sohn dessen« sagt niemand im eigentlichen Sinne, wenn er der Herr dieses Knaben ist, sondern die Zusammenfügung geht über »nebenbei zutreffend«: »Nicht wahr, das ist doch ›dein‹? – Ja. – Nun ist das aber ein Knabe; also ist das dein Knabe!« – Aber: Es gilt noch lange nicht »dein Knabe«, weil es ihm gleichzeitig zutrifft, erstens, »dein« zu sein und zweitens ein Knabe. Auch daß von »bösen« Dingen etwas »gut« sein soll (wird entsprechend behandelt): »Die Einsicht ist doch ein Wissen dessen, was böse ist ...« – Daß aber »das dessen« Verhältnisentsprechung ist, wird nicht in vielen Bedeutungen gesagt, sondern (meint) »Besitz«; wenn aber etwa doch in vielen Bedeutungen – wir sagen ja auch, daß der Mensch (Mitglied der Gattung) »der Lebewesen« sei, aber nicht im Besitz von ihnen; und wenn etwas »auf das Böse hin« ausgesagt wird als »dessen« (Kenntnis), so ist das deswegen »des Bösen« (Beziehungsentsprechung), aber dies ist nicht (Teil) »des Bösen« –, dann scheint das über »in der Hinsicht« und »ohne Zusatz« zu gehen. Indessen kann es vielleicht gegeben sein, daß etwas Gutes in zweideutiger Weise »des Bösen« (Entsprechung) ist, aber nicht in dieser (genannten) Herleitung, sondern wenn etwas dienend wäre, (es selbst) gut, (Diener) eines Schlechten, dann eher; vielleicht aber auch nicht einmal so: Wenn es »gut« ist und »dessen«, dann (gilt) ja durchaus nicht zugleich »gut dessen«. Auch zu sagen, »Mensch« ist (Art) der (Gattung) Lebewesen, wird nicht in vielerlei Bedeutung ausgesagt; denn wenn wir gelegentlich etwas in verkürzter Form aussagen, dann wird das dadurch ja nicht vieldeutig; wenn wir z. B. die halbe Zeile
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gesprochen haben, etwa: Gib mir das »Groll singe, Göttin ...«, so meinen wir damit die Ilias. Kapitel 25. Die (Trugschlüsse), die darüber gehen, daß im eigentlichen Sinne »dieses« oder »in der und der Hinsicht« oder »da und dort« oder »in der Weise« oder »im Verhältnis zu ...« gesagt wird, und nicht ohne Zusatz, sind zu lösen, indem man den Schluß-Satz auf seinen Widerspruch hin anschaut, ob es möglich ist, daß ihm eines davon widerfährt: Gegenüberliegendes, Entgegengesetztes, Bejahung und Verneinung können ohne Zusatz unmöglich an dem gleichen Gegenstand oder Sachverhalt) vorliegen, in der und jener Hinsicht allerdings doch jede der beiden Seiten, oder im Verhältnis zu ... oder so und wieder anders oder das eine in der Hinsicht, das andere schlechterdings – das anzunehmen hindert nichts. Also, wenn dies ohne Zusatz (vorliegt), das andere in der und der Hinsicht, so ist das noch keine Widerlegung. Das muß man an dem Schluß-Satz im Verhältnis zu seinem Widerspruch eben prüfen. Alle Redeweisen, die folgendes enthalten, sind von der Art: »Kann denn, was nicht ist, sein?« – Aber ja, es gibt doch bestimmte Dinge, die nicht sind! Entsprechend wird dann auch, was ist, nicht sein; irgendetwas unter dem, was es gibt, wird auch einmal nicht sein. (Und:) »Kann es sein, daß einer und derselbe gleichzeitig einen treuen und einen falschen Schwur tut?« – »Geht es, daß einer und derselbe einem und demselben gleichzeitig traut und nicht traut?« – Nun ja, dagegen: Weder ist »etwas bestimmtes sein« das gleiche wie »sein«: Wenn etwas »nicht ist«, wenn das dies und das Bestimmte »ist«, so ist es nicht schlechterdings schon; noch wenn einer einen treuen Schwur leistet, was den und den Inhalt angeht oder die und die Hinsicht, ist es dann notwendig, daß er (schlechterdings) einen treuen Schwur tut: Wer doch geschworen hat, einen Meineid leisten zu wollen, der leistet, wenn er dann den Meineid schwört, nur in diesem Punkte allein einen treuen Eid, aber er schwört nicht ohne Zusatz ehrlich; und auch wer jemandem nicht traut, vetraut nicht einfach so, sondern er tut es nur in einem bestimmten Punkte.
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Ähnlich ist auch die Rede, daß einer und derselbe gleichzeitig falsch und wahr sprechen könne, nur, weil hier nicht gut durchschaubar ist, was von beiden man denn angeben soll, entweder das zusatzlose die-Wahrheit-sagen oder das Falschreden, erscheint die Sache mißlich. Es hindert aber nichts die Annahme, daß er ohne Zusatz ein Falschredner ist, in dieser bestimmten Hinsicht und mit dieser einen Aussage aber einmal ehrlich, und (andersherum), daß er wahrhaftig ist mit bestimmten Aussagen, ohne Zusatz ist er es aber nicht. Entsprechend (geht es) auch mit den (Schlüssen unter Verwendung von) »im Verhältnis zu ...« und »da und dort« und »dann und dann«: Alle derartigen Schlußweisen kommen über folgendes zusammen: »Nicht wahr, Gesundheit und Reichtum sind ein Gut? Aber für den Unbesonnenen, der nicht den rechten Gebrauch davon macht, sind sie nicht gut; also sind sie gut und nicht gut.« – »Nicht wahr, Gesundsein ist besser als mächtig sein in der Stadt? Aber es gibt Umstände, da ist es nicht besser; also ist eines und dasselbe für einen und denselben gut und nicht gut.« – Nun ja, es hindert doch nichts, daß etwas, das ohne Zusatz gut ist, für diesen und jenen hier nicht gut ist, oder für den einen hier zwar gut, aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt oder nicht an dieser Stelle gut. – »Nicht wahr, was ein Vernünftiger nicht wollen würde, das ist doch schlecht? Nun will er aber nicht das Gute verlieren; also ist das Gute schlecht!« – Nun ist es ja doch nicht dasselbe, wenn man gesagt hat: »das Gute« ist schlecht, oder: »das Gute zu verlieren« (ist schlecht). Entsprechend die Rede (mit dem Namen) »der Dieb«: Es gilt ja nicht, wenn »Dieb« etwas Schlechtes ist, daß auch «erworben haben« schlecht ist; er will also gar nicht etwas, das schlecht ist, sondern was gut ist; (etwas) erworben haben ist doch gut. – Und: »Krankheit« ist zwar »schlimm«, aber sie losgeworden sein doch nicht. – »Nicht wahr, ›gerecht‹ und ›gerechtermaßen‹ sind doch dem ›ungerecht‹ und ›ungerechtermaßen‹ vorzuziehen; aber ungerechtermaßen zu Tode gekommen sein ist doch (dem gerechtermaßen ...) vorzuziehen.« – »Nicht wahr, ›gerecht‹ ist es doch, wenn jeder das Seine hat?
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Was dagegen ein (Richter) nach seinem eigenen Ermessen für einen Urteilsspruch fällt, auch wenn das falsch sein sollte, das gilt dann doch kraft Gesetzes; dasselbe ist dann also gerecht und ungerecht.« Und: »Muß man den richten, der ›gerecht spricht‹ oder den, der ›ungerecht spricht‹? Aber nun ja, wer da ein Unrecht erlitten hat, der ist doch berechtigt, hinreichend vorzutragen, was ihm angetan wurde; das war aber doch ›ungerecht‹!« Nein doch, (es gilt nicht): Wenn »etwas auf ungerechte Weise erleiden« vorzuziehen (dem Unrechttun), daß dann »ungerechtermaßen« vorzüglicher wäre als »gerechtermaßen«, sondern ohne Zusatz einerseits (ist) »gerechtermaßen« (vorzuziehen), in diesem oder jenem bestimmten Einzelfall allerdings hindert nichts, (daß) »ungerechterweise« (vorzüglicher ist) als ›gerechterweise‹. Und: »Das Seine haben« ist gerecht, dagegen »Fremdes (besitzen)« nicht gerecht. Allerdings, daß dieser oder jener Urteilsspruch gerecht sei, daran hindert nichts, etwa wenn er nach Ermessen des Richters (ergangen) ist; (es gilt) ja nicht: Wenn »gerecht« für diesen Fall und unter diesen Umständen, so auch schlechterdings gerecht. Entsprechend hindert ja auch nichts, wenn es sich um »Ungerechtes« handelt, daß es berechtigt ist, solches zur Aussage zu bringen; (es gilt) ja nicht: Wenn auszusagen »gerecht« ist, daß es dann notwendig nur »Gerechtes« sein müßte (was er aussagen darf), genauso wie nicht gilt, wenn es »sachdienlich« ist zu sprechen, (daß es dann unbedingt) »Sachdienliches« sein muß. Entsprechend auch mit »gerecht«. Also (gilt) nicht: Wenn das Vorgetragene »Ungerechtes« ist, daß dann einer, der »Ungerechtes sagt«, den Sieg davonträgt; er sagt ja nur, »was zu sagen berechtigt« ist, ohne Zusatz dagegen, und wenn es einem widerfährt, ist es ungerecht. Kapitel 26. Den (Herleitungen), die erfolgen entgegen der Begriffsbestimmung von Widerlegung, muß man, wie früher schon als Vorschrift gegeben ist, entgegentreten, indem man den Schluß-Satz auf seinen Widerspruch hin ansieht (um festzustellen), daß es auch wirklich der gleiche Gegenstand ist und (die Aussage) in der gleichen Hinsicht (erfolgt) und im Verhältnis zu dem gleichen (anderen) und in eben der Weise
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und für den gleichen Zeitpunkt. Wenn (der andere) aber zu Anfang zusätzliche Fragen stellt, so ist (z. B.) dem nicht zuzustimmen, daß es unmöglich wäre, daß eines und dasselbe doppelt und nicht doppelt ist, sondern man muß das zugeben, allerdings nicht so, daß es sein könnte, man wird widerlegt, wenn man seine Zustimmung gibt. Alle derartigen Reden kommen über folgendes zustande: »Nicht wahr, wer von einem jeden weiß, daß es ein jedes ist, der kennt doch das Ding? Und wer es nicht weiß, bei dem entsprechend. Nun kennt aber jemand den Koriskos und weiß, daß er es ist, und trotzdem mag er nicht wissen, daß der gebildet ist; also hat er von dem gleichen Kenntnis und kennt es auch wieder nicht.« – »Nicht wahr, was vier Ellen lang ist, ist doch größer, als was dreieilig ist. Nun kann aber doch wohl aus etwas drei Ellen Langem ein der Länge nach Viereiliges werden; das ›Größere‹ ist doch größer als ein ›Kleineres‹: Also wäre eines und dasselbe in einer und derselben Hinsicht größer und kleiner!« – Kapitel 27. Was die (Fehlschlüsse) angeht, die laufen über das Fordern und Sich-Nehmen der Anfangsannahme, so ist, wenn das klar vorliegt, dem Fragenden seine Sache nicht zuzugeben, auch nicht, wenn einem, der die Wahrheit sagt, (der angesetzte Inhalt) durchaus einleuchtend vorkommt. Ist (dieser Fehler) aber verborgen geblieben, so soll man die Unkenntnis, die sich in der Fehlerhaftigkeit solcher Reden verrät, auf den Fragenden umwenden, als einen Mann, der von Geprächsführung nichts versteht: denn Widerlegung erfolgt ohne Verwendung der Anfangsannahme. Sodann (soll man geltend machen): Man hat es zugegeben, nicht damit er von dieser Annahme Gebrauch mache, sondern (in der Erwartung), daß er dagegen Schlüsse ziehen werde, ganz im Gegenteil wie bei den Trugwiderlegungen. Kapitel 28. Und die (Fehlschlüsse), die die Sache mittels Folgeerscheinungen zusammenbringen, muß man (als solche) an dem Herleitungsverlauf selbst nachweisen. Die Folge der Anschlußereignisse ist aber eine doppelte: Entweder so, wie der Teilvorstellung das Allgemeine (folgt), wie z. B. dem (Be-
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griff) »Mensch« (der von) »Lebewesen« – es wird ja verlangt: Wenn das in Verbindung mit dem ..., so soll auch dies in Verbindung mit dem (ersteren) sein –; oder über die jeweiligen Entgegensetzungen: Wenn doch dies dem folgt, so auch dessen Gegenteil das Gegenteil (des zweiten). Über das geht ja auch der »Beweis« des Melissos: Wenn, was geworden ist, einen Anfang hat, so – fordert er – kann, was nicht geworden ist, keinen haben; also, wenn das Weltall ungeworden ist, so soll es auch grenzenlos sein. – Das gilt aber nicht: umgekehrt ist die Folge. Kapitel 29. Alle (Fehlschlüsse), die ihre Schlußfolge über Zusätze von etwas erreichen, muß man darauf hin ansehen, ob nach Fortnahme (des Zusatzes) das Unmögliche sich nicht weniger ergibt; und dann ist das deutlich zu machen, und man muß sagen, daß man dies nicht zugegeben hat als etwas, was man selbst meint, sondern als im Sinne der Herleitung, der andere aber hat es für die Herleitung gar nicht verwendet. Kapitel 30. Den (Fehlschlüssen) gegenüber, die aus mehreren Fragen eine machen, muß man gleich zu Anfang genaue Bestimmung treffen: Es ist eine Frage, auf die es eine Antwort gibt, also soll man weder mehreres an einem noch eines an vielem bejahen oder verneinen, sondern immer nur eines von einem. So wie aber bei bedeutungsverschiedenen Worten (eine Bestimmung) gelegentlich beiden, manchmal aber auch keinem von beiden zukommt, so daß also, obwohl die Frage nicht einfach ist, dem, der darauf einfach antwortet, doch nichts Unangenehmes widerfährt, entsprechend auch in diesen Fällen: Wenn also eine Mehrzahl (von Bestimmungen) auf einen (Gegenstand) zutrifft oder eine (Bestimmung) auf viele (Gegenstände), so tritt für einen, der das einfach hergibt und insoweit diesen Fehler macht, keine Widrigkeit ein, wohl aber, wenn (diese eine Bestimmung) dem einen (Gegenstand zutrifft), dem anderen aber nicht oder wenn mehrere (Bestimmungen) an mehreren (Gegenständen vorliegen). Und es kann sein, daß beides an beidem vorkommt, es kann aber wieder auch sein, daß das nicht der Fall ist, also muß man sich davor in acht nehmen, z. B. in folgenden Reden: Wenn eines (von zweien)
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»gut« ist, das andere »schlecht«, daß es dann von diesen (beiden) wahr wäre zu sagen »gut und schlecht« und auch wieder »weder gut noch schlecht« – es ist doch nicht jedes der beiden ein jedes von beiden –, also ist hier dasselbe »gut und schlecht« und auch »weder gut noch schlecht«. Und: Wenn ein jedes »im Verhältnis zu sich selbst das gleiche wie es selbst« ist, aber auch »von anderem verschieden«, (ergibt sich): Da (die Dinge) nicht das gleiche sind wie andere, sondern wie sie selbst und aber auch verschieden von einander, so sind also ein und dieselben Dinge verschieden von sich selbst und dasselbe wie sie selbst! Weiter: Wenn etwas »Gutes« schlecht wird und etwas »Schlechtes« gut, so wären es ja wohl zwei (Bestimmungen), die da (durch Veränderung) entstanden wären; von zweien aber, die unter einander ungleich sind, ist jede von beiden im Verhältnis zu sich selbst gleich; also wäre hier das gleiche mit sich selbst gleich und ungleich. Diese (Fehlschlüsse) fallen nun auch unter andere Lösungen: Sowohl »beide« wie auch »alle« bedeuten mehrerlei; es tritt hier ein, durchaus nicht dasselbe, außer dem bloßen Wort, zu bejahen oder zu verneinen, das aber war nicht Widerlegung, sondern klar ist: Würde hier nicht aus mehreren Fragen eine einzige, sondern wäre je eines von einem behauptet oder verneint, so wird die Unmöglichkeit gar nicht auftreten. Kapitel 31. Bei den (Redeweisen), die einen dazu bringen, oftmals sich zu wiederholen, liegt auf der Hand, daß man nicht zugeben darf, daß die Aussageformen, die nur im Verhältnis zu etwas ausgesagt werden, für sich abgetrennt etwas bedeuteten, z. B. »doppelt« (für sich) anstatt von »doppelt im Verhältnis zu einem Halben«, weil das darin miterscheint. (So erscheint) ja auch »zehn« in »zehn weniger eins« und »handeln« in »nicht handeln«, und allgemein, in der Verneinung die Bejahung. Aber trotzdem gilt nicht: Wenn einer sagt »das ist nicht weiß«, daß er dann auch sagt »dies ist weiß«, Aber »doppelt« bezeichnet vielleicht gar nichts, wie auch »halb« nicht; und wenn es denn auch etwas bedeuten sollte, so doch bestimmt nicht dasselbe wie beide aufeinander bezogen. Auch »Wissen«, in seine bloße Art gesetzt – z. B. wenn da ist »ärzt-
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liches Wissen« –, (bezeichnet nicht das gleiche) wie die vollständige Vorstellung; das war doch: »Wissen von etwas, das gewußt werden kann«. Bei Bestimmungen, die über etwas ausgesagt werden, das durch sie erst klar bezeichnet wird, muß man sagen: Das Gemeinte, für sich genommen und im Zusammenhang der Rede, ist nicht das gleiche; »krumm« (z. B.) bedeutet, allgemein genommen, dasselbe im Fall von »stupsnasig« und »säbelbeinig«, als Zusatz zu anderem hindert nichts, daß es dann je anderes bedeuten kann, einmal im Fall der Nase, das andere Mal für die Schenkel: da nun also bedeutet es »stupsnasig«, dort eben »säbelbeinig«, und es macht keinen Unterschied zu sagen »stupsnasige Nase« oder »krumme Nase«. – Weiter darf man diesen Ausdruck nicht geradewegs zugeben, denn das ist falsch. Es gilt ja nicht: »stupsnasig« ist »eingedrückte Nase«, sondern »dies und das von Nase«, z. B. eine Gestaltung an ihr; also ist es nichts Unsinniges, wenn »stupsnasige Nase« eben eine Nase ist, die eine Naseneinkrümmung aufweist. Kapitel 32. Über die Sprachschnitzer, über welches Vorgehen sie offenbar auftreten, haben wir früher gesprochen. Wie das zu lösen ist, wird anhand der Redeverläufe selbst deutlich werden; es sind alle der folgenden Art, die das zuwegebringen wollen: »Nicht wahr, was du wahrheitsgemäß sagst, das ist doch auch in Wirklichkeit? Nun bezeichnest du doch etwas als einen Stein; es ist also etwas einen Stein.« – Nun ja, »einen Stein« zu sagen, das bezeichnet nicht ein »was«, sondern ein »wen«, und nicht ein »dieses«, sondern ein »den«.Wenn nun jemand fragen wollte: »Nicht wahr, von wem du wahrheitsgemäß aussagst, daß er ist, den ist doch«, der scheint ja wohl nicht griechisch zu können, genauso nicht, wie wenn einer fragen wollte: »Nicht wahr, die (Frau), von der du sagst, daß es sie gibt, der ist doch?« Holz aber mit »der« zu bezeichnen, oder alles, was da weder ein »männlich« noch ein »weiblich« bezeichnet, das macht keinen Unterschied; daher ergibt es keinen Sprachschnitzer, (wenn man sagt:) Wenn das, wovon du sagst, es sei, auch wirklich ist, nun sagst du aber »es gibt Holz«, also ist Holz; dagegen »Stein« und »der« hat die Beu-
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gung von »männlich«.Wenn denn also einer fragte: »Ist dieser diese?«, und dann wieder: »Was denn, ist der nicht Koriskos?«, und dann würde er sagen: »Also ist der die«, dann hat er den Sprachschnitzer nicht durch Schluß erreicht, auch dann nicht, wenn der Ausdruck »Koriskos« ein wesensmäßiges »sie« bedeutet, der Antwortende das aber nicht zugibt, sondern dies muß man eben durch zusätzliche Fragen beibringen. Wenn es das aber weder ist noch (der andere) es zugibt, so ist es nicht erschlossen, weder der Sache nach noch dem Gefragten gegenüber. Entsprechend muß man nun auch in dem anderen Fall den Stein mit »dieser« bezeichnen. Wenn das aber weder so ist noch zugestanden ist, dann darf der Schluß-Satz nicht ausgesprochen werden; der Schein aber (daß man es dürfe) entsteht dadurch, daß die ungleiche Formveränderung des Wortes ähnlich erscheint. (Z. B.): »Nicht wahr, es ist doch wahr zu sagen: Als was du diesen hier bezeichnest, das ist (er,sie,es) auch? Nun nennst du das aber einen Schild, also ist das einen Schild.« – Aber das muß doch nicht sein, wenn das »dieser« nicht »einen Schild« meint, sondern »ein Schild«. (Es gilt ja) auch nicht: Als was du diesen bezeichnest, das ist er auch; du nennst ihn aber den Kleon, also ist der den Kleon. Der ist nämlich nicht »den Kleon«; es ist nämlich gesagt: Als was ich diesen bezeichne, das ist der, nicht den. Es wäre ja auch nicht den Regeln der griechischen Sprache gemäß, wollte man so fragen: »Nicht wahr, das kennst du doch? Das ist aber ein Stein. Also kennst du ein Stein!« – Oder ist es nicht vielmehr so: Das »dies« meint nicht dasselbe in (der Frage) »kennst du dies?« und in (der Feststellung) »dies ist ein Stein«, sondern im ersten Fall (bezeichnet es) »diesen«, im zweiten »dieser«. – »Nicht wahr, wovon du Kenntnis hast, das kennst du doch? Du hast aber Kenntnis des Steins. Du kennst also des Steins.« – Nein doch, »wessen« sagt »des Steins«, aber »das« »ein Stein«; nun war aber zugegeben »wessen Kenntnis« du hast – nicht »dessen« kennst du, sondern »das«, also (kennt man) nicht »des Steins«, sondern »den Stein«. Daß nun also derartiges Gerede einen Sprachverstoß nicht durch Schluß herbeibringt, sondern nur so scheint, und warum
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das so aussieht und wie man sich dagegen wehren muß, das ist aus dem Gesagten klar. Kapitel 33. Man muß auch bedenken, daß von allen Redeweisen die einen leicht zu durchschauen sind, die anderen schwieriger, über welchen Weg und in welchem Punkte sie den Hörer hinters Licht führen, wo doch (die letzteren) oft die gleichen sind, wie die ersteren: man muß es doch die gleiche Herleitung nennen, wenn das über denselben Weg geht. Es kann aber ein und derselbe Herleitungsverlauf den einen (Leuten) über den sprachlichen Ausdruck, den anderen über nebenbei zutreffende Bestimmungen, wieder anderen über anderes zu erfolgen scheinen, weil ein jeder in der Übertragung nicht gleichermaßen klar ist. Wie nun also bei den (Trugschlüssen) über Bedeutungsverschiedenheit von Worten, was die einfältigste Weise der Fehlschlüsse zu sein scheint, einiges sogar den erstbesten Leuten schon klar ist – auch die so ziemlich lächerlichen Reden gehen alle über den Sprachausdruck, z. B.: »Ein Mann trug einen ›Wagen‹ die Treppe herab« und: »Wohin zieht ihr? – Die Rahe hoch!« und: »Welche Kuh kalbt ›von vorn‹? – Keine, nämlich beide auf der Rückseite!« und: »Ist der Nordwind ›rein‹? – Nein, er hat den betrunkenen Bettler umgebracht!« und: »Ist Euarchos ›sauber‹? – Nein, aber Apollonides!« – von der gleichen Art sind so ziemlich die allermeisten davon; anderes dagegen scheint sogar den kundigsten Leuten zu entgehen: Anzeichen davon ist, daß die Leute sich oft um Worte streiten, z. B. ob »seiend« und »eines« in allen Zusammenhängen das gleiche meint oder je etwas verschiedenes; den einen scheint »seiend« und »eines« je das gleiche zu bedeuten, andere lösen die Rede von Zenon und Parmenides damit auf, daß »eines« und »seiend« eben in vielen Bedeutungen gesagt werde. Entsprechend sind auch von den (Trugschlüssen) über nebenbei Zutreffendes und über jeden der anderen Wege die einen leicht zu durchschauen, die anderen Redeweisen schwieriger, und zu erfassen, in welche Gruppe sie gehören und ob das je eine tatsächliche Widerlegung ist oder nicht, das ist nicht gleichermaßen einfach bei allen.
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Hinterlistig ist jede Rede, die in höchstem Maße Verlegenheit schafft; die tut am meisten weh. Die Verlegenheit kann zweifach sein: Die eine Art liegt in dem erschlossenen Ergebnis (wo man sich fragt): Welchen der Frage-Inhalte kann man denn streichen? Die andere (liegt) in dem streitsüchtigen Verfahren: Wie hat der denn das Vorgelegte gemeint? Die listigeren Herleitungen unter den auf Schluß beruhenden erfordern also mehr Suche. Eine auf Schluß beruhende Herleitung ist dann am listigsten, wenn sie von höchst wahrscheinlichen Annahmen aus einen sehr einleuchtenden Satz aufhebt; da es doch eine einheitliche Herleitung ist, wird sie, bei umgesetztem Widerspruch, alle Schlüsse entsprechend haben: Immer wird sie aufgrund von Einleuchtendem ein genauso Einleuchtendes aufheben; daher ist es notwendig, in Verlegenheit zu geraten. In höchstem Maße ist nun also eine solche (Herleitung) hinterlistig, die dem Schluß-Satz den gleichen Wert gibt wie den (darauf hinführenden) Fragen. An zweiter Stelle (steht die), welche (das) aus lauter gleichen (Voraussetzungen schafft); die bewirkt entsprechende Verlegenheit, welche von den Fragen man denn aufheben soll; das ist schwierig: Aufheben muß man etwas, was aber zu streichen ist, ist unklar. Von den spitzfindigen (Schlüssen) ist der der unangenehmste, der von Anfang an unklar läßt, ob er nun auf Schluß beruht oder nicht und ob die Lösung über Falschaussage oder Begriffsunterscheidung zu gehen hat. An zweiter Stelle unter allen übrigen (steht der), welcher zwar (in dem Punkte) klar ist, daß (die Lösung) über Unterscheidung oder Aufhebung geht, wobei doch nicht offenkundig ist, welche der Fragen man aufheben oder genauer unterscheiden muß, um ihn zu lösen, oder ob diese (Lösung) über den Schluß-Satz oder über eine der Fragen zu gehen hat. Gelegentlich ist eine nicht auf Schluß beruhende Herleitung einfältig, wenn die Annahmen dazu allzu unwahrscheinlich sind oder (offenkundig) falsch; manchmal dagegen ist sie nicht verachtenswert. Wenn sie nämlich eine der Fragen wegläßt, um die doch die Rede geht und derentwegen (sie stattfindet), so ist der Schluß, wenn er das nicht hinzunimmt und also auch
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nicht geschlossen hat, einfältig; wenn (dies Fortgelassene) aber zu außerhalb liegenden (Annahmen) gehört, dann ist er durchaus nicht leicht zu verachten, sondern die Herleitung ist schon angemessen, nur, der Fragende hat nicht sauber gefragt. Es gilt aber: Wie man einerseits die Lösung ansetzen kann auf den Herleitungsverlauf hin, ein andermal auf den Fragenden und die (Art seiner) Frage hin, gelegentlich auch auf keins von beiden, genauso geht es auch, die Fragen zu stellen und Schlüsse zu ziehen, erstens, auf die aufgestellte Behauptung hin, zweitens auf den Antwortenden hin, drittens auf Zeitgewinn hin, wenn nämlich die Lösung zeitaufwendiger sein sollte, als man gegenwärtig Zeit hat, das Gespräch auf eine Lösung hin führen zu können. – Kapitel 34. Von wievielen Ausgangspunkten aus und von was für welchen sich den am Gespräch Beteiligten Trugschlüsse ergeben, und wie wir einerseits zeigen können, daß einer falsche Aussagen macht, andererseits jemanden dazu bringen können, widersinnige Behauptungen aufzustellen, sodann, aus was für Schritten ein Schluß entsteht, und wie man Fragen stellen muß, und welches die Anordnung der Fragen ist, sodann, wozu alle derartigen Redeweisen brauchbar sind, und allgemein über jede Form von Antwort, und wie man die Herleitungen und die Schlüsse lösen muß: über all das soll von uns dies vorgetragen sein. – Bleibt noch übrig, uns an unser anfängliches Vorhaben zu erinnern, kurz etwas darüber zu sagen und dem Vorgetragenen ein Ende zu setzen. Wir hatten uns nun also vorgenommen, eine bestimmte Fähigkeit aufzufinden, die da aus vorliegenden, möglichst einleuchtenden (Annahmen) Schlüsse ziehen kann über eine aufgestellte Behauptung. Das ist ja die Aufgabe der Kunst der Gesprächsführung an und für sich und der auf die Probe stellenden (insbesondere). Da aber zunächst einmal auf sie hin zu rüsten ist wegen ihrer Nachbarschaft zur Kunst der Fangschlüsse, sodaß man in der Lage ist, nicht allein in bloßer Gesprächsweise den Zugriff zu nehmen (auf falsche oder unwahrscheinliche Behauptungen), sondern wie einer, der es weiß, deshalb haben wir nicht allein die genannte Aufgabe
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der Anstregung zugrundegelegt, nämlich es zu verstehen, daß man Begründungen bekommt, sondern auch daß man selbst Rede und Antwort steht und eine aufgestellte Behauptung widerspruchsfrei mittels möglichst einsehbarer (Begründungen) durchhalten kann. Die Ursache haben wir dafür vorgetragen, während doch eben deswegen Sokrates nur Fragen stellte, selbst aber keine Antworten gab: er gab ja zu, es nicht zu wissen. Es ist in den vorliegenden (Vorträgen) geklärt, auf wieviele Gegenstände hin und von wievielen Gesichtspunkten aus das gehen kann, und von wo aus wir dafür eine Menge Stoff gewinnen können, sodann auch, wie man Fragen stellen muß und wie die ganze Fragerei anzuordnen ist, und auch über Antworten und Lösungen gegenüber Schlußergebnissen. Klarheit ist auch geschaffen bezüglich aller anderen (Fragen), die zu dem gleichen Wissensgebiet, der herleitenden Rede nämlich, gehören. Zudem sind wir auch die Fragen, die Trugschlüsse betreffend, durchgegangen, wie wir ja schon früher gesagt haben. Daß nun also, was wir uns vorgenommen hatten, in hinreichender Weise ein Ende gefunden hat, ist offenkundig. Es darf uns aber nicht entgehen, was, diese Anstrengung betreffend, eintritt: Von allem, was so gefunden wird, ist einiges von anderen schon früher ergriffen und mit Mühe ausgearbeitet worden; es ist dann Stück für Stück fortgeschritten unter der Arbeit derer, die es später übernahmen. Anderes, das neu gefunden wird, pflegt zunächst nur geringen Fortschritt zu nehmen, der allerdings viel nutzbringender ist als alle spätere Vermehrung daraus. Das Größte ist ja wohl der Anfang von allem, wie das Sprichwort sagt. Daher ist er auch das Schwierigste. Je wirkungsmächtiger das ist, desto winzigkleiner ist es an Größe und daher am schwierigsten zu Gesichte zu bekommen. Ist dieser (Anfang) aber erst einmal gefunden, so ist es leichter, das übrige hinzuzusetzen und zu mehren. So ist es doch mit den Anweisungen für Redner geschehen und auch so ziemlich für alle übrigen Fertigkeiten: Die davon die Anfänge fanden, brachten es nur sehr wenig voran; die jetzt darin den großen
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Namen haben, übernahmen es von vielen, die es Stück für Stück wie von Hand zu Hand weiterreichten und voranbrachten, und so haben sie es gemehrt, Teisias nach den ersten, Thrasymachos nach Teisias, Theodoros nach diesen, und viele haben viele Stücke beigetragen; daher ist es kein Wunder, daß diese Fertigkeit nun Fülle hat. Von dieser Anstrengung dagegen (die ich hier vorgetragen habe) war nicht einiges schon vorher ausgearbeitet, anderes noch nicht, sondern es lag noch gar nichts vor. Die Ausbildung bei denen, die mit spitzfindigem Gerede auf Gelderwerb aus waren, war ja so ähnlich wie das Geschäft des Gorgias: Die einen gaben Rednerkunststücke, die anderen Herleitungen in Frageform zum Auswendiglernen, woraufhin doch, so glaubten sie, allermeist ihre beiderseitigen Reden hinauslaufen würden. Daher war für die, die bei ihnen lernten, der Unterricht zwar schnell gemacht, aber plump: wo sie doch keine wirkliche Fertigkeit lieferten, sondern nur Erzeugnisse von Fertigkeit, meinten sie auszubilden, so wie wenn einer mit der Behauptung, er reiche ein Wissen weiter, wie man sich die Füße nicht wundstößt, daraufhin nicht die Schusterkunst lehrte und auch nicht, woher man derlei (Mittel und Wege) erlangen kann, stattdessen aber stellte er viele Arten vielfältiger Schuhe hin: der hat ja wohl zwar einem Bedürfnis abgeholfen, eine Fertigkeit hat er nicht weitergereicht. Was die Kunst der Redner angeht, so war viel alter Lehr- und Vortragsstoff vorhanden; was das genaue Schlüsseziehen betrifft, so hatten wir früher gar nichts vorzutragen als nur, daß wir, zeitaufwendig herumsuchend, uns lange abmühten. Wenn es euch, indem ihr die Sache anschaut, so scheint, daß – angesichts solcher anfänglicher Vorgaben – dieser Entwurf einer Lehre einigermaßen gut dasteht im Vergleich zu den anderen Ausarbeitungen, die infolge des Weiterreichens gewachsen sind, so wäre es nunmehr noch Aufgabe von euch allen, die es gehört haben, dafür, daß Stücke in dieser wegbereitenden Untersuchung noch fehlen, Nachsicht zu gewähren, für das Gefundene aber viel Anerkennung.
Zu diesem Band
Band 2 dieser Ausgabe enthält mit der Topik und den Sophistischen Widerlegungen zwei Texte, die dem sogenannten Organon, also den logischen und methodischen Schriften des Aristoteles zugerechnet werden. Die Schrift Sophistische Widerlegungen (De sophisticis elenchis) wird meist als neuntes Buch der Topik bezeichnet und ist dieser als Anhang beigegeben. Beide Texte sind dem Band 492 der Philosophischen Bibliothek, ersch. 1997, entnommen und wurden von Hans Günter Zekl übersetzt. An- und Abführungszeichen (einfache und doppelte) werden sowohl für Zitate als auch für Hervorhebungen verwendet; sie sind, ebenso wie Kursivierungen, Stilmittel der Übersetzung und finden sich nicht im griechischen Originaltext. Ergänzungen von Wörtern, die nicht ausdrücklich im griechischen Text stehen, sind in runde Klammern eingeschlossen. Um ein leichtes und schnelles Auffinden gesuchter Textstellen zu ermöglichen, wird am Seitenrand die Paginierung der Gesamtausgabe der überlieferten Werke Aristoteles’ von Immanuel Bekker (Berlin 1831–1870) mitgeführt, nach der üblicherweise zitiert wird.
ARISTOTELES
PHILOSOPHISCHE SCHRIFTEN in sechs Bänden
Band 3
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
ARISTOTELES
Nikomachische Ethik Nach der Übersetzung von eugen rolfes
bearbeitet von günther bien
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 723
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INHALT
Nikomachische Ethik
1. Buch 9 2. Buch 35 3. Buch 53 4. Buch 83 5. Buch 111 6. Buch 141 7. Buch 163 8. Buch 195 9. Buch 223 10. Buch 249 Zu diesem Band 279
ARISTOTELES Nikomachische Ethik
ERSTES BUCH
Erstes Kapitel1 Jede Kunst und jede Lehre, desgleichen jede Handlung und jeder Entschluß, scheint ein Gut zu erstreben, weshalb man das Gute treffend als dasjenige bezeichnet hat, wonach alles strebt. Doch zeigt sich ein Unterschied der Ziele. Die einen sind Tätigkeiten, die anderen noch gewisse Werke oder Dinge außer ihnen. Wo bestimmte Ziele außer den Handlungen bestehen, da sind die Dinge ihrer Natur nach besser als die Tätigkeiten. Da der Handlungen, Künste und Wissenschaften viele sind, ergeben sich auch viele Ziele. Das Ziel der Heilkunst ist die Gesundheit, das der Schiffsbaukunst das Schiff, das der Strategik der Sieg, das der Wirtschaftskunst der Reichtum. Wo solche Verrichtungen unter einem Vermögen stehen, wie z. B. die Sattlerkunst und die sonstigen mit der Herstellung des Pferdezeuges beschäftigten Gewerbe unter der Reitkunst, und diese wieder nebst aller auf das Kriegswesen gerichteten Tätigkeit unter der Strategik, und ebenso andere unter anderen, da sind jedesmal die Ziele der architektonischen, d.h. der leitenden Verrichtungen vorzüglicher als die Ziele der untergeordneten, da letztere nur um der ersteren willen verfolgt werden. Und hier macht es keinen Unterschied, ob die Tätigkeiten selbst das Ziel der Handlungen bilden oder außer ihnen noch etwas anderes, wie es bei den genannten Künsten der Fall ist. Wenn es nun ein Ziel des Handelns gibt, das wir seiner selbst wegen wollen, und das andere nur um seinetwillen, und wenn wir nicht alles wegen eines anderen uns zum Zwecke setzen – denn da ginge die Sache ins Unendliche fort, und das menschliche Begehren wäre leer und eitel –, so muß ein solches Ziel offenbar das Gute und das Beste sein. Sollte seine Erkenntnis nicht auch für das Leben eine große Bedeutung haben und uns helfen, gleich den Schützen, die ein festes Ziel haben, das
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Rechte besser zu treffen? So gilt es denn, es wenigstens im Umriß darzustellen und zu ermitteln, was es ist und zu welcher Wissenschaft oder zu welchem Vermögen es gehört. Allem Anschein nach gehört es der maßgebendsten und im höchsten Sinne leitenden Wissenschaft an, und das ist offenbar die Staatskunst. Sie bestimmt, welche Wissenschaften oder Künste und Gewerbe in den Staaten vorhanden sein, und welche und wie weit sie von den Einzelnen erlernt werden sollen. Auch sehen wir, daß die geschätztesten Vermögen: die Strategik, die Ökonomik, die Rhetorik, ihr untergeordnet sind. Da sie also die übrigen praktischen Wissenschaften in den Dienst ihrer Zwecke nimmt, auch autoritativ vorschreibt, was man zu tun und was man zu lassen hat, so dürfte ihr Ziel die Ziele der anderen als das höhere umfassen, und dieses ihr Ziel wäre demnach das höchste menschliche Gut. Denn wenn dasselbe auch für den Einzelnen und für das Gemeinwesen das gleiche ist, so muß es doch größer und vollkommener sein, das Wohl des Gemeinwesens zu begründen und zu erhalten. Man darf freilich schon sehr zufrieden sein, wenn man auch nur einem Menschen zum wahren Wohle verhilft, aber schöner und göttlicher ist es doch, wenn dies bei einem Volke oder einem Staate geschieht. Darauf also zielt die gegenwärtige Disziplin ab, die ein Teil der Staatslehre ist. Was die Darlegung betrifft, so muß man zufrieden sein, wenn sie denjenigen Grad von Bestimmtheit erreicht, den der gegebene Stoff zuläßt. Die Genauigkeit darf man nicht bei allen Untersuchungen in gleichem Maße anstreben, so wenig als man das bei den verschiedenen Erzeugnissen der Künste und des Handwerks tut. Das sittlich Gute und das Gerechte, das die Staatswissenschaft untersucht, zeigt solche Gegensätze und solche Unbeständigkeit, daß es scheinen könnte, als ob es nur auf dem Gesetz, nicht auf der Natur beruhe. Und eine ähnliche Unbeständigkeit haftet auch den verschiedenen Gütern und Vorzügen an, indem viele durch sie zu Schaden kommen. Schon mancher ist wegen seines Reichtums und mancher wegen seines Mutes zugrunde gegangen. So muß man sich denn, wo die Darstellung es mit einem solchen Gegenstand zu tun
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hat und von solchen Voraussetzungen ausgeht, damit zufrieden geben, die Wahrheit in gröberen Umrissen zu beschreiben. Und ebenso muß man, wo nur das häufiger Vorkommende behandelt und vorausgesetzt werden kann, auch nur solches folgern wollen. Ganz ebenso hat aber auch der Hörer die einzelnen Sätze aufzunehmen. Darin zeigt sich der Kenner, daß man in den einzelnen Gebieten je den Grad von Genauigkeit verlangt, den die Natur der Sache zuläßt, und es wäre genauso verfehlt, wenn man von einem Mathematiker Wahrscheinlichkeitsgründe annehmen, wie wenn man von einem Redner in einer Ratsversammlung strenge Beweise fordern wollte. Jeder beurteilt nur dasjenige richtig, was er kennt, und ist darin ein guter Richter; deshalb wird für ein bestimmtes Fach der darin Unterrichtete und schlechthin der in allem Unterrichtete gut urteilen können. Darum ist ein Jüngling kein geeigneter Hörer der Staatswissenschaft. Es fehlt ihm die Erfahrung im praktischen Leben, dem Gegenstand und der Voraussetzung aller politischen Unterweisung. Auch wird er, wenn er den Leidenschaften nachgeht, diesen Unterricht vergeblich und nutzlos hören, da dessen Zweck nicht das Wissen, sondern das Handeln ist. Es macht hier auch keinen Unterschied, ob einer an Alter oder an Charakter der Reife ermangelt. Denn der Mangel hängt nicht von der Zeit ab, sondern kommt daher, daß man der Leidenschaft lebt und nach ihr seine Ziele wählt. Für solche Leute bleibt das Wissen ebenso nutzlos wie für den Unenthaltsamen, der das Gute will und es doch nicht tut. Wohl aber dürfte für diejenigen, die ihr Begehren und Handeln vernunftgemäß einrichten, diese Wissenschaft von großem Nutzen sein. So viel stehe als Einleitung über den Hörer, über die Art, wie wir verstanden sein wollen, und über den Gegenstand, den wir zu behandeln haben.
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Zweites Kapitel2
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Nehmen wir jetzt wieder unser Thema auf und geben wir, da alles Wissen und Wollen nach einem Gute zielt, an, welches man als das Zielgut der Staatskunst bezeichnen muß, und welches im Gebiete des Handelns das höchste Gut ist. Im Namen stimmen hier wohl die meisten überein: Glückseligkeit nennen es die Menge und die feineren Köpfe, und dabei gilt ihnen Gut-Leben und Sich-gut-Gehaben mit Glückselig-Sein als eins. Was aber die Glückseligkeit sein soll, darüber entzweit man sich, und die Menge erklärt sie ganz anders als die Weisen. Die einen erklären sie für etwas Greifbares und Sichtbares wie Lust, Reichtum und Ehre, andere für etwas anderes, mitunter auch dieselben Leute bald für dies bald für das: der Kranke für Gesundheit, der Notleidende für Reichtum, und wer seine Unwissenheit fühlt, bewundert solche, die große, seine Fassungskraft übersteigende Dinge vortragen. Einige dagegen meinten, daß neben den vielen sichtbaren Gütern ein Gut an sich bestehe, das auch für alle diesseitigen Güter die Ursache ihrer Güte sei. Alle diese Meinungen zu prüfen dürfte der Mühe nicht verlohnen; es wird genügen, wenn wir uns auf die gangbarsten und diejenigen, die einigermaßen begründet erscheinen, beschränken. Wir müssen hierbei vor Augen halten, daß ein großer Unterschied ist zwischen den Erörterungen, die von den Prinzipien ausgehen, und denen, die zu ihnen aufsteigen. Das war ja die Frage, welche auch Plato mit Recht aufwarf und untersuchte, ob der Weg von den Prinzipien aus- oder zu ihnen hingehe, ähnlich wie man in der Rennbahn von den Preisrichtern nach dem Ziel läuft oder umgekehrt. Man muß also ohne Zweifel mit dem Bekannten anfangen; dieses ist aber zweifach: es gibt ein Bekanntes für uns und ein Bekanntes schlechthin. Wir nun werden wohl mit dem für uns Bekannten anfangen müssen. Deshalb muß man eine gute Charakterbildung bereits mitbringen, um die Vorträge über das sittlich Gute und das Gerechte, überhaupt über die das staatliche Leben betreffen-
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den Dinge, in ersprießlicher Weise zu hören. Denn wir gehen hier von dem „Daß“ aus, und ist dieses hinreichend erklärt, so bedarf es keines „Darum“ mehr. Wer nun so geartet ist, der kennt entweder die Prinzipien schon oder kann sie doch leicht erlernen. Bei wem aber weder das eine noch das andere gilt, der höre, was Hesiod sagt: Der ist von allen der Beste, der selber jegliches findet. Aber auch jener ist tüchtig, der guter Lehre Gehör gibt. Wer aber selbst nichts erkennt, noch fremden Zuspruch bedächtig Bei sich erwägt, der ist wohl unnütz unter den Menschen.
Drittes Kapitel3 Wir aber wollen den Punkt erörtern, von dem wir abgeschweift sind. Nimmt man die verschiedenen Lebensweisen in Betracht, so scheint es einmal nicht grundlos, wenn die Menge, die rohen Naturen, das höchste Gut und das wahre Glück in die Lust setzen und darum auch dem Genußleben frönen. Drei Lebensweisen sind es nämlich besonders, die vor den anderen hervortreten: das Leben, das wir eben genannt haben, dann das politische Leben und endlich das Leben der philosophischen Betrachtung. Die Menge nun zeigt sich ganz knechtisch gesinnt, indem sie dem Leben des Viehs den Vorzug gibt, und doch kann sie zu einiger Rechtfertigung anführen, daß viele von den Hochmögenden die Geschmacksrichtung des Sardanapal teilen. Die edlen und tatenfrohen Naturen ziehen die Ehre vor, die man ja wohl als das Ziel des öffentlichen Lebens bezeichnen darf. Indessen möchte die Ehre doch etwas zu Oberflächliches sein, als daß sie für das gesuchte höchste Gut des Menschen gelten könnte. Scheint sie doch mehr in den Ehrenden als in dem Geehrten zu sein. Vom höchsten Gute aber machen wir uns die Vorstellung, daß es dem Menschen innerlich zu eigen ist und nicht so leicht verlorengeht. Auch scheint man die Ehre
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zu suchen, um sich selbst für gut halten zu können. Denn man sucht von den Einsichtigen und denen, die einen kennen, geehrt zu werden, und zwar um der Tugend willen. So muß denn, falls ein solches Verhalten etwas beweist, die Tugend das Bessere sein. Nun könnte man ja vielmehr diese für das Ziel des Lebens in der staatlichen Gemeinschaft ansehen. Aber auch sie erscheint als ungenügend. Man kann offenbar auch schlafen, während man die Tugend besitzt, oder sein Leben lang keine Tätigkeit ausüben und dazu noch die größten Übel und Mißgeschicke zu erdulden haben, und wem ein solches Lebenslos beschieden ist, den wird niemand glücklich nennen, außer um eben nur seine Behauptung zu retten. Doch genug hiervon; diese Sache ist ja bereits in den enzyklischen Schriften hinreichend besprochen worden. Die dritte Lebensweise ist die theoretische oder die betrachtende; sie wird uns in einem späteren Abschnitt beschäftigen. Das auf Gelderwerb gerichtete Leben hat etwas Unnatürliches und Gezwungenes an sich, und der Reichtum ist das gesuchte Gut offenbar nicht. Denn er ist nur für die Verwendung da und nur Mittel zum Zweck. Eher könnte man sich deshalb für die vorhin genannten Ziele entscheiden, da sie wegen ihrer selbst geschätzt werden. Aber auch sie scheinen nicht das Rechte zu sein, soviel man auch schon zu ihren Gunsten gesagt hat. So sei denn diese Frage verabschiedet.
Viertes Kapitel4 Besser ist es vielleicht, auf das Universelle das Augenmerk zu richten und die Frage zu erörtern, wie dasselbe gemeint ist. Freilich fällt uns diese Untersuchung schwer, da befreundete Männer die Ideen eingeführt haben. Es scheint aber vielleicht besser, ja sogar Pflicht zu sein, zur Rettung der Wahrheit auch die eigenen Empfindungen nicht zu schonen, zumal da wir Philosophen sind. Denn da beide uns lieb sind, ist es doch heilige Pflicht, die Wahrheit höher zu achten.
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Diejenigen nun, welche diese Lehre aufgebracht haben, haben überall da keine Ideen angenommen, wo sie von einem Früher und Später redeten, daher haben sie auch für die Gesamtheit der Zahlen keine Idee aufgestellt. Nun steht aber das Gute sowohl in der Kategorie der Wesenheit als in der der Qualität und der Relation. Das „An-sich“ aber und die Wesenheit ist von Natur früher als die Relation. Denn diese gleicht einem Nebenschößling und einem Zubehör des Seienden. Folglich kann für diese Kategorien eine gemeinsame Idee nicht bestehen. Da ferner das Gute in gleich vielen Bedeutungen mit dem Seienden ausgesagt wird (denn es steht in der Kategorie der Substanz, z. B. Gott, Verstand, in der der Qualität: die Tugenden, der Quantität: das rechte Maß, der Relation: das Brauchbare, der Zeit: der rechte Moment, des Ortes: der Erholungsaufenthalt usw.), so gibt es offenbar kein Allgemeines, das gemeinsam und eines wäre. Denn dann würde man von ihm nicht in allen Kategorien, sondern nur in einer sprechen. Ferner, da es von dem zu einer Idee Gehörigen auch nur eine Wissenschaft gibt, so wäre auch nur eine Wissenschaft von allem Guten. Nun aber sind ihrer viele, selbst von dem unter einer Kategorie Stehenden. So ist die Wissenschaft des rechten Moments im Kriege die Feldherrnkunst, in der Krankheit die Heilkunst, und die Wissenschaft des rechten Maßes bei der Nahrung die Heilkunst, bei den leiblichen Anstrengungen die Gymnastik. Man könnte aber auch fragen, was sie mit jenem „An-sich“, das sie zu allem hinzusetzen, eigentlich meinen, da doch in dem Menschen an sich und dem Menschen ein und derselbe Begriff wiederkehrt, der des Menschen. Insofern beide Mensch sind, können sie nicht unterschieden sein. Dann gilt aber das gleiche für das Gute an sich und das Gute. Auch wird jenes Gute an sich nicht etwa darum in höherem Sinne gut sein, weil es ewig ist. Ist doch auch, was lange besteht, deshalb nicht weißer, als was nur einen Tag besteht. Annehmbarer erscheint hier die Theorie der Pythagoreer, die die Eins in die Reihe der Güter stellen. Ihnen mag auch
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Speusipp gefolgt sein. Doch hiervon muß anderswo gehandelt werden. Gegen das Gesagte könnte aber ein Bedenken laut werden, daß nämlich jene Theorie nicht von allem Guten gelten solle, sondern ihr zufolge nur das seiner selbst wegen Erstrebte und Geliebte nach einer Idee benannt werde, während das, wodurch es hergestellt oder erhalten oder sein Gegenteil verhindert wird, seinetwegen und in anderem Sinne gut heiße. Das Gute hätte also dann zweierlei Bedeutungen: das eine wäre gut an sich, das andere gut durch jenes. Trennen wir denn das an sich Gute von dem Nützlichen und sehen wir, ob es nach einer Idee benannt wird. Welche Beschaffenheit soll es haben, um gut an sich zu sein? Soll es das sein, was auch für sich allein erstrebt wird, wie das Denken, Sehen, gewisse Freuden und Ehren? Denn wenn wir auch wohl diese Dinge wegen etwas anderem erstreben, so kann man sie doch zu dem an sich Guten rechnen. Oder wäre es schlechterdings nichts anderes als die Idee? In diesem Falle wäre sie eine Form ohne Inhalt. Wären aber auch die genannten Dinge an sich gut, so muß der Begriff der Güte in ihnen allen eindeutig auftreten, ganz so wie der Begriff „weiß“ in Schnee und Bleiweiß. Nun ist aber bei der Ehre, der Klugheit und der Lust als Gütern dieser Begriff jedesmal anders und verschieden. Also ist das Gute nichts Gemeinsames, unter eine Idee Fallendes. Aber inwiefern spricht man nun doch von dem Guten? Das viele Gute scheint doch nicht zufällig denselben Namen zu haben. Ist es also vielleicht darum, weil es von einem herkommt oder insgesamt auf eines hinzielt, oder heißt es vielmehr in analoger Weise gut? Nach dieser Weise ist ja was für den Leib das Auge ist, für die Seele der Verstand, und ähnliche Analogien gibt es noch viele. Aber wir müssen diesen Punkt wohl für jetzt fallenlassen, da eine genauere Behandlung desselben in einen anderen Teil der Philosophie gehört. Ebenso ist es nicht dieses Ortes, die Ideenlehre weiter zu verfolgen. Wenn auch wirklich das gemeinsam ausgesagte Gute etwas Einzelnes und getrennt für sich Bestehendes sein sollte, so leuchtet doch ein, daß der Mensch es weder in sei-
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nem Handeln verwirklichen, noch es erwerben könnte. Um ein solches Gut aber handelt es sich gerade. Nun könnte man ja denken, die Kenntnis jenes getrennten Gutes fördere einen in bezug auf das Gute, das man erwerben und tun kann, und es wäre uns wie ein Muster, mit dessen Hilfe wir auch das für uns Gute besser erkennen, und, wenn wir es erkannt, erlangen könnten. Aber wenn auch diese Erwägung einigermaßen annehmbar klingt, so findet sie doch an den Künsten ihre Widerlegung. Denn während dieselben insgesamt nach einem Gute streben und das suchen, was daran noch mangelt, lassen sie die Erkenntnis dieses Gutes außer acht. Es ist aber doch wenig glaubhaft, daß alle Künstler ein derartiges Hilfsmittel nicht kennen und nicht einmal vermissen sollten. Auch wäre es sonderbar, was es einem Weber oder Zimmermann für sein Gewerbe nützen sollte, das Gute an sich zu kennen, oder wie einer ein besserer Arzt oder Stratege werden sollte, wenn er die Idee des Guten geschaut hat. Auch der Arzt faßt offenbar nicht die Gesundheit an sich in’s Auge, sondern die des Menschen, oder vielmehr die dieses Menschen in concreto. Denn er heilt immer nur den und den. Hierüber also sei soviel gesagt. Fünftes Kapitel5 Kommen wir nun wieder auf das fragliche Gut zurück, um zu ermitteln, was es sein möge. Wir sehen, daß es in jeder Tätigkeit und Kunst immer ein anderes ist: ein anderes in der Medizin, in der Strategik usw. Was ist nun also das eigentümliche Gut einer jeden? Doch wohl das, wegen dessen in jeder alles andere geschieht. Das wäre in der Medizin die Gesundheit, in der Strategik der Sieg, in der Baukunst das Haus, in anderen Künsten wieder ein anderes und bei allem Handeln und Wollen das Ziel. Dieses ist es immer, wegen dessen man das übrige tut. Wenn es daher für alles, was unter die menschliche Handlung fällt, ein gemeinsames Ziel gibt, so ist dieses das durch Handeln erreichbare Gut, und wenn mehrere, diese. So ist denn unsere Erörterung auch auf diesem Wege wieder zu
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dem gleichen Ergebnis gelangt. Jedoch müssen wir versuchen, dasselbe noch besser zu verdeutlichen. Da der Ziele zweifellos viele sind und wir derer manche nur wegen anderer Ziele wollen, z. B. Reichtum, Flöten und überhaupt Werkzeuge, so leuchtet ein, daß sie nicht alle Endziele sind, während doch das höchste Gut ein Endziel und etwas Vollendetes sein muß. Wenn es daher nur ein Endziel gibt, so muß dieses das Gesuchte sein, und wenn mehrere, dasjenige unter ihnen, welches im höchsten Sinne Endziel ist. Als Endziel in höherem Sinne gilt uns das seiner selbst wegen Erstrebte gegenüber dem eines andern wegen Erstrebten und das, was niemals wegen eines anderen gewollt wird, gegenüber dem, was ebensowohl deswegen wie wegen seiner selbst gewollt wird, mithin als Endziel schlechthin und als schlechthin vollendet, was allezeit seinetwegen und niemals eines anderen wegen gewollt wird. Eine solche Beschaffenheit scheint aber vor allem die Glückseligkeit zu besitzen. Sie wollen wir immer wegen ihrer selbst, nie wegen eines anderen, während wir die Ehre, die Lust, den Verstand und jede Tugend zwar auch ihrer selbst wegen wollen (denn wenn wir auch nichts weiter von ihnen hätten, so würden uns doch alle diese Dinge erwünscht sein), doch wollen wir sie auch um der Glückseligkeit willen in der Überzeugung, eben durch sie ihrer teilhaftig zu werden. Die Glückseligkeit dagegen will keiner wegen jener Güter und überhaupt um keines anderen willen. Zu demselben Ergebnis mag uns der Begriff des Genügens führen. Das vollendet Gute muß sich selbst genügen. Wir verstehen darunter ein Genügen nicht bloß für den Einzelnen, der für sich lebt, sondern auch für seine Eltern, Kinder, Frau, Freunde und Mitbürger überhaupt, da der Mensch von Natur für die staatliche Gemeinschaft bestimmt ist. Indessen muß hier eine Grenze gezogen werden. Denn wollte man dies noch weiter auf die Vorfahren und Nachkommen und auf die Freunde der Freunde ausdehnen, so käme man an kein Ende. Dies soll später in Betracht gezogen werden. Als sich selbst genügend gilt uns demnach das, was für sich allein das Leben begehrenswert macht, so daß es keines Weiteren bedarf. Für
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etwas Derartiges aber halten wir die Glückseligkeit, ja für das Allerbegehrenswerteste, ohne daß sie mit anderem, was man auch begehrt, von gleicher Art wäre. Denn wäre sie das, so würde sie offenbar durch den Hinzutritt des kleinsten Gutes noch in höherem Grade begehrenswert werden, da das Hinzugefügte ein Mehr des Guten bedeutet und das größere Gut auch naturgemäß immer mehr begehrt wird. Also: die Glückseligkeit stellt sich dar als ein Vollendetes und sich selbst Genügendes, da sie das Endziel allen Handelns ist. Sechstes Kapitel6 Jedoch mit der Erklärung, die Glückseligkeit sei das höchste Gut, ist vielleicht nichts weiter gesagt, als was jedermann zugibt. Was verlangt wird, ist vielmehr, daß noch deutlicher angegeben werde, was sie ist. Dies dürfte uns gelingen, wenn wir die eigentümlich menschliche Tätigkeit ins Auge fassen. Wie für einen Flötenspieler, einen Bildhauer oder sonst einen Künstler, und wie überhaupt für alles, was eine Tätigkeit und Verrichtung hat, in der Tätigkeit das Gute und Vollkommene liegt, so ist es wohl auch bei dem Menschen der Fall, wenn anders es eine eigentümlich menschliche Tätigkeit gibt. Sollte nun der Zimmermann und der Schuster bestimmte Tätigkeiten und Verrichtungen haben, der Mensch aber hätte keine und wäre zur Untätigkeit geschaffen? Sollte nicht vielmehr, wie beim Auge, der Hand, dem Fuß und überhaupt jedem Teil eine bestimmte Tätigkeit zutage tritt, so auch beim Menschen neben allen diesen Tätigkeiten noch eine besondere anzunehmen sein? Und welche wäre das wohl? Das Leben offenbar nicht, da dasselbe ja auch den Pflanzen eigen ist. Für uns aber steht das spezifisch Menschliche in Frage. An das Leben der Ernährung und des Wachstums dürfen wir also nicht denken. Hiernach käme ein sinnliches Leben in Betracht. Doch auch ein solches ist offenbar dem Pferde, dem Ochsen und allen Sinnenwesen gemeinsam. So bleibt also nur ein nach dem vernunft-begabten
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Seelenteile tätiges Leben übrig, und hier gibt es einen Teil, der der Vernunft gehorcht, und einen anderen, der sie hat und denkt. Da aber auch das tätige Leben in doppeltem Sinne verstanden wird, so kann es sich hier nur um das aktuell oder wirklich tätige Leben, als das offenbar wichtigere, handeln. Wenn aber das eigentümliche Werk und die eigentümliche Verrichtung des Menschen in vernünftiger oder der Vernunft nicht entbehrender Tätigkeit der Seele besteht, und wenn uns die Verrichtung eines Tätigen und die Verrichtung eines tüchtigen Tätigen als der Art nach dieselbe gilt, z. B. das Spiel des Zitherspielers und des guten Zitherspielers, und so überhaupt in allen Fällen, indem wir zu der Verrichtung noch das Merkmal überwiegender Tugend oder Tüchtigkeit hinzusetzen und als die Leistung des Zitherspielers das Spielen, als die Leistung des guten Zitherspielers aber das gute Zitherspiel bezeichnen, wenn, sagen wir, dem so ist, und wir als die eigentümliche Verrichtung des Menschen ein gewisses Leben ansehen, nämlich mit Vernunft verbundene Tätigkeit der Seele und entsprechendes Handeln, als die Verrichtung des guten Menschen aber eben dieses nur mit dem Zusatz: gut und recht – wenn endlich als gut gilt, was der eigentümlichen Tugend oder Tüchtigkeit des Tätigen gemäß ausgeführt wird, so bekommen wir nach alledem das Ergebnis: das menschliche Gut ist der Tugend gemäße Tätigkeit der Seele, und gibt es mehrere Tugenden: der besten und vollkommensten Tugend gemäße Tätigkeit. Dazu muß aber noch kommen, daß dies ein volles Leben hindurch dauert; denn wie eine Schwalbe und ein Tag noch keinen Sommer macht, so macht auch ein Tag oder eine kurze Zeit noch niemanden glücklich und selig.
Siebentes Kapitel7 Dies möge als Umriß der Darstellung des höchsten Gutes gelten. Denn man muß dasselbe wohl zunächst nach den Grundlinien beschreiben und darauf diese im einzelnen ausführen. Sind erst die Grundlinien einer Sache vorhanden, so kann je-
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der daran weiter arbeiten und das einzelne nachtragen, und die Zeit ist hierbei eine gute Finderin und Helferin. So erklärt sich auch das Wachstum der Künste: das Fehlende dazutun kann jeder. Man denke auch an die schon oben gemachte Bemerkung und verlange Genauigkeit nicht bei allen Gegenständen in gleichem Maße, sondern immer nur nach Maßgabe des gegebenen Stoffes und nur soweit, als es zu dem jeweiligen Vorhaben paßt. Der Zimmermann und der Geometer suchen die gerade Linie in verschiedener Weise; der eine nur, insofern er sie für seine Arbeit braucht, während der andere wissen will, was und wie beschaffen sie ist; denn er betrachtet die Wahrheit. Ebenso ist auf allen anderen Gebieten zu verfahren, damit nicht das Beiwerk zuletzt das Werk überwuchert. Man darf auch nicht unterschiedslos überall nach der Ursache fragen. Bei einigem genügt es vielmehr, das „Daß“ gehörig nachzuweisen, wie auch bei den Prinzipien; das „Daß“ ist ja Erstes und Prinzip. Die Prinzipien selbst aber werden teils durch Induktion erkannt, teils durch Wahrnehmung, teils durch eine Art Gewöhnung, teils auf noch andere Weise. Man muß sie also im einzelnen auf die ihrer Besonderheit entsprechende Art zu ermitteln suchen und sich rechte Mühe geben, sie zutreffend zu bestimmen. Denn das Prinzip als Anfang dürfte mehr als die Hälfte des Ganzen sein und schon von selbst vieles erklären, was man wissen möchte.
Achtes Kapitel8 Wir müssen dasselbe jedoch nicht nur auf Grund der Schlußfolgerung und der begrifflichen Voraussetzungen zu ermitteln suchen, sondern ebenso auf Grund der darüber herrschenden Ansichten. Mit der Wahrheit stimmen alle Tatsachen überein, mit dem Irrtum aber gerät die Wahrheit bald in Zwiespalt. Man unterscheidet drei Arten von Gütern: äußere Güter, Güter der Seele und Güter des Leibes. Von diesen gelten die der Seele als die wichtigsten, als Güter im vollkommensten
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Sinne. Die seelischen Akte und Tätigkeiten legen wir aber der Seele bei. Mithin möchte unsere Begriffsbestimmung zutreffend sein, wenn anders jene alte, auch von den Philosophen allgemein adoptierte Schätzung der Güter etwas beweist. Auch darum erscheint sie als richtig, weil sie als Endziel gewisse Akte und Tätigkeiten aufstellt. Denn so liegt das Endziel in Gütern der Seele, auch insofern sie den äußeren Gütern gegenüberstehen. Ebenso stimmt es zu ihr, daß man von dem Glücklichen sagt, er lebe gut und gehabe sich gut. Mit unserer Definition ist ja ungefähr so viel gesagt wie gutes Leben und gutes Gehaben.
Neuntes Kapitel9
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Auch alle Erfordernisse zur Glückseligkeit, die man von den verschiedenen Seiten geltend gemacht hat, scheinen sich in unserer Bestimmung zu finden. Die einen halten die Glückseligkeit für Tugend, andere für Klugheit, andere für eine Art Weisheit, wieder andere für alles dieses oder eines davon in Verbindung mit Lust oder doch nicht ohne Lust. Andere nehmen auch noch den äußeren Segen hinzu. Diese Ansichten werden teils von vielen Alten, teils von einzelnen berühmten Männern vertreten. Von beiden ist aber nicht anzunehmen, daß sie ganz und gar fehlgehen, vielmehr werden sie in je einer Beziehung, wo nicht gar in den meisten, recht haben. Mit denen also, die die Glückseligkeit in die Tugend oder auch in eine Tugend setzen, stimmen wir überein. Denn in den Bereich der Tugend fällt die ihr gemäße Tätigkeit. Nur möchte es keinen kleinen Unterschied machen, ob man das höchste Gut in ein Besitzen oder ein Gebrauchen, in einen bloßen Habitus oder in eine Tätigkeit setzt. Der Habitus kann ja, wie z. B. bei einem, der schläft oder sonstwie ganz untätig ist, vorhanden sein, ohne irgend etwas Gutes zu verrichten, der Aktus, die Tätigkeit, aber nicht. Denn sie wird notwendig handeln und gut handeln. Wie aber in Olympia nicht die Schönsten und Stärksten den Kranz erlangen, sondern die, die
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kämpfen (denn nur unter ihnen befinden sich die Sieger), so werden auch nur die, die recht handeln, dessen, was im Leben schön und gut ist, teilhaftig. Auch ist ihr Leben an und für sich genußvoll. Lust genießen ist etwas Seelisches, und lustbringend ist für jeden dasjenige, wovon er ein Liebhaber ist, wie z. B. das Pferd für den Pferdeliebhaber, und für den Liebhaber des Schauspiels dieses. Ebenso ist das Gerechte für den Freund der Gerechtigkeit und überhaupt das Tugendgemäße für den Freund der Tugend lustbringend. Bei der Menge freilich steht das Lustgewährende miteinander im Widerspruch, weil es diese Eigenschaft nicht von Natur hat, dagegen gewährt den Liebhabern des sittlich Guten dasjenige Lust, was sie von Natur gewährt. Diese Eigenschaft haben aber die tugendgemäßen Handlungen, und so müssen dieselben gleichzeitig für den Tugendhaften und an sich mit Lust verbunden sein. Daher bedarf auch sein Leben der Lust nicht wie einer äußeren Zugabe, sondern es hat dieselbe schon in sich. Denn abgesehen von dem Gesagten ist der nicht wahrhaft tugendhaft, der an sittlich guten Handlungen keine Freude hat, und niemand wird einen Mann gerecht nennen, wenn er an gerechten, oder freigebig, wenn er an freigebigen Handlungen keine Freude hat, und so weiter. Ist dem aber so, dann müssen die tugendgemäßen Handlungen an sich genußreich, überdies aber auch gut und schön sein, und zwar dieses alles im höchsten Maße, wenn anders der Tugendhafte richtig über sie urteilt. Das tut er aber, wie gesagt. Und somit ist die Glückseligkeit das Beste, Schönste und Genußreichste zugleich, und diese Dinge liegen nicht auseinander, wie die Aufschrift zu Delos will: Das Schönste ist die Gerechtigkeit, das Beste Gesundsein, Aber das Süßeste ist, wenn man erlangt, was man liebt.
Denn dieses alles kommt den besten Tätigkeiten zugleich zu. In diesen aber oder in der besten von ihnen liegt nach uns die Glückseligkeit.
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Indessen bedarf dieselbe, wie gesagt, auch wohl der äußeren Güter, da es unmöglich oder schwer ist, das Gute und Schöne ohne Hilfsmittel zur Ausführung zu bringen. Vieles wird wie durch Werkzeuge mit Hilfe der Freunde, des Reichtums und des Einflusses im Staate zustande gebracht; andererseits trübt der Mangel an gewissen Dingen, wie ehrbarer Herkunft, braver Kinder, körperlicher Schönheit die Glückseligkeit. Der kann nicht als sonderlich glücklich gelten, der von ganz häßlichem Äußern oder ganz gemeiner Abkunft oder einsam und kinderlos ist, und noch weniger vielleicht einer, der ganz lasterhafte Kinder oder Freunde hat oder die guten Freunde und Kinder, die er hatte, durch den Tod verlor. Deshalb also bedarf die Glückseligkeit, wie gesagt, auch solcher äußerer Güter, und so mag es sich erklären, daß einige das äußere Wohlergehen der Glückseligkeit gleichsetzen, wie andere die Tugend. Zehntes Kapitel10 Daher wirft sich auch die Frage auf, ob die Glückseligkeit durch Lernen, Gewöhnung oder sonst eine Übung erworben, oder durch eine göttliche Fügung oder auch durch Zufall dem Menschen zuteil wird. Man kann nun annehmen, daß, wenn irgend etwas ein Geschenk der Götter an die Menschen ist, dann die Glückseligkeit von Gott kommt, und zwar um so mehr, als sie von den menschlichen Gütern das beste ist. Indessen gehört das wohl mehr zu einer anderen Untersuchung. Aber selbst, wenn sie nicht von den Göttern verliehen, sondern durch Tugend und ein gewisses Lernen oder Üben erworben wird, scheint sie zu dem Göttlichsten zu gehören; denn der Preis und das Ziel der Tugend muß doch das Beste und etwas Göttliches und Seliges sein. Dann wäre sie auch für viele zugleich erreichbar, da sie allen, die in bezug auf die Tugend nicht gleichsam verstümmelt sind, durch Schulung und sorgfältige Bemühung zuteil werden könnte. Wenn es aber besser ist, daß der Mensch auf diese Weise glücklich wird statt durch Zufall,
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so darf man annehmen, daß es sich auch wirklich so verhält, da alles, was die Natur hervorbringt, immer so vollkommen angelegt ist, als es nur sein kann. Dasselbe gilt von dem, was die Kunst und jede mit Einsicht wirkende Ursache, besonders die beste und höchste, hervorbringt. Das Größte und Schönste aber dem Zufall zu überlassen, wäre Irrtum und Lästerung. Dasselbe geht aber auch aus unserer Begriffsbestimmung hervor, nach der die Glückseligkeit eine gewisse tugendgemä ße Tätigkeit der Seele ist. Soll das gelten, so können die übrigen Güter teils von selbst der Tugend niemals fehlen, teils kommen sie für dieselbe naturgemäß nur als brauchbare und hilfreiche Werkzeuge in Betracht. Auch stimmt dies mit dem anfänglich Gesagten, wo wir das Ziel der Staatskunst für das beste und höchste erklärt haben. Der Staatskunst ist es um nichts so sehr zu tun, als darum, die Bürger in den Besitz gewisser Eigenschaften zu setzen, sie nämlich tugendhaft zu machen und fähig und willig, das Gute zu tun. Daher nennen wir billigerweise weder einen Ochsen noch ein Pferd noch sonst ein Tier glückselig. Denn kein Tier ist des Anteils an einer solchen Tätigkeit fähig. Und aus demselben Grunde ist auch kein Kind glückselig, weil es wegen seines Alters noch nicht in der gedachten Weise tätig sein kann, und wenn Kinder hin und wieder doch so genannt werden, so geschieht es in der Hoffnung, daß sie es erst werden. Denn zur Glückseligkeit gehört wie gesagt vollendete Tugend und ein volles Leben. Im Leben tritt mancher Wechsel, mancher Zufall ein, und der Glücklichste kann im Alter noch von schweren Unglücksfällen getroffen werden, wie in den Heldengedichten von Priamus erzählt wird; wer aber solches Unglück erfahren und elend geendet hat, den preist niemand glücklich.
Elftes Kapitel11 Sollen wir nun auch sonst keinen Menschen glücklich nennen, solange er lebt, sondern auch nach dem Ausspruche des Solon sein Ende abwarten? Und wenn dies gelten soll, wäre der
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Mensch vielleicht auch dann glückselig, wenn er gestorben ist? Oder ist das letztere nicht durchaus ungereimt, besonders für uns, die wir die Glückseligkeit für eine Tätigkeit erklären? Wenn wir aber nicht den Verstorbenen glückselig nennen und auch Solon es so nicht meint, sondern nur, daß man erst dann einen Menschen mit Sicherheit glücklich nennen kann, weil er dann allem Übel und Ungemach enthoben ist, so hat auch das sein Bedenken. Denn es scheint auch noch für den Verstorbenen, so gut wie für den Lebenden, der nichts davon erfährt, Übel und Güter zu geben, z. B. Ehrungen und Diffamationen, Glück und Unglück der Kinder und der Nachkommen überhaupt. Aber auch dabei findet sich ein Bedenken. Ein Mensch, der bis in sein hohes Alter glücklich gelebt hat und ebenso gestorben ist, kann noch mancherlei Veränderungen in seinen Nachkommen erleiden; die einen können tugendhaft sein und ein dem entsprechendes Lebenslos genießen, die anderen umgekehrt, und sonst können sie noch auf alle mögliche Weise von ihren Eltern sich unterscheiden. Und da wäre es nun ungereimt, wenn der Tote sich mit veränderte und bald glücklich, bald unglücklich würde. Ungereimt wäre es aber auch, wenn die Schicksale der Nachkommen nicht einmal für gewisse Zeit die Eltern oder Vorfahren mit berühren sollten. Kommen wir indessen auf das erste Bedenken zurück. Denn mit ihm findet gleichzeitig vielleicht auch dieses zweite seine Erledigung. Soll man wirklich das Ende abwarten müssen und dann erst einen Menschen glücklich preisen dürfen, nicht als wäre er es dann, sondern weil er es vorher war, wie wäre es da nicht ungereimt, daß zur Zeit seines Glückes dieses Wirkliche nicht mit Wahrheit von ihm soll ausgesagt werden, weil man die Lebenden wegen der Wechselfälle des Schicksals nicht glücklich preisen mag, und weil die Glückseligkeit für etwas Bleibendes und sehr schwer Wandelbares gilt, während die Geschicke sich oft bei denselben Menschen im Kreise bewegen? Offenbar müßte man, wenn man sich so nach den Schicksalen richten wollte, denselben Menschen oftmals glückselig und wieder unglückselig nennen und so den Glückseligen für eine Art
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Chamäleon erklären und für einen Mann, der auf schwachen Füßen steht. Ist es nicht vielmehr ganz und gar verkehrt, hier auf die Schicksale zu sehen, da in ihnen nicht das Heil und Unheil liegt, sondern das menschliche Leben, wie wir gesagt haben, der Glücksgüter nur wie einer Zugabe bedarf, während für die Glückseligkeit die tugendhaften Handlungen entscheidend sind und für die Unglückseligkeit die entgegengesetzten? Übrigens erhält unsere Definition auch durch dieses Bedenken eine erneute Bestätigung. Bei keinem menschlichen Ding ist eine solche Beständigkeit zu finden wie in den tugendhaften Tätigkeiten. Sie erscheinen ja noch beständiger als das Wissen, und unter ihnen selbst sind wieder die vornehmsten die beständigsten, insofern der Glückliche am meisten und am anhaltendsten in ihnen lebt. Denn daher kommt es wohl, daß sie nicht in Vergessenheit geraten. So wird denn das Geforderte sich wirklich bei dem wahrhaft Glücklichen finden, und sein Leben lang wird er sein, was sein Name besagt. Denn stets oder häufiger als alles andere wird die Tugend der Gegenstand seiner Tätigkeit und seiner Betrachtung sein, und stets wird die Unglücksfälle aufs beste und „in aller Weise würdiglich“ zu tragen wissen der wahrhaft tugendhafte Mann, „der feste Mann ohne Fehl“. Da aber vieles von der Laune des Glücks abhängt, Großes und Kleines, so leuchtet ein, daß die kleinen Glücks- wie Unglücksfälle für das Leben keinen Ausschlag geben; große und viele Ereignisse dagegen machen, wenn sie glücklich ausfallen, das Dasein noch glücklicher (denn sie selbst sind naturgemäß des Lebens Schmuck, und der Gebrauch, den man von ihnen macht, wird lobenswert und tugendgemäß sein); fallen sie aber umgekehrt aus, so sind sie für das Lebensglück wie ein Druck und eine Trübung, da sie schmerzen und an mancher Tätigkeit hindern. Allein auch hier wird die sittliche Schönheit durchleuchten, wenn man viele schwere Schläge des Schicksals gelassen erträgt, nicht aus Gefühllosigkeit, sondern aus edler und hoher Gesinnung. Wenn aber wirklich, wie wir das vorhin ausgesprochen haben, die Tätigkeiten es sind, die über das Leben entscheiden,
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so kann keiner, der glückselig ist, unglückselig werden, da er niemals Hassenswertes und Schlechtes tun wird. Der wahrhaft Tugendhafte und Verständige wird, das steht zu hoffen, jedes Geschick mit Würde tragen und immer dasjenige tun, was unter den jeweiligen Umständen das Beste ist, wie wir uns ja auch den guten Strategen als einen Mann vorstellen, der sein Heer, wie es eben ist, so gut als möglich zum Kriege verwendet, und den guten Schuster als einen Mann, der aus dem verfügbaren Leder so gute Schuhe wie möglich macht, und so weiter durch den ganzen Bereich der Künste. Ist dem aber so, dann kann der Glückselige zwar niemals ganz unglücklich werden, aber freilich auch nicht vollkommen glücklich sein, wenn ihm das Los eines Priamus beschieden ist. So ist denn auch sein Stand nicht etwa buntem Wechsel unterworfen. Denn einerseits wird er seiner Glückseligkeit nicht leicht und nicht durch die ersten besten Unfälle, sondern nur durch schwere und zahlreiche Schicksalsschläge verlustig gehen, andererseits wird er aber auch nach solchen Heimsuchungen nicht in kurzer Zeit wieder glückselig werden können, sondern, wenn überhaupt, erst nach langer und geraumer Zeit, wenn er in derselben großer Güter teilhaftig geworden ist. Was hindert uns demnach, als glückselig zu bezeichnen denjenigen, der gemäß vollendeter Tugend tätig und dabei mit den äußeren Gütern wohl ausgestattet ist, und das nicht bloß eine kurze Zeit, sondern ein ganzes, volles Leben lang. Oder sollen wir noch hinzusetzen, daß er auch in Zukunft so leben und in diesen Verhältnissen sterben müsse, da wir die Zukunft nicht kennen und doch von der Glückseligkeit behaupten, daß sie Endziel und schlechthinnige Vollendung ist? Demgemäß werden wir diejenigen unter den Lebenden glückselig nennen, denen die genannten Dinge zukommen und zukommen werden, aber freilich glückselig nur als Menschen. Hierüber sei denn soviel festgestellt. Daß aber die Schicksale der Nachkommen und aller Freunde die Glückseligkeit ganz und gar nicht berühren sollen, erscheint doch allzu inhuman und den allgemeinen Überzeugungen widersprechend. Da aber der Ereignisse so viele und so vielfach verschiedene
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sind und uns manche mehr, manche weniger berühren, so wäre es eine langwierige, ja endlose Aufgabe, alle einzelnen Fälle zu unterscheiden, und es wird genügen, wenn wir nur im allgemeinen und im Umriß darüber sprechen. Da also, wie von den eigenen Unglücksfällen nur ein Teil von Belang und Gewicht ist, andere aber unbedeutender erscheinen, es sich grade so mit den Schicksalen aller Freunde verhält, und da ferner der Unterschied, ob Unfälle Lebende oder Verstorbene treffen, ungleich größer ist als der, ob gesetzwidrige und furchtbare Handlungen in den Tragödien vorkommen oder in der Wirklichkeit, so muß freilich auch dieser Unterschied in Rechnung gebracht werden, aber wohl noch mehr der Umstand, daß man bezüglich der Verstorbenen im Ungewissen darüber ist, ob sie an den Gütern und Übeln dieses Lebens noch Anteil haben. Denn aus den angeführten Gründen ist wohl, wenn auch etwas Gutes oder Schlimmes die Toten noch berührt, dasselbe nur etwas Schwaches und Geringes entweder an sich oder für sie, oder doch nur von der Bedeutung und Beschaffenheit, daß es sie nicht glücklich macht, wenn sie es nicht sind, noch, wenn sie es sind, sie ihrer Glückseligkeit beraubt. Es möchte nun das Glück wie das Unglück ihrer Freunde für die Hingeschiedenen wirklich von einiger Bedeutung sein, doch nur in der Art und so weit, daß es weder die Glückseligen unselig machen, noch sonst ihren Zustand umgestalten kann.
Zwölftes Kapitel12 Nachdem wir dies festgestellt haben, wollen wir zusehen, ob die Glückseligkeit zu den des Lobes oder vielmehr zu den der Ehre würdigen Dingen gehört. Denn zu den bloßen Vermögen gehört sie offenbar nicht. Jedes Lobenswerte scheint darum gelobt zu werden, weil es eine bestimmte Qualität hat und sich zu etwas in bestimmter Weise verhält. Wir loben den Gerechten, den Starkmütigen und überhaupt den Tugendhaften und die Tugend wegen der Handlungen und Werke; ebenso den Starken, den Schnellfü-
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ßigen usw., weil er eine bestimmte Qualität besitzt und sich zu etwas Gutem und Trefflichem in bestimmter Weise verhält. Das erhellt auch aus dem Lobe, das wir den Göttern spenden: es erschiene lächerlich, wenn wir es von unseren Verhältnissen hernähmen, und zwar darum, weil das Lob, wie wir gesagt haben, um einer bestimmten Beziehung willen gespendet wird. Wenn aber das Lob auf solches geht, so leuchtet ein, daß es für das Beste kein Lob gibt, sondern etwas Größeres und Besseres, wie man denn auch sieht. Wir preisen die Götter glücklich und selig, und ebenso preisen wir die göttlichsten der Menschen glücklich. Ebenso die besten der Güter: Niemand lobt die Glückseligkeit so wie die Gerechtigkeit, sondern man preiset sie wie etwas Göttlicheres und Besseres. Auch Eudoxus scheint über die Güter sehr richtig zu urteilen, wenn er der Lust den höchsten Preis zuerkennt; denn daß sie, obwohl zu den Gütern gehörig, nicht gelobt werde, das sei, meinte er, ein Beweis, daß sie besser sei als das Lobenswerte, und solcher Art seien der Gott und das Gute. Das Lob nämlich gebührt der Tugend, weil man durch sie fähig wird, das Gute zu tun, Preis aber den Werken, leiblichen sowohl als geistigen. Doch dieses genauer zu bestimmen, gehört wohl eher in die Theorie der Lobreden. Für uns erhellt aus dem Gesagten, daß die Glückseligkeit zu den verehrungswürdigen und vollkommenen Dingen zählt. Und das wohl auch deswegen, weil sie Prinzip ist. Denn um des Prinzips willen tun wir alle alles übrige, das Prinzip aber und der Grund des Guten gilt uns für etwas Ehrwürdiges und Göttliches.
Dreizehntes Kapitel13 Da aber die Glückseligkeit eine der vollendeten Tugend gemäße Tätigkeit der Seele ist, so haben wir die Tugend zum Gegenstande unserer Untersuchung zu machen, da wir dann auch die Glückseligkeit besser werden verstehen lernen. Um die Tugend scheint auch der wahre Staatsmann sich am meisten zu bemühen, da er die Bürger tugendhaft und den Ge-
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setzen gehorsam machen will. Ein Beispiel dafür haben wir an den Gesetzgebern der Kreter und Lakedämonier und wohl noch an einigen anderen dieser Art. Wenn also diese Betrachtung zur Staatskunst gehört, so bleibt unsere Untersuchung zweifellos dem eingangs bezeichneten Plan treu. Die Tugend aber, der unsere Betrachtung gilt, kann selbstverständlich nur die menschliche sein. Wir wollten ja auch nur das menschliche Gut und die menschliche Glückseligkeit zu ermitteln suchen. Unter menschlicher Tugend verstehen wir aber nicht die Tüchtigkeit des Leibes, sondern die der Seele, wie wir ja auch unter der Glückseligkeit eine Tätigkeit der Seele verstehen. Ist dem aber also, so muß der Staatsmann und der Lehrer der Staatswissenschaft bis zu einem gewissen Grade mit der Seelenkunde vertraut sein, grade wie einer, der die Augen oder sonst einen Leibesteil heilen will, deren Beschaffenheit kennen muß, und zwar jener noch viel mehr als dieser, weil die Staatskunst viel würdiger und besser ist als die Heilkunst. In der Tat machen sich die tüchtigen Ärzte mit der Untersuchung des Körpers sehr viel zu schaffen. So muß nun auch der Lehrer der Staatskunst die Seele zum Gegenstande seiner Betrachtung machen, aber immer nur um der angegebenen Zwecke willen und soweit, als es für diese Zwecke genügt; noch genauer darauf einzugehen, ist wohl für die vorliegende Aufgabe nicht nötig. Einiges aus der Seelenlehre ist nun in den exoterischen Schriften ausreichend behandelt und mag hier Verwendung finden. So, daß die Seele einen unvernünftigen und einen vernünftigen Teil hat. Ob diese beiden Teile sich so von einander unterscheiden wie die Teile des Körpers und alles Teilbare, oder ob sie ihrer Natur nach untrennbar und nur dem Begriffe nach zwei sind wie die innere und äußere Seite der Kreisperipherie, ist für unseren Zweck gleichgültig. In dem unvernünftigen Vermögen ist wieder ein Teil als ein allem Lebendigen Gemeinsames, nämlich das vegetative Vermögen, das Prinzip der Ernährung und des Wachstums. Denn ein solches Seelenvermögen ist wohl in allem, was sich ernährt, so schon für die
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Embryonen anzunehmen und ebenso für die ausgebildeten Individuen, und zwar mit größerer Wahrscheinlichkeit als irgendein anderes. Dasselbe hat nun offenbar eine generelle, nicht die spezifisch menschliche Vollkommenheit. Denn dieser Teil und dieses Vermögen scheint ganz besonders im Schlafe tätig zu sein; im Schlafe aber sind der Gute und der Schlechte am wenigsten zu erkennen. Daher auch das Sprichwort: Zwischen den Glücklichen und den Unglücklichen ist ihr halbes Leben lang kein Unterschied. Dies ist auch einleuchtend. Denn der Schlaf ist eine Untätigkeit der Seele, insofern sie tugendhaft und schlecht genannt wird, nur daß manche von den im wachen Zustande vorausgegangenen Bewegungen sich allmählich im Schlafe einigermaßen zur Geltung bringen und in dieser Hinsicht die Träume tugendhafter Menschen besser werden als die beliebiger Leute. Doch genug hiervon und lassen wir das vegetative Vermögen, da es von Natur an der menschlichen Tugend keinen Teil hat. Es scheint aber auch ein anderer Teil der Seele ohne Vernunft zu sein, jedoch in gewisser Beziehung an der Vernunft teilzunehmen. Wir loben nämlich an dem Enthaltsamen und Unenthaltsamen die Vernunft und den vernünftigen Seelenteil. Denn er ermahnt richtig und zum Guten. Aber die Erfahrung lehrt, daß den Genannten noch ein anderes Prinzip außer der Vernunft eingepflanzt ist, das dieser widerstrebt und widerstreitet. Wie gelähmte Leibesteile, wenn man sie nach rechts bewegen will, umgekehrt sich nach links drehen, so und nicht anders verhält es sich mit der Seele: die Begierden des Unenthaltsamen gehen auf das Gegenteil von dem, was die Vernunft gebietet, nur daß man die Verkehrung am Leibe sieht, dagegen an der Seele nicht. Trotzdem mögen wir überzeugt sein, daß auch in der Seele etwas außer der Vernunft vorhanden ist, was dieser entgegensteht und widerstreitet. Inwieweit dasselbe von der Vernunft verschieden ist, ist hier gleichgültig. Und doch scheint es, wie gesagt, an der Vernunft teilzunehmen. Es gehorcht ihr ja beim Enthaltsamen. Noch gehorsamer aber ist es beim Mäßigen und Starkmütigen, bei denen alles mit der Vernunft im Einklang steht.
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Es erweist sich also auch das unvernünftige Vermögen als zweifach: das pflanzliche hat gar nichts mit der Vernunft gemein, das sinnlich begehrende dagegen und überhaupt das strebende Vermögen nimmt an ihr in gewisser Weise teil, insofern es auf sie hört und ihr Folge leistet. Das wäre also etwa in der Art, wie wir uns in praktischen Dingen nach dem Rate des Vaters und der Freunde, nicht wie in der Wissenschaft nach den Sätzen der Mathematik richten. Daß aber der unvernünftige Teil gewissermaßen von der Vernunft überredet wird, beweisen auch die Ermahnungen, alle Zurechtweisung und Ermunterung. Soll man aber diesem Teil ebenfalls Vernunft zuschreiben, so ist auch das vernünftige Vermögen zweifach: das eine hat eigentlich Vernunft und hat sie in sich selbst, das andere hat sie wie ein Kind, das auf seinen Vater hört. Nach diesem Unterschied wird auch die Tugend eingeteilt. Von den Tugenden nennen wir die einen dianoëtische oder Verstandestugenden, die anderen ethische oder sittliche Tugenden. Verstandestugenden sind Weisheit, Verstand und Klugheit, sittliche Tugenden Freigebigkeit und Mäßigkeit. Denn wenn wir von dem sittlichen Charakter sprechen, sagen wir nicht, daß einer weise oder verständig, sondern daß er sanft und mäßig ist. Wir loben aber auch den Habitus der Weisheit. Ein lobenswerter Habitus wird aber Tugend genannt.
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Erstes Kapitel1 Wenn sonach die Tugend zweifach ist, eine Verstandestugend und eine sittliche Tugend, so entsteht und wächst die erstere hauptsächlich durch Belehrung und bedarf deshalb der Erfahrung und der Zeit; die sittliche dagegen wird uns zuteil durch Gewöhnung, davon hat sie auch den Namen erhalten, der nur wenig von dem Wort Gewohnheit verschieden ist. Daraus erhellt auch, daß keine von den sittlichen Tugenden uns von Natur zuteil wird. Denn nichts Natürliches kann durch Gewöhnung geändert werden. Der Stein z. B., der sich von Natur nach unten bewegt, kann nicht gewöhnt werden, sich nach oben zu bewegen, wenn man ihn auch durch vieltausendmaliges Emporschleudern daran gewöhnen wollte, und ebensowenig kann das Feuer an die Bewegung nach unten oder sonst etwas an ein seiner Natur entgegengesetztes Verhalten gewöhnt werden. Darum werden uns die Tugenden weder von Natur noch gegen die Natur zuteil, sondern wir haben die natürliche Anlage, sie in uns aufzunehmen, zur Wirklichkeit aber wird diese Anlage durch Gewöhnung. Ferner bringen wir zu dem, was wir von Natur besitzen, zuerst das Vermögen mit, und dann erst äußern wir die entsprechenden Tätigkeiten, wie man an den Sinnen sehen kann. Wir haben ja nicht durch oftmaliges Sehen oder oftmaliges Hören den betreffenden Sinn bekommen, sondern es ist umgekehrt dem Besitz der Gebrauch gefolgt, nicht dem Gebrauch der Besitz. Die Tugenden dagegen erlangen wir nach vorausgegangener Tätigkeit, wie dies auch bei den Künsten der Fall ist. Denn was wir tun müssen, nachdem wir es gelernt haben, das lernen wir, indem wir es tun. So wird man durch Bauen ein Baumeister und durch Zitherspielen ein Zitherspieler. Ebenso werden wir aber auch durch gerechtes Handeln gerecht, durch
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Beobachtung der Mäßigkeit mäßig, durch Werke des Starkmuts starkmütig. Das bestätigen auch die Vorgänge im Staatsleben. Die Gesetzgeber machen die Bürger durch Gewöhnung tugendhaft; das ist wenigstens die Absicht jedes Gesetzgebers; wer es aber nicht recht anstellt, der verfehlt seinen Zweck, und darauf läuft der ganze Unterschied von guter und schlechter Staatsverfassung hinaus. Ferner entsteht jede Tugend aus denselben Ursachen, durch die sie zerstört wird, gerade wie es bei den Künsten der Fall ist. Durch Zitherspielen wird man z. B. ein guter und auch ein schlechter Zitherspieler, und entsprechendes gilt vom Baumeister und jedem anderen Handwerker oder Künstler. Wer nämlich gut baut, wird dadurch ein guter Baumeister, und wer schlecht baut, ein schlechter. Wäre es nicht so, so bedürfte es keines Lehrers, sondern jeder käme als Meister oder als Stümper auf die Welt. Grade so ist es nun auch mit den Tugenden. Durch das Verhalten im kommerziellen Verkehr werden wir gerecht oder ungerecht; durch das Verhalten in Gefahren und die Gewöhnung, vor ihnen zu bangen oder ihnen zu trotzen, werden wir mannhaft oder feige. Und ganz ebenso ist es mit den Anlässen zur Begierde oder zum Zorn: die einen werden mäßig und sanftmütig, die anderen zügellos und jähzornig, je nachdem sie in solchen Fällen sich so verhalten oder so, mit einem Wort: aus gleichen Tätigkeiten erwächst der gleiche Habitus. Daher müssen wir uns Mühe geben, unseren Tätigkeiten einen bestimmten Charakter zu verleihen; denn je nach diesem Charakter gestaltet sich der Habitus. Und darum ist nicht wenig daran gelegen, ob man gleich von Jugend auf sich so oder so gewöhnt; vielmehr kommt hierauf sehr viel, oder besser gesagt, alles an. Zweites Kapitel2 Da die gegenwärtige Untersuchung keine bloße Erkenntnis verfolgt, wie es sonst bei den Untersuchungen der Fall ist (denn wir betrachten die Tugend nicht, um zu wissen, was sie ist, sondern um tugendhaft zu werden; sonst wäre unsere Ar-
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beit zu nichts nütze), so müssen wir unser Augenmerk auf die Handlungen und auf die Art ihrer Ausführung richten. Denn die Handlungen sind es, wie wir gesagt haben, durch welche die Beschaffenheit des Habitus bestimmt wird. Daß man nun nach der rechten Vernunft handeln muß, ist eine allgemeine Regel, die wir hier zugrunde legen, um hernach zu bestimmen, was die rechte Vernunft ist, und wie sie sich zu den anderen Tugenden verhält. Das aber möge im voraus als zugestanden gelten, daß jede Theorie der Sittlichkeit nur allgemeine Umrisse liefern und nichts mit unbedingter Bestimmtheit vortragen darf. Darum haben wir ja auch gleich eingangs bemerkt, daß die Anforderungen an eine Erörterung sich je nach dem Stoff richten müssen. Was aber dem Bereich des sittlichen Handelns und des im Leben Nützlichen angehört, hat nichts an sich, was ein für allemal feststände, so wenig als das Gesunde. Und wenn das schon für die allgemeinen Regeln gilt, so läßt das Einzelne und Konkrete noch weniger genaue und absolut gültige Vorschriften zu, da es unter keine Kunst und keine Lehrüberlieferung fällt. Hier muß vielmehr der Handelnde selbst wissen, was dem gegebenen Fall entspricht, wie dies auch in der Heilkunst und in der Steuermannskunst geschieht. Aber trotz dieses Charakters unserer Disziplin müssen wir sehen, wie zu helfen ist. Zuerst kommt in Betracht, daß Dinge dieser Art ihrer Natur nach durch Mangel und Übermaß zugrunde gehen. Man kann das, wenn man für Unbekanntes Bekanntes als Beweis benutzen soll, an der Stärke und der Gesundheit sehen. Übertriebene Körperübungen ebenso wie unzureichende führen den Verlust der Leibeskraft herbei. Desgleichen verdirbt ein Übermaß oder ein unzureichendes Maß von Speise und Trank die Gesundheit, während das rechte Maß sie hervorbringt, stärkt und erhält. Ebenso ist es nun auch mit der Mäßigkeit, dem Starkmut und den anderen Tugenden. Wer alles flieht und fürchtet und nichts erträgt, wird feig, dagegen wer gar nichts fürchtet und gegen alles angeht, tollkühn. Desgleichen wird, wer jede Lust genießt und sich keiner enthält, zügellos, wer aber jede Lust flieht, wie die sauertöpfischen Leute, ver-
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fällt in eine Art Stumpfsinn. Denn Mäßigkeit und Starkmut werden durch das Zuviel und Zuwenig aufgehoben, durch die rechte Mitte aber erhalten. Aber nicht bloß die Entstehung, das Wachstum und der Untergang kommen aus denselben und durch dieselben Ursachen; auch die Tätigkeiten werden mit diesen Ursachen auf einem Feld liegen. So ist es ja auch bei den Dingen, die uns bekannter sind, wie bei der Stärke: sie entsteht dadurch, daß man viele Nahrung zu sich nimmt und viele Anstrengungen erträgt, und der Starke vermag wieder am besten dergleichen zu tun. Ebenso verhält es sich mit den Tugenden: durch die Enthaltung von sinnlichen Genüssen werden wir mäßig, und sind wir es geworden, so können wir uns ihrer am besten enthalten. Desgleichen mit dem Mute: indem wir uns gewöhnen, Gefahren zu verachten und zu bestehen, werden wir mutig, und sind wir es geworden, werden wir am leichtesten Gefahren bestehen können. Als ein Zeichen des Habitus muß man die mit den Handlungen verbundene Lust oder Unlust betrachten. Wer sich sinnlicher Genüsse enthält und eben hieran Freude hat, ist mäßig, wer aber hierüber Unlust empfindet, ist zuchtlos. Und wer Gefahren besteht und sich dessen freut oder wenigstens keine Unlust darüber empfindet, ist mutig, wer aber darüber Unlust empfindet, ist feig. Denn die sittliche Tugend hat es mit der Lust und der Unlust zu tun. Der Lust wegen tun wir ja das sittlich Schlechte, und der Unlust wegen unterlassen wir das Gute. Darum muß man, wie Plato sagt, von der ersten Kindheit an einigermaßen dazu angeleitet worden sein, über dasjenige Lust und Unlust zu empfinden, worüber man soll. Denn das ist die rechte Erziehung. Die Tugenden bewegen sich ferner um das Tun und Leiden. Da aber mit allem, was man tut und leidet, Lust und Unlust verbunden ist, so wird die Tugend sich um Lust und Unlust bewegen. Dies zeigen auch die Strafen an, die darin bestehen, daß Genußbringendes entzogen und Schmerzliches angetan wird. Sie sind gleichsam ein Heilverfahren; die Heilung eines Übels aber pflegt von seinem Gegenteil auszugehen.
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Ferner bewegt sich, wie wir vorhin sagten, jeder Habitus bei seiner Betätigung von Natur aus in dem und um das, wodurch er geeignet ist, verschlechtert oder verbessert zu werden. Nun wird er aber verschlechtert durch Lust und Unlust, wenn er bei beiden sucht und flieht, was er nicht soll, oder wann er nicht soll, oder wie er nicht soll, oder wie sonst noch derartiges im Begriff unterschieden wird. Daher bestimmt man wohl auch die Tugend als eine gewisse Unempfindlichkeit und Ruhe, jedoch mit Unrecht, weil man Unempfindlichkeit schlechthin fordert, statt zu sagen, wie man unempfindlich sein muß und wie nicht, und wann, und was sonst noch hierher gehört. Als Voraussetzung gelte also, daß eine derartige Tugend überall da, wo es sich um Lust und Unlust handelt, das Beste vollbringt, wie die Schlechtigkeit das Gegenteil. Eben dies kann uns auch noch durch folgendes klar werden. Da drei Dinge Gegenstand des freien Strebens und drei Gegenstand des Fliehens sind: das sittlich Gute, das Nützliche und das Angenehme oder Lusterregende, und deren Gegenteil: das Böse, das Schädliche und das Unangenehme oder Unlusterregende, so gilt zwar für alles dieses, daß der Tugendhafte darin das Rechte trifft und der Schlechte es verfehlt, am meisten aber gilt es für die Lust. Denn sie ist allen Sinnenwesen gemeinsam und mit allem, was unter die menschliche Wahl fällt, verbunden. Auch das sittlich Gute und das Nützliche erscheint ja als lustbringend. Ferner ist die Lust mit uns allen von Kindesbeinen an verwachsen; daher fällt es schwer, dieses durch das Leben in uns festgewurzelte Gefühl abzustreifen. Auch machen wir, die einen mehr, die anderen weniger, Lust und Unlust zur Richtschnur unserer Handlungen. Diese beiden Gefühle sind darum notwendig die Angelpunkte unserer ganzen Theorie. Denn es ist für das Handeln von der größten Wichtigkeit, ob man in der rechten oder in der verkehrten Weise Lust und Unlust empfindet. Endlich ist es, wie Heraklit sagt, zwar schwer, den Zorn zu bezwingen, aber noch schwerer bezwingt man die Lust. Um das Schwerere aber bemüht sich allezeit wie die Kunst so die
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Tugend, und durch dieses wird das Gute noch besser. Und so dreht sich auch aus diesem Grunde das ganze Geschäft der Tugend und der Staatskunst um Lust und Unlust. Wer sich hier gut verhält, ist gut, und wer sich schlecht verhält, ist schlecht. So hätten wir denn dargelegt, daß die Tugend es mit Lust und Unlust zu tun hat, daß sie in den Ursachen ihrer Entstehung auch die ihres Wachstums und, wenn sich an ihnen etwas ändert, auch ihres Untergangs besitzt; endlich, daß sie in denselben Dingen, woraus sie entsteht, sich tätig erweist.
Drittes Kapitel3 Man könnte jedoch fragen, wie es gemeint ist, daß man durch Handlungen der Gerechtigkeit gerecht und durch Handlungen der Mäßigkeit mäßig werden müsse, da man doch, um sich gerecht und mäßig zu verhalten, schon gerecht und mäßig sein müsse, gerade wie man, um Grammatik und Musik zu üben, schon ein Grammatiker und Musiker sein muß. Aber dieses ist ja nicht einmal bei den Künsten richtig. Man kann doch auch durch Zufall, oder wenn ein anderer einem vorspricht, so reden, wie die Sprachlehre es vorschreibt. So wird man denn erst dann ein Sprachkundiger sein, wenn man nicht bloß redet, wie die Grammatik vorschreibt, sondern auch, weil sie es so vorschreibt, was beides dann der Fall sein wird, wenn man gemäß selbsteigener Kenntnis der Grammatik redet. Überdies ist es auch mit den Künsten nicht in gleicher Weise wie mit den Tugenden bestellt. Die Erzeugnisse der Künste haben ihre Güte in sich selbst, so daß es genügt, wenn man sie so hervorbringt, daß sie eine bestimmte Beschaffenheit haben. Eine dem sittlichen Bereich angehörende Handlung aber ist nicht schon dann eine Handlung der Gerechtigkeit und Mäßigkeit, wenn sie selbst eine bestimmte Beschaffenheit hat, sondern erst dann, wenn auch der Handelnde bei der Handlung gewisse Bedingungen erfüllt, wenn er erstens wissentlich, wenn er zweitens mit Vorsatz, und zwar mit einem einzig auf
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die sittliche Handlung gerichteten Vorsatz, und wenn er drittens fest und ohne Schwanken handelt. Für die Künste zählen diese Bedingungen nicht mit, da es bei ihnen nur auf das Wissen und Können ankommt. Für die Tugend aber bedeutet das Wissen wenig oder nichts, das andere dagegen, was nur durch fortgesetzte Übung der Gerechtigkeit und Mäßigkeit erworben wird, bedeutet nicht wenig, sondern alles. Die Werke werden mithin als Werke der Gerechtigkeit und Mäßigkeit bezeichnet, wenn sie solche sind, wie sie der Gerechte und Mäßige verrichtet. Dagegen ist gerecht und mäßig, nicht wer sie verrichtet, sondern wer sie so verrichtet, wie es der Gerechte und der Mäßige tun. Es ist also richtig gesprochen, daß man durch Handlungen der Gerechtigkeit ein gerechter und durch Handlungen der Mäßigkeit ein mäßiger Mann wird. Niemand aber, der sie nicht verrichtet, ist auch nur auf dem Weg, tugendhaft zu werden. Aber die große Menge gibt sich damit nicht ab, sondern man glaubt schon, wenn man nur hohe Worte redet, ein Philosoph zu sein und so ein braver Mann zu werden. Und so macht man es wie die Kranken, die den Arzt zwar aufmerksam anhören, aber von seinen Anordnungen nichts befolgen. Sowenig also jene bei solchem Heilverfahren körperlich wohlfahren können, können diese es geistig, wenn das ihre Philosophie ist.
Viertes Kapitel4 Hiernach müssen wir untersuchen, was die Tugend ist. Da es dreierlei psychische Phänomene gibt: Affekte, Vermögen und jene dauernden Beschaffenheiten, die man Habitus nennt, so wird die Tugend von diesen dreien eines sein müssen. Als Affekte bezeichnen wir: Begierde, Zorn, Furcht, Zuversicht, Neid, Freude, Liebe, Haß, Sehnsucht, Eifersucht, Mitleid, überhaupt alles, was mit Lust oder Unlust verbunden ist; als Vermögen das, was uns für diese Gefühle empfänglich macht, was uns z. B. befähigt, Zorn oder Trauer oder Mitleid zu empfinden; als Habitus endlich das, was macht, daß wir uns
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in bezug auf die Affekte richtig oder unrichtig verhalten, wie wir uns z. B. in bezug auf den Zorn unrichtig verhalten, wenn er zu stark oder zu schwach ist, richtig dagegen, wenn er die rechte Mitte hält, und ähnliches gilt für die übrigen Affekte. Affekte nun sind die Tugenden und die Laster nicht, weil wir nicht wegen der Affekte tugendhaft oder lasterhaft genannt werden, wohl aber wegen der Tugenden und Laster, und weil wir nicht wegen der Affekte gelobt und getadelt werden – denn man wird nicht gelobt, wenn man sich fürchtet oder wenn man zornig wird, und nicht getadelt, wenn man einfach zornig wird, sondern wenn es auf bestimmte Weise geschieht –, wohl aber wird uns wegen der Tugenden und der Laster Lob oder Tadel zuteil. Ferner werden wir zornig und geraten wir in Furcht ohne vorausgegangene Selbstbestimmung, die Tugenden aber sind Akte der Selbstbestimmung oder können doch von diesem Akt nicht getrennt werden. Überdies sagen wir, daß wir durch die Affekte bewegt, durch die Tugenden und Laster aber nicht bewegt, sondern in eine bestimmte bleibende Disposition gebracht werden. Aus diesen Gründen sind die Tugenden auch keine Vermögen. Denn wir heißen nicht darum gut oder böse, weil wir das bloße Vermögen der Affekte besitzen, noch werden wir darum gelobt oder getadelt. Überdies sind die Vermögen Naturgabe, gut oder böse aber sind wir nicht von Natur, wie wir schon oben ausgeführt haben. Wenn nun die Tugenden keine Affekte und auch keine Vermögen sind, so bleibt nur übrig, daß sie ein Habitus sind. So hätten wir denn erklärt, was die Tugend der Gattung nach ist. Fünftes Kapitel5 Aber diese Bestimmung, daß die Tugend ein Habitus ist, reicht nicht hin; wir müssen auch angeben, welcher Art derselbe ist. Hier ist zu sagen, daß jede Tugend oder Tüchtigkeit einerseits dasjenige selbst, woran sie sich findet, vollkommen macht,
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andererseits seiner Leistung die Vollkommenheit verleiht. Die Tüchtigkeit des Auges macht z. B. das Auge selbst und seine Leistung gut, da sie bewirkt, daß wir gut sehen. Desgleichen macht die Tüchtigkeit des Pferdes, daß es selbst gut ist, und daß es gut läuft, den Reiter gut trägt und vor dem Feinde gut standhält. Wenn sich dieses nun bei allem so verhält, so muß auch die Tugend des Menschen ein Habitus sein, vermöge dessen er selbst gut ist und sein Werk gut verrichtet. Wie das geschehen könne, haben wir schon angegeben; es stellt sich aber auch noch auf anderem Wege heraus, wenn wir betrachten, von welcher Art die Natur der Tugend ist. In allem, was kontinuierlich und was teilbar ist, läßt sich ein Mehr, ein Weniger und ein Gleiches antreffen, und zwar entweder mit Rücksicht auf die Sache selbst oder mit Rücksicht auf uns. Das Gleiche aber ist ein Mittleres zwischen Übermaß und Mangel, Mittleres der Sache nach nennen wir dasjenige, was von beiden Enden gleich weit entfernt ist, und dieses ist bei allem eines und dasselbe, dagegen Mittleres für uns, was weder ein Übermaß noch einen Mangel hat, und dieses ist nicht bei allem eines und dasselbe. Wenn z. B. zehn viel sind und zwei wenig, so nimmt man sechs für das der Sache nach Mittlere, weil es um gleich viel mehr und weniger ist. Das ist die Mitte nach dem arithmetischen Verhältnis. Das Mittlere für uns kann dagegen so nicht bestimmt werden. Wenn für jemanden zehn Pfund zu verzehren viel sind und zwei Pfund wenig, so wird der Ringmeister nicht sechs vorschreiben. Denn auch das ist vielleicht für den, der sie zu sich nehmen soll, viel oder wenig, wenig für einen Milo, viel für einen Anfänger in den Übungen. Dasselbe gilt für den Wettlauf und Ringkampf. So meidet denn jeder Kundige das Übermaß und den Mangel und sucht und wählt die Mitte, nicht die Mitte der Sache nach, sondern die Mitte für uns. Wenn nun jede Wissenschaft und Kunst ihre Leistung dadurch zu einer vollkommenen gestaltet, daß sie auf die Mitte sieht und dieselbe zum Zielpunkt ihres Tuns macht – deswegen pflegt man ja von gut ausgeführten Werken zu sagen, es lasse sich nichts davon- und nichts dazutun, in der Überzeugung,
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daß Übermaß und Mangel die Güte aufhebt, die Mitte aber sie erhält –, wenn also die guten Künstler, wie gesagt, diese Mitte bei ihrer Arbeit im Auge behalten, und wenn die Tugend gleich der Natur sicherer und besser ist als alle Kunst, so muß wohl dies als Schlußsatz sich ergeben, daß die Tugend nach der Mitte zielt, die sittliche oder Charaktertugend wohlverstanden, da sie es mit den Affekten und Handlungen zu tun hat, bei denen es eben ein Übermaß, einen Mangel und ein Mittleres gibt. Beim Zagen z. B. und beim Trotzen, beim Begehren, Zürnen, Bemitleiden und überhaupt bei aller Empfindung von Lust und Unlust gibt es ein Zuviel und Zuwenig, und beides ist nicht gut; dagegen diese Affekte zu haben, wann man soll, und worüber und gegen wen und weswegen und wie man soll, das ist die Mitte und das Beste, und das ist die Leistung der Tugend. Ebenso gibt es bei den Handlungen ein Übermaß, einen Mangel und eine Mitte. Die Tugend aber liegt auf dem Felde der Affekte und Handlungen, wo das Übermaß verfehlt ist und der Mangel Tadel erfährt, die Mitte aber Lob erntet und das Rechte trifft. Beides aber, gelobt zu werden und das Rechte zu treffen, ist der Tugend eigentümlich. Mithin ist die Tugend eine Mitte, da es ihr wesentlich ist, nach dem Mittleren zu zielen. Ferner kann man auf vielfache Weise fehlen – das Schlechte gehört ja zum Unbegrenzten, wie die Pythagoreer bildlich sagten, das Gute aber zum Begrenzten –, dagegen kann man es nur auf eine Weise recht machen; deshalb ist auch jenes leicht und dieses schwer. Denn es ist leicht, das Ziel zu verfehlen, aber schwer, es zu treffen. Auch aus diesem Grunde gehört demnach das Übermaß und der Mangel dem Laster an, die Mitte aber der Tugend. Denn „Nur eine Weise kennt die Tugend, doch viele das Laster“.
Sechstes Kapitel6
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Es ist mithin die Tugend ein Habitus des Wählens, der die nach uns bemessene Mitte hält und durch die Vernunft bestimmt wird, und zwar so, wie ein kluger Mann ihn zu bestimmen pflegt. Die
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Mitte ist die zwischen einem doppelten fehlerhaften Habitus, dem Fehler des Übermaßes und des Mangels; sie ist aber auch noch insofern Mitte, als sie in den Affekten und Handlungen das Mittlere findet und wählt, während die Fehler in dieser Beziehung darin bestehen, daß das rechte Maß nicht erreicht oder überschritten wird. Deshalb ist die Tugend nach ihrer Substanz und ihrem Wesensbegriff Mitte; insofern sie aber das Beste ist und alles gut ausführt, ist sie Äußerstes und Ende. Doch kennt nicht jede Handlung oder jeder Affekt eine Mitte, da sowohl manche Affekte, wie Schadenfreude, Schamlosigkeit und Neid, als auch manche Handlungen, wie Ehebruch, Diebstahl und Mord, schon ihrem Namen nach die Schlechtigkeit in sich schließen. Denn alles dieses und ähnliches wird darum getadelt, weil es selbst schlecht ist, nicht sein Zuviel und Zuwenig. Demnach gibt es hier nie ein richtiges Verhalten, sondern immer lediglich ein verkehrtes, und das Gute und Schlechte liegt bei solchen Dingen nicht in den Umständen, wie wenn es sich z. B. beim Ehebruch darum fragte, mit wem und wann und wie er erlaubt sei, sondern es ist überhaupt gefehlt, irgend etwas derartiges zu tun. Ebensowenig nun darf man bei der Ungerechtigkeit, Feigheit und Zuchtlosigkeit nach einer Mitte oder nach einem Zuviel oder Zuwenig fragen. Denn so bekämen wir eine Mitte des Zuviel und Zuwenig und ein Zuviel des Zuviel und ein Zuwenig des Zuwenig. Wie es vielmehr bei der Mäßigkeit und dem Starkmut kein Zuviel und Zuwenig gibt, weil die Mitte gewissermaßen Ende und Äußerstes ist, so gibt es auch in jenen Dingen keine Mitte und kein Zuviel und Zuwenig, sondern wie man sie auch tun mag, immer ist es gefehlt. Denn es gibt beim Zuviel und Zuwenig überhaupt keine Mitte, wie bei der Mitte kein Zuviel und Zuwenig.
Siebentes Kapitel7 Dies ist aber nicht nur so allgemein aufzustellen, sondern auch ins Einzelne zu verfolgen. In den Erörterungen, die das
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Handeln betreffen, sind die allgemeinen Sätze am leersten, während die partikulären einen größeren Inhalt an Wahrheit haben. Denn die Handlungen bewegen sich um das Einzelne, und mit ihm müssen die Behauptungen übereinstimmen. Dieses Einzelne wollen wir aus der Einteilung entnehmen. Bei den Affekten der Furcht und der Zuversicht ist der Mut die Mitte. Wer hier durch Übermaß fehlt, hat, wenn es durch Furchtlosigkeit geschieht, keinen besonderen Namen – wie denn so manches keine eigene Benennung hat –, geschieht es aber durch ein Übermaß von Zuversicht, so heißt er tollkühn; wer aber durch ein Übermaß von Furcht und einen Mangel an Zuversicht fehlt, heißt feig. Bei den Affekten der Lust und der Unlust, nicht bei allen jedoch und am wenigsten bei allen Unlustempfindungen, ist die Mitte Mäßigkeit, das Übermaß Zuchtlosigkeit oder Unmäßigkeit. Menschen, die auf dem Gebiete der Lustempfindungen zu wenig tun, gibt es wohl kaum. Darum haben auch sie keinen eigenen Namen erhalten. Wir wollen sie indessen unempfindlich nennen. In Geldsachen, im Geben wie im Nehmen, ist die Mitte Freigebigkeit, das Übermaß und der Mangel Verschwendung und Geiz, und zwar so, daß beide Fehler beide Extreme aufweisen, jedoch umgekehrt zueinander. Der Verschwender gibt zu viel und nimmt zu wenig; der Geizige dagegen nimmt zu viel und gibt zu wenig. Diese allgemeinen und summarischen Daten mögen einstweilen genügen. Später wollen wir hierüber Genaueres feststellen. Es gibt auch in Geldsachen noch andere Charaktereigenschaften: die Hochherzigkeit als Mitte (denn der Hochherzige unterscheidet sich von dem Freigebigen: bei ihm handelt es sich um Großes, bei dem anderen um Kleines), ferner die Sucht, geschmacklosen und großtuerischen Aufwand zu machen, als Übermaß, endlich die Engherzigkeit als Mangel. Diese Extreme decken sich nicht mit denen der Freigebigkeit. Inwiefern sie es nicht tun, soll später gesagt werden. In bezug auf Ehre und Schande ist die Mitte Hochsinn, das Übermaß heißt Aufgeblasenheit, der Mangel ist niederer
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Sinn. Wie aber nach dem vorhin Gesagten die Freigebigkeit, deren unterscheidendes Merkmal darin liegt, sich im Kleinen zu betätigen, sich zu der Hochherzigkeit verhält, so verhält sich zum Hochsinn, der auf große Ehre gerichtet ist, eine gewisse Eigenschaft, die auf die Ehre im Kleinen ausgeht. Man kann nämlich auf die rechte Weise nach der Ehre verlangen und mehr, als recht ist, und weniger. Wer in diesem Verlangen zu weit geht, heißt ehrgeizig; wer nicht weit genug geht, heißt ein Mensch ohne Ehrgeiz; wer aber die Mitte einhält, für den fehlt die bezeichnende Benennung. Ebenso sind die Eigenschaften selbst ohne Namen; nur diejenige des Ehrgeizigen heißt Ehrgeiz. Und darum erheben hier die beiden Extreme Anspruch auf die Mitte, und wir nennen auch denjenigen, der hier die rechte Mitte einhält, bald ehrgeizig, bald frei von Ehrgeiz und haben bald für den Ehrgeizigen, bald für den Nichtehrgeizigen ein Lob. Warum wir dieses tun, soll später dargelegt werden. Jetzt wollen wir noch das Übrige in der begonnenen Weise besprechen. Auch bei dem Zorn gibt es ein Übermaß, einen Mangel und eine Mitte. Da aber die Sprache fast keinen Namen dafür hat, so wollen wir den Menschen, der die Mitte einhält, sanftmütig und die Mitte entsprechend Sanftmut nennen. Von den Extremen soll der, der das Zuviel hat, zornmütig und sein Fehler Zornmütigkeit heißen, wer das Zuwenig hat, etwa zornlos und das Zuwenig Zornlosigkeit. Es gibt auch noch drei andere Mitten, die zwar in einer Hinsicht miteinander übereinstimmen, aber im übrigen verschieden sind. Sie beziehen sich alle drei auf den geselligen Verkehr in Worten und Handlungen, unterscheiden sich aber dadurch, daß die eine sich auf die Wahrheit in denselben bezieht, die beiden anderen auf das Angenehme, einmal das Angenehme des Scherzes und dann das Angenehme im sonstigen Verkehr. Auch hierüber müssen wir sprechen, damit wir desto deutlicher erkennen, daß die Mitte in allem das Lobenswerte ist, die Extreme aber weder recht noch lobenswert sind, sondern tadelnswert. Für die meisten Eigenschaften fehlen hier wieder die Bezeichnungen. Wir wollen jedoch versuchen, ihnen wie
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den übrigen Namen zu geben um der Deutlichkeit und Verständlichkeit willen. Bezüglich der Wahrheit soll, wer die Mitte einnimmt, wahrhaft, und die Mitte Wahrhaftigkeit heißen. Ihre Entstellung nach seiten des Zuviel heiße Prahlerei, und wem sie eigen ist, prahlerisch, die nach seiten des Zuwenig Ironie oder verstellte Unwissenheit, die Person ironisch. Bei jener Annehmlichkeit, die der Scherz zu bereiten pflegt, heiße, wer die Mitte hält, artig, die Eigenschaft Artigkeit, das Übermaß Possenreißerei und die Person Possenreißer; wer endlich hier zu wenig hat, steif, und die Art Steifheit. Bezüglich der Annehmlichkeit im Verkehr überhaupt heiße, wer sie uns in der rechten Weise bereitet, freundlich und die Mitte Freundlichkeit; wer hier zuviel tut, wird, wenn es ohne Eigennutz geschieht, gefallsüchtig, und wenn es aus Selbstsucht geschieht, schmeichlerisch genannt. Wer endlich hierin zurückbleibt und in allen Stücken widerwärtig ist, wird als streitsüchtig und eigensinnig bezeichnet. Auch bei den Affekten und dem durch sie bestimmten Verhalten gibt es eine Mitte. So ist die Scham keine Tugend, und doch wird der Schamhafte gelobt. Denn auch hier redet man von einem, der die Mitte hält, von einem anderen, der die Sache übertreibt, wie der Blöde, der sich über alles schämt, und von einem dritten, der zu wenig oder gar kein Schamgefühl hat, dem Unverschämten. Wer aber die Mitte beobachtet, ist schamhaft. Ferner ist Entrüstung die Mitte zwischen Neid und Schadenfreude. Alle diese drei Affekte führen sich auf die Freude und die Betrübnis über das, was dem Nächsten begegnet, zurück. Wem die Entrüstung eigen ist, der betrübt sich, wenn es denen, die es nicht verdienen, gut geht; der Neidische, ihn überbietend, betrübt sich über alle, denen es gut geht, und der Schadenfrohe ist so weit davon entfernt, sich zu betrüben, daß er sich vielmehr freut. Doch hierüber zu reden wird sich an einem anderen Ort Gelegenheit bieten. Von der Gerechtigkeit aber werden wir erst weiterhin handeln, indem wir sie, die einen doppelten Sinn hat, in ihre beiden Seiten zerlegen und von jeder zeigen,
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inwiefern sie eine Mitte ist. Desgleichen werden wir von den logischen oder Verstandestugenden erst später sprechen.
Achtes Kapitel8 Da es somit dreierlei Eigenschaften gibt, zwei verkehrte, die eine an Übermaß krankend, die andere an Mangel, und eine gute, die Mitte, so ist jede jeder in gewisser Weise entgegengesetzt. Die Extreme sind der Gegensatz zur Mitte und zueinander, und die Mitte ist der Gegensatz zu den Extremen. Denn wie Gleiches gegen Kleineres gehalten größer und gegen Größeres gehalten kleiner ist, so ist die Mitte im Vergleich zum Mangel ein Übermaß und im Vergleich zum Übermaß ein Mangel, und dieses gilt gleichmäßig für die Affekte und für die Handlungen. Der Mutige erscheint gegen den Feigling als tollkühn und gegen den Tollkühnen als feig; desgleichen der Mäßige gegen den Unempfindlichen als zügellos und gegen den Zügellosen als unempfindlich, und der Freigebige gegen den Geizigen als Verschwender und gegen den Verschwender als geizig. Daher schieben die Extremen den Mittleren von sich weg, je einer dem anderen zu und nennen den Mutigen, wenn es der Feigling ist, tollkühn, und wenn es der Tollkühne ist, feig, und ähnlich geht es bei den übrigen Eigenschaften. Während diese Dinge in der angegebenen Weise einander entgegengesetzt sind, stehen die Extreme doch in einem größeren Gegensatz zueinander als zur Mitte. Denn sie stehen voneinander weiter ab als von der Mitte, wie das Große vom Kleinen und das Kleine vom Großen weiter absteht als beide vom Gleichen. Auch zeigen manche Extreme eine gewisse Ähnlichkeit mit der Mitte, so die Tollkühnheit mit dem Mut, und die Verschwendung mit der Freigebigkeit. Dagegen haben die Extreme miteinander die größte Unähnlichkeit. Was aber am weitesten voneinander absteht, bestimmt man als Gegenteil oder als konträren Gegensatz, und so muß denn auch, was weiter voneinander absteht, in vollkommenerem Sinn Gegenteil voneinander sein.
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Zu der Mitte bildet bald der Mangel, bald das Übermaß den größeren Gegensatz, so bei dem Mute nicht die Tollkühnheit, die ein Übermaß ist, sondern die Feigheit, die ein Mangel ist, dagegen bei der Mäßigkeit nicht die Stumpfsinnigkeit, die ein Defekt ist, sondern die Zuchtlosigkeit, die ein Übermaß ist. Dieses rührt von einer doppelten Ursache her. Die eine liegt in der Sache selbst. Weil das eine Extrem der Mitte näher und ähnlicher ist, so stellen wir nicht es selbst, sondern sein Gegenteil zu ihr in Gegensatz; so stellen wir, weil dem Mute die Tollkühnheit ähnlicher und näher zu sein scheint, die Feigheit aber unähnlicher, eher diese letztere in Gegensatz zum Mute, weil das von der Mitte Entferntere als mehr gegenteilig erscheint. Das ist also die eine, in der Sache liegende Ursache. Die andere liegt in uns selbst. Das, wozu wir von Natur irgendwie mehr geneigt sind, erscheint als der Mitte mehr entgegengesetzt. So neigen wir von Hause aus mehr zur Lust, weshalb wir leichter den Weg der Zuchtlosigkeit als der Wohlanständigkeit betreten. Diejenige Seite nun, der wir leichter zuneigen, gilt uns als der stärkere Gegensatz, und deshalb ist die Zuchtlosigkeit, ein Übermaß also, in höherem Grade der Mäßigkeit entgegengesetzt.
Neuntes Kapitel9 Daß also die sittliche Tugend eine Mitte ist und in welchem Sinne, daß sie ferner eine Mitte zwischen zwei Fehlern, dem des Übermaßes und dem des Mangels, ist, daß sie das endlich ist, insofern sie bei den Affekten und Handlungen auf die Mitte abzielt, haben wir zur Genüge auseinandergesetzt. Daher ist es auch schwer, tugendhaft zu sein. Denn in jedem Dinge die Mitte zu treffen ist schwer. So kann z. B. nicht ein jeder den Mittelpunkt eines Kreises finden, sondern nur der Wissende. So ist es auch jedermanns Sache und ein Leichtes, zornig zu werden und Geld zu verschenken und zu verzehren. Aber das Geld zu geben, wem man soll und wie viel man soll, und wann und weswegen und wie, das ist nicht mehr
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jedermanns Sache und nicht leicht. Darum ist das Gute auch so selten, so lobenswert und so schön. Wer daher die Mitte treffen will, muß sich vor allem von dem stärkeren Gegensatz zu ihr entfernen, wie auch Kalypso rät: „Dort von dem dampfenden Gischt und dem Wirbel halte das Fahrzeug fern!“ Denn von den Extremen ist das eine schlimmer als das andere. Da es nun schwer ist, das Mittlere ganz genau zu treffen, so muß man nach dem Sprichwort mit der zweitbesten Fahrt zufrieden sein und das kleinere Übel wählen, und das wird sich am besten auf die von uns angegebene Weise bewerkstelligen lassen. Auch muß man beachten, wozu man selbst am meisten neigt, und in dieser Beziehung sind die Einzelnen von Haus aus sehr verschieden. Wohin jedoch unsere Neigung steht, verrät unsere besondere Art, Lust und Unlust zu empfinden. Da müssen wir uns mit eigener Anstrengung auf die andere Seite zu bringen suchen. Denn indem wir so dem Verkehrten recht weit aus dem Wege gehen, werden wir zur Mitte gelangen, ähnlich wie man es macht, um krummes Holz gerade zu biegen. Bei allen Dingen müssen wir am meisten vor der Lust und dem, was sie hervorruft, auf der Hut sein, da wir hier nicht als unbestochene Richter urteilen. Wie die Volksältesten sich der Helena gegenüber verhielten, so müssen wir es der Lust gegenüber tun und uns das Wort der troïschen Greise immer wiederholen. Denn wenn wir sie in dieser Art von uns weisen, werden wir am wenigsten fehlen. Dies also ist, summarisch gesprochen, das Verfahren, um nach Möglichkeit die Mitte zu treffen. Das mag, besonders in den einzelnen Fällen, schwer sein. Es ist nicht leicht, zu bestimmen, wie und wem und aus welcher Veranlassung und wie lange man zürnen soll, und wir loben bald die, die darin zu wenig tun, und nennen sie sanftmütig, bald rühmen wir cholerischen Personen männlichen Charakter nach. Wer aber das rechte Maß nur um ein Kleines verfehlt, sei es durch ein Zuviel oder ein Zuwenig, den trifft kein Tadel, wohl aber den, der es bedeutend verfehlt, weil er nicht unbe-
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merkt bleibt. Von welchem Punkt und Grad an man aber Tadel verdient, läßt sich nicht leicht in Worte fassen, wie das ja überhaupt in der Natur des sinnlich Wahrnehmbaren liegt. Solches aber, was dem Bereich des Handelns angehört, ist singulär und konkret und untersteht deshalb dem Urteil des Sinnes. Soviel jedoch gelte nun als ausgemacht, daß der mittlere Habitus zwar in allen Dingen lobenswert ist, daß man aber hin und wieder nach seiten des Zuviel oder des Zuwenig abweichen muß, um die Mitte und das Rechte leichter zu treffen.
DRITTES BUCH
Erstes Kapitel1 Da die Tugend es mit Affekten und Handlungen zu tun hat und diese, wenn sie freiwillig sind, Lob und Tadel finden, wenn aber unfreiwillig, Verzeihung, zuweilen auch Mitleid, so kann der Moralphilosoph nicht wohl umhin, den Begriff des Freiwilligen und des Unfreiwilligen zu erörtern. Aber auch für die Gesetzgeber ist dieses von Nutzen im Hinblick auf Feststellung von Belohnungen und Strafen. Unfreiwillig scheint zu sein, was aus Zwang oder Unwissenheit geschieht. Erzwungen oder gewaltsam ist dasjenige, dessen Prinzip außen liegt, und wo der Handelnde oder der Gewalt Leidende nichts dazutut, z. B. wenn ihn der Wind oder Menschen, in deren Gewalt er ist, irgendwohin führen. Wenn aber etwas aus Furcht vor größeren Übeln oder wegen etwas Gutem getan wird – z. B. wenn ein Tyrann, der unsere Eltern und Kinder in seiner Gewalt hat, eine schimpfliche Handlung von uns verlangte und jene geschont würden, wenn wir die Handlung verrichteten, dagegen sterben müßten, wenn wir uns weigerten –, so kann man zweifeln, ob solche Handlungen freiwillig oder unfreiwillig sind. Die gleiche Bewandtnis hat es mit den Gütern, die man bei einem Seesturm über Bord wirft. Schlechthin freiwillig tut das niemand, dagegen um sich und die anderen zu retten, tut es jeder, der Vernunft besitzt. Derartige Handlungen sind also gemischter Natur, indessen neigen sie sich mehr auf die Seite des Freiwilligen. Denn im Augenblick ihrer Ausübung sind sie frei gewählte, und das Ziel und die Vollendung einer Handlung richtet sich jedesmal nach der Zeit. Und darum muß etwas mit Rücksicht auf die Zeit der Handlung als freiwillig und unfreiwillig bezeichnet werden. Nun geschieht sie aber, wann sie geschieht, freiwillig. Denn auch das Prinzip, das bei derartigen Handlungen die Glieder
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des Leibes bewegt, liegt in dem Handelnden selbst. Liegt aber das Prinzip der Handlung in ihm, so steht es bei ihm, sie zu verrichten oder nicht. Mithin ist solches freiwillig, schlechthin aber vielleicht unfreiwillig, da niemand sich für derartiges an sich entscheiden würde. Man wird aber auch wegen solcher Handlungen bisweilen gelobt, wenn man nämlich Schimpfliches oder Schmerzliches erträgt, wo es für Großes und Schönes geschieht; fehlt aber diese Bedingung, so wird man getadelt. Denn das Schimpflichste ertragen, wo keinerlei Gut oder nur ein kleines auf dem Spiele steht, verrät den schlechten Mann. Für manche Dinge erhält man zwar kein Lob, aber Verzeihung, wenn man nämlich tut, was man nicht sollte, aus Furcht vor Dingen, die über das Vermögen der menschlichen Natur hinausgehen und von niemandem ertragen werden könnten. Indessen mag es auch solche Handlungen geben, zu denen man sich nicht zwingen lassen darf und denen man den Tod unter den größten Qualen vorziehen muß. Was z. B. den Alkmäon des Euripides zum Muttermord gezwungen hat, ist offenbar lächerlich. Es ist aber zuweilen schwer zu entscheiden, welches von zwei Dingen man wählen, und welches von zwei Übeln man ertragen soll; noch schwerer aber ist es, bei dem als Pflicht Erkannten zu beharren. Denn meistens ist das, was man zu erwarten hat, schmerzlich und das, wozu man gezwungen werden soll, schimpflich. Darum hat man für jemanden Lob oder Tadel, je nachdem er dem Zwang nachgegeben hat oder nicht. Was soll nun also als erzwungen gelten? Das, antworten wir, dessen Ursache außen ist und wo der Handelnde nichts dazutut. Was an sich unfreiwillig ist, aber für den Augenblick und aus der und der Rücksicht gewählt wird und sein Prinzip in dem Handelnden hat, ist an sich zwar unfreiwillig, jedoch für jetzt und um der und der Rücksicht willen freiwillig. Doch hat es mehr von der Art des Freiwilligen, da die Handlungen stets in bestimmten Fällen erfolgen und die Tat im bestimmten Falle eben freiwillig ist. Welche Wahl aber jedesmal zu treffen ist, läßt sich nicht leicht bestimmen, weil es von Fall zu Fall zahlreiche Verschiedenheiten gibt.
Drittes Buch ∙ Kapitel 2 55
Wollte man aber das Lustbringende und das sittlich Gute für ein Zwingendes ausgeben, insofern es nämlich außen ist und darum Zwang ausüben soll, dann wäre alles ohne Ausnahme zwingend. Denn um dieser Dinge willen tun alle alles. Auch sind die erzwungenen und unfreien Handlungen schmerzlich, während das um der Lust und des Guten willen Getane uns Freude macht. Es ist also lächerlich, die äußeren Güter anzuklagen und nicht sich selbst, der man so leicht von Derartigem gefangen wird, lächerlich, das Gute sich selbst zuzuschreiben, das Schimpfliche aber auf Rechnung des äußeren Reizes zu setzen. Erzwungen ist und bleibt doch, wessen Prinzip außen ist, wo aber das den Zwang Erduldende nichts dazutut.
Zweites Kapitel2 Was aus Unwissenheit geschieht, ist zwar nicht alles freiwillig getan, aber für unfreiwillig können doch nur diejenigen Handlungen gelten, denen Schmerz und Reue folgt. Wer etwas aus Unwissenheit getan hat, aber über die Handlung kein Mißfallen empfindet, hat zwar nicht freiwillig in dem gehandelt, was er ja nicht wußte, aber auch nicht unfreiwillig, da er keine Betrübnis darüber fühlt. Wer also das aus Unwissenheit Getane bereut, erscheint als jemand, der unfreiwillig gehandelt hat, wer es aber nicht bereut – dies soll nämlich ein anderes sein –, als jemand, der nicht freiwillig gehandelt hat. Denn da er sich von jenem unterscheidet, so erhält er besser eine besondere Bezeichnung. Es ist auch gewiß nicht das gleiche, ob man etwas aus Unwissenheit tut oder ohne es zu wissen. Wer betrunken oder zornig aufgeregt ist, handelt sicher nicht aus Unwissenheit, sondern aus einer dieser beiden Ursachen, aber nicht mit Wissen, sondern ohne Wissen. Aber nun weiß auch jeder Bösewicht nicht, was er tun und was er meiden soll, und eben dieser Mangel ist es, durch den der Mensch ungerecht und überhaupt schlecht wird.
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Endlich darf da von unfreiwillig keine Rede sein, wo man nicht weiß, was einem nützt. Freigewollte Unwissenheit ist keine Ursache des Unfreiwilligen, sondern der Schlechtigkeit; auch nicht die Unkenntnis der allgemeinen sittlichen Vorschriften – denn gerade ihretwegen erfährt man Tadel –, sondern die Unkenntnis des Einzelnen, in dem und um das sich das Handeln bewegt. Hier findet ja auch Mitleid und Verzeihung statt. Denn wer ein Einzelnes nicht weiß, handelt unfreiwillig. Es ist nun wohl nicht unpassend, anzugeben, welche und wie viele Einzelheiten überhaupt bei einer Handlung in Betracht kommen können. Es fragt sich da also, wer etwas tut, und was er tut und in bezug auf was oder an wem, oft auch, womit, ob z. B. mit einem Werkzeug, und weshalb, ob z. B. der Rettung halber, und wie, z. B. ob gelinde oder intensiv. Über alles dieses zusammen kann nun niemand, der kein Narr ist, sich in Unwissenheit befinden, selbstverständlich auch nicht über die Person des Handelnden; – denn wer kennte sich nicht selbst? – dagegen wohl über das, was man tut, wie man z. B. sagt, es sei einem in der Rede ein Wort versehentlich entfallen, oder man habe nicht gewußt, daß es ein Geheimnis war, wie es dem Äschylus mit den Mysterien ging, oder man habe etwas zeigen wollen, eine Wurfmaschine z. B., und sie sei losgegangen. Man kann auch seinen Sohn für einen Feind halten wie die Merope, oder meinen, eine Lanze, die in Wirklichkeit spitz ist, sei vorn abgerundet, oder ein Stein sei ein Bimsstein. Es kann auch Vorkommen, daß man zu seiner Verteidigung einen Schlag führt und damit den Gegner tötet, oder daß man einem einen Hieb, wie ihn die Faustkämpfer führen, zeigen will und ihn dabei niederstreckt. Da es also in bezug auf alle diese Umstände der Handlung eine Unwissenheit geben kann, so scheint derjenige, der einen dieser Umstände nicht gekannt hat, unfreiwillig gehandelt zu haben, und dies um so mehr, je wichtiger die betreffenden Umstände sind. Als die wichtigsten erscheinen aber der Gegenstand und der Zweck der Handlung. Soll man indessen von jemandem wegen solcher Unwissenheit sagen können, daß er
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unfreiwillig gehandelt hat, so muß er auch über die Handlung Schmerz und Reue empfinden.
Drittes Kapitel3 Da unfreiwillig ist, was aus Zwang oder Unwissenheit geschieht, so möchte freiwillig sein, dessen Prinzip in dem Handelnden ist und zwar so, daß er auch die einzelnen Umstände der Handlung kennt. Denn es ist wohl verkehrt, wenn man als unfreiwillig bezeichnet, was aus Zorn oder Begierde geschieht. Denn, erstlich würden dann keine anderen Sinnenwesen mehr freiwillig, das heißt spontan, tätig sein und ebensowenig die Kinder. Sodann fragte es sich, ob nichts, was aus Begierde und Zorn von uns geschieht, freiwillig getan ist, oder das Gute wohl, das Schimpfliche nicht. Das wäre doch lächerlich, da in beiden Fällen eine und dieselbe Ursache zugrunde liegt. Auch wäre es wohl ungereimt, unfreiwillig zu nennen, was man doch zu begehren die Pflicht hat. Man hat ja die Pflicht, über bestimmte Dinge sich zu erzürnen und andere, wie Gesundheit und Lehre, zu begehren. Auch scheint das Unfreiwillige schmerzlich zu sein. Was aber aus Begierde geschieht, ist lustbringend. Ferner, welcher Unterschied besteht zwischen einem Fehltritt mit Überlegung und einem Fehltritt aus Zorn, daß man sagen sollte, dieser sei unfreiwillig, jener nicht? Beide soll man ja meiden, und die unvernünftigen Affekte scheinen doch um nichts weniger menschliche Affekte zu sein. Aus Zorn und Begierde entspringen aber die Handlungen des Menschen. Also ist es ungereimt, Handlungen, die im Affekt geschehen, für unfreiwillig auszugeben.
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Viertes Kapitel4 Nachdem wir das Freiwillige und Unfreiwillige erklärt haben, ist das nächstfolgende, daß wir den Begriff der Entschließung oder der Willenswahl erörtern. Die Willenswahl scheint vor allem das Eigentümliche der Tugend auszumachen und noch mehr als die Handlungen selbst den Unterschied der Charaktere zu begründen. Die Willenswahl ist etwas Freiwilliges, fällt aber nicht mit dem Freiwilligen zusammen, sondern letzteres hat einen weiteren Umfang. Das Freiwillige oder Spontane findet sich auch bei den Kindern und den anderen Sinnenwesen, eine Willenswahl dagegen nicht; und rasche Handlungen des Augenblicks nennen wir zwar freiwillig, sagen aber nicht, daß sie aufgrund vorbedachter Willenswahl geschehen sind. Die aber sagen, sie sei Begierde oder Zorn oder Wille oder eine Meinung, scheinen nicht recht zu reden. Denn die unvernünftigen Wesen haben an der Willenswahl keinen Teil, an Begierde und Zorn aber wohl. Und wer an sittlicher Kraftlosigkeit leidet, handelt zwar aus Begierde, aber nicht aus vorbedachter Wahl, und umgekehrt handelt der Enthaltsame zwar aus freier Wahl, aber doch nicht aus Begierde. Und die Begierde streitet mit der Willenswahl, doch die Begierde nicht mit der Begierde. Und die Begierde hat es zu tun mit Lust und Unlust, die Willenswahl aber mit dem einen so wenig als mit dem anderen. Noch weniger ist die Willenswahl mit Zorn oder Eifer identisch. Denn was im Zorn geschieht, scheint am allerwenigsten auf vorbedachter Wahl zu beruhen. Aber auch Wille ist sie nicht, wenn auch anscheinend ihm verwandt. Denn es gibt keine Wahl des Unmöglichen, und sagte jemand, er erwähle es, so würde er für einen Toren gelten. Dagegen gibt es ein Wollen des Unmöglichen, z. B. nicht zu sterben. Und das Wollen geht auch auf solches, was man selber gar nicht verwirklichen kann, z. B. daß ein Schauspieler oder Wettkämpfer den Sieg gewinne; dagegen wählt solches
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niemand, sondern nur das, was man durch sich selbst erreichen zu können glaubt. Ferner geht der Wille mehr auf den Endzweck, die Wahl auf die Mittel zum Zwecke. So wollen wir z. B. die Gesundheit, die Mittel dazu aber wählen wir, und wollen die Glückseligkeit und sagen, daß wir sie wollen, dagegen zu sagen, daß wir sie wählen, geht nicht an. Denn die Willenswahl scheint überhaupt nur da sich zu finden, wo etwas in unserer Macht steht. Doch auch Meinung kann sie nicht gut sein. Eine Meinung scheint man von allem haben zu können, von dem Ewigen und dem Unmöglichen sowohl, wie von dem, was in unserer Gewalt steht. Sie wird nach Falschheit und Wahrheit, nicht nach bös und gut unterschieden, sondern hiernach wird vielmehr die Willenswahl eingeteilt. Und so wird sie denn wohl niemand für identisch mit Meinung überhaupt setzen. Sie ist aber auch mit keiner bestimmten Meinung identisch. Denn je nachdem wir das Gute oder das Böse wählen, haben wir eine bestimmte sittliche Qualität, aber nicht nach unseren Meinungen. Und durch die Willenswahl bestimmen wir uns, etwas uns eigen zu machen oder ihm aus dem Wege zu gehen oder zu sonst etwas dergleichen, eine Meinung aber haben wir darüber, was etwas ist, und wem es nützt oder wie; dagegen die Tatsache, daß wir uns etwas aneignen oder es meiden, ist selten Objekt unseres Meinens oder Nachdenkens. Auch wird die Willenswahl mehr deshalb gelobt, weil sie auf das Rechte gerichtet oder recht beschaffen, die Meinung aber deshalb, weil sie wahr ist. Und wir erwählen das, von dessen Güte wir vorzüglich überzeugt sind; dagegen meinen wir etwas, wenn wir es nicht genau wissen. Auch trifft nicht derselbe Mensch die beste Willenswahl, der die besten Meinungen hat, sondern bei manchen sind die Meinungen richtig, während sie aus Schlechtigkeit das wählen, was sie nicht sollen. Übrigens ist es gleichgültig, ob die Meinung der Willenswahl vorausgeht oder ihr nachfolgt; denn dies steht nicht zur
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Debatte, sondern ob die Willenswahl dasselbe ist wie eine gewisse Meinung. Was ist also nun die Willenswahl und welcher Art, da sie keines der genannten Dinge ist? Offenbar etwas Freiwilliges. Aber nicht alles Freiwillige ist frei gewählt. Sollte sie also nicht jenes Freiwillige sein, das überlegt oder vorbedacht ist? Die Willenswahl erfolgt ja mit Verstand und Vernunft, und auch ihr Name scheint anzudeuten, daß es sich bei ihr darum handelt, daß etwas vor anderem gewählt wird.
Fünftes Kapitel5
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Überlegt man alles, und kann jedes Ding überlegt werden, oder hat die Überlegung bei manchen Dingen keine Stelle? – Natürlich kann nicht das als ihr Gegenstand gelten, was etwa ein Tor oder Narr, sondern nur das, was der Verständige überlegt. Über das Ewige stellt niemand Überlegungen an, z. B. über die Welt oder die Inkommensurabilität der Diagonale und der Seite. Auch nicht über das, was im Bereich des Bewegten liegt, aber immer in derselben Weise vor sich geht, sei es aus Notwendigkeit, sei es von Natur oder wegen einer anderen Ursache, wie die Sonnenwenden und Sonnenaufgänge. Ebensowenig über das, was bald so eintrifft, bald anders, wie Dürre und Regen, und das Zufällige, wie das Auffinden eines Schatzes. Aber auch nicht über die menschlichen Dinge insgesamt; so überlegt z. B. kein Lakedämonier, welches für die Skythen die beste Staatsverfassung wäre. Von all diesem wird nichts durch uns getan. Handlungen, die bei uns stehen, die überlegen wir, und die sind auch allein noch übrig. Als Ursachen gelten nämlich die Natur, die Notwendigkeit und der Zufall, sodann der Verstand und alles menschliche Tun. Jeder Mensch aber überlegt das, was durch ihn selbst getan werden kann. Im Bereich der exakten und selbständigen Fächer freilich, z. B. bezüglich der Schriftzeichen, gibt es keine Überlegung – es ist ja kein Streit darüber, wie man sie
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schreiben muß –, wohl aber überlegen wir das, was durch uns selbst geschieht, aber nicht immer in derselben Weise, so z. B. das Verfahren in Ausübung der Heilkunst und beim Erwerb; auch ist in der Steuermannskunst, weil sie weniger auf feste Regeln gebracht ist, mehr Raum für Überlegung als in der Gymnastik, und so im übrigen, nur daß die Künste, weil hier die Meinungen weiter auseinandergehen, mehr Überlegung erfordern als die Wissenschaften. Das Überlegen bewegt sich ferner um das, was meistens eintrifft, ohne daß jedoch der Ausgang ganz sicher ist, und um das, was unentschieden ist. Mitberater ziehen wir bei großen Dingen zu, wo wir uns selbst nicht das genügende Urteil zuschreiben. Unsere Überlegung betrifft nicht das Ziel, sondern die Mittel, es zu erreichen. Der Arzt überlegt nicht, ob er heilen, der Redner nicht, ob er überzeugen, der Staatsmann nicht, ob er dem Gemeinwesen eine gute Verfassung geben, und überhaupt niemand, ob er sein Ziel verfolgen soll, sondern nachdem man sich ein Ziel gestellt hat, sieht man sich um, wie und durch welche Mittel es zu erreichen ist; wenn es durch verschiedene Mittel möglich scheint, sieht man zu, durch welches es am leichtesten und besten erreicht wird; und wenn es durch eines regelrecht verwirklicht wird, fragt man wieder, wie es durch dasselbe verwirklicht wird, und wodurch wiederum jenes, bis man zu der ersten Ursache gelangt, die als letzte gefunden wird. Auf diese so beschriebene Weise verfährt man bei der Überlegung suchend und analysierend, d. h. zergliedernd, wie wenn es sich um die Konstruktion einer geometrischen Figur handelte. Doch ist nicht jedes Suchen eine Überlegung, z. B. das Suchen des Geometers nicht: dagegen ist jede Überlegung ein Suchen, und das, was bei der Zergliederung als Letztes herauskommt, ist bei der Verwirklichung durch die Handlung das Erste. Stößt man auf eine Unmöglichkeit, so steht man von der Sache ab, z. B. wenn sich Geldmittel erforderlich zeigen, die man nicht aufbringen kann. Erscheint die Sache aber möglich, so nimmt man sie in die Hand. Möglich ist, was durch uns ausgeführt werden kann. Denn was mit Hilfe von Freunden geschieht, geschieht gewissermaßen durch uns selbst, da in uns
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die Ursache liegt, die sie zum Handeln bewegt. Man sucht bald über die nötigen Werkzeuge ins klare zu kommen, bald über die Weise ihres Gebrauchs, wie es sich auch in den übrigen Dingen bald darum handelt, wodurch, bald darum, wie oder durch welches Verfahren etwas ausgeführt werden soll. Der Mensch ist also, wie gesagt, Prinzip der Handlungen, die Überlegung aber bezieht sich auf das, was er selbst tun kann. Was er aber tut, ist Mittel zum Zweck. Mithin fällt der Zweck nicht unter die Überlegung, sondern die Mittel zum Zweck. Ebensowenig die Einzeldinge; man überlegt z. B. nicht, ob der vorliegende Gegenstand Brot, oder ob das Brot gehörig gebacken ist. Denn das sagt uns die Wahrnehmung. Wollte man aber immer überlegen, so käme man an kein Ende. Gegenstand der Überlegung und der Willenswahl ist ein und dasselbe, nur mit dem Unterschied, daß das Gewählte schon bestimmt ist. Denn das, wofür die Überlegung sich entschieden hat, ist eben das Gewählte. Ein jeder hört nämlich auf zu überlegen, wie er handeln soll, wenn er den Anfang der Handlung auf sich selbst zurückgeführt hat und zwar auf das, was das Herrschende in ihm ist. Das ist nämlich das Wählende. Das zeigen auch die alten Verfassungen, von denen Homer gesungen, wo die Könige das, was sie beschlossen haben, dem Volk kundgeben. Da also Gegenstand der Willenswahl etwas von uns Abhängiges ist, das wir mit Überlegung begehren, so ist auch die Willenswahl ein überlegtes Begehren von etwas, was in unserer Macht steht. Denn insofern wir uns vorher aufgrund der Überlegung ein Urteil gebildet haben, begehren wir mit Überlegung. So hätten wir denn die Willenswahl im allgemeinen beschrieben, auch gesagt, welcherlei Dinge sie umfaßt, und daß sie sich auf die Mittel zum Zweck bezieht.
Sechstes Kapitel6 Was den Willen betrifft, so wurde bereits gesagt, daß er auf den Zweck geht. Doch meinen die einen, er gehe auf das Gute,
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die anderen, er gehe auf das gut Scheinende. Für die, welche das Gute als Gegenstand des Wollens bezeichnen, folgt aber dann, daß das, was jemand will, der nicht richtig wählt, nicht als gewollt gelten kann – denn wäre es gewollt, so wäre es auch gut, und doch war es eben schlecht –; dagegen folgt für die, denen das gut Scheinende Gegenstand des Wollens ist, daß der Gegenstand des Wollens nicht von Natur ein solcher ist, sondern daß es für jeden dasjenige ist, was ihm so scheint. Das ist aber bei dem einen dies, bei dem anderen ist es das, und unter Umständen das Gegenteil vom ersten. Wenn dieses also keinen Beifall findet, soll man da nicht sagen, schlechthin und in Wahrheit sei das Gute Gegenstand des Wollens, für den Einzelnen aber das ihm gut Scheinende? Für den Tugendhaften also ist es das in Wahrheit Gute, für den Schlechten aber jedes Beliebige, gerade wie in bezug auf den Körper denen, die sich wohl befinden, dasjenige gesund ist, was es in Wahrheit ist, dagegen den Kranken etwas anderes; und ähnlich ist es auch mit dem Bitteren und Süßen, dem Warmen, dem Schweren usw. Der Tugendhafte nämlich urteilt über alles und jedes richtig und findet in allem und jedem das wahrhaft Gute heraus. Denn für jeden Habitus gibt es ein eigenes Gutes und Lustbringendes, und das ist vielleicht des Tugendhaften unterscheidendster Vorzug, daß er in jedem Ding das Wahre sieht und gleichsam die Regel und das Maß dafür ist. Die Menge aber wird durch die Lust betrogen, die ein Gut scheint, ohne es zu sein. Darum wählen sie die Lust, als sei sie ein Gut, und fliehen den Schmerz, als sei er ein Übel.
Siebentes Kapitel7 Da nun also der Zweck Gegenstand des Wollens ist und die Mittel zum Zweck Gegenstand der Überlegung und Willenswahl, so sind wohl die auf diese Mittel gerichteten Handlungen frei gewählt und freiwillig. In solchen Handlungen bestehen aber die Tugendakte. Aber auch die Tugend wie das Laster steht bei uns. Denn wo das Tun in unserer Gewalt ist,
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da ist es auch das Unterlassen, und wo das Nein, da auch das Ja. Wenn demnach die tugendhafte Handlung bei uns steht, so steht auch deren tugendwidrige Unterlassung bei uns, und wenn die tugendhafte Unterlassung bei uns steht, so steht auch die tugendwidrige Begehung bei uns. Steht es aber bei uns, das Gute und das Böse zu tun und zu unterlassen – und das machte nach unserer früheren Darlegung die Tugendhaftigkeit und Schlechtigkeit der Person aus –, so steht es folgerichtig bei uns, sittlich und unsittlich zu sein. Demnach ist der Ausspruch, daß „mit Willen schlecht und ungern glücklich keiner ist“, teils falsch, teils wahr. Niemand ist unfreiwillig glücklich, aber die Schlechtigkeit ist etwas Freiwilliges. Oder man müßte unsere Ausführungen von vorhin anzweifeln und leugnen, daß der Mensch das Prinzip und der Urheber seiner Handlungen sei, wie er auch der Vater seiner Kinder ist. Muß man uns aber beipflichten, und können wir unsere Handlungen auf keine anderen Prinzipien als auf solche zurückführen, die in unserer Macht stehen, so folgt notwendig, daß das, dessen Prinzip bei uns steht, auch selbst bei uns steht und freiwillig ist. Dafür legen nicht bloß die einzelnen für sich, sondern auch die Gesetzgeber selbst Zeugnis ab. Denn sie züchtigen und strafen die, welche Böses tun, soweit es nicht aus Zwang oder unverschuldeter Unwissenheit geschehen ist; die aber das Gute tun, zeichnen sie aus, wobei ihre Absicht ist, die einen zu ermuntern, die anderen abzuschrecken. Niemand aber muntert zu Dingen auf, die nicht bei uns stehen und nicht freiwillig sind, da es gar nichts nützen könnte, wenn man sich überreden ließe, keine Hitze oder Schmerz oder Hunger oder sonst dergleichen zu empfinden. Denn man empfände es doch. Selbst die Unwissenheit bestraft das Gesetz, wenn sich herausstellt, daß man an ihr selber schuld ist. So trifft die, die sich in der Trunkenheit vergehen, ein doppeltes Strafmaß, weil die Ursache in dem Betrunkenen selbst liegt. Es stand bei ihm, sich nicht zu betrinken. Die Trunkenheit aber war die Ursache seiner Unwissenheit. Auch die, welche eine Bestimmung der Gesetze nicht kennen, die sie kennen sollten und unschwer
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kennen könnten, trifft Strafe. Ebenso wird es in bezug auf alles andere gehalten, wo anzunehmen ist, daß jemand es aus Fahrlässigkeit nicht weiß, aufgrund der Erwägung, daß es bei dem Betreffenden stand, nicht unwissend zu sein, da es bei ihm lag, die nötige Sorgfalt anzuwenden. Aber vielleicht ist er nun einmal so, daß er keine Sorgfalt anwendet. – Aber, daß man ein solcher geworden ist, ist man selber schuld, indem man sich gehen läßt; und daß man ungerecht und zügellos ist, ist man selber schuld, der eine dadurch, daß er fortgesetzt Unrecht begeht, der andere dadurch, daß er in Trinkgelagen und ähnlichen Dingen seine Zeit hinbringt. Denn die Akte, die man in einer bestimmten Richtung ausübt, machen einen zu einem solchen, wie man ist. Man sieht das an denen, die sich auf irgend einen Wettkampf oder ein Geschäft einüben. Sie tun dies, indem sie beharrlich die erforderlichen Akte verrichten. Wenn man nicht weiß, daß Akte, die in bestimmter Richtung erfolgen, einen entsprechenden Habitus erzeugen, so nimmt sich das beinahe wie Stumpfsinn aus. Es ist aber auch unvernünftig, wenn man Unrecht tut und dabei nicht den Willen haben soll, ungerecht zu sein, und zuchtlos lebt und nicht den Willen haben soll, zuchtlos zu sein. Wer mit klarer Erkenntnis tut, was ihn ungerecht macht, ist doch wohl freiwillig ungerecht. Dagegen wird er freilich nicht, wenn er nur will, aufhören, ungerecht zu sein, und gerecht werden, so wenig als ein Kranker auf diese Weise gesund werden wird, während dagegen seine Krankheit unter Umständen freiwillig ist, wenn er nämlich zügellos gelebt hat und den Ärzten nicht gefolgt ist. Einmal gewiß stand es ihm frei, nicht krank zu werden, jetzt aber, wo er sich hat gehen lassen, nicht mehr, so wenig einer den Stein, den er aus der Hand entlassen hat, wieder an sich nehmen kann. Und doch ist das Werfen und Schleudern des Steines seine freie Tat, weil das Prinzip davon in ihm liegt. Ebenso stand es dem Ungerechten und dem Zügellosen ursprünglich zwar frei, dies nicht zu werden, und deswegen sind sie freiwillig so. Nachdem sie es aber geworden sind, steht es ihnen nicht mehr frei, es nicht zu sein.
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Aber nicht bloß die fehlerhaften Beschaffenheiten der Seele sind freiwillig, bei manchen sind es auch die des Leibes, und diese Menschen tadeln wir denn auch. Wer von Natur mißgestaltet ist, den tadelt niemand, wohl aber den, der es aus Mangel an Gymnastik und durch Vernachlässigung seines Körpers ist. Ebenso hält man es mit Krankheiten und Gebrechen. Niemand macht einem Blinden Vorwürfe, wenn er es von Natur oder infolge einer Krankheit oder eines Schlages ist, sondern man bemitleidet ihn vielmehr. Wer es dagegen infolge von Trunkenheit oder sonstigen Ausschweifungen ist, den wird jedermann tadeln. Die verschuldeten körperlichen Fehler werden mithin getadelt, die unverschuldeten aber nicht. Wenn dem aber so ist, so müssen auch in den anderen Dingen diejenigen Fehler, die dem Tadel unterliegen, verschuldet sein. Wollte man aber sagen, alle strebten nach dem, was ihnen gut scheint oder was sie sich als gut vorstellen, sie seien aber nicht Herr ihrer Vorstellung, sondern wie einer sei, so stelle er sich das Ziel vor, so ist zu erwidern, daß, wenn jedermann an einem Habitus, den er hat, in der oder jener Weise schuld ist, er in derselben Weise auch an seiner Vorstellung selber schuld sein muß. Soll aber niemand an dem Schlechten, was er tut, selber schuld sein, sondern es aus Unkenntnis des Zieles tun, indem er dadurch das Beste für sich zu erreichen glaubt, und will man gleichzeitig geltend machen, daß das Streben nach dem Ziel kein Gegenstand seiner Wahl ist, sondern einer gleichsam mit einem geistigen Gesichtssinn geboren sein muß, um vermöge desselben richtig zu urteilen und das wahrhaft Gute zu erwählen, und soll der von guter Art sein, bei dem dieses Vermögen gut geraten ist – ist es doch das Größte und Schönste, was man von keinem anderen empfangen und lernen, sondern nur so besitzen kann, wie die Natur es gegeben hat, und in dieser guten und schönen Naturbegabung besteht die vollkommene und wahre Wohlgeartetheit –, ist das also wahr, wie wäre dann die Tugend eher freiwillig als das Laster? Für beide, den guten und den schlechten Mann, ist ja das Ziel ebenmäßig entweder ein von Natur oder ein wie immer vorgestelltes und gegebenes, das andere aber beziehen sie auf das
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Ziel und tun es wie immer. Mag also das Ziel nicht von Natur einem jeden wie immer erscheinen, sondern man auch selbst etwas dazutun, oder mag das Ziel natürlich, die Tugend aber dadurch freiwillig sein, daß das übrige von dem Tugendhaften freiwillig getan wird – die Verkehrtheit muß um nichts weniger freiwillig sein, weil dem schlechten Mann die gleiche Selbstbestimmung bezüglich seiner Handlungen, wenn auch nicht bezüglich des Zieles, zukommt. Wenn demnach die Tugenden, wie man behauptet, freiwillig sind – denn einerseits sind wir an unseren Beschaffenheiten irgendwie mit schuld, und anderseits hängt die Qualität des Zieles, das wir uns vorsetzen, von unserer eigenen Qualität ab –, so müssen auch die Laster freiwillig sein; denn beide verhalten sich gleich.
Achtes Kapitel8 Wir haben also bisher von den Tugenden im allgemeinen gehandelt und sie sowohl der Gattung nach im Umriß dahin bestimmt, daß sie eine Mitte und ein Habitus sind, wie auch angegeben, wodurch sie entstehen, und erklärt, daß sie in eben diesem sich auch wieder betätigen. Desgleichen haben wir ausgeführt, daß sie in unserer Gewalt, freiwillig und so beschaffen sind, wie es die rechte Vernunft vorschreibt; daß aber die Handlungen in höherem Grade freiwillig sind als der Habitus, indem wir über die Handlungen, die Kenntnis der Umstände vorausgesetzt, von Anfang bis Ende Herr sind; bei einem Habitus aber sind wir es nur über den Anfang, seine Zunahme jedoch durch die einzelnen Akte bleibt uns unbemerkt, wie es bei Krankheiten geschieht. Weil es aber bei uns stand, so zu handeln oder nicht so, darum ist der Habitus freiwillig.
Neuntes Kapitel9 Nunmehr wollen wir uns wieder den einzelnen Tugenden zuwenden und angeben, was sie sind, was sie zum Gegenstand
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haben und wie sie geübt werden, woraus sich auch ergeben wird, wie viele ihrer sind. Zuerst wollen wir von dem Mut handeln. Daß er die Mitte im Gebiet der Affekte der Furcht und Zuversicht ist, wurde schon oben bemerkt. Was wir aber fürchten, ist natürlich das Furchterregende, und dieses ist, einfach gesagt, ein Übel. Darum erklärt man auch die Furcht für die Erwartung eines Übels. Wir fürchten nun zwar alle Übel, wie Schande, Armut, Krankheit, Freundelosigkeit, Tod. Doch scheint sich der Mut nicht auf sie alle zu beziehen. Bei einigen Übeln ist Furcht Pflicht und sittlich gut und das Gegenteil sittlich schlecht, z. B. bei der Schande. Wer sie fürchtet, ist ein anständiger und feinfühlender Mensch, und wer sie nicht fürchtet, ist ein Mensch ohne Schamgefühl, der freilich von manchen im uneigentlichen Sinne mutig genannt wird, weil er mit dem Mutigen insofern eine Ähnlichkeit besitzt, als dieser auch in gewisser Hinsicht keine Furcht hat. Armut aber und Krankheit und überhaupt das, was nicht von Schlechtigkeit herrührt, darf man vielleicht nicht fürchten, doch ist auch der nicht mutig, der gegenüber diesen Dingen keine Furcht hat. Indessen nennen wir auch ihn so wegen einer gewissen Ähnlichkeit, da manche, die in Gefahren des Krieges feige sind, freigebige Leute sind und sich aus Geldverlusten nichts machen. Auch ist der gewiß kein Feigling, der wegen Gewalttaten an Weib und Kindern oder wegen Neid oder sonst dergleichen in Furcht ist, noch ist der schon ein mutiger Mann, der gleichmütig bleibt, wenn er Schläge bekommen soll. Was für Schrecknisse wären es also, mit denen der Mutige es zu tun hat? Sollten es nicht die größten sein? Niemand ist ja mehr als er imstande das Schreckliche zu ertragen. Was aber am meisten Furcht erregt, ist der Tod. Er ist das Ende, und für den Toten scheint es nichts Gutes und Schlimmes mehr zu geben. Indessen scheint es der Mutige auch nicht mit dem Tod in jeder Gestalt zu tun zu haben, z. B. nicht mit dem Tod auf dem Meer oder in einer Krankheit. Unter welchen Umständen muß er also dem Tod gegenüberstehen? Gewiß unter den rühmlichsten. Das sind aber diejenigen, die der Krieg im
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Gefolge hat. Hier ist die Gefahr am größten und ruhmvollsten zugleich. Damit stimmen denn auch die Ehren überein, die in den Freistaaten und von den Fürsten den im Kampf Gefallenen zuerkannt werden. Demnach wird mutig im eigentlichen Sinne heißen wer angesichts eines rühmlichen Todes und alles dessen, was auf einmal den Tod nahebringt, also besonders in Krieg und Schlacht, furchtlos und unverzagt ist. Indessen ist der mutige Mann auch auf dem Meer oder in Krankheiten ohne Furcht, aber nicht so wie die Seeleute. Die einen glauben an keine Rettung und sterben nicht gern den Tod des Ertrinkens, die anderen sind aufgrund ihrer Erfahrung voller Zuversicht. Auch bewährt sich die Mannhaftigkeit unter Umständen, wo eine Abwehr möglich ist, oder das Sterben Ruhm bringt. Bei den angezeigten Todesarten aber ist keines von beiden der Fall. Zehntes Kapitel10 Das Furchterregende ist nicht für alle Menschen dasselbe. Auch sprechen wir von Furchterregendem und Schrecklichem, was über Menschliches hinausgeht. Dieses ist für jedermann schrecklich, der nur vernünftig ist. Was aber für Menschen Furcht oder Schrecken erregt, wie auch, was Zuversicht einflößt, ist je nach der Größe und einem Mehr und Minder verschieden. Der Mutige ist unerschrocken, wie es ein Mensch zu sein hat. Er wird sonach auch solche über menschliche Kraft hinausgehende Dinge fürchten, diese jedoch so, wie man soll und die Vernunft gebietet, tragen des Guten und Schönen wegen, das der Zweck der Tugend ist. Man kann diese Dinge mehr oder weniger fürchten und auch das, was nicht schrecklich ist, fürchten, als wenn es schrecklich wäre. Hierbei besteht ein Fehler darin, daß man sich fürchtet, wo man nicht soll, weitere Fehler darin, daß dies geschieht, wie man oder wann man nicht soll, und in dergleichen mehr; dieselben Fehler gibt es in bezug auf die Zuversicht.
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Wer also erträgt und fürchtet, was man soll und weswegen man es soll und wie und wann, und wer in gleicher Weise Zuversicht hat, der ist mutig. Denn der mutige Mann leidet und handelt, wie es sich gebührt und die Vernunft vorschreibt. Das Ziel jedes Aktes aber ist ein dem Habitus Gemäßes. So ist es also der Mut, der dem mutigen Mann als das sittlich Gute vorschwebt, und dieses Gute ist denn auch für ihn das Ziel, von dem ja jedes Ding seine Bestimmtheit erhält. Und so geschieht es des sittlich Guten wegen, daß der Mutige Leiden erträgt und tut, was dem Mut gemäß ist. Was diejenigen betrifft, die hier durch Übermaß fehlen, so hat, wer es durch Furchtlosigkeit tut, keinen eigenen Namen, wie wir ja schon oben bemerkt haben, daß vieles keinen eigenen Namen hat; er wird aber so etwas wie ein Verrückter oder Stumpfsinniger sein, wenn er nichts, kein Erdbeben und keine Meereswogen, fürchtet, wie man von den Kelten sagt. Wer durch ein Übermaß von Zuversicht dem Furchtbaren gegenüber fehlt, ist tollkühn. Es scheint aber auch Tollkühne zu geben, die Prahler sind und den Mut nur vorspielen. Demnach wollen sie sich dem Furchterregenden gegenüber nur so zu verhalten scheinen, wie jener es wirklich tut, und ahmen ihn, wo sie irgend können, nach. Darum sind auch die meisten unter den Tollkühnen Poltrons. Denn während sie, wo es geht, sich übertrieben mutig zeigen, halten sie vor dem, was wirklich furchtbar ist, nicht stand. Wer sich übermäßig fürchtet, ist feige. Auf ihn trifft zu, daß er fürchtet, was er nicht soll und wie er nicht soll, und alles dergleichen. Es mangelt ihm auch an Zuversicht, aber an dem Übermaß von Furcht vor allem Unangenehmen wird er besser erkannt. Der Feige hofft also zu wenig, weil er vor allem zurückschreckt. Von dem Mutigen gilt das Gegenteil. Denn die Zuversicht verrät den Mann der frohen Hoffnung. Die Dinge also, mit denen der Feige, der Tollkühne und der Mutige es zu tun haben, sind dieselben, aber ihr Verhalten zu ihnen ist verschieden. Die einen haben ein Zuviel und Zuwenig, der andere hält sich in der Mitte und handelt, wie es sich gehört. Die Tollkühnen sind voreilig und voll Entschiedenheit
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vor der Gefahr, in der Gefahr aber lassen sie nach. Die Mutigen aber sind bei der Tat wacker, vorher dagegen ruhig.
Elftes Kapitel11 Wie gesagt also, der Mut ist Mitte in bezug auf solches, was bei den bezeichneten Gefahren Zuversicht und Furcht einflößt; er wählt und duldet, weil es so sittlich gut und das Gegenteil schlecht ist. Wenn man aber stirbt, um der Armut oder einer unglücklichen Liebe oder einem Schmerz zu entgehen, so verrät das nicht den mutigen, sondern den feigen Mann. Es ist Weichlichkeit, die Widerwärtigkeiten zu fliehen, und man erleidet in dem gedachten Fall den Tod nicht aus einem sittlichen Beweggrund, sondern bloß um einem Übel zu entrinnen. Der Mut ist also eine Eigenschaft von der angegebenen Art. Man spricht aber noch von weiteren Arten des Mutes, und zwar in fünffacher Weise. Erstens vom bürgerlichen Mut. Er ist dem eigentlichen Mut am ähnlichsten. Denn die Bürger halten in den Gefahren stand wegen der gesetzlichen Strafen, Ehrenverluste und Auszeichnungen. Und darum gelten auch die Bürger derjenigen Gemeinwesen für die mannhaftesten und mutigsten, wo die Feiglinge ehrlos und die Mutigen geehrt sind. Von dieser Art sind die Tapferen, von denen Homer singt, wie Diomedes und Hektor: „Alsbald würde Polydamas mich mit Schmähungen belasten“; und Diomedes spricht: „Hektor sagt ja vielleicht vor den Troern in der Versammlung: Tydeus Sohn ist vor mir (in Angst zu den Schiffen geflohen)“. Dieser Mut ist dem von uns beschriebenen am ähnlichsten, weil er seinen Beweggrund in der Tugend hat, in dem Ehrgefühl nämlich, in dem Verlangen nach dem sittlich Schönen, der Ehre, und in der Furcht vor etwas sittlich Häßlichem, der Schande. Hierher kann man auch diejenigen rechnen, die von ihren Gebietern gezwungen werden. Sie sind jedoch geringer, weil sie nicht aus Scham, sondern aus Furcht sich mutig zeigen, indem sie
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nicht das Schimpfliche oder sittlich Häßliche, sondern das Schmerzbringende scheuen. Denn ihre Herren zwingen sie, wie Hektor spricht: „Doch wen fern vor dem Kampfgewühl sich bergen ich sehe, nicht soll helfen ihm das, zu entfliehen den Hunden”. Dasselbe tun diejenigen, welche bestimmte Soldaten in die erste Reihe stellen und, wenn sie zurückweichen, sie schlagen, ebenso diejenigen, welche sie vor Gräben und ähnlichen Hindernissen der Flucht aufstellen. Das ist alles Zwang. Man soll aber nicht aus Zwang mutig sein, sondern darum, weil es sittlich schön ist. Auch die Erfahrung auf den verschiedenen Gebieten scheint eine Art Mut zu sein, weshalb Sokrates meinte, der Mut sei ein Wissen. Solchen Mut hat der eine auf diesem, der andere auf jenem Gebiet, im Kriegswesen haben ihn die Soldaten. Der Krieg scheint nämlich viel leere Schrecken zu haben, was diese Leute am besten wissen, und darum erscheinen sie den anderen, die hierüber kein Urteil haben, als mutig. Sodann sind sie dank ihrer Erfahrung und Übung vorzugsweise befähigt, Wunden beizubringen und sich selbst davor zu schützen, weil sie die Waffen zu gebrauchen verstehen und eine Ausrüstung haben, die am tauglichsten ist, um Wunden zu schlagen und sich selbst davor zu hüten. Sie kämpfen also gleichsam wie Bewaffnete mit Waffenlosen und wie gelernte Ringkämpfer mit Ungeübten. Denn auch in solchen Wettkämpfen sind nicht die Mutigsten die Kampfestüchtigsten, sondern die Kräftigsten und körperlich Bestgebauten. Soldaten werden feige, wenn die Gefahr überhandnimmt und sie an Zahl und Ausrüstung zurückstehen. Sie ergreifen zuerst die Flucht, während ein Bürgerheer standhält und stirbt, wie es bei Hermäus geschah. Denn die Bürger halten die Flucht für schimpflich, und der Tod ist ihnen lieber als eine solche Rettung. Jene aber setzen sich von vornherein nur in der Annahme ihrer Überlegenheit der Gefahr aus und ergreifen, wenn sie ihren Irrtum gewahr werden, die Flucht, weil sie den Tod mehr fürchten als die Schande. So ist der Mutige nicht.
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Auch den Zorn führt man auf den Mut zurück. Denn mutig scheinen auch die zu sein, die im Zorn, wie die Tiere auf die, die sie verwundet haben, losfahren, weil auch die Mutigen zum Zorn geneigt sind. Der Zorn ist ja am ehesten bereit, in Gefahren draufloszugehen, weshalb auch Homer sagt: „Und flößte Kraft seinem Zorn ein“, und: „Regte ihm Unmut und Zorn auf“, und: „Grimmiger Mut in den Nüstern“, und: „Es kochte das Blut in ihm“, lauter Ausdrücke, die das Erwachen und den Drang des Zornes zu bezeichnen scheinen. Der mutige Mann handelt nun aus dem Beweggrund der Sittlichkeit, aber der Zorn hilft ihm dabei. Die Tiere aber werden durch das Schmerzgefühl bestimmt und ihr Verhalten rührt daher, daß sie verwundet worden sind oder dies fürchten. Denn wenn sie unbehelligt in Wald und Sumpf sind, greifen sie keinen an. Sie sind also nicht mutig, weil sie von Schmerz und Zorn getrieben werden, hervorzubrechen und gegen die Gefahr anzugehen ohne Voraussicht des drohenden Unheils. Sonst müßte auch der hungrige Esel mutig sein, der trotz der Schläge nicht vom Fressen abläßt. Bestehen doch auch die Ehebrecher ihrer Begierde zu Liebe manches Wagnis. Also: ein Wesen, das von Schmerz oder Zorn getrieben gegen die Gefahr angeht, ist nicht mutig. Doch scheint der Mut aus Zorn der natürlichste zu sein, und er mag, wenn sich noch vernünftige Überlegung und der rechte Beweggrund hinzugesellen, als wirklicher Mut gelten. Auch die Menschen empfinden nun im Zorn Schmerz und bei der Rache Freude. Wer aber deshalb kämpft, ist zwar streitbar, aber nicht mutig, weil er nicht aus sittlichem Beweggrund und nach der Vorschrift der Vernunft, sondern aus Leidenschaft handelt. Immerhin hat er etwas von dem mutigen Mann an sich. Auch die sind nicht eigentlich mutig, die es aus Hoffnungsfreudigkeit sind. Ihre Zuversicht in Gefahren beruht darauf, daß sie schon oft und über viele Gegner den Sieg davongetragen haben. Sie sind aber mit den Mutigen verwandt, weil beiden die Zuversicht eigen ist. Doch besitzen die Mutigen sie aus den angegebenen Gründen, solche Leute aber nur darum, weil sie meinen, sie seien die Stärkeren und hätten kein Unheil
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zu erwarten. So machen es aber auch diejenigen, die sich einen Rausch angetrunken haben. Sie werden hoffnungsfreudig; kommt es aber anders, als sie denken, so machen sie sich aus dem Staub. Dagegen galt es uns für die Art des Mutigen, dem, was für einen Menschen furchtbar ist oder scheint, darum die Stirn zu bieten, weil es so sittlich schön und das Gegenteil häßlich ist. Darum gehört auch gewiß größerer Mut dazu, in plötzlichen Gefahren furchtlos und unerschrocken zu sein, als in vorhergesehenen. Denn jenes entspringt mehr aus einem festen Habitus oder beruht auch weniger auf Vorbereitung. Für Vorausgewußtes entscheidet man sich wohl auch aufgrund von vernünftiger Überlegung, für Unvorhergesehenes dagegen nach seinem besonderen Habitus. Mutig scheinen auch die Unwissenden zu sein, und sie stehen nicht weit von den Hoffnungsfreudigen ab, sind aber doch schlechter, weil sie gar keine Selbstachtung haben. Jene dagegen haben sie und halten darum auch eine Zeitlang stand. Die aber nur getäuscht sind, wenden sich, wenn sie merken, daß es anders steht, als sie meinten, alsbald zur Flucht. So erging es den Argivern, als sie auf die Lakoner stießen, während sie meinten, es seien die Sikyonier. So wäre denn dargelegt, von welcher Beschaffenheit die Mutigen sind samt denen, die nur so scheinen.
Zwölftes Kapitel12 Obgleich der Mut es mit den Affekten der Zuversicht und der Furcht zu tun hat, so doch nicht mit beiden gleich sehr, sondern mehr mit den furchterregenden Dingen. Wer bei solchen sich nicht beunruhigt und ihnen gegenüber sich recht verhält, ist mutiger, als wer es den muterweckenden Dingen gegenüber tut. Demnach wird man, wie gesagt wurde, darum mutig genannt, weil man das Schmerzliche erträgt. Deshalb ist der Mut mit Schmerz verknüpft und erhält gerechtes Lob. Denn es ist schwerer, Schmerzliches zu ertragen, als sich des Lustbringenden zu enthalten.
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Nun erscheint ja freilich das Ziel des Mutes als lustbringend, jedoch möchte die Lust leicht vor dem, was sie rings umgibt, verschwinden, wie es bei den Wettkämpfen der Fall ist. Denn den Faustkämpfern macht das Ziel, dessentwegen sie fechten, der Kranz und die Ehre, Freude, die Schläge aber, die sie erhalten, tun ihnen, da sie doch menschliches Fleisch besitzen, weh und machen ihnen, zusammen mit aller ihrer Mühe und Anstrengung, Leid; und da nun des Unangenehmen für sie so viel, das Ziel aber gering ist, so scheint dasselbe gar nichts Lustbringendes an sich zu haben. Verhält es sich nun ebenso auch mit dem Mut, so müssen Tod und Wunden dem Mutigen schmerzlich und unwillkommen sein, und doch wird er sie willig hinnehmen, weil dieses sittlich schön und sein Gegenteil häßlich ist. Und je mehr er die ganze Tugend besitzt und je glücklicher er ist, um so schmerzlicher fällt ihm das Sterben. Denn einem Mann wie ihm gebührt es am meisten zu leben, und der Tugendhafte wird mit offenen Augen der höchsten Güter beraubt, und dieses muß ihn schmerzen. Darum aber ist sein Mut nicht geringer, sondern wohl eher größer, weil er das Ruhmvolle im Krieg jenen Gütern vorzieht. So ist denn nicht bei allen Tugenden insgesamt das Moment der lustbringenden Tätigkeit zu finden, außer insofern sie ihr Ziel erreicht. Die besten Lohnsoldaten mögen aber Männer der beschriebenen Art nicht sein, sondern das sind eher solche, die von dem wahren Mut weniger als sie, von sonstigen sittlichen Werten aber nichts besitzen. Derlei Leute sind bereit, allen Gefahren entgegenzugehen und ihr Leben für eine Kleinigkeit aufs Spiel zu setzen. Über den Mut sei denn so viel gesagt. Sein Wesen wenigstens im Umriß zu bestimmen, kann nach dem Obigen nicht schwerfallen.
Dreizehntes Kapitel13 Nach dem Mut wollen wir von der Mäßigkeit handeln, da diese beiden die Tugenden des unvernünftigen Seelenteils sind.
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Wir haben schon bemerkt, daß die Mäßigkeit die Mitte in bezug auf die Lust ist. Mit der Unlust hat sie es weniger und nicht in gleicher Weise zu tun. In demselben Bereich bewegt sich die Unmäßigkeit. Wir wollen also nun bestimmen, auf was für Lüste und Ergötzungen sie sich bezieht. Man muß zwischen seelischen und leiblichen Lüsten unterscheiden; den ersteren gehören z. B. der Ehrgeiz und die Wißbegierde an. Man freut sich da beide Male, das zu haben, was man liebt, wobei nicht der Leib, sondern vielmehr die Seele, der Geist, affiziert wird. Mit Bezug auf solche Lust wird aber niemand mäßig oder unmäßig genannt. Ebensowenig mit Bezug auf eine andere nicht leibliche Lust. Wer z. B. gern allerlei Geschichten hört und erzählt und sich über alles Mögliche tagelang unterhält, den nennen wir wohl einen Schwätzer, aber nicht unmäßig, und auch den nennen wir nicht so, der sich über den Verlust von Geld oder Freunden ungebührlich grämt. Die Mäßigkeit im Gegenteil bezieht sich auf die leiblichen Lüste, aber auch hier wieder nicht auf alle. Wer an Dingen, die unter den Gesichtssinn fallen, wie Farben, Gestalten, Bildern, Freude hat, wird weder mäßig noch unmäßig genannt, und doch gibt es auch bei solcher Art Freude ein rechtes Maß und ein Zuviel und Zuwenig. Ebenso ist es mit dem, was unter das Gehör fällt. Wer übermäßiges Vergnügen an Musik oder am Theater hat, den nennt niemand unmäßig, so wenig wie man einen, der hier Maß hält, mäßig nennt. Auch das Verhalten in bezug auf den Geruchssinn wird nicht so bezeichnet, es sei denn bloß mitfolgender Weise. Den nämlich, der Freude an dem Duft von Äpfeln, Rosen und Rauchwerk hat, nennen wir nicht unmäßig, sondern vielmehr den, der sie am Geruch von Leckereien und Salben (wie die Frauen sie gebrauchen) hat. An solchem Geruch freut der Unmäßige sich, weil er dadurch an die Gegenstände seiner Begierde erinnert wird. Auch sonst sieht man wohl, wie ein Hungriger am Geruch von Speisen sich freut; aber sich an Dingen von jener Art zu ergötzen, verrät den Unmäßigen; denn dessen Begierde ist auf sie gerichtet.
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Die anderen lebenden Wesen ergötzen sich in Rücksicht auf die bezeichneten Sinne nur mitfolgend. Die Hunde freuen sich nicht am Geruch des Hasen, sondern an seinem Fraß, aber der Geruch brachte sie auf seine Fährte. Und der Löwe freut sich nicht am Brüllen des Ochsen, sondern daran, daß er ihn verzehren kann. Seine Nähe aber wurde er durch seine Stimme gewahr, und darum sieht es so aus, als freute er sich an ihm. Desgleichen freut er sich nicht darum, weil er einen Hirsch oder eine wilde Ziege gesehen oder aufgespürt hat, sondern weil er einen Fraß haben wird. Mithin hat es die Mäßigkeit und die Unmäßigkeit mit denjenigen Lüsten zu tun, an denen auch die anderen Sinnenwesen Anteil haben, weshalb solche Lust auch als knechtisch und tierisch erscheint. Das ist die Lust des Gefühls und des Geschmacks. Freilich scheint für die Unmäßigen auch der Geschmack wenig oder gar nicht in Betracht zu kommen. Denn die eigentliche Geschmacksfunktion ist das Kosten der Geschmäcke, wie es beim Proben der Weine und dem Bereiten der Speisen üblich ist. Hieran aber ergötzt man sich nicht allzusehr, wenigstens hat der Unmäßige es hiermit nicht zu tun, sondern mit dem Sinnenkitzel, der ganz durch das Gefühl vermittelt ist, beim Essen, Trinken und dem nach der Aphrodite genannten Genuß; daher wünschte sich auch ein gewisser Schlemmer einen Hals länger als den eines Kranichs, weil seine Lust auf dem Gefühl beruhte. Es ist also der gemeinste Sinn, mit dem es die Unmäßigkeit zu tun hat, und mit Recht gilt sie als schimpflich, weil sie uns nicht anhaftet, insofern wir Menschen, sondern insofern wir Sinnenwesen nach Art der Tiere sind. Darum ist es tierisch, sich an solchen Dingen zu erfreuen und sie am meisten zu lieben. Die edelsten auf dem Gefühl beruhenden Genüsse fallen freilich nicht in den Bereich der Mäßigkeit und Unmäßigkeit, wie z. B. die, die in den Gymnasien durch Frottieren und Erwärmung ausgelöst werden. Denn das Gefühl des Unmäßigen umfaßt nicht den ganzen Körper, sondern einzelne Teile. Die Begierden scheinen teils allen Menschen gemeinsame, teils eigentümliche und willkürlich angenommene zu sein. So
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ist die Begierde nach Nahrung natürlich; denn jeder Mensch begehrt im Bedürfnisfall nach trockener oder flüssiger Nahrung, und mitunter nach beiden; und nach dem Beilager begehrt, wie Homer sagt, der junge und kräftige Mann. Nach der oder der Nahrung aber begehrt schon nicht mehr jeder und auch derselbe nicht immer nach derselben. Deshalb scheint dies an unserem freien Willen zu liegen, wiewohl es auch einen natürlichen Grund hat. Denn dem einen ist dieses, dem anderen jenes angenehm, und manches ist für alle angenehmer als das erste beste. Bezüglich der natürlichen Begierden fehlen nun wenige und immer nur in einer Hinsicht, nämlich nach seiten des Zuviel. Denn jedes Beliebige unterschiedslos essen und trinken bis zur Überfüllung heißt das natürliche Maß durch die Menge überschreiten, da die natürliche Begierde nur auf Ausfüllung des Mangels geht. Darum heißt ein solcher Mensch ein Vielfraß, weil er sich über Gebühr anfüllt. In diese Art Ausschreitung verfallen überaus knechtische und niedrige Naturen. Dagegen bezüglich der den einzelnen eigentümlichen Lüste wird von vielen und in vielerlei Weise gefehlt. Denn während man von besonderen Liebhabereien spricht entweder da, wo man sich an Dingen freut, die nicht die rechten sind, oder wo man sich zu viel oder in gemeiner, pöbelhafter Weise oder überhaupt nur nicht so freut, wie es sich geziemt, überschreiten die Unmäßigen im Gegenteil in allen Rücksichten das Maß. Sie haben ihre Freude entweder an Dingen, die nicht die rechten, vielmehr hassenswert sind, oder wenn man sich auch an dergleichen freuen darf, so tun sie es doch mehr als man darf oder in gemeiner Weise. Daß also das Übermaß in betreff der Lust Unmäßigkeit ist und dem Tadel unterliegt, ist klar. Was aber die Unlust angeht, so wird man nicht wie bei dem Mut darum, weil man sie erträgt, tugendhaft, in unserem Fall also mäßig genannt, und im entgegengesetzten Fall unmäßig, sondern der Unmäßige heißt darum so, weil es ihn mehr als recht ist schmerzt, das Lustbringende entbehren zu müssen, so daß die Lust selbst ihm
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den Schmerz verursacht, der Mäßige aber heißt darum so, weil ihn die Abwesenheit des Lustbringenden und der Verzicht darauf nicht schmerzt.
Vierzehntes Kapitel14 Der Unmäßige begehrt also alles Lustbringende oder das am meisten Lustbringende und wird von der Begierde dermaßen getrieben, daß ihm die Lüste lieber sind als alles andere. Deshalb empfindet er nicht weniger Schmerz, wenn er sie begehrt, als wenn er sie entbehren muß. Denn die Begierde ist mit Schmerz verknüpft, obschon es ungereimt erscheinen könnte, daß man der Lust wegen Unlust empfinden soll. Solche, die es in betreff der Lust ermangeln lassen und sich weniger als recht ist daran freuen, kommen wohl selten vor. Eine derartige Empfindungslosigkeit ist nicht menschlich. Sogar die anderen Sinnenwesen machen einen Unterschied bezüglich der Nahrungsmittel und nehmen die einen gern zu sich, die anderen nicht. Wenn aber für einen nichts lustbringend ist und kein Unterschied zwischen dem einen und dem anderen sinnlichen Eindruck für ihn besteht, so ist er wohl weit davon entfernt, ein Mensch zu sein. Ein solcher hat auch keinen Namen erhalten, weil er nicht leicht vorkommt. Der Mäßige hält in diesen Dingen die Mitte ein. An den Ausschweifungen, die den Unmäßigen zuhöchst erfreuen, erfreut er sich nicht, eher ekeln sie ihn; sodann erfreut er sich an unerlaubten Dingen überhaupt nicht und an erlaubten nicht übermäßig. Ihre Abwesenheit schmerzt ihn und nach ihrem Genuß verlangt ihn nur mäßig, nicht mehr als recht ist, noch zur unrechten Zeit, noch sonst in ungehöriger Weise. Jenes Lustbringende, das zur Gesundheit oder zum Wohlbefinden gehört, begehrt er mit Maß und wie es recht ist, ebenso was sonst noch angenehm ist, soweit es nicht diesem hinderlich oder ungeziemend ist oder seine Vermögensverhältnisse übersteigt. Wer diese Rücksichten hintansetzt, liebt solche Genüs-
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se mehr als schicklich, der Mäßige aber ist nicht so, sondern wie die rechte Vernunft es vorschreibt.
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Von dem Freiwilligen scheint die Unmäßigkeit mehr an sich zu haben als die Feigheit, da die eine auf der Lust, die andere auf der Unlust beruht und die Lust Gegenstand einer strebenden, die Unlust Gegenstand einer fliehenden Bewegung ist. Die Unlust bringt auch aus dem Gleichgewicht und verdirbt die Natur dessen, der sie hat, die Lust aber bewirkt solches am Menschen nicht, sondern steigert seine Freiwilligkeit; daher ist sie auch tadelnswerter. Man kann sich in betreff der Lust ja auch leichter an das Richtige gewöhnen, weil sich so viele Gelegenheiten dazu bieten und die Gewöhnung mit keiner Gefahr verbunden ist, während es bei den furchterregenden Dingen umgekehrt ist. Jedoch scheint die Feigheit in ganz anderem Maß freiwillig zu sein als ihre einzelnen Äußerungen. Sie ist ohne Unlustgefühl, diese aber bringen den Feigen durch dieses Gefühl so außer sich, daß er die Waffen wegwirft und sich sonst schmachvoll benimmt, weshalb solche Handlungen selbst als erzwungen erscheinen. Bei dem Unmäßigen sind umgekehrt die jeweiligen Betätigungen seines Fehlers freiwillig, da sie mit Begierde und Verlangen erfolgen, und das Ganze ist es weniger, da niemand unmäßig zu sein begehrt. Das (mit Unmäßigkeit gleichbedeutende) Wort Zuchtlosigkeit (oder das verwandte Ungezogenheit) gebrauchen wir auch von den Fehlern der Knaben, da beide Verkehrtheiten einige Ähnlichkeit miteinander haben. Ob der Name von diesem auf jenes oder umgekehrt übergegangen ist, macht hier nichts aus; jedenfalls hat das von beiden, das ihn zuerst bekommen hat, ihn dem späteren gegeben, eine Übertragung, die nicht wenig passend erscheint. Was nämlich nach dem Bösen trachtet und stark wachsen kann, bedarf der Züchtigung. Dieses beides findet sich aber vorzüglich bei der Begierde und bei den
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Knaben. Auch die Knaben leben nach ihren Begierden, und am meisten verlangen sie nach der Lust. Ist nun die Begierde nicht gehorsam und dem Herrschenden untertan, so wächst sie ins Unermeßliche. Denn das Verlangen nach der Lust ist unersättlich und kommt dem Unverständigen von allen Seiten; die Befriedigung der Begierde steigert die angeborene Neigung, und wenn die Begierden und Genüsse groß und stark sind, so schalten sie selbst die Überlegung aus. Darum dürfen die Begierden nur mäßig und gering an Zahl sein und keineswegs der Vernunft widerstreiten. Wo sich aber ein solches findet, da reden wir von Folgsamkeit und Wohlerzogenheit. Wie nämlich ein Knabe nach der Vorschrift seines Erziehers leben muß, so muß sich das begehrende Vermögen im Menschen an die Vorschrift der Vernunft halten. Daher muß beim Mäßigen der begehrende Seelenteil mit der Vernunft übereinstimmen; denn beide haben das sittlich Schöne zum Ziel, und nun begehrt einerseits der Mäßige, was er soll und wie und wann er soll, und andererseits ist es gerade dieses, was die Vernunft gebietet. So weit denn unsere Erörterung über die Mäßigkeit.
VIERTES BUCH
Erstes Kapitel1 Im Anschluß hieran wollen wir von der Freigebigkeit handeln. Sie erscheint als die Mitte in bezug auf Vermögensobjekte; denn der Freigebige wird nicht wegen kriegerischer Tüchtigkeit oder wegen der Vorzüge des Mäßigen oder auch wegen gerechter Entscheidungen gelobt, sondern mit Bezug auf seine Art, Vermögensobjekte hinzugeben und an sich zu nehmen, besonders sie hinzugeben. Vermögensobjekt ist uns alles, dessen Wert nach Geld bemessen wird. Die Verschwendung und der Geiz sind Übermaß und Mangel in dem die Vermögensobjekte betreffenden Verhalten. Geiz sagt man immer von solchen aus, die sich mehr als recht ist um Geld und Gut bemühen, mit der Bezeichnung Verschwendung aber verbindet man manchmal noch einen Nebengedanken, indem man die Unenthaltsamen und die, welche für ihre Ausschweifungen viel ausgeben, verschwenderisch nennt. Diese scheinen darum auch am schlimmsten zu sein, da sie viele Untugenden zugleich haben. Indessen paßt eigentlich für sie die Bezeichnung Verschwender nicht. Ein Verschwender ist, wer die eine Untugend hat, seinen Besitz zu zerstören. Verschwender ist, wer durch sich selbst zugrunde geht, und die Zerstörung des eigenen Besitzes scheint auch so etwas wie Selbstruinierung zu sein, weil der Besitz die Grundlage der Existenz ist. In diesem Sinne also nehmen wir das Wort Verschwendung. Man kann alles, wovon es einen Gebrauch gibt, gut und schlecht gebrauchen. Der Reichtum gehört aber zu den für den Gebrauch bestimmten Dingen, und da nun jedes Ding am besten der gebraucht, der die darauf bezügliche Tugend besitzt, so wird auch den Reichtum am besten der gebrauchen, der die auf Geld und Gut sich beziehende Tugend besitzt.
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Das ist aber der Freigebige. Der Gebrauch von Geld und Gut scheint aber im Aufwenden und Ausgeben, der Besitz dagegen mehr im Einnehmen und Zusammenhalten zu bestehen. Daher kommt es dem Freigebigen mehr zu, zu geben wem man soll, als zu nehmen von wem man soll, und nicht zu nehmen von wem man nicht soll. Denn es gehört mehr zur Tugend, daß sie in der rechten Weise handelt, als daß sie in der rechten Weise leidet, und es ist ihr eigentümlicher, das Gute zu tun, als das Schlechte zu meiden. Nun gehört aber offenbar das Geben auf die Seite des richtigen Handelns und der Vollbringung des Guten, das Nehmen und Empfangen dagegen auf die Seite der rechten Art des Leidens und der Vermeidung des Schlechten. Auch wird Dank und höheres Lob dem zuteil, der gibt, nicht dem, der nicht nimmt. Und es ist leichter, nicht zu nehmen als zu geben, da man sich eher dazu entschließt, Fremdes nicht zu nehmen als Eigenes wegzugeben. Und freigebig heißt, wer gibt; wer aber nicht nimmt, erhält nicht das Lob der Freigebigkeit und des Edelsinns, obwohl er nichtsdestoweniger ob seiner Gerechtigkeit gelobt wird; wer aber nimmt, erhält gar kein Lob. Liebe aber und Freundschaft gewinnt kaum einer durch eine Tugend so sehr wie der Freigebige, da er sich nützlich erweist. Das geschieht aber durch Geben.
Zweites Kapitel2 Die tugendhaften Handlungen sind sittlich schön und werden um des sittlich Schönen willen verrichtet. So wird denn auch der Freigebige und Edelgesinnte um des sittlich Schönen oder des Guten willen und auf die rechte Weise geben; er wird also geben denen er soll und soviel und wann er soll, und überhaupt mit Beobachtung alles dessen, was zum richtigen Geben gehört; und er wird das gern und ohne Unlust tun; denn das tugendhafte Handeln ist lustbringend oder doch frei von Unlust; am allerwenigsten ruft es Unlust hervor.
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Wer gibt wem er nicht soll, oder wer nicht aus einem sittlichen, sondern aus einem anderen Beweggrund gibt, kann nicht freigebig heißen, sondern muß einen anderen Namen bekommen. Ebensowenig wer mit Unlust gibt; ihm ist das Geld lieber als die edle Tat; so ist aber der Freigebige nicht gesinnt. Er wird auch nicht da nehmen, wo er nicht soll, da ein solches Nehmen nicht nach der Art eines Mannes ist, der Geld und Gut nicht achtet. Auch bittet er nicht leicht um etwas. Denn wer gern Wohltaten spendet, versteht sich nicht leicht dazu, solche zu empfangen. Nehmen wird er woher er soll, das heißt aus Eigenem, nicht als ob Nehmen schön wäre, sondern weil es notwendig ist, damit er geben kann. Er wird auch sein Vermögen nicht vernachlässigen, da er ja mit demselben anderen nützlich sein will. Auch wird er nicht dem ersten besten geben, um geben zu können, wem er soll, und wann und wo es gut ist. Es ist auch die Weise des Freigebigen und Edelgesinnten, im Geben die Mitte so stark zu überschreiten, daß er für sich das Geringere behält, da es ihm eigen ist, nicht auf sich selbst zu sehen. Man schätzt die Freigebigkeit nach dem Vermögen. Denn sie beruht nicht auf der Größe der Gabe, sondern auf der Gesinnung des Gebers, und mit der steht es bei dem Freigebigen so, daß er nach dem Maße seines Vermögens gibt. Darum kann es gar wohl geschehen, daß die kleinere Gabe einer größeren Freigebigkeit entspringt, weil sie aus geringeren Mitteln verabreicht wird. Freigebiger scheinen die zu sein, die ihr Vermögen nicht erworben, sondern ererbt haben. Sie haben keine Erfahrung von der Not, und jedermann hängt mehr an dem, was von ihm selber kommt. So halten es ja auch die Eltern mit ihren Kindern und die Dichter mit ihren Werken. Der Freigebige ist nicht leicht reich. Er legt es ja nicht darauf an, zu empfangen und zusammenzuhalten, sondern neigt eher zur Verschwendung, da er das Geld nicht seiner selbst, sondern des Gebens wegen schätzt. Deshalb schilt man auch das Schicksal, weil die, die es am meisten verdienen, am wenigsten
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reich sind. Und doch geht das ganz natürlich zu. Denn man kann nicht reich werden, wenn man auf das Erwerben keine Sorge verwendet, wie das ja auch bei allen anderen Gütern der Fall ist. Darum wird der Freigebige aber doch nicht geben wem er nicht soll und wann er nicht soll, und wie die Fehler alle heißen. Denn da handelte er nicht mehr nach der Regel der Freigebigkeit, und bei einer derartigen Verwendung seines Geldes bliebe ihm nichts mehr zur Verwendung am rechten Ort übrig. Denn, wie gesagt, freigebig ist wer nach Maß seines Vermögens und am rechten Ort austeilt. Wer hier durch Übermaß fehlt, ist ein Verschwender. Darum nennen wir die Gewaltherrscher nicht Verschwender, da es nicht leicht erscheint, daß sie bei ihren großen Mitteln mit ihren Geschenken und Aufwendungen sich übernehmen. Der Freigebige wird nun, da die Freigebigkeit die Mitte beim Geben und Nehmen von Geld und Gut ist, am rechten Ort und im rechten Maße geben und aufwenden, und zwar gleichmäßig im kleinen und im großen, und wird es mit Freude tun. Und nehmen wird er woher er soll, und wie er soll. Denn da seine Tugend in beiden Beziehungen die Mitte ist, so wird er beides so tun, wie er soll. Dem geziemenden Geben entspricht ja ein ebensolches Nehmen, während das nicht geziemende Nehmen ihm widerspricht. Die entsprechenden Eigenschaften treten also gleichzeitig in derselben Person auf, die widersprechenden aber selbstverständlich nicht. Wenn der Freigebige einmal wider Gebühr und Schicklichkeit eine Ausgabe gemacht hat, so wird er Unlust darüber empfinden, mit Maß jedoch und auf die rechte Art. Denn es gehört zur Tugend, am rechten Ort und auf die rechte Art Lust und Unlust zu empfinden. Mit ihm ist auch in Geldsachen gut zu verkehren. Denn er kann sich ein Unrecht gefallen lassen, da er das Geld nicht hochschätzt, und es ihn mehr verdrießt, wenn er eine geschuldete Ausgabe unterlassen, als er Unlust empfindet, wenn er eine nicht geschuldete gemacht hat. Einem Simonides machte ein solcher Mann keine Freude.
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Drittes Kapitel3 Der Verschwender aber fehlt auch hierin, da er Lust und Unlust nicht am rechten Ort und auf die rechte Art empfindet, wie uns im folgenden noch deutlicher werden wird. Wir haben gesagt, daß die Verschwendung und der Geiz ein Übermaß und ein Mangel sind, und zwar in zwei Dingen, dem Geben und dem Nehmen. Auch den Aufwand rechnen wir zum Geben. Die Verschwendung tut nun im Geben und Nichtnehmen zu viel und im Nehmen zu wenig, der Geiz dagegen im Geben zu wenig und im Nehmen zu viel, außer, es müßte sich um eine Kleinigkeit handeln. Die beiden Seiten der Verschwendung bleiben nun nicht lange miteinander verbunden, da es nicht leicht ist, allen zu geben, wenn man von niemandem nimmt – Privatleuten gehen ja beim Geben bald die Mittel aus, und Privatleute sollen ja die Verschwender sein –; denn ein Mensch der gedachten Art scheint um nicht wenig besser zu sein als der Geizige. Er kann ja leicht durch das Alter und durch den Mangel gebessert werden und zur Mitte gelangen. Denn er besitzt die Eigenschaften des Freigebigen, indem er gibt und nicht nimmt, freilich beides nicht auf rechte und geziemende Weise. Gewöhnte er sich hieran oder würde er sonstwie zu einer Änderung seines Verhaltens gebracht, so wäre er freigebig. Er würde geben wem er soll, und nicht nehmen von wem er nicht soll. Er scheint also auch keinen schlechten Charakter zu haben. Im Geben und Nichtnehmen zu viel zu tun, verrät keinen schlechten und gemeinen, sondern nur einen törichten Mann. Jedenfalls gilt ein Verschwender dieser Art für viel besser als ein Geizhals, nicht bloß aus den schon angegebenen Gründen, sondern auch darum, weil er vielen Menschen Gutes erweist, der Geizhals aber keinem, nicht einmal sich selbst. Die meisten Verschwender freilich nehmen, wie gesagt, da, wo sie es nicht sollen, und sind insofern nicht edelgesinnt, sondern den Geizigen gleich zu achten. Sie lernen zugreifen, weil sie ausgeben wollen, aber es nicht leicht können, indem ihnen die Mittel schnell ausgehen und sie sich dieselben darum von
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anderer Seite verschaffen müssen. Zugleich nehmen sie auch, da sie sich über die Erlaubtheit ihrer Handlungen keine Rechenschaft geben, ohne Rücksicht, wo sie nur bekommen können. Sie wollen nur geben; das Wie und Woher kümmert sie nicht. Darum sind ihre Gaben auch keine Erweise von Freigebigkeit weil sie nicht sittlich gut sind, aus keinem sittlichen Beweggrund entspringen und auch nicht in rechter Weise verteilt werden. Vielmehr bereichern sie oft Leute, die von Rechts wegen arm sein sollten, und mögen Personen von bravem Charakter nichts geben, während sie Schmeichler oder Leute, die ihnen sonst ein Vergnügen machen, mit Geschenken überhäufen. Darum sind die meisten von ihnen auch unmäßig. Denn da sie leichthin Aufwand machen, geben sie auch gern für Ausschweifungen Geld aus, und weil ihr Leben des sittlichen Haltes entbehrt, neigen sie den Lüsten zu. Auf solche Abwege gerät der Verschwender, wenn er keine rechte Leitung hat; trifft er aber auf jemanden, der sich seiner annimmt, so kann er wohl noch zur Mitte und zu dem Schicklichen gelangen. Dagegen ist der Geiz unheilbar. Denn das Alter und jede Schwäche scheint geizig zu machen. Und der Geiz liegt mehr in der menschlichen Natur als die Verschwendung, da die meisten Menschen mehr Freude am Gelderwerb als am Geben haben. Der Geiz hat einen weiten Umfang und viele Formen, da man auf vielerlei Weise geizig sein kann. Während er nämlich in zwei Dingen besteht, einem Zuwenig im Geben und einem Zuviel im Nehmen, so ist doch nicht beides allen Geizigen vollständig eigen, sondern zuweilen kommt hier eine Trennung vor, indem die einen im Nehmen zu viel und die anderen im Geben zu wenig tun. Denn die Leute, die man unter Bezeichnungen wie Knicker, Knauser, Filze befaßt, lassen es sämtlich am Geben fehlen, fremdes Gut dagegen begehren sie nicht und wollen sie nicht wegnehmen, die einen aus einem gewissen Rechtsgefühl und aus Scheu vor der Schlechtigkeit – denn manche scheinen ihr Geld darum festzuhalten oder versichern wenigstens, es darum festzuhalten, damit sie nicht
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einmal später zu einer unehrenhaften Handlung genötigt seien. Zu diesen gehören auch der Kümmelspalter und seinesgleichen; er heißt so, weil er den Grundsatz, keinem etwas zu schenken, auf die Spitze treibt –. Die anderen wiederum hüten sich vor ungerechter Hinwegnahme aus Furcht, da es nicht leicht ist, selbst fremdes Gut wegzunehmen, ohne daß andere einem dasselbe tun. Darum halten sie sich an den Grundsatz, weder zu nehmen noch zu geben. Andere wiederum tun im Nehmen zu viel und nehmen woher sie können und was sie können, wie die, die schimpfliche Gewerbe betreiben: Hurenwirte und dergleichen, und Wucherer, die kleine Summen zu hohen Zinsen ausleihen. Denn alle diese nehmen woher sie nicht sollen und mehr als sie sollen. Als gemeinsam erscheint bei ihnen schimpfliche Gewinnsucht, da sie alle eines Gewinnes, und zwar eines kleinen Gewinnes wegen sich Schimpf und Schande gefallen lassen. Denn die Großes nehmen, jedoch nicht woher und was sie sollen, wie die Gewaltherrscher, wenn sie Städte verwüsten und Tempel berauben, nennen wir nicht geizig, sondern vielmehr verrucht, gottlos und ungerecht. Dagegen gehören der Falschspieler, der Kleiderdieb und der Räuber zu den Geizigen, weil sie schändlichen Gewinn suchen. Der Gewinn ist es ja, für den diese beiden Menschenklassen tätig sind und Schande auf sich nehmen, und die einen setzen sich um des Raubes willen den größten Gefahren aus, die anderen übervorteilen ihre Freunde, denen sie geben sollten. Beide trachten also, da sie gewinnen wollen woher man nicht soll, nach schändlichem Erwerb, und jedes derartige Nehmen ist als gemeiner Geiz charakterisiert. Der Geiz wird billig als das Gegenteil der Freigebigkeit bezeichnet. Er ist unsittlicher als die Verschwendung, und man fehlt in dieser Beziehung mehr als durch die Verschwendung, die wir beschrieben haben. So viel sei denn von der Freigebigkeit und den ihr entgegengesetzten Lastern gesagt.
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Viertes Kapitel4
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Nach diesem liegt es nahe, auch von der Hochherzigkeit zu handeln. Scheint sie doch auch eine Tugend zu sein, die sich auf Hab und Gut bezieht. Sie erstreckt sich jedoch nicht wie die Freigebigkeit auf alle das Geld betreffenden Handlungen, sondern nur auf den Aufwand, und hier übertrifft sie die Freigebigkeit durch die Größe; denn sie ist, wie schon der Name einigermaßen anzeigt, der schickliche Aufwand im Großen. Groß ist nun ein relativer Begriff; der Aufwand eines Mannes, der aus seinen Mitteln ein Kriegsschiff stellt, ist ein anderer als der eines Mannes, der für die Kosten einer Festgesandtschaft aufkommt. So richtet sich denn die Schicklichkeit nach der Person und wechselt hier je nach der Sache und den Umständen. Wer im Kleinen oder Mittelmäßigen nach Gebühr ausgibt, heißt nicht hochherzig; also nicht, wer mit Ulisses sagen kann: „Oft gab ich dem Bettler“; sondern, wer dies im Großen tut. Der Hochherzige ist edelgesinnt und freigebig; der Freigebige aber ist darum noch keineswegs hochherzig. Das Zuwenig dieses Habitus heißt Engherzigkeit, das Zuviel Großtuerei, protzerhaftes Wesen und was solcher Bezeichnungen mehr sind, die nicht ein Zuviel bei übrigens rechtmäßiger Veranlassung, sondern ein Prunken am unrechten Ort und auf unrechte Art ausdrücken. Wir werden darauf weiter unten zurückkommen. Der Hochherzige gleicht einem Wissenden. Er weiß das Schickliche zu beurteilen und auf geziemende Weise großen Aufwand zu machen. Denn der Habitus wird, wie wir zu Anfang gesagt haben, durch die Akte sowie durch die Objekte charakterisiert, worauf er sich bezieht. Und so sind die Aufwendungen des Hochherzigen groß und der Schicklichkeit und Würde entsprechend, nicht minder aber die Werke, denen der Aufwand gilt, und so wird denn der Aufwand, den er macht, ebenso groß wie für das Werk schicklich sein. Das Werk muß also des Aufwands, der Aufwand des Werkes würdig sein oder es noch übertreffen. Solchen Aufwand aber macht der Hochherzige aus sittlichem Beweggrunde, wie es ja jeder Tugend eigen ist, und auch gern und ohne Bedenken, da das genaue
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Rechnen engherzig ist. Und er sieht mehr darauf, daß die Ausführung auf das schönste und geziemendste geschieht, als was sie kostet, und wie sie am billigsten wird. Der Hochherzige nun muß auch freigebig sein, da auch der Freigebige aufwendet was er soll und wie er soll, aber gerade hierin, im Was und Wie, besteht das „Große“ unseres Mannes, besteht die Größe der Freigebigkeit, die es sonst mit denselben Dingen zu tun hat, und er wird mit dem gleichen Aufwand dasselbe Werk prächtiger und großartiger gestalten. Denn der Wert eines Besitzstückes und der eines Werkes ist nicht der gleiche. Bei einem Besitzstück, Gold z. B., entscheidet der höhere Preis über seinen Wert, bei einem Werk dagegen seine Größe und Schönheit. Der Anblick eines solchen Werkes ruft unsere Bewunderung hervor, und Bewunderung zollen wir auch den Schöpfungen hochherzigen Sinnes. Der Wert des Werkes ist also seine überragende Pracht und Größe.
Fünftes Kapitel5 Zu den hochherzigen Aufwendungen gehören die sogenannten Ehrenleistungen, einmal Weihegeschenke für die Götter, Tempelbauten und Opfer, dann Aufwendungen für alles, was zum Kult der Dämonen, der Halbgötter, gehört, endlich alles, was edler Wetteifer für das Gemeinwesen leistet, wie wenn man z. B. glaubt, einen Festchor glänzend ausstatten oder ein Kriegsschiff stellen oder auch der Stadt ein Gastmahl geben zu sollen. Bei allen Aufwendungen aber ist, wie gesagt, auch bezüglich der Person, die sie macht, zu berücksichtigen, wer sie ist und welche Mittel sie zur Verfügung hat. Hier muß das rechte Gleichmaß vorhanden sein, so daß der Aufwand sich nicht nur für das Werk geziemt, sondern auch für die Person. Darum kann kein Unbemittelter hochherzig, das heißt im großen Stil freigebig sein. Er hat ja nicht, wovon er schicklich und geziemend Aufwand machen könnte, und wollte er es versuchen, so wäre er töricht. Denn es wäre eine Verleugnung von Maß und
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Schicklichkeit, während doch das rechte Handeln sich nach dem Können richtet. Schicklich ist dagegen solcher Aufwand einerseits für reiche Leute, mögen sie nun ihren Besitz sich selbst oder ihren Vorfahren oder Verwandten verdanken, andererseits für Männer von edler Abkunft oder hohem Ansehen und dergleichen. Denn in all dem liegt Größe und Würde. So ist denn vor allem, wie gesagt, dieses die Art, in der sich der Hochherzige zeigt, und dieses die Art von Aufwendungen, die Hochherzigkeit bekunden. Denn die genannten Ausgaben sind die größten und ehrenvollsten. Von den Privatausgaben aber gehören hierher die nur einmal vorkommenden, wie für Hochzeiten und dergleichen, ferner die Aufwendungen für eine Sache, um die sich die ganze Stadt oder die Vornehmen bemühen, die Kosten für die Aufnahme und das Geleit von Gästen und für Geschenke und Gegengeschenke. Denn der Hochherzige macht keinen Aufwand für sich, sondern für die Allgemeinheit, und die Geschenke haben eine gewisse Ähnlichkeit mit den Weihegaben. Der Hochherzige muß aber auch sein Haus entsprechend seinem Reichtum bauen, da auch dies eine Ehre ist, und er muß für dauerhaftere Werke einen höheren Aufwand machen, da diese ihrem Stoff nach am schönsten sind. Auch muß er in allem das Geziemende beobachten. Nicht das Gleiche geziemt sich, wo es sich um Götter und wo es sich um Menschen, und nicht das Gleiche, wo es sich um einen Tempel und wo es sich um ein Grabmal handelt. Jeder Aufwand hat seine eigenartige Größe. Am großartigsten ist ein solcher, der im Großen groß ist; aber auch der ist großartig, der in einem anderen Fall entsprechend groß ist. Die Größe der Sache ist von der Größe des Aufwands wohl zu unterscheiden. Der schönste Ball und das schönste Ölfläschchen hat die Großartigkeit, die ein Geschenk für Kinder haben kann, wenn auch die Gabe geringen Wert besitzt und noch keine Freigebigkeit beweist. Daher gehört es zur Weise des Hochherzigen, in jeder Art von Fällen etwas Großes zu tun. Denn so kann sein Verfahren nicht leicht überboten werden und entspricht der Bedeutung der Sache, welcher der Aufwand gilt.
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Sechstes Kapitel6 So also ist der Hochherzige, der Mann der Freigebigkeit im Großen beschaffen. Wer aber hier zu viel tut und ein Protzer ist, tut insofern zu viel, als er ungebührlichen Aufwand macht, wie wir gesagt haben. Er verwendet viel bei Anlässen, die nur einen bescheidenen Aufwand erfordern, indem er z. B. eine alltägliche Gesellschaft von guten Freunden wie Hochzeitsgäste bewirtet oder, falls er die Kosten einer Komödie zu bestreiten hat, für den Aufzug des Chores Purpurdecken ausbreiten läßt, wie die Megarer. Und das alles wird er nicht aus sittlichen Beweggründen tun, sondern um seinen Reichtum zu zeigen, und in der Erwartung, dadurch die Bewunderung auf sich zu ziehen. Er macht wenig Aufwand wo viel, und viel Aufwand wo wenig sich gehören würde. Der Engherzige und Kleinliche wird es in allem fehlen lassen und bei den größten Aufwendungen durch Knausern im Kleinen das Ganze um seine Schönheit bringen. Bei allem, was er ausführt, bedenkt er sich und ist besorgt, wie es am billigsten abgemacht werden kann, und dabei klagt er beständig und meint überall mehr zu tun, als er soll. Diese Charakterrichtungen sind nun zwar wirkliche sittliche Mängel, doch bringen sie nicht in Schande, weil sie dem Nächsten nicht schaden und ihre sittliche Häßlichkeit nicht besonders hervorsticht.
Siebentes Kapitel7 Die Seelengröße, der Hochsinn, scheint schon dem Namen nach auf Hohes und Großes zu gehen. Suchen wir also vorab zu ermitteln, auf was für Großes er geht. Ob wir hier nach dem Habitus selbst oder nach seinem Inhaber fragen, macht keinen Unterschied. Hochsinnig scheint zu sein, wer sich selbst großer Dinge für würdig hält und deren auch würdig ist. Denn wer es unbilligerweise tut, ist ein Tor, kein tugendhafter Mann aber ist ein Tor
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oder ein Unverständiger. So ist denn ein solcher Mann hochsinnig. Denn wer nur kleiner Dinge würdig ist und sich selbst nur derer für würdig hält, ist besonnen, nicht hochsinnig. Der Hochsinn beruht auf Größe, wie auch die Schönheit einen großen Körper erfordert, während kleine Personen wohl zierlich und gut proportioniert sein können, schön aber nicht. Wer sich großer Dinge für würdig hält, ohne es zu sein, ist aufgeblasen; wer größerer, als er würdig ist, ist nicht immer aufgeblasen; wer kleinerer, als er würdig ist, hat niederen Sinn, mag er nun großer oder mittelmäßiger oder kleiner Dinge würdig sein, wofern er sich nur noch tiefer stellt. Am meisten scheint hier derjenige niederen Sinnes zu sein, der großer Dinge wert ist. Denn was täte er erst, wenn er nicht so großer Dinge wert wäre? Der Hochgesinnte stellt in bezug auf Größe das Extrem dar, die Mitte aber insofern, als er sich richtig verhält. Denn er bewertet sich selbst nach Würde. Die anderen tun zu viel oder zu wenig. Wenn er sich nun großer Dinge wert hält und wert ist, und beides ganz besonders von den allergrößten gilt, so muß es sich hier ganz besonders um eines handeln. Nun gebraucht man das Wort Wert von den äußeren Gütern. Von diesen Gütern aber gilt uns als höchstes jenes, was wir den Göttern erweisen, wonach der Sinn der Würdigsten vor allem steht und was der Preis für das Schönste ist. Ein solches Ding aber ist die Ehre; sie ist von allen äußeren Gütern das größte. So wird es also die Ehre und die Unehre sein, denen gegenüber der Hochgesinnte sich verhält wie es recht ist. Aber auch abgesehen von Vernunftgründen zeigt die Erfahrung, daß der Hochsinn es mit der Ehre zu tun hat. Die Ehre, die gebührende, ist es nämlich ganz besonders, deren die Großen sich wert halten. Wer niederen Sinnes ist, schätzt sich zu niedrig ein, niedriger, als er selbst verdient, und niedriger im Vergleich zur Würde des Hochgesinnten. Dagegen bewertet sich der Aufgeblasene zu hoch, wenn er nach sich selbst, nicht aber, wenn er nach dem Hochgesinnten gemessen wird.
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Der Mann der hohen Gesinnung muß, wenn anders er des Größten wert ist, auch der Beste sein. Denn des Größeren ist immer der Bessere, und des Größten der Beste wert. Mithin muß der wahrhaft Hochgesinnte tugendhaft sein. Ja, der eigentümliche Vorzug des Hochgesinnten scheint sogar das Große in jeder Tugend zu sein. Würde es doch zu hoher Gesinnung keineswegs passen, Hals über Kopf die Flucht zu ergreifen oder eine Ungerechtigkeit zu begehen. Denn weswegen täte Schändliches, wem nichts groß ist? Und gingen wir so die anderen Tugenden der Reihe nach durch, der Hochgesinnte erschiene jedesmal sehr lächerlich, wenn er dieselben nicht besäße. Verdiente er ja auch nicht einmal Ehre, wenn er ein schlechter Mann wäre. Denn die Ehre ist der Tugend Preis, und den Guten wird sie zuerkannt. So erscheint denn die hohe Gesinnung wie ein Schmuck der anderen Tugenden. Sie hebt sie auf eine höhere Stufe und kann ohne sie nicht zur Entwicklung kommen. Daher ist es schwer, wahrhaft hochgesinnt zu sein. Denn es ist nicht möglich ohne vollendete Charakterbildung. Der Hochgesinnte hat es also vorzüglich mit Ehre und Unehre zu tun. Über die großen Ehren und die, die ihm von seiten der Besten widerfahren, wird er sich in maßvoller Weise freuen, als empfinge er, was ihm gebührt oder auch weniger als das. Denn eine Ehre, die der vollendeten Tugend würdig wäre, gibt es nicht. Doch wird er solche Ehren wenigstens sich gefallen lassen, weil man ihm nichts größeres erweisen kann. Eine Anerkennung aber, die ihm vom ersten besten oder wegen einer Kleinigkeit zuteil wird, wird ihn vollkommen gleichgültig lassen, weil sie seiner nicht würdig ist. Ebenso läßt ihn eine Verunglimpfung kalt, da sie ihn nicht mit Recht treffen kann. Vorzüglich also, wie gesagt, bewährt sich der Hochgesinnte als solcher in seinem Verhalten gegenüber der Ehre. Indessen wird er auch in bezug auf Reichtum, Macht und jede Art von Glücksfällen und Unglücksfällen sich maßvoll benehmen und wird sich weder im Glück übermäßig freuen, noch im Unglück sich übermäßig betrüben. Das tut er ja auch nicht in betreff der Ehre, die doch das Größte ist. Denn Macht und Reichtum
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sind um der Ehre willen begehrenswert, und die sie haben, wollen ihretwegen geehrt werden. Wem nun selbst die Ehre ein Geringes ist, für den muß auch anderes gering sein. Daher machen Hochgesinnte den Eindruck, als wären sie stolz.
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Auch Glücksgüter scheinen zum Hochsinn beizutragen. Die Männer von vornehmer Abkunft, Einfluß und Besitz hält man der Verehrung wert. Sie befinden sich in hervorragender Stellung, und alles, was im Guten hervorragt, steht in erhöhtem Ansehen. Darum machen solche Vorzüge auch den Menschen hochsinniger, da man ihretwegen von manchen Seiten Ehre erfährt. Aber in Wahrheit macht nur die Tugend verehrungswürdig; wem aber beides geworden, wird mehr dafür angesehen. Die aber ohne Tugend derartige Vorzüge besitzen, haben weder gerechten Grund sich selbst großer Dinge für würdig zu halten, noch werden sie mit Recht hochgesinnt genannt. Denn jene Würdigkeit und diese Gesinnung ist ohne Tugend gar nicht möglich. Ja, die sich solcher Vorzüge erfreuen, werden auch stolz und übermütig, da es ohne Tugend nicht leicht ist, das Glück maßvoll zu ertragen. Und da sie es nicht ertragen können und über andere erhaben zu sein glauben, so begegnen sie diesen verächtlich und tun selbst, was ihnen einfällt. Denn sie wollen es dem Hochgesinnten gleichtun, ohne doch ihm ähnlich zu sein, und so tun sie es, wo sie es allein können: die Werke der Tugend verrichten sie nicht, verachten aber die anderen. Wenn aber der Hochsinnige verachtet, tut er es mit Grund, da er richtig urteilt; der große Haufe aber bestimmt sich zur Verachtung nach bloßer Laune. Der Hochgesinnte bringt sich nicht für Kleines in Gefahr und ist nicht waghalsig, weil er dafür wenige Dinge hoch genug achtet. Dagegen setzt er sich um Großes der Gefahr aus, und tut er es, so schont er sein Leben nicht, da es ihm zu schlecht ist, um jeden Preis zu leben. Er vermag wohlzutun, scheut sich aber, Wohltaten zu empfangen. Denn jenes ist dem Höheren,
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dieses dem Niederen angemessen. Er erwidert die Wohltaten durch größere, so daß der Spender der ersten Wohltat ihm verpflichtet wird und den Vorteil hat. Sie gelten auch für solche, die für Personen, denen sie Gutes erwiesen, ein gutes Gedächtnis haben, nicht aber für solche, von denen sie es empfangen haben. Denn der Empfänger einer Wohltat steht unter dem Geber, und er will überlegen sein. Auch hört er von Diensten, die er anderen erwiesen, gern reden, nicht aber von denen, die sie ihm erzeigt. Deshalb, meint man, zähle auch Thetis dem Zeus nicht die Wohltaten auf, die sie ihm erwiesen, und auch die Lakedämonier taten dieses gegen die Athener nicht, sondern erwähnten nur die von ihnen empfangenen. Auch ist es dem Hochgesinnten eigen, andere um nichts anzusprechen oder es doch ungern zu tun, aber gerne gefällig zu sein; ferner gegenüber Hochstehenden und Reichen eine vornehme Haltung zu beobachten, aber gegen gewöhnliche Leute sich einer schlichten Freundlichkeit zu befleißen. Denn jenen überlegen zu sein, ist schwer und rühmlich, bei diesen aber ist es leicht; und unter jenen seine Würde geltend zu machen, ist nicht unedel, aber gegen Niedrige ist es ebenso widerwärtig, als gegen Schwache seine Stärke zu gebrauchen. Es ist nicht seine Art, sich an Dinge heranzumachen, die zu Ansehen bringen, oder wo andere die erste Rolle spielen. Er ist langsam und bedächtig, außer, wo es sich um eine große Ehre oder um ein großes Ding handelt. Nicht vielerlei nimmt er in die Hand; aber was er tut, ist groß und gibt einen Namen. Er muß auch ein offener Hasser sein und ein offener Freund. Denn nur die Furcht versteckt sich. Ihm steht die Wahrheit unvermeidlich höher als Menschenmeinung, und er kann nicht anders als offen reden und handeln. Denn er ist voller Freimut, weil er auf die Personen nicht achtet. Darum ist er auch wahrhaftig, außer, wo er ironisch spricht, was er vor der Menge zu tun liebt. Es ist ihm auch eigen, daß er nicht in fremder Abhängigkeit leben kann als nur in der von Freunden. Denn das ist knechtisch, weshalb auch alle Schmeichler lohndienerisch und die Menschen von niedriger Gesinnung Schmeichler sind. Auch
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das Bewundern ist nicht seine Sache, da nichts groß für ihn ist. Auch nicht die Erinnerung an erlittene Beleidigungen. Denn er hält sich nicht viel mit Erinnerungen auf, besonders nicht mit solchen an erlittene Unbilde, sondern sieht darüber hinweg. Es ist auch nicht seine Art, viel von Menschen zu reden, weder von sich, noch von anderen. Ihm liegt ja nicht daran, daß er gelobt werde, noch daß andere getadelt werden. Aber auch vom Loben ist er kein Freund. Und weil er überhaupt nicht viel von anderen spricht, so sagt er auch nichts Schlimmes von ihnen, nicht einmal von seinen Feinden, es sei denn, wenn sie übermütig werden. Am wenigsten hat er die Neigung, über des Lebens Notdurft und täglichen Anspruch zu jammern und um Abhilfe zu bitten. Denn so stellt sich nur an, wem solche Dinge sehr am Herzen liegen. Ihm ist es mehr um den Besitz des Schönen, das keinen Gewinn abwirft, zu tun, als um das, was Vorteil und Nutzen bringt. Denn das steht einem Manne, der sich selbst genügt, besser an. Man hat auch die Vorstellung, daß der Gang des Hochgesinnten langsam, seine Stimme tief, seine Rede ruhig sein müsse. Denn ein Mann, dem weniges wichtig ist, pflegt nicht eilfertig zu sein, und wer nichts für groß erachtet, seine Stimme nicht anzustrengen. Das laute Sprechen und hastige Gehen kommt aber daher, daß man einen solchen hohen Standpunkt im gegebenen Falle nicht hat.
Neuntes Kapitel9 So also ist der Mann der hohen Gesinnung beschaffen. Wem aber hier ein Mangel anhaftet, hat niederen Sinn, und wem ein Übermaß anhaftet, ist aufgeblasen. Jedoch scheinen auch solche Leute nicht eigentlich böse zu sein, da sie keine lasterhaften Handlungen begehen, aber sie leiden doch an einem Charakterfehler. Da der Mann niederen Sinnes, der Mann ohne Seelengröße, des Guten wert wäre, so beraubt er sich dessen, worauf er
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Anspruch hätte, und verrät so gewissermaßen ein sittliches Gebrechen, da er sich selbst des Guten nicht für wert erachtet; auch scheint er sich selber nicht zu kennen, da er sonst nach dem, was er verdient, und was doch gut ist, verlangen würde. Indessen scheinen solche Personen nicht dumm zu sein, sondern sie machen sich vielmehr zu viele Gedanken und sind darum ängstlich. Eine solche verkehrte Selbsteinschätzung muß den Menschen aber auch verschlechtern. Denn während jedermann nach dem strebt, was ihm gebührt, verzichten solche Leute, gleich Unberufenen, auf schöne Taten und hohe geistige Bestrebungen und entsprechend dann auch auf die äußeren Güter. Die Aufgeblasenen sind töricht und ohne Selbsterkenntnis und dies in augenscheinlicher Weise. Sie machen sich an rühmliche und hohe Dinge, als wären sie ihnen gewachsen, und offenbaren dann nur ihr Unvermögen. Sie zieren sich auch in Kleidung und Haltung und dergleichen, tragen ihre Glücksgüter zur Schau und reden von ihrer eigenen Person, als ob sie sich damit in Ansehen brächten. Dem Hochsinn ist der niedere Sinn mehr entgegengesetzt als die Aufgeblasenheit. Denn der niedere Sinn kommt häufiger vor und ist der schlimmere Fehler.
Zehntes Kapitel10 Während der Hochsinn es, wie gesagt, mit der Ehre im Großen zu tun hat, scheint die Ehre, wie wir schon in den ersten Abschnitten erklärt haben, auch noch Gegenstand einer anderen Tugend zu sein, einer Tugend, die sich zum Hochsinn ähnlich wie die Freigebigkeit zur Hochherzigkeit verhält. Denn diese beiden Tugenden halten sich vom Großen fern, geben uns aber in betreff des Mittelmäßigen und Kleinen die rechte Verfassung. Wie es also beim Nehmen und Geben von Geld und Geldeswert eine Mitte, ein Übermaß und einen Mangel gibt, so gibt es auch bei der Ehrbegierde ein Mehr und ein Minder als sich
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gehört, wie auch eine Mitte, die bewirkt, daß man die Ehre da sucht, wo sie wirklich zu finden ist, und zugleich im Verlangen nach Ehre das rechte Maß beobachtet. Wir tadeln einerseits den Ehrgeizigen, weil er im Übermaß und aus unrechter Quelle Ehre gewinnen will, andererseits tadeln wir den Nichtehrgeizigen, weil er nicht einmal die Ehre sucht, die aus dem sittlich Schönen erwächst. Es kommt aber auch, wie wir schon in den früheren Abschnitten bemerkt haben, vor, daß wir den Ehrgeizigen als mannhaft und für das Gute begeistert und den Nichtehrgeizigen als maßvoll und besonnen mit Lob erheben. Man sieht also, daß man die Bezeichnung „ehrgeizig“ in verschiedenem Sinne gebraucht, und wir darum, wenn wir jemanden so nennen, es nicht immer mit Bezug auf das Nämliche tun, sondern beim Lobe daran denken, daß einer mehr auf Ehre sieht als der große Haufe, beim Tadel dagegen daran, daß er es mehr tut als recht ist. Da nun die Mitte keine eigene Bezeichnung hat, so scheinen die Extreme um sie, als wäre sie unbesetzt, zu streiten. Aber wo Übermaß und Mangel ist, da ist auch eine Mitte. Und da man nach der Ehre teils mehr teils weniger als sich geziemt, streben kann, so kann es auch in geziemender Weise geschehen, und mit dem Lobe, das hier gespendet wird, ist dieser Habitus gemeint, der in bezug auf die Ehre die Mitte hält und keinen Namen hat. Er erscheint, gegen den Ehrgeiz gehalten, als Mißachtung der Ehre, gegen die Mißachtung der Ehre gehalten, als Ehrgeiz, gegen beides gewissermaßen als beides. Dies scheint auch bei den anderen Tugenden der Fall zu sein, nur daß in unserem Falle bloß die Extreme sich gegenüber zu stehen scheinen, weil derjenige, der sich in der Mitte hält, keinen Namen hat.
Elftes Kapitel11 Sanftmut ist die Mitte bei den Zornesaffekten. Da aber der Mittlere und auch so ziemlich die Extreme unbenannt sind, so beziehen wir die Sanftmut, die doch nach seiten des gleichfalls unbenannten Mangels neigt, auf den Mittleren. Das Übermaß
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kann man Zornmütigkeit nennen. Denn der Affekt ist Zorn, was ihn aber hervorruft, ist vieles und verschiedenes. Wer nun zürnt, worüber er soll, und wem er soll, und dazu wie, wann und solange er soll, wird gelobt, und so wäre er denn der Sanftmütige, wenn anders die Sanftmut Lob erhält. Denn der Sanftmütige soll ein Mann sein, der sich nicht verwirren und von seinem Affekt fortreißen läßt, sondern in der Art, in der Veranlassung und in der Dauer seines Zornes nur der Vernunft Gehör gibt. Er scheint aber vielmehr nach der Seite des Mangels zu fehlen, weil der Sanftmütige nicht zur Rache, sondern vielmehr zum Verzeihen geneigt ist. Der Mangel, mag er nun Zornlosigkeit oder sonst was immer sein, erfährt Tadel. Denn, die nicht zürnen, worüber sie sollen, und nicht wie sie sollen, noch wann, noch wem sie sollen, scheinen töricht zu sein. Man meint ja, ein solcher Mensch habe keine Empfindung und könne nicht gekränkt werden und sei wehrlos, da er nicht zornig werde. Sich aber Schimpf gefallen zu lassen und seine Angehörigen nicht dagegen zu schützen, verrät knechtischen Sinn. Das Übermaß kann in allen Beziehungen stattfinden. Man kann zürnen, wem man nicht soll, und worüber man nicht soll, und ärger und schneller und länger als man soll. Aber nicht alles findet sich in derselben Person vereinigt. Das wäre unmöglich; denn das Schlechte vernichtet sich selbst und würde in seiner Vollständigkeit unerträglich. Die Zornmütigen werden nun zwar schnell zornig und werden es über wen sie nicht sollen, und worüber sie nicht sollen, und ärger als sie sollen. Sie hören aber schnell auf zu zürnen, und das ist das Beste an ihnen. Dieses widerfährt ihnen, weil sie den Zorn nicht in sich verschließen, sondern wegen ihrer Reizbarkeit offen herausfahren und dann wieder ruhig werden. Übermäßig aufgeregt aber sind die Jähzornigen und bei allem und über alles zum Zorn geneigt; daher auch ihr Name. Die Bitteren sind schwer versöhnlich und zürnen lange Zeit. Denn sie verschließen ihren Grimm in sich. Die Ruhe aber stellt sich ein, wenn man Vergeltung geübt hat. Denn die Rache setzt dem Zorn ein Ziel, indem sie Freude anstelle des Schmerzes hervorruft. So-
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lange dieses nicht geschieht, bleibt der Druck auf ihnen lasten. Denn da ihre Stimmung nicht nach außen tritt, so redet auch niemand ihnen gütlich zu, und um für sich selber den Zorn zu verwinden, braucht es Zeit. Solche Leute sind sich selbst und ihren besten Freunden eine schwere Last. Grimmig nennen wir die, die aus unrechtem Anlaß und mehr und länger als sich gehört, zürnen und nicht eher aufhören, bis Rache oder Strafe erfolgt ist. Zu der Sanftmut stellen wir mehr das Übermaß des Zorns in Gegensatz. Denn einmal kommt dasselbe häufiger vor, da es mehr in der menschlichen Art liegt, sich zu rächen. Und dann ist auch mit den Grimmigen schlechter umzugehen als mit denen, die übermäßig milde sind. Aus dem Gesagten ergibt sich eine Wahrheit, von der wir schon bei früherer Gelegenheit gesprochen haben. Es ist nicht leicht, genau zu bestimmen, wie und wem und worüber und wie lange man zürnen soll, und welches die Grenze des rechten und des verkehrten Verhaltens ist. Denn wer dieselbe nur um weniges überschreitet, sei es nach seiten des Zuviel oder des Zuwenig, erfährt keinen Tadel. Zuweilen loben wir diejenigen, die das Zuwenig haben und nennen sie sanftmütig; zuweilen loben wir auch die Zornigen als zum Herrschen geeignet. Wie weit also und wie man von der Mitte abweichen muß, um dem Tadel zu verfallen, läßt sich nicht leicht mit Worten angeben, da das Urteil es hier mit dem Einzelnen zu tun hat und dem Sinn anheimfällt. Soviel ist jedenfalls klar, daß die Mitte ein lobenswerter Habitus ist, vermöge dessen wir zürnen wem wir sollen und worüber wir sollen, und was sonst noch alles hierher gehört; und daß das Übermaß und der Mangel tadelnswert sind, und zwar, wenn beide gering sind, in geringem Maße, wenn bedeutender, in höherem, und wenn sehr bedeutend, im höchsten Maße. Man sieht also, daß man sich an den mittleren Habitus zu halten hat. Hiermit sind die auf den Zorn bezüglichen Charaktereigenschaften erledigt.
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Zwölftes Kapitel12 Was den Umgang, das Zusammenleben und den Verkehr in Worten und Handlungen betrifft, so scheinen die einen gefallsüchtig zu sein, jene nämlich, die alles den Leuten zuliebe loben, einem in keiner Sache entgegentreten, sondern sich für verpflichtet halten, denen, die mit ihnen verkehren, nicht unangenehm zu werden. Diejenigen, die umgekehrt wie die Vorigen in allem widersprechen und sich nicht im mindesten darum kümmern, ob sie jemandem unangenehm werden, werden eigensinnig und streitsüchtig genannt. Es ist klar, daß die genannten Charaktereigenschaften tadelnswert und die zwischen ihnen in der Mitte liegende Eigenschaft, vermöge deren man billigt und verwirft was man soll und wie man soll, lobenswert ist. Sie hat aber keinen Namen bekommen, gleicht jedoch am meisten der Gesinnung, die den Verkehr unter Freunden bestimmt. Denn wer den mittleren Habitus besitzt, ist das, was wir meinen, wenn wir von einem rechten Freunde sprechen, nur daß bei diesem noch die Liebe hinzukommt. Denn der Unterschied dieser Eigenschaft zu der Freundschaft besteht darin, daß ihr der Affekt abgeht, die Liebe zu denen, mit welchen man verkehrt. Wer die gedachte Eigenschaft hat, nimmt jegliches gebührend auf, nicht weil er liebt oder haßt, sondern weil es so in seinem Wesen liegt. Er wird dies gleichmäßig gegen Unbekannte und Bekannte, gegen Nahestehende und Fernstehende tun, nur freilich gegen jeden, wie es sich paßt. Denn es ist nicht geziemend, das gleiche Interesse an Vertrauten und Fremden zu nehmen, und ebensowenig, sie ohne Unterschied unangenehm zu berühren. Im allgemeinen also gilt, wie gesagt, daß er im Verkehr sich auf die rechte Art verhalten wird. Er ist von der Rücksicht auf das Gute und Nützliche bestimmt, wenn er bestrebt ist, Verletzendes zu vermeiden oder anderen Vergnügen zu machen. Denn da er es mit dem Angenehmen und Unangenehmen des Umgangs zu tun hat, so wird er, falls er zu dem Vergnügen anderer nicht beitragen kann, ohne daß es für ihn unsittlich oder schädlich ist, dasselbe jedesmal mißbilligen und lieber Anstoß
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erregen. Und wenn eine Handlung ihrem Urheber keinen kleinen Schimpf oder Schaden bringt, der Widerspruch aber eine kleine Unlust hervorruft, so wird er nicht zustimmen, sondern seine Mißbilligung äußern. Er wird sich anders im Verkehr mit Hochgestellten und mit gewöhnlichen Leuten, mit näheren und entfernteren Bekannten verhalten und ebenso die sonstigen Unterschiede berücksichtigen, indem er jedem gibt, was ihm zukommt. An und für sich macht er sich lieber angenehm und scheut sich zu verletzen, berücksichtigt dabei jedoch die Folgen, wenn sie größer sind, ich meine das Gute und Nützliche. Auch wird er gegebenenfalls wegen einer darauf folgenden großen Freude eine kleine Unlust hervorrufen. So also ist beschaffen wer die Mitte hält, doch hat er keine eigene Bezeichnung erhalten. Von denen, die sich angenehm machen wollen, ist derjenige, der nur hierauf und auf sonst nichts bedacht ist, gefallsüchtig; wer es aber dabei auf seinen Vorteil, auf Geld und Geldeswert abgesehen hat, ist ein Schmeichler. Wer aber gegen jedermann unangenehm ist, der ist, wir haben es schon gesagt, eigensinnig oder launenhaft und streitsüchtig oder zänkisch. Der Gegensatz scheint hier nur in den Extremen zu liegen, weil die Mitte unbenannt ist.
Dreizehntes Kapitel13 So ziemlich auf gleichem Gebiet liegt jene Tugend, die der Prahlerei gegenüber die Mitte darstellt. Auch sie ist unbenannt, doch schadet es nicht, auch dergleichen Eigenschaften zu erörtern, da man durch die Behandlung des Einzelnen eine bessere Erkenntnis der Moral erlangt, und man weiter auch in der Überzeugung, daß die Tugenden Mitten sind, bestärkt wird, wenn man sieht, daß es überall so ist. Was nun die gesellschaftlichen Tugenden betrifft, so ist von denen, die es mit dem Angenehmen und Unangenehmen des Umgangs zu tun haben, die Rede gewesen, und so wollen wir denn jetzt von
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denen handeln, die der Wahrheit und Unwahrheit in Wort und Werk und Gebaren zugetan sind. Der Prahler scheint sich den Anschein rühmlicher Eigenschaften zu geben, solcher, die er nicht hat, und größerer als er hat; der Ironische umgekehrt scheint seine wirklichen ehrenvollen Eigenschaften zu verleugnen oder zu verkleinern; derjenige endlich, der die Mitte hält, der als Mann der Wahrheit in Wort und Tat immer er selbst ist, gibt was er Lobenswertes an sich hat, zu, ohne es zu vergrößern oder zu verkleinern. Dies alles aber kann man freilich sowohl zu einem besonderen Zweck tun als ohne das. Doch jedermann spricht und handelt und lebt so, wie er habituell ist, solange er keinen besonderen Zweck verfolgt. Nun ist die Lüge an sich schlecht und tadelnswert und die Wahrheit gut und lobenswert. Und so ist auch der Wahrhaftige, der die Mitte hält, lobenswert; die aber mit Lügen umgehen, verdienen beide Tadel, nur der Prahler in höherem Maße. Wir wollen also jeden für sich betrachten, und zwar zuerst den Wahrhaftigen. Wir haben es aber wohlgemerkt jetzt nicht mit dem zu tun, der in Verträgen oder überhaupt in Dingen, die Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit betreffen, wahrhaft ist – denn solches geht eine andere Tugend an –, sondern mit demjenigen, der auch wo nichts derartiges in Frage steht, in Rede und Leben bei der Wahrheit bleibt, weil er habituell so ist. Ein solcher Mann muß wohl anständig sein. Denn der Wahrheitsliebende, der auch wo nichts darauf ankommt, die Wahrheit sagt, wird dies um so eher tun, wenn es darauf ankommt. Denn er wird sich vor der Lüge als einer Unsittlichkeit hüten, weil er sie an sich schon verabscheut. Ein solcher Mann aber ist des Lobes würdig. Er weicht von der Wahrheit (wenn sie nicht ganz feststeht) lieber nach seiten des Zuwenig ab. Denn dies scheint passender zu sein, weil Übertreibungen widerwärtig sind. Wer sich ohne besondere Absicht größer macht als er ist, gleicht zwar etwas einem schlechten Manne, weil er sonst nicht gern löge, ist aber wohl mehr ein leerer und eitler als ein böser Mensch. Hat er aber eine Absicht dabei, so ist er, wenn diesel-
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be auf Ehre und Ansehen gerichtet ist, wie der Prahler nicht allzusehr zu tadeln, geht sie aber auf Geld und Geldeswert, so zeigt er sich in einem häßlicheren Licht. Die Prahlerei liegt aber nicht in dem Vermögen zu prahlen, sondern in dem freien Willen. Man ist ein Prahler auf Grund eines Habitus, weil man nämlich entsprechend beschaffen ist, wie man auch ein richtiger Lügner ist, weil man am Lügen selbst Freude hat, während ein anderer um des Ansehens oder des Gewinns willen lügt. Die also prahlen, um sich ein Ansehen zu geben, schreiben sich Eigenschaften zu, wegen deren man gelobt oder glücklich gepriesen wird. Die es aber des Gewinnes wegen tun, schreiben sich solche zu, von denen einmal ihre Nebenmenschen Vorteil haben, und deren Nichtvorhandensein sich sodann verbergen läßt; sie geben sich z. B. für kluge Wahrsager oder Ärzte aus. Darum legt man sich meistens gerade dieses bei und tut groß damit. Denn hier treffen die genannten Bedingungen zu. Die Ironischen, die sich in der Rede kleiner machen, geben sich als Leute von feinerer Sitte. Denn sie scheinen sich nicht aus Gewinnsucht solcher Rede zu bedienen, sondern um alle Aufgeblasenheit zu vermeiden. Am liebsten verleugnen sie was ihnen große Ehre macht, wie auch Sokrates zu tun pflegte. Die sich aber in kleinen und offenkundigen Dingen verstellen, nennt man „Baukopanurgen“ (sich zierende Schlauköpfe) und findet sie lächerlich. Und zuweilen erscheint diese Eigenschaft als Prahlerei, z. B. wenn man ein lakonisches Kleid trägt. Denn wie in dem Übermaß, so steckt auch im übertriebenen Mangel Prahlerei. Die aber die Ironie mit Maß und in nicht gar zu handgreiflichen und offenkundigen Dingen anwenden, erscheinen als freie und anmutige Menschen. Den Gegensatz zur Wahrhaftigkeit scheint die Prahlerei zu bilden, weil sie der schlimmere Fehler ist.
Vierzehntes Kapitel14 Da es im Leben auch eine Erholung gibt und bei dieser eine mit heiterem Scherz verbundene Unterhaltung, so scheint es
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auch hier eine angemessene Art des Verkehrs zu geben, eine Art zu sprechen was und wie man soll, und ebenso zu hören, obschon es auch wieder einen Unterschied macht, ob man bei solchen Gesprächen das Wort führt oder bloß zuhört. Offenbar findet sich aber auch hier der Mitte gegenüber ein Zuviel und ein Zuwenig. Die nun im Scherzen zuviel tun, erweisen sich als Possenreißer und lästige Menschen, indem sie schlechterdings darauf aus sind, Spaß zu machen, und sich mehr Mühe geben, Lachen hervorzurufen, als etwas Anständiges zu sagen und die aufgezogene Person nicht zu verletzen. Die aber selbst niemals scherzen und denen, die einen Scherz machen, böse sind, erscheinen als steif und trocken. Die aber angemessen zu scherzen wissen, heißen artig und gewandt, als wüßten sie sich wohl zu wenden. Denn solche Scherze sind gleichsam Bewegungen des Charakters, des inneren Menschen, und wie man die Körper nach ihren Bewegungen beurteilt, so auch des Menschen sittliche Eigenart. Da aber das Komische ungemein beliebt ist und die meisten für Scherz und Spott mehr als gebührlich eingenommen sind, so werden auch wohl die Possenreißer als angenehme Leute artig genannt. Daß sie sich aber von ihnen unterscheiden, und zwar nicht wenig, erhellt aus dem Gesagten. Dem mittleren Habitus in dieser Beziehung ist auch die Wohlanständigkeit eigentümlich. Es verrät den anständigen Menschen, nur solches zu sagen und anzuhören, was sich für einen gesitteten und vornehmen Mann paßt. Gewisse Scherze nämlich geziemt es sich wohl für einen solchen Mann zu machen und anzuhören: es ist eben ein Unterschied zwischen dem Scherz vornehmer und roher, dem Scherz gebildeter und ungebildeter Personen. Man kann das auch an den Lustspielen der Alten und der Neueren sehen: jenen lag das Komische in der Zotenreißerei, diesen liegt es vielmehr in der Doppelsinnigkeit, was beides in bezug auf Schicklichkeit nicht wenig verschieden ist. Wie ist nun der, der auf die rechte Weise spottet, zu bestimmen? Etwa dahin, daß er sage was für einen humanen Mann paßt, oder dahin, daß er den Hörer nicht kränke oder ihn gar
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ergötze? Oder sollte auch das zu unbestimmt sein? Ist doch dem dies, dem jenes unangenehm und angenehm, wonach sich dann auch die Aufnahme richtet, die das Gehörte findet. So wird denn gelten müssen, daß unser Mann sich nur solches zu sagen erlaubt, was er selbst gern mit anhört. Er wird sich also nicht alles erlauben. Der Spott ist eine Art Schmähung, und die Gesetzgeber verbieten gewisse Schmähungen; vielleicht sollten sie auch gewisse Spöttereien verbieten. Der freie und gebildete Mann wird sich nun von selbst so verhalten, indem er sich selbst gleichsam Gesetz ist. So also ist der Mann der Mitte beschaffen, mag man ihn nun wohlanständig oder artig nennen. Der Possenreißer hat eine Schwäche fürs Lächerliche. Er schont weder sich noch andere, wenn er nur die Leute zum Lachen bringen kann, und sagt Dinge, dergleichen ein feiner Mann nicht sagen, zum Teil nicht einmal anhören würde. Der steife und griesgrämige Mann ist für solchen Verkehr unbrauchbar. Zur Unterhaltung trägt er nichts bei und nimmt Anstoß an allem. Und doch scheint Erholung und heiterer Scherz für das Leben notwendig. So hätten wir denn von drei Arten der Mitte im geselligen Leben gehandelt, die es sämtlich mit dem Verkehr in bestimmten Reden und Handlungen zu tun haben. Ihr Unterschied liegt darin, daß es sich bei der einen um die Wahrheit, bei den beiden anderen um das Lustbringende handelt. Und von denen, die es mit der Lust zu tun haben, bewegt sich die eine im Scherz, die andere in dem Verkehr des sonstigen Lebens.
Fünfzehntes Kapitel15 Von der Scham kann man nicht wohl wie von einer Tugend sprechen, da sie mehr von einem Affekt als von einem Habitus an sich hat. Man bestimmt sie als eine Furcht vor Schande, und sie betätigt sich ähnlich wie die Furcht vor Schrecklichem: wer sich schämt, errötet; wer den Tod fürchtet, erblaßt. So schei-
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nen denn beide in gewissem Sinne etwas Körperliches zu sein, was wohl mehr einen Affekt als einen Habitus verrät. Dieser Affekt paßt nicht für jedes Alter, sondern bloß für das jugendliche. Wir nehmen an, daß der Mensch in diesem Alter diese Eigenschaft haben müsse, weil er unter dem Einfluß der Leidenschaft steht und viele Fehler begehen würde, vor denen er durch das Schamgefühl behütet bleibt. Und wenn junge Leute Scheu und Scham zeigen, loben wir sie, bei einem alten Mann aber wird niemand die Verschämtheit loben, weil wir meinen, daß er nichts tun dürfe, worüber man sich schämen muß. Den tugendhaften Mann trifft es nicht, sich zu schämen, da man sich nur über Verkehrtheiten zu schämen braucht, die eben nicht vorkommen dürfen. Ob das eine wirklich, das andere nur nach menschlicher Auffassung schimpflich ist, macht keinen Unterschied. Man soll keines von beiden tun, und so wird man sich gar nicht zu schämen haben. Es verrät einen schlechten Mann, wenn man fähig ist, etwas, was irgendwie schimpflich ist, zu tun. Ist man so gesinnt, daß man nach einer schlechten Handlung sich schämen würde, und hält sich deshalb für rechtschaffen, so ist das ungereimt. Denn man schämt sich über freiwillige Handlungen, der rechtschaffene Mann wird aber nie mit freiem Willen Böses tun. So müßte denn die Scham bedingungsweise eine sittliche Eigenschaft sein, insofern man sich nämlich in dem Falle schämen würde, daß man wirklich Schlechtes täte. Die Tugenden ertragen aber keine Bedingungen. Wenn es eine Schlechtigkeit ist, unverschämt zu sein und ohne Scham und Scheu Schimpfliches zu tun, so ist es darum noch keine Tugend, bei solchen Handlungen Scham zu empfinden. Auch die Enthaltsamkeit ist keine reine Tugend, sondern eine Eigenschaft von gemischter Art. Das wollen wir weiter unten nachweisen. Jetzt aber wollen wir von der Gerechtigkeit handeln.
FÜNFTES BUCH
Erstes Kapitel1 In bezug auf die Gerechtigkeit und die Ungerechtigkeit ist zu untersuchen, mit was für Handlungen sie es zu tun hat, was für eine Mitte die Gerechtigkeit ist, und wovon das Gerechte die Mitte ist. Bei dieser Untersuchung wollen wir dasselbe Verfahren wie bei den vorhergehenden beobachten. Wir sehen, daß jedermann mit dem Wort Gerechtigkeit einen Habitus bezeichnen will, vermöge dessen man fähig und geneigt ist, gerecht zu handeln, und vermöge dessen man gerecht handelt und das Gerechte will, und ebenso mit dem Worte Ungerechtigkeit einen Habitus, vermöge dessen man ungerecht handelt und das Ungerechte will. Dieses gelte denn auch uns als erste und allgemeinste Voraussetzung. Denn mit einem Habitus hat es eine andere Bewandtnis als mit den Wissenschaften und Vermögen. Ein und dasselbe Vermögen und ein und dasselbe Wissen umfaßt die Gegensätze; ein Habitus aber, der es mit dem einen Glied des Gegensatzes zu tun hat, hat es nicht auch mit dem anderen zu tun. Von der Gesundheit z. B. kann nicht Entgegengesetztes ausgehen, sondern nur Gesundes. Wir sprechen von gesundem Gange, wenn einer so geht, wie es ein gesunder Mensch tut. Demgemäß wird ein Habitus bald aus dem entgegengesetzten Habitus, bald aus seinem Subjekt erkannt. Weiß man, was guter Stand der Gesundheit ist, so weiß man auch, was schlechter Stand der Gesundheit ist, und ebenso wird aus dem, was Gesundheit schafft, die Gesundheit und aus dieser jenes erkannt. Ist guter Stand der Gesundheit soviel als Festigkeit des Fleisches, so muß ihr schlechter Stand Schwammigkeit des Fleisches, und was Gesundheit schafft, das sein, was dem Fleische Festigkeit gibt.
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Wird das eine Glied eines Gegensatzes vieldeutig ausgesagt, so folgt meistens, daß auch das andere so ausgesagt wird; ist z. B. das Wort Recht vieldeutig, so ist es auch das Wort Unrecht.
Zweites Kapitel2
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Man scheint nun tatsächlich von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in mehrfachem Sinne zu sprechen, nur daß diese Homonymie, diese Verschiedenheit der Bedeutung bei Gleichheit des Wortes, nicht groß ist und sich darum versteckt oder nicht so offen hervortritt wie bei Dingen, die weit von einander liegen. Der Unterschied ist ja groß, wenn er in der Gestalt liegt, wenn z. B. das Wort Schlüssel gleichzeitig den Knochen unter dem Hals der Tiere (das sog. Schlüsselbein) und das Werkzeug zum Schließen der Türen bezeichnet. Bestimmen wir also, wie viele Bedeutungen der Ausdruck „der Ungerechte“ hat. Ungerecht scheint zu sein: einmal der Gesetzesübertreter, sodann zweitens der Habsüchtige, der andere übervorteilt, endlich drittens der Feind der Gleichheit. Hieraus erhellt denn auch, daß gerecht der sein wird, wer die Gesetze beobachtet und Freund der Gleichheit ist. Mithin ist das Recht das Gesetzliche und das der Gleichheit Entsprechende, das Unrecht das Ungesetzliche und das der Gleichheit Zuwiderlaufende. Da nun in der einen Klasse der Ungerechten der Habsüchtige steht, so wird derselbe es mit den Gütern zu tun haben, nicht mit allen, sondern mit denen, die äußeres Glück und Unglück bedingen, die zwar schlechthin und an sich immer gut sind, aber nicht immer für den einzelnen. Die Leute aber beten und bemühen sich einzig um sie. Das sollte nicht sein. Sie sollten vielmehr beten, daß das schlechthin Gute auch ihnen gut sein möge, und sollten dann erwählen, was für sie gut ist. Der Ungerechte will aber nicht immer zu viel haben, sondern unter Umständen auch zu wenig, nämlich von dem, was an sich ein Übel ist. Da aber das kleinere Übel gewissermaßen als ein Gut erscheint und die Habsucht auf Güter gerichtet ist,
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so scheint ein solcher Mensch habsüchtig zu sein. In Wirklichkeit aber ist er ein Freund der Ungleichheit. Das ist nämlich der weitere und gemeinsame Begriff. Auch der Gesetzesübertreter ist ungerecht. Dieses, die Gesetzwidrigkeit oder die Ungleichheit, umfaßt jede Ungerechtigkeit und ist jeder Ungerechtigkeit gemeinsam.
Drittes Kapitel3 Da uns der Gesetzesübertreter als ungerecht und der Beobachter des Gesetzes als gerecht galt, so ist offenbar alles Gesetzliche in einem bestimmten Sinne gerecht und Recht. Was nämlich von der gesetzgebenden Gewalt vorgeschrieben ist, ist gesetzlich, und jede gesetzliche Vorschrift bezeichnen wir als gerecht oder Recht. Die Gesetze handeln aber von allem, indem sie entweder den allgemeinen Nutzen verfolgen oder den Nutzen der Aristokraten oder den der Herrscher, mögen sie dies dank ihrer Tugend oder sonst einer auszeichnenden Eigenschaft sein. Und so nennen wir in einem Sinne gerecht was in der staatlichen Gemeinschaft die Glückseligkeit und ihre Bestandteile hervorbringt und erhält. Das Gesetz schreibt aber vor, sowohl die Werke des Mutigen zu verrichten, z. B. seinen Posten nicht zu verlassen, nicht zu fliehen, nicht die Waffen von sich zu werfen, als auch die Werke des Mäßigen, z. B. nicht Ehebruch zu treiben und keine Gewalttat zu begehen, und die des Sanftmütigen, z. B. nicht zu schlagen oder zu schimpfen. Und ebenso verfährt es bezüglich der anderen Tugenden und Laster, hier gebietend, dort verbietend, und zwar tut es das in der rechten Weise, wenn es selbst gut gefaßt ist, dagegen in schlechter, wenn es nachlässig, wie aus dem Stegreif entworfen ist. Diese Gerechtigkeit ist die vollkommene Tugend, nicht die vollkommene Tugend überhaupt, sondern soweit sie auf andere Bezug hat – deshalb gilt sie oft für die vorzüglichste unter den Tugenden, für eine Tugend so wunderbar schön, daß nicht der Abend- und nicht der Morgenstern gleich ihr erglänzt; daher
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auch das Sprichwort: in der Gerechtigkeit ist jegliche Tugend enthalten; und sie gilt als die vollkommenste Tugend, weil sie die Anwendung der vollkommenen Tugend ist. Vollkommen ist sie aber, weil ihr Inhaber die Tugend auch gegen andere ausüben kann und nicht bloß für sich selbst. Denn viele können die Tugend in ihren eigenen Angelegenheiten ausüben, aber in dem, was auf andere Bezug hat, können sie es nicht. Darum scheint es ein treffender Spruch von Bias zu sein: „Erst das Amt zeigt den Mann.“ Denn der Amtsinhaber hat es ja mit anderen zu tun und gehört der Gemeinschaft an. Eben darum scheint auch die Gerechtigkeit allein unter den Tugenden ein fremdes Gut zu sein, weil sie sich auf andere bezieht. Denn sie tut, was anderen nützt, sei es dem Herrscher, sei es dem Partner. Der Schlimmste ist also, wer seine Schlechtigkeit sowohl gegen sich selbst wie gegen seine Freunde kehrt, der Beste aber, wer seine Tugend nicht sich selbst, sondern einem anderen zugute kommen läßt. Denn dieses ist ein schweres Ding. Die gesetzliche Gerechtigkeit ist demnach kein bloßer Teil der Tugend, sondern die ganze Tugend, und die ihr entgegengesetzte Ungerechtigkeit kein Teil der Schlechtigkeit, sondern wieder die ganze Schlechtigkeit. Wie die Tugend und diese Gerechtigkeit sich trotzdem unterscheiden, erhellt aus dem Gesagten. Beide sind dasselbe, ihr Begriff aber ist nicht derselbe, sondern insofern es sich um die Beziehung auf andere handelt, redet man von Gerechtigkeit, insofern es sich aber um einen Habitus handelt, der sich in den Akten der Gerechtigkeit auswirkt, redet man von Tugend schlechthin. Viertes Kapitel4 Wir fragen jedoch nach der Gerechtigkeit als Teil der Tugend; eine solche gibt es nämlich, behaupten wir; und desgleichen nach der Ungerechtigkeit als besonderem Laster. Ein Zeichen für das Vorhandensein beider ist folgendes. Wer eine dem Gebiete anderer Verkehrtheiten angehörende Handlung begeht, tut zwar Unrecht, macht sich aber keiner Habsucht schuldig;
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z. B. wenn er aus Feigheit seinen Schild wegwirft oder in der Bosheit schimpft oder aus Geiz nicht mit Geld aushelfen will; handelt er aber habsüchtig, so begeht er oft keine von diesen Verkehrtheiten und auch gewiß nicht alle möglichen, und doch begeht er eine bestimmte Schlechtigkeit – denn man tadelt ihn – und zwar eine Ungerechtigkeit. Mithin gibt es noch eine andere Ungerechtigkeit, nämlich als einen besonderen Teil der ganzen und ein Unrecht als einen besonderen Teil des Unrechts überhaupt, nämlich des Ungesetzlichen. Ferner, wenn der eine einem Gewinn zuliebe Ehebruch begeht und noch Geld dazu bekommt, der andere dasselbe Verbrechen aus Wollust verübt, so daß er Geld dafür ausgibt und Einbuße erleidet, so scheint der letztere eher zuchtlos als habsüchtig zu sein, der erstere dagegen ungerecht, nicht zuchtlos; dies also offenbar des Gewinnes wegen. Ferner, alle anderen Verstöße gegen die Gerechtigkeit lassen sich immer auf eine bestimmte Untugend zurückführen, z. B. der Ehebruch auf Zuchtlosigkeit, das Entweichen aus Reih und Glied auf Feigheit, Mißhandlung auf Zorn, unerlaubter Gewinn aber auf keine andere Untugend als auf Ungerechtigkeit. So leuchtet denn ein, daß es außer der allgemeinen Gerechtigkeit noch eine andere, partikulare gibt, die ihr darum synonym ist, weil in ihrer Begriffsbestimmung dieselbe Gattung wiederkehrt. Beide bedeuten nämlich etwas, was auf andere Bezug hat, nur bezieht sich die eine auf Ehre oder Eigentum oder Gesundheit oder in welchen Ausdruck wir das alles zusammenfassen mögen, und entspringt aus der unordentlichen Freude am Gewinn, während sich die andere auf alles bezieht, womit der Tugendhafte es zu tun hat.
Fünftes Kapitel5 Daß es also mehrere Gerechtigkeiten gibt und noch eine Gerechtigkeit neben der ganzen Tugend, ist klar. Bestimmen wir also, was und welcher Art sie ist.
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Das Ungerechte zerfällt in das Ungesetzliche und das der Gleichheit Widerstreitende, das Gerechte in das Gesetzliche und das der Gleichheit Entsprechende. Dem Ungesetzlichen entspricht nun diejenige Ungerechtigkeit, von der vorhin die Rede war. Da aber das der Gleichheit Zuwiderlaufende und das Ungesetzliche nicht dasselbe, sondern verschieden sind wie Teil und Ganzes – denn alles, was wider die Gleichheit verstößt, ist ungesetzlich, aber nicht alles Ungesetzliche streitet mit der Gleichheit, grade wie auch alles Zuviel die Gleichheit verletzt, aber nicht alles, was die Gleichheit verletzt, auch ein Zuviel ist –, so folgt, daß auch das Ungerechte und die Ungerechtigkeit hierin nicht dasselbe, sondern verschieden sind. Denn jene Ungerechtigkeit ist ein Teil der ganzen Ungerechtigkeit, und ebenso ist die Gerechtigkeit, nach der wir gegenwärtig fragen, ein Teil der ganzen Gerechtigkeit. Mithin müssen wir uns auch mit der Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit und mit Recht und Unrecht im engeren Sinne beschäftigen. Jene Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit also, die sich auf den ganzen Umfang der Tugend bezieht und die die Anwendung der ganzen Tugend, beziehungsweise des ganzen Lasters, auf unser Verhältnis zu anderen Menschen ist, möge als erledigt gelten. Ebenso ist leicht zu ersehen, wie das diesen entsprechende Recht und Unrecht zu bestimmen ist. Der größte Teil der Gesetzesvorschriften nämlich betrifft Handlungen der ganzen Tugend. Denn das Gesetz gebietet, im Leben jede Tugend zu üben und verbietet, irgendwelchem Laster Raum zu geben. Das Mittel aber, diese ganze Tugend zu verwirklichen, sind jene gesetzlichen Bestimmungen, die die Erziehung für das Gemeinwesen regeln. Was freilich die Einzelerziehung betrifft, die da zum tugendhaften Manne schlechthin bildet, so ist die Frage, ob sie zur Staatslehre oder zu einer anderen Disziplin gehört, weiter unten zu erledigen. Denn vielleicht ist es nicht dasselbe, ein guter Mensch schlechthin und ein guter Bürger eines beliebigen Staates zu sein. Von der partikularen Gerechtigkeit aber und dem ihr entsprechenden Rechte ist eine Art die, die sich bezieht auf die Zuerteilung von Ehre oder Geld oder anderen Gütern, die un-
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ter die Staatsangehörigen zur Verteilung gelangen können – denn hier kann der eine ungleich viel und gleich viel erhalten wie der andere –, eine andere ist die, die den Verkehr der einzelnen untereinander regelt. Die letztere hat zwei Teile. Es gibt nämlich einen freiwilligen Verkehr und einen unfreiwilligen. Zum freiwilligen Verkehr gehören z. B. Kauf, Verkauf, Darlehen, Bürgschaft, Nießbrauch, Hinterlegung, Miete. Hier spricht man von freiwilligem Verkehr, weil das Prinzip der genannten Verträge beiderseits der freie Wille ist. Zu dem unfreiwilligen Verkehr gehören teils heimliche Handlungen, wie Diebstahl, Ehebruch, Giftmischerei, Kuppelei, Sklavenverführung, Meuchelmord, falsches Zeugnis, teils gewaltsame, wie Mißhandlung, Freiheitsberaubung, Totschlag, Raub, Verstümmelung, Scheltreden, Herabwürdigung.
Sechstes Kapitel6 Da aber der Ungerechte wie das Unrecht die Gleichheit verletzen, so gibt es offenbar auch ein Mittleres zwischen dem Ungleichen. Es ist das Gleiche. Denn bei jeder Handlung, bei der es ein Mehr und ein Weniger gibt, gibt es auch ein Gleiches. Ist demnach das Unrecht ungleich, so ist das Recht gleich, wie übrigens auch jedem ohne Beweis einleuchtet. Da aber das Gleiche ein Mittleres ist, so ist also auch das Recht ein Mittleres. Gleiches kann sich in nicht weniger Dingen finden als in zweien. Nun muß das Recht ein Mittleres, Gleiches und Relatives sein, das heißt eine Beziehung auf bestimmte Personen haben. Also muß es als ein Mittleres die Mitte zwischen bestimmten Momenten, dem Mehr und dem Weniger, sein; als ein Gleiches muß es ein Gleiches von zwei Dingen, und als Recht muß es ein solches für gewisse Personen sein. Somit fordert das Recht mindestens eine Vierheit. Denn es sind zwei Personen, für die es ein Recht gibt, und es sind zwei Sachen, in denen ihnen ihr Recht wird. Und es muß dieselbe Gleichheit bei den Personen, denen ein Recht zusteht, vorhanden sein, wie bei den Sachen, worin es ihnen zusteht: wie die Sachen,
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so müssen auch die Personen sich verhalten. Sind sie nämlich einander nicht gleich, so dürfen sie nicht Gleiches erhalten. Vielmehr kommen Zank und Streit eben daher, daß entweder Gleiche nicht Gleiches oder nicht Gleiche Gleiches bekommen und genießen. Das ergibt sich auch aus dem Moment der Würdigkeit. Denn darin, daß eine gewisse Würdigkeit das Richtmaß der distributiven Gerechtigkeit sein müsse, stimmt man allgemein überein, nur versteht nicht jedermann unter Würdigkeit dasselbe, sondern die Demokraten erblicken sie in der Freiheit, die oligarchisch Gesinnten im Besitz, andere in edler Abstammung, die Aristokraten in der Tüchtigkeit. Das Recht ist demnach etwas Proportionales. Proportionalität findet sich nämlich nicht bloß bei der aus Einheiten bestehenden Zahl, sondern auch bei der Zahl überhaupt. Proportionalität ist Gleichheit der Verhältnisse und verlangt mindestens eine Vierheit, worin sie sich finde. Daß die diskrete Proportionalität sich in mindestens vier Gliedern finden muß, ist klar; aber es gilt ebenso von der kontinuierlichen. In ihr wird eins wie zwei verwandt und zweimal gesetzt, z. B. in der Proportion: wie die Linie a zu b, so verhält sich die Linie b zu c. Hier wird b zweimal genannt, und so bekommt man, wenn man b doppelt zählt, vier Glieder. So setzt also auch das Recht mindestens vier Glieder voraus, unter denen dasselbe Verhältnis besteht. Denn die Personen sind nach demselben Verhältnis unterschieden wie die Sachen. Es verhalte sich also wie Glied a zu b, so Glied c zu d, und also auch umgekehrt, wie Glied a zu c, so Glied b zu d. So wird sich denn auch in derselben Weise das Ganze zum Ganzen verhalten, und das ist die Verbindung, die die Zuteilung vornimmt, und wenn sie die Personen und Sachen so zusammenstellt, so geschieht die Verbindung in gerechter Weise.
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Siebentes Kapitel7 Mithin liegt darin, daß a mit c und b mit d verbunden wird, das Gerechte der Verteilung, und dieses Gerechte ist das Mittlere zwischen dem, was der Proportionalität zuwiderläuft. Denn das Proportionale ist die Mitte, und das Gerechte ist das Proportionale. Eine solche Proportion nennen die Mathematiker eine geometrische. Denn in der geometrischen Proportion verhält sich das Ganze zum Ganzen wie das Glied zum Gliede. Diese Proportionalität ist keine kontinuierliche, da die Person, der zugeteilt wird, und die Sache, die zugeteilt wird, nicht der Zahl nach eines sind. Das Recht ist also dieses Proportionale, das Unrecht aber ist, was wider die Proportionalität anläuft. Es ist also teils ein Mehr, teils ein Weniger, wie es auch tatsächlich zutrifft. Denn wer Unrecht tut, eignet sich vom Guten zuviel an, und wer Unrecht leidet, bekommt davon zuwenig. Beim Übel aber ist es umgekehrt. Denn das kleinere Übel kann im Vergleich zum größeren Übel als ein Gut gelten, da das kleinere Übel vor dem größeren den Vorzug hat, und da, was den Vorzug hat, ein Gut ist, und zwar ein um so größeres, je mehr es den Vorzug hat. Das ist also die eine Art des Rechtes. Die noch übrige ist die ausgleichende, die im Verkehr, dem freiwilligen wie dem unfreiwilligen, Anwendung findet. Dieses Recht hat eine andere Form als das erstere. Die das Gemeinsame austeilende Gerechtigkeit verfährt immer nach der angegebenen Proportionalität; wenn z. B. eine Geldverteilung aus öffentlichen Mitteln stattfindet, so muß sie nach dem Verhältnis geschehen, das die Leistungen der Bürger zueinander haben; und das diesem Recht entgegengesetzte Unrecht ist, was diesem Verhältnis zuwiderläuft. Dagegen ist das Recht im Verkehr zwar auch ein Gleiches und das Unrecht im Verkehr ein Ungleiches, aber nicht nach Maßgabe der genannten, sondern gemäß der arithmetischen Proportionalität. Es trägt ja nichts aus, ob ein guter Mann einen schlechten beraubt oder ein schlechter einen guten, oder ob ein guter oder ein schlechter Mann ei-
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nen Ehebruch begeht; vielmehr sieht das Gesetz nur auf den Unterschied des Schadens, und es behandelt die Personen als gleiche, wenn die eine Unrecht getan, die andere es erlitten, die eine Schaden zugefügt hat, die andere geschädigt worden ist. Daher versucht der Richter dieses Unrecht, welches in der Ungleichheit besteht, auszugleichen. Denn wenn der eine geschlagen worden ist, der andere geschlagen hat, oder auch der eine getötet hat, der andere getötet worden ist, so ist dieses Leiden und jenes Tun in ungleiche Teile geteilt; aber der Richter sucht durch die Strafe einen Ausgleich herbeizuführen, indem er dem Täter seinen Vorteil entzieht. In diesen Dingen redet man nämlich ganz allgemein von Vorteil, wenn auch der Ausdruck für einzelne Verhältnisse nicht eigentlich paßt, wie wenn z. B. der Schläger Vorteil und der Geschlagene Nachteil haben soll; aber bei Abmessung erlittenen Unrechtes ist es nun einmal so, daß man dasselbe Nachteil, das zugefügte Unrecht aber Vorteil nennt. So ist denn das Gleiche die Mitte zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig, der Vorteil und Nachteil aber sind in entgegengesetzter Weise ein Zuviel und ein Zuwenig, indem der Vorteil ein Zuviel des Guten und ein Zuwenig des Übels, der Nachteil aber das Umgekehrte ist. Zwischen ihnen war die Mitte das Gleiche, das wir als das Recht bezeichnen. Und so wäre denn das ausgleichende oder wiederherstellende Recht die Mitte zwischen Nachteil und Vorteil. Deshalb nimmt man auch in zweifelhaften Fällen seine Zuflucht zum Richter. Zum Richter gehen heißt aber soviel, als zur Gerechtigkeit gehen, da der Richter gleichsam die lebendige Gerechtigkeit sein soll. Auch sucht man im Richter einen Mann der Mitte, und manche nennen sie „Mittelsmänner“, als träfen sie, wenn sie die Mitte treffen, das Recht. So ist denn das Recht ein Mittleres, wie es ja auch der Richter ist. Der Richter stellt die Gleichheit her und macht es, wie wenn er eine in ungleiche Teile geteilte Linie vor sich hätte, von deren größerem Teil er das Stück, um welches derselbe größer ist als die Hälfte, wegnähme und zu dem kleineren Teil hinzutäte. Wenn aber das Ganze in zwei Teile geteilt ist, so sagt man:
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„Jeder hat seinen Teil“, wenn sie Gleiches bekommen haben. Das Gleiche aber ist die Mitte zwischen dem zu Großen und dem zu Kleinen nach der arithmetischen Proportion. Darum heißt es auch „dikaion“ (gerecht), weil es „dicha“ (zweiteilig) ist, wie wenn man sagte „dichaion“ und statt „dikastes“ (Richter) „dichastes“ (Zweiteiler). Denn wenn man von zwei gleichen Größen die eine um ein Stück vermindert und die andere um dasselbe Stück vermehrt, so übertrifft diese jene um diese beiden Stücke. Würde die eine nur vermindert, ohne daß die andere vermehrt würde, so würde diese jene nur um das einfache Stück übertreffen. So aber übertrifft sie die Mitte um das einfache Stück, und die Mitte wieder die verminderte Größe um dasselbe. Hieraus also mögen wir erkennen, was man dem, der zuviel hat, wegnehmen und dem, der zuwenig hat, hinzugeben muß. Dem, der zu wenig hat, muß man so viel hinzugeben, als die Mitte sein Teil übertrifft, und dem, der das meiste hat, so viel wegnehmen, als die Mitte von seinem Teil übertroffen wird. Die Linien aa’, bb’, cc’ seien einander gleich. Von aa’ werde ae genommen und zu cc’ als dc hinzugesetzt, so daß die ganze Linie dcc’ die Linie ea’ um das Stück dc und cf übertrifft, und mithin die Linie bb’ um das Stück dc. Das Gesagte muß auch noch in anderer Hinsicht, bei den Leistungen der verschiedenen Künste, vor Augen gehalten werden. Es wäre um sie geschehen, wenn der Künstler nicht tätig ein Produkt schüfe, das sich quantitativ und qualitativ bewerten ließe, und nicht leidend dafür sowohl quantitativ als qualitativ entsprechend ausgelohnt würde. Die Ausdrücke Verlust (Einbuße, Nachteil) einerseits und Gewinn (Zubuße, Vorteil) anderseits stammen aus dem freiwilligen Verkehr. Gewinnen bedeutet nämlich eigentlich mehr erhalten, als man hatte, und Verlieren bedeutet weniger erhalten, als man vorher besaß, wie bei Kauf und Verkauf und jedem solchen gesetzlich erlaubten Verkehr. Und wenn nicht mehr und nicht weniger vereinnahmt wird, sondern Gleiches um Gleiches, dann sagt man, man erhalte das Seinige und erleide weder Verlust noch mache man Gewinn.
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So ist denn dieses Recht eine Mitte zwischen einem nicht auf freiem Willen beruhenden Gewinn und Verlust, also dies, daß man nach wie vor das Gleiche hat.
Achtes Kapitel8
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Einige Philosophen vertreten aber auch die Ansicht, die Wiedervergeltung sei das Recht schlechthin. So die Pythagoreer, die schlechthin das Recht als das bestimmten, was man von einem anderen wiedererleide. Allein die Wiedervergeltung stimmt mit der ausgleichenden Gerechtigkeit so wenig wie mit der austeilenden überein, obschon man in diesem Sinne das Recht des Rhadamanthys deuten möchte: „Leidest du was du getan, so ist richtiges Recht dir geworden.“ Denn sie steht vielfach mit ihr in Widerspruch. Wenn z. B. eine obrigkeitliche Person jemanden geschlagen hat, so darf sie nicht wiedergeschlagen werden, und wenn jemand eine solche Person geschlagen hat, so muß er nicht bloß geschlagen, sondern auch noch außerdem bestraft werden. Sodann macht auch das Freiwillige und das Unfreiwillige der Handlung viel aus. In jedem auf Gegenseitigkeit beruhenden Verkehr freilich begreift die Wiedervergeltung das fragliche Recht in sich, jedoch eine Wiedervergeltung nach Maßgabe der Proportionalität, nicht nach Maßgabe der Gleichheit. Denn dadurch, daß nach Verhältnis vergolten wird, bleibt der Bürgerschaft ihr Zusammenhalt gewahrt. Entweder nämlich sucht man das Böse zu vergelten, und ohne diese Vergeltung hätte man den Zustand der Knechtschaft, oder das Gute, und ohne das wäre keine Gegenleistung, auf der doch die Gemeinschaft beruht. Darum errichtet man auch das Heiligtum der Chariten auf öffentlichen Plätzen, damit man der Gegenleistung gedenke, die der Dankbarkeit eigen ist. Denn man muß dem, der uns gefällig gewesen ist, Gegendienste erweisen und auch selbst wieder zuerst ihm gefällig sein. Der Entgelt nach Verhältnis kommt zustande durch eine Verbindung der Daten nach Maßgabe der Diagonale; z. B.
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a sei Baumeister, b Schuster, c Haus und d Schuh. Der Baumeister muß nun vom Schuster dessen Arbeit bekommen und selbst ihm die seinige dafür zukommen lassen. Wenn nun zuerst die Gleichheit im Sinne der Proportionalität bestimmt ist, und dann der Ausgleich nach diesem Verhältnis stattfindet, so geschieht das, was wir meinen. Geschieht jenes aber nicht, so ist keine Gleichheit da, und ein geordneter Verkehr und Austausch kann nicht stattfinden. Denn nichts hindert, daß die Leistung des einen wertvoller sei als die des anderen, und folglich muß hier ein Ausgleich geschafft werden. Dasselbe Verhältnis findet sich bei den anderen Künsten und Handwerken. Es wäre um sie geschehen, wenn der Werkmeister nicht tätig ein Produkt schüfe, das sich quantitativ und qualitativ bewerten ließe, und nicht leidend dafür sowohl quantitativ als qualitativ entsprechend ausgelohnt würde. Denn aus zwei Ärzten wird keine Gemeinschaft, sondern aus Arzt und Bauer und überhaupt aus verschiedenen und ungleichen Personen, zwischen denen aber eine Gleichheit hergestellt werden soll. Daher muß alles, was untereinander ausgetauscht wird, gewissermaßen quantitativ vergleichbar sein, und dazu ist nun das Geld bestimmt, das sozusagen zu einer Mitte wird. Denn das Geld mißt alles und demnach auch den Überschuß und den Mangel; es dient also z. B. zur Berechnung, wie viel Schuhe einem Haus oder einem gewissen Maß von Lebensmitteln gleichkommen. Es kommen also nach Maßgabe des Verhältnisses eines Baumeisters zu einem Schuster soundso viele Schuhe auf ein Haus oder auf ein gewisses Maß von Lebensmitteln. Ohne solche Berechnung kann kein Austausch und keine Gemeinschaft sein. Die Berechnung ließe sich aber nicht anwenden, wenn nicht die fraglichen Werte in gewissem Sinne gleich wären. So muß denn für alles ein Eines als Maß bestehen, wie vorhin bemerkt worden ist. Dieses Eine ist in Wahrheit das Bedürfnis, das alles zusammenhält. Denn wenn die Menschen nichts bedürften oder nicht die gleichen Bedürfnisse hätten, so würde entweder kein Austausch sein oder kein gegenseitiger. Nun ist aber kraft Übereinkunft das Geld gleichsam Stellvertreter des Bedürfnisses geworden, und
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darum trägt es den Namen Nomisma (Geld), weil es seinen Wert nicht von Natur hat, sondern durch den Nomos, das Gesetz, und weil es bei uns steht, es zu verändern und außer Umlauf zu setzen. So hat man denn eine wirkliche Wiedervergeltung, wenn eine Gleichung von der Art durchgeführt wird, daß wie der Bauer zum Schuster, so die Leistung des Schusters sich zu der des Bauers verhält. Man muß aber bei Herstellung des Ausgleiches die verschiedenen Glieder des Verhältnisses nach dem Schema der Proportionalität einsetzen, weil sonst auf das eine der beiden Extreme ein doppeltes Plus entfiele. Dagegen, wenn jeder das Seine bekommt, dann stehen sie sich gleich, und es kann ein geregelter Verkehr stattfinden, weil diese Gleichheit zwischen ihnen verwirklicht werden kann. Gesetzt, wir haben Bauer a, einen Scheffel Getreide c, Schuster b, seine nach der Regel des Ausgleichs bemessene Leistung d. Ließe sich die Wiedervergeltung nicht in dieser Weise durchführen, so gäbe es keine Gemeinschaft des Verkehrs. Daß aber das Bedürfnis als eine verbindende Einheit die Menschen zusammenhält, erhellt daraus, daß, wenn kein Teil des anderen bedarf, oder auch nur der eine des anderen nicht, sie in keinen Verkehr des Austausches treten, wie sie es tun, wenn der eine Teil dessen benötigt, was der andere hat, z. B. Wein, und darum die Getreideausfuhr freigibt. Hier ist also eine Gleichheit herzustellen. Für einen späteren Austausch ist uns, wenn kein augenblickliches Bedürfnis dafür vorliegt, das Geld gleichsam Bürge, daß wir ihn im Bedürfnisfall vornehmen können. Denn wer mit Geld kommt, muß nach Bedarf erhalten können. Freilich geht es mit dem Geld, wie mit anderen Dingen: es behält nicht immer genau seinen Wert. Jedoch ist derselbe naturgemäß mehr den Schwankungen entzogen. Daher muß alles seinen Preis haben; denn so wird immer Austausch und somit Verkehrsgemeinschaft sein können. Das Geld macht also wie ein Maß alle Dinge kommensurabel und stellt dadurch eine Gleichheit unter ihnen her. Denn ohne Austausch wäre keine Gemeinschaft und ohne Gleichheit kein
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Austausch und ohne Kommensurabilität keine Gleichheit. In Wahrheit können freilich Dinge, die so sehr voneinander verschieden sind, nicht kommensurabel sein, für das Bedürfnis aber ist es ganz gut möglich. Es muß also ein Eines geben, welches das gemeinsame Maß vorstellt, und zwar kraft positiver Übereinkunft vorstellt, weshalb es auch Nomisma heißt, gleichsam ein vom Gesetz, Nomos, aufgestelltes Wertmaß. Denn alles wird nach ihm gemessen. a sei ein Haus, b zehn Minen, c ein Bett. a ist nun ½ b, wenn das Haus fünf Minen wert oder ihnen gleich ist. Das Bett c sei ¹/10 b. So sieht man dann, wieviel Betten dem Haus gleich sind, nämlich fünf. Daß in dieser Weise der Austausch vor sich ging, bevor das Geld aufkam, ist klar. Denn es trägt nichts aus, ob man fünf Betten für ein Haus gibt oder den Geldwert der fünf Betten.
Neuntes Kapitel9 So wäre denn erklärt, was das Unrecht und was das Recht ist. – Aufgrund der gegebenen Bestimmungen sieht man nun auch, daß die Ausübung der Gerechtigkeit die Mitte ist zwischen Unrecht tun und Unrecht leiden. Jenes heißt zu viel, dieses zu wenig haben. Die Gerechtigkeit ist aber nicht in derselben Weise eine Mitte wie die übrigen Tugenden, doch ist sie es insofern, als sie die Mitte herstellt, während die Ungerechtigkeit die Extreme hervorbringt. Näherhin ist die Gerechtigkeit jene Tugend, kraft deren der Gerechte nach freier Wahl gerecht handelt und bei der Austeilung, handele es sich nun um sein eigenes Verhältnis zu einem anderen oder um das Verhältnis weiterer Personen zueinander, nicht so verfährt, daß er von dem Begehrenswerten sich selbst mehr und den anderen weniger zukommen läßt und es beim Schädlichen umgekehrt macht, sondern so, daß er die proportionale Gleichheit wahrt, und dann in gleicher Weise auch einem anderen mit Rücksicht auf einen Dritten zuerteilt.
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Die Ungerechtigkeit ist umgekehrt jenes Laster, das freiwillig ungerecht handeln und ungerecht austeilen macht. Das Ungerechte liegt aber in einem der Proportionalität zuwiderlaufenden Zuviel und Zuwenig des Nützlichen oder Schädlichen. Darum ist die Ungerechtigkeit gleichzeitig ein Zuviel und ein Zuwenig, weil sie nämlich auf das Zuviel und das Zuwenig gerichtet ist, so zwar, daß sie für sich selbst ein Plus des schlechthin Nützlichen und ein Minus des Schädlichen vorsieht, bei anderen aber im ganzen gleich ungerecht verfährt, nur daß es vom Zufall abhängt, wie auf beiden Seiten das richtige Verhältnis verletzt wird. Beim ungerechten Hergang liegt das Zuwenig im Unrechtleiden, das Zuviel im Unrechttun. So viel sei denn gesagt über die Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit und die Natur beider, und ebenso über Recht und Unrecht im allgemeinen.
Zehntes Kapitel10 Da man ein Unrecht begehen kann, ohne schon ein Ungerechter zu sein, so fragt es sich, durch was für ungerechte Handlungen man nach den einzelnen Arten der Ungerechtigkeit ein Ungerechter wird, ein Dieb z. B. oder ein Ehebrecher oder ein Räuber. Oder sollte etwa der Unterschied überhaupt darin nicht liegen? Kann man doch mit einer Frau verkehren, wohl wissend, wer sie ist, aber nicht so, daß ein Vorsatz, sondern so, daß die Leidenschaft ursprünglich die Tat bestimmt. Man begeht dann ein Unrecht und ist doch nicht ungerecht, sowenig einer immer ein Dieb ist, der gestohlen hat, und einer immer ein Ehebrecher ist, der einen Ehebruch begangen hat, und so weiter. Wie nun die Wiedervergeltung sich zum Recht verhält, ist vorhin erklärt worden. Man bemerke aber, daß es sich um das Recht schlechthin, nämlich das politische Recht, handelt. Dieses Recht hat seine Stelle, wo eine Anzahl freier und gleichgestellter Menschen zwecks vollkommenen Selbstgenügens in Lebensgemeinschaft stehen, und richtet sich teils nach der
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Regel der Proportionalität (distributive Gerechtigkeit), teils nach der Regel der Zahl (kommutative Gerechtigkeit); unter Menschen also, bei denen die Voraussetzung der Freiheit oder der Gleichheit nicht zutrifft, gibt es kein politisches Recht, immerhin aber noch ein gewisses, diesem ähnliches Recht. Ein eigentliches Recht ist da vorhanden, wo ein Gesetz ist, das das gegenseitige Verhältnis bestimmt; ein Gesetz wieder da, wo Personen sind, bei denen sich Ungerechtigkeit finden kann; denn der gesetzliche Rechtsspruch ist nichts anderes als ein Urteil über Recht und Unrecht. Bei wem sich aber Ungerechtigkeit findet, bei dem findet sich auch Unrechttun, wenn auch nicht immer umgekehrt bei dem, der Unrecht tut, Ungerechtigkeit vorhanden ist. Das Unrecht aber besteht darin, daß man sich selbst zu viel des schlechthin Guten und zu wenig des schlechthin Üblen zuteilt. Darum lassen wir keinen Menschen, sondern die Vernunft herrschen, weil der Mensch sich in der bezeichneten Weise zuteilt und ein Tyrann wird. Der wahre Herrscher ist Wächter des Rechtes und mit dem Recht auch der Gleichheit. Und da er vor den anderen nichts voraus haben will, wenn er gerecht ist – denn er teilt sich selber kein Plus vom schlechthin Guten zu, außer etwa nach dem bei ihm in Betracht kommenden Verhältnis, und wirkt darum für einen anderen, daher der oben schon berührte Ausspruch, die Gerechtigkeit sei ein fremdes Gut –, so muß ihm also ein gewisser Lohn zugestanden werden, und dies ist die Ehre und der Ruhm. Wem aber dieses nicht genügt, der wird ein Tyrann. Das Recht des Herrn über den Sklaven und des Vaters über das Kind ist dem politischen Recht nicht gleich, sondern ähnlich. Gibt es ja doch keine Ungerechtigkeit in bezug auf das, was schlechthin unser eigen ist. Der häusliche Besitz und das Kind, solange es noch in einem bestimmten Alter steht und nicht selbständig geworden ist, sind wie ein Teil der eigenen Person. Sich selbst aber zu schaden hat niemand die Absicht. Darum kann man auch gegen sich selbst nicht eigentlich ungerecht sein, und es kann in bezug auf einen selbst kein politisches Recht oder Unrecht geben. Denn ein solches beruhte
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uns ja auf dem Gesetze und galt uns nur für solche, bei denen es nach der Natur der Sache ein Gesetz geben kann, das heißt für Personen, die sich in bezug auf Befehlen und Gehorchen gleichstehen. Daher gibt es eher ein Recht gegenüber der Frau als gegenüber den Kindern und Sklaven, das ökonomische oder häusliche Recht nämlich, das aber auch von dem politischen verschieden ist. Das politische Recht zerfällt in das natürliche und das gesetzliche (positive). Natürlich ist jenes, das überall die nämliche Geltung hat, unabhängig davon, ob es den Menschen gut scheint oder nicht; gesetzlich jenes, dessen Inhalt ursprünglich indifferent ist, das aber, einmal durch Gesetz festgelegt, seinen bestimmten Inhalt hat, z. B. die Anordnung, daß das Lösegeld für einen Gefangenen eine Mine betragen, oder daß man eine Ziege, keine zwei Schafe opfern soll, ferner gesetzliche Bestimmungen, die für einzelne Fälle getroffen werden, z. B. daß dem Brasidas geopfert werden soll, und endlich alles, was durch Plebiszite festgesetzt wird. Einige sind aber der Meinung, alles Recht sei von dieser letzteren Art, weil alles Natürliche unbeweglich ist und überall dieselbe Kraft hat – wie z. B. das Feuer bei uns so gut wie bei den Persern brennt –, während man das Recht der Bewegung und dem Wandel unterworfen sieht. Allein es ist damit doch nicht genau so, wie man sagt, sondern nur mit Unterschied. Bei den Göttern freilich mag sich gar keine Bewegung finden. Bei uns dagegen ist zwar auch ein Naturbereich, derselbe steht aber ganz unter dem Gesetz der Bewegung. Und doch bleibt der Unterschied dessen, was von Natur und dessen, was nicht von Natur ist, bestehen. Welches Recht aber in den Dingen, die auch anders sein können, natürlich ist und welches es nicht ist, sondern auf Gesetz und Übereinkunft beruht, obschon beides gleichermaßen beweglich ist, ist von selbst einleuchtend. Diese Unterscheidung gilt ja auch sonst. Die rechte Hand ist z. B. von Natur stärker, und doch kann es Menschen geben, die beide Hände gleich gut gebrauchen. Mit denjenigen Rechtsbestimmungen aber, die auf der Übereinkunft und dem Nutzen beru-
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hen, verhält es sich ähnlich wie mit den Maßen. Die Maße für Öl und Getreide sind nicht überall gleich, sondern da, wo diese Erzeugnisse gekauft werden, sind sie (wegen des größeren Vorrats) größer, dagegen wo sie wieder verkauft werden, kleiner. Ebenso sind die nicht natürlichen, sondern vom menschlichen Willen getroffenen Rechtsbestimmungen nicht allerorts dieselben, gerade so, wie es auch die Staatsverfassungen nicht sind, und doch ist eine allein überall von Natur die beste. Jede einzelne Bestimmung des Rechtes und Gesetzes verhält sich wie das Allgemeine zum Besonderen. Die konkreten praktischen Fälle sind ja vielfältig, jene Bestimmungen aber besagen je etwas einzelnes, weil sie allgemein für alle einschlägigen Fälle gelten. Es ist ein Unterschied zwischen ungerechter Handlung und Unrecht, so wie zwischen gerechter Handlung und Recht. Unrecht ist etwas von Natur oder kraft Verordnung. Eben dieses ist, wenn es getan wird, eine ungerechte Handlung; bevor es getan wird, ist es das noch nicht, sondern Unrecht. Dasselbe gilt von der gerechten Handlung. Als gemeinsame Bezeichnung ist das Wort „Dikaiopragema“ gebräuchlicher, während der Ausdruck „Dikaioma“ speziell für die Berichtigung des Unrechts gebraucht wird. Welcherlei und wieviele Unter-Arten der beiden Rechte es im einzelnen gibt, und mit was für Gegenständen diese es zu tun haben, werden wir später (in der Politik) betrachten. Da es mit Recht und Unrecht so bestellt ist, so wird eine ungerechte oder eine gerechte Handlung nur dann begangen, wenn man freiwillig recht oder unrecht tut. Geschieht es unfreiwillig, so kommt nur zufällig oder mitfolgend eine ungerechte oder eine gerechte Handlung zustande, indem man nämlich tut, was mitfolgend recht oder unrecht ist. Über die ungerechte und gerechte Handlung aber entscheidet das Moment der Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit. Erst wenn ein Unrecht freiwillig ist, unterliegt es dem Tadel, und dann liegt zugleich eine ungerechte Handlung vor, so daß etwas so lange bloß Unrecht und noch keine ungerechte Handlung ist, als nicht die Freiwilligkeit herzutritt.
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Als freiwillig gilt mir, wie schon früher erklärt wurde, eine Handlung, die zu verrichten bei ihrem Urheber steht, und die man mit Wissen verrichtet, ohne bezüglich der Person, der sie gilt, und des Werkzeuges und des Beweggrundes, z. B. darüber, wen man schlägt und womit und weshalb man ihn schlägt, in einem Irrtum befangen zu sein; auch muß man alles dieses an sich und nicht bloß mitfolgend wissen und muß frei von Zwang sein. Wenn z. B. einer meine Hand nimmt und damit einen Dritten schlägt, so tue ich das nicht freiwillig, weil es nicht bei mir stand. Es kann auch geschehen, daß der Geschlagene der Vater des Schlägers ist und der letztere zwar weiß, daß der Geschlagene ein Mensch oder einer der Anwesenden ist, nicht aber, daß es sein Vater ist. Dieses gilt in gleicher Weise von dem Beweggrund und allen anderen Umständen einer Handlung. Demnach ist unfreiwillig, was man unwissentlich tut oder zwar nicht unwissentlich, aber doch ohne anders zu können, oder was man aus Zwang tut. Denn auch manches, was die Natur mit sich bringt, tun und leiden wir wissentlich, was doch weder freiwillig noch unfreiwillig ist, wie daß wir alt werden und sterben. Ebenso ist es mit der Zufälligkeit, wenn es sich um Recht und Unrecht handelt. Einer kann ein Pfand unfreiwillig und aus Furcht zurückgeben, und doch darf man darum nicht sagen, der Betreffende tue, was recht ist oder verrichte eine gerechte Handlung, außer zufälliger- oder mitfolgenderweise. Ebenso ist von einem, der ein Pfand nur gezwungen und unfreiwillig nicht aushändigt, zu sagen, daß er nur mitfolgend eine ungerechte Handlung begeht und tut, was unrecht ist. Das Freiwillige tun wir teils vorsätzlich, teils unvorsätzlich: vorsätzlich, was wir vorher überlegt haben, unvorsätzlich, was wir nicht vorher überlegt haben. Von den drei Arten von Schädigungen nun, die im Verkehr vorkommen, liegen die unwissentlichen Verfehlungen dann vor, wenn die Person, der man etwas tut, und ebenso der Inhalt, das Werkzeug und der Erfolg der betreffenden Handlung andere sind, als der Handelnde meinte. Er mag nämlich gedacht haben, er werfe oder stoße überhaupt nicht, oder nicht mit dem betreffenden Instrument,
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oder den nicht, oder nicht mit dem Ausgang. Nun aber geschieht es mit einem Erfolg, an den er nicht gedacht hat, daß er z. B. eine Wunde schlägt, wo er nur die Haut ritzen wollte, oder es geschieht an jemandem, den er nicht gemeint hat, oder in einer Art und in einem Grade, die nicht in seiner Absicht lagen. Ist die Schädigung ohne irgendwelche Absicht herbeigeführt worden, so liegt ein Unglück vor; ist sie aber nicht ganz unabsichtlich, aber doch nicht aus böser Absicht geschehen, so ist es eine Verfehlung. Denn eine Verfehlung liegt vor, wenn die erste Ursache des Vorgangs im Handelnden selbst liegt, ein Unglück dagegen, wo sie außer ihm liegt. Hat man zwar wissentlich gehandelt, aber ohne vorherige Überlegung, so ist es eine ungerechte Handlung, z. B. alles, was dem Menschen im Zorn oder in anderen notwendigen oder natürlichen Affekten zu tun begegnen kann. Denn wenn man in dieser Weise einen schädigt und sich verfehlt, so tut man zwar unrecht und es liegt eine ungerechte Handlung vor, aber man ist deswegen doch noch kein Ungerechter und kein Bösewicht, da die Schädigung nicht aus Bosheit geschehen ist. Handelt man aber mit Vorsatz, so ist man ein ungerechter und böser Mensch. Daher heißt es treffend: „Im Zorn getan, gilt nicht als vorbedacht getan.“ Denn der Anfang der Handlung liegt nicht in dem, der im Zorn handelt, sondern in dem, der ihn zornig gemacht hat. Ferner streitet man auch in solchen Fällen nicht darüber, ob etwas wirklich geschehen ist oder nicht, sondern darüber, ob es recht war. Denn der Zorn wird durch eine vermeintliche Ungerechtigkeit hervorgerufen. Man streitet ja hier nicht über die Tatsache wie bei Verträgen, wo der eine der Kontrahenten ein schlechter Mensch sein muß, wenn er nicht etwa seine entgegengesetzte Behauptung aus Vergeßlichkeit aufstellt, sondern über die Tatsache herrscht Einverständnis, und der Streit bewegt sich nur darum, ob etwas recht gehandelt war oder nicht. Der Betrüger aber weiß den Sachverhalt recht wohl, und so meint der eine wirklich Unrecht zu leiden, der andere nicht.
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Wenn man einen aber vorsätzlich schädigt, so begeht man eine Ungerechtigkeit. Und erst wer in diesem Sinne Unrecht begeht, ist ungerecht, wenn das, was er tut, gegen die Proportionalität oder die Gleichheit anläuft. Ebenso ist man gerecht, wenn man vorsätzlich gerecht handelt. Gerecht handelt man aber, wenn man nur freiwillig handelt. Die unfreiwilligen Handlungen aber sind teils solche, die Nachsicht verdienen, teils solche, die Nachsicht nicht verdienen. Nachsicht verdienen fehlerhafte Handlungen, wenn sie nicht bloß in Unwissenheit, sondern auch aus Unwissenheit geschehen. Keine Nachsicht dagegen verdienen jene fehlerhaften Handlungen, die nicht aus Unwissenheit geschehen, sondern zwar in Unwissenheit, aber einer solchen, die durch eine weder natürliche noch menschliche Leidenschaft verschuldet ist.
Elftes Kapitel11 Man könnte aber zweifeln, ob die gegebenen Bestimmungen über Unrechtleiden und Unrechttun zutreffend sind, wenn es für’s erste einen Fall geben kann, wie den, den Euripides in den ungereimten Worten vorträgt: „Getötet hab’ ich meine Mutter, kurz gesagt, Sie wollt’, ich wollte – nein, sie wollt’, ich wollte nicht“;
ob es nämlich in Wahrheit möglich ist, mit Willen Unrecht zu leiden, oder ob nicht vielmehr alles Unrechtleiden unfreiwillig ist, wie alles Unrechttun freiwillig. Und ist etwa alles Unrechtleiden freiwillig oder alles unfreiwillig, wie alles Unrechttun freiwillig ist, oder ist es bald freiwillig, bald unfreiwillig? Sodann wirft die gleiche Frage sich beim Rechtleiden auf. Alles Rechttun ist nämlich freiwillig, und so scheint die Annahme begründet, daß zu beidem (dem Unrecht- und Rechttun) das Unrecht- und Rechtleiden in bezug auf Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit sich gleichmäßig umgekehrt verhält. Es erschiene auch beim Rechtleiden als Ungereimtheit, wenn
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es immer freiwillig sein sollte, da manche auch ihr Recht gar nicht freiwillig erleiden. Es liegt auch noch insofern Anlaß zu Bedenken vor, als man zweifeln kann, ob jeder, der erlitten hat, was Unrecht ist, auch Unrecht leidet, oder ob es sich nicht vielmehr mit dem Erleiden ebenso wie mit dem Tun verhält. Man kann ja an beiden Weisen des Rechts (dem Tun und Leiden) mitfolgend Anteil haben, wie auch an den beiden Weisen des Unrechts. Etwas Unrechtes tun ist ja nicht dasselbe wie Unrechttun, etwas Unrechtes erleiden nicht dasselbe wie Unrechtleiden. Und dieselbe Bewandtnis hat es mit dem Rechttun und Rechtleiden. Denn es ist unmöglich, Unrecht zu leiden, wenn niemand ist, der Unrecht tut, oder sein Recht zu leiden, wenn niemand ist, der recht tut. Und, wenn Unrechttun nichts weiter ist, als freiwillig einen schädigen, und freiwillig schädigen so viel ist, wie schädigen mit Erkenntnis der geschädigten Person und des Mittels und der Weise der Schädigung, und wenn z. B. der Unenthaltsame freiwillig sich selber schädigt, so leidet er demnach freiwillig Unrecht, und so wäre es möglich, sich selbst Unrecht zu tun – dann ist auch das noch eine Schwierigkeit, die der Lösung bedarf, nämlich: ob man sich selbst Unrecht tun kann. Ferner, man kann sich aus Unenthaltsamkeit freiwillig von einem anderen, der ebenfalls freiwillig handelt, Schaden zufügen lassen, so daß es also möglich wäre, mit Willen Unrecht zu leiden. Oder sollte etwa die gegebene Bestimmung nicht richtig sein, sondern zu der Bedingung, daß die Schädigung mit Erkenntnis der geschädigten Person und des Werkzeugs und des Wie geschehen muß, noch als weitere gehören, daß sie gegen den Willen des Geschädigten erfolgen muß? Geschädigt werden demnach und materielles Unrecht leiden kann man mit Willen, aber förmliches Unrecht leidet niemand mit Willen. Denn das will niemand, auch der Unenthaltsame nicht, vielmehr handelt derselbe nur gegen seinen eigenen Willen. Einerseits will ja niemand solches, was er nicht für anständig hält, und anderseits tut der Unenthaltsame nicht, was er selber
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glaubt tun zu sollen. Wer aber das Seinige hingibt, wie Homer den Glaukus dem Diomedes geben läßt: „Die goldene Rüstung für Erz; Jene war hundert Ochsen an Wert gleich, diese nur neunen“.
der leidet kein Unrecht; denn es steht bei ihm zu geben. Unrecht zu leiden aber steht nicht bei uns, sondern dazu gehört, daß einer sei, der Unrecht tut. So erhellt denn, daß das Unrechtleiden nicht freiwillig ist.
Zwölftes Kapitel12 Noch sind von den Fragen, die wir uns zur Besprechung vorgesetzt haben, zwei zu erledigen, die eine, ob etwa Unrecht tut, wer mehr als billig austeilt, oder wer mehr als billig empfängt; die andere, ob man sich auch selbst Unrecht tun kann. Bezüglich der ersten Frage erhebt sich folgendes Bedenken. Wenn es so sein kann, wie wir oben gesagt haben, daß der, der zuviel austeilt, nicht der, der zuviel erhält, Unrecht tut, so tut einer, wenn er dem anderen mit Wissen und Willen mehr zuteilt als sich, sich selbst Unrecht. Nun aber sind es erfahrungsmäßig grade die bescheidenen Charaktere, die so zu handeln pflegen. Der billige Mann ist ja sich selbst zu verkürzen geneigt. Oder ist es mit der Selbstverkürzung doch nicht so schlechthin richtig? Der Betreffende gewinnt nämlich etwa bei Gelegenheit ein Mehr an anderem Gut, z. B. an Ehre oder sittlichem Verdienste. Eine weitere Lösung dieser Schwierigkeit ergibt sich aus der gegebenen genaueren Bestimmung des Unrechttuns. Dem Manne, an den wir denken, geschieht nichts gegen seinen vernünftigen Willen, daher er auch wegen seiner Liberalität kein Unrecht, sondern, wenn man denn will, nur einen Schaden erleidet. Es ist aber auch aus positiven Gründen klar, daß immer der zuviel Austeilende, nicht der Empfänger, Unrecht tut.
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Nicht der, bei dem sich Ungerechtes vorfindet, sondern der, von dem gilt, daß er dies mit Willen herbeigeführt hat, tut Unrecht. Das ist aber der, bei dem der Anfang der Handlung liegt, ein Anfang, der eben in dem Austeilenden, nicht in dem Empfänger zu suchen ist. Da ferner das Tun vieldeutig ausgesagt wird, und eine Tötung z. B. auch durch Unbeseeltes und durch die Hand und durch einen von seinem Herrn beauftragten Diener geschehen kann, so tun Diener, Hand und Seelenloses kein Unrecht, sondern bloß was unrecht ist (und so tut auch der leidend das Zuviel Empfangende kein Unrecht, wohl aber der Austeilende). Ein Richter endlich, der unwissentlich ein Urteil gefällt hat, begeht kein gesetzliches Unrecht, und sein Urteil ist nicht ungerecht, wenn es auch so gut wie ungerecht ist – denn das gesetzliche (positive) Recht ist ein anderes als das erste, das natürliche Recht (worüber man nicht unwissend sein kann) –; hat er aber wissentlich ungerecht entschieden, so teilt er sich auch selbst ein ungerechtes Mehr zu, sei es an Gunst bei der einen, sei es an Rache gegenüber der anderen Partei. Gerade so nun, wie wenn einer sich ein ungerechtes Gut zuteilt, hat der, der aus solchen Rücksichten einen ungerechten Spruch gefällt hat, zuviel. Denn auch, wer in einem Prozeß über den Besitz eines Ackers (in gewinnsüchtiger Absicht) entschieden hat, bekommt nicht den Acker, sondern Geld.
Dreizehntes Kapitel13 Die Leute meinen nun, es stehe bei ihnen, Unrecht zu tun, und deshalb sei es auch leicht, gerecht zu sein. Aber dem ist nicht so. Der Frau des Nachbarn beiwohnen, seinen Nächsten schlagen, ihm mit der Hand das geschuldete Geld geben ist leicht und steht in des Menschen Gewalt, aber aus einem festen Habitus heraus so zu handeln, ist nicht leicht und steht nicht ohne weiteres in des Menschen Gewalt. Desgleichen meint man, Recht und Unrecht zu kennen sei keine besondere Weisheit, da es nicht schwer sei, zu verste-
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hen, wovon die Gesetze reden. Aber das ist ja nur mitfolgend das Recht: Recht an sich ist, was in konkret bestimmter Weise getan und zugeteilt wird. Und hier immer das Richtige herauszufinden, erfordert mehr als z. B. die medizinischen Heilmittel zu kennen. Denn auch hier ist es leicht, die Wirkung von Honig, Wein und Nieswurz, vom Brennen und Schneiden zu kennen; aber zu wissen, wie und bei wem und wann man alles dieses anwenden muß, damit es der Gesundheit diene, ist gerade so schwer, als Arzt zu sein. Eben darum meint man auch, der Gerechte sei ebensogut imstande, Unrecht zu tun, weil der Gerechte ebensogut, ja, noch besser, die einzelnen Handlungen der Ungerechtigkeit ausführen könne; ebensogut könne er einem Weibe beiwohnen und Schläge austeilen, als der Mutige den Schild wegwerfen, dem Feinde den Rücken kehren und Hals über Kopf davonlaufen könne. Aber feige sein und Unrecht tun heißt nicht eben Handlungen der Feigheit und Ungerechtigkeit begehen, außer mitfolgend, sondern sie aus einem bestimmten Habitus heraus begehen, geradeso wie Arztsein und Heilen nicht heißt schneiden oder nicht schneiden, Arzneien geben oder nicht geben, sondern es in konkret bestimmter Weise tun. Das Recht hat seine Stelle unter Wesen, die an den Gütern schlechthin teilhaben und davon ein Zuviel und ein Zuwenig haben können. Es gibt Wesen, die kein Zuviel davon haben können, und dies sind vielleicht die Götter, und wieder andere gibt es, unheilbar Schlechte, denen kein Teil davon nützt, sondern alles schadet, und endlich gibt es solche, denen sie innerhalb bestimmter Grenzen nützlich sind. Darum ist das Recht eine menschliche Angelegenheit.
Vierzehntes Kapitel14 Hiernach ist von der Billigkeit (Epikie) und dem Billigen zu handeln und zu erklären, wie sich die Billigkeit zur Gerechtigkeit und das Billige zum Recht verhält. Denn bei näherer Betrachtung erscheinen beide weder als schlechthin einerlei,
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noch als der Gattung nach voneinander verschieden; und einerseits loben wir das Billige und den billigen Mann in der Art, daß wir lobend diesen Ausdruck statt gut auch auf anderes übertragen und zu verstehen geben, daß das Billigere das Bessere ist, anderseits erscheint es, wenn man sich an die Logik hält, als ungereimt, daß das Billige Lob verdienen und doch vom Recht verschieden sein soll. Denn entweder ist das Recht nicht trefflich und gut, oder das Billige, wenn vom Recht verschieden, nicht gerecht, oder wenn beide trefflich und gut sind, sind sie einerlei. Das ist es so ziemlich, weshalb sich für den Begriff der Billigkeit Schwierigkeiten ergeben. Allein alles ist in gewisser Weise richtig, und von einem verborgenen Widerspruch, den es etwa einschlösse, kann keine Rede sein. Einerseits nämlich ist das Billige, mit einem gewissen Recht verglichen, ein besseres Recht, anderseits ist es nicht in dem Sinne besser als das Recht, als wäre es eine andere Gattung. Recht und Billigkeit sind also einerlei, und obschon beide trefflich und gut sind, so ist doch die Billigkeit das Bessere. Die Schwierigkeit rührt nur daher, daß das Billige zwar ein Recht ist, aber nicht im Sinne des gesetzlichen Rechts, sondern als eine Korrektur desselben. Das hat darin seinen Grund, daß jedes Gesetz allgemein ist und bei manchen Dingen richtige Bestimmungen durch ein allgemeines Gesetz sich nicht geben lassen. Wo nun eine allgemeine Bestimmung zu treffen ist, ohne daß sie ganz richtig sein kann, da berücksichtigt das Gesetz die Mehrheit der Fälle, ohne über das diesem Verfahren anhaftende Gebrechen im unklaren zu sein. Nichtsdestoweniger ist dieses Verfahren richtig. Denn der Fehler liegt weder an dem Gesetz noch an dem Gesetzgeber, sondern in der Natur der Sache. Denn im Gebiet des Handelns ist die ganze Materie von vornherein so (daß das gedachte Gebrechen nicht ausbleibt). Wenn demnach das Gesetz allgemein spricht, aber in concreto ein Fall eintritt, der in der allgemeinen Bestimmung nicht einbegriffen ist, so ist es, insofern der Gesetzgeber diesen Fall außer acht läßt und, allgemein sprechend, gefehlt hat, richtig gehandelt, das Versäumte zu verbessern, wie es auch der Gesetzgeber selbst,
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wenn er den Fall vor sich hätte, tun, und wenn er ihn gewußt hätte, es im Gesetz bestimmt haben würde. Daher ist das Billige ein Recht und besser als ein gewisses Recht, aber nicht besser als das Recht schlechthin, sondern als jenes Recht, das, weil es keinen Unterschied kennt, mangelhaft ist. Und das ist die Natur des Billigen: es ist eine Korrektur des Gesetzes, da wo dasselbe wegen seiner allgemeinen Fassung mangelhaft bleibt. Dies ist auch die Ursache davon, daß nicht alles gesetzlich geregelt ist; denn über manche Dinge läßt sich kein Gesetz geben, so daß es hier eines Plebiszites bedarf. Das Unbestimmte hat ja auch ein unbestimmtes Richtmaß, ähnlich wie bei der lesbischen Bauart ein bleiernes Richtmaß zur Verwendung kommt. Denn wie dieses Richtmaß sich der Gestalt des Steines angleicht und nicht dieselbe Länge behält, so gleicht das Plebiszit sich den besonderen faktischen Verhältnissen an. So ist denn klar, was das Billige ist, und daß es ein Recht ist, und besser als ein gewisses Recht. Hieraus sieht man aber auch, wer der Billige sei: wer solches Recht will, wählt und übt, und wer nicht das Recht zuungunsten anderer auf die Spitze treibt, sondern vom Rechte, auch wo er es auf seiner Seite hätte, nachzulassen weiß, der ist billig und sein Habitus die Billigkeit, die eine Art Gerechtigkeit und kein von ihr verschiedener Habitus ist. Fünfzehntes Kapitel15 Aus dem Gesagten erhellt nun auch, ob man sich selbst Unrecht tun kann oder nicht. Recht in einem Sinne ist, was vom Gesetz in bezug auf jede einzelne Tugend geboten ist. Nun gebietet das Gesetz aber z. B. nicht, sich selbst zu töten; was es aber nicht zu töten gebietet, das zu töten verbietet es. Ferner, wenn man jemanden freiwillig wider das Gesetz schädigt, ohne damit eine erlittene Schädigung zu rächen, so tut man Unrecht. Freiwillig handelt aber, wer da weiß, gegen wen die Handlung gerichtet ist, und womit sie vollzogen wird.
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Wer aber aus Zorn sich selbst entleibt, tut freiwillig gegen die rechte Vernunft, was das Gesetz nicht zuläßt, tut also Unrecht. Aber wem? Nicht etwa dem Gemeinwesen, sich aber nicht? Er leidet ja freiwillig, und niemand leidet freiwillig Unrecht. Darum straft ihn auch die Obrigkeit und haftet dem Selbstmörder, als einem Menschen, der sich am gemeinen Wesen versündigt hat, einen Makel an. Es kann aber auch, wer nur Unrecht tut und nicht ganz schlecht ist, in dem, worin er ungerecht ist, sich nicht selbst Unrecht tun – dieses (Ungerechtigkeit nach einer bestimmten Seite) ist nämlich mit jenem (gesetzlicher Ungerechtigkeit überhaupt) nicht einerlei. Ein solcher Ungerechter ist ungefähr in der Weise schlecht wie der Feige, also nicht als haftete ihm die ganze Schlechtigkeit an, und demnach tut er auch nicht in diesem Sinne Unrecht –. Denn sonst könnte einem etwas gleichzeitig entzogen worden und zugefallen sein, was unmöglich ist: Recht und Unrecht setzt immer ein Verhältnis von mehreren voraus. Ferner (ist das Unrechttun) freiwillig und vorsätzlich und früher (als das Unrechtleiden). Denn wer ein Unrecht erlitten hat und dem anderen dafür dasselbe wieder antut, scheint kein Unrecht zu tun. Um aber sich selbst Unrecht zu tun, müßte man etwas zugleich leiden und tun. Ferner könnte man freiwillig Unrecht leiden. Überdies tut niemand Unrecht, ohne eine einzelne ungerechte Handlung zu begehen; nun kann aber niemand mit seiner eigenen Frau die Ehe brechen oder in sein eigenes Haus einen Einbruch verüben oder seine eigene Habe stehlen. Die vollständigste Lösung der Frage nach der Möglichkeit sich selbst Unrecht zu tun, ergibt sich immer vom Gesichtspunkt der früheren Bestimmung, nach der niemand freiwillig Unrecht leiden kann. Es leuchtet auch ein, daß zwar beides, Unrechtleiden und Unrechttun, vom Bösen ist. Denn bei dem einen hat man weniger als die Mitte, bei dem anderen mehr; die Mitte aber ist dem ähnlich, was in der Heilkunst die Gesundheit, in der Gymnastik die gute Leibesbeschaffenheit ist; aber es ist doch
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schlimmer, Unrecht zu tun. Denn Unrechttun führt Schlechtigkeit mit sich und ist tadelnswert, und jene Schlechtigkeit ist entweder die vollendete und schlechthinnige oder steht ihr doch nahe – denn nicht alles Freiwillige ist ungerecht –; das Unrechtleiden aber führt keine Schlechtigkeit und Ungerechtigkeit mit sich. Also an sich ist Unrechtleiden weniger schlimm, mitfolgend aber kann es gar wohl das größere Übel sein. Darum aber bekümmert sich die Wissenschaft nicht. Für sie ist eine Lungenentzündung ein schlimmerer Fall als eine Verstauchung, gleichwohl kann es mitfolgend auch einmal umgekehrt kommen, wenn der Verstauchte durch seinen Fall in die Hände der Feinde gerät und von ihnen getötet wird. Im übertragenen Sinne aber und im Sinne einer gewissen Ähnlichkeit gibt es allerdings ein Recht nicht der Person gegen sich selbst, aber doch des einen Teils von ihr gegen die anderen, ein Recht jedoch, das nicht mit allem Recht, sondern nur mit dem des Herrn gegen die Sklaven oder des Hausvaters gegen seine Kinder zu vergleichen ist. Nach diesen Verhältnissen nämlich bemißt sich der Abstand zwischen dem vernünftigen und dem unvernünftigen Seelenteil. Im Hinblick hierauf meint man also, es gebe auch eine Ungerechtigkeit gegen sich selbst, weil es nämlich durch die Macht der Affekte geschehen kann, daß man etwas gegen das eigene Begehren erleidet. Wie es sonach ein Recht zwischen Herrscher und Untertan gibt, so soll es auch ein Recht zwischen den verschiedenen Seelenteilen geben. So mag denn von der Gerechtigkeit und den anderen sittlichen Tugenden in dieser Weise gehandelt sein.
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Erstes Kapitel1 Da wir früher gesagt haben, man müsse die Mitte wählen, nicht das Übermaß und den Mangel, und da die Mitte durch die rechte Vernunft bestimmt wird, so wollen wir dieses jetzt näher erklären. In allen habituellen Beschaffenheiten, die wir bisher behandelt haben, gibt es, wie auch bei den übrigen Fertigkeiten, einen Zielpunkt, auf den hinblickend der Inhaber der rechten Vernunft seine Kräfte anspannt und lockert, und eine Grenze, jene Mitten nämlich, die nach unserer Überzeugung, als der rechten Vernunft entsprechend, zwischen dem Übermaß und dem Mangel liegen. Diese Bestimmung ist nun zwar richtig, aber noch keineswegs deutlich. Ist es doch bei jedem Geschäft, von dem es eine Wissenschaft gibt, richtig, zu sagen, man müsse dabei der Sorge und der Zuversicht weder zu viel noch zu wenig einräumen, sondern die von der rechten Vernunft gewiesene Mitte halten; aber damit allein weiß man noch nichts Besonderes; so weiß man noch keineswegs, was man dem Körper zukommen lassen muß, wenn einem gesagt wird: alles, was und wie die Gesundheitslehre und der mit ihr Vertraute es vorschreibt. Darum ist es auch hinsichtlich der psychischen Beschaffenheiten nicht genug, wenn der aufgestellte Grundsatz wahr ist; es muß auch genau angegeben werden, welches die rechte Vernunft ist, und wie sie sich bestimmen läßt.
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Zweites Kapitel2 Als wir die Tugenden der Seele einteilten, haben wir gesagt, sie seien teils sittliche oder Charaktertugenden, teils Verstan-
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destugenden. Nachdem wir also die sittlichen Tugenden durchgegangen sind, wollen wir die anderen in der Art erklären, daß wir erst einige Bemerkungen über die Seele selbst hersetzen. Es wurde weiter oben gesagt, es gebe zwei Seelenteile, einen vernunftbegabten und einen unvernünftigen. Jetzt aber müssen wir den vernunftbegabten wieder ebenso einteilen. Setzen wir also voraus, daß es zwei vernunftbegabte Teile gibt, einer, mit dem wir jenes Sein betrachten, dessen Prinzipien sich nicht anders verhalten können, und einen, mit dem wir betrachten, was sich anders verhalten kann. Denn wenn die Objekte der Gattung nach verschieden sind, ist auch der für das eine oder das andere Objekt eingerichtete Seelenteil der Gattung nach verschieden, wenn ja doch die Erkenntnis den erkennenden Potenzen gemäß einer gewissen Ähnlichkeit und Verwandtschaft zukommt. Der eine Teil heiße nun der „epistemonische“ (scientifische oder wissende), der andere der „logistische“ (ratiocinierende oder folgernde). Überlegen nämlich und Gedanken in bestimmter „Folge“ verknüpfen ist dasselbe, nun überlegt aber niemand, was sich nicht anders verhalten kann. So ist denn ein Teil der vernunftbegabten Seele der ratiocinierende. Unsere Aufgabe wird es nun sein, zu ermitteln, welches die je beste Verfassung dieser beiden Teile ist. Denn das ist je ihre Tugend; die Tugend aber richtet sich nach ihrer eigentümlichen Verrichtung. Dreierlei ist in der Seele, wovon Handlung und Wahrheitserkenntnis abhängt: Sinn, Verstand, Begehren. Unter diesen dreien kann der Sinn kein Prinzip des Handelns sein, was daraus hervorgeht, daß die Tiere zwar sinnbegabt sind, aber an dem, was man Handlung nennt, keinen Anteil haben. Was nun beim Denken Bejahung und Verneinung, das ist beim Begehren Streben und Fliehen. Darum muß, da die sittliche Tugend ein Habitus der Willenswahl und die Willenswahl ein überlegtes Begehren ist, der Ausspruch der Vernunft wahr und das Begehren des Willens recht sein, wenn die getroffene Wahl der Sittlichkeit entsprechen soll, und es muß eines und dasselbe von der Vernunft bejaht und von dem Willen erstrebt werden.
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Das ist nun die praktische Vernunft und Wahrheit. Das Gute und Schlechte der theoretischen Vernunft aber, die nicht handelt und nicht hervorbringt, ist Wahrheit und Falschheit, wie das von der Leistung jedes denkenden Vermögens gilt; die Leistung des zugleich praktischen Denkvermögens aber ist jene Wahrheit, die mit dem rechten Begehren übereinstimmt. Prinzip des Handelns im Sinne des bewegenden, nicht des Zweckprinzips, ist die Willenswahl und das der Willenswahl das Begehren und der Begriff oder die Vorstellung des Zweckes. Darum gibt es keine Willenswahl ohne Verstand und Denken einerseits und sittlichen Habitus anderseits. Denn richtiges und verkehrtes Handeln ist ohne Denken und ein Verhältnis zur Sittlichkeit unmöglich. Das Denken für sich allein aber bewegt nichts, sondern nur das auf einen bestimmten Zweck gerichtete, praktische Denken. Von ihm hängt auch das hervorbringende Denken ab. Denn jeder Hervorbringende bringt sein Erzeugnis für einen bestimmten Zweck hervor, und was er hervorbringt, ist nicht schlechthin Zweck, sondern nur mit Bezug auf ein anderes und für ein anderes. Wohl aber ist die Handlung und ihr Inhalt schlechthin Zweck. Denn das richtige Handeln ist ein absoluter Zweck, und auf diesen ist auch das Begehren gerichtet. Und so ist denn die Willenswahl entweder begehrendes Denken oder denkendes Begehren, und das Prinzip, in dem sich beides, Denken und Begehren, verbunden findet, ist der Mensch. Gegenstand der Willenswahl oder des Vorsatzes kann kein Vergangenes sein, wie sich denn niemand zum Vorsatz macht, Ilium zerstört zu haben; man überlegt oder beratschlagt ja auch nicht über Vergangenes, sondern über Zukünftiges und Mögliches; Vergangenes aber kann unmöglich nicht geschehen sein, weshalb Agathon treffend sagt: „Denn dies allein, sogar der Gottheit bleibts versagt, Ungeschehn zu machen, was einmal geschehen ist“.
So ist denn die Leistung beider vernünftigen Teile die Wahrheitserkenntnis, und in den Beschaffenheiten, vermöge derer sie
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die Wahrheit am besten erkennen, haben wir jene Tugenden zu erblicken, die beiden eigen sein können.
Drittes Kapitel3 Um nun die Erörterung über dieselben durchzuführen, müssen wir etwas weiter ausholen. Der Dinge, durch die die Seele, bejahend oder verneinend, (immer) die Wahrheit trifft, sollen fünf an der Zahl sein; es sind Kunst, Wissenschaft, Klugheit, Weisheit und Verstand. Vermutung und Meinung können auch Falsches zum Inhalt haben (und scheiden darum hier aus). Was die Wissenschaft sei, erhellt, wenn wir die Worte genau nehmen und uns nicht an äußere Ähnlichkeiten in der Redeweise halten wollen, aus folgendem. Wir alle halten dafür, daß das, was man weiß, sich nicht anders verhalten kann; was sich aber anders verhalten kann, von dem weiß man, sobald man es nicht mehr vor Augen hat, nicht, ob es noch ist oder nicht. Mithin ist, was Gegenstand des Wissens ist, aus Notwendigkeit. Mithin ist es ewig; denn alles, was schlechthin aus Notwendigkeit ist, ist ewig, das Ewige aber ist ungeworden und unvergänglich. Auch scheint jede Wissenschaft lehrbar und jeder Wissensgegenstand lernbar zu sein. Jede Lehre aber geht von vorher Erkanntem aus, wie wir in der Analytik dartun, sei es, daß sie sich der Induktion oder des Syllogismus bedient. Die Induktion ist auch Prinzip des Allgemeinen, der Syllogismus dagegen geht von dem Allgemeinen aus. Mithin gibt es Prinzipien als Prämissen des Syllogismus, die nicht wieder durch einen Syllogismus gewonnen werden. Mithin tritt hier die Induktion ein. Die Wissenschaft ist also ein Habitus des Demonstrierens; zu dieser Begriffsbestimmung möge man weiterhin noch alles andere hinzunehmen, was wir in der Analytik angegeben haben. Wo nämlich eine bestimmte Überzeugung ist, und man die Prinzipien kennt, da ist Wissenschaft. Kännte man diesel-
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ben nicht vollkommener als den Schlußsatz, so hätte man das Wissen nur zufällig. So viel stehe denn hier von der Wissenschaft.
Viertes Kapitel4 Was sich anders verhalten kann, ist teils Gegenstand des Hervorbringens, teils Gegenstand des Handelns. Denn Hervorbringen und Handeln sind voneinander verschieden, wovon wir schon aufgrund der exoterischen Schriften überzeugt sein können. Demnach ist auch der mit Vernunft verbundene Habitus des Handelns von dem mit Vernunft verbundenen Habitus des Hervorbringens verschieden, weshalb auch keiner in dem andern enthalten ist. Denn das Handeln ist sowenig ein Hervorbringen als das Hervorbringen ein Handeln. Da aber zum Beispiel das Vermögen zu bauen eine Kunst und ein mit Vernunft verbundener Habitus des Hervorbringens ist, und da ferner keine Kunst zu finden ist, die kein mit Vernunft verbundener Habitus des Hervorbringens wäre, und umgekehrt auch kein solcher Habitus, der nicht Kunst wäre, so wird Kunst und mit wahrer Vernunft verbundener Habitus des Hervorbringens ein und dasselbe sein. Gegenstand jeder Kunst ist das Entstehen, das regelrechte Herstellen und die Überlegung, wie etwas, was sowohl sein als nicht sein kann, und dessen Prinzip im Hervorbringenden, nicht im Hervorgebrachten liegt, zustande kommen mag. Auf das, was aus Notwendigkeit ist oder wird, geht die Kunst so wenig, wie auf das, was von Natur da ist oder entsteht, da derartiges das bewegende Prinzip in sich selber hat. Da nun das Hervorbringen vom Handeln verschieden ist, so muß die Kunst auf das Hervorbringen, nicht auf das Handeln gehen. Und in gewissem Sinne bewegen sich die Kunst und der Zufall um das nämliche Objekt, wie auch Agathon sagt: „Die Kunst den Zufall liebt, der Zufall liebt die Kunst.“
Die Kunst ist also, wie gesagt, ein Habitus, etwas mit wahrer Vernunft hervorzubringen, das Gegenteil der Kunst dage-
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gen ein Habitus, etwas mit falscher Vernunft hervorzubringen, bei Dingen, die sich so und anders verhalten können.
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Was ferner die Klugheit sei, können wir daraus lernen, daß wir zusehen, welche Menschen wir klug nennen. Ein kluger Mann scheint sich also darin zu zeigen, daß er wohl zu überlegen weiß, was ihm gut und nützlich ist, nicht in einer einzelnen Hinsicht, z. B. in bezug auf Gesundheit und Kraft, sondern in bezug auf das, was das menschliche Leben gut und glücklich macht. Ein Zeichen dessen ist, daß wir auch von solchen sprechen, die in einem einzelnen Punkt klug sind, wofern sie nur im Hinblick auf einen guten Zweck und in Dingen, die unter keine Kunst fallen, wohl zu überlegen wissen. Demnach wird denn auch klug im allgemeinen sein, wer wohl und richtig überlegt. Nun stellt niemand Überlegungen an in Dingen, die sich unmöglich anders verhalten können oder deren Ausführung ihm versagt ist. Wenn also die Wissenschaft auf strenger und eigentlicher Demonstration fußt und dasjenige, dessen Prinzipien sich anders verhalten können, keine Demonstration zuläßt – denn alles, was unter die Handlung fällt, kann sich anders verhalten, und bei Dingen, die kraft der Notwendigkeit sind, gibt es kein Überlegen und Beratschlagen –, so kann die Klugheit weder Wissenschaft noch Kunst sein, nicht Wissenschaft, weil das Objekt der Handlung sich anders verhalten kann, nicht Kunst, weil Handlung und Hervorbringung dem Genus nach voneinander verschieden sind. Mithin bleibt nur übrig, daß sie ein untrüglicher Habitus vernünftigen Handelns ist in Dingen, die für den Menschen Güter und Übel sind. Das Hervorbringen hat nämlich einen anderen Zweck als die Tätigkeit selbst, das Handeln dagegen nicht, da hier das gute Handeln selbst oder auch das gute Befinden den Zweck ausmacht. Daher halten wir einen Perikles und seinesgleichen für klug, weil sie nämlich für das, was ihnen und anderen gut ist, einen richtigen Blick haben, und schreiben diese Tugend den
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Hausvätern und Staatslenkern zu; und daher kommt es auch, daß wir (im Griechischen) der Sophrosyne, der Mäßigkeit, diesen ihren Namen gegeben haben als einer Eigenschaft, die da eine Bewahrerin der Klugheit ist. Sie bewahrt nämlich das zur Klugheit erforderliche Urteil. Denn nicht jedes Urteilen wird durch Lust und Unlust verdorben und verkehrt, nicht das Urteil z. B. über die Frage, ob das Dreieck eine Winkelsumme hat, die zwei rechten Winkeln gleich ist, oder nicht, sondern die Urteile über das, was man tun soll. Denn die Prinzipien der Handlungen liegen in ihren Zwecken. Ist man aber einmal durch Lust oder Unlust bestochen, so verbirgt sich einem sofort das rechte Prinzip, und man vergißt, daß man seinetwegen und um seinetwillen alles wählen und tun soll. Denn es ist der Schlechtigkeit eigen, das Prinzip zu verderben. – So folgt denn mit Notwendigkeit, daß die Klugheit ein untrüglicher, vernünftiger Habitus des Handelns ist in Dingen, die die menschlichen Güter betreffen. Aber wenn sich der Kunst die Tugend äußerlich zugesellen kann, so läßt die Klugheit solches durchaus nicht zu; und in der Kunst ist der freiwillig Fehlende vorzüglicher, bei der Klugheit aber wie bei den sittlichen Tugenden ist er schlimmer. Und so erhellt denn, daß sie eine Tugend ist und keine Kunst. Da es aber zwei Teile der vernunftbegabten Seite der Seele gibt, so wird die Klugheit dem einen derselben, dessen Funktion das Schließen oder Meinen ist, zu überweisen sein. Aber sicher ist sie auch nicht ausschließlich Vernunft-Habitus, wofür ein Zeichen darin vorliegt, daß ein solcher Habitus durch Vergessenheit schwinden kann, die Klugheit aber nicht.
Sechstes Kapitel6 Da die Wissenschaft Erfassung und Beurteilung des Allgemeinen und Notwendigen ist, und es Prinzipien oder oberste und letzte Gründe jedes Beweisbaren und jedes Wissens gibt – denn das Wissen verlangt Gründe –, so wird unmittelbar mit dem Prinzip des Gewußten selbst keine Wissenschaft zu tun
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haben, und ebenso keine Kunst und Klugheit. Denn das Gewußte ist demonstrierbar, und Kunst und Klugheit bewegen sich um solches, was sich anders verhalten kann. Aber auch die Weisheit hat an den Prinzipien nicht ihr Objekt. Denn dem Weisen ist es eigen, für manches einen Beweis, eine Demonstration, zu haben. Wenn es nun viererlei ist, wodurch wir das Wahre treffen und nie getäuscht werden, sei es im Bereich dessen, was sich nicht anders, oder auch dessen, was sich anders verhalten kann: Wissenschaft, Klugheit, Weisheit und Verstand, und wenn hier von den dreien – ich meine die Klugheit, Wissenschaft und Weisheit – keine auf die Prinzipien gehen kann, so bleibt allein übrig, daß dieses dem Intellekt, dem Verstand, zukommt. Siebentes Kapitel7 Die Weisheit aber schreiben wir in den Künsten denjenigen zu, die es in denselben zur höchsten Vollendung gebracht haben, indem wir z. B. den Phidias einen weisen Meister in Stein und den Polyklet einen weisen Bildhauer nennen, und da wollen wir mit dem Wort Weisheit nichts anderes sagen, als daß sie Kunst im vollkommenen Sinne ist. Wir halten aber einige für Weise überhaupt, nicht bloß auf einem Feld oder in sonst einer Beziehung, wie Homer im Margites sagt: „Ihn nun hatten die Götter zum Gräber nicht, auch nicht zum Noch sonst weise gemacht“. [Pflüger,
Somit ist offenbar, daß die Weisheit die vollkommenste Wissenschaft ist. Mithin muß der Weise nicht bloß die Folgerungen aus den Prinzipien wissen, sondern auch bezüglich der Prinzipien die Wahrheit erkennen. Demnach wäre also die Weisheit Verstand und Wissenschaft, eine Wissenschaft, die, gleichsam als Haupt über die anderen gestellt, die allerwürdigsten Objekte umfaßt. Denn wenn man meint, die Staatskunst oder die Klugheit sei die beste Wissenschaft, so ist dies ungereimt, wofern der
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Mensch nicht das Beste von allem in der Welt ist. Wenn nun ein anderes für die Menschen und ein anderes z. B. für die Fische gesund und gut, das Weiße dagegen und das Gerade immer dasselbe ist, so wird auch wohl die Weisheit von allen als dasselbe bezeichnet werden, die Klugheit aber jeweils für etwas anderes. Denn wer in den Dingen, die ihm je vorkommen, das Zuträgliche sieht, den nennt man klug, und dem vertraut man derartige Dinge an. Darum nennt man auch manche Tiere klug, alle diejenigen nämlich, die im Bereich ihrer Daseinssphäre ein voraussehendes Vermögen bekunden. Man sieht aber auch, daß die Weisheit und die Staatskunst nicht dasselbe sein können. Denn wollte man die Erkenntnis dessen, was einem selbst nützlich ist, Weisheit nennen, so ergäben sich viele Weisheiten. Denn es gibt nicht bloß eine Wissenschaft für das, was allen lebenden Wesen gut ist, sondern für jede Art derselben eine andere, sonst müßte es auch für alle nur eine Heilkunst geben. Und hierbei macht es nichts aus, daß der Mensch das vorzüglichste unter allen lebenden Wesen ist. Denn es gibt Dinge, die ihrer Natur nach viel göttlicher sind als der Mensch, wie dieses am augenscheinlichsten bei den Himmelskörpern hervortritt. Aus dem Gesagten sieht man also, daß die Weisheit ein Wissen und ein Verstehen derjenigen Dinge ist, die ihrer Natur nach am ehrwürdigsten sind. Daher erklärt man einen Anaxagoras, einen Thales und ihresgleichen für weise, aber nicht für klug, da man sieht, daß sie sich auf das, was ihnen Vorteil bringt, nicht verstehen, und man sagt ihnen nach, sie wüßten Ungewöhnliches, Wunderbares, Schweres, Übermenschliches, erklärt aber all dieses Wissen für unfruchtbar, weil sie nicht die irdischen Güter suchen.
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Achtes Kapitel8 Die Klugheit aber hat es mit den irdischen und menschlichen Dingen zu tun, mit Dingen, die Gegenstand der Überlegung sind. Bezeichnen wir es doch als den Hauptvorzug eines klugen Mannes, daß er sich seine Sache gut zu überlegen weiß;
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niemand aber überlegt und beratschlagt über Dinge, die sich nicht anders verhalten können und die nicht ihre greifbare Bestimmung haben, und zwar eine solche, die ein für den Menschen erreichbares Gut darstellt. Der Mann der guten Überlegung schlechthin aber ist, wer durch Nachdenken das größte durch Handeln erreichbare menschliche Gut zu treffen weiß. Auch geht die Klugheit nicht bloß auf das Allgemeine, sondern auch auf die Erkenntnis des Einzelnen. Denn sie hat es mit dem Handeln zu tun, das Handeln aber bezieht sich auf das Einzelne und Konkrete. Daher sind auch manche, die keine Wissenschaft haben, praktischer oder zum Handeln geschickter als andere mit ihrem Wissen; besonders sind dies die Leute mit viel Erfahrung. Denn wenn z. B. jemand wüßte, daß leichtes Fleisch gut verdaulich und gesund ist, ohne aber zu wissen, welches Fleisch leicht ist, so würde er damit keinen gesund machen, wohl aber wird es derjenige vermögen, der weiß, daß Geflügelfleisch leicht und gesund ist. Die Klugheit ist aber praktisch, und darum muß man beides, Kenntnis des Allgemeinen und des Besonderen, haben oder, wenn nur eines, lieber das letztere. Es gibt aber auch wohl hier, in den irdischen und menschlichen Dingen, ein architektonisches, leitendes Vermögen. Die Staatskunst und die Klugheit sind nämlich im Grunde ein und derselbe Habitus, jedoch ist ihr Sein oder ihr Begriff nicht ein und derselbe. Von der auf den Staat gerichteten Klugheit ist aber der leitende und führende Teil diejenige Klugheit, die sich in der Gesetzgebung betätigt. Diejenige aber, die sich mit dem Einzelnen befaßt, hat den gemeinsamen Namen Staatskunst, und sie ist praktische und überlegende Klugheit. Denn die Stimmabgabe ist das Letzte, was es im politischen Handeln gibt. Darum bezeichnet man nur diejenigen, die es hiermit zu tun haben, als Staatsmänner, da nur sie im Staatsleben eigentlich und unmittelbar nach Art der Handwerker handeln. Klugheit scheint vorzüglich jene zu sein, die sich auf eine, und zwar die eigene Person bezieht. Sie behält den gemeinsamen Namen Klugheit. Von ihren sonstigen Arten aber, die sich auf eine Vielheit von Personen beziehen, ist die eine die
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Ökonomie oder Haushaltungskunst, die andere die Gesetzgebungskunst und die dritte die Staatskunst, und diese ist wiederum teils beratende, teils richterliche Staatskunst.
Neuntes Kapitel9 So ist denn die richtige Auffassung dessen, was der eigenen Person dient, wohl sicher eine besondere Art der Einsicht, aber die Meinungen über sie sind sehr geteilt. Es hat nämlich den Anschein, als ob der, der sich selbst gut zu beraten weiß und für sein eigenes Bestes sorgt, der wirklich kluge Mann wäre, neben ihm aber die politisch Tätigen übelberatene Leute, die sich viel zu tun machen, weshalb Euripides sagt: „Wie wär‘ ich klug, der ohne Not und Plackerei, Als einer zählend in der Menge unsres Heeres, Das gleiche Teil besitzen konnte? – Denn wer an mehr sich wagt, als seines Amtes ist –“.
Man sucht nämlich für gewöhnlich, was für einen selbst gut ist, und meint, auf solches seine Tätigkeit richten zu sollen, und dieser Meinung ist dann die Vorstellung entsprungen, daß Leute dieses Schlages klug sind. Indessen gibt es vielleicht kein eigenes Bestes ohne Haushaltungskunst und Staatskunst. Es ist aber auch nicht von vornherein klar und darum von Fall zu Fall zu untersuchen, wie man die eigenen Angelegenheiten besorgen muß. Ein Zeichen für die Wahrheit des Gesagten hat man an der Erfahrungstatsache, daß man in jungen Jahren ein Geometer und Mathematiker und ein Weiser oder Kundiger in solchen Disziplinen, doch schwerlich klug werden kann. Der Grund dafür ist der, daß die Klugheit sich auch auf das Einzelne bezieht, das man nur durch die Erfahrung kennenlernt, die eben dem jungen Manne fehlt, da sie nur die Frucht langer Jahre ist. Freilich könnte man auch die Frage aufwerfen, warum eigentlich ein Knabe ein Mathematiker werden kann, aber kein
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Weiser oder Naturphilosoph. Doch wohl nur darum, weil das Objekt der Mathematik ein Abstraktum ist, wogegen die Prinzipien der Physik aus der Erfahrung stammen. In der Weisheit aber bringen es die jungen Leute zu keiner eigenen Überzeugung, sondern nur zu Behauptungen, während sie sich die mathematischen Begriffe wohl klarzumachen wissen. Daß aber die Klugheit in eigenen Dingen auch einen Blick fürs Ganze fordert, ergibt sich auch insofern, als ein lrrtum beim Überlegen entweder das Allgemeine oder das Besondere betrifft. Man weiß z. B. entweder nicht, daß alle schwerwiegenden Wasser schlecht sind, oder daß dieses bestimmte Wasser schwer ist. Daß die Klugheit aber nicht Wissenschaft ist, ist klar. Sie befaßt sich ja, wie gesagt, mit dem Letzten; denn ein solches ist der Gegenstand der Handlung. Sie ist also das Gegenstück zum Verstand. Denn der Verstand hat es mit den Begriffen zu tun, für die es keine Definition gibt, und sie mit dem Letzten, von dem es keine Wissenschaft gibt, sondern Wahrnehmung, nicht jene, die die sogenannten eigentümlichen Sinnesobjekte erfaßt, sondern eine, wie die ist, durch die wir innewerden, daß das letzte Mathematische das Dreieck ist. Denn auch hier hält man ein und geht man nicht weiter. Jenes Vermögen für die eigentümlichen Sinnesqualitäten ist mehr Sinn als Klugheit, das hier gemeinte Vermögen aber ist von anderer Art.
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Die Klugheit unterscheidet sich aber vom Verstand dadurch, daß sie sucht und überlegt, da ja das Überlegen ein Suchen ist. Wir müssen aber auch ermitteln, was die Wohlberatenheit ist, ob eine Wissenschaft oder Meinung oder richtiger Takt, oder ob sie zu einer anderen Gattung gehört. Wissenschaft ist sie offenbar nicht. Denn was man weiß, danach sucht man nicht; die Wohlberatenheit ist aber eine Art Beratschlagung, und wer beratschlagt, sucht und schließt.
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Ebensowenig ist sie ein richtiger Takt. Denn dieser sucht nicht nach Gründen und bedarf keiner Zeit. Zum Beraten aber gehört viel Zeit, und es ist ein bekanntes Wort, man müsse, was man beraten und beschlossen, unverweilt ausführen, zum Beraten aber sich Zeit gönnen. Auch von der schnellen Auffassung oder Findigkeit ist die Wohlberatenheit verschieden, da doch die Findigkeit eine Art von richtigem Takt ist. Die Wohlberatenheit ist endlich auch keinerlei Meinung. Da vielmehr, wer sich übel berät, fehlt, und wer sich wohl berät, sich richtig berät, so ist Wohlberatenheit offenbar eine gewisse Richtigkeit, aber eine Richtigkeit weder des Wissens noch der Meinung. Denn dem Wissen kommt nicht noch eine besondere Richtigkeit zu, weil es auch keine Verkehrtheit erträgt, bei der Meinung aber ist Richtigkeit gleich Wahrheit; zugleich steht auch schon alles, was man meint, subjektiv fest. Aber die Wohlberatenheit entbehrt auch nicht der Gründe und des Denkens. Mithin bleibt nur übrig, daß sie zum Nachdenken gehört, das ja noch kein Behaupten ist. Denn die Meinung ist kein Suchen, sondern schon ein Behaupten, wohl aber ist es von dem, der sich berät, tue er dieses nun gut oder schlecht, wahr, daß er nach etwas sucht und Überlegungen anstellt. Die Wohlberatenheit ist also vielmehr Richtigkeit des Rates oder der Überlegung, daher muß zuerst untersucht werden, was Rat und Überlegung ist, und worauf sie sich beziehen. Was aber das Moment der Richtigkeit angeht, so hat dieselbe viele Bedeutungen, so daß hier offenbar nicht jede Richtigkeit gemeint sein kann. Der Unenthaltsame nämlich und der Schlechte wird, was er zu erkennen sich vorgesetzt hat, durch seine Überlegung treffen und wird sich somit richtig beraten und doch dabei großen Schaden genommen haben. Das Wohlberatensein gilt aber für etwas Gutes. Denn nur eine solche Richtigkeit des Rates, die uns das Gute treffen läßt, ist Wohlberatenheit. Aber auch dieses kann man mittels eines falschen Schlusses treffen, und so zwar treffen, was man tun soll, aber nicht durch den rechten Mittelbegriff, sondern durch einen falschen. Und
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so ist auch das noch nicht Wohlberatenheit, wenn man zwar trifft, was man soll, aber nicht durch den Mittelbegriff, durch den man sollte. Ferner kann man sich lange Zeit beraten, bis man das Rechte trifft, während ein anderer schnell damit zustande kommt. So ist denn auch dieses noch keine Wohlberatenheit, sondern das ist vielmehr eine Richtigkeit im Sinne des Ersprießlichen, die gleichzeitig das Was, das Wie und das Wann umfaßt. Endlich kann man teils schlechthin wohlberaten sein, teils mit Beziehung auf ein einzelnes Geschäft. Mithin ist Wohlberatenheit schlechthin diejenige, die für den Zweck des Lebens schlechthin das Richtige trifft, dagegen Wohlberatenheit in einer bestimmten Hinsicht jene, die es für ein einzelnes Geschäft trifft. Wenn demnach Wohlberaten-zu-sein ein Merkmal des klugen Mannes ist, so kann man sagen: die Wohlberatenheit ist Richtigkeit in bezug auf das, was zu einem Zweck dient, von dem die Klugheit eine wahre Meinung hat.
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Auch die Verständigkeit und die Unverständigkeit, wonach man von verständigen und unverständigen Leuten spricht, ist einerseits nicht mit Wissenschaft oder Meinung ganz identisch – denn sonst wäre jedermann verständig –, noch ist sie anderseits eine einzelne, partikuläre Wissenschaft, wie die Medizin die Wissenschaft von dem Gesunden oder die Geometrie die Wissenschaft von der Größe ist. Denn die Verständigkeit hat es weder mit dem immer Seienden und Unbewegten, noch mit irgendeinem Entstehenden zu tun, sondern mit dem, was Gegenstand des Zweifelns und Überlegens sein kann. Daher hat sie einerlei Gebiet mit der Klugheit, ohne daß jedoch Verständigkeit und Klugheit dasselbe sind; denn die Klugheit ist gebietend, da es ihr Ziel ist zu bestimmen, was man tun oder nicht tun soll; die Verständigkeit dagegen ist nur beurteilend;
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denn Verständigkeit und Wohlverständigkeit und verständig und wohlverständig sind dasselbe. Verständigkeit ist weder der Besitz noch die Erlangung der Klugheit, sondern wie man beim Lernen von Verstehen spricht, wenn einer die Wissenschaft, die er schon hat, entsprechend anwendet, so auch, wenn man die Meinung anwendet, um über das, was der Klugheit obliegt, fremder Rede gegenüber zu urteilen, das heißt zutreffend zu urteilen. Denn wohl und zutreffend sind dasselbe. Und der Name der Verständigkeit, durch die man wohlverständig ist, kommt daher, nämlich von dem Verstehen beim Lernen. Denn wir sagen oft Verstehen für Lernen. Die sogenannte Gnome, Diskretion oder Unterscheidung, dergemäß wir von diskreten Personen reden, und sagen, man besitze Diskretion, ist die richtige Beurteilung des Billigen. Ein Zeichen dafür ist folgendes. Dem Mann der Billigkeit sagen wir nach, er neige vorzüglich zur Nachsicht (Syngnome), und Billigkeit ist uns soviel als mit manchem Nachsicht haben. Nun ist aber die Nachsicht eben eine richtige Beurteilung des Billigen. Richtig aber ist jenes Urteil, das der Wahrhaftige fällt.
Zwölftes Kapitel12 Man kann aber von allen diesen Eigenschaften mit Recht behaupten, daß sie auf dasselbe Objekt hinzielen. Denn wir sprechen von Diskretion, Verständigkeit, Klugheit und Verstand, indem wir unbedenklich denselben Personen die Eigenschaft der Diskretion und des Verstandes zuschreiben und sie klug und wohlverständig nennen. Denn alle diese Potenzen beziehen sich auf das Letzte und das Einzelne, und einmal zeigt sich der Wohlverständige und der Diskrete oder Nachsichtige darin, daß er über die Dinge, mit denen der Kluge es zu tun hat, urteilt, da das Billige ja bei allem Guten, das ein fremdes Interesse berührt, in Betracht kommt. Alles Praktische aber gehört zum Einzelnen und zum Letzten, da sowohl der Kluge das, was zu tun ist, kennen muß, als auch
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die Verständigkeit und die Diskretion es mit dem Praktischen zu tun haben; das Praktische ist aber das Letzte. Sodann ist aber auch der Verstand nach beiden Seiten mit dem Letzten befaßt. Denn auf die ersten und auf die letzten Begriffe geht der Nus, der Verstand, und nicht der Logos, das Vermögen der Schlußfolgerung; und der eine Verstand, der es mit den Demonstrationen zu tun hat, geht auf die unbeweglichen und ersten Begriffe, der andere aber, der praktische, auf das Letzte, das Mögliche, den Untersatz. Solches ist Prinzip im Sinne des Zweckes oder des Beweggrundes; das Einzelne kann ja Prinzip sein, weil man aus ihm das Allgemeine gewinnt. Dieses Einzelne muß nun durch Wahrnehmung erfaßt werden, diese aber ist Verstand. Darum scheinen diese Vorzüge auch physischer Art zu sein, und während man niemanden von Natur für weise hält, nimmt man dagegen an, daß man Diskretion, Verständigkeit und praktischen Verstand als eine Naturanlage besitze. Ein Zeichen dafür liegt in der Vorstellung, die wir haben, als folgten diese Eigenschaften den verschiedenen Lebensaltern, und darin, daß ein bestimmtes Alter Verstand und Diskretion besitzt, als wäre die Natur die Ursache davon. Daher ist der (praktische) Verstand (von Seite seines Gegenstandes) sowohl Anfang wie auch Ende. Denn seine Schlußfolgerungen gehen vom Letzten und Einzelnen aus und beziehen sich auch darauf. Deswegen muß man auf die ohne Beweis ausgesprochenen Behauptungen und Meinungen der Erfahrenen, Alten und Klugen nicht weniger achten als auf die Demonstrationen. Denn weil sie ein durch Erfahrung geschärftes Auge haben, so sehen sie richtig. So hätten wir denn dargelegt, was die Klugheit und die Weisheit ist, womit jede von beiden es zu tun hat, und daß jede von ihnen die Tugend eines anderen Seelenteils ist.
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Dreizehntes Kapitel13 Man könnte aber betreffs ihrer fragen, zu was sie nütze sind. Denn die Weisheit betrachtet nichts, wodurch der Mensch glücklich werden kann – sie hat es ja mit keinem Werden zu tun –, die Klugheit aber tut das zwar, aber wozu bedarf es ihrer? Sie lehrt uns zwar das Gerechte, sittlich Gute und dem Menschen Ersprießliche – das heißt eben das, was der tugendhafte Mann zu tun hat –, aber wegen des Wissens, das wir davon haben, sind wir um nichts tätiger, wenn anders die Tugenden Fertigkeiten sind, wie auch nicht wegen des Wissens von der Gesundheit und Kraft, solange es sich nämlich um Dinge handelt, die kein bloßes Tun bedeuten, sondern die Äußerung eines Habitus. Wir sind ja darum, weil wir die Heilkunde und die gymnastische Methode innehaben, noch um nichts tätiger. Wollte man aber sagen, die Klugheit sei nicht dafür da, um die Tugenden besser kennenzulernen, sondern um tugendhaft zu werden, so wäre sie dem, der tugendhaft ist, zu nichts nütze; aber auch dem nicht, der die Tugend nicht hat. Denn ob einer die Klugheit selbst besitzt oder anderen, die sie besitzen, Folge leistet, möchte nichts ausmachen. Das letztere könnte uns genügen, wie es ja auch bezüglich der Gesundheit der Fall ist. Wir wollen alle gesund sein und studieren darum doch nicht alle Medizin. Zudem scheint es ungereimt, wenn sie (die Klugheit), die doch geringer ist als die Weisheit, wichtiger und maßgebender sein soll als sie. Denn die hervorbringende Tugend herrscht und befiehlt in allen Dingen. Hierüber also müssen wir uns erklären. Denn bis jetzt haben wir nur Fragen und Bedenken aufgeworfen. Wir sagen also zuerst, daß diese beiden Tugenden, selbst wenn keine von ihnen etwas hervorbrächte, doch notwendig an und für sich begehrenswert wären, insofern jede von ihnen die Tugend und Vollkommenheit eines anderen Seelenteils ist. Sodann bringen sie aber auch wirklich etwas hervor; aber nicht wie die Medizin, sondern wie die Gesundheit die Gesundheit hervorbringt, so die Weisheit die Glückseligkeit.
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Denn als Teil der ganzen Tugend macht sie durch ihren Besitz und ihre Tätigkeit glücklich. Ferner kommen die menschlichen Handlungen unter dem maßgebenden Einfluß der Klugheit und der sittlichen Tugend zustande. Die Tugend macht, daß man sich das rechte Ziel setzt, die Klugheit, daß man die rechten Mittel dazu wählt. Der vierte Seelenteil, der vegetative, hat keine solche Tugend, weil es nicht bei ihm steht, zu handeln oder nicht zu handeln. Was aber den Einwand angeht, daß niemand wegen der Klugheit in höherem Grade sittliche und gerechte Handlungen verrichte, so müssen wir zu seiner Widerlegung etwas weiter zurückgreifen und von folgendem ausgehen. Manche Personen, die gerechte Handlungen vollbringen, nennen wir darum noch nicht gerecht, solche z. B. nicht, die die gesetzlichen Vorschriften unfreiwillig oder unwissentlich oder aus sonst einem Grunde, nicht aber wegen der Vorschriften selbst beobachten, obgleich sie das tun, was sie sollen und dem Tugendhaften die Pflicht auferlegt. Ebenso nun, so scheint es, gibt es auch eine bestimmte Verfassung, die erst jegliches so zur Ausführung gelangen läßt, daß es wahrhaft gut ist, ich meine ein Handeln aus freier Willenswahl und um der tugendhaften Handlung selbst willen. Daß nun die Willenswahl die rechte sei, ist das Werk der Tugend, daß aber alles das geschehe, was von Natur zur Erreichung des von der Tugend gewählten Zieles dient, ist nicht das Werk der Tugend, sondern eines anderen Vermögens. Wir müssen uns das noch deutlicher zum Verständnis bringen und noch etwas ausführlicher davon reden. Es gibt ein Vermögen, das man als Geschicklichkeit bezeichnet. Der Geschicklichkeit ist es eigen, daß sie das, was zum vorgesetzten Ziele führt, zu tun versteht und zu treffen weiß. Ist nun das Ziel gut, so ist sie löblich; ist es schlecht, so ist sie Schlauheit und Durchtriebenheit. Daher nennen wir die Klugen wie die Schlauen geschickt. Die Klugheit ist nicht die Geschicklichkeit, aber sie ist nicht ohne dieses Vermögen. Die Entfaltung zum Habitus aber wird diesem Auge der Seele nicht ohne Tugend zuteil, wie wir gesagt haben und auch leicht einzusehen ist. Denn die Schlüsse, die dem Handeln als Prin-
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zip vorangehen, lauten: „Weil das und das das Ziel und das Beste ist – was es ist, ist gleichgültig; als Beispiel diene das erste beste –, so ...“ Dieses Ziel aber offenbart sich nur dem Tugendhaften. Denn die Schlechtigkeit verkehrt das Urteil der Vernunft und führt hinsichtlich der Prinzipien des Handelns in die Irre, und so ist es offenbar unmöglich klug zu sein, ohne tugendhaft zu sein. Wenden wir nun wieder der Tugend unser Augenmerk zu. Auch sie verhält sich zur Geschicklichkeit ähnlich wie die Klugheit: ohne mit ihr eins zu sein, ist sie ihr doch ähnlich. Ebenso verhält sich die natürliche Tugend zu der Tugend im eigentlichen Sinne. Denn jedermann scheint die einzelnen Charaktereigenschaften, die er hat, gewissermaßen von Natur zu besitzen. Die Eigenschaften der Gerechtigkeit, der Mäßigkeit, des Mutes und so weiter haben wir gleich von Geburt an, und dennoch fordern wir, daß das eigentliche Gute noch etwas anderes sei, und daß der Mensch solche Eigenschaften noch auf eine andere Weise besitze. Denn die natürlichen Dispositionen sind auch Kindern und Tieren eigen; da sie aber bei ihnen ohne das Geleite des Verstandes erscheinen, so richten sie leicht auch Schaden an. Jedenfalls scheint soviel ersichtlich zu sein, daß – wie es einem starken Körper, der sich ohne Sehkraft bewegt, begegnen kann, daß er stark anstößt, weil ihm das Gesicht fehlt – es sich ebenso auch hier verhält. Wenn aber zu einem solchen Körper der Verstand hinzutritt, so leistet er Ausgezeichnetes. Der Habitus aber wird dann eigentliche Tugend, während er bis dahin ihr nur ähnlich war. Wie es also in dem meinenden und theoretisch urteilenden Seelenteil zwei Arten von Prinzipien des Handelns gibt, die Geschicklichkeit und die Klugheit, so gibt es auch im appetitiven und ethischen Teil ihrer zwei, die eine ist natürliche, die andere die eigentliche Tugend, und von diesen entwickelt die eigentliche sich nicht ohne Klugheit. Daher begegnet man hier und da der Behauptung, alle Tugenden seien ebensoviele Arten der Klugheit, und die sokratische Fragestellung war mit dieser Ansicht teils im Recht, teils war sie im Irrtum. Darin, daß Sokrates die Tugenden insge-
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samt für besondere Arten der Klugheit ansah, irrte er; daß er sie aber als untrennbar von der Klugheit dachte, darin urteilte er durchaus zutreffend. Ein Beweis dafür liegt darin: heutzutage unterläßt niemand, der die Tugend definieren will, bei dem Moment des Habitus, das er einsetzt, dessen Richtung anzugeben, daß dieselbe nämlich der rechten Vernunft entspricht; die rechte Vernunft aber ist die der Klugheit gemäße. Jedermann scheint also gleichsam zu ahnen, daß die Tugend ein solcher Habitus ist, der der Klugheit gemäß ist. Man muß aber noch einen kleinen Schritt weiter gehen. Nicht der Habitus, der bloß der rechten Vernunft gemäß ist, ist Tugend, sondern der mit der rechten Vernunft verbundene Habitus ist es. Rechte Vernunft aber ist eben die Klugheit in diesen Dingen. Sokrates meinte also, die Tugenden seien je besondere Äußerungen der Vernunft – sie sollten ja insgesamt Wissenschaften sein –, wir dagegen sagen, sie seien mit der Vernunft verbunden. So erhellt denn aus dem Gesagten, daß man nicht im eigentlichen Sinne tugendhaft sein kann ohne Klugheit, noch klug ohne die sittliche Tugend. Hiermit ist auch der Grund widerlegt, auf den hin man die Tugenden für getrennt voneinander erklären könnte, da nicht eine und dieselbe Person von Natur zu allen Tugenden die gleichen glücklichen Anlagen hat und sie so schon im Besitz der einen sein kann, ohne auch die andere erlangt zu haben. Dies ist nämlich zwar in Ansehung der natürlichen Tugenden möglich, aber nicht in Ansehung derjenigen Tugenden, aufgrund derer man schlechthin tugendhaft heißt: diese werden mit der einen Klugheit sämtlich vorhanden sein. Aber auch wenn die Klugheit zum Handeln nichts beitrüge, bedürfte man ihrer offenbar doch, weil sie die Vollkommenheit eines Seelenvermögens ist, und weil die Willenswahl ohne Klugheit und ohne Tugend nicht recht geraten kann. Diese läßt uns das Ziel bestimmen, jene die Mittel dazu gebrauchen. Dennoch steht die Klugheit nicht über der Weisheit, noch ist sie Eigenschaft eines höheren Vermögens. Die Heilkunde steht ja auch nicht über der Gesundheit. Denn sie bedient sich derselben nicht, sondern ist darauf bedacht, sie herzustellen.
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Sie gibt also ihre Vorschriften nicht ihr, sondern ihretwegen. Auch könnte man ebensogut sagen, die Staatskunst herrsche über die Götter, weil sie für alles im Staat (mit Einschluß des Kultus) ihre Anordnungen trifft.
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Erstes Kapitel1 Hiernach haben wir einen anderen Ausgangspunkt zu nehmen und zu sagen, daß es drei Arten dessen gibt, was man auf dem sittlichen Gebiet meiden muß: Schlechtigkeit, Unenthaltsamkeit und tierische Roheit. Das Gegenteil der beiden ersten ist klar: das eine nennen wir Tugend, das andere Enthaltsamkeit; das Gegenteil der tierischen Roheit würde am passendsten eine übermenschliche, gewissermaßen heroische und göttliche Tugend heißen können, wie schon Homer den Priamus von Hektor wegen seiner hohen Vortrefflichkeit sagen läßt: „– schien er doch nimmer Wie einem sterblichen Mann, nein, wie einem Gotte entsprossen.“
Wenn daher, wie man sagt, aus Menschen durch ein Übermaß der Tugend Götter werden, so wäre offenbar der der tierischen Roheit entgegengesetzte Habitus gleichsam von solcher Art. Denn wie dem Tiere weder Schlechtigkeit noch Tugend zukommt, so auch Gott nicht, sondern die göttliche Vollkommenheit ist etwas Ehrwürdigeres als Tugend, die tierische Bosheit ist Schlechtigkeit in einem anderen Sinn. Wie aber ein göttlicher Mann – ein Ausdruck, den die Lakedämonier gebrauchen, wenn sie jemanden sehr bewundern; ein seios aner sagen sie – selten vorkommt, so ist auch ein tierisch verwilderter Mensch eine seltene Erscheinung. Am häufigsten noch kommen solche bestialische Naturen unter den Barbaren vor; einzelne Individuen werden auch infolge von Krankheiten und Verstümmelungen so weit gebracht. Aber auch Menschen von ganz besonderer Lasterhaftigkeit belegen wir mit dieser schimpflichen Bezeichnung. Indessen werden
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wir dieser Gemütsbeschaffenheit noch weiter unten kurz gedenken, die Schlechtigkeit dagegen ist schon früher zur Sprache gekommen. Jetzt wollen wir von der Unenthaltsamkeit, Weichlichkeit und Üppigkeit, sowie von der Enthaltsamkeit und Abgehärtetheit handeln. Jede dieser beiden Klassen von Eigenschaften ist nämlich weder als ein und dasselbe mit der Tugend und dem Laster, noch als von ihnen der Gattung nach verschieden zu denken. Auch hier müssen wir wie sonst die Ansichten, die einen Schein von Richtigkeit haben, hersetzen und zuerst die Zweifel über sie vortragen, um dann entweder womöglich alles, was bezüglich der gedachten Affekte annehmbar erscheint, nachzuweisen, oder doch das meiste und Wichtigste davon. Denn wenn die Schwierigkeiten gelöst sind und das Annehmbare übrigbleibt, hat die Untersuchung das Ihrige getan.
Zweites Kapitel2 Die Enthaltsamkeit also wie die Abgehärtetheit scheint zu den trefflichen und lobenswerten Dingen, die Unenthaltsamkeit und Weichlichkeit dagegen zu den schlechten und tadelnswerten zu gehören. Ebenso scheint Enthaltsamkeit soviel als Beharren bei dem einmal gefällten Urteil der Vernunft und Unenthaltsamkeit soviel als Abfall von demselben zu sein. Endlich weiß der Unenthaltsame, daß das, was er tut, verkehrt ist, und tut es aus Leidenschaft doch; der Enthaltsame aber weiß, daß seine Begierden böse sind, und gibt ihnen aus Vernunft nicht nach. Auch sagt man, der Mäßige sei enthaltsam und starkmütig; umgekehrt aber meint man teils, jeder, der die beiden letzten Eigenschaften habe, sei mäßig, teils bestreitet man es. Ebenso gilt den einen der Zuchtlose unterschiedslos für unenthaltsam und der Unenthaltsame für zuchtlos, während die anderen zwischen beiden einen Unterschied machen. – Von dem Klugen aber bestreitet man bald, daß er unenthaltsam sein könne, bald behauptet man, daß einige zwar klug und geschickt,
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aber doch unenthaltsam sind. Endlich spricht man von Unbeherrschtheit in bezug auf Zorn, Ehre und Gewinn. Dies also sind die gängigen Ansichten.
Drittes Kapitel3 Man könnte es aber bedenklich finden, daß einer trotz richtiger Ansichten sollte unenthaltsam sein können. Und daher behaupten einige, bei einem, der ein wahres Wissen in einer Sache habe, sei dieses unmöglich. So meinte Sokrates, es sei entsetzlich, wenn jemandem wirkliches Wissen innewohnte, und doch etwas anderes stärker wäre und ihn wie einen Sklaven hin- und herzöge. Sokrates nämlich bekämpfte überhaupt den Begriff, wie wenn es Unmäßigkeit gar nicht gäbe. Niemand sollte ihm zufolge wissentlich gegen das Beste handeln, sondern immer nur aus Unwissenheit. Allein diese Vorstellung steht zu den klaren Tatsachen in Widerspruch, und man muß nur sein Augenmerk auf den Affekt, die Leidenschaft, richten und, wenn wirklich unwissentlich gefehlt wird, die Frage stellen, in welcher Art die Unwissenheit entsteht. Liegt es doch auf der Hand, daß der Unenthaltsame erst dann meint, das Verbotene tun zu sollen, wenn die Leidenschaft ihn übermannt. Einige pflichten nun dem sokratischen Standpunkt in einer Hinsicht bei, in anderer nicht. Sie geben zu, daß nichts stärker sei als die Wissenschaft, daß aber niemand gegen das nach seiner Meinung Bessere handele, geben sie nicht zu, und deshalb behaupten sie, wenn der Unenthaltsame von seinen Lüsten übermannt werde, so habe er keine Wissenschaft, sondern nur eine Meinung. – Aber, sollte uns scheinen, wenn es sich um Meinen, nicht um Wissen handelt, und die der Lust ungünstige Annahme nicht auf starken, sondern auf schwachen Füßen steht und dem Zweifel nahekommt, so verdient es Nachsicht, wenn man einer solchen Meinung bei starken Begierden nicht treu bleibt. Nun aber gebührt der Schlechtigkeit wie allem, was sonst Tadel verdient, keine Nachsicht.
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So wäre es also die Klugheit, die hier Einspruch erhöbe; denn sie ist im Besitz der sichersten und festesten Meinung. Aber das ist ungereimt; denn da würde einer klug und unenthaltsam zugleich sein; und doch würde niemand es für des klugen Mannes Art ausgeben, freiwillig das Schlechteste zu tun. Zudem ist vorhin gezeigt worden, daß der Kluge sich im Handeln zeigt; denn er ist ein Mann, der es mit dem Letzten, dem Einzelnen, zu tun hat und außerdem die anderen Tugenden, die sittlichen, besitzt. Ferner, wenn man darum enthaltsam sein soll, weil man starke und schlechte Begierden hat, so wird der Mäßige nicht enthaltsam und der Enthaltsame nicht mäßig sein. Denn es ist weder des mäßigen Mannes Art, heftige Begierden zu haben noch schlechte. Und doch müßte dies so sein. Denn wenn die Begierden gut sind, so ist der Habitus, der uns abhält, ihnen Folge zu geben, schlecht, so daß also nicht jede Enthaltsamkeit gut wäre; wenn sie aber schwach und nicht schlecht sind, so ist es kein Ruhm, sie zu überwinden, und wenn sie schlecht und schwach sind, so ist es nichts Großes, ihnen zu widerstehen. Ferner, wenn die Enthaltsamkeit macht, daß man bei jeder Meinung beharrt, so ist sie schlecht, wenn sie einen z. B. auch bei einer falschen Meinung beharren läßt; und wenn umgekehrt die Unenthaltsamkeit macht, daß man bei keiner Meinung beharrt, so muß es eine gute Unenthaltsamkeit geben, wie die des Neoptolemus im Philoktet des Sophokles eine war. Denn er verdiente Lob, weil er aus Abscheu vor der Lüge nicht bei dem blieb, wozu er von Odysseus überredet worden war. Auch muß der sophistische Trugschluß für den, der den gedachten Standpunkt vertritt, eine Schwierigkeit sein. Weil man nämlich etwas Paradoxes zu erweisen sucht, um sich, wenns gerät, einen großen Schein zu geben, so bringt der Schluß, der herauskommt, den Hörer in Verlegenheit; denn das Denken findet sich alsdann gebunden, weil es sich einerseits bei der mißlichen Folgerung nicht beruhigen, und doch auch wieder, unvermögend den vorgebrachten Grund zu entkräften, nicht von der Stelle kommen kann. Auch würde es eine Erwägung
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geben, die zu der Folgerung führte, daß Unverstand gepaart mit Unenthaltsamkeit Tugend wäre. Man tut nämlich das Gegenteil von dem vermeintlich Rechten aus Unenthaltsamkeit, meint aber, das Gute sei schlecht und dürfe nicht geschehn, und so wird man denn das Gute, nicht das Böse, tun. Ferner, wer in gutem Glauben handelt und so das Lustbringende erstrebt und wählt, darf wohl als besser gelten denn jener, der das nicht in gutem Glauben, sondern aus Unenthaltsamkeit tut. Denn er ist leichter zu heilen, weil es möglich ist, daß er sich eines Besseren belehren läßt. Dagegen paßt auf den Unenthaltsamen das Sprichwort, worin wir sagen: „Wenn das Wasser würgt, was soll man drauf trinken?“ Denn wenn er von der Verkehrtheit seines Tuns nicht überzeugt gewesen wäre, so hätte er bei besserer Überzeugung davon abgelassen; so aber weiß er es besser, und handelt doch anders. Ferner, wenn es in allem Unenthaltsamkeit und Enthaltsamkeit gibt, wer ist dann der Unenthaltsame an sich, und doch sagen wir von gewissen Leuten, daß sie schlechthin unenthaltsam sind. Viertes Kapitel4 Derart sind etwa die sich erhebenden Schwierigkeiten, die wir nunmehr teils zu lösen, teils zu bestätigen haben. Denn die Lösung einer Schwierigkeit ist ein Finden. Zuerst müssen wir sehen, ob der Unenthaltsame wissentlich oder unwissentlich, und inwiefern oder wie unwissentlich er handelt, darauf dann, was man als Gegenstand der Unenthaltsamkeit und der Enthaltsamkeit aufstellen soll, ob nämlich jede Lust und Unlust oder nur bestimmte Arten derselben, ferner ob enthaltsam und abgehärtet dasselbe sind oder verschieden; zuletzt sind ähnlich die anderen dieser Betrachtung verwandten Punkte zu erledigen. Der erste Ausgangspunkt dieser Erörterung ist die Frage, ob der Unterschied zwischen dem Enthaltsamen und dem Unenthaltsamen in dem Gegenstand oder in dem Wie liegt, das heißt ob der Unenthaltsame nur darum, weil er es mit einem
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bestimmten Gegenstande zu tun hat, unenthaltsam ist, oder vielmehr darum, weil sein Verhalten ein bestimmtes ist, oder endlich aus beiden Gründen zugleich. An zweiter Stelle ist die Frage zu beantworten, ob die Unenthaltsamkeit und die Enthaltsamkeit es mit allen Dingen zu tun hat oder nicht. Der schlechthin Unenthaltsame hat es nämlich nicht mit allem zu tun, sondern vielmehr mit eben dem, worauf die Unmäßigkeit sich bezieht, und er ist unenthaltsam, nicht insofern er überhaupt zu dem betreffenden Ding ein Verhältnis hat, da das dasselbe wäre wie die Unmäßigkeit, sondern insofern er dieses bestimmte Verhältnis hat. Der eine nämlich gibt sich mit Vorsatz und aus freier Wahl der Begierde hin und hat dabei die Meinung, daß man immer die Lust des Augenblicks genießen müsse; der andere meint das nicht, frönt der Lust aber doch. Fünftes Kapitel5
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Was nun die Ansicht betrifft, es sei wahre Meinung, nicht Wissen, was bei der Unenthaltsamkeit verleugnet wird, so ist dieses für unsere Untersuchung ganz gleichgültig. Mancher meint nur und hat doch keinen Zweifel, sondern glaubt seiner Sache ganz sicher zu sein. Soll also der Meinende darum, weil seine Überzeugung nur schwach ist, eher und leichter gegen seine Ansicht handeln, so kann zwischen Wissen und Meinen kein Unterschied sein. Denn mancher glaubt so fest an das, was er meint, wie andere an das, was sie wissen; das sieht man an Heraklit. Man wird vielmehr, da Wissen ein doppelsinniger Ausdruck ist – gilt doch als Wissender ebensowohl, wer die Wissenschaft hat und sie nicht anwendet, als wer sie anwendet –, unterscheiden müssen, ob jemand tut, was er nicht soll, indem er zwar das Wissen hat, aber an das, was er weiß, nicht denkt, oder indem er es hat und auch entsprechend denkt: das letztere erscheint schrecklich, nicht das erstere, wenn er an nichts denkt. Da es ferner zwei Arten von Vordersätzen gibt, so steht nichts im Wege, daß man im Besitz beider dennoch gegen sein
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Wissen handelt, indem man nämlich den allgemeinen Vordersatz anwendet, den partikulären aber nicht; denn was zur Ausführung kommt, ist das einzelne. Aber auch beim Allgemeinen ist ein Unterschied: man kann es nehmen, wie es für sich und wie es in den Dingen ist; in der ersten Weise nimmt man es z. B. in dem Satz: allen Menschen nützt trockene Nahrung; in der zweiten in dem Satz: das ist ein Mensch, oder: diese Speise von dieser konkreten Beschaffenheit ist trocken. Daß aber dieses bestimmte Ding die und die Beschaffenheit hat, das weiß man entweder nicht, oder man denkt nicht aktuell daran. So bekommen wir denn einmal gemäß diesen Arten der Geistesverfassung einen gar großen Unterschied, so daß es durchaus nicht ungereimt scheinen kann, wenn man sich in dem einen Fall verfehlt, desto verwunderlicher aber, wenn es in dem anderen geschehen sollte; sodann aber kann auch abgesehen von den jetzt angegebenen Weisen das Wissen noch in einer anderen Art im Besitz des Menschen angetroffen werden. Es tritt uns nämlich ein Unterschied des Habitus insofern entgegen, als man ihn zwar hat, aber nicht anwendet, so daß man ihn gleichsam hat und nicht hat, wie im Zustand des Schlafes, der Raserei und der Trunkenheit. In solcher Verfassung befindet sich nun eben der leidenschaftlich Erregte. Zorn, fleischliche Begierde und dergleichen verändern ja offenbar sogar den Körper und versetzen manche selbst in Raserei. So sieht man denn, daß der Zustand des Unenthaltsamen ganz ähnlich aufzufassen ist. Daß man dabei Reden führen kann, die aus dem Wissen stammen, ist kein Gegenbeweis. Es führen ja wohl auch die, die sich in den bezeichneten Zuständen befinden, Sprüche und Beweise des Empedokles an, und auch die Schüler der Anfangsstufe reihen Worte aneinander, wissen aber noch nicht, was sie bedeuten. Denn die Sache muß ihnen zuerst in Fleisch und Blut übergegangen sein, und das bedarf der Zeit. Man muß also annehmen, daß ein Mensch, der sich nicht beherrschen kann, Worte macht wie ein Schauspieler auf der Bühne. Man kann sich die Ursache der Erscheinung, die uns beschäftigt, auch in folgender Weise nach dem natürlichen
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Hergang in der Seele klarmachen. Die eine das Handeln bestimmende Meinung ist allgemein, die andere geht auf das einzelne, das als solches der sinnlichen Wahrnehmung untersteht. Wird nun aus den beiden Meinungen durch logische Verknüpfung eine, so muß die Folgerung da, wo es sich bloß um die Erkenntnis handelt, von der Seele bejaht, dagegen im Praktischen sogleich in die Handlung übersetzt werden; es muß z. B., wenn man alles Süße kosten muß und dieses bestimmte einzelne Ding süß ist, der Mensch, wenn er es kann und nicht gehindert oder abgehalten wird, dieses gleichzeitig auch tun. Wenn demnach zwar die allgemeine Meinung, die das Kosten verbietet, in der Seele vorhanden ist, daneben aber eine andere, daß alles Süße angenehm und dieses bestimmte Ding süß ist – und diese singuläre Meinung wirkt –, und wenn überdies die Begierde die Seele einnimmt, so heißt zwar jene erste Meinung den Genuß meiden, aber die Begierde treibt und führt zu ihm hin, da sie jeden Seelenteil zu bewegen vermag, und so geschieht es, daß man gewissermaßen durch Schuld der Vernunft und der Meinung unenthaltsam ist, einer Meinung aber, die nicht an sich, sondern mitfolgend mit der Vernunft entzweit ist; denn die Begierde, nicht die Meinung, ist mit der rechten Vernunft entzweit, weshalb die Tiere auch nicht unenthaltsam sind, weil sie keine Meinung von dem Allgemeinen haben, sondern nur Vorstellungsvermögen und Gedächtnis für das einzelne. – Was die Weise betrifft, wie die Unwissenheit behoben wird und der Unenthaltsame wieder zur Vernunft kommt, so verhält es sich damit ebenso wie mit denen, die betrunken sind oder schlafen: es ist dies nicht etwas, was dem gedachten Seelenzustand eigentümlich wäre, und man muß darüber die Naturkundigen hören. Da aber die zweite Prämisse im praktischen Schlußverfahren eine Meinung über etwas Sinnenfälliges und Herrin der Handlungen ist, so ist der leidenschaftlich Erregte entweder nicht in ihrem Besitz oder doch nur so, daß dieser Besitz kein Wissen ist, sondern ein Reden in der Art, wie ein Betrunkener den Empedokles zitiert. Und weil der letzte Begriff, der das Handeln bestimmt, nicht allgemein und nicht im selben Sin-
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ne wissenschaftlich zu sein scheint wie ein allgemeiner, so gewinnt es auch das Ansehen, als ob das Philosophem des Sokrates zu Recht bestände. Denn nicht im Angesicht der eigentlich als solche erscheinenden Wissenschaft tritt die Leidenschaft auf, noch ist es Wissenschaft, die durch sie verkehrt wird, sondern nur der sinnlichen Erkenntnis gegenüber kommt sie auf. Soviel sei denn gesagt über die Frage, ob man wissend oder nicht wissend unenthaltsam ist, und bei welcher Art Wissen man es sein kann. Sechstes Kapitel6 Hiernach ist zu erörtern, ob jemand schlechthin unenthaltsam ist, oder jeder nur teilweise, und wenn schlechthin, in was für Dingen er es ist. Daß der Enthaltsame und Abgehärtete sowie der Unenthaltsame und Weichliche es mit Lust und Unlust zu tun haben, ist klar. Da aber das Lustbringende teils notwendig, teils an sich begehrenswert, aber eines Übermaßes fähig ist, so ist notwendig jenes Lustbringende, das sich auf den Körper bezieht, und hierunter versteht man, was zur Nahrung, zum Geschlechtsleben und zu denjenigen körperlichen Dingen gehört, mit denen es nach unserer früheren Darlegung die Unmäßigkeit und die Mäßigkeit zu tun haben. Anderes ist nicht notwendig, aber an sich begehrenswert; darunter sind z. B. der Sieg, die Ehre, der Reichtum und ähnliche Güter und Annehmlichkeiten zu verstehen. Wer nun hierin die Grenzen der in ihm selbst liegenden rechten Vernunft überschreitet, den bezeichnen wir nicht als schlechthin unenthaltsam, sondern mit einem Zusatz, z. B. unenthaltsam in bezug auf Geld, Gewinn, Ehre, Zorn, aber nicht schlechthin, als einen Mann also, der von anderer Art ist und nur der Ähnlichkeit wegen so genannt wird, wie jener Mann, der bei den Olympischen Spielen gesiegt hatte, „Mensch“ hieß. Bei ihm unterschied sich ja der gemeinsame Begriff von dem singulären nur wenig, aber immerhin unterschied er sich. Ein Zeichen des vorhandenen Unterschiedes ist, daß man die Unenthaltsamkeit nicht nur
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als einen Fehler tadelt, sondern auch als eine Schlechtigkeit, sei sie nun wirklich eine solche schlechthin oder vielmehr nur einem Teil nach, während das bei den genannten besonderen Arten der Unenthaltsamkeit niemals der Fall ist. Von denen aber, die es mit den körperlichen Genüssen zu tun haben, auf die sich die Mäßigkeit und die Unmäßigkeit bezieht, wird derjenige, der nicht mit Vorsatz dem Übermaß der Lust nachgeht und dem Übermaß des Schmerzes, des Hungers, des Durstes, der Hitze, der Kälte und aller unter das Gefühl und den Geschmack fallenden Dinge ausweicht, sondern dies gegen seinen Vorsatz und gegen sein besseres Urteil tut –, ein solcher, sage ich, wird unenthaltsam genannt, nicht mit einem Zusatz, also unenthaltsam mit Bezug auf das und das, z. B. Zorn, sondern nur schlechthin unenthaltsam. Ein Zeichen dafür ist, daß man auch von Weichlichen mit Bezug auf Dinge wie Hunger und Durst redet, doch nie mit Bezug auf solche Dinge wie Armut oder Ehrverlust. Und darum stellen wir den Unenthaltsamen und den Unmäßigen sowie den Enthaltsamen und den Mäßigen zusammen, aber keinen der anderen Art, weil sie es gewissermaßen mit denselben Arten von Lust und Unlust zu tun haben, nur daß sie zwar zur gleichen Sache in einem Verhältnis stehen, aber nicht in dem gleichen Verhältnis, insofern die einen vorsätzlich, die anderen unvorsätzlich handeln. Darum könnten wir eher den unmäßig nennen, der ohne Begierde oder nur mit schwacher Begierde dem Übermaß nachgeht oder selbst kleine Schmerzen flieht, als den, der aus heftiger Begierde handelt; denn was täte er erst, wenn jugendlich heftige Begierde und starker Schmerz über Mangel an lebensnotwendigen Dingen hinzukäme? Da aber die Begierden und Freuden teils ihrer Art nach gut und lobenswert sind – denn manches Lustbringende ist von Natur begehrenswert, anderes aber ist das Gegenteil davon, und noch anderes liegt in der Mitte zwischen beiden, wie wir das vorhin von Geld und Gewinn, Ehre und Sieg bemerkt haben –, so unterliegt in betreff der ganzen ersten und mittleren Klasse nicht der Affekt, die Begierde und Liebe an sich dem Tadel, sondern nur ein gewisses Übermaß davon. Wer sich
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darum wider die Vernunft von etwas natürlich Schönem und Gutem einnehmen läßt oder ihm nachgeht, wer z. B. über Gebühr an der Ehre oder den Kindern oder den Eltern hängt – auch sie sind ja ein Gut und wem sie am Herzen liegen, der erntet Lob, und doch gibt es auch hier ein Zuviel, wenn man z. B. wie Niobe selbst die Götter zum Kampf herausforderte oder wie Satyrus, mit dem Beinamen der Vaterliebende, die Anhänglichkeit an seinen Vater übertriebe; denn er schien in seiner Torheit jedes Maß zu verleugnen –, also gegenüber solchen Objekten des Affektes gibt es zwar aus dem angeführten Grunde keine Schlechtigkeit, weil alles dies von Natur seiner selbst wegen begehrenswert ist, wogegen allein das Zuviel ihnen gegenüber schlecht und zu meiden ist. Aus dem gleichen Grund gibt es hier keine Unenthaltsamkeit; denn die Unenthaltsamkeit ist nicht bloß zu meiden, sondern auch als sittlich häßlich zu tadeln. Doch brauchen wir wegen einer gewissen Ähnlichkeit der Gemütsverfassung im Hinblick auf jedes von den gedachten Objekten den Ausdruck Unenthaltsamkeit mit einem Zusatz, ähnlich wie wir jemanden einen schlechten Arzt und einen schlechten Schauspieler nennen, den wir doch nicht einfachhin schlecht nennen würden. Wie wir also hier an keine eigentliche Schlechtigkeit denken, weil es sich beidemal nicht um eine solche, sondern nur um etwas ihr durch Analogie Ähnliches handelt, so müssen wir offenbar auch dort daran festhalten, daß nur das Unenthaltsamkeit und Enthaltsamkeit ist, was sich auf dieselben Gegenstände bezieht wie die Mäßigkeit und die Unmäßigkeit; vom Zorn aber brauchen wir den Ausdruck wegen der Ähnlichkeit, weshalb wir auch mit einem Zusatz sagen: unenthaltsam im Zorn, ebenso wie wir von Unenthaltsamkeit betreffs der Ehre und des Erwerbs reden. Da aber manches von Natur lustbringend ist, und zwar teils schlechthin, teils je nach den verschiedenen Gattungen von Tieren und Menschen, anderes dagegen es nicht von Natur ist, sondern auf Grund von Defekten, Gewohnheiten und schlimmer Naturanlage, so lassen sich auch bei jedem dieser Fälle entsprechende psychische Dispositionen beobachten. Ich den-
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ke hier einmal an die Erscheinungen tierischer Wildheit wie bei jenem Weib, das die Schwangeren aufgeschlitzt und die Kinder verzehrt haben soll, oder wie bei gewissen entmenschten Völkerschaften am Schwarzen Meer, die ihre Lust darin finden sollen, rohes Fleisch oder auch Menschenfleisch zu fressen und ihre Kinder unter sich zum Schmause zu verschenken, oder auch an das, was man von Phalaris berichtet. Das sind also Erscheinungen, in denen eine tierische Art zutage tritt; andere treten bisweilen infolge von Krankheiten und Wahnsinn auf, wie es bei jenem Menschen der Fall war, der seine Mutter schlachtete und aufaß, oder bei dem Sklaven, der die Leber seines Mitsklaven verzehrte. Wieder andere Abnormitäten haben Ähnlichkeit mit krankhaften Zuständen oder kommen von der Gewohnheit her, so das Ausraufen der Haare, das Verzehren der Nägel, das Verschlingen von Kohlen und Erde. Auch die Päderastie gehört hierher, zu der den einen die Neigung von Natur anhaftet, den anderen, z. B. solchen, die von Jugend auf mißbraucht worden sind, infolge der Gewohnheit. Diejenigen nun, bei denen die Natur an solchen Dingen schuld ist, nennt wohl niemand unenthaltsam, sowenig man etwa die Frauen darum so nennen würde, weil sie sich bei der Beiwohnung hingebend, nicht tätig verhalten; auch diejenigen nicht, die durch die Macht der Gewohnheit in einen krankhaften Zustand gebracht worden sind. Was also diese Dispositionen selbst angeht, so überschreiten sie jede für sich, wie auch die tierische Wildheit, die Grenzen menschlicher Verkehrtheit. Wenn aber der mit ihnen Behaftete sie meistert oder von ihnen überwunden wird, so ist das nicht Enthaltsamkeit oder Unenthaltsamkeit schlechthin, sondern beides nur der Ähnlichkeit nach, gleichwie man den Zornmütigen nur unenthaltsam nach dieser Art des Affektes nennen darf, nicht schlechthin und ohne Zusatz. Nämlich jedes Übermaß von Dummheit, Feigheit, Unmäßigkeit und Grausamkeit ist teils tierischer teils krankhafter Art. Wer von Natur so ist, daß er sich vor allem fürchtet, auch wenn eine Maus raschelt, der hat eine tierische Feigheit; ein anderer fürchtet die Katzen infolge von Krankheit; und die Dummen, die durch ihre natürliche
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Veranlagung keinen Verstand haben und ein bloß sinnliches Leben führen wie einige ferne Barbarenstämme, sind tierisch, die aber wegen körperlicher Störungen wie Fallsucht oder Wahnsinn so sind, sind von krankhafter Art. Es kommt aber mitunter vor, daß einer zwar die eine oder die andere Disposition der gedachten Art hat, ohne jedoch sich von ihr überwinden zu lassen; denken wir uns z. B. den Fall, daß ein Phalaris, wenn ihn die Begierde ankommt, ein Kind aufzuessen, oder in Versuchung zu ungeziemender geschlechtlicher Befriedigung, Enthaltung übt; und wieder kommt es vor, daß einer die ungesunde Affektion hat und auch von ihr überwältigt wird. Wie nun bei der Schlechtigkeit die menschliche als Schlechtigkeit einfachhin bezeichnet wird, die andere aber nicht, sondern vielmehr durch den Zusatz tierisch oder krankhaft unterschieden wird, ebenso gibt es offenbar auch eine tierische und eine krankhafte Unenthaltsamkeit, während doch nur jene Unenthaltsamkeit schlechthin so heißt, die der menschlichen Unmäßigkeit entspricht.
Siebentes Kapitel7 Wir haben gesehen, daß Unenthaltsamkeit und Enthaltsamkeit es ausschließlich mit denselben Dingen zu tun haben wie Unmäßigkeit und Mäßigkeit, und daß es den anderen Dingen gegenüber eine andere Art von Unenthaltsamkeit gibt, die nur metaphorisch und nicht schlechthin so heißt. Betrachten wir nun auch, warum die Unenthaltsamkeit im Zorn weniger schimpflich ist als die in den Begierden. Der Zorn scheint nämlich noch in etwa ein Ohr für die Vernunft zu haben, nur daß er nicht richtig hört, gleich einem behenden Diener, der, ohne seinen Herrn ganz ausreden zu lassen, hinausläuft und dann den Befehl verkehrt ausführt, oder gleich einem Hund, der, wenn es bloß klopft, gleich Laut gibt, ohne achtzugeben, ob es ein Freund ist: gerade so stürmt der Zorneseifer aus Hitze und Lebhaftigkeit der Natur auf die Rache los: er hat zwar gehört, aber nicht das Befohlene
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gehört. Der Verstand oder die Einbildung haben ihm gesagt, es liege übermütige oder geringschätzige Behandlung vor, der Zorn aber, gleichsam schlußfolgernd, daß man sich gegen ein solches Verhalten wehren müsse, läßt sich nun ohne weiteres gehen. Die Begierde dagegen stürmt, wenn nur Verstand oder Sinn anzeigen, daß etwas angenehm sei, zum Genuß, und so folgt der Zorn gewissermaßen der Vernunft, die Begierde aber nicht, und darum ist sie schimpflicher, d. h. sittlich häßlicher. Denn der im Zorn Unenthaltsame unterliegt in gewissem Sinn der Vernunft, der Sinnenmensch aber wird nicht von der Vernunft, sondern von der Begierde überwunden. Ferner, es ist verzeihlicher dem natürlichen Verlangen zu folgen, wie es auch eher verzeihlich ist, den allen Menschen gemeinsamen sinnlichen Begierden, insofern sie gemeinsame sind, nachzugeben. Der Zorn aber und die Heftigkeit ist naturgemäßer als die Begierde nach dem Übermaß und nach dem, was nicht notwendig ist, und, in diesem Sinne auf die ererbte Natur sich berufend, suchte jener Mensch, der seinen Vater schlug, sich zu rechtfertigen, indem er sagte: „Auch er hat den seinigen geschlagen, und der wieder den seinen, und“ – auf seinen Sohn zeigend – „der wird mich schlagen, wenn er ein Mann geworden ist; denn es liegt uns im Blute.“ Ebenso sagte ein anderer zu seinem Sohne, der ihn an den Haaren fortschleifte, er solle ihn nicht weiter als bis zur Türe schleifen, denn er habe auch seinen Vater nur so weit geschleift. Ferner, die Größe des Unrechts wächst mit dem Grade der Hinterlistigkeit. Nun ist aber der Zornmütige und der Zorn nicht hinterlistig, sondern offen, wohl aber ist es die Begierde. Darum heißt Aphrodite bei den Dichtern „die ränkesüchtige Tochter Zyperns“, und Homer sagt von ihrem gestickten Gürtel, es wohne darin „Schmeichelnde Bitte, die auch des Verständigsten Sinne betöret.“
Wenn also diese Unenthaltsamkeit ungerechter und häßlicher ist als die im Zorn, so ist sie auch Unenthaltsamkeit schlechthin und gewissermaßen ein Laster.
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Endlich verübt niemand mit Trauer Frevel und Unrecht; jeder aber, der im Zorn handelt, handelt mit Trauer, dagegen der Frevler mit Lust. Wenn nun also die Dinge, worüber wir uns mit Recht am ärgsten entrüsten, auch die Gerechtigkeit ärger verletzen, so muß das auch von der aus der Begierde entspringenden Unenthaltsamkeit gelten, da sie zu Frevel und eigentlicher Ungerechtigkeit verleitet, was der Zorn nicht tut. So haben wir denn gesehen, daß die Unenthaltsamkeit gegenüber der Lust schimpflicher ist als die gegenüber dem Zorn, und daß die Enthaltsamkeit und die Unenthaltsamkeit es mit den körperlichen Begierden und Lüsten zu tun hat. Nehmen wir nun auch die Unterschiede dieser letzteren in Betracht. Wie anfangs gesagt worden ist, sind die Begierden und Lüste teils nach Art und Grad menschlich und natürlich, teils sind sie tierischer Art oder endlich drittens auch Folgeerscheinungen von körperlichen Defekten oder von Krankheiten. Von diesen drei Arten ist es nur die erste, womit die Mäßigkeit und die Unmäßigkeit es zu tun hat. Daher nennen wir auch die Tiere nicht mäßig oder unmäßig, es sei denn im übertragenen Sinne, oder wenn eine Tiergattung es der anderen ganz und gar in Wildheit, Geilheit und Gefräßigkeit zuvortut. Denn das Tier hat nicht Willenswahl und Vernunft, sondern es fällt wohl einmal von seiner Natur ab wie ein rasender Mensch. Vertiertheit ist im Vergleich zur Schlechtigkeit ein Minus, aber furchtbarer. Denn bei ihr ist nicht das Beste verdorben, wie bei dem, der noch Mensch bleibt, sondern man hat es nicht einmal mehr. Es ist also ähnlich, wie wenn man Unbeseeltes und Beseeltes mit Rücksicht darauf vergleicht, was schlechter ist. Die Schlechtigkeit dessen, was kein seiner selbst mächtiges Prinzip hat, ist immer harmloser, ein solches Prinzip ist aber der Verstand. Es ist also ähnlich, wie wenn man die Ungerechtigkeit und den Ungerechten vergleicht; beides ist in gewissem Sinne schlechter; denn ein schlechter Mensch kann tausendmal mehr Schlechtes tun als ein Tier.
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Achtes Kapitel8 Zu den auf dem Gefühl und dem Geschmack beruhenden Arten von Lust und Unlust, Begehren und Fliehen, die weiter oben als die Sphäre der Unmäßigkeit und der Mäßigkeit bezeichnet worden sind, kann man sich einesteils so verhalten, daß man denjenigen Regungen unterliegt, worüber die Mehrzahl Herr bleibt, anderseits so, daß man über die Herr bleibt, denen die Mehrzahl unterliegt. Hier heißt der, der es mit der Lust zu tun hat, unenthaltsam oder enthaltsam, und der es mit der Unlust zu tun hat, weichlich oder abgehärtet. In der Mitte hält sich der Habitus der meisten, wenn sie auch mehr nach der schlechten Seite neigen. Da aber die verschiedenen Arten der Lust teils notwendig sind, teils nicht, und die notwendigen es bis zu einem gewissen Grade sind, während das Übermaß und der Mangel es nicht ist, und da es sich ebenso mit den verschiedenen Arten des Begehrens und der Unlust verhält, so ist derjenige, der dem Übermaß der Lust nachgeht oder der Lust auf übermäßige Weise, falls er es vorsätzlich, um ihrer selbst willen, nicht wegen eines außer ihr liegenden Zwecks tut – unmäßig und ohne Zucht. Denn er ist der Reue unfähig und mithin unheilbar. Denn wo keine Reue, da keine Möglichkeit der Besserung. Das Gegenteil ist, wer darin zuwenig tut, und in der Mitte steht der Mäßige, der Mann der Selbstzucht. Ihm steht gleich, wer die körperliche Unlust flieht, nicht aus Schwäche, sondern vorsätzlich. Von denen, die nicht vorsätzlich handeln, wird der eine durch die Lust verleitet, der andere durch die Scheu vor der Unlust der nicht gestillten Begierde, und so unterscheiden sie sich denn voneinander. Jedermann aber hält den für schlimmer, der ohne Begierde oder mit schwacher Begierde Schändliches tut, als den, der es im Zustand heftiger Begierde tut, und den, der ohne Zorn schlägt, für schlimmer als den, der es im Zorn tut. Denn was täte er erst in der Leidenschaft? Daher ist der Unmäßige schlimmer als der Unenthaltsame.
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Von den Unterarten dieser Klasse ist die eine mehr weichlich, die andere mehr unenthaltsam. Dem Unenthaltsamen steht der Enthaltsame, dem Weichling der Abgehärtete gegenüber. Die Abgehärtetheit zeigt sich nämlich im Widerstehen, die Enthaltsamkeit im Beherrschen. Das Widerstehen ist aber vom Beherrschen wie das Nicht-Unterliegen vom Siegen verschieden; daher ist auch die Enthaltsamkeit begehrenswerter als die Abgehärtetheit. Wer sich in Dingen schwach zeigt, in denen die meisten widerstehen und widerstehen können, ist weichlich und verzärtelt – denn auch die Verzärtelung ist eine Art Weichlichkeit –; er ist ein Mensch, der sein Gewand auf dem Boden schleifen läßt, um nicht die Beschwerde des Aufhebens zu erleiden, der sich krank und leidend stellt und sich nicht für elend hält, wenn er dem Elenden ähnlich ist. Ebenso verhält es sich mit der Enthaltsamkeit und der Unenthaltsamkeit. Nicht wenn einer von starker und übermäßiger Lust oder Unlust überwältigt wird, liegt ein Grund zur Verwunderung vor, vielmehr ist solches verzeihlich, wenn man eine Zeitlang Widerstand geleistet hat, wie der von der Natter gebissene Philoktet des Theodektes oder Kerkyon in der Alope des Karkinus oder einer, der das Lachen verbeißen will und dann auf einmal ausplatzt, wie es dem Xenophantus widerfuhr; wohl aber ist es verwunderlich und unverzeihlich, wenn einer in Dingen, denen sonst jedermann Widerstand zu leisten vermag, unterliegt und nicht zu widerstehen weiß, vorausgesetzt, daß nicht die Natur des Geschlechtes oder Krankheit daran Schuld ist, wie den skytischen Königen die Weichlichkeit durch Abstammung anhaftet, oder wie das weibliche Geschlecht im Verhältnis zum männlichen geartet ist. Auch der ausgelassen Lustige ist scheinbar unmäßig; in Wirklichkeit ist er weichlich, da die Lustigkeit als Erholung eine Art der Ausspannung ist und das Zuviel in letzterer eben den ausgelassen Lustigen kennzeichnet. Die Unenthaltsamkeit ist teils Übereilung, teils Schwäche. Die einen überlegen zwar, beharren aber infolge der Leidenschaft nicht bei ihrem Entschluß, die anderen werden mangels vorheriger Überlegung von der Leidenschaft fortgerissen.
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Wollten sie sich besser beraten, so widerführe ihnen dieses nicht. Einige nämlich machen es wie die, die sich selbst vorher kitzeln, um keinen Kitzel zu empfinden, sie verstehen sich darauf, im voraus zu merken und zu sehen, und dann sich selbst und ihren Verstand wachzurufen, und so kann die Empfindung, mag sie angenehm oder unangenehm sein, sie nicht überwältigen. Vorzüglich trifft man die Unenthaltsamkeit aus Übereilung bei den cholerischen und melancholischen Charakteren. Die einen warten wegen ihrer Raschheit, die anderen wegen ihrer Heftigkeit den Ausspruch der Vernunft nicht ab, weil sie gewohnt sind, sich von ihrer Einbildungskraft leiten zu lassen.
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Der Unmäßige fühlt, wie gesagt, keine Reue. Er bleibt bei seiner Willensrichtung. Der Unenthaltsame ist stets der Reue fähig. Es ist darum nicht so, wie wir zuvor in den Aporien meinten, sondern der eine ist unheilbar, der andere ist heilbar. Die Bosheit oder Schlechtigkeit gleicht nämlich Krankheiten wie der Wassersucht und Schwindsucht, die Unenthaltsamkeit der Epilepsie. Die eine ist dauernde, die andere nur zeitweilige Verkehrtheit. Überhaupt aber gehört die Unenthaltsamkeit und die Schlechtigkeit einer verschiedenen Gattung an. Denn die Schlechtigkeit weiß nicht von sich, die Unenthaltsamkeit aber wohl. Unter den Unenthaltsamen selbst sind wieder die, die sofort aus dem Lot kommen, besser oder nicht so schlimm wie die, die überlegen und an ihrem Entschluß nicht festhalten. Denn die Leidenschaft, der letztere unterliegen, ist kleiner und kommt ihnen nicht unversehens wie jenen. Wer sich aus sittlicher Kraftlosigkeit nicht enthält, gleicht einem Menschen, der rasch, von einem kleinen Quantum Wein und von weniger, als die meisten vertragen können, betrunken wird. Daß also die Unenthaltsamkeit nicht Schlechtigkeit ist, leuchtet ein, sie möchte es jedoch beziehungsweise sein. Sie ist
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nämlich unvorsätzlich, während die Schlechtigkeit vorsätzlich ist; auf die Handlungen der Unenthaltsamkeit aber paßt der Ausspruch des Demodokus über die Milesier: „Die Milesier sind zwar keine Toren, handeln aber wie Toren.“ So ist auch der Unenthaltsame nicht ungerecht, tut aber unrecht. Da aber der eine von der Art ist, daß er nicht aus Überzeugung, als ob es so gut wäre, den übermäßigen und der rechten Vernunft zuwiderlaufenden Sinnesgenüssen nachgeht, der andere dagegen wirklich meint, es sei so gut, und das eben darum, weil er so beschaffen ist, daß er der Lust nachgeht, so folgt, daß der erste leicht umzustimmen ist, der zweite nicht. Die Tugend und die Schlechtigkeit nämlich haben das an sich, daß diese das Prinzip verdirbt, jene es heil erhält; bei den Handlungen aber ist der Zweck Prinzip, wie in der Mathematik die Voraussetzungen oder die obersten Axiome; nun ist aber weder dort, in der Mathematik, ein Grund, der die Prinzipien lehrte, noch hier, sondern Tugend, natürliche oder durch Gewöhnung erworbene, lehrt recht über das Prinzip des Handelns denken. Wer also so ist, wie ausgeführt worden, ist mäßig, mit wem es umgekehrt steht, der ist unmäßig. Mancher wird auch leidenschaftlich wider die rechte Vernunft erregt, den die Leidenschaft zwar so weit beherrscht, daß er nicht nach der rechten Vernunft handelt, aber nicht auch so weit, daß sie ihn zu einem Menschen machte, der überzeugt wäre, man müsse rückhaltlos den sinnlichen Lüsten nachgehen. Das ist der Unenthaltsame, besser als der Unmäßige oder Zuchtlose, und nicht einfachhin schlecht. Denn er hat das Beste, das Prinzip, nicht verloren. Ein anderer ist das Gegenteil von ihm: wer fest bei der Vernunft bleibt und sich nicht von seinem Sinne bringen läßt, wenigstens durch den Affekt nicht. So sieht man denn hieraus, daß das eine der gute, das andere der schlechte Habitus ist.
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Zehntes Kapitel10
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Ist nun, wie oben in den Aporien gefragt wurde, enthaltsam, wer an der wie immer beratenen Vernunft und an jedem wie immer beschaffenen Vorsatz festhält, und hinwieder unenthaltsam, wer an jedem wie immer beschaffenen Vorsatz und an der beliebig beratenen Vernunft nicht festhält, oder wer an der übel beratenen Vernunft und dem verkehrten Vorsatz nicht festhält oder festhält? Oder sollte es nicht vielmehr so sein, daß es mitfolgend zwar jeder beliebige Vorsatz, an sich jedoch nur die wahre Vernunft und der rechte Vorsatz ist, woran der eine festhält, der andere nicht? Wenn nämlich jemand diese bestimmte Sache um dieser willen sich vornimmt oder verfolgt, so ist es an sich das Zweite, was er verfolgt und sich vorsetzt, aber mitfolgend das Erste. Für „an sich“ sagen wir schlechthin, und so ist es beziehungsweise zwar jede beliebige Meinung, die der eine festhält und der andere verleugnet, schlechthin enthaltsam und unenthaltsam aber ist, wer die wahre Meinung festhält und preisgibt. Es gibt auch einige, die an ihrer Meinung festhalten, die man starrköpfig nennt, weil sie schwer zu überzeugen und nicht leicht umzustimmen sind; sie haben wohl eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Enthaltsamen, wie sie der Verschwender mit dem Freigebigen und der Tollkühne mit dem Mutigen hat, sind aber doch in mancher Hinsicht von ihm verschieden. Jener, der Enthaltsame, läßt sich durch Leidenschaft und Begierde nicht umstimmen, aber ein Enthaltsamer wird gegebenenfalls leicht eines Besseren zu belehren sein; der andere ist durch Gründe nicht umzustimmen, aber Leute von seiner Art sind vielfach den Begierden zugänglich und lassen sich von den Lüsten fortreißen. Ein Starrkopf ist der Eigensinnige, der Unbelehrbare und der Ungebildete; der Eigensinnige insbesondere steht unter dem Einfluß von Lust und Unlust: er freut sich durchzudringen, wenn er sich nicht anders belehren läßt, und ärgert sich, wenn es seinem Willen und seiner Meinung ergeht wie einem Volksbeschluß, der kassiert wird, und so gleicht er mehr dem Unenthaltsamen als dem Enthaltsamen.
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Einige gibt es auch, die an ihrer Meinung und Absicht nicht festhalten nicht aus Unenthaltsamkeit, wie Neoptolemus im Philoktet des Sophokles. Gleichwohl war es Lust, weshalb er an seinem Vorhaben nicht festhielt, aber eine sittlich schöne Lust: ihm galt es für schön, die Wahrheit zu sagen, und von Odysseus war er überredet worden zu lügen. Denn nicht jeder, der etwas aus Lust tut, ist unmäßig oder schlecht oder unenthaltsam, sondern wer es aus böser Lust tut.
Elftes Kapitel11 Da es auch Leute gibt, die weniger für die körperliche Lust empfänglich sind, als sie sollten, und als solche der Vernunft nicht treu bleiben, so steht der Enthaltsame in der Mitte zwischen ihnen und den Unenthaltsamen. Der Unenthaltsame bleibt der Vernunft nicht treu wegen eines Zuviel, dieser wegen eines Zuwenig; der Enthaltsame aber bleibt ihr treu und läßt sich durch keines von beiden davon abbringen. Wenn anders aber die Enthaltsamkeit etwas Gutes ist, so müssen die ihr entgegengesetzten Eigenschaften beide schlimm sein, und als solche erscheinen sie denn auch; weil aber die eine bei wenigen Menschen und in wenigen Fällen zutage tritt, so scheint die Enthaltsamkeit nur das Gegenteil von der Unenthaltsamkeit zu sein, gerade so wie die Mäßigkeit nur das Gegenteil der Unmäßigkeit. Da aber die Sprache vieles nach der Ähnlichkeit benennt, so kommt es auch von der Ähnlichkeit, daß man von einer Enthaltsamkeit des Mäßigen spricht. Der Enthaltsame wie der Mäßige ist nämlich ein Mann, der nichts aus sinnlicher Lust der Vernunft zuwider tut, doch mit dem Unterschied, daß der eine, der erste, böse Begierden hat, der andere nicht, und daß der zweite die Eigenschaft besitzt, keine Lust der Vernunft zuwider zu empfinden, während der erste so beschaffen ist, daß er sie zwar empfindet, aber sich von ihr nicht leiten läßt. Auch der Unenthaltsame und der Unmäßige sind sich ähnlich und doch wieder verschieden: beide gehen der sinnlichen An-
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nehmlichkeit nach, jedoch der eine in der Meinung, daß es sich so gehöre, der andere ohne diese Meinung. Derselbe Mensch kann ferner nicht zugleich klug und unenthaltsam sein. Wir haben gezeigt, daß der Kluge zugleich auch sittlich gut ist. Auch ist man nicht schon durch das Wissen klug, sondern erst durch die Fähigkeit und Neigung, entsprechend zu handeln, die dem Unenthaltsamen fehlt. Dagegen steht nichts im Wege, daß der Geschickte unenthaltsam sei, weshalb es auch mitunter den Anschein hat, als ob gewisse Leute klug aber unenthaltsam wären, weil sich die Geschicklichkeit von der Klugheit auf die in den früheren Erörterungen angezeigte Weise unterscheidet und beide hinsichtlich der Intelligenz verwandt, aber hinsichtlich des Vorsatzes verschieden sind. Der Unenthaltsame ist auch nicht wie einer, der weiß und denkt, sondern wie einer, der schläft oder betrunken ist. Und er handelt zwar freiwillig, da er in gewisser Weise weiß, was er tut und weshalb er es tut, ist aber nicht schlecht; sein Vorsatz ist ja gut, und so ist er nur halb schlecht; und er ist nicht ungerecht; er handelt ja nicht mit vollkommener Überlegung. Denn die eine Klasse der Unenthaltsamen hat die Kraft nicht, ihrem Entschlusse treu zu bleiben, und die andere Klasse, das melancholische Temperament, bringt es überhaupt zu keiner Überlegung. Und so gleicht denn der Unenthaltsame einer Stadt, die alles Notwendige beschließt und vortreffliche Gesetze hat, dieselben aber nicht in Vollzug bringt, wie Anaxandrides spottete: „Die Stadt beschloß, die auf Gesetze doch nichts gibt.“
Der Schlechte aber gleicht einer Stadt, die ihre Gesetze zwar in Vollzug bringt, aber schlechte Gesetze hat. In der Unenthaltsamkeit und Enthaltsamkeit liegt ein Hinausgehen über den Habitus der großen Mehrheit: die eine bleibt ihrem Vorsatz mit mehr Entschiedenheit, die andere mit weniger treu, als der die meisten fähig sind. Die Unenthaltsamkeit, an der die melancholischen Charaktere kranken, ist leichter zu heilen als die Unenthaltsamkeit derer, die sich
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die Sache zwar überlegen, aber an ihren Entschließungen nicht festhalten, und leichter werden die geheilt, die infolge schlechter Gewohnheit unenthaltsam sind, als die es von Natur sind. Die Gewohnheit ist nämlich leichter zu ändern als die Natur. Denn nur darum wird auch die Gewohnheit so schwer geändert, weil sie der Natur gleicht, wie Euenus spricht: „Lange, glaube mir, Freund, muß dauern die Übung; sie wird dann Sich als die zweite Natur der Menschen am Ende erweisen.“
So wäre denn erklärt, was Enthaltsamkeit und Unenthaltsamkeit, was Abgehärtetheit und Weichlichkeit ist, und wie sich diese Eigenschaften zueinander verhalten.
Zwölftes Kapitel12 Die Betrachtung über Lust und Unlust aber ist Sache dessen, der über die Staatskunst philosophiert. Denn er ist der Architekt, der maßgebende Lehrer des Ziels, auf das wir hinblicken, wenn wir nur irgend etwas schlechthin gut oder böse nennen. Diese Untersuchung ist aber auch notwendig. Haben wir doch im Obigen die sittliche Tugend und Schlechtigkeit auf Lust und Unlust bezogen, und sagt man doch von der Glückseligkeit ziemlich allgemein, sie sei mit Lust verbunden, weshalb man auch den Glückseligen (μακάϱιoς) von der Freude (χαίϱειν) so genannt hat. Nun meinen einige Philosophen, keine Lust sei ein Gut, an sich nicht und auch nicht mitfolgend, da Gut und Lust nicht dasselbe sei; andere meinen, gewisse Arten der Lust seien gut, sehr viele aber schlecht; dazu kommt noch eine dritte Meinung, die dahin geht, daß, wenn auch jede Lust gut wäre, die Lust doch nicht das höchste Gut sein könne. Sie soll überhaupt kein Gut sein, weil jede Lust ein von Gefühl begleitetes Werden ist, das einen naturgemäßen Zustand vorbereitet, kein Werden aber mit seinem Ziel in eine Gattung gehört, wie z. B. kein Bauen mit dem Gebäude.
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Ferner, der Mäßige fliehe die Lüste. Ferner, der Kluge trachte nach Schmerzlosigkeit, nicht nach Lust. Ferner, die Lustgenüsse behinderten das Denken, und das um so mehr, je intensiver die Lust sei, so beim Geschlechtsgenuß, wobei niemand eines Gedankens fähig sei. Ferner, es gebe keine Kunst der Lusterzeugung, und doch sei jedes Gute ein Werk der Kunst. Und endlich: auch Kinder und Tiere suchten die Lust. Dafür, daß nicht jede Lust gut sei, wird angeführt, daß es auch schändliche, schimpfliche, ja, schädliche Lustempfindungen gebe; denn manches Lustbringende habe Krankheiten zur Folge. Dafür endlich, daß die Lust nicht das höchste Gut sei, führt man an, sie sei nicht Ziel und Ende, sondern ein gewisses Werden und Entstehen. Das ist es also etwa, was man gemeinhin vorbringt.
Dreizehntes Kapitel13 Daß sich aber aus diesem keineswegs ergibt, die Lust sei kein Gut oder nicht das höchste Gut, erhellt aus folgendem. Fürs erste, es gibt ein zweifaches Gutes, eines schlechthin und eines beziehungsweise oder für den oder jenen, und hiernach werden sich also die Naturen und die habituellen Beschaffenheiten und ihnen entsprechend denn auch die verschiedenen Arten von Bewegung und Werden richten, und von denen, die als schlecht erscheinen, werden es die einen einfachhin sein, aber für ein bestimmtes Individuum nicht, vielmehr für den und den begehrenswert; einige andere aber auch nicht für den und den, außer in einem singulären Fall und für kurze Zeit, und auch dann nicht eigentlich begehrenswert; noch andere endlich sind überhaupt keine Lust, sondern scheinen dies nur zu sein, wenn sie nämlich mit Unlust verbunden sind und der Heilung dienen wie bei Kranken. Sodann, das Gute ist teils Tätigkeit teils Habitus, und demnach sind die
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Arten von Bewegung und Werden, die den Menschen in den naturgemäßen Habitus versetzen, mitfolgend lustbringend. Die Tätigkeit vollzieht sich da als das Streben nach Wiederherstellung eines Habitus und einer Natur, denen es irgendwie mangelt, während es auch Lustempfindungen, wie die Tätigkeiten des Denkens, ohne Unlust und Begehren gibt, wobei die Natur von Mangel frei ist. Ein Zeichen dafür ist, daß man sich nicht an demselben Lustbringenden erfreut, wenn und während die Natur sich erst vollendet, und wenn sie ihren vollkommenen Stand erreicht hat, da man vielmehr nach der Erreichung desselben an dem schlechthin Lustbringenden Gefallen hat, über der Vollendung der Natur aber auch am Gegenteil. Denn da erfreut man sich auch an sauren und bitteren Dingen, deren keines von Natur und schlechthin angenehm ist, weshalb es auch die Lustgefühle nicht sind. Denn wie sich die angenehmen Dinge zueinander verhalten, so auch die aus ihnen entspringenden Lustgefühle. Drittens, es besteht keine Notwendigkeit, daß ein anderes besser sei als die Lust, wie einige Philosophen behaupten, daß das Ziel besser sei als das Werden. Denn die Lüste sind nicht alle ein Werden, sondern manche sind auch Tätigkeiten und Ziel; auch stellen diese sich ein, nicht wenn ein Habitus in uns wird, sondern wenn wir aus ihm heraus handeln; und nicht alle Lüste haben ihr Ziel in einem anderen, sondern nur die Lüste derer, die zur Vollendung der Natur geführt werden. Darum ist es auch nicht zutreffend, wenn man sagt, die Lust sei ein von Gefühl begleitetes Werden; man muß vielmehr sagen, sie sei Tätigkeit des naturgemäßen Habitus, und statt „fühlbar“ muß man sagen „ungehemmt“. Sie scheint eine Art Werden zu sein, weil sie im eigentlichen Sinne gut ist. Man meint nämlich, die Tätigkeit sei Werden, sie ist aber etwas anderes. Daß die Lüste schlecht sein sollen, weil manches Lustbringende krank macht, heißt gerade soviel, wie wenn manche Kuren darum schlecht sein sollten, weil sie die Kasse angreifen. In dieser Beziehung sind ja beide schlecht, aber doch wohl nicht insofern, als sie erfreuen oder heilen; denn auch das Denken schadet einem zuweilen an der Gesundheit, dagegen
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wird weder die Klugheit noch sonst ein Habitus durch die aus ihm selbst fließende Lust gehemmt, sondern nur durch fremde Lustempfindungen; denn diejenigen, die aus dem Denken und Lernen entspringen, können nur bewirken, daß man um so mehr denkt und lernt. Daß aber keine Lust ein Werk der Kunst ist, hat seinen guten Grund; denn es gibt auch sonst für keine Tätigkeit eine Kunst, sondern nur für ein Vermögen; immerhin hat, so scheint es, die Salbenbereitungskunst und die Kochkunst es mit der Lust zu tun. Für die Einwürfe ferner, daß der Mäßige die Lust fliehe, der Kluge nur nach einem schmerzlosen Leben trachte und Kinder und Tiere der Lust nachgehen, gilt insgesamt eine und dieselbe Widerlegung. Wir haben erklärt, inwiefern die Lüste schlechthin gut und inwiefern sie dies nicht alle sind. Solchen nun gehen die Tiere und die Kinder nach – und vor ihnen will der Kluge Ruhe haben –, den mit Begierde und Unlust verbundenen und den sinnlichen Lüsten – denn diese sind eben nicht schlechthin gut – sowie ihrem Übermaß, das den Unmäßigen zum Unmäßigen macht. Darum flieht der Mäßige diese Lust; es gibt dafür andere, die auch für ihn vorhanden sind.
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Es ist aber auch ohne Zweifel zugestanden, daß die Unlust ein Übel und zu fliehen ist. Sie ist teils schlechthin ein Übel, teils nur insofern, als sie für ein anderes in irgendeiner Hinsicht hinderlich ist. Das Gegenteil dessen aber, was zu fliehen ist, insofern es zu fliehen und ein Übel ist, ist das Gute. Mithin muß die Lust ein Gut sein. Die Weise, wie Speusippus dieser Folgerung zu entgehen suchte, indem er sagte, das Größere sei das Gegenteil vom Kleineren und vom Gleichen, ist unzulässig, da er doch nicht sagen kann, die Lust sei wesentlich ein Übel. Daß aber eine bestimmte Lust das höchste Gut sei, verträgt sich mit der Tatsache, daß manche Lüste schlecht sind,
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sehr wohl, wie ja auch eine Wissenschaft die beste sein kann, wenn auch manches Wissen und Können schlecht ist. Vielleicht ist es aber auch notwendig, daß, wofern es ungehemmte Tätigkeiten eines jeden Habitus gibt, sei nun die ungehemmte Tätigkeit ihrer aller die Glückseligkeit oder die eines einzelnen unter ihnen, diese am begehrenswertesten ist. Das ist aber Lust. Und so wäre denn eine Lust das höchste Gut, mögen auch die meisten Lüste einfachhin schlecht sein. Darum halten alle Menschen das glückselige Leben für lustvoll und verbinden die Glückseligkeit mit der Lust: mit Recht, denn keine Tätigkeit ist vollkommen, wenn sie gehemmt ist, die Glückseligkeit ist aber etwas Vollkommenes. Daher bedarf der Glückselige auch noch der leiblichen und der äußerlichen und Glücksgüter, damit die Tätigkeit und die Glückseligkeit nicht gehindert werde. Die aber erklären, ein Mensch, der aufs Rad geflochten werde oder der ins größte Elend gerate, sei glückselig, wenn er tugendhaft sei, stellen absichtlich oder unabsichtlich eine nichtige Behauptung auf. Weil es aber zum glückseligen Leben auch noch der Glücksgüter bedarf, so scheint manchen das zufällige äußere Glück dasselbe zu sein wie die Glückseligkeit; dies ist jedoch nicht der Fall; denn es hindert dieselbe sogar, wenn es im Übermaß vorhanden ist, und dann ist es wohl gar nicht mehr richtig, es Glück zu nennen; denn seinem Begriff nach hängt es von der Glückseligkeit ab. Auch der Umstand, daß alles, Tier und Mensch, nach der Lust verlangt und strebt, ist ein Zeichen, daß sie in gewissem Sinne das höchste Gut ist. „Nicht kann völlig ersterben die Kunde, welche die Völker Melden von Munde zu Mund.“
Weil aber nicht dieselbe Natur und derselbe Habitus für alle ohne Unterschied der beste ist oder dafür gehalten wird, so trachten auch nicht alle nach derselben Lust, und doch ist die Lust es, nach der alle trachten. Vielleicht trachten sie auch nicht nach der, die sie zu begehren meinen oder auch zu begehren vorgeben würden, sondern in Wirklichkeit immer nach
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einer und derselben. Denn alle Wesen haben von Natur etwas Göttliches. Jedoch ist ihr Name wie durch Erbschaft auf die körperlichen Lüste übergegangen, weil wir zu ihnen uns so oft verleiten lassen und alle an ihnen teilhaben, und so hält man diese allein für Lüste, weil sie allein die allbekannten sind. Offenbar könnte auch, wenn Lust und lustbringende Tätigkeit kein Gut wäre, das Leben des Glückseligen nicht mit Lust verbunden sein. Denn weswegen bedürfte er ihrer, da sie doch kein Gut sein soll? – Aber der Glückselige würde auch mit Unlust leben können. Denn sie wäre weder ein Übel noch ein Gut, wenn auch die Lust es nicht wäre. Warum sollte er sie also fliehen? – Auch kann gewiß das Leben des Tugendhaften nicht lustbringender sein als das des Lasterhaften, wenn nicht auch seine Tätigkeiten es sind. In bezug auf die körperlichen Lüste muß man nun aber die Behauptung prüfen, daß einige Lüste sehr begehrenswert sind, nämlich die schönen, die sittlich guten, aber nicht die körperlichen, mit denen es der Unmäßige zu tun hat. – Warum sind denn die diesen entgegengesetzten Unlustgefühle schlecht, da doch dem Schlechten das Gute entgegengesetzt ist? Oder sind die notwendigen Lustgefühle gut wie das, was nicht schlecht ist? Oder sind sie bis zu einer bestimmten Grenze gut? Denn ist in einem Habitus oder einer Bewegung kein Überschreiten des rechten Maßes möglich, so ist auch in der entsprechenden Lust kein Übermaß möglich; überall aber, wo der Habitus oder die Bewegung ein Übermaß zuläßt, da läßt auch die Lust eines zu. Nun gibt es aber in den sinnlichen Gütern ein Übermaß, und der Schlechte ist schlecht, weil er das Übermaß und nicht die notwendige Lust begehrt. Denn alle Menschen erfreuen sich einigermaßen an guten Speisen, Weinen und Geschlechtsgenuß, aber nicht alle in gebührender Weise. Mit der Unlust ist es entgegengesetzt: nicht ihr Übermaß flieht der Unmäßige, sondern er flieht sie gänzlich. Denn die Unlust ist nicht dem Übermaß entgegengesetzt, außer für den, der das Übermaß begehrt.
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Fünfzehntes Kapitel15 Man muß aber nicht bloß die Wahrheit darlegen, sondern auch die Ursache des Irrtums, da das die Glaubhaftigkeit der Behauptungen mehrt; denn wenn man den Grund eingesehen hat, aus dem der Irrtum als Wahrheit erscheint, da er es doch nicht ist, so bestimmt uns das, der Wahrheit desto entschiedener beizupflichten. Wir wollen daher erklären, warum die körperlichen Lüste und Ergötzungen vor den anderen begehrenswert erscheinen. Der erste Grund ist also, daß die körperliche Lust die Unlust vertreibt und man wegen des Übermaßes der Unlust die übermäßige und überhaupt die körperliche Lust als eine Arznei begehrt. Die Arzneien aber erhalten die Intensität ihrer Wirkung, die sie gerade zum Gegenstand des Verlangens macht, dadurch, daß sie neben und gegenüber ihrem Gegenteil erscheinen. So sind es denn auch diese beiden Gründe, weshalb die Lust einigen Philosophen, wie gesagt, nichts Gutes zu sein scheint: die auf sie gerichteten Handlungen kommen teils von einer schlechten Natur, sei sie nun wie beim Tier von Haus aus schlecht oder wie bei den Menschen durch Gewöhnung, teils sind sie Arzneien und erscheinen so als schlecht, weil sie ein Bedürfnis voraussetzen und Haben besser ist als Werden. Die Lust aber begleitet in diesem Fall den Durchgang zur Vollendung und ist darum nur mitfolgend gut. Der zweite Grund ist, daß diese Lustgefühle wegen ihrer Stärke oder Heftigkeit von denen erstrebt werden, die andere Freuden nicht empfinden können, weshalb sie sich selbst eine Art Durst darnach erregen. Sind sie nun unschädlich, so mag man es nicht gerade tadeln, und nur, wenn sie schädlich sind, ist es schlimm und verwerflich. Denn die Menschen haben einerseits nichts anderes, um sich daran zu erfreuen, und auf der anderen Seite ist ein Zustand, wo man weder Lust noch Unlust fühlt, für viele wegen der Eigenart unserer Natur schon so gut wie Unlust. Denn das Sinnenwesen ist immer angestrengt, wie auch die Physiologen bezeugen, die uns sagen, das Sehen und Hören errege Unlust, nur daß wir, wie sie meinen, daran
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gewöhnt sind. Gleicherweise ist man in der Jugend wegen des Wachsens in einer ähnlichen Verfassung wie ein Betrunkener; auch ist die Jugend süß und weckt so schon von selbst das Verlangen nach Freude. Die melancholischen Naturen aber bedürfen stets einer Arznei. Denn ihr Körper erleidet wegen der Säftemischung beständig eine Art Reizung und sie befinden sich stets im Zustand heftiger Begierde. Die Unlust aber wird durch die Lust verdrängt, durch die entgegengesetzte und jede andere, wenn sie nur stark ist, und so kommt es, daß der Melancholiker leicht unmäßig und schlecht wird. Diejenige Lust aber, der keine Unlust gegenübersteht, hat kein Übermaß. Das ist die Lust an dem von Natur, nicht mitfolgend Lustbringenden. Unter dem mitfolgend Lustbringenden verstehe ich das als Arznei Dienende. Denn weil die Heilung durch eine Wirkung dessen, was am Organismus gesund geblieben ist, zustande kommt, so erscheint sie deswegen als lustbringend. Dagegen ist mir von Natur lustbringend das, wodurch die Tätigkeit der betreffenden Natur hervorgerufen wird. Nun gibt es aber für uns nichts, was gleichmäßig immer Lust erweckte, weil unsere Natur nicht einfach ist, sondern noch etwas anderes in sich hat, was den Grund der Korruptibilität der Lebewesen bildet; wenn daher der eine Teil etwas tut, so ist das dem anderen gegen die Natur, sind aber beide im Gleichgewicht der Tätigkeit, so erregt die Handlung weder Unlust noch Lust. Wenn daher die Natur eines Wesens einfach ist, so muß eine und dieselbe Handlung ihm beständig die größte Lust erwecken. Darum besteht die Seligkeit Gottes ewig in einer einzigen und einfachen Freude. Denn es gibt nicht nur eine Tätigkeit in der Bewegung, sondern auch eine solche in der Freiheit von Bewegung, und die Lust findet sich mehr in der Ruhe als in der Bewegung. Die Veränderung aber kann nur darum nach des Dichters Wort das süßeste aller Dinge sein, weil unserer Natur eine Art Schlechtigkeit anklebt. Denn wie der wankelmütige Mensch der schlechte ist, so auch die der Veränderung bedürftige Natur, weil sie nicht einfach ist und nicht vollkommen gut.
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Von Enthaltsamkeit und Unenthaltsamkeit also und von Lust und Unlust hätten wir jetzt gehandelt und hätten erklärt, was jedes von ihnen ist, und wie das eine darunter ein Gutes, das andere ein Schlechtes ist. Nun bleibt uns noch die Freundschaft zu erörtern übrig.
ACHTES BUCH
Erstes Kapitel1 Nach diesem kommt die Erörterung der Freundschaft an die Reihe; denn sie ist eine Tugend oder mit der Tugend verbunden. Ferner ist sie fürs Leben das Notwendigste. Ohne Freundschaft möchte niemand leben, hätte er auch alle anderen Güter. Der Reiche, der Herrscher und der Mächtige scheint der Freunde ganz besonders zu bedürfen. Denn was nützte ihm die Gunst des Schicksals, wenn ihm die Möglichkeit entzogen würde, jenes Wohltun zu üben, das man am besten und lobenswürdigsten gegen Freunde beweist? Oder wie ließe sich das Glück ohne Freunde hüten und wahren? Es ist ja um so unsicherer, je größer es ist. In Armut und sonstiger Not aber gilt der Freund als die einzige Zuflucht. Den Jünglingen erwächst aus der Freundschaft Bewahrung vor Fehltritten, den Greisen die wünschenswerte Pflege und Ersatz für das, was ihre Schwäche selbst nicht mehr vermag, dem starken Mann Förderung zu jeder guten Tat. „Gehn zwei Männer gesellt ...“
heißts bei Homer. Denn zu zweien ist man fähiger zu Rat und Tat. Ja, die Natur selbst scheint sie dem Erzeuger gegen das Erzeugte, und umgekehrt, eingepflanzt zu haben, nicht nur unter den Menschen, sondern auch unter den Vögeln und den meisten anderen Tieren; sie hat diesen Trieb den Wesen gleicher Abstammung gegeneinander verliehen, besonders den Menschen, weshalb wir die Philanthropen, die Menschenfreunde, loben. In der Fremde kann man es sehen, wie nah verwandt der Mensch dem Menschen ist und wie befreundet.
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Freundschaft ist es auch, die die Staaten erhält und den Gesetzgebern mehr am Herzen liegt als die Gerechtigkeit. Denn die Eintracht ist offenbar mit ihr verwandt, und auf diese ist das Hauptaugenmerk der Staatslenker gerichtet, während sie die Zwietracht als eine Feindschaft am meisten zu verbannen bemüht sind. Auch bedarf es unter Freunden der Gerechtigkeit nicht, wohl aber unter Gerechten der Freundschaft als einer Ergänzung der Gerechtigkeit, und das höchste Recht wird unter Freunden angetroffen. Doch nicht bloß notwendig ist sie, auch schön, auch sittlich gut. Den Sinn für Freundschaft erheben wir mit Lob, und den Besitz vieler Freunde halten wir für schön, und mancher glaubt, die braven Männer müßten auch Freunde sein.
Zweites Kapitel2
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Es bestehen aber nicht wenige Zweifel über sie. Die einen erklären sie für eine Gleichheit und für Freunde solche, die sich gleich sind; daher das Wort: „Gleich und Gleich“, und „Dohle zur Dohle“, und was dergleichen mehr ist. Andere sagen umgekehrt, alle solche seien gegeneinander wie ein Töpfer gegenüber dem anderen. Manche gehen in der Untersuchung über eben diese Frage weiter zurück und suchen sie mehr aus der Naturwissenschaft zu beantworten. So sagt Euripides, dürres Land liebe den Regen, und den hehren Himmel treibe die Liebe, wenn er regenschwanger sei, zur Erde sich zu senken, und Heraklit sagt, Widerstrebendes tauge zusammen, aus dem Verschiedenen entspringe die schönste Harmonie, und alles entstehe auf dem Weg des Streites. Umgekehrt wie sie äußert sich unter anderen Empedokles, wenn er behauptet, daß Gleiches nach Gleichem verlangt. Wir werden die physikalische Seite der Sache, als der gegenwärtigen Untersuchung fremd, aus dem Spiel lassen, dagegen das, was den Menschen angeht und mit der Sinnesweise und den Affekten zusammenhängt, erörtern, also z. B. die Frage,
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ob Freundschaft unter allen Menschen vorkommt, oder ob schlechte Menschen keine Freunde sein können, und ob es nur eine Art von Freundschaft gibt oder mehrere. Denn diejenigen, die darum nur eine Art annehmen, weil sie ein Mehr und Minder zuläßt, stützen ihre Ansicht auf ein unzureichendes Kennzeichen, da auch das, was der Art nach verschieden ist, ein Mehr und Minder zuläßt. Von solchem war vorhin die Rede. Vielleicht können wir hierüber ins klare kommen, wenn wir zuvor erkannt haben, was das Liebenswerte ist. Denn nicht alles wird geliebt und ist demnach Gegenstand der Freundschaft, sondern nur das Liebenswerte, dieses aber ist entweder gut oder lustbringend oder nützlich. Nützlich aber kann man nennen, woraus uns ein Gut oder eine Lust zufließt, und so ist als Zweck nur das Gute und das Lustbringende liebenswert. Liebt der Mensch nun, was an sich gut oder was ihm gut ist? Denn beides widerstreitet sich manchmal; und die gleiche Frage trifft das Lustbringende. Es liebt nun jedermann offenbar das, was ihm gut ist, und schlechthin liebenswert ist das Gute, und für den einzelnen liebenswert das dem einzelnen Gute. Aber nun liebt doch jedermann nicht, was ihm gut ist, sondern, was ihm als gut erscheint. Aber das macht hier nichts aus: wir können eben sagen: liebenswert ist, was gut erscheint. Es sind also drei Dinge, derentwegen man liebt. Nun spricht man aber bei der Liebe zu leblosen Dingen nicht von Freundschaft. Denn hier ist weder Gegenliebe noch Wohlwollen vorhanden. Es wäre ja wohl lächerlich, dem Wein „wohlzuwollen“, höchstens will man ihn erhalten, um ihn selbst zu haben. Dem Freunde aber, sagt man, muß man um seiner selbst willen das Gute wünschen. Denjenigen aber, der jemandem in dieser Weise das Gute wünscht, nennt man wohlwollend, wenn nicht seitens des anderen dasselbe geschieht; denn erst gegenseitiges Wohlwollen nennt man Freundschaft. Oder muß man noch hinzufügen, daß keinem diese Gesinnung des anderen verborgen bleiben dürfe? Viele sind wohlwollend gegen solche, die sie nie gesehen haben, aber für tu-
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gendhaft und tüchtig halten, und ebenso kann es den letzteren wieder mit Bezug auf jene gehen. Somit herrscht augenscheinlich zwischen ihnen gegenseitiges Wohlwollen. Aber wie könnte man sie Freunde nennen, da dem einen die Gesinnung des anderen verborgen bleibt? Mithin gehört zur Freundschaft, daß man sich gegenseitig wohlwolle und Gutes wünsche, ohne daß einem diese gegenseitige Gesinnung verborgen bleibt, und zwar aus einer der angeführten Ursachen.
Drittes Kapitel3 Da diese Ursachen der Art nach voneinander verschieden sind, so sind es folgerichtig auch die Zuneigungen und die Freundschaften. Demnach gibt es drei Arten der Freundschaft, entsprechend der dreifachen Beschaffenheit des Liebenswerten, da es bei jedem Liebenswerten eine Gegenliebe gibt, die nicht verborgen bleibt, und da die sich Liebenden sich aus dem Grunde Gutes wünschen, um dessentwillen sie sich lieben. Die sich also des Nutzens wegen lieben, lieben nicht einer den anderen an sich, sondern insofern, als ihnen voneinander Gutes widerfährt, und ebenso ist es mit denen, die sich der Lust wegen lieben: man hat den umgänglichen Mann gern, nicht wegen seiner persönlichen Eigenschaften, sondern weil er einem Vergnügen gewährt. Wo demnach die Liebe auf dem Nutzen beruht, da wird sie durch den Nutzen des Liebenden, und wo sie auf der Lust beruht, durch die Lust des Liebenden bestimmt, und sie gilt dem Geliebten nicht insofern er der Geliebte ist, sondern insofern er Nutzen oder Lust gewährt. Diese Freundschaften sind demnach nur mitfolgend solche. Denn in ihnen wird der Geliebte nicht darum geliebt, weil er ist, der er ist, sondern weil er in einem Fall Gutes, im anderen Fall Lust gewährt. Daher sind solche Freundschaften leicht lösbar, wenn die Personen sich nicht gleich bleiben: sind sie nicht mehr angenehm oder nützlich, so hört man auf, sie zu lieben; das Nützliche aber bleibt nicht dauernd dasselbe, sondern bald ist dieses nützlich, bald jenes. Fällt also dasjenige weg,
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weshalb solche Menschen Freunde waren, so löst sich auch die Freundschaft auf, weil sie durch jenes bedingt war. Eine derartige Freundschaft kommt wohl zumeist unter alten Leuten vor, da es solchen nicht um das Lustbringende, sondern um das Vorteilhafte zu tun ist, bei reifen Männern und jungen Leuten nur dann, wenn sie auf ihren Vorteil aus sind. Freunde dieses Schlages pflegen auch auf das Zusammenleben nicht eben viel zu geben; denn manchmal erwecken sie nicht einmal bei dem anderen Gefallen; daher vermissen sie den gegenseitigen Verkehr gar nicht, wenn ihnen kein Nutzen daraus erwächst, da ihre ganze Anziehungskraft darin besteht, daß sie die Aussicht auf einen Vorteil gewähren. Zu dieser Art von Freundschaft zählt man auch die Gastfreundschaft. Die Freundschaft der jungen Leute aber scheint auf der Lust zu beruhen; denn die Jugend wird vom Affekt beherrscht und lebt vorwiegend der Freude und der Gegenwart. Mit den Jahren wird aber auch das Lustbringende ein anderes, weshalb die Jugendfreundschaften sich schnell schließen und lösen. Denn mit dem Lustbringenden schlägt auch die Freundschaft um, und die jugendliche Freude unterliegt raschem Wechsel. Dann sind die jungen Leute aber auch stark zur Liebe geneigt, sofern in dieser eben Affekt und Lust vorwiegen. Daher lieben und erkalten sie schnell, oft so, daß sie noch an demselben Tag eine Neigung fassen und wieder fahren lassen. Solange dieselbe aber anhält, wollen sie mit dem Freund zusammensein und zusammenleben; denn so gestaltet sich bei ihnen das Freundschaftsverhältnis. Viertes Kapitel4 Vollkommen aber ist die Freundschaft guter und an Tugend sich ähnlicher Menschen. Denn sie wünschen einander gleichmäßig Gutes, insofern sie gut sind, und sie sind gut an sich. Die aber dem Freund um seiner selbst willen Gutes wünschen, sind Freunde im vollkommenen Sinne, weil sie diese Gesinnung an sich, nicht mitfolgend, haben. Daher bleibt die Freundschaft
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zwischen solchen Menschen bestehen, solange sie tugendhaft sind, Tugend aber ist beständig. In solchem Freundschaftsverhältnis ist jeder der beiden Freunde schlechthin gut und gut für den Freund. Denn die Tugendhaften sind gleichzeitig schlechthin gut und einander nützlich, und in der gleichen Weise sind sie lustbringend, sofern die Tugendhaften sowohl schlechthin angenehm sind als sie auch einer beim anderen Gefallen erwecken. Denn ein jeder hat Freude an seiner und verwandter Handlungsweise: Tugendhafte aber haben die gleiche oder eine ähnliche Handlungsweise. Daß solche Freundschaft beständig ist, hat seinen guten Grund, da in ihr alles zusammentrifft, was unter Freunden vorhanden sein muß. Denn jegliche Freundschaft fußt auf einem Gut oder einer Lust, die beide dies entweder schlechthin sind, oder bloß für den Freund, und sie setzt außerdem noch eine gewisse Ähnlichkeit voraus. In ihr aber hat man alles Genannte an und für sich. Denn in ihr stimmt auch sonst alles zusammen, und das schlechthin Gute ist auch schlechthin lustbringend. Da eben dieses auch das Liebenswerteste ist, so wird auch Liebe und Freundschaft dann am größten und am besten sein, wenn sie auf ihm, dem schlechthin Guten, fußt. Naturgemäß sind aber derartige Freundschaften selten, da es Männer der bezeichneten Art nur wenige gibt. Auch bedarf es zur Bildung solcher Herzensbünde der Zeit und der Gewohnheit des Zusammenlebens; denn nach dem Sprichwort kann man sich nicht kennenlernen, wenn man nicht zuvor den bekannten Scheffel Salz miteinander gegessen hat; also kann man auch nicht eher aneinander Gefallen finden und Freundschaft schließen, als man sich einander als liebenswert erwiesen und bewährt hat. Die sich schnell auf freundschaftlichen Fuß miteinander stellen, wollen wohl Freunde sein, sind es aber nicht, wenn sie nicht zugleich auch liebenswert sind und sich als solche kennen. Denn nur der Entschluß zur Freundschaft, nicht die Freundschaft, kommt schnell zustande.
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Fünftes Kapitel5 Diese Freundschaft also ist hinsichtlich der Zeit und der übrigen Bedingungen vollkommen; in ihr wird jedem seitens des anderen in allem dasselbe und das gleiche zuteil, wie es bei Freunden sein muß. Die Freundschaft aber, die auf der Lust beruht, hat mit dieser Ähnlichkeit. Denn auch die Tugendhaften sind füreinander eine Quelle der Lust. Dasselbe gilt von der auf dem Nutzen beruhenden Freundschaft. Denn die Tugendhaften sind einander auch von Nutzen. Aber auch unter solchen Menschen, deren Neigung auf Lust oder Vorteil beruht, haben die Freundschaften den längsten Bestand, wenn jedem von dem anderen das gleiche, z. B. Lust, zuteil wird, und nicht bloß das, sondern auch seitens des gleichen lustbringenden Gegenstandes, wie z. B. im gegenseitigen Verkehr artiger und witziger Männer, nicht wie in dem Verhältnis zwischen dem Liebhaber und dem Liebling. Hier freuen sich beide nicht über dasselbe, sondern der eine an dem Anblick des Geliebten, der andere an den Dienstleistungen des Liebhabers. Hört aber die Jugendanmut auf, so hat manchmal auch die Liebe ein Ende, da dem einen der Anblick keine Lust mehr gewährt und der andere nicht mehr die gewohnten Dienste empfängt. Oft dauert aber auch die Freundschaft fort, wenn die beiden im Charakter übereinstimmen, und jeder die Gemütsart des anderen im Verkehr liebgewonnen hat. Diejenigen aber, die in ihren Beziehungen nicht Lust um Lust, sondern Vorteil um Vorteil austauschen, sind sich weniger Freund und bleiben es auch weniger, vielmehr hören Verhältnisse, die auf dem Vorteil beruhen, mit eben diesem Vorteil auf, weil hier die Liebe nicht der Person galt, sondern lediglich dem eigenen Nutzen. Um der Lust und des Nutzens willen können auch schlechte Menschen untereinander und gute mit schlechten und die keins von beiden sind mit jedem befreundet sein, um ihrer selbst willen aber offenbar nur die tugendhaften. Denn die schlechten Menschen finden nur darum aneinander Gefallen, weil ein Vorteil für sie abfällt. Auch gegen Verleumdung ist nur die Freundschaft der Guten gefeit. Denn man glaubt ei-
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nem nicht leicht in betreff eines Mannes, den man selbst in langer Zeit bewährt gefunden hat. In dieser Freundschaft herrscht auch Vertrauen und stete Enthaltung von Kränkungen sowie alles andere, was zur wahren Freundschaft erfordert wird. Dagegen können bei den anderen Freundschaften recht wohl Störungen vorkommen. Da nämlich die Leute sowohl diejenigen, die der Nutzen zusammenführt, Freunde nennen, wie dies auch die Staaten tun, die sich doch wohl in ihren Bündnissen durch den Vorteil bestimmen lassen, als auch diejenigen, deren Neigung auf der Lust beruht, wie das die Knaben tun, so müssen vielleicht auch wir solche Menschen Freunde nennen, dagegen aber mehrere Arten der Freundschaft aufstellen, und zwar zuoberst und in eigentlichem Sinne die Freundschaft unter Tugendhaften, insofern sie tugendhaft sind, und dann die anderen Freundschaften, insofern sie jener ersten ähnlich sind; denn da ist man sich Freund, insofern als ein Gut oder ein ihm Ähnliches in Frage kommt; auch das Lustbringende ist ja für die Liebhaber der Lust ein Gut. Diese beiden Freundschaften treffen aber nicht immer zusammen, und nicht dieselben sind um des Nutzens und um der Lust willen Freunde; denn was nur zufällig zusammentrifft, kommt nicht oft verbunden vor.
Sechstes Kapitel6 1157b
Da die Freundschaft in diese Arten zerfällt, so werden schlechte Menschen der Lust oder des Nutzens wegen Freunde sein, da sie in dem Streben nach diesen Dingen sich gleich sind, gute aber ihrer selbst wegen, da sie eben als gute Menschen sich lieben. Daher sind sie schlechthin Freunde, jene dagegen mitfolgend und wegen der Ähnlichkeit mit ihnen. Wie aber mit Rücksicht auf die Tugenden die einen habituell, die anderen aktuell gut sind, so ist es auch bei der Freundschaft. Wenn die Freunde zusammen leben, so erfreuen sie sich aneinander und tun sich Gutes, wenn sie aber schlafen oder räumlich getrennt sind, so betätigen sie zwar ihre Freundschaft nicht,
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behalten aber den entsprechenden Habitus. Denn die örtliche Trennung hebt nicht die Freundschaft, sondern ihre Betätigung auf. Dauert aber die Trennung lange, so mag sie auch die Freundschaft in Vergessenheit bringen, daher der Ausspruch: „Oft schon hat die Freundschaft der Mangel an Umgang gelockert.“
Auch ältere Leute und mürrische Gemüter erscheinen als wenig zur Freundschaft geeignet. Denn bei ihnen ist wenig Vergnügen zu holen, und niemand kann es lange bei einem unangenehmen oder auch nur nicht angenehmen Menschen aushalten. Was aber die Natur am meisten flieht, ist ja die Unlust, und was sie am meisten begehrt, die Lust. Das Verhalten derer aber, die aneinander Geschmack finden, aber doch nicht zusammenleben, hat eher den Charakter des Wohlwollens als der Freundschaft. Denn nichts ist Freunden so eigen wie das Zusammenleben. Nach dem Nutzen der Freundschaft trachtet der Bedürftige, nach dem Zusammenleben auch der vom Glück Begünstigte, da es für ihn am wenigsten paßt, allein zu stehen. Tägliche Lebensgemeinschaft aber ist nur möglich unter Menschen, die einander angenehm sind und an denselben Dingen Freude haben, und das findet sich in der Freundschaft derer, die zusammen aufgewachsen sind.
Siebentes Kapitel7 Im höchsten Sinne Freundschaft ist also die der Tugendhaften, wie schon oft gesagt worden ist. Denn für liebens- und begehrenswert gilt das schlechthin Gute oder Lustbringende, für den einzelnen aber, was für ihn jeweils ein solches ist, und der Tugendhafte ist dies für den Tugendhaften aus beiden Ursachen zugleich. Das Lieben scheint aber den Charakter eines sinnlichen Gefühls, die Freundschaft den eines Habitus zu haben. Denn ein Lieben gibt es auch gegenüber dem Unbeseelten, Gegenliebe aber erfordert Willenswahl, und Willenswahl geht von
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einem Habitus aus. Auch wünscht man denen, die man liebt, um ihretwillen Gutes, nicht aus sinnlichem Gefühl, sondern aus einem Habitus heraus. Wer so den Freund liebt, liebt zugleich, was ihm selbst gut ist. Denn der Gute wird, zum Freund geworden, für den ein Gut, dessen Freund er ist. Daher liebt da jeder das, was für ihn selbst gut ist, und vergilt doch auch dem Freund mit Gleichem durch die Gesinnung, die er für sein Wohlergehen hegt, und die Lust, die er ihm gewährt. Man bezeichnet ja auch die Gleichheit als Freundschaft. Dieses gilt aber am meisten von der Freundschaft der Tugendhaften. Unter mürrischen Personen aber und älteren Leuten werden Freundschaften um so seltener geschlossen, je launenhafter sie sind, und je weniger ihnen der Umgang mit anderen Freude macht. Denn freundliches Wesen und Geselligkeit scheinen der Freundschaft vorzugsweise eigen zu sein und ihre Entstehung zu bewirken. Daher befreunden jüngere Leute sich schnell, ältere aber nicht. Denn man befreundet sich nicht mit solchen, an denen man keine Freude hat. Dasselbe gilt von den griesgrämigen Personen. Wohl aber können solche Leute einander wohlwollen: sie können sich Gutes wünschen und in Notfällen Hilfe leisten. Freunde aber sind sie strenggenommen nicht, weil sie nicht zusammenleben und kein Gefallen aneinander finden, was doch ganz besonders zur Freundschaft gehört. Befreundet im Sinne der vollkommenen Freundschaft kann man nicht mit vielen sein, sowenig man gleichzeitig in viele verliebt sein kann. Denn solche Freundschaft hat etwas vom Übermaß an sich, und das Übermaß der Neigung ist seiner Natur nach auf einen gerichtet. Auch geschieht es nicht leicht, daß viele gleichzeitig demselben in hohem Grade gefallen, und auch das trifft sich wohl nicht leicht, daß viele tugendhaft sind. Auch muß man vom Charakter des anderen in langem Umgang Erfahrung gewonnen haben, was sehr schwer ist. Wohl aber kann man, wo es um Vorteil und Vergnügen geht, vielen gefallen; denn der Leute, die das bieten können, hat man manche, und Dienste zu erweisen kostet wenig Zeit. Von diesen zwei Arten der Freundschaft hat wohl die auf der Lust beruhende mehr vom Wesen eigentlicher Freund-
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schaft an sich, wenn zwei sich Gleiches leisten und aneinander oder an denselben Dingen Gefallen haben, dergleichen die Freundschaften der jungen Leute sind: denn in ihnen ist mehr idealer Sinn, während die Interessenfreundschaft Krämergeist verrät. Auch bedürfen die vom Glück Gesegneten nicht solcher, die ihnen nützlich, sondern solcher, die ihnen angenehm sind. Sie müssen mit anderen zusammenleben; was einem aber widerwärtig ist, mag man eine Zeitlang ertragen, auf die Dauer hält es niemand aus, selbst nicht das sittlich Gute der Tugendübung, wenn es ihm widerwärtig oder beschwerlich ist. Daher suchen die Günstlinge des Glücks solche Freunde, die ihnen angenehm sind. Vielleicht sollten sie auch darauf sehen, daß die Gesuchten als gute Menschen, ja, als gut und förderlich auch für sie, ihnen angenehm wären. Dann hätte ihre Freundschaft alles, was sie haben soll. Hochgestellte scheinen zweierlei Freunde zu brauchen: die einen sind ihnen nützlich, die anderen angenehm; beides aber ist nicht oft in einer Person vereint. Sie suchen nämlich weder angenehme Leute, die zugleich tugendhaft wären, noch nützliche für sittlich schöne Zwecke. Vielmehr verlangen sie auf der einen Seite, wenn sie das Angenehme im Auge haben, nur gute Gesellschafter, auf der anderen Seite nur brauchbare Werkzeuge zur Vollführung ihrer Befehle. Das aber findet sich nicht leicht in einer Person zusammen. Wir haben wohl vorhin gesagt, daß der Tugendhafte angenehm und nützlich zugleich ist. Aber der Mann der Tugend schließt mit keinem Freundschaft, der ihn überragt, wenn derselbe nicht gleichzeitig von ihm an Tugend überragt wird. Sonst wäre der Hochstehende ihm nicht insofern gleich, als er auch wieder entsprechend tiefer stände. Solche pflegen aber nicht oft vorzukommen.
Achtes Kapitel8 Die bezeichneten Freundschaften beruhen also auf Gleichheit. In ihnen leisten und wünschen sich beide Teile dasselbe oder tauschen eines gegen das andere, wie z. B. Lust gegen Vorteil,
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ein. Daß diese Freundschaften geringeren Grades und von geringerer Dauer sind, haben wir schon gesagt. Sie scheinen wegen der Ähnlichkeit und der Unähnlichkeit in demselben Punkte zugleich Freundschaften zu sein und es nicht zu sein. In Anbetracht der Ähnlichkeit mit der auf Tugend beruhenden Freundschaft erscheinen sie als Freundschaften, da die eine Lust gewährt, die andere Nutzen, was beides auch jener eigen ist; insofern die letztere aber über Verleumdung erhaben und beständig ist, jene dagegen rasch wechseln und auch noch in manchen anderen Stücken von der wahren Freundschaft abweichen, erscheinen sie wieder wegen ihrer Unähnlichkeit mit ihr nicht als Freundschaften. Es gibt aber noch eine andere Art von Freundschaft, bei der ein Verhältnis der Überlegenheit besteht, so die Freundschaft des Vaters mit dem Sohn und überhaupt eines Älteren mit einem Jüngeren, die des Mannes mit der Frau und die eines jeden Vorgesetzten mit dem Untergebenen. Diese Freundschaften sind auch unter sich verschieden; die Freundschaft der Eltern mit ihren Kindern ist nicht dieselbe wie die der Vorgesetzten mit ihren Untergebenen, aber auch die des Vaters mit dem Sohne ist nicht die gleiche wie die des Sohnes mit dem Vater und die des Mannes mit der Frau nicht die gleiche wie die der Frau mit dem Mann. Jede dieser Personen hat nämlich eine andere Tugend und eigentümliche Verrichtung und jede ein anderes Motiv der Liebe, und darum ist auch die Liebe und die Freundschaft jedesmal eine andere. So leisten denn hier beide Teile einander nicht das Gleiche, und man darf das auch nicht verlangen; wenn vielmehr die Kinder den Eltern erweisen, was den Erzeugern gebührt, und die Eltern ihren Söhnen, was denen, die sie erzeugt haben, zukommt, dann wird die Freundschaft unter solchen beständig und von rechter Art sein. In allen diesen auf einer Überlegenheit beruhenden Freundschaften muß die Liebe eine verhältnismäßige sein, muß der Bessere, Nützlichere und sonst Überlegene mehr geliebt werden als lieben. Denn dann, wenn beide Teile nach Würden geliebt werden, entsteht gewissermaßen Gleichheit, was ja als Grundzug aller Freundschaft gilt.
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Neuntes Kapitel9 Mit der Gleichheit hat es aber nicht dieselbe Bewandtnis im Recht und in der Freundschaft. Im Recht steht die Gleichheit nach der Würdigkeit zuerst, und die quantitative Gleichheit folgt auf sie. Dagegen steht in der Freundschaft die quantitative Gleichheit an erster Stelle, und die nach der Würdigkeit folgt ihr. Man sieht das deutlich, wenn unter verschiedenen Personen ein großer Abstand bezüglich der Tugend oder Schlechtigkeit, des Wohlstandes oder sonst einer Sache herrscht: da ist man nicht mehr Freund und beansprucht es auch nicht. Am klarsten aber sieht man es an den Göttern, die uns an allen Gütern so sehr überlegen sind. Aber auch an den Königen sieht man es; auch ihre Freundschaft sucht nicht, wer tief unter ihnen steht, so wenig wie minderwertige Leute die Freundschaft der Besten und Weisesten beanspruchen. Eine genaue Bestimmung, wie weit der Unterschied gehen darf, um noch für eine Freundschaft Raum zu lassen, ist freilich nicht möglich: sie kann sich behaupten, wenn ein Teil auch vieles verliert; ist aber der Abstand sehr groß, wie bei Gott, so kann keine Freundschaft mehr sein. Man wirft darum auch die Frage auf, ob nicht etwa Freunde den Freunden die allergrößten Güter mißgönnen, das Glück und die Ehre z. B., unter die Götter versetzt zu werden. Sie wären dann ja ihre Freunde nicht mehr und also auch kein Gut mehr für sie, was der Freund doch ist. Die Lösung ist diese: wenn die Bestimmung, daß der Freund dem Freunde Gutes um des Freundes willen wünscht, richtig getroffen ist, so liegt ihr die Voraussetzung zugrunde, daß der Geliebte auf alle Fälle bleibt, wer er ist, und so wünscht man ihm als Menschen die größten Güter; aber nicht alle vielleicht, da jedermann vor allem sich selbst Gutes wünscht. In der Regel will man offenbar aus Ehrgeiz mehr geliebt sein als lieben und ist daher der Schmeichelei zugänglich. Denn der Schmeichler ist ein Freund, der einem untergeordnet ist oder sich so stellt, als ob er es wäre, und als ob er uns mehr liebte als wir ihn. Das Geliebtwerden scheint aber dem Geehrtwerden verwandt zu sein, und das letztere ist es ja, wo-
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nach die meisten trachten. Doch scheint man die Ehre nicht an sich, sondern mitfolgend zu begehren. In der Regel freut man sich an der Ehre, die man von Hochgestellten empfängt, aus Hoffnung, da man meint, man werde, wenn man etwas bedarf, es von ihnen erlangen, und so erfreut einen die Ehre als eine Gewähr späterer Wohltat. Diejenigen hinwieder, die nach der Ehre von seiten tugendhafter und urteilsfähiger Personen verlangen, haben dabei den Wunsch, in ihrer eigenen Meinung von sich bestärkt zu werden, und so freut es sie, daß sie tugendhaft sind, indem sie dem Urteil derer, die es fällen, vertrauen. Dagegen an der Liebe, die man erfährt, erfreut man sich um ihrer selbst willen, und so sieht man denn, daß sie besser ist als die Ehre, die man empfängt, und daß die Freundschaft an sich begehrenswert ist. Sie liegt aber mehr im Lieben als im Geliebtwerden. Das zeigen die Mütter, deren Freude es ist, zu lieben. Manche Mütter lassen ihre Kinder von anderen ernähren und schenken ihnen bewußte Liebe, verlangen aber keine Gegenliebe, wenn beides zusammen nicht sein kann, sondern halten sich schon für glücklich, wenn sie nur sehen, daß es ihren Kindern gut geht, und sie haben sie lieb, auch wenn diese aus Unwissenheit ihnen nichts von dem erweisen, was der Mutter gebührt.
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Da aber die Freundschaft mehr im Lieben liegt und diejenigen Lob ernten, die ihre Freunde lieben, so erscheint als die Tugend der Freunde das Lieben, weshalb die, bei denen dies nach Würdigkeit und Verhältnis geschieht, beständige Freunde sind und ihre Freundschaft ebenfalls. So kann es noch am ehesten geschehen, daß Ungleiche Freunde sind, weil so unter ihnen Gleichheit hergestellt wird. Gleichheit und Übereinstimmung aber ist Freundschaft, besonders die Übereinstimmung in der Tugend. Da nämlich die Tugendhaften an sich beständig sind, bleiben sie es auch gegeneinander und bedürfen so wenig des Schlechten, als sie dazu helfen, ja, sie würden, wenn überhaupt
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unter Guten davon die Rede sein könnte, es verhindern. Ist es doch den Tugendhaften eigen, weder selbst zu fehlen, noch es ihren Freunden zu gestatten. Die Lasterhaften haben keine Beständigkeit, da sie nicht einmal sich selbst gleich bleiben, doch werden sie auf kurze Zeit Freunde unter sich, da der eine an der Schlechtigkeit des anderen Gefallen findet. Länger dauert die Freundschaft derer, die einander nützlich oder angenehm sind, so lange nämlich, als sie sich gegenseitig Vergnügen oder Vorteile gewähren. Unter Personen von entgegengesetzten Verhältnissen und Eigenschaften scheint besonders die auf dem Nutzen beruhende Freundschaft vorzukommen, wie die Freundschaft zwischen dem Reichen und dem Armen, dem Unwissenden und dem Unterrichteten. Denn jeder begehrt nach dem, was ihm mangelt, und gibt dafür anderes als Gegengabe. Man kann dahin auch den Liebhaber und den Liebling, den Schönen und den Häßlichen zählen. Daher machen sich auch die Liebhaber mitunter lächerlich, wenn sie so geliebt sein wollen, wie sie lieben. Das kann man ja vielleicht verlangen, wenn man gleich liebenswert ist; hat man aber nichts derartiges an sich, so ist es lächerlich. Vielleicht strebt aber auch Entgegengesetztes nicht an sich nach Entgegengesetztem, sondern mitfolgend, und es geht das Verlangen eigentlich nach dem Mittleren; denn dieses ist gut. So ist es dem Trockenen nicht gut, wenn es naß wird, sondern wenn es den Zustand der Mitte gewinnt, ähnlich dem Warmen und so weiter. Doch wollen wir uns hierauf nicht weiter einlassen, da es weniger in den gegenwärtigen Zusammenhang gehört. Elftes Kapitel11 Man darf aber, wie wir schon eingangs bemerkt haben, wohl annehmen, daß die Freundschaft es mit denselben Dingen und Personen zu tun hat wie das Recht. Denn in jeder Gemeinschaft scheint es, wie ein Recht, so auch eine Freundschaft zu geben. Reden sich doch die Gefährten einer Seereise, die Kriegsgenossen und gleicherweise wer in sonst einer Gemein-
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schaft steht, als Freunde an. Soweit man in Gemeinschaft steht, soweit gibt es eine Freundschaft, weil auch ein Recht. Darum ist das Sprichwort ein wahres Wort: „Freundesgut, gemeinsam Gut“; denn die Freundschaft besteht in Gemeinschaft. Unter Brüdern und solchen, die sich wie Brüder sind, ist alles, unter anderen sind nur bestimmte Dinge gemeinsam, teils ihrer mehr, teils weniger, wie ja auch die Freundschaften teils enger, teils weiter sind. So ist auch das Recht nicht überall das gleiche. Das Recht der Eltern gegenüber den Kindern ist ein anderes als das Recht unter Brüdern, das Recht unter engverbundenen Gefährten ein anderes als das unter Mitbürgern, und ähnlich hat jede andere Freundschaft ihr besonderes Recht. Folglich ist auch das Unrecht gegen jede dieser Klassen von Personen ein anderes und wird um so größer, je näher einem die Freunde sind, gegen die es sich richtet; so ist es ein größerer Frevel, einen Busenfreund seines Geldes zu berauben als einen Mitbürger, einem Bruder nicht zu helfen als einem Fremden, seinen Vater zu schlagen als einen beliebigen anderen Menschen. Daß das Recht in dieser Weise zugleich mit der Freundschaft wächst, liegt in der Natur der Sache, da beide es mit denselben Personen zu tun haben und sich sachlich gleich weit erstrecken. Alle Gemeinschaften haben aber Ähnlichkeit mit Teilen der staatlichen Gemeinschaft. Denn man vereinigt sich in ihnen um eines bestimmten Nutzens willen und um sich etwas zu verschaffen, was man zum Leben bedarf. Der Nutzen scheint es aber auch zu sein, der die staatliche Gemeinschaft ursprünglich ins Leben gerufen hat und sie seitdem erhält. Denn der Nutzen ist das Ziel der Gesetzgeber, und als Recht bezeichnet man, was dem Gemeinwesen frommt. Die anderen Gemeinschaften nun verfolgen je einen besonderen oder partikulären Vorteil, so die Schiffahrtsgenossen den aus der Seefahrt erwachsenden Gewinn, Gelderwerb und dergleichen, die Kriegsgenossen jenen Gewinn, den der Krieg abwirft; sei es nun Beute oder Sieg oder die Eroberung einer Stadt, worauf sie ausgehen; das gleiche ist der Fall bei den Angehörigen einer Phyle oder eines Demos.
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Einige Gemeinschaften scheinen des Vergnügens wegen zu bestehen; so die Kult- und Gastmahlsverbände, die der Opfer und der Geselligkeit wegen da sind. Von allen diesen Verbindungen kann man aber sagen, daß sie unter der staatlichen Gemeinschaft stehen. Denn diese zielt nicht auf den Nutzen des Augenblicks ab, sondern umfaßt das gesamte Leben (die Zwecke der anderen Verbände aber ordnen sich insgesamt dem Staatszweck unter, und das gilt auch von Geselligkeitsvereinen nach Art der eben genannten). Man bringt da Opfer dar, findet sich im Anschluß daran freundschaftlich zusammen und weiß so gleichzeitig die Götter zu ehren und sich selbst eine angenehme Erholung zu verschaffen. Man scheint nämlich die alten Opfer und Festversammlungen als eine Art Erstlingsfeier auf die Zeit nach dem Einbringen der Früchte verlegt zu haben, weil man da am meisten Muße hatte. So sieht man denn, daß alle Gemeinschaften Teile der staatlichen Gemeinschaft sind. Nach ihnen aber müssen sich jeweils die entsprechenden Freundschaften richten.
Zwölftes Kapitel12 Der Staat aber hat drei Arten oder Formen, und es gibt ebensoviele Entartungen, gleichsam Verderbnisse dieser Formen. Die Staatsformen sind das Königtum, die Aristokratie und drittens die auf dem Zensus beruhende Verfassung, die man eigentlich als Timokratie bezeichnen sollte, die aber meistens Verfassungsstaat oder Republik genannt wird. Von diesen ist die beste das Königtum, die schlechteste die Timokratie. Die Entartungen des Königtums ist die Tyrannis, die Gewaltherrschaft. Beide sind Alleinherrschaften, aber sehr stark voneinander verschieden. Der Tyrann ist auf seinen eigenen Vorteil bedacht, der König auf das Wohl seiner Untertanen. Denn König kann nur sein, wer sich selbst genügt und durch den Besitz aller Güter die anderen überragt. So ausgestattet bedarf er niemandes und sucht, nicht was ihm, sondern was den Untertanen nützt. Wäre er nicht so ausgestattet, so
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wäre er nur ein durch das Los gewählter König. Die Tyrannis ist das Gegenteil vom Königtum. Denn der Tyrann verfolgt seinen eigenen Vorteil. Auch ist es bei ihr so recht augenscheinlich, daß sie die schlechteste Staatsform ist; das aber ist das Schlechteste, was das Gegenteil vom Besten ist. Das Königtum geht in Tyrannis über, insofern diese eine Entartung der Monarchie, der Alleinherrschaft, ist und ein nichtswürdiger König zum Tyrannen wird. Die Aristokratie aber geht in Oligarchie über durch die Schlechtigkeit der Machthaber, die die Güter des Staats wider Verdienst verteilen, alles oder das meiste davon für sich behalten, die Ämter immer in die gleichen Hände legen und den Reichtum als das höchste Glück ansehen. Da regieren also wenige und Schlechte anstelle der Tugendhaftesten und Tüchtigsten. Die Timokratie endlich geht in die Demokratie über; denn diese beiden grenzen aneinander. Auch die Timokratie nämlich überträgt die Herrschaft an die Menge und alle, die die Bedingung des Zensus erfüllen, hält sie für gleich. Die Demokratie ist am wenigsten schlecht, weil sie sich nur wenig von der richtigen Staatsform der Timokratie entfernt. Das ist also meistens die Weise, wie die Staatsformen wechseln, weil so der Übergang von der einen Form in die andere mit den geringsten Änderungen verknüpft ist und am leichtesten zustande kommt. Zu diesen Staatsformen lassen sich nun im Familienleben Gegenstücke und gleichsam Beispiele nachweisen. Das Gemeinschaftsverhältnis des Vaters zu seinen Söhnen hat die Form des Königtums, da dem Vater seine Kinder am Herzen liegen, daher auch Homer den Zeus Vater nennt. Das Königtum will ja eine väterliche Herrschaft sein. Bei den Persern dagegen ist die Herrschaft des Vaters tyrannisch, da bei ihnen der Vater seine Söhne als Sklaven behandelt. Ebenfalls tyrannisch ist das Verhältnis des Herrn zu seinen Sklaven, indem bei diesem der Vorteil des Herrn maßgebend ist. Hier freilich erscheint die Gewaltherrschaft richtig, die persische aber ist verkehrt. Denn die Herrschaft muß je nach den Personen, die ihr unterstehen, verschieden sein. Das Verhältnis von Mann und Frau erscheint als aristokratisch. Denn der Mann herrscht
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gebührenderweise, und zwar auf dem dem Manne zustehenden Gebiete, und überläßt dagegen der Frau, was sich für diese schickt. Will der Mann aber in allem gebieten, so verkehrt er das naturgemäße Verhältnis in Oligarchie, weil er das wider Gebühr tut, nicht insofern er der Bessere ist. Zuweilen aber, wenn die Frauen Erbtöchter sind, herrschen sie. Da entscheidet denn nicht die Tugend über die Gewalt, sondern Reichtum und Macht, wie in den Oligarchien. Der timokratischen Verfassung gleicht das Verhältnis unter Brüdern: sie sind einander gleichberechtigt, außer insoweit sie im Alter verschieden sind; ist daher der Abstand im Alter groß, so ist die Freundschaft zwischen ihnen keine brüderliche mehr. Die Demokratie findet sich vorzüglich in den Häusern, wo der Herr fehlt – denn da sind alle gleich –, und wo das Oberhaupt schwach ist und jeder tut, was ihm gefällt.
Dreizehntes Kapitel13 Gemäß einer jeden Staatsverfassung gibt es nun eine entsprechende Freundschaft, weil auch ein Recht; beim König gegenüber seinen Untertanen ist es jene, die auf überwiegendem Wohltun beruht. Der König ist der Wohltäter seiner Untertanen, wenn anders er in edler Gesinnung für sie sorgt, daß es ihnen wohl ergehe, wie ein Hirt für seine Schafe. Darum hat auch Homer den Agamemnon einen Hirten der Völker genannt. Dieser Art ist auch die väterliche Freundschaft, nur daß sie sich von der königlichen durch die Größe der Wohltaten unterscheidet. Denn dem Vater danken die Kinder das Dasein, das als das Größte gilt, die Ernährung und Erziehung. Das gleiche Verdienst schreibt man den Vorfahren zu, und es ist die Natur selbst, die dem Vater die Herrschaft über die Kinder, den Vorfahren die über die Nachkommen und dem König die über die Untertanen zuweist. Diese Freundschaften beruhen auf Überlegenheit, daher werden auch die Eltern geehrt. Und deshalb ist auch das Recht unter solchen Freunden nicht dasselbe, sondern es bestimmt sich nach Verhältnis
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und Würdigkeit, weil gleiches von der Freundschaft gilt. Die Freundschaft ferner des Mannes mit der Frau ist dieselbe wie die in der Aristokratie. Sie richtet sich nach den Vorzügen jedes Teils und gesteht dem Besseren das größere Gut zu und doch jedem das Gebührende; und gleiches gilt von dem Recht. Die Freundschaft zwischen Brüdern aber gleicht der zwischen Hetären, d. h. gemeinsam erzogenen Genossen. Denn sie sind einander gleich an Stellung und Alter, und die so sind, stimmen auch meistens in Gemütsanlage und Charakter überein. Mit ihr kann daher die Freundschaft verglichen werden, der man in der Timokratie begegnet. Denn die Bürger eines Verfassungsstaates beanspruchen gleiches Recht und gleichen Wert; somit ist die Herrschaft gleichmäßig unter sie verteilt, und danach gestaltet sich denn auch ihre Freundschaft. In den Auswüchsen oder Entartungen dieser Staatsformen aber findet sich wie nur wenig Recht und Gerechtigkeit, so auch nur wenig Freundschaft, am wenigsten in der ärgsten, der Tyrannis; in ihr trifft man wenig oder gar keine Freundschaft an; denn wo Herrscher und Beherrschter nichts gemeinsam haben, da ist, weil kein Recht, auch keine Freundschaft, sondern nur ein Verhältnis wie das des Werkmeisters zu seinem Werkzeug, der Seele zum Leibe und des Herrn zum Sklaven. Denn all dies ist zwar Gegenstand der Fürsorge für den, der es zu seinem Dienste verwendet, aber ein Freundschaftsverhältnis gibt es zum Leblosen so wenig wie ein Rechtsverhältnis. Aber auch nicht zu einem Pferd oder Ochsen, oder zu einem Sklaven, insofern er Sklave ist. Denn hier fehlt jedes Gemeinsame: der Sklave ist ein beseeltes Werkzeug wie das Werkzeug ein unbeseelter Sklave. Sofern er also Sklave ist, ist keine Freundschaft mit ihm möglich, wohl aber sofern er Mensch ist. Denn jeder Mensch, kann man sagen, steht im Rechtsverhältnis zu jedem Menschen, der Gesetz und Vertrag mit ihm gemeinsam haben kann, und damit ist auch die Möglichkeit eines Freundschaftsbandes gegeben, insofern der Sklave ein Mensch ist. Auch in der Tyrannis ist also Freundschaft und Recht nur wenig zu finden, in der Demokratie aber noch am meisten. Denn wo man sich gleich steht, hat man vieles gemeinsam.
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Vierzehntes Kapitel14 Jede Freundschaft beruht also, wie gesagt, auf Gemeinschaft. Dabei lassen sich die verwandtschaftliche Freundschaft und die hetärische, d. h. die Freundschaft unter solchen, die miteinander aufgewachsen sind, als besondere Arten unterscheiden. Dagegen trägt die Freundschaft unter Mitbürgern, Stammesgenossen, Reisegefährten usw. mehr das Gepräge äußerer Vereinigung, da sie gleichsam auf Vertrag zu beruhen scheint. Dahin kann man auch das Verhältnis unter Gastfreunden rechnen. Auch die verwandtschaftliche Freundschaft hat offenbar wieder viele Arten, doch hängt sie ihrem ganzen Umfang nach von der väterlichen Freundschaft ab. Die Eltern lieben nämlich ihre Kinder wie ein Stück von sich selbst, und die Kinder hinwieder ihre Eltern als die, denen sie ihr Dasein verdanken. Die Eltern wissen aber besser, wer als Kind von ihnen abstammt, als die Kinder, daß sie von ihnen abstammen. Und der Erzeuger steht dem Erzeugten näher, als das Werk seinem Urheber und das Gezeugte seinem Erzeuger steht. Denn was von einem herkommt, gehört dem zu eigen, von dem es ist, wie jedem Menschen seine Zähne, seine Haare oder sonst was zu eigen gehören, dem Erzeugten aber gehört der Erzeuger nicht zu eigen, oder doch weniger. Aber auch die Länge der Zeit begründet einen Unterschied, da die Eltern ihre Kinder gleich von ihrer Geburt an lieben, diese aber jene erst im Verlauf der Zeit, wenn sie Verstand bekommen oder doch schon so weit beobachten, daß sie ihre Eltern von anderen Leuten unterscheiden. Daraus sieht man auch, warum die Mütter ihre Kinder mehr lieben als die Väter. Die Eltern lieben nun ihre Kinder gleichsam als sich selbst – denn die von ihnen abstammen, sind durch die Trennung sozusagen ihr anderes Selbst –, und die Kinder ihre Eltern, weil sie von ihnen geboren sind; die Geschwister lieben sich untereinander, weil sie von denselben Eltern geboren sind. Denn da sie mit ihnen ein und dasselbe sind, sind sie es auch unter sich, weshalb man sagt: dasselbe Blut, derselbe Stamm und der-
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gleichen. So sind sie denn, wenn auch in getrennten Personen, gewissermaßen dasselbe Wesen. Zu ihrer Freundschaft hilft auch viel, daß sie zusammen aufwachsen und gleichaltrig sind; denn „gleich und gleich“ heißt es, und gleiche Sitten machen treue Gefährten, weshalb auch die brüderliche Freundschaft der unter Jugendgenossen ähnlich ist. Vettern und sonstige Verwandte sind von den Brüdern her miteinander verbunden. Denn sie sind darum verwandt, weil sie letzthin denselben Ursprung haben. Die einen stehen sich näher, die anderen ferner, je nachdem der gemeinsame Stammvater ihnen näher oder ferner steht. Das Verhältnis der Kinder zu ihren Eltern ist, wie das der Menschen zu den Göttern, eine Freundschaft mit dem Guten und Überlegenen. Denn die Eltern haben ihren Kindern die größten Wohltaten erwiesen: sie haben ihnen das Dasein geschenkt und sie ernährt und später für ihre Erziehung Sorge getragen. Auch ist die Lust und der Nutzen in dieser Freundschaft um so größer als in der unter Fremden oder Nichtverwandten, je enger die Lebensgemeinschaft ist, die hier beide Teile miteinander unterhalten. In der brüderlichen Freundschaft finden sich alle Eigenschaften der hetärischen, besonders wenn die Brüder gleichmäßig gut und sich auch sonst ähnlich sind. Denn Brüder stehen sich besonders nahe und lieben sich von Geburt an; als Kinder derselben Eltern, miteinander aufgewachsen und nach denselben Grundsätzen erzogen, sind sie von gleicher Denkungsart und Charakterrichtung, und die Erprobung während langer Zeit ist bei ihnen die stärkste und zuverlässigste. Analog liegt das Freundschaftsverhältnis unter den sonstigen Verwandten. Zwischen Mann und Frau scheint von Natur aus ein Verhältnis der Freundschaft oder der Liebe zu bestehen. Denn der Mensch ist von Natur noch mehr zur ehelichen als zur bürgerlichen Gemeinschaft bestimmt, da die Familie früher und notwendiger ist als der Staat und die Fortpflanzung allen Sinnenwesen gemeinsam ist. Bei den übrigen Lebewesen nun beschränkt sich die Gemeinschaft und der Verkehr auf eben
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dieses letztere, die Menschen aber werden nicht bloß durch die Fortpflanzung, sondern auch durch die Bedürfnisse des Lebens zusammengeführt. Die Aufgaben und Verrichtungen der beiden Geschlechter sind von vornherein geteilt und bei dem Manne andere als bei der Frau. Und so sind sie sich gegenseitig genug, indem beide ihre besonderen Gaben in den Dienst der Gemeinschaft stellen. Darum ist in dem ehelichen Verhältnis auch das Nützliche und das Angenehme gleichermaßen anzutreffen. Diese Annehmlichkeit kann aber auch in der Tugend ihren Grund haben, wenn die Gatten sittlich gut sind, da jeder Eheteil seine eigentümliche Tugend besitzt, und das kann für sie eine Quelle der Lust sein. Ein weiteres Band zwischen den Ehegatten scheinen die Kinder zu bilden, weshalb kinderlose Ehen sich leicht lösen. Denn die Kinder sind ein beiden gemeinsames Gut, und das Gemeinsame hält zusammen. Die Frage aber, wie der Mann mit der Frau und überhaupt der Freund mit dem Freunde zusammenleben muß, scheint nichts anderes zu bedeuten als die Frage nach der Beschaffenheit des hier geltenden Rechtsverhältnisses. Denn das Recht ist offenbar nicht dasselbe unter Freunden und unter Fremden oder Jugendgefährten oder Mitschülern.
Fünfzehntes Kapitel15 Da es, wie eingangs gesagt worden ist, drei Arten der Freundschaft gibt, und in jeder die Freunde einander entweder gleich oder überlegen sind – denn es können ebensowohl gleich Gute miteinander Freund werden wie der Bessere mit dem Schlechteren und ebenso gleich und ungleich Angenehme, und bei den auf den Nutzen berechneten Freundschaften solche, die einander gleichen, und solche, die einander ungleichen Nutzen gewähren –, so müssen die Gleichen nach Gleichheit im Lieben und in allem es einander gleich tun, die Ungleichen aber nach Verhältnis das Übermaß auf der anderen Seite wettmachen.
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Daß aber Klagen und Vorwürfe entweder ausschließlich oder doch vorwiegend in der Interessenfreundschaft vorkommen, ist leicht verständlich. Diejenigen, die ihre Tugend zu Freunden gemacht hat, sind von dem Eifer beseelt, einander nur Gutes zu erweisen; denn das ist der Tugend und der Liebe eigen. Bei einem solchen Wetteifer aber sind Klagen und Zwiste gar nicht möglich. Niemand ist dem gram, der ihn liebt und ihm Gutes tut, sondern, wenn er vornehm gesinnt ist, vergilt er ihm mit gleicher Wohltat. Der aber mehr leistet, als er empfängt, wird doch dem Freunde keinen Vorwurf machen, wenn er selbst erlangt, was er begehrt; denn beide Teile streben nach dem Guten. Auch wo man um der Lust willen Freundschaft hält, werden nicht viele Klagen vorkommen. Denn beide Freunde erreichen zugleich, was sie begehren, wenn ihnen der gegenseitige Verkehr Freude macht. Es wäre doch auch lächerlich, wenn jemand einem anderen einen Vorwurf darüber machen wollte, daß ihm sein Umgang keine Unterhaltung gewähre, da es ihm ja freisteht, den Verkehr mit ihm aufzugeben. Dagegen kommt es in der Interessenfreundschaft naturgemäß oft zu Klagen und Vorwürfen. Denn da hier der Vorteil die Leute zusammenführt, so begehren sie immer mehr und meinen weniger zu bekommen, als ihnen gebührt, und schimpfen, daß ihnen nicht so viel zugestanden werde, als sie gerechterweise forderten; und der Wohltäter vermag nicht so weit Genüge zu leisten, als die Forderungen des Empfängers der Wohltat gehen. Man darf aber annehmen, daß, wie es ein doppeltes Recht gibt, ein ungeschriebenes und ein gesetzliches, so auch die Interessenfreundschaft teils ethischer, teils legaler Natur ist. Die Klagen kommen nun meistens daher, daß Leistung und Gegenleistung nicht beiderseits im Sinne derselben Freundschaft erfolgt. Die legale Freundschaft ist die auf ausdrückliche Bedingungen hin eingegangene, teils die ganz gemeine, wo Leistung und Gegenleistung Zug um Zug erfolgt, teils die von vornehmerer Form, wo die Gegenleistung später erfolgen soll, doch so, daß Leistung und Gegenleistung vertraglich bestimmt werden. Hier ist die Verpflichtung deutlich und dem
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Streit entzogen, und die Freundschaft kommt nur so weit in Betracht, daß sie einen Aufschub der Leistung gestattet. Daher gibt es mancherorts in solchen Dingen kein Rechtsverfahren, da man meint, daß diejenigen, die auf Treu und Glauben Verbindungen eingehen, sich vertragen müssen. Die ethische Freundschaft dagegen wird nicht unter ausdrückliche Bedingungen gestellt, vielmehr gibt sich in ihr jede Leistung, sei es eine Schenkung oder sonst was, als eine Bekundung der Freundschaft; man rechnet aber darauf, gleich viel oder noch mehr zu empfangen, weil man tatsächlich nicht geschenkt, sondern nur geliehen hat, und erfolgt nun die Gegenleistung nicht in eben der Weise wie die Leistung, so kommt es zu Klagen, und zwar deshalb, weil alle oder doch die meisten Menschen zwar das sittlich Schöne wollen, aber das Nützliche vorziehen. Sittlich schön aber ist es, Gutes zu tun, nicht um Gutes dafür zu empfangen, nützlich aber, sich Gutes antun zu lassen. Wer also kann, muß nach dem Wert des Empfangenen vergelten, und zwar freiwillig, weil man niemandem zumuten darf, einem wider Willen Freund und Wohltäter zu sein. Man tue also lieber, als habe man sich von vornherein in dem anderen geirrt und Wohltat angenommen, wo es nicht am Platze war, nämlich nicht von einem Freund und nicht von einem, der in Freundesgesinnung handelte, und daher gleiche man seine Verbindlichkeit ganz so aus, als hätte man die Wohltat nur unter der ausdrücklichen Bedingung solcher Ausgleichung angenommen. Ja, man wird gut tun, geradeheraus zu sagen, man wolle Vergeltung leisten, wenn man könne; wenn man es aber nicht kann, so wird selbst der andere Teil es nicht verlangen. Das Ergebnis ist also: wenn man dazu imstande ist, so muß man die empfangene Leistung erwidern. Von Anfang an aber möge man wohl zusehen, von wem und unter welchen Bedingungen man eine Wohltat empfängt, damit man sie hiernach entweder annehme oder ablehne. Hier entsteht der Zweifel, ob man die Gegenleistung nach dem Nutzen, den die Leistung für den Empfänger hatte, bemessen und einrichten soll, oder nach dem Wert, den die Leistung für den Geber hatte. Denn die Empfänger verkleinern
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die Sache und wollen nur solches erhalten haben, was für die Geber ein kleines war, und was man auch von anderen hätte haben können. Die Geber aber wollen umgekehrt das Höchste ihnen Mögliche geleistet haben, was kein anderer gekonnt hätte, und das in Gefahren und gefährlichen Bedrängnissen. Sollte nun, da es sich um eine Interessenfreundschaft handelt, nicht der Nutzen, den die Leistung für den Empfänger hatte, der richtige Maßstab sein? Er ist ja der Bedürftige, und der andere hilft seinem Bedürfnis in der Meinung ab, daß er Gleiches dafür empfangen werde. Die Hilfe ist also so groß geworden wie der Nutzen des Empfängers, und so hat er dem Geber so viel zu vergelten, als er Hilfe erfahren hat, oder auch mehr, da dies sittlich schöner ist. Bei Freundschaften, die auf der Tugend beruhen, gibt es keine Klagen, und es gilt als Maßstab die Absicht des Gebers. Denn bei der Tugend und Sittlichkeit liegt das Entscheidende in der Absicht. Sechzehntes Kapitel16 Zu Differenzen kommt es auch in den auf Überlegenheit beruhenden Freundschaften. Jeder verlangt da, mehr zu bekommen, und wenn das geschieht, löst sich die Freundschaft auf. Der Bessere meint, ihm gebühre es, mehr zu erhalten, da dem Guten und Tüchtigen mehr zugeteilt werde; dasselbe meint der, der mehr Nutzen gewährt. Wer nichts leiste, so heißt es, dürfe auch nicht das gleiche haben; es sei ein Ehrendienst, wie man ihn wohl dem Staat leistet, aber kein Freundesverhältnis, wenn die Beweise der Freundschaft sich nicht nach dem Wert der Leistungen richteten. Man stellt sich nämlich vor, es müsse in der Freundschaft zugehen wie bei einem gemeinschaftlichen Handel, wo auf den größeren Einsatz auch der größere Gewinn trifft. Der Bedürftige dagegen und der minder Gute und Tüchtige nimmt die Sache umgekehrt: er denkt, ein guter Freund sei verpflichtet, dem bedürftigen Freund zu helfen. Denn, so sagt man, was nützt es, einem trefflichen oder ein-
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flußreichen Mann befreundet zu sein, wenn man keinen Vorteil davon haben soll? Hier kann man nun den Anspruch beider Teile für begründet ansehen und sagen, daß jeder auf Grund des Freundschaftsverhältnisses dem anderen mehr leisten muß; aber der Gegenstand dieses Mehr kann nicht derselbe sein, vielmehr gebührt dem überlegenen Teil mehr Ehre, dem bedürftigen mehr Gewinn. Denn der Lohn der Tugend und Wohltat ist die Ehre; was aber der Bedürftigkeit Hilfe bringt, ist der Gewinn. Daß dem so ist, zeigt sich auch im staatlichen Leben: wer der Gemeinschaft nichts Gutes leistet, genießt auch keine Ehre. Denn was das Gemeinwesen gewähren kann, wird dem zuteil, der um das Gemeinwesen sich verdient macht, das aber ist die Ehre. Es geht nämlich nicht an, daß einer vom Gemeinwesen Geldvorteil und Ehre zugleich erhält, und ebenso erträgt es niemand, in allen Stücken zu kurz zu kommen. Wer darum bei dem Geld zu kurz gekommen ist, wird durch Ehre entschädigt, und wer gern Geschenke nimmt, erhält Geld. Denn das Verhältnismäßige stellt den Ausgleich her und erhält die Freundschaft, wie wir gesagt haben. In dieser Weise müssen also auch die Beziehungen unter ungleichen Freunden geregelt werden, und wer aus der Freundschaft materielle Vorteile zieht oder durch sie in der Tugend und Tüchtigkeit gefördert wird, der muß es dem anderen mit Ehre vergelten, so viel als er kann. Denn die Freundschaft verlangt nur das Mögliche, nicht das Gebührende. Letzteres ist auch gar nicht in allen Verhältnissen möglich, wie z. B. bei der Ehre, die den Göttern zu erweisen ist und den Eltern; da kann niemand nach Würdigkeit vergelten, und wer ihnen gegenüber nur nach Kräften seine Schuldigkeit tut, gilt für rechtschaffen. Darum muß es auch als unstatthaft gelten, daß ein Sohn sich von seinem Vater lossagt, wohl aber darf ein Vater sich von seinem Sohne lossagen. Denn wer schuldet, muß bezahlen, der Sohn aber kann mit allem, was er tut, die empfangenen Wohltaten nicht nach Würdigkeit vergelten, und so bleibt er immer in der Schuld. Dem Schuldherrn dagegen steht es frei, den Schuldner aus der Pflicht zu entlassen, mithin auch
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dem Vater. Gleichzeitig kommt hier in Betracht, daß vielleicht kein Vater sich von seinem Sohn trennt, wenn derselbe nicht ein ausgesucht lasterhafter Mensch ist. Denn abgesehen von der natürlichen Liebe und Freundschaft, ist es den Menschen eigentümlich, eine Hilfe nicht von sich zu stoßen. Wenn der Sohn dagegen nichtswürdig ist, so erscheint ihm die seinem Vater zu leistende Hilfe als etwas, dem man sich entziehen oder wofür man sich doch nicht besonders erwärmen muß. Denn Gutes empfangen wollen alle, aber Gutes zu tun hütet man sich, weil es nichts einbringt. Soviel über diese Dinge.
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Erstes Kapitel1 In allen ungleichartigen Freundschaften stellt, wie gesagt, das Verhältnismäßige den Ausgleich her und erhält die Freundschaft; so empfängt auch im bürgerlichen Verkehr der Schuster für die Schuhe eine entsprechende Gegenleistung, desgleichen der Weber und die sonstigen Handwerker. Hier ist nun freilich ein gemeinsames Maß im Geld gegeben, und so wird alles auf dieses zurückgeführt und danach bemessen. Dagegen in Liebesverhältnissen beklagt sich mancher Liebhaber, der vielleicht gar nichts Liebenswürdiges an sich hat, daß er trotz seiner übergroßen Liebe keine Gegenliebe finde, und mancher Liebling beklagt sich, daß der andere ihm zuerst alles versprochen habe und nun nichts halte. Dies kommt da vor, wo der eine der Lust, der andere des Nutzens wegen Freundschaft hält, und beide finden, daß sie ihre Absicht nicht erreichen. Denn wenn die Freundschaft darauf beruht, so muß es zur Trennung kommen, sobald ihnen das nicht zuteil wird, weswegen sie sich liebten. Ihre Neigung galt ja nicht ihnen selbst, sondern dem, was sie besaßen, und was nicht von Dauer war, weshalb auch ihre Freundschaft die gleiche Beschaffenheit haben mußte. Dagegen hat die Freundschaft, die auf dem Charakter beruht und an sich Freundschaft ist, wie gesagt, festen Bestand. Indessen kommt es auch zu Zerwürfnissen, wenn einem der Freunde anstelle dessen, was er begehrt, etwas anderes zuteil wird. Denn erlangt er nicht, was er wünscht, so ist es, wie wenn er gar nichts erhielte. So ging es jenem Zitherspieler, dem jemand versprochen hatte, je besser er spiele, desto höher werde seine Belohnung sein: als er am anderen Tag um Erfüllung des Versprechens anhielt, antwortete ihm jener, er habe Lust für Lust bezahlt. Wenn hier jeder von beiden dies gewollt hätte,
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so wäre die Sache in Ordnung gewesen; war es aber dem einen um Unterhaltung, dem anderen um Gewinn zu tun, und hat jener seinen Zweck erreicht, dieser ihn verfehlt, so sieht es mit der Beobachtung der getroffenen Übereinkunft übel aus. Denn man hat doch seine Absicht auf das gerichtet, was man gerade nötig hat, und das wird denn auch das Motiv zu jener Leistung gewesen sein, von der wir berichtet haben. Wer von beiden hat aber den Lohn festzusetzen, derjenige, der zuerst gibt, oder derjenige, der zuerst empfängt? Wer zuerst gibt, scheint damit gewiß die Vergütung dem anderen anheimzustellen. So soll es auch Protagoras gemacht haben: wenn er irgend etwas gelehrt hatte, ließ er den Schüler sein erlangtes Wissen abschätzen und nahm nach dessen Schätzung seinen Lohn. In solchen Fällen aber sagt vielen mehr das Wort zu: „dem Manne sein Lohn“. Die sich aber im voraus bezahlen lassen und hernach, weil sie zuviel versprochen haben, ihr Wort nicht halten können, verfallen gerechtem Tadel, weil sie nicht dasjenige leisten, wofür sie sich anheischig gemacht. So sind vielleicht die Sophisten zu handeln gezwungen, weil ihnen niemand für das, was sie wissen, Geld geben würde. Diejenigen also, die das nicht leisten, wofür sie bezahlt worden sind, unterliegen mit Recht dem Tadel. Wo aber keine Verständigung über die Dienstleistung stattfindet, da kommt es, wie schon bemerkt worden ist, in dem Fall, daß der eine Teil dem anderen in ganz uneigennütziger Absicht dient, zu keinerlei Klagen. Eine solche Freundschaft ist nämlich die auf Tugend beruhende. Hier muß die Gegenleistung nach der Absicht des anderen Teils bemessen werden; denn so geziemt es sich für einen Freund und für die Tugend. Dasselbe gilt für das Verhältnis zwischen einem Lehrer der Philosophie und seinen Schülern. Der gebührende Dank läßt sich da nicht in Geld abschätzen, und einen würdigen Lohn gibt es da nicht, sondern es wird, wie bei den Göttern und Eltern genügen, wenn der einzelne tut, was er kann. Ist aber der Dienst nicht von dieser Art, sondern auf Gegendienst berechnet, so ist es wohl das Beste, wenn die Gegenleistung in einer Weise erfolgt, die beide Teile für angemessen halten. Sollte
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dies aber nicht gehen, so muß es nicht bloß als notwendig, sondern auch als gerecht erscheinen, daß der Empfänger des Dienstes seinen Wert festsetzt. Denn wenn er dem anderen soviel leistet, als er Nutzen von ihm gehabt, oder als er für den Genuß gegeben hätte, der ihm durch ihn zuteil geworden, so hat er ihm den gebührenden Ersatz geleistet. So geht es ja offenbar auch bei Kauf und Verkauf zu. Mancherorts bestehen aber auch Gesetze, daß kein Rechtshandel über ein freies Verhältnis geführt werden darf. Hierbei ist die Erwägung maßgebend, daß man mit einem Mann, dem man sein Vertrauen schenkte, sich auch ebenso auseinandersetzen müsse, wie man sich mit ihm eingelassen habe. Denn es erscheint den Gesetzgebern als billig, daß derjenige eine Sache abschätzt, dem sie von vornherein im Vertrauen zugewendet wurde, nicht der andere, der ihm die Sache überließ. Schätzen doch meistenteils derjenige, der eine Sache hat, und derjenige, der sie haben möchte, dieselbe nicht gleich ein, da jeder sein Eigentum und das, was er hergibt, hoch bewertet. Und dennoch findet der Austausch zu dem Preis statt, den der Empfänger bestimmt. – Man muß aber den Wert einer Sache nicht danach abmessen, wie hoch man sie schätzt, wenn man sie hat, sondern danach, wie hoch man sie schätzte, bevor man sie hatte.
Zweites Kapitel2 Schwierig sind auch Fragen wie die folgenden, ob man seinem Vater alles gewähren und ihm in allem folgen müsse, oder ob man in Krankheitsfällen dem Arzt folgen und bei der Wahl eines Feldherrn einem kriegstüchtigen Mann seine Stimme geben solle; ebenso, ob man einem befreundeten Mann mehr Dienste erweisen müsse als einem tugendhaften und tüchtigen, und ob man Liebe und Gunst eher einem Wohltäter wiedererweisen als einem lieben Gefährten zuvor erweisen müsse, wenn beides zusammen nicht möglich ist. Alle solche Fragen genau zu entscheiden, ist gewiß nicht leicht, da hier viele und mannigfache Unterschiede auftreten, je nachdem die fragli-
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che Sache groß oder klein und die betreffende Handlung mehr sittlich schön oder mehr notwendig ist. Soviel indessen steht außer Zweifel, daß man nicht einem alles gewähren soll, und ebenso, daß meistens die Pflicht, empfangene Wohltaten zu vergelten, der Pflicht, Gefährten gefällig zu sein, vorangeht, weil die Wohltat einem Darlehen verglichen werden kann, auf das der Gläubiger ein größeres Recht hat als der Gefährte. Aber vielleicht gilt selbst das nicht für alle Fälle. Es fragt sich z. B.: muß einer, der aus Räuberhänden losgekauft worden ist, seinen Befreier, wer er auch sei, wieder loskaufen und ihm selbst, wenn er nicht gefangen ist, aber das Lösegeld wiederhaben will, es zurückzahlen, oder muß er zuerst seinen gefangenen Vater loskaufen? Man sollte doch meinen, da sei man noch eher verpflichtet, den Vater loszukaufen als sich selbst. Wie nun gesagt, im allgemeinen gilt die Regel, daß man vor allem seine Schuld bezahlen muß; wenn aber in einem freiwilligen Dienst das sittlich Schöne oder die Notwendigkeit überwiegt, so muß man zugunsten dieser Momente von der Regel abweichen. Denn manchmal entspricht es nicht einmal der Forderung der Gleichheit, wenn man einen empfangenen Dienst erwidert, wenn nämlich jemand einem Mann, dessen Rechtschaffenheit ihm bekannt ist, Gutes erwiesen hat, und ihm dann der andere, obschon er ihn für schlecht hält, vergilt. Man darf ja mitunter nicht einmal einem Menschen, der einem geborgt hat, wiederborgen; denn er hat im Vertrauen, das Geld wiederzubekommen, einem rechtlichen Mann geborgt, während man die Zurückzahlung von einem gewissenlosen Menschen nicht erwarten kann. Ob sich nun die Sache wirklich so verhalte, oder ob man bloß so gemeint hat, das macht nicht viel aus; denn im ersten Fall ist die Würdigkeit beider Teile nicht gleich, und im zweiten Fall handelt man wenigstens nicht unvernünftig. Man sieht also hier unseren oft wiederholten Satz bestätigt, daß die Erörterungen über die menschlichen Affekte und Handlungen keinen höheren Grad von Bestimmtheit zulassen als ihr Gegenstand. Daß man nun nicht allen dasselbe schuldet, und auch seinem Vater nicht alles hinzugeben braucht, wie man ja auch
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dem Zeus nicht alles opfert, unterliegt keinem Zweifel. Da vielmehr Eltern, Brüder, Jugendgenossen und Wohltäter verschiedene Ansprüche haben, so muß man jedem das gerade ihm Gebührende und Angemessene erweisen. Und so verfährt man auch in der Tat. Zu Hochzeiten lädt man die Verwandten ein; denn mit ihnen teilt man das Geschlecht und darum auch das Interesse an den das Geschlecht berührenden Handlungen. Ebendeshalb meint man auch, daß sich zu Bestattungsfeiern vorzugsweise die Verwandten einfinden müssen. Den Eltern soll man vor allem den Lebensunterhalt gewähren, da man hierin ihr Schuldner ist, und es höheren sittlichen Wert hat, den Urhebern seines Daseins den Unterhalt zu gewähren, als in diesem Sinne für sich selber zu sorgen. Auch Ehre soll man den Eltern wie den Göttern erweisen, doch nicht alle Ehre; denn die Mutter erhält schon nicht die gleiche Ehre wie der Vater; auch nicht die Ehre, die man dem Weisen oder dem Feldherrn erweist, sondern man gibt dem Vater die ihm gebührende Ehre und ebenso der Mutter die ihr gebührende. Auch jedem Älteren soll man die Ehre des Alters erweisen durch Aufstehen, Einräumen des Ehrenplatzes bei Tisch und was dergleichen mehr ist. Den Jugendgenossen wiederum und Brüdern gegenüber gehört sich Offenheit und Gemeinsamkeit in allen Stücken. Ebenso muß man nun auch den Verwandten, Zunftgenossen, Mitbürgern und allen sonstigen Genossen stets das ihnen Gebührende zu erweisen suchen und dabei nach Möglichkeit ihre Vertrautheit mit uns, ihre Tugend und den Wert, den sie für uns haben, berücksichtigen. Bei Personen von gleicher Abstammung ist das Urteil hierüber leichter, bei Fremden schwerer. Doch darf man deshalb nicht davon abstehen, sondern muß die Ansprüche eines jeden so weit zu ermitteln suchen, als es eben geht.
Drittes Kapitel3 Man kann auch zweifeln, ob man die Beziehungen zu solchen Freunden, die nicht die alten bleiben, abbrechen darf und soll,
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oder nicht. Es scheint jedoch der Abbruch der auf dem Nutzen oder der Annehmlichkeit beruhenden freundschaftlichen Beziehungen, wenn diese Voraussetzung nicht mehr vorhanden ist, keinem Bedenken zu unterliegen. Man war ja nur Freund dieser Annehmlichkeit oder dieses Nutzens, und es ist natürlich, wenn mit ihrem Wegfall auch die Liebe aufhört. Wohl aber dürfte man sich beklagen, wenn jemand, der des Nutzens oder der Annehmlichkeit wegen Freundschaft hielt, sich stellte, als täte er dies wegen unseres Charakters. Denn die meisten Mißverständnisse unter Freunden kommen, wie wir eingangs bemerkt haben, daher, daß die Freundschaft in Wahrheit eine andere ist als man meint. Wenn nun jemand hier sich selbst getäuscht und angenommen hat, er werde wegen seines Charakters geliebt, obwohl doch der andere nichts dergleichen tat, so mag er die Schuld daran sich selbst zuschreiben; ist er aber durch die Verstellung des anderen getäuscht worden, so kann er demselben mit Recht deshalb Vorwürfe machen, und das weit mehr als einem Falschmünzer, da die Sache, die hier von dem Betrug getroffen wird, weit höher an Wert steht. Wenn man aber jemandem als einem ehrenhaften Charakter seine Freundschaft geschenkt hat, und derselbe dann schlecht wird und sich auch als schlecht erweist, muß man ihm da die Freundschaft und Liebe bewahren? Oder ist das nicht möglich, wenn doch nicht alles liebenswert ist, sondern allein das Gute? Aber man hat nicht bloß keine Verpflichtung, einen schlechten Mann wie einen Freund zu lieben, man darf es auch nicht. Denn man darf kein Freund des Bösen sein und sich dem Schlechten nicht gleichmachen; das täte man aber bei der Fortsetzung der Freundschaft; denn, wie schon gesagt, gleich und gleich gesellt sich gern. Soll man aber nun in einem solchen Fall die Freundschaft sofort auflösen? Oder ist es nicht vielmehr so, daß sich das nicht immer und überall empfiehlt, sondern nur solchen Personen gegenüber, die keine Aussicht auf Besserung bieten? Dagegen ist es eine weit höhere Pflicht, denjenigen, die noch einer Besserung fähig sind, dazu behilflich zu sein, als dem Freund materiellen Beistand zu leisten, da das sittliche Moment höheren Wert hat und enger mit der
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Freundschaft zusammenhängt. Wer aber die Freundschaft auflöst, tut nichts Verkehrtes. Denn die bisherige Neigung galt einem solchen Menschen nicht. Da er also ein anderer geworden ist, und man ihm nicht wieder aufhelfen kann, so trennt man sich von ihm. Wenn aber der eine Freund der alte bliebe, der andere aber tugendhafter würde und hierin den ersten um vieles überträfe, könnte er ihn da noch weiterhin als seinen Freund behandeln? Daß das unmöglich wäre, sieht man am besten bei großem Abstand beider Teile, wie er sich z. B. bei Freundschaften aus der Knabenzeit herausbilden kann. Bliebe der eine geistig ein Kind, und der andere würde einer der besten Männer seiner Zeit, wie könnten sie da Freunde bleiben, da sie nicht denselben Geschmack hätten, und das, was ihnen Lust oder Unlust erweckte, nicht das gleiche wäre? Auch aneinander würde ihnen nicht das gleiche gefallen oder mißfallen, und ohne das erschien uns eine Freundschaft als unmöglich, da kein Zusammenleben mehr sein könnte. Wir haben uns darüber schon ausgesprochen. Muß man sich nun in diesem Fall zu dem ehemaligen Freund etwa gar nicht anders stellen, als wenn er niemals unser Freund gewesen wäre? Gewiß nicht! Eine alte Vertrautheit darf man nicht vergessen, und, so wie man glaubt, gegen Freunde gefälliger sein zu müssen als gegen Fremde, so muß man auch gewesenen Freunden um der früheren Freundschaft willen etwas zugestehen, wenn nicht die Trennung wegen gar zu großer Schlechtigkeit erfolgt ist.
Viertes Kapitel4 Die Art, wie man die Liebe zu den Freunden betätigt, und die Merkmale, durch die man den Begriff der Freundschaft bestimmt, scheinen aus dem Verhalten hervorgegangen zu sein, das wir gegen uns selbst beobachten. Man bezeichnet als Freund denjenigen, der uns das Gute, oder was so erscheint, um unseretwillen wünscht und tut,
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oder denjenigen, der uns Sein und Leben um unseretwillen wünscht, welches die Gesinnung der Mütter gegen ihre Kinder oder die von Freunden in dem Fall ist, daß sie wegen eines Zerwürfnisses nicht zusammenleben können. Andere verstehen unter einem Freund den, der mit uns umgeht und mit uns die gleichen Neigungen hat, oder den, der Leid und Freude mit uns teilt, was auch wieder vorzugsweise bei den Müttern in bezug auf ihre Kinder der Fall ist. Entsprechend diesen verschiedenen Auffassungen bestimmt man auch die Freundschaft. Alles dieses findet sich nun aber bei dem Tugendhaften im Verhältnis zu sich selbst und in dem gleichen Verhältnis auch bei den anderen, soweit sie glauben, es zu sein. Denn die Tugend und der Tugendhafte scheint, wie gesagt, das Richtmaß für jeden Menschen zu sein. Der Mann der Tugend steht mit sich selbst in Übereinstimmung und begehrt seiner ganzen Seele nach ein und dasselbe, und darum wünscht er auch sich selbst Gutes und was so erscheint und setzt es ins Werk – denn dem Guten ist es eigen, das Gute zu verwirklichen –, und zwar um seiner selbst willen, nämlich zugunsten seines denkenden Teils, der ja das eigentliche Selbst des Menschen ist. Aber auch daß er lebe und erhalten bleibe, will er, und besonders wünscht er dies demjenigen Teil, mit dem er denkt: denn für den Tugendhaften ist sein Sein ein Gut. Jeder aber wünscht das Gute eben sich, und keiner will ein anderer werden, so daß dann das neue Wesen alles Gute hätte. Denn auch Gott hat schon jetzt das Gute, aber darum hat er es, weil er jetzt ist, was er jemals ist. Nun scheint aber jeder Mensch das zu sein, was in ihm denkt, oder doch dieses vor allem. – Der Tugendhafte findet auch Gefallen an dem Verkehr mit sich selbst; denn daraus fließt ihm reiche Lust. Die Erinnerungen an seine Vergangenheit sind angenehm und die Hoffnungen auf seine Zukunft gut, solche Hoffnungen aber gewähren Lust; auch findet er in seinem Geist immer Stoff zu wahren und nützlichen Betrachtungen. – Endlich teilt er Leid und Freude am meisten mit sich selbst: allezeit ist ihm dasselbe lieb und leid, und nicht bald dies, bald das. Denn er ist sozusagen über die Reue erhaben. Da sich nun alle diese Momente bei dem Tugendhaften im Verhältnis
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zu sich selbst finden, und da er gegen seinen Freund wie gegen sich selbst gesinnt ist – ist doch der Freund ein zweites Selbst –, so scheint auch die Freundschaft eines von diesen Dingen zu sein und Freunde diejenigen, bei denen sich diese Dinge finden. Ob es aber eine Freundschaft mit sich selbst gibt oder nicht, bleibe für jetzt dahingestellt. Man kann dann sagen, daß eine besteht, wenn zwei oder mehrere der angegebenen Momente irgendwo vorhanden sind; auch das spricht dafür, daß das höchste Maß der Freundschaft der Liebe gleicht, die man zu sich selbst hat. Die genannten Momente finden sich scheinbar auch bei der großen Menge, mag sie auch schlecht sein. Hat man nun wirklich teil an ihnen, insofern als man an sich selbst Gefallen findet und sich für vortrefflich hält? Daß kein vollendeter Bösewicht und Übeltäter sie hat, auch nicht dem Schein nach sie hat, ist ja selbstverständlich. Aber das gleiche gilt wohl auch so ziemlich von schlechten Menschen überhaupt. Sie liegen mit sich selbst im Zwiespalt, und ihre sinnliche Gier steht nach anderen Dingen als ihr vernünftiger Wille, wie es bei den Unenthaltsamen der Fall ist. Sie ziehen dem, was sie selbst als gut ansehen, das Lustbringende, das ihnen schädlich ist, vor. Andere wieder scheuen sich aus Feigheit und Trägheit, das zu tun, was nach ihrer eigenen Überzeugung das Beste für sie wäre. Die aber in ihrer Schlechtigkeit viele schwere Verbrechen begangen haben, hassen und fliehen das Leben und enden durch Selbstmord. – Der schlechte Mensch verlangt nach Gesellschaft und flieht vor sich selbst; in der Einsamkeit kommen ihm viele böse Erinnerungen und nicht minder schlimme Ängste, die er in Gesellschaft anderer vergißt; da er nichts Liebenswertes an sich hat, so kann er auch nicht mit sich selbst in Freundschaft leben. – Auch teilt ein solcher Mensch ebensowenig Freude wie Leid mit sich selbst. Seine Seele ist in Aufruhr; der eine Teil von ihr empfindet aus Schlechtigkeit Schmerz über Entbehrungen, der andere freut sich darüber, und der eine Teil zieht die Seele hierher, der andere dorthin, als sollte sie zerrissen werden. Und wenn es nicht möglich ist, gleichzeitig Unlust und Lust zu empfinden, so ärgert man sich
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doch kurz danach über die empfundene Freude und möchte sie lieber nicht empfunden haben. Denn böse Menschen sind übervoll von Reue. So sieht man also, daß der böse Mensch nicht einmal gegen sich selbst freundschaftlich gesinnt ist, weil er nichts Liebenswertes an sich hat. Wenn demnach solch ein Zustand überaus unglücklich ist, so muß man mit dem Aufgebot seiner ganzen Kraft das Laster fliehen und die Tugend zu erwerben suchen. Dann wird man mit sich selbst in Freundschaft leben und auch eines anderen Freund werden.
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Das Wohlwollen hat mit der Freundschaft Ähnlichkeit, ohne doch Freundschaft zu sein. Wohlwollen hat man auch gegen Unbekannte und ohne Wissen des anderen, Freundschaft nicht. Wir haben das schon früher bemerkt. Aber Wohlwollen ist auch nicht Lieben. Denn es tritt ohne die seelische Spannung und die sinnliche Begierde auf, die das Lieben begleitet. Auch entsteht die Liebe erst im vertrauten Verkehr, das Wohlwollen aber kann auch plötzlich hervortreten – etwa das für einen Wettkämpfer, dem man wohl will und den Preis wünscht, ohne doch etwas für ihn tun zu wollen. Denn wie gesagt, das Wohlwollen ist die Geburt des Augenblicks, und die Liebe, die es einschließt, bleibt an der Oberfläche. So scheint es denn ein Anfang der Freundschaft zu sein, wie die Freude an dem Anblick einer Person der Anfang der sinnlichen Liebe zu ihr ist. Denn niemand liebt, ohne zuvor an der Erscheinung des Geliebten Gefallen zu finden; wer aber nur an dem Äußeren eines anderen Freude hat, liebt ihn darum noch nicht, sondern das tut er erst dann, wenn er in seiner Abwesenheit sich nach ihm sehnt und nach seiner Gegenwart begehrt. So kann es nun auch zu keiner Freundschaft kommen, ohne daß ein Wohlwollen vorangeht, darum ist aber Wohlwollen noch keine Freundschaft. Denn der Wohlwollende wünscht nur Gutes, hilft aber nicht dazu und übernimmt keine Anstrengungen dafür.
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Daher könnte man das Wohlwollen metaphorisch eine untätige Freundschaft nennen, die aber, wenn sie länger dauert und zur Vertrautheit wird, in wirkliche Freundschaft übergeht, eine Freundschaft nicht wegen des Vorteils oder der Lust, da wegen solcher Dinge kein Wohlwollen entsteht. Denn derjenige, der Wohltaten empfangen hat und zum Dank für das Empfangene Wohlwollen schenkt, erfüllt nur eine Forderung der Gerechtigkeit; und wer jemandem Wohlergehen wünscht, weil er davon Vorteile für sich erhofft, ist nicht gegen jenen wohlwollend als vielmehr gegen sich selbst, so wie auch nicht derjenige sein Freund ist, der ihm in eigennütziger Absicht Aufmerksamkeiten erweist. Überhaupt wird Wohlwollen wegen irgendeiner Tugend und trefflichen Eigenschaft erworben, wenn uns jemand als sittlich gut, tapfer usw. erscheint, wie das bei den Wettkämpfern zutrifft, von denen die Rede war.
Sechstes Kapitel6 Auch die Eintracht scheint eine Art von Freundschaft zu sein, ohne daß sie mit Gleichheit der Ansichten verwechselt werden darf. Denn diese findet sich auch da, wo man sich gar nicht kennt. Auch nennt man einträchtig nicht alle, die in irgend etwas Beliebigem, z. B. in astronomischen Fragen, übereinstimmen, sondern man bezeichnet eine Stadt als einträchtig, wenn die Bürger über ihre Interessen einer Meinung sind, dieselben Absichten verfolgen und die gemeinsam gefaßten Beschlüsse auch zur Ausführung bringen. Einträchtig ist man also in Dingen, die dem Gebiet des Handelns angehören, und zwar in solchen, die wichtig sind und beiden oder allen zukommen können; so herrscht z. B. in einer Stadt Eintracht, wenn alle gemeinsam beschließen, daß die Ämter durch Wahl zu besetzen sind, oder daß man sich mit den Lakedämoniern verbünden solle, oder wenn die ganze Bürgerschaft beschloß, Pittakus solle die Staatsleitung übernehmen, als er auch selbst dazu bereit war. Wenn aber wie bei den zweien in den Phönizierinnen jeder
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selbst an der Spitze stehen will, herrscht Zwietracht. Denn das heißt nicht einträchtig sein, wenn beide nur nach demselben trachten, sondern wenn sie es auch in derselben Person verwirklicht sehen wollen, wenn z. B. sowohl das gewöhnliche Volk als auch die Tugendhaften wollen, daß die Besten die Herrschaft haben; denn so geschieht allen nach Wunsch. Man kann also sagen, daß die Eintracht Freundschaft unter Mitbürgern ist, und so nennt man sie auch. Denn sie bezieht sich auf die Interessen und auf die Erfordernisse des Lebens. Ihre Verwirklichung findet solche Eintracht unter tugendhaften Menschen. Diese sind einträchtig mit sich selbst und einträchtig miteinander, da sie sich, so möchte man fast sagen, jederzeit gleich bleiben. Denn die Willensmeinungen solcher Menschen haben Bestand und schwanken nicht gleich den Wassern des Euripus hin und her, und was sie wollen und mit vereinten Kräften verfolgen, ist das Gerechte und Heilsame. Schlechte Menschen können auf die Dauer ebensowenig untereinander die Eintracht bewahren als Freundschaft halten, da sie von dem Nützlichen zu viel und von den Mühen und Leistungen zu wenig haben wollen. Denn da jeder das für sich begehrt, rechnet er dem Nächsten nach und hindert ihn, für sich dasjenige zu erlangen, was ihm zukommt. Wo das gemeinsame Interesse keine Pflege erfährt, muß es ja Schaden leiden. So wird denn Zwietracht unter ihnen die Folge sein, da niemand selbst recht tun, wohl aber den anderen dazu zwingen will.
Siebentes Kapitel7 Der Geber einer Wohltat scheint für den Empfänger derselben mehr Freundschaft und Liebe zu hegen als der Empfänger für den Geber, und man fragt nach dem Grund dieser paradoxen Erscheinung. Sehr häufig will man sie daraus erklären, daß der eine Gläubiger, der andere Schuldner ist. Wie nun bei Darlehensgeschäften der Schuldner möchte, daß keiner wäre, dem er etwas schuldete, dagegen derjenige, der das Darlehen gewährt hat, sogar um das Wohlergehen des Schuldners besorgt
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ist, so, meint man, wünsche auch der Spender einer Wohltat ihrem Empfänger das Leben, um Dank von ihm zu ernten, während dieser sich um die Erstattung des Dankes keine Sorge mache. Von einer solchen Deutung der Tatsache würde ein Epicharmus vielleicht sagen, sie stamme aus übertriebenem Pessimismus, und doch ist eine Gesinnung wie die bezeichnete ganz menschlich. Denn die meisten Menschen haben für empfangene Wohltaten ein schlechtes Gedächtnis und wollen lieber nehmen als geben. Aber der Grund der Sache dürfte natürlicher sein und mit der Erklärung, die man von dem Gläubiger und seinem Schuldner hernimmt, nichts zu tun haben. Denn was der Gläubiger gegen den Schuldner fühlt, ist nicht Liebe, sondern der Wunsch, ihn erhalten zu sehen, wegen der Wiedererstattung. Wohltäter dagegen sind denen, die ihre Wohltaten empfangen, in Freundschaft und Liebe zugetan, wenn sie ihnen auch gar keinen Vorteil bringen und dazu auch für die Zukunft keine Aussicht besteht. Ganz dasselbe pflegt bei den Künstlern vorzukommen: jeder liebt sein eigenes Werk mehr, als dieses ihn lieben würde, wenn es eine Seele bekäme. Am meisten kommt es aber vielleicht bei den Dichtern vor, die in ihre eigenen Dichtungen über die Maßen verliebt sind und an ihnen hängen, als ob es ihre Kinder wären. Solchen Gefühlen sind nun auch die des Wohltäters ähnlich. Was ihre Wohltat empfangen hat, ist gleichsam ihr Werk, und das liebt man ja mehr als das Werk den Meister. Der Grund davon ist, daß das Sein allen Wesen begehrens- und liebenswert ist, und daß wir insofern sind, als wir tätig sind, nämlich leben und handeln. Durch seine Tätigkeit ist also der Meister gewissermaßen das Werk, und daher liebt er das Werk darum, weil er das Sein liebt, eine Liebe, die in der Natur begründet ist. Denn was er in Möglichkeit ist, zeigt das Werk in Wirklichkeit. Zugleich ist es für jemanden, der sich um einen anderen verdient gemacht hat, schön und ehrenvoll, das getan zu haben, und darum hat er seine Freude an dem Gegenstand, der das Gefäß dieses Schönen ist. Für den Empfänger der Wohltat aber entspringt durch ihren Urheber nichts Schönes, oder doch
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nur jenes, das mit dem Nützlichen zusammenfällt, das aber auch weniger genußreich und liebenswert ist. Genußreich ist an dem Gegenwärtigen die Wirklichkeit, am Zukünftigen die Hoffnung und am Vergangenen die Erinnerung. Am genußreichsten aber und in gleichem Grade liebenswert ist das Wirkliche. Nun bleibt aber dem, der Gutes getan, sein Werk [wie eine fortdauernde Wirklichkeit], während der Nutzen dessen, der das Gute empfangen hat, vergeht. – Und die Erinnerung an edle Taten ist genußreich, aber die Erinnerung an gehabte Vorteile ist es nicht in demselben Maße oder doch weniger. Mit der Erwartung aber scheint es sich umgekehrt zu verhalten. Ferner gleicht das Lieben dem Tun, das Geliebtwerden aber dem Leiden. Daher kommt denen, die sich im Tun überlegen zeigen, das Lieben und der Erweis der Liebe zu. Endlich liebt jeder das mühsam Erlangte mehr, wie das Geld dem teurer ist, der es erworben, als dem, der es ererbt hat. Nun scheint aber das Erweisen von Wohltaten mühevoll, das Empfangen aber mühelos zu sein. Darum haben auch die Mütter eine größere Liebe zu ihren Kindern als die Väter. Denn die Mutter trifft die größere Mühsal des Gebärens, und sie weiß besser, daß die Kinder ihre eigenen sind. Eben dies aber dürfte auch den Wohltätern eigen sein.
Achtes Kapitel8 Man kann auch darüber im Zweifel sein, ob man sich selbst am meisten lieben soll oder einen anderen. Gemeinhin hat man für die, die am meisten sich selbst lieben, nur Tadel und wirft ihnen den Fehler der Eigenliebe vor. Auch scheint der Schlechte alles um seiner selbst willen zu tun, und je nichtswürdiger er ist, desto mehr, und man klagt ihn an, daß er nichts tut, als was ihm Vorteil bringt. Der Rechtschaffene dagegen wird in seinem Tun durch das sittlich Schöne bestimmt, um so mehr, je edler er ist, ferner durch die Rücksicht auf den Freund, während er das eigene Interesse hintansetzt. Zu diesen Gründen stimmt aber das Verhalten nicht, das die Menschen tatsächlich
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beobachten, und zwar mit Recht beobachten. Man sagt wohl, den besten Freund müsse man am meisten lieben, aber der beste Freund ist doch derjenige, der, wenn er uns Gutes wünscht, es uns unseretwegen wünscht, auch wenn niemand es erfährt. Das trifft aber am meisten im Verhältnis des Menschen zu sich selbst zu, ebenso auch alle anderen Momente, die die Freundschaft charakterisieren. Denn es ward schon bemerkt, daß aus dem Verhalten gegen sich selbst jede anderweitige Freundschaftsbetätigung erst abgeleitet wird. Hiermit stimmen auch alle Sprichwörter überein, z. B.: „eine Seele“, „unter Freunden ist alles gemeinsam“, „Gleichsein, Freundsein“, „das Knie ist einem näher als die Wade“. Denn dieses alles gilt am meisten von dem Verhältnis zu sich selbst. Jeder ist sich selbst der beste Freund, und darum soll man auch sich selbst am meisten lieben. Man mag mit Fug zweifeln, welcher von beiden Ansichten man folgen soll, da jede Gründe für sich hat. – Vielleicht muß man bei diesen und ähnlichen Raisonnements unterscheiden und angeben, wieweit und inwiefern sie richtig sind. Die Sache läßt sich leicht ins reine bringen, wenn wir den Begriff der Selbstliebe betrachten und uns fragen, was sich beide Seiten darunter denken. Die eine Seite legt die Selbstliebe in tadelndem Sinn denen bei, die für sich selbst an Geld, Ehre und sinnlicher Lust zu viel beanspruchen. Denn das sind die Dinge, nach denen der große Haufen begehrt, und um die er sich ereifert und bemüht, als wären sie die höchsten Güter, weshalb auch beständiger Streit um sie ist. Die nun von den genannten Dingen nie genug haben können, sind willfährige Knechte ihrer sinnlichen Lüste und überhaupt ihrer Leidenschaften und des vernunftlosen Seelenteils. Das ist aber der Charakter der meisten Menschen, weshalb man auch die fragliche Bezeichnung von der großen Menge und ihrer Schlechtigkeit hergenommen hat; und so trifft denn die Selbstliebe in diesem Sinne gerechter Tadel. Daß das Volk bei denen von Selbstliebe zu reden pflegt, die in diesem Sinne auf sich bedacht sind, ist nicht zu verkennen. Denn wenn jemand immer eifrig bemüht sein sollte, selbst mehr als alle anderen die Wer-
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ke der Gerechtigkeit, der Mäßigkeit oder sonst einer Tugend zu üben, und wenn er überhaupt das sittlich Schöne immer für sich in Anspruch nähme, so würde bei einem solchen Mann niemand von Selbstliebe reden und niemand ihn tadeln. Und doch kann man sagen, daß er diese Eigenschaft noch in höherem Grade besitzt. Beansprucht er doch für sich das Schönste und Beste, dient gern dem vornehmsten Teil seines Selbst und gehorcht ihm in allem. So wie nun das vornehmste Stück eines Staates oder sonst eines geordneten Ganzen am meisten der eigentliche Staat und das eigentliche Ganze ist, so ist es auch beim Menschen. Und so ist denn auch der am meisten ein Liebhaber seiner selbst, der diesem seinem vornehmsten Teil in Liebe ergeben und willfährig ist. Auch sprechen wir dem Menschen Selbstbeherrschung zu oder ab, je nachdem die Vernunft in ihm herrscht oder nicht, als wäre diese sein eigentliches Sein. Und ebenso gilt das am meisten als von uns und freiwillig getan, was wir mit vernünftiger Überlegung getan haben. Es ist also unverkennbar, daß dieses, die Vernunft, der Mensch ist, es wenigstens am meisten ist, und der tugendhafte Mann sie am meisten liebt. Daher ist er am meisten ein Liebhaber seiner selbst, freilich nach einer anderen Art als jener schimpflichen, von der die seine so verschieden ist wie das Leben nach der Vernunft von dem Leben nach der sinnlichen Leidenschaft, und wie das Streben nach sittlichen Zielen von dem Streben nach scheinbarem Vorteil. Diejenigen nun, die bemüht sind, sich in edlen Taten auszuzeichnen, finden Billigung und Lob bei jedermann. Würden aber alle um die Wette nach Sittlichkeit streben und bemüht sein, das Beste zu tun, so hätte nicht nur die Gesamtheit alles, was ihr not tut, sondern es wäre auch jeder einzelne für sich im Besitz der größten Güter, wenn anders die Tugend ein solches hervorragendes Gut ist. Daher soll der Gute die Selbstliebe besitzen, da es ihm selbst und anderen nützen wird, wenn er, von dieser Liebe getrieben, das sittlich Schöne vollbringt; der Schlechte aber soll sie nicht besitzen, da er sonst schlimmen Leidenschaften folgen und sich und seine Umgebung in Schaden bringen wird. Demnach besteht für den Schlechten ein
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Zwiespalt zwischen Pflicht und Handlung, bei dem Tugendhaften dagegen befindet sich die Handlung mit der Pflicht in Einklang. Denn die Vernunft begehrt in jedem Menschen, was für sie das Beste ist, die Vernunft aber ist es, der der Tugendhafte gehorcht. Aber bei dem guten Manne trifft es auch zu, daß er für seine Freunde und sein Vaterland vieles tut, und, wenn es sein muß, selbst dafür stirbt. Er wird Vermögen und Würden und alle die vielumworbenen Güter hingeben, um sich dafür, was gut und schön ist, zu gewinnen. Er will lieber kurze Zeit die höchste Befriedigung genießen als lange Zeit nur eine mäßige; lieber ein Jahr voll schöner Taten verleben als viele Jahre, wie es sich eben trifft; lieber eine schöne und große Tat verrichten als viele kleine. Das ist wohl der Fall bei denen, die für das Vaterland oder die Freunde sterben; denn sie erwählen für sich selbst eine Sache von hoher sittlicher Schönheit. Auch Geld wird der rechtliche Mann opfern, damit seine Freunde dadurch mehr gewinnen; der Freund gewinnt dann Geld, er das sittlich Schöne, und so teilt er sich selbst das größere Gut zu. Mit Ehren und Ämtern hat es dieselbe Bewandtnis: er wird dies alles dem Freunde zuwenden, weil es so für ihn selbst schön und ehrenvoll ist und ihn des Lobes würdig macht. So wird er denn mit Recht als ein trefflicher Mann erscheinen, da er das sittlich Schöne allem anderen vorzieht. Ja, auch Handlungen kann er dem Freund überlassen, und es gibt Fälle, wo es schöner ist, den Freund eine Tat ausführen zu lassen, als sie selbst auszuführen. In allem Preiswürdigen zeigt sich also der tugendhafte Mann als der, der den größeren Teil des sittlich Schönen für sich selber haben will. In diesem Sinne also soll man, wie gesagt, Selbstliebe haben, doch so wie der große Haufen darf man sie nicht haben.
Neuntes Kapitel9 Man zweifelt auch, ob der Glückliche der Freunde bedarf oder nicht. Man sagt, wer glücklich sei und sich selbst genüge, brau-
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che keine Freunde, da er alle Güter schon besitze. Da er sich selbst genug sei, bedürfe er nichts weiter, während doch der Freund, als ein zweites Selbst, einem das verschaffen solle, was man durch sich selbst nicht vermöge. Daher jener Vers: „Wer braucht wohl Freunde, wenn der Himmel hold ihm ist?“ –
Aber es scheint ungereimt zu sein, dem Glücklichen alle Güter zuzuteilen und ihm keine Freunde zu geben, die doch als das größte aller äußeren Güter erscheinen. Und wenn es dem Freunde eher zukommt, Gutes zu erweisen als zu empfangen, wenn ohne dieses Wohltun der Tugendhafte und die Tugend nicht denkbar sind, und wenn es sittlich schöner ist, dasselbe gegen Freunde zu üben als gegen Fremde, so wird der gute Mann der Freunde bedürfen, denen er wohltun kann. Darum wirft man auch die Frage auf, ob man der Freunde mehr im Glück oder im Unglück bedarf, da einerseits der Unglückliche der Wohltäter bedürfe, andererseits die Glücklichen solcher, denen sie Gutes erzeigen können. Es ist auch vielleicht ungereimt, den Glücklichen zu einem Einsiedler zu machen; niemand möchte allein stehen, wenn ihm auch alle Güter der Welt zugehören sollten. Denn der Mensch ist von Natur ein geselliges Wesen und auf das Zusammenleben angelegt; daher kommt dieses Zusammenleben dem Glücklichen zu, da er ja alle natürlichen Güter besitzt. Es ist aber offenbar besser, mit befreundeten und trefflichen Menschen zu leben als mit fremden und gewöhnlichen Leuten. Mithin braucht der Glückliche Freunde. Was ist nun an jener ersten Meinung Stichhaltiges, und inwiefern ist sie richtig? Sie ist es wohl insofern, als die Menge diejenigen als Freund betrachtet, die einem Vorteil bringen. Solche Freunde hat der Glückliche freilich nicht nötig, da es ihm an Hab und Gut nicht fehlt. Auch der Lust wegen bedarf er der Freunde entweder gar nicht oder doch nicht in besonderem Grade. Denn da sein Leben bereits genußreich ist, so bedarf dasselbe einer weiteren, von außen ihm zukommen-
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den Lust nicht. Er braucht also solche Freunde nicht, und so braucht er scheinbar überhaupt keine. Indessen möchte dieses doch nicht richtig sein. Wir haben eingangs erklärt, daß die Glückseligkeit eine Tätigkeit ist. Die Tätigkeit ist aber offenbar ein Geschehen, ein Vorgang; sie existiert nicht nach Weise eines bleibenden Dinges, z. B. eines Besitztums. Wenn nun die Glückseligkeit in Leben und Tätigsein besteht, und die Tätigkeit des guten Menschen, wie eingangs bemerkt worden, an sich gut und genußbringend ist, wenn ferner einem jeden das ihm Eigentümliche und Zugehörige Genuß gewährt, und wir endlich unseren Nächsten leichter beobachten können als uns selbst und fremde Handlungen leichter als unsere eigenen, so folgt daraus, daß für den Tugendhaften die Handlungen anderer guter Menschen, die seine Freunde sind, genußbringend sein müssen. Denn beides, das Gute und das Befreundete, birgt das in sich, was von Natur angenehm und genußreich ist. So wird denn der Glückliche solcher Freunde bedürfen, wenn anders er ein sittliches und ihm verwandtes Handeln gerne sieht, und ein solches Handeln in einem guten und befreundeten Manne ihm entgegentritt. Man meint ja auch, das Leben des Glücklichen müsse lustvoll sein. Nun ist aber für einen alleinstehenden Menschen das Leben schwer. Denn es ist nicht leicht, für sich allein beständig tätig zu sein, dagegen ist es mit anderen und für andere schon leichter. So wird demnach die an sich mit Lust verbundene Tätigkeit um so anhaltender werden, und so muß es beim glücklichen Menschen sein. Der rechtliche Mann hat als solcher an tugendhaften Handlungen Gefallen, an Handlungen dagegen, die aus Schlechtigkeit hervorgehen, hat er Mißfallen, ähnlich wie ein musikalisch Gebildeter über schöne Weisen Lust, über häßliche aber Unlust empfindet. Auch gestaltet sich das Zusammenleben mit trefflichen Menschen zu einer Art Tugendschule, wie schon Theognis bemerkt. Betrachtet man die Sache mehr vom naturphilosophischen Standpunkt, so erscheint ein tugendhafter Freund für einen Tugendhaften von Natur begehrenswert zu sein. Wir haben gesagt, daß das von Natur Gute von selbst für den Tugend-
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haften gut und genußreich ist. Das Leben aber bestimmt man bei den Sinnenwesen als Vermögen der Wahrnehmung, beim Menschen als Vermögen der Wahrnehmung und des Denkens. Das Vermögen wird nun auf die Tätigkeit zurückgeführt, die das eigentlich Wertvolle und Maßgebende ist, und so muß denn als eigentliches Leben das Wahrnehmen oder Denken erscheinen. Das Leben aber gehört zu dem an sich Guten und Genußreichen, sofern es bestimmt und umschrieben ist, und die Bestimmtheit zur Natur des Guten gehört – was aber von Natur gut ist, das ist es auch für den Tugendhaften –, und eben darum findet jeder das Leben süß und angenehm. Man darf hier aber an kein lasterhaftes, verdorbenes oder mit Unlust verbundenes Leben denken; denn ein solches ist ebenso wie das, was ihm anhaftet, unbestimmt und unumschrieben, wie das im folgenden, wo von der Unlust die Rede sein wird, genauer erklärt werden soll. Wenn nun das Leben an sich gut und angenehm ist – wie auch daraus hervorgeht, daß alle nach ihm begehren, und am meisten die Tugendhaften und Glücklichen, weil für sie das Leben am begehrenswertesten und das Lebenslos am glücklichsten ist –, wenn ferner der Sehende wahrnimmt, daß er sieht, der Hörende, daß er hört, der Gehende, daß er geht, und so im übrigen immer etwas ist, womit wir unsere Tätigkeit wahrnehmen, so daß wir also wahrnehmen dürften, daß wir wahrnehmen, und denken, daß wir denken, was wieder soviel ist als Wahrnehmen oder Denken, daß wir sind – Sein hieß uns ja Wahrnehmen oder Denken –; wenn ferner die Wahrnehmung, daß man lebt, etwas an sich Angenehmes ist, sofern das Leben von Natur ein Gut und es angenehm ist, das Gute in sich vorhanden zu fühlen; wenn außerdem noch das Leben begehrenswert ist, besonders für den Guten, weil das Sein für ihn gut und angenehm ist, sofern das Bewußtsein des an sich Guten ihm Freude macht; wenn endlich der Tugendhafte wie zu sich selbst ebenso auch zum Freund sich verhält, der ja sein anderes Ich ist, – nun denn, so wird, wie das eigene Dasein von jedem begehrt wird, ebenso oder ähnlich das Dasein des Freundes von ihm begehrt. Das Dasein aber erschien als begehrenswert wegen des Bewußt-
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seins der eigenen Güte, das wir aus ihm schöpfen, ein Bewußtsein, das an sich eine Quelle der Lust ist. Mithin bedarf es auch eines Bewußtseins vom Dasein des Freundes, und ein solches wird vermittelt durch das Zusammenleben und den Austausch der Worte und Gedanken. In diesem Sinne ist ja doch das Zusammenleben bei Menschen zu verstehen, nicht wie beim Vieh das Weiden auf einer Trift. Wenn also für den Glücklichen das Dasein an sich begehrenswert ist, weil es von Natur ein Gut und eine Lust ist, und ähnliches von dem des Freundes gilt, so muß auch der Freund zu den begehrenswerten Dingen zählen. Was der Glückliche aber begehrt, das muß er haben, sonst geht ihm in diesem Punkte etwas ab. Mithin wird man, um glücklich zu sein, tugendhafte Freunde haben müssen. Zehntes Kapitel10 Soll man sich also möglichst viele Freunde machen, oder hat das, was für das Gastverhältnis wohl mit Recht empfohlen wird: „Weder bei vielen Gast noch bei niemandem“, auch bei der Freundschaft seine Richtigkeit, so daß man also weder gar keine Freunde noch übermäßig viele haben soll? Bei den Freunden, die man des Nutzens wegen hat, dürfte das Gesagte nur zu sehr angebracht sein. Denn vielen Freunden Gegendienste zu leisten ist beschwerlich, und es zu vollbringen, ist das Leben nicht lang genug. Daher sind mehr Freunde, als für das eigene Leben genügen, überflüssig und der Ausübung der Tugend hinderlich, und so bedarf man ihrer nicht. Auch der Freunde, die man um der Lust willen hat, braucht man nur wenige, wie auch bei der Speise wenig Gewürz hinreicht. Was aber die Tugendhaften betrifft, so kann man wirklich im Zweifel sein, ob man sich derer eine möglichst große Menge zu Freunden machen soll, oder ob es auch für die Zahl der Freunde eine Grenze gibt, so gut wie für die der Bürger einer Stadt. Es können ja sowenig zehn Bürger schon eine Stadtgemeinde bilden, als hunderttausend noch als Stadtgemeinde gelten. Die Anzahl kann hier vielleicht durch keine festen Ziffern ausge-
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drückt werden, sondern jede Zahl möchte zulässig sein, die zwischen zwei bestimmte Grenzen fällt. So ist auch die Zahl der Freunde begrenzt, und ihr Maximum wird sich wohl danach bestimmen, mit wie vielen man zusammenleben kann. Hierin schien uns ja die Freundschaft recht eigentlich zum Ausdruck zu kommen; es ist aber offenbar ein Ding der Unmöglichkeit, mit vielen zusammenzuleben und sich unter sie zu teilen. Ferner müßten die vielen Freunde wieder untereinander Freunde sein, wenn alle miteinander leben sollen, was sich schwerlich bei vielen findet. Endlich ist es schwer, mit vielen Freud und Leid persönlich zu teilen; denn es könnte sich leicht gleichzeitig treffen, daß man mit dem einen froh und mit dem anderen traurig sein müßte. Es dürfte sich also empfehlen, daß man nicht darauf aus ist, möglichst viele Freunde zu erwerben, sondern nur so viele, als zum gemeinsamen Leben genügen. Es ist ja auch allem Anschein nach nicht möglich, mit vielen innig befreundet zu sein. Eben darum kann man auch nicht in mehrere verliebt sein. Denn eine solche Verliebtheit stellt ein Übermaß der Freundschaft dar, das nur gegen einen möglich ist, und so ist auch eine innige Freundschaft nur mit wenigen möglich. So scheint es sich denn auch im wirklichen Leben zu verhalten. Freunde im Sinne jener hetärischen Freundschaft, die gleichsam ein Bund fürs Leben ist, kommen selten vor, und die Freundschaften, von denen die Dichter singen, haben immer nur zwischen zweien bestanden. Die viele Freunde haben und mit allen vertraut tun, sind eigentlich niemandes Freunde, sofern es nicht bloß ein Verhältnis wie zwischen Mitbürgern sein soll, und man bezeichnet ihr Verhalten als Liebedienerei. Nur im Sinne der Freundschaft unter Mitbürgern kann man ohne Liebedienerei und sogar im besten Einklang mit den Forderungen der Ehrenhaftigkeit vielen Freund sein. Dagegen ist eine Freundschaft, die den sittlichen Vorzügen und der Person selber gilt, gegen viele nicht möglich, und man muß sich schon glücklich schätzen, wenn man auch nur wenige solcher Freunde findet.
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Elftes Kapitel11 Bedarf man aber der Freunde mehr im Glück oder im Unglück? – In beiden Lagen werden sie gesucht, da die Unglücklichen Hilfe brauchen und die Glücklichen Gesellschafter und solche, denen sie Gutes tun können. Denn das ist dem Tugendhaften ein Bedürfnis. Notwendiger also ist der Besitz von Freunden im Unglück, weil man da die nützlichen Freunde braucht, sittlich schöner aber im Glück, weil man da nach trefflichen Menschen sucht, da es wünschenswerter ist, diesen Wohltaten zu erweisen und mit diesen zu verkehren. Denn die bloße Gegenwart der Freunde ist angenehm, auch im Unglück, da die Bekümmerten sich erleichtert fühlen, wenn die Freunde ihren Schmerz teilen. Daher könnte man auch zweifeln, ob die Freunde gleichsam die Last mittragen, oder ob vielmehr ihre angenehme Gegenwart und die Überzeugung von ihrer Teilnahme den Schmerz verringert. Ob nun die Erleichterung daher rührt oder einen anderen Grund hat, stehe dahin; genug, daß sie tatsächlich eintritt. Doch dürfte die Wirkung, die von der Gegenwart der Freunde ausgeht, gemischter Art sein. Einerseits ist schon der Anblick der Freunde, besonders für den von einem Mißgeschick Betroffenen, erfreulich und angenehm und eine Art Gegenmittel gegen den Kummer. Denn der Freund tröstet uns durch Miene und Wort, wenn er das Geschick dazu hat, da er unseren Charakter kennt und weiß, was uns angenehm und unangenehm berührt. Andererseits aber muß es uns weh tun, wenn wir den Freund über unsere Mißgeschicke bekümmert sehen. Niemand will gern einem Menschen, den er lieb hat, Anlaß geben, sich zu betrüben. Darum scheuen es mannhafte Naturen, den Freund zum Teilnehmer ihres Kummers zu machen, und wenn sie nicht sehen, daß sie durch eine kleine Betrübnis des anderen einer eigenen großen Betrübnis entledigt werden, so ertragen sie es nicht, daß die Freunde ihretwegen Leid haben sollen, und überhaupt suchen sie weinerliche Naturen von sich fernzuhalten, weil sie selbst nicht zum Weinen und Klagen veranlagt sind. Weiber jedoch
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und weibische Männer haben Freude an dem Mitseufzen anderer und lieben sie als wahre Freunde und mitleidige Seelen. Man soll sich aber gewiß in allem den besseren Menschen zum Vorbild nehmen. Im Glück dagegen verschafft uns die Gegenwart der Freunde einen angenehmen Umgang und gibt uns das Bewußtsein, daß sie an dem Guten, was wir besitzen, ihre Freude haben. Deshalb scheint sich die Regel zu empfehlen, daß man die Freunde zur Teilnahme an seinem Glück bereitwillig und ungesäumt herbeirufe, da es sittlich schön ist, wohltätig zu sein, jedoch nur zögernd zur Teilnahme an seinen Mißgeschicken, da man den Freunden von den Übeln so wenig als möglich mitteilen soll, daher der Ausspruch: „Genug, daß ich unglücklich bin.“
Am ehesten noch darf man sie in solchen Fällen in Anspruch nehmen, wo sie uns mit geringer Mühe einen großen Dienst erweisen können. Dagegen dürfte es schicklich sein, ungerufen und ungesäumt zu den Freunden hinzugehen, wenn sie von Mißgeschicken betroffen worden sind – denn es ist Freundespflicht, wohlzutun, besonders denen, die in Not sind und uns nicht darum gebeten haben, was für beide Teile würdiger und seliger ist –. Sind aber unsere Freunde in glücklichen Umständen, so gehe man gern zu ihnen, wenn man ihnen dienlich sein kann; denn dazu hat man den Freund; aber nur ungern und langsam, wenn es gilt, Wohltat anzunehmen. Denn darauf aus sein, Nutzen von anderen zu ziehen, ist nicht schön. Den Schein der Sprödigkeit muß man aber freilich vermeiden, wenn man Freundeshilfe ablehnt; freilich kommen Fälle vor, wo man es nicht vermeiden kann, ihn zu erwecken. Die Gegenwart der Freunde erscheint also in allen Lebenslagen als begehrenswert.
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Zwölftes Kapitel12 Ist nun nicht, wie verliebten Personen der gegenseitige Anblick am liebsten ist und sie diese Wahrnehmung jeder anderen vorziehen, sofern die sinnliche Liebe wesentlich durch sie besteht und entsteht, so auch für Freunde das Liebste, zusammen zu leben? Freundschaft ist ja doch Gemeinschaft. Auch verhält man sich, wie zu sich selbst, so zum Freund. Nun ist uns bezüglich unserer selbst die Wahrnehmung des Daseins angenehm, mithin auch in bezug auf den Freund. Die Tätigkeit aber, aus der man des anderen Dasein erkennt, vollzieht sich im Zusammenleben, so daß das Streben der Freunde naturgemäß hierauf gerichtet ist. Endlich will jeder, was immer ihm als eigentliches Sein oder als des Lebens Endzweck gilt, in Gemeinschaft mit den Freunden treiben. Daher trinken die einen mit dem Freund, die anderen spielen mit ihm Würfel, wieder andere machen mit ihm gymnastische Übungen oder jagen oder philosophieren, kurz, jeder will das gemeinsam mit dem Freund treiben, was er von allen Dingen am liebsten hat. Man will ja mit ihm zusammenleben, und darum treibt und teilt man mit ihm dasjenige, was man unter Leben und Zusammenleben versteht. Daher wird die Freundschaft unter Schlechten eine Gemeinschaft im Bösen. Leichtlebig wie sie sind, nimmt der eine das Schlechte von dem anderen an, und so werden sie beide gleich böse. Dagegen wird die unter Guten eine Gemeinschaft im Guten. Von Tag zu Tag gewinnt sie durch den Umgang an sittlichem Gehalt, und der Fortschritt wird hier durch gemeinsame Tugendübung nicht minder als durch gegenseitige Zurechtweisung herbeigeführt. Jeder nimmt von den ihm zusagenden Eigenschaften des anderen einen Abdruck in sich auf, daher das Dichterwort: „Edles lernst du von Edlen.“
So viel sei denn von der Freundschaft gesagt. Hieran mag sich die Erörterung über die Lust anschließen.
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Erstes Kapitel1 Hiernach ist die Erörterung der Lust an der Reihe. Unserem Geschlecht ist nichts so eigen wie die Lust, weshalb man die Jünglinge in der Art erzieht, daß man sie wie mit einem doppelten Steuer durch Lust und Unlust lenkt. Auch für die sittliche Tugend scheint es von der allergrößten Wichtigkeit zu sein, daß man den richtigen Dingen Liebe und Haß entgegenbringt. Denn diese Gefühle erstrecken ihren Einfluß auf alle Lebensverhältnisse, da sie für die Tugend und die Glückseligkeit so wichtig und bedeutsam sind. Man begehrt ja, was Lust gewährt, und flieht, was schmerzlich ist. Einen so weittragenden Gegenstand darf man daher gewiß nicht mit Stillschweigen übergehen, besonders da über ihn großer Streit der Meinungen herrscht. Die einen nämlich setzen die Lust dem höchsten Gut gleich, die anderen behaupten umgekehrt, sie sei ganz und gar schlecht, mögen sie das nun wirklich glauben, oder mögen sie es im praktischen Interesse für besser halten, die Lust, wenn sie es auch nicht ist, als schlecht hinzustellen, da die Mehrzahl zu ihr hinneige und den Lüsten fröne, weshalb man sie nach der entgegengesetzten Seite leiten müsse, um sie so in die rechte Mitte zu bringen. Indessen dürfte dieses schwerlich das Richtige sein. Wo Gefühle und Handlungen ins Spiel kommen, haben Worte weniger Überzeugungskraft als Werke. Wenn sie nun mit dem, was die Leute an einem beobachten, nicht übereinstimmen, bringt man sich mit seiner strengen Lehre in Mißkredit und macht sogar die Wahrheit selbst verdächtig. Denn wenn man den Tadler der Lust sie dennoch in einem einzelnen Fall begehren sieht, meint man leicht, seine Neigung sei in jedem Falle der Lust zugewandt, als ob die eine wäre
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wie die andere. Denn das Unterscheiden ist nicht die Sache der Menge. Uns dünkt, wahre Grundsätze sind nicht bloß für die Wissenschaft von höchstem Wert, sondern ebenso für das Leben. Sie verschaffen sich Glauben, da sie mit den Werken in Einklang stehen, und sind für verständige Hörer ein Ansporn, sich nach ihnen zu richten. Doch genug darüber. Kommen wir jetzt zu den verschiedenen Ansichten über die Lust.
Zweites Kapitel2 Eudoxus meinte, die Lust sei das Gute, weil man alles, Vernunftbegabtes und Vernunftloses, nach ihr streben sehe. In allen Dingen aber sei das Begehrte gut und das am meisten Begehrte am besten. So beweise denn die Erscheinung, daß alles zu ein und demselben hingezogen wird, daß dieses für alle das Beste sei. Wie nämlich jedes Wesen seine Nahrung zu finden wisse, so auch was ihm gut sei. So müsse denn, was allen gut sei und wonach alles strebe, das Gute schlechthin sein. Diese Lehren fanden aber mehr Glauben wegen des tugendhaften Charakters des Eudoxus als um ihrer selbst willen. Denn er galt als ein Mann von nicht gewöhnlicher Mäßigkeit, und so bekam man denn den Eindruck, daß er nicht als Freund der Lust solches lehre, sondern daß es sich wirklich so verhalte. Die Richtigkeit seines Satzes sollte ihm zufolge nicht minder deutlich aus dem Gegenteil der Lust erkannt werden können. Die Unlust nämlich gelte allen an sich als etwas, was man fliehen müsse; demnach müsse das Gegenteil von ihr an sich begehrenswert sein. Am meisten aber sei begehrenswert, was wir nicht mit Rücksicht auf ein anderes oder um eines anderen willen begehren. Das sei aber eingestandenermaßen das unterscheidende Merkmal der Lust. Niemand frage, zu welchem Zweck man sich freuen wolle, und darin spreche sich die Tatsache aus, daß die Freude und die Lust an sich begehrenswert ist. Auch mache sie als Zugabe zu jedem Gut, wie zur Übung
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der Gerechtigkeit oder der Mäßigkeit, dasselbe noch begehrenswerter; nun wachse aber das Gute nur durch sich selbst. Aber dieses letzte Argument möchte doch wohl lediglich dartun, daß die Lust ein Gut neben anderen ist, nicht mehr als sonst eines. Jedes Gut ist in Verbindung mit einem anderen begehrenswerter als für sich allein. Das ist das Argument, mit dem Plato umgekehrt erweisen will, daß die Lust nicht das Gute ist. Das lustvolle Leben, sagt er, sei im Verein mit Klugheit begehrenswerter als ohne Klugheit; wenn aber das Vereinte besser sei, so sei die Lust nicht das Gute. Denn das Gute an sich könne durch keinerlei Zusatz begehrenswerter werden. Allein, man sieht, daß so auch sonst nichts das Gute wäre, was zusammen mit etwas an sich Gutem begehrenswerter wird. Was wäre denn also ein solches Gut, woran auch wir teilhaben könnten? Nach einem solchen fragen wir doch. Die aber den Satz, gut sei, wonach alles strebt, beanstanden wollen, dürften damit leicht eine Meinung zu vertreten scheinen, mit der sich kein vernünftiger Sinn verbinden laßt. Was alle glauben, das, behaupten wir, ist wahr. Wer diesen übereinstimmenden Glauben der Menschheit verwirft, wird schwerlich Glaubwürdigeres zu sagen wissen. Wären es bloß die vernunftlosen Wesen, die nach dem Lustbringenden Verlangen trügen, so möchte vielleicht an jener Meinung etwas sein, da es nun aber auch die vernunftbegabten tun, wie könnte sie da einen Sinn haben? Vielleicht ist aber auch in schlechten Individuen noch ein natürliches Gutes, besser als sie selbst, was nach dem eigentümlichen Gut begehrt. Aber auch das scheint verfehlt, was man wohl zu dem Argument aus dem Gegenteil der Lust bemerkt. Man sagt nämlich: wenn die Unlust ein Übel ist, so folgt nicht, daß die Lust ein Gut ist. Es könne ja auch einem Übel ein Übel entgegengesetzt sein, und beide, Gutes und Schlimmes, einem Dritten, das keines von beidem sei. Diese Bemerkung ist an sich nicht unrichtig, aber doch in unserem Fall verfehlt. Wären beide schlecht, so wären notwendig auch beide zu fliehen; wäre es keins von beiden, so wären auch beide nicht zu fliehen, oder man müßte sich gegen beide gleichmäßig verhalten. Nun aber sieht man, wie die Menschen das
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eine als ein Übel fliehen und das andere als ein Gut begehren. Also sind diese beiden einander derart entgegengesetzt. Auch wenn die Lust nichts Qualitatives ist, folgt daraus nicht, daß sie kein Gut ist. Auch die tugendgemäßen Tätigkeiten und die Glückseligkeit sind ja keine Qualitäten. Man sagt ferner, das Gute sei bestimmt, die Lust aber sei unbestimmt, weil sie ein Mehr und Minder zuläßt. Aber wenn man aufgrund der Lustempfindung so urteilt, so wird das gleiche von der Gerechtigkeit und den anderen Tugenden gelten müssen, wo man unbedenklich sagt, daß die Inhaber tugendhafter Eigenschaften mehr und minder tugendhaft sind. Denn es gibt solche, die in höherem Grade gerecht und mutig sind; und auch gerecht handeln und mäßig sein kann man mehr und weniger. Ist aber das Mehr oder Minder in den Lüsten gemeint, so trifft man wohl den eigentlichen Grund der Sache nicht, wenn es wahr ist, daß die Lüste teils gemischt teils ungemischt sind. Denn weshalb soll es nicht bei der Lust sein können wie bei der Gesundheit, die ja ebenfalls zwar bestimmt ist, aber doch ein Mehr und Minder zuläßt? Das Gleichmaß, worauf sie beruht, ist nicht in allem ein und dasselbe, auch nicht bei einem immer das gleiche, sondern es kann bis zu einem bestimmten Grade nachlassen, unbeschadet seines Fortbestandes, und gestattet so verschiedene Grade. So kann es also auch mit den verschiedenen Graden der Lust sein. Weiterhin sagt man, das Gute sei vollendet, die Bewegung und das Werden aber unvollendet, und sucht zu zeigen, daß die Lust Bewegung und Werden ist. – Aber schon das scheint verfehlt, daß die Lust Bewegung sein soll. Jeder Bewegung ist Schnelligkeit und Langsamkeit eigen, wenn auch nicht im Vergleich mit sich selbst, so doch im Verhältnis zu einem anderen, wie man an der Himmelsbewegung sieht. Bei der Lust aber findet sich keines von beiden, keine Schnelligkeit und keine Langsamkeit. Ja, bekommen kann man das Gefühl der Lust schnell, wie auch das des Zorns, aber haben kann man es nicht schnell, auch nicht im Vergleich mit einem anderen, wohl aber kann man schnell gehen, wachsen und dergleichen. Also, der Übergang zur Lust kann schnell und langsam zustande kom-
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men, aber schnell aktuell sein in bezug auf die Lust, will sagen, schnell Lust fühlen, das kann man nicht. Und wie sollte sie weiter ein Werden sein? Es wird oder entsteht doch nicht unterschiedslos jedes aus jedem, sondern jedes löst sich in das auf, woraus es wird. So müßte auch, wenn die Lust das Werden einer Sache ist, das Vergehen derselben Sache die Unlust sein. Man sagt nun, die Unlust sei der Mangel einer Sache, die von der Natur gefordert wird, und die Lust der Ausgleich dieses Mangels. Aber solche Dinge wie Mangel und Ausgleich sind körperlicher Art. Wenn also die Lust der von der Natur geforderte Ausgleich ist, so muß das, was den Ausgleich erfährt, der Körper also, Lust fühlen, und das wird man schwerlich annehmen. Mithin ist die Lust kein Ausgleich, sondern sie stellt sich nur bei Gelegenheit eines solchen ein, wie auch die Unlust aus Anlaß des Gegenteils, z. B. wenn man sich schneidet, ausgelöst wird. Diese Meinung ist wohl hauptsächlich durch das Gefühl der Unlust und Lust veranlaßt, das sich auf die Ernährung bezieht. Man beruft sich darauf, daß man zuerst ein Bedürfnis verspürt und Unlust fühlt und hernach über die Stillung des Bedürfnisses Lust fühlt. Allein das trifft nicht bei allen Arten der Lust zu. Der Lust am Studium z. B. geht keine Unlust voraus, der sinnlichen Lust, die auf dem Geruch beruht, auch keine, und das gleiche gilt von so vielem, was man hört und sieht, und so manchen Erinnerungen und Hoffnungen. Wovon also sollten diese Genüsse ein Werden sein? Es ging ja kein Mangel voraus, den sie ausgleichen könnten. Wenn man sich endlich auf die schimpflichen Lüste beruft, so kann man antworten, daß sie keine Lust sind. Sind sie für Menschen von schlechter sittlicher Verfassung eine Lust, so darf man darum nicht meinen, daß sie es auch noch für andere als jene sind, wie ja auch das, was den Kranken zuträglich ist oder süß oder bitter vorkommt, dies darum noch nicht an sich ist, oder was den Augenkranken weiß erscheint, darum noch nicht an sich weiß ist. – Oder man kann auch antworten, daß zwar die Lüste begehrenswert sind, aber nicht, wenn sie aus solchen Quellen fließen, wie es auch gut ist, reich zu sein, aber nicht für den, der Verrat geübt hat, und wie es gut ist, gesund
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zu sein, aber nicht für den, der alles durcheinander gegessen hat. – Oder man kann sagen, daß die Lüste der Art nach verschieden sind. Diejenigen, die aus sittlich reinen Quellen fließen, sind anders als diejenigen, die aus unreinen Quellen geschöpft sind, und jener Lust und jenes Genusses, dessen sich der Gerechte, der Gebildete oder der Inhaber sonstiger Vorzüge erfreuen kann, ist man nicht fähig, ohne gerecht, gebildet und so weiter zu sein. Auch der Freund im Unterschied zum Schmeichler scheint einen Beweis dafür zu liefern, daß die Lust nichts Gutes ist oder es ihrer verschiedene Arten gibt. Der Verkehr des Freundes mit uns scheint auf das Gute abzuzielen, der des Schmeichlers auf die Lust, und diesen tadelt man, jenem spendet man wegen der Verschiedenheit seiner Absicht Lob. – Auch möchte niemand leben, wenn er immer nur den Verstand eines Kindes haben und alles, was den Kindern Freude macht, im höchsten Maße genießen sollte; und niemand möchte eine Freude haben um den Preis einer sehr schimpflichen Handlung, auch wenn ihm aus derselben niemals eine Unlust erwachsen sollte. – Auch liegt uns manches sehr am Herzen, das für uns keine Lust im Gefolge hat, wie Sehen, Gedenken, Wissen, Besitz der Tugenden. Führen diese Dinge notwendig einen Genuß und eine Befriedigung mit sich, so macht das nichts aus. Denn wir würden sie auch dann begehren, wenn keine Lust aus ihnen flösse. So könnte es also erwiesen scheinen, daß die Lust weder ein Gut, noch jede Lust begehrenswert ist, und daß einige Lüste an sich begehrenswert sind, die sich von den anderen der Art oder dem Ursprung nach unterscheiden. Dies möge bezüglich der über Lust und Unlust bestehenden Meinungen genügen. Drittes Kapitel3 Was sie wirklich ist oder wie sie ist, mag deutlicher werden, wenn wir die Frage wieder von vorne aufnehmen. Der Akt des Sehens scheint in jedem Zeitmoment vollendet zu sein, sofern
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ihm nichts abgeht, was noch nachträglich hinzukommen müßte, um seiner Form die letzte Vollendung zu geben. Ihm ist nun die Lust ähnlich. Sie ist ein Ganzes, und es läßt sich in keinem Zeitmoment eine Lust aufweisen, deren Form durch die Verlängerung ihrer Dauer erst vollendet würde. Eben deshalb ist sie auch keine Bewegung. Jede Bewegung geschieht in einer Zeit und hat ein Ziel. So vollendet z. B. die Baukunst ihr Werk, wenn sie das, worauf sie abzielt, zustande gebracht hat, also entweder in der ganzen Zeit oder ihrem letzten Moment. Aber die Bewegungen in den einzelnen Zeitteilen sind alle unvollendet und von der ganzen Bewegung und voneinander der Art nach verschieden. Die Zusammenfügung der Steine ist der Art nach verschieden von der Kannelierung der Säulen und beide wieder von der Erbauung des Tempels. Diese Herstellung des Tempels ist ein vollkommenes Werden, weil für den fraglichen Zweck weiter nichts mehr erfordert wird. Dagegen ist die Herstellung des Fundamentes und des Dreischlitzes über dem Architrav als bloße Herstellung eines Teils ein unvollkommenes Werden. Wir haben hier also der Art nach verschiedene Bewegungen, und man kann in keiner Zeit eine ihrer Form nach vollendete Bewegung aufweisen außer in der ganzen Zeit, die die jedesmalige Herstellung beansprucht. Ebenso ist es mit dem Gehen und den anderen Arten der Fortbewegung. Wenn die örtliche Bewegung eine Bewegung von irgendwoher nach irgendwohin ist, so gibt es auch da artmäßige Unterschiede: das Fliegen, Gehen, Springen und dergleichen. Aber der Unterschied tritt nicht bloß in diesem Sinne auf, er findet sich auch im Gehen selbst. Denn der Ausgangsund der Endpunkt ist nicht derselbe bei einem Stadium und bei einem Stück davon, und wieder bei diesem Stück und bei jenem; und ebenso ist es nicht dasselbe, wenn man diese und wenn man jene Linie durchläuft; man geht ja nicht bloß in einer Linie, sondern dieselbe hat auch die Eigenschaft, an einem bestimmten Ort zu sein, die eine an diesem, die andere an jenem. Genauer ist nun von der Bewegung anderswo gehandelt worden, hierher gehört nur so viel, daß sie nicht in der ganzen Zeit vollendet zu sein scheint; vielmehr sind die meisten Bewe-
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gungen unvollendet und der Art nach verschieden, wenn anders der Ausgangs- und Zielpunkt artbildend ist. Dagegen ist die Art und somit auch die Form der Lust jederzeit vollendet, und so wird klar, daß sie von der Bewegung verschieden und ein Ganzes und Vollendetes ist. Das gleiche erhellt daraus, daß eine Bewegung, die in keiner Zeit geschähe, nicht möglich ist, wohl aber ein Lustgefühl. Denn das Gefühl, das man in einem Moment hat, ist ein Ganzes. Man sieht hieraus, daß man die Lust mit Unrecht für eine Bewegung oder ein Werden ausgibt. Denn diese Begriffe werden nicht auf alles angewandt, sondern nur auf das, was teilbar und kein Ganzes ist. Der Akt des Sehens, der Punkt, die Einheit hat kein Werden und ist kein Werden und keine Bewegung. Und so hat auch die Lust kein Werden, da sie ein unteilbares Ganzes ist. Viertes Kapitel4 Da jeder Sinn sich mit Bezug auf sein Objekt betätigt, und zwar vollkommen dann, wenn er selbst in guter Verfassung und sein Objekt das schönste und angemessenste ist, das er wahrnehmen kann – so ist dies doch wohl wesentlich die vollkommene Tätigkeit; ob wir aber sagen, der Sinn sei tätig oder das Wesen, das ihn hat, steht uns gleich –, so ist also bei aller Tätigkeit diejenige die beste, bei der das Tätige in bester Verfassung und das Objekt das vollkommenste ist, das in den Bereich der betreffenden Tätigkeit fällt. Diese beste Tätigkeit muß sowohl die vollkommenste als auch die genußreichste sein. Jeder Sinn hat nämlich seine Lust, und ebenso gibt es eine Lust des Denkens und Betrachtens, und die höchste Lust liegt in der vollkommensten Tätigkeit, und am vollkommensten ist die Tätigkeit eines sich in guter Verfassung befindenden Tätigen gegenüber seinem vornehmsten Gegenstand. Die Lust ist demnach der Tätigkeit Vollendung. Freilich bringt die Lust die Vollendung nicht in dem Sinne, wie die letztere unter den erforderlichen Bedingungen von dem Objekt und den
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Sinnen kommt, wie ja auch die Gesundheit nicht in demselben Sinne Ursache des Gesundseins ist wie der Arzt. Daß aber jeder Sinn seine Lust hat, ist klar. Wir nennen ja Gesichts- und Gehörswahrnehmungen lustbringend. Klar ist auch, daß die Lust am größten ist, wenn der Sinn die beste Verfassung hat und sich gegenüber einem Objekt der besten Art betätigt. Entsprechen das wahrgenommene Objekt und das wahrnehmende Subjekt diesen Bedingungen, so wird sich immer Lust einstellen; denn dann ist ebensowohl was sie hervorrufen als was sie empfinden kann, vorhanden. Jedoch vollendet die Lust die Tätigkeit nicht wie eine habituelle Form, sondern wie etwas, was zur Form hinzutritt, wie die Schönheit sich im Gefolge der vollkommenen körperlichen Entwicklung einstellt. Solange nun das geistig gedachte oder sinnlich wahrgenommene Objekt in der erforderlichen Verfassung bleibt und das sinnlich unterscheidende oder verständig denkende Subjekt desgleichen, solange wird die Tätigkeit mit Lust verbunden sein. Denn solange Leidendes und Tätiges sich gleich bleiben und sich gleichmäßig zueinander verhalten, erfolgt naturgemäß die gleiche Wirkung. Wie kommt es nun, daß niemand beständig Lust empfindet? Nicht etwa von der Ermüdung? Kein menschliches Vermögen kann ja beständig tätig sein, und so bleibt denn auch die Lust, welche der Tätigkeit folgt, aus. Manches ergötzt uns auch, weil es neu ist, und später eben deshalb nicht mehr. Denn zuerst wird die Aufmerksamkeit davon in Anspruch genommen und beschäftigt sich lebhaft damit, wie man z. B. einen Gegenstand, der vor unsere Augen tritt, angestrengt betrachtet. Danach aber ist die Tätigkeit keine solche mehr, sondern sie läßt nach, und dadurch wird denn auch die Lustempfindung geschwächt. Man kann wohl sagen, wie alles zu leben begehre, so verlange auch alles nach der Lust. Das Leben ist nämlich eine Tätigkeit, und jeder ist in dem und durch das tätig, was er am meisten liebt. So ist der Freund der Musik mit dem Gehör in dem Bereich der Töne tätig, der Lernbegierige mit dem Verstand im Bereich der Erkenntnisse, und so die übrigen alle. Es hat also seinen guten Grund, daß man auch nach der Lust
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strebt, da aus ihr einem jeden für das Leben, dieses begehrenswerte Gut, die Vollendung erwächst.
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Ob wir aber wegen der Lust das Leben begehren oder wegen des Lebens die Lust, stehe für jetzt dahin. Denn diese beiden Dinge scheinen zusammengepaart zu sein und keine Trennung zu gestatten, da ohne Tätigkeit keine Lust entsteht und jede Tätigkeit durch die Lust vollendet wird. Daher scheinen auch die Lüste der Art nach verschieden zu sein. Denn was selbst spezifisch verschieden ist, das, nehmen wir an, erhält auch durch spezifisch Verschiedenes seine Vollendung. Man sieht das ja auch an den Erzeugnissen der Natur und der Kunst, an Tieren und Bäumen, an Bildern, Statuen, Häusern und Geräten. Ebenso, scheint es, müssen demnach auch spezifisch verschiedene Tätigkeiten durch spezifisch Verschiedenes vollendet werden. Nun sind aber die geistigen Tätigkeiten von den sinnlichen und wieder die einzelnen geistigen und sinnlichen Tätigkeiten unter sich spezifisch verschieden; so müssen es denn auch die Lüste sein, von denen sie ihre Vollendung empfangen. Man kann das auch daraus entnehmen, daß jede Lust der Tätigkeit, die sie vollendet, verwandt ist. Denn die Tätigkeit wird durch die ihr verwandte Lust gesteigert. Die mit Lust tätig sind, unterscheiden alles schärfer und führen alles genauer durch; gute Geometer z. B. werden die, die an der Geometrie Freude haben, und solche verstehen alles besser; ebenso machen auch die Freunde der Musik, der Baukunst und so weiter je in ihrem Fach, dank der Freude, die es ihnen macht, Fortschritte. Die Steigerung kommt aber von der Lust, und das Steigernde ist verwandt. Was aber spezifisch Verschiedenem verwandt ist, das ist auch selbst spezifisch verschieden. Noch deutlicher aber sieht man das daraus, daß für die eine Art von Tätigkeit eine Lust hinderlich ist, die aus einer anderen Art von Tätigkeit erwächst. Die Freunde des Flötenspiels
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können keinem Vortrag mehr folgen, wenn sie einen Flötenspieler hören, indem ihnen das Spiel mehr Freude macht als die Tätigkeit, die sie gerade beschäftigt. Somit zerstört die Lust, die das Flötenspiel gewährt, die Tätigkeit des Aufmerkens auf den Vortrag. Und ähnlich geht es überall, wo man mit zwei Dingen zugleich beschäftigt ist: die angenehmere Tätigkeit verdrängt die andere, und das um so mehr, je mehr sie sich durch Annehmlichkeit auszeichnet, so daß jene zuletzt ganz aufhört. Wenn uns daher eine Sache in hohem Grad ergötzt, tun wir nicht leicht etwas anderes, und umgekehrt treiben wir andere Dinge, wenn uns etwas nur geringe Befriedigung bietet, und in den Theatervorstellungen sprechen die Freunde von Naschwerk demselben allemal besonders zu, wenn die Schauspieler nichts taugen. Da aber die verwandte Lust die Tätigkeiten schärft, anhaltender und besser macht, fremde Lustgefühle aber sie schädigen, so kann man sehen, wie sehr sie voneinander verschieden sind. Die fremden Lustgefühle haben fast die gleiche Wirkung wie die verwandten Unlustgefühle. Diese letzteren heben die Tätigkeiten auf, wie z. B., wenn jemandem das Schreiben oder das Rechnen unlieb und verhaßt ist: der eine schreibt dann nicht, und der andere rechnet nicht, weil ihn die Tätigkeit verdrießt. So wird denn auf eine Tätigkeit von den ihr verwandten Gefühlen der Lust und der Unlust eine entgegengesetzte Wirkung ausgeübt; verwandt aber sind die Gefühle, die bei der Tätigkeit an sich entstehen. Von den fremden Lustgefühlen aber haben wir gesagt, daß sie eine ähnliche Wirkung haben wie die Unlust: sie heben die Tätigkeit, wenn auch nicht auf gleiche Weise, auf. Da sich die Tätigkeiten durch sittliche Güte und Schlechtigkeit unterscheiden, und die einen begehrenswert, die anderen verwerflich, noch andere keines von beidem sind, so ist es ebenso mit den Lustgefühlen bewandt; denn jeder Tätigkeit entspricht eine eigentümliche Lust. Die der tugendhaften Tätigkeit eigentümliche Lust ist sittlich, die der lasterhaften eigentümliche unsittlich. Denn auch die Begierden sind, wenn sie dem sittlich Guten gelten, lobenswert, und wenn sie dem
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sittlich Schlechten gelten, tadelnswert. Nun sind aber die Lustgefühle, die eine Tätigkeit begleiten, derselben viel näher verwandt als die Begierden. Diese sind von ihr zeitlich und ihrer Natur nach geschieden, jene aber sind mit den Tätigkeiten eng verbunden und von ihnen so wenig geschieden, daß man fragen kann, ob nicht Tätigkeit und Lust dasselbe ist. Dennoch sieht die Lust nicht aus, als ob sie Gedanke oder Wahrnehmung wäre, das wäre ungereimt, aber sie gilt doch hin und wieder für dasselbe, weil sie von der Tätigkeit nicht getrennt ist. Demnach sind, wie die Tätigkeiten, so auch die Lustgefühle verschieden. Das Gesicht ist von dem Gefühl an Reinheit verschieden, wie das Gehör und der Geruch von dem Geschmack. So sind es denn ebenso die Lustempfindungen, sowohl von denen der Sinne die des Geistes, wie auch die einzelnen Lustempfindungen des Geistes und der Sinne je unter sich. Man kann auch sagen, daß jedes Sinnenwesen, wie eine eigene Verrichtung, so eine eigene Lust hat, nämlich die seiner Tätigkeit entsprechende. Man sieht das auch, wenn man die einzelnen Arten der Lebewesen betrachtet. Eine andere ist die Lust des Pferdes, eine andere die des Hundes und eine andere die des Menschen, wie ja auch Heraklit sagt, daß ein Esel die Spreu dem Gold vorziehen würde. Nämlich für Esel ist Futter angenehmer als Gold. Wie also die Wesen selbst, so sind auch ihre Lüste oder Ergötzungen der Art nach verschieden, dagegen ist anzunehmen, daß die von Wesen einer Art nicht verschieden sind. Nur beim Menschen tritt hier eine große Mannigfaltigkeit hervor. Ein und dasselbe kann den einen ergötzen und den anderen schmerzen, bei dem einen Unlust und Haß, bei dem anderen Lust und Liebe hervorrufen. Dies ist auch beim Süßen der Fall. Nicht dasselbe kommt dem Fieberkranken und dem Gesunden süß vor, und nicht dasselbe erscheint dem Leidenden und dem, der sich wohl befindet, als heiß. In allen solchen Fällen aber scheint das wahr zu sein, was der Tugendhafte dafür hält. Und ist dieser Satz richtig, wie wir annehmen dürfen, und ist die Tugend und der Tugendhafte jedes Dinges Maß, so
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folgt auch, daß wahre Freuden jene sind, die er dafür hält, und wahrhaft erfreulich das ist, woran er sich erfreut. Wenn aber das, was ihm zuwider ist, einem anderen erfreulich vorkommt, so ist daran nichts Wunderbares; denn der Mensch unterliegt mannigfacher Verderbnis und Schädigung; aber genußreich ist es nicht, außer eben für diejenigen, die sich in solch verderbter Verfassung befinden. So leuchtet denn ein, daß man die anerkannt schimpflichen Arten der Lust nicht als Lust gelten lassen darf, außer für verderbte Naturen. Dagegen erhebt sich nun bezüglich der als sittlich geltenden Arten von Lust die Frage, welche oder was für eine man als die dem Menschen eigentümliche Lust erklären soll. Die Tätigkeiten werden uns darüber Aufschluß geben müssen; nach ihnen richtet die Lust sich ja. Mag es nun der Tätigkeiten des vollkommenen und glückseligen Mannes nur eine oder mehrere geben, so wird die s i e vollendende Lust es sein, die man als die eigentlich und vorzüglich menschliche Lust zu erklären hat. Die übrigen Arten von Lust können dafür erst an zweiter und weiterer Stelle gelten, entsprechend den Tätigkeiten. Sechstes Kapitel6 Unsere Erörterung über die Tugenden, die Freundschaft und die Lust ist nun zu Ende, und so bleibt noch die Glückseligkeit im Umriß zu behandeln, die uns Ziel und Ende alles menschlichen Tuns bedeutet. Unser Vortrag über sie wird an Kürze gewinnen, wenn wir uns auf das Vorausgehende zurückbeziehen. Wir haben gesagt, die Glückseligkeit sei kein Habitus. Sonst könnte ja auch derjenige sie besitzen, der sein Leben lang schläft und so ein bloß vegetatives Dasein führt, oder auch ein Mensch, den die größten Unglücksfälle träfen. Wenn uns dies nun nicht befriedigen kann, und wir sie vielmehr, wie in den früheren Ausführungen gesagt worden ist, in eine gewisse Tätigkeit setzen müssen, und wenn ferner die Tätigkeiten teils notwendig und als Mittel, teils an sich begehrenswert sind, so
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ist die Glückseligkeit offenbar für eine von den Tätigkeiten zu erklären, die an sich, und nicht für eine von denen, die bloß als Mittel begehrenswert sind. Sie ist ja keines anderen Dinges bedürftig, sondern sich selbst genug. An sich begehrenswert aber sind die Tätigkeiten, bei denen man nichts weiter sucht als die Tätigkeit selbst. Diesen Charakter scheinen einmal die tugendgemäßen Handlungen zu haben, da es an sich begehrenswert ist, schön und tugendhaft zu handeln, sodann die Unterhaltungen, die dem Genuß dienen, da man sie nicht als Mittel zum Zweck begehrt. Man hat ja mehr Schaden als Nutzen von ihnen, indem man ihretwegen Gesundheit und Vermögen vernachlässigt. Zu solchem Zeitvertreib nimmt die Mehrheit derer, die die Welt glücklich preist, ihre Zuflucht. Darum stehen bei den Großen der Erde diejenigen, die dererlei Kurzweil gut zu veranstalten wissen, in so hoher Gunst. Sie machen sich ihnen angenehm in dem, wonach ihr Sinn steht; nun sind es aber gerade solche Dinge, die sie zu bedürfen glauben. So gewinnt es denn den Anschein, als ob derartiges ein notwendiger Bestandteil der Glückseligkeit wäre, da die Machthaber ihre Mußestunden damit zubringen. Indessen dürfte das Verhalten solcher Männer wohl nichts beweisen. Denn Tugend und Verstand, diese Quellen jeder schönen Tat, beruhen nicht auf dem Besitz der Macht. Und wenn jene Menschen, da der Geschmack für reine und edle Freude ihnen fehlt, ihre Zuflucht zu den sinnlichen Ergötzungen nehmen, so darf man darum nicht glauben, daß diese begehrenswerter sind. Glauben doch auch Kinder, das sei das Höchste, was bei ihnen etwas gilt. So ist es denn begreiflich, daß, so wie für Kinder andere Dinge Wert haben als für Erwachsene, so auch für schlechte Menschen andere Dinge als für tugendhafte. Wie wir also schon oft wiederholt haben, wertvoll und genußreich zugleich ist das, was dem guten Mann solches ist. Nun ist aber einem jeden diejenige Tätigkeit am liebsten, die seiner eigentümlichen Beschaffenheit entspricht. Also kann das für den guten Mann nur die der Tugend gemäße Tätigkeit sein. Die Glückseligkeit besteht mithin nicht in den Vergnügungen, nicht in Spiel und Scherz. Es wäre ja ungereimt, wenn
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unsere Endbestimmung Spiel und Scherz wäre, und wenn die Mühe und das Leid eines ganzen Lebens das bloße Spiel zum Ziel hätten. Fast alles begehren wir als Mittel, ausgenommen die Glückseligkeit, die ja Zweck ist. Nun erscheint es doch als töricht und gar zu kindisch, kindischen Spieles wegen zu arbeiten und sich anzustrengen; dagegen der Spruch des Anacharsis: „Spielen, um zu arbeiten“, darf als die richtige Maxime gelten. Das Spiel ist ja eine Art Erholung, und der Erholung bedürfen wir darum, weil wir nicht ununterbrochen arbeiten können. Nun ist aber die Erholung nicht Zweck, weil sie der Tätigkeit wegen da ist. Auch scheint das glückselige Leben ein tugendhaftes Leben zu sein. Dieses aber ist ein Leben ernster Arbeit, nicht lustigen Spiels. Das Ernste nennen wir ja besser als das Scherzhafte und Lustige, und die Tätigkeit des besseren Teiles und Menschen nennen wir immer auch ernster. Nun ist aber die Tätigkeit des Besseren vorzüglicher und so denn auch seliger. Auch kann die sinnliche Lust der erste beste genießen, der Sklave nicht minder als der ausgezeichnetste Mensch. Die Glückseligkeit aber erkennt niemand einem Sklaven zu, außer, es müßte auch sein Leben dem entsprechen. Denn die Glückseligkeit besteht nicht in solchen Vergnügungen, sondern in den tugendgemäßen Tätigkeiten, wie wir schon früher erklärt haben.
Siebentes Kapitel7 Ist aber die Glückseligkeit eine der Tugend gemäße Tätigkeit, so muß dieselbe natürlich der vorzüglichsten Tugend gemäß sein, und das ist wieder die Tugend des Besten in uns. Mag das nun der Verstand oder etwas anderes sein, was da seiner Natur nach als das Herrschende und Leitende auftritt und das wesentlich Gute und Göttliche zu erkennen vermag, sei es selbst auch göttlich oder das Göttlichste in uns: – immer wird seine seiner eigentümlichen Tugend gemäße Tätigkeit die vollendete Glückseligkeit sein.
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Daß diese Tätigkeit theoretischer oder betrachtender Art ist, haben wir bereits gesagt. Man sieht aber auch, daß das sowohl mit unseren früheren Ausführungen wie mit der Wahrheit übereinstimmt. Denn zunächst ist diese Tätigkeit die vornehmste. Der Verstand oder die Vernunft ist nämlich das Vornehmste in uns, und die Objekte der Vernunft sind wieder die vornehmsten im ganzen Feld der Erkenntnis. Sodann ist sie die anhaltendste. Anhaltend betrachten oder denken können wir leichter, als irgend etwas Äußerliches anhaltend tun. Ferner geht die gemeine Meinung dahin, daß die Glückseligkeit mit Lust verbunden sein muß. Nun ist aber unter allen tugendgemäßen Tätigkeiten die der Weisheit zugewandte eingestandenermaßen die genußreichste und seligste. Und, in der Tat bietet das Studium der Weisheit Genüsse von wunderbarer Reinheit und Beständigkeit, selbstverständlich ist aber der Genuß noch größer, wenn man schon weiß, als wenn man erst sucht. Auch was man Genügsamkeit nennt, findet sich am meisten bei der Betrachtung. Was zum Leben erforderlich ist, dessen bedarf auch der Weise und der Gerechte und die Inhaber der anderen sittlichen Tugenden. Sind sie aber mit dergleichen ausreichend versehen, so bedarf der Gerechte noch solcher, gegen die und mit denen er gerecht handeln kann, und das gleiche gilt von dem Mäßigen, dem Mutigen und jedem anderen; der Weise dagegen kann, auch wenn er für sich ist, betrachten, und je weiser er ist, desto mehr; vielleicht kann er es besser, wenn er Mitarbeiter hat, aber immerhin ist er sich selbst am meisten genug. Und, von ihr allein läßt sich behaupten, daß sie ihrer selbst wegen geliebt wird. Sie bietet uns ja außer dem Denken und Betrachten sonst nichts; vom praktischen Handeln dagegen haben wir noch einen größeren oder kleineren Gewinn außer der Handlung. Und, die Glückseligkeit scheint in der Muße zu bestehen. Wir opfern unsere Muße, um Muße zu haben, und wir führen
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Krieg, um in Frieden zu leben. Die praktischen Tugenden nun äußern ihre Tätigkeit im bürgerlichen Leben oder im Krieg. Die Aktionen auf diesen Gebieten aber dürften sich mit der Muße kaum vertragen. Die kriegerische Tätigkeit schon gar nicht. Niemand will Krieg und Kriegsrüstungen des Krieges wegen. Denn man müßte als ein ganz blutdürstiger Mensch erscheinen, wenn man sich seine Freunde zu Feinden machte, nur damit es Kampf und Blutvergießen gäbe. Aber auch die friedliche Tätigkeit im Dienst des Gemeinwesens verträgt sich nicht mit der Muße und verfolgt neben der Besorgung der öffentlichen Angelegenheiten selbst den Besitz der Macht und den Genuß der Ehren oder doch das wahre Lebensglück für die eigene Person und die Mitbürger als ein Ziel, das vom Staatsdienst verschieden ist, und das wir Menschen auch durch das Leben in der staatlichen Gemeinschaft zu erreichen suchen, selbstverständlich als etwas von diesem Leben selbst Verschiedenes. Wenn also nun zwar unter allen tugendhaften Handlungen diejenigen, die sich um Staat und Krieg drehen, an Schönheit und Größe obenan stehen, und sie gleichwohl mit der Muße unvereinbar und auf ein außer ihnen liegendes Ziel gerichtet sind und also nicht ihrer selbst wegen begehrt werden, und wenn dagegen die Tätigkeit der Vernunft, die denkende, ebensowohl an Ernst und Würde hervorragt, als sie keinen anderen Zweck hat, als sich selbst, auch eine eigentümliche Lust und Seligkeit in sich schließt, die die Tätigkeit steigert, so sieht man klar, daß in dieser Tätigkeit, soweit es menschenmöglich ist, sich die Genügsamkeit, die Muße, die Freiheit von Ermüdung und alles, was man sonst noch dem Glückseligen beilegt, finden muß. Und somit wäre dies die vollendete Glückseligkeit des Menschen, wenn sie außerdem noch die volle Länge eines Lebens dauert, da nichts, was zur Glückseligkeit gehört, unvollkommen sein darf. Aber das Leben, in dem sich diese Bedingungen erfüllen, ist höher, als es dem Menschen als Menschen zukommt. Denn so kann er nicht leben, insofern er Mensch ist, sondern nur insofern er etwas Göttliches in sich hat. So groß aber der Unterschied ist zwischen diesem Göttlichen selbst und dem aus
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Leib und Seele zusammengesetzten Menschenwesen, so groß ist auch der Unterschied zwischen der Tätigkeit, die von diesem Göttlichen ausgeht, und allem sonstigen tugendgemäßen Tun. Ist nun die Vernunft im Vergleich mit dem Menschen etwas Göttliches, so muß auch das Leben nach der Vernunft im Vergleich mit dem menschlichen Leben göttlich sein. Man darf aber nicht jener Mahnung Gehör geben, die uns anweist, unser Streben als Menschen auf Menschliches und als Sterbliche auf Sterbliches zu beschränken, sondern wir sollen, soweit es möglich ist, uns bemühen, unsterblich zu sein, und alles zu dem Zweck tun, dem Besten, was in uns ist, nachzuleben. Denn wenn es auch klein ist an Umfang, so ist es doch an Kraft und Wert das bei weitem über alles Hervorragende. Ja, man darf sagen: dieses Göttliche in uns ist unser wahres Selbst, wenn anders es unser vornehmster und bester Teil ist. Mithin wäre es ungereimt, wenn einer nicht sein eigenes Leben leben wollte, sondern das eines anderen. Und was wir oben gesagt haben, paßt auch hierher. Was einem Wesen von Natur eigentümlich ist im Unterschied von anderen, ist auch für dasselbe das Beste und Genußreichste. Also ist dies für den Menschen das Leben nach der Vernunft, wenn anders die Vernunft am meisten der Mensch ist. Mithin ist dieses Leben auch das glückseligste. Achtes Kapitel8 An zweiter Stelle ist dasjenige Leben glückselig, das der sonstigen Tugend gemäß ist. Denn, die dieser sonstigen Tugend entsprechenden Tätigkeiten sind menschlicher Art. Gerechtigkeit, Mut und die anderen Tugenden üben wir gegeneinander im geschäftlichen Verkehr, in Notlagen, in Handlungen aller Art und dadurch, daß wir an Lasten jedem so viel zumessen, als sich gebührt. Das sind aber offenbar lauter menschliche Dinge. Manches, was zu diesen Tugenden gehört, beruht auch auf unserer leiblichen Natur, und die ethische Tugend hat es vielfach mit den Affekten zu tun, so daß sie in mancher Hinsicht mit den guten
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Affekten verwandt scheint. Auch ist mit der ethischen Tugend die Klugheit verbunden und diese mit der Klugheit, da ja die Grundsätze der Klugheit aufgrund der ethischen Tugenden richtunggebend wirken und die letzteren wieder durch jene geordnet werden. Da nun beide, ethische Tugend wie Klugheit, auch auf die Affekte Bezug haben, so haben sie es ohne Zweifel mit dem Ganzen aus Leib und Seele zu tun. Die Tugenden dieses Ganzen sind aber menschliche Tugenden. Somit ist auch das auf die Ausübung dieser Tugenden gerichtete Leben menschlich und menschlich denn auch die Glückseligkeit, die es gewähren kann. Dagegen ist diejenige, die das Leben nach der Vernunft gewährt, abgetrennt und göttlich. Weiteres sagen wir hierüber nicht. Denn wenn wir uns über des Geistes Eigenart genauer aussprechen wollten, so ginge das über die Grenzen der vorliegenden Aufgabe hinaus. Auch bedarf das Leben nach dem Geiste und die entsprechende Glückseligkeit der äußeren Güter nur wenig oder doch weniger als das Leben gemäß den sittlichen Tugenden. Mögen beide das zum Unterhalt Nötige gleich dringend brauchen – wenn auch der Mann des öffentlichen Lebens sich um den Körper und was damit verwandt ist, mehr bemühen muß; doch macht das nicht viel aus –, so muß sich doch ein großer Unterschied ergeben, sobald man die Bedeutung erwägt, die der Besitz oder Nichtbesitz äußerer Güter für die beiderseitigen Tätigkeiten hat. Der Freigebige braucht Geld, um freigebig zu handeln, und der Gerechte braucht es, um Empfangenes zu vergelten – denn das bloße Wollen ist nicht erkennbar, und auch, wer nicht gerecht ist, tut so, als wolle er gerecht handeln –; der Mutige bedarf der Kraft, wenn er eine Tat des Mutes vollbringen will, und der Mäßige bedarf der Freiheit und Ungebundenheit. Wie könnte man sonst wissen, ob einer diese oder eine andere Tugend wirklich hat oder nicht? Man zweifelt freilich, welches von den beiden Erfordernissen der Tugend das wichtigere ist, der Wille oder das Werk. Doch findet sie offenbar ihre Vollendung erst in beiden zugleich. Nun bedarf sie aber, um zu handeln, vieler Dinge und bedarf ihrer desto mehr, je größer und schöner ihre Handlungen sind. Der Mann
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des Denkens aber hat, wenigstens für diese seine Tätigkeit, keines dieser Dinge nötig, ja, sie hindern ihn eher daran. Sofern er aber Mensch ist und mit vielen zusammenlebt, wird er auch wünschen, die Werke der sittlichen Tugenden auszuüben, und so wird er denn solcher Dinge bedürfen, um als Mensch unter Menschen zu leben. Aber auch aus folgendem mag man sehen, daß die vollkommene Glückseligkeit eine Denktätigkeit ist. Von den Göttern glauben wir, daß sie die glücklichsten und seligsten Wesen sind. Aber was für Handlungen soll man ihnen beilegen? Etwa Handlungen der Gerechtigkeit? Wäre es aber nicht eine lächerliche Vorstellung, sie Verträge schließen und Depositen zurückerstatten zu lassen und dergleichen mehr? Oder Handlungen des Mutes, wobei sie vor Furchterregendem standzuhalten und Gefahren zu bestehen hätten, weil es sittlich schön ist, solches zu tun? Oder vielmehr Handlungen der Freigebigkeit? Aber wem sollen sie denn geben? Es wäre ja ungereimt, wenn sie Geld oder dergleichen zu vergeben hätten. Beobachtung der Mäßigkeit ferner, was hieße das bei den Göttern? Es wäre doch gewiß ein plumpes Lob, daß sie keine bösen Begierden hätten. Und so mögen wir nehmen, was wir wollen: alles, was zur Tugendübung gehört, muß als klein und der Götter unwürdig erscheinen. Und doch hat man immer geglaubt, daß sie leben und mithin tätig sind; denn niemand denkt doch, daß sie schlafen wie Endymion. Nimmt man aber dem Lebendigen jenes Handeln aufgrund ethischer Tugend und Klugheit, und nimmt man ihm außerdem noch das [künstlerische] Schaffen, was bleibt dann noch als das Denken? Und so muß denn die Tätigkeit Gottes, die an Seligkeit alles übertrifft, die denkende Tätigkeit sein. Eben darum wird aber auch von menschlichen Tätigkeiten diejenige die seligste sein, die ihr am nächsten verwandt ist. Ein Zeichen dafür ist endlich, daß die übrigen Sinnenwesen an der Glückseligkeit keinen Anteil haben, weil sie einer solchen Tätigkeit vollständig ermangeln. Das Leben der Götter ist seiner Totalität nach selig, das der Menschen insofern, als ihnen eine Ähnlichkeit mit dieser Tätigkeit zukommt, von den
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anderen Sinnenwesen aber ist keines glückselig, da sie an dem Denken in keiner Weise teilhaben. Soweit sich demnach das Denken erstreckt, soweit erstreckt sich auch die Glückseligkeit, und den Wesen, denen das Denken und die Betrachtung in höherem Grade zukommt, kommt auch die Glückseligkeit in höherem Grade zu, nicht mitfolgend, sondern eben aufgrund des Denkens, das seinen Wert und seine Würde in sich selbst hat. So ist denn die Glückseligkeit ein Denken.
Neuntes Kapitel9 Der Glückselige wird aber als Mensch auch in äußeren guten Verhältnissen leben müssen. Denn die Natur genügt sich selbst zum Denken nicht; dazu bedarf es auch der leiblichen Gesundheit, der Nahrung und alles andern, was zur Notdurft des Lebens gehört. Indessen darf man, wenn man ohne die äußeren Güter nicht glückselig sein kann, darum nicht meinen, daß dazu viele und große Güter erforderlich wären. Denn daß einer ein volles Genüge und die Möglichkeit der Betätigung habe, liegt nicht an Reichtum und Überfluß: man kann, auch ohne über Land und Meer zu herrschen, sittlich handeln; denn auch mit mäßigen Mitteln läßt sich der Tugend gemäß handeln. Man kann das deutlich daran sehen, daß die Privatleute den Fürsten im rechten und tugendhaften Handeln nicht nachzustehen, sondern eher vorauszusein scheinen. Es genügt also, wenn die dazu nötigen Mittel vorhanden sind. Denn das Leben muß glückselig sein, wenn es in tugendgemäßer Tätigkeit verbracht wird. Auch Solon hat die Frage, wer glückselig sei, wohl treffend beantwortet, wenn er sagte, glückselig seien diejenigen, die, mit äußeren Gütern mäßig bedacht, die nach seiner Ansicht schönsten Taten verrichtet und mäßig gelebt hätten. Denn auch mit bescheidenen Mitteln läßt sich pflichtgemäß handeln. Und Anaxagoras hat sich offenbar den glückseligen Menschen nicht als Reichen oder Fürsten gedacht, wenn er sagte, ihn würde es nicht wundern, wenn derjenige, den er
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selbst für glückselig hielte, der Menge als ungeeignet für solche Bezeichnung erscheinen würde. Denn die Menge urteilt nach dem Äußeren, wofür sie allein Sinn hat. So stimmen denn die Ansichten der Weisen mit den von uns dargelegten Gründen überein, und zweifellos liegt in solchen Zeugnissen auch eine gewisse Beweiskraft. Doch muß man im Gebiet des Praktischen die Wahrheit nach den Werken und dem Leben beurteilen. Denn diese sind hier entscheidend. So muß man denn auch Aussprüche der Philosophen wie die vorhin angeführten in der Art prüfen, daß man sie mit ihrem Leben und ihren Werken vergleicht, und sie, falls sie damit zusammenstimmen, für wahr halten, falls sie aber damit in Widerspruch stehen, nur als leere Worte betrachten. Wer aber denkend tätig ist und die Vernunft in sich pflegt, mag sich nicht nur an der allerbesten Verfassung erfreuen, sondern auch von der Gottheit am meisten geliebt werden. Denn wenn die Götter, wie man doch allgemein glaubt, um unsere menschlichen Dinge irgendwelche Sorge haben, muß man ja vernünftiger Weise annehmen, daß sie an dem Besten und ihnen Verwandtesten Freude haben – und das ist unsere Vernunft –, und daß sie denjenigen, die dasselbe am meisten lieben und hochachten, mit Gutem vergelten, weil sie für das, was ihnen lieb ist, Sorge tragen und recht und löblich handeln. Es ist aber unverkennbar, daß dies alles vorzüglich bei dem Weisen zu finden ist. Mithin wird er von der Gottheit am meisten geliebt; wenn aber das so ist, so muß er auch der Glückseligste sein. Somit wäre der Weise auch aus diesem Grunde der Glücklichste.
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Wir haben also nunmehr hierüber und über die Tugenden, sowie auch über die Freundschaft und die Lust das Nötige im Umriß beigebracht. Sind wir demnach jetzt mit unserem Vorhaben am Ziel, oder ist nicht der Satz richtig, daß beim Handeln das Ziel nicht darin liegt, das einzelne zu erforschen und zu erkennen, sondern vielmehr darin, es zu tun? So ist es
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denn auch bei der Tugend mit dem Wissen nicht genug, sondern man muß darnach streben, sie zu haben und zu üben oder sonst den Weg einzuschlagen, auf dem wir gute Menschen werden können. Wären nun Reden hinreichend, um vortreffliche Menschen zu bilden, so würden sie nach Theognis vielen und großen Lohn einbringen, und man müßte sie sich verschaffen. Nun aber können, wie es scheint, diese zwar für Jünglinge von edler Gemütsart ein Ansporn und Antrieb werden und einen vornehmen und wahrhaft für das Schöne eingenommenen Charakter an die Tugend fesseln, aber sie vermögen nicht die Menge für das Schöne und Gute zu gewinnen. Denn die Menge läßt sich ihrer Natur gemäß nicht durch sittliche Scheu, sondern durch die Furcht bestimmen und enthält sich des Schlechten, nicht weil es schimpflich ist, sondern weil darauf Strafe steht. Da sie nur der Leidenschaft lebt, trachtet sie nach den ihrem Geschmack entsprechenden Genüssen und nach dem, was dieselben verschaffen kann, und flieht die entgegengesetzten Arten der Unlust. Von dem sittlich Schönen aber und der wahren Freude hat sie nicht einmal einen Begriff, da sie es nicht gekostet hat. Welche Rede sollte nun solche Menschen bekehren? Es ist ja nicht möglich oder doch sehr schwer, durch das Wort alteingewurzelte Gewohnheiten abzustellen. Wir müssen also schon zufrieden sein, wenn wir wenigstens beim Vorhandensein aller Bedingungen, die die Charakterbildung nach allgemeiner Meinung voraussetzt, an der Tugend Anteil erhalten. Tugendhaft wird man aber nach einer Meinung von Natur, nach einer anderen durch Gewöhnung und nach einer dritten durch Lehre. Als Naturanlage steht die Tugend offenbar nicht bei uns, sondern ist aufgrund gewisser göttlicher Ursachen Besitz der wahrhaft Glücklichen. Wort und Lehre aber haben nicht bei allen hinlängliche Kraft, sondern die Seele des Hörers muß wie die zur Aufnahme des Samens bestimmte Erde zuvor durch Gewöhnung kultiviert worden sein, um recht zu lieben und zu hassen. Denn es würde einer auf das warnende Wort nicht hören, ja, es nicht einmal verstehen, wenn er der
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Leidenschaft nachlebt; und wie ist es dann möglich, ihn durch Worte anderen Sinnes zu machen? Überhaupt kann man sagen, daß gegen die Leidenschaft das Wort nichts ausrichtet, sondern nur die Gewalt. Demnach muß ein der Tugend verwandter Sinn, der das sittlich Schöne liebt und das Häßliche verabscheut, schon in gewisser Weise vorhanden sein. Nun ist es aber schwer, von Jugend auf die rechte sittliche Anleitung zu erhalten, wenn man nicht unter entsprechenden Gesetzen erzogen wird. Denn mäßig und abgehärtet zu leben, ist nicht nach dem Geschmack der Menge, und am wenigsten nach dem Geschmack der Jugend. Daher muß deren Erziehung und Beschäftigung durch Gesetze geregelt werden. Denn was einem zur Gewohnheit geworden ist, macht einem hernach keine Beschwerde mehr. Vielleicht genügt es aber nicht, in der Jugend die rechte Zucht und Sorge zu erfahren, sondern da man auch als Mann die guten Gewohnheiten und Bestrebungen beibehalten muß, so werden wir auch hierfür und somit überhaupt für das ganze Leben der Gesetze bedürfen. Denn in der Mehrzahl fügen sich die Menschen mehr dem Zwang als dem Wort und mehr der Strafe als dem Gebot der Pflicht. Eben darum sind auch einige der Ansicht, die Gesetzgeber müßten zwar durch Berufung auf den Wert des Guten zur Tugend ermahnen und antreiben, da dieses Motiv bei denen, die durch Gewöhnung schon zum Guten geneigt wären, seine Wirkung nicht verfehlen werde; allein den Ungehorsamen und den gemeineren Naturen müßten sie Züchtigungen und andere Strafen auferlegen und die Unheilbaren gänzlich beseitigen. Denn der sittliche Mensch, der für das Edle lebe, werde dem Wort gehorchen, der unsittliche aber, der nach der Lust trachte, werde durch Schmerz gebändigt wie ein Tier im Joch. Daher verlangt man auch eine solche Beschaffenheit der Strafen, daß sie der Lust, die einer liebt, am meisten entgegengesetzt sind. Wenn aber nun, wie gesagt, wer tugendhaft werden soll, gut erzogen und gewöhnt sein und sodann edlen Bestrebungen leben muß und Schlechtes weder unfreiwillig noch freiwillig tun darf, so dürfte das wohl auf die Weise ermöglicht werden, daß
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man nach einer gewissen Vernunft und rechten Ordnung lebt, der zugleich nötigende Kraft beiwohnt. Der väterlichen Anordnung steht Gewalt und Zwang in solcher Weise nicht zu und überhaupt nicht dem Willen eines einzelnen Menschen, wenn er nicht König ist oder sonst eine ähnliche Stellung einnimmt. Dagegen hat das Gesetz zwingende Kraft und ist zugleich eine Rede, die von einer Einsicht und Vernunft ausgeht. Und, Menschen, die unsern Neigungen entgegentreten, haßt man, auch wenn sie Recht daran tun; das Gesetz dagegen, wenn es das Rechte befiehlt, ist keinem Haß ausgesetzt. Nun hat aber wohl nur im Staat der Lakedämonier und in wenigen anderen der Gesetzgeber für die Erziehung und Lehre der Staatsangehörigen Sorge getragen; in den meisten Staaten dagegen ist dieser Punkt ganz außer acht geblieben, und jeder lebt, wie er will, und richtet nach Zyklopenweise über Weib und Kind. Das Beste wäre demnach, wenn eine richtige Fürsorge vom Staat ausginge und verwirklicht werden könnte. Wo aber der Staat sich darum nicht kümmert, da obliegt es dem einzelnen, seinen Kindern und Freunden zur Erlangung der Tugend behilflich zu sein oder dies sich doch zum Zweck zu setzen. Nach dem Gesagten wird man das aber dann am besten vermögen, wenn man sich die Fähigkeit erwirbt, Gesetze zu geben. Denn die Fürsorge für das gemeine Wesen vollzieht sich bekanntlich durch Gesetze, gute Fürsorge aber durch die guten Gesetze. Ob dieselben aber geschrieben oder ungeschrieben sind, kann keinen Unterschied machen, auch nicht, ob einer oder viele nach ihnen erzogen werden sollen, ebensowenig wie das in der Musik, der Gymnastik und den anderen Fächern einen Unterschied macht. Denn wie in den Staatsgemeinden Gesetz und Herkommen, so machen in Haus und Familie das Wort des Vaters und die von ihm eingeführten Gewohnheiten ihren Einfluß geltend, ja, sie tun es noch in höherem Grad, weil der Vater mit den Kindern verwandt und ihr Wohltäter ist. Denn ihn haben die Kinder von vornherein von Natur lieb und folgen ihm gern.
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Ferner, die Einzelerziehung ist von der gemeinsamen verschieden, wie dieser Unterschied des Besonderen und des Allgemeinen ja auch in der Heilkunst hervortritt. Dem Fieberkranken ist im allgemeinen Ruhe und Fasten zuträglich, in einem einzelnen Fall aber vielleicht nicht; auch der Lehrer im Faustkampf hält nicht alle zu denselben Übungen an. Darum dürfte das einzelne sorgfältiger behandelt werden, wenn ihm eine eigene Fürsorge zuteil wird: dann erhält der einzelne eher, was ihm nützt. Jedoch wird die Sorge für das einzelne beim Arzt, beim Fechtmeister und dem Vertreter jedes anderen Faches am vollkommensten sein, wenn er das Allgemeine kennt und weiß, was sich für alle oder eine bestimmte Klasse gehört. Denn als Gegenstand der Wissenschaften gilt das Allgemeine, und das ist es auch. Es mag ja gewiß nichts hindern, daß man einen einzelnen Fall auch ohne Wissenschaft richtig behandelt, wenn man nur durch Erfahrung genau darüber unterrichtet ist, was sich in einem Einzelfall begibt. So ist vielleicht mancher für sich selbst ein sehr guter Arzt, der einem anderen aber nicht helfen kann. Nichtsdestoweniger muß derjenige, der ein Künstler werden und die Theorie einer Kunst sich aneignen will, auf das Allgemeine gehen und dasselbe nach Möglichkeit zu erkennen suchen. Denn dieses ist es, wie gesagt, womit Kunst und Wissenschaft es zu tun hat. Und so muß wohl auch, wer durch seine Fürsorge die Menschen bessern will, gleichgültig ob viele oder wenige, nach der Befähigung trachten, Gesetze zu geben, falls wir durch Gesetze tugendhaft werden können. Denn jeden beliebigen und jeden, der uns unter die Hand kommt, in die richtige Verfassung zu bringen, das vermag nicht der nächste beste, sondern wenn irgendeiner, der Wissende, wie man an der Heilkunst und an allen anderen Dingen sieht, mit denen menschliche Sorge und Klugheit sich beschäftigt. Haben wir also nach diesem zu untersuchen, wie und woher man sich die Eigenschaften eines Gesetzgebers verschafft, oder lernt man dieselben etwa nach der Analogie auf anderen Gebieten von den Staatsmännern? Die Kunst des Gesetzgebers ist ja, wie wir gesehen haben, ein Teil der Staatskunst. Oder sollte es sich mit der Staatskunst etwa doch nicht in glei-
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cher Weise verhalten wie mit den anderen Wissenschaften und Künsten? Sonst sehen wir ja überall dieselben Männer eine Kunst lehren und ausüben, wie z. B. die Ärzte und Maler. Was dagegen die Staatskunst betrifft, so machen die Sophisten sich anheischig, sie zu lehren, aber keiner von ihnen übt sie aus, sondern das tun die mit den Staatsgeschäften Befaßten, von denen man aber wieder sagen möchte, daß sie mehr gestützt auf Erfahrung und eine gewisse Routine ihres Amtes walten als geleitet von wissenschaftlicher Einsicht. Denn man sieht weder, daß sie über Politik schreiben, noch daß sie über dieselbe Vorträge halten – und doch wäre das vielleicht mehr wert, als wenn sie vor Gericht und in Volksversammlungen sprechen –, und ebensowenig sieht man, daß sie ihre Söhne oder sonst einen, den sie lieb haben, zu Staatsmännern ausgebildet hätten. Und doch hätten sie es gewiß getan, wenn sie dazu imstande wären. Denn sie könnten ihrem Vaterland kein besseres Geschenk hinterlassen und würden gewiß auch sich selber und so denn auch ihren besten Freunden keine andere Kunst mehr als diese wünschen. Dabei muß freilich eingeräumt werden, daß die Erfahrung auf dem Gebiet der Staatskunst von großer Wichtigkeit ist, sonst könnte die politische Praxis keine Staatsmänner bilden, und darum ist derjenige, der in der Staatskunst gut Bescheid wissen will, auch auf die Erfahrung angewiesen. Was aber diejenigen Sophisten betrifft, die sich anheischig machen, die Staatskunst zu lehren, so sind sie offenbar weit davon entfernt, dies wirklich zu leisten. Sie wissen ja gar nicht einmal, was sie ist und womit sie es zu tun hat. Sonst sagten sie nicht, sie sei dasselbe wie die Rhetorik oder ihr untergeordnet, und meinten nicht, es sei leicht, Gesetze zu geben, wenn man nur diejenigen Bestimmungen, die sich allgemeinen Beifalls erfreuen, zusammenstelle. Sie halten es nämlich für eine leichte Sache, die besten auszuwählen, als ob nicht gerade eine solche Auswahl Verstand erforderte, und das richtige Urteil die Hauptsache wäre, wie bei einer musikalischen Komposition. Nur der mit den Einzelheiten durch Erfahrung Vertraute kann Kunstleistungen richtig beurteilen und weiß, durch wel-
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che Mittel und auf welchem Weg sie zustande kommen, und was gegenseitig zusammenstimmt. Der Unerfahrene dagegen ist schon zufrieden, wenn ihm nur nicht entgeht, ob eine Leistung gut oder schlecht geraten ist, wie in der Malerei. Nun sind aber die Gesetze gleichsam die Leistungen der Staatskunst. Wie soll man also durch bloße Kenntnisnahme von ihnen zur Gesetzgebung befähigt werden können, oder wie soll man die besten herausfinden? Man sieht doch auch nicht, daß man bloß aus Büchern ein Arzt wird. Gleichwohl suchen die medizinischen Schriftsteller nicht bloß die Heilmittel anzugeben, sondern auch das Heilverfahren, das man beobachten und die Behandlung, die man den einzelnen Patienten mit Rücksicht auf ihre besondere Konstitution angedeihen lassen muß. Eine solche Anleitung mag zwar für die Erfahrenen ihren Nutzen haben, aber dem Laien kann sie nichts helfen. So werden wohl auch die Sammlungen der verschiedenen Gesetze und Verfassungen denjenigen gut zustatten kommen, die untersuchen und entscheiden können, was daran gut ist, und was nicht, und was zusammenpaßt. Diejenigen aber, die ohne die erforderliche, nur durch Erfahrung mögliche Routine solche Sammlungen durchgehen, werden nicht richtig über sie zu urteilen vermögen, außer etwa zufällig. Nur ein besseres Verständnis auf diesem Gebiet läßt sich vielleicht auf diese Weise gewinnen. Da also unsere Vorgänger die Theorie der Gesetzgebung unerforscht gelassen haben, so empfiehlt es sich, daß wir selbst die Untersuchung über sie und so denn über die Staatslehre überhaupt weiterverfolgen, damit so die Philosophie über die menschlichen Dinge nach dem Maße unserer Kräfte zu Ende geführt werde. Zuerst wollen wir versuchen, zu bestimmen, was die Älteren hin und wieder Richtiges über unseren Gegenstand gelehrt haben, um sodann aus der Zusammenstellung der verschiedenen Verfassungen zu entnehmen, was die Staaten und was die einzelnen Staatsformen erhält und was sie verdirbt, und aus welchen Ursachen einige Gemeinwesen sich in gutem, andere in schlechtem Zustand befinden. Denn haben wir die-
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se Punkte untersucht, so können wir gewiß leichter darüber ins klare kommen, welches die beste Verfassung ist, und wie sie jedesmal geordnet sein und welche Gesetze und Bräuche sie haben müßte. So wollen wir denn mit dieser weiteren Darlegung beginnen.
Zu diesem Band
Die deutsche Fassung der Nikomachischen Ethik, die dieser Band präsentiert, ist Band 5 der Philosophischen Bibliothek entnommen und wurde von Eugen Rolfes übersetzt. Die ursprünglich 1911 erschienene Übersetzung wurde 1972 von Günther Bien grundlegend hinsichtlich der Grammatik, der Wortwahl und Stilistik überarbeitet und an den heutigen Sprachgebrauch angepasst. Kursive Hervorhebungen sind, ebenso wie die Freistellung von Zitaten, Stilmittel der Übersetzung. Um ein leichtes und schnelles Auffinden gesuchter Textstellen zu ermöglichen, wird am Seitenrand die Paginierung der Gesamtausgabe der überlieferten Werke Aristoteles’ von Immanuel Bekker (Berlin 1831–1870) mitgeführt, nach der üblicherweise zitiert wird.
ARISTOTELES
PHILOSOPHISCHE SCHRIFTEN in sechs Bänden
Band 4
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
ARISTOTELES
Politik Übersetzt von eckart schütrumpf
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 724
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INHALT
Politik
1. Buch 9 2. Buch 39 3. Buch 89 4. Buch 139 5. Buch 187 6. Buch 241 7. Buch 263 8. Buch 307
Zu diesem Band 325
A R ISTOT EL E S Politik
BUC H I Erstes Buch
Kapitel 1. Jeder staatliche Verband ist, wie wir sehen, eine Gemeinschaft von bestimmter Art, und jede Gemeinschaft ist zum Zwecke eines bestimmten Gutes gebildet; denn alle Menschen vollziehen alle Handlungen um dessentwillen, das ihnen als gut erscheint. Offensichtlich streben daher zwar alle Gemeinschaften nach einem bestimmten Gut, in stärkstem Maße und nach dem Gut, das am ehesten alle beherrscht, (strebt) aber die Gemeinschaft, die die oberste Herrschaft über alle (Gemeinschaften) ausübt und alle übrigen in sich einschließt – dies ist die als Staat bezeichnete Gemeinschaft, die staatl iche Gemeinschaft. Diejenigen, die nun meinen, ein leitender Staatsmann, König, Leiter eines Haushalts und Gebieter von Sklaven stellten ein und denselben (Herrschertypus) dar, vertreten eine unrichtige Auffassung. Sie glauben nämlich, jeder von diesen unterscheide sich nach dem großen oder geringen Umfang (des Herrschaftsbereiches) und nicht dem Wesen nach: wenn z. B. einer über wenige herrsche, sei er Gebieter über Sklaven, wenn über eine große Zahl, Vorstand eines Hauses, wenn über noch mehr Menschen, leitender Staatsmann oder König, so als bestehe kein Unterschied zwischen einem großen Haushalt und einem kleinen Staat. Und was den leitenden Staatsmann und König angeht, so sprechen sie von einem königlichen Mann, wenn er allein an der Spitze steht, von einem leitenden Staatsmann dagegen, wenn er nach den Bestimmungen des entsprechenden Wissens im Wechsel regiert und sich regieren läßt. Aber dies ist unzutreffend. Dieses Urteil wird verständlich werden, wenn wir die Untersuchung nach der vorgezeichneten Methode vornehmen: in anderen Gebieten muß man nämlich das Zusammengesetzte bis zum nicht mehr Zusammengesetzten zerlegen, denn dies sind die kleinsten Teile des Ganzen; wenn wir so den staat
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lichen Verband daraufhin untersuchen, aus welchen Teilen er zusammengesetzt ist, werden wir auch bei jenen (Herrschertypen) besser erkennen, einmal, worin sie sich voneinander unterscheiden, und zum anderen, ob man über jeden der genannten eine dieser Disziplin angemessene Kenntnis gewinnen kann.
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Kapitel 2. Wie in anderen Bereichen so dürfte jemand auch hier am erfolgreichsten seine Untersuchung vornehmen, wenn er die Dinge so, wie sie von Anfang an entstanden sind, betrachtet. Zuallererst müssen sich diejenigen als Paar zusammenschließen, die nicht ohne einander leben können, das Weibliche und das Männliche zum Zwecke der Fortpflanzung – sie tun dies nicht aus freier Entscheidung, sondern (ihnen) ist, wie auch den anderen Lebewesen und den Pflanzen, von Natur das Verlangen gegeben, ein weiteres Wesen ihresgleichen zu hinterlassen. Aber auch, was von Natur herrscht und beherrscht wird, muß sich zu seiner Erhaltung zusammenschließen; denn was mit dem Verstand weitblickend fürsorgen kann, herrscht von Natur, es gebietet despotisch von Natur; was aber mit dem Körper arbeiten kann, ist beherrscht, ist von Natur Sklave. Deswegen nützt ein und dasselbe dem Herrn und dem Sklaven. Von Natur sind nun jedenfalls Frau und Sklave unterschieden; denn die Natur geht nicht sparsam vor und stellt nichts von der Art her wie Schmiede das (vielfältig verwendbare) Delphische Messer, sondern jeweils einen Gegenstand für jeweils einen Zweck. Denn jedes Werkzeug wird dann die höchste Vollendung erhalten, wenn es nicht vielen Aufgaben, sondern einer einzigen dient. Bei den Barbaren nehmen dagegen Frau und Sklave den gleichen Rang ein. Der Grund dafür ist folgender: Sie besitzen nicht das, was von Natur die Herrschaft ausübt, sondern bei ihnen wird die eheliche Gemeinschaft zwischen Sklavin und Sklaven geschlossen. Deswegen sagen die Dichter: »Es ist wohlbegründet, daß Hellenen über Barbaren herrschen«, da Barbar und Sklave von Natur dasselbe ist.
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Aus diesen beiden Verbindungen entsteht erstmals der Haus halt, und zutreffend bemerkt Hesiod in seinem Dichtwerk: »Zuallererst das Haus, Frau und Pflugstier«, denn der Stier vertritt bei den Armen den Sklaven. Die Gemeinschaft, die in Übereinstimmung mit der Natur zur Befriedigung der Alltagsbedürfnisse gebildet ist, ist der Haushalt, Personen, die Charondas »um den gleichen Brotkorb vereint«, der Kreter Epimenides aber »um dieselbe Krippe vereint« nennt. Die erste Gemeinschaft, die aus mehreren Haushalten besteht und nicht (nur) um der Dinge des täglichen Bedarfs willen gebildet wurde, ist ein Dorf. Im höchsten Maße scheint aber das Dorf naturgemäß zu sein, da Mitglieder eines Haushalts in eigene Häuser aussiedelten – einige nennen sie »Milchbrüder« oder »Kinder und Kindeskinder.« Deswegen standen auch am Anfang die Staaten unter königlicher Herrschaft und heute noch die barbarischen Völker; denn ihre Bewohner waren aus Gemeinschaften, die königlich regiert wurden, zusammengekommen; jeder Haushalt wird ja von dem Ältesten nach Art eines Königs geleitet; wegen ihrer Verwandtschaft trifft dies daher auch für die durch Aussiedeln gebildeten neuen Haushaltungen zu. Das ist es, was Homer in dem Vers: »und ein jeder gebietet unumschränkt über Kinder und Frauen« zum Ausdruck bringt; denn sie lebten noch zerstreut, wie es die Siedlungsweise der Vorzeit war. Und deswegen sagen auch alle, daß die Götter unter königlicher Herrschaft stehen, weil die Menschen teils auch heute noch, teils in der Vorzeit königlich regiert wurden. Wie aber die Menschen das Aussehen der Götter nach dem eigenen Bilde formen, so auch deren Lebensweisen. Ein staatlicher Verband ist aber die aus mehreren Dörfern gebildete vollendete Gemeinschaft, die die Grenze erreicht hat, bei der – wenn man so sagen darf – vollständige Autarkie besteht. Um des Überlebens willen ist er entstanden, er besteht aber um des vollkommenen Lebens willen. Jeder staatliche Verband existiert deswegen von Natur, da dies ja auch für die ersten Gemeinschaften galt; denn er ist das Ziel jener, und es ist die Natur, die das Ziel darstellt. Die Beschaffenheit eines
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jeden Dinges, dessen Entwicklung vollständig abgeschlossen ist, bezeichnen wir ja als seine Natur, wie etwa die Natur eines Menschen, Pferdes oder Hauses. Ferner ist das Umwessenwillen und das Ziel das Beste, die Autarkie ist aber sowohl das Ziel wie das Beste. Daraus geht nun klar hervor, daß der Staat zu den Dingen zu zählen ist, die von Natur sind, und daß der Mensch von Natur ein Lebewesen ist, das zum staatlichen Verband gehört, und daß derjenige, der aufgrund seiner Natur, und nicht durch eine Schicksalsfügung, außerhalb des staatlichen Verbandes steht, entweder minderwertig – oder übermenschlich – ist, wie derjenige, der von Homer geschmäht wurde: »ohne Geschlechterverband, ohne Recht, ohne Herd.« Denn wer von Natur so ist, der sucht zugleich Streit, da er ohne Verbindung dasteht wie (ein Stein) auf dem Spielbrett. Daß aber die Bezeichnung »zu einem Staate gehörend« eher für den Menschen als für jede Biene und jedes Herdentier zutrifft, ist klar. Denn die Natur schafft, wie wir sagen, nichts ohne Zweck. Nun hat der Mensch als einziges Lebewesen Sprache; die Stimme gibt zwar ein Zeichen von Schmerz und Freude, deswegen ist sie auch den übrigen Lebewesen verliehen, denn ihre Natur gelangte bis zu der Stufe, daß sie Empfindung von Schmerz und Lust haben und sich diese untereinander anzeigen; die Sprache dient aber dazu, das Nützliche und Schädliche, und daher auch das Gerechte und Ungerechte, darzulegen. Denn dies ist den Menschen gegenüber den anderen Lebewesen eigentümlich, allein ein Empfinden für Gut und Schlecht, Gerecht und Ungerecht und anderes zu haben. Die Gemeinschaft in diesen Dingen begründet aber Haushalt und Staatsverband. Der staatliche Verband geht aber von Natur dem Haushalt und jedem einzelnen von uns voraus; denn das Ganze geht notwendigerweise dem Teil voraus. Wenn nämlich das Ganze zerstört wird, wird (kein Teil), weder Fuß noch Hand, weiter existieren – außer homonym, wie wenn man die Bezeichnung (Hand) für eine Hand aus Stein benutzte, eine leblose Hand ist ja von vergleichbarer Art. Da aber alles durch seine Leistung und seine Funktion bestimmt ist, darf man Dinge, wenn sie (in
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ihrer Funktion) nicht mehr gleich sind, auch nicht als gleich bezeichnen, sondern als verschiedene Dinge gleichen Namens. Es ist damit klar, daß der Staat einmal von Natur ist und außerdem jedem einzelnen vorausgeht. Denn unter der Voraussetzung, daß jeder, wenn er isoliert lebt, nicht autark ist, muß sein Verhältnis zum Ganzen genauso sein wie das von Teilen sonst (zum Ganzen). Wer aber nicht fähig ist, Mitglied (der staatlichen Gemeinschaft) zu sein, oder aufgrund seiner Autarkie ihrer nicht bedarf, der ist kein Teil des staatlichen Verbandes und somit entweder Tier oder Gott. Von Natur lebt also in allen ein Drang nach einer solchen Gemeinschaft. Derjenige, der sie als erster gebildet hat, ist der Urheber größter Güter. Denn wie der Mensch, wenn er zur Vollkommenheit gelangt, das beste Lebewesen ist, so ist er ohne Gesetz und Recht auch das schlimmste von allen. Ungerechte Gesinnung, die über Waffen verfügt, ist ja am schlimmsten; der Mensch hält aber von Natur aufgrund seiner Klugheit und charakterlichen Vorzüge Waffen in Händen, die besonders zu einander entgegengesetzten Zwecken gebraucht werden können. Deswegen ist der Mensch ohne gute charakter liche Qualität das frevelhafteste und wildeste Lebewesen und in Sexualität und Eßgier am schlimmsten. Gerechtigkeit wird dagegen im Staat verwirklicht, denn Recht ist die Ordnung der staatlichen Gemeinschaft, Gerechtigkeit aber bestimmt die Entscheidung darüber, was rechtmäßig ist. Kapitel 3. Da nun klar ist, aus welchen Teilen der staatliche Verband gebildet ist, muss man zuerst die Führung eines Haushalts behandeln, denn jeder Staat besteht aus Haushalten. Die Teilbereiche der Führung eines Haushalts entsprechen den Teilen, aus denen der Haushalt seinerseits besteht: ein vollständiger Haushalt wird aus Sklaven und Freien gebildet. Da man nun einen jeden Gegenstand zuerst in seinen kleinsten Einheiten untersuchen muß, die ersten und kleinsten Teile des Haushalts aber Herr und Sklave, Ehemann und Ehefrau, und Vater und Kinder sind, muß unsere Untersuchung das Wesen und die notwendige Qualität dieser drei (Verhält-
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nisse) klären, gemeint sind das despotische, zweitens das durch Heirat begründete – denn für die Vereinigung von Frau und Mann gibt es keine besondere Bezeichnung – und drittens das beim Aufziehen von Kindern – denn auch dies hat keinen eigenen Namen. Es sollen also diese drei (Verhältnisse), die wir genannt haben, sein. Es gibt aber noch einen Bereich, der manchen als die Führung eines Haushalts selber gilt, anderen dagegen als deren wichtigster Teil, ich meine die sogenannte Fertigkeit, sich Besitz zu beschaffen. Welche Auffassung zutrifft, muß untersucht werden. Zuerst wollen wir aber über Herr und Sklave reden. Wir verfolgen dabei die Absicht, die Mittel zur (Sicherung des) notwendigen Bedarfs zu untersuchen und (zu sehen), ob wir für die Kenntnis dieser Dinge nicht einiges zutreffender erfassen, als was man jetzt darüber denkt. Denn für manche ist das Gebieten des Herrn über Sklaven eine bestimmte Art von Wissen, und zwar gilt ihnen die Führung eines Haushalts und das Gebieten über die Sklaven und die politische und königliche Herrschaft als ein und dasselbe Wissen, wie wir zu Beginn darlegten. Andere halten dagegen das Gebieten über Sklaven für naturwidrig, denn nur aufgrund von Gesetz sei der eine Sklave, der andere Freier, der Natur nach bestehe aber kein Unterschied zwischen ihnen; deswegen sei das Gebieten über Sklaven auch nicht gerecht, es gründe sich nämlich auf Gewalt. Kapitel 4. Nun ist der Besitz ein Teil des Haushalts, und die Fähigkeit, Besitz zu erwerben, ein Teil der Führung des Haushalts; denn ohne die notwendigen Mittel ist es ausgeschlossen, sein Leben zu fristen und in vollkommener Weise zu leben. Wie aber bei den Arbeiten von Fachleuten mit fest umrissenem Tätigkeitsbereich die passenden Werkzeuge zur Verfügung stehen müssen, wenn ihre Aufgabe erfolgreich erledigt werden soll, so auch bei dem Leiter eines Haushalts. Werkzeuge sind nun entweder leblos oder belebt; für den Steuermann ist z. B. das Steuerruder ein lebloses, dagegen der Untersteuermann auf dem Vorderschiff ein lebendes (Werkzeug), denn der Gehilfe vertritt in den Tätigkeiten von Fachleuten
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das Werkzeug. In dieser Weise ist auch der Besitz ein Werkzeug zum Leben – Besitz ist eine Vielzahl von Werkzeugen – und der Sklave ist ein belebtes Stück Besitz, und jeder dienende Gehilfe ist gleichsam ein Werkzeug, das jedes andere Werkzeug übertrifft. Wenn nämlich jedes Werkzeug auf Geheiß oder mit eigener Voraussicht seine Aufgabe erledigen könnte, wie man es von den (Standbildern) des Daidalos und den Dreifüßen des Hephaistos berichtet, die, wie der Dichter sagt, »sich von selbst zur Versammlung der Götter einfinden« – wenn so die Weberschiffchen von allein die Webfäden durcheilten und die Schlagplättchen Kithara spielten, dann brauchten die Meister keine Gehilfen und die Herren keine Sklaven. Was man gewöhnlich Werkzeuge nennt, sind Werkzeuge zum Herstellen von Dingen, Besitz ist dagegen ein Werkzeug für das Handeln. So ermöglicht ein Weberschiffchen neben seiner Benutzung die Herstellung eines Gegenstandes, ein Gewand und ein Bett erlauben aber nur die Benutzung. Weiterhin: da Herstellen und Handeln sich ihrem Wesen nach unterscheiden und beide Werkzeuge benötigen, müssen diese den gleichen Unterschied (wie die Tätigkeiten, für die sie benutzt werden,) aufweisen. Das Leben ist aber ein Tätigsein als Handeln, nicht als Produzieren, deswegen ist auch der Sklave Diener in den Dingen zum Handeln. Von einem Stück Besitz spricht man aber in der gleichen Weise wie von einem Teil; denn ein Teil ist nicht nur der Teil eines anderen, sondern gehört völlig dem anderen – in gleicher Weise gilt das auch von einem Objekt, das jemand besitzt. Deswegen ist der Herr nur Herr des Sklaven, gehört aber jenem nicht. Der Sklave ist dagegen nicht nur der Sklave des Herrn, sondern gehört ihm völlig. Was nun die Natur und Aufgabe des Sklaven ist, ist hiernach klar: Wer von Natur nicht sich selbst, sondern als Mensch einem anderen gehört, ist von Natur Sklave. Ein Mensch gehört aber einem anderen, wenn er als Mensch Besitz eines anderen ist, ein Stück Besitz ist aber ein physisch losgelöstes Werkzeug für das Handeln.
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Kapitel 5. Hieran schließt sich nun zwangsläufig die folgende Untersuchung an: Besitzt jemand tatsächlich von Natur die beschriebenen Eigenschaften oder nicht? Und ist es für irgendjemand vorteilhafter und gerecht, als Sklave zu dienen oder nicht, sondern ist jede Sklaverei wider die Natur? Es ist nicht schwierig, diese Fragestellung sowohl in theoretischer Ableitung zu betrachten, als auch aus den tatsächlichen Verhältnissen Erkenntnis zu gewinnen. Herrschen und Beherrschtwerden gehört nicht nur zu den unerläßlichen, sondern auch zu den nützlichen Dingen, und bei einigen besteht unmittelbar von Geburt eine Scheidung – der einen zum Beherrschtwerden, der anderen zum Herrschen. Und es gibt viele Arten von Herrschenden und Beherrschten; dabei ist immer die Herrschaft über die besseren Beherrschten besser, z. B. die Herrschaft über einen Menschen ist (besser) als die über ein Tier; denn die Leistung, die von den Besseren erbracht wird, ist besser – wo aber das eine herrscht, das andere beherrscht wird, da gibt es eine von diesen erbrachte Leistung. Was nämlich aus mehreren (Bestandteilen) zusammengesetzt ist – einerlei, ob diese miteinander verbunden oder voneinander getrennt sind – und zu einer eine Einheit bildenden Gemeinschaft wird, in allen (solchen zusammengesetzten Gebilden) wird ein herrschender und ein beherrschter Teil sichtbar, und es ist die universale Natur, von der her dieses (Ordnungsprinzip) den Lebewesen innewohnt; denn auch in Leblosem gibt es eine Art Herrschaftsverhältnis wie in Tonarten – aber das gehört vielleicht in eine eher außerhalb unseres Themas liegende Untersuchung. Ein Lebewesen ist aus Seele und Körper zusammengesetzt, von denen jene von Natur herrscht, dieser beherrscht wird. Man muß aber einen Zustand, der von Natur ist, eher an Objekten betrachten, die naturgemäß sind, als an pervertierten. Deswegen müssen wir den Menschen zum Gegenstand unserer Betrachtung wählen, der sich an Leib und Seele in der besten Verfassung befindet; an ihm ist dieses (naturgemäße Herrschaftsverhältnis) offenbar, während bei Schlechten oder Leuten in schlechter Verfassung häufig der Eindruck entste-
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hen dürfte, daß der Körper über die Seele herrscht, weil sie schlecht und naturwidrig sind. Es läßt sich also, wie wir sagten, zunächst an einem Lebewesen sowohl die despotische wie politische Herrschaftsform erkennen; denn die Seele übt über den Körper eine despotische Herrschaft aus, die Vernunft über das Begehren eine politische oder königliche. Bei ihnen ist es offensichtlich für den Körper naturgemäß und vorteilhaft, von der Seele beherrscht zu werden, und für den Seelenteil, der Sitz der Affekte ist, ist es (ebenso naturgemäß und vorteilhaft), von der Vernunft und dem Seelenteil, der Vernunft besitzt, beherrscht zu werden, eine gleichmäßige (Beteiligung an der Herrschaft) oder gar eine Vertauschung (der Herrschaftsstellung) ist dagegen für alle schädlich. In gleicher Weise trifft dies dann auch auf den Menschen und die übrigen Lebewesen zu: Die zahmen Tiere sind in ihrer Natur besser als die wilden, und für sie alle ist es vorteilhafter, vom Menschen beherrscht zu werden, denn auf diese Weise wird ihr Überleben gesichert. Ferner ist im Verhältnis (der Geschlechter) das Männliche von Natur das Bessere, das Weibliche das Geringerwertige, und das eine herrscht, das andere wird beherrscht. Das gleiche muß aber auch unter allen Menschen Gültigkeit besitzen: diejenigen, die voneinander so weit unterschieden sind wie Seele und Körper, Mensch und Tier – und (einige Menschen) sind tatsächlich in dieser Weise voneinander unterschieden, wenn ihre Leistung der Gebrauch des Körpers ist und dies als das Beste von ihnen (zu gewinnen) ist – diese sind von Natur Sklaven. Für sie ist es vorteilhafter, dieser Herrschaft zu unterstehen, wie das auch bei den eben genannten der Fall war. Denn von Natur ist derjenige Sklave, der einem anderen gehören kann – deswegen gehört er ja auch einem anderen – und der in dem Maße an der Vernunft Anteil hat, daß er sie vernimmt, aber sie nicht (als ihn leitendes Vermögen) besitzt; denn auch die übrigen Lebewesen (besitzen) keine Vernunft, der sie gehorchen können, sondern da sie nur Sinneswahrnehmungen haben, folgen sie den Affekten. Und schließlich unterscheidet sich auch ihr nützlicher Beitrag nur wenig voneinander, denn
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beide, Sklaven und zahme Tiere, helfen mit dem Körper bei (der Bereitstellung) der lebensnotwendigen Mittel. Die Natur hat nun zwar die Tendenz, auch die Körper der Freien und Sklaven unterschiedlich auszubilden, die einen stark für die Verrichtung der notwendigen Arbeiten, die anderen dagegen aufrecht und untauglich für solche Tätigkeiten, jedoch tauglich für eine politische Existenz – diese untergliedert sich wieder in Tätigkeiten, die im Krieg bzw. im Frieden wahrgenommen werden. Häufig tritt aber gerade das Gegenteil ein, nämlich daß die einen zwar die Körper, die anderen dagegen die Seelen haben, wie sie Freien zukommen. Jedoch ist folgendes unumstritten: angenommen, einige wären allein körperlich so sehr überlegen, wie es die Standbilder von Göttern sind, dann dürfte jeder sagen, daß die dahinter Zurückbleibenden verpflichtet wären, jenen wie Sklaven zu dienen. Wenn dies aber schon im Falle des Körpers zutrifft, dann wird dies mit viel größerer Berechtigung, so bei (einer Überlegenheit in Eigenschaften) der Seele bestimmt. Die Schönheit der Seele läßt sich jedoch nicht ebenso leicht erkennen wie die des Körpers. Soviel ist nun klar: Für einige gilt, daß sie von Natur ent weder frei oder Sklaven sind, und für diese ist es vorteilhaft und gerecht, als Sklaven zu dienen. Kapitel 6. Daß aber auch diejenigen, die die entgegengesetzte Auffassung (I) vertreten, in gewisser Weise recht haben, läßt sich nicht schwer erkennen. Denn die Bezeichnung »als Sklave dienen« und »Sklave« wird in zweifacher Bedeutung gebraucht. Es gibt nämlich (neben dem Sklaven von Natur) einen Sklaven und den Mann, der als Sklave dient, auch aufgrund von Gesetz. Dieses Gesetz ist eine Übereinkunft, daß das, was im Krieg besiegt wurde, den Siegern gehört. Dieses Recht klagen nun viele (II), die sich mit Gesetzen beschäftigen, der Gesetzwidrigkeit an – wie einen Redner; denn es sei unerträglich, wenn das Opfer von Gewalt Sklave und Untertan dessen ist, der die Mittel hat, Gewalt auszuüben, und an Macht überlegen ist. Diese Ansicht vertritt die eine Richtung, jene zweite
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Auffassung die andere – und auch unter den Gebildeten gibt es diesen Meinungsstreit. Ursache dieses Streites und (ein Umstand), der auch bewirkt, daß diese (entgegengesetzten) Meinungen sich doch zum Teil überschneiden, ist folgende Tatsache: in bestimmter Weise ist menschliche Vorzüglichkeit, die über die entsprechenden Mittel verfügt, am ehesten imstande, auch Gewalt auszuüben, und, was Macht ausübt, besitzt immer Überlegenheit in einer positiven Qualität. Daher kann die Auffassung (III) entstehen, Gewalt werde nicht ohne wertvolle menschliche Qualität ausgeübt, sondern die Meinungsverschiedenheit drehe sich ausschließlich um die Bestimmung dessen, was gerecht ist – deswegen gilt nämlich den einen (III a) Wohlwollen als Gerechtigkeit, den anderen (III b) gilt aber eben dieses als gerecht, die Herrschaft des Überlegenen. Diese Meinungen liegen nun weit auseinander: demgegenüber fehlt es der anderen Auffassung (IV), nämlich daß das an hoher menschlicher Qualität Überlegene nicht herrschen oder despotisch gebieten dürfe, sowohl an jeglicher Stütze wie an Überzeugungskraft. Andererseits setzen einige (I/V) die im Verlaufe eines Krieges erzwungene Sklaverei für schlechthin gerecht; dabei berufen sie sich, wie sie glauben, auf eine bestimmte Form von Gerechtigkeit – denn das Gesetz ist eine bestimmte Form von Gerechtigkeit –, zugleich bestreiten sie das aber auch wieder; denn es kann vorkommen, daß Kriege in ungerechter Weise begonnen wurden, und in keiner Weise behauptet wohl jemand, wer nicht verdient, Sklave zu sein, sei ein Sklave. Andernfalls müßte sich ja ergeben, daß die, die im Ansehen höchsten Adels stehen, Sklaven und Nachkommen von Sklaven sind, wenn es sich ergibt, dass sie gefangen und (in Sklaverei) verkauft wurden. Deswegen wollen die Vertreter dieser Auffassung zwar solche Personen nicht als Sklaven bezeichnen, wohl aber die Barbaren. Wenn sie dies sagen, suchen sie jedoch nichts anderes als, was wir am Anfang Sklave von Natur nannten. Sie müssen ja zugeben, daß es einige gibt, die überall Sklaven sind, andere dagegen nirgendwo. Die gleiche Auffassung vertreten sie auch über den Adel; denn sie meinen,
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sie selbst würden nicht nur bei sich selber als adlig anerkannt, sondern überall, die Barbaren dagegen nur bei sich zu Hause, denn es gebe eine Form von Adel und Freiheit schlechthin, eine andere aber nicht schlechthin. So spricht auch die Helena des Theodektes: »Mich, aus göttlichem Stamm von beiden Seiten, wer kann es für recht halten, mich Magd zu nennen?«
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Jedoch wenn sie dies sagen, bestimmen sie Sklaven und Freie und Leute von edler und niedriger Geburt durch nichts anderes als durch hohe persönliche Qualität oder deren Fehlen. Sie setzen nämlich voraus, daß genauso wie ein Mensch von einem Menschen abstammt oder ein Tier von Tieren, so auch ein Guter von Guten. Die Natur hat zwar in der Regel diese Absicht, aber sie kann dies nicht (immer) verwirklichen. Es ist nun klar, daß der Einwand (von dem wir ausgingen) eine gewisse Berechtigung hat und nicht die einen von Natur Sklaven, die anderen Freie sind; zugleich ist auch klar, daß zwischen einigen dieser Unterschied doch so besteht; bei diesen ist es für die eine Seite nützlich und gerecht, als Sklaven zu dienen, für die andere, despotisch zu herrschen; und das eine muß beherrscht werden, das andere nach der Herrschaftsform herrschen, für die es von Natur bestimmt ist, und (das heißt,) daß es damit auch despotisch herrschen muß. Eine falsche (Einrichtung dieses Herrschaftsverhältnisses) ist aber für beide nachteilig, denn ein und dasselbe nützt dem Teil und dem Ganzen, dem Körper und der Seele – der Sklave ist aber ein bestimmter Teil des Herrn, gleichsam ein belebter, aber losgelöster Teil seines Körpers. Deswegen existiert auch zwischen Sklave und Herrn eine bestimmte Form von gegenseitigem Nutzen und Freundschaft, wenn sie der Natur gemäß diesem Rang zugewiesen wurden; umgekehrt aber bei denjenigen, (deren Dienst als Sklaven) nicht auf diese Weise begründet wurde, sondern nach (Kriegs-)Recht und als Opfern von Gewalt.
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Kapitel 7. Aus diesen Darlegungen geht auch klar hervor, daß despotisches Gebieten und politische Herrschaft nicht dasselbe sind, und auch, daß nicht alle Arten von Herrschaft einander gleich sind, wie das einige behaupten. Denn politische Herrschaft wird über von Natur Freie ausgeübt, despotische jedoch über diejenigen, die (von Natur) Sklaven sind; und die Leitung eines Hauses hat die Form einer Monarchie – denn jedes Haus wird monarchisch geführt – die politische Herrschaft dagegen wird über Freie und Gleiche ausgeübt. Die Bezeichnung »Gebieter von Sklaven« wird nicht im Hinblick auf seine Kenntnis, sondern seine bestimmte Qualität gebraucht, und genau so gilt das für den Sklaven und den Freien. Es gibt jedoch auch eine spezifische Kenntnis für den Gebieter und den Sklaven: Eine Vorstellung von der Art der Kenntnis, die Sklaven benötigen, bietet die Lehrtätigkeit eines gewissen Mannes in Syrakus: dort bildete jemand gegen Bezahlung Sklaven in den üblichen Dienstleistungen aus. Der Unterricht könnte aber auch über solche Gegenstände hinausgehen und z. B. das Zubereiten von feinen Speisen und andere solche Arten von Dienstleistungen umfassen; diese sind ja voneinander verschieden: die einen stehen in höherem Ansehen, die anderen dienen dagegen mehr grundlegend notwendigen Bedürfnissen. So heißt es auch im Sprichwort: »ein Sklave taugt mehr als der andere, und ein Herr mehr als der andere«. Soweit haben wir über die Kenntnisse von Sklaven gesprochen. Die Kenntnis des Herrn besteht dagegen darin, die Sklaven zu gebrauchen. Denn der Herr ist nicht dadurch bestimmt, daß er die Sklaven anschafft, sondern daß er Sklaven gebraucht. Diese Kenntnis hat aber nichts Bedeutsames oder Ehrwürdiges an sich. Denn es sind ja nur die Aufgaben, die der Sklave auszuführen verstehen muß, welche der Gebieter anzuordnen verstehen muß. Daher übernimmt bei den Herren, die die Mittel besitzen, sich nicht selber damit abzuplagen, ein Verwalter diese Vorzugsstellung, während sie selber sich der Politik oder der Philosophie widmen. Verschieden von beiden genannten Kenntnissen ist aber die Kenntnis, (Sklaven) anzuschaffen – ich meine die gerechte
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Form, die in den Bereich der Kriegs- oder der Jagdtechnik gehört. Das soll als Bestimmungen über Sklaven und Herrn genügen. 1256a
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Kapitel 8. Wir wollen aber umfassend nach der vorgezeichneten Methode den gesamten Besitz und die Kunst, sich Besitz zu erwerben, untersuchen, zumal ja auch der (eben behandelte) Sklave ein Teil des Besitzes war. Zunächst könnte man die Frage aufwerfen, ob die Kunst des Besitzerwerbes identisch mit der Führung des Haushaltes oder ein bestimmter Teil von ihr oder ihr untergeordnet ist – und falls sie untergeordnet ist, ob so, wie die Herstellung von Weberschiffchen der Webkunst untergeordnet ist oder wie die Metallgewinnung der Bildhauerkunst; denn nicht auf die gleiche Weise erfüllen diese Tätigkeiten eine untergeordnete Funktion, sondern die eine liefert die Werkzeuge, die andere das Material – als Material bezeichne ich den zugrundeliegenden Stoff, aus dem ein Produkt hergestellt wird, z. B. die Wolle (als Material) für den Weber, und das Metall für den Bildhauer. Es leuchtet ein, daß die Kunst der Haushaltsführung nicht mit der Beschaffungskunst identisch ist; denn diese hat die Aufgabe, die Mittel bereitzustellen, jene andere dagegen, sie zu gebrauchen. Denn welche Kunst, wenn nicht die der Führung eines Haushalts, sollte die Mittel im Haus gebrauchen? Ob aber die Beschaffungskunst einen Teil der Führung eines Haushalts bildet oder eine besondere Art (von Kenntnis) ist, ist eine Frage, zu der man unterschiedliche Meinungen vertreten kann. Wir gehen davon aus, daß derjenige, der sich um den Erwerb kümmert, zusehen muß, woher Geld und Besitz gewonnen werden können. Besitz und Reichtum können aber mehrere Formen umfassen; daher ist zuerst zu prüfen, ob (eine Form von Erwerb), der Ackerbau, ein Teil der Beschaffungskunst ist oder eine eigene Art bildet, und (die gleichen Fragen stellen sich) insgesamt auch für die Sorge um die Nahrung und (derartigen) Besitz. Es gibt aber eine Vielzahl von Arten der Ernährung und daher eine Vielzahl von Lebensformen bei Menschen und Tieren;
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denn ohne Nahrung ist Leben unmöglich. So haben die Unterschiede in der Nahrung die Unterschiede in den Lebensformen der Lebewesen hervorgebracht: einige Tiere leben in Herden, andere vereinzelt, je nachdem, wie das eine oder andere der Sicherung der Nahrung nützt, weil einige von ihnen Fleischfresser, andere Pflanzenfresser, wieder andere Allesfresser sind. Um es ihnen leichter zu machen und ihre Wahl zu begünstigen, hat die Natur ihre Lebensart je besonders festgelegt. Da aber von Natur nicht einem jeden das gleiche zusagt, sondern jeweils verschiedene Lebewesen auch Verschiedenes vorziehen, sind auch selbst innerhalb der Fleisch- und der Pflanzenfresser die Lebensformen je voneinander verschieden. Das gilt aber genauso auch unter den Menschen; denn auch ihre Lebensformen weichen beträchtlich voneinander ab: am wenigsten müssen die Nomaden stetiger Arbeit nachgehen, denn Nahrung, die ihnen die Weidetiere bieten, erhalten sie ohne Mühe in beschaulicher Ruhe. Da aber die Herdentiere wegen der Weiden weiterziehen müssen, sind sie gezwungen, auch selber mitzuziehen, der Ackerbau, dem sie nachgehen, lebt sozusagen. Andere gewinnen ihren Lebensunterhalt von der Jagd – und dabei verschiedene Gruppen von je verschiedenen Arten von Jagd, z. B. einige von Raub, andere, die in der Nähe von Teichen, feuchten Niederungen, Flüssen oder fischreichem Meer wohnen, vom Fischfang, noch andere von (der Jagd auf) Vögel oder wilde Tiere. Die größte Zahl von Menschen lebt jedoch von (den Erträgen) der Erde und dem Anbau von Früchten. Damit haben wir so ziemlich alle Lebensweisen, bei denen (Menschen) ihre Tätigkeiten unmittelbar auf die Natur bezogen haben und die Nahrung nicht durch Tausch oder Handel gewinnen, aufgezählt: (nämlich) die Lebensform der Nomaden, der Räuber, Fischer, Jäger und Ackerbauern. Andere, die mehrere (dieser Erwerbsweisen) verbinden, leben angenehm, indem sie eine kärgliche Lebensform da, wo sie allein nicht ausreicht, aufbessern. So führen einige zugleich ein Leben als Nomaden und Räuber, andere als Bauern und Jäger. Das gleiche gilt auch für die anderen Lebensformen: wie die Bedürfnisse sie zwingen, so gestalten sie ihr Leben.
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Besitz in diesen Dingen ist offensichtlich allen von der Natur selber gegeben; wie dies gleich bei der Geburt der Fall ist, genauso auch, nachdem sie zur Reife gelangt sind. Denn einzelne Tiere, wie die, die Larven oder Eier legen, bringen gleich bei dem Gebären so viel Nahrung mit hervor, daß diese bis zu dem Zeitpunkt ausreicht, da das Tierjunge sich allein versorgen kann. Dagegen führen diejenigen, die lebende Junge gebären, für eine bestimmte Frist Nahrung für die Neugeborenen bei sich, den natürlichen Stoff, den man Milch nennt. Daher muß man offensichtlich annehmen, daß in gleicher Weise auch nach ihrer Geburt (für sie Vorsorge getroffen ist und) die Pflanzen um der Tiere willen da sind, die übrigen Tiere um der Menschen willen – die zahmen zur Nutzung und Nahrung, die wilden – wenn nicht alle, so doch die meisten – zur Nahrung und anderen nützlichen Diensten, (etwa) damit aus ihnen Kleider und anderes, wie Werkzeuge, verfertigt werden. Wenn nun (gilt, daß) die Natur nichts unvollendet und nichts umsonst tut, dann folgt daraus zwingend, daß die Natur dieses alles um der Menschen willen geschaffen hat. Deswegen fällt auch von Natur unter die Erwerbskunst in gewisser Weise die Kriegskunst – zu der als ein Teil ja die Jagdkunst gehört –, die man sowohl gegen Tiere einsetzen muß als auch gegen die Menschen, die zwar von Natur dazu bestimmt sind, beherrscht zu werden, aber sich dazu nicht bereit finden wollen; in diesem Falle ist ein Krieg von Natur gerechtfertigt. (Diese) eine Form der Erwerbskunst ist von Natur ein Teil der Kunst der Haushaltsführung; denn ein reichlicher Vorrat an Gütern, die für das Leben unerläßlich und für die staatliche und häusliche Gemeinschaft nützlich sind, muß vorhanden sein – oder die Erwerbskunst muß diesen Vorrat bereitstellen, damit er vorhanden ist. In solchen Gütern scheint der wahre Reichtum zu bestehen. Denn der für ein vollkommenes Leben ausreichende Umfang eines solchen Besitzes geht nicht ins Grenzenlose, wie es Solon in seinem Gedicht meint: »keine sichtbare Grenze des Besitzes ist den Menschen festgelegt« – (vielmehr) ist dem Besitz, wie auch sonst fachmännischen Tätigkeiten, eine Grenze
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gesetzt. Denn in keiner Tätigkeit ist ein Werkzeug an Menge oder Größe unbegrenzt; Reichtum ist aber eine Vielzahl von Werkzeugen zur Führung eines Haushaltes oder eines Staates. Daß für die Leiter eines Hauses und eines Staates eine bestimmte Form von Erwerbstätigkeit naturgemäß ist und aus welchem Grunde das gilt, ist somit geklärt. Kapitel 9. Es gibt aber noch eine weitere Art der Beschaffungskunst; dies ist die Art, die man insbesondere – und mit Recht – gewinnsüchtige Erwerbskunst nennt; sie ist verantwortlich für die Auffassung, Reichtum und Besitz sei keine Grenze gesetzt. Wegen ihrer Verwandtschaft meinen nun viele, diese sei ein und dieselbe wie die gerade besprochene Erwerbskunst. Sie ist aber weder identisch mit der beschriebenen, noch liegt sie weit ab von ihr: die eine von ihnen war naturgemäß, während diese (gewinnsüchtige Form) nicht naturgemäß ist, sie verdankt ihre Entstehung vielmehr eher einer Erfahrung und einem fachmännischen Können. Für ihre Betrachtung wollen wir folgenden Ausgangspunkt wählen: Jedes Stück Besitz läßt eine zweifache Weise des Gebrauchs zu; bei beiden Formen wird (der Gegenstand) als solcher benutzt, jedoch nicht in gleicher Weise als solcher, sondern die eine benutzt den Gegenstand (seiner Funktion) entsprechend, die andere nicht – ich meine z. B., daß man einen Schuh trägt oder ihn zum Tausch verwendet: beides sind Möglichkeiten, einen Schuh zu gebrauchen; denn wer einem anderen, der einen Schuh benötigt, diesen im Tausch gegen Geld oder Nahrung übereignet, gebraucht zwar den Schuh als Schuh, aber nicht zu der ihm eigenen Verwendung; denn Schuhe sind ursprünglich nicht zum Zweck des Tausches hergestellt worden. Das gleiche gilt auch für die anderen Gegenstände des Besitzes; denn Warenumschlag läßt sich auf alle Güter ausdehnen. (Dieser Handel mit jeder Art von Gütern) begann ursprünglich damit, daß Menschen naturgemäß Tausch betrieben, weil sie einige Güter in größerer, andere in geringerer Menge, als (für ihre Bedürfnisse) ausreichten, besaßen. Daraus geht auch hervor, daß die Erwerbsweise durch Handel nicht (mehr) von
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Natur ist. Denn (um die naturgemäße Versorgung mit lebensnotwendigen Dingen sicherzustellen), waren sie gezwungen, so viel zu tauschen, bis sie hinreichend besaßen. In der ersten Gemeinschaft, dem Haushalt, gibt es offensichtlich keine Gelegenheit dafür, sondern erst als die Gemeinschaft schon eine größere Zahl von Mitgliedern umfaßte; denn jene Mitglieder des Hauses teilten untereinander noch die gleichen Dinge, diese (Mitglieder der größeren Gemeinschaften), die getrennt voneinander lebten, dagegen viele Güter von jeweils unterschiedlicher Art. Davon mußten sie nach den jeweiligen Bedürfnissen den anderen abgeben, wie es noch viele barbarische Volksstämme tun, durch Tausch: nur nützliche Dinge tauschen sie gegen nützliche, z. B. geben und nehmen sie Wein gegen Getreide an und ebenso jeden anderen Gegenstand dieser Art; aber darüber gehen sie nicht hinaus. Ein solcher Tauschhandel ist weder gegen die Natur, noch ist er eine Art dieser gewinnsüchtigen Erwerbskunst. Denn er diente dazu, die Mittel so zu vervollständigen, daß man naturgemäß mit allen Gütern versorgt war. Aus dieser Erwerbsweise entstand aus gutem Grund jene gewinnsüchtige Erwerbskunst. Denn da man zur Abhilfe (des unausgeglichenen Warenangebotes) durch Einfuhr von Gütern, die man benötigte, und Ausfuhr derer, woran man überreichlich besaß, in immer weitere Ferne vorstieß, wurde notwendigerweise der Gebrauch des Münzgeldes eingeführt; nicht alle von Natur notwendigen Güter waren ja leicht (über so weite Strecken) zu transportieren. Deswegen trafen sie untereinander die Übereinkunft, zur (Erleichterung des) Handels einen Gegenstand herauszugeben und entgegenzunehmen, der selber zu den für das Leben nützlichen Objekten gehört und eine vielfältig brauchbare Verwendung im täglichen Leben erlaubt, ich meine Eisen, Silber und anderes, sofern es diese Eigenschaften besitzt. (Sein Wert) wurde zunächst einfach nach Größe und Gewicht festgelegt, schließlich schlugen sie auch ein Gepräge ein, damit dieses das Wiegen überflüssig mache. Denn die Aufprägung wurde als Zeichen der Gewichtsmenge eingepresst.
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Nachdem das Münzgeld eingeführt war, entstand aus dem Tauschhandel in lebensnotwendigen Dingen die zweite Art der Erwerbstätigkeit, die in der Form des gewerbsmäßigen Handels, die zunächst wohl einfach ausgeübt wurde, danach aber aufgrund von Erfahrung schon eine Fachkenntnis darüber anwandte, von wo und wie sie durch Warenumschlag den größten Gewinn erzielt. Deswegen entsteht auch der Eindruck, der Erwerbskunst gehe es hauptsächlich um Geld und ihre Aufgabe liege in der Fähigkeit herauszufinden, woher sich möglichst viel Geld gewinnen läßt; denn sie produziert Reichtum und Geld. Deswegen versteht man häufig unter Reichtum die Menge Geld, (das man besitzt,) weil die gewinnsüchtige Erwerbskunst und Handelstätigkeit sich darum bemühen. Bisweilen erscheint dagegen Geld als leeres Wort und von willkürlich gesetzter Geltung, in keiner Weise aber von Natur; denn wenn diejenigen, die es benutzen, (ihre Währung) ändern, ist es nichts wert und nicht für (den Erwerb) irgendeines der lebensnotwendigen Dinge brauchbar, und es geschieht häufig, daß einem, der viel Geld besitzt, doch die notwendige Nahrung fehlt. Es ist jedoch ungereimt, daß Reichtum, mit dem man gesegnet ist, die Auswirkung haben soll, daß man an Hunger zugrunde geht. So soll es nach der Sage auch dem Midas ergangen sein, als alles, was ihm vorgesetzt wurde, wegen der Unersättlichkeit seines Wunsches zu Gold wurde. Des wegen sucht man auch eine andere Bestimmung von Reichtum und Erwerbskunst – mit Recht: denn Erwerbskunst und Reichtum, der naturgemäß ist, bilden eine eigene Form, sie fallen unter die Kunst der Haushaltsführung; diese andere aber, die nach Art des gewerbsmäßigen Handels ausgeübt wird, bringt Besitz hervor – nicht mit allen Mitteln, sondern durch Handel mit Besitz. Und dieser gewinnsüchtigen Erwerbsweise scheint es um das Geld zu gehen, denn das Geld ist notwendiger Bestandteil und Zweck des Handels. Bei dieser Form von Reichtum, der durch die gewinnsüchtige Erwerbsweise aufgehäuft wird, gibt es keine Begrenzung. Denn auch die Medizin zielt auf eine unbegrenzte Herstellung der Gesundheit ab; überhaupt lassen sich alle fachmännischen
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Tätigkeiten bei der Festlegung ihres Zweckes keine Grenze setzen, denn sie wollen ihn ja so gut wie möglich verwirklichen – bei den Mitteln zum Zweck gehen sie jedoch nicht bis zum Grenzenlosen, denn der beabsichtigte Zweck setzt allen die Grenze – genauso nimmt auch diese gewinnsüchtige Erwerbs kunst bei der Festsetzung ihres Zieles keine Begrenzung hin: ihr Ziel ist diese bestimmte Form von Reichtum, der Besitz von Geld. Eine Begrenzung gibt es dagegen bei der Erwerbskunst, die in den Bereich der Haushaltsführung fällt; denn solchen (unbegrenzten Reichtum zu gewinnen), ist nicht die Aufgabe der Ökonomik. Deswegen entsteht auch von diesem Standpunkt her der Eindruck, jedem Reichtum müsse eine Grenze gesetzt sein, in Wirklichkeit trittt aber, wie wir beobachten, das Gegenteil ein: alle, die sich gewinnbringender Tätigkeit verschreiben, versuchen Geld bis ins Unendliche zu vermehren. Ursache dafür ist die enge Verwandtschaft (beider Formen von Erwerbskunst): denn ihre Anwendung richtet sich auf die gleichen Gegenstände und überschneidet sich somit; sie nutzen die gleiche Art von Besitz, aber nicht in der gleichen Weise, sondern bei der einen liegt der Zweck (der Nutzung) außerhalb (des Besitzerwerbs), bei der anderen ist dagegen seine Vermehrung der Zweck der Erwerbstätigkeit. Daher meinen einige, dies sei die Aufgabe der Ökonomik, und halten beharrlich an der Auffassung fest, man müsse das Vermögen an Geld entweder im Umfang bewahren oder bis zum Unendlichen steigern. Diese Einstellung ist darin begründet, daß Menschen mit ihrem ganzen Eifer dem bloßen Leben dienen, aber nicht dem vollkommenen Leben. Da dieser Lebenshunger keine Begrenzung kennt, sucht man auch ohne jede Grenze die Mittel, die es ermöglichen, ihn zu stillen. Diejenigen, die aber auch das vollkommene Leben anstreben, suchen das Leben körper licher Genüsse. Und da auch deren Befriedigung durch den Besitz ermöglicht zu werden scheint, richtet sich ihr ganzes Tun und Trachten auf gewinnbringende Tätigkeit, und daraus entstand diese zweite Form der Erwerbskunst. Denn da ausschweifender Genuß in der Übersteigerung besteht, sucht man die Mittel, die die Übersteigerung ausschweifenden Genie-
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ßens ermöglichen. Und wenn Menschen sich diese nicht durch die gewinnsüchtige Erwerbskunst beschaffen können, versuchen sie es auf anderem Wege, indem sie dafür jede Fähigkeit nutzen – nicht naturgemäß; denn Aufgabe der Tapferkeit ist es nicht, Geld, sondern Mut zu machen, und ebenso haben Feldherrnkunst und Medizin nicht diese Aufgabe, sondern die eine soll den Sieg erringen, die andere Gesundheit wiederherstellen. Aber jene Leute machen alle diese Künste zu Mitteln, Gewinn zu erzielen, als sei das das Ziel und auf das Ziel müsse alles ausgerichtet sein. Damit sind nun folgende Themen behandelt: das Wesen der Erwerbskunst, die nicht den notwendigen Lebensbedürfnissen dient; die Gründe, weshalb sie bei uns praktiziert wird; der Unterschied zwischen dieser Erwerbskunst und jener, die für das Leben unerläßlich ist, nämlich der Kunst, Nahrung zu beschaffen, die naturgemäß zur Ökonomik gehört und nicht wie jene (andere Form) unbegrenzt ist, sondern eine Begrenzung hat. Kapitel 10. Damit ist aber auch die Frage leicht zu klären, die wir am Anfang aufgeworfen haben, nämlich: ist die Beschaffungstätigkeit Aufgabe des Vorstandes eines Haushaltes und leitenden Staatsmannes oder nicht? Oder müssen vielmehr diese Dinge, (die die Erwerbskunst beschafft, für den Haushaltsvorstand und leitenden Politiker zuvor) vorhanden sein? Denn wie die praktische Politik die Menschen nicht hervorbringt, sondern von der Natur übernimmt und dann mit ihnen umgeht, so muß auch die Natur für die Nahrung Ackerland oder das Meer oder etwas anderes zur Verfügung stellen; danach ist es aber die Aufgabe des Leiters des Haushaltes, über (ihre Verwendung) in der erforderlichen Weise Bestimmungen zu treffen. Denn es ist auch nicht die Funktion der Webkunst, die Wolle herzustellen, sondern sie zu verarbeiten und zu beurteilen, welche gut und geeignet oder schlecht und ungeeignet ist. Denn andernfalls könnte auch jemand die Frage aufwerfen, weshalb zwar die Erwerbskunst Teil der Haushaltsleitung
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ist, die Medizin aber kein Teil – obwohl doch die Mitglieder des Hauses gesund sein müssen, genauso wie sie leben müssen und andere notwendige Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Es ist sicherlich in gewisser Hinsicht die Aufgabe des Haushaltsvorstandes und des Herrschers, auch für die Gesundheit zu sorgen, in gewisser Hinsicht ist es jedoch nicht ihre Aufgabe, sondern die des Arztes. So auch bei den Besitzgütern: in gewisser Hinsicht liegt die Sorge dafür bei dem Leiter des Haushaltes, in anderer Hinsicht jedoch nicht bei ihm, sondern bei einer ihm untergeordneten Tätigkeit. Am ehesten müssen diese Dinge, wie eben gesagt wurde, von Natur zur Verfügung stehen, da es die Aufgabe der Natur ist, ihrem Geschöpf Nahrung zu geben; denn für jedes Lebewesen ist der nicht verbrauchte Rest des Stoffes, aus dem es entsteht, seine Nahrung. Naturgemäß ist für alle daher eine Erwerbsweise, (die Güter) gewinnt, die aus Früchten und Tier(produkten) bestehen. Nun gibt es aber zwei Formen von Gütern, wie wir schon sagten: die eine fällt in den Bereich der gewinnsüchtigen Händlertätigkeit, die andere in den der Ökonomik. Aber nur diese (zweite) befriedigt notwendige Bedürfnisse und findet lobende Anerkennung, während die Erwerbskunst nach Art des gewinnsüchtigen Handels mit Recht getadelt wird – denn sie wird nicht entsprechend der Natur ausgeübt, sondern besteht darin, daß Menschen aus (geschäftlichem Verkehr) untereinander Güter gewinnen. Daher wird mit der allergrößten Berechtigung (eine dritte Form der Erwerbstätigkeit,) der Geldverleih gegen Zinsen gehaßt; denn dabei stammt der Gewinn aus dem Münzgeld selber, nicht aus der Verwendung, für die es geschaffen wurde – denn es entstand (zur Erleichterung) des Warenumschlages. (Bei Geldgeschäften) vermehrt jedoch der Zins das Geld, daher hat er ja auch diesen Namen (Erzeugtes), denn das Erzeugte gleicht dem Erzeuger. Zins ist aber Geld gezeugt von Geld. Daher ist auch diese Form von Erwerb am meisten wider die Natur. Kapitel 11. Wir haben nun für die theoretische Seite dieser Dinge ausreichende Bestimmungen getroffen und sollten jetzt
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die Fragen der praktischen Verwirklichung behandeln. In allen diesen Angelegenheiten ist die theoretische Beschäftigung dem Range eines freien Mannes angemessen, die praktische Erfahrung dagegen aufgezwungen. Nützliche Teile der Erwerbskunst sind praktische Kenntnis in folgenden Bereichen: (a) welche Arten von Vieh sind am rentabelsten, und wo und wie, z. B. welcher Bestand an Pferden, Rindern oder Schafen und genauso der anderen Tieren ist am profitabelsten? Denn man muß praktische Kenntnis davon besitzen, welche von diesen den größten Gewinn abwerfen, wenn man sie untereinander in ihrem Wert vergleicht, und welche unter welchen jeweiligen örtlichen Bedingungen, denn die einen gedeihen in diesen, die anderen in jenen Gebieten. Dann (b) praktische Kenntnis im Ackerbau – und hierbei wieder der Bodenbestellung und der Anlage von Pflanzungen früchtetragender Bäume und Sträucher, und (c) in Bienenzucht und (der Haltung) anderer Tiere, von Fischen oder Geflügel, von denen man Nutzen ziehen kann. Dies sind nun die Teile der Erwerbskunst, die im eigentlichen Sinne diesen Namen verdient (I), und die Erwerbszweige, die an erster Stelle stehen. Innerhalb der Erwerbskunst, die Geschäftsverkehr (zwischen Menschen) ist (II), bildet der Handel die wichtigste Sparte – auch davon gibt es drei Teile: Fernhandel von Schiffseignern, Warentransport und Feilbieten von Gütern zum Verkauf; diese unterscheiden sich voneinander dadurch, daß der eine ein geringeres Risiko enthält, der andere dagegen höhere Einnahmen verschafft; an zweiter Stelle folgt Geldverleih gegen Zinsen, an dritter Stelle Lohnarbeit – davon ist ein Zweig die Tätigkeit handwerklicher Fachkräfte, der andere die Ungelernter, die allein durch Körperkraft nützlich sind. Die dritte Form der Erwerbstätigkeit (III) liegt zwischen dieser und der ersten; denn sie reicht sowohl in die naturgemäße Erwerbsweise wie in die des Geschäftsverkehrs hinein – sie gewinnt Produkte aus der Erde selber oder Produkte aus Stoffen, die aus der Erde stammen, zwar nicht eßbare, aber doch nützliche Dinge; unter sie fällt zum Beispiel Gewinnung von Holz und Bergwerksbetrieb
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jeder Art – auch dieser umfaßt viele Arten, denn es gibt eine Vielzahl von Rohstoffen, die aus der Erde gewonnen werden. Über jede dieser Formen ist auch damit nur eine allgemeine Feststellung getroffen worden; sie aber im einzelnen detailliert und gründlich zu behandeln, ist zwar für die Ausübung der Tätigkeiten vorteilhaft, uns aber damit aufzuhalten, wäre eine unwürdige Aufgabe. Unter diesen Tätigkeiten haben diejenigen am meisten den Rang eines fachmännischen Könnens, bei denen am wenigsten dem Zufall überlassen bleibt; diejenigen sind am ehesten Tätigkeiten eines Arbeiters, bei denen man am stärksten den Körper in Mitleidenschaft zieht; am ehesten sklavisch sind diejenigen, für die man am meisten den Körper benutzt, von niedrigstem Rang schließlich diejenigen, für die man am wenigsten charakterliche Qualität braucht. Da einige Autoren hierüber Schriften verfaßt haben, z. B. Charetides von Paros und Apollodor von Lemnos über Acker bau, sowohl über (Fruchtanbau) durch Aussaat als auch den Obstanbau, genauso auch andere Schriftsteller über andere Gegenstände, da soll der, dem daran liegt, daraus seine Kenntnisse gewinnen. Außerdem muß man die verstreuten Äußerungen über die Mittel, durch die einige Leute bei ihrer Erwerbstätigkeit erfolgreich waren, zusammenfassen. Denn dieses alles ist denen von Nutzen, bei denen sich Besitzerwerb einer hohen Wertschätzung erfreut, zum Beispiel auch die Geschichte über Thales von Milet. Denn diese enthält eine für den Besitzerwerb brauchbare Einsicht; man schreibt sie Thales wegen seiner Weisheit zu, doch gibt sie eine allgemeingültige Einsicht wieder: als man ihm wegen seiner Armut vorhielt, die Philosophie sei eine unnütze Beschäftigung, da, so sagt man, habe er aus der Berechnung der Gestirne erschlossen, daß eine reiche Olivenernte bevorstehe; er habe noch im Winter, als er gerade über bescheidene Mittel verfügte, für sämtliche Ölpressen in Milet und auf Chios Anzahlungen hinterlegt und sie für einen geringen Betrag gemietet, da niemand ein höheres Angebot machte. Als aber die Ernte kam und zur gleichen Zeit und plötzlich viele Ölpressen gesucht wurden, habe er sie nach Bedingungen, wie sie ihm gefielen, vermietet; er habe
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viel Geld gewonnen und bewiesen, daß es den Philosophen leicht ist, reich zu werden, wenn sie wirklich wollen – jedoch dies sei es nicht, worauf sie ihr Streben richten. Thales soll so einen Beweis seiner Weisheit gegeben haben. Ein solches Vorgehen, nämlich wenn es jemand gelingt, sich ein Monopol zu sichern, ist, wie wir sagten, allgemein eine gewinnbringende Methode. Deswegen eröffnen sich auch einige Staaten diese Einnahmequelle, wenn sie in Geldnot stecken: sie setzen für bestimmte Waren ein Monopol fest. So kaufte in Sizilien einer, bei dem Geld hinterlegt worden war, alles Erz aus den Erzgewinnungsanlagen, und als danach die Händler von den Handelsplätzen kamen, war er der einzige, der es zu verkaufen hatte; er tat es ohne großen Aufschlag auf den üblichen Preis, und trotzdem machte er mit seinen fünfzig Talenten hundert Talente Gewinn. Als Dionys davon Kunde erhalten hatte, gestattete er ihm, das gewonnene Geld mitzunehmen, untersagte ihm aber für die Zukunft den Aufenthalt in Syrakus, weil er Einnahmequellen gefunden habe, die gegen seine Interessen gerichtet seien. Dieser Einfall ist identisch mit dem des Thales. Denn beide haben es fertiggebracht, sich eine Monopolstellung zu sichern. Auch für leitende Staatsmänner ist es von Bedeutung, solche Kenntnisse zu haben, denn viele Staaten sind auf solche Einnahmen und Einküfte angewiesen, genau wie ein Haushalt, nur in größerem Umfang. Deswegen machen auch einige der leitenden Staatsmänner dies zum einzigen Inhalt ihrer P olitik. Kapitel 12. Es gibt, wie wir festgestellt haben, drei Teilbereiche der Leitung eines Haushaltes. Einer ist die despotische Herrschaft, die vorher behandelt wurde, ein (weiterer) die väterliche, ein dritter die eheliche; denn (der Hausherr) gebietet auch über die Gattin und die Kinder – über beide als Freie, jedoch nicht in der gleichen Herrschaftsweise, sondern über die Gattin wie man unter Bürgern herrscht, über die Kinder dagegen wie ein König. Denn von Natur hat das Männliche eher die Führung als das Weibliche – wenn sie nicht eine naturwidrige Verbindung eingegangen sind – und das Ältere und in seiner
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Entwicklung Vollendete eher als das Jüngere und noch nicht fertig Ausgebildete. In den meisten Herrschaftsbeziehungen unter Bürgern wechseln sich Regierende und Regierte (in der Bekleidung eines Amtes) ab, denn sie beanspruchen, in ihrer Natur gleich zu sein und keinen Unterschied aufzuweisen. Jedoch solange der eine Teil herrscht, während der andere beherrscht wird, suchen (die Regierenden) in der äußeren Erscheinung, der Anrede und ehrenden Attributen eine Heraushebung, wie das auch Amasis mit dem Fußwaschbecken zum Ausdruck brachte. In diesem Verhältnis steht aber das Männliche zum Weiblichen (nicht nur zeitweilig, sondern) immer. Die Herrschaft über die Kinder entspricht der eines Königs; denn der Vater übt seine Herrschaft mit Liebe und aufgrund der Autorität des Alters aus, was ja die königliche Herrschaftsform ausmacht. Deswegen hat Homer treffend für Zeus die Anrede gewählt: »Vater der Menschen und Götter«, für ihn als den König von diesen allen. Seiner Natur nach muß sich der König nämlich (vor den Untertanen) auszeichnen, aber er muß vom gleichen Schlag sein. Das ist ja auch der Fall bei den Älteren gegenüber den Jüngeren und dem Vater gegenüber dem Kind. Kapitel 13. Es ist offensichtlich, daß die Sorge der Ökonomik in größerem Maße den Menschen als dem Besitz an leblosen Dingen gilt, und mehr dem besten Zustand der Menschen als dem des Besitzes, den wir Reichtum nennen, und mehr dem besten Zustand der Freien als dem der Sklaven. Bei Sklaven könnte man die Frage aufwerfen, ob es neben seiner Tüchtigkeit als Werkzeug und Diener bei einem Sklaven eine weitere, wertvollere Tüchtigkeit gibt – ich meine maßvolle Besonnenheit, Tapferkeit, Gerechtigkeit oder irgendeine andere Eigenschaft dieser Art, oder ob er neben den körperlichen Dienstleistungen keine (solche charakterliche Qualität) besitzt. Die beiden möglichen Antworten enthalten aber ihre Schwierigkeiten: Entweder besitzen nämlich die Sklaven eine solche Qualität – worin soll dann aber der Unterschied zu den Freien bestehen? Oder sie besitzen sie nicht – aber dies ist doch widersinnig, da sie Menschen sind und an der Vernunft teilhaben.
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Fast das gleiche Problem wird aber auch für Frau und Kind aufgeworfen: besitzen auch sie vollkommene Charakterqualität und muß eine Frau besonnen, tapfer und gerecht sein, und kann es bei Kindern nicht nur Zuchtlosigkeit, sondern auch Besonnenheit geben oder nicht? Allgemein und grundsätzlich muß untersucht werden, ob die charakterliche Qualität der von Natur Beherrschten und Herrschenden gleich oder verschieden ist. Wenn nämlich von beiden Anteil an vornehmer und guter Wesensart verlangt wird, weshalb soll dann ein für allemal der eine herrschen, der andere beherrscht werden? Im größeren oder geringeren Grad (von menschlicher Vorzüglichkeit) kann ja der Unterschied (zwischen Herrschenden und Beherrschten) nicht begründet sein; denn Herrschen und Beherrschtwerden unterscheiden sich der Art nach, ein größerer oder geringerer Grad dagegen nicht der Art nach. Wenn aber nur der eine diese Eigenschaften besitzen muß, der andere jedoch nicht, dann wäre das ein erstaunliches Resultat; denn entweder wird der Herrschende nicht maßvoll und gerecht sein, wie wird er dann richtig herrschen? Oder der Beherrschte (besitzt diese Eigenschaften nicht), wie wird er sich richtig regieren lassen? Denn als zügelloser und träger Mensch wird er keine seiner Aufgaben erledigen. Es ist also klar, daß beide charakterliche Qualität besitzen müssen, daß es aber darin Unterschiede geben muß, wie dies auch unter den von Natur Beherrschten der Fall ist. Und dies ist unmittelbar an den Bedingungen in der Seele deutlich: in dieser übt nämlich der eine Teil von Natur die Herrschaft aus, der andere wird dagegen beherrscht; ihre jeweilige Qualität ist, wie wir behaupten, verschieden, zum Beispiel die des vernunftbegabten bzw. vernunftlosen Teils. Offensichtlich liegen nun die gleichen Bedingungen auch in den anderen (Verhältnissen) vor, so daß es von Natur mehrere Arten von Herrschenden und Beherrschten gibt; denn auf eine andere Weise herrscht der Freie über den Sklaven und das Männliche über das Weibliche und der Vater über das Kind, und in jedem sind die genannten Seelenteile vorhanden, aber sie sind in verschiedener Weise vorhanden: Der Sklave besitzt
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die Fähigkeit zu praktischer Vernunft überhaupt nicht, die Frau besitzt sie zwar, aber nicht voll wirksam, auch das Kind besitzt sie, jedoch noch nicht voll entwickelt. Genauso muß dies auch bei den guten charakterlichen Haltungen der Fall sein: Alle Gruppen müssen daran Anteil haben, jedoch nicht in der gleichen Weise, sondern in dem Umfang, in dem jede diese Eigenschaften für ihre Aufgabe braucht. Deswegen muß der Regierende die charakterliche Qualität in ihrer vollendeten Ausprägung besitzen – denn jede Handlung ist schlechthin als Leistung dessen anzusehen, der die leitende Planung ausübt, die leitende Planung liegt aber bei der Vernunft; jeder der übrigen soll aber davon so viel besitzen, wie er (für seine Aufgabe) braucht. Damit ist deutlich, daß alle genannten Gruppen die guten charakterlichen Haltungen besitzen, daß aber die besonnene Mäßigung bei Frau und Mann nicht identisch ist, auch nicht Tapferkeit und Gerechtigkeit, wie Sokrates annahm, vielmehr ist die eine (Form von) Tapferkeit dem Herrschenden eigentümlich, eine andere den Dienenden, und das gleiche gilt für die anderen genannten Eigenschaften. Auch eine Betrachtung, die sich mehr auf die jeweils besonderen Bedingungen richtet, kann dies verdeutlichen; denn diejenigen, die nur die sehr allgemeine Bestimmung treffen, charakterliche Qualität sei die richtige Verfassung der Seele oder sei Rechttun oder etwas Ähnliches dieser Art, täuschen sich selbst. Viel genauer als die, die solche Begriffsbestimmungen vornehmen, treffen es nämlich diejenigen, die, wie Gorgias, die einzelnen charakterlichen Haltungen aufzählen. Deswegen muß man voraussetzen, daß für alle Eigenschaften gilt, was der Dichter über die Frau sagte: »einer Frau gereicht Schweigen zur Zier«, für einen Mann trifft das aber nicht mehr zu. Da aber ein Kind noch nicht in seiner Entwicklung abgeschlossen ist, besitzt es offensichtlich nicht eine eigene charakterliche Haltung, die an ihm selber orientiert ist, sondern diese ist auf die Vollendung und den, der es leitet, bezogen; das gleiche gilt auch für den Sklaven im Verhältnis zum Herrn. Wir haben aber festgestellt, daß der Sklave für die Erledigung der lebensnotwendigen Aufgaben nützlich ist. Daher braucht er
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offensichtlich auch nur geringe charakterliche Qualität, nämlich so viel, daß er nicht durch Zuchtlosigkeit oder mangelnde Tatkraft seine Aufgaben vernachlässigt. Wenn diese Behauptung wahr ist, könnte jemand aber die Frage aufwerfen, ob auch die Handwerker charakterliche Qualität brauchen; denn häufig vernachlässigen sie infolge von Zuchtlosigkeit ihre Aufgaben. Oder macht nicht folgendes den größten Unterschied (zwischen beiden) aus? Der Sklave nimmt am Leben (des Herrn) teil, während der Handwerker mit ihm nur aus größerer Ferne zu tun hat; daher braucht er charakterliche Qualität nur in dem Maße, wie er Sklave ist. Denn der banausische Handwerker untersteht einer eingeschränkten Sklaverei; der Sklave hat diese seine Stellung von Natur, ein Schuster oder ein anderer Handwerker aber (seinen Beruf) niemals. Es leuchtet nun ein, daß der Herr für die Ausbildung der charakterlichen Qualität des Sklaven, wie sie oben bestimmt wurde, verantwortlich sein muß – ohne daß er die despotische Kenntnis besitzt, die (sklavischen) Dienstaufgaben zu lehren. Deswegen haben diejenigen Unrecht, die Sklaven von vernünftiger Unterredung ausschließen und fordern, daß man ihnen nur Anordnungen gibt. Vielmehr muß man dem Sklaven mehr Mahnungen geben als den Kindern. Dazu soll es mit diesen Bestimmungen sein Bewenden haben. Aber (in einem anderen Zusammenhang,) in den Untersuchungen über die Verfassungen müssen wir Mann und Frau, und Kinder und Vater erörtern. (Wir werden dann) die besondere charakterliche Qualität eines jeden von ihnen behandeln, was in den Beziehungen untereinander richtig ist und was nicht, und auf welche Weise man hierbei das richtige Verhalten anstreben, das schlechte meiden muß. Denn jeder Haushalt ist ein Teil des Staates, die vorher genannten (Personen) bilden aber die Teile des Haushalts, und der beste Zustand des Teiles muß auf den des Ganzen ausgerichtet sein. Daher ist es erforderlich, sowohl die Kinder wie die Frauen auf die Verfassung hin zu erziehen; denn daß auch die Kinder und die Frauen gute Eigenschaften besitzen, hat einen Einfluß auf den guten Zustand
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des Staates. Und es muß einen Einfluß haben, denn die Frauen bilden die Hälfte der Freien und aus den Kindern gehen diejenigen, die (als Bürger) an der Verfassung teilhaben, hervor. Da nun diese Gegenstände ausreichend bestimmt sind, wir aber über die ausstehenden Fragen an anderer Stelle reden müssen, wollen wir die hier vorgetragenen Erörterungen als abgeschlossen verlassen. Wir wollen unsere Untersuchung von einem neuen Ausgangspunkt her fortsetzen, indem wir zuerst die Schriftsteller, die über den besten Staat ihre Auffassungen geäußert haben, einer Prüfung unterziehen.
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Kapitel 1. Wir haben uns die Aufgabe gestellt zu untersuchen, welche unter allen Formen staatlicher Gemeinschaft die beste für Leute ist, die, so weit wie möglich, ihren Wünschen entsprechend ihr Leben führen können. Für ein solches Vor haben müssen wir auch die anderen Verfassungen einer Prüfung unterziehen, sowohl Verfassungen, die in einigen Staaten in Kraft sind, welche wegen ihrer trefflichen gesetzlichen Ordnung in gutem Rufe stehen, als auch andere Verfassungen, die von gewissen Männern entworfen wurden und als vorbildlich gelten. Wir tun dies in folgender Absicht: einmal soll das Richtige und Nützliche erkannt werden, und außerdem soll nicht der Eindruck entstehen, als sei die Suche nach etwas Neuem neben den bestehenden der Zeitvertreib von Leuten, die um jeden Preis etwas spitzfindig ersinnen wollen; es soll vielmehr deutlich werden, daß wir uns diese Untersuchung deswegen vorgenommen haben, weil die Verfassungen, die jetzt vorliegen, unzulänglich sind. Wir müssen zu allererst den Ausgangspunkt wählen, der naturgemäß Ausgangspunkt einer solchen Betrachtung ist: zwangsläufig (kann es nur drei Möglichkeiten geben): entweder (1) haben alle Bürger an allen Dingen teil oder (2) an nichts oder (3) zwar an einigen Dingen, an anderen jedoch nicht. Daß sie jedoch an nichts teilhaben (2), ist offensichtlich ausgeschlossen. Denn die Bürgerschaft ist eine Gemeinschaft der Teilhabe, und zuallererst müssen (die Bürger) das Staatsgebiet teilen; zu einem einzigen Staat gehört ja auch nur ein einziges Staatsgebiet, die Bürger sind aber Teilhaber an dem einen Staat (und daher auch an seinem Gebiet). Ist es nun besser, daß (die Bürger) des Staates, der richtig regiert werden soll, alle Dinge, die man gemeinsam haben kann, auch tatsächlich gemeinsam besitzen (1), oder ist es besser, einige Dinge gemeinsam zu haben, andere jedoch nicht (3)? Denn es
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besteht sicherlich die Möglichkeit (1), daß die Bürger miteinander auch Kinder, Frauen und Besitz gemeinsam haben wie in der Politeia Platons; denn dort fordert Sokrates, daß auch Kinder, Frauen und Besitz allen gemeinsam gehören müssen. Soll dies nun besser so, wie es jetzt üblich ist (3), geregelt sein oder nach dem in (Platons) Politeia niedergelegten Gesetz?
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Kapitel 2. Daß die Frauen allen gemeinsam gehören, bringt aber schon sonst viele Mißstände mit sich, und der Zweck, um dessentwillen Sokrates eine solche Gesetzgebung für notwendig erklärt, folgt offensichtlich nicht aus den zur Begründung angeführten Argumenten. Und was den Zweck selber angeht, der nach seiner Auffassung dem Staat gesetzt sein muß, so stellt er, wie er jetzt formuliert ist, im Staat überhaupt eine Unmöglichkeit dar, wie man ihn aber genauer bestimmen sollte, wurde von ihm nicht erklärt – ich meine seine Auffassung, es sei das Beste, daß der ganze Staat in größtmöglichem Maße eine Einheit ist, denn dies nimmt Sokrates zur Grundlage. Offensichtlich wird aber ein Staat, wenn er fortschreitend mehr und mehr zu einer Einheit wird, aufhören, ein Staat zu sein; denn ein Staat ist seinem Wesen nach eine zahlenmäßige Vielheit, und wenn er in stärkerem Maße eins wird, dann wird aus dem Staat ein Haushalt und aus dem Haushalt ein Einzelmensch; denn »eins zu sein« dürften wir eher dem Haushalt als dem Staat zusprechen und dem Einzelnen wieder eher als dem Haushalt. Aber selbst wenn jemand in der Lage sein sollte, diese Einheit herzustellen, sollte er sie nicht verwirklichen, denn er wird den Staat zerstören. Ein Staat setzt sich aber nicht nur aus einer größeren Anzahl von Menschen zusammen, sondern auch aus solchen, die der Art nach verschieden sind, denn ein Staat entsteht nicht aus Gleichen. Grundsätzlich unterscheidet sich nämlich ein Waffenbündnis von einem Staat: der Nutzen eines Waffenbündnisses beruht allein auf der zahlenmäßigen Stärke, auch wenn (die Mitglieder) von gleicher Art sind – denn ein Waffenbündnis dient seiner Natur nach der militärischen Hilfeleistung, (es wirkt) wie ein zusätzliches Gewicht, das (die Waag-
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schale) zum Sinken bringt. In dieser (Differenz von Einheit unter wesensmäßig Verschiedenen und zahlenmäßiger Addition Gleicher) besteht auch der Unterschied zwischen einem Staat und einem Volksstamm, sofern die große Zahl (seiner Mitglieder) nicht vereinzelt über Dörfer zerstreut wohnt, sondern wie die Arkader organisiert ist. Diejenigen, aus denen eine Einheit gebildet werden soll, sind dagegen wesensmäßig verschieden. Deswegen erhält die Gleichheit des Empfangens gegenseitiger Leistungen die Staaten, wie in den ethischen Erörterungen zuvor dargelegt wurde. Ja selbst auch unter Freien und Gleichen muß diese (Gleichheit) hergestellt werden; denn alle können nicht zur gleichen Zeit ein Staatsamt bekleiden, sondern entweder nur für ein Jahr oder nach einer anderen zeitlichen Regelung. Auf diese Weise läßt sich auch erreichen, daß alle (Bürger) Herrschaft ausüben, so wie wenn Schuster und Zimmerleute (ihre Berufe) vertauschten und es nicht (so wäre, daß) die gleichen immer entweder Schuster oder Zimmerleute sind. Da aber gerade nach diesem Prinzip auch die politische Gemeinschaft besser geordnet ist, ist es offensichtlich vorzuziehen, daß die gleichen Leute immer die Herrschaft innehaben – sofern dies möglich ist; wenn aber in einer bestimmten Bevölkerung dies nicht möglich ist, weil alle in ihrer Natur gleich sind, und wenn es (bei ihnen) zugleich auch ein Gebot der Gerechtigkeit ist, daß alle an der Ausübung von Herrschaft beteiligt sind – einerlei ob dies eine Tätigkeit von hohem oder geringem Rang ist – da versucht die Regelung, daß die Gleichen sich im Wechsel (die Herrschaft) überlassen † und doch von Anfang an gleich sind †, dies nachzuvollziehen; denn im Wechsel herrschen die einen und werden die anderen beherrscht, so als ob sie Menschen anderer Art geworden wären. Dieser (Ausgleich von Aufgaben) findet auch statt, wenn sie ein Amt bekleiden: denn die einen übernehmen dieses, die anderen jenes Amt. Danach ist nun offensichtlich hierüber Klarheit erreicht: einerseits kann ein Staat seiner Natur nicht in dem Sinne eine Einheit sein, wie manche Leute behaupten; und andererseits zerstört das, was als größtes Gut für die Staaten hingestellt
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wird, die Staaten, während doch das, was als (wirkliches) Gut einer Sache anzusehen ist, dieser dauerhaften Bestand verleiht. Auch auf andere Weise wird deutlich, daß dieses Streben, einen Staat allzusehr zu einer Einheit zusammenzuschließen, nicht vorteilhaft ist. Denn ein Haushalt besitzt mehr Autarkie als ein Einzelner und ein Staat mehr als ein Haushalt, und erst dann kann man von der Existenz eines Staates sprechen, wenn die Bevölkerung eine Gemeinschaft bildet, die die Bedingung der Autarkie erfüllt. Wenn nun das, was größere Autarkie besitzt, den Vorzug verdient, dann ist auch der Zustand mit geringerer Einheit dem mit größerer Einheit vorzuziehen. Kapitel 3. Jedoch selbst wenn es das höchste Gut wäre, daß die Gemeinschaft möglichst »eins« ist, so scheint doch auch dies nicht in logischer Argumentation (aus der Bedingung) »wenn alle zugleich ›mein eigen – nicht mein eigen‹ sagen« – nach Sokrates’ Auffassung ist dies ein Indiz für die vollständige Einheit des Staates – abgeleitet zu werden. Das Wort alle wird aber hierbei in zweifacher Bedeutung gebraucht. Wenn alle im Sinne von jeder Einzelne verwandt ist, dann dürfte wohl eher das eintreten, was Sokrates bewirken will: jeder Einzelne wird nämlich das gleiche Kind seinen Sohn und die gleiche Person seine Frau nennen und sinngemäß entsprechend beim Besitz und bei den Wechselfällen des Lebens. Nun werden aber Leute, die Frauen und Kinder gemeinsam haben, sich nicht in diesem Sinne ausdrücken, sondern sie werden zwar als Gesamtheit (diese Personen »ihr eigen« nennen), aber nicht jeder Einzelne von ihnen; genauso werden zwar alle zusammen den Besitz (als ihren eigenen bezeichnen), aber nicht jeder Einzelne als seinen eigenen. Offensichtlich ist doch hier die Bezeichnung alle eine Irreführung – denn »alle« und »beides« wie »ungerade« und »gerade« ermöglichen wegen ihrer Doppel bedeutung auch in Disputationen die eristischen Trugschlüsse. Daraus folgt: wenn alle das gleiche (als ihr eigen) bezeichnen, so ist das zwar in dem einen Sinne eine ansprechende Regelung, enthält aber eine Unmöglichkeit, und in dem anderen Sinne bewirkt es keine Eintracht.
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Außerdem bringt die (dort) empfohlene Maßnahme noch einen weiteren Nachteil mit sich: denn Gegenstände, die die größte Zahl von Menschen gemeinsam besitzt, erfahren die geringste Pflege und Sorgfalt. Man kümmert sich ja am ehesten um persönliches Eigentum, um das der Allgemeinheit dagegen weniger oder nur in dem Maße, wie es jeden persönlich angeht. Denn – von anderen Gesichtspunkten abgesehen – (wo Besitz allen gemeinsam gehört), ist man eher nachlässig, weil man sich damit beruhigen kann, daß ein anderer da ist, der sich darum kümmern kann – so erledigt manchmal eine große Zahl von Dienern die Dienstaufgaben des Gesindes schlechter als eine kleinere. (Bei Platon) hat nun zwar jeder Bürger tausend Söhne, aber natürlich nicht persönlich jeder einzelne Bürger, sondern jeder beliebige (junge Mann), den man gerade herausgreift, kann ebensogut von jedem beliebigen Vater abstammen; daher werden alle diese (Väter ihre Söhne) in gleicher Weise vernachlässigen. Außerdem kann jeder seinen Mitbürger, dem es gut oder schlecht geht, nur in dem Bruchteil »mein eigen« nennen, in dem er selber zur Gesamtzahl der Bürger steht: so sagt er »mein eigen« oder »der Sohn von jenem da«, und mit dieser Feststellung bezieht er sich auf jeden der tausend (möglichen Väter) oder wieviele der Staat sonst haben mag – und selbst dies (sagt er) noch voller Zweifel; denn es bleibt ja ungeklärt, wem es tatsächlich vergönnt war, daß ihm ein Kind geboren wurde und nach der Geburt am Leben blieb. Ist es aber vorzuziehen, daß jeder »mein eigen« in dieser Weise sagt, indem er die gleiche Anrede als einer von zweitausend oder zehntausend benutzt, oder in der Weise, wie man jetzt in den Staaten von »mein eigen« spricht? Denn da bezeichnet einen und denselben Menschen der eine als seinen Sohn, der andere als seinen Bruder, (ein Dritter) als seinen Neffen oder (mit weiteren Bezeichnungen) entsprechend einem anderen Verhältnis der Blutsverwandtschaft, der Familienzugehörigkeit oder Verschwägerung – zu ihm selbst oder zu einem seiner Angehörigen – oder er nennt ihn Mitglied der Sippe oder der Phyle. Denn es ist vorzuziehen, so der wirkliche Neffe zu sein als in jener Weise (in Platons Politeia) ein Sohn.
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Unmöglich kann man aber auch verhüten, daß einige ihre Brüder, Kinder, Väter und Mütter zu erkennen glauben. Denn in der Ähnlichkeit, die zwischen Kindern und Eltern besteht, müssen sie Gründe für die Annahme verwandtschaftlicher Beziehungen finden. Das kommt tatsächlich vor, wie es einige Verfasser von Berichten über Fahrten um die Erde schildern. Nach ihren Berichten haben nämlich einige Stämme des oberen Libyens die Frauen gemeinsam, die Kinder werden aber aufgrund der Ähnlichkeit (ihren Vätern) zugesprochen. Es gibt aber auch Frauen und unter den anderen Lebewesen weibliche Tiere wie Stuten und Rinder, die die ausgeprägte natürliche Fähigkeit besitzen, Nachkommen zur Welt zu bringen, die den Eltern ähneln, so wie in Pharsalos die Stute mit dem Namen »Gerechte«. Kapitel 4. Außerdem ist es für die Begründer einer solchen Gemeinschaft nicht leicht, sich gegen schlimme Vorkommnissen wie Mißhandlungen und Tötungsdelikte – seien sie ungewollt oder vorsätzlich – und Auseinandersetzungen und Beleidigungen zu schützen. Denn wenn Väter, Mütter und nahe Verwandte betroffen sind, kann keine solche Tat ohne Verletzung geheiligter Gebote begangen werden, während gegenüber Fernerstehenden (solche Gebote nicht verletzt werden). Ja wenn sich die Angehörigen nicht kennen, müssen solche Vorkommnisse sogar in größerer Zahl eintreten, als wenn sie sich kennen; und wenn so etwas eingetreten ist, dann können unter Leuten, deren (verwandtschaftliche Beziehung) bekannt ist, die traditionellen Entsühnungsriten vollzogen werden, bei Unbekannten aber nicht. Wenn er so die jungen Männer zu gemeinsamen Söhnen aller machte, dann ist es unbegreiflich, daß er Liebhabern nur das körperliche Zusammensein untersagte, aber ein Liebesverhältnis nicht verbot und auch nicht die Liebkosungen untersagte, die zwischen Vater und Sohn oder Bruder und Bruder das Äußerste an Unschicklichkeit sind, wie allein schon erotische Zuneigung (zwischen ihnen unschicklich ist). Unsinnig ist aber auch folgendes: körperliches Zusammensein hat er nur
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aus dem Grunde untersagt, weil es zu starke Lust errege; daß die Liebenden aber Vater und Sohn oder Brüder sind, ist dabei nach seiner Auffassung nicht von Bedeutung. Gemeinsamer Besitz von Frauen und Kindern scheint aber eher für die Bauern von Vorteil zu sein als für die Wächter. Denn freundschaftliche Beziehungen werden sich weniger entwickeln, wenn ihnen Kinder und Frauen gemeinsam gehören – aber so (ohne freundschaftliche Bindungen) sollten die Regierten leben, damit sie sich den Befehlen fügen und nicht aufsässig werden. Insgesamt muß bei einer solchen gesetzlichen Ordnung das Gegenteil von dem eintreten, was gute Gesetze bewirken sollen und was Sokrates als Begründung für die Notwendigkeit einer solchen Regelung über Frauen und Kinder annimmt. Wir glauben ja, daß Einträchtigkeit das höchste Gut für die Staaten ist; denn bei Eintracht dürften sie weniger von Parteienstreit zerrissen sein, und Sokrates rühmt besonders, daß der Staat eine Einheit bildet, die als Wirkung der Einträchtigkeit gilt und auch von ihm so bezeichnet wird. Denn so sagt, wie allen bekannt ist, Aristophanes in den Gesprächen »Über die Liebe«, daß die Liebenden wegen ihrer übergroßen Liebe danach verlangen zusammenzuwachsen und beide aus zweien eins zu werden. Dabei mußten entweder beide oder der eine Partner zugrundegehen; in einem Staat muß dagegen aufgrund dieser (von Platon vorgeschriebenen) Gemeinschaft die Einträchtigkeit verwässert werden und am allerwenigsten der Sohn den Vater oder der Vater den Sohn »mein eigen« nennen. Wie eine kleine Menge eines süßen Stoffes, die einer großen Menge Wasser beigemischt wird, die Beimischung nicht einmal wahrnehmbar macht, so geschieht es ja auch mit dem gegenseitigen engen Verhältnis, das nur auf jenen Benennungen beruht: in einem solchen Falle kümmert sich ein Vater notwendigerweise am allerwenigsten (um die Kinder) wie um seine Söhne oder ein Sohn (um die Älteren) wie um seinen Vater oder (Gleichaltrige) um einander wie Brüder. Denn in der Hauptsache sind es zwei Dinge, die Menschen dazu bringen, Fürsorge zu beweisen und Liebe zu empfinden: einmal
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die Existenz von etwas Eigenem und von etwas, das von ihnen geschätzt wird; aber denen, die unter einer solchen Ordnung leben, kann keines von beiden gehören. Erhebliche Unruhe muß aber auch das Verfahren verursachen, die Kinder aus der Gruppe der Bauern und Handwerker in den Wächterstand oder aus diesem in jenen Stand umzusetzen. Denn diejenigen, die die Kinder ausliefern und in den anderen Stand versetzen, müssen erkennen, wessen Kinder es sind und wem sie diese übergeben. Außerdem müssen auch die vorher genannten Vorkommnisse, wie zum Beispiel Mißhandlungen, Liebesverhältnisse oder Tötungsdelikte, noch eher bei diesen (in einen anderen Stand Versetzten) eintreten; denn die, die (aus dem Wächterstand) in die anderen Stände der Bürgerschaft versetzt werden, werden die Wächter nicht mehr Brüder, Kinder, Väter und Mütter anreden, und umgekehrt wird es auch nicht dazu kommen, daß die, die in den Wächterstand versetzt wurden, ihre (Verwandten aus der) anderen Bürgerklasse mit diesen Ausdrücken ansprechen und sich daher in acht nehmen, wegen ihrer Verwandtschaft etwas von dem zu tun, was eben genannt wurde. Das soll zur Klärung des gemeinschaftlichen Besitzes an Kindern und Frauen genügen.
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Kapitel 5. Im Anschluß daran wollen wir untersuchen, auf welche Weise für Bürger, die unter der besten Verfassung leben sollen, Regelungen über den Besitz getroffen werden sollten, und (insbesondere), ob er ihnen gemeinschaftlich oder nicht gemeinschaftlich gehören soll. Diese Frage kann man auch losgelöst von den Bestimmungen des Gesetzgebers (in Platons Politeia) über Frauen und Kinder untersuchen. Ich meine damit Folgendes: ist es auch unter der Voraussetzung, daß diese jeweils Einzelnen gehören, wie das jetzt bei allen der Fall ist, vorzuziehen, daß die Besitztümer doch gemeinsam gehalten werden, oder soll deren Nutzung allen gemeinsam offen stehen? Was ist also besser? Soll (1) landwirtschaftlicher Grundbesitz jeweils Privatbesitz sein, während die Besitzer die Erträge in einen gemeinsamen Topf einbringen und dann so
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verbrauchen, wie das einzelne Volksstämme tun? Oder soll (2) umgekehrt der landwirtschaftlich genutzte Boden allen gemeinschaftlich gehören, und soll man ihn auch gemeinschaftlich bewirtschaften, während die Erträge zu individueller Nutzung aufgeteilt werden? Denn es wird berichtet, daß einige Barbarenstämme auch diese Form von (Güter-)gemeinschaft praktizieren. Oder (ist es vorzuziehen), daß (3) sowohl Grundstücke als auch Erträge allen gemeinsam gehören? Ein besonderer Fall, der auch geringere Schwierigkeiten mit sich bringt, liegt vor, wenn diejenigen, die den Boden bewirtschaften, nicht (mit den gemeinschaftlichen Besitzern) identisch sind. Wenn dagegen (die gemeinsamen Besitzer) für sich selber die Arbeit machen, dann erzeugen die Besitzregelungen erheblichen Ärger; denn wenn Ertrag und Leistung nicht gleich, sondern ungleich sind, kann es nicht ausbleiben, daß diejenigen, die weniger erhalten, aber mehr arbeiten, Beschuldigungen gegen die erheben, die bei wenig Arbeit in großem Umfang Nutznießer sind oder viel erhalten. Aufs Ganze gesehen ist es ja überhaupt schon schwierig, miteinander zu leben und menschliche Dinge jeglicher Art miteinander zu teilen, und am schwierigsten ist das in solchen Dingen. Das zeigen auch Gruppen, die sich für eine Reise zusammenschließen: so ziemlich die meisten Teilnehmer verfeinden sich, weil sie aus ganz alltäglichen und geringfügigen Anlässen miteinander in Streit geraten. Außerdem geraten wir mit den Bediensteten am ehesten aneinander, die wir am meisten für die alltäglichen Dienstleistungen brauchen. Die Regelung gemeinsamen Besitzes enthält diese und ähnliche Schwierigkeiten. Dagegen dürfte eine Besitzordnung, die jetzt gültigem Brauch folgt und durch gewohnheitsmäßige Verhaltenweisen und die Ordnung richtiger Gesetze vollkommener gemacht ist, einen beträchtlichen Vorzug bieten: sie dürfte den Vorteil beider Ordnungen verbinden – damit meine ich den Vorteil des gemeinschaftlichen Besitzes und des Privat eigentums. In gewisser Weise muß nämlich der Besitz der Allgemeinheit gehören, aufs Ganze gesehen aber jeweils dem Einzelnen. Denn wenn die Sorge um den Besitz jeweils Einzelnen
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vorbehalten ist, wird dies nicht gegenseitige Vorwürfe provozieren; die Sorge um den Besitz wird so eher gesteigert, weil nun jeder Einzelne sich seinem Eigentum widmet. Aufgrund einer guten Charakterhaltung (der Besitzer) wird aber für den Gebrauch, wie es im Sprichwort heißt, »der Besitz von Freunden allen gemeinsam gehören.« In dieser Weise sind tatsächlich schon jetzt in einigen Staaten in Ansätzen Regelungen erlassen, da dies nicht unmöglich ist, und besonders in Staaten mit einer guten politischen Ordnung wird einiges schon verwirklicht, und anderes könnte wohl verwirklicht werden. Denn wenn jeder Einzelne den Besitz persönlich als Eigentum hat, kann man ihn einerseits seinen Freunden zur Nutzung bereitstellen, andererseits aber auch den Besitz (anderer) nutzen, so als gehöre er der Allgemeinheit. In dieser Weise bedient man sich auch in Sparta der Sklaven, die jeweils der andere besitzt, als gehörten sie einem selber, außerdem (bedient man sich) der Pferde und Hunde, und wenn man Wegzehrung braucht, der (Erträge der) Äcker auf dem Lande. Offensichtlich ist es danach vorzuziehen, daß der Besitz zwar Privateigentum ist, daß man ihn aber allen zur Nutzung zur Verfügung stellt. Zu erreichen, daß die Bürger sich dazu bereit finden, ist aber die besondere Aufgabe des Gesetzgebers. Außerdem trägt es auch unbeschreiblich viel zum Wohlbehagen bei, wenn man etwas als sein Eigentum betrachten kann. Denn es ist gewiß nicht ohne Grund, daß ein jeder Liebe zu sich selber hegt, sondern diese Haltung ist naturgegeben – Selbstsucht wird dagegen mit Recht getadelt, und sie ist nicht Eigenliebe, sondern deren Übertreibung, wie auch Habsucht (Übertreibung des naturgemäßen Verlangens nach Besitz ist), während doch so ziemlich alle Menschen jede Art von Besitz schätzen und lieben. Es bereitet es aber auch das größte Vergnügen, Verwandten, Gästen aus der Fremde und Nahestehenden einen Gefallen zu erweisen und sie zu unterstützen, was aber nur bei Privatbesitz möglich ist. All dies läßt sich nicht verwirklichen, wenn man den Staat allzusehr zu einer Einheit macht; zusätzlich vereitelt man dabei ganz offensichtlich die Bewährung von zwei wertvollen Charaktereigenschaf-
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ten: von Selbstbeherrschung gegenüber den Frauen – denn es ist ein nobles Verhalten, aus Selbstbeherrschung die Frau eines anderen nicht anzurühren – und von freigebigem Umgang mit seinem Besitz. (Bei Gemeineigentum) kann einer ja nicht beweisen, daß er freigebig ist, und er wird keinen Akt von Freigebigkeit üben, da Freigebigkeit sich in der Verwendung der Güter bewährt (die Platon den Wächtern vorenthalten hat). Die Gesetzgebung der platonischen Politeia dürfte ansprechend erscheinen und den Eindruck machen, das Wohl der Menschen zu fördern. Wer (solche Vorschläge) hört, nimmt sie gerne beifällig auf, glaubt er doch, daß dadurch eine wunderbare Einträchtigkeit aller mit allen gestiftet werde, besonders wenn man die Anklage erhebt, die unter (jetzt gültigen) Verfassungsordnungen vorherrschenden Mißstände seien darin begründet, daß der Besitz nicht gemeinschaftliches Eigentum sei – mit Mißständen meine ich die Klagen gegeneinander wegen Geschäftsvereinbarungen und die Verurteilungen wegen falscher Zeugenaussagen und die unterwürfigen Schmeicheleien gegenüber den Reichen. Aber keiner dieser Mißstände ist darin begründet, daß Besitz nicht zum Gemeineigentum gemacht wurde, sondern beruht auf der Schlechtigkeit der Menschen – wir können ja beobachten, daß gerade Leute, die gemeinsamen Besitz haben und miteinander teilen, erheblich mehr miteinander verfeindet sind als die, die jeweils für sich allein über Privateigentum verfügen. Aber da wir sie mit der großen Zahl derer, denen Besitz als Privateigentum gehört, vergleichen, finden wir nur wenige, die wegen Besitz gemeinschaft zerstritten sind. Außerdem wäre es gerecht, nicht nur darzulegen, wie viele Mißstände ihnen durch die Besitzgemeinschaft genommen werden sollen, sondern auch wie viele Vorzüge. Es scheint aber, daß man ein solches Leben ganz und gar nicht leben kann. Als Ursache dieses Irrtums des Sokrates muß man die Tatsache halten, daß er die Voraussetzung falsch bestimmt hat. Denn in gewisser Weise müssen zwar tatsächlich Haushalt und Staat eine Einheit bilden, aber nicht völlig. Denn wenn
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ein Staat auf diesem Wege (zur Einheit) weiter fortschreitet, wird der Fall eintreten, daß er gar nicht (mehr) Staat sein wird, oder daß er zwar noch Staat ist, aber doch nahe daran ist, nicht mehr als Staat zu existieren und daher ein Staat minderer Qualität ist – wie wenn jemand einen Zusammenklang mehrerer Töne darauf reduzierte, daß alle den gleichen Ton singen oder spielen, oder einen (abwechslungsreichen) Rhythmus zu einförmigem rhythmischem Gleichmaß machte. Man muß vielmehr durch Erziehung die zahlenmäßige Vielheit, die ein Staat ja ist, wie vorher erklärt wurde, zu einer Gemeinschaft und Einheit zusammenschließen. Es ist jedenfalls seltsam, daß (Platon), der vorhatte, der Erziehung im Staat ihren Platz zu gewinnen, und glaubte, durch sie (die Bewohner des) Staates gut zu machen, doch meinte, mit solchen Mitteln (wie der Besitzgemeinschaft) eine Verbesserung zu erreichen anstatt durch die Ausbildung gewohnheitsmäßiger Verhaltensweisen, durch Geistesbildung und durch Gesetze. So hat der Gesetzgeber in Sparta und Kreta durch gemeinsame Mahlzeiten in Besitzdingen eine Gemeinschaft hergestellt. Man sollte aber auch gerade Folgendes nicht übersehen: man muß die lange Vorzeit mit ihrer Vielzahl von Jahren beachten, da in ihnen nicht verborgen geblieben wäre, wenn solche Regelungen sinnvoll wären. Denn so ziemlich alles ist schon entdeckt worden, aber entweder ist es noch nicht zusammengefaßt oder es wird noch nicht angewandt, obwohl man es kennt. (Sokrates’ Irrtum) dürfte am leichtesten offensichtlich werden, wenn man einmal sehen könnte, daß eine solche Staatsordnung in die Wirklichkeit umgesetzt wird. Er wird nämlich nur dann einen Staat schaffen können, wenn er ihn gliedert und die Teile gegeneinander absondert, teils in Gruppen für gemeinsame Mahlzeiten, teils in Sippen und Phylen. Dann wird sich herausstellen, daß seine Gesetzgebung sich darauf reduziert, den Wächtern Landwirtschaft zu untersagen – tatsächlich versuchen das auch jetzt die Spartaner. Aber wie die Form des Staatswesens in seiner Gesamtheit für seine Mitglieder aussehen soll, hat Sokrates weder bestimmt, noch ist es leicht, dieses zu erklären. Jedoch die üb-
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rigen Bürger (außer den Wächtern) machen so ziemlich die Hauptmasse der Bevölkerung dieses Staates aus; aber über sie hat er keine Bestimmungen getroffen; (es bleibt daher unklar), ob auch die Bauern den Besitz gemeinschaftlich haben sollen oder jeder Einzelne privaten Besitz, außerdem ob jeder auch Frau und Kinder für sich oder ob (alle) diese gemeinsam haben sollen. Denn wenn auch ihnen allen in gleicher Weise (wie den Wächtern) alles gemeinsam gehören sollte, worin werden sich diese dann von jenen Wächtern unterscheiden? Oder welchen Vorteil hätten sie, da sie doch deren Herrschaft hinnehmen müssen? Oder warum sollen sie die Herrschaft hinnehmen, wenn man sich (für sie) nicht etwas von der Art ausdenkt, wie es die Kreter tun? Diese haben nämlich ihren Sklaven in allen anderen Angelegenheiten die gleichen Rechte zugestanden, ihnen aber lediglich den Besuch der Sportstätten und den Besitz von Waffen untersagt. Wenn aber auch bei den Bauern (das Leben mit Frauen und Kindern und das Eigentum) genauso wie in den anderen Staaten geregelt sind, wie soll sich dann das Zusammenleben (mit den oberen Ständen) gestalten? In einem einzigen Staat würde es nämlich notwendigerweise zwei Staaten geben, und diese würden sich verfeindet gegenüberstehen: die Wächter macht er nämlich gleichsam zur Besatzungstruppe, die Bauern, Handwerker und die anderen aber zu Bürgern (der besetzten Stadt). Beschuldigungen, Prozesse und was er sonst für Mißstände in den Staaten nennt, dies alles wird sich auch bei diesen finden. Sokrates sagt jedoch, daß (die Bürger dieses Staates) aufgrund ihrer Erziehung nicht viele Gesetze z. B. über die Ordnung der Stadt, des Marktes und andere Dinge dieser Art benötigen werden – aber diese Erziehung läßt er allein den Wächtern zukommen. Außerdem gibt er den Bauern, die eine Abgabe entrichten müssen, die Verfügungsgewalt über die Besitztümer. Aber darum ist um so mehr zu erwarten, daß sie schwer zu beherrschen und voll von trotzigem Selbstbewußtsein sind, als dies bei den Bevölkerungsschichten der Fall ist, die in einigen Staaten als Heloten, Penesten oder Sklaven dienen. Aber ob solche Regelungen (über den Besitz und die Familie der Bauern) in gleichem
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Maße notwendig sind (wie bei den Wächtern) oder nicht, darüber hat er keine genauen Festlegungen getroffen und auch nicht über die damit zusammenhängenden Fragen, was ihre politische Rechtsstellung und ihre Erziehung ist und welche Gesetze sie haben. Dies läßt sich nicht leicht herausfinden, und doch kann die Bedeutung ihrer Qualität für den Erhalt der Gemeinschaft unter den Wächtern nicht unterschätzt werden. Jedoch wenn er vorsehen sollte, daß die Frauen allen (Bauern) gemeinsam gehören, der Besitz aber Privateigentum der Einzelnen ist, wer wird dann den Haushalt führen, so wie ihre Männer die Arbeit auf den Feldern verrichten – und wer für den Fall, daß sowohl der Besitz wie auch die Frauen der Bauern allen gemeinsam gehören? Unangebracht ist es auch, aus einem Vergleich mit Tieren den Schluß zu ziehen, daß die Frauen die gleichen Aufgaben wahrnehmen müssen wie die Männer, da die Tiere doch keine Sorge um den Haushalt kennen. Gefährlich ist aber auch die Art und Weise, wie Sokrates die Regierenden einsetzt. Denn er läßt immer nur die Gleichen regieren. Dies löst aber politische Unruhen schon bei Leuten, die kein Selbstwertgefühl haben, aus, erst recht aber bei Männern mit Mut und kriegerischer Gesinnung. Es ist aber klar, daß er immer den Gleichen die Herrschaft übertragen muß; denn das von Gott beigegebene Gold ist nicht für einige Zeit diesen, bald wieder jenen in den Seelen beigemischt, sondern immer den Gleichen. Er behauptet ja, Gott habe gleich bei der Geburt den einen Gold, den anderen Silber und denen, die Handwerker und Bauern werden sollen, Bronze und Eisen beigemischt. Hinzukommt folgendes: Während er den Wächtern das Glück vorenthält, behauptet er, der Gesetzgeber müsse den ganzen Staat glücklich machen. Unmöglich kann aber der ganze Staat glücklich sein, wenn nicht die meisten Teile oder alle oder wenigstens einige sich des Glücks erfreuen können. Glücklichsein gehört ja nicht in die gleiche Klasse von Begriffen wie eine gerade Zahl. Denn eine Summe kann eine gerade Zahl sein, ohne daß die Summanden, aus denen sie gebildet
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ist, selber gerade sind; aber niemals kann (aus mehreren unglücklichen Teilen) eine glückliche (Staatsgemeinschaft) entstehen. Aber wenn die Wächter nicht glücklich sind, wer soll es sonst sein? Sicher nicht die Facharbeiter und die Menge der einfachen Handwerker. Die Verfassung, die Sokrates behandelt hat, bietet diese Schwierigkeiten und noch andere von nicht geringerer Bedeutung. Kapitel 6. Ziemlich ähnlich steht es auch mit den später (von Platon) verfaßten Gesetzen; es ist daher zweckmäßig, die in dieser Schrift niedergelegte Staatsordnung kurz zu prüfen. Denn in der Politeia hat Sokrates nur über ganz wenige Gegenstände Bestimmungen getroffen: über die wünschenswerte Frauen- und Kindergemeinschaft, über den Besitz, auch den Aufbau des Staates – die gesamte Bevölkerung wird in zwei Gruppen geteilt, einerseits die Bauern, andererseits die Kriegerschicht; aus dieser geht als dritte die Gruppe hervor, die beschließt und die entscheidenden Befugnisse im Staat hat; ob aber Bauern und Handwerkern der Zugang zu keinem oder zu irgendeinem Staatsamt offensteht und ob auch sie Waffen besitzen und mit in den Krieg ziehen dürfen oder nicht, darüber hat Sokrates nichts festgelegt. Andererseits ist es seine Auffassung, daß die Frauen (der Wächter) mit in den Krieg ziehen und die gleiche Erziehung wie die Wächter erhalten sollen. Im übrigen aber hat er seinen Dialog mit Themen, die außerhalb des Gegenstandes liegen, und mit Erörterungen über die richtige Erziehung der Wächter angefüllt. In (der Schrift) Gesetze nehmen Gesetze den meisten Raum ein, nur in geringem Maße hat er sich über die Staatsverfassung geäußert, und obwohl er die Absicht hat, diese so auszugestalten, daß sie eher eine gemeinsame Grundlage für die gegebenen Staaten sein kann, biegt er sie allmählich doch wieder auf die frühere Verfassung (der Politeia) zurück. Denn, mit Ausnahme der Frauen- und Besitzgemeinschaft, erläßt er in allen übrigen Dingen für die beiden Staatsentwürfe die gleichen Regelungen: er schreibt die gleiche Erziehung vor und
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ein Leben, das von den notwendigen Aufgaben befreit ist, und Regelungen über die Syssitien in gleicher Weise (wie in der Politeia). Jedoch (nur) in diesem Staat (der Gesetze) ordnet er an, daß es auch für die Frauen Syssitien geben solle; (ein weiterer Unterschied besteht darin, daß) der Staat (der Politeia) 1000 waffenfähige Bürger haben soll, der (der Gesetze) aber 5000. Außergewöhnliche Ideen, geistreiche Erfindung, Kühnheit der Neuerungen und eindringendes Forschen weisen alle Gespräche des Sokrates auf; daß aber alle (politischen Regelungen, die auf diese Weise zustandekamen) auch richtig sind, ist doch wohl schwer zu erreichen. Denn auch bei der eben angeführten Menge (der Krieger) darf man nicht übersehen, daß eine solche Zahl das Territorium von Babylon erforderte oder ein anderes mit unendlichen Ausmaßen, aus dem sich 5000 Männer, die nicht produktiv tätig sind, und zusätzlich neben ihnen eine vielfache Menge von Frauen und Bediensteten ernähren können. Zweifellos soll man wunschgemäße Bedingungen fordern, dabei aber doch nichts Unmögliches. Es wird behauptet, der Gesetzgeber solle bei der Formulierung der Gesetze auf zwei Dinge achten: auf das Territorium und die Menschen. Aber es wäre sinnvoll, noch hinzuzufügen: auch auf die benachbarten Regionen achten, zuerst wenn ein Staat nicht ein Leben der Selbstisolierung führt, sondern sich eine Existenzweise wählen muß, bei der er eine aktive Rolle unter Staaten spielt; in diesem Falle darf man sich nicht auf solche Waffen für den Krieg zu beschränken, die auf dem eigenen Territorium nützlich sind, sondern muß auch über solche verfügen, die für die topographischen Bedingungen außerhalb des eigenen Staatsgebietes nützen. Wenn aber jemand eine solche Existenzweise nicht billigt – weder für das Individuum noch für die Gesamtheit des Staates –, so müssen trotzdem (Vorkehrungen getroffen sein, daß) die Krieger in der Lage sind, auf die Feinde abschreckend zu wirken, nicht nur wenn diese in das Territorium eindringen, sondern auch noch, nachdem sie abgezogen sind. Man muß sich aber auch genau ansehen, ob man den Umfang des Grundbesitzes nicht besser auf andere Weise, näm-
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lich exakter, bestimmen kann. (Plato) behauptet nämlich, der Besitz solle den Umfang haben, so daß man maßvoll leben könne, genau wie wenn jemand gesagt hätte: so viel, daß man in der richtigen Weise leben kann. Aber dies ist zu allgemein. Außerdem ist es ja möglich, zwar maßvoll, aber unter angespannten Verhältnissen zu leben. Bessser ist daher die Bestimmung, sowohl maßvoll als auch großzügig, wie es eines Freien würdig ist, zu leben; denn wenn man jeweils nur eine dieser Eigenschaften allein hat, dann geht mit der einen ein Leben in Saus und Braus, mit der anderen das der Kärglichkeit einher – bei der Verwendung des Besitzes sind (maßvoll und großzügig) ja die einzig möglichen erstrebenswerten Eigenschaften, man kann aber z. B. nicht mit ruhigem Temperament oder mit Tapferkeit mit seinem Besitz umgehen, maßvoll oder großzügig kann man es jedoch, so daß gegenüber Besitz diese (beiden) Eigenschaften gefordert werden müssen. Ungereimt ist es aber auch, daß er den Grundbesitz gleich aufteilte, aber keine Regelungen für die Zahl der Bürger traf, sondern die Kinderzahl unbeschränkt freigab; er ging wohl davon aus, daß die Kinderzahl sich schon hinreichend zur gleichen Höhe einpendeln werde, selbst wenn beliebig viele geboren werden, weil ja manche Ehen kinderlos bleiben – zumal sich ein solcher Ausgleich ja tatsächlich auch in den Staaten einzustellen scheint. Aber damit muß man es da (im Staat der Gesetze) genauer nehmen als in den Staaten heute: Denn jetzt leidet deshalb niemand Not, weil die Besitztümer (beliebig oft) unter eine beliebig große Zahl (von Nachkommen) aufgeteilt werden; da sie aber dort (in den Gesetzen) nicht teilbar waren, mußten die überzähligen Kinder leer ausgehen, einerlei ob es eine geringere oder größere Zahl davon gab. Man kann daher die Auffassung vertreten, eher müsse die Kinderzahl als der Besitz begrenzt sein, so daß man nicht Kinder über eine bestimmte Zahl hinaus zur Welt bringt; bei der Festlegung dieser Zahl soll man aber auch die Möglichkeit von Unglücksfällen – falls einige Kinder sterben sollten – und von Kinderlosigkeit bei anderen berücksichtigen. Daß man aber, wie in den meisten Staaten, auf solche Beschränkungen verzichtet, muß zur
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Verarmung der Bürger führen, Armut bringt aber Bürgerzwist und Verbrechen hervor. Pheidon von Korinth, einer der frühesten Gesetzgeber, war wenigstens der Auffassung, daß sowohl die (Zahl der) Haushalte wie die Zahl der Bürger gleich bleiben sollten, selbst wenn zu Beginn alle Landlose unterschiedliche Größe hatten; in den Gesetzen (Platons) ist jedoch das Gegenteil vorgeschrieben – es soll später dargelegt werden, was wir für die bessere Regelung in diesen Dingen halten. In jenen Gesetzen fehlen auch Bestimmungen darüber, wie sich die Herrschenden von den Beherrschten unterscheiden sollen. Platon behauptet nämlich (nur), so wie das Zettelgarn aus einer anderen Wolle als der Einschlag gemacht ist, so müßten sich auch die Herrschenden von den Beherrschten unterscheiden. – Da er aber zuläßt, daß der gesamte Besitz bis zum Fünffachen vermehrt wird, warum sollte nicht auch eine Zunahme des Grundbesitzes bis zu einer bestimmten Grenze möglich sein? Man muß aber auch prüfen, ob die Aufteilung der bebauten Grundstücke für die Haushaltsführung vorteilhaft ist. Denn er hat jedem zwei bebaute Grundstücke zugewiesen, die voneinander getrennt liegen. Aber es ist doch schwierig, zwei Haushalte zu bewirtschaften. Die Verfassungsordnung als Ganzes soll weder eine Demokratie noch eine Oligarchie sein, sondern eine in der Mitte zwischen ihnen liegende Form haben, die man Politie nennt, denn sie ist aus den waffentragenden Männern gebildet. Wenn er sie als diejenige begründet, die unter allen Verfassungen am ehesten als eine gemeinsame Grundlage für die Staaten geeignet ist, dann hat er wohl recht, wenn aber als zweitbeste unmittelbar nach der ersten, dann nicht. Denn vielleicht verdient doch die Verfassung Spartas eher Lob oder sonst eine andere, die einen stärker aristokratischen Charakter hat. Einige meinen nämlich, die beste Verfassung müßte aus allen Verfassungen gemischt sein; deswegen rühmen sie auch die Verfassung Spartas; denn manche vertreten die Auffassung, sie sei aus Oligarchie, Monarchie und Demokratie zusammengesetzt, wobei sie das Königtum als das monarchische, das Amt der Geronten als das oligarchische Element angeben und (mei-
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nen, Sparta) werde durch das Amt der Ephoren demokratisch regiert, da die Ephoren aus dem Demos stammen. Anderen gilt aber das Ephorenamt als Tyrannis, demokratisch sei diese Verfassung jedoch sowohl im Hinblick auf die gemeinsamen Mahlzeiten als auch den täglichen Lebensstil. In den Gesetzen heißt es dagegen, die beste Verfassung müsse aus Demokratie und Tyrannis zusammengesetzt sein, die man entweder überhaupt nicht als Verfassungen bezeichnen sollte oder als die schlechtesten von allen. Zutreffender äußern sich die, die eine größere Zahl von Verfassungen miteinander verbinden. Denn je mehr Verfassungen in eine Verfassung eingehen, umso besser ist diese. Überdies enthält diese Verfassung (in den Gesetzen) offensichtlich kein monarchisches Element, sondern nur oligarchische und demokratische, mit der Tendenz, eher zur Oligarchie zu neigen. Dies zeigt sich an der Bestellung der Amtsträger; denn das Verfahren, die Amtsträger aus einer Anzahl gewählter Kandidaten durch Los zu ermitteln, verbindet Merkmale beider Verfassungen; jedoch daß (nur) für die Reicheren der Zwang besteht, die Volksversammlung zu besuchen, die Amtsträger vorzuschlagen oder eine andere staatliche Aufgabe wahrzunehmen, während die (Ärmeren) davon freigestellt sind, ist oligarchisch; das Gleiche gilt für den Versuch zu erreichen, daß eine größere Zahl von B eamten von den Begüterten gestellt wird und die höchsten Ämter aus den höchsten Vermögensklassen besetzt werden. Auch die Wahl des Rates macht er zu einer oligarchischen Regelung: zwar sind alle Bürger gezwungen, an der Wahl mitzuwirken, jedoch (zunächst nur) soweit es die Kandidaten aus der ersten Vermögensklasse angeht, und dann nach dem gleichen Verfahren bei (der Ernennung von) Kandidaten aus der zweiten, dann den Kandidaten aus der dritten Klasse; bei der Nominierung der Kandidaten aus der dritten und vierten Vermögensklasse besteht jedoch nicht für alle der Zwang zur Teilnahme, und bei der Wahl der Kandidaten aus der vierten Klasse besteht dieser Zwang nur für die Mitglieder aus der ersten und zweiten Vermögensklasse. Danach, so fordert er, müsse man aus deren Zahl die (Ratsmitglieder) bestellen,
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gleich viele aus jeder Vermögensklasse. In Wirklichkeit werden aber die Wähler, die aus den höchsten Vermögensklassen stammen und Menschen von höherer persönlicher Qualität sind, zahlenmäßig stärker vertreten sein, weil einige aus dem einfachen Volk nicht an der Wahl mitwirken, da für sie nicht der Zwang dazu besteht. Daß man demnach eine solche Verfassung nicht aus Demokratie und Monarchie bilden darf, geht klar aus diesen Überlegungen hervor und aus denen, die später vorgetragen werden sollen, wenn der richtige Zeitpunkt für die Untersuchung über diesen Verfassungstypus gekommen ist. Bei der Wahl der Amtsträger enthält die Regelung, daß sie aus einem Kreis von gewählten Kandidaten gewählt werden, eine Gefahr. Wenn nämlich einige bereit sind, Absprachen zu treffen, dann werden, selbst wenn sie nur mäßig viele sind, doch immer die Kandidaten ihrer Wahl erfolgreich sein. So steht es also mit der Verfassungsordnung in den Gesetzen.
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Kapitel 7. Es gibt auch noch andere Staatsentwürfe, die teils von Laien, teils von Philosophen oder führenden Staatsmännern verfaßt wurden; alle kommen aber den bestehenden Verfassungen und denen, nach welchen man jetzt die Staaten regiert, näher als die beiden behandelten (Platons). Denn niemand (sonst) hat Neuerungen bei der Kinder- und Frauengemeinschaft gewagt, auch nicht solche für die gemeinsamen Mahlzeiten der Frauen, sondern (diese Autoren von Verfassungsentwürfen) nehmen eher die lebensnotwendigen Erfordernissen zum Ausgangspunkt. Einige sind nämlich der Ansicht, die wichtigste Aufgabe sei es, daß der Teil der Staatsordnung, der sich auf den Besitz bezieht, richtig geregelt ist. Denn, so sagen sie, um Besitz gehe es allen, die politische Unruhen anzetteln. Deswegen hat auch Phaleas von Chalkedon als erster solche Vorschläge gemacht. Er fordert nämlich, daß der (Grund-)Besitz der Bürger gleich sein müßte. Die (Besitzgleichheit) ließe sich, so meinte er, in Staaten gleich bei ihrer Gründung nicht schwer herstellen, in schon bestehenden sei das zwar schwieriger, dennoch könnte der Besitzunterschied dadurch sehr
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schnell ausgeglichen werden, daß die Reichen wohl Mitgift geben, aber nicht erhalten, die Armen zwar nicht geben, jedoch erhalten. Platon war bei der Niederschrift der Gesetze der Auffassung, daß man (eine Ungleichheit des Besitzes) bis zu einer bestimmten Höhe zulassen solle, kein Bürger dürfe aber das Recht haben, mehr als das Fünffache des Mindestbetrages zu erwerben, wie auch vorher erwähnt wurde. Wer eine solche Gesetzgebung vorschlägt, darf aber nicht übersehen, was man heute gewöhnlich übersieht, daß man bei einer Festlegung der Größe des Vermögens auch die Zahl der Kinder festlegen muß. Wenn nämlich die Kinderzahl für die Größe des Besitzes zu hoch ist, dann kann es nicht ausbleiben, daß das Gesetz, (das die Besitzgleichheit vorschrieb,) nicht mehr eingehalten wird, und – abgesehen von dieser Folge, daß das Gesetz seine Gültigkeit verliert – ist es schlimm, daß viele Reiche verarmen; denn es läßt sich schwer vermeiden, daß solche Leute auf Bürgerzwist und Umsturz hinarbeiten. Offensichtlich haben auch einige Männer der weit zurückliegenden Vergangenheit erkannt, daß ausgeglichene Vermögensverhältnisse eine gewisse Bedeutung für das gemeinschaftliche Zusammenleben im Staat haben: so hat ja auch Solon (entsprechend) Gesetze erlassen, und es gibt bei anderen ein Gesetz, das verbietet, Land beliebiger Größe zu erwerben; ebenso untersagen Gesetze, den Besitz zu veräußern, wie bei den Lokrern ein Gesetz besteht, wonach man (sein Vermögen) nicht veräußern darf, sofern man nicht nachweisen kann, daß ein offensichtliches Unglück eingetreten ist; außerdem gibt es ein Gesetz, das vorschreibt, daß man die ursprünglichen Landlose unverändert erhalten muß – daß diese Regelung nicht mehr befolgt wurde, hat auch in Leukas die Verfassungsordnung allzu demokratisch werden lassen, denn nun galt nicht mehr, daß man auf Grund der festgelegten Vermögensqualifikation Zugang zu den Ämtern hatte. Aber es kann der Fall eintreten, daß zwar das Vermögen der Bürger gleich ist, aber entweder zu groß, so daß die Besitzer in Saus und Braus leben können, oder zu gering, so daß sie kärg-
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lich leben müssen. Offensichtlich genügt es nicht, wenn der Gesetzgeber das Vermögen gleich macht, sondern man muß einen mittleren Umfang anstreben. Es kommt folgendes hinzu: selbst wenn jemand für alle den Besitz in der angemessenen Höhe festlegen sollte, brächte dies keinen Vorteil. Denn man muß eher die Begierden in ein Gleichmaß bringen als den Besitz, und dies läßt sich nur erreichen, wenn die Bürger hinreichend durch die Gesetze erzogen werden. Aber vielleicht könnte Phaleas einwenden, daß er gerade dies selber sagt; er ist nämlich der Auffassung, Gleichheit müsse in den Staaten in zwei Bereichen herrschen, in Besitz und Bildung. Aber dann muß man doch angeben, was für eine Bildung das sein soll, denn es ist noch kein Gewinn, daß sie lediglich für alle ein und dieselbe ist. Es läßt sich ja der Fall denken, daß sie zwar gleich ist, aber gerade bewirkt, daß man auf Grund dieser Erziehung eher entschlossen ist, einen Vorteil in Geld oder Ehrenstellungen oder beidem zu suchen. Es kommt hinzu: einen Aufstand unternehmen Bürger nicht nur wegen der Ungleichheit in Besitz, sondern auch der des Ranges in der Öffentlichkeit, jedoch für beide Fälle in ent gegensetzter Weise; denn die Masse erhebt sich in Aufruhr wegen der Ungleichheit in Besitzdingen, die Besseren dagegen, wenn der öffentliche Rang (für alle) gleich ist. Dies ist ja auch der Hintergrund für das Dichterwort: »Der Tapfere und der Feigling erhalten gleiche Ehre.« Aber nicht nur wegen der lebensnotwendigen Bedürfnisse begehen Menschen Unrecht – wogegen Phaleas die Gleichheit des Besitzes als Heilmittel ansieht, so daß sie nicht stehlen müssen, weil sie frieren oder hungern –, sondern sie (tun dies) auch, um ihren Vergnügungen nachzugehen und nicht länger eine Begierde unbefriedigt zu lassen; denn wenn ihre Begierde über lebensnotwendige Bedürfnisse hinausgeht, werden sie zu ihrer Befriedigung Unrecht begehen. Aber nicht allein ein solches Verlangen wird sie zu Unrecht verleiten, sondern auch ohne Begierden, damit sie Vergnügungen ohne schmerzliches (Entbehren) genießen können, werden sie solche unrechtmäßigen Handlungen begehen. Was ist nun das Heilmittel für
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diese drei (Ursachen von Unrechttun)? Für die erste Gruppe ist es Besitz mäßigen Umfangs und Arbeit, bei der nächsten maßvolle Besonnenheit; im dritten Fall aber, wenn einige (Unrecht tun), um aus eigenem Antrieb Vergnügen zu erleben, so dürften sie nur in der Philosophie ein Heilmittel dagegen finden; denn für (alle) anderen Vergnügungen ist man auf Mitmenschen angewiesen. (Phaleas findet aber für das Wichtigste keine Lösung,) denn die schlimmsten ungerechten Handlungen begehen die Menschen wegen der Übersteigerung (der Begierden), nicht wegen lebensnotwendiger Bedürfnisse. Man herrscht ja auch nicht als Tyrann, um nicht frieren zu müssen. Deswegen empfängt jemand auch große Ehren nicht schon, wenn er einen Dieb, sondern wenn er einen Tyrannen tötet. Aus diesen Gründen schafft die Staatsform des Phaleas nur gegen die unbedeutenderen ungerechten Handlungen Abhilfe. Außerdem führt Phaleas die meisten Einrichtungen in der Absicht ein, daß dadurch die Bürger in den Beziehungen zueinander sich guter politischer Zustände erfreuen; aber man muß auch die Beziehungen zu den Nachbarn und allen auswärtigen Staaten berücksichtigen. Es ist also nötig, daß die Verfassungsordnung auch Regelungen einbezieht, die die militärische Machtstellung betreffen; darüber hat sich jener jedoch nicht geäußert – das gleiche gilt auch für den Besitz: dieser muß in ausreichendem Umfang nicht nur den Bürgern für ihre Nutzung zur Verfügung stehen, sondern auch um den von außen drohenden Gefahren begegnen zu können. Deswegen darf weder so viel Besitz vorhanden sein, daß die Begehrlichkeit benachbarter Völker, die außerdem überlegen sind, geweckt wird, während die Besitzer dieser Mittel die Angreifer nicht abwehren können, noch so wenig Besitz vorhanden sein, daß die (Bürger dieses Staates) einen Krieg nicht einmal gegen Angreifer, die an Zahl und Stärke gleich sind, durchstehen können. Phaleas hat dazu überhaupt keine Festlegungen getroffen, es darf aber nicht ungeklärt bleiben, welcher Umfang von Besitz nützt. Vielleicht die beste Norm ist die, kein Übermaß an Reichtum zu besitzen, dessentwegen es sich für militärisch Überlegene lohnen würde, einen Krieg zu führen. Unter
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diesen Voraussetzungen kommt es nur dann zum Krieg, wenn (in jedem Falle), auch ohne (den Anreiz durch) das bestimmte Ausmaß von Reichtum (einer Stadt ein Angriff erfolgte). So hat Eubulos, als Autophradates sich anschickte, Atarneus zu belagern, ihn aufgefordert, er solle veranschlagen, in welcher Zeit er den Platz einnehmen werde, und die während dieser Frist entstehenden Kosten in Rechnung stellen. Er sei nämlich bereit, Atarneus preiszugeben, wenn ihm Autophradates einen Betrag zahle, der unter den veranschlagten Kosten (für die Belagerung) liege. Mit diesen Worten bewirkte er, daß Autophradates nachdenklich wurde und die Belagerung aufgab. Gleichheit des Besitzes gehört zwar in gewissem Maße zu den nützlichen Mitteln, um Bürgerzwist zu verhindern, hat aber insgesamt keine große Bedeutung. Denn auch die Besseren dürften Unzufriedenheit zeigen, weil sie der Ansicht sind, (mehr und) nicht nur Gleiches zu verdienen; deswegen beginnen sie ja offenkundig häufig einen Anschlag (gegen die Staatsordnung) und zetteln einen Aufstand an. Außerdem ist niedriges Begehren der Menschen seinem Wesen nach unersättlich: Zuerst genügt die Austeilung von zwei Obolen; wenn dieses lange eingeführte Praxis ist, verlangt man immer mehr, bis man keine Grenzen mehr kennt; denn grenzenlos ist das Wesen der Begierde, für deren Befriedigung die Masse lebt. Besser als den Besitz gleichzumachen, dürfte man in diesen Dingen wohl damit beginnen, daß man Leute von guter Wesensart dazu bringt, daß sie sich materiellen Vorteil nicht verschaffen wollen, die Schlechten aber, daß sie es nicht können – und dies ist dann der Fall, wenn sie unterlegen sind und ihnen kein Unrecht zugefügt wird. Auch die Gleichheit des Besitzes hat Phaleas unzulänglich bestimmt. Denn den Grundbesitz macht er gleich, Reichtum umfaßt aber auch Sklaven, Herdenvieh, geprägtes Geld und dazu reichliche Ausstattung an sogenannten Einrichtungsgegenständen. Entweder sollte man nun in allen diesen Dingen Gleichheit oder ein mittleres Maß suchen, oder man soll alles ungeregelt freigeben.
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Aus seiner Gesetzgebung geht hervor, daß er seine Bürgerschaft eng begrenzte, da ja die Handwerker alle Staatssklaven sein und nicht einen Bestandteil der Bürgerschaft bilden sollen. Aber wenn diejenigen, die Arbeiten für die Allgemeinheit verrichten, Staatssklaven sein sollen, dann sollte dies in der Weise geregelt sein, wie in Epidamnos und wie es in Athen Diophantos einmal einzurichten versuchte. Aus diesen Bemerkungen dürfte man einigermaßen erkennen können, ob Phaleas in seinem Staatsentwurf richtige Vorschläge gemacht hat oder nicht. Kapitel 8. Hippodamos, Sohn des Euryphon, Bürger von Milet, der zugleich auch der Erfinder der Stadtplanung ist und die Einteilung der Stadtanlage im Piräus geplant hat, eine Persönlichkeit, die auch sonst durch ihren Drang, Beachtung zu finden, von eher ausgefallener Lebensart war – mit der Fülle seiner Haarpracht und seinem kostbaren Schmuck und wegen seines zwar schlichten, jedoch warmen Mantels, den er nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer trug, erweckte er bei einigen den Eindruck, er verfolge einen gesucht extravaganten Lebensstil –, ein Mann, der auch über die gesamte Natur Wissen zu besitzen bemüht war, dieser hat es als erster unter denen, die nicht aktive Staatsmänner waren, unternommen, etwas über den besten Staates zu schreiben. Er entwarf einen Staat, der der Zahl nach zehntausend Bürger umfassen sollte und in drei Teile untergliedert ist: den einen Teil sollten Handwerker bilden, einen weiteren Bauern, den dritten Krieger, die die Waffen führen. In drei Teile unterteilte er auch das Land: in Tempelland, Gemeinde- und Privatland – vom Tempelland sollte man die herkömmlichen Verpflichtungen gegenüber den Göttern bestreiten, vom Staatsland sollten die Krieger ihren Lebensunterhalt beziehen, das Privatland sollte den Bauern gehören. Er meinte auch, daß es nur drei Arten von Gesetzen gebe; denn nur drei Delikte seien Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen: entehrende Mißhandlung, Schadensstiftung und Tötungsdelikte. In seiner Gesetzgebung wollte er auch einen letztlich entscheidenden
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Gerichtshof vorsehen, vor dem Berufung über Rechtssachen, bei denen das Urteil angefochten wurde, eingelegt werden sollte. Als dessen Mitglieder wollte er durch Wahl ernannte ältere Bürger einsetzen. Die Urteilssprüche in den Gerichtshöfen dürften nach seiner Auffassung nicht durch die Abgabe von Stimmscheiben gefällt werden, sondern jeder Richter solle ein Täfelchen einreichen, auf dem er, wenn er den Angeklagten uneingeschränkt für schuldig halte, die Strafe niederschreiben sollte; wenn er ihn uneingeschränkt (von der Anklage) freispreche, solle er das Täfelchen unbeschrieben lassen; wenn er (den Angeklagten) aber wohl in einer Beziehung (für schuldig oder unschuldig halte), in der anderen dagegen nicht, so solle er dies genau angeben. Denn er war der Auffassung, daß die jetzt gültigen gesetzlichen Vorschriften nicht gut seien; sie zwängen nämlich die Richter, ihren Richtereid zu brechen, da diese (nur) entweder in der einen oder anderen Weise abstimmen können. Außerdem schlug er ein Gesetz vor, daß denjenigen, die etwas für den Staat Nützliches gefunden haben, eine öffentliche Auszeichnung verliehen werden sollte, und daß den Kindern von Kriegsgefallenen aus öffentlichen Mitteln Unterhalt gewährt werden sollte, so als bestehe eine solche gesetzliche Regelung bei anderen noch nicht – ein solches Gesetz gibt es jedoch in Wirklichkeit sowohl in Athen wie auch in anderen Staaten. Die politischen Beamten sollten alle vom Volk durch Wahl ernannt werden – die drei genannten Teile der Bürgerschaft sollten das Volk bilden. Die gewählten Beamten sollten für öffentliche Angelegenheiten, für Ausländerfragen und Waisenfürsorge zuständig sein. Der größte Teil und die erwähnenswertesten Regelungen der Ordnung des Hippoda mos sind damit genannt. Man könnte zunächst Schwierigkeiten bei seiner Einteilung der Gruppierungen der Bürgerschaft aufwerfen. Denn alle Gruppen, die Handwerker, Bauern und Krieger, nehmen vollberechtigt an der Verfassung teil, wobei die Bauern keine Waffen besitzen, die Handwerker weder Land noch Waffen, so daß sie fast zu Sklaven der Krieger werden. An der Bekleidung aller Ämter mitzuwirken, ist für sie ausgeschlossen; denn not-
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wendigerweise werden die Strategen, die Mitglieder der Bürgerwache und sozusagen die Inhaber der wichtigsten Ämter aus den Reihen der Krieger bestellt. Wenn aber so (Handwerker und Bauern) nicht aktiv am Staatsleben teilhaben, wie können sie dann wohlwollend gegenüber dieser Staatsordnung eingestellt sein? Aber (um Bedrohungen abzuwehren,) müssen die Krieger auch an Stärke den beiden anderen Gruppierungen überlegen sein; das ist aber nicht leicht zu erreichen, sofern sie nicht zahlreich sind. Wenn das aber der Fall ist, warum sollen dann die anderen überhaupt an den Bürgerrechten teilhaben und entscheidende Befugnisse bei der Ernennung der politischen Beamten haben? Es kommt hinzu: Worin besteht der Nutzen der Bauern für den Staat? Handwerker muß es geben, denn jeder Staat braucht Handwerker, und diese können wie in den anderen Staaten von ihrem Handwerk leben. Wenn die Bauern den Kriegern die Nahrung bereitstellen würden, wären sie mit guten Gründen ein Teil des Staates – in Wirklichkeit besitzen sie aber das Land als Privateigentum und bebauen es für ihre eigene Verwendung. Außerdem: angenommen, daß die Krieger das Gemeindeland, von dem sie den Unterhalt bekommen sollen, selber bewirtschaften, dann wäre der Unterschied von Kriegern und Bauern, den der Gesetzgeber doch beabsichtigt, aufgehoben. Falls jedoch diejenigen, die das Gemeindeland bewirtschaften (eine eigene Gruppe bilden sollen), verschieden sowohl von den (Bauern), die ihr Privatland bebauen, als auch von den Kriegern, dann werden diese eine vierte Gruppe des Staates bilden, die an nichts teilhat, sondern sich als fremd von der Verfassung ausgeschlossen fühlt. Aber wenn man annehmen soll, daß diejenigen, die ihr Privatland bewirtschaften, zugleich das Gemeindeland bewirtschaften, dann wird nur schwer eine solche Menge von Erträgen produziert werden können, daß davon jeder Bauer zwei Haushalte versorgen kann; und weshalb sollten sie dann nicht von Anfang an vom gleichen Land und den gleichen Landlosen Nahrung sowohl für sich gewinnen als auch für die Krieger beschaffen? Das alles verursacht erhebliche Verwirrung.
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Nicht gut ist auch das Gesetz über die Bildung des Richterspruches, nämlich die Vorschrift, die Richter sollten ein differenziertes Urteil abgeben, während doch die Klage einen einfachen Antrag enthält; (dieses Gesetz des Hippodamos) läßt den Richter zum Schiedsmann werden. Ein solches Verfahren ist in der Tat bei Schiedsgerichten und einer Schlichtung durch mehrere Schiedsmänner möglich, denn sie beraten sich miteinander über ihren Spruch; in Volksgerichten ist dies aber nicht möglich, sondern gerade im Gegensatz zu solchen Regelungen treffen die meisten Gesetzgeber Vorkehrungen, damit die Richter sich nicht miteinander verständigen. Außerdem: muß nicht die (abschließende) Urteilsbildung zu einem verwirrenden Durcheinander führen, wenn der Richter zur Auffassung kommt, (der Angeklagte) schulde zwar (eine Strafe), jedoch nicht in der Höhe, wie sie der Kläger beantragte? Denn dieser plädiert für zwanzig Minen, der Richter aber schlägt eine Strafe von zehn Minen vor – oder (umgekehrt) der Richter einen höheren Betrag, der Kläger einen niedrigeren –, ein anderer Richter fünf, wieder einer vier Minen, und offensichtlich werden sie nach dieser Methode unterschiedliche Bruchteile des Strafmaßes vorschlagen. Und einige Richter werden dem Strafantrag in vollem Umfange zustimmen, andere überhaupt nicht. Nach welchem Verfahren werden aber dann die Stimmen ausgezählt? Außerdem: wenn die Anklage selber ohne qualifizierende Zusätze abgefaßt ist, so zwingt ja niemand einen Richter zum Bruch des Richtereides, wenn dieser genauso ohne qualifizierenden Zusatz den Strafantrag zurückweist oder ihm stattgibt, und zwar zu Recht; denn wer gegen den Strafantrag stimmt, gibt damit nicht das Urteil ab, der Angeklagte verdiene keine Strafe, sondern nicht die beantragte Strafe von zwanzig Minen. Vielmehr bricht der seinen Richtereid, der den Angeklagten doch schuldig gesprochen hat, obwohl er der Auffassung ist, jener schulde nicht die zwanzig Minen. Durch Gesetz zu bestimmen, daß Leuten, die für den Staat etwas Nützliches finden, eine öfentliche Auszeichnung verliehen werden müsse, ist riskant und besticht das Auge nur, so-
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lange man davon hört, (aber bewährt sich nicht in der Wirklichkeit); denn dies führt zu gewohnheitsmäßigen falschen Anklagen und, wenn es soweit kommt, zum Sturz der Verfassung. Dies leitet aber zu einer anderen Fragestellung und neuen Überlegung über: einige werfen nämlich das Problem auf, ob es für die Staaten schädlich oder nützlich ist, die überkommenen Gesetze zu ändern, wenn ein neues Gesetz besser ist. Deswegen fällt es nicht leicht, dem Vorschlag des Hippodamos schnell zuzustimmen, wenn (sich die Auffassung als richtig erweisen sollte, daß) es nicht nützlich ist, die Gesetze zu ändern; es kann ja sogar vorkommen, daß einige den Vorschlag machen, der Vorteil für die Allgemeinheit liege darin, die Gesetze oder die Verfassung aufzuheben. Da wir aber diese Frage berührt haben, ist es angebracht, noch etwas ausführlicher darauf einzugehen. Denn dies ist, wie wir sagten, eine offene Frage, und es dürfte vielleicht die Auffassung geben, es sei besser, Gesetze zu ändern. In den anderen Kenntnissen war dies von Vorteil; z. B. (war von Vorteil,) daß die Medizin sich von überkommenen Vorstellungen (löste und) sich wandelte und ebenso die Gymnastik und überhaupt alle Fachkenntnisse und Fähigkeiten; da man auch die Staatskunst unter diese Fachkenntnisse rechnen muß, so muß diese (Erfahrung, daß Fortschritt Wandel voraussetzt,) folgerichtig für sie genauso gelten. Jemand könnte auch behaupten, die Tatsachen bestätigten dies; die Bräuche der Vorzeit seien nämlich allzu unbedarft und barbarisch. Denn die Griechen pflegten früher ständig Waffen zu tragen und die Bräute von einander zu kaufen; und was an altertümlichen Bräuchen noch erhalten geblieben ist, ist völlig einfältig: so sieht in Kyme ein Gesetz über Tötungsdelikte vor, daß der Angeklagte dann der Tötung schuldig ist, wenn der, der wegen der Tötung Anklage erhebt, eine bestimmte Zahl von Zeugen aus seiner Verwandtschaft aufbieten kann. Aufs Ganze gesehen suchen jedoch alle nicht das von den Vätern Überkommene, sondern das Gute. Es ist doch wahrscheinlich, daß die ersten Menschen, einerlei ob sie erdgeboren waren oder aus einer Vernichtung gerettet wurden, den gewöhnlichen und einfältigen Menschen (von heute)
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gleichzusetzen sind, wie man auch über die Erdgeborenen sagt; daher ist es unsinnig, bei deren Auffassungen stehen zu bleiben. Überdies ist es vorzuziehen, auch nicht die geschriebenen Gesetze unverändert zu lassen. Denn wie bei den anderen Fachkenntnissen so ist es auch bei der staatlichen Ordnung unmöglich, daß Vorschriften schriftlich erlassen werden, die alles genau regeln; man muß ja schriftliche Bestimmungen generell halten, die Handlungen haben es aber mit den je besonderen Einzelumständen zu tun. Diese Argumente legen offensichtlich nahe, daß einige Gesetze in bestimmten Situationen geändert werden müssen. Wenn man dieses Problem aber von einer anderen Seite her betrachtet, so scheint hier besondere Vorsicht geboten: wenn nämlich der (durch eine Gesetzesänderung erreichbare) Vorteil gering, jedoch die Gewohnheit, leichtfertig die Gesetze zu ändern, verhängnisvoll ist, dann wird klar, daß man einige Fehler sowohl der Gesetzgeber wie der Inhaber politischer Ämter durchgehen lassen muß. Denn der Nutzen einer Gesetzesänderung wird nicht durch den Schaden aufgewogen, den die Gewöhnung, den Regierenden den Gehorsam zu verweigern, verursacht. Irreführend ist auch die Analogie mit den Fachkenntnissen. Denn eine Fachkenntnis auf den neuesten Stand zu bringen und ein Gesetz zu ändern, ist nicht gleichzusetzen: um Gehorsam zu finden, besitzt das Gesetz nämlich keine Machtmittel außer der Gewohnheit, (ihm zu folgen); diese bildet sich aber nur in langer Zeit aus, so daß das leichtfertige Auswechseln bestehender gegen davon verschiedene neue Gesetze eine Schwächung der eigentlichen Machtmittel der Gesetze bedeutet. Außerdem: wenn man schon Gesetze ändern muß, soll man dann alle und die in jeder Verfassung gültigen ändern oder nicht? Und soll dies durch jeden Beliebigen oder nur durch bestimmte Leute geschehen? Denn das macht doch einen beträchtlichen Unterschied. Deswegen wollen wir jetzt diese Untersuchung abbrechen, denn sie ist etwas für andere Gelegenheiten.
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Kapitel 9. Bei der Verfassung der Spartaner und der kretischen und wohl auch bei den anderen Verfassungen sind zwei Fragen zu untersuchen, erstens: wurde diese oder jene gesetzliche Regelung gemessen an der besten Verfassung richtig oder nicht richtig getroffen, zweitens: läuft sie der grundsätzlichen Ausrichtung und spezifischen Form der ihnen als Ziel gesetzten Verfassung zuwider? Es herrscht darüber Einigkeit, daß in einem Staat, der sich einer guten politischen Ordnung erfreuen soll, die Bürger ein Leben der Muße, unbelastet von den Tätigkeiten, die der Sicherung der Lebensbedürfnisse dienen, leben müssen. Aber wie diese Muße gesichert werden kann, läßt sich nicht leicht herausfinden. Nicht nur haben sich bei den Thessalern häufig die Penesten gegen die thessalischen Herren erhoben, sondern auch die Heloten gegen die Spartiaten – sie lauern sozusagen fortwährend im Hinterhalt auf deren Unglücksfälle. Bei den Kretern gibt es allerdings noch keine Vorfälle dieser Art; der Grund dafür ist vielleicht, dass keiner der benachbarten Staaten trotz ihrer ständigen Kriege gegeneinander die aufsässigen (Sklaven) unterstützt; denn dies wäre für sie nicht von Vorteil, da sie selber Periöken haben; die Spartaner hatten jedoch alle Nachbarn zu erbitterten Feinden: die Bewohner der Argolis, die von Messenien und die Arkader. Und auch (die Penesten) erhoben sich bei den Thessalern zu Anfang, weil diese noch in Kriege mit den Nachbarn, den Achäern, Perrhaebern und den Einwohnern von Magnesia, verwickelt waren. Abgesehen von anderem, scheint die Behandlung der Heloten, ich meine die Art, wie man mit ihnen umgehen soll, von Schwierigkeiten geplagt zu sein. Denn läßt man die Zügel locker, dann benehmen sie sich anmaßend und fordern für sich die gleichen Rechte, wie sie ihre Herren besitzen. Wenn sie aber ein Leben voller Beschwernisse und Leiden führen müssen, dann sinnen sie auf Anschläge (gegen ihre Herren) und sind von Haß erfüllt. Die Spartaner, die solchen (Schwierigkeiten mit den Heloten) ausgesetzt sind, haben offensichtlich nicht die beste Methode (der Behandlung der Heloten) gefunden.
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Ferner beeinträchtigt das ungezügelte Leben der Frauen (die Möglichkeit), nicht nur das selbstgesetzte Ziel dieser Verfassung zu erreichen, sondern auch erst recht das Glück zu verwirklichen. Denn wie Mann und Frau ein Teil des Hauses sind, so muß man auch anerkennen, daß der Staat nahezu in (die beiden Teile) Männer und Frauen, zerfällt; wenn es nun in Verfassungen um die Frauen schlimm steht, dann muß man auch anerkennen, daß in ihnen die Hälfte des Staates der Gesetzgebung nicht unterworfen ist, und dies ist dort tatsächlich eingetreten. Denn der Gesetzgeber wollte erreichen, daß der ganze Staat standhafte Härte besitzt, und er hat dies, soweit es die Männer angeht, offensichtlich auch verwirklicht; bei den Frauen hat er dies jedoch völlig vernachlässigt, denn sie leben zügellos einer jeden Unbeherrschtheit nachgebend und in weichlichem Genuß. Deswegen muß unter einer solchen Verfassung Reichtum in hohem Ansehen stehen, besonders wenn auch noch die Männer von Frauen beherrscht sind, wie dies bei den meisten Völkern der Fall ist, die ein Soldatenleben führen und kriegerisch sind – eine Ausnahme bilden die Kelten oder andere Völker, falls es noch einige gibt, bei denen erotische Beziehungen zwischen Männern offen hohe Anerkennung genießen. Denn nicht ohne tieferen Sinn scheint derjenige, der zuerst diesen Mythos erzählte, Ares und Aphrodite vereinigt zu haben. Denn alle solche (kriegerischen) Naturen sind von einer besonderen Leidenschaft entweder zum Verkehr mit Männern oder mit Frauen beherrscht. Deswegen traf dies auch bei den Spartanern zu, und zur Zeit ihrer führenden Machtstellung unterstanden viele Angelegenheiten der Verantwortung der Frauen. Aber was ist der Unterschied, ob die Frauen herrschen oder sich die herrschenden Männer von ihren Frauen beherrschen lassen? Es läuft auf das gleiche hinaus. Und während dreiste Entschlossenheit für keine der täglichen Aufgaben von Vorteil ist, sondern, wenn irgendwo, dann nur für den Krieg, so waren die spartanischen Frauen auch in solchen Situationen höchst hinderlich und schädlich. Das bewiesen sie bei dem Einfall der Thebaner. Denn sie waren ganz und gar nicht von Nutzen, wie (dies die Frauen) in anderen Staaten
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(im Kampfe doch sein können), sondern richteten mehr Verwirrung als die Feinde an. Es scheint nun gute Gründe dafür zu geben, daß bei den Spartanern sich am Anfang eine freie und ungebundene Stellung der Frauen ausgebildet hat; denn die Männer hielten sich wegen der Feldzüge lange Zeit außerhalb des Landes auf, in dem Krieg gegen die Argiver und dann wieder dem gegen Arkader und Messenier. Nachdem sie aber von den Kriegen zur Ruhe gekommen waren, boten sie sich aufgrund ihres kriegerischen Lebens für (das Wirken des) Gesetzgebers günstig vorbereitet; denn das Kriegsleben enthält viele Einzelzüge der menschlichen Tüchtigkeit. Dagegen sagt man, daß Lykurg versucht habe, die Frauen der Kontrolle der Gesetze zu unterwerfen, und als diese sich anhaltend widersetzten, habe er aufgegeben. Das sind nun die Ursachen für diese Vorgänge und offensichtlich auch für den genannten Mißstand. Aber wir untersuchen nicht, wem man verzeihende Nachsicht entgegenbringen muß und wem nicht, sondern ob dieser Zustand zweckmäßig und richtig ist oder nicht. Wenn es mit den Frauen schlecht steht, so scheint das, wie oben bemerkt wurde, nicht nur dem Ruf der Verfassung selber einer gewissen Makel anzuhängen, sondern in gewisser Weise auch die Geldgier zu fördern. Im Anschluß an diese Bemerkungen könnte man Kritik an der Unausgewogenheit der Besitzverteilung üben; denn es kam bei ihnen dazu, daß die einen sehr viel Vermögen besaßen, andere aber sehr wenig; so gelangte der Grundbesitz in die Hände weniger Bürger. Hier sind aber auch durch die Gesetze schlechte Regelungen getroffen worden. Denn während der Gesetzgeber mit einem Makel belegt hat, Land zu kaufen oder den einem gehörenden Boden zu verkaufen – und dies mit vollem Recht –, hat er es freigestellt, diesen, wem man will, zu verschenken oder als Erbe zu hinterlassen. Beides hat jedoch notwendigerweise die gleichen Auswirkungen. Es gehören auch ungefähr zwei Fünftel des ganzen Landes den Frauen, einmal weil häufig das Erbe an die Töchter fällt, und außerdem, weil man große Mitgiften gibt. Vorzuziehen wären
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jedoch gesetzliche Regelungen, die vorschreiben, daß Mitgiften ganz untersagt sind oder eine sehr geringe oder allenfalls mittlere Größe betragen dürften. In Sparta ist (dagegen keine Beschränkung vorgesehen), es ist vielmehr erlaubt, daß (ein Vater) die Erbtochter dem Mann seiner Wahl zur Frau gibt, und wenn er stirbt, ohne im Testament eine Verfügung getroffen zu haben, dann verheiratet derjenige, den er als Verfügungsberechtigten hinterläßt, die Erbtochter mit dem Mann, für den er sich entscheidet. Obwohl das Land die Voraussetzungen bietet, 1500 Reiter und 30 000 Hopliten zu ernähren, waren es (schließlich) nicht einmal eintausend. Und die Ereignisse haben bewiesen, daß es bei ihnen mit diesen Regelungen (über den Besitz) schlecht bestellt war. Denn der spartanische Staat war nicht in der Lage, auch nur einen einzigen schweren Schlag zu überstehen, sondern er ging wegen der geringen Zahl an Bürgern zugrunde. Es wird aber berichtet, daß sie unter den früheren Königen Bürgerrechte (an Nichtbürger) verliehen, so daß damals kein Mangel an Bürgern herrschte, obwohl sie auf längere Zeit Kriege führten; und man sagt, daß es damals sogar zehntausend spartanische Bürger gegeben habe. Mag dies nun wahr sein oder nicht, vorzuziehen ist jedenfalls, daß der Staat durch ausgeglichene Besitzverhältnisse für eine große Zahl von Bürgern sorgt. Aber einer solchen Verbesserung (der Bürgerzahl) wirkte das Gesetz, das zur Steigerung der Kinderzahl ermuntert, gerade entgegen. Denn da der Gesetzgeber will, dass die Zahl der spartanischen Bürger möglichst groß sein sollte, schafft er den Bürgern Anreize, möglichst viele Kinder zur Welt zu bringen. So gibt es bei ihnen ein Gesetz, daß derjenige, der drei Söhne gezeugt hat, vom Kriegsdienst freigestellt wird, und der mit vier Söhnen von allen Verpflichtungen gegen den Staat entbunden ist. Aber es ist doch klar, daß bei einer großen Kinderzahl und bei einer solchen Verteilung des Landbesitzes viele in Armut geraten müssen. Aber auch um das Ephorenamt steht es schlecht. Dieses Amt hat bei ihnen zweifellos die wichtigsten Befugnisse; die Ephoren werden aber aus dem gesamten Demos gewählt, so
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daß häufig sehr arme Leute in dieses Amt gelangen, die sich dann wegen ihrer persönlichen Notlage als käuflich erwiesen. Sie haben dies auch früher häufig gezeigt und auch kürzlich bei den Vorgängen in Andros: einige Ephoren, die sich bestechen ließen, haben, soweit es von ihnen abhing, den ganzen Staat dem Verderben preisgegeben. Und weil ihr Amt allzu mächtig ist und Befugnisse hat, die denen eines Tyrannen vergleichbar sind, waren sogar die Könige gezwungen, um ihre Gunst zu buhlen. Auch dies wirkte sich als verhängnisvoll für die Verfassung aus; denn aus einer Aristokratie entwickelte sich eine Demokratie. Das Ephorenamt bildet nun zwar das einigende Band der Verfassung, denn der Demos hält Ruhe, weil ihm der Zugang zu dem wichtigsten Amt offensteht; daher ist dieses (Recht) – einerlei ob sie es durch das (bewußte Wirken des) Gesetzgebers oder durch glückliche Fügung erhielten – vorteilhaft für die (politischen) Verhältnisse. Denn wenn eine Verfassung Dauer haben soll, ist es unabdingbar, daß alle Teile des Staates ihre Existenz und ihren unveränderten Bestand wünschen. Für die Könige trifft dies wegen ihres hohen Amtes zu, für die besseren Kreise wegen ihrer Zugehörigkeit zum Rat der Alten – denn dieses Amt ist Lohn und Preis für ihre besondere Qualität –, für das Volk wegen des Ephorenamtes – denn die Ephoren werden aus der Gesamtzahl der Bürger bestellt. Das Ephorat sollte in der Tat durch Wahl aus dem Kreis aller besetzt werden, jedoch nicht nach der Methode, die man jetzt anwendet, denn diese ist allzu kindisch. Außerdem liegen bei den Ephoren die Vollmachten für weitreichende Entscheidungen, und doch kann jeder Beliebige dieses Amt bekleiden; deswegen wäre es besser, wenn sie nicht nach eigenem Gutdünken Entscheidungen fällen könnten, sondern schriftlich niedergelegten Gesetzen folgen müßten. Aber auch der Lebenswandel der Ephoren steht nicht in Einklang mit der Zielsetzung des Staates. Denn ihr Lebenswandel ist allzu zügellos; dagegen geht bei den anderen Bürgern die Übertreibung eher in Richtung auf zu große Härte, so daß sie (solchen Anforderungen) nicht standhalten können, sondern sich heimlich dem Gesetz entziehen und dem Genuß körperlicher Vergnügungen ergeben.
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Aber auch um die Institution des Rates der Alten steht es bei ihnen nicht gut. Denn wenn dessen Mitglieder Männer von hoher charakterlicher Qualität wären, die auch hinreichend zu aufrecht mannhafter Haltung erzogen sind, könnte man wohl sagen, daß dieses Amt für den Staat von Nutzen sei; daß aber dessen Inhaber bis zum Lebensende die Vollmacht zu weitreichenden Entscheidungen behalten, ist bedenklich, denn es gibt wie beim Körper so auch beim Geist Alterserscheinungen. Außerdem erhielten sie eine Erziehung, bei der der Gesetz geber selber ihnen nicht traut, da er sie nicht für gut hält; (unter dieser Voraussetzung) stellen (die unkontrollierten Vollmachten der Mitglieder des Rates) eine Gefahr da. Es ist aber auch bekannt, daß seine Inhaber sich bestechen ließen und sich in vielen öffentlichen Angelegenheiten von persönlicher Gunst leiten ließen. Deswegen wäre es vorzuziehen, daß sie nicht von einer abschließenden Kontrolle ihrer Amtsführung ausgenommen sind – sie sind es jedoch. Es könnte aber der Eindruck bestehen, daß die Behörde der Ephoren die Kontrolle über alle anderen politischen Organe ausübt, jedoch hat man damit den Ephoren ein zu großes Geschenk gemacht, und wir meinen nicht eine Kontrolle dieser Art, wenn wir sagen, daß Personen, die Machtpositionen innehatten, einer Kontrolle unterworfen werden müßten. Außerdem ist die Wahl der Geronten im Hinblick auf das Verfahren der Entscheidung kindisch, und es ist auch nicht zweckmäßig, daß jemand, der dieses Amtes für würdig befunden werden soll, sich selber darum bewirbt. Denn wer dieses Amt zu bekleiden verdient, der muß es bekleiden, ob er will oder nicht. Hier aber tut der Gesetzgeber offensichtlich das gleiche wie auch sonst in der Verfassung: er entwickelt Ehrgeiz in den Bürgern und macht sich diesen bei der Wahl der Geronten zunutze; denn ohne Ehrgeiz dürfte niemand ein öffentliches Amt anstreben. Aber aus Ehrgeiz und Geldgier kommt es bei den Menschen so ziemlich zu den meisten freiwillig begangenen ungerechten Handlungen. Ob es nun für die Staaten vorteilhafter ist, daß sie von Königen regiert werden, oder nicht, soll Gegenstand einer ande-
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ren Untersuchung sein; aber auf jeden Fall ist es vorzuziehen, (Könige) nicht (nach den Kriterien zu ernennen), wie es jetzt (in Sparta) geschieht, sondern jeder König sollte nach seiner Lebensführung gewählt werden. Es ist aber klar, daß der Gesetzgeber selber nicht glaubt, er könne die Könige zu wirklich guten Männern machen; denn er traut ihnen nicht, da er sie nicht als hinreichend gute Männer ansieht. Deswegen haben (die Spartaner) immer die persönlichen Gegner der Könige gleichzeitig als Teilnehmer von Gesandtschaften mit ausgeschickt, und sie betrachteten den Machtkampf unter den Königen als Rettung des Staates. Derjenige, der die gemeinsamen Mahlzeiten, die sogenannten Phiditien, begründet hat, hat auch darüber keine zweckmäßigen gesetzlichen Regelungen erlassen. Denn (der Aufwand für) diese gemeinschaftliche Einrichtung sollte eher aus gemeinsamen Beiträgen bestritten werden wie in Kreta. Bei den Spartanern muß dagegen jeder Einzelne (seinen Anteil) einbringen, obwohl doch einige sehr arm sind und diesen Aufwand nicht bestreiten können. Daher tritt als Ergebnis das Gegenteil von dem ein, was der Gesetzgeber beabsichtigt. Die Einrichtung der gemeinsamen Mahlzeiten soll nämlich ein demokratisches Element sein, aber bei der eben beschriebenen gesetzlichen Regelung erweist sie sich am allerwenigsten als demokratisch. Denn für die sehr Armen ist es nicht leicht, an ihnen teilzunehmen; in Sparta ist es jedoch die althergebrachte Bestimmung des Bürgerrechtes, daß der, der diesen Beitrag nicht aufbringen kann, nicht am Bürgerrecht teilhat. Einwände gegen das Gesetz über die Flottenkommandatur haben auch schon andere vorgetragen, und dies mit Recht; es erweist sich nämlich als Ursache von Auseinandersetzungen. Denn neben den Königen, die Feldherrn auf unbeschränkte Zeit sind, ist das Amt des Flottenkommandanten sozusagen als ein zweites Königtum eingerichtet worden. Gegen die Ausrichtung (der Verfassung) durch den Gesetzgeber könnte man aber auch das kritisch einwenden, was auch Plato in den Gesetzen kritisiert hat: die gesamte Ausrichtung der spartanischen Gesetze zielt nur auf einen Teil menschli-
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cher Vorzüglichkeit, auf kriegerische Tüchtigkeit; denn diese ist von Nutzen, um zu siegen. Deswegen behaupteten sich die Spartaner, solange sie in Kriege verwickelt waren, sie gingen aber zugrunde, nachdem sie Herrschaft (über andere) errungen hatten, weil sie es nicht verstanden, ein ruhiges Leben ohne Krieg zu führen, und nichts anderes und Wichtigeres betrieben hatten als Übungen für den Krieg. Nicht weniger schlimm als dies ist aber der folgende Fehler: während sie nämlich – und zwar zu Recht – der Auffassung sind, die Güter, um die die Menschen kämpfen, würden eher durch menschliche Tüchtigkeit als durch Schlechtigkeit erworben, stellen sie diese Güter über menschliche Tüchtigkeit – zu Unrecht. Schlecht steht es bei den Spartiaten auch mit den öffentlichen Finanzen: ihre Staatskasse ist leer, obwohl sie aufwendige Kriege zu führen gezwungen sind, und sie sind schlechte Steuerzahler. Denn weil der größte Teil des Landes den Spartiaten gehört, kontrollieren sie nicht gegenseitig ihre Zahlungen. Daraus folgt für den Gesetzgeber das Gegenteil von dem, was nützlich ist. Den Staat hat er mittellos werden lassen, die Privatleute aber geldgierig. Soviel soll über die Verfassung der Spartaner gesagt sein, denn dies sind die wichtigsten Kritikpunkte. Kapitel 10. Die kretische Verfassung kommt dieser sparta nischen nahe, und einige wenige Einrichtungen (dort) sind (sicherlich) nicht schlechter, der größere Teil ist aber doch weniger vollkommen ausgebildet. Denn es sieht so aus und wird auch so dargestellt, daß die Verfassung der Spartaner in den meisten Einrichtungen der kretischen nachgebildet ist – die meisten Dinge, die der weit zurückliegenden Vergangenheit angehören, sind aber grober gestaltet als die der neueren Zeit. Man sagt nämlich, daß Lykurg, nachdem er seine Vormundschaft über den König Charillos niedergelegt und das Land verlassen hatte, sich damals lange Zeit in Kreta aufgehalten habe, weil dorthin verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. Denn die Bewohner von Lyktos waren lakonische Siedler; diejenigen, die in die neue Siedlung ausgewandert wa-
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ren, übernahmen die unter den damaligen Bewohnern gültige Gesetzesordnung; deswegen wenden die Periöken diese auch jetzt noch in der gleichen Weise an, denn (so heißt es) es sei Minos gewesen, der als erster diese Gesetzesordnung gegeben habe. Die Insel (Kreta) scheint von Natur auch für die Herrschaft über die Griechen geeignet und günstig gelegen zu sein. Denn sie hat eine das gesamte Meer dominierende Lage, die Wohnsitze beinahe aller Griechen liegen aber um das Meer herum. Kreta ist auf der einen Seite nicht weit von der Peloponnes entfernt, und auf der anderen, der asiatischen Seite nur wenig entfernt von dem Gebiet um Triopion und von Rhodos. Deswegen gewann auch Minos die Herrschaft über das Meer, und zum Teil unterwarf er sich die Inseln, zum anderen Teil besiedelte er sie. Schließlich aber unternahm er einen Angriff gegen Sizilien und starb dort im Gebiet um Kamikos. Die kretische Ordnung weist folgende Entsprechungen zu der der Spartaner auf: bei diesen bebauen die Heloten das Land, bei den Kretern dagegen die Periöken; gemeinsame Mahlzeiten gibt es bei beiden, und früher wenigstens bezeichneten die Spartaner diese nicht »Phiditien«, sondern »Andreia«, so wie die Kreter – auch das verdeutlicht, daß diese Einrichtung von dort stammt. Auch die Verfassungsordnung (Kretas zeigt Entsprechungen zur spartanischen): die Ephoren haben die gleichen Machtbefugnisse wie die Beamten, die man in Kreta »Kosmoi« nennt, außer daß die Ephoren ein Kollegium von fünf Männern, die Kosmoi eines von zehn Männern bilden. Und die Geronten (in Sparta entsprechen) den Geronten, die die Kreter den »Rat« nennen. Ein Königsamt gab es zwar früher (in Kreta wie heute noch in Sparta), später haben es die Kreter aber abgeschafft; den Oberbefehl im Kriege haben (bei ihnen) die Kosmoi inne. Alle Bürger haben das Recht zur Teilnahme an der Volksversammlung, diese besitzt aber nur die Machtbefugnis, die Beschlüsse der Geronten und der Kosmoi in einer Abstimmung zu bestätigen. Das System der Syssitien bei den Kretern ist dem der Spartaner überlegen. Denn in Sparta entrichtet jeder persönlich
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den vorgeschriebenen Beitrag, und wenn er dazu nicht in der Lage ist, schließt ihn ein Gesetz von der Teilnahme an den verfassungsmäßigen Rechten aus, wie schon früher bemerkt wurde, in Kreta werden dagegen die Aufwendungen eher von der Gemeinde bestritten; denn vom Staatsland, von allen seinen Felderträgen und dem (dort weidenden) Vieh, und von den Abgaben, die die Periöken entrichten, ist der eine Teil für die Götter und die öffentlichen Aufgaben bestimmt, der andere für die gemeinsamen Mahlzeiten, so daß alle, Frauen, Kinder und Männer, aus öffentlichen Mitteln ernährt werden. Der Gesetzgeber hat aber auch vieles ersonnen, damit sie sich mit wenig Nahrung begnügen, weil er dies für nützlich hielt; und damit sie nicht viele Nachkommen (die ernährt werden müßten) zur Welt bringen, hat er Vorkehrungen zur Trennung der (Männer von den) Frauen getroffen, indem er stattdessen den Verkehr unter Männern einführte – eine Prüfung, ob dies schlecht ist oder nicht, muß einer anderen Gelegenheit vorbehalten bleiben. Es ist nun offensichtlich, daß jedenfalls das System der Sys sitien bei den Kretern besser geregelt ist als bei den Spartanern. Aber das Kollegium der Kosmoi weist noch mehr Mängel auf als das der Ephoren; die Nachteile, die dem Amt der Ephoren anhaften, finden sich auch bei den Kosmoi – denn jeder Beliebige gelangt in dieses Amt; was aber dort für (den Bestand) der Verfassung von Nutzen ist, wird hier nicht befolgt. Weil nämlich dort jedem Bürger die Wahl (zu diesem Amt) offensteht, wünscht der Demos, der Zugang zum höchsten Amt hat, den Fortbestand der Verfassung. Hier (in Kreta) wählt man die Kosmoi dagegen nicht aus allen Bürgern, sondern nur aus bestimmten Familien, und die Geronten wählt man aus dem Kreis derer, die zuvor das Amt der Kosmoi bekleidet haben – über sie könnte man die gleichen Bemerkungen machen wie über die (Regelungen) in Sparta: dadurch daß sie von einer abschließenden Rechenschaftspflicht befreit sind und lebenslang ihr Amt führen können, ist ihnen ein Privileg eingeräumt, das über das hinausgeht, was sie verdienen. Und es ist gefährlich, daß sie ihr Amt nicht auf der Grundlage ge-
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schriebener Vorschriften, sondern nach eigenem Gutdünken ausüben. Weiterhin ist die Tatsache, daß (in Kreta) der Demos, der nicht an der Macht beteiligt ist, doch Ruhe hält, kein Indiz für eine gute politische Ordnung. Denn persönlichen Gewinn, wie die Ephoren, haben die Kosmoi (nur deswegen) nicht, weil sie auf einer Insel, fern von Leuten, die sie bestechen könnten, wohnen. Die Abhilfe, die sie für den erwähnten Mißstand suchen, ist töricht und nicht für ein geordnetes Staatswesen geeignet, sondern paßt zur Willkürherrschaft einer kleinen Gruppe: häufig werden die Kosmoi abgesetzt, nachdem sogar einige ihrer Kollegen oder auch Privatleute sich verschwörerisch gegen sie zusammengeschlossen haben. Es ist den Kosmoi auch erlaubt, mitten während der Amtsperiode zurückzutreten. Aber vorzuziehen wäre, daß dieses alles nach gesetzlichen Regeln und nicht nach dem Wünschen von Menschen abläuft, denn dies ist keine verläßliche Richtschnur. Das Schlimmste von allem ist aber, daß häufig mächtige Persönlichkeiten, wenn sie sich einer Verurteilung entziehen wollen, die Amtsgewalt der Kosmoi außer Kraft setzen. Das zeigt, daß die (kretische) Ordnung zwar Merkmale einer Verfassung aufweist, aber keine Verfassung, sondern eher eine Willkürherrschaft einzelner mächtiger Leute ist. Sie pflegen nämlich (die Bürgerschaft) auseinanderzudividieren und aus dem Demos und ihren Anhängern Parteiungen zu bilden und dann den Zustand politischer Führungslosigkeit herbeizuführen, einen Bürgerkrieg anzuzetteln und gegeneinander zu kämpfen. Aber ein solcher Zustand ist doch nichts anderes, als daß ein solcher Staat für eine bestimmte Frist nicht mehr als Staat gelten kann, vielmehr befindet sich die verfassungsmäßig geordnete Gemeinschaft in Auflösung. In einem solchen Zustand ist aber ein Staat gefährdet, da dann diejenigen, die (das Land) angreifen wollen, auch die Möglichkeit dazu haben. Aber, wie gesagt, Kreta wird durch seine geographische Lage geschützt; denn seine Abgelegenheit hat die Wirkung der (in Sparta betriebenen) Vertreibung von Fremden aus dem Lande. Deswegen bleibt bei den Kretern auch die Institution der Periöken uner-
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schüttert, während (in Sparta) die Heloten häufig aufbegehren. Denn die Kreter gehören nicht einem Herrschaftsbereich außerhalb ihrer Insel an, und erst vor kurzem griff ein Krieg von Fremden auf diese Insel über und hat die Schwäche der dort gültigen Gesetze offenbar gemacht. Damit soll unsere Besprechung der kretischen Verfassung abgeschlossen sein. Kapitel 11. Auch die Karthager stehen in dem Rufe, sich einer guten politischen Ordnung zu erfreuen, die, verglichen mit anderen, in vielen Dingen einen außergewöhnlichen Charakter hat, in einigem aber am ehesten der der Spartaner nahekommt. Denn diese drei Verfassungen, die kretische, die spartanische und als dritte die der Karthager, sind in gewisser Weise untereinander eng verwandt und weisen gegenüber den anderen beträchtliche Unterschiede auf. Sie (alle) haben viele gute Einrichtungen. Ein Indiz für die gelungene Ordnung einer Verfassung liefert die Tatsache, daß der Demos an der verfassungsmäßigen Ordnung festhält und es weder innenpolitische Unruhen gab, die überhaupt Erwähnung verdienen, noch ein Tyrann an die Macht kam. (Die karthagische Verfassung) weist nun (in folgenden Institutionen) Ähnlichkeiten mit der spartanischen auf: in den gemeinsamen Mahlzeiten der Hetairien mit den (spartanischen) Phiditien, in dem Amt der Einhundertundvier mit den Ephoren – allerdings steht es damit in Karthago nicht schlechter, denn es sind die ersten Besten, aus denen (in Sparta die Ephoren) stammen, während sie jenes Amt der Einhundertundvier nach der höchsten Eignung durch Wahl besetzen; in den Königen und der Gerusia hat die karthagische Verfassung eine Entsprechung zu den Königen und Geronten (in Sparta); Vorzug verdient auch (die Regelung in Karthago, die vorsieht), daß die Könige nicht (immer) aus der gleichen und gerade der ersten besten Familie stammen, daß vielmehr, wenn eine Familie sich besonders auszeichnet, (die Könige) aus ihrer Mitte, und eher durch Wahl als nach dem Alter (ernannt werden). Denn da ihnen Vollmachten über wichtige Angelegenheiten übertragen
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sind, richten sie, falls sie untauglich sind, großen Schaden an und (die spartanischen Könige) haben schon dem Staat der Spartaner geschadet. Die meisten Einrichtungen, die wegen verfehlter Regelungen getadelt werden könnten, finden sich bei allen genannten Verfassungen gemeinsam; aber diejenigen, die das Prinzip der Aristokratie oder Politie verletzen, haben eine Neigung teils mehr zur Demokratie, teils zur Oligarchie. Denn das Privileg, bestimmte Angelegenheiten vor die Volksversammlung zu bringen, andere dagegen nicht, haben die Könige im Verein mit den Geronten, falls alle einer Meinung sind, andernfalls entscheidet der Demos auch über diese Gegenstände. Wenn jene (Könige und Geronten) Angelegenheiten an die Volksversammlung verweisen, dann räumen sie dem Demos nicht nur das Recht ein, die Beschlüsse der Amtsträger anzuhören, sondern die Leute aus dem Volk besitzen die Vollmacht zu entscheiden, und jeder, der will, kann den Anträgen, die an die Volksversammlung verwiesen wurden, widersprechen, was in den (beiden) anderen Verfassungen nicht gestattet ist. Oligarchisch sind dagegen die Regelungen, die vorsehen, daß die Kollegien von fünf Beamten, die viele bedeutsame Befugnisse haben, von ihren Mitgliedern selber durch Wahl ergänzt werden und daß sie die Mitglieder des Gremiums der Einhundert, des wichtigsten Amtes, wählen, ferner, daß sie über einen längeren Zeitraum als die anderen Behörden im Amte sind – denn sie führen Amtsgeschäfte nach dem Ausscheiden aus dem Amt und vor Antritt des Amtes; dagegen muß man es für eine aristokratische Einrichtung halten, daß die Ämter nicht besoldet sind und nicht durch Los besetzt werden, genauso wie andere Regelungen, besonders auch diejenige, daß alle Rechtssachen von den Ämtern entschieden werden – und nicht wie in Sparta jeweils bestimmte Rechtssachen von jeweils eigenen Ämtern. Die Verfassungsordnung der Karthager weicht infolge einer Auffassung, die von den meisten gebilligt wird, von der Aristo kratie besonders zur Oligarchie hin ab: sie glauben nämlich, daß man die Regierenden nicht nur nach der persönlichen
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Qualität wählen dürfe, sondern auch nach dem Vermögen; es sei nämlich ausgeschlossen, daß derjenige, der in beengten materiellen Verhältnissen lebt, in der richtigen Weise ein Amt bekleiden und (als Voraussetzung dafür) ein Leben frei von niedrigen Tätigkeiten führen könne. Wenn nun eine Wahl der Amtsträger nach dem Vermögen charakteristisch für eine Oligarchie, die Wahl nach der persönlichen Qualität aber charakteristisch für eine Aristokratie ist, dann dürfte das System, nach dem bei den Karthagern die Verfassung geordnet ist, eine dritte Form darstellen: denn sie achten bei Wahlen auf diese beiden Merkmale und besonders bei der Wahl der Inhaber der wichtigsten politischen Organe, der Könige und der Strategen. Man muß aber diese Abweichung von der Aristokratie für einen Fehlgriff des Gesetzgebers halten. Denn es ist eines der grundlegendsten Erfordernisse, von Anfang an dafür zu sorgen, daß die Besten ein Leben der Muße führen können und in keiner Weise unwürdig beschäftigt sind – und dies gilt nicht nur während der Zeit der Amtsführung, sondern auch für ihr Privatleben. Wenn man aber schon auf den Wohlstand (der Amtsbewerber) achten muß, damit ihre Muße gesichert ist, so ist es doch schlimm, daß so die wichtigsten Staatsämter, das des Königs und der Strategen, käuflich sind. Denn ein Gesetz, das dies vorsieht, verleiht eher dem Reichtum hohes Ansehen als der persönlichen Qualität und macht den ganzen Staat geldgierig; den Wertvorstellungen der führenden Schicht schließen sich ja zwangsläufig auch die übrigen Bürger mit ihren Auffassungen an. Wenn aber nicht die persönliche Qualität im höchsten Ansehen steht, dann kann der aristokratische Charakter ihrer Verfassung nicht fest gegründet sein. Denn es ist verständlich, daß Leute, die (Ämter) kaufen, sich daran gewöhnen, (aus ihrer politischen Tätigkeit) Gewinn zu ziehen, zumal wenn das Amt mit eigenen Aufwendungen verbunden ist. Wenn schon ein armer Mann, selbst wenn er einen redlichen Charakter hat, den Wunsch hat, sich zu bereichern, dann wäre es widersinnig (zu erwarten), daß einer, der schlechter ist, nach allen seinen Ausgaben nicht den Wunsch haben soll, das gleiche zu tun. Deswegen sollen diejenigen, die die Fä-
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higkeit haben, am besten zu herrschen, auch tatsächlich die Herrschaft ausüben. Wenn der Gesetzgeber schon den Wohlstand der tüchtigen Leute außer acht gelassen hat, so wäre es immerhin doch seine Pflicht, dafür zu sorgen, daß wenigstens die Amtsträger ein Leben ohne erniedrigende Tätigkeit führen können. Als schlecht muß aber wohl auch angesehen werden, daß ein und derselbe Mann mehrere Ämter bekleiden kann, was bei den Karthagern hoch angesehen ist. Jedoch ist es immer nur eine Tätigkeit, die ein Einzelner am besten erledigen kann. Und der Gesetzgeber hat darauf zu achten, daß dies tatsächlich auch geschieht, und nicht anzuordnen, daß ein und derselbe Mann Flötist und Schuster ist. Wo eine Bürgerschaft nicht (zu) klein ist, entspricht es daher eher dem Interesse der Bürger, daß eine größere Anzahl von ihnen Zugang zu den Ämtern hat, und dies kommt auch den Interessen des Volks mehr entgegen. Es fördert, wie schon gesagt, mehr den Zusammenhalt der Gemeinschaft, und jede Tätigkeit kann mit besserem Ergebnis und schneller erfüllt werden, wenn jeder immer nur die gleichen Aufgaben wahrnimmt. Dies zeigt sich im Kriegs- und Seewesen, denn in beiden Bereichen gehen Herrschen und Beherrschtwerden sozusagen durch alle (Ränge). (In Karthago), wo die Verfassung einen oligarchischen Charakter hat, entgehen die Machthaber sehr geschickt der Gefahr innenpolitischer Unruhen: sie ermöglichen es, daß immer ein Teil des Demos zu Reichtum kommt, indem sie diesen in die abhängigen Städte entsenden; denn dadurch beheben sie die Mängel der Verfassung und machen diese dauerhaft. Aber diese Abhilfe nutzt die zufälligen Glücksumstände, es sollten aber (die Einrichtungen) des Gesetzgebers sein, deretwegen (die Bürger) keine Neigung zu politischen Unruhen haben. Wie aber die Dinge liegen, gibt es, wenn ein unglückliches Ereignis eintritt und die große Zahl der Regierten sich erhebt, in den Gesetzen keine Heilmittel, um Ruhe herzustellen. So steht es um die Verfassung der Spartaner, die kretische Verfassung und die der Karthager, die mit Recht hohes Ansehen genießen.
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Kapitel 12. Eine Gruppe von Männern, die Auffassungen zur Verfassungsordnung dargelegt haben, war überhaupt nie in der praktischen Politik tätig, sondern führte ununterbrochen das Leben als Privatmänner – wenn sie bemerkenswerte Vorschläge gemacht haben, dann ist so ziemlich über alle schon berichtet worden. Eine andere Gruppe war aber Gesetzgeber, davon die einen für ihre eigenen, die anderen auch für fremde Staaten; diese waren selber politisch tätig. Von ihnen waren wiederum einige nur Schöpfer von Gesetzen, andere gaben aber auch eine Verfassung, so wie Lykurg und Solon; denn diese haben Gesetze und Verfassungen gegeben. Die Verfassung der Spartaner ist behandelt worden (nicht jedoch die Athens); über Solon vertreten einige die Auffassung, er sei ein hervorragender Gesetzgeber gewesen; denn er habe die allzu unbeschränkte Oligarchie beseitigt, der Knechtschaft des Volkes ein Ende gesetzt und die Demokratie der Väter begründet, indem er der Verfassung die richtige Mischung gab. Denn der Rat auf dem Areopag stelle ein oligarchisches Element dar, die Besetzung der Staatsämter durch Wahl sei aristokratisch, und die Geschworenengerichte eine demokratische Institution. Man muß aber als wahrscheinlich ansehen, daß Solon den Rat und die Besetzung der Ämter durch Wahl, vorher bestehende Einrichtungen, nicht beseitigte, jedoch den Demos (als politische Kraft) begründet hat, indem er allen den Zugang zu den Gerichten eröffnete. Deswegen tadeln ihn auch einige: Er habe das andere (nicht demokratische) Verfassungselement beseitigt, indem er das Gericht, das durch Los besetzt wird, zur entscheidenden Instanz in allen Angelegenheiten machte. Nachdem nämlich dieses (Gericht) seine Macht gefestigt hatte, haben (Einzelne) sich dem Demos wie einem Tyrannen gefällig erwiesen und die Verfassung zur jetzt bestehenden Demokratie umgestaltet: den Rat auf dem Areopag haben Ephialtes und Perikles seines politischen Einflusses beraubt, die Gerichte hat Perikles zu Lohn empfangenden Institutionen gemacht, und auf diese Weise hat jeder der (späteren) Demagogen die Entwicklung weitergetrieben und die Demokratie gestärkt, bis sie die heutige Form erlangte. Aber
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dies scheint nicht der Absicht Solons entsprochen zu haben, sondern eher durch die Fügung der Ereignisse eingetreten zu sein. Denn weil in den Perserkriegen die militärische Überlegenheit zur See dem Demos zu verdanken war, stieg ihm dies zu Kopfe, und er wählte sich schlechte Demagogen, während die Guten die politischen Gegner waren. Solon scheint dagegen dem Demos nur den wirklich unverzichtbaren politischen Einfluß zugewiesen zu haben, nämlich die Beamten zu wählen und ihre Amtsführung richterlich zu kontrollieren; denn wenn der Demos nicht einmal darüber die oberste Entscheidung ausübt, dürfte er in die Rolle eines Sklaven hinabsinken und feindlich gesonnen sein; Solon besetzte auch alle Ämter aus den Reihen der Vornehmen und der Begüterten, d. h. denen, die einen Ertrag von 500 Scheffeln erwirtschaften, dann den Zeugiten und als dritter Vermögensklasse derjenigen, die Ritterschaft heißt. Die vierte Klasse bildeten die Theten, denen der Zugang zu keinem Amt offenstand. Als Gesetzgeber wirkten auch (andere:) Zaleukos für die epizephyrischen Lokrer und Charondas aus Katane sowohl für die Bürger seiner Vaterstadt wie auch für die übrigen von Chalkis gegründeten Staaten in (Unter-)Italien und Sizilien. Einige versuchen aber auch folgenden Zusammenhang herzustellen: Onomakritos sei der erste bedeutende Gesetzgeber gewesen; seine Ausbildung habe er, der aus Lokroi stammte, in Kreta erhalten, wo er sich wegen der Weissagekunst aufgehalten habe. Sein Begleiter sei Thales gewesen, Schüler des Thales aber Lykurg und Zaleukos, Schüler des Zaleukos dann Charondas. Aber bei solchen Darlegungen sind sie allzu unbekümmert um die chronologischen Verhältnisse. Auch Philolaos von Korinth wirkte als Gesetzgeber für die Thebaner. Philolaos stammte aus dem Geschlecht der Bakchiaden; er wurde ein glühender Verehrer des Diokles, des Siegers der olympischen Spiele; als jener die Stadt verließ, weil er die Liebesanträge seiner Mutter Alkyone verabscheute, ging auch Philolaos nach Theben. Dort starben beide. Und noch heute zeigt man ihre Gräber; man kann jeweils das eine von dem anderen aus leicht sehen, aber (nur) das eine ist in der
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Blickrichtung nach Korinth hin sichtbar, das andere dagegen nicht. Denn man erzählt, daß sie ihren Grabplatz so angeordnet hätten, Diokles aus Abscheu über die Leidenschaft seiner Mutter, um sicherzustellen, daß Korinth nicht von dem Grabhügel sichtbar sei, Philolaos aber, damit es sichtbar sei. Aus dem erwähnten Grunde lebten sie bei den Thebanern. Philolaos wirkte bei ihnen als Gesetzgeber, er gab Gesetze in einigen anderen Bereichen und auch solche über Zeugung von Kindern, die jene Adoptionsgesetze nennen. Diese Gesetz gebung ist von ihm mit der besonderen Absicht erlassen, daß die Zahl der ursprünglichen Landlose erhalten bliebe. Von Charondas gibt es keine Regelung, die nur ihm eigen ist, mit Ausnahme der Gerichtsverfahren wegen falscher Zeugenaussagen; denn er hat als erster die Ankündigung, eine Strafverfolgung wegen falscher Zeugenaussage einzuleiten, eingeführt; in der Exaktheit der Festlegung der Gesetze ist er vollkommener selbst als die heutigen Gesetzgeber. Das Besondere der Gesetzgebung des Phaleas ist die Angleichung der Vermögen, Platon gehört als besondere Regelung, daß man Frauen, Kinder und Besitz gemeinsam hat, daneben die Einrichtung von Syssitien für Frauen, außerdem das Gesetz über Trunkenheit, nämlich daß die Nüchternen die Leitung der Symposien haben müßten, und das Gesetz über die Übungen in Kriegsdingen, womit (er erreichen wollte, daß) man durch Training mit beiden Händen gleich geschickt werde, dann es dürfe nicht sein, daß die eine Hand nützlich, die andere dagegen unnütz ist. Von Drakon stammen Gesetze, aber er hat sie für eine schon bestehende Verfassung gegeben. In seinen Gesetzen gibt es nichts Erwähnenswertes, was nur ihm eigen wäre, außer der Härte wegen der Schwere der Strafzumessung. Auch Pittakos hat nur Gesetze, aber keine Verfassung geschaffen. Ein Gesetz, das ihm eigen ist, bestimmt, daß Trunkene für eine Verfehlung eine härtere Strafe erhalten als Nüchterne. Denn weil eine größere Zahl im Zustand der Trunkenheit gewalttätige Handlungen begeht als in nüchternem Zustand, sah er (bei der Strafzumessung) nicht darauf, daß man Betrunkenen eher Nachsicht entgegenbringen muß,
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sondern auf den Vorteil (der Allgemeinheit). Es wirkte aber auch Androdamas aus Rhegion als Gesetzgeber für die Chalkider in Thrakien. Von ihm stammen die Vorschriften über Mordsachen und über Erbtöchter. Aber niemand könnte eine Bestimmung nennen, die nur ihm eigen ist. In der vorliegenden Weise soll nun unsere Betrachtung der Verfassungen, sowohl derjenigen, die in Kraft sind, als auch derjenigen, die von bestimmten (Theoretikern) beschrieben sind, abgeschlossen sein.
BUC H I I I Drittes Buch
Kapitel 1. Wer eine Untersuchung über die Verfassung, sowohl über das Wesen als auch die Beschaffenheit einer jeden Verfassung, vornimmt, dessen Betrachtung gilt so ziemlich zuerst dem Staat, um herauszufinden, was überhaupt ein Staat ist. Denn darüber ist man sich ja jetzt uneins: die einen behaupten, ein bestimmter Akt sei vom Staat ausgegangen, die anderen dagegen, nicht vom Staat, sondern von der Oligarchie oder dem Tyrannen. Wir stellen aber auch fest, daß das gesamte Bemühen des Staatsmannes und Gesetzgebers dem Staat gilt; die Verfassung ist aber eine bestimmte Ordnung für die, die im Staat wohnen. Ein Staat gehört aber zur Klasse der Dinge, die zusammengesetzt sind, genauso wie ein anderes Gebilde, das zwar ein Ganzes darstellt, jedoch aus vielen Teilen zusammengesetzt ist; daher muß offensichtlich vorher untersucht werden, was ein Bürger ist, denn der Staat ist eine bestimmte Anzahl von Bürgern. Aus diesem Grunde soll bestimmt werden, wen man als Bürger bezeichnen darf und was der Bürger ist. Denn auch darüber, wer als Bürger zu gelten hat, ist man häufig uneins; nicht alle sind sich nämlich darüber einig, daß ein und derselbe Mann Bürger sei. Jemand, der in der Demokratie Bürger ist, ist ja häufig in der Oligarchie nicht Bürger. Der Bürger hat diesen Status nicht, weil er irgendwo ansässig ist – denn auch Metöken und Sklaven teilen (mit den Bürgern) den Wohnsitz; auch nicht, weil sie an den Rechten in der Weise teilhaben, daß sie sich einem Rechtsverfahren stellen oder einen Prozeß anstrengen können – denn dies gilt auch für die, die aufgrund von zwischenstaatlichen Vereinbarungen an diesen Rechten teilhaben; diese Möglichkeit besteht ja für sie. Häufig haben die Metöken nicht einmal uneingeschränkt an (diesen Rechten) teil, sondern sie müssen einen Vertreter bestellen, so daß sie nur unvollkommen Mitglieder
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dieser (Rechts-)Gemeinschaft sind, vielmehr wie bei Minderjährigen, die wegen ihres Alters noch nicht (in das Bürgerverzeichnis) eingetragen wurden, und Alten, die von ihren Bürgerpflichten entbunden sind, muß man anerkennen, daß sie zwar in einer gewissen Beziehung Bürger sind, aber nicht unbedingt schlechthin, sondern mit dem Zusatz »noch unvollständig« bei den einen, »wegen Alters entpflichtet« bei den anderen oder mit sonst einem Ausdruck dieser Art – welche Bezeichung man wählt, ist dabei nicht von Bedeutung, da der Sinn dieser Bemerkung klar ist. Denn wir suchen (die Bestimmung) des Bürgers schlechthin, der nicht ein solcher Defekt anhaftet, der dann eine Korrektur (wie im Falle von Kindern oder sehr Alten) verlangt. Solche Fragen lassen sich auch über Leute, denen das Bürgerrecht entzogen wurde, und Verbannte aufwerfen und beantworten. Ein Bürger im eigentlichen Sinne wird nun durch kein anderes Recht mehr bestimmt als das der Teilhabe an der Entscheidung und der Bekleidung eines Staatsamtes. (Die Bekleidung von) Staatsämtern unterliegt aber entweder zeitlichen Beschränkungen, so daß ein und derselbe Mann einige überhaupt nicht zweimal innehaben darf oder sie nur nach Ablauf bestimmter festgelegter Fristen (wieder bekleiden darf); oder der Amtsinhaber unterliegt nicht solchen Beschränkungen, wie z. B. der Richter oder das Mitglied der Volksversammlung. Vielleicht könnte aber jemand einwenden, daß diese (eben genannten Funktionsträger) gar nicht ein Amt bekleiden und deswegen auch nicht an der Ausübung eines Staatsamtes mitwirken. Es ist jedoch lächerlich, denjenigen, die den höchsten politischen Einfluß haben, die Ausübung eines Staatsamtes abzusprechen. Aber darauf kommt hier nichts an, denn der Einwand zielte nur die Bezeichnung; es gibt ja keinen gemeinsamen Begriff für Richter und Mitglied der Volksversammlung, und es fehlt eine Bezeichnung für beide. Zum Zweck der Abgrenzung (von den zeitlich befristeten Entscheidungsträgern) soll für sie die Bezeichnung »politisches Amt ohne zeitliche Begrenzung« gewählt werden. Als Bürger bestimmen
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wir daher die, die zu einem solchen (Amt) Zugang haben. So etwa lautet die Definition, die am ehesten für alle zutrifft, die gewöhnlich als Bürger bezeichnet werden. Es darf aber folgendes nicht unbeachtet bleiben: wenn die Gegenstände, die gewissen Dingen zugrunde liegen, der Art nach verschieden sind und der eine den ersten Rang einnimmt, der nächste die zweite Stelle und einer erst danach folgt, so besteht zwischen den entsprechenden Gegenständen, soweit es ihr Wesen angeht, entweder überhaupt keine Gemeinsamkeit oder nur in geringem Maße. Wir wissen aber, daß die Verfassungen der Art nach verschieden sind und die einen nur im nachgeordneten Sinne, die anderen dagegen vorrangig als solche gelten können; denn die verfehlten und entarteten Verfassungen müssen den richtigen nachgeordnet sein – in welchem Sinne wir von entarteten Verfassungen sprechen, wird später klar werden. Entsprechend muß auch der Bürger, der nach (den verschiedenen Prinzipien) jeder Verfassung (diesen Status hat), jeweils verschieden sein. Deswegen trifft die Bestimmung des Bürgers, die wir oben gegeben haben, am ehesten auf die Bürger in einer Demokratie zu; in den anderen Verfassungen kann ein Mann (mit) so bestimmten (Rechten) zwar Bürger sein, ist es aber nicht notwendigerweise. In manchen Verfassungen gibt es dagegen nicht den Demos (als politischen Faktor), und sie kennen nicht die Institution der (regelmäßig tagenden) Volksversammlung, sondern einen zu besonderen Anlässen einberufenen Rat, und über Rechtsstreitigkeiten entscheiden sie nach einer bestimmten Geschäftsverteilung, wie in Sparta der eine Ephor die eine Art von Prozessen über private Vereinbarungen, der andere die andere entscheidet und die Geronten über Totschlagsdelikte zu Gericht sitzen und möglicherweise eine andere Behörde über andere Rechtsangelegenheiten. Genauso wird es auch in Karthago gehandhabt, für alle Prozesse gilt hier nämlich, daß jeweils bestimmte Behörden die Urteile fällen. Die eben gegebene Bestimmung des Bürgers läßt jedoch die Möglichkeit einer Korrektur zu: denn in den anderen, (nichtdemokratischen) Verfassungen nimmt nicht der Inhaber eines
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unbefristeten Amtes, sondern derjenige, der in seiner Amtsführung (zeitlichen) Beschränkungen unterliegt, eine Funktion wahr, die der des Mitglieds der Volksversammlung und Richters in einer Demokratie entspricht. Ihnen allen, oder einer bestimmten Anzahl unter ihnen, ist die Vollmacht, politische Entscheidungen zu fällen und als Richter über alle oder bestimmte Rechtssachen zu urteilen, verliehen. Wie nun der Bürger zu bestimmen ist, ist nach diesen Äußerungen evident: wem das Recht eingeräumt ist, an der Ausübung eines Amtes mit politischen Entscheidungsfunktionen und richterlicher Gewalt mitzuwirken, erfüllt nach unserer Bestimmung die Bedingungen eines Bürgers seines Staates; als Staat bezeichnen wir, um es allgemein zu sagen, eine Anzahl von Bürgern, die groß genug ist, um ein Leben zu führen, das aus eigenen Mitteln ausreichend ausgestattet ist. Kapitel 2. Für die Praxis bestimmt man dagegen als Bürger denjenigen, dessen beide Elternteile – und nicht nur der eine, also Vater oder Mutter – Bürger waren; andere gehen in diesem Prinzip noch weiter und verlangen zwei, drei oder noch mehr (Generationen von) Großvätern (bürgerlichen Standes). Angesichts einer solchen für den staatlichen Gebrauch und grob getroffenen Bestimmung stellen einige die Frage, wie jener dritte oder vierte Großvater Bürger sein soll. Gorgias aus Leontini bemerkte – teils wohl, weil er wirklich diese Frage aufwerfen wollte, teils aber auch nur als Witz: so wie Walzen die Produkte seien, die von den Walzenmeistern produziert wurden, so seien Larisäer diejenigen, die von ihren Bürgermeistern dazu gemacht seien, es gebe nämlich Meister, die Larisäer produzierten. Die Sache ist aber einfach: wenn (jene Großväter) nach der oben genannten Bestimmung an der Verfassung teilhatten, dann waren sie Bürger. Denn es ist ausgeschlossen, daß die Bestimmung des Bürgers, Abkomme von Bürgern väterlicher- oder mütterlicherseits zu sein, auch schon auf die ersten Siedler oder Stadtgründer zutreffen konnte. Aber vielleicht liegt eher in Folgendem ein ungelöstes Problem, (ich meine) wenn einige nach einem Verfassungswechsel
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Bürgerrechte erhielten, wie sie Kleisthenes in Athen nach der Vertreibung der Tyrannen verlieh; denn er nahm viele Metö ken fremder und unfreier Herkunft in die Phylen auf. Bei diesen ist die Frage nicht, wer Bürger ist, sondern ob sie es zu Unrecht oder zu Recht sind. Jedoch könnte man hierzu noch die zusätzliche Frage aufwerfen, nämlich ob jemand, der nicht zu Recht Bürger ist, deswegen überhaupt kein Bürger ist, weil »zu Unrecht« und »fälschlich« das gleiche bedeuten. Aber wir kennen doch Fälle, daß auch Träger eines Staatsamtes dies in ungerechter Weise ausüben, denen wir gleichwohl zubilligen müssen, daß sie das Amt bekleiden, jedoch nicht in gerechter Weise; auch der Bürger ist aber durch die Bekleidung eines Amtes mit bestimmten Aufgaben definiert – denn wer zu einem solchen Amt Zugang hat, ist Bürger, wie wir behaupteten; daher muß man offensichtlich auch diese Leute (die zu Unrecht Bürger sind), Bürger nennen. Kapitel 3. Das Problem der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit (der Verleihung des Bürgerrechtes) hängt mit der vorher erwähnten Streitfrage zusammen. Denn einige werfen die Frage auf, wann eine Handlung vom Staat ausging und wann nicht vom Staat, z. B. in dem Falle, wenn ein Verfassungswechsel von einer Oligarchie oder Tyrannis zur Demokratie stattfand. Dann wollen nämlich einige die (früher eingegangenen) Verpflichtungen nicht einlösen, weil nicht der Staat, sondern der Tyrann die Anleihen aufgenommen habe, und sie (nehmen) eine ähnliche Position in vielen (anderen Angelegenheiten ein), denn – so lautet ihre Begründung – einige Verfassungen beruhten allein auf Gewalt und dienten nicht dem Gemeinwohl. Wenn man aber (davon ausgehen muß, daß) auch einige demokratische Staaten in eben dieser Weise regiert werden, dann muß man feststellen, daß die Handlungen dieser Verfassung nicht mehr und nicht weniger dem Staat anzurechnen sind als die der Oligarchie und der Tyrannis. Diese Erörterung scheint in einem engen Zusammenhang mit einer anderen Frage zu stehen, nämlich: wann soll man sagen, ein Staat sei (bei Verfassungswechsel) noch derselbe
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geblieben, und wann, er sei nicht mehr derselbe, sondern ein anderer? Die naheliegendste Untersuchung dieser Frage bezieht sich auf das Gebiet und die Menschen; denn es kann ja vorkommen, daß das Gebiet und die Menschen getrennt werden und die einen hier, die anderen dort ihren Wohnsitz nehmen. Dies muß man aber als eine Frage von geringerer Schwierigkeit ansehen, denn da »Polis« in vielen Bedeutungen gebraucht wird, so bietet die Untersuchung dieses Problems eine offensichtliche Lösung. Genauso muß man auch (für den entgegengesetzten Fall), wenn die Menschen das gleiche Gebiet bewohnen, (die Frage stellen): wann soll man annehmen, dies sei ein Staat? Offensichtlich (besitzt er Einheit) nicht schon wegen eines Mauerringes; denn man könnte ja auch die Peloponnes mit einer Mauer umschließen (ohne daß so ein Staat entstünde). Solche Bedingungen liegen ja wohl bei Babylon und jeder Ansiedlung vor, die mehr den Umfang eines Volkes als eines Staates hat; man sagt ja, daß noch drei Tage nach der Eroberung Babylons ein Teil der Stadt davon nichts gemerkt habe. Aber eine Untersuchung dieser Frage ist für einen anderen Zeitpunkt angebracht – denn der leitende Staatsmann muß eine klare Vorstellung darüber besitzen, welche Größe eines Staates vorteilhaft ist und ob eine Zusammensetzung der Bewohner aus einem oder mehreren Völkern von Nutzen ist. Aber wenn ein und dieselben Bewohner in dem gleichen Gebiet ansässig sind, soll man dann den Staat noch als unverändert den gleichen bezeichnen, solange der Stamm der Bewohner sich nicht ändert – obwohl natürlich immer einige seiner Mitglieder zugrundegehen, andere geboren werden? Denn, so sagen wir ja auch gewöhnlich, die Flüsse und Quellen sind die gleichen geblieben, obwohl doch immer Wasser neu hinzuströmt und abfließt. Oder sollen wir aus diesem Grunde zwar noch die Menschen für die selben halten, jedoch den Staat als verändert? Wenn der Staat eine Gemeinschaft ist – und er ist eine Gemeinschaft, gebildet aus Bürgern, die miteinander die Verfassung gemeinsam haben –, dann dürfte wohl die Folgerung unausweichlich erscheinen, daß auch der Staat nicht mehr der gleiche ist, wenn die Verfassung der Art
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nach verändert und umgestaltet wird. Wir sagen ja auch, daß ein Chor, der einmal in einer Komödie, dann in einer Tragödie auftritt, nicht derselbe ist, obwohl er häufig aus den gleichen Personen besteht, und daß jede andere Gemeinschaft und jede Vereinigung verschieden sei, wenn die Art der Verbindung sich ändert; so kann z. B. mit den gleichen Tönen die Tonart doch verschieden sein, einmal dorisch, ein anderes Mal phrygisch. Wenn dies so ist, dann muß man sich offensichtlich in erster Linie an der Verfassung orientieren, wenn man von der Identität des Staates spricht; man kann einem Staat jedoch einen anderen Namen geben oder den ursprünglichen Namen unverändert lassen, unabhängig davon, ob die gleichen oder völlig neue Menschen das gleiche Gebiet bewohnen. Ob es aber gerechtfertigt ist, Abmachungen einzuhalten oder nicht, wenn der Staat eine andere Verfassung annimmt, ist eine andere Frage. Kapitel 4. In den Zusammenhang dieser Erörterungen gehört aber auch eine Betrachtung folgender Frage: soll man die herausragende Qualität des guten Mannes mit der des guten Bürgers gleichsetzen oder nicht? Wenn das einer Untersuchung bedarf, dann muß man zunächst die herausragende Qualität des Bürgers umrißhaft bestimmen. Wie jemand aus der Schiffsbesatzung ein Mitglied (der Mannschaft) ist, so behaupten wir das auch vom Bürger. Mögen auch die einzelnen Männer der Schiffsbesatzung unterschiedliche Funktionen haben – der eine ist Ruderer, der andere Steuermann, der dritte Untersteuermann, ein anderer trägt eine andere Bezeichnung (entsprechend seiner Aufgabe) –, so gibt es offensichtlich neben der genauesten Bestimmung der Aufgabe eines jeden, die eine spezifische Angabe seiner herausragenden Qualität sein wird, genauso auch eine allgemeine Bestimmung, die für alle gelten wird; denn die Sorge für die Sicherheit der Fahrt ist die Aufgabe von ihnen allen; jedes Mitglied der Mannschaft setzt sich dieses Ziel. Genauso auch bei den Bürgern: mögen sie auch (aufgrund ihrer unterschiedlichen Verpflichtungen) verschieden sein, so ist
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doch der sichere Erhalt der Gemeinschaft die Aufgabe von ihnen (allen), die Besonderheit der jeweiligen (staatlichen) Gemeinschaft wird aber durch ihre Verfassung bestimmt. Daher muß die herausragende Qualität des Bürgers auf die jeweilige Verfassung ausgerichtet sein; und da es mehrere Arten von Verfassungen gibt, kann offensichtlich die herausragende Qualität des guten Bürgers nicht nur eine einzige, die vollendete Form haben; dagegen beziehen wir uns auf eine einzige, die vollkommene Qualität, wenn wir vom guten Mann sprechen. Damit ist nun klar, daß jemand durchaus guter Bürger sein kann, ohne die herausragende Qualität zu besitzen, die den guten Mann ausmacht. Auch auf andere Weise können wir diese Frage aufwerfen, indem wir die gleiche Erörterung bezogen auf den besten Staat führen: ein Staat kann nicht so zusammengesetzt sein, daß er aus lauter guten Menschen besteht; andererseits muß jeder die ihm zugewiesene Aufgabe gut verrichten, was (ihm) aufgrund seiner herausragenden Qualität gelingt. Da nun nicht alle Bürger gleich sein können, kann auch nicht die herausragende Qualität des Bürgers und die des guten Mannes ein und dieselbe sein: die herausragende Qualität des guten Bürgers müssen alle Bürger besitzen – denn dadurch muß der Staat auch der beste sein –, die des guten Mannes aber können nicht alle besitzen, sofern es ausgeschlossen ist, daß alle Bürger in einem wohlgeordneten Staat gute Männer sind. Ferner: da ein Staat sich aus ungleichen Elementen zusammensetzt – wie ein Lebewesen zunächst aus Seele und Körper und die Seele aus Vernunft und Begehren und der Haushalt aus Mann und Frau und der Besitz aus Gebieter und Sklaven bestehen, genauso besteht der Staat aus allen diesen und außerdem anderen ungleichen Bestandteilen – so geht daraus zwingend hervor, daß die herausragende Qualität aller Bürger nicht nur eine einzige Form haben kann, wie ja bei den Mitgliedern des Chores auch nicht die des Chorführers und seines Nebenmannes gleich ist. Daraus folgt, daß schlechthin ihre herausragende Qualität nicht identisch ist.
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Aber ist vielleicht bei einer bestimmten Person die herausragende Qualität des guten Mannes und guten Bürgers identisch? Wir behaupten ja, daß der fähige Herrscher gut sein und praktische Klugheit besitzen müsse, während ein Bürger nicht notwendigerweise die praktische Klugheit besitzen müsse. Deswegen fordern ja auch einige, daß von Anfang an die Erziehung des Herrschers (von der der Untertanen) verschieden sein müßte, wie ja bekanntlich die Söhne der Könige in der Reit- und Kriegskunst erzogen werden und Euripides dichtete: »für mich kein geistreich leeres Spiel, sondern was dem Staate dient«, weil es eine besondere Erziehung für den Herrscher gebe. Wenn aber die herausragende Qualität des guten Herrschers und guten Mannes identisch ist, wenn andererseits auch der Beherrschte Bürger ist, dann ist nicht allgemein die herausragende Qualität des Bürgers und des Mannes identisch, sondern nur die eines bestimmten Bürgers; denn auch die des Herrschers und eines Bürgers ist nicht identisch, und deswegen sagte wohl Jason, er leide Hunger, wenn er nicht als Tyrann herrsche, da er sich nicht darauf verstehe, als Privatmann zu leben. Aber die Fähigkeit, sowohl ein Regierungsamt zu bekleiden als auch sich regieren zu lassen, findet doch öffentlich hohe Anerkennung, und diese Fähigkeit, in richtiger Weise ein Regierungsamt zu bekleiden und sich regieren zu lassen, gilt als die herausragende Qualität eines angesehenen Bürgers. Wenn wir nun behaupten, daß die Qualität des guten Mannes zum Herrschen, die des Bürgers aber für beide Aufgaben befähige, dann dürften die beiden (dafür erforderlichen Qualitäten) nicht in gleicher Weise öffentliche Anerkennung verdienen. Da nun aber die Meinung vorherrscht, derjenige, der ein hohes Amt bekleidet, müsse etwas anderes und nicht das gleiche wie der Beherrschte lernen, der Bürger müsse sich aber auf beides verstehen und an beiden Funktionen teilhaben […], mag man die Folgerungen erkennen. Es gibt nämlich eine despotische Herrschaftsweise, deren Bereich nach unserer Auffassung durch (den Charakter der Aufgaben), Lebensnotwendiges (bereitzustellen), abgegrenzt ist; ihre Herstellung braucht der
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Gebieter nicht zu verstehen, sondern eher ihren Gebrauch – das andere wäre ja auch eine sklavische Tätigkeit, ich meine mit »das andere« die Fähigkeit, (notwendige) Dienstleistungen zu erbringen. Arten von Sklaven gibt es aber in größerer Zahl, da auch ihre Tätigkeiten vielfältig sind. Eine Gruppe unter ihnen bilden die Handwerker; das sind, wie allein schon der Name sagt, Leute, die von ihrer Hände Werk leben, zu denen der banausische Handwerker gehört. Deswegen hatten auch ursprünglich in einigen Staaten Handwerker keinen Zugang zu den Staatsämtern, jedenfalls bevor es zur extremen Demokratie kam. Tätigkeiten von Personen, die einem Herrschaftsverhältnis dieser Art unterstehen, darf weder der gute Staatsmann noch der gute Bürger lernen – es sei denn für sich selber, d. h. für seinen eigenen Gebrauch, denn dabei kommt es ja nicht dazu, daß der eine Herr, der andere Sklave wird. Aber es gibt eine bestimmte Herrschaftsform, bei der der Herrschende über andere, die der Geburt nach gleich und frei sind, regiert; diese nennen wir die politische Herrschaft, die der Herrschende erlernen muß, indem er sich beherrschen läßt, wie man ja auch eine Reiterabteilung zu führen lernt, nachdem man in einer Reiterabteilung gedient hat, und ein Heer zu führen lernt, nachdem man dem Heerführer gedient hat – als Anführer einer großen Heeresabteilung oder eines kleineren Truppenteils. Deswegen trifft auch die Bemerkung zu, daß man nicht richtig herrschen könne, wenn man nicht gedient habe. Die für beide Tätigkeiten erforderliche Qualität ist zwar verschieden, aber der gute Bürger muß es verstehen und in der Lage sein, sich beherrschen zu lassen und zu herrschen; und die herausragende Qualität eines Bürgers besteht darin, nach diesen beiden Seiten hin die Herrschaft, die über Freie ausgeübt wird, zu verstehen. Aber auch der gute Mann benötigt beide herausragenden Qualitäten, und wenn es eine besondere Form von Mäßigung und Gerechtigkeit gibt, die zum Herrscher gehört – denn eine besondere Form für den Beherrschten, der frei ist, gibt es ja –, dann gibt es offensichtlich nicht nur eine (einzige Ausprägung der) herausragenden Qualität des guten Mannes, etwa
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(nur eine) Gerechtigkeit, sondern sie weist Sonderformen auf, nach denen man herrscht oder regiert wird. So sind ja auch die M äßigung und Tapferkeit bei Mann und Frau verschieden; denn als feige müßte ein Mann wirken, der (nur) so tapfer ist wie eine tapfere Frau, und eine Frau müßte als schwatzhaft wirken, wenn sie sich so aufführt, wie es bei einem Mann als gutes Betragen gilt; auch die Funktionen im Haushalt sind bei Mann und Frau verschieden: er soll die Mittel erwerben, sie soll sie bewahren. Die praktische Vernunft ist als einzige Eigenschaft die nur dem Herrscher eigentümliche herausragende Qualität. Es leuchtet daher ein, daß über die übrigen hervorragenden (ethischen) Qualitäten sowohl Regierte wie Regierende gemeinsam verfügen müssen; praktische Vernunft ist jedoch nicht die herausragende Qualität, die der Beherrschte besitzen muß, sondern (er braucht nur) wahre Meinung. Denn der Beherrschte ist dem Flötenbauer, der Herrscher dagegen dem Flötenspieler, der Flöten benutzt, vergleichbar. Diese Bemerkungen machen klar, ob die herausragende Qualität des guten Mannes und die des guten Bürgers ein und dieselbe oder zwei verschiedene Eigenschaften sind, und in welcher Beziehung sie dieselbe und in welcher nicht dieselbe sind. Kapitel 5. Bei der Behandlung des Bürgers bleibt noch eine ungelöste Frage: ist wirklich nur derjenige Bürger, dem der Zugang zu einem Staatsamt offensteht, oder muß man auch die Handwerker als Bürger anerkennen? Wenn man auch diejenigen zu den Bürgern rechnen muß, denen der Zugang zu staatlichen Ämtern verschlossen ist, dann kann nicht jeder Bürger die eben bestimmte herausragende Qualität des Bürgers besitzen; denn auch (ohne Zugang zu den Ämtern) wäre er Bürger. Wenn aber keiner von ihnen Bürger ist, welcher Gruppe sollte dann jeder zugeordnet werden? Denn Metöke oder Fremder ist er ja nicht. Oder sollen wir sagen, daß sich jedenfalls mit diesem Argument noch keine absurde Konsequenz ergibt, denn auch die Sklaven und die Freigelassenen gehören nicht zu den gerade genannten Gruppierungen. Es trifft ja doch zu,
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daß man nicht alle zu den Bürgern rechnen darf, ohne die ein Staat nicht existieren könnte; denn auch die Minderjährigen sind nicht in gleichem Sinne Bürger wie volljährige Männer, sondern diese sind es schlechthin, jene aber bedingt – zwar sind sie Bürger, aber noch nicht in vollem Sinne. In früherer Zeit waren in einigen Staaten die Handwerker Sklaven oder Fremde, deswegen hat die Mehrzahl von ihnen auch heute noch diesen Status, und der beste Staat wird den Handwerker nicht zum Bürger machen. Falls aber auch dieser Bürger ist, dann muß man sagen, daß die herausragende Qualität der Bürger, wie wir sie bestimmt haben, nicht jeder Bürger besitzt, und nicht einmal einer, der (lediglich den Vorzug hat,) frei geboren zu sein, sondern nur diejenigen, die von der Ausübung lebensnotwendiger Arbeiten befreit sind. Unter ihnen sind diejenigen Sklaven, die mit solchen notwendigen Tätigkeiten einem einzigen Herren dienen, dagegen diejenigen, die der Allgemeinheit zu Diensten stehen, Handwerker und Tagelöhner. Wie es aber mit ihrem (Status als Bürger) steht, wird klar, wenn wir von hier aus unsere Untersuchung noch etwas weiterführen; die frühere Feststellung allein, wenn sie einmal verdeutlich ist, wird nämlich, diese Frage klären: da es eine größere Anzahl von Verfassungen gibt, muß es auch mehrere Arten des Bürgers geben und besonders des regierten Bürgers; daher sind in einer bestimmten Verfassung Handwerker und Tagelöhner notwendigerweise Bürger, in anderen ist das jedoch ausgeschlossen, z. B. wenn eine in Kraft ist, die man aristokratisch bezeichnet, in der die politischen Ämter nach persönlich herausragender Qualität und aufgrund eines bestimmten Vorzuges verliehen werden. Denn es ist ausgeschlossen, in seinen Handlungen den Erfordernissen persönlich herausragender Qualität gerecht zu werden, wenn man das Leben eines Handwerkers oder Tagelöhners führt. In Oligarchien kann ein Tagelöhner nicht Bürger sein, denn der Zugang zu den Ämtern ist an hohe Vermögensanforderungen geknüpft, aber ein Handwerker kann Bürger sein, denn sogar die Mehrzahl der Handwerker lebt in Wohlstand. In Theben bestimmte aber ein Gesetz, daß jemandem, der nicht seit zehn Jahren (den Ge-
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schäften) des Marktes ferngeblieben war, der Zugang zu einem Staatsamt verschlossen blieb. In vielen Verfassungen eröffnet das Gesetz auch einigen aus der Gruppe der Fremden die Zugehörigkeit (zur Bürgerschaft). Denn in manchen demokratischen Staaten ist auch einer, der (lediglich) mütterlicherseits von bürgerlicher Abkunft ist, schon Bürger; genauso gilt es bei vielen für die Abkömmlinge aus außerehelichen Verbindungen. Jedoch da sie diese zu Bürgern machen, weil es ihnen an Männern fehlt, die aufgrund von Geburt rechtmäßig Bürger sind – denn wegen der geringen Zahl von Bürgern haben sie Gesetze mit solchen Bestimmungen –, so (schränken) sie diese (Ausweitung der Bürgerrechte) allmählich (wieder ein), wenn sie über eine große Anzahl verfügen, und schließen zunächst die Nachkommen von Sklaven von väterlicher oder mütterlicher Seite aus, dann diejenigen, bei denen die Mutter allein (bürgerlich war), schließlich verleihen sie Bürgerrecht nur denen, die väterlicher- und mütterlicherseits von Bürgern abstammen. Daß es mehrere Arten des Bürgers gibt, leuchtet nach diesen Bemerkungen ein, und auch daß derjenige am ehesten als Bürger bezeichnet wird, der Zugang zu Ehren und Ämtern hat, wie ja auch Homer dichtet: »wie einen Fremdling ohne Ehre«; denn wem der Zugang zu Ehren und Ämtern verschlossen ist, der ist einem Metöken vergleichbar. Jedoch wo dies verschleiert ist, geschieht das zur Täuschung derjenigen, die (nur) den Wohnsitz miteinander gemeinsamen haben. Nach diesen Erörterungen ist klar, ob man nun die Quali tät, nach der jemand guter Mann und guter Bürger ist, als verschieden oder gleich ansetzen soll: in einem bestimmten Staat ist (der gute Bürger mit dem guten Mann) identisch, in einem bestimmten dagegen nicht identisch; nicht jeder Bürger ist dem guten Manne gleichzusetzen, sondern nur der leitende Staatsmann und die Persönlichkeit, die die entscheidenden Macht befugnisse in der Verwaltung des Staates ausübt oder auszuüben in der Lage ist – entweder allein oder im Zusammenwirken mit anderen.
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Kapitel 6. Nach diesen Bestimmungen muß untersucht werden, ob man (die Existenz) nur einer einzigen Verfassung oder von mehreren angeben soll, und wenn von mehreren, welche und wie viele dies sind und welche Unterschiede zwischen ihnen bestehen. Eine Verfassung ist die Ordnung des Staates sowohl hinsichtlich der gewöhnlichen Ämter als auch besonders des Amtes, das die souveräne Entscheidungsbefugnis in allen Dingen hat. Die souveräne Gewalt des Staates liegt überall bei der Bürgerschicht, die Bürgerschicht ist daher geradezu die Verfassung. Ich meine z. B.: in den Demokratien ist der Demos der Souverän, in den Oligarchien dagegen die Wenigen; wir sagen ja entsprechend, daß auch ihre Verfassung verschieden ist. Die gleiche Auffassung werden wir auch für die anderen Verfassungen vertreten. Als Grundlage muß zunächst bestimmt werden, um welches Zweckes willen der Staatsverband entstanden ist und wieviel Herrschaftsformen es für Menschen und die Lebensgemeinschaft gibt. In den ersten Erörterungen, in denen Bestimmungen über die Führung eines Haushaltes und die Despotie getroffen wurden, ist auch dargelegt worden, daß der Mensch von Natur ein zum Staat gehörendes Lebewesen ist. Deswegen suchen Menschen, auch wenn sie ganz und gar nicht auf gegenseitige Hilfe angewiesen sind, doch um nichts weniger ein Leben in der Gemeinschaft; aber auch der gemeinschaftliche Nutzen führt sie zusammen, und zwar in dem Maße, wie jeder einzelne (nur in der Gemeinschaft) einen Anteil an der vollendeten Lebensführung erhalten kann. Diese ist ja am ehesten das Ziel sowohl gemeinschaftlich für alle wie auch für den Einzelnen. Aber auch allein schon um des physischen Lebens willen schließt man sich zusammen und hält an der staatlichen Gemeinschaft fest. Im physischen Leben allein ist nämlich vielleicht auch ein bestimmter Teil von Vollkommenheit enthalten, sofern nicht die Widrigkeiten des Lebens allzusehr überwiegen. Es ist ja bekannt, daß die meisten Menschen aus dem Verlangen zu leben viele Mühsal standhaft ertragen, weil für sie im Leben eine Form von Glückseligkeit und naturgegebener Annehmlichkeit liegt.
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Es ist nicht schwer, die Herrschaftsformen, die gewöhnlich genannt werden, voneinander abzugrenzen; in den exoterischen Erörterungen treffen wir ja häufig Bestimmungen darüber. Obwohl in Wahrheit der Vorteil im despotischen Herrschaftsverhältnis sowohl für den Sklaven von Natur als auch den Herren von Natur gleich ist, zielt diese Herrschaft doch eigentlich auf den Vorteil des Herrn, auf den des Sklaven nur akzidentell, denn das despotische Verhältnis läßt sich nicht aufrecht erhalten, wenn der Sklave umkommt. Die Herrschaft über Kinder und die Ehefrau und den gesamten Hausstand, die wir ökonomisch nennen, dient entweder dem Wohl der Beherrschten oder einem gemeinsamen Vorteil beider, an sich zwar dem Wohl der Beherrschten – so bemerken wir ja, daß auch sonst Fachkenntnisse wie Medizin und Gymnastik (das Wohl der ihnen Anvertrauten zu bewirken suchen) –, akzidentell dient sie aber auch dem der Herrschenden selber. Denn es steht ja dem nichts entgegen, daß der Sportlehrer bisweilen auch selber an den Übungen teilnimmt, wie auch der Steuermann immer einer der Passagiere ist. Der Sportlehrer oder der Steuermann suchen den Vorteil derer, die ihnen anbefohlen sind, wenn er aber selber zu ihnen gehört, hat er akzidentell am Nutzen teil; denn der eine wird Passagier, der andere einer der Teilnehmer an den Turnübungen, obwohl er doch der Turnlehrer ist. Deswegen fordert man auch, daß man die staatlichen Ämter im Wechsel bekleiden soll, wenn die (Herrschaftsform) nach dem Prinzip völliger Gleichheit der Bürger geordnet ist. Dabei beanspruchten die Bürger früher der Natur der Sache entsprechend, im Wechsel die Lasten eines öffentlichen Amtes auf sich zu nehmen, während dann umgekehrt der Nachfolger (im Amt) für das Wohl des anderen sorgen sollte, wie dieser ja auch vorher, als er selber die Amtsstellung innehatte, für das Wohl jenes Mannes eintrat. Jetzt aber will man wegen der Vorteile, die aus den öffentlichen Mitteln und der Amtsführung zu ziehen sind, ohne Unterbrechung im Amt bleiben, wie wenn Leute, die kränklich sind, ständig gesund blieben, solange sie auf einem Amtssessel sitzen; denn wenn die Bekleidung eines öffentlichen Amtes ein solche Wirkung hätte,
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dann würden sie mit dem gleichen Eifer nach den Ämtern streben. Daraus ergibt sich klar, daß die Verfassungen, die auf das allgemeine Wohl ausgerichtet sind, nach dem absoluten Begriff von Recht jeweils richtige Verfassungen sind, während alle diejenigen, die nur auf den Eigennutz der Regierenden ausgerichtet sind, als verfehlt und Entartungen der richtigen Verfassungen gelten müssen; sie sind nämlich despotisch, ein Staat ist jedoch eine Gemeinschaft freier Menschen. Kapitel 7. An diese Erörterungen schließt sich eine Untersuchung der Verfassungen, (besonders) ihrer Zahl und ihrer Wesensbestimmung, an; zuerst sollen die richtigen Verfassungen betrachtet werden, denn nachdem sie bestimmt sind, wird Klarheit über die Entartungsformen bestehen. Verfassung und Bürgerschicht bedeuten nun das gleiche; die Bürgerschicht ist der Souverän der Staaten, und notwendigerweise können nur ein einziger, wenige oder die Menge den Souverän bilden. Wenn der eine, die wenigen oder die Menge zum allgemeinen Wohl regieren, müssen diese Verfassungen als richtige gelten; dagegen müssen diejenigen, die zum eigenen Wohl des einen, der wenigen oder der Menge regieren, als Entartungen angesehen werden. Denn entweder darf man diejenigen, die (nicht am Vorteil der Herrschaft) teilhaben, nicht Mitbürger nennen, oder sie müssen, (um als Bürger gelten zu können,) am Vorteil beteiligt sein. Wir pflegen die monarchische Verfassung, die das allgemeine Wohl zum Ziel hat, Königtum zu nennen, und die Verfassung, die sich das allgemeine Wohl der wenigen, die jedoch zahlreicher als ein einzelner sind, zum Ziel setzt, nennen wir Aristokratie – sie hat diesen Namen entweder, weil die Besten herrschen oder weil man zum Besten des Staates und seiner Mitglieder herrscht; wenn aber die Menge zum allgemeinen Wohl Politik macht, dann wird diese Verfassung mit dem allen Verfassungen gemeinsamen Namen »Politie« bezeichnet – das geschieht mit guten Gründen: denn ein einzelner oder wenige können sich durch besondere charakterliche
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Qualität auszeichnen, es ist jedoch schwer, daß auch eine größere Zahl (von Menschen) peinlich genau den Anforderungen menschlicher Vorzüglichkeit in vollem Umfange genügt, am ehesten kann sie noch kriegerische Tüchtigkeit besitzen; diese findet sich ja bei der Menge. Deswegen stellen in dieser Verfassung die Krieger den obersten Souverän, und diejenigen, die schwere Waffen besitzen, haben in ihr Bürgerrecht. Entartungen der hier genannten Verfassungen sind: Tyrannis die Entartung des Königtums, Oligarchie der Aristokratie, Demokratie die Entartung der Politie. Denn die Tyrannis ist eine monarchische Staatsform zum Nutzen des Alleinherrschers, die Oligarchie zu dem der Reichen und die Demokratie zu dem der Armen. Auf den Nutzen der Allgemeinheit ist keine von ihnen ausgerichtet. Kapitel 8. Man muß aber etwas ausführlicher die Wesensbestimmung einer jeden dieser Verfassungen geben; denn damit sind einige ungelöste Fragen verknüpft, und es ist die Aufgabe aller, die in jeder Disziplin philosophisch vorgehen und nicht lediglich auf das Handeln abzielen, nichts zu übersehen und bei seite zu lassen, sondern die Wahrheit eines jeden Gegenstandes ans Licht zu bringen. Die Tyrannis ist, wie gesagt, die Form von Monarchie, die despotisch über eine Gemeinschaft (freier) Bürger regiert; und eine Verfassung ist dann eine Oligarchie, wenn die Begüterten die souveräne Gewalt im Staat ausüben, eine Demokratie dagegen, wenn diejenigen, die nicht über einen großen Umfang von Besitz verfügen, sondern mittellos sind, den Souverän bilden. Die erste Frage gilt nun dieser Bestimmung: angenommen die Mehrzahl, die wohlhabend ist, ist der Souverän des Staates, während diejenige Verfassung als Demokratie gilt, in der die Menge souverän ist – und genauso umgekehrt: angenommen, es kommt irgendwo vor, daß die Armen den Reichen an Zahl unterlegen sind, aber als politisch dominierende Schicht die souveräne Gewalt im Staate innehaben, während nach allgemeiner Auffassung dort eine Oligarchie
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besteht, wo die geringe Zahl der Souverän ist –, so ensteht (aufgrund aller dieser Annahmen) wohl der Eindruck, daß unsere Wesensbestimmung dieser Verfassungsformen nicht zutreffend ist. Aber auch wenn jemand die geringe Zahl mit (der sozialen Lage) Reichtum und die große Zahl mit Armut verknüpft und danach die Verfassungen benennt: als Oligarchie diejenige, in der die Begüterten, die zahlenmäßig wenig sind, die Ämter innehaben, und als Demokratie diejenige, in der die Armen, die zahlenmäßig die Mehrheit darstellen, regieren, so stellt sich damit eine weitere Frage: wie sollen wir denn die eben beschriebenen Verfassungen bezeichnen, diejenige, in der die Begüterten die Mehrzahl bzw. die Armen die Minorität bilden, und jeweils die eine bzw. andere Gruppe die souveräne Gewalt in den Verfassungen innehat, wenn es doch neben den bisher genannten keine weitere Verfassung gibt? Offensichtlich hat diese Erörterung zutage gebracht, daß es nur eine akzidentelle Erscheinung ist, wenn wenige bzw. viele der Souverän sind – akzidentell im ersten Falle für Oligarchien, im zweiten für Demokratien, eben weil die Begüterten überall die geringere, die Armen aber die große Zahl bilden; was jedoch den Unterschied zwischen Demokratie und Oli garchie ausmacht, sind Armut und Reichtum, und notwendigerweise ist eine Verfassung dann eine Oligarchie, wenn Leute aufgrund ihres großen Besitzes regieren – einerlei ob sie nun eine Minderheit oder Mehrheit bilden, und eine Demokratie, wenn die Armen regieren, jedoch es geht meistens, wie gesagt, damit einher, daß die einen die Minderheit, die anderen die Mehrheit bilden; denn in Wohlstand leben wenige, an der freien Geburt haben aber alle teil; deswegen fordern ja auch beide Gruppen das Bürgerrecht. Kapitel 9. Zunächst muß man feststellen, welche d efinierenden Merkmale man für Oligarchie und Demokratie angibt und was die Prinzipien von Recht in einer Oligarchie und Demokratie sind; denn alle halten zwar an einem bestimmten Rechtsprinzip fest, jedoch gelangen sie nur bis zu einem gewissen Punkte
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und bringen nicht ein Rechtsprinzip im eigentlichen Sinne und von allgemeiner Gültigkeit vor. So gibt es die Auffassung, Recht bestehe in Gleichheit – und sie besteht tatsächlich in Gleichheit, jedoch nicht für jedermann, sondern (nur) für die Gleichen. Und nach einer gewissen Auffassung ist Ungleichheit gerecht – und sie ist tatsächlich gerecht, aber nicht für alle, sondern (nur) für die Ungleichen. Jedoch läßt man diese Qualifizierung, nämlich für welche Leute diese Bestimmung gilt, weg und trifft somit eine schlechte Entscheidung. Die Ursache dafür liegt darin, daß man in eigener Sache entscheidet; so ziemlich die meisten Menschen sind aber in eigener Sache schlechte Richter. Da also Recht immer zwischen bestimmten Personen besteht und da auf der einen Seite die Gegenstände, (über die eine Verfügung getroffen werden soll,) und auf der anderen Seite die (Eigenschaften oder Leistung der) Personen in gleichem Verhältnis gegeneinander abgegrenzt sind – wie das früher in den Schriften über die Ethik ausgeführt wurde –, so ist man über die Gleichheit in der Sache, (über die verfügt werden soll,) einer Meinung, streitet aber über die (Eigenschaft) der Personen. Der wichtigste Grund für diesen Streit wurde eben erwähnt, nämlich daß man in eigener Sache ein schlechter Richter ist; es kommt hinzu, daß beide beteiligten Gruppen, weil sie zu einem gewissen Grade eine bestimmte Form von Recht vertreten, glauben, sie verträten das Recht schlechthin. Denn die einen nehmen an, wenn sie in einer bestimmten Beziehung, z. B. in Besitz, über die Gleichen herausragen, so ragten sie schlechthin über die Gleichen heraus, und die anderen glauben, sie seien schlechthin gleich, wenn sie nur in einer einzigen Beziehung, z. B. freier Geburt, gleich sind. Aber sie geben den letztlich entscheidenden Gesichtspunkt nicht an: denn wenn Besitz der Zweck wäre, um dessentwillen man eine Gemeinschaft gebildet und sich zusammengeschlossen hat, dann müßte (ihren Mitgliedern) in der Tat ein Anteil am Staat proportional zu ihrem Besitz eingeräumt werden; dann dürfte wohl auch die Argumentation der oligarchisch gesinnten Leute stichhaltig erscheinen – nach ihrer Auffassung ist
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es nämlich nicht gerecht, daß derjenige, der eine Mine eingezahlt hat, den gleichen Anteil an 100 Minen, sowohl an der ursprünglichen Summe wie dem hinzukommenden Gewinn, erhält wie derjenige, der die gesamte restliche Summe eingebracht hat. Nun hat man sich aber nicht lediglich um des Überlebens, sondern eher des vollkommenen Lebens willen (zusammengeschlossen), denn sonst hätten auch Sklaven und andere, etwa Tiere, Anteil am Staat; das ist jedoch nicht der Fall, weil diese vom Glück und Leben nach persönlicher Entscheidung ausgeschlossen sind. Und man hat sich auch nicht nur zum Zwecke eines Bündnisses (zusammengeschlossen), damit man von niemandem Unrecht erleiden muß, oder zum Tausch von Waren und gegenseitigen Beziehungen; denn (bei einem solchen Staatszweck) ergäbe sich, daß auch Tyrrhener und Karthager und alle, die untereinander Vereinbarungen geschlossen haben, Bürger gleichsam eines einzigen Staates wären; zwischen ihnen bestehen ja Abmachungen über Einfuhrgüter und zwischenstaatliche Vereinbarungen zum Schutz vor ungerechter Behandlung und geschriebene Verträge über ein militärisches Bündnis. Aber dafür sind bei beiden weder gemeinsame Behörden eingerichtet – sondern bei jeder der Vertragsparteien jeweils eigene Behörden –, noch sorgen sich die Bürger des einen Staates darum, daß die des anderen eine bestimmte Qualität haben; auch sorgen sie nicht darum, daß keiner derjenigen, die unter diese Verträge fallen, ungerecht ist und irgendeine schlechte Eigenschaft annimmt, sondern nur darum, daß sie sich untereinander kein Unrecht antun. Auf die gute oder schlechte charakterliche Qualität der Bürger achten dagegen diejenigen sorgfältig, denen an einer vorbildlichen gesetzlichen Ordnung des Staates liegt. Auf diese Weise wird auch deutlich, daß der Staat, der wirklich diese Bezeichnung verdient und nicht lediglich diesen Namen führt, für die gute charakterliche Qualität (der Bürger) Sorge tragen muß – denn (andernfalls) wird die Gemeinschaft nur ein gemeinsames Bündnis, das sich von anderen, den Bündnissen zwischen räumlich getrennten Bundesgenossen, nur durch (das Zusammenwoh-
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nen an einem) Ort unterscheidet, und das Gesetz wird lediglich zu einer Vereinbarung und, wie der Sophist Lykophron bemerkte, »zwischen den Menschen ein Garant ihrer Rechte«, ist jedoch außerstande, die Bürger gut und gerecht zu machen. Daß diese Auffassung zutrifft, ist offensichtlich. Denn wenn jemand auch versuchen sollte, die Territorien zusammenzulegen, so daß der Staat der Megarer und der der Korinther sich mit ihren Mauern berührten, so würde doch dadurch nicht ein einziger Staat entstehen. Und auch dann, wenn sie untereinander Verträge über die Anerkennung von Ehen zwischen ihren Bürgern schlössen, (begründete dies) noch nicht (einen einzigen Staat), obwohl doch solche Vereinbarungen zu den besonderen Mittel gehören, durch die Staaten Gemeinschaft herstellen. Ebenso besteht auch dann noch nicht ein Staat, wenn einige Leute zwar voneinander getrennt wohnen, jedoch nicht so weit voneinander entfernt, daß sie nicht gemeinschaftliche Beziehungen miteinander unterhalten könnten, sondern es bei ihnen Gesetze zum gegenseitigen Schutz vor ungerechter Behandlung bei ihren Tauschbeziehungen gibt – ich nehme Bedingungen an, bei denen z. B. der eine ein Zimmermann, der andere Bauer, ein dritter Schuster ist und ein weiterer einen anderen Beruf dieser Art ausübt und sie eine Anzahl von Zehntausend bilden, jedoch nichts anderes miteinander teilen als den Tausch (von Waren) und gegenseitigen Schutz. Aus welchem Grunde (wäre dies noch kein Staat)? Gewiß nicht deswegen, weil sie nicht eng zusammen wohnen. Aber selbst wenn sie bei dieser Art ihrer Beziehungen sich an einem Ort zusammenschlössen, aber jeder seinen eigenen Haushalt, so wie einen Staat, für sich führte und man sich nur gegen die jenigen gegenseitig Hilfe leistete, die Unrecht begehen, weil man ein Abkommen zur Verteidigung geschlossen hat, so dürfte bei einer genauen Betrachtung auch unter diesen Bedingungen noch nicht ein Staat bestehen – sofern sie nämlich nach ihrem Zusammenschluß noch genauso miteinander umgehen wie bei getrennter Wohnweise. Es ist nun offensichtlich, daß eine Staatsgemeinde nicht eine Gemeinschaft ist, die sich ein Gebiet miteinander teilt, und
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auch nicht (ein Zusammenschluß von Menschen), um zu verhindern, daß sie sich untereinander Unrecht antun, und um (Güter) auszutauschen; sondern dies alles sind wohl notwendige Voraussetzungen, sofern ein Staat existieren soll, jedoch existiert ein Staat noch nicht dann schon, wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt sind, vielmehr ist ein Staat eine Vereinigung von Haushalten und Familienverbänden, die gemeinschaftlich das richtige Leben führen, also eine Gemeinschaft zum Zwecke des vollkommenen und autarken Lebens. Das läßt sich jedoch nicht verwirklichen, wenn seine Mitglieder nicht ein und denselben Ort bewohnen und untereinander als gültig anerkannte Ehen schließen. Deswegen bildeten sich ja auch in den Staaten verwandtschaftliche Beziehungen und Geschlechterverbände aus, und es gibt gemeinsame Opfer und Veranstaltungen geselligen Zeitvertreibs. Es ist aber nur Freundschaft, die dies zustande bringt, denn die Entscheidung zum Zusammenleben macht eine Freundschaft aus. Das Ziel des Staates ist also, in einer guten Weise zu leben, die eben genannten Dinge dienen jedoch (als Mittel) jenem Ziel. Ein Staat ist also eine aus Familien und Dörfern gebildete Gemeinschaft, die Anteil am vollkommenen und autarken Leben hat – das ist, wie wir behaupten, ein Leben in Glück und vollendeter menschlicher Qualität. Man muß also feststellen, daß die staatliche Gemeinschaft um der in sich vollendeten Handlungen willen existiert, jedoch nicht um des Zusammenlebens willen. Denjenigen, die am meisten zu einer Gemeinschaft dieser Art beitragen, steht daher ein größerer Anteil am Staat zu als denjenigen, die an freier Geburt und Abkunft gleich oder überlegen, an der für einen Bürger notwendigen charakterlichen Qualität aber ungleich sind, oder als denen, die zwar an Reichtum überlegen, jedoch an der guten charakterlichen Qualität von Bürgern unterlegen sind. Aus diesen Erörterungen geht hervor, daß alle, die um die (politische Rechte in) Verfassungen streiten, in einem gewissen Maße einen gerechten Anspruch vertreten.
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Kapitel 10. Die Entscheidung darüber, wer der Souverän des Staates sein soll, bietet nun aber ein offenes Problem. Es können ja entweder die große Menge (der Freien) oder die Reichen oder die Guten oder der eine Beste von allen oder der Tyrann (der Souverän) sein. Aber alle diese Staatsordnungen scheinen doch Verdruss mit sich zu bringen: wenn die Armen, weil sie die Mehrheit bilden, den Besitz der Reichen unter sich verteilen, ist das nicht ungerecht? »Aber, bei Zeus, dies wurde doch von dem Souverän nach dem Recht (dieser Verfassung) beschlossen.« Jedoch (wenn nicht dies), was soll man dann als das schlimmste Unrecht bezeichnen? Wenn man dagegen die Bürgerschaft in ihrer Gesamtheit zugrundelegt und wenn die Mehrheit den Besitz der Minderheit unter sich verteilt, dann richten sie offenkundig den Staat zugrunde. Jedoch es ist nicht eine positive Eigenschaft, die ihren Besitzer zugrunde richtet, und das Recht eines Staates ist nicht eine Kraft, die ihn zerstört; daher kann offensichtlich auch ein solches Gesetz nicht gerecht sein. (Nach jener Auffassung) müssen ferner alle Handlungen, die ein Tyrann begangen hat, gerecht sein, denn er übt als Stärkerer Gewalt aus, genauso wie die Menge über die Reichen. Aber ist es vielleicht gerecht, daß die Minderheit, d. h. die Reichen, die Herrschaft innehaben? Jedoch wenn auch sie solche Handlungen begehen und den Besitz der Menge plündern, ist das dann gerecht? Für den vorher genannten Fall müßte das ja entsprechend ebenso gelten. Es liegt auf der Hand, daß dieses alles schlimm und nicht gerecht ist. Sollen dagegen die Guten herrschen, und sollen sie die souveräne Gewalt über alle übrigen innehaben? Jedoch müssen dann nicht alle übrigen ohne Ehrenstellung sein, da sie von den Ehren politischer Ämter ausgeschlossen sind? Als Ehren ämter bezeichnen wir ja politische Ämter. Jedoch wenn immer die Gleichen regieren, dann müssen die anderen von poli tischen Ehrenstellungen ausgeschlossen bleiben. Ist dagegen vorzuziehen, daß der eine beste Mann herrscht? Dies ist jedoch noch oligarchischer, denn die Zahl derer, die von politischen Ehrenämtern ausgeschlossen ist, ist dann noch grö-
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ßer. Aber vielleicht dürfte jemand die Auffassung vertreten, es sei eine schlechte Regelung, wenn nicht das Gesetz, sondern überhaupt ein Mensch, der doch in seiner Seele den mit ihr verbundenen Affekten unterworfen ist, Souverän ist. Jedoch angenommen, daß zwar das Gesetz regiert, aber oligarchisch oder demokratisch ist, welchen Unterschied macht das für die aufgeworfenen Fragen? Denn die gerade (für diese Verfassungen) aufgezeigten Folgen werden dann genauso eintreten.
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Kapitel 11. Die anderen (möglichen Träger staatlicher Souveränität) sollen bei anderer Gelegenheit behandelt werden. Daß aber eher die Menge der Souverän sein soll als die Besten, die nur wenige sind, könnte vielleicht † in Frage gestellt werden † und eine gewisse Schwierigkeit enthalten, aber vielleicht doch auch Wahrheit. Denn auch wenn jeder einzelne aus der Menge nicht selber ein guter Mann ist, so kann diese, wenn sie sich versammelt hat – also nicht als Einzelpersonen, sondern als Gesamtheit – doch besser als jene einzelnen (sehr Guten) sein, so wie die Mahlzeiten, zu denen viele ihren Beitrag leisteten, besser als diejenigen sind, die aus der Aufwendung eines einzelnen bestritten werden. Denn da sie eine große Zahl bilden, kann jeder Einzelne von ihnen einen Teil charakterlicher Vorzüglichkeit und Vernunft besitzen; und wie die Menge, wenn sie sich versammelt hat, gleichsam ein einziger Mensch mit vielen Füßen und vielen Händen und vielen Wahrnehmungen werden kann, so kann sie auch im Bereich charakterlicher Haltungen und des Denkens (gemeinsam ihre Fähigkeiten steigern). Deswegen beweist die Menge auch ein treffenderes Urteil über Werke der Musik und Dichtung, denn die einen besitzen Kunstverstand für einen Teil, die anderen für einen anderen, für das Gesamte aber die Gesamtheit. Jedoch besteht die Überlegenheit überragender Persönlichkeiten über jeden aus der Menge – wie nach allgemeiner Auffassung die Überlegenheit der Schönen über diejenigen, die nicht schön sind, und die Überlegenheit der mit Meisterschaft gemalten Gegenstände über die der Wirklichkeit – darin, daß dort in einem einzigen vereint ist, was (bei diesen) zersplittert vonein-
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ander getrennt existiert; jedoch für sich genommen kann bei dem einen sehr wohl das Auge, bei irgendeinem anderen ein anderer Körperteil schöner als auf Gemälden sein. Ob allerdings in jedem einzelnen Falle das gewöhnliche Volk und die breite Masse die eben beschriebene Überlegenheit der großen Zahl über die wenigen hervorragenden Persönlichkeiten besitzt, bleibt unklar, vielleicht aber ist es, bei Zeus, klar, daß bei einigen eine solche Überlegenheit ausgeschlossen ist. Denn die gleiche Argumentation müßte ja auch im Falle der Tiere zutreffen – jedoch worin unterscheiden sich einige Menschen – wenn man es so sagen darf – von den Tieren? Aber nichts steht dem im Wege, daß in bestimmten Fällen das gewöhnliche Volk in der beschriebenen Weise (überlegen) ist. Daher könnte man auch auf dieser Grundlage die oben aufgeworfene Frage lösen und die weitere, die mit ihr zusammenhängt, nämlich in welchen Angelegenheiten die Freien und die Menge der Bürger souveräne Gewalt haben sollen – das sind die Leute, die weder begütert sind noch auch nur einen einzigen begründeten Anspruch auf moralische Qualität erheben können. Denn daß ihnen der Zugang zu den wichtigsten Ämtern offensteht, ist keine ungefährliche Regelung: wegen ihrer Ungerechtigkeit und Unvernunft muß es dazu kommen, daß sie in einigen Angelegenheiten ungerecht, in anderen fehlerhaft handeln; daß man ihnen jedoch keine Mitwirkung (an der politischen Verantwortung) einräumt und sie davon ausgeschlossen sind, ist eine Regelung, die zu Befürchtung Anlaß gibt. Denn wenn es politisch Rechtlose in Armut und großer Zahl gibt, dann muß ein solcher Staat voll von Feinden sein. So bleibt also (als Lösung), daß sie an Beratungen und an Entscheidungen beteiligt sind. Deswegen haben ihnen auch Solon and einige andere Gesetzgeber in ihren Verfassungsordnungen die Wahl der Beamten und die abschließende Kontrolle über deren Amtsführung übertragen, während sie nicht zulassen, daß jene als Einzelpersonen Ämter bekleiden. Denn (die Mitglieder des Volkes) zeigen zwar in ihrer Gesamtheit, wenn sie sich versammelt haben, ausreichend gesunden Men-
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schenverstand, und wenn sie mit den Besseren zusammenwirken, nützen sie den Staaten, wie auch Nahrung, die in ihrem ursprünglichen Zustand belassen wurde, zusammen mit hochwertiger Nahrung die gesamte Speise bekömmlicher macht als eine geringe Menge (hochwertiger Nahrung allein dies tun könnte) –, für sich allein genommen ist aber jeder einzelne nur unvollkommen zu (politischer) Entscheidung befähigt. Aber eine solche Verfassungsordnung wirft zuerst doch folgendes Problem auf: es steht doch wohl, wie es scheint, das Urteil darüber, wer einen Kranken richtig behandelt hat, dem gleichen Manne zu, der auch die Fähigkeit hat, jemanden zu behandeln und von seiner augenblicklichen Krankheit zu heilen – das aber ist der Arzt. Genauso gilt das auch für die anderen Tätigkeiten und Fachkenntnisse. Wie nun ein Arzt (für seine Behandlung) vor Ärzten Rechenschaft ablegen muß, so auch die anderen Fachleute vor ihresgleichen – als Arzt gilt aber sowohl der Praktiker als auch der, der die Leitung und Verantwortung trägt, und an dritter Stelle der in der jeweiligen Disziplin fachlich Gebildete, es gibt sozusagen in allen Fachdisziplinen solche Persönlichkeiten; sachverständiges Urteil erkennen wir aber genauso diesen Gebildeten wie denen, die wirklich über das Fachwissen verfügen, zu. Das scheint dann wohl doch auch für die Wahl (der Beamten) in der gleichen Weise zu gelten: denn die richtige Wahl zu treffen, ist die Aufgabe derer, die die entsprechenden Kenntnisse besitzen: also die Auswahl eines Landvermessers ist Aufgabe der Landvermesser und die Auswahl eines Steuermanns ist Aufgabe der Steuermänner. Und selbst wenn in gewissen Tätigkeiten und Fachkenntnissen auch einige Laien (an der Wahl der Fachleute) beteiligt sind, so doch nicht in höherem Maße als diejenigen, die über die Fachkenntnisse verfügen. Deswegen sollte man nach diesem Argument auch nicht der Menge die politischen Vollmachten, die Beamten zu wählen und über deren Rechenschaftsablegung zu entscheiden, übertragen. Vielleicht sind aber nicht alle diese Argumente zutreffend – einmal wegen der vorher dargelegten Gründe, also unter Be-
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dingungen, unter denen die Menge nicht allzusehr einen Charakter von Sklaven hat: zwar besitzt jeder Einzelne nur ein schlechteres Urteil als diejenigen, die über die Fachkenntnisse verfügen; aber wenn sie sich versammelt haben, sind sie in ihrer Gesamtheit entweder besser oder (wenigstens) nicht schlechter. Hinzu kommt folgendes: in einigen Bereichen besitzen Leute genaue Kenntnisse über die Produkte, auch ohne über die spezifische Fachkenntnis (des Produzenten) zu verfügen; hier dürfte nicht allein oder nicht am besten der Produzent ein Urteil fällen; zum Beispiel besitzt nicht allein der Erbauer eines Hauses die Kenntnisse im Hausbau, sondern derjenige, der es benutzt wird sogar besser urteilen – das ist der Leiter des Haushaltes; und das Steuerruder wird der Steuermann besser beurteilen können als der Zimmermann und eine Mahlzeit der Gast und nicht der Koch. Auf diese Weise könnte man wohl dieses Problem befriedigend lösen. Es schließt sich in diesem Zusammenhang aber ein weitere offene Frage an: es scheint doch unsinnig zu sein, daß Leute mit geringerer Qualität Vollmachten in wichtigeren Angelegenheiten erhalten als die Guten – Entscheidungen bei der Rechenschaftsablegung und der Wahl der Behörden sind nämlich die wichtigsten Funktionen, die man, wie gesagt, in einigen Verfassungen dem jeweils versammelten Demos zuweist; denn die Volksversammlung hat souveräne Befugnisse in allen diesen Angelegenheiten. Der Zugang zur Volksversammlung und die Zugehörigkeit zum Rat und die Ausübung des Richteramtes wird nun aber aufgrund einer niedrigeren Vermögensqualifikation und in jedem Alter übertragen, während das Amt des Schatzmeisters, des Strategen und die wichtigsten Ämter nur derjenige bekleidet, der hohe Vermögensanforderungen erfüllt. Auch diese Schwierigkeit könnte man wohl in der gleichen Weise lösen: denn vielleicht sind auch diese Regelungen richtig: nicht das (einzelne) Mitglied des Geschworenengerichtes oder des Rates oder der Volksversammlung ist ja (selber) Amtsträger, sondern das Gericht und der Rat und die Volksversammlung, aber jeder der genannten – ich meine: Ratsherr,
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Mitglied der Volksversammlung und Geschworener – bildet nur einen Teil (jener Gremien). Deswegen hat die Menge mit Recht absolute Vollmachten in wichtigeren Angelegenheiten. Denn die Volksversammlung, der Rat und die Geschworenengerichte werden aus vielen Mitgliedern gebildet, und das Vermögen von ihnen allen (zusammengenommen) ist größer als das derjenigen, die allein oder als kleine Gruppe bedeutsame Ämter bekleiden. In dieser Weise sollen nun diese Erörterungen abgeschlossen sein. Aus der zuerst aufgeworfenen Frage geht keine andere Folgerung mit solcher Klarheit hervor wie diejenige, daß Gesetze, sofern sie richtig gegeben sind, die absolute Gewalt haben müssen, daß aber der Inhaber eines Amtes, sei es einer oder eine größere Zahl, nur in den Angelegenheiten souveräne Gewalt ausüben darf, in denen die Gesetze ganz außerstande sind, exakte Bestimmungen zu treffen; denn es ist schwer, über alle Angelegenheiten Vorschriften in allgemeiner Form zu erlassen. Es ist aber damit in keiner Weise schon geklärt, von welcher Art die richtigen Gesetze sein sollen, sondern die früher aufgeworfene Schwierigkeit bleibt bestehen; denn zugleich mit den Verfassungen und in gleicher Weise wie die Verfassungen müssen auch die Gesetze schlecht oder gut und gerecht oder ungerecht sein. Nur soviel ist wenigstens offensichtlich, daß die Gesetze so gegeben sein müssen, daß sie die Verfassung zur Grundlage nehmen. Wenn das aber so ist, dann müssen offensichtlich die Gesetze, die sich an den richtigen Verfassungen orientieren, gerecht sein, die aber, die an den entarteten Verfassungen, ungerecht. Kapitel 12. In allen Wissenschaften und Fachkenntnissen ist das Ziel gut; das größte Gut und im höchsten Maße (gut ist aber das Ziel) in derjenigen, die am ehesten alle beherrscht, das ist die Staatskunst. Recht ist das Gut der Polis, und dieses ist der Nutzen für die Allgemeinheit. Allen Menschen scheint Recht eine Form von Gleichheit zu sein und bis zu einem gewissen Grade stimmen sie mit den Ergebnissen der philosophischen Erörterungen, in denen Fragen der charakterlichen
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Qualität genau behandelt wurden, überein, nämlich daß Recht die Zuteilung von bestimmten Sachen an bestimmte Personen regelt und daß es für Gleiche Gleichheit schaffen müsse. Daher darf nicht ungeklärt bleiben, welche Eigenschaften diese Gleichheit begründen und welche Eigenschaften Ungleichheit; denn dies stellt ein Problem dar und gibt (Anlaß für) eine philosophische Untersuchung über den Staat. Vielleicht könnte jemand die Auffassung vertreten, daß eine Überlegenheit in jeder positiven Eigenschaft zu einer Bevorzugung bei der Verteilung der staatlichen Ämter führen müsse, solange die Menschen in allen übrigen Eigenschaften sich nicht unterscheiden, sondern gleich sind; denn wenn Menschen verschieden sind, müssen auch ihr Recht und der verdiente Anspruch verschieden sein. Wenn dies zutrifft, dann müßte jedoch auch nach der Hautfarbe und der Körpergröße und nach einem beliebigen Vorzug den so Überlegenen ein Vorteil in ihren politischen Rechten eingeräumt werden. Aber liegt hier nicht der Irrtum (einer solchen Argumentation) zu Tage? Denn bei den anderen Wissenschaften und Fähigkeiten ist dies evident: wenn eine Anzahl von Flötenspielern technisch gleich gut ist, dann darf man bei der Verteilung von Flöten nicht diejenigen bevorzugen, die aus vornehmeren Familien stammen – denn sie werden (mit den besseren Instrumenten) nicht besser spielen –, sondern man muß denjenigen, die in der jeweiligen Tätigkeit hervorragen, auch das hervorragendste Instrument zur Verfügung stellen. Falls aber diese Erklärung noch nicht einleuchtet, so wird verständlich werden, (was ich meine), wenn wir mit diesem Beispiel noch weiter gehen. Angenommen, jemand übertrifft auf der einen Seite in seiner Technik als Flötenspieler die anderen, bleibt aber auf der anderen Seite an Adel der Geburt und an Schönheit weit hinter ihnen zurück; und selbst wenn es zutrifft, daß jede dieser Eigenschaften, ich meine Adel und Schönheit, ein größeres Gut als die Kunst, Flöte zu spielen, darstellen und daher diese anderen bei der Berücksichtigung des Verhältnisses der Qualitäten (durch ihren Adel und Schönheit) in höherem Maße über die Kunst, Flöte zu spielen, herausragen, als jener sich durch
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seine Flötenkunst auszeichnet, so muß man trotzdem diesem die besseren Flöten geben. Denn (damit die anderen die besseren Flöten verdienen,) müßte ihr Vorzug in Besitz und Adel zu der Tätigkeit Flötenspielen beitragen, aber diese ihre Umstände (in Besitz und Abkunft) tragen nichts dazu bei. Ferner müßte nach dieser Argumentation jeder Vorzug mit jedem anderen vergleichbar sein; denn wenn eine bestimmte Größe (gegen Reichtum oder Abkunft) aufgerechnet werden kann, dann müßte auch Größe überhaupt sowohl gegen Reichtum als auch gegen freie Geburt aufgerechnet werden können. Und wenn dieser bestimmte Mann sich durch Körpergröße mehr auszeichnet als jener durch menschliche Qualität, auch 〈 wenn 〉 allgemein menschliche Qualität Körpergröße im Range überragt, dann müßte somit alles miteinander vergleichbar sein. Denn wenn das eine [Größe] in einer bestimmten Ausprägung das andere in seiner bestimmten Ausprägung übertrifft, dann ist offensichtlich das erste in einer bestimmten anderen Ausprägung (jenem zweiten) gleich. Da dies aber unmöglich ist, beansprucht man offensichtlich auch mit gutem Grund im staatlichen Bereich nicht aufgrund einer Ungleichheit in jeder Eigenschaft die Staatsämter; denn wenn die einen langsam, die anderen schnell sind, so dürfen deswegen nicht die einen bevorzugt, die anderen benachteiligt werden, sondern aufgrund dieses Unterschiedes gewinnt man wohl in sportlichen Wettkämpfen einen Preis, jedoch die Auseinandersetzung (um die politischen Rechte) muß unter denjenigen stattfinden, die die Bestandteile des Staates bilden. Deswegen beanspruchen mit guten Gründen die Adligen und die Freien und die Reichen die politische Ehrenstellung. Denn die Bürger müssen frei geboren sein und ein bestimmtes Vermögen aufweisen – aus lauter Armen kann ja wohl kein Staat bestehen wie auch nicht aus Sklaven. Aber wenn man diese Qualifikationen braucht, dann doch offensichtlich auch Gerechtigkeit und die gute Qualität, die einen Bürger auszeichnet. Denn ohne sie ist es ausgeschlossen, daß ein Staat leben kann, der Unterschied ist nur, daß es ohne jene vorher genann-
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ten ausgeschlossen ist, daß ein Staat existiert, ohne diese aber, daß er sich einer guten politischen Ordnung erfreut. Kapitel 13. Soweit es nur den Bestand des Staates angeht, könnten gewiß entweder alle oder einige von diesen (wegen ihres Beitrags zu diesem Zweck) mit Recht einen Anspruch (auf politische Rechte) erheben, aber im Hinblick auf das vollendete Leben dürften Bildung und herausragende menschliche Qualität am ehesten mit Recht einen solchen Anspruch stellen, wie auch oben dargelegt wurde. Da aber weder diejenigen, die nur in einer Beziehung gleich sind, in allen Dingen gleichen Anteil erhalten dürfen, noch einen ungleichen Anteil, wenn sie nur in einer Beziehung ungleich sind, so müssen alle Verfassungen, die dennoch so verfahren, Entartungen sein. Es ist auch früher schon erklärt worden, daß sie zwar alle in gewisser Weise mit Recht ihre politischen Ansprüche stellen, aber alle nicht schlechthin mit Recht. Die Reichen (können nämlich ihren Anspruch damit begründen), daß ihnen ein größerer Teil des Landes gehört, das Land (ist aber keine beliebige Sache, sondern ist das Territorium des Staates), das alle Bewohner miteinander teilen; außerdem (könnten sie darauf verweisen), daß sie zumindest in den meisten Fällen zuverlässiger vertragliche Vereinbarungen einhalten. Die Leute von freier Geburt und von Adel (können politische Ansprüche damit begründen), daß sie sich nahe stehen – denn diejenigen, die aus edleren Häusern stammen, sind eher Bürger als diejenigen von niedriger Geburt; edle Abkunft findet ja auch bei allen in ihrem eigenen Bereich hohes Ansehen –; und auch damit, daß aller Wahrscheinlichkeit nach Kinder, deren Eltern höhere Qualitäten besaßen, auch selber höhere Qualitäten besitzen; denn Adel ist die hohe Qualität eines Geschlechts. Außerdem werden wir sagen, daß in gleicher Weise mit Recht auch hohe menschliche Qualität einen Anspruch erheben kann, denn wir behaupten, daß Gerechtigkeit eine gemeinschaftsstiftende Qualität ist, mit der notwendigerweise alle anderen guten menschlichen Eigenschaften einhergehen müssen. Aber auch die Mehrheit kann gegen die Minderheit (mit Recht ihre
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Ansprüche vertreten), denn sie ist sowohl stärker als auch reicher und besser, wenn man die Mehrheit zusammenfaßt und mit der Minderheit vergleicht. Angenommen, daß es in einem einzigen Staat alle diese Gruppen gibt, ich meine die Guten und die Reichen und Adligen, ferner jede weitere Gruppierung, aus der ein Staat gebildet wird, wird es dann (unter ihnen) zu einem Streit darüber kommen, wer von ihnen herrschen soll, oder nicht? In jeder der beschriebenen Verfassungen ist die Entscheidung, wer herrschen soll, unumstritten – denn die Verfassungen unterscheiden sich voneinander darin, wer der Träger der Souveränität ist; zum Beispiel besteht die Besonderheit der einen darin, daß sie sich auf die Reichen stützt, die andere auf die guten Männer und so auf die gleiche Weise bei jeder anderen Verfassung. Aber trotzdem wollen wir untersuchen, wie man hier entscheiden soll, wenn diese Ansprüche zur gleichen Zeit vertreten werden. Nehmen wir also an, daß diejenigen, die hohe menschliche Qualität besitzen, nur eine ganz geringe Zahl bilden, wie soll man dann entscheiden? Soll man sich bei einer Bewertung dieser geringen Zahl die Funktion zum Maßstab nehmen, also (soll man prüfen), ob sie in der Lage sind, den Staat zu führen, oder ob sie zahlenmäßig ausreichen, so daß aus ihnen ein Staat gebildet werden kann? Es gibt aber eine Schwierigkeit, die bei allen Gruppierungen, die um staatliche Ämter streiten, auftritt: es könnte doch die Auffassung vertreten werden, daß diejenigen, die den Anspruch erheben, sie müßten aufgrund ihres Besitzes die Herrschaft innehaben, keine berechtigte Forderung stellen; und das gleiche gilt auch für diejenigen, die sich auf ihre Abstammung berufen: denn wenn eine einzige Person reicher als alle ist, so muß doch offensichtlich nach dem gleichen Rechtsprinzip dieser eine über alle regieren, ebenso die Persönlichkeit von herausragendem Adel über alle, die nur aufgrund von freier Geburt Herrschaft beanspruchen. Das gleiche wird vielleicht auch bei der Aristokratie mit der hohen menschlichen Qualität der Fall sein: wenn ein einziger Mann besser ist als die übrigen, die in der Bürgerschaft gut sind, dann muß dieser (eine) nach
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dem gleichen Rechtsprinzip der Souverän sein. Und wenn es richtig ist, daß auch die Menge der Souverän zu sein verdient, weil sie stärker als die Minderheit ist, so müssen genauso, falls einer oder eine größere Zahl als der eine, jedoch geringere Zahl als die Menge, stärker als die anderen sind, diese eher Souverän sein als die Menge. Alles dieses scheint doch klarzumachen, daß keines der Prinzipien richtig ist, aufgrund deren eine Gruppe beansprucht, daß sie selber herrschen solle und alle übrigen von ihr beherrscht werden müßten. Denn gegen diejenigen, die aufgrund von hoher menschlicher Qualität den Anspruch erheben, als Souverän die höchste Macht in Händen zu haben, und genauso gegenüber denen, die dies gestützt auf ihren Reichtum tun, könnten sicherlich auch die Massen einen berechtigten Gegenanspruch vortragen. Denn nichts steht dem entgegen, daß manchmal die Menge – nicht in jeder einzelnen Person, sondern alle zusammen genommen – besser und reicher als die wenigen ist. Daher kann man auch auf diese Weise der Frage begegnen, über die einige nachdenken und die sie aufwerfen: einige stellen nämlich das Problem, ob der Gesetzgeber, der sich das Ziel setzt, die richtigsten Gesetze zu geben, diese zum Vorteil der Besseren oder der größeren Zahl geben soll, zumindest wenn der genannte Fall vorliegt. Hierbei hat man »richtig« als »in gleicher Weise« zu bestimmen; und »in gleicher Weise richtig« bedeutet (für die Gesetzgebung), daß sie auf den Vorteil des ganzen Staates und die Gemeinschaft der Bürger ausgerichtet sein muß. Bürger ist allgemein gesagt, wem die Teilnahme an Herrschen und Beherrschtwerden offensteht, in jeder Verfassung ist er verschieden bestimmt, in der besten Verfassung ist Bürger derjenige, der fähig ist und sich entschieden hat, ausgerichtet auf ein Leben nach der Norm herausragender mensch licher Qualität zu herrschen und sich beherrschen zu lassen. Wenn aber ein Einziger oder eine Gruppe, die zwar mehr als nur einen einzigen umfaßt, jedoch nicht (allein) in der Lage ist, die gesamte Bürgerschaft des Staates zu bilden, sich so sehr durch außergewöhnliche Überlegenheit in menschlicher Qualität auszeichnen, daß die menschliche Qualität und politische
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Fähigkeit aller anderen nicht mit der jener, wenn diese mehrere sind, oder mit der jenes einzelnen, wenn es nur einer ist, kommensurabel ist, so darf man die so Überragenden nicht mehr als Teil des Staates einordnen. Es würde ihnen ja Unrecht angetan, wenn ihnen nur der gleiche Rang eingeräumt wird, während sie doch in solchem Maße durch ihre Qualität und ihre politische Fähigkeit herausragen. Denn ein solcher Mann müßte ja wie ein Gott unter Menschen sein. Daraus geht klar hervor, daß auch die Gesetzgebung nur für Leute gilt, die von Geburt und in ihren Fähigkeiten gleich sind. Über jene Überragenden kann jedoch kein Gesetz aufgerichtet werden, denn sie sind selber Gesetz. Und jemand würde sich lächerlich machen, wenn er versuchte, ihnen Gesetze zu geben; denn sie könnten vielleicht erwidern, was nach der Fabel des Antisthenes die Löwen zur Antwort gaben, als die Hasen in einer Versammlung demagogische Reden hielten und forderten, alle müßten gleiches Recht haben. Daher, aus einem solchen Grunde, schaffen sich die demokratisch regierten Staaten auch das Mittel des Scherbengerichtes, denn nach allgemeiner Auffassung suchen sie von allen am meisten Gleichheit. Deshalb pflegten sie diejenigen, die den Eindruck erweckten, an Macht durch Reichtum, eine große Zahl von Anhängern oder einen anderen politischen Machtfaktor zu einflußreich zu sein, durch das Scherbengericht zu verurteilen und für bestimmte Zeit aus dem Staat zu verbannen. Und der Mythos berichtet, die Argonauten hätten Hera kles aus einem ähnlichen Grunde zurückgelassen, denn die Argo habe sich gesträubt, ihn mit den anderen zu befördern, da er viel schwerer als die anderen Mitglieder der Schiffsbesatzung war. Deswegen muß man auch die Auffassung vertreten, daß diejenigen, die die Tyrannis und den Rat des Periander an Thrasybul verurteilen, nicht uneingeschränkt Recht haben. Man berichtet nämlich, Periander habe sich zwar gegenüber dem zu ihm gesandten Herold nicht zu dem (erbetenen) Rat geäußert, er habe jedoch die Ähren, die über die anderen hinausragten, abgerissen und so das Getreidefeld auf eine gleichmäßige Höhe gebracht. Der Bote habe den Grund für dieses
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Verhalten nicht durchschaut, den Vorgang aber gleichwohl berichtet; Thrasybul habe jedoch verstanden, daß er die mächtigen Männer beseitigen müsse; dieses nützt nämlich nicht nur den Tyrannen, und nicht nur die Tyrannen verfahren so, sondern genauso gilt das für Oligarchien und Demokratien. Denn das Scherbengericht hat in gewisser Weise die gleiche Wirkung wie die Entmachtung und Verbannung der Überragenden. Genauso verfahren diejenigen, die über die entsprechende Macht verfügen, mit den (verbündeten) Staaten und Völkern, zum Beispiel die Athener mit den Bürgern von Samos, Chios und Lesbos – sobald sie nämlich die Herrschaft fest in Händen hielten, schwächten sie vertragswidrig deren Stellung. Und der Perserkönig demütigte häufig die Meder, Babylonier und die anderen Völker, die starkes Selbstbewußtsein besaßen, weil sie einmal große Macht ausgeübt hatten. Das Problem gilt aber allgemein für alle Verfassungen, auch die richtigen. Die entarteten handeln in der beschriebenen Weise im Eigeninteresse (der Regierenden), aber ein solches Verhalten ist auch für diejenigen Verfassungen, die das allgemeine Wohl beachten, zweckmäßig. Unzweifelhaft ist das ja auch in anderen Bereichen, bei Fachkenntnissen und Wissenschaften. Denn kein Maler dürfte zulassen, daß ein Lebewesen einen Fuß hat, der durch seine Größe die Symmetrie stört, auch nicht dann, wenn dieser besonders schön ist, und kein Schiffszimmermann wird dies bei dem Heck oder einem anderen Teil des Schiffes erlauben; und gewiß wird derjenige, der den Chor einstudiert, nicht dulden, daß einer im Chor mitwirkt, dessen Stimme an Kraft und Schönheit den gesamten Chor übertrifft. So steht daher nichts der Möglichkeit entgegen, daß Alleinherrscher im Einklang mit den Interessen ihrer Staaten handeln, wenn sie zu solchen Aktionen Zuflucht nehmen, vorausgesetzt, die eigene Herrschaft dient dem Vorteil der von ihnen regierten Staaten. Bezogen auf die allgemein anerkannten Qualitäten, in denen man sich auszeichnet, findet deswegen die Befürwortung des Scherbengerichtes eine gewisse Rechtfertigung im Wohl des Staates. Vorzuziehen wäre allerdings, daß der Gesetzgeber von Anfang an die Ver-
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fassung so eingerichtet hätte, daß sie auf eine solche Therapie nicht angewiesen wäre; aber der nächstbeste Weg ist dann, wenn dieser Fall eintritt, zu versuchen, mit einem solchen Mittel nachträglich eine Verbesserung vorzunehmen. So wurde es jedoch nicht in den Staaten angewandt; denn sie sahen nicht auf den Nutzen der eigenen Verfassung, sondern bedienten sich des Scherbengerichts zur Durchsetzung von Parteiinteressen. Daß dieses dem besonderen Vorteil der entarteten Verfassungen dient und nach ihrem Recht geschieht, leuchtet ein, vielleicht aber auch, daß dies nicht schlechthin gerecht ist. Für die beste Verfassung stellt sich aber die schwerwiegende Frage, wie man verfahren soll, nicht bei einem Übermaß der anderen Güter wie Macht, Reichtum und großer Zahl von Anhängern, sondern wenn jemand sich durch überragende menschliche Qualität auszeichnet; denn man wird doch wohl nicht fordern, daß man einen solchen Mann (aus dem Staate) vertreiben und verbannen soll, aber gewiß auch nicht, daß man über einen solchen herrschen dürfe. Das wäre nämlich mit der Forderung vergleichbar, daß Menschen über Zeus herrschen, indem sie die Ausübung der Ämter aufteilen. Es bleibt somit, wie es ja auch naturgemäß zu sein scheint, daß alle einem solchen Manne gerne gehorchen, so daß diese in ihren Städten ohne zeitliche Begrenzung als Könige regieren.
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Kapitel 14. Vielleicht ist es angebracht, nach diesen Erörterungen zu einer Untersuchung des Königtums überzugehen, denn wir behaupten ja, dieses sei eine der richtigen Verfassungen. Dabei sollen folgende Fragen geprüft werden: ist es für eine Stadt und ein Land, die sich einer vorbildlichen politischen Ordnung erfreuen sollen, von Vorteil, von einem König regiert zu werden, oder nicht, sondern ist vielmehr eine andere Verfassung von Vorteil? Oder ist die Königsherrschaft für eine bestimmte Bevölkerung nützlich, für eine andere dagegen nicht nützlich? Zuerst müssen wir aber abgrenzen, ob es nur eine Form von Königtum gibt oder ob dieses mehrere Unterarten aufweist. Es läßt sich aber leicht erkennen, daß es mehrere Arten um-
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faßt und die Herrschaftsweise bei allen nicht ein und dieselbe ist. Zwar gilt das Königtum der spartanischen Staatsordnung unter den gesetzmäßigen Formen am ehesten als Königtum, es besitzt aber nicht souveräne Macht in allen Dingen, sondern nur, wenn er das Land verlassen hat, ist der spartanische König Befehlshaber in der Kriegsführung. Außerdem ist den Königen die Sorge um die religiösen Angelegenheiten übertragen. Dieses Königtum ist gleichsam militärischer Oberbefehl mit außerordentlichen Vollmachten auf Lebenszeit; denn das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden, hat der spartanische König nicht, mit der Ausnahme bei † Fällen von Feigheit †, wie es von den Königen alter Zeit während militärischer Expeditionen durch den Gebrauch ihrer Herrschergewalt ausgeübt wurde. Das beweist auch Homer: in den Versammlungen mußte es Agamemnon hinnehmen, geschmäht zu werden, aber nach Ausrücken des Heeres besaß er auch die Gewalt über Leben und Tod. Er sagt wenigstens: »aber wen ich fern der Schlacht 〈 erblicke 〉 … , der wird nicht damit rechnen dürfen, Hunden und Vögeln zu entkommen; denn ich habe die Macht zu töten.« Eine Form von Königtum ist diese eben beschriebene, das Amt des Heerführers auf Lebenszeit, das entweder nach der Zugehörigkeit zu einer Familie oder durch Wahl besetzt wird. Daneben gibt es eine andere Form von Alleinherrschaft, repräsentiert durch die Königtümer bei einigen Barbaren. Diese Könige besitzen alle eine Machtfülle, die der von Tyrannen nahekommt, sie sind aber an Gesetze gebunden und übernehmen die Herrschaft nach Erbfolge. Denn weil die Barbaren von Natur in ihren Verhaltensweisen sklavischer als die Griechen sind – und die Barbaren Asiens wiederum sklavischer als die Europas –, fügen sie sich despotischer Herrschaft ohne Aufbegehren. Aus diesem Grunde haben diese Königtümer einen tyrannischen Charakter, sie sind jedoch stabil, weil sie erblich sind und sich an das Gesetz halten. Aus dem gleichen Grunde ist auch die Leibwache wie bei Königen und nicht wie bei Tyrannen besetzt: Bürger schützen ihre Könige mit Waffen, die Tyrannen aber schützt eine Truppe von Ausländern; denn
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jene regieren gesetzmäßig und mit Zustimmung der Regierten, diese aber gegen deren Willen; daher bekommen die einen Schutz von den Bürgern, die anderen Schutz vor den Bürgern. Dieses sind zwei Formen von Alleinherrschaft; die dritte ist die, die bei den Griechen früherer Jahrhunderte verbreitet war, die man Aisymnetie nennt: diese ist kurzgesagt eine aus Wahlen hervorgegangene Tyrannis, die sich von der bei den Barbaren praktizierten nicht dadurch unterscheidet, daß sie sich nicht an Gesetze hält, sondern allein dadurch, daß sie nicht erblich ist. Einige hatten dieses Amt auf Lebenszeit inne, die anderen bis festgelegte Fristen abgelaufen oder bestimmte Aufgaben erledigt waren; z. B. wählten die Bürger von Mytilene zu einem bestimmten Zeitpunkt Pittakos (als ihren Führer) gegen die Verbannten, an deren Spitze Antimenides und der Dichter Alkaios standen. Alkaios macht in einem seiner Skolien klar, daß man Pittakos zum Tyrannen wählte, denn er hält ihm vor, »Pittakos von unedler Herkunft haben sie als Tyrannen der Stadt, die ihren Groll vergaß und einem schlimmen Dämon erlag, eingesetzt, sie haben ihm einhellig laut Beifall gerufen«. Diese Formen von Königtum haben und hatten wegen der despotischen Herrschaftsweise einen tyrannischen Charakter, aber da die Monarchen durch Wahlen eingesetzt wurden und mit der Zustimmung der Bürger regierten, einen königlichen Charakter. Die vierte Form königlicher Alleinherrschaft bilden diejeni gen, die in der Heroenzeit mit Zustimmung der Regierten und im Wege der Erbfolge nach Gesetzen regierten. Denn weil sich die Stammväter dieser Königsgeschlechter in bestimmten Fachkenntnissen oder im Krieg als Wohltäter der Bevölkerung erwiesen oder weil sie (die Bevölkerung) zusammenführten oder (neues) Gebiet gewannen, wurden sie mit Zustimmung der Bevölkerung Könige und begründeten für ihre Nachfolger die Erblichkeit (der Institution). Ihre königlichen Vollmachten erstreckten sich auf den Oberbefehl im Krieg und die Opferhandlungen, soweit diese nicht Priestern vorbehalten waren; außerdem fällten sie Urteile in Rechtsstreitigkeiten; einige legten dabei keinen Eid ab, andere dagegen taten dies,
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der Eid aber bestand im Erheben des Zepters. Diese Könige entschieden als Herrscher in der Vorzeit sowohl über die Angelegenheiten in der Stadt wie auf dem Lande und außerhalb der Staatsgrenzen ohne zeitliche Begrenzung. Als später die Könige selber einige Amtsbefugnisse abtraten oder das Volk ihnen andere entriß, blieben in einigen Staaten den Königen nur die althergebrachten Opferhandlungen vorbehalten; wo man aber überhaupt noch mit einem gewissen Recht von einem Königtum sprechen konnte, da behielten sie lediglich die Führung in militärischen Dingen außerhalb der Landesgrenzen. Das sind die Formen von Königtum, vier an der Zahl; eine ist das der Heroenzeit; der König regierte zwar mit Zustimmung der Bevölkerung, jedoch nur mit bestimmten fest umschriebenen Funktionen, denn der König war Feldherr und Richter, und ihm unterstand die Sorge um die religiösen Angelegenheiten. Die zweite Form ist das der Barbaren, dies ist ein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Familie bekleidetes Königtum despotischen Charakters, das aber an Gesetze gebunden ist. Die dritte nennt man Aisymnetie, sie ist eine aus Wahlen hervorgegangene Tyrannis. Die vierte ist das sparta nische Königtum, es ist kurz gesagt erblicher Oberbefehl auf Lebenszeit. Das sind die Unterschiede zwischen diesen Arten. Eine fünfte Form von Königtum liegt aber dann vor, wenn ein einziger die höchste Gewalt in allen Angelegenheiten innehat, so wie jedes Volk oder jeder Staat in den öffentlichen Angelegenheiten (unumschränkt regiert), diese Form entspricht der Leitung eines Haushalts. Denn wie die Leitung des Haushalts Königsherrschaft im Hause ist, so ist die Königsherrschaft die Autorität des Leiters des Haushalts über den Staat und eines oder mehrere Völker. Kapitel 15. Es gibt, so könnte man sagen, recht eigentlich (nur) zwei Arten des Königtums, die eine Untersuchung verlangen: die eben genannte und die spartanische. Denn die meisten anderen liegen zwischen diesen: sie haben geringere Macht befugnis als das absolute Königtum oder größere als das spartanische. Daher konzentriert sich unsere Untersuchung doch
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eigentlich auf zwei Fragen, einmal: ist es für die Staaten nützlich, daß der Oberbefehlshaber dieses Amt auf Lebenszeit bekleidet – einerlei ob er es nach der Zugehörigkeit zu einer Familie oder † durch Wahl † erhält – oder nützt dies nicht? Die andere Frage lautet: ist es von Vorteil, daß ein einziger die höchste Gewalt in allen Dingen innehat, oder nicht? Jedoch eine Untersuchung über den Oberbefehl der beschriebenen Art betrifft mehr eine besondere Form der Gesetze als die Verfassung, denn in allen Verfassungen kann ein solches Amt vorkommen, weshalb dies vorerst beiseite bleiben soll. Die damit allein übrige Form des Königtums bildet dagegen einen eigenen Verfassungstyp, so daß wir sie untersuchen und kurz auf die damit verbundenen Fragen eingehen müssen. Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist (die Frage), ob es von Vorteil ist, von dem besten Mann oder den besten Gesetzen beherrscht zu werden. Diejenigen, die eine Königsherrschaft für nützlich halten, sind der Auffassung, daß Gesetze nur allgemeine Bestimmungen treffen, jedoch keine Anordnung für die jeweils auftretenden Einzelfälle geben; daher gelte es in jeder Fachkenntnis (die ja mit Einzelfällen zu tun hat) als Torheit, nach geschriebenen Richtlinien Anweisungen zu geben. Es ist ja auch in Ägypten den Ärzten erlaubt, nach vier Tagen die vorgeschriebene Therapie zu ändern – falls früher, dann auf ihr eigenes Risiko. Offensichtlich kann aus dem gleichen Grund eine Verfassung, die auf schriftlich niedergelegten Bestimmungen und Gesetzen beruht, nicht als die beste gelten.– Andererseits brauchen die Regierenden auch jenes (in Gesetzen niedergelegte) allgemeine Prinzip; vorzuziehen ist ja eine Autorität, der die Anfälligkeit für Affekte überhaupt nicht anhaftet, vor einer, mit der (diese Anfälligkeit) von Natur verwachsen ist; davon ist nur das Gesetz frei, jede menschliche Seele besitzt dagegen notwendigerweise diesen (affektiven Teil). Aber vielleicht könnte jemand behaupten, daß ein Mensch diese (Anfälligkeit für Affekte) dadurch wettmacht, daß er über Einzelfragen besser entscheidet. (Welche Folgerung hieraus zu ziehen ist,) ist damit klar: (der beste Mann) muß Gesetzgeber sein, und Gesetze müssen erlassen werden,
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die aber nicht in dem Bereich Gültigkeit haben sollen, in dem sie unzulänglich sind, in den anderen Bereichen müssen sie natürlich Gültigkeit haben. Soll aber in den Angelegenheiten, in denen ein Gesetz überhaupt nicht oder nicht gut entscheiden kann, der eine Beste die politischen Vollmachten besitzen oder die Gesamtheit? Denn auch jetzt tritt sie zusammen, fällt Gerichtsurteile, berät sich und entscheidet, und alle diese Entscheidungen betreffen Einzelfälle. Mit dem besten Manne verglichen ist zwar jeder einzelne aus der Menge für sich genommen wohl schlechter; ein Staat besteht aber aus vielen Einzelpersonen, (die sich in ihren positiven Qualitäten ergänzen können), wie auch eine Mahlzeit, zu der viele ihren Teil beitragen, mehr Anklang findet als ein einziges einfaches Gericht. Deswegen entscheidet auch die Menge vieles besser als jeder einzelne, wer er auch sei. Außerdem verdirbt etwas von großer Masse weniger leicht – so wie jeweils die größere Menge Wasser weniger leicht in ihrer Qualität verdorben werden kann, so kann auch die Menge weniger leicht als die wenigen zum Schlechten beeinflußt werden. Denn wenn ein Einzelner von Zorn oder einem anderen Affekt dieser Art überwältigt wird, dann kann es nicht ausbleiben, daß er in seinem Urteil befangen ist, daß aber alle zugleich in Zorn geraten und eine Fehlentscheidung treffen, ist schon schwerer möglich – als Menge (die den Einzelnen überlegen ist) sollen aber die Freien gelten, die nicht gegen das Gesetz handeln, außer in Fällen, in denen es notwendigerweise unzulänglich ist. Aber wenn ein solches (Verhalten) bei einer großen Zahl nicht leicht zu erreichen ist, (wie steht es dann mit einer anderen Alternative?) Angenommen, daß eine größere Zahl von Leuten sowohl gute Männer wie gute Bürger sind, ist ein Alleinherrscher weniger leicht (als jene) zu korrumpieren? Oder trifft das eher für die zu, die wohl eine größere Zahl bilden, und doch alle gut sind? Ist das nicht offensichtlich die größere Zahl? – Gegen deren Herrschaft wird man aber einwenden: »sie werden sich untereinander in politische Kämpfe verstricken, der Alleinherrscher ist dagegen davon frei«. Dem muß man
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vielleicht entgegenhalten, daß auch diese, genauso wie jener einzelne, gute Männer sind. Wenn man also die Herrschaft einer größeren Zahl, die aus lauter guten Männern besteht, als Aristokratie bezeichnen muß, die eines Mannes dagegen als Königtum, dann dürfte für die Staaten eine Aristokratie einer Königsherrschaft wohl vorzuziehen sein, sofern man nur eine größere Zahl von Gleichen finden kann. Und deswegen wurden früher (die Staaten) königlich regiert, weil man nur selten (mehrere) Männer finden konnte, die an persönlicher Qualität weit herausragten, zumal sie damals nur kleine Staaten bewohnten. Außerdem setzte man die Könige aufgrund ihrer Verdienste um das Wohl anderer ein – Verdienste, die ja die Leistung von Männern mit herausragender Qualität sind. Als es aber dazu kam, daß viele an hervorragender Qualität gleich waren, ertrugen diese (die Königsherrschaft) nicht länger, sondern suchten eine gemeinschaftliche (Ordnung) und begründeten eine Verfassung, in der Bürger die Staatsgeschäfte führten. Als diese sich aber korrumpieren ließen und sich am Staatsvermögen bereicherten, entstanden daraus naturgemäß Oligarchien; denn sie verhalfen Reichtum zu hohem Ansehen. Von hier fand zuerst ein Verfassungswechsel zu tyrannischen Verfassungen statt, von den tyrannischen Regimen aber zur Demokratie; indem sie nämlich wegen ihrer Gewinngier die Macht ständig auf eine geringere Zahl von Bürgern beschränkten, stärkten sie das (politisch rechtlose) Volk, so daß es sich auflehnte und Demokratien sich durchsetzten. Nachdem es aber dazu gekommen ist, daß die (freie Bevölkerung der) Staaten gewachsen ist, ist es wohl nicht länger leicht möglich, daß noch eine andere Verfassung als die Demokratie eingerichtet wird. Wenn aber jemand meint, die Königsherrschaft sei die beste politische Ordnung für die Staaten, wie steht es dann mit den Kindern der Könige? Soll die Königsherrschaft auch innerhalb einer Familie erblich sein? Das kann jedoch von Nachteil sein, wenn die Kinder Eigenschaften haben, wie es manchmal der Fall war. »Aber der König wird dann, obwohl er dazu die Möglichkeit hätte, seinen Kindern nicht die Herrschaft übertragen.« Aber darauf darf man sich nicht so leicht verlassen;
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denn ein solches Verhalten ist schwer und fordert eine stärkere charakterliche Qualität, als sie die Menschennatur hervorbringen kann. Eine weitere strittige Frage liegt auch darin, ob dem zukünftigen König Sicherheitskräfte unterstellt werden sollen, durch die er die Machtmittel erhält, sich mit Gewalt gegen die Leute durchzusetzen, die nicht gehorchen wollen, oder wie er seine Machtbefugnisse ausüben kann. Denn auch wenn der Souverän auf der Grundlage von Gesetzen regiert und nichts nach eigenem Gutdünken gegen die Gesetze tut, so müssen ihm doch Sicherheitskräfte zur Verfügung stehen, mit denen er die (Einhaltung der) Gesetze überwacht. Es ist wohl nicht schwer, bei einem solchen König dafür eine genaue Festlegung zu treffen: er muß zwar eine solche Truppe haben, diese soll aber nur so stark sein, daß sie zwar jedem Einzelnen und mehreren überlegen ist, der Menge aber unterlegen bleibt; in dieser Form pflegten ja auch die Bürger früherer Zeit eine Leibwache zu stellen, wenn immer sie jemanden im Staat als Aisymneten – wie sie ihn nannten – oder als Tyrannen einsetzten, und so riet jemand den Bürgern von Syrakus, dem Dionysius in dieser Zahl Leute zum Schutz zu geben, als dieser eine Leibwache forderte. Kapitel 16. Unsere Erörterung ist jetzt bei dem König, der in allen Angelegenheiten nach eigenem Gutdünken regiert, angelangt, und ihm wollen wir jetzt unsere Untersuchung widmen. Denn der Mann, der auf der Grundlage von Gesetzen (regiert und) den Titel König führt, stellt, wie wir eben gesagt haben, keine eigene Verfassungsform dar. In allen Verfassungen kann ja das Amt des Oberbefehlshabers auf Lebenszeit besetzt sein, z. B. in einer Demokratie und Aristokratie, und viele übertragen einem einzigen die unbegrenzte Machtbefugnis in Angelegenheiten der inneren Verwaltung – ein solches Amt gibt es in Epidamnos und, mit demgegenüber eingeschränkten Aufgaben, in Opus. Bei dem sogenannten absoluten Königtum – das ist die Form, bei der der König in allen Angelegenheit nach eigenem
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Gutdünken regiert – gilt einigen die Herrschaft eines Einzigen über alle Bürger nicht einmal als naturgemäß, wenn der Staat aus Gleichen besteht. Denn für Leute, die von Natur gleich sind, müsse von Natur Gleichheit in Recht und Rang bestehen; und wenn es schon für den Körper schädlich ist, daß Ungleiche die gleiche Nahrung oder Kleidung erhalten, dann gilt dies ebenso auch für die politischen Ehrenstellungen. Genauso schädlich ist es auch, daß Gleiche einen ungleichen Anteil erhalten. Deswegen sei es (für Gleiche) gerecht, daß niemand mehr regiert als er beherrscht wird, und folglich sei genauso auch der Wechsel zwischen Herrschen und Beherrschtwerden gerecht. Dies ist aber schon eine gesetzliche Regelung, denn die Ordnung (die den Wechsel in der Amtsbekleidung vorschreibt) ist Gesetz. Es sei daher vorzuziehen, daß eher das Gesetz herrscht als irgendein Bürger, und wenn es schon vorzuziehen ist, daß einige Menschen Herrschaftsfunktionen ausüben, so müsse man diesen nach der gleichen Auffassung (ein Amt) übertragen, in dem sie Hüter der Gesetze und Diener der Gesetze sind. Denn Institutionen der Herrschaft seien nun einmal unverzichtbar, aber nach ihrer Auffassung sei es nicht gerecht, daß ein einziger der Inhaber eines solchen Amtes sei, wenigstens dann, wenn alle gleich sind. Aber gerade die Dinge, die, wie es scheint, ein Gesetz nicht eindeutig regeln kann, kann doch ein Mensch wohl kaum erkennen. Das Gesetz hat jedoch mit voller Absicht die Bürger erzogen und überträgt Angelegenheiten, die es nicht eindeutig regeln kann, den Amtsinhabern, damit sie nach bestem Gewissen entscheiden und Maßnahmen treffen. Ferner räumt das Gesetz doch die Möglichkeit ein, die Verbesserungen vorzunehmen, die aufgrund von Erfahrungen den geltenden Regelungen vorzuziehen sind. Wer nun dem Gesetz die Herrschaft überträgt, der scheint zu gebieten, daß Gott und die Vernunft allein herrschen, wer aber die Herrschaft von Menschen anordnet, der fügt dem noch das wilde Tier hinzu – denn so kann man den Charakter der Begierde beschreiben, und (ein Affekt wie) Zorn bringt Regierende, auch wenn sie die besten Men-
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schen sind, (von einer unparteiischen Haltung) ab. Deswegen ist ein Gesetz Vernunft ohne Affekte. Das Beispiel mit den Fachkenntnissen, nämlich daß eine ärztliche Behandlung nach festen Regeln nachteilig sei und man lieber Leute hinzuzuziehen sollte, die die Fachkenntnisse beherrschen, ist aber falsch. Denn Ärzte verstoßen nicht aus Freundschaft (zu anderen) gegen die Regeln ihrer Kunst, sondern erhalten ihr Honorar, nachdem sie die Kranken geheilt haben. Leute, die staatliche Ämter bekleiden, pflegen jedoch vieles zu tun, um anderen das Leben schwer zu machen oder sie zu begünstigen – ja sogar Patienten, die den Argwohn hegen, daß Ärzte von persönlichen Gegnern gewonnen sind und sie für einen materiellen Vorteil umkommen lassen wollen, dürften eher eine Behandlung nach dem Buchstaben der Vorschriften suchen. Ja wenn Ärzte krank sind, ziehen sie selber andere Ärzte, und die Turnlehre, wenn sie trainieren, andere Turnlehrer hinzu, weil sie sich darüber im klaren sind, daß sie nicht wahrheitsgemäß entscheiden können, da sie in eigener Sache entscheiden und unter dem Einfluß von Affekten stehen. So ist nun klar, daß man bei der Suche nach Recht eine unparteiische Mittelinstanz sucht, denn das Gesetz ist die unparteiische Mittelinstanz. Außerdem haben die Gesetze, die auf Gewohnheiten beruhen, eine höhere Autorität als die geschriebenen und regeln Sachverhalte von grundlegenderer Bedeutung. Selbst wenn man demnach einräumt, daß ein Mensch als (unumschränkter) Herrscher zuverlässiger ist als Leute, die nach geschriebenen Gesetzen regieren, so ist er doch jedenfalls nicht zuverlässiger als die, die nach dem Gewohnheitsrecht regieren. Für einen einzelnen ist es jedoch nicht leicht, die Aufsicht über viele Dinge zu haben. Es wird sich also die Notwendigkeit ergeben, daß er eine größere Zahl von Bevollmächtigten einsetzt; aber was macht es dann für einen Unterschied, ob dies von Anfang an so eingerichtet ist oder ob der Alleinherrscher erst diese Einrichtung schafft? Ferner, wenn – wie oben dargelegt wurde – der gute Mann deswegen, weil er anderen überlegen ist, zu herrschen berechtigt ist, dann übertreffen doch
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zwei Gute den einen an Qualität. Das meint ja das (Dichter) Wort: »wenn zwei miteinander gehen
« und der Wunsch Agamemnons: »zehn Ratgeber von dieser Art wünsche ich mir.« Auch jetzt haben ja die Ämter in einigen Angelegenheiten volle Entscheidungsbefugnis, so wie die Richter, nämlich in Angelegenheiten, in denen das Gesetz keine festen Bestimmungen treffen kann; denn niemand streitet ab, daß das Gesetz in den Angelegenheiten, in denen es feste Vorschriften erlassen kann, auch am besten Anordnungen und Entscheidungen treffen könnte. Einige Sachverhalte können sicherlich von Gesetzen zutreffend erfaßt werden, andere jedoch nicht. Diese Tatsache bewirkt, daß man die Frage aufwirft und untersucht, ob die Herrschaft des besten Gesetzes oder des besten Mannes vorzuziehen ist. Denn die Aufgabe, Gesetze in den Angelegenheiten zu erlassen, über die man sich miteinander berät, ist nicht zu bewältigen. Man bestreitet ja auch gar nicht die Notwendigkeit, daß in diesen Dingen ein Mensch Entscheidungen fällen muß, sondern nur, daß es lediglich ein Einziger sein soll und nicht viele. Denn jeder Einzelne entscheidet gut, da er von dem Gesetz erzogen wurde, und die Erwartung, daß jemand mit seinen zwei Augen besser sehen sollte oder daß er (mehr erreicht), wenn er sich aufgrund seiner zwei Ohren sein Urteil bildet und mit zwei Füßen und Händen handelt als viele mit vielen, dürfte doch wohl keinen Sinn machen. Denn auch jetzt vervielfältigen Alleinherrscher die Zahl ihrer Augen, Ohren, Hände und Füße, indem sie die Freunde ihres Regimes und ihrer Person zu Mitregenten machen. Wenn diese nun nicht seine Freunde sind, werden sie nicht nach dem Willen des Monarchen handeln. Wir sagten, daß diese Männer Freunde des Monarchen und seiner Herrschaft sind, ein Freund ist aber gleich; wenn nun der Regent meint, diese müßten Herrschaft ausüben, dann ist er (selber) der Auffassung, Leute die möglichst gleich sind, müßten auch in gleicher Weise an der Herrschaft beteiligt sind. Das sind nun so ziemlich die Punkte, die die Leute gegen das Königtum vorbringen, die ihm die Berechtigung bestreiten.
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Kapitel 17. Aber dieses (Ergebnis) gilt in dieser Weise vielleicht für bestimmte Leute, für andere jedoch nicht. Es gibt nämlich eine Form von Recht und von Nutzen entsprechend der Natur in einem despotischen Herrschaftsverhältnis und eine andere Form von Recht und Nutzen von Natur in einem Königreich und wieder eine andere in einem von Bürgern regierten Staat. Eine tyrannische Form von Recht und Nutzen existiert jedoch nicht in naturgemäßer Weise und eine solche (naturgemäße) Form auch nicht bei den anderen Verfassungen, die Entartungen sind; denn in ihnen sind (die Rechtsund Nützlichkeitsprinzipien) wider die Natur. Jedoch soviel ist nach den bisherigen Erörterungen deutlich: es ist weder nützlich noch gerecht, daß unter Ähnlichen und Gleichen ein Einziger die souveräne Macht über alle innehat – weder wenn es keine Gesetze gibt, sondern der Alleinherrscher selber das Gesetz ist, noch wenn es Gesetze gibt – auch nicht als ein Guter über alle anderen Guten und auch nicht als nicht Guter über andere, die nicht gut sind; (die Herrschaft eines einzigen Mannes ist) auch nicht dann schon (gerecht und nützlich), wenn er an menschlicher Qualität überlegen ist – außer in einem bestimmten Grade, wie aber dieser anzugeben ist, muß noch erläutert werden, es ist aber in gewisser Weise auch schon vorher erörtert worden. [ Zunächst muß aber voneinander abgegrenzt werden, was mit den Bestimmungen: »für eine Königsherrschaft geeignet«, »für eine Aristokratie befähigt«, »für eine Politie passend« gemeint ist. Für eine Königsherrschaft geeignet ist die Bevölkerung, die ihrer Natur nach dazu bestimmt ist, sich einer Herrscherfamilie unterzuordnen, die sich † durch persönliche Vollkommenheit auszeichnet, so daß sie eine Herrschaft über Bürger aufrichtet †; für eine Aristokratie geeignet ist eine Bevölkerung, die sich von Leuten beherrschen lassen kann, welche aufgrund ihrer überragenden Qualität zur Führung befähigt sind; die für eine Politie geeignete Bevölkerung ist diejenige, die † die Fähigkeit hat, sich beherrschen zu lassen und zu herrschen nach einem Gesetz, das den Begüterten ihrem Rang entsprechend die Ämter überträgt. ]
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Wenn es sich nun so fügt, daß entweder eine ganze Familie oder aus dem Kreis der übrigen Bewohner ein einziger durch seine hervorragenden menschlichen Eigenschaften sich so sehr auszeichnet, daß seine Qualität die aller anderen überragt, dann ist es gerecht, daß diese Familie die Königswürde bekleidet und die souveräne Macht über alle innehat und daß dieser eine König ist. Denn wie vorher bemerkt wurde, muß man diese Folgerung nicht nur nach dem Rechtsprinzip ziehen, das die Gruppen vertreten, die die jeweiligen Verfassungen einrichten, die aristokratischen, oligarchischen und weiter auch die demokratischen Verfassungen – denn sie alle stützen ihre Ansprüche auf einen Vorzug, jedoch nicht den gleichen Vorzug –, sondern diese Folgerung gilt auch nach unseren früheren Bemerkungen: denn einen solchen Mann zu töten oder zu verbannen oder durch das Scherbengericht auf bestimmte Zeit aus dem Lande zu verweisen, ist doch auf keinen Fall angebracht, genauso wenig aber auch zu verlangen, er solle sich im Wechsel regieren lassen. Denn der Teil ist von Natur nicht dazu bestimmt, das Ganze zu überragen; wer aber in diesem Maße überlegen ist, dem fiel es zu, das Ganze zu repräsentieren. Daher bleibt als einzige Möglichkeit, daß man einem solchen Mann gehorcht und daß er seine Macht nicht im Wechsel mit anderen ausübt, sondern uneingeschränkt. Wie viele verschiedene Formen das Königtum aufweist, ob diese Staatsform für die Staaten nicht von Nutzen oder von Nutzen ist und für wen von Nutzen und unter welchen Voraussetzungen, darüber soll die Erörterung in dieser Weise abgeschlossen sein. Kapitel 18. Wir behaupten nun, daß es drei richtige Verfassungen gebe; unter diesen ist aber notwendigerweise diejenige die beste, in der die Besten regieren, das ist aber eine Verfassung, in der entweder ein einziger oder ein ganze Familie oder eine größere Anzahl von Personen durch ihre persönliche Qualität über alle anderen weit herausragt, wobei die einen in der Lage sind, sich beherrschen zu lassen 〈 u nd zu herrschen 〉, die anderen, (ausschließlich) zu herrschen, ausgerichtet auf das beste
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Leben als ihr Ziel. Es wurde aber in den ersten Erörterungen erwiesen, daß die vollkommene Qualität des Mannes und die des Bürgers des besten Staates notwendigerweise identisch sind. Demnach sind es offensichtlich die gleiche Weise und die gleichen Mittel, durch die jemand ein guter Mann wird und durch die man einen aristokratischen oder königlichen Staat einrichten könnte; daher werden es im wesentlichen die gleiche Erziehung und die gleichen Gewohnheiten sein, die jemanden zum guten Mann und zum leitenden Staatsmann oder zu einem für das Königsamt befähigten Mann machen. Nach dieser Erörterung müssen wir jetzt versuchen darzulegen, auf welche Weise die beste Verfassung naturgemäß entsteht und wie sie eingerichtet wird. [ Wer darüber die angemessene Untersuchung vornehmen will, der muß daher … ]
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Kapitel 1. In allen sachkundigen Tätigkeiten und Kenntnissen, die sich nicht nur auf ein Teilgebiet beschränken, sondern einen bestimmten Bereich in seinem vollen Umfang zum Gegenstand haben, hat eine einzige (Tätigkeit und Kenntnis) die Aufgabe zu untersuchen, was jeder Klasse (ihres Gegenstandes) angemessen ist; z. B. betrachtet (die Gymnastik) nicht nur, welche Art von Training welcher bestimmten (Konstitution eines) Körpers nützt, sondern auch, welches Training das beste ist – denn bei jemand, der die beste Anlage besitzt und über die entsprechenden Mittel verfügt, ist notwendigerweise auch das beste Training angebracht; und sie betrachtet, welche eine Form von Training für die größte Zahl in ihrer Gesamtheit (am besten ist) – denn auch dies ist eine Aufgabe der Gymnastik. Und wenn jemand weder die ihm erreichbare Kondition noch die Kenntnis wünscht, wie sie für den Wettkampf verlangt werden, dann haben Trainer und Sportlehrer trotzdem die Aufgabe, auch diese (mindere) Fähigkeit hervorzubringen. Wir können ja beobachten, daß auch bei Medizin, Schiffbau, (Anfertigung von) Kleidern und jeder anderen technischen Fertigkeit die gleichen (Alternativen) bestehen. Das gilt dann offensichtlich auch bei der Verfassung: ein und dieselbe Kenntnis hat einmal die Aufgabe zu untersuchen (1), was das Wesen der besten Verfassung ist und wie sie beschaffen sein muß, um am ehesten die Wünsche (von Menschen) zu erfüllen, wenn man sich einmal vorstellt, es stünden keine äußeren Umstände hindernd entgegen; daneben untersucht sie auch (2), welche Verfassung zu welchen Menschen paßt, denn für viele bleibt die beste Verfassung vielleicht unerreichbar. Aus diesem Grunde dürfen der gute Gesetzgeber und der wahre Staatsmann sich nicht über die absolut beste (1) und die unter den gegebenen Voraussetzungen beste Verfassung (2) im Unklaren sein. (Diese eine Kenntnis) hat außer-
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dem die Aufgabe, als dritte Möglichkeit (3) die jeweils existierende Verfassung (zu betrachten); denn man muß auch untersuchen können, wie es wohl am Anfang zur Entstehung der bestehenden Verfassung kommt und durch welche Mittel sie, wenn sie einmal in Kraft ist, für die längste Zeit erhalten werden könnte – ich meine z. B. wenn es sich so fügt, daß ein Staat nicht nach der besten Verfassung regiert wird und ihm auch die Ausstattung mit den notwendigen Mitteln fehlt (1) und er auch nicht nach einer Verfassung, die sich unter den gegebenen Bedingungen verwirklichen ließe (2), sondern einer schlechteren regiert wird (3). Neben allen genannten Möglichkeiten muß man auch die Verfassungsform kennen, die am ehesten zu allen Staaten paßt (4). Weil (die Aufgabe der Staatskunde so umfassend ist), verfehlen die meisten, die ihre Vorstellungen über Verfassung dargelegt haben, das wenigstens, was von praktischem Nutzen ist, auch wenn sie in anderer Hinsicht treffende Feststellungen machen. Denn man darf nicht allein die beste Verfassung (1) untersuchen, sondern (muß sich) auch die, die verwirklicht werden kann, (vornehmen,) genauso dann auch die, die leichter einzurichten ist und eher die gemeinsame Grundlage für (die politische Ordnung) aller Staaten bilden kann (4). Wie die Dinge jedoch liegen, sucht eine Gruppe von Staatsdenkern nur die beste Verfassung, die eine äußere Ausstattung großen Umfanges erfordert (1), während die anderen eine Verfassung beschreiben, die eher (in einer größeren Zahl von Staaten) gemeinsam gelten kann (4); dabei verwerfen sie allerdings die bestehenden Verfassungen und preisen diejenige Spartas oder irgendeine andere. Dies ist jedoch (kurzsichtig; denn) man muß eine solche Ordnung einführen, daß die (Bürger) leicht dafür gewonnen werden können und auch in der Lage sein werden, von den jeweils vorherrschenden Verfassungen aus (an dieser neuen Ordnung) † mitzuwirken †. Daraus ergibt sich, daß es keine geringere Aufgabe ist, eine Verfassung wieder aufzurichten als eine von Grund auf neu zu schaffen, wie es auch (keine leichtere Aufgabe) ist, etwas umzulernen als völlig neu zu lernen. Daher muß der Staatsmann zusätzlich zu
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den vorher genannten Aufgaben auch die Fähigkeit besitzen, den jeweils bestehenden Verfassungen (3) zu helfen. Diese Aufgabe kann er aber nur dann meistern, wenn er die Zahl der Arten einer Verfassung kennt. Nun glauben aber einige Leute, es gebe nur eine (Form von) Demokratie und eine (Form von) Oligarchie, aber das ist unzutreffend. Daher muß man wissen, wieviele unterschiedliche Formen von Verfassungen es gibt und auf wieviele Weisen sie gebildet werden. Zu der gleichen Kenntnis gehört auch zu verstehen, welches die besten Gesetze sind und welche Gesetze zur jeweiligen Verfassung passen. Denn wenn man Gesetze erläßt, muß man sich an den Verfassungen orientieren, und alle tun dies auch; man darf sich dagegen nicht an den Gesetzen orientieren, wenn man Verfassungen gibt. Denn eine Verfassung ist die Ordnung für Staaten, (die festlegt,) wie die Staatsämter verteilt sind, wer der Souverän der Verfassung ist und was das Ziel jeder Gemeinschaft ist. Verschieden von den (Bestimmungen), die (den Charakter der) Verfassung angeben, sind dagegen die Gesetze, in Übereinstimmung mit denen die Amtsträger die Ämter führen und Gesetzesübertreter in Schranken halten müssen. Daraus geht klar hervor, daß man auch zum Zweck der Gesetzgebung bei jeder Verfassung die Unterarten und ihre Anzahl kennen muß. Denn es ist ausgeschlossen, daß die gleichen Gesetze allen Formen von Oligarchie oder Demokratie nützen, da es ja eine größere Anzahl, und nicht nur eine einzige Form von Demokratie oder Oligarchie gibt. Kapitel 2. In der ersten Untersuchung über die Verfassungen haben wir folgende Unterscheidung getroffen: drei Verfassungsformen, nämlich Königtum, Aristokratie und Politie, sind richtig, während drei ihre Entartungsformen bilden: Tyrannis ist die Entartungsform des Königtums, Oligarchie die Entartungsform der Aristokratie und Demokratie die der Politie. Aristokratie und Königtum sind nun behandelt; denn eine Untersuchung der besten Verfassung bedeutet, die gleichen Aussagen auch über die (beiden) Verfassungsformen zu machen, die die genannten Bezeichnungen tragen; jede von
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ihnen hat ja die Intention, nach der Norm persönlich herausragender Qualität, die mit äußeren Mitteln wohl ausgestattet ist, geordnet zu sein. Es ist außerdem früher erörtert worden, worin der Unterschied zwischen Aristokratie und Königtum besteht und wann es angebracht ist, daß ein Königtum die geltende Verfassung sein soll. Es steht daher noch aus, die Verfassungsform zu behandeln, die mit dem (allen Verfassungen) gemeinsamen Namen (›Politie‹) bezeichnet wird, und (dann) auch die übrigen Verfassungen, das sind Oligarchie, Demokratie und Tyrannis. Es unterliegt nun keinem Zweifel, welche der gerade genannten Entartungsformen die schlimmste ist und welche den zweiten Rang einnimmt: die schlechteste Verfassung muß diejenige sein, die die Entartung der ersten und göttlichsten Verfassung ist – (diese ist) das Königtum; denn es ist entweder nur ein bloßer Name, ohne wirklich Königtum zu sein, oder es muß auf die überragende Überlegenheit dessen, der die Königsmacht innehat, gegründet sein. Daraus geht hervor, daß die Tyrannis, die die schlechteste Verfassung ist, am meisten von dem entfernt ist, was eine Verfassung ausmacht; an zweiter Stelle folgt dann die Oligarchie, denn es besteht ein großer Unterschied zwischen dieser Verfassung und der Aristokratie; die gemäßigtste (Entartungsform) ist aber die Demokratie. Gewiß hat auch schon einer der Früheren (die Rangfolge der Verfassungen) so angegeben, jedoch nicht unter dem gleichen Gesichtspunkt wie wir. Denn nach seinem Urteil ist die Demokratie die schlimmste aller guten Verfassungen, ich meine wenn man Oligarchie und die anderen zu den guten Verfassungen rechnet; in der Gruppe der schlechten Verfassungen sei sie aber die beste. Wir behaupten dagegen, daß diese schlechthin verfehlt sind und daß es nicht richtig ist zu sagen, eine Oligarchie sei »besser« als eine andere Verfassung, man muß sie vielmehr als »weniger schlecht« bezeichnen. Aber diese Beurteilung (der Qualität der Verfassungen) soll für den Augenblick beiseite bleiben. Stattdessen müssen wir zuerst abgrenzen, wieviele Formen von Verfassungen unterschieden werden können, da es ja meh-
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rere Arten von Demokratie und Oligarchie gibt; danach welche Verfassung am ehesten die gemeinsame Grundlage (für eine größere Zahl von Staaten) bilden kann und welche Verfassung nach der besten am ehesten gewählt zu werden verdient; ferner was das Wesen eines weiteren Verfassungstyps ist, der aristokratischen Charakter besitzt und wohlgeordnet ist, zugleich aber zu (den Bedingungen in) den meisten Staaten paßt – falls es einen solchen (Verfassungstyp) gibt; weiterhin (müssen wir) auch (bestimmen), welche andere Verfassung bei welcher Bevölkerung den Vorzug verdient; denn vielleicht ist für bestimmte Menschen eine Demokratie geradezu eine Notwendigkeit, eher als eine Oligarchie, für andere dagegen umgekehrt. Danach (soll behandelt werden), wie man vorgehen soll, wenn man sich vornimmt, diese Verfassungen einzurichten, ich meine jede Form von Demokratie und entsprechend von Oligarchie. Wenn wir kurz auf alle diese Dinge, so wie es möglich ist, eingegangen sind, müssen wir schließlich sowohl generell (für alle) als auch gesondert für jede einzelne Verfassungsform zu behandeln versuchen, was jeweils die Formen ihrer Zerstörung und die Methoden ihrer Erhaltung sind, und warum es in der Natur der Dinge liegt, daß am ehesten diese Entwicklungen eintreten. Kapitel 3. Es gibt eine Vielzahl von Verfassungen, und der Grund dafür ist, daß jeder Staat eine Vielzahl von Teilen aufweist: zunächst sind, wie wir beobachten können, alle Staaten aus Haushalten gebildet; aus deren Zahl sind notwendigerweise dann wieder die einen wohlhabend, die anderen arm, und der Rest liegt (in ihren Besitzverhältnissen) in der Mitte; bei den Begüterten und Armen besitzen die einen schwere Waffen, die anderen dagegen nicht. Wir beobachten auch, daß der Demos sich zum Teil aus Bauern, zum Teil aus Händlern, zum Teil aus Handwerkern zusammensetzt. Auch unter den Angesehenen gibt es Unterschiede, einmal nach dem Reichtum, d. h. dem Umfang von Besitz, der z. B. in Pferdezucht bestehen kann; denn man kann sie nicht leicht betreiben, wenn man nicht begütert ist. In früheren Zei-
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ten pflegten deswegen auch in den Staaten, in denen die militärische Stärke auf der Reiterei beruhte, Oligarchien vorzuherrschen. Man setzte gewöhnlich Pferde in den Kriegen gegen die Nachbarn ein, wie z. B. die Bewohner von Eretria, Chalkis, Magnesia am Mäander und viele andere in Asien. Neben den Unterschieden (unter den Angesehenen) nach dem Besitz gibt es außerdem einen nach der Herkunft, einen anderen nach besonderer charakterlicher Qualität und (weitere Unterschiede), wenn bei den Erörterungen über die Aristokratie noch ein anderer Teil dieser Art aufgeführt wurde; dort haben wir ja auseinandergesetzt, aus wievielen notwendigen Teilen jeder Staat besteht. Von diesen Teilen haben nun bald alle an der Verfassung teil, bald eine geringere, bald eine größere Zahl. Es ist damit klar, daß es notwendigerweise eine größere Zahl von Verfassungen gibt, die sich der Art nach voneinander unterscheiden. Denn auch jene Teile (von denen einige oder alle an der Verfassung teilhaben) sind der Art nach voneinander verschieden. Eine Verfassung ist nämlich die Ordnung, die die Staatsämter regelt; alle verteilen aber diese Ämter entweder nach dem überragenden Einfluß derjenigen, die (an der Verfassung) teilhaben, oder nach einer bestimmten Form von Gleichheit, die für sie gemeinsam gilt, ich meine damit z. B. (nach dem Einfluß) der Armen oder der Begüterten oder einer bestimmten unter ihnen gemeinsam geltenden (Machtverteilung). Notwendigerweise muß es danach ebenso viele Formen von Verfassungen geben, wie Ordnungen (für die Besetzung der Ämter) nach den Bedingungen von Überlegenheit und nach den Unterschieden zwischen den Teilen (des Staates) gebildet werden können. Am meisten aber herrscht die Auffassung vor, es gebe (nur) zwei Verfassungen; wie man bei den Winden sagt, es gebe entweder Nord- oder Südwinde und die anderen seien Abweichungen davon, so nimmt man auch nur zwei Verfassungen, Demokratie und Oligarchie, an. Denn die Vertreter dieser Auffassung bestimmen die Aristokratie als eine Form von Oligarchie, so als sei sie eine Art Oligarchie; und die sogenannte Politie deuten sie als eine Form von Demokratie,
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wie man bei Winden den Westwind als eine Form des Nordwindes und den Südostwind als Form des Südwindes angibt. Das gleiche gelte auch für die Tonarten, wie einige behaupten; denn auch hier nimmt man zwei Arten an, die dorische und die phrygische, die anderen bezeichnet man Tonarten mit ent weder dorischem oder phrygischem Charakter. Es sind hauptsächlich Vorstellungen dieser Art, die man von den Verfassungen zu hegen pflegt. Wahrer und besser ist aber eine Einteilung, wie wir sie vorgenommen haben, nämlich daß es zwei oder eine vorbildliche Verfassung gibt und daß (alle) anderen deren Entartungsformen darstellen; so wie die Tonarten Entartungsformen der einen wohl temperierten sind, so sind die Verfassungen Entartungsformen der besten Verfassung: die straffer geführten und eher despotischen sind oligarchisch, die undisziplinierten und lockeren dagegen demokratisch. Kapitel 4. Man darf nun aber nicht, wie das jetzt einige zu tun pflegen, als Demokratie so ohne weiteres (die Verfassung) angeben, in der die Menge der Souverän ist; denn auch in Oligarchien und allen anderen Verfassungen bildet jeweils die Mehrheit den Souverän; noch darf man als Oligarchie (die Verfassung) angeben, in der eine Minderheit Souverän ist. (Zur Verdeutlichung wollen wir folgende Möglichkeiten betrachten): angenommen (der Staat bestünde aus) insgesamt eintausenddreihundert Männern und davon wären eintausend wohlbegütert und diese schlössen die dreihundert, die arm und freigeboren, in allen übrigen Dingen aber gleich sind, von der Bekleidung eines Amtes aus, dann dürfte niemand behaupten, diese hätten eine demokratische Ordnung. Das gleiche gilt auch für die Annahme, daß die Armen zwar nur eine kleine Zahl bilden, aber stärker als die Reichen, die die Mehrzahl bilden, sind: niemand dürfte eine solche Verfassung Oligarchie nennen, wenn (in ihr) den übrigen, die wohlbegütert sind, der Zugang zu den Staatsämtern verschlossen bliebe. Eher soll man daher sagen, daß eine Demokratie dann vorliegt, wenn die Freigeborenen, und eine Oligarchie, wenn die Begüterten
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Souverän sind, aber es geht damit einher, daß die erst genannte Gruppe eine große Zahl, die andere eine Minderheit bildet; denn freigeboren sind viele, aber nur wenige sind wohlbegütert. (Andernfalls) müßte man auch von einer Oligarchie sprechen, wenn man die Staatsämter Männern nach der Körpergröße zuteilte, wie es nach dem Bericht einiger in Äthiopien geschieht, oder nach schönem Aussehen; denn die Zahl der jenigen, die gut aussehen und groß sind, ist gering. Aber auch mit diesen Angaben allein sind die beiden Verfassungen noch nicht hinreichend bestimmt. Da es eine größere Zahl von Teilen in der Demokratie und Oligarchie gibt, muß man vielmehr eine zusätzliche Präzisierung vornehmen: es ist keine Demokratie, wenn die Freigeborenen, die die Minderheit bilden, über die Mehrheit, die nicht freigeboren ist, regieren – so ein Fall lag in Apollonia am jonischen Meer und auf Thera vor: in beiden Staaten bekleideten Männer, die sich durch ihre Herkunft auszeichneten und als erste die Kolonien besiedelt hatten, die Staatsämter – als Minderheit (regierten sie über) eine große Zahl. Und man kann auch dann nicht von einer Demokratie reden, wenn die Begüterten (die Regierung innehaben), weil sie an Zahl überlegen sind, so wie es in alter Zeit in Kolophon der Fall war: dort besaß die Mehrheit viel Vermögen, bevor der Krieg gegen die Lyder ausbrach. Eine Verfassung ist vielmehr dann eine Demokratie, wenn die Freigeborenen und Armen, die die Mehrzahl bilden, als Souverän die Macht innehaben, und eine Oligarchie, wenn die Reichen und Männer aus vornehmeren Familien, die die Minderheit bilden, (regieren). Es ist damit erklärt, daß es eine größere Anzahl von Verfassungen gibt und warum dies der Fall ist. † [Daß es aber eine größere Anzahl von Verfassungen als die genannten gibt, welche dies sind und warum dies der Fall ist, wollen wir darlegen und dabei den oben beschriebenen Ausgangspunkt wählen. Wir sind uns ja darüber einig, daß jeder Staat nicht (nur) einen, sondern eine Vielzahl von Teilen aufweist. (Zur Erläuterung benutzen wir folgende Analo gie): Wenn wir uns die Aufgabe stellten, die Klassen von Lebe
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wesen herzuleiten, dann würden wir zunächst bestimmen, welche (Organe) jedes Tier haben muß, z. B. einige Sinnesorgane, das Organ zur Verdauung und Aufnahme von Nahrung, d. h. Mund und Bauchhöhle, außerdem die Körperteile, mit denen sich jedes Lebewesen fortbewegt. Angenommen, daß damit die Zahl der lebensnotwendigen Organe vollständig angegeben ist, daß sie aber in unterschiedlichen Formen auftreten, ich meine in mehreren Arten von Mund, Magen, Sinnes- und Bewegungsorganen, dann wird die Anzahl der Kombinationen dieser Organe notwendigerweise eine Mehrzahl von Arten von Lebewesen konstituieren; denn ein und dieselbe (Gattung von) Lebewesen kann nicht zugleich mehrere unterschiedliche Formen von Mund oder Ohren aufweisen. Wenn nun alle möglichen Verbindungen zwischen diesen (unterschiedlich ausgebildeten lebensnotwendigen Organen) erfaßt sind, werden diese die Arten von Lebewesen begründen, und die Zahl der Tierarten wird ebenso groß sein, wie es Verbindungen von notwendigen Körperteilen gibt. Das gleiche gilt aber auch für die genannten Verfassungen; denn die Staaten (deren Ordnungen die Verfassungen sind) bestehen nicht (nur) aus einem einzigen, sondern aus vielen Teilen, wie schon häufig dargelegt wurde: ein Teil, die sogenannten Landwirte, hat die (Beschaffung von) Nahrung zur Aufgabe; den zweiten bilden die sogenannten Handwerker; sie üben die handwerklichen Fachkenntnisse aus, ohne die man in einem Staat nicht wohnen kann – einige dieser Fachkenntnisse sind völlig unverzichtbar, während andere den Annehmlichkeiten des Lebens oder seiner vollkommenen Form dienen. Einen dritten Teil stellen die Händler dar – ich meine mit Händlern Leute, die in Verkauf und Kauf, Fernhandel und ortsgebundenem Handel beschäftigt sind; der vierte Teil sind die Lohnarbeiter. Die fünfte Gruppe bilden diejenigen, die im Krieg für das Land kämpfen sollen; sie müssen genauso unverzichtbar wie die eben genannten Gruppen im Staat vorhanden sein, wenn dessen Bewohner nicht Sklaven der Angreifer werden sollen. Es ist ja doch wohl ein Ding der Unmöglichkeit, daß eine Gemeinschaft die Be-
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zeichnung Staat verdient, wenn sie ihrem Wesen nach Sklave ist; denn ein Staat ist autark, was aber versklavt ist, ist nicht autark. Aus diesem Grunde ist die Darstellung in der Politeia zwar geistreich, aber unbefriedigend. Denn Sokrates behauptet (dort), der Staat bestehe aus den vier allernotwendigsten Personen, und als diese gibt er Weber, Landwirt, Schuster und Hausbauer an. Weil ihm aber offensichtlich diese eben genannten nicht allein zur Befriedigung der Bedürfnisse ausreichten, fügt er dann noch Schmied und Hirten von Weidetieren, die unentbehrlich sind, hinzu, außerdem denjenigen, der Fernhandel treibt, und den ortsgebundenen Händler. Sie alle bilden die Gesamtzahl des ersten Staates, so als bestehe jeder Staat zur (Befriedigung) notwendiger (Bedürfnisse), und nicht vielmehr um eines Zweckes willen, der seine Vollendung in sich findet, und so als benötige er Schuster genau so dringend wie Landwirte. Die Kriegerschicht weist er aber (dem Staat) nicht eher zu, als bis seine Bewohner in einen Krieg verwickelt wurden, nachdem ihr Gebiet ausgeweitet wurde und das der Nachbarn verletzte. Aber selbst in einer Gemeinschaft von vier Mitgliedern oder jeder anderen Zahl muß es jemanden geben, der die Aufgabe hat, Recht zu erteilen und zu richten. Wenn man nun die Seele in höherem Maße als Teil eines Lebewesens angibt als den Körper, so muß man auch bei den Staaten Gruppierungen dieser Art eher (als ihre eigentlichen Bestandteile ansehen) als diejenigen, die (nur) zur (Befriedigung) notwendiger Bedürfnisse beitragen – (zu den eigentlichen Bestandteilen rechne ich) die Kriegerschicht und den Teil (des Staates), der die Gerechtigkeit besitzt, die man für Rechtsprechung braucht; hinzukommt der Teil, der politische Entscheidungen trifft und eine Aufgabe erfüllt, die politische Klugheit erfordert. Für das gegenwärtige Argument ist es allerdings unerheblich, ob diese Aufgaben je gesondert von bestimmten oder von den gleichen Leuten ausgeübt werden; es kommt ja häufig vor, daß die gleichen Leute als Schwerbewaffnete kämpfen und Landwirte sind. Wenn nun diese und jene Gruppierungen als Teile des Staates angegeben werden müs-
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sen, so folgt daraus, daß jedenfalls die Gruppe, die schwere Waffen besitzt, ein unentbehrlicher Teil des Staates ist. Der siebte Teil ist derjenige, der mit seinem Vermögen (der Gemeinschaft) dient, den wir die Begüterten nennen. Der achte ist die Gruppe der Gemeindebeamten und derer, die in den öffentlichen Ämtern dienen, zumal ohne Regierende ein Staat nicht bestehen kann; es ist daher unerläßlich, daß einige Personen die Fähigkeit besitzen, ein Staatsamt zu bekleiden und dem Staat diesen Dienst entweder auf Dauer oder in turnusmäßigem Wechsel zu leisten. Übrig bleiben die Teile, die wir eben abgegrenzt haben: derjenige, der politische Entscheidungen trifft, und (derjenige, der) denen ein Urteil spricht, die um ihre Rechte streiten. Wenn nun diese Aufgaben in den Staaten wahrgenommen und gut und gerecht wahrgenommen werden müssen, dann muß es auch einige Bürger geben, die herausragende menschliche Qualität besitzen. Nach der Auffassung vieler besteht nun durchaus die Möglichkeit, daß ein und dieselben Leute sehr wohl (alle) diese Fähigkeiten besitzen; so könnten die gleichen Leute Krieger, Landwirte und handwerkliche Fachkräfte sein und außerdem politische Entscheidungen treffen und (Rechtsfragen) entscheiden. Alle beanspruchen auch herausragende menschliche Qualität für sich und glauben, sie seien imstande, die meisten Ämter zu führen. Es sei jedoch unmöglich, daß die gleichen Leute sowohl arm als auch reich sind. Deswegen werden diese Gruppierungen, ich meine die Begüterten und die Armen, auch am ehesten für die Teile des Staates gehalten. Und weil in der Mehrzahl der Fälle die Begüterten eine geringe Zahl bilden, die Armen jedoch eine große Zahl, scheinen sie unter den Teilen, die der Staat hat, die entgegengesetzten Teile zu sein. Entsprechend setzt man auch die Verfassungen nach dem jeweiligen Übergewicht dieser Gruppen ein, und es scheint (nur) zwei Verfassungen zu geben, Demokratie und Oligarchie. Daß es nun eine größere Anzahl von Verfassungen gibt und aus welchen Gründen, ist vorher erklärt worden.] † Wir wollen aber darlegen, daß es auch bei Demokratie und Oligarchie eine Mehrzahl von Arten gibt. Diese Tatsache ist
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aber auch nach den vorherigen Erörterungen klar; denn Demos und die sogenannten Angesehenen untergliedern sich in eine größere Anzahl von Gruppierungen: die Landwirte bilden eine der Gruppen des Demos, diejenigen, die sich handwerklichen Fachkenntnissen widmen, eine andere; eine weitere die, die auf dem Markt mit Kauf und Verkauf beschäftigt sind; eine weitere die, deren (Tätigkeiten) mit dem Meer zu tun haben – dazu gehören einmal Männer, die in Kriegen eingesetzt werden, dann Handeltreibende, Leute, die zu Schiff Personen befördern, und Fischer; jede dieser Gruppen bildet vielerorts eine große Zahl, z. B. die Fischer in Tarent und Byzanz, die Besatzung auf den Schiffen mit drei Reihen von Rudern in Athen, die Fernhändler auf Ägina und Chios, und Leute, die Beförderung von Personen und Gütern zu Schiff betreiben, auf Tenedos; (zu den Gruppen, die den Demos bilden, gehören) außerdem Handarbeiter, die nur über geringes Vermögen verfügen, so daß sie es sich nicht leisten können, müßig zu gehen; hinzukommt die Gruppe von Freien, die nicht sowohl väterlicherwie mütterlicherseits Bürger waren, und eine weitere ähnliche Gruppierung aus der Menge, wenn wir eine ausgelassen haben. Bei den Angesehenen (bilden) dagegen Reichtum, vornehme Abkunft, persönlich herausragende Qualität, Bildung und, was man (sonst) in der gleichen Klasse wie die genannten Eigenschaften angibt, (die unterschiedlichen Gruppen). Die erste Form von Demokratie ist die, die im höchsten Maße nach dem Prinzip von Gleichheit beschrieben wird. Das Gesetz dieser Demokratie bestimmt ja als Gleichheit, daß die Armen nicht mehr Macht ausüben als die Reichen, und daß keine von beiden Gruppen den Souverän stellt, sondern daß beide gleich sind. Denn wenn, wie einige glauben, Freiheit am ehesten in der Demokratie zur Geltung kommt und zusätzlich Gleichheit, dann dürften diese (Ziele) am ehesten verwirklicht werden, wenn alle möglichst in gleichem Umfang an der Verfassung teilhaben. Da aber der Demos die Mehrheit bildet und da die Beschlüsse der Mehrheit Gültigkeit besitzen, muß diese Verfassung eine Demokratie sein. Dieses ist nun die eine Form von Demokratie.
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Eine andere Form (schreibt vor), daß die Staatsämter aufgrund von Vermögensqualifikationen besetzt werden, deren Höhe aber niedrig festgelegt ist. Wer (das vorgeschriebene Vermögen) besitzt, muß das Recht haben, (zu den Ämtern) zugelassen zu werden, während demjenigen, der das Mindestvermögen verliert, der Zugang verschlossen ist. Eine weitere Form von Demokratie (bestimmt), daß alle Bürger, deren Abstammung nicht bestritten werden kann, Zugang (zu den Ämtern) haben und daß das Gesetz regiert. Eine andere Form von Demokratie (sieht vor), daß jeder Zugang zu den Ämtern hat, wenn er nur Bürger ist, und daß das Gesetz regiert. Eine weitere Form von Demokratie regelt, daß alles andere genauso gilt (wie in der gerade genannten Demokratie), daß aber die Menge und nicht das Gesetz Souverän ist. Dies ist dann der Fall, wenn Volksbeschlüsse, und nicht das Gesetz, souveräne Geltung haben. Zu einer solchen Entwicklung kommt es durch das Treiben der Demagogen; in demokratischen Staaten, die nach dem Gesetz regiert werden, erlangt ja kein Demagoge Einfluß, sondern die besten Bürger nehmen die führende Stellung ein. Wo dagegen nicht die Gesetze souveräne Geltung haben, da kommen Demagogen auf; denn der Demos wird ein Alleinherrscher, eine einzige Person, die aus vielen zusammengesetzt ist – die Menge bildet ja den Souverän nicht als Einzelpersonen, sondern in ihrer Gesamtheit. Es ist nun nicht klar, ob sich Homer auf die eben beschriebene Demokratie bezog oder auf die Form, bei der eine Vielzahl von Männern jeweils als Einzelpersonen herrscht, wenn er sagte, Vielherrschaft sei nicht gut. Da der so geartete Demos Alleinherrscher ist, sucht er jedenfalls auch, wie ein Alleinherrscher zu regieren; denn er wird nicht vom Gesetz regiert. Und er nimmt einen despotischen Charakter an, so daß sich Schmeichler hoher Wertschätzung erfreuen. Unter den Monarchien hat eine solche Demokratie ihr Gegenstück in der Tyrannis. Deswegen ist auch der Charakter (den die Regierenden in beiden Verfassungen annehmen) der gleiche, und beide haben die Eigentümlichkeit, die Besseren
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gewaltsam zu unterdrücken, und die Volksbeschlüsse (in der Demokratie) entsprechen den Anordnungen des Tyrannen. Demagoge und Schmeichler stellen auch einen und denselben (Typ von) Menschen dar und entsprechen sich völlig: jeder von beiden hat bei seinem jeweiligen (Herren) am meisten Einfluß, die Schmeichler bei den Tyrannen, die Demagogen bei einer Volksmenge der beschriebenen Art. Indem sie alle Angelegenheiten an das Volk verweisen, sind sie dafür verantwortlich, daß die Volksbeschlüsse, und nicht die Gesetze, die höchste Autorität haben; denn es gelingt ihnen, Einfluß zu gewinnen, weil bei der Menge die oberste Entscheidung über alle Angelegenheiten liegt, während sie ihrerseits (die Macht) über die Meinung der Menge ausüben; denn die Menge folgt ihnen. Außerdem fordern diejenigen, die (den Einfluß der) politischen Ämter kritisieren, daß der Demos die Entscheidungen fällen müsse, und dieser nimmt diese Aufforderung gerne an; so kommt es denn dazu, daß alle Ämter beseitigt werden. Jemand, der behauptet, eine solche Demokratie sei überhaupt keine Verfassung, hat wohl Recht mit dieser Kritik. Denn wo nicht die Gesetze regieren, besteht keine Verfassung. Das Gesetz muß als Herrscher alle Angelegenheiten 〈 von allgemeinem Charakter 〉 regeln, die Ämter dagegen die individuellen Fälle, und (eine Ordnung, die so verfährt,) muß man als eine Verfassung ansehen. Wenn nun auch die Demokratie zu den Verfassungen zu zählen ist, dann folgt offensichtlich, daß die beschriebene politische Einrichtung, in der alle Angelegenheiten auf der Grundlage von Volksbeschlüssen verwaltet werden, auch nicht eine Demokratie im eigentlichen Sinne ist. Denn kein Volksbeschluß kann Regelungen von allgemeiner Gültigkeit treffen. Mit dieser Abgrenzung der verschiedenen Formen von Demokratie soll es damit sein Bewenden haben. Kapitel 5. Unter den Formen von Oligarchie ist eine (dadurch gekennzeichnet), daß die Staatsämter nach Vermögensqualifikationen besetzt werden; sie sind in einer solchen Höhe festgelegt, daß gerade die Armen, die die Mehrheit bilden, kei-
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nen Zugang (zu den Ämtern) haben, während derjenige, der das (vorgeschriebene Vermögen) besitzt, an der Verfassung teilhat. Eine andere Form liegt vor, wenn die Ämter nach einer hohen Vermögensqualifikation besetzt werden und die (so qualifizierten) selber die (Nachfolger der) ausscheidenden Amtsinhaber wählen – wenn man sie aus der Gesamtheit der in Frage kommenden Personen wählt, so scheint dies eine eher aristokratische Regelung zu sein, wenn dagegen aus einer bestimmten begrenzten Gruppe, dann eine oligarchische. Eine andere Form von Oligarchie ist es, wenn der Sohn Nachfolger seines Vaters (in der Bekleidung eines Staatsamtes) wird; eine vierte, wenn das eben Gesagte gültig ist und nicht das Gesetz, sondern die Amtsinhaber die Macht ausüben. Unter den Oli garchien ist diese Form das Gegenstück zur Tyrannis unter den Formen von Alleinherrschaft und unter den Demokratien zu der Form, die wir als letzte behandelt haben. Man pflegt eine solche Oligarchie Willkürherrschaft weniger mächtiger Männer zu nennen. Damit ist nun die Zahl der Arten von Oli garchie und Demokratie angegeben. Man darf sich aber über eines nicht im Unklaren bleiben: es kommt in vielen Staaten vor, daß die Verfassung in ihren gesetzlichen Regelungen nicht demokratisch ist, während (die Bürger) nach Gewohnheit und Erziehung demokratischen Grundsätzen folgen. Und genauso kann bei anderen der umgekehrte (Widerspruch) bestehen: die Verfassung ist ihren Gesetzen nach eher demokratisch ausgerichtet, während in Erziehung und Gewohnheit eher oligarchische Züge vorherrschen. Ein solcher (Widerspruch) tritt meistens nach Verfassungswechseln ein; denn (die jeweils siegreiche Gruppe) vollzieht den Wandel nicht auf ein Mal, sondern gibt sich zunächst damit zufrieden, ihre Vormacht nur zu einem geringen Maße auszunutzen. So bleiben die vorher gültigen Gesetze in Kraft, während die Männer, die den Umsturz der Verfassung betrieben, die Macht in Händen halten. Kapitel 6. Aus unseren Ausführungen geht schon klar hervor, daß die Zahl der Arten von Oligarchie und Demokratie so
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anzugeben ist: (es gibt mehrere Arten), weil entweder alle genannten Teile des Demos an der Verfassung teilhaben müssen oder nur einige, während andere nicht teilhaben. Wenn nun der Teil des Demos, der der Landwirtschaft nachgeht und der über mäßigen Besitz verfügt, Souverän der Verfassung ist, dann verwalten diese (Bürger) ihre staatlichen Angelegenheiten getreu den gesetzlichen Vorschriften; denn solange sie arbeiten, haben sie (hinreichend) zum Leben; sie können es sich aber nicht leisten, müßig zu gehen, so daß sie das Gesetz als Herrscher einsetzen und selber (nur) die notwendigen Volksversammlungen besuchen. Die anderen (Bürger) haben das Recht, (an politischen Entscheidungen) mitzuwirken, wenn sie das von den Gesetzen festgelegte Mindestvermögen besitzen. Daher haben (in dieser Verfassung) alle, die den vorgeschriebenen Betrag besitzen, das Recht zur Mitwirkung. Denn während es eine oligarchische Regelung ist, daß nicht alle schlechthin dieses Recht haben, besitzen 〈 i n Demokratien alle 〉 dieses Recht; 〈 aber nicht alle, die das Recht haben, wirken auch tatsächlich am Staatsleben mit, weil sie 〉 ohne Einkünfte keine freie Zeit dafür haben. Aus den genannten Gründen bildet die eben beschriebene Art eine Form von Demokratie. Eine zweite Form ergibt sich nach der sich anschließenden Untergliederung (des Demos). Alle Männer, deren Abkunft nicht beanstandet werden kann, haben das Recht (an politischen Entscheidungen) mitzuwirken, aber sie wirken nur dann tatsächlich mit, wenn sie ein Leben der Muße führen können. Und so haben in dieser Verfassung die Gesetze die oberste Autorität, weil es keine Einkünfte (für politische Tätigkeit) gibt. Die dritte Form (ist dadurch gekennzeichnet,) daß alle Freigeborenen das Recht haben, an der Verfassung teilzuhaben, dies aber aus dem vorher genannten Grunde nicht tun. Notwendigerweise regiert daher auch in dieser Form von Demokratie das Gesetz. Die vierte Form von Demokratie ist diejenige, die in der zeitlichen Abfolge als letzte in den Staaten aufgekommen ist. Denn da die (Bürgerschaft in den) Staaten weit über den ursprünglichen Umfang hinaus angewachsen ist und Einkünfte
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in reichlichem Maße zur Verfügung stehen, haben wegen der überlegenen (Zahl) der Menge alle an der Verfassung teil, und sie wirken auch aktiv mit und sind politisch tätig; denn auch die Armen können sich Müßiggang leisten, da sie Bezahlung (für öffentliche Tätigkeit) empfangen. Und diese Gruppe lebt am ehesten in Muße, denn keine Sorge um persönliche Angelegenheiten hält sie (von politischer Tätigkeit) ab, sie hält aber die Begüterten fern, so daß diese häufig an (den Beratungen) der Volksversammlung und an richterlichen Entscheidungen nicht teilnehmen. Auf diese Weise wird die Menge der Armen Souverän in der Verfassung, und nicht die Gesetze. Aus den dargelegten Gründen gibt es notwendigerweise Arten von Demokratie in der angegebenen Zahl und Qualität. Die Oligarchie weist dagegen folgende Formen auf: Wenn eine größere Anzahl (von Bürgern) über Besitz verfügt, der von eher geringem Umfang und nicht zu groß ist, liegt die Form der ersten Oligarchie vor. In ihr gibt man das Recht zur Teilnahme (an der Verfassung) allen, die Besitz (in der angegebenen Höhe) haben; weil die Mitglieder der Bürgerschaft eine größere Zahl bilden, folgt mit Notwendigkeit, daß nicht Menschen die oberste Autorität ausüben, sondern das Gesetz. Denn je weiter sie (in ihrer Verfassungsordnung) von der Alleinherrschaft entfernt sind und je weniger sie so vermögend sind, daß sie ein Leben der Muße ohne Sorge (um ihre persönlichen Angelegenheiten) führen können, und je weniger sie so bedürftig sind, daß sie ihren Unterhalt vom Staat erhalten, (umso mehr) müssen sie darauf bestehen, daß das Gesetz ihr Herrscher ist, aber nicht sie selber. Wenn dagegen die Zahl der Vermögenden geringer ist als bei den Bürgern der vorher genannten Oligarchie, sie aber über größeren Besitz verfügen, dann ergibt sich die Form der zweiten Oligarchie. Denn da sie mehr Macht besitzen, fordern sie auch Vorrechte; deswegen wählen sie selber aus den übrigen die Inhaber der Regierungsämter. Weil sie aber noch nicht so viel Macht besitzen, daß sie ohne das Gesetz regieren können, regeln sie ein solches Verfahren (der Ämterwahl) durch Gesetz. Wenn sie aber (die Verhältnisse) dadurch verschärfen,
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daß sie mehr Vermögen in noch weniger Händen vereinigen, dann entsteht die dritte Stufe von Oligarchie. Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß diese (wenigen Reichen) die Staatsämter fest in Händen halten, aber einem Gesetz folgen, das bestimmt, daß die Söhne die Nachfolge (ihrer Väter) nach deren Tod antreten. Wenn es aber so weit kommt, daß (Einzelne) durch den Umfang ihres Besitzes und die große Zahl ihrer politischen Freunde erheblich dominieren, dann kommt eine solche Willkürherrschaft weniger mächtiger Männner einer Alleinherrschaft nahe; in ihr übernehmen Menschen die souveräne Gewalt, und nicht das Gesetz. Dies ist die vierte Form von Oligarchie, das Gegenstück zur letzten Form von Demokratie.
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Kapitel 7. Neben Demokratie und Oligarchie gibt es noch zwei Verfassungen. Die eine von ihnen pflegen alle anzugeben, und sie wird als eine Form unter den (allgemein angenommenen) vier Verfassungen aufgeführt – die vier Verfassungen, die man gewöhnlich nennt, sind Monarchie, Oligarchie, Demokratie und als vierte die, die man Aristokratie bezeichnet. Es gibt aber eine fünfte, die den allen Verfassungen gemeinsamen Namen trägt, man nennt sie ›Politie‹ ; weil sie aber nicht häufig vorkommt, wird sie von denen übersehen, die die Zahl der Arten von Verfassungen anzugeben versuchen, und bei den (von ihnen behandelten) Verfassungen berücksichtigen sie allein die vier (genannten), so wie Platon. Die Verfassung, die wir in unseren ersten Untersuchungen behandelt haben, nennt man zweifellos zu Recht Aristokratie. Denn wenn eine Bürgerschaft aus Leuten gebildet wird, die an herausragender persönlicher Qualität schlechthin die besten Männer sind und nicht nur nach einer bestimmten anderen Norm als gut gelten, dann verdient allein eine solche Verfassung zurecht den Namen Aristokratie; in ihr allein ist ja der gute Mann uneingeschränkt zugleich guter Bürger, während die (Bürger) in den übrigen Verfassungen nur nach (den Erfordernissen) ihrer jeweiligen Verfassung gut sind. Es gibt aber auch einige Verfassungen, die Aristokratien genannt werden und Unterschiede sowohl zu den oligarchischen
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Verfassungsordnungen als auch zu der sogenannten Politie aufweisen; denn wo man die Wahl zu den Ämtern nicht nur nach dem Vermögen, sondern auch nach der herausragenden persönlichen Qualität vornimmt, da ist eine solche Verfassung von den beiden genannten verschieden und wird als aristokratisch bezeichnet. Auch in Verfassungen, die die Förderung herausragender persönlicher Qualität nicht zu einer öffentlichen Aufgabe machen, gibt es ja doch einzelne, die sich eines hervorragenden Rufes erfreuen und das Ansehen genießen, gute Männer zu sein. Wo nun eine Verfassung auf Reichtum, herausragende persönliche Qualität und den Demos ausgerichtet ist, wie in Karthago, da ist sie aristokratisch; genauso hat die Verfassung auch dort einen aristokratischen Charakter, wo sie, wie in Sparta, nur auf zwei Bestandteile ausgerichtet ist, auf herausragende persönliche Qualität und den Demos, und wo eine Mischung zwischen den beiden, nämlich Demokratie und herausragender persönlicher Qualität, stattfindet. Neben der ersten und besten Form gibt es diese beiden Arten von Aristokratie, und als dritte diejenigen Formen der sogenannten Politie, die eher zur Oligarchie neigen. Kapitel 8. Es steht noch aus, die sogenannte Politie und die Tyrannis zu behandeln. Wir haben (für die Behandlung der Politie), die – ebenso wenig wie die gerade genannten Aristo kratien – eine Entartungsform von Verfassungen darstellt, diese Anordnung gewählt, weil in Wahrheit sie alle die richtigste Verfassung verfehlen und dann (entsprechend zusammen) mit jenen (Verfassungen) aufgeführt werden, welche ihre Entartungsformen sind, wie wir in unseren einführenden Erörterungen dargelegt haben. Es ist aber wohlbegründet, (erst) am Ende auf die Tyrannis einzugehen, weil sie unter allen am wenigsten eine Verfassung ist, während unsere Untersuchung die Verfassung zum Gegenstand hat. Aus welchem Grunde diese Reihenfolge gewählt wurde, ist damit erklärt. Jetzt soll zunächst unsere Behandlung der Politie folgen, denn ihre Bedeutung ist leichter verständlich, nachdem wir die angemessenen Bestimmungen über Demokratie und Olig
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archie getroffen haben. Allgemein gesagt ist die Politie eine Mischung von Oligarchie und Demokratie. Es ist aber weitverbreitet, (Misch-)Verfassungen mit Neigung zur Demokratie Politien zu bezeichnen, dagegen (Mischverfassungen) mit einer Neigung eher zur Oligarchie Aristokratien, weil Bildung und edle Geburt sich eher bei Männern von größerem Vermögen finden. Außerdem glaubt man, daß die Begüterten die Dinge schon besitzen, die sich Leute, die Unrecht begehen, erst durch Unrecht aneignen wollen. Aus diesem Grunde nennt man die Reichen auch Männer »von vornehmer und guter Wesensart« und »Angesehene«. Da nun die Aristokratie den Anspruch erhebt, den besten Bürgern den höchsten politischen Einfluß zuzuweisen, behauptet man, daß auch die (Bürgerschaft der) Oligarchien eher aus Männern von vornehmer und guter Wesensart besteht. Es scheint aber doch ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, daß ein Staat, der nicht von den besten, sondern von schlechten Führern regiert wird, sich einer trefflichen gesetzlichen Ordnung erfreut, und genauso auch daß ein Staat, der keine gute gesetzliche Ordnung hat, aristokratisch regiert ist; denn als gute gesetzliche Ordnung kann nicht gelten, wenn zwar gute Gesetze erlassen wurden, man ihnen aber nicht gehorcht. Deswegen muß man davon ausgehen, daß es zwei Formen guter gesetzlicher Ordnung gibt: in der einen gehorchen die (Bürger) den geltenden Gesetzen, während in der zweiten gute Gesetze erlassen sind, denen die Bürger dann auch gehorchen – es ist ja auch möglich, schlechten Gesetzen zu gehorchen. Bei dieser zweiten Form einer guten gesetzlichen Ordnung gibt es die Alternative, daß die Bürger entweder den besten für sie erreichbaren Gesetzen gehorchen oder den absolut besten. Es gilt am ehesten als Merkmal der Aristokratie, daß die Ämter nach herausragender persönlicher Qualität zugeteilt werden; denn das bestimmende Kennzeichen der Aristokratie ist herausragende persönliche Qualität, das der Oligarchie Vermögen und das der Demokratie freie Geburt. Dagegen hat in allen Verfassungen Gültigkeit, was immer die Mehrheit beschließt; denn in einer Oligarchie, Aristokratie und den (ver-
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schiedenen) Formen von Demokratie sind die Regelungen gültig, die von der Mehrheit derer beschlossen wurde, die voll an der Verfassung teilhaben. In den meisten Staaten herrscht nun die Verfassungsform vor, die Politie genannt wird; denn (in ihnen) zielt die Mischung nur auf Wohlhabende und Arme, auf Vermögen und Freiheit. Bei den meisten scheinen nämlich die Begüterten die Stelle einzunehmen, die Männern von vornehmer und guter Wesensart zusteht. Es gibt aber (in Wirklichkeit) drei Qualitäten, mit denen man einen Anspruch auf Gleichheit in der Verfassung erheben kann: Diese sind freie Geburt, Besitz und hervorragende persönliche Qualität – vornehme Abkunft, die man als die vierte Qualität angibt, geht dagegen mit zwei der genannten Eigenschaften einher; denn vornehme Abkunft ist altererbter Reichtum und hervorragende persönliche Qualität. Danach ist klar, daß man eine Mischung von zwei der so beschriebenen (Gruppen), nämlich von Vermögenden und Armen, als Politie bezeichnen muß, dagegen als Aristokratie – nach der wahren und ersten Aristokratie – am ehesten von allen Verfassungen die Mischung von allen drei. Es ist damit geklärt, daß es neben Monarchie, Demokratie und Oligarchie auch noch weitere Arten von Verfassungen gibt und welche Qualität diese Verfassungen besitzen. Es ist jetzt auch klar, worin sich die Aristokratien voneinander unterscheiden und worin die Politien von der Aristokratie und daß der Unterschied nicht weitreichend ist. Kapitel 9. Im Anschluß an diese Ausführungen wollen wir darlegen, wie neben Demokratie und Oligarchie die sogenannte Politie zustande kommt und wie man sie einrichten muß. Dies wird zugleich auch mit den (Merkmalen), durch welche man Demokratie und Oligarchie bestimmt, deutlich werden; denn man muß die Unterschiede zwischen ihnen kennen und von ihnen ausgehend von jeder der beiden Verfassungen (die jeweiligen Verfahrensweisen) wie ein Kennzeichen der Identifizierung nehmen und sie dann verbinden.
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Es gibt drei spezifische Möglichkeiten, eine solche Verbindung und Mischung herzustellen. Die erste besteht darin, daß man beide Regelungen, die die (Verantwortlichen) in jeder der beiden Verfassungen gesetzlich festlegen, übernehmen muß. So verhängt man zum Beispiel in Oligarchien im Bereich der Gerichtsbarkeit Strafen für die Vermögenden, wenn sie nicht an der Rechtsprechung teilnehmen, während man für die Armen keine Entlohnung (für die Teilnahme) vorsieht; in Demokratien bestimmt man umgekehrt, daß die Armen eine Entlohnung (für die Teilnahme an der Rechtsprechung) erhalten, während die Vermögenden vor Strafen verschont bleiben (wenn sie fernbleiben). Beide Regelungen (zu verbinden) dient dem gemeinsamen Interesse und stellt einen Mittelweg zwischen den jeweiligen Vorschriften dar; deswegen paßt dies auch zu einer Politie, denn es ist das Ergebnis einer Mischung der Verfahrensweisen beider. Dies ist die eine Form der Verbindung. Bei der zweiten wählt man die Mitte zwischen den Regelungen, die die Anhänger jeder der beiden Verfassungen treffen; zum Beispiel machen die einen (den Zugang zur) Volksversammlung von keiner oder einer sehr niedrigen Vermögensqualifikation abhängig, die anderen dagegen von einer hohen. Keine dieser beiden Regelungen dient den Interessen beider Gruppen, aber eine Vermögensqualifikation in einer Höhe, die in der Mitte zwischen beiden Beträgen festgesetzt ist (liegt im Interesse beider). Die dritte Form besteht darin, aus beiden Ordnungen (eine Auswahl zu treffen), nämlich einiges aus dem oligarchischen, anderes aus dem demokratischen Gesetz zu übernehmen. Ich meine damit Folgendes: es gilt als demokratisch, die Ämter durch Los zu besetzen, dagegen als oligarchisch, die Inhaber zu wählen; und demokratisch ist, daß der Zugang nicht durch eine Vermögensqualifikation beschränkt wird, während es oligarchisch ist, daß eine Vermögensqualifikation zur Bedingung gemacht wird. Es paßt daher zu einer Aristokratie und Politie, aus jeder der beiden Verfassungen jeweils eine Regelung auszuwählen: aus der Oligarchie die Besetzung der Äm-
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ter durch Wahl, und aus der Demokratie ihre Besetzung ohne Vermögensqualifikation. Das ist diese Form der Mischung. Es gibt einen Maßstab für eine gelungene Mischung von Demokratie und Oligarchie, nämlich wenn man ein und dieselbe Verfassung Demokratie und Oligarchie nennen kann. Denn wer sie so beschreibt, gewinnt offensichtlich diesen Eindruck wegen der guten Mischung (der beiden Verfassungen). Auch bei der Mitte macht man diese Erfahrung, da in der Mitte jedes der beiden Extreme erkennbar ist. Bei der (Beurteilung der) spartanischen Verfassung erlebt man diesen Vorgang: denn viele versuchen (tatsächlich), von ihr als einer Demokratie zu reden, weil ihre Ordnung viele demokratische Züge aufweist. Dazu gehört zunächst einmal das Aufziehen der Kinder; denn die Söhne der Reichen werden genau so wie die der Armen aufgezogen, und sie erhalten eine Ausbildung, wie sie auch die Söhne der Armen erhalten könnten; (die Söhne der Reichen und Armen) werden dann auch auf der nächsten Altersstufe gleich behandelt und genauso dann, wenn sie volljährig geworden sind; denn so läßt sich nicht ausmachen, wer reich und wer arm ist; (so ist auch) bei den gemeinsamen Mahlzeiten die Nahrung für alle gleich, und die Begüterten tragen Kleidung, wie sie sich auch jeder Arme beschaffen könnte. Außerdem (sei die spartanische Verfassung eine Demokratie, weil) der Demos (die Inhaber des) einen der zwei wichtigsten Ämtern durch Wahl ernenne, während ihm die Bekleidung des anderen offenstehe; denn sie wählen die Geronten und bekleiden (selber) das Ephorat. Eine andere Gruppe von Leuten bezeichnet (Spartas Verfassung) dagegen als eine Oligarchie, weil sie viele oligarchische Züge aufweise, zum Beispiel daß alle Ämter durch Wahl besetzt werden, aber keines nach dem Losverfahren, und daß eine kleine Zahl von Männern die Entscheidung über Leben und Tod und über Verbannung treffe, und viele andere Regelungen dieser Art. Bei einer Politie, die in der richtigen Weise gemischt ist, muß der Eindruck entstehen, daß sie (die Regelungen) beider (Verfassungen) und nicht nur der einen aufweist und daß sie ihr Überleben ihrer eigenen (Stabilität) und nicht der Hilfe
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von außen verdankt; und sie soll (ihre Dauer) nicht dadurch sich selbst verdanken, daß die Mehrheit [von außen] diese Verfassung wünscht – denn auch in einer schlechten Verfassung könnte dies der Fall sein – sondern dadurch, daß überhaupt kein Teil des Staates eine andere Verfassung wünscht. Wie man eine Politie und die sogenannten Aristokratien einrichten soll, ist damit behandelt. 1295a
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Kapitel 10. Es bleibt uns noch, wie wir sagten, die Aufgabe, auf die Tyrannis einzugehen, nicht etwa weil es darüber viel zu sagen gibt, sondern damit auch sie ihren Teil der Untersuchung erhält, denn wir geben ja auch sie als eine Form von Verfassung an. In den ersten Erörterungen haben wir unsere Bestimmungen über das Königtum getroffen, als wir untersuchten, ob das am ehesten diese Bezeichnung verdienende Königtum für die Staaten von Nachteil oder von Vorteil ist, wen man als König einsetzen soll und woher und auf welche Weise. In jener Erörterung über das Königtum unterschieden wir auch zwei Formen von Tyrannis, da sie sich ja im Gebrauch ihrer Macht in gewissem Maße auch mit dem Königtum überschneiden; denn beide regieren im Einklang mit dem Gesetz; bei einigen barbarischen Stämmen wählt man ja Alleinherrscher mit unbeschränkten Vollmachten; und in der Vorzeit kamen auch bei den früheren Griechen auf diese Weise einige Monarchen, die man Aisymneten zu nennen pflegte, an die Macht. Diese Formen (von Tyrannis) weisen zwar auch zueinander gewisse Unterschiede auf, sie besaßen aber königlichen Charakter, weil (diese Tyrannen) nach dem Gesetz regierten und die Untertanen, über die sie allein herrschten, sich willig fügten; einen tyrannischen Charakter hatten sie jedoch, weil sie nach eigenem Gutdünken despotisch regierten. Es gibt aber eine dritte Form von Tyrannis, die das Gegenstück zum absoluten Königtum bildet und am ehesten als tyrannisches Regime gilt. Diese Form von Alleinherrschaft muß eine Tyrannis sein, wenn sie, ohne einer Rechenschaft unterworfen zu sein, über Untertanen regiert, die alle gleich oder sogar besser sind, und wenn sie dies zum eigenen Vorteil und nicht dem der Unter-
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tanen tut. Deswegen wird sie auch nur widerwillig hingenommen; denn kein Freier erträgt freiwillig eine solche Herrschaft. Dies sind nun die Gründe dafür, daß es die beschriebenen Arten von Tyrannis in der angegeben Zahl gibt. Kapitel 11. Welches ist nun die beste Verfassung und welches ist das beste Leben für die größte Zahl von Staaten und die größte Zahl von Menschen? (Bei der Suche danach) wollen wir nicht eine Form persönlicher Vorzüglichkeit, die über (die Möglichkeiten) gewöhnlicher Menschen hinausgeht, als Maßstab wählen, auch nicht eine (Form von) Bildung, die eine (besondere) Naturanlage und vom Glück begünstigte Ausstattung verlangt, und auch nicht eine Verfassung, die nur auf Wunschvorstellungen beruht; Maßstab soll vielmehr eine Lebensform sein, an der die meisten Leute teilhaben können, und eine Verfassung, die die meisten Staaten verwirklichen können. Denn die sogenannten aristokratischen Verfassungen, die wir gerade besprochen haben, fallen teils außerhalb (der Möglichkeiten) der meisten Staaten, teils kommen sie der sogenannten Politie nahe – aus diesem Grunde sollen beide so behandelt werden, als seien sie eine Verfassung. Die Entscheidung in allen gerade aufgeworfenen Fragen baut auf ein und denselben Elementen auf. Denn wenn in den ethischen Abhandlungen zutreffend behauptet wurde, daß das glückliche Leben mit hervorragender persönlicher Qualität und ohne Hemmnisse (durch äußere Umstände geführt wird) und daß hervorragende persönliche Qualität eine Mitte darstellt, dann muß auch ein Leben der Mitte am besten sein, ich meine einer Mitte, die für alle erreichbar ist. Notwendigerweise gelten diese gleichen Bestimmungen auch für die gute und schlechte Qualität eines Staates und einer Verfassung. Denn die Verfassung ist die bestimmte Lebensform des Staates. In allen Staaten gibt es drei Teile des Staates: die sehr Reichen, die sehr Armen und als dritten diejenigen, die (in ihrem Vermögen) in der Mitte zwischen diesen liegen. Es herrscht nun aber Einigkeit darüber, daß Maß und Mitte am besten
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sind; daher ist offensichtlich auch der mittlere Besitz unter allen Glücksgütern am besten; denn (dies sind Verhältnisse), die es am leichtesten machen, der Vernunft zu gehorchen; dagegen ist es für jemanden, der an Schönheit, Kraft, vornehmer Geburt oder Besitz weit herausragt, oder umgekehrt für den, der übermäßig bedürftig, schwach oder ganz entehrt ist, schwer, der Vernunft zu folgen. Denn die zuerst genannten entwickeln sich zu Menschen, die Unrecht zufügen, um andere zu erniedrigen, und zu Verbrechern großen Stiles, die anderen dagegen zu Spitzbuben, die andere übervorteilen, und zu Übeltätern kleineren Formates; Unrecht begeht man ja entweder aus Übermut, um andere zu erniedrigen, oder um zu übervorteilen. [Außerdem entziehen sich diese Leute (mittleren Besitzes) am wenigsten der Bekleidung eines Amtes, sie suchen aber auch nicht ehrgeizig nach Ämtern]. Beides ist aber für die Staaten verhängnisvoll. Außerdem sind diejenigen, die sich eines Übermaßes von Glücksgütern, wie Kraft, Reichtum, Freunden und anderer Vorzüge dieser Art erfreuen, weder willens, sich beherrschen zu lassen, noch verstehen sie dies – und diese Haltung beginnt bei ihnen schon in der Kindheit gleich im Elternhaus; weil sie verwöhnt wurden, fehlt ihnen selbst die Gewohnheit, sich in den Schulen (Weisungen) zu fügen; umgekehrt sind diejenigen, die übermäßigen Mangel an diesen Dingen leiden, allzu untertänig. So kommt es denn dazu, daß die einen nicht verstehen, ein Amt zu führen, sondern nur sich in einer sklavischen Weise regieren zu lassen, während die anderen es nicht verstehen, sich irgendeiner Herrschaft zu fügen, sondern (nur) in despotischer Weise zu regieren. (So) entsteht ein Staat, der nicht aus Freien, sondern aus Sklaven und despotischen Herren besteht, wobei die einen von Neid erfüllt sind, während die anderen nur Verachtung übrig haben. (Solche Beziehungen) sind am weitesten von einem freundschaftlichen Verhältnis und einer Gemeinschaft von Bürgern entfernt; denn eine staatliche Gemeinschaft ist auf freundschaftliche Beziehungen gegründet, während man mit Feinden nicht einmal eine Strecke Weges zusammen gehen will.
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Ein Staat strebt danach, aus Mitgliedern zu bestehen, die soweit wie möglich gleich sind; das ist am ehesten dann der Fall, wenn sie ein Vermögen mittleren Umfanges haben. Daher muß sich der Staat der besten politischen Verhältnisse erfreuen, 〈 dessen 〉 (Bürgerschaft) aus den (Leuten) besteht, aus denen, wie wir behaupten, die staatliche Gemeinschaft der Natur entsprechend zusammengesetzt ist. Diese (Angehörigen der Mittelklasse) leben auch von allen Bürgern in den Staaten am sichersten. Denn weder trachten sie selber nach fremdem Besitz, wie die Armen, noch trachten andere nach ihrem Besitz, wie die Armen nach dem der Reichen. Und weil man ihnen nicht nachstellt und sie anderen nicht nachstellen, leben sie gefahrlos. Deswegen hat auch Phokylides zu Recht den Wunsch ausgesprochen: »Für die Mittelklasse gibt es viele sehr große Vorzüge; ich will zur Mitte in der Stadt gehören«. Offensichtlich ist also auch die staatliche Gemeinschaft die beste, die sich auf die Mittelklasse stützt; und die Staaten können sich einer guten politischen Ordnung erfreuen, in denen die Mittelklasse zahlreich und, im besten Falle, stärker als die beiden anderen Klassen ist, andernfalls wenigstens stärker als die eine der beiden. Denn wenn sich die Mittelklasse (mit einer anderen) verbündet, verändert sie das Gewicht (der politischen Gruppierungen) und verhindert, daß die beiden entgegengesetzten Extreme sich durchsetzen. Deswegen ist es der größte Glücksumstand, wenn die Männer, die sich als Bürger aktiv einsetzen, Vermögen von mittlerem und ausreichendem Umfang besitzen; denn wenn in einem Staat die einen sehr viel, die anderen dagegen nichts besitzen, kommt es entweder zur extremen Demokratie oder zur Oligarchie in ihrer reinen Form oder wegen beider extremen Entartungsformen zur Tyrannis; denn aus der radikalsten Demokratie und Oligarchie entsteht die Tyrannis, weit weniger jedoch aus den mittleren (Verfassungen) und denen, die ihnen am nächsten kommen. Die Ursache dafür werden wir später bei unseren Erörterungen über die Arten von Verfassungswechsel angeben.
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Daß aber die mittlere Verfassung am besten ist, zeigt sich auch darin, daß sie als einzige von Aufständen verschont bleibt. Denn wo die auf die Mittelklasse gestützte Bürgerschaft zahlreich ist, kommt es am wenigsten zu Bürgerzwist und Spaltungen unter den Bürgern. Aus dem gleichen Grunde bleiben große Staaten eher von Bürgerzwist verschont, weil in ihnen die Mittelklasse zahlenmäßig stark ist. In kleinen Staaten ist es dagegen leicht, alle (Bürger) in zwei (Lager) auseinanderzudividieren, so daß in der Mitte nichts erhalten bleibt, sondern so ziemlich alle arm oder vermögend sind. Und Demokratien verdanken es der Mittelklasse, daß sie stabiler und dauerhafter als Oligarchien sind; denn sie bilden die Mehrheit, und sie finden eher in den Demokratien Zugang zu den Ämtern als den Oligarchien; wenn dagegen die Armen ohne die Mittelklasse an Zahl überlegen sind, reißen Mißstände ein, und sie gehen schnell zugrunde. Als ein Indiz (für die Richtigkeit dieses Urteils) muß man auch die Tatsache betrachten, daß die besten Gesetzgeber der Mittelklasse innerhalb der Bürgerschaft angehörten: Solon war einer von ihnen, wie dies aus seiner Dichtung hervorgeht, auch Lykurgos – denn er war nicht König –, daneben Charondas und so ziemlich die meisten anderen Gesetzgeber. Diese Darlegungen können aber auch erklären, warum die meisten Verfassungen entweder demokratischen oder oligarchischen Charakter haben. Denn weil in ihnen häufig die Mittelklasse nur zahlenmäßig schwach ist, zieht jeweils die Vermögensklasse, die stärker ist, seien es die Vermögenden oder der Demos, also die Gruppe, die außerhalb der Mitte steht, die politische Macht an sich, und so wird entweder eine Demokratie oder eine Oligarchie eingerichtet. Hinzukommt folgendes: weil Demos und Reiche gewaltsame Auseinandersetzungen und Kämpfe gegeneinander austragen, richten diejenigen, denen es gelang, ihre Gegner zu besiegen, nicht eine Verfassung ein, die die Interessen der Gemeinschaft verfolgt oder Gleichheit herstellt, sondern sie sichern sich als Siegespreis den beherrschenden Einfluß in der Verfassung, und die einen richten eine Demokratie, die anderen eine Oligarchie ein. Außerdem:
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jeder der beiden in Griechenland führenden Staaten nahm jeweils die Verfassung, die bei ihnen in Kraft war, zum Vorbild, und die einen setzten in den abhängigen Staaten Demokratien, die anderen Oligarchien ein. Dabei sahen sie nicht auf den Vorteil dieser Staaten, sondern ihren eigenen. Aus (allen) diesen Gründen hat es die mittlere Verfassung entweder nie oder nur selten und bei wenigen gegeben. Unter den früheren Führern konnte nämlich nur ein einziger dafür gewonnen werden, diese Staatsordnung zu geben; und bei den (Bürgern) in den Staaten selber ist schon die Gewohnheit verwurzelt, nicht einmal Gleichheit zu wünschen, sondern entweder die Macht zu suchen oder sich damit abzufinden, beherrscht zu werden. Aus diesen Darlegungen geht klar hervor, welches die beste Verfassung ist und warum sie dies ist. (Wir wollen auch auf den Rang) der anderen Verfassungen (eingehen), da wir ja behaupten, daß es eine Mehrzahl von Formen von Demokratien und eine Mehrzahl von Oligarchien gibt. Nach der Bestimmung der besten ist leicht zu erkennen, welche Verfassung man aufgrund ihrer besseren oder schlechteren Qualität als die erste, zweite und die nach diesem Prinzip nächstfolgende angeben muß. Denn die Verfassung, die der besten am nächsten kommt, muß jeweils auch die bessere sein, schlechter dagegen diejenige, die weiter von der Mitte entfernt ist – außer wenn man (seiner Beurteilung) die gegebenen Bedingungen zugrunde legt. Ich meine mit ›die gegebenen Bedingungen zugrunde legen‹ eine in vielen Fällen (auftretende Möglichkeit): zwar verdient an sich die eine Verfassung eher den Vorzug, und doch steht dem nichts im Wege, daß für eine bestimmte Bürgerschaft eine andere mehr von Nutzen ist. Kapitel 12. In engem Zusammenhang mit diesen Ausführungen steht die Behandlung der Frage, welche Verfassung welcher (Bürgerschaft) nützt und welche Art einer Verfassung welcher Art von Bürgerschaft nützt. Zunächst müssen wir für alle Verfassungen in allgemeiner Form das gleiche (Prinzip) feststellen: der Teil des Staates, der den Fortbestand der Verfassung wünscht, muß dem, der dies nicht wünscht, überlegen
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sein. Jeder Staat besteht aber aus qualitativen und quantitativen (Faktoren) – als qualitativ bezeichne ich freie Geburt, Reichtum, Bildung und edle Abkunft, als quantitativ dagegen die zahlenmäßige Überlegenheit der Menge. Es kommt nun vor, daß Qualität bei einem der Teile, aus denen der Staat zusammengesetzt ist, vorliegt, Quantität dagegen bei einem anderen – ich meine damit z. B. den Fall, daß Leute von niedriger Geburt zahlenmäßig stärker sind als die von vornehmer Abkunft und die Armen zahlenmäßig stärker als die Wohlhabenden, daß sie in ihrer Quantität aber nicht so überlegen sind, wie sie an Qualität zurückbleiben. Deswegen muß man diese (beiden Faktoren) gegeneinander abwägen. Wo nun die Klasse der Armen in dem angegebenen Verhältnis überlegen ist, da ist es von Natur angebracht, daß eine Demokratie besteht – und jede Unterart von Demokratie entsprechend der jeweiligen Überlegenheit einer jeden Gruppierung des Demos. So besteht der Natur entsprechend die erste Demokratie, wenn die Gruppe der Bauern (so) überlegen ist, dagegen die letzte Form, wenn die Gruppe der Handwerker und Lohnarbeiter überlegen ist, und nach dem gleichen (Prinzip) auch die anderen Verfassungen, die zwischen diesen beiden anzusiedeln sind. Wo dagegen die Gruppe der Vermögenden und Angesehenen mehr an Qualität überlegen ist, als sie an Quantität zurücksteht, da besteht der Natur entsprechend eine Oligarchie, und jede einzelne Art von Oligarchie nach dem gleichen Prinzip gemäß dem Vorherrschen der jeweiligen oligarchischen Gruppierung. In allen Fällen muß aber der Gesetzgeber zusätzlich auch die Mittelklasse in die politisch entscheidende Schicht einschließen: Wenn er oligarchische Gesetze gibt, muß er auf die Mittelklasse zielen, und wenn demokratische, muß er durch seine Gesetze die Mittelklasse zu gewinnen versuchen. Wo aber die Mittelklasse entweder die beiden extremen Gruppierungen oder auch nur die eine (an Stärke) übertrifft, da kann eine Verfassung dauerhaft sein. Man braucht ja nicht zu befürchten, daß die Reichen sich irgendwann einmal mit den Armen gegen die Mitte verbünden; denn keine der beiden Gruppen wird sich bereitfinden, der anderen wie Sklaven zu dienen;
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wenn sie aber eine andere Verfassung suchen sollten, die mehr die Interessen aller verfolgt als diese, werden sie keine finden. Denn (Arme und Reiche) werden wegen ihres gegenseitigen Mißtrauens es nicht hinnehmen, die Ämter im Wechsel zu bekleiden. Dagegen genießt überall der Vermittler am meisten Vertrauen, der Mann der Mitte ist aber Vermittler. Je besser eine Verfassung gemischt ist, umso dauerhafter ist sie. Wenn viele (Verfassungsgeber), selbst solche, die aristokratische Verfassungen einrichten wollen, nicht nur den Reichen größeren Einfluß einräumen, sondern auch den Demos betrügen, dann begehen sie einen schweren Fehler. Denn es läßt sich nicht vermeiden, daß irgendwann im Laufe der Zeit falsches Wohl zu einem wahren Übel wird. Die Bemühungen der Reichen, sich einen Vorteil zu sichern, ruinieren ja mehr die Verfassung als diejenigen des Demos. Kapitel 13. Es gibt fünf Bereiche, in denen man sich in den Verfassungen Maßnahmen gegenüber dem Demos ausdenkt, um einen schönen Schein zu erwecken: dies sind Maßnahmen, die die (Teilnahme an der) Volksversammlung, die (Bekleidung der) Ämter, den (Zugang zu den) Gerichten, die Ausrüstung mit schweren Waffen und die (Teilnahme an) gymnastischen Übungen betreffen. Bei der Volksversammlung (erläßt man die Vorschrift), daß alle zwar das Recht zur Teilnahme an der Volksversammlung haben, daß aber bei den Reichen das Fernbleiben von Sitzungen mit einer Strafe geahndet wird – entweder bei ihnen allein oder mit einer Strafe, die beträchtlich schwerer ist; bei den Ämtern (trifft man die Regelung), daß diejenigen, die ein bestimmtes Mindestvermögen besitzen, nicht unter Eid die Annahme eines Amtes ablehnen dürfen, während die Armen dies können; bei den Gerichten (trifft man die Regelung), daß den Reichen für das Fernbleiben von Sitzungen eine Strafe verhängt ist, die Armen dagegen straffrei bleiben, oder daß für jene eine schwere, für diese aber nur eine geringfügige Strafe festgelegt ist, so wie das in den Gesetzen des Charondas vorgesehen war. In manchen Staaten haben alle, die sich in ein Regi-
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ster eintragen ließen, das Recht, an den Sitzungen der Volksversammlung und Gerichte teilzunehmen. Wenn sie sich aber eintragen ließen und dann doch den Sitzungen der Volksversammlung oder Gerichte fernbleiben, dann steht darauf eine schwere Bestrafung. Man will damit erreichen, daß sie wegen dieser Strafe darauf verzichten, sich eintragen zu lassen, und weil sie nicht eingetragen sind, dann auch nicht an den Sitzungen der Gerichte und Volksversammlung teilnehmen. In der gleichen Weise erläßt man auch Gesetze für den Besitz schwerer Waffen und für gymnastische Übungen: den Armen ist es freigestellt, sie nicht zu besitzen, für die Vermögenden ist es dagegen ein strafbares Delikt, keine schweren Waffen zu besitzen. Und der einen Klasse ist keine Strafe verhängt, wenn sie nicht an den gymnastischen Übungen teilnehmen, bei den Begüterten ist das dagegen ein strafbares Vergehen; man will damit erreichen, daß die einen wegen der verhängten Strafe teilnehmen, die anderen dagegen fernbleiben, weil sie nichts zu fürchten haben. Damit sind nun die ausgeklügelten Maßnahmen oligarchischen Charakters bei der Gesetzgebung aufgezählt. In demokratischen Verfassungen ersinnt man folgende Gegenmaßnahmen: den Armen bietet man für ihre Teilnahme an den Sitzungen der Volksversammlung und Gerichte Bezahlung, verhängt aber den Reichen keine Bestrafung (für Nichtteilnahme). Aus dieser (Gegenüberstellung) wird deutlich, daß ein (Gesetzgeber), der eine gerechte Mischung vornehmen will, die bei beiden üblichen Maßnahmen verbinden und den einen Besoldung gewähren, für die anderen eine Strafe verhängen muß. Eine solche Regelung könnte bewirken, daß alle (am Staatsleben) teilnehmen; nach jenen beschriebenen Maßnahmen wird dagegen die Verfassung von nur einer Gruppierung kontrolliert. Die Politie soll ausschließlich aus Männern bestehen, die schwere Waffen besitzen. Die Vermögensqualifikation kann man aber nicht absolut festsetzen, indem man etwa festlegt, daß sie eine bestimmte Höhe betragen müsse; man muß vielmehr untersuchen, welches die höchstmögliche Vermögens-
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qualifikation ist, bei der die Zahl derer, die voll an der Verfassung Anteil haben, größer ist als derjenigen, die ausgeschlossen bleiben; diesen Betrag muß man dann festlegen. Denn wenn auch die Armen (bei einer solchen Regelung) nicht zu den politischen Ämtern zugelassen sind, so sind sie doch bereit, dies ruhig hinzunehmen, wenn man nur ihnen nicht in erniedrigender Weise Unrecht zufügt oder ihnen von ihrem Besitz wegnimmt. Aber dies läßt sich nicht leicht garantieren; denn nicht immer ist es der Fall, daß die Machthaber anständig genug sind. Und (weil in einer solchen Politie) die Armen (von der Bürgerschaft ausgeschlossen sind), pflegen sie sich im Kriegsfalle (der Teilnahme an militärischen Aktionen) zu entziehen, wenn sie keinen Unterhalt empfangen; wenn man ihnen jedoch Unterhalt anbietet, dann wollen sie an den Kämpfen teilnehmen. Bei einigen umfaßt die Bürgerschaft nicht nur diejenigen, die mit schweren Waffen dienen, sondern auch diejenigen, die gedient haben. Bei den Maliern bestand die Bürgerschaft aus dem gerade beschriebenen Personenkreis, während man die Ämter nur aus denen besetzte, die aktiv im Heer dienten. Bei den Griechen wurde die erste Verfassung, die auf das Königtum folgte, aus den Kriegern gebildet, und zwar in ihrem frühesten Stadium aus den Rittern; denn im Krieg verdankte man damals Stärke und Überlegenheit der Reiterei; die Schwerbewaffneten konnten ja ohne Schlachtordnung nichts ausrichten, und die Erfahrungen in diesen Dingen und die Regeln der Aufstellung der Truppen waren den Männern der Vergangenheit noch unbekannt; daher beruhte ihre militärische Stärke auf der Reiterei. Als dann aber die (Bevölkerung in den) Staaten zunahm und diejenigen, die schwere Waffen trugen, stärkeren Einfluß gewonnen hatten, erhielt eine größere Anzahl Bürgerrechte – aus diesem Grunde verwendeten die Männer früherer Generationen für die Verfassungen, die wir jetzt Politien nennen, die Bezeichnung Demokratien. Daß die Verfassungen der Frühzeit dagegen einen oligarchischen oder königlichen Charakter hatten, läßt sich sinnvoll erklären; denn wegen der geringen Zahl von Bürgern verfügten sie auch
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nur über eine Mittelklasse von geringer Zahl. Weil sie nur eine kleine Zahl bildeten und an militärischer Organisation unterlegen waren, fügten sie sich der Herrschaft anderer. (In unserer Erörterung) haben wir damit folgende Themen behandelt: die Gründe dafür, daß es eine größere Anzahl von Verfassungen gibt, und dafür, daß neben den Verfassungen, die man allgemein nennt, noch weitere vorkommen – denn die Demokratie weist nicht nur eine Form auf und entsprechend die anderen Verfassungen (auch nicht nur eine); außerdem (haben wir) die Unterschiede zwischen ihnen und die Gründe dafür (behandelt), zusätzlich die Frage, welches für die meisten Fälle die beste Verfassung ist und welche andere Verfassung zu welchen Menschen paßt.
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Kapitel 14. Wir wollen nun zusätzlich sowohl allgemein als auch für jede Verfassung gesondert einen verwandten Gegenstand behandeln und dabei den dafür passenden Ausgangspunkt wählen. Es gibt bei allen Verfassungen drei Elemente; der gute Gesetzgeber muß nun verstehen, wie man mit ihnen zum Nutzen jeder Verfassung (verfahren muß). Denn wenn diese Dinge richtig geregelt sind, muß sich auch die Verfassung einer guten Ordnung erfreuen; und die Unterschiede zwischen den Verfassungen müssen darin bestehen, daß jedes dieser Elemente verschieden ausgebildet ist. Einen dieser drei (Teile) bildet die Körperschaft, die über öffentliche Angelegenheiten berät; der zweite (Teil) ist der Komplex öffentliche Ämter – damit ist gemeint, was für Ämter es geben muß, welches ihre Befugnisse sein und wie ihre (Inhaber) gewählt werden sollen; als drittes (gehört dazu), welche Körperschaft die richterlichen Entscheidungen trifft. Die beratende Körperschaft hat souveräne Entscheidungsbefugnisse über Krieg und Frieden, über den Abschluß und die Auflösung militärischer Bündnisse, über Gesetz(gebung), über Todesstrafe, Verbannung und Konfiskation von Eigentum und über die Wahl (der Inhaber) von Ämtern und ihre abschließende Rechenschaftsablegung.
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Zwangsläufig (kann es bei ihrer Organisation nur drei Möglichkeiten geben): Entweder (A) sind allen Bürgern alle diese Entscheidungen übertragen, oder (B) nur einem bestimmten Kreis der Bürger alle Entscheidungen – ich meine damit, daß diese Entscheidungen einem einzelnen bestimmten Amt oder mehreren Staatsämtern vorbehalten sind oder daß Entscheidungen bestimmter Art jeweils bestimmten Ämtern zugewiesen wurden – oder (C) bestimmte Entscheidungen sind der Gesamtheit der Bürger übertragen, während andere einem bestimmten Kreis von Bürgern (vorbehalten bleiben). Daß alle Bürger über alle Angelegenheiten (entscheiden) (A), ist der Demokratie eigentümlich; denn diese Form von Gleichheit sucht der Demos. Es gibt aber mehrere Alternativen dieses Falles (A), daß alle (beraten): eine (A1) besteht darin, daß sie dies in turnusmäßigem Wechsel, aber nicht alle in einer gemeinsamen Versammlung (tun); so ist es in der Verfassung des Milesiers Telekles geregelt; und auch in anderen Verfassungen berät eine Versammlung der Beamtenkollegien in gemeinsamen Sitzungen, alle bekleiden aber die Ämter in turnusmäßigem Wechsel nach der Zugehörigkeit zu Phylen oder den kleinsten Gruppierungen, bis jeder an die Reihe kam; (die gesamte Bürgerschaft) tritt dagegen nur zusammen, um über Gesetzgebung und Regelungen, die die Verfassung betreffen, zu beraten und um die Berichte der Inhaber der Staatsämter anzuhören. Eine andere Möglichkeit besteht darin, daß (A2) zwar die versammelte Bürgergemeinde (Entscheidungen trifft), daß sie aber nur zur Wahl der Inhaber der Staatsämter, zur Gesetzgebung, (zu Entscheidungen) über Krieg und Frieden und zur abschließenden Rechenschaftsablegung (der Amtsinhaber) zusammentritt, während in den anderen Angelegenheiten die Staatsämter, denen die jeweiligen Aufgaben zugewiesen sind, entscheiden – diese Ämter werden aus der Gesamtheit durch Wahl oder durch Los besetzt. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, daß (A3) (alle) Bürger in Sitzungen zur (Wahl der) Staatsämter und abschließenden Rechenschaftsablegung zusammentreten und auch, um über Krieg oder militärisches Bündnis zu beraten, daß aber die
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Verwaltung der übrigen Angelegenheiten bei den Staatsämtern liegt, die durch Wahl besetzt werden, soweit das möglich ist – das gilt für alle Ämter, die Sachverständige bekleiden müssen. Die vierte Alternative sieht vor, daß (A4) alle Bürger zu Sitzungen zusammentreten, um über alle Angelegenheiten zu beschließen, daß die Staatsämter dagegen keine Entscheidung in irgendeiner Angelegenheit treffen, sondern nur eine Voruntersuchung vornehmen; in dieser Weise führt jetzt die letzte Form von Demokratie die Geschäfte, die, wie wir sagen, ein Gegenstück zu der Form von Oligarchie, die Willkürherrschaft weniger mächtiger Männer ist, und zur tyrannischen Form der Alleinherrschaft darstellt. Alle diese Formen (der Verteilung der Entscheidungsbefug nisse) sind demokratisch. Oligarchisch ist dagegen, daß (B) ein bestimmter Kreis über alle Angelegenheiten (entscheidet). Auch diese (Kompetenzverteilung) läßt mehrere Unterschiede zu: wenn (B1) die (Bürger) auf der Grundlage einer eher maßvollen Vermögensgrenze in (das politische Entscheidungsgremium) gewählt werden können und wenn sie wegen der mäßigen Höhe der Vermögensqualifikation eine größere Zahl bilden und die gesetzlichen Verbote nicht umstoßen, sondern sich an sie halten, und wenn es jedem, der das festgelegte Mindestvermögen besitzt, erlaubt ist, (an den Beratungen) teilzuhaben, dann ist diese Verfassung eine Oligarchie, wegen ihrer Mäßigung besitzt sie jedoch Merkmale der Politie. Wenn dagegen (B2) nicht alle (die das Mindestvermögen besitzen) an den Beratungen teilnehmen können, sondern nur eine Gruppe durch Wahl bestellter Männer, die aber ihre politische Verantwortung im Einklang mit den Gesetzen wahrnehmen, so wie das in der vorherigen Form der Fall war, dann ist das oligarchisch. Wenn aber (B3) diejenigen, die die politischen Entscheidungen kontrollieren, selber ihresgleichen (in das Entscheidungsgremium) wählen und wenn der Sohn Nachfolger seines Vaters wird und sie sich zu Herren über die Gesetze aufwerfen, dann muß diese Ordnung oligarchisch in der radikalsten Form sein. (Dann gibt es noch die Möglichkeit (C), daß) ein bestimmter Kreis über bestimmte Angelegenheiten (zu beschließen
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die Vollmacht hat). Wenn z. B. (C1) die Gesamtheit zwar über Krieg, Frieden und die abschließende Rechenschaftsablegung (der Amtsinhaber entscheidet), die Inhaber der Staatsämter aber über die anderen Angelegenheiten (beschließen) und diese gewählt oder durch Los bestellt sind, dann ist dies eine Aristokratie oder eine Politie. Wenn dagegen (C2) über einige Angelegenheiten gewählte, über andere aber Los bestellte (Amtsträger) – die entweder direkt durch Los ermittelt oder aus einem Kreis von gewählten Kandidaten erlost werden – (entscheiden), oder wenn sowohl durch Wahl wie Los bestellte Männer gemeinsam (entscheiden), so gehören die einen Regelungen zu einer Politie aristokratischen Charakters, die anderen zur Politie im eigentlichen Sinne. In der hier beschriebenen Weise ist die beratende (Körperschaft) entsprechend den jeweiligen Verfassungen unterschiedlich geregelt, und jede Verfassung führt ihre Geschäfte entsprechend der gerade gegebenen Bestimmung. Um die Beratung zu verbessern, nützt es der Demokratie, die jetzt am ausgeprägtesten die Demokratie zu verkörpern scheint – ich meine damit die Form, in der der Demos sich zum Herren auch über die Gesetze aufgeworfen hat –, die gleichen Regelungen für die Volksversammlungen einzuführen, die man in Oligarchien bei den Gerichten erläßt: sie verhängen denjenigen eine Strafe (für Fernbleiben), deren Mitwirkung an der Richtertätigkeit sie wünschen, um zu erreichen, daß sie ihr Richteramt ausüben, während die Demokraten (mit der gleichen Absicht) Richtertätigkeit entlohnen. Denn wenn (auf diese Weise) alle miteinander, der Demos mit den Angesehenen und diese mit der Menge, die Entscheidungen treffen, dann werden sie besser entscheiden. Von Nutzen ist auch, daß die Mitglieder beratender Körperschaften durch Wahl ernannt oder in gleicher Zahl aus den politischen Gruppierungen durch Los bestimmt werden; wenn in der Bürgerschaft die Anhänger der Demokratie an Zahl weit überwiegen, ist es auch von Vorteil, entweder nicht allen Besoldung (für die Teilnahme an den Beratungen) zu geben, sondern nur so vielen, daß ihre Zahl in einem angemessenen Verhältnis zu der der
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Angesehenen steht, oder die, die über diese Zahl hinausgehen, durch Los (von der Beratung) auszuschließen. In Oligarchien nützt es umgekehrt, entweder bestimmte Mitglieder des Demos (in die beratenden Gremien) hinzuzuwählen oder eine Körperschaft einzurichten, wie sie in einigen Verfassungen unter der Bezeichnung »vorberatender Ausschuß« oder »Hüter der Gesetze« existiert; nur über Angelegenheiten, über die diese zuvor beraten haben, darf dann (die Bürgerversammlung) verhandeln; so läßt sich erreichen, daß der Demos an den Beratungen Anteil hat und doch keinen Teil der Verfassung aufheben kann; weiterhin (ist es von Nutzen,) daß der Demos entweder (nur) den (von einem solchen Gremium) vorgelegten Anträgen zustimmen oder nichts, was ihnen zuwiderliefe, beschließen darf; oder daß zwar alle an einer Empfehlung mitwirken können, daß aber nur die Amtsinhaber einen Beschluß fassen. Man soll auch das Gegenteil von dem tun, was gewöhnlich in den Verfassungen geschieht: man muß nämlich bestimmen, daß die Menge sich durchsetzt, wenn sie Anträge zurückweist, aber nicht wenn sie selber Beschlüsse formuliert, vielmehr muß (in einem solchen Fall die Angelegenheit) an die Inhaber der Ämter zurückverwiesen werden. In den Verfassungen verfährt man genau umgekehrt: die Minderheit behauptet sich, wenn sie Anträge zurückverweist, aber sie hat nicht die Vollmacht, selber Beschlüsse zu formulieren, sondern (wenn keine Einigkeit zustande kommt) wird die Angelegenheit jeweils an die Mehrheit zurückverwiesen. Damit soll nun die Behandlung der beschließenden Körperschaft, die auch der Souverän in der Verfassung ist, abgeschlossen sein. Kapitel 15. In engem Zusammenhang mit dieser Behandlung stehen die unterschiedlichen Alternativen bei den politischen Ämtern, denn auch dieser Teil der Verfassung weist viele unterschiedliche Ausbildungen auf (und zwar nach den Gesichtspunkten:) wieviele Ämter gibt es, welches sind ihre Befugnisse, und bei der Amtszeit: wie lange soll man jedes Amt bekleiden? Denn einige richten Ämter ein, die sechs Monate
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lang bekleidet werden, andere dagegen Ämter für eine kürzere Frist, wieder andere auf ein Jahr und andere eine längere Zeitdauer. Außerdem (ergeben sich Unterschiede danach), ob die Ämter auf Lebenszeit oder über einen langen Zeitraum bekleidet werden sollen; oder ob keine dieser beiden Regelungen gewählt werden, sondern derselbe (Bürger) mehrmals Ämter bekleiden soll; oder ob ein und derselbe nicht zweimal, sondern nur einmal ein Amt bekleiden darf. Außerdem (ergeben sich unterschiedliche Möglichkeiten) bei der Besetzung der Ämter nach dem Kreis der Personen, die für die Ämter wählbar sind bzw. die Wahl vornehmen, und dem dabei befolgten Verfahren. Für alle diese Fragestellungen muß man festlegen können, auf wieviele Arten (Regelungen) getroffen werden können; im Anschluß danach muß man in eine angemessene Relation setzen, welche Ämter welchen Verfassungen nützen. Es läßt sich aber nicht einmal leicht entscheiden, welche (Körperschaften) man politische Ämter nennen soll. Denn die staatliche Gemeinschaft ist auf eine große Zahl von Personen angewiesen, denen die Verantwortung für bestimmte Aufgaben übertragen ist; deswegen darf man 〈 n icht 〉 sie alle, auch nicht die durch Wahl oder Los bestellten, schon als Inhaber eines politischen Amtes gelten lassen, wie zum Beispiel zunächst die Inhaber eines Priesteramtes – denn es ist von den politischen Ämtern zu unterscheiden –, außerdem Choregen und Herolde; durch Wahl werden aber auch Gesandte ernannt (ohne Inhaber eines politischen Amtes zu sein). Ein Teil der öffentlichen Tätigkeiten ist politischer Art; sie sind entweder für alle Bürger zuständig, um eine spezifische Aufgabe zu erledigen, z. B. (das Amt des) Strategen für alle, die im Heer dienen, oder nur für eine Gruppe, so wie das Amt des Frauen- oder Kinderbeauftragten. Eine andere Gruppe von Verwaltungsaufgaben ist ökonomischer Natur; so wählt man häufig Getreidemeßbeamte. Andere Funktionen sind untergeordnet, so daß man sie sogar Sklaven überträgt, wenn man dafür reichlich Geldmittel besitzt.
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Allgemein gesagt muß man am ehesten diejenigen Institu tionen als Staatsämter bezeichnen, denen die Vollmacht übertragen ist, über bestimmte Angelegenheiten zu beraten, zu entscheiden und Anordnungen zu erlassen, und besonders diejenigen, denen die zuletzt genannte Befugnis übertragen ist; denn Anordnungen zu erlassen kennzeichnet eher die Aufgabe eines Amtes. Aber dieses Problem (der Abgrenzung von Ämtern) macht für die Praxis sozusagen keinen Unterschied; denn im Meinungsstreit über den Begriff ist es noch nicht zu einer Entscheidung gekommen, die Frage bietet aber Stoff für eine andere Betrachtung, eine theoretischer Art. Mit größerer Berechtigung könnte man schon untersuchen, was für Ämter und wieviele unerläßlich sind, wenn ein Staat bestehen soll, und was für Ämter zwar nicht unerläßlich, aber doch für eine gute Ordnung des Staatslebens von Nutzen sind; dabei sollte man sein Augenmerk sowohl generell auf jeden Verfassungstyp richten als auch im besonderen auf kleine Staaten. In großen Staaten ist es ja möglich und erforderlich, jeweils einer staatlichen Aufgabe auch ein Staatsamt zuzuordnen; denn weil die Bürgerzahl groß ist, können viele die Ämter bekleiden; daher vergeht viel Zeit (bevor sie ein Amt zum zweiten Mal innehaben), oder sie bekleiden es überhaupt nur einmal. Jede Aufgabe wird auch besser verrichtet, wenn man ihr allein seine Aufmerksamkeit widmen kann, als wenn man sich um viele kümmern muß. In kleinen Staaten muß man dagegen viele Ämter in den Händen weniger Männer vereinigen; wegen der geringen Zahl von Bürgern kann ja nicht leicht eine große Zahl die Ämter innehaben; wer sollte denn auch nach ihrem Ausscheiden ihren Platz einnehmen? In einigen Fällen brauchen kleine Staaten die gleichen Staatsämter und Gesetze wie die großen, mit dem Unterschied, daß die großen Staaten die gleichen Ämter häufig brauchen, während in kleinen Staaten ein Bedürfnis dafür nur nach Ablauf langer Zeit einmal eintritt. Aus diesem Grunde steht dem nichts entgegen, (in ihnen) viele Aufgaben zugleich (denselben Ämtern) zu übertragen; denn solche vielfältigen Aufgaben behindern sich nicht gegenseitig; hier soll man angesichts
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der geringen Zahl von Bürgern die (Kompetenzen der) Ämter so wie bei Bratspießen, die auch als Leuchter dienen, regeln. Wenn wir angeben können, wieviele Staatsämter jeder Staat braucht und wieviele zwar nicht unverzichtbar sind, aber doch vorhanden sein sollten, dann könnte jemand mit diesem Wissen leichter entscheiden, bei welchen Staatsämtern es der Sache angemessen ist, sie zu einem einzigen zusammenzufassen. Auch folgender Gesichtspunkt darf nicht ignoriert werden: was für Aufgaben soll eine Vielzahl von Behörden, die je nach den Orten ihres Wirkens unterschieden sind, übernehmen, und welche Aufgaben soll eine einzige (Zentral-)Behörde an allen Orten kontrollieren? Soll z. B. für das ordentliche Geschäftsgebaren auf dem Markt ein Marktaufseher verantwortlich sein und an einer anderen Stelle ein anderer Beamter oder ein und derselbe überall zugleich? Weiterhin: soll man die Staatsämter nach ihrer Aufgabe oder nach den Personengruppen (für die sie zuständig sind) gliedern? Ich meine damit: soll man einen einzigen Mann mit der Sorge um die Einhaltung guter Ordnung betrauen oder einen Beamten mit der der Kinder, einen anderen mit der von Frauen? (Nicht ignoriert werden darf man) auch die Zuordnung zu den Verfassungen: Gehört zu jeder Verfassung auch eine je verschieden ausgeprägte Form von Ämtern oder nicht? Ich meine damit: haben in Demokratie, Oligarchie, Aristokratie und Monarchie zwar die gleichen Behörden die entscheidenden Vollmachten, werden jedoch nicht von Leuten besetzt, die völlig gleich sind, sondern in den verschiedenen Verfassungen von je Verschiedenen? Haben z. B. in den Aristokratien die Gebildeten, in den Oligarchien die Reichen, in den Demokratien die Freien die Ämter inne? Oder trifft es sich so, daß einige Unterschiede bei den Ämtern schon mit (dem besonderen Charakter der) Verfassungen gegeben sind, während es mancherorts von Nutzen ist, daß man die gleichen Ämter hat, und anderenorts wieder verschiedene? Denn in einem Staat ist es angebracht, daß Ämter einflußreich sind, in einem anderen dagegen, daß die gleichen Ämter wenig Macht besitzen.
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Es gibt jedoch auch Ämter, die spezifisch zu (bestimmten Verfassungen) gehören, wie z. B. das des vorberatenden Kollegiums; denn dieses ist keine demokratische Einrichtung, während der Rat demokratisch ist. Es muß aber ein Gremium geben, dem die Aufgabe übertragen ist (Beschlüsse, die der) Demos (zu fassen hat), vorher zu beraten, damit dieser seiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Wenn dieses Gremium nur wenige Mitglieder umfaßt, ist es oligarchisch; die Zahl der Mitglieder des vorberatenden Kollegiums ist aber zwangsläufig klein, weshalb diese Einrichtung oligarchisch ist. Wo es aber diese beiden Gremien zugleich gibt, da ist das vorberatende Kollegium dem Rat als Kontrollinstanz vorgesetzt; denn das Mitglied des Rates nimmt eine Amtsstellung wahr, die zur Demokratie gehört, das des vorberatenden Kollegiums dagegen zur Oligarchie. Aber selbst der Einfluß des Rates wird in denjenigen Demokratien beseitigt, in denen der Demos zusammentritt, um selber alle Geschäfte zu führen. Dies pflegt dann einzutreten, wenn den Mitgliedern der Volksversammlung reichliche Tagegelder zur Verfügung stehen. Denn da sie jetzt müßig gehen können, treten sie häufig zu Sitzungen zusammen und entscheiden selber über alle Angelegenheiten. Kinder- und Frauenbeauftragter und jeder andere Amtsträger, dem eine solche Aufgabe übertragen ist, wenn es einen gibt, sind eine aristokratische, keine demokratische Einrichtung – denn wie sollte es auch nur möglich sein, den Frauen der Armen zu verbieten, das Haus zu verlassen? Sie sind auch keine oligarchische Einrichtung, denn die Frauen der in einer Oligarchie regierenden Männer führen ein Leben weichlicher Verwöhnung. Soviel soll hier zu diesem Thema genügen; es soll aber der Versuch gemacht werden, von Grund auf die (mannigfaltigen) Möglichkeiten der Ernennung (der Inhaber) der Ämter zu behandeln. Die dabei auftretenden Unterschiede ergeben sich aus den drei Elementen, durch deren (vielfältige) Verbindungen notwendigerweise alle Modalitäten (der Besetzung der Ämter) erfaßt sind. Von diesen drei Elementen ist eines der Personenkreis, der die Inhaber der Ämter ernennt, das zweite der Personenkreis, aus dessen Mitte, und drittens das Verfah-
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ren, nach dem sie ernannt werden. Innerhalb jeder dieser drei Elemente gibt es (wiederum) drei unterschiedliche Möglichkeiten: entweder ernennen alle oder einige Bürger (die Amtsträger), und sie ernennen sie entweder aus der Gesamtheit oder aus einigen, die in einer bestimmten Weise abgegrenzt sind, z. B. entweder durch eine bestimmte Vermögensqualifikation oder Abkunft, durch persönlich herausragender Qualität oder ein anderes Merkmal dieser Art; man ernannte z. B. in Megara die Amtsinhaber aus dem Kreis derjenigen, die aus der Verbannung zurückgekehrt waren und an dem Kampf gegen den Demos teilgenommen hatten. Und man besetzt die Ämter entweder durch Wahl oder Los. Die genannten Möglichkeiten lassen sich wieder miteinander verbinden, ich meine damit: daß eine abgegrenzte Schicht die (Mitglieder der) einen Gruppe von Ämtern ernennt, die Gesamtheit dagegen die (der) anderen, und daß man die eine Gruppe von Ämtern aus der Gesamtheit, die andere dagegen aus einer abgegrenzten Schicht besetzt, und die eine Gruppe durch Wahl, die andere durch Los bestellt. Bei jeder Variante der genannten Elemente (des Ernennungsprozesses) sind wiederum † sechs † Alternativen möglich: Entweder (1) ernennt die Gesamtheit (die Amtsträger) aus der Gesamtheit durch Wahl, oder (2) die Gesamtheit aus der Gesamtheit durch Los, 〈 oder (4) die Gesamtheit aus einer abgegrenzten Schicht durch Wahl oder (5) die Gesamtheit aus einer abgegrenzten Schicht durch Los 〉; und falls man die Amtsträger aus der Gesamtheit ernennt, dann so, daß diese entweder in einem bestimmten Turnus, z. B. nach Phylen, Demen oder Geschlechterverbänden (ein Amt übertragen bekommen), bis alle Bürger berücksichtigt wurden, oder immer aus der Gesamtheit; oder (3; 6) man benutzt für eine Gruppe (von Ämtern) das eine Verfahren, für die andere das andere. Wenn dagegen eine abgegrenzte Schicht (die Inhaber der Ämter) ernennt, so tut sie dies entweder (10) aus der Gesamtheit durch Wahl oder (11) aus der Gesamtheit durch Los oder (13) aus einer abgegrenzten Schicht durch Wahl oder (14) aus einer abgegrenzten Schicht durch Los; oder sie verfährt bei
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einer Gruppe (von Ämtern) nach der einen, bei der anderen nach der anderen Methode – ich meine damit, daß sie (12) eine Gruppe von Ämtern aus der Gesamtheit durch Wahl besetzt, die andere Gruppe von Ämtern dagegen durch Los 〈 u nd (15) eine Gruppe von Ämtern aus einer abgegrenzten Schicht durch Wahl, eine andere durch Los 〉. Auf diese Weise ergeben sich zwölf Arten, die verschiedenen Möglichkeiten zu arrangieren, nicht gerechnet die beiden Kombinationsweisen (beim Kreis der Wähler bzw. Wählbaren). Von diesen sind † drei † Organisationsweisen demokratisch, nämlich daß (1) die Gesamtheit (die Ämter) aus der Gesamtheit durch Wahl oder (2) durch Los oder (3) nach beiden Verfahren, nämlich einige (Ämter) durch Los, andere durch Wahl ernennt. Zu einer Politie paßt dagegen, daß zwar nicht alle zugleich die Ernennung der Amtsinhaber vornehmen, daß die (jeweils ernennende Versammlung) dies jedoch entweder aus der Gesamtheit oder aus einer abgegrenzten Schicht entweder (2a; 5a) durch Los oder (1a; 4a) durch Wahl oder (3a; 6a) nach beiden Verfahren tut, oder daß sie einige Ämter aus der Gesamtheit, andere dagegen aus einer abgegrenzten Schicht besetzt, 〈 entweder (8) durch Los oder (7) durch Wahl oder (9) 〉 nach beiden Verfahren – mit ›nach beiden Verfahren‹ meine ich, einige Ämter durch Los andere durch Wahl zu besetzen; und oligarchisch ist, daß eine abgegrenzte Schicht die Ämter aus der Gesamtheit entweder (10) durch Wahl oder (11) durch Los oder (12) nach beiden Verfahren, nämlich einige Ämter durch Los, andere dagegen durch Wahl, besetzt – noch oligarchischer ist aber (die Regelung), sie † aus beiden † (zu besetzen); daß dagegen (16) eine abgegrenzte Schicht einige Ämter aus der Gesamtheit besetzt, andere Ämter jedoch aus einer abgegrenzten Schicht, ist eine Regelung der Politie mit aristokratischer Neigung, oder auch (18) daß sie einige Ämter durch Wahl, andere dagegen durch Los besetzt. Oligarchisch ist dagegen die Regelung, daß (13) eine abgegrenzte Schicht (die Ämter) aus einer abgegrenzten Schicht 〈 durch Wahl 〉 (besetzt), und auch (14) daß eine abgegrenzte Schicht aus einer abgegrenzten Schicht die Ernennung durch Los vornimmt –
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† obwohl dies nicht die gleiche Auswirkung hat † –, und daß (15) eine abgegrenzte Schicht aus einer abgegrenzten Schicht nach beiden Verfahren (die Amtsinhaber bestellt). Aristokratisch ist dagegen, daß (10) eine abgegrenzte Schicht aus allen und (4) daß alle aus einer abgegrenzten Schicht durch Wahl (die Amtsinhaber bestellen). Damit haben wir die Anzahl der (Möglichkeiten bei der Ernennung der Inhaber von) Staatsämtern angegeben; sie sind in der beschriebenen Weise nach der Zuordnung zu den jeweiligen Verfassungen klassifiziert. Welche (Organisationsweisen der Ämter) wem nützen und wie man die Ämter einrichten muß, wird zugleich mit (der Bestimmung) ihrer Befugnisse verständlich werden – mit Befugnissen eines Amtes meine ich z. B. die verantwortliche Kontrolle über Staatseinkünfte oder über den Schutz (der Stadt); denn das Strategenamt und das Amt, das die Kontrolle über private Vereinbarungen auf dem Markt ausübt, haben eine je verschiedene Art von Befugnissen. Kapitel 16. Unter den drei (Teilen der Verfassung) steht noch die Behandlung des Gerichtswesens aus. Auch dessen vielfältige Formen muß man nach der gleichen Methode (wie bei den beiden anderen Teilen der Verfassung) bestimmen. Die Unterschiede bei (der Organisation) der Gerichte ergeben sich aus drei Elementen: (a) dem Personenkreis, aus deren Mitte (sie besetzt werden), (b) den Gegenständen, mit denen sie befaßt sind, und (c) dem Verfahren (nach dem man die Richter ernennt). Ich meine mit dem Personenkreis (a) die Alternative, ob sie aus der Gesamtheit bzw. aus einer abgegrenzten Schicht ernannt werden; mit den Gegenständen (b) meine ich die Anzahl der Arten von Gerichten und mit dem Verfahren (c) die Alternative (der Ernennung) durch Los oder durch Wahl. Zunächst muß die Anzahl der Arten von Gerichtshöfen bestimmt werden: es gibt deren acht: einer ist mit der abschließenden Kontrolle (der Inhaber von Staatsämtern) befaßt; der zweite entscheidet in Fällen, wenn jemand ein Unrecht gegen die Gemeinschaft begeht; ein weiterer (bei Vergehen), die sich gegen die Verfassung richten; ein vierter (bei Auseinander-
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setzungen) zwischen Amtsträgern und Privatleuten in Fällen, in denen diese gegen Strafen Einspruch erheben; ein fünfter über private Abmachungen von höherem Wert; neben diesen entscheidet einer über Handlungen mit Todesfolge und einer über Angelegenheiten, die Ausländer betreffen – bei dem Gericht, das mit Handlungen mit Todesfolge befaßt ist, gibt es mehrere Arten (von Fällen), unabhängig davon, ob sie vor den gleichen oder vor verschiedenen Richtern verhandelt werden: eine betrifft vorsätzlich und (eine) nicht vorsätzlich begangene Handlungen, eine weitere Handlungen, bei denen man sich zwar (über die Tat) einig ist, deren rechtliche Beurteilung jedoch umstritten ist, und die vierte betrifft Leute, die wegen Tötungsdelikten verbannt waren, wenn gegen sie nach ihrer Rückkehr Anklagen erhoben werden, wie es in Athen (für solche Fälle) einen Gerichtshof unter dem Namen Phreatto gibt; aber selbst in großen Staaten kommen Fälle dieser Art im gesamten Ablauf der Zeit nur selten vor. Eine Abteilung des Ausländergerichtes ist für (Streitigkeiten) von Fremden mit Fremden zuständig, eine andere von Fremden mit Einheimischen; neben allen diesen Gerichtshöfen gibt es einen mit Zuständigkeit für Vereinbarungen von geringem Wert, z. B. in der Höhe von einer oder von fünf Drachmen oder einem geringfügig höheren Betrag. Es muß ja auch in solchen Streitigkeiten eine gerichtliche Entscheidung geben, sie werden aber nicht einer großen Zahl von Richtern vorgelegt. (Gerichtshöfe), die über diese Fälle entscheiden und über Handlungen mit Todesfolge oder über (Streitigkeiten, an denen) Ausländer (beteiligt sind), sollen hier beiseite bleiben; wir wollen vielmehr die (Gerichtshöfe) behandeln, die für Fälle zuständig sind, welche den Staat betreffen. Denn wenn (Entscheidungen) darüber nicht richtig gefällt werden, pflegt es zu Auseinandersetzungen und Sturz der Verfassungen zu kommen. (Wenn) die Gesamtheit über alle (eben) unterschiedenen Streitfälle entscheidet, (ergeben sich folgende Möglichkeiten): entweder (1) wird die Gesamtheit durch Wahl oder (2) durch Los zu Richtern bestellt, oder (3) sie entscheidet über
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alle Angelegenheiten, die Richter sind jedoch für einige Prozesse durch Los, für andere durch Wahl ernannt; oder (4) die Gesamtheit entscheidet in einem Teil der Prozesse bei ein und denselben Streitfällen durch Richter, von denen einige durch Los, die anderen durch Wahl ernannt werden. Dies ergibt vier Formen. Ebensogroß ist die Zahl (5 – 8) in dem Falle, wenn die Richter (aus der Gesamtheit) nach einem bestimmten Turnus (ernannt werden). Dann (gibt es) noch (die Möglichkeiten, daß) (9) die Richter, die über alle Angelegenheiten entscheiden, durch Wahl aus einer abgegrenzten Schicht ernannt wurden, oder (10) daß sie über alle Angelegenheiten entscheiden, aber durch Los aus einer abgegrenzten Schicht ernannt sind, oder (11) daß sie für einige Prozesse durch Los, für andere dagegen durch Wahl ernannt werden, oder (12) daß einige Gerichtshöfe, die mit den gleichen Streitfällen befaßt sind, durch Los und durch Wahl besetzt werden. Die Organisationsformen, wie sie hier aufgezählt wurden, 〈 entsprechen 〉 den zuvor genannten. Außerdem können die gleichen Regelungen miteinander verbunden werden, ich meine damit, daß (13) einige Gerichte mit Richtern aus der Gesamtheit besetzt werden, andere aus einer abgegrenzten Schicht, andere mit Richtern aus beiden – ich meine damit den Fall, daß die Richter eines einzigen Gerichtshofes z. T. aus der Gesamtheit, z. T. aus einer abgegrenzten Schicht ernannt werden, und daß sie entweder durch Los oder Wahl oder nach beiden Verfahren ernannt werden. Es ist damit behandelt, wieviele Möglichkeiten der Besetzung von Gerichten existieren. Davon sind die zuerst genannten (1–8), nämlich die Gerichte, die aus der Gesamtheit besetzt werden und über alle Angelegenheiten entscheiden, demokratisch, die an zweiter Stelle aufgeführten Gerichte (9 – 12), die aus einer abgegrenzten Schicht ernannt werden und über alle Angelegenheiten richten, oligarchisch; die an dritter Stelle beschriebenen (13), von denen einige aus allen, die anderen aus einer bestimmten Gruppe besetzt sind, gehören spezifisch zu einer Aristokratie und Politie.
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BUC H V Fünftes Buch
Kapitel 1. So ziemlich alle anderen Gegenstände, die wir uns vorgenommen hatten, sind damit behandelt. Im Anschluß an diese Darlegungen muß man aber noch folgende Fragen untersuchen: welches sind die Gründe für Verfassungsänderungen, wieviele Gründe gibt es und von welcher Art sind sie? Welche Formen von Zerstörung gibt es bei jeder Verfassung? Und von welchen Verfassungen kommt es am ehesten zu einem Umschlag zu welchen anderen? Außerdem: welche Methoden der Verfassungserhaltung gibt es sowohl allgemein als auch spezifisch für jede einzelne Verfassung? Außerdem: wodurch könnte am ehesten jede Verfassung erhalten werden? Man muß als Ausgangspunkt zunächst verstehen, daß viele Verfassungen dadurch entstanden sind, daß alle, die über das Gerechte, d. h. proportionale Gleichheit, einer Meinung sind, diese dann aber doch falsch bestimmen, wie auch früher dargelegt wurde. Die Demokratie entstand so daraus, daß (ihre Anhänger), die in einer bestimmten Beziehung gleich sind, annehmen, sie seien schlechthin gleich; denn weil sie alle in gleicher Weise frei geboren sind, glauben sie, sie seien schlechthin gleich. Die Oligarchie entstand dagegen daraus, daß (ihre Anhänger), die in einer Beziehung ungleich sind, annehmen, sie seien schlechthin ungleich; denn aufgrund ihrer Überlegenheit in Besitz glauben sie, schlechthin überlegen zu sein. Als Folge davon verlangen nun die einen, in der Überzeugung, gleich zu sein, an allen Dingen in gleichem Umfang beteiligt zu werden, die anderen suchen dagegen in der Überzeugung, überlegen zu sein, einen größeren Anteil zu bekommen; denn ein größerer Anteil bedeutet Überlegenheit. Alle (diese) Verfassungen besitzen zwar eine gewisse Rechts grundlage, sind aber schlechthin betrachtet doch verfehlt. Wenn nun die eine oder die andere der beiden Gruppierungen nicht entsprechend ihren Vorstellungen an der Verfassung
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beteiligt ist, zettelt sie aus diesem Grunde innenpolitische Unruhen an. Von allen dürften diejenigen am ehesten das Recht haben, innenpolitische Auseinandersetzungen zu beginnen, die sich durch herausragende persönliche Qualität auszeichnen – sie tun es aber am wenigsten – denn die Auffassung, daß sie allein schlechthin überlegen sind, macht am ehesten Sinn. Es gibt aber auch (andere), die aus vornehmen Familien kommen und aufgrund dieser Überlegenheit glauben, sie verdienten nicht nur gleiche Rechte; denn als vornehm gelten diejenigen, die hervorragende persönliche Qualität und Reichtum ihrer Vorfahren vorweisen können. Dies sind sozusagen die Ursprünge und Quellen, die zu politischen Auseinandersetzungen führen. Aus diesem Grunde gibt es auch zwei verschiedene Formen von Verfassungsänderungen: im einen Falle (erheben sich Männer) gegen die Verfassung, um die bestehende durch eine andere abzulösen, z. B. die Demokratie durch eine Oligarchie oder die Oligarchie durch eine Demokratie oder (eine) dieser (beiden) durch eine Politie oder Aristokratie oder diese (beiden) durch jene zuvor genannten. Im anderen Falle (beginnen sie politische Auseinandersetzungen) nicht gegen die bestehende Verfassung, sondern sie wollen zwar lieber an der gleichen Verfassung festhalten, wünschen aber selber, in ihr die Macht innezuhaben, etwa in der Oligarchie oder Monarchie. Außerdem (gibt es innenpolitische Kämpfe) um die stärkere oder schwächere Ausprägung (des Verfassungscharakters), z. B. damit eine Oligarchie stärker oder schwächer oligarchisch oder eine Demokratie stärker oder schwächer demokratisch ausgeprägt ist, und ebenso auch bei den übrigen Verfassungen, damit ihr Charakter verschärft oder abgemildert wird. Außerdem (unternimmt man solche Aktionen), um einen Teil der Verfassung zu verändern, z. B. um ein bestimmtes Staatsamt einzuführen oder zu beseitigen; so behaupten einige, in Sparta habe Lysander versucht, das Königtum, und der König Pausanias, das Ephorat abzuschaffen; und in Epidamnos wurde die Verfassung in einem Teil verändert; denn sie ersetzten die Phylarchen durch einen Rat, während die Verpflichtung fort-
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besteht, daß unter den Mitgliedern der Bürgerschaft die Inhaber der Ämter an (den Sitzungen) der Volksversammlung teilnehmen, wenn (dort über die Ernennung der Inhaber) eines Amtes abgestimmt wird; oligarchisch war in jener Verfassung auch die Einrichtung, daß ein einziger Mann allein die Staatsverwaltung leitete. Überall kommt es ja wegen Ungleichheit zu politischen Auseinandersetzungen, außer 〈 wenn 〉 den Ungleichen ein proportionaler Anteil (an politischen Rechten) zugewiesen wird; denn das Königtum auf Lebzeiten ist ein Verstoß gegen die Gleichheit, wenn es unter Gleichen aufgerichtet ist (und ist deswegen nicht berechtigt). Denn generell zettelt man politische Auseinandersetzungen an, weil man Gleichheit sucht. Es gibt aber zwei Arten von Gleichheit, eine der Zahl, die andere dem Wert nach: als (gleich) der Zahl nach bezeichne ich, was der Anzahl oder Größe nach identisch und gleich ist, als (gleich) dem Wert nach, was in der Proportion identisch ist; z. B. ist ›drei‹ um den gleichen Betrag der Zahl nach größer als ›zwei‹ und ›zwei‹ als ›eins‹; dagegen ist ›vier‹ in der Proportion (um den gleichen Betrag) größer als ›zwei‹ und ›zwei‹ als ›eins‹. Denn ›zwei‹ bildet den gleichen Bruchteil von ›vier‹ wie ›eins‹ von ›zwei‹; beide Zahlen sind ja jeweils die Hälfte. Man ist sich zwar darüber einig, daß (Gleichheit) dem Wert nach schlechthin gerecht ist, liegt aber trotzdem miteinander im Streit, wie vorher erklärt wurde: die einen, weil sie glauben, sie seien schlechthin gleich, wenn sie in einer bestimmten Beziehung gleich sind; die anderen, weil sie beanspruchen, in allen Dingen mehr zu verdienen, wenn sie in einer bestimmten Beziehung überlegen sind. Aus diesem Grunde werden auch meistens nur zwei Verfassungen eingerichtet, Demokratie und Oligarchie; denn vornehme Abkunft und herausragende persönliche Eigenschaft finden sich (nur) bei wenigen, jene Eigenschaften (auf die sich die Anhänger von Demokratie und Oligarchie berufen) dagegen bei einer größeren Zahl; denn nirgendwo gibt es einhundert Männer, die vornehme Abkunft und gute persönliche Ei-
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genschaft besitzen, Reiche 〈 und Arme 〉 gibt es dagegen überall in großer Zahl. Es ist aber eine nachteilige Regelung, wenn (der Staat) schlechthin in jeder Hinsicht nur nach einer der beiden Formen von Gleichheit geordnet ist. Die Folgen (solcher Einseitigkeit) zeigen das klar: keine Verfassung dieser Art ist dauerhaft. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, daß Fehler, die zuerst und am Anfang gemacht wurden, unvermeidlich zu einem verhängnisvollen Ende führen. Aus diesem Grund soll man für einige Angelegenheiten die Gleichheit der Zahl nach anwenden, für andere dagegen die nach dem Wert. Ungeachtet dessen ist die Demokratie doch stabiler und bleibt eher von politischen Auseinandersetzungen verschont als die Oligarchie. Denn in den Oligarchien gibt es zwei Formen politischer Auseinandersetzungen, die zwischen den Olig archen untereinander und zusätzlich die mit dem Demos; in den Demokratien gibt es dagegen nur diejenige gegen die Olig archie; bei dem Demos kommt es aber nicht zu Auseinandersetzungen innerhalb seiner eigenen Reihen (in einem Maße), das Erwähnung verdiente. Außerdem steht die Verfassung, die sich auf die Mittelklasse stützt, der Demokratie näher als die der Oligarchen, und diese (mittlere Verfassung) ist die stabilste unter den Verfassungen dieser Art. Kapitel 2. Da wir untersuchen, was zu politischen Auseinandersetzungen und Verfassungswechseln führt, müssen wir zuerst in allgemeiner Form die Anlässe und Gründe dafür bestimmen. Man trifft so ziemlich das Richtige, wenn man ihre Zahl mit drei angibt; sie sollen zunächst (jeder) für sich im Umriß näher bestimmt werden. Denn man muß verstehen, aus was für einer Einstellung heraus und für welches Ziel man politische Auseinandersetzungen anzettelt, und drittens, was die Unruhen unter Bürgern und Kämpfe gegeneinander auslöst. Man muß davon ausgehen, daß, allgemein gesprochen, der schon erwähnte Grund am ehesten die persönliche Einstellung prägt, die man zu Verfassungswechsel einnimmt; denn einige, die Gleichheit gewinnen wollen, zetteln politische Auseinan-
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dersetzungen an, wenn sie glauben benachteiligt zu sein, obwohl sie denen, die Vorrechte besitzen, gleich seien; dagegen tun diejenigen, die eine ungleiche und überlegene Stellung gewinnen wollen, dies, wenn sie glauben, daß sie als Ungleiche nicht eine überlegene, sondern nur eine gleiche oder gar eine unterlegene Stellung einnehmen. Beim Verfolgen ihrer Absichten können sie entweder im Recht oder im Unrecht sein: so zetteln z. B. Unterlegene politische Auseinandersetzungen an, um gleich zu sein, und Gleiche, um überlegen zu sein. Damit ist erläutert, aus welcher Einstellung heraus man sich in innenpolitischen Auseinandersetzungen entzweit. Die Ziele, die man in solchen Auseinandersetzungen verfolgt, sind materieller Gewinn und öffentliche Ehrenstellung – und deren Gegenteil: denn man beginnt Auseinandersetzungen in den Staaten, um Ehrlosigkeit und Benachteiligung für sich selber oder für seine Freunde zu entkommen. Es gibt in gewisser Weise sieben Ursachen und Anlässe, die dazu führen, daß (einige Bürger) selber eine Einstellung in der beschriebenen Weise und bezogen auf die genannten Ziele entwickeln, in gewisser Weise gibt es sie auch in größerer Zahl. Zwei von ihnen sind mit den vorher genannten identisch, aber sie (wirken) nicht in derselben Weise. Denn (Bürger) werden aufgrund von materiellem Gewinn und dem Ansehen in der Öffentlichkeit gegeneinander aufgebracht, aber nicht um diese für sich zu gewinnen, wie das vorher ausgeführt wurde, sondern weil sie sehen, daß andere – einige zu Recht, andere zu Unrecht – mehr davon besitzen. Weiterhin (kommt es zu diesen Reaktionen) wegen Unrecht, das zugefügt wurde, um zu erniedrigen, aus Furcht, wegen einer überlegenen Stellung, wegen Verachtung und wegen Machtzuwachs, der die Verhältnisse sprengt; außerdem, in davon verschiedener Weise, wegen Amtserschleichung, Unaufmerksamkeit, Geringfügigkeit und mangelnder Homogenität. Kapitel 3. Welche Wirkung unter allen diesen Ursachen Unrecht, das zugefügt wird, um andere zu erniedrigen, und Gewinnsucht haben, und in welcher Weise sie Ursachen (politi-
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scher Auseinandersetzungen) sind, ist so ziemlich klar. Denn wenn diejenigen, die die Ämter bekleiden, erniedrigendes Unrecht begehen und sich bereichern, werden (die Bürger) in politische Auseinandersetzungen gegeneinander und gegen die Verfassungen, die dies ermöglichen, verstrickt – wenn Ämter sich bereichern, so tun sie dies bisweilen vom Privatvermögen (der Bürger), bisweilen von öffentlichem Besitz. Es ist aber auch klar, was das Ansehen in der Öffentlichkeit ausrichten kann und in welcher Weise es Ursache (politischer Auseinandersetzungen) ist. Denn Menschen zetteln politische Auseinandersetzungen an, sowohl wenn sie selber zurückgesetzt werden als auch wenn sie mitansehen, daß andere mit Ehrungen überhäuft werden – solche Verhältnisse herrschen dann zu Unrecht, wenn einige entgegen ihrem Wert Ehrungen empfangen oder ihres Ansehens beraubt werden, zurecht dagegen, wenn dies ihrem Wert entspricht. Wegen einer überlegenen Stellung (kommt es) dagegen (zu Unruhen), wenn ein einziger oder eine größere Zahl zu mächtig im Verhältnis zum Staat oder zur Machtbefugnis seiner regierenden Körperschaft ist. Denn es kommt häufig vor, daß von solchen (Männern ein Umsturz zur) Monarchie oder Willkürherrschaft weniger Männer ausgeht. Deswegen pflegt man auch in einigen Staaten, wie in Argos und Athen, Verbannung durch Scherbengericht vorzunehmen. Es ist jedoch vorzuziehen, von Anfang dafür zu sorgen, daß sich Männer mit dieser Überlegenheit nicht (in der Bürgerschaft) finden, anstatt dies zuerst zuzulassen und danach (den Schaden) zu heilen. Aus Furcht beginnen diejenigen politische Auseinandersetzungen, die unrecht gehandelt haben und dann Strafe fürchten, wie auch diejenigen, denen droht, Opfer von Unrecht zu sein, weil sie (mit dem Aufstand) dem bevorstehenden Unrecht zuvorkommen wollen. So setzten sich auf Rhodos die Vornehmen wegen der gegen sie eingeleiteten Prozesse gegen den Demos zur Wehr. Aus Verachtung beginnen (Menschen) politische Auseinandersetzungen und unternehmen einen Angriff, z. B. in Oligar-
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chien, wenn diejenigen, die von der Verfassung ausgeschlossen sind, die Mehrheit bilden – denn sie glauben, stärker zu sein; und in Demokratien beginnen die Begüterten aus Verachtung für das Fehlen von Ordnung und für die Anarchie den inneren Krieg. So wurde z. B. die Demokratie in Theben nach der Schlacht bei Oinophyta, als schlimme politische Verhältnisse vorherrschten, gestürzt und die in Megara, nachdem ihre Anhänger wegen des Fehlens von Ordnung und wegen Anarchie eine Niederlage hinnehmen mußten, und die in Syrakus vor der Tyrannis des Gelon; und so (zog) der Demos auf Rhodos (Verachtung auf sich), bevor sich (die Vornehmen) gegen ihn erhoben. Zum Verfassungswandel kommt es aber auch wegen eines Machtzuwachses, der die Verhältnisse sprengt. Dies läßt sich an einem Körper verdeutlichen: er ist aus Teilen zusammengesetzt und muß (überall) im gleichen Verhältnis wachsen, damit die Symmetrie erhalten bleibt; andernfalls geht er zugrunde, (z. B.) wenn der Fuß vier Ellen, aber der Rest des Körpers nur zwei Spannen groß ist; bisweilen könnte er auch die Form eines anderen Lebewesens annehmen, wenn er nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ unverhältnismäßig wächst. In der gleichen Weise ist auch der Staat aus Teilen zusammengesetzt, von denen häufig ein Teil unbemerkt anwächst, wie z. B. die Zahl der Armen in Demokratien und Politien. Manchmal tritt dies auch aufgrund von Unglücksfällen ein; z. B. wurde in Tarent nach der Niederlage (der Stadt), als viele Vornehme nicht lange nach den Perserkriegen von den Japygen getötet worden waren, die Politie von einer Demokratie abgelöst; in Argos wurden (die Bürger) nach der Vernichtung der Männer in der (Schlacht am) Siebten durch den Spartaner Kleomenes gezwungen, einige Periöken (in die Bürgerschaft) aufzunehmen; und in Athen (änderte sich der Charakter der Verfassung), als die Zahl der Vornehmen nach den Niederlagen der Fußtruppen dezimiert wurde, weil während des Krieges mit Sparta (die Truppen) nach einem Verzeichnis der für den Waffendienst Tauglichen auf Feldzüge entsandt wurden. Dieser (Verfassungswechsel wegen unverhältnismäßigen An-
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wachsens) kommt auch, jedoch in einem geringeren Maße, in Demokratien vor; denn wenn sich die Zahl der Reichen erhöht oder ihr Vermögen zunimmt, tritt ein Wechsel zur Oligarchie oder Willkürherrschaft weniger Männer ein. Der Wechsel von Verfassungen findet auch ohne politische Auseinandersetzungen (aus folgenden Ursachen) statt: wegen unrechtmäßiger Wahlbeeinflussung wie in Heraia, (wo) man die durch Wahl besetzten Staatsämter durch Losämter ersetzte, weil man Männer in die Ämter zu wählen pflegte, die mit unredlichen Mitteln um diese Stellung kämpften; aus Unaufmerksamkeit, wenn man zuläßt, daß Männer, die der Verfassung nicht freundlich gesonnen sind, Zugang zu den einflußreichsten Ämtern gewinnen; so wurde in Oreos die Oligarchie gestürzt, nachdem Herakleodor unter die Amtsträger aufgenommen wurde; er bewerkstelligte, daß aus der Oligarchie eine Politie bzw. Demokratie wurde; oder wegen Geringfügigkeit (einer Änderung) – ich meine mit Gering fügigkeit, daß häufig unbemerkt eine tiefgreifende Veränderung gesetzlicher Regelungen eintritt, wenn man das Unbedeutende übersieht; so war z. B. in Ambrakia die Vermögensqualifikation niedrig angesetzt, bis die (Bürger) schließlich ohne eine Vermögensqualifikation ein Amt bekleiden konnten, da »ohne eine« und »niedrig« sich nahe kämen oder keinen Unterschied machten. Anfällig für politische Auseinandersetzungen ist auch eine Bürgerschaft, die nicht aus einem Volksstamm gebildet ist, bis sie zu einer Einheit zusammengewachsen ist. Wie ein Staat nicht aus einer Menschenmenge von beliebiger Art gebildet wird, so auch nicht in einer beliebigen Frist; daher kam es dazu, daß die meisten derjenigen, die bei der Gründung Mitsiedler (aus einem anderen Staat beteiligten) oder (später) Ansiedler aufnahmen, sich in politischen Auseinandersetzungen entzweit haben. So besiedelten die Bewohner von Achaia zusammen mit den Einwohnern von Troizen Sybaris; als dann die Achaier die Mehrheit bildeten, vertrieben sie die Troizener, ein Vorgang, in dessen Folge dann auch die Sybariten die Blutschuld auf sich zogen. Und in Thurioi kam es zu
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Auseinandersetzungen zwischen den Sybariten und den übrigen Siedlern, in deren Folge die aus Sybaris, die Vorrechte beanspruchten, da das Territorium (von Thurioi) ihnen gehöre, vertrieben wurden. Und gegen die Byzantier planten die dort aufgenommenen Siedler einen Anschlag; nachdem er aufgedeckt wurde, wurden die Siedler durch Waffengewalt vertrieben. Und die Bürger von Antissa, die die Verbannten aus Chios aufgenommen hatten, vertrieben sie wieder nach einer militärischen Auseinandersetzung. Dagegen wurden die Bürger von Zankle, die Siedler von Samos aufgenommen hatten, selber aus dem Lande verjagt. Und die Bürger aus Apollonia am Pontos wurden in politische Auseinandersetzungen verwickelt, nachdem sie Siedler (in ihr Staatsgebiet) geholt hatten. Die Bürger von Syrakus, die nach dem Sturz der Tyrannen Fremde und Söldner zu Bürgern gemacht hatten, wurden in politische Auseinandersetzungen verstrickt und kämpften (gegen sie) in offener Feldschlacht. Die Mehrzahl der Bürger von Amphipolis, die chalkidische Siedler aufgenommen hatten, wurden von diesen vertrieben. In Oligarchien zettelt die Menge politische Auseinandersetzungen aus dem Gefühl an, ungerecht behandelt zu werden, da sie nicht an den gleichen (Rechten) teilhat, obwohl sie doch gleich sei, wie schon vorher dargelegt wurde; in den Demokratien (tun dies) die Vornehmen, weil sie (nur) gleiche Rechte haben, obwohl sie nicht gleich seien. Auch wegen ihrer geographischen Lage sind Staaten bisweilen in politische Auseinandersetzungen verstrickt, wenn ihr Territorium seiner Natur nach die Einheit des Staates nicht begünstigt, wie z. B. in Klazomenai die Bewohner in Chyton mit denjenigen auf der Insel (verfeindet waren) und wie die Bürger von Kolophon und Notion. Und in Athen haben die Bewohner des Piräus nicht die gleiche demokratische Einstellung wie die der Stadt, sondern eine radikalere. Wie in kriegerischen Auseinandersetzungen das Überqueren von Gräben, mögen sie auch noch so schmal sein, die Kampfreihen auseinanderreißt, so scheint auch (im Staat) jeder Unterschied eine Spaltung zu verursachen. Der bedeutendste Gegensatz ist wohl der zwi-
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schen herausragender und schlechter persönlicher Qualität, danach der zwischen reich und arm, und in entsprechender Weise (wirkt) der eine Gegensatz in stärkerem Maße als der andere, und der eben behandelte (der geographischen Lage) gehört hierzu. Kapitel 4. Zu politischen Auseinandersetzungen kommt es nicht wegen unbedeutender Angelegenheiten, sondern aus geringfügigen Anlässen; aber es sind wichtige Belange, um die Menschen bei ihren politischen Auseinandersetzungen kämpfen. Selbst geringfügige Auseinandersetzungen haben sehr starke Auswirkungen, wenn sie unter einflußreichen Männern stattfinden. Dafür bietet auch ein Ereignis in alter Zeit in Syrakus ein Beispiel: als zwei junge Männer, die Staatsämter bekleideten, sich wegen einer Verwicklung erotischen Charakters zerstritten, kam es zu einem Wechsel der Verfassung. Denn während der eine außer Landes weilte, gewann einer seiner Freunde dessen Geliebten für sich; darauf wurde jener erbost und brachte dessen Frau dazu, sich mit ihm einzulassen. Das führte dazu, daß sie die Mitglieder der Bürgerschaft jeweils (auf die eine oder andere Seite) zogen und so alle gegeneinander aufbrachten. Deswegen muß man solche Vorgänge gleich bei ihrem Anfang ernst nehmen und Auseinandersetzungen der Führer und mächtigen Männer schlichten; denn am Anfang wird der Fehler begangen, der Anfang gilt aber als die Hälfte des Ganzen, und daher ist ein geringfügiger Fehler, der zu Beginn gemacht wird, so schwerwiegend wie die in den späteren Stadien (zusammengenommen). Allgemein bewirken die Streitigkeiten unter den Angesehenen, daß auch der ganze Staat in Mitleidenschaft gezogen wird. So hat es sich z. B. in Hestiaia nach den Perserkriegen abgespielt, als zwei Brüder über die Aufteilung des väterlichen Erbes in Streit gerieten. Als der eine das Vermögen und den Schatz, den der Vater gefunden hatte, verborgen hielt, gewann der Ärmere diejenigen, die volksfreundlich gesonnen waren, für seine Sache, der andere, der viel Vermögen besaß, dagegen
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die Reichen. Und in Delphi entwickelte sich aus einer Heiratsangelegenheit ein persönlicher Zwist, der dann den Ausgangspunkt aller späteren politischen Auseinandersetzungen bildete. Denn der Bräutigam deutete einen bestimmten Vorfall, als er zu seiner Braut gekommen war, als ungünstiges Vorzeichen und kehrte um, ohne sie zu heiraten; da die Mitglieder der Familie der Braut sich als Opfer erniedrigenden Unrechts fühlten, steckten sie ihm, als er beim Opfern war, einige Besitzstücke vom Tempel zu und brachten ihn dann, als wäre er ein Tempelräuber, um. Und als es in Mytilene wegen Erbtöchtern zu einer Auseinandersetzung kam, wurde diese der Ausgangspunkt vieler verhängnisvoller Ereignisse und auch des Krieges gegen Athen, in dem Paches ihre Stadt besetzte: ein gewisser wohlhabender Bürger Timophanes hinterließ zwei (unverheiratete) Töchter; Dexandros, der abgewiesen wurde und sie nicht für seine Söhne gewann, zettelte daraufhin politische Auseinandersetzungen an und stachelte auch die Athener auf (einzugreifen), da er ein Staatsgastfreund Athens war. Und als es in Phokis wegen einer Erbtochter zu einem Zerwürfnis zwischen Mnaseas, dem Vater des Mnason, und Euthykrates, dem Vater des Onomarchos, kam, entwickelte sich diese Auseinandersetzung für die Phoker zum Beginn des heiligen Krieges. Auch in Epidamnos waren es Heiratsangelegenheiten, die zu einem Wechsel der Verfassung führten. Denn ein Vater, der seine Tochter heimlich mit einem jungen Mann verlobt hatte, wurde von dem Vater des jungen Mannes, der verlobt war, bestraft, als dieser Mitglied der regierenden Behörde geworden war; da jener andere nun das Gefühl hatte, er sei von diesem in böswilliger Absicht schmählich behandelt worden, holte er sich diejenigen, die außerhalb der Verfassung standen, zu seiner Unterstützung. Verfassungswechsel zur Oligarchie, Demokratie und Politie finden aber auch deswegen statt, weil ein bestimmtes Staatsamt oder ein Teil des Staates hohes Ansehen oder zusätzlichen Einfluß gewinnt. So scheint der Rat auf dem Areiopag, der während der Perserkriege sich hohe Achtung erwarb, erreicht zu haben, daß die Verfassung straffer geführt wurde;
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und umgekehrt hat die Masse, die die Schiffe bemannte, zur Stärkung der Demokratie beigetragen, da man ihr den Sieg bei Salamis und wegen dieses Sieges aufgrund der Vormacht zur See die Führungsposition zu verdanken hatte. In Argos haben die Angesehen, die sich in der Schlacht gegen die Spartaner bei Mantinea ausgezeichnet hatten, versucht, die Demokratie zu beseitigen; und in Syrakus hat der Demos, dem der Sieg im Krieg gegen die Athener zuzuschreiben war, die Politie in eine Demokratie umgewandelt. In Chalkis hat der Demos, der zusammen mit den Angesehenen den Tyrannen Phoxos beseitigt hatte, sofort die Verfassung an sich gerissen. Wiederum hat genauso in Ambrakia der Demos, der zusammen mit den Verschwörern den Tyrannen Periander vertrieben hatte, sich selber die Verfassung übertragen. Überhaupt darf einem nicht die Tatsache entgehen, daß diejenigen politische Auseinandersetzungen auslösen, denen (ein Staat) seine Stärke zu verdanken hat, seien es Privatleute, staatliche Ämter, Phylen oder generell jeder Teil oder Gruppe; denn entweder zetteln diejenigen, die diesen ihr Ansehen mißgönnen, die Unruhen an, oder die anderen sind wegen ihrer überlegenen Leistung nicht bereit, auf einer Position der Gleichheit stehen zu bleiben. Verfassungen werden auch dann gestürzt, wenn die Teile des Staates, die als entgegengesetzt gelten, sich (an Einfluß) gleichkommen, wie die Reichen und der Demos, während es entweder gar keine oder (nur) eine ganz unbedeutende Mittelschicht gibt. Denn wo eine Gruppe, einerlei welche, beträchtlich überlegen ist, da ist die andere nicht bereit, sich auf eine riskante Aktion gegen die offensichtlich stärkere einzulassen; aus diesem Grunde zetteln auch die an persönlicher Qualität Herausragenden sozusagen nie politische Auseinandersetzungen an; denn als eine kleine Zahl stehen sie den vielen gegenüber. In der beschriebenen Weise sind allgemein gesprochen die Anlässe und Gründe der politischen Auseinandersetzungen und Verfassungswechsel für alle Verfassungen anzugeben. Man betreibt den Umsturz der Verfassungen bald mit Gewalt, bald durch Betrug – mit Gewalt, indem man entweder
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sofort von Anfang an oder erst später Zwang ausübt. Auch bei Betrug gibt es zwei Möglichkeiten: im einen Falle täuschen die Umstürzler zuerst die Bürgerschaft und ändern die Verfassung mit ihrer Zustimmung, halten aber dann später mit Gewalt gegen den Willen der Bürger (an der neuen Verfassung) fest. So täuschten unter dem Regime der Vierhundert (die Umstürzler) den Demos, indem sie verhießen, der Großkönig werde Geld für den Kampf gegen die Spartaner bereitstellen (wenn sie die Demokratie abschwächten); nachdem sie ihn aber so getäuscht hatten, versuchten sie, an der geänderten Verfassung festzuhalten. Im anderen Falle gewinnen (die Umstürzler die Bürger) zunächst durch Überredung und, nachdem diese sich später erneut überzeugen ließen, herrschen sie über sie mit ihrer Zustimmung. Es hat sich nun ergeben, daß bei allen Verfassungen der Wechsel allgemein gesagt aus den genannten Gründen eintritt. Kapitel 5. Auf der Grundlage dieser Darlegungen muß man nun (das Allgemeine) in seine spezifischen Bestandteile zerlegen und untersuchen, was bei jeder einzelnen Verfassungsform eintritt. Den Sturz der Demokratien verursacht im stärksten Maße die schamlose Frechheit der Demagogen. Sie bewirken, daß sich die Vermögenden zusammenschließen, indem sie ent weder falsche Anklagen gegen Einzelne persönlich erheben – denn gemeinsame Furcht führt selbst die erbittertsten Feinde zusammen – oder indem sie das Volk gegen alle Reichen aufhetzen. Man kann leicht bemerken, daß dies bei vielen in der beschriebenen Weise abläuft: auf Kos wurde die Demokratie, als schlimme Demagogen in ihr aufgetreten waren, gestürzt; denn die Vornehmen setzten sich gegen sie zur Wehr. Und auf Rhodos (trat das Gleiche ein): die Demagogen setzten durch, daß (der Demos für politische Tätigkeit) Bezahlung empfing, und verhinderten, den Trierarchen die geschuldeten Beträge zurückzuzahlen. Diese setzten sich aber wegen der ihnen drohenden Prozesse zur Wehr und sahen sich gezwungen, die Demokratie zu stürzen. Auch in Herakleia wurde unmittelbar
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nach der Gründung der Kolonie wegen der Demagogen die Demokratie gestürzt; denn weil die Angesehen von diesen Unrecht erlitten hatten, verließen sie das Land; dann aber schlossen sie sich im Exil zusammen, kehrten zurück und beseitigten die Demokratie. In einer ähnlichen Weise wurde auch die Demokratie in Megara gestürzt: die Demagogen trieben viele Angesehene außer Landes, um so ihre Besitztümer konfiszieren zu können, bis durch ihre Aktionen die Zahl der Verbannten erheblich angestiegen war; diese kehrten zurück, besiegten in einer Schlacht den Demos und etablierten eine Oligarchie. Das gleiche trat auch in Kyme unter der Demokratie, die dann Thrasymachos stürzte, ein. Jeder, der dies untersucht, dürfte erkennen, daß auch bei den anderen der Sturz der Demokratien so ziemlich in der beschriebenen Weise abläuft: die Demagogen bringen die Angesehenen gegen sich auf, indem sie in einigen Fällen, um sich (beim Volk) beliebt zu machen, Unrechttaten gegen sie begehen: entweder verteilen sie ihre Besitztümer neu oder sie (zehren) ihre Einkünfte durch kostspielige öffentliche Leistungen (auf); in anderen Fällen (bringen die Demagogen die Angesehenen gegen sich auf), indem sie Anschuldigungen gegen die Vermögenden erheben, um ihre Besitztümer konfiszieren zu können. Immer wenn in der Vergangenheit ein und dieselbe Person Demagoge und Feldherr war, kam es zu einem Verfassungswechsel zur Tyrannis. So sind so ziemlich die meisten Tyrannen der Vorzeit aus der Stellung als Demagogen in diese Machtposition gelangt. Der Grund dafür, daß dies zwar in der Vergangenheit der Fall war, aber nicht mehr heutzutage, liegt darin, daß damals die Demagogen aus den Reihen der Feldherrn kamen – denn sie besaßen noch nicht die Kraft rednerischer Überzeugungsgabe –, während jetzt, nachdem die Redekunst solche Fortschritte gemacht hat, bedeutende Redner zwar Demagogen sind, aber wegen ihres Mangels an militärischer Erfahrung nicht (mit Waffengewalt nach der Alleinherrschaft) zu greifen versuchen, abgesehen von einer seltenen Ausnahme dieser Art.
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Tyrannische Regime pflegten in der Vergangenheit häufiger als heutzutage an die Macht zu kommen, weil (damals) einigen Männern einflußreiche Ämter übertragen wurden; so ent wickelte sich (die Tyrannis) in Milet aus dem Amt des Prytanen, denn der Prytane hatte viele bedeutende Befugnisse. Weil außerdem damals die Städte noch nicht von vielen Menschen bewohnt waren, sondern der Demos auf dem Land wohnte, wo er beschäftigt war, seinen Arbeiten nachzugehen, griffen Anführer des Volkes, wenn sie eine kriegerische Natur hatten, nach tyrannischer Macht. Alle taten dies, da sie sich des Vertrauens des Volkes sicher waren – ihr Vertrauen bestand in der Feindschaft gegen die Reichen. Dies war der Fall in Athen, als Peisistratos sich gegen die Bewohner der Ebene erhob, und in Megara, wo Theagenes die Herden der Wohlhabenden abschlachtete, als er sie entlang dem Fluß weidend vorfand, und als Dionysius nach seiner Anklage gegen Daphnaios und die Reichen als würdiger Inhaber der Tyrannis angesehen wurde, da man ihm wegen seiner Feindseligkeit gegen die Reichen vertraute, er vertrete die Interessen des Volkes. Ein Verfassungswechsel findet auch von der Demokratie der Väter zur letzten Demokratie statt; denn wo die Ämter zwar durch Wahl besetzt werden, jedoch keine Beschränkung durch eine Vermögensqualifikation auferlegt wird, und wo der Demos (die Inhaber der Ämter) wählt, da bringen es diejeni gen, die sich nach den Ämtern drängen, durch demagogische Machenschaften so weit, daß der Demos absolute Gewalt selbst über die Gesetze ausübt. Ein Heilmittel, um zu erreichen, daß dies überhaupt nicht oder weniger häufig eintritt, besteht darin, daß die Phylen, und nicht der gesamte Demos, die Inhaber der Ämter ernennen. So ziemlich alle Fälle der Ablösung von Demokratien treten wegen der hier behandelten Gründe ein. Kapitel 6. Am offensichtlichsten sind am ehesten zwei Formen des Verfassungswechsels, die Oligarchien erfahren: eine tritt ein, wenn man den Demos ungerecht behandelt; denn in einem solchen Falle erweist sich jeder als geeigneter Führer,
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besonders wenn es sich ergibt, daß der Anführer aus (den Reihen) der Oligarchie selber kommt, so wie Lygdamis auf Naxos, der auch später die Tyrannis über die Naxier gewann. Aber auch die politischen Unruhen, die von anderen Personen ausgehen, weisen verschiedene Alternativen auf. So wird bisweilen eine Oligarchie durch die Reichen selber, die aber nicht zu den Ämtern zugelassen sind, gestürzt, wenn die Inhaber der Ämter nur eine ganz geringe Zahl bilden, wie es zum Beispiel in Massalia, Istros, Herakleia und anderen Staaten sich zutrug. Denn diejenigen, die von den Ämtern ausgeschlossen waren, wirkten auf eine Veränderung der Verfassung hin, bis zuerst (wenigstens) die älteren Brüder, später dann auch die jüngeren Zugang erhielten. In einigen (oligarchisch regierten) Staaten haben ja nicht Vater und Sohn zur gleichen Zeit Ämter inne, in anderen nicht zugleich älterer und jüngerer Bruder. Dort (in Massilia) nahm die Oligarchie einen Charakter an, der eher der Politie nahe kommt; in Istros endete (der Verfassungswechsel) mit einer Demokratie, während in Herakleia (die Zahl derer, die Zugang zu den Ämtern hatte) von ziemlich wenigen auf sechshundert anwuchs. Auch auf Knidos wurde die Oligarchie gestürzt, nachdem die Angesehenen selber sich untereinander in Kämpfe verstrickt hatten, weil nur eine geringe Zahl (zu den politischen Ämtern) Zugang hatte und, wie gesagt, der Sohn ausgeschlossen war, wenn der Vater Zugang hatte, und wenn es mehrere Brüder gab, nicht alle, sondern nur der älteste Zugang hatte. Während sie in ihre Auseinandersetzungen verwickelt waren, griff der Demos ein, und nachdem er aus der Gruppe der Angesehenen einen Führer gewonnen hatte, griff er sie an und siegte; denn wer in Auseinandersetzungen verwickelt ist, ist schwach. Und in Erythrai unter der Oligarchie der Basiliden in der Vorzeit stürzte der Demos die Verfassung; obwohl diejenigen, die die vollen Rechte der Verfassung besaßen, die Staatsgeschäfte vorbildlich führten, fand sich trotzdem der Demos nicht damit ab, da er von einer so kleinen Zahl regiert wurde. Aus sich heraus werden dagegen Oligarchien einmal wegen der Machtgier der Demagogen gestürzt – solche Demago-
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gie gibt es in zwei Formen: die eine wird innerhalb der wenigen selber praktiziert, denn ein Demagoge kann ja auch dann auftreten, wenn der Kreis (derer, die er beeinflußt,) nur sehr klein ist; so gewannen in Athen unter (dem Regime der) Dreißig Charikles und seine Anhänger dadurch Einfluß, daß sie die Dreißig demagogisch beeinflußten, und in gleicher Weise gingen unter den Vierhundert Phrynichos und sein Kreis vor. Oder (nach der zweiten Form von Demagogie), wenn die (Machthaber) in der Oligarchie Einfluß bei der Masse zu gewinnen suchen; so buhlten in Larisa die Bürgerwächter um die Gunst des Volkes, weil dieses sie in das Amt wählte, und so ist es in allen Oligarchien der Fall, in denen nicht diejenigen, aus deren Mitte die Amtsinhaber kommen, auch selber die Ämter wählen, sondern wo die Inhaber der Ämter aus Klassen mit großem Vermögen oder aus politischen Vereinigungen gewählt werden, während die Schwerbewaffneten oder der Demos sie wählt – das waren die Bedingungen für die Vorgänge in Abydos; und (es kommt dort zu Demagogie), wo die Gerichte nicht aus der regierenden Schicht besetzt werden; denn man sucht die Gunst (der Richter), um die Urteile zu beeinflussen, und ändert so die Verfassung, wie es in Herakleia am Pontos passierte. (Ein Verfassungswechsel tritt) auch dann ein, wenn einige Männer die (Zahl der Vollbürger in einer) Oligarchie verringern; denn die (Ausgeschlossenen) sind bei ihrem Streben nach Gleichheit gezwungen, den Demos als Verbündeten auf ihre Seite zu ziehen. Oligarchien werden auch dann gestürzt, wenn (einzelne) durch ein Leben maßloser Begierden ihr Eigentum verschwenden. Denn Leute dieser Art sind auf Umsturz aus, und ent weder versuchen sie selber, für sich die Tyrannis zu gewinnen, oder sie setzen einen anderen als Tyrannen ein, so wie Hip parinos den Dionysios in Syrakus, und wie in Amphipolis ein Mann mit dem Namen Kleotimos Siedler aus Chalkis herbeirief und sie nach ihrer Ankunft in Auseinandersetzungen mit den Begüterten verwickelte, und in Aigina der Mann, der die Abmachung mit Chares traf, aus einem solchen Grunde die
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Verfassung zu stürzen versuchte. In einigen Fällen versuchen (diese Männer) ohne weiteren Verzug, einen Wandel herbeizuführen, in anderen bereichern sie sich widerrechtlich aus öffentlichem Besitz, und als Folge davon zetteln entweder sie selber politische Unruhen gegen die (oligarchischen Machthaber) an, oder die (anderen), die sich gegen jene Diebe öffentlichen Eigentums zur Wehr setzen, tun dies, wie es in Apollonia am Pontos eintrat. Solange eine Oligarchie sich der Eintracht erfreut, läßt sie sich dagegen nicht leicht aus sich selber zerstören. Ein Indiz für (die Richtigkeit dieser Auffassung) bietet die Verfassung in Pharsalos: die Bürger (unter dieser Verfassung), die nur eine kleine Zahl bilden, üben absolute Gewalt über viele aus, weil sie miteinander gut umgehen. (Diese Verfassungen) werden aber auch gestürzt, wenn man in der Oligarchie eine zweite Oligarchie einrichtet. Dies ist dann der Fall, wenn von der gesamten Aktivbürgerschicht, die nur wenige umfaßt, nicht alle diese wenigen Zugang zu den wichtigsten Ämtern haben, wie es einmal in Elis eintrat. Denn während die Verfassungsgewalt in den Händen weniger lag, hatte nur eine ganz geringe Zahl Zugang zum Amt der Geronten, weil dieses nur neunzig Mitglieder umfaßte, die auf Lebenszeit ernannt wurden; ihre Wahl wies den Charakter der Willkürherrschaft weniger mächtiger Männer auf und wurde ähnlich wie die der Geronten in Sparta (durchgeführt). Oligarchien werden im Krieg wie im Frieden gestürzt, im Krieg, wenn die (Bürger der Oligarchie) wegen ihres Mißtrauens gegenüber dem Demos gezwungen sind, Söldner anzuheuern; wem sie (das Kommando über) diese übertragen, der erhebt sich häufig zum Tyrannen, wie Timophanes in Korinth; wenn sie aber mehreren (das Kommando übertragen), dann richten diese eine Willkürherrschaft weniger mächtiger Männer ein. In manchen Fällen fürchten sie sich aber davor und beteiligen den Demos an den politischen Rechten, da sie auf seine Unterstützung nicht verzichten können. Im Frieden übertragen sie dagegen wegen ihres gegenseitigen Mißtrauens den Schutz (des Landes) Söldnern und einem als Vermittler
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ernannten Regenten, der dann bisweilen die absolute Gewalt über beide Gruppen an sich zieht, wie es sich in Larisa unter der Regierung des Simos aus der Familie der Aleuaden und in Abydos während der Vorherrschaft der politischen Vereinigungen ereignete, von denen eine die des Iphiades war. Zu Auseinandersetzungen kommt es auch, wenn unter den (Bürgern) in der Oligarchie selber die einen von den anderen erniedrigend zurückgewiesen und wegen Heiraten oder Prozessen in feindselige Streitereien verwickelt werden, so wie die vorher genannten Auseinandersetzungen, die im Zusammenhang mit Heiratsangelegenheiten ausgebrochen waren. In Eretria brachte Diagoras die auf die Ritter gestützte Oligarchie zu Fall, nachdem man ihn im Zusammenhang mit einer Heirat ungerecht behandelt hatte. Die politischen Auseinandersetzungen in Herakleia und Theben waren die Folge einer Gerichtsentscheidung: in Herakleia, als (einige Oligarchen) auf eine Anklage wegen Ehebruchs hin zwar gerechterweise, aber doch in parteiisch provozierender Weise gegen Eurytion eine Strafe verhängten, und in Theben, als man so mit Archias verfuhr; denn ihre Feinde wollten ihren Triumph als Sieger so sehr auskosten, daß sie diese auf dem Marktplatz an den Pranger binden ließen. Weil Oligarchien einen zu despotischen Charakter hatten, sind viele von ihnen, wie z. B. die Oligarchie auf Knidos und die auf Chios, durch Männer gestürzt worden, die zwar zur Verfassung gehörten, aber über (deren despotischen Charakter) verärgert waren. Wegen zufälliger Entwicklungen kommt es aber auch zum Umsturz sowohl der sogenannten Politie wie derjenigen Olig archien, in denen eine Vermögensqualifikation die Vorausset zung für die Mitgliedschaft im Rat, das Mitwirken an der Rechtsprechung und andere (Rechte wie) das Bekleiden von Staatsämtern ist. Wenn nämlich zuerst eine Vermögensqualifikation entsprechend den vorliegenden Verhältnissen festgelegt wurde, so daß in der Oligarchie wenige, in der Politie die Mittelklasse (an den politischen Rechten) teilhat, und wenn dann aufgrund von Frieden oder einer anderen glücklichen Fügung eine (wirt-
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schaftliche) Blüte eintritt, dann kommt es häufig vor, daß der gleiche Besitz den Gegenwert eines Vielfachen der vorgeschriebenen Vermögensqualifikation erreicht. In einem solchen Falle haben dann alle an allen (politischen Rechten) teil, wobei der Wechsel bald allmählich und in kleinen Schritten vor sich geht und unbemerkt bleibt, in anderen Fällen aber auch schneller abläuft. Dies sind nun die Gründe, aus denen Oligarchien gestürzt oder von politischen Unruhen heimgesucht werden. Generell vollzieht sich der Verfassungswandel bei Demokratien und Oligarchien bisweilen nicht zu den entgegengesetzten Verfassungen, sondern zu denen innerhalb der gleichen Art. Zum Beispiel gehen gesetzmäßige Demokratien und Oligarchien zu solchen, die unumschränkt Macht ausüben, und diese in jene über. Kapitel 7. In den Aristokratien kommt es teils zu politischen Unruhen, weil nur wenige Zugang zu den Ämtern haben; dieser Umstand ist auch für den Sturz der Oligarchien verantwortlich, wie zuvor dargelegt wurde, da ja auch die Aristokratie in gewisser Hinsicht eine Oligarchie ist; denn in beiden Verfassungen ist die Anzahl der Amtsinhaber gering, aber sie ist nicht aus dem gleichen Grund klein; gleichwohl gilt wegen dieser (Gemeinsamkeit) auch die Aristokratie als eine Oligarchie. Am ehesten muß es aber zu solchen Ereignissen kommen, wenn es (in der Aristokratie) eine Gruppe von Leuten gibt, die das Selbstbewußtsein besitzen, sich in herausragender persönlicher Qualität als gleich zu betrachten, so wie in Sparta die sogenannten Partheniai, die ja Abkömmlinge »der Gleichen« waren; nachdem ihre Verschwörung aufgedeckt war, sandte man sie aus, Tarent zu besiedeln. (Solche Verwicklungen drohen auch dann), wenn bedeutende Männer, die in ihrer herausragenden persönlichen Qualität hinter niemand zurückstehen, von anderen, die höhere öffentliche Ehren genießen, in ihrem Rang zurückgesetzt werden, wie Lysander von den Königen; oder wenn jemand mit männlicher Tatkraft von öffentlichen Ehrenstellungen ferngehalten wird, wie Kinadon, der Rädels-
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führer des Aufstandes gegen die Spartiaten zur Zeit des Königs Agesilaos. Außerdem (kommt es zu politischen Auseinandersetzungen), wenn die Not der einen zu groß ist, während die anderen sehr vermögend sind; eine solche (Situation) tritt besonders in Kriegen ein. Auch dies ereignete sich in Sparta zur Zeit des Messenischen Krieges; das läßt sich auch deutlich aus dem Gedicht des Tyrtaios mit dem Titel ›Eunomia‹ entnehmen; denn als einige infolge des Krieges in schwere wirtschaftliche Bedrängnis geraten waren, forderten sie eine Neuaufteilung des Landes. (Unruhen werden) außerdem dann (angezettelt), wenn jemand einflußreich ist und Mittel und Wege hat, noch mächtiger zu werden, um als Alleinherrscher zu regieren. So scheinen es in Sparta Pausanias, der während der Perserkriege Feldherr war, und in Karthago Hanno (versucht zu haben). Politien und Aristokratien werden besonders gestürzt, weil in der Verfassungsordnung selber Recht verletzt wird. Denn der Anfang (einer Entwicklung, die schließlich zum Verfassungssturz führen kann,) liegt darin, daß die Mischung nicht richtig getroffen wurde, in der Politie die von Demokratie und Oligarchie, in der Aristokratie die dieser (beiden) und zusätzlich von herausragender persönlicher Qualität, in der Hauptsache aber der beiden, ich meine Demokratie und Oligarchie; denn die Politien und viele der sogenannten Aristokratien versuchen eine Mischung (nur) dieser beiden, und in der (Art der Mischung) unterscheiden sich diese Aristokratien von den sogenannten Politien und wegen der (Art der Mischung) sind die einen weniger stabil, während sich die anderen einer längeren Dauer erfreuen. Denn man nennt die (Mischungsformen), die mehr zur Oligarchie hinneigen, Aristokratien, Politien dagegen diejenigen, die zur Demokratie neigen. Aus diesem Grunde sind auch (Mischverfassungen) dieser Art stabiler als jene anderen; denn die größere Zahl verfügt über mehr Macht, und die (Mitglieder der Mehrheit) geben sich eher damit zufrieden, gleichen Anteil zu haben; wenn dagegen die Verfassung denjenigen, die reichlich Vermögen besitzen, eine Vormachtstellung einräumt, dann sind diese darauf aus, anderen
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Unrecht zuzufügen, um sie zu erniedrigen, oder darauf, sich einen Vorteil zu verschaffen. Generell gesagt, verläuft der Wandel einer Verfassung in die Richtung, zu der die (Mischung der) Verfassung hinneigt, da jede der (jeweils dominierenden) Gruppen ihren Einfluß zu stärken sucht; so (schlägt) die Politie zur Demokratie (um), die Aristokratie dagegen zur Oligarchie. Oder (der Verfassungswechsel verläuft) zur entgegengesetzten Verfassungsordnung, z. B. von der Aristokratie zur Demokratie – die Ärmeren, die sich (unter der Aristokratie) ungerecht behandelt fühlen, vollziehen (in der Wahl der Verfassung) eine Kehrtwendung zum Gegenteil –, und von den Politien zur Oligarchie, denn die einzige dauerhafte (Grundlage einer Verfassung) ist proportionale Gleichheit und (die Garantie,) daß jeder das besitzt, was ihm zukommt. Der beschriebene Fall trat in Thurioi ein; denn weil die Vermögensqualifikation für die Besetzung der Ämter zu hoch war, wurde sie herabgesetzt und führte zur Einrichtung einer größeren Zahl von Ämtern; weil sich aber die Vornehmen in gesetzwidriger Weise das gesamte Land aufgekauft hatten – denn die Verfassung war stärker oligarchisch ausgebildet, so daß sie die Möglichkeit hatten, sich zu bereichern –, gewann der Demos, der im Krieg geübt war, die Oberhand über die Wachmannschaften, bis diejenigen, die zuviel besaßen, einen Teil des Landes abtraten. Außerdem: da alle aristokratischen (Misch-)Verfassungen einen eher oligarchischen Charakter besitzen, sind es die Angesehenen, die sich bereichern, wie auch in Sparta die Besitztümer in die Hände weniger übergegangen sind. Und die Angesehenen haben eher die Freiheit zu tun, was ihnen gefällt, und ihre Töchter den Männern ihrer Wahl zur Frau zu geben; deswegen führte auch die Verheiratung (der Tochter eines Bürgers) mit Dionysios zum Untergang des Staates von Lokroi, was in einer Demokratie und in einer Aristokratie, die richtig gemischt ist, nie eingetreten wäre. Zum Verfassungswechsel von Aristokratien kommt es meistens unbemerkt, da die Auflösung sich nur in kleinen Schritten vollzieht, so wie früher generell für alle Verfassungen dar-
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gelegt wurde, daß auch geringfügige Vorkommnisse Verfassungswechsel auslösen. Wenn man nämlich bei Regelungen, die sich auf die Verfassung beziehen, einen Teil preisgibt, dann ändert man leichter anderes, was schon ein wenig bedeutsamer ist, bis man schließlich die gesamte Ordnung stürzt. Dies trat ebenfalls bei der Verfassung von Thurioi ein. Dort schrieb ein Gesetz vor, daß man das Amt des Strategen nur nach Ablauf von fünf Jahren (erneut) bekleiden durfte; unter den jüngeren Männern hatten aber einige, die sich auch bei der Mehrheit der Wachmannschaften hohen Ansehens erfreuten, militärische Aspirationen; sie hatten eine sehr geringe Meinung von den offiziellen Machthabern und glaubten, sie könnten ihre Absichten leicht durchsetzen; nachdem sie sich vergewissert hatten, daß der Demos bereit wäre, sie zu wählen, versuchten sie zuerst, das genannte Gesetz außer Kraft zu setzen, so daß ein und dieselben Männer ununterbrochen das Strategenamt innehaben könnten. Die Inhaber des Amtes, in deren Verantwortung diese Angelegenheit fiel, die sogenannten »Berater«, versuchten zwar zuerst, sich dem zu widersetzen, ließen sich aber dann (für die Änderung) gewinnen, weil sie hofften, diese Männer würden den Rest der Verfassung unangetastet lassen, nachdem sie dieses eine Gesetz außer Kraft gesetzt hatten. Als sie aber zu einem späteren Zeitpunkt andere Änderungen verhindern wollten, richteten sie nichts mehr aus, sondern die gesamte Verfassungsordnung wurde durch eine Willkürherrschaft derer, die den politischen Umsturz betrieben hatten, ersetzt. Alle Verfassungen werden aber entweder aus sich selber heraus gestürzt oder von außen – dies tritt dann ein, wenn (ein) benachbarter (Staat) oder ein entfernter, der jedoch mächtig ist, eine entgegengesetzte Verfassung hat. Solche (Verfassungswechsel) pflegten zur Zeit der athenischen und spartanischen Hegemonie stattzufinden, denn die Athener stürzten überall die Oligarchien, die Spartaner dagegen die Demokratien. Damit sind so ziemlich die Ursachen behandelt, derentwegen die Ereignisse des Verfassungswandels und die politischen Unruhen ausgelöst werden.
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Kapitel 8. Hieran schließt sich nun eine Behandlung der Erhaltung sowohl generell (aller) Verfassungen als auch gesondert jeder einzelnen an. Zunächst ist zweifellos folgendes klar: wenn wir wissen, durch welche Einflüsse die Verfassungen zerstört werden, wissen wir auch, durch welche sie erhalten werden können. Denn entgegengesetzte Ursachen haben entgegengesetzte Wirkungen, Zerstörung bildet aber den Gegensatz zur Erhaltung. In den wohlgemischten Verfassungen muß man besonders streng darüber wachen, daß (die Bürger) nicht gegen die Gesetze verstoßen, und hierbei man muß besonders auf die geringfügigen (Übertretungen) achten; denn Gesetzlosigkeit schleicht sich unvermerkt ein, so wie die Ausgabe eines kleinen Betrages, wenn sie nur häufig genug stattfindet, Besitz tümer vollständig aufzehrt; die Ausgabe fällt ja nicht auf, da sie keinen großen Betrag ausmacht. Man wird dadurch in seiner Beurteilung getäuscht, so wie bei dem sophistischen Schluß: »wenn jedes klein ist, dann ist auch alles klein.« Dies ist zwar in einer bestimmten Hinsicht richtig, in einer anderen jedoch nicht, denn das Gesamte und das Ganze ist nicht klein, sondern ist aus Kleinem zusammengesetzt. Dies ist die eine Vorsichtsmaßregel, die man gegen die Anfänge (der Zerstörung von Verfassungen) treffen muß. Hinzukommt, daß man nicht den Erfindungen trauen darf, die zur Täuschung des Volkes ersonnen wurden, denn sie werden durch die Tatsachen entlarvt – es ist aber früher erläutert worden, was wir mit den trügerischen Erfindungen der Verfassungen meinen. Außerdem muß man folgendes beachten: nicht nur einige Aristokratien, sondern auch Oligarchien sind dauerhaft, nicht etwa weil diese Verfassungen stabil sind, sondern weil diejeni gen, die die Ämter innehaben, in umsichtiger Weise sowohl mit denen, die sich außerhalb der Bürgerschaft befinden, als auch denen innerhalb richtig umgehen. (Ich meine damit, daß) sie denjenigen, die nicht an den politischen Rechten teilhaben, kein Unrecht zufügen und diejenigen unter ihnen, die die Qualitäten von Führern besitzen, in die Bürgerschaft aufnehmen;
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(ihre Dauer verdanken sie auch der Tatsache), daß sie gegen die, die auf ihr Ansehen bedacht sind, kein Unrecht begehen, das zum Verlust von Ehre führt, und gegen die Menge kein Unrecht gegen ihre materiellen Interessen; (dazu gehört auf der anderen Seite), daß sie in den Beziehungen zueinander, d. h. denen, die an den politischen Rechten teilhaben, miteinander wie in einer Demokratie umgehen. Denn Gleichheit, die die Befürworter der Demokratie bei der Menge (durchzusetzen) versuchen, ist in den Beziehungen unter Gleichen nicht nur gerecht, sondern auch von Vorteil. Wenn daher (in Aristokratien und Oligarchien) die Zahl der Mitglieder der Bürgerschaft relativ groß ist, sind viele Elemente der demokratischen Gesetz gebung von Nutzen, z. B. daß die Ämter nur für eine Dauer von sechs Monaten bekleidet werden, damit alle Gleichen Zugang dazu haben; denn diese Gleichen bilden schon gleichsam einen Demos; deswegen treten auch unter ihnen häufig Demagogen auf, wie vorher dargelegt wurde. Außerdem werden (bei einer solchen Regelung) Aristokratien und Oligarchien weniger von einem Umsturz zur Willkürherrschaft betroffen; denn wenn man nur für eine kurze Zeit ein Amt bekleidet, ist es weniger leicht, Schaden anzurichten, als wenn man es lange innehat. Und dies ist der Grund, weshalb in Oligarchien und Demokratien (in denen Beamte auf eine lange Zeit ein Amt bekleiden) Tyrannen zur Macht kommen; denn es sind entweder die mächtigsten Männer in beiden Verfassungen, in dieser die Demagogen, in jener die Führer der Oligarchen, die versuchen, die Stellung als Tyrann zu gewinnen, oder die Inhaber der einflußreichsten Ämter, wenn sie diese für lange Zeit innehaben. Verfassungen werden nicht nur dadurch erhalten, daß man weit von denen entfernt ist, die sie zerstören könnten, sondern manchmal auch, weil man sie in der Nähe hat; denn aus Furcht vor ihnen hält man mit aller Kraft an der Verfassung fest. Deswegen sollen diejenigen, die sich um den Erhalt der Verfassung sorgen, ein Klima der Furcht schaffen, damit (die Bürger) wachsam bleiben und die strikte Überwachung der Verfassung genauso wenig wie die Nachtwache aussetzen, und sie sollen eine ferne (Bedrohung) als nahe darstellen.
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Ferner muß man die Rivalitäten der Angesehenen und ihre Auseinandersetzungen auch durch Gesetze zu kontrollieren versuchen, bevor auch diejenigen, die noch nicht von dem Machtkampf erfaßt sind, wie auch sie selber hineingezogen werden; denn nicht jedermann, sondern nur der Staatsmann kann das Unheil, das sich noch im Keime entwickelt, entdecken. Wegen der Festlegung der Vermögensqualifikationen können Oligarchie und Politie gestürzt werden; wenn es zu einer solchen (Gefährdung der Verfassung) kommt, weil zwar die Vermögensgrenzen unverändert geblieben sind, aber Geld in reichlicher Menge (den Bürgern) zur Verfügung steht, dann ist es angebracht, die Gesamtmenge des neuen Vermögensbetrages mit dem zuletzt festgestellten zu vergleichen, und zwar jährlich in den Staaten, in denen die Bürger in dieser Frist veranlagt werden, in größeren Staaten dagegen nach Ablauf von zwei oder vier Jahren. Wenn sich dabei herausstellt, daß der Vermögensbetrag ein Vielfaches oder einen Bruchteil des Betrages ausmacht, der früher festgesetzt wurde, als die Vermögensveranlagungen für die (Zulassung zur) Bürgerschaft durchgeführt wurden, dann nützt es, durch Gesetz auch die Vermögensqualifikationen zu verschärfen oder zu lockern: wenn (die Gesamtmenge des neuen Vermögensbetrages den alten) erheblich übersteigt, dann soll man die Vermögensqualifikation entsprechend der Steigerung erhöhen, wenn sie dagegen zurückbleibt, soll man sie lockern und herabsetzen. Denn wenn man dies in Oligarchien und Politien versäumt, kommt es dazu, daß in dem einen Falle (der Verschärfung der Vermögensqualifikation) hier eine Oligarchie, dort die Willkürherrschaft einer kleinen Zahl zur Macht kommt, während in dem anderen Falle (der Lockerung der Vermögensqualifikation) die Politie von einer Demokratie und die Oligarchie von einer Politie oder Demokratie abgelöst wird. Gemeinsam für Demokratie, Oligarchie, Monarchie und (überhaupt) jede Verfassung gilt die Warnung, nicht einen Mann unverhältnismäßig einflußreich zu machen; man muß eher versuchen, Ämter mit geringen Befugnissen aber langer Amtszeit zu vergeben als für ein kurze Zeit Ämter mit viel
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Macht; denn (Amtsinhaber mit großen Vollmachten) werden leicht korrumpiert, und nicht jeder Mann ist der Bürde einer solchen Begünstigung durch das Glück gewachsen. Wenn man sich aber nicht (an diesen Grundsatz hält), dann sollen Leute, die Ämter mit großer Machtfülle übertragen, diese Machtfülle nicht auf einmal wieder entziehen, sondern nur allmählich. Besonders muß man versuchen, durch Gesetze so ausgeglichene Verhältnisse zu schaffen, daß es niemanden gibt, der durch seinen Einfluß an Freunden oder Reichtum weit herausragt, und wenn dies doch der Fall sein sollte, muß man veranlassen, daß sie außer Landes entfernt werden. Da Männer auch wegen ihrer persönlichen Lebensführung auf eine Änderung der politischen Verhältnisse hinarbeiten, muß man auch ein Amt schaffen, das diejenigen überwachen soll, die ein Leben gegen die Interessen der Verfassung führen, in der Demokratie gegen die Demokratie, in der Oligarchie gegen die Oligarchie und genauso bei jeder der anderen Verfassungen. Aus den gleichen Gründen muß man auch ein wachsames Auge auf den Teil des Staates haben, dem es jeweils besonders gut geht. Ein Mittel gegen (die von dort drohenden Gefahren) besteht darin, wichtige öffentliche Aufgaben und die Ämter den jeweils entgegengesetzten Gruppen zu übertragen – als entgegengesetzte Gruppen verstehe ich die Guten und den Demos bzw. die Armen und die Vermögenden – und entweder zu versuchen, die Klasse der Armen und der Reichen miteinander zu verschmelzen oder die Mittelklasse zu stärken, da eine solche Maßnahme auch die Fälle von Bürgerzwist, die wegen Ungleichheit ausbrechen, verhütet. Am wichtigsten ist aber in jeder Verfassung, daß man durch Gesetze und andere Regelungen, wie solche über Erwerb, verhindert, daß (Inhaber von) Ämtern sich bereichern. Darauf muß man besonders in Oligarchien achten. Denn die Menge nimmt es nicht so übel, vom Herrschen ausgeschlossen zu werden, sondern ist sogar dankbar dafür, wenn man ihr nur ermöglicht, in Ruhe ihren persönlichen Angelegenheiten nachzugehen. Wenn diese Leute aber den Eindruck haben, daß die Amtsinhaber öffentliche Mittel unterschlagen, dann schmerzt
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beides, von der Ehre öffentlicher Ämter und von Gewinn ausgeschlossen zu sein. Nur auf eine Weise, nämlich wenn jemand die eben genannte (Empfehlung) verwirklicht, läßt sich außerdem erreichen, daß zugleich eine Demokratie und Aristokratie in Kraft sind; denn dabei dürfte es möglich sein, daß jede der beiden Gruppen, sowohl die Angesehenen wie die Menge, erhält, was sie wünschen. Es ist ja eine demokratische Forderung, daß alle das Recht zum Bekleiden der Ämter haben, während es aristokratisch ist, daß die Angesehenen die Ämter innehaben, und beides wird dann erreicht, wenn man keinen Gewinn aus der Bekleidung von Ämtern zieht. Denn die Armen werden dann nicht den Wunsch haben, ein Amt zu bekleiden, da sie nichts dabei gewinnen können, sondern sie werden es vorziehen, sich ihren eigenen Angelegenheiten zu widmen; die Begüterten werden dagegen in der Lage sein, (Ämter zu bekleiden,) da sie nicht auf öffentliche Gelder angewiesen sind. Und so wird es dazu kommen, daß die Armen reich werden, da sie sich ganz um ihre Arbeit kümmern können, und die Angesehenen nicht von dem ersten Besten beherrscht werden. Um nun zu vermeiden, daß öffentliche Gelder unterschlagen werden, sollen die Gelder in Anwesenheit aller Bürger (von den Beamten an ihre Nachfolger) übergeben werden, und Abschriften der Finanzurkunden sollen bei Phratrien, Heeres abteilungen und Phylen deponiert werden. Um zu fördern, daß man das Amt ohne persönlichen Gewinn führt, sollen öffentliche Auszeichnungen für alle, die sich hierin besonders bewähren, durch Gesetz vorgesehen sein. In demokratischen Verfassungen muß man die Reichen schonen, nicht nur, indem man ihren Besitz nicht neu verteilt, sondern auch nicht dessen Erträge, wie das in einigen Verfassungen unbemerkt geschieht. Noch besser ist aber, (die Reichen), selbst wenn sie dies wünschen, daran zu hindern, öffentliche Leistungen zu übernehmen, die zwar aufwendig, aber (für die Gemeinschaft) nicht von Nutzen sind, wie die Ausstattung von Chören und von Fackelläufen und andere Leistungen dieser Art.
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In der Oligarchie muß man sich besonders um das Wohl der Armen kümmern und ihnen die Ämter, die Einkünfte bringen, überlassen; und falls einer der Vermögenden gegen sie Unrecht begeht, um sie zu erniedrigen, dann soll dafür eine höhere Strafe vorgesehen sein, als wenn sie so gegen einen ihresgleichen handeln. Erbgüter sollen nicht frei nach dem Wunsch des Erblassers weitergegeben werden, sondern so, daß die Familie (Vorrang hat), und eine Person soll nicht mehr als ein Erbe antreten. Auf diese Weise dürften die Vermögen in ein ausgeglicheneres Verhältnis gebracht werden und eine größere Zahl von Armen reich werden. Während man in einer Demokratie und Oligarchie die Ämter, die souveräne Macht in der Verfassung haben, allein den Vollmitgliedern der Bürgerschaft oder doch der Mehrheit von ihnen übertragen soll, ist es vorteilhaft, in anderen Angelegenheiten denen, die zu einem geringeren Grade an der Verfassung teilhaben, den gleichen Rang oder gar den Vorsitz einzuräumen, in einer Demokratie den Reichen, in der Oligarchie den Armen. Kapitel 9. Männer, die die höchsten Ämter bekleiden sollen, müssen im wesentlichen drei Voraussetzungen erfüllen: zunächst müssen sie zuverlässige Anhänger der bestehenden Verfassung sein, dann die höchste Befähigung für die Aufgaben des Amtes besitzen, drittens müssen sie in jeder Verfassung die Form von persönlicher Qualität und Gerechtigkeit besitzen, die (der Besonderheit) der jeweiligen Verfassung angemessen ist – denn wenn Recht nicht in allen Verfassungen identisch ist, dann muß es auch bei der Gerechtigkeit entsprechende Unterschiede geben. Es stellt sich jedoch die Frage, nach welchen Kriterien man (die Amtsinhaber) auswählen soll, wenn ein und derselbe Mann nicht alle diese Qualitäten besitzt. Nehmen wir z. B. an, daß einer zwar ein fähiger Heerführer, aber verrucht und kein zuverlässiger Anhänger der Verfassung ist, während ein anderer gerecht und der Verfassung freundlich gesonnen ist (ohne militärische Eignung zu besitzen), wie soll man in einem sol-
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chen Falle die Wahl treffen? Es scheint so, daß man sich an zwei Kriterien orientieren (und prüfen) muß: welche Qualität haben alle in einem größeren Maße und welche in einem geringeren? Deswegen muß man bei der Ernennung eines Feldherrn mehr auf seine militärische Erfahrung als seine charakterlich herausragende Qualität achten; denn gewöhnlich haben Männer weniger die Fähigkeit eines Feldherren, jedoch besitzen sie eher gute persönliche Qualität; umgekehrt dagegen bei der Kontrolle und Verwaltung von Geldern; diese erfordern mehr persönliche Integrität, als die meisten Leute haben, während alle die dafür erforderliche Sachkenntnis besitzen. Jemand könnte aber auch folgende Frage aufwerfen: wozu braucht (der Amtsinhaber) überhaupt herausragende charakterliche Qualität, wenn er schon die erforderliche Fähigkeit besitzt und ein zuverlässige Anhänger der Verfassung ist? Denn diese zwei Eigenschaften werden schon ausrichten, was (für die Aufgabe) zuträglich ist. Oder (ist herausragende charakterliche Qualität doch unerläßlich), weil ja Männer, die nur die beiden genannten Eigenschaften besitzen, an einem Mangel an Selbstbeherrschung leiden können? Wie solche Männer nicht einmal ihrem eigenen Wohl dienen, obwohl sie (es) doch kennen und ihre eigene Person lieben, so ist nicht auszuschließen, daß einige sich genauso auch gegenüber der Gemeinschaft verhalten. Allgemein gesagt, erhält alles, was wir bei den Gesetzen als für die Verfassungen vorteilhafte Regelungen bezeichnen, die Verfassungen; außerdem (trägt) das häufig erwähnte wichtigste Prinzip, nämlich daß man streng darüber wachen muß, daß der (Teil der Bürgerschaft), der die Verfassung wünscht, stärker ist als der, der sie nicht wünscht, (zu ihrer Erhaltung bei). Neben all diesem darf man nicht unbeachtet lassen, was jetzt die verfehlten Verfassungen übersehen: Mitte (und Maß). Denn viele als volksfreundlich geltende Maßnahmen zerstören die Demokratien, und als oligarchisch geltende Maßnahmen zerstören die Oligarchien. Dagegen glauben die Anhänger (dieser Verfassungen, die Einführung möglichst vieler demokratischen bzw. oligarchischen Maßnahmen) sei die einzige
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richtige Haltung, und sie treiben (die Verfassung) zur Übersteigerung (ihres Prinzips). Zum Beispiel kann eine Nase von der schönsten Geradlinigkeit eher zur Form einer Hakennase oder Stupsnase abweichen und trotzdem schön und hübsch anzusehen sein; wenn aber jemand diese (Formen) noch weiter zum Extrem treibt, dann wird er zuerst die Proportion dieses Körperteils aufgeben und ihn am Ende so entstellen, daß er nicht einmal mehr wie eine Nase aussieht, weil die entgegengesetzten Züge auf der einen Seite übertrieben sind und auf der anderen ganz fehlen. Daß dies bei anderen Teilen genauso gilt, wissen Leute (die mit der Verfassung so verfahren) nicht, und ein solcher Prozess findet auch bei [anderem wie] den Verfassungen statt; denn Oligarchie und Demokratie können sich annehmbarer Bedingungen erfreuen, obwohl jede außerhalb der besten Ordnung steht. Wenn aber jemand (den Charakter) jeder dieser beiden Verfassungen weiter verschärft, dann wird er zuerst die Qualität dieser Verfassung verschlechtern und schließlich bewirken, daß sie gar keine Verfassung mehr ist. Aus diesem Grunde muß der Gesetzgeber und leitende Staatsmann wohl wissen, welche demokratischen Maßnahmen die Demokratie erhalten und welche sie zerstören, und welche oligarchischen Maßnahmen die Oligarchie (erhalten oder zerstören); denn keine von beiden kann ohne die Reichen und die Menge existieren und Bestand haben, sondern wenn ein Ausgleich in der Vermögensverteilung stattfindet, dann ist notwendigerweise danach diese Verfassung nicht mehr die gleiche. Es ist also festzuhalten, daß Leute, die die (bestehenden Verhältnisse) durch extreme Gesetze zerstören, damit die Verfassungen zerstören. Falsch verhält man sich sowohl in Demokratien wie Oligarchien – in den Demokratien die Demagogen, wenn die Menge absolute Gewalt über die Gesetze hat; denn da sie gegen die Reichen kämpfen, zerreißen sie den einen Staat immer in zwei. Sie sollten aber genau umgekehrt immer den Eindruck erwecken, im Interesse der Reichen zu sprechen, wie in Oligarchien die Oligarchen im Interesse des Demos; und sie sollten Eide schwören, die den jetzt üblichen oligarchischen entgegenge-
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setzt sind. Denn jetzt schwört man in einigen Oligarchien: »Ich werde dem Demos feindlich gesinnt sein und planen, ihm zu schaden, wie immer ich kann.« Man soll dagegen das Gegenteil sowohl glauben als auch zur Schau stellen, indem man in den Eiden zum Ausdruck bringt: »Ich werde dem Demos kein Unrecht zufügen.« Die wichtigste unter allen genannten Maßnahmen, die zur Dauer der Verfassungen beitragen, die aber jetzt alle vernachlässigen, ist die Erziehung auf die jeweiligen Verfassungen hin. Denn die besten Gesetze, die von allen Bürgern gemeinsam beschlossen sind, nützen nichts, wenn nicht die Bürger im Geiste der Verfassung Gewohnheiten angenommen und eine entsprechende Erziehung erhalten haben – falls ihre Gesetze demokratisch sind, eine Erziehung im demokratischen Sinn, wenn sie oligarchisch sind, in oligarchischem Sinn; denn wenn es Unbeherrschtheit bei einer Person gibt, dann findet sie sich auch beim Staat. Im Geiste der Verfassung erzogen sein heißt aber nicht, das zu tun, woran die Oligarchen oder die, die die Demokratie wollen, Gefallen finden, sondern das, wodurch die einen dauerhaft in einer Oligarchie, die anderen in einer Demokratie leben können. Wie die Dinge jedoch liegen, führen in den Oligarchien die Söhne der Regierenden ein Leben verwöhnten Genießens, während die der Armen wohl trainiert und an Anstrengungen gewöhnt sind; so kommt es, daß sie eher den Wunsch und die Fähigkeit haben, auf die Veränderung der politischen Verhältnisse hinzuarbeiten. Aber in den Demokratien, die im höchsten Maße als Demokratien gelten, hat sich das Gegenteil von dem, was nützlich ist, durchgesetzt; dafür muß man die Tatsache verantwortlich machen, daß sie Freiheit falsch bestimmen. Denn es sind zwei Prinzipien, durch die nach allgemeiner Auffassung die Demokratie bestimmt ist, einmal dadurch, daß die Mehrheit den Souverän bildet, dann durch Freiheit. Denn Recht besteht nach dieser Auffassung in Gleichheit, Gleichheit bedeute aber, daß die Beschlüsse der Menge die oberste Autorität bilden; und Freiheit und Gleichheit sei, daß jeder tut, was er will. Daher lebt in solchen Demokratien jeder, wie es
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ihm gefällt, und für das, »worauf er Lust hat«, wie Euripides sagt. Dies ist aber eine verhängnisvolle (Einstellung). Denn man soll nicht glauben, daß ein Leben, das auf die Verfassung ausgerichtet ist, Sklaverei ist, sondern, daß es das Überleben (der Verfassung) garantiert. Soviele Gründe gibt es nun allgemein gesagt, aus denen es zu Umsturz und Zerstörung der Verfassungen kommt und aus denen sie erhalten werden und Bestand haben. Kapitel 10. Es steht noch aus, auch zu behandeln, was zur Zerstörung der Monarchie führt und was sie naturgemäß erhält. Die Vorgänge, die bei den verfassungsmäßig geordneten Staatsformen beschrieben wurden, kommen dem ziemlich nahe, was in königlich oder tyrannisch regierten Staaten einzutreten pflegt; denn das Königtum ist der Aristokratie zugeordnet, während die Tyrannis aus der extremen Oligarchie und Demokratie zusammengesetzt ist; aus diesem Grunde richtet sie auch bei den Untertanen am meisten Schaden an, da sie aus zwei Übeln zusammengesetzt ist und die Abweichungen vom Richtigen und die Verfehlungen dieser beiden Verfassungen vereinigt. Jede dieser beiden monarchischen Staatsformen verdankt ihre Entstehung von vornherein entgegengesetzten Ursachen. Das Königtum wurde zum Schutz der Guten gegen den Demos eingerichtet, und der König wird aus den Reihen der Guten aufgrund seiner herausragenden persönlichen Qualität, aufgrund von Leistungen, die mit herausragender persönlicher Qualität vollbracht wurden, oder aufgrund der Zugehörigkeit zu einer in dieser Weise herausragenden Familie ernannt; dagegen wird ein Tyrann aus der Mitte des Demos und der Menge (zu ihrem Schutz) gegen die Angesehenen an die Macht gebracht, damit der Demos von ihnen kein Unrecht zu erleiden hat. Dies ergibt sich deutlich aus den Vorgängen: so ziemlich die meisten Tyrannen sind aus der Stellung als Demagogen, die sich das Vertrauen (des Volkes) erworben hatten, an die Macht gekommen, da sie die Angesehenen in Mißkredit gebracht hatten.
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Diese tyrannischen Regierungen wurden in der beschriebenen Weise eingesetzt, als die (Bevölkerung der) Staaten schon angewachsen war; diejenigen vor ihnen (kamen) dagegen entweder aus der Stellung als Könige, die die überlieferten Satzungen nicht länger befolgten und eine despotischere Form (der Herrschaft) wollten, (zur Macht) oder als Inhaber höchster Ämter, in die man sie gewählt hatte; denn in der Vorzeit pflegte die freie Bevölkerung die Ämter des Demiurgen und Theoros für eine längere Amtsdauer zu besetzen; andere tyrannische Regime entstanden aus Oligarchien, in denen (die Bürger) einen einzigen Mann mit souveränen Vollmachten in die höchsten Ämter wählten. Ihnen war es möglich, (diese Stellung) auf die beschriebenen Weisen leicht zu gewinnen, wenn sie nur wollten, weil sie zuvor schon über Macht verfügten, die einen die der Königsherrschaft, die anderen die des hohen Amtes. So waren Pheidon in Argos wie auch andere schon Könige, bevor sie sich zu Tyrannen aufwarfen; dagegen gelangten die Tyrannen in Ionien und Phalaris aus ihrer hohen Amtsstellung zur Macht und Panaitios in Leontini, Kypselos in Korinth, Peisistratos in Athen, Dionysius in Syrakus und andere in der gleichen Weise aus ihrer Stellung als Demagogen. Wie wir schon feststellten, hat das Königtum in der Ordnung (der Verfassungen) seinen Platz neben der Aristokratie; denn es wird nach dem Verdienst besetzt, das in herausragender persönlicher Qualität (des Inhabers) oder seiner Familie, in Leistungen zum Wohle (der Bevölkerung) oder diesen Eigenschaften und der Befähigung (solches zu vollbringen) besteht; denn alle erhielten die Königswürde entweder wegen solcher Leistungen zum Wohle (der Bevölkerung) oder weil sie die Befähigung hatten, den Staaten oder Völkern gute Dienste zu leisten. So bewahrten einige in Kriegen (ihr Volk) davor, (dem Gegner) als Sklaven zu dienen, wie Kodros, oder befreiten es, wie Kyros, oder besiedelten oder gewannen ein Gebiet wie die Könige der Spartaner, der Makedonen und Molosser. Denn der König hat es sich zum Ziel gesetzt, darüber zu wachen, daß die Vermögenden kein Unrecht erleiden und der Demos nicht das Opfer von erniedrigender ungerechter Behand-
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lung wird; die Tyrannis verfolgt dagegen, wie schon häufig dargelegt wurde, überhaupt nicht das Wohl der Gesamtheit – es sei denn dies dient (zugleich) dem eigenen Vorteil. Das Ziel, das sich der Tyrann setzt, ist Lustbefriedigung, das des Königs dagegen richtiges Handeln. Aus diesem Grunde zielen auch die Anstrengungen eines Tyrannen, mehr zu gewinnen, auf Besitz, bei einem König dagegen eher auf hohes Ansehen; und die Leibwache des Königs ist aus Bürgern, die des Tyrannen aus Söldnern gebildet. Es bedarf keines Nachweises, daß die Tyrannis sowohl die Mißstände der Demokratie wie der Oligarchie aufweist: aus der Oligarchie stammt ihr Ziel: Reichtum, denn (reichliche Geldmittel) sind unverzichtbar, um Leibwache und luxuriö sen Lebensstil beizubehalten; daneben ist es ein gemeinsamer Zug beider Staatsformen, der Oligarchie und der Tyrannis, der Menge nicht zu trauen – deswegen entwaffnen sie sie auch –, und die Menge übel zu behandeln, sie aus der Stadt zu entfernen und verstreut anzusiedeln. Aus der Demokratie stammt dagegen das Verhalten, gegen die Angesehenen zu kämpfen, sie versteckt und offen zu beseitigen und als Rivalen und als hinderlich für die (Ausübung der Allein-)Herrschaft zu verbannen. Daher kommt es auch zu den Anschlägen gegeneinander, da die einen selber die Macht innehaben wollen, während die anderen nicht bereit sind, die Stellung von Sklaven einzunehmen. Dies ist auch der Hintergrund für den Rat des Periander an Thrasybul, die herausragenden Getreidehalme abzuhauen, weil man seiner Auffassung nach immer die überragenden Bürger beseitigen müßte. Wie nun so ziemlich erklärt wurde, muß man davon ausgehen, daß die Änderungen der verfassungsmäßig geordneten Staatsformen auf den gleichen Ursachen beruhen wie die der monarchischen Staatsformen; denn viele Untertanen kämpfen gegen Monarchien wegen Unrechts, das man ihnen angetan hat, und aus Furcht und wegen Verachtung – bei Unrecht ist es meistens die Form, die begangen wird, um zu erniedrigen, in manchen Fällen aber auch, um das Vermögen wegzunehmen. Aber auch die Ziele sind die gleichen (bei Umsturzversuchen)
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verfassungsmäßig geordneter Staatsformen und tyrannischer und königlicher Regierungsformen; denn Monarchen verfügen über ein großes Maß von Reichtum und hohem Ansehen – beides sind die Ziele, nach denen jedermann strebt. Die Angriffe richten sich bald gegen die Person der Herrscher, bald gegen das Regime; auf die Person des Monarchen zielen Anschläge, die wegen erniedrigenden Unrechts unternommen werden – erniedrigendes Unrecht hat nun mehrere Formen, und jede von ihnen provoziert den Zorn (des Erniedrigten). So ziemlich die meisten, die Zorn hegen, unternehmen einen Anschlag, um sich zu rächen, und nicht um eine über legene Stellung zu erringen. So kam es zum Anschlag gegen die Söhne des Peisistratos, weil sie die Schwester des Harmodios in ihrer Ehre schwer kränkten und Harmodios böswillig mit Verachtung behandelten – Harmodios unternahm ihn wegen seiner Schwester, Aristogeiton dagegen wegen Harmodios. Einen Anschlag wagte man auch gegen Periander, den Tyrannen von Ambrakia, weil er bei einem Gelage mit seinem Geliebten ihn fragte, ob er schon von ihm schwanger sei. Pausanias führte seinen Mordanschlag gegen Philipp aus, weil dieser es zuließ, daß Attalos ihm erniedrigendes Unrecht zufügte, und Derdas unternahm einen Anschlag gegen Amyntas den Kleinen, weil er öffentlich damit prahlte, dessen Jugendschönheit (genossen zu haben). Und der Eunuch griff Euagoras von Zypern an und tötete ihn als Reaktion auf die erniedrigende Behandlung, weil dessen Sohn seine Frau entführt hatte. Viele Anschläge wurden auch deswegen ausgeführt, weil einige Monarchen (mit Untertanen) in schändlicher Weise körperlich umgingen, z. B. der des Krataios gegen Archelaos; denn immer verabscheute er den sexuellen Verkehr mit ihm, so daß (für einen Anschlag) auch schon ein geringerer Grund ausgereicht hätte als der, daß Archelaos gegen sein Versprechen ihm keine seiner Töchter zur Frau gab; vielmehr, als er in dem Krieg mit Sirras und Arrabaios in eine schwierige Lage geriet, gab er die ältere dem König von Elimeia, die jüngere dagegen seinem Sohn Amyntas, weil er sich ausrechnete, daß auf diese Weise dieser und der Sohn der Kleopatra am wenigsten feind-
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selige Beziehungen entwickeln würden. Es war jedoch seine Abscheu gegen die Liebesdienste, die er ihm gewähren mußte, die seine Abneigung auslöste. Aus dem gleichen Grunde beteiligte sich Hellanokrates aus Larisa an dem Anschlag; denn als Archelaos zwar dessen Jugendschönheit genoß, ihn aber gegen sein Versprechen nicht nach Hause zurückkehren ließ, glaubte er, daß jener die sexuelle Beziehung nicht aus Verlangen eingegangen sei, sondern um ihn in ungerechter Weise zu erniedrigen. Python und Herakleides von Ainos brachten Kotys um, um Rache für ihren Vater zu nehmen, und Adamas fiel von Kotys ab; denn er fühlte sich in beleidigender Weise ungerecht behandelt, da er als Kind von ihm entmannt worden war. Viele Männer sind aber auch in Zorn geraten, weil sie mit Schlägen körperlich mißhandelt wurden, und haben aus dem Gefühl, Opfer entehrenden Unrechts zu sein, entweder (die Täter) umgebracht oder es versucht, und dazu gehörten auch die Inhaber hoher Ämter oder Männer aus dem engsten Machtkreis um den König. In Mytilene hat so Megakles mit seinen Anhängern die Penthiliden, die herumzogen und mit Keulen Schläge austeilten, angegriffen und getötet. Und später hat Smerdis, der verprügelt und aus den Armen seiner Frau weggerissen worden war, Penthilos getötet. Und Anführer des Anschlages gegen Archelaos wurde Dekamnichos, der auch die Angreifer ganz besonders aufstachelte. Grund seines Zornes war die Tatsache, daß Archelaos ihn dem Dichter Euripides zum Verprügeln übergeben hatte; Euripides war aber über Dekamnichos verärgert, weil dieser etwas über seinen üblen Mundgeruch gesagt hatte. Viele andere wurden aus solchen Gründen entweder umgebracht oder wurden Opfer von Anschlägen. Genauso kommt es aber auch aus Furcht (zu Anschlägen gegen Monarchen); Furcht war ja eine der Ursachen (von Verfassungswechseln) bei den Monarchien genauso wie bei den verfassungsmäßig geordneten Staatsformen. So hat auch Artapanes (einen Anschlag) gegen Xerxes (unternommen), weil er sich vor Anschuldigungen in Verbindung mit Dareios fürchtete; er hatte ihn nämlich erhängen lassen, ohne daß Xerxes
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ihm dies aufgetragen hatte, im Glauben, er würde es ihm nachsehen, da er sich wegen des Mahles an nichts erinnern könnte. Anschläge einer anderen Art werden aus Verachtung unternommen, so z. B. der gegen Sardanapal, nachdem jemand gesehen hatte, wie dieser zusammen mit den Frauen Wolle krempelte – sofern die, die solche Geschichten erzählen, die Wahrheit berichten; und wenn nicht in seinem Falle, so könnte sich so etwas doch bei einem anderen wirklich ereignen. Und Dion unternahm aus Verachtung einen Anschlag gegen Dionysius den Jüngeren, weil er feststellte, daß die Bürger genauso empfanden und jener ständig betrunken war. Und manche Vertraute (der Monarchen) unternehmen einen Anschlag, weil sie (das Risiko) als gering einschätzen; denn weil man ihnen Vertrauen schenkt, nehmen sie (die Möglichkeit eines Fehlschlages) nicht ernst, da sie darauf bauen, unentdeckt zu bleiben. Und diejenigen, die glauben, sie besäßen die Mittel, die Machtstellung des Monarchen auf irgendeine Weise zu gewinnen, unternehmen einen Anschlag, weil sie (das Risiko) für gering halten; denn weil sie sich stark fühlen und wegen ihrer Macht die Gefahr nicht ernst nehmen, schlagen sie unbedenklich los, wie etwa Heerführer gegen Monarchen. So unternahm z. B. Kyros einen Anschlag gegen Astyages, weil er eine geringe Meinung von seinem Lebenswandel und seiner Macht hatte – seine Macht hatte ihre Bedeutung eingebüßt, und Astyages lebte in weichlichem Luxus; auch der Thraker Seuthes, der Befehls haber war, unternahm einen Anschlag gegen Amadokos. Andere führen Anschläge aus mehreren Gründen zusammengenommen aus, etwa aus Geringschätzung und Gewinnstreben, so wie Mithridates gegen Ariobarzanes. Aus dem hier behandelten Grunde unternehmen am ehesten Leute mit einer draufgängerischen Natur, die überdies bei den Monarchen eine hohe militärische Stellung bekleiden, Anschläge. Denn Mut, dem die Machtmittel zur Verfügung stehen, wird zu Draufgängertum; gestützt auf diese beiden (Voraussetzungen) und in der Erwartung, leicht die Oberhand zu gewinnen, unternehmen sie die Anschläge.
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Männer, die aus Verlangen nach Ruhm Monarchen angreifen, haben dafür einen Grund, der eine eigene Kategorie neben den vorher behandelten bildet. Einige führen einen Anschlag auf Tyrannen aus, weil sie sehen, daß diese großes Vermögen und großes Ansehen besitzen; dagegen entscheidet sich jeder, der aus Verlangen nach Ruhm einen solchen Anschlag unternimmt, nicht in dieser Weise für das gefährliche Unternehmen: die erste Gruppe von Männern tut es aus dem genannten Grunde, dagegen trachten diese nach dem Leben eines Monarchen, so wie sie auch jede andere außergewöhnliche Handlung vollziehen könnten, durch die sie sich einen Namen machen und hohes Ansehen bei anderen gewinnen können. Sie wollen nicht die Monarchie, sondern Ruhm gewinnen. Aber Männer, die aus einem solchen Grunde losschlagen, bilden eine sehr kleine Zahl; denn sie brauchen die Einstellung, sich um den Erhalt des Lebens nicht zu scheren, falls ihrer Aktion kein Erfolg beschieden ist. Sie müssen die Auffassung eines Dion haben, aber nur schwer kann sie sich bei vielen finden; Dion zog nämlich mit nur wenigen Begleitern gegen Dionysios zu Felde; er erklärte, es sei seine Einstellung, daß wieweit er immer vorrücken könnte, ein so großer Teil seiner Aktion ihm genüge. Wenn ihn z. B. der Tod treffe, nachdem er nur wenige Schritte auf das Land gesetzt habe, so gereiche ihm ein solcher Tod zur Ehre. Eine Form des Sturzes der Tyrannis wie jeder anderen Verfassung erfolgt von außen, wenn ein an Macht überlegener (Staat eine) entgegengesetzte Verfassung hat; denn den Wunsch (zum Sturz) wird er wegen des Gegensatzes in der Zielsetzung haben; und was sie wollen, pflegen alle Menschen auch zu tun, wenn sie dazu in der Lage sind. Unter den Verfassungen ist nun die Demokratie der Tyrannis entgegengesetzt, so wie nach dem Vers des Hesiod »der Töpfer dem Töpfer«, denn die letzte Form von Demokratie ist Tyrannis; und Königtum und Aristokratie sind wegen der Gegensätzlichkeit ihrer Verfassung (der Tyrannis) entgegengesetzt – aus diesem Grunde haben auch die Spartaner die meisten tyrannischen Regime gestürzt und die Syrakusaner während der Zeit, als sie sich einer guten politischen Ordnung erfreuten.
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Eine andere Form (des Sturzes der Tyrannis) findet von innen heraus statt, wenn diejenigen, die das tyrannische Regime mit tragen, sich gegeneinander erheben, so wie die Tyrannis des Gelon und seiner Anhänger und in der jüngeren Vergangenheit die des Dionysius und seiner Anhänger gestürzt wurde: die Tyrannis des Gelon wurde gestürzt, als Thrasybul, der Bruder des Hieron, wie ein Demagoge Einfluß über den Sohn des Gelon ausübte und ihn zu einem Leben der Vergnügungen verführte, um selber die Macht auszuüben; dagegen brachten seine Angehörigen eine Gruppe von Verschwörern zusammen, nicht mit der Absicht, die Tyrannis überhaupt, sondern nur Thrasybul zu beseitigen; als sich eine günstige Gelegenheit dafür bot, vertrieben aber die Verschwörer alle (die mit der Tyrannis verbunden waren). Und Dion wagte eine militärische Unternehmung gegen Dionysius, mit dem er durch Heirat verwandt war; er hatte sich die Unterstützung des Volkes gesichert, wurde aber getötet, nachdem es ihm gelungen war, jenen zu vertreiben. Es gibt zwei Ursachen, deretwegen man meisten einen Anschlag gegen tyrannische Regime verübt, Haß und Verachtung. Haß wird Tyrannen immer entgegengebracht, aber es ist Verachtung, die in vielen Fällen zu ihrem Sturz führt. Als Indiz dafür (kann folgendes dienen): die meisten, die sich die Machtstellung (als Tyrann) selber erobern mußten, haben sie auch behalten, während alle, die sie ererbt haben, sie sozusagen gleich beim Antritt verloren haben; denn da sie ein Leben des Genusses führen, werden sie leicht Gegenstand der Verachtung und bieten ihren Angreifern zahlreiche Gelegenheiten. Als eine Form von Haß muß man auch den Zorn ansetzen, denn in gewisser Hinsicht führt er zu den gleichen Handlungen; Zorn ist aber (ein Affekt, der) in vielen Fällen sogar mehr zum Handeln provoziert als Haß; denn mit grimmigerer Härte greifen Männer im Zorn an, weil bei diesem Affekt keine Überlegung im Spiele ist – daß man Zornesaufwallungen nachgibt, ist meistens die Reaktion gegen erniedrigende ungerechte Behandlung; aus diesem Grunde wurde auch die Tyrannis der Söhne des Peisistratos gestürzt und viele an-
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dere tyrannischen Regime; Haß gehorcht dagegen eher der Vernunft; denn während Zorn von schmerzlicher Kränkung begleitet ist, so daß es schwer fällt, vernünftig zu überlegen, ist Feindseligkeit nicht von einem solchen Schmerzgefühl begleitet (weshalb bei dieser Empfindung Vernunft zur Geltung kommt). Um die Hauptpunkte zusammenzufassen: alle Ursachen, die wir (für den Sturz) der radikalen und letzten Form von Oligarchie und der extremen Demokratie genannt haben, muß man auch als Ursachen (für den Sturz) der Tyrannis angeben. Denn diese beiden Regierungsformen sind tyrannische Systeme, deren Machtausübung lediglich auf viele Menschen verteilt ist. Eine Königsherrschaft wird am wenigsten von außen gestürzt, deswegen ist sie auch dauerhaft; in den meisten Fällen wird sie aber von innen heraus zu Fall gebracht. Ihr Sturz läuft aber in zwei verschiedenen Formen ab: im einen Falle, wenn diejenigen, die die Königsherrschaft mit tragen, sich gegeneinander erheben, im anderen dann, wenn (die Könige) versuchen, in einer zu stark tyrannischen Weise zu regieren, (und dies ist der Fall) wenn sie beanspruchen, wider das Gesetz absolute Macht über eine zu große Zahl von Angelegenheiten zu haben. Königsherrschaften werden aber heutzutage nicht mehr eingerichtet, sondern wenn überhaupt (solche Staatsformen) entstehen, dann eher monarchische und tyrannische Regierungsformen; denn das Königtum ist eine Herrschaftsform, die zwar freiwillig (von den Regierten akzeptiert wird), aber absolute Macht über eine größere Zahl von Angelegenheiten ausübt; da nun viele (in ihrer Qualifikation) gleich sind und niemand sich so auszeichnet, daß er der Bedeutung und dem Anspruch dieses Amtes gewachsen ist, fügt man sich nicht freiwillig (der Herrschaft eines Einzigen). Wenn jemand aber durch Trug oder Gewalt die Herrschaft an sich reißt, so gilt das schon als Tyrannis. In Königtümern, die nach der Zugehörigkeit zu einer Familie besetzt werden, muß man als Grund für ihren Sturz neben den vorher aufgeführten Ursachen noch angeben, daß viele Könige leicht Opfer von Verachtung werden,
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und daß sie als Inhaber königlicher Würde, aber nicht von tyrannischer Gewalt (den Untertanen) in erniedrigender Weise Gewalt antun; in diesem Fall hörte das Königtum leicht auf zu existieren. Denn wenn die Regierten die Herrschaft eines Königs nicht mehr wollen, wird es sofort mit der Königsherrschaft zu Ende sein, ein Tyrann herrscht dagegen auch ohne ihre Zustimmung. Es sind diese Gründe und weitere dieser Art, die zum Sturz der Monarchien führen. Kapitel 11. Ihre Erhaltung verdanken Monarchien dagegen allgemein gesagt den entgegengesetzten Gründen, und im einzelnen werden die königlichen Verfassungen durch Maßnahmen erhalten, durch die man sie auf eine maßvollere Form zurückführt. Denn je weniger Angelegenheiten sie kontrollieren, umso länger muß ihre Herrschaft als Ganzes erhalten bleiben. Die Regierenden werden ja so weniger despotisch und in ihren Verhaltensweisen eher (ihren Untertanen) gleich sein und werden von diesen weniger beneidet. Aus diesem Grunde behauptete sich auch bei den Molossern das Königtum auf lange Zeit; und das gleiche gilt für die Königsherrschaft der Spartaner; denn ihre Machtbefugnisse waren von Anfang an auf zwei (Könige) aufgeteilt, und Theopomp schränkte sie dann zusätzlich ein, indem er einige Maßnahmen einführte, besonders aber indem er das Amt der Ephoren neben den Königen einsetzte. Denn dadurch, daß er von ihren Machtbefugnissen wegnahm, stärkte er das Königtum auf Dauer, so daß er es in gewisser Weise nicht schmälerte, sondern mehrte. In diesem Sinne soll er auch seiner Frau geantwortet haben, als sie ihn fragte, ob er sich nicht schäme, die Königsherrschaft an seine Söhne mit geringerer Macht weiterzugeben, als er sie von seinem Vater übernommen habe: »Keineswegs«, soll er gesagt haben; »ich hinterlasse ihnen ja eine dauerhaftere Königsherrschaft«. Tyrannische Regierungen werden auf zwei Arten erhalten, die einander völlig entgegengesetzt sind. Eine ist die traditionelle Form, nach der auch die meisten Tyrannen regieren. Die meisten dieser Maßnahmen soll Periander von Korinth
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eingeführt haben; man kann aber auch vieles dieser Art der Persischen Regierungsweise entnehmen. Es sind dies die früher beschriebenen Maßnahmen, die Tyrannen zum Erhalt ihrer Herrschaft anwenden, soweit das möglich ist, nämlich die überragenden Männer zu erniedrigen und die selbstbewußten zu beseitigen, gemeinsame Mahlzeiten, Zusammenschluß zu einem Klub, Erziehung oder Ähnliches nicht zu gestatten, sondern alles genau zu überwachen, was gewöhnlich zwei Auswirkungen hat: Selbstbewußtsein und gegenseitiges Vertrauen; (zu tyrannischen Maßnahmen gehört auch, den Untertanen) Treffen, die der Bildung gewidmet sind, oder andere Zusammenkünfte zu geselligem Zeitvertreib nicht zu erlauben und alles in ihrer Kraft zu tun, so daß die Untertanen, soweit es möglich ist, sich nicht näher kennenlernen; denn Bekanntschaft bewirkt, daß sie eher Zutrauen zueinander fassen. (Zum Erhalt der Tyrannis trägt auch bei), daß alle, die sich im Lande aufhalten, immer in der Öffentlichkeit sichtbar sind und ihre Zeit vor den Türen verbringen; so können sie ihr Treiben am wenigsten verheimlichen und dürften die Gewohnheit annehmen, gering von sich selber zu denken, da sie sich ständig servil aufführen müssen. (Dem gleichen Zweck dienen) auch die anderen tyrannischen Maßnahmen, die bei den Persern oder Barbaren im Brauch sind; denn sie haben alle die gleiche Wirkung. Dazu gehört auch zu versuchen, daß nichts geheim bleiben kann, was ein Untertan sagt oder spricht, sondern daß es Spitzel gibt, so wie in Syrakus die sogenannten »Zuträgerinnen« und die Lauscher, die Hieron überall hinschickte, wo immer es ein Treffen oder eine Versammlung gab; denn aus Angst vor ihnen reden die Untertanen weniger offen, und wenn sie sich frei aussprechen, bleiben sie weniger leicht unentdeckt. Weiter gehört dazu, Leute gegeneinander aufzubringen und Zwietracht unter Freunden, zwischen dem Demos und den Angesehenen und zwischen den Reichen untereinander zu säen. Zu den tyrannischen Maßnahmen gehört auch, daß man die Untertanen in Armut stürzt, damit man (von ihren Abgaben) die Leibwache unterhalten kann und damit die Unter tanen, die ihren täglichen Verpflichtungen nachgehen müs-
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sen, keine freie Zeit haben, um einen Anschlag (gegen den Tyrannen) zu unternehmen – ein Beispiel für ein solches Vorgehen bieten die Pyramiden in Ägypten, die Weihgeschenke der Kypseliden, der Bau des Olympieion durch die Peisistratiden und die Bauten des Polykrates auf Samos; denn sie haben alle die gleiche Wirkung: sie rauben den Untertanen die freie Zeit und machen sie arm. Auch das Eintreiben von Steuern (verfolgte diesen Zweck) wie z. B. in Syrakus: unter der Tyrannis des Dionysius wurde im Laufe von fünf Jahren das ganze Vermögen als Steuer abgeführt. Ein Tyrann bricht aber auch gewohnheitsmäßig Kriege vom Zaun, damit seine Untertanen durch Tätigkeiten angespannt bleiben und dauernd auf einen Führer angewiesen sind. Und während eine Königsherrschaft durch die Freunde des Königs geschützt wird, ist es für Tyrannen typisch, gerade ihren Freunden zu mißtrauen, wohlwissend daß alle (einen Anschlag gegen sie) unternehmen wollen, die Freunde aber am ehesten die Möglichkeit dazu haben. Alle Erscheinungen der extremen Demokratie sind auch der Tyrannis eigentümlich, nämlich die dominierende Stellung der Frauen in den Haushalten, damit sie gegen ihre Männer Aussagen machen, und aus dem gleichen Grunde die Lockerung der Kontrolle über die Sklaven; denn Sklaven und Frauen zetteln keinen Anschlag gegen Tyrannen an; und weil es ihnen (unter diesen Verfassungen) gut geht, mögen sie zwangsläufig tyrannische und demokratische Regime; denn der Demos wünscht, Alleinherrscher zu sein. Deswegen erfreuen sich bei beiden Schmeichler einer hohen Wertschätzung, beim Volk der Demagoge – denn der Demagoge ist der Schmeichler des Volkes –, bei den Tyrannen dagegen diejenigen, die als Kriecher mit ihnen Umgang pflegen – denn das ist, was Schmeichler tun. Aus diesem Grunde umgeben sich Tyrannen auch typischerweise mit schlechten Freunden; denn sie haben es gern, daß man ihnen schmeichelt; dazu könnte sich aber niemand, der einen freien Sinn hat, bereitfinden. Männer von Wert pflegen dagegen Freundschaften oder treten wenigstens nicht als Schmeichler auf. Und schlechte Leute (wie die, mit denen sich der Tyrann umgibt) sind nützlich für schlechte Vorhaben, wie
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man nach dem Sprichwort »einen Nagel mit einem Nagel« (heraustreibt). Es ist aber auch typisch für einen Tyrannen, daß er kein Gefallen an Männern finden kann, die Würde und Freiheit bewahren; denn der Tyrann beansprucht diese Qualität allein für sich; wer aber ihm gegenüber Würde und Freiheit zeigt, der stiehlt ihm seinen überlegenen Rang und den absoluten Anspruch der Tyrannis; solche Leute werden von Tyrannen mit Haß verfolgt, als würden sie ihr Regime stürzen. Ein Tyrann pflegt auch Tischgenossen und Gefährten für den täglichen Umgang eher aus der Fremde als aus den Bürgern seines Staates zu wählen, da er in diesen persönliche Gegner vermutet, während jene ihm seine Herrschaft nicht streitig machten. Alle diese Maßnahmen gehören zur Tyrannis, sie verleihen dem Regime Dauer; es gibt aber keine Ruchlosigkeit, die nicht angewandt würde. Die aufgezählten Maßnahmen werden alle sozusagen unter drei Hauptbegriffen erfaßt, denn die Tyrannis verfolgt drei Ziele: erstens das Selbstvertrauen der Untertanen zu brechen – denn ein Mann, der gering von sich selber denkt, wird keinen Anschlag gegen irgendjemand verüben; zweitens zu erreichen, daß sie einander mißtrauen – denn eine Tyrannis wird nicht eher gestürzt, als bis einige zueinander Vertrauen fassen; deswegen verfolgen Tyrannen auch rechtschaffene Männer mit Feindseligkeit, da sie in ihnen eine Bedrohung ihres Regimes fürchten, nicht nur weil diese es ablehnen, sich despotisch regieren zu lassen, sondern auch weil sie untereinander und bei den anderen Untertanen Vertrauen genießen und weder gegen Männer aus den eigenen Reihen noch gegen andere Anklagen erheben; drittens (ist ihr Ziel) die Ohnmacht (der Untertanen), effektiv zu handeln – denn niemand versucht Unmögliches, daher auch nicht den Sturz einer Tyrannis, wenn die Machtmittel dazu fehlen. Dies sind die drei leitenden Gesichtspunkte, auf die sich die Machenschaften der Tyrannen zurückführen lassen; denn alle tyrannischen Maßnahmen könnte man auf die folgenden Grundsätze zurückführen: entweder, daß die Unter-
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tanen einander mißtrauen oder daß sie ohnmächtig sind oder daß sie kein Selbstvertrauen besitzen. Damit ist nun die eine Methode, durch die Tyrannen das Überleben ihrer Herrschaft erreichen, behandelt. Bei der anderen trifft man fürsorgende Maßnahmen, die den eben beschriebenen so ziemlich genau entgegengesetzt sind. Man kann sie aus (der Beschreibung der Ursachen) des Sturzes der Königsherrschaft gewinnen. Denn wie eine Methode, die Königsherrschaft zu zerstören, darin besteht, daß man der Herrschaftsform zu sehr ein tyrannisches Gepräge gibt, so läßt sich (umgekehrt) der Erhalt einer Tyrannis sichern, indem man ihr einer stärker königlichen Charakter verleiht. Nur darf der Tyrann dabei eines nicht aufgeben, ich meine seine Machtstellung, damit er seine Herrschaft nicht nur mit der Zustimmung der Bürger, sondern auch gegen ihren Widerstand behaupten kann; denn wenn er diese Machtstellung preisgibt, dann gibt er auch die Herrschaft als Tyrann auf; (an ihr festzuhalten) muß als die Grundlage (seiner Macht) gelten. In allen anderen Angelegenheiten muß er einige Handlungen wie ein König ausführen, andere so auszuführen den Eindruck erwecken, indem er die Rolle eines Königs gekonnt spielt. Zuallererst muß er den Eindruck erwecken, er kümmere sich um das öffentliche Wohl; er soll keine Ausgaben für Geschenke machen, über die sich die Menge empört, (z. B.) wenn (Tyrannen) von ihnen, die arbeiten und sich abplagen müssen, Abgaben abpressen und davon dann an Hetären, Fremde und Künstler großzügige Geschenke machen. Er soll auch Rechenschaft über Einnahmen und Ausgaben ablegen, wie es schon einige Tyrannen getan haben; denn wenn er die öffentlichen Mittel so verwaltet, könnte er eher den Eindruck eines Hausverwalters und nicht eines Tyrannen machen. Er darf aber nicht die Furcht hegen, daß ihm die Geldmittel ausgehen könnten; denn er hat ja die absolute Macht im Staate inne. Vielmehr ist für Tyrannen, die außer Landes weilen, das beschriebene Vorgehen eher von Vorteil, als Schätze aufzuhäufen und zurückzulassen; denn dann haben die, denen das Geld anvertraut ist, weniger Grund zu versuchen, die Macht an
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sich zu reißen; für Tyrannen, die außer Landes weilen, sind ja die Männer, die die Gelder überwachen, mehr zu fürchten als die Bürger; denn diese ziehen mit ihnen aus, jene aber bleiben im Land zurück. Außerdem muß allgemein deutlich werden, daß der Tyrann Steuern und öffentliche Leistungen für die Bestreitung notwendiger Aufgaben und für möglichen Bedarf in Kriegszeiten einfordert. Und generell muß er sich (in der Verwaltung von Geldern) als Hüter und Treuhänder darstellen, so als gehörten sie der Allgemeinheit und seien nicht sein Privatvermögen. Und er soll nicht als ein Mann erscheinen, mit dem schwer umzugehen ist, sondern der Würde hat; und er soll so auftreten, daß alle, die mit ihm zu tun haben, ihn nicht fürchten, sondern eher achten. Solchen Respekt bringt man ihm aber nicht leicht entgegen, wenn er sich der Verachtung aussetzt. Wenn der Tyrann schon die anderen wertvollen Eigenschaften nicht besitzen kann, so soll er sich aus diesem Grunde doch um kriegerische Tüchtigkeit bemühen, und er muß eine solche Auffassung über sich verbreiten. Ferner darf weder er selber noch irgend jemand aus seiner Umgebung dabei gesehen werden, wie er in erniedrigender Weise einem Untertanen, sei es ein junger Mann oder eine junge Frau, Unrecht zufügt. Die Frauen aus der Familie des Tyrannen müssen sich entsprechend gegenüber den übrigen Frauen verhalten, da Unrecht in erniedrigender Absicht schon den Untergang vieler tyrannischer Regime verursacht hat. Und beim Verfolgen sinnlicher Genüsse müssen Tyrannen das Gegenteil von dem tun, was einige von ihnen gewöhnlich tun: diese gehen ihrer Genußsucht nicht nur vom frühen Morgen an und ununterbrochen über viele Tage hin nach, sondern sie wollen auch noch, daß anderen solche Taten bekannt werden, damit diese sie als glücklich und gesegnet bewundern; vielmehr sollen sie am besten in diesen Dingen Mäßigkeit üben, und wenn sie das nicht können, wenigstens bei anderen den Eindruck (von Genußleben) vermeiden. Denn nicht der Nüchterne, sondern der Trunkene, und nicht der Wachende, sondern der Schlafende ist leicht das Ziel von Angriffen und Verachtung.
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(Als Tyrann) muß man aber das Gegenteil von so ziemlich allem tun, was vorher ausgeführt wurde. Man muß nämlich die Stadt ausbauen und verschönern wie jemand, dem die Sorge dafür übertragen wurde, und nicht wie ein Tyrann. Und er muß den Eindruck erwecken, er nehme die Verpflichtungen gegenüber den Göttern besonders ernst; denn wenn die Untertanen glauben, der Herrscher sei gottesfürchtig und es sei ihm mit den Göttern ernst, werden sie weniger fürchten, daß sie von solchen Männern Widerrechtliches erleiden müssen, und sie werden weniger einen Anschlag gegen ihn planen, da sie sich vorstellen, er habe die Götter zu Verbündeten; in seiner Frömmigkeit darf er aber nicht einfältig erscheinen. Er muß auch alle, die sich in irgendeiner Form verdient gemacht haben, so ehren, daß diese sich nicht vorstellen könnten, sie könnten von freien Bürgern größere Ehren empfangen. Und solche Ehrungen muß er selber verleihen, Bestrafungen jedoch durch andere, nämlich Ämter oder Gerichte, vollziehen lassen. Für jede Form von Monarchie gilt in gleicher Weise eine Vorsichtsmaßnahme, nämlich nicht (neben dem Monarchen) einen einzelnen in eine mächtige Position zu erheben, sondern wenn überhaupt, dann eine größere Anzahl; denn diese werden sich gegenseitig überwachen. Wenn man aber schon einen einzigen herausheben muß, dann nicht jemanden mit entschlossener Kühnheit; denn ein Mann mit einem solchen Charakter neigt am ehesten dazu, in allen Angelegenheiten rücksichtslos anzugreifen. Und wenn der Monarch jemandem Machtbefugnisse abnehmen muß, dann soll er dies Schritt für Schritt tun und ihm nicht allen Einfluß auf einmal wegnehmen. Der Tyrann muß sich vor jeder Form von Unrecht, das zugefügt wird, um andere zu erniedrigen, hüten, vor allem aber vor zwei Arten entehrender Angriffe, solchen [Schlägen] gegen die körperliche Unversehrtheit und gegen die Jugend. Diese Vorsicht und Zurückhaltung muß er besonders gegenüber denjenigen üben, denen ihre Ehre viel bedeutet; denn wie Leute, die Geld lieben, Mißachtung ihrer Besitz(interessen) nur schwer
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ertragen, so nehmen die, denen ihre Ehre viel bedeutet, und rechtschaffene Menschen nicht leicht rücksichtsloses Verhalten, das ihr Ansehen schädigt, hin. Deswegen soll der Tyrann solche Leute entweder ganz meiden oder aber es deutlich werden lassen, daß er Strafen wie ein Vater verhängt und nicht aus Geringschätzung; und er soll den Eindruck erwecken, daß er sexuelle Beziehungen zu Jüngeren aus erotischer Anziehung pflegt und nicht weil er Macht besitzt; und überhaupt muß er eine Behandlung, die als ehrenrührig empfunden werden könnte, durch größere Ehrenbezeigungen ausgleichen. Unter denen, die dem Tyrannen nach dem Leben trachten, sind die Männer am gefährlichsten, die bereit sind, ihr Leben zu opfern, wenn sie nur zuerst das des Tyrannen genommen haben; gegen sie muß er am meisten Vorkehrungen treffen. Deswegen muß er sich besonders vor denen in acht nehmen, die glauben, entweder sie selber oder andere, deren Wohl ihnen am Herzen liegt, seien die Opfer seines entehrenden Unrechts. Denn wer aus Zorn angreift, schont nicht sein Leben, wie auch Heraklit aussprach, wenn er sagte, daß es »schwierig« sei, »gegen Zorn zu kämpfen, denn er kaufe sich (was er begehrt) um den Preis der Seele.« Da aber die Staaten aus zwei Gruppen zusammengesetzt sind, den Armen und den Reichen, müssen am besten beide glauben können, daß sie ihre Sicherheit der Macht des Tyrannen verdanken und nicht (seinetwegen) die einen Opfer von Unrecht, das die anderen gegen sie begehen, werden. Er muß aber jeweils die Gruppe, die stärker ist, besonders an sein Regime binden; denn wenn der Tyrann eine solche Unterstützung für seine Macht hat, dann braucht er nicht Sklaven zu befreien oder (den Bürgern) die Waffen abzunehmen; wenn diese eine Gruppe seiner Macht hinzugefügt wird, reicht sie aus, um ihre Überlegenheit über die Angreifer zu sichern. Es würde zu weit führen, jede dieser Maßnahmen im Einzelnen zu behandeln; denn das allgemeine Ziel ist auch so schon klar: der Tyrann darf bei den Untertanen nicht den Eindruck erwecken, daß er tyrannisch regiere, sondern als Verwalter eines Hauses und wie ein König, und daß er nicht (ihre
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Güter) plündert, sondern sich (um sie) sorgt; und er muß in seiner Lebensführung Maß statt der Extreme verfolgen und sich außerdem die besseren Kreise durch persönlichen Umgang verpflichten, die Menge aber als Demagoge gewinnen. Als Ergebnis solcher Maßnahmen wird seine Herrschaft bewundernswerter und erstrebenswerter sein, da er über bessere Untertanen herrscht anstatt solche, die gedemütigt sind; er wird nicht verhaßt und voller Furcht leben, und sein Regime wird dauerhafter sein. Er selber wird in seiner Charakterhaltung entweder richtig herausragende menschliche Qualität anstreben oder doch halbwegs gut sein, und keinesfalls ruchlos, sondern nur halbwegs schlecht.
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Kapitel 12. Und doch sind unter allen Verfassungen Oligarchie und Tyrannis am kurzlebigsten; die Tyrannis des Orthagoras und seiner Söhne in Sikyon, die sich hundert Jahre lang hielt, erfreute sich noch der längsten Dauer, und dafür gibt es mehrere Gründe: sie gingen mit den Untertanen maßvoll um und unterwarfen sich in vielen Angelegenheiten ganz den Gesetzen; Kleisthenes setzte sich nicht leicht der Verachtung aus, da er sich in Kriegen hervortat, und sie gewannen das Volk durch vielseitige fürsorgende Maßnahmen für sich. Man berichtet auch, Kleisthenes habe den Kampfrichter, der ihm einen Sieg absprach, mit einem Kranz ausgezeichnet. Einige behaupten auch, daß das Standbild eines sitzenden Mannes auf dem Markt diesen Richter darstelle. Man sagt auch, daß Peisistratos Folge geleistet habe, als er einmal vor den Areiopag in einem Rechtsstreit vorgeladen wurde. An zweiter Stelle folgt die Tyrannis der Kypseliden in Korinth; denn sie hielt sich dreiundsiebzig Jahre und sechs Monate. Kypselos regierte nämlich als Tyrann dreißig Jahre lang, Periander vierzig einhalb und Psammitich, der Sohn des Gorgos, drei Jahre lang. Diese (Dauer der Herrschaft) verdankte Kypselos den gleichen Maßnahmen wie die vorher beschriebene Tyrannis: er trat als Führer des Volkes auf und ließ sich während seiner ganzen Regierungszeit nicht von einer Leib wache schützen, während Periander zwar wie ein Tyrann re-
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gierte, aber sich im Kriege auszeichnete. An dritter Stelle folgt die Tyrannis der Peisistratiden in Athen. Diese regierten aber nicht ununterbrochen; denn zweimal mußte Peisistratos als Tyrann außer Landes gehen; so kam es, daß er in einem Zeitraum von 33 Jahren nur siebzehn Jahre regierte, dazu kamen achtzehn Jahre seiner Söhne, so daß ihre gesamte Regierungszeit fünfunddreißig Jahre betrug. Unter den übrigen tyrannischen Regimen (hielt sich noch am längsten) das des Hieron und Gelon in Syrakus. Aber auch ihre Tyrannis dauerte nicht lange, sondern alles in allem achtzehn Jahre. Denn nach sieben Jahren tyrannischer Herrschaft starb Gelon im achten Jahr, während Hieron zehn Jahre regierte und Thrasybul im elften Monat seiner Regierung vertrieben wurde. Sieht man sich aber die Mehrzahl tyrannischer Regierungen an, so konnten sich alle nur ganz kurze Zeit behaupten. Damit sind so ziemlich alle Ursachen behandelt, die zum Sturz oder zur Erhaltung verfassungsmäßig geordneter und monarchischer Regierungsformen führen. In der Politeia hat Sokrates zwar die (Verfassungs-)Ände rungen besprochen, aber nicht in befriedigender Weise. Denn bei der besten Verfassung, die auch den ersten Rang einnimmt, beschreibt er den Wechsel nicht in spezifischer Weise, da er als Ursache angibt, daß nichts Bestand habe, sondern alles sich in einem gewissen Zeitumlauf wandle, und daß der Beginn (des Wandels) von solchen (Dingen) ausgehe, »bei denen das Grundverhältnis 3 zu 4 verbunden mit 5 zwei Harmonien ergibt«; damit meint er den Fall, wenn die Zahl dieser Figur zum Körper potenziert wird, weil, wie er annimmt, die Natur manchmal Menschen hervorbringt, die schlecht ausgestattet sind und allen Versuchen der Erziehung widerstehen. Diese Erklärung ist an sich vielleicht nicht unrichtig, denn es kann ja Männer geben, bei denen es unmöglich ist, dass sie erzogen oder gut werden. Aber in welcher Beziehung gilt diese (Ursache des) Wechsels spezifisch eher für die von ihm beschriebene beste Verfassung als für alle anderen Verfassungen oder für alles, was entsteht? Und verändern sich unter der Einwirkung der Zeit, der er jede Änderung zuschreibt, auch
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Dinge zugleich, die nicht zugleich entstanden sind? Wird z. B. was am Vortag der Wende entstand, sich zugleich (mit früher Entstandenem) verändern? Warum findet außerdem der Verfassungswechsel vom (besten Staat) zur spartanischen Verfassung statt? Denn alle Verfassungen schlagen häufiger in die entgegengesetzte als die nahe verwandte um. Dieser gleiche Einwand gilt aber auch für die anderen (in der Politeia beschriebenen) Verfassungsänderungen. Denn (Sokrates) behauptet, daß von der spartanischen Verfassung ein Umschlag zur Oligarchie stattfinde und von dieser zur Demokratie und zur Tyrannis aus der Demokratie. Jedoch vollziehen sich Verfassungswechsel auch in die entgegengesetzte Richtung, ich meine von der Demokratie zur Oligarchie, und das häufiger als zur Monarchie. Außerdem legt er nicht dar, ob die Tyrannis ihrerseits in eine andere Verfassung umschlagen wird oder nicht, 〈 u nd wenn sie umschlägt 〉, aus welchem Grunde und zu welcher Verfassung. Die Erklärung für dieses (Versäumnis) liegt darin, daß er dies nur schwer hätte ausführen können; denn dies entzieht sich genauer Bestimmungen, während nach seiner Darstellung die Tyrannis in seine erste und beste Verfassung übergehen müßte; denn so würde sich die (von ihm vorausgesetzte) ununterbrochene Entwicklung und ein Kreislauf ergeben. Aber eine Tyrannis schlägt auch in eine Tyrannis um, wie in Sikyon die des Myron in die des Kleisthenes, und in eine Oligarchie wie in Chalkis die des Antileon, und zur Demokratie wie die des Gelon und seiner Familie in Syrakus, und zur Aristokratie wie die des Charillos in Sparta und die in Karthago. Und ein Verfassungswechsel findet auch von der Oligarchie zur Tyrannis statt, so wie es in Sizilien so ziemlich den meisten der früheren Oligarchien widerfuhr: in Leontini (führte der Sturz der Oligarchie) zur Tyrannis der Panaitios und in Gela zu der des Kleandros und in Rhegion zu der des Anaxilaos und in vielen anderen Städten genauso. Es macht außerdem keinen Sinn anzunehmen, ein Verfassungsumsturz zur Oligarchie trete deswegen ein, weil die Amtsinhaber geldgierig sind und einträglichen Tätigkeiten
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nachgehen; der Grund ist vielmehr, daß diejenigen, die weit mehr besitzen, es nicht für gerecht halten, daß die, die nichts besitzen, den gleichen Anteil an den politischen Rechten haben wie die Begüterten. In vielen Oligarchien ist es außerdem (den Bürgern) untersagt, einer gewinnbringenden Tätigkeit nachzugehen; ihre Gesetze verbieten dies, während im demokratisch regierten Karthago (Bürger) einträglichen Tätigkeiten nachgehen und noch nicht einen Verfassungswechsel erfahren haben. Es macht auch keinen Sinn zu sagen, ein oligarchisch regierter Staat sei in Wirklichkeit zwei Staaten, einer der Reichen und einer der Armen. Denn wieso ist eine Oligarchie dem mehr ausgesetzt als die spartanische Verfassung oder irgend eine andere, in denen nicht alle gleich viel Eigentum besitzen oder nicht alle in gleicher Weise gut sind? Und ohne daß Einzelne ärmer werden als vorher, kommt es doch zu einem Verfassungsumsturz von der Oligarchie zur Demokratie, wenn die Zahl der Armen zunimmt; und von der Demokratie zur Oligarchie, wenn die Begüterten politisch stärker sind als die Menge und die eine Gruppe (ihre Interessen) vernachlässigt, während die andere (die sich bietenden Gelegenheiten) nutzt. Während es viele Ursachen gibt, die zum Umsturz (der Oli garchie) führen, nennt er überhaupt nur eine einzige, nämlich daß Männer infolge von Verschwendung und Verschuldung in Armut geraten – so als ob am Anfang alle oder die meisten reich gewesen wären. Aber diese (Erklärung des Umsturzes der Oligarchie) ist falsch. Vielmehr, nur wenn einige der führenden Männer ihren Besitz verlieren, arbeiten sie auf den Sturz der Verfassung hin, während es keine schlimmen Folgen hat, wenn sonst jemand seinen Besitz verliert – und auch dann vollzieht sich der Umsturz nicht eher zur Demokratie als zu (jeder) anderen Verfassung. Außerdem zetteln (Männer) politische Unruhen an und stürzen die Verfassungen, wenn sie von politischen Rechten ausgeschlossen oder wenn sie Opfer von Unrecht oder erniedrigenden Angriffen sind, auch wenn sie nicht ihr Vermögen verschwenden, weil ihnen (unter der Verfassung) freisteht zu tun, was immer sie wollen – als Grund für
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diese Haltung gibt er das Übermaß an Freiheit an. Und während es doch eine größere Anzahl von Oligarchien und Demokratien gibt, behandelt Sokrates ihren Verfassungswechsel so, als weise jede dieser Verfassungen nur eine Form auf.
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Kapitel 1. Wieviele unterschiedliche Formen es bei dem beschließenden Gremium, das auch das höchste Organ der Verfassung ist, gibt und welche dies sind, wurde früher behandelt; (die gleichen Fragen wurden auch für) die Ordnung der Ämter und die Gerichte (aufgeworfen), zusätzlich auch (die Frage), welche besondere Form (dieser drei Einrichtungen) welcher Verfassung zugeordnet ist. Außerdem wurde früher dargelegt, durch was für (Vorgänge) und aus welchen Gründen Verfassungen gestürzt oder erhalten werden. Da es eine Vielzahl von Unterarten bei Demokratie und genauso auch bei den anderen Verfassungen gibt, ist es vielleicht keine schlechte Idee, auch über sie eine Untersuchung vorzunehmen, falls davon noch etwas unerledigt geblieben ist, und die für jede (dieser Verfassungen) passende und vorteilhafte (Organisations-)Weise anzugeben. Man muß außerdem auch die verschiedenen Möglichkeiten, alle behandelten Organisa tionsformen zu verbinden, untersuchen; denn ihre Verbindung bewirkt, daß Verfassungen sich überschneiden und Aristokratien einen oligarchischen Charakter oder Politien einen stärker demokratischen haben – mit den Verbindungen, die man untersuchen muß, die aber bisher noch nicht betrachtet wurden, meine ich z. B. den Fall, daß das beratende Gremium und die Ernennung der Beamten in oligarchischer Weise geregelt sind, die Gerichte dagegen aristokratisch; oder den Fall, daß diese und das beratende Gremium oligarchisch geregelt sind, die Beamtenwahl dagegen aristokratisch, oder daß in irgendeiner anderen Form nicht alle Institutionen, die spezifisch zu einer bestimmten Verfassung gehören, vereinigt werden. Es wurde vorher erörtert, welche Form von Demokratie zu welcher (sozialen Zusammensetzung des) Staates paßt und genauso welche Oligarchie zu welcher Gruppierung paßt und welche der übrigen Verfassungen welcher (Bürgerschaft)
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nützt. Und trotzdem (bedarf diese Erörterung einer Ergänzung:) da nicht nur geklärt werden muß, welche dieser Verfassungen am meisten den Staaten nützen, sondern auch wie man sie und die übrigen einrichten soll, wollen wir uns dem kurz zuwenden. Laßt uns zuerst die Demokratie behandeln; damit werden (die entsprechenden Folgerungen) zugleich auch für die entgegengesetzte Verfassung, die manche Oligarchie nennen, deutlich sein. Für diese Untersuchung muß man alle Elemente, die demokratisch sind und nach allgemeiner Auffassung mit den Demokratien einhergehen, erfassen; denn ihre Verbindung führt dazu, daß Unterarten von Demokratie entstehen und die Demokratie mehr als nur eine einzige Form, von denen jede verschieden ist, aufweist. Es sind ja zwei Ursachen, weshalb es eine größere Zahl von Demokratien gibt; zunächst ist da der früher angegebene Grund, daß beim Demos mehrere Gruppierungen unterschieden werden; denn die eine Gruppe der Menge besteht aus Bauern, die andere aus Handwerkern und Tagelöhnern; wenn nun (bei der Bürgerschaft der Demokratie) die zuerst genannte Gruppe zur zweiten hinzutritt und die dritte wiederum zu den beiden vorher genannten, dann besteht der Unterschied nicht nur darin, daß die (jeweilige Form von) Demokratie besser oder schlechter, sondern daß sie nicht mehr die gleiche ist. Die zweite Ursache (für die Mehrzahl der Demokratien) ist die, die wir jetzt gerade behandeln; denn die Einrichtungen, die mit den Demokratien einhergehen und nach allgemeiner Auffassung spezifisch zu dieser Verfassung gehören, bringen entprechend ihren (unterschiedlichen) Kombinationen unterschiedliche Formen von Demokratien hervor: zur einen wird eine geringere Zahl, zur anderen eine größere, zu einer dritten die Gesamtheit dieser (der Demokratie eigentümlichen Einrichtungen) gehören. Wenn man vorhat, eine dieser Verfassungsformen einzurichten oder eine bestehende zu verbessern, ist es von Vorteil, jedes dieser Elemente zu kennen. Diejenigen, die Verfassungen einrichten, versuchen nun, alle Institutionen, die dem Grundprinzip (der jeweiligen Verfassung) eigentümlich sind,
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zu verbinden; aber indem sie dies tun, begehen sie einen großen Fehler, wie zuvor in unseren Erörterungen der Zerstörung und Erhaltung der Verfassungen ausgeführt wurde. Jetzt wollen wir aber die Forderungen (die man in der Demo kratie erhebt), die Charakterhaltungen (die dort vorherrschen), und die Ziele, die man (dort) verfolgt, behandeln. Kapitel 2. Freiheit ist das Grundprinzip der demokratischen Verfassung; diese Auffassung vertritt man ja gewöhnlich, so als könnten nur in dieser Verfassung (die Bürger) an der Freiheit teilhaben; denn man sagt, daß jede Demokratie danach strebe. Ein Aspekt von Freiheit ist, daß man sich im Wechsel beherrschen läßt und herrscht; denn das demokratische Verständnis von Recht enthält die Forderung, daß (die Bürger) der Zahl und nicht dem Verdienst nach Gleichheit besitzen. Aus diesem Rechtsverständnis folgt notwendigerweise, daß die Menge alle Macht innehat und daß der Beschluß der Mehrheit, wie immer er ausfällt, oberste Gültigkeit besitzt und die Rechtsnorm bildet; denn (die Anhänger der Demokratie) sagen, daß jeder Bürger Gleiches besitzen muß. So ergibt sich, daß in den Demokratien die Armen größere Macht ausüben als die Begüterten; denn jene bilden die Mehrheit, der Beschluß der Mehrheit hat aber absolute Gültigkeit. Dies ist das eine Kennzeichen der Demokratie, das alle demokratisch Gesinnten als bestimmendes Merkmal dieser Verfassung angeben. Das zweite ist, daß man lebt, wie man will; denn man sagt, daß Freiheit dies gewährleiste, wenn es denn zutrifft, daß es für einen Sklaven charakteristisch ist, nicht leben zu können, wie er möchte. Damit haben wir das zweite Merkmal der Demokratie beschrieben. Als eine Folge (dieses Verständnisses von Freiheit) kam es dazu, daß man es nicht hinnimmt, sich beherrschen zu lassen, am besten von gar niemand, oder wenn schon, dann (nur) im Wechsel, und auf diese Weise unterstützt diese (Einstellung) den (ersten) Aspekt von Freiheit, der die Verwirklichung der Gleichheit der Zahl nach zum Ziel hat.
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Von dieser Grundlage und diesem Prinzip (der Demokratie) her ergibt sich, daß folgende Einrichtungen als demokratisch zu gelten haben: die Gesamtheit wählt die (Inhaber der) Ämter aus der Gesamtheit; die Gesamtheit regiert über jeden einzelnen, jeder einzelne aber im Wechsel über die Gesamtheit; die Ämter werden durch Los besetzt – entweder alle oder wenigstens die, für die man keine Erfahrung oder Sachkenntnis braucht; der Zugang zu den Ämtern hängt nicht von einer Vermögensqualifikation oder nur der allerniedrigsten ab; ein und derselbe Mann kann kein Amt zweimal bekleiden oder nur wenige Male oder nur wenige Ämter mit der Ausnahme der militärischen; alle Ämter werden nur für eine kurze Zeitspanne bekleidet oder wenigstens die, bei denen das möglich ist; die Gesamtheit oder ein aus der Gesamtheit bestelltes Gericht entscheidet über sämtliche (Rechtsfälle) oder doch über die meisten und schwerwiegendsten oder die, die von höchster Bedeutung sind, wie z. B. über Rechenschaftsablegungen, (Vergehen gegen die) Verfassung und private Vereinbarungen; die Volksversammlung hat souveräne Befugnis in allen oder den wichtigsten Angelegenheiten, während kein Amt eine definitive Entscheidung in irgendeiner Sache trifft oder höchstens in ganz wenigen – unter den Ämtern ist der Rat dort die am meisten demokratische Einrichtung, wo nicht für alle reichlich Besoldung zur Verfügung steht; denn wo dies der Fall ist, nimmt man auch diesem Amt seine Befugnisse; wenn der Demos reichlich Tagegelder erhält, zieht er ja alle Entscheidungen an sich, wie zuvor in der vorausgehenden Abhandlung dargelegt wurde. Besoldung (für die Teilnahme an politischen Versammlungen) erhalten im besten Falle alle (Einrichtungen, nämlich) die Volksversammlung, Gerichte und Staatsämter, und wenn nicht (alle), dann die Staatsämter, Gerichte, der Rat und die Hauptversammlungen des Volkes oder diejenigen Staatsämter, die miteinander gemeinsam Mahlzeiten einnehmen müssen. Da die Oligarchie durch die Merkmale vornehme Abkunft, Reichtum und Bildung bestimmt ist, scheinen die diesen entgegengesetzten Eigenschaften: niedrige Abkunft, Armut und geistige Beschränktheit körperlich Arbeitender zur Demokra-
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tie zu gehören; ferner die Regelung, daß kein Amt auf unbegrenzte Dauer bekleidet wird; und wenn ein solches eine frühere Verfassungsänderung überdauerte, (so gehört zur Demokratie,) daß man seine Macht einschränkt und (seine Inhaber) durch Los anstelle von Wahl besetzt. Dies sind die Merkmale, die Demokratien gemeinsam haben. Das Rechtsverständnis, das übereinstimmend als demokratisch angesehen wird – es besteht darin, daß alle der Zahl nach Gleichheit besitzen – führt zur Demokratie, die am ehesten als diese Verfassung gilt, und (zur Herrschaft des) Demos. Denn es (gilt als) ein Gebot der Gleichheit, daß die Armen nicht in höherem Maße Herrschaft ausüben als die Reichen und sie nicht allein die Macht innehaben, sondern alle in gleicher Weise entsprechend ihrer Zahl. Wenn dies erreicht wird, können sie ja wohl annehmen, daß die Verfassung Gleichheit und Freiheit verwirklicht. Kapitel 3. Danach stellt sich die Frage, wie (Arme und Reiche) eine gleiche Stellung erhalten können. Soll man die Vermögensbeträge so aufteilen, daß (der Gesamtbetrag des Vermögens) von fünfhundert (Begüterten) dem von tausend (weniger Besitzenden) 〈 gleichkommt 〉, und sollen die tausend den gleichen politischen Einfluß wie die fünfhundert haben? Oder soll man die Gleichheit, die dem (demokratischen Selbstverständnis) entspricht, nicht in der beschriebenen Weise herstellen, sondern zwar die Vermögen, wie eben dargestellt, aufspalten, aber dann aus (beiden Gruppen,) den fünfhundert und den tausend, die gleiche Anzahl von Männern auswählen und ihnen alle Vollmacht bei der Wahl der Beamten und in den Gerichten übertragen? Ist es diese Verfassung, die im höchsten Maße Recht nach dem demokratischen Rechtsbegriff verwirklicht, oder eher die Verfassung, die nach der zahlenmäßigen Überlegenheit entscheidet? Denn die demokratisch Gesinnten behaupten, daß der Beschluß der Mehrheit, wie immer er ausfällt, geltendes Recht sei; die oligarchisch Gesinnten betrachten dagegen jeden Beschluß der (Bürger mit dem) größeren Vermögen als rechtskräftig; denn nach dem Umfang des Ver-
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mögens müßten die Entscheidungen getroffen werden. Beide (Verfahren) bringen aber Ungleichheit und Unrecht mit sich. Denn wenn der Beschluß der wenigen (Rechtsnorm wird), dann kommt das einer Tyrannis gleich; nach dem oligarchischen Rechtsprinzip hat ja ein einzelner, wenn er mehr als die übrigen Begüterten besitzt, das Recht, allein zu herrschen. Wenn dagegen jeder Beschluß der zahlenmäßigen Mehrheit rechtskräftig ist, dann werden sie Unrecht begehen: sie werden den Besitz der begüterten Minderheit konfiszieren, wie vorher ausgeführt wurde. Wie könnte nun die Gleichheit aussehen, auf die sich beide Gruppen einigen können? Man muß diese Frage auf der Grundlage der Rechtsbestimmungen, die beide treffen, untersuchen. Sie behaupten, daß jeweils der Beschluß gültig sein müsse, den die Mehrheit der Bürger faßt. Dieser Grundsatz soll nun zwar gelten, aber nicht schlechthin. Da es sich so ergibt, daß der Staat aus zwei Gruppen zusammengesetzt ist, den Reichen und Armen, soll vielmehr der Beschluß Gültigkeit haben, der von beiden oder (ihrer) Mehrheit gefaßt wurde. Falls sich dagegen beide Seiten für entgegengesetzte Maßnahmen entscheiden, dann soll der Beschluß gültig sein, den die Mehrheit, d. h. diejenigen, die den größeren Betrag geschätzten Vermögens auf sich vereinigen, faßt. Nimmt man z. B. an, daß die eine Gruppe aus zehn, die andere aus zwanzig Mitgliedern besteht und daß aus der Gruppe der Reichen sechs Mitglieder einen Antrag befürworteten, dagegen fünfzehn Ärmere (anders) entscheiden, daß also vier Reiche sich den Armen anschlossen, während fünf Arme sich auf die Seite der Reichen schlugen, dann soll der Beschluß der Seite gültig sein, deren geschätztes Vermögen den größeren Betrag ausmacht, wenn auf jeder Seite (die Vermögen) beider Gruppen zusammengezählt werden. Wenn aber (aus der Abstimmung) beide Seiten gleich stark hervorgehen, dann muß man diese Schwierigkeit nicht anders einschätzen als jetzt, wenn Volksversammlung oder Geschworenengericht (bei der Abstimmung) genau in der Mitte gespalten sind: man muß entweder eine Losentscheidung herbeiführen oder etwas anderes dieser Art unternehmen.
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Wenn es um Gleichheit und Recht geht, ist es in der Tat schwer, die Wahrheit zu finden. Aber dies ist immer noch einfacher zu erreichen als Leute dafür zu gewinnen, (sich mit Gleichheit und Recht zufrieden zu geben), wenn sie die Mittel haben, einen Vorteil zu gewinnen. Denn es sind immer die Unterlegenen, die Gleichheit und Recht suchen, während die Mächtigen sich darum nicht scheren. Kapitel 4. Es gibt vier Formen von Demokratien; diejenige, die in der Reihenfolge an erster Stelle steht, ist auch die beste, wie in den hier vorausgehenden Untersuchungen dargelegt wurde; sie ist aber auch die älteste von allen. Als erste bezeichne ich sie aber in dem Sinne, in dem man auch die Gruppen des Demos unterteilen (und in eine Rangordnung bringen) könnte: die beste (Gruppierung des) Demos bilden die Bauern. Es bietet sich damit die Möglichkeit, dort eine Demokratie einzurichten, wo die Menge von Ackerbau oder Weidewirtschaft lebt. Denn diese Gruppe verfügt nicht über viel Vermögen und kann sich daher keine Muße leisten, so daß sie nicht häufig Volksversammlungen besucht. Weil diese Leute andererseits nicht das Notwendige besitzen, verbringen sie ihre Zeit damit zu arbeiten, und sie sind nicht darauf aus, sich fremdes Gut anzueignen; Arbeit bereitet ihnen mehr Vergnügen als politische Aktivität und die Bekleidung eines Amtes, (zumindest) wo Amtsinhaber nicht hohe Einnahmen von der Bekleidung von Ämtern gewinnen; denn die Menge ist mehr auf Gewinn als auf Ehrenstellung aus; als Indiz dafür sei angeführt, daß man die tyrannischen Regime der Vergangenheit hinnahm und jetzt Oligarchien hinnimmt, solange man nicht den Untertanen verwehrt zu arbeiten oder ihnen etwas wegnimmt. Denn (durch Arbeit) werden die einen von ihnen in kurzer Zeit reich, während die anderen wenigstens keine Not leiden. Außerdem befriedigt eine Regelung, bei der sie die Wahl (der Beamten) und die Rechenschaftsablegung vollständig kontrollieren, ihr Bedürfnis nach öffentlicher Anerkennung, falls sie ein solches Verlangen besitzen; denn in einigen Demokratien gibt sich die Menge mit (der Verfassungsordnung) zu-
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frieden, wenn sie vollständig die Beratung kontrolliert, selbst wenn sie nicht die Beamten wählen kann, sondern deren Wahl einigen übertragen ist, die im Turnus aus der Gesamtheit gewählt wurden, wie in Mantinea. Man muß eine solche Verfassungsordnung, wie sie einmal in Mantinea in Kraft war, auch als eine Form der Demokratie ansehen. Aus diesem Grunde ist für die zuvor beschriebene Demokratie eine Regelung von Vorteil und pflegt auch (dort) in Kraft zu sein, bei der die Gesamtheit die Beamten wählt, über deren Rechenschaftsablegung entscheidet und die Gerichtsentscheidungen fällt, während Männer, die durch Wahl und auf der Grundlage von Vermögensqualifikationen ernannt sind, die wichtigsten Ämter bekleiden – und jeweils die wichtigeren Ämter auf der Grundlage einer höheren Vermögensquali fikation –, oder bei der es keine Vermögensqualifikation für ein Amt gibt, sondern die dazu Befähigten (die Ämter innehaben). Wenn sie auf diese Weise ihre politischen Verhältnisse ordnen, müssen sie sich einer guten politischen Ordnung erfreuen; denn die Ämter werden immer von den Besten besetzt sein, während der Demos dies willig hinnimmt und keinen Neid gegen die Besseren hegt. Den Besseren und Angesehenen wird diese Verfassungsordnung genügen; denn sie werden nicht von anderen, die schlechter sind, beherrscht. Sie werden selber gerecht herrschen, weil andere die Rechenschaftsablegung kontrollieren; die Tatsache, daß sie abhängig sind und nicht die Möglichkeit haben, alles zu tun, was ihnen jeweils gut scheint, ist ja von Vorteil. Denn die Möglichkeit zu tun, was immer man will, kann nicht das in jedem Menschen liegende Schlechte unter Kontrolle halten. So muß als Resultat dieser Regelung der bei den Verfassungen vorteilhafteste Zustand eintreten: die Besseren, die (durch Kontrollen) vor Fehlverhalten bewahrt werden, haben die Ämter inne, ohne daß die Menge in irgendeiner Weise benachteiligt ist. Es ist damit geklärt, daß die eben beschriebene Verfassung die beste unter den Arten von Demokratie ist; auch der Grund dafür ist klar, nämlich daß der Demos diese bestimmte Qua-
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lität besitzt. Um aber zu erreichen, daß der Demos aus Bauern besteht, sind einige Gesetze, die bei vielen in alter Zeit gültig waren, sehr nützlich, nämlich daß der Besitz von Land überhaupt oder von Land, das zwischen einem bestimmten Punkt und der städtischen Ansiedlung oder Befestigung gelegen ist, eine bestimmte Größe nicht übersteigen darf. Es gab wenigstens vor langer Zeit Gesetzgebung, die die Möglichkeit unterband, die ersten Ackerlose zu verkaufen. Auch das dem Oxylus zugeschriebene Gesetz hat eine ähnliche Wirkung; es untersagte, Geld zu verleihen und als Sicherheit dafür einen bestimmten Teil des jedem gehörenden Landes zu verpfänden. Bei der gegenwärtigen Lage der Dinge muß man aber auch Abhilfe nach dem Gesetz der Aphytäer suchen, es fördert nämlich den Zweck, den wir hier nennen; denn obwohl sie eine große Zahl bilden und nur wenig Land besitzen, gehen sie doch alle dem Ackerbau nach; denn sie veranlagen für die Vermögenserhebung nicht den gesamten (Land-)Besitz, sondern zerteilen ihn in so viele Teile, daß auch die Armen bei den Vermögenserhebungen ihres Grundbesitzes (die Mindestgrenze) übertreffen können. Die beste Gruppierung des Demos nach den Bauern findet man dort, wo es (reichlich) Hirten gibt und (der Demos) von Weidetieren lebt. In vieler Hinsicht ähnelt diese Lebensweise ja derjenigen der Bauern, und für die kriegerischen Aufgaben sind sie nach ihren Lebensgewohnheiten am besten trainiert und körperlich einsetzbar, und sie können unter freiem Himmel leben. So ziemlich alle anderen Gruppierungen, die die tragende Schicht der übrigen Demokratien darstellen, sind diesen weit unterlegen. Denn sie führen ein übles Leben, und keine Tätigkeit, der die große Zahl der Handwerker, der auf dem Markt tätigen Männer und der Tagelöhner nachgeht, verlangt charakterliche Qualität. Weil sie sich außerdem dauernd um den Markt und in der Stadt herumtreiben, nimmt sozusagen jede dieser Gruppen ständig an den Volksversammlungen teil. Die Bauern nehmen dagegen nicht häufig an solchen Versammlungen teil und empfinden auch nicht in gleicher Weise ein
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Bedürfnis dafür, weil sie vereinzelt über das Land hin wohnen. Wo es sich aber auch noch trifft, daß das (landwirtschaftlich genutzte) Land weit von der Stadt entfernt gelegen ist, läßt sich leicht eine gute Demokratie und eine Politie einrichten; denn der Demos ist gezwungen, seinen Wohnsitz auf dem Lande zu nehmen. Aus diesem Grunde darf man daher in solchen Demokratien, auch wenn es hier eine Anzahl von Leuten gibt, die auf dem Markt tätig sind, doch keine Volksversammlungen einberufen, ohne daß der auf dem Lande wohnende Demos teilnimmt. Wie man die beste und erste Demokratie einrichten soll, ist damit behandelt. Es ist aber damit auch deutlich, wie man bei den übrigen vorgehen muß. Man muß sich nämlich (von dieser besten Demokratie) Schritt für Schritt entfernen und die jeweils schlechtere Gruppe herausnehmen. Weil in der letzten Demokratie alle (an den politischen Entscheidungen) teil haben, ist nicht jede Stadt einer solchen Verfassung gewachsen; sie kann, außer wenn ihr Bestand durch Gesetze und gewohnheitsmäßige Haltungen gut gesichert ist, nicht leicht dauern – so ziemlich die meisten Ursachen, die zur Zerstörung dieser und der anderen Verfassungen führen, sind aber vorher behandelt worden. Um diese Demokratie einzurichten und den Demos zu stärken, pflegen seine Führer eine möglichst große Zahl (in die Bürgerschaft) aufzunehmen und das Bürgerrecht nicht nur denjenigen mit vollgültiger Abkunft zu verleihen, sondern auch Abkömmlingen aus nicht vollgültiger Ehe und solchen, bei denen nur ein Elternteil, also Vater oder Mutter, Bürger ist. Denn jede dieser Personengruppen passt eher zu einer solchen Demokratie. Die Demagogen pflegen in der beschriebenen Weise vorzugehen. Man soll aber zusätzliche (Bürger) nur so weit aufnehmen, bis die Menge die Angesehenen und die mittlere Besitzklasse (gerade zahlenmäßig) übersteigt, und man soll über diese Grenze nicht hinausgehen. Denn wenn sie zu zahlreich sind, schaffen sie in der Verfassung eher ein Klima der Unordnung, und sie verbittern die Vornehmen, so daß diese weniger geneigt sind, die Demokratie hinzunehmen; in Kyrene kam es
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dazu, daß eine solche Entwicklung zur Ursache für innenpolitische Auseinandersetzungen wurde. Denn ein geringes Maß von Übel ist man bereit zu übersehen, wenn es aber überhand nimmt, dann fällt es umso stärker in die Augen. Außerdem sind für diesen Typ von Demokratie Maßnahmen von Nutzen, wie sie Kleisthenes in Athen ergriff, als er die Demokratie stärken wollte, und wie in Kyrene diejenigen, die die Demokratie einrichten wollten: man muß neue Phylen und Phratrien in größerer Zahl bilden und die (Vielzahl) privater Kulte auf wenige reduzieren, zu denen die Allgemeinheit Zugang hat. Überhaupt muß man sich alle erdenklichen Mittel aussinnen, die so weit wie möglich zu einer Verschmelzung aller Bürger miteinander führen, während früher zwischen ihnen bestehende Verbindungen zerrissen werden. Außerdem scheinen alle Verhaltensweisen, die sich unter tyrannischen Regimen finden, die Demokratie zu fördern, ich meine damit, daß die Sklaven sich keiner Autorität fügen müssen – denn das ist (hier) bis zu einem gewissen Grade nützlich – und daß Frauen und Kinder sich niemandem unterordnen müssen; im Sinne der Demokratie ist es auch zu dulden, daß jeder lebt, wie er will. Denn damit wird eine solche Verfassung breite Unterstützung finden; der Menge bereitet es ja mehr Vergnügen, ohne strikte Ordnung als mit maßvoller Selbstbeherrschung zu leben. Kapitel 5. Für einen Gesetzgeber und alle, die eine Verfassung dieser Art einrichten wollen, ist es aber nicht die bedeutendste oder einzige Aufgabe, sie zustande zu bringen, sondern eher zu erreichen, daß sie erhalten bleibt; denn man kann mit jeder vorstellbaren Verfassung ohne größere Schwierigkeiten wohl einen, zwei oder drei Tage überleben, (aber nicht länger). Ausgehend von unserer früheren Untersuchung der verfassungserhaltenden und -zerstörenden Faktoren muß man deswegen versuchen, der Verfassung Stabilität zu geben. Dabei soll man alles, was sie zerstören könnte, vermeiden, während man Gesetze erläßt, ungeschriebene und geschriebene, die besonders verfassungsbewahrende Regelungen enthalten. Man darf auch
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nicht die Auffassung hegen, demokratisch oder oligarchisch sei alles, was dazu führt, daß ein Staat im radikalsten Sinne demokratisch oder oligarchisch regiert wird, sondern was ermöglicht, daß er für die längste Zeit so regiert wird. Dagegen geben die heutigen Demagogen den Wünschen der Menge nach und benutzen häufig die Gerichte, um (den Besitz der Verurteilten) zu konfiszieren. Diejenigen, denen die (Dauer der) Verfassung am Herzen liegt, müssen Vorkehrungen gegen diese Praktiken treffen, indem sie durch Gesetze vorschreiben, daß das Eigentum Verurteilter nicht der Allgemeinheit gehören und an die Staatskasse fallen dürfe, sondern an den Tempelschatz. Bei einer solchen Maßnahme werden sich (mögliche) Übeltäter nicht weniger vorsehen – denn sie werden nach wie vor bestraft werden –, aber die Masse wird weniger darauf aus sein, Angeklagte zu bestrafen, da sie davon keinen Vorteil zieht. Außerdem muß man die Zahl von Prozessen (wegen Vergehen) gegen die Gemeinschaft immer auf ein Mindestmaß beschränken, indem man durch hohe Strafen die abschreckt, die ohne Grund solche Klagen erheben; denn sie pflegen nicht die Anhänger des Demos, sondern die Angesehenen anzuklagen. (Aber dies beeinträchtigt das Verfassungsleben), denn im besten Falle müssen alle Bürger die Verfassung befürworten, oder wenn das unmöglich ist, muß man doch wenigstens verhindern, daß (man) die Inhaber der Macht als Feinde ansieht. Die radikalen Demokratien stützen sich auf eine große Zahl von Bürgern, aber es läßt sich nur schwer erreichen, daß diese an Volksversammlungen teilnehmen, wenn man sie nicht dafür entlohnt. Wenn der Staat keine Einkünfte hat, ist diese Entlohnung aber eine gegen die Reichen gerichtete feindselige Maßnahme; denn (die erforderlichen Geldmittel) muß man durch ihre Besteuerung, Konfiskation oder (Urteile) parteiischer Gerichte gewinnen, was schon zum Sturz vieler Demokratien geführt hat. Wenn daher solche (anderen) Einkünfte fehlen, muß man die Zahl der Volksversammlungen klein halten und Gerichte zwar mit vielen Geschworenen besetzen, aber nur an wenigen Tagen einberufen. Eine solche Regelung trägt auch dazu bei, daß die Reichen nicht die Ausgaben da-
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für fürchten, zumal wenn sie als die Begüterten keinen Richtersold empfangen, sondern nur die Armen. Diese Regelungen werden aber auch dazu führen, daß (durch die Teilnahme der Reichen) in Prozessen viel bessere Urteile gefällt werden; denn sie sind bereit, für eine kurze Zeit die Besorgung ihrer persönlichen Angelegenheiten auszusetzen, nicht aber viele Tage lang. Wo aber der Staat Einkünfte hat, darf man nicht tun, was jetzt die Demagogen praktizieren, die die Überschüsse (an die Armen) verteilen; diese empfangen sie und leiden doch im selben Augenblick schon wieder Mangel an den gleichen Mitteln; eine solche Unterstützung der Armen ist ja ein Faß ohne Boden. Der Mann, der wirklich das Wohl des Demos verfolgt, muß vielmehr Vorkehrungen treffen, daß der Demos nicht zu viel Not leidet; denn sie ist der Grund für den schlimmen Zustand der Demokratie. Man muß Mittel und Wege ersinnen, die dem Demos zu dauerndem Wohlstand verhelfen. Da dies auch im Interesse der Reichen liegt, muß man die Erträge der Einnahmen sich ansammeln lassen und dann in größeren Beträgen an die Armen verteilen. Am besten wäre es, wenn man so viel ansammeln kann, wie für den Erwerb eines kleinen Landgutes benötigt wird, oder wenn das unmöglich ist, so viel, um den Grundstock für (eine Existenz in) Handel und Landwirtschaft bereitzustellen. Und wenn man (solche Mittel) nicht an alle verteilen kann, dann soll man in einem bestimmten Turnus nach der Gliederung der Bürgerschaft in Phylen oder einer anderen sozialen Gruppierung vorgehen, während die Reichen in dieser Zeit die Mittel für die Besoldung der notwendigen Versammlungen beisteuern, aber von den finanziellen Verpflichtungen für nutzlose Aufgaben befreit sind. So sicherten sich die Karthager auf Dauer eine freundliche Einstellung des Demos, indem sie mit solchen Maßnahmen den Staat verwalteten. Denn indem sie immer einige Mitglieder des Demos in die umliegenden Staaten entsenden, verhelfen sie ihnen zu Reichtum. Die Mitglieder der Oberschicht beweisen Einfallsreichtum und gutes Urteil, wenn sie die Ar-
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men in Gruppen aufteilen und (jeder den Mitgliedern seiner Gruppe) einen Grundstock von Mitteln bereitstellt und sie so dazu bringt, einer Beschäftigung nachzugehen. Es empfiehlt sich aber auch, die Maßnahmen der Bürger von Tarent nachzuahmen. Diese stellen ihren Besitz den Armen wenigstens zur Nutzung zur Verfügung und erwerben sich so das Wohlwollen des Demos. Außerdem schufen sie für das gesamte Ämterwesen zwei Formen (der Ernennung der Beamten): die eine Gruppe besetzten sie durch Wahl, die andere durch Los – die Losämter, damit der Demos Zugang zu ihnen hat, die Wahlämter, damit man bessere Politik macht. Man kann dieses Ziel auch verwirklichen, indem man bei ein und demselben Amt zwei Gruppen von Amtsinhabern schafft, die einen, die durch Los, die anderen, die durch Wahl ernannt werden. Damit ist behandelt, wie man Demokratien einrichten muß. Kapitel 6. Aus diesen Erörterungen sollte aber auch so ziemlich klar hervorgehen, wie man bei den Oligarchien verfahren muß. Man muß (die Einrichtungen) jeder Oligarchie nach einer genauen Gegenüberstellung mit der entgegengesetzten Demokratie aus den ihr entgegengesetzten Einrichtungen kombinieren; bei der in ihrer Mischung ausgeglichensten und ersten Oligarchie, ich meine damit die Form, die der sogenannten Politie nahekommt, muß man bei der Vermögensqualifikation unterschiedliche Beträge festsetzen, die einen niedriger, die anderen höher – niedriger diejenigen, die den Zugang zu den unverzichtbaren Ämtern eröffnen werden, höher diejenigen für die wichtigeren Ämter. Wer das vorgeschriebene Vermögen besitzt, soll das Recht zur Teilnahme an der Staatsverwaltung haben. Dabei soll man vermittels der Vermögensqualifikation aus dem Demos Männer in der Anzahl hinzunehmen, daß zusammen mit ihnen die (Bürger) stärker sind als die, die nicht an der Staatsverwaltung mitwirken. Diese (zusätzlichen) Mitglieder (der Bürgerschaft) muß man jeweils aus der besseren Gruppe des Demos auswählen. In gleicher Weise muß man auch die nächstfolgende Oligarchie einrichten, indem man sie etwas enger beschränkt.
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Die Form von Oligarchie, die das Gegenstück zur äußersten Demokratie bildet, ist am ehesten eine Willkürherrschaft weniger und kommt unter allen Oligarchien einer Tyrannis am nächsten. Sie verlangt umso größere Anstrengung zu ihrem Schutze, als sie die schlimmste Verfassung ist. Denn Körper in guter gesundheitlicher Verfassung und seetüchtige Schiffe mit einer guten Besatzung erlauben Fehler in größerer Zahl, ohne daran zugrundezugehen; dagegen überstehen kränkelnde Körper und Schiffe mit losen Planken und einer unfähigen Mannschaft nicht einmal die kleinsten Irrtümer. In der gleichen Weise brauchen auch die schlechtesten Verfassungen (zu ihrem Überleben) die größte Wachsamkeit. Allgemein gesagt, schützt die große Zahl der Bürger den Bestand der Demokratien – die entsprechende Form von Recht ist dem nach der Leistung entgegengesetzt. Damit ist aber auch klar, daß im Gegensatz (zu diesem verfassungserhaltenden Faktor der Demokratie) der Bestand der Oligarchie darauf beruht, daß sie sich einer guten Ordnung erfreut. Kapitel 7. Am ehesten sind es vier Gruppen, die man bei der Menge angeben kann: Bauern, Handwerker, Händler und Tagelöhner; und es gibt auch vier Gattungen, die im Krieg eingesetzt werden: die Reiterei, Schwerbewaffnete, Leichtbewaffnete und die Flotte. Es entspricht nun der Natur (der Gegeben heiten) sehr gut, die Oligarchie dort stark auszubilden, wo das Land für den Einsatz der Reiterei geeignet ist; denn die Sicherheit seiner Bewohner wird durch die Reiterei garantiert, und nur die sehr Begüterten können sich Pferdezucht leisten. Wo aber das Land den Einsatz von Schwerbewaffneten begünstigt, da entspricht es der Natur, die nächstfolgende Oligarchie einzurichten – denn es sind eher die Begüterten, die das Hoplitenheer bilden, als die Armen. Die leichtbewaffneten Truppen und die Flotte werden dagegen ganz und gar vom Demos gestellt. Bei diesen Gegebenheiten, wenn Leichtbewaffnete und Flotte zahlenmäßig sehr stark sind, kämpfen nun (die Oligarchen) häufig von einer unterlegenen Position aus, wenn es zu inneren Auseinandersetzungen kommt. Die Abhilfe dagegen
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muß man von kriegserfahrenen Heerführern übernehmen, die der Reiterei und dem Schwerbewaffnetenheer Leichtbewaffnete in angemessener (Zahl) angliedern. Allerdings gewinnen auf diese Weise bei Auseinandersetzungen die Gruppen des Demos die Oberhand über die Reichen; denn als Leicht bewaffnete behaupten sie sich leicht in Kämpfen gegen Reiterei und Schwerbewaffnete. Solche (Leichtbewaffnete) aus den Reihen (des Demos) zu rekrutieren heißt (für die Oligarchen) nichts anderes, als deren Waffenkraft gegen sich aufzustellen. Da wir aber mehrere Altersstufen unterscheiden, nämlich die Älteren und die Jüngeren, sollen (Oligarchen) dafür sorgen, daß ihre Söhne noch in jugendlichem Alter die verschiedenen Aufgaben in leichtbewaffneten oder beweglichen Truppenteilen lernen; sobald sie aber aus der Altersgruppe der Knaben ausgeschieden sind, sollen sie diese Aufgaben dann vollständig beherrschen. (In diesen Oligarchien) sollen die Mitglieder des Demos das Recht zum Zugang zu den Ämtern entweder unter der vorher beschriebenen Bedingung erhalten, d. h. wenn sie das erforderliche Mindestvermögen besitzen, oder wie man es in Theben verleiht, nämlich wenn sie für eine bestimmte Zeit keiner handwerklichen Tätigkeit nachgegangen sind, oder wie in Massalia, indem man aus der Zahl derer, die zur Bürgerschaft gehören bzw. außerhalb stehen, die auswählt, die (zur Bürgerschaft zu gehören) verdienen. Außerdem sollen den Ämtern mit den wichtigsten Vollmachten, die nur Mitglieder der Bürgerschaft innehaben dürfen, finanzielle Leistungen auferlegt werden. Diese Regelung soll bewirken, daß sie der Demos aus freien Stücken nicht bekleiden will, sondern er die Amts inhaber eher bedauert, weil sie einen hohen Preis für ihr Amt zahlen. Es ist aber auch angebracht, daß sie bei ihrem Amtsantritt großz ügige Opfer darbringen und öffentliche Bauten errichten, damit der Demos, der öffentliche Speisungen empfängt und die Stadt durch Standbilder und Bauten geschmückt sieht, auch gerne sieht, daß die Verfassung erhalten bleibt; zugleich wird dadurch erreicht, daß die Vornehmen sich Denkmäler für ihre großzügigen Aufwendungen errichten. Nun
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handeln allerdings die Machthaber in den Oligarchien nicht so, sondern genau umgekehrt: sie jagen persönlichem Gewinn genauso wie Ansehen in der Öffentlichkeit nach. Deswegen ist es angebracht, diese Oligarchien kleine Demokratien zu bezeichnen. Wie man Demokratien und Oligarchien einrichten muß, soll hiermit in der beschriebenen Weise behandelt sein. Kapitel 8. Auf diese Erörterung folgt, dass im Einzelnen angemessen festgelegt wird, wieviele Staatsämter es gibt, wie sie bestimmt sind und welche Kompetenzen ihnen übertragen sind, wie auch vorher ausgeführt wurde. Denn ohne die unverzichtbaren Ämter kann ein Staat nicht existieren, während er ohne diejenigen Ämter, die seine gute Ordnung und das Wohlbetragen (seiner Mitglieder) fördern, nicht richtig geführt werden kann. Außerdem gibt es in kleineren Staaten notwendigerweise weniger, in den großen dagegen mehr Ämter, wie vorher erwähnt wurde. Welche Ämter sich dazu eignen, dass man sie (zu einer einzigen Behörde) zusammenfasst, und welche man getrennt lassen muß, darf nicht unbekannt bleiben. Der erste Bereich der öffentlichen Fürsorge um lebensnotwendige Angelegenheiten ist der Markt, für den eine Behörde eingerichtet sein muß, die Vereinbarungen und ordentliches Geschäftsgebaren überwacht. Denn für so ziemlich alle Staaten besteht die Notwendigkeit, einige Güter zu kaufen oder zu verkaufen, um den unter seinen Bewohnern bestehenden Bedarf an notwendigen Gütern zu befriedigen; und (Handel) ist das Mittel, das am unmittelbarsten zur Autarkie beiträgt, um derentwillen, wie man weithin annimmt, Menschen sich zu einem Staat zusammengeschlossen haben. Eine weitere öffentliche Aufgabe hängt mit der eben behandelten eng zusammen und ist mit ihr verwandt: die Sorge für den ordentlichen und ansprechenden Zustand der öffent lichen und privaten Gebäude im Stadtbereich und die Instandhaltung und Ausbesserung vom Einsturz bedrohter Gebäude und (reparaturbedürftiger) Wege und die Aufsicht über die gegenseitigen Grundstücksgrenzen, um zu vermeiden, daß diese
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angefochten werden, und andere ähnliche Aufgaben. Die meisten nennen eine solche Behörde städtisches Ordnungsamt; sie umfaßt mehrere Abteilungen, so daß man in Städten mit einer größeren Bevölkerung für jeweils besondere Aufgaben auch eigene Beamte einsetzt, wie die Bauaufsicht über die Befestigungsmauern, die Aufseher über Brunnen und die Hafen aufsicht. Ein weiteres unverzichtbares Amt kommt dem gerade behandelten sehr nahe; es hat nämlich die gleichen Aufgaben, nimmt sie aber im Hinterland und außerhalb des Stadtbereichs wahr. Diese Beamten nennen einige Landpolizei, andere Forstaufsichtsbeamte. Soweit haben wir damit drei Aufgabenbereiche behandelt. Eine vierte Behörde ist das Amt, an das man die öffentlichen Einkünfte abführt. Unter seiner Aufsicht werden die Einnahmen an jede Abteilung der Verwaltung verteilt. Man nennt diese Beamten Einnehmer und Schatzmeister. Es ist eine davon verschiedene Behörde, bei der Privatverträge und Gerichtsurteile schriftlich hinterlegt werden müssen. Bei dem gleichen Amt muß man auch die Schriftsätze von Anklagen einreichen und die ersten Schritte zur Einleitung von Prozessen vornehmen. Mancherorts unterteilt man auch diese Behörde in mehrere Abteilungen, während in anderen Staaten eine einzige Behörde für alle diese Angelegenheiten zuständig ist. Diese Beamten nennt man sakrale Archiv beamte, Vorsteher, Archivbeamte oder Beamte mit ähnlichen Titeln. Hieran schließt sich die Behörde an, auf die man wohl am wenigsten verzichten kann und die das schwierigste aller Ämter ist. Ihr ist der Vollzug von Strafen gegen Verurteilte, das Einziehen geschuldeter Beträge von denen, deren Namen durch die Eintragungen in den Listen öffentlich bekannt gemacht wurden, und die Überwachung der Gefängnisinsassen übertragen. Dieses Amt ist schwierig, weil es seine Inhaber so sehr verhaßt macht; wenn Männer dafür nicht gut bezahlt werden, wollen sie daher dieses Amt nicht auf sich nehmen oder, wenn sie es schon auf sich genommen haben, sind sie
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nicht bereit, es nach den gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Es ist aber schlechthin unverzichtbar, weil es zu nichts führt, daß zwar Prozesse über die Rechtsansprüche geführt, die Urteile aber dann nicht vollstreckt werden. Wenn (es richtig ist, daß) Menschen nicht in einer Gemeinschaft leben können, wo nicht Recht gesprochen wird, dann können sie auch nicht miteinander leben, wenn Urteile nicht vollstreckt werden. Daher ist es vorzuziehen, daß nicht eine einzige Behörde mit diesen Aufgaben betraut wird, sondern daß jeweils eine eigene Behörde † (für die Verurteilten) jeweils eines Gerichtshofs † zuständig ist; genauso soll man auch (die Kompetenzen) bei den öffentlichen Eintragungen von Schuldnern aufzuteilen versuchen; außerdem sollen (jeweils) verschieden (besetzte) Behörden einige Geldforderungen eintreiben, und zwar soll eher die Behörde, die gerade das Amt angetreten hat, die von den Vorgängern verhängten Bußen einziehen; und bei dem Vollzug von Strafen durch Behörden, die im Amt sind (soll man entsprechend vorgehen): wenn eine Behörde die Strafe verhängt hat, dann soll eine andere sie vollstrecken. So sollen z. B. die städtischen Aufsichtsbeamten die von den Marktaufsehern verhängten Bußen eintreiben und eine andere Behörde die von diesen verhängten Strafen. Je weniger Feindseligkeit denjenigen entgegengebracht wird, die die Strafen vollziehen müssen, umso eher werden die Urteile auch tatsächlich vollstreckt werden. Wenn nun ein und dieselben Männer erst die Strafen verhängen und sie dann auch noch vollstrecken, so setzt sie dies doppelter Feindseligkeit aus; daß die gleichen Leute (solche Funktionen) in allen Angelegenheiten haben, 〈 macht sie 〉 aber zum Feind aller. In vielen Staaten bildet die Gefängnisbehörde ein eigenes Amt, das von dem verschieden ist, welches Geldbußen eintreibt, wie z. B. in Athen die Behörde mit dem Namen ›Elf Männer‹. Daher ist vorzuziehen, auch die Gefängnisaufsicht (als besondere Behörde) abzusondern und auch für sie nach einer solchen wohl durchdachten Maßnahme (zur Vermeidung der beschriebenen Feindseligkeiten) zu suchen; denn dieses Amt ist genauso wie das vorher genannte unverzichtbar. Aber
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die Erfahrung zeigt, daß die Besseren besonders dieses Amt meiden, während es riskant ist, den Schlechten die Kontrolle darüber zu übertragen; denn sie müssen eher überwacht werden, als daß sie andere überwachen können. Wegen dieser Gefahren darf nicht nur ein einziges Amt zur Beaufsichtigung (der Gefängnisinsassen) eingerichtet werden, und es darf auch (in seiner Besetzung) nicht unverändert bleiben, vielmehr sollen jeweils verschiedene Aufseher aus dem Kreis der jungen Männer, wo es die Einrichtung von Wehrdienst oder Grenz wachen gibt, und aus dem Kreis der Beamten in einem bestimmtem Turnus diese Aufgabe übernehmen. Den eben beschriebenen Ämtern muß man die höchste Priorität zuweisen, da sie am ehesten unverzichtbar sind; nach ihnen kommen diejenigen, auf die man nicht minder verzichten kann, denen sogar ein bedeutenderer Rang zugewiesen ist, da sie erhebliche Erfahrung und Vertrauen verlangen. Das sind die Ämter, denen der Schutz der Stadt und die militärischen Aufgaben übertragen sind. Sie müssen im Frieden genauso wie im Krieg Verantwortung für den Schutz der Stadttore und der Befestigungsmauern, für die Musterung der Bürger und ihre Aufstellung in der Schlachtordnung tragen. In manchen Staaten gibt es für alle diese Aufgaben Ämter in größerer, in anderen in geringerer Zahl; so ist in kleinen Staaten ein einziges Amt für alle diese Aufgaben zuständig. Solche Amtsinhaber pflegt man Heerführer oder Befehlshaber im Krieg zu n ennen. Wo es eine Reiterei, Leichtbewaffnete, Bogenschützen oder eine Flotte gibt, wird manchmal über jeden dieser Truppenteile ein eigenes Kommando eingesetzt, die dann Flottenkommandanten, Reiterkommandanten und Befehlshaber eines Regiments genannt werden; für die Untergliederungen (dieser Truppenteile) werden weiterhin diesen Kommandanten unterstellte Befehlshaber eingesetzt: die Kommandeure eines Kriegsschiffes mit drei Ruderbänken, die Anführer einer Heeresabteilung zu Fuß und die Kommandanten einer Phyle und was es sonst für Abteilungen hierbei gibt. Die Gesamtheit dieser Tätigkeiten bildet aber eine einzige Form öffentlicher
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Aufgaben, nämlich das Kriegsamt. So steht es mit dieser Behörde. Da einige Ämter, wenn auch nicht alle, erhebliche Beträge öffentlicher Gelder verwalten, ist es unumgänglich, daß es eine eigene Behörde gibt, die, ohne irgendeine weitere Aufgabe wahrzunehmen, die Verwaltung (dieser Mittel) überprüft und vor der die Beamten Rechenschaft ablegen müssen. Manche nennen diese Beamten Rechenschaftsbeamte, andere Rechnungsprüfer, wieder andere Untersuchungsbeamte und einige öffentliche Ankläger. Neben allen diesen Behörden gibt es ein Amt, das am ehesten Macht über alle Angelegenheiten ausübt. Denn ein und dasselbe Amt kontrolliert häufig die endgültige Entscheidung und bringt Anträge ein oder führt in der Volksversammlung (in Staaten) den Vorsitz, in denen der Demos der Souverän ist; es muß ja eine Instanz geben, die die Versammlungen des Souveräns der Verfassung einberuft. Man nennt dieses Amt in manchen Staaten vorbereitenden Rat, weil er zuvor eine Empfehlung berät, oder eher Rat dort, wo die Menge (den Souverän) bildet. Damit sind so ziemlich die Ämter, denen staatliche Aufgaben übertragen sind, aufgezählt. Eine davon verschiedene Form der Aufgabe von Ämtern sind die Angelegenheiten, die die Götter betreffen: diese Aufgaben sind Priestern und Aufsehern sakraler Bauten übertragen, die dafür zu sorgen haben, bestehende Bauten zu erhalten, vom Verfall bedrohte Gebäude instandzusetzen und für andere Dinge verantwortlich zu sein, die für den Dienst an den Göttern festgelegt sind. Mancherorts, wie in kleinen Staaten, nimmt ein einziges Amt diese Aufgaben wahr, andernorts sind sie auf viele Ämter, die auch vom Priesteramt unabhängig sind, verteilt, z. B. die Ämter derer, die die Opfer vollziehen, der Tempelwächter und der Schatzmeister sakraler Geldmittel. Damit verwandt ist das Amt, das spezifisch für alle öffentlichen Opfer zuständig ist, deren Vollzug das Gesetz nicht Priestern überläßt, sondern (für Opfer), die das Ansehen, dessen sie sich erfreuen, von dem gemeinsamen Staatsherd empfangen. Manche nennen
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diese Amtsträger Archonten, andere Könige, wieder andere Prytanen. Dies sind die Aufgaben, denen sich die unverzichtbaren Ämter widmen müssen; zusammenfassend kann man sie so angeben: Sakrales, das Kriegswesen, Staatseinnahmen und -ausgaben, Marktordnungen, Regelungen für die Stadt, die Häfen, das Hinterland; daneben Angelegenheiten, die die Gerichte betreffen, die offizielle Niederschrift von privaten Abmachungen, das Eintreiben von Strafen, die Überwachung von Gefängnisinsassen, das öffentliche Rechnungswesen, die Rechnungsprüfungen und Rechenschaftsablegungen der Beamten; schließlich die Ämter, die für das Gremium, zuständig sind, welches Entscheidungen über öffentliche Angelegenheiten fällt. Manche Ämter sind aber Staaten vorbehalten, deren (Bürger) sich eher Muße leisten können, sich mehr Wohlstands erfreuen und auf gute Ordnung Wert legen, ich meine die Ämter, die die Aufsicht über die Frauen, die Überwachung der Gesetze, die Aufsicht über die jungen Söhne (der Bürger) und die Kontrolle über die gymnastischen Übungen führen, außerdem ein Amt, das für die athletischen und dionysischen Wettkämpfe und jedes andere öffentliche Schauspiel dieser Art zuständig ist. Zweifellos sind einige dieser Ämter nicht demokratische Institutionen, ich meine z. B. das Amt, das für die Aufsicht über die Frauen und jungen Söhne verantwortlich ist; da die Armen sich keine Sklaven leisten können, müssen sie Frauen und Kinder wie Bedienstete gebrauchen (so daß es hier keine Vorschriften, die in wohlhabenderen Staaten für sie getroffen werden, geben kann). Gesetzeswächter, vorbereitender Rat und Rat sind die drei politischen Institutionen, nach deren Richtlinien einige die Ämter mit souveräner Entscheidungsbefugnis durch Wahl besetzen. Dabei ist das Amt der Gesetzeswächter eine aristokratische Institution, der vorbereitende Rat eine oligarchische und der Rat eine demokratische. Damit haben wir wenigstens im Umriß so ziemlich alle Ämter behandelt.
BUC H V I I Siebentes Buch
Kapitel 1. Wer die beste Verfassung so, wie man sollte, untersuchen will, muß zuerst bestimmen, welche Lebensform am erstrebenswertesten ist; denn solange dies ungeklärt ist, muß auch die beste Verfassungsform ungeklärt bleiben. Den Menschen, die unter der nach den gegebenen Bedingungen besten politischen Ordnung leben, sollte es ja am besten gehen – vorausgesetzt, daß nichts wider Erwarten eintritt. So muß man zunächst über Folgendes Einigkeit erzielen: was für ein Leben ist im Großen und Ganzen allen am erstrebenswertesten, und danach: ist dies das gleiche für die Gemeinschaft und den Einzelnen für sich genommen oder je verschieden? Wir glauben, daß vieles, das auch in den exoterischen Erörterungen über das beste Leben bemerkt wurde, dem Gegenstand hinreichend gerecht wird, so soll es auch jetzt benutzt werden. Wenigstens gegen eine Einteilung wird ja wohl wahrhaftig niemand Einwände vorbringen (und bestreiten), daß es drei Bestandteile (des Glücks) gibt: die äußeren, die im Körper und die in der Seele, und daß die wirklich Glücklichen diese alle besitzen müssen. Niemand kann ja wohl einen Mann völlig glücklich nennen, der keine Spur von Tapferkeit, Selbstbeherrschung, Gerechtigkeit oder Vernunft besitzt, sondern die vorbeischwirrenden Fliegen fürchtet und vor dem Schlimmsten nicht Halt macht, wenn ihn die Begierde nach Essen oder Trinken überkommt. (Als glücklich gilt auch nicht,) wer für Pfennige diejenigen, die ihm am nächsten stehen, ins Verderben stürzt, und genauso wenig jemand, der geistig so unvernünftig und voller Irrtümer lebt wie ein Kind oder ein Wahnsinniger. Solchen Äußerungen dürften so gut wie alle zustimmen, uneins ist man sich aber hierbei über das Ausmaß, d. h. darüber, wie weit man jeweils im äußersten Falle gehen soll. Denn man glaubt, ein noch so geringer Anteil guter menschlicher
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Qualität reiche schon aus, während man bei Reichtum, Geldmitteln, Macht, Ruhm und allen anderen (Gütern) dieser Art den größten Umfang ohne jegliche Beschränkung sucht. Wir werden ihnen entgegnen, daß man sich leicht darüber schon aus den Erfahrungen vergewissern kann, wenn man beobachtet, daß man gute menschliche Qualität nicht durch die äußeren (Güter) erwirbt und bewahrt, sondern umgekehrt diese durch jene; und – einerlei ob das glückliche Leben in Lustempfindung oder guter menschlicher Qualität oder beidem besteht – glücklich sind doch eher die Menschen, die bis zum Äußersten gehen, um sich im Glanz von Charakter und Vernunft auszuzeichnen, aber im Besitz äußerer Güter Maß halten, und nicht die, die davon mehr besitzen, als ihnen nützt, aber in jenen (Qualitäten des Charakters und der Vernunft) zurückbleiben. Unzweifelhaft wird dies auch bei einer theoretischen Betrachtung evident: die äußeren Güter unterliegen, so wie ein Werkzeug, einer Begrenzung, und alles, was nützlich ist, ist (so) für etwas. Ein Übermaß bei diesen (Dingen) muß ihren Besitzern entweder schaden oder ohne jeglichen Nutzen sein. Anders ist es bei den Gütern der Seele: je weiter man hier bis zum Äußersten geht, umso mehr muß jedes von ihnen auch nützlich sein – falls man auch ihnen nicht nur vollendeten Wert in sich selber, sondern auch Nutzen zuschreiben soll. Insgesamt ist deutlich, daß, wie wir sagen werden, der beste Zustand aller Gegenstände in ihrem Rangverhältnis zueinander in dem Abstand steht, den diese Dinge selber, von deren bestimmten Zuständen wir sprechen, zueinander einnehmen. Wenn es nun zutrifft, daß die Seele ihrem Wesen nach sowohl schlechthin als auch für uns wertvoller als Besitz und der Körper ist, dann muß auch der beste Zustand jedes dieser (drei Arten von Gütern diesem Rang) entsprechen. Außerdem sind diese (Güter des Besitzes und des Körpers) von Natur um der Seele willen erstrebenswert, und alle vernünftigen Menschen müssen sie um der Seele willen wählen, aber nicht die Seele ihretwegen. Über Folgendes soll damit Einigkeit unter uns erzielt sein: jeder erreicht soviel Glück, wie er charakterliche Vorzüglichkeit und Vernunft besitzt und im Einklang damit handelt. Da
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für soll uns Gott als Zeuge dienen: er ist glücklich und glückselig, aber er verdankt dies keinem der äußeren Güter, sondern sich selber und der bestimmten Beschaffenheit seiner Natur, zumal ja auch deswegen glückliche Umstände etwas anderes als Glück sein müssen; denn die Güter außerhalb der Seele werden von Zufall und glücklicher Fügung hervorgebracht, aber gerecht oder maßvoll ist niemand aufgrund einer Gabe des Zufalls oder durch Zufall. In engem Zusammenhang hiermit steht ein Grundsatz, der auch keine andere Begründung verlangt, nämlich daß es auch der beste Staat ist, der glücklich ist und dem es gut geht; unmöglich kann es ja denen gut gehen, die nicht das Gute tun; aber kein Mann oder Staat kann ohne charakterliche Vorzüg lichkeit und Vernünftigkeit gute Handlungen vollbringen. Die Tapferkeit, Gerechtigkeit und Vernünftigkeit des Staates haben aber die gleiche Wirksamkeit und Form wie (diese Eigenschaften) bei jedem einzelnen Menschen: er muß sie besitzen, wenn man von ihm als gerecht, vernünftig und selbstbeherrscht spricht. Soviel soll mit dieser Vorrede der Untersuchung vorausgeschickt sein. Es war ja weder möglich, diese Dinge nicht zu berühren, noch alle hierher gehörenden Argumente gründlich zu behandeln, denn dies gehört in eine andere Erörterung. Hier soll soviel als Ausgangspunkt zugrunde gelegt sein: das Leben, das mit charakterlicher Vorzüglichkeit geführt wird, die (mit Gütern) soweit ausgestattet ist, daß man nach dem Maßstab charakterlicher Vorzüglichkeit handeln kann, ist sowohl individuell für jeden Einzelnen als auch gemeinschaftlich für die Staaten das beste. Falls aber jemand von diesen Ausführungen nicht überzeugt ist, so soll dies später eine gründlichere Untersuchung, von der wir im Rahmen der gegenwärtigen Erörterung absehen, finden. Sie wird sich an diejenigen richten, die diese (Grundsätze) bestreiten. Kapitel 2. Es steht noch aus darzulegen, ob man das Glück eines jeden einzelnen Menschen als identisch mit dem des Staates angeben muß oder nicht. Aber auch dies leuchtet ein; alle
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sind sich ja wohl darüber einig, daß das (Glück beider) identisch ist. Denn diejenigen, die glauben, beim Einzelnen bestehe das gute Leben in Reichtum, preisen auch den ganzen Staat als glücklich, wenn er reich ist; und alle, die das tyrannische Leben am höchsten schätzen, bezeichnen wohl auch einen Staat, der über die größte Zahl von Menschen herrscht, als den glücklichsten; und wenn jemand einen Einzelnen wegen seiner guten menschlichen Qualität hoch achtet, wird er auch einem Staat mit besserer Qualität größeres Glück zuschreiben. Damit stellen sich aber jetzt zwei Fragen, die eine Untersuchung verlangen: einmal, welche Lebensform ist eher vorzuziehen, die der aktiven Beteiligung als Bürger und der Mitwirkung am Staat oder die eines Fremden, die (von der Verbindung) mit der staatlichen Gemeinschaft gelöst ist? Danach (die Frage): welche Verfassung und welchen Zustand eines Staates muß man als den besten ansehen – unabhängig davon, ob die Mitwirkung am Staat für alle erstrebenswert ist oder dies wohl für die allermeisten, aber für einige nicht gilt? Aber (nur) diese Frage ist Gegenstand politischen Denkens und Betrachtens, nicht dagegen die erste, (in der wir fragten,) was für den Einzelnen erstrebenswert ist; eine solche (politische) Untersuchung haben wir uns ja jetzt vorgenommen und so mag jene jetzt eine Nebensache bleiben, während diese die Hauptsache unserer Erörterung bildet. Offensichtlich muß das die beste Verfassung sein, unter deren Ordnung es (jedem), wer er auch sei, am besten geht und er im höchsten Glück lebt. Aber selbst unter denen, die sich darüber einig sind, daß das Leben, das nach guter menschlicher Qualität geführt wird, am erstrebenswertesten ist, gibt es Streit darüber, ob das Leben politischer Tätigkeit und praktischen Wirkens gewählt zu werden verdient oder eher das von allem Äußeren losgelöste, ein Leben der Theorie – das Leben des Philosophen ist aber, wie einige behaupten, ausschließlich das der Theorie. Es sind so ziemlich diese beiden Lebensweisen, die politische und die philosophische, die offensichtlich sowohl in der Vergangenheit als auch heutzutage Männer wählen, die am ehrgeizigsten menschliche Vorzüglichkeit suchen. Es macht aber viel
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aus, welche der beiden Auffassungen die Wahrheit für sich hat; denn wer gesundes Urteil besitzt, muß sich auf das bessere Ziel ausrichten, und dies gilt sowohl für jeden einzelnen Menschen wie gemeinschaftlich für die Bürgerschaft. Nach der Meinung einiger Männer wird Herrschaft über Nachbarn, wenn sie despotisch ist, mit der allergrößten Ungerechtigkeit ausgeübt; herrsche man dagegen so wie über Bürger, dann hafte dem zwar kein Unrecht an, dies stehe aber ihrem Wohlbefinden im Wege. Gleichsam von der dazu entgegengesetzten Position her vertreten andere die Meinung, daß allein ein Leben praktischen Wirkens und politischer Tätigkeit eines richtigen Mannes würdig sei; denn Privatleute könnten im Handeln nicht jede Form guter menschlicher Qualität verwirklichen, wohl aber die, die aktiv die Belange der Gemeinschaft vertreten und als Bürger politisch tätig sind. Dies ist die Auffassung der einen Gruppe von Männern. Die anderen behaupten dagegen, daß allein die despotische und tyrannische Form der Verfassung als Glück gelten könne. Bei einigen sind auch Gesetze und Verfassung geradezu darauf festgelegt, daß sie über die Nachbarn despotisch regieren. Die meisten gesetzlichen Einrichtungen wurden zwar bei den meisten sozusagen planlos erlassen und doch zielen alle Gesetze, wenn sie irgendwo ein einziges Ziel verfolgen, darauf, Herrschaft (über andere) auszuüben. So ist in Sparta und Kreta so ziemlich (alle) Erziehung und ein Großteil der Gesetze auf Kriege ausgerichtet. Außerdem erfreut sich kriegerische Fähigkeit bei allen Völkerschaften, die sich (andere) unterwerfen können, hohen Ansehens, zum Beispiel bei den Skythen, Persern, Thrakern und Kelten. Bei einigen treiben gewisse Gesetze zu dieser Form von Tüchtigkeit geradezu an. So empfangen, wie man sagt, in Karthago (Krieger) den Ringschmuck entsprechend der Anzahl von Feldzügen, an denen sie teilgenommen haben. Und es gab auch einmal in Makedonien ein Gesetz, das vorschrieb, daß ein Mann, der keinen Feind getötet hatte, ein Halfter tragen mußte. Bei den Skythen durfte ein Mann, der keinen Feind getötet hatte, bei einem bestimmten Fest nicht aus dem Trinkbecher, der
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herumgereicht wurde, trinken. Und bei den Iberern, einem kriegerischen Volksstamm, steckt man kleine Spieße in der Zahl um das Grab, die der Anzahl der getöteten Feinde gleichkommt, und bei anderen ist vieles anderes dieser Art zum Teil durch Gesetze, zum Teil durch Gebräuche festgelegt. Aber wer dies gründlich durchdenken will, dem dürfte es doch wohl ganz verkehrt erscheinen, daß es Aufgabe des Staatsmannes sein soll, herausfinden zu können, wie er die Nachbarn beherrscht und despotisch regiert, einerlei ob sie dies wollen oder nicht. Wie könnte das auch für einen leitenden Staatsmann und Gesetzgeber richtig sein, da es nicht einmal gesetzmäßig ist? Es ist ja eine Verletzung der Gesetze, nicht ausschließlich gerecht, sondern auch ungerecht zu herrschen – Macht läßt sich aber auch auf ungerechte Weise ausüben. Keinesfalls finden wir dies sonst, bei den sachkundigen Kenntnissen; denn kein Arzt oder Steuermann sieht es als seine Aufgabe, mit Überredung oder Gewalt auf die Patienten bzw. Passagiere einzuwirken. Die meisten scheinen aber zu glauben, daß despotische Herrschaft die Herrschaftsform sei, die der Staatsmann ausüben müsse, und was sie alle für sich nicht als gerecht oder nützlich gelten lassen, das praktizieren sie gegenüber anderen ohne jegliche Scham; denn für sich suchen sie eine gerechte Herrschaft, während sie sich in ihrem Verhalten gegenüber anderen um Gerechtigkeit nicht kehren. Ein solches Vorgehen ist aber widersinnig, außer wenn die eine Gruppe von Natur dazu bestimmt ist, despotisch regiert zu werden, während die andere dies nicht ist. Wenn dieser Grundsatz richtig ist, dann darf man daher auch nicht versuchen, über alle despotisch zu regieren, sondern nur über die, die dazu bestimmt sind, wie man auch für ein Mahl oder Opfer nicht Menschen jagen darf, sondern nur Kreaturen, die für diesen Zweck gejagt werden können – das sind wilde, zum Verzehr geeignete Tiere. Ein einzelner Staat kann aber doch in Beschränkung auf seine eigenen Angelegenheiten sehr wohl in Glück leben, offensichtlich wenn er sich sich ein guten politischen Ordnung erfreut – sofern ja ein Staat irgendwo isoliert für sich existieren
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kann, der gute Gesetze befolgt und dessen Verfassung nicht auf Krieg und Unterwerfung der äußeren Feinde ausgerichtet ist; denn nichts dieser Art soll man dort finden. Alle Vorkehrungen für den Krieg muß man offensichtlich als wertvoll ansetzen, aber nicht als seien sie das oberste Ziel von allem, vielmehr werden sie um dieses Zieles willen getroffen. Der gute Gesetzgeber hat ja die Aufgabe herauszufinden, wie ein Staat, eine Klasse von Menschen und jede andere Gemeinschaft am guten Leben und dem für sie erreichbaren Glück teilhaben können. Einige gesetzliche Einrichtungen werden aber (je nach Verhältnissen) verschieden sein: wenn man Nachbarn hat, dann ist es auch die Aufgabe der Gesetzgebung, darauf zu sehen, wie man sich gegenüber welcher Art (von Nachbarn) verhalten soll und wie man die angemessenen (Maßnahmen) gegenüber den jeweiligen Menschen ergreifen muß. Die Frage, auf welches Ziel die beste Verfassung ausgerichtet sein soll, wird aber später die verdiente Betrachtung finden. Kapitel 3. Wir müssen uns nun denen zuwenden, die zwar darin übereinstimmen, daß das Leben, das nach guter menschlicher Qualität gelebt wird, am erstrebenswertesten ist, sich jedoch darüber uneins sind, was dies für die Praxis bedeutet; denn die einen von ihnen lehnen die Bekleidung politischer Ämter ab, da sie glauben, das Leben eines Freien sei von dem aktiver Politik zu unterscheiden und von allen am erstrebenswertesten; die anderen sehen dagegen dieses (Leben politischer Aktivität) als das beste an; unmöglich könne es ja demjenigen, der nicht handelt, gut gehen, Wohlergehen und Glück seien aber identisch. Beiden müssen wir erklären, daß sie beide wohl zum Teil Recht haben, zum Teil dagegen nicht. So haben die einen damit Recht, daß das Leben des Freien besser als das despotische ist; denn das ist wahr: von einem Sklaven als Sklaven Gebrauch zu machen ist keine Tätigkeit, auf die man stolz sein kann; Anordnungen über lebensnotwendige Dinge zu geben ist ja in keiner Weise nobel. Aber die Annahme, jede Herrschaft sei despotisch, ist unrichtig; denn die
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Herrschaft über Freie überragt die über Sklaven genauso, wie das von Natur Freie selber das von Natur Versklavte überragt – das wurde hinreichend in den ersten Erörterungen bestimmt. Und es ist unrichtig, Untätigkeit mehr als Tätigsein zu preisen; denn Glück ist Handeln und die Handlungen gerechter und maßvoller Männer enthalten die Erfüllung von vielem, das als vorbildlich gilt. Nach diesen Bestimmungen könnte aber vielleicht jemand die Auffassung vertreten, es sei am besten, unbeschränkte Macht über alle auszuüben, denn so besitze man auch die Macht, die meisten und besten Handlungen auszuführen. Daraus folgt dann aber, daß jemand, der Macht ausüben kann, sie nicht dem Nächsten überlassen darf, sondern sie ihm eher entreißen muß; und (bei ihrem Machthunger) dürfte dann ein Vater nicht auf seine Kinder Rücksicht nehmen und die Kinder nicht auf den Vater und überhaupt kein Freund auf seinen Freund, und (keiner von ihnen) dürfe dies in Betracht ziehen; denn das Beste verdiene, am ehesten gewählt zu werden; gut zu handeln sei aber das Beste. Hiermit vertreten sie nun vielleicht die Wahrheit, vorausgesetzt, daß wirklich diejenigen, die (anderen die Macht) entreißen und Gewalt ausüben, auch das erstrebenswerteste aller Dinge erlangen werden. Aber vielleicht ist dies nicht möglich, und sie gehen von einer falschen Voraussetzung aus. Denn daß jemand (so) handelt, kann nicht mehr Anerkennung verdienen – außer wenn er so überlegen ist wie ein Mann über die Frau, ein Vater über die Kinder oder ein Herr über die Sklaven. Daher kann der Mann, der mit einer Übertretung begonnen hat, später nicht so viel wieder gutmachen, wie er zuvor schon durch die Verletzung charakterlicher Vorzüglichkeit geschadet hat. Denn für Gleiche besteht das, was richtig und gerecht ist, in turnusmäßigem Wechsel (bei der Ausübung der Herrschaft); denn dies ist völlige Gleichheit nach Umfang und Art. Ungleichheit nach Umfang und Art ist aber für Gleiche ein Verstoß gegen die Natur, aber kein Verstoß gegen die Natur verdient Anerkennung. Wenn dagegen ein anderer Mann in seiner guten menschlichen Qualität und dem Vermögen, das
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Beste zu vollbringen, (den übrigen) überlegen ist, dann ist es richtig, ihm zu folgen und sich ihm zu fügen ist gerecht. Er darf aber nicht nur charakterliche Vorzüglichkeit besitzen, sondern braucht auch das Vermögen, (entsprechend) zu handeln. Wenn diese Erklärungen richtig sind und man Glück als richtiges Handeln bestimmen muß, dann ist doch wohl gemeinschaftlich bei dem Staat im Ganzen wie bei jedem einzelnen Menschen das von Tätigkeit erfüllte Leben das beste. Ein Leben der Tätigkeit muß aber nicht auf andere gerichtet sein, wie einige annehmen; man darf auch nicht allein die Überlegungen als praktisch angeben, die auf Ergebnisse von Handeln abzielen, sondern praktisch sind viel eher die Betrachtungen und Überlegungen, die den Zweck in sich selber tragen und um ihrer selbst willen unternommen werden. Denn richtiges Handeln ist das Ziel, daher ist auch eine bestimmte Form von Tätigsein Ziel. Aber auch die nach außen gerichteten Tätigkeiten führen, wie wir sagen, am ehesten eigentlich diejenigen Männer aus, die durch die gedankliche Planung die Leitung über sie innehaben. Zweifellos brauchen auch Staaten, die auf sich selber gestellt sind und sich entschieden haben, ein solches Leben (der Abgeschlossenheit) zu führen, nicht untätig zu sein; denn zwischen ihren Teilen sind auch (Handlungen) möglich; die Teile des Staates unterhalten ja untereinander vielfältige Beziehungen. Genauso gilt dies aber auch für jeden einzelnen Menschen. Denn (anderenfalls) könnte es um Gott und den gesamten Kosmos, die neben den auf sie selbst bezogenen Handlungen keine nach außen gerichteten Tätigkeiten vollziehen, nicht gut bestellt sein. Es ist somit klar, daß ein und dasselbe Leben sowohl für jeden einzelnen Menschen wie auch gemeinschaftlich für die Staaten und Menschen das beste sein muß. Kapitel 4. Mit diesen Ausführungen, die wir gerade zu diesen Themen vorgetragen haben, ist unsere Einleitung abgeschlossen. Nachdem wir die übrigen Verfassungen früher betrachtet haben, wollen wir zu Beginn der noch ausstehenden (Erörterung) zuerst darlegen, was für Voraussetzungen der Staat, der
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wunschgemäß eingerichtet sein soll, besitzen muß; denn die beste Verfassung kann ohne eine angemessene äußere Ausstattung nicht verwirklicht werden. Deswegen müssen wir wie auf einem Wunschzettel viele Voraussetzungen angeben, darunter darf sich aber z. B. für die Größe der Bürgerschaft und für das Land nichts Unmögliches finden. Auch Handwerkern wie einem Weber und Schiffsbauer muß ja das Material für ihre Tätigkeit in geeigneter Form zur Verfügung stehen; denn aus besserem Material muß auch das von ihrer Fertigkeit hervorgebrachte Produkt vollkommener gelingen. Genauso muß auch dem leitenden Staatsmann und dem Gesetzgeber das Material, das sie brauchen, in der geeigneten Form zur Verfügung stehen. Zur Ausstattung des Staates gehört zuerst die Menge der Bürger, (ich meine damit) ihre erforderliche Anzahl und naturgegebene Qualität; (zur Ausstattung) gehört ebenso die erforderliche Größe und Beschaffenheit des Landes. Die meisten glauben nun, ein glücklicher Staat müsse auch groß sein. Wenn dies richtig ist, so verkennen sie dabei, welche Qualität eines Staates ihn groß oder klein macht; denn sie bemessen seine Größe nach der Anzahl seiner Bewohner, man soll aber besser nicht auf ihre Zahl als auf die Leistungsfähigkeit achten; denn auch der Staat hat eine Funktion. Deshalb muß man den Staat, der diese Funktion am besten erfüllen kann, auch als den größten ansehen; so wird man ja auch Hippokrates – nicht die Person, sondern den Arzt – als größer bezeichnen als einen anderen Mann, der ihn an Körpergröße überragt. Wenn man jedoch bei der Beurteilung (der Größe des Staates) auch auf die Zahl achten muß, dann darf man dabei nicht eine beliebige Gruppe (in ihm) in Betracht ziehen, (wie) Sklaven, Metöken und Fremde, die es ja wahrscheinlich in großer Anzahl in den Staaten geben muß; vielmehr muß man (die Zahl) derer (berücksichtigen), die Bestandteil des Staates sind und aus denen der Staat als seinen eigentlichen Teilen zusammengesetzt wird; denn deren überragende Zahl deutet auf einen großen Staat. Dagegen kann ein Staat, aus dem viele
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Handwerker, aber nur wenige Schwerbewaffnete hervorgehen, nicht groß sein; denn groß und bevölkerungsreich sind zwei verschiedene Dinge. Gewiß läßt sich aus der Erfahrung auch klar erkennen, daß ein allzu menschenreicher Staat sich nur schwer, vielleicht überhaupt nicht, einer guten gesetzlichen Ordnung erfreuen kann; unter Staaten, die als gut regiert gelten, finden wir ja keinen, der Beschränkungen gegenüber der großen Zahl preisgibt. Dies wird auch aus dem Beweismittel begrifflicher Ableitung deutlich: das Gesetz ist eine bestimmte Ordnung und die gute gesetzliche Verfassung ist notwendigerweise gute Ordnung, eine übergroße Zahl kann aber nicht an der Ordnung teilhaben; denn dies (zu bewirken) wäre die Aufgabe einer göttlichen Kraft, die ja auch dieses Universum zusammenhält. Nun pflegt Schönheit Zahl und Größe vorauszusetzen; daher muß auch ein Staat dann am schönsten sein, wenn er groß ist und die beschriebene Bestimmung erfüllt. Aber es gibt auch beim Staat, genauso wie bei allem anderen, bei Lebewesen, Pflanzen und Werkzeugen, eine bestimmte Begrenzung der Größe: wenn jedes von ihnen entweder zu klein oder zu groß ist, können sie ihre jeweilige Fähigkeit nicht behalten, sondern sie werden entweder völlig ihre Natur einbüßen oder sich in einem minderwertigen Zustand befinden. So wird z. B. ein Schiff mit der Länge einer Spanne oder von zwei Stadien überhaupt kein Schiff mehr sein, bei einer bestimmten Länge wird es (wohl ein Schiff sein, aber) wegen seiner Winzigkeit oder Übergröße die Seetüchtigkeit erheblich beeinträchtigen. Genauso ist auch ein Staat, der aus zu wenigen Mitgliedern besteht, nicht autark, seinem Wesen nach ist aber ein Staat autark. Eine (Gemeinschaft) mit zu vielen Bewohnern wird zwar, wie ein Volksstamm, in (der Versorgung mit) den notwendigen Dingen autark sein, ist aber kein Staat; denn hier kann es nicht leicht eine verfassungsmäßige Ordnung geben. Denn wer soll Heerführer einer zu großen Menge sein oder wer Herold, wenn er nicht Stentors Stimme hat? Aus diesen Gründen existiert notwendigerweise ein Staat zum ersten Mal dann, wenn die Anzahl (seiner Mitglieder) so
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groß ist, daß diese Menge erstmals autark zum vollkommenen Leben, wie es die staatliche Gemeinschaft ermöglicht, ist. Wenn ihre Zahl darüber hinausgeht, kann durchaus ein Staat auch größer sein, aber dies läßt sich, wie wir sagten, nicht unbegrenzt weiterführen. Wie man die Grenze seiner größten Ausweitung angeben soll, läßt sich leicht aus den Tatsachen entnehmen: die Handlungen eines Staates werden teils von den Regierenden, teils den Regierten ausgeführt. Die Aufgabe des Regierenden ist dabei, Anordnungen zu erteilen und Entscheidungen zu fällen. Um aber über Rechtsfalle zu urteilen und die Ämter nach Verdienst zu besetzen, müssen die Bürger untereinander ihre Qualität kennen. Wo dies nicht der Fall sein kann, muß es ja um Ämter und Gerichtsentscheidungen schlecht bestellt sein; denn bei beiden darf man nicht blindlings vorgehen, wie das offensichtlich bei einer allzu großen Bürgerzahl geschieht. Außerdem könnten dann Fremde und Metöken leicht Zugang zur Bürgerschaft gewinnen, wegen der übergroßen Bürgerzahl bleiben sie ja leicht unerkannt. Offensichtlich erhalten wir damit die beste Begrenzung (der Größe) des Staates: dies ist die größte Ausweitung der Zahl, die noch gut überschaubar ist und die Autarkie des Lebens zu erreichen ermöglicht. Zur Größe des Staates soll in dieser Form unsere Bestimmung getroffen sein. Kapitel 5. Ähnliches gilt auch für die Bedingungen des Landes. Zunächst zu seiner wünschenswerten Qualität: unzweifelhaft wird wohl jeder das Land preisen, das im größten Maße Autarkie besitzt – das muß ein Land sein, das alles hervorbringt; denn autark sein bedeutet, daß alles zur Verfügung steht und nichts fehlt. An Umfang und Ausdehnung (soll das Land) so groß (sein), daß seine Bewohner in Muße zugleich freigebig und mit maßvoller Selbstbeherrschung leben können. Ob wir dies nun so zutreffend bestimmen oder nicht, muß später genauer untersucht werden, wenn wir dazu kommen, allgemein darauf einzugehen, wie und in welcher Weise man von Besitz und Wohl-
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stand Gebrauch machen soll. Diese Betrachtung enthält ja viele Streitpunkte, weil manche zu jeweils einem der beiden Extreme der Lebensführung drängen – die einen zu Kärglichkeit, die anderen zu verwöhntem Luxus. Es fällt nicht schwer, sich zur Gestalt des Landes zu äußern, in einigen Punkten muß man hierin auch den in der Kriegsführung Erfahrenen folgen. Das Land soll den Feinden den Einfall erschweren, es dagegen den eigenen Leuten leicht machen, es zu verlassen. Und wie wir forderten, daß die Bevölkerung in ihrer Zahl leicht überschaubar sein müsse, so tun wir das auch bei dem Staatsgebiet – leicht überschaubar bedeutet hier, daß es leicht verteidigt werden kann. Wenn man bei der Festlegung des Ortes einer Stadt seinen Wünschen folgen darf, dann soll sie sowohl zum Meer als auch zum Staatsgebiet hin günstig gelegen sein. Eine genauere Bestimmung dafür wurde schon genannt: für das Ausrücken der Truppen muß sie zu allen Landesteilen gleichmäßig leicht Zugang bieten. Die andere Bestimmung betrifft die Zufuhr von Ernteerträgen, außerdem von Holz und jedem anderen leicht transportierbaren Produkt, sofern das Land seine Produktion ermöglicht. Kapitel 6. Man ist sich aber erheblich darüber uneinig, ob es für Staaten, die sich einer guten gesetzlichen Ordnung erfreuen, nützlich oder schädlich ist, das Meer zu nutzen. Denn man sagt, daß der (damit einhergehende) Aufenthalt einiger Fremder, die unter anderen Gesetzen aufgewachsen sind, und das starke Anwachsen der Zahl der Bewohner der guten gesetzlichen Ordnung abträglich sei. Zu einer großen Einwohnerzahl komme es, wenn man den Zugang zum Meer nutzt, indem man eine große Zahl von Händlern aussendet und aufnimmt, diese bilde aber ein Hindernis für die gute Ordnung des Staates. Wenn man nur diese Folgen vermeiden kann, dann ist es offensichtlich sowohl für die Sicherheit als auch die reichliche Versorgung mit lebensnotwendigen Dingen von Vorteil, daß Stadt und Land den Zugang zum Meer nutzen. Denn um sich
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besser in Kriegen behaupten zu können, müssen diejenigen, die siegreich überleben wollen, leicht von beiden Seiten her, sowohl zu Land wie zu Wasser, verteidigt werden können; und wenn es ihnen verwehrt ist, zu Land und zu Wasser den Angreifern Schaden zuzufügen, so werden sie doch gewiß größere Chancen haben, wenigstens auf eine Weise erfolgreich zu sein, wenn ihnen beide Möglichkeiten offenstehen. Es ist aber auch notwendig, (Produkte), die sich bei den Bewohnern selber nicht finden, einzuführen und die Überschüsse der eigenen Erzeugnisse auszuführen. Denn für die eigenen (Bedürfnisse) muß die Stadt Fernhandel treiben, nicht aber für die anderer. Diejenigen, die sich dagegen als Markt für alle anbieten, tun dies wegen der Einnahmen. Eine Stadt, die sich nicht an solchen gewinnsüchtigen Geschäften beteiligen soll, darf aber auch nicht einen solchen Warenumschlagsplatz besitzen. Andererseits können wir auch jetzt beobachten, daß in vielen Fällen das Umland und die Stadt Hafenstädte und Häfen besitzen, die von Natur der Stadt gegenüber günstig gelegen sind: weder nehmen sie das gleiche Stadtgebiet ein noch liegen sie allzu weit von ihm entfernt, sondern werden durch Mauern und andere solche Sicherungsanlagen kontrolliert. Wenn somit die Nutzung (des Meeres) Vorteil bringt, dann wird der Staat sich offensichtlich dieses Vorteils erfreuen können; wenn sie aber irgendwie nachteilig ist, dann können die (Bewohner) sich leicht durch Gesetze davor schützen, indem sie erklären und bestimmen, wer miteinander verkehren darf und wer nicht. Offensichtlich ist es die beste Lösung, eine Seemacht bis zu einer bestimmten Größe zu besitzen; denn (die Truppen) müssen nicht nur zur (Sicherheit der) eigenen Bürger, sondern auch der einiger Nachbarn gefürchtet werden und in der Lage sein, militärischen Beistand ebenso zu Wasser wie zu Lande zu leisten. Bei der (Festlegung von) Zahl und Größe dieser Truppen muß man die Lebensform des Staates berücksichtigen. Wenn er das Leben einer Führungsmacht und politischer Aktivität führt, dann braucht er auch eine für solche Aktionen angemessene Seemacht. In den Staaten muss sich aber nicht not-
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wendigerweise eine große Bürgerzahl ausbilden, die mit einer in der Flotte dienenden Menge einherzugehen pflegt. Diese Männer dürfen ja kein wirklicher Bestandteil des Staates sein; denn nur die Seesoldaten, die die Seeoperationen kontrollieren und leiten, gehören zu den Freien und bilden einen Teil der Landtruppen. Wo es aber Periöken und Männer, die das Land bestellen, in großer Zahl gibt, da steht notwendigerweise auch eine reichliche Zahl von Schiffsmannschaften zur Verfügung. Wir beobachten dies ja auch jetzt bei einigen, z. B. dem Staat von Herakleia: sie bemannen viele Trieren, haben aber eine Bürgerschaft von bescheidenerem Umfang als andere Staaten. Damit soll unsere Bestimmung des Staatsgebietes, der Häfen, städtischen Siedlungen, des Meeres und der Seemacht abgeschlossen sein. Wie man die Zahl der Bürger festlegen soll, haben wir früher behandelt. Kapitel 7. Welche Eigenschaften sie aber von Natur besitzen sollen, wollen wir jetzt darlegen. Man kann dies ziemlich leicht erkennen, wenn man sich die hochangesehenen Staaten der Griechen ansieht und außerdem die Unterschiede unter den Völkern (betrachtet), wie sie die gesamte bewohnte Erde aufweist. Die Völker in den kalten Regionen und in Europa sind zwar voller Mut, es fehlt ihnen aber an geistiger Fähigkeit und Fachkenntnissen; daher behaupten sie auch eher ihre Freiheit auf Dauer, ohne aber eine politische Ordnung zu besitzen und über ihre Nachbarn herrschen zu können. Die Völkerschaften Asiens besitzen dagegen die Fähigkeit zu geistiger Leistung und Fachkenntnissen, ihnen fehlt aber Mut; deswegen sind sie fortwährend beherrscht und versklavt. Wie das Volk der Hellenen in den Regionen (die es bewohnt) in der Mitte liegt, so hat es auch an beiden (Anlagen) teil: es besitzt Mut und ist zu geistiger Leistung fähig. Deswegen lebt es immer in Freiheit, fortwährend erfreut es sich der besten politischen Verhältnisse und ist fähig, über alle zu herrschen, wenn es nur eine einzige Verfassung erhielte. Den eben beschriebenen Unterschied weisen aber auch die hellenischen Völker untereinander auf: einige sind in ihren Anlagen ganz einseitig ausgebildet, andere
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besitzen dagegen beide genannten Fähigkeiten in einer wohl ausgeglichenen Weise. Damit ist folgendes klar: Menschen, die vom Gesetzgeber leicht zu charakterlicher Vorzüglichkeit geleitet werden sollen, müssen in ihrer Naturanlage geistige Fähigkeit und Mut vereinigen. Denn wenn einige behaupten, die Wächter müßten liebende Fürsorge für die ihnen Bekannten, gegen Unbekannte aber Aggressivität zeigen, so ist es Beherztheit, die die Fähigkeit zu lieben hervorbringt; dies ist ja die Seelenkraft, mit der wir lieben. Dafür gibt es ein Indiz: Beherztheit wallt eher gegen Verwandte und Freunde als gegen Unbekannte auf, wenn man sich in seinem Wert herabgesetzt glaubt. Deswegen redet auch Archilochos, als er gegen seine Freunde Vorwürfe erhob, treffend sein Herz an: »Freunde würgen dich«. Diesem Vermögen verdanken alle auch Herrschaft und Freiheit; denn der Mut zielt seinem Wesen nach auf Herrschen und ist nicht bereit, sich zu unterwerfen. Es ist aber nicht recht zu fordern, daß man gegen Unbekannte aggressiv sein solle; denn niemandem gegenüber darf man eine solche Haltung einnehmen, und auch die Hochgesinnten sind ihrer Natur nach nicht aggressiv, außer gegenüber denen, die Unrecht begehen. Aggressiv reagieren sie aber noch mehr gegenüber Nahestehenden, wie schon früher erklärt wurde, wenn sie meinen, ungerecht behandelt zu sein. Dies geschieht so mit gutem Grund; denn, so glauben sie, zusätzlich zu dem zugefügten Schaden hätten die, die nach ihrer Auffassung (Dank für) eine empfangene Wohltat schulden, sie auch noch darum betrogen. Deswegen heißt es auch: »grausam sind die Auseinandersetzungen unter Brüdern« und »wer zu sehr geliebt hat, der haßt auch zu sehr«. Die erforderliche Zahl der Bürger und die erforderliche Qua l ität ihrer Naturanlagen, außerdem die erforderliche Größe und Qualität des Staatsgebiets sind damit so ziemlich behandelt – man darf ja bei solchen (allgemeinen) Erklärungen nicht den gleichen Grad von Exaktheit suchen wie bei Feststellungen, die auf Wahrnehmung beruhen.
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Kapitel 8. Bei allem, was der Natur entsprechend zusammengesetzt ist, sind die Voraussetzungen, ohne die das Ganze nicht bestehen könnte, nicht Bestandteile des zusammengesetzen Ganzen. Genauso darf man offensichtlich auch bei einem Staat seine Bestandteile nicht mit den Vorbedingungen, die notwendigerweise erfüllt sein müssen, gleichsetzen, und dies gilt so auch bei jeder anderen Gemeinschaft, aus der eine Einheit der Art nach entsteht; denn deren Mitglieder müssen gemeinsam ein bestimmtes (Gut) von der selben Art besitzen, einerlei ob sie daran gleichen oder unterschiedlichen Anteil haben – dies könnte z. B. Nahrung, Größe des Grund und Bodens oder etwas anderes dieser Art sein. Wenn jedoch das eine zum Zwecke eines anderen da ist und dieses andere (der Zweck) ist, für den jenes erste existiert, dann gibt es zwischen ihnen keine Gemeinsamkeit, außer (der Beziehung), daß das eine herstellt, während das andere entgegennimmt. Als Beispiel diene das (Verhältnis) zwischen jedem Werkzeug oder Handwerker und dem hergestellten Produkt: es gibt keine Gemeinsamkeit zwischen Haus und Hausbauer, vielmehr wird das sachverständige Können der Hausbauer zum Zwecke des Hauses ausgeübt. Deswegen ist auch Besitz, auf den die Staaten angewiesen sind, kein Bestandteil des Staates, und (das gilt so auch für) die vielen belebten Teile des Besitzes. Der Staat ist ja eine bestimmte Gemeinschaft von Gleichen, dessen Zweck das bestmögliche Leben ist. Glück ist aber das Beste, es ist Verwirklichung menschlicher Vorzüglichkeit und ihr vollkommener Gebrauch. Wie die Dinge aber so liegen, können einige dieses Glück erreichen, die anderen dagegen nur in geringem Maße oder überhaupt nicht. Dieser Umstand ist offensichtlich für das Entstehen unterschiedlicher Formen des Staates und einer größeren Anzahl von Verfassungen verantwortlich; denn auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Mitteln verfolgen alle jeweils dieses (Glück) und schaffen sich so ihre je verschiedenen Lebensweisen und Verfassungen. Man muß aber auch untersuchen, wie viele solcher (Aufgaben) es gibt, ohne die ein Staat nicht existieren könnte; denn
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was wir die Bestandteile des Staates nennen, muß in deren Zahl enthalten sein. Man muß daher zuerst die Zahl dieser (unerläßlichen) Aufgaben bestimmen; daraus läßt sich dann hierüber Klarheit gewinnen. Zunächst muß Nahrung zur Verfügung stehen, danach die fachmännischen Fertigkeiten, denn das Leben ist auf viele Hilfsmittel angewiesen; drittens braucht man Waffen, denn die Mitglieder der Gemeinschaft müssen einmal nach innen zur (Durchsetzung der) Herrschaft gegen die, die sich nicht fügen wollen, dann zur Abwehr ungerechter Angriffe von außen Waffen besitzen; außerdem muß es ein bestimmtes Vermögen an Gütern sowohl für die eigenen als auch für die bei Kriegen entstehenden Bedürfnisse vorhanden sein; fünftens und an erster Stelle muß es den Dienst am Göttlichen geben, den man Priesteramt nennt; an sechster Stelle und am unerläßlichsten von allem die Entscheidung über nützliche Angelegenheiten und darüber, was in den Beziehungen untereinander gerecht ist. Das sind die Aufgaben, auf die sozusagen jeder Staat angewiesen ist. Der Staat ist ja nicht eine beliebige Menschenmenge, sondern, wie wir behaupten, eine Menge, die für (die Bedürfnisse des) Lebens autark ist. Wenn aber eine dieser Aufgaben nicht erfüllt wird, dann kann diese Gemeinschaft nicht mehr schlechthin als in sich selbst autark gelten. Der Staat muß somit aus (Männern, die) die genannten Tätigkeiten (ausüben), gebildet sein: es muß eine Anzahl von Ackerbauern geben, die die Nahrung bereitstellen werden, daneben Männer, die die fachmännischen Fertigkeiten beherrschen, die Krieger, die Begüterten, die Priester und diejenigen, die die Entscheidungen darüber, was [notwendig] 〈 gerecht 〉 und nützlich ist, fällen. Kapitel 9. Nach diesen Bestimmungen bleibt noch zu untersuchen, ob alle gemeinsam alle diese Aufgaben wahrnehmen sollen – es ist ja möglich, daß die gleichen Männer alle das Land bebauen, eine fachmännische Fertigkeit ausüben, politische Entscheidungen treffen und zu Gericht sitzen. Oder soll man für jede der genannten Aufgaben je besondere (Perso-
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nengruppen) fordern? Oder müssen einige dieser Aufgaben bestimmten Gruppen vorbehalten sein, während die anderen (von allen) gemeinsam wahrgenommen werden? Für jeden Staat kann nun nicht ein und dieselbe Regelung gelten. Denn, wie wir sagten, es ist sowohl möglich, daß alle gemeinsam alle Aufgaben wahrnehmen, als auch, daß sie dies nicht tun, sondern daß für bestimmte Aufgaben eine abgegrenzte Schicht (zuständig ist). Diese (Vielfalt der Möglichkeiten) bewirkt ja auch die Unterschiede unter den Verfassungen; denn in den Demokratien nehmen alle an allem teil, während in Oligarchien die entgegengesetzte Regelung gilt. Da wir hier aber die beste Verfassung untersuchen – das ist die Verfassung, unter der der Staat im höchsten Grade glücklich sein kann – und da es Glück, wie wir zuvor gesagt haben, ohne gute menschliche Qualität nicht geben kann, ist doch die Folgerung offensichtlich: in dem Staat, der sich der besten politischen Verhältnisse erfreut und der Männer besitzt, die schlechthin, und nicht nur nach einer bestimmten Norm gerecht sind, dürfen die Bürger weder das Leben von Handwerkern noch Händlern führen, denn das ist von gemeiner Art und steht (der Ausbildung) guter menschlicher Qualität entgegen. Wer (Bürger) sein soll, darf auch nicht Ackerbauer sein; denn zur Ausbildung guter menschlicher Qualität und für politische Aufgaben braucht man Muße. Es finden sich (im Staat) aber auch die Kriegerschicht und Männer, die über nützliche Maßnahmen beraten und über Rechtsansprüche urteilen, und sie sind offensichtlich am ehesten seine Teile. Sollen auch sie voneinander getrennt sein, oder soll man beide (Aufgaben) den gleichen Männern übertragen? Auch darauf ist die Antwort klar: in gewisser Weise muß man beide (Aufgaben) den gleichen (übertragen), in gewisser Weise aber jeweils Verschiedenen: verschiedenen, insofern man für jede der beiden Aufgaben in einem verschiedenem Alter am besten befähigt ist und man für die eine Vernunft, für die andere physische Kraft braucht. Andererseits nehmen es diejenigen, die die Macht haben, Gewalt und Widerstand auszuüben, unter keinen Umständen hin, ständig beherrscht zu werden;
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daher muß man (beide Aufgaben) doch den Gleichen (übertragen), denn wer die Waffen kontrolliert, kontrolliert damit auch, ob die Verfassung Bestand hat oder nicht. Es bleibt daher nur die Regelung, daß die Verfassung diese beiden Befugnisse zwar den Gleichen überträgt, jedoch nicht zur gleichen Zeit, sondern in der Weise, wie sich nach der Ordnung der Natur physische Kraft bei den Jüngeren, Vernunft bei den Älteren findet. Daher ist es gewiß für beide (Altersstufen) nützlich und gerecht, daß ihnen in der beschriebenen Weise die Aufgaben zugewiesen sind. Denn die Aufteilung, die wir gerade vorgeschlagen haben, wird ihrem Wert gerecht. Gewiß muß ihnen auch der Besitz gehören; denn die Bürger müssen wohlhabend sein, die eben genannten sind aber die Bürger; die Handwerker gehören ja nicht zum Staat und auch sonst keine Gruppe, deren Tätigkeit nicht gute menschliche Qualität hervorbringt. Dies leuchtet auch nach dem Grundprinzip (des besten Staates) ein: sich des Glücks zu erfreuen erfordert menschliche Vorzüglichkeit; vom Glück eines Staates darf man aber nicht reden, indem man nur eine bestimmte Gruppe in ihm berücksichtigt, sondern indem man alle Bürger einbezieht. Es leuchtet aber auch ein, daß diesen die Besitztümer gehören müssen, da die Ackerbauern Sklaven oder Periöken [oder] barbarischer Herkunft sein müssen. Unter den aufgezählten (Gruppen) bleiben jetzt noch die Priester übrig. Auch ihre Stellung ist klar: man darf weder einen Ackerbauer noch einen Handwerker zum Priester ernennen, denn es sollen Bürger sein, die die Götter ehren. Nun ist aber die Bürgerschicht in zwei Gruppen unterteilt, die Krieger und diejenigen, die politische Entscheidungen treffen, und es ist eine angemessene Regelung, daß Männer, die wegen ihres Alters an Kraft verloren haben, den Dienst an den Göttern versehen und ihnen ihre Muße widmen; ihnen soll man daher die Priesterämter übertragen. Damit sind die Gruppen, ohne die ein Staat nicht bestehen kann, und die Zahl seiner eigentlichen Bestandteile genannt: Ackerbauer, fachkundige Handwerker und die ganze Gruppe von Lohnarbeitern sind für die Staaten unentbehrlich, aber ei-
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gentliche Bestandteile des Staates sind (nur) Krieger und diejenigen, die politische Entscheidungen treffen. Es gibt eine klare Abgrenzung zwischen allen diesen Aufgaben, bei den einen für immer, bei den anderen in einem (bestimmten) Wechsel. Kapitel 10. Nicht (erst) jetzt oder seit Kurzem wissen, wie es scheint, diejenigen, die über Verfassungen philosophisch nachdenken, daß eine staatliche Gemeinschaft nach Gruppen untergliedert und daß die Kriegerschicht von den Ackerbauern verschieden sein muß. In Ägypten gilt diese Regelung auch heute noch und ebenso auch auf Kreta – in Ägypten hatte, wie man sagt, Sesostris ein solches Gesetz erlassen und Minos auf Kreta. Von hohem Alter scheint auch die Einrichtung der Syssitien zu sein, die in Kreta zur Zeit der Königsherrschaft des Minos eingeführt wurden, in Italien aber noch weit älter sind. Ein gewisser Italos sei König von Oinotria gewesen, so berichten bei den dort Ansässigen die, die sich in der Vergangenheit auskennen. Von ihm hätten die Bewohner den Namen Italer anstelle von Oinotrer angenommen, und (nach ihm) sei die Halbinsel Europas Italien genannt worden, die durch den Skylletischen und Lametischen Meerbusen, welche eine halbe Tagesreise voneinander entfernt liegen, begrenzt wird. Dieser Italos habe, wie sie sagen, die Oinotrer, die Nomaden waren, zu Bauern gemacht und ihnen Gesetze gegeben, zu denen besonders auch die Syssitien gehören, die er zuerst einführte. Daher halten auch heute noch einige seiner Nachfahren an den Syssitien und einigen seiner Gesetze fest. Das Gebiet nach Tyrrhenia hin bewohnten die Opiker, die früher wie auch heute den Beinamen Ausoner tragen, das Gebiet nach Iapygien und die ionische See, die sogenannte Siritis, bewohnten dagegen die Chonen, die ihrer Abkunft nach ebenfalls Oinotrer waren. Dort also begann die Einrichtung der Syssitien, die Abgrenzung der Bürgerschaft nach Gruppierungen dagegen in Ägypten; denn die Königsherrschaft des Sesostris reicht im Alter weit hinter diejenige des Minos zurück.
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Man muß vielleicht annehmen, daß auch die übrigen Einrichtungen in dem langen Ablauf der Zeit oft – oder besser: unzählige Male – erfunden wurden; denn Bedürfnisse allein haben naturgemäß die lebensnotwendigen Dinge gelehrt, und es macht Sinn, daß sich danach, als diese schon zur Verfügung standen, alle (Lebensweisen), die Verfeinerung und Überfluß suchen, mehr und mehr ausbildeten. Daher sollte man denken, daß dies bei den Verfassungsordnungen genauso gilt; denn daß alle Einrichtungen alt sind, zeigen diejenigen Ägyptens. Seine Bewohner gelten als die ältesten, sie haben aber Gesetze und eine politische Ordnung gefunden. Deswegen soll man von guten [Äußerungen] 〈 Erfindungen 〉 Gebrauch machen und, was noch fehlt, zu entdecken versuchen. Es wurde zuvor ausgeführt, daß das Land denen gehören soll, die über die schweren Waffen verfügen und an der (Leitung des) Staates mitwirken, außerdem, daß die Ackerbauern eine von ihnen verschiedene Gruppe bilden sollen, und (schließlich) welche Größe und Beschaffenheit das Land besitzen soll. Über seine Aufteilung wollen wir nun zuerst sprechen, ebenso darüber, wer das Land bearbeiten soll und welche Eigenschaften diese Männer haben sollen. (Wir müssen dies behandeln), da wir behaupten, daß einmal der Besitz nicht (allen) gemeinsam gehören solle, wie dies einige vertreten haben, sondern so dass er zum Gebrauch wie unter Freunden allen gemeinsam zur Verfügung steht; und außerdem, daß kein Bürger Mangel an Nahrung leiden darf. Alle sind sich darüber einig, daß für wohlgeordnete Staaten gemeinsame Mahlzeiten eine nützliche Einrichtung sind – wir werden später darlegen, warum auch wir dem zustimmen. Alle Bürger müssen nun (an den gemeinsamen Mahlzeiten) teilnehmen, den Armen fällt es aber nicht leicht, von ihrem eigenen Vermögen den vorgeschriebenen Betrag dazu beizusteuern und daneben noch die Bewirtschaftung ihres Haushaltes sicherzustellen. Auch für die Kosten der Aufwendungen für die Götter ist die gesamte Bürgergemeinde gemeinschaftlich verantwortlich.
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Es ist daher unumgänglich, daß das Land in zwei Arten unterteilt ist: ein Teil muß der Gemeinschaft, der andere Privatleuten gehören. Jede dieser beiden Formen von Grundbesitz muß weiter unterteilt sein: von dem einen Teil des öffentlichen Landes muß man die Aufwendungen im Dienste der Götter bestreiten, von dem anderen die für die gemeinsamen Mahlzeiten. Vom Grundbesitz in privater Hand soll ein Teil zur Landesgrenze hin, der andere nahe bei der Stadt gelegen sein; denn wenn jedem zwei Landlose zugeteilt werden, dann kann man erreichen, daß alle Bürger in beiden Regionen beteiligt sind. Diese (Aufteilung) bringt ja Gleichheit, Gerechtigkeit und größere Einigkeit im Falle kriegerischer Auseinandersetzungen mit den Nachbarn (und dies ist von Vorteil); denn wo man nicht so verfährt, bleiben die einen bei Feindseligkeiten mit den Nachbarn ganz gleichgültig, während die anderen sich zu stark und in beschämender Weise engagieren. Deswegen schreibt bei einigen ein Gesetz vor, daß (Bürger, deren Land) nahe dem der Grenznachbarn (liegt), von Beratungen über Kriege gegen sie ausgeschlossen werden, da ihr persönliches Interesse ihre Fähigkeit, eine Entscheidung zu treffen, korrumpieren müsse. Aus den genannten Gründen muß das Land in der beschriebenen Weise aufgeteilt sein. Die Männer, die das Land bebauen werden, sollen am besten, wenn die Regelung den Wünschen entsprechen soll, Sklaven sein; sie sollen weder alle dem gleichen Volksstamm zugehören noch einen mutigen Charakter besitzen; solche Männer werden für ihre Arbeiten brauchbar sein, und von ihnen braucht man keine Unruhen zu befürchten. Die zweitbeste Regelung ist, daß sie barbarische Periöken sind, die in ihrer Naturanlage den gerade beschriebenen nahekommen. Sie alle, die Privatland bearbeiten, sollen Eigentum der Besitzer der Ländereien sein, während die Arbeiter auf dem Gemeindeland Staatssklaven sein sollen. Wie man aber mit den Sklaven umgehen soll und warum es vorzuziehen ist, allen Sklaven als Belohnung Freiheit in Aussicht zu stellen, werden wir später darlegen.
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Kapitel 11. Es wurde früher ausgeführt, daß die Stadt sowohl zum Festland wie zum Meer und dem gesamten Territorium (des Staates) hin soweit wie möglich gleich gut Zugang erlauben muß. Man muß aber auch wünschen, daß die Lage der Stadt für sich genommen von Glück begünstigt ist, wobei man auf vier Dinge achten soll: zuerst auf Gesundheit, weil sie unabdingbar ist; Städte, deren Terrain nach Osten hin abfällt und die den Ostwinden ausgesetzt sind, sind gesünder, die nächst besten sind gegen die Nordwinde geschützt, denn dort sind die Winter erträglicher. Außerdem (soll man wünschen), daß (der Siedlungsort) die politischen und militärischen Aktionen begünstigt: für die militärischen Aktionen muß er den eigenen Leuten leichten Auszug ermöglichen, während er den Gegnern schwer zugänglich und nicht leicht einzuschließen ist. Außerdem soll es im besten Falle in der Stadt reichlich Quellen und fließendes Wasser geben und wenn nicht, so ist (Abhilfe) gefunden, wenn man viele und große Zisternen zum Auffangen von Regenwasser baut, sodaß den Bewohnern nie das Wasser ausgeht, wenn sie infolge von Krieg vom Hinterland abgeschnitten sind. Man muß für die Gesundheit der Bewohner Vorsorge treffen; sie hängt einmal davon ab, daß der Siedlungsort (der Stadt) und seine topologische Ausrichtung die Gesundheit begünstigen; zweitens setzt sie voraus, daß man gesundes Wasser gebraucht. Beidem darf man aber nicht nur beiläufig Aufmerksamkeit schenken; denn was wir von allem in der größten Menge und am häufigsten für den Körper benutzen, das trägt auch am meisten zur Gesundheit bei, Wasser und Wind haben aber von Natur diese Wirkung. Falls nun nicht alles Wasser von gleicher Güte ist und es nicht reichlich Wasser von solcher Qualität gibt, dann soll in Staaten, die ihre Angelegenheiten vernünftig regeln, das Wasser zur Nahrung von dem für andere Nutzung getrennt werden. Bei den Befestigungsanlagen ist das gleiche System nicht für alle Verfassungen von Nutzen: denn eine bewehrte Stadtburg paßt zu einer Oligarchie und Monarchie, zu einer Demokratie dagegen eine gleichmäßige (Befestigung der Stadt), zu
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einer Aristokratie gehört aber keine von beiden (Arten von Befestigung), sondern eher eine größere Anzahl befestigter Stützpunkte. Wenn die Anordnung der Privathäuser ein gleichmäßiges Muster ergibt und nach der neueren und hippodamischen Weise vorgenommen wird, so gilt sie zwar als ästhetisch ansprechender und vorteilhafter für die meisten anderen Zwecke, für die Erfordernisse militärischer Sicherheit bietet dagegen die Stadtanlage früherer Zeiten größeren Vorteil; denn damals erschwerte die Anlage der Stadt es Fremden, zu entkommen, und Angreifern, sich zurechtzufinden. Deswegen soll (die Anordnung der Privathäuser) diese beiden Formen verbinden – das ist dann möglich, wenn man sie so anlegt, wie man beim Ackerbau die Weinstöcke in sogenannten Kreuzreihen anpflanzt: man soll nicht die ganze Stadt regelmäßig anlegen, wohl aber die Stadtteile und Bezirke. Eine solche Anlage wird Sicherheit und beeindruckendes Aussehen auf das beste verbinden. Den Besitz von Verteidigungsmauern wollen einige Männer denjenigen Staaten, die Tapferkeit für sich beanspruchen, verwehren. Aber damit hegen sie völlig überlebte Vorstellungen, und sie tun dies noch, obwohl sie doch beobachten können, daß Staaten, die sich dessen rühmen, durch die Ereignisse widerlegt sind. Es ist sicher unwürdig, sich (im Kampf) gegen gleichartige (Gegner), die an Zahl nicht weit überlegen sind, durch den Schutz, den Mauern bieten, retten zu wollen. Es ist aber möglich und kommt tatsächlich vor, daß die Übermacht der Angreifer zu stark ist, als daß ihr die (größte) Tapferkeit, deren Menschen überhaupt fähig sind oder wie sie sich nur bei wenigen finden kann, gewachsen wäre. Wenn man überleben und nicht Schlimmes erleiden oder Opfer erniedrigenden Unrechts werden soll, dann muß man den Schutz von Mauern, die die größte Sicherheit bieten, auch als die beste Vorkehrung für Kriege ansehen. Das gilt besonders jetzt, nachdem man bei Geschützen und Kriegsmaschinen Erfindungen von solcher Wirksamkeit bei Belagerungen gemacht hat. Die Forderung, Städte nicht mit Mauern zu umgeben, ist ja nichts anderes als
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ein Territorium zu suchen, das (den Feinden) leicht zugänglich ist, oder die (Schutz bietenden) Berge einzuebnen und genauso auch Privathäuser nicht mit Mauern zu umgeben, da dadurch die Bewohner unmännlich würden. Man sollte aber auch nicht außer Acht lassen, daß Bürger, die Mauern um ihre Stadt gezogen haben, ihre Städte auf beide Arten benutzen können: (wenn nötig) mit ihren Mauern oder so, als besäßen sie diese nicht; wer dagegen keine Mauern hat, dem steht diese Wahl nicht offen. Wenn dies zutrifft, dann soll man es nicht damit bewenden lassen, die Stadt mit Mauern zu umgeben, man muß vielmehr auch darauf achten, daß diese sowohl das schöne Aussehen der Stadt erhöhen als auch den militärischen Notwendigkeiten dienen, wie sie sich allgemein und besonders nach den Erfindungen unserer Zeit stellen. Denn wie die Angreifer nach Mitteln sinnen, durch die sie die Oberhand gewinnen können, so stehen den Verteidigern einige Erfindungen schon zur Verfügung, anderes müssen sie noch suchen und sich erdenken. Denn gegen wohlgerüstete Männer wagt man von vornherein keinen Angriff. Kapitel 12. Die Gesamtzahl der Bürger muß man in Gruppen aufteilen, die die gemeinsamen Mahlzeiten einnehmen, während die Befestigungsmauern an geeigneten Stellen von Wachthäusern und Türmen unterbrochen sein müssen. Dies lädt offensichtlich dazu ein, einige der gemeinsamen Mahlzeiten in diesen Wachthäusern abzuhalten. Diese Angelegenheit könnte man so angemessen regeln. Bauwerke, die für Gottesdienste bestimmt sind – mit Ausnahme der Tempel, denen ein Gesetz oder ein Orakelspruch des Pythischen Gottes einen abgesonderten Ort zuweist – und die wichtigsten gemeinsamen Mahlzeiten der Inhaber politischer Ämter sollten ein und denselben geeigneten Platz einnehmen. Das könnte ein Ort sein, der für [die Platzierung] 〈 den Erwerb 〉 guter menschlicher Qualität in geeigneter Weise sichtbar herausgehoben und gegenüber den darumliegenden Stadtteilen stärker befestigt ist. Passend findet sich unterhalb eines
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solchen Platzes eine Marktanlage, wie sie auch in Thessalien üblich ist, die man den freien Markt nennt – das ist ein Markt, der von allen käuflichen Waren freigehalten werden muß und den kein Handwerker oder Ackerbauer oder sonst jemand mit ähnlichen Beschäftigungen betreten darf, außer wenn er von Beamten vorgeladen ist. Zur ansprechenden Ausgestaltung dieses Bezirks könnte man dort auch die Gymnasien der Älteren anlegen; denn auch diese Einrichtung sollte nach Altersgruppen geregelt sein, und bestimmte Beamte sollen sich in der Nähe der Jüngeren aufhalten, die Älteren dagegen in der Nähe der Amtsinhaber. Unter den Augen der Amtsinhaber zu stehen flößt ja am ehesten wahres Schamgefühl und Furcht, wie sie Freie empfinden sollen, ein. Der Handelsmarkt muß aber von dem freien unterschieden und räumlich getrennt sein; er soll einen Platz einnehmen, zu dem alle vom Meer her eingeführten Güter und die Produkte des eigenen Landes leicht transportiert werden können. Die Bürger des Staates untergliedern sich in Priester 〈 u nd 〉 Inhaber politischer Ämter. Es ist somit angebracht, daß auch die gemeinsamen Mahlzeiten der Priester in der Nähe der sakralen Gebäude abgehalten werden. (Gebäude) für Behörden, die für Geschäftsverträge, Schriftsätze von Privatklagen, Vorladungen und andere ähnliche (Aufgaben der) Verwaltung, außerdem für die Marktaufsicht und die (Befugnisse des) sogenannten städtischen Ordnungsamts zuständig sind, sollen bei einem Markt und einem allgemein zugänglichen Versammlungsplatz errichtet sein – dies ist ein Platz in der Nähe des Handelsmarkts; denn wir legen fest, daß er Tätigkeiten (zur Befriedigung) notwendiger Bedürfnisse, während der höher gelegene Markt der Muße dienen muß. Nach der gerade beschriebenen Regelung muß man auch die entsprechenden Angelegenheiten auf dem Lande regeln. Denn auch dort muß man den Beamten, die manche Forstaufsichtsbeamte, andere Landpolizei nennen, für ihre Aufsicht Wachthäuser und gemeinsame Mahlzeiten einrichten. Außerdem müssen Heilig tümer über das Land hin an verschiedenen Orten errichtet sein, einige für die Götter, andere die Heroen.
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Es bringt aber nichts, hierbei zu verweilen und darüber detaillierte Ausführungen zu machen. Denn sich all dieses auszudenken, ist leicht, schwerer ist es schon, es auszuführen. Denn um dies auszusprechen, braucht man sich diese Dinge nur zu wünschen, damit sie aber verwirklicht werden, braucht man Glück. Deswegen soll jetzt davon abgesehen werden, auf diese Dinge ausführlicher einzugehen.
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Kapitel 13. Bei der Verfassung selber soll erörtert werden, wer und was für Männer den Staat, der sich des Glücks und einer guten politischen Ordnung erfreuen soll, bilden müssen. Es sind nun zwei Dinge, von denen für alle das Gelingen (von Handlungen) abhängt: Einmal, daß das Ziel und der Zweck der Handlungen richtig gesetzt sind, zum anderen, daß man die zum Ziel führenden Handlungen findet. Diese beiden Erfordernisse können ja sowohl im Widerspruch zueinander als auch im Einklang miteinander stehen: denn manchmal ist das Ziel richtig gesetzt, man verfehlt es dann aber beim Handeln; manchmal gewinnt man dagegen alle (Mittel), um das Ziel zu erreichen, nur setzte man sich das Ziel verkehrt. Schließlich verfehlt man manchmal beides, z. B. bei der ärztlichen Behandlung: denn (Ärzte) beurteilen bisweilen unrichtig, wie der gesunde Körper beschaffen sein soll, und treffen auch nicht die Maßnahmen, die die von ihnen beabsichtigte Wirkung erzielen könnten. In sachkundigen Tätigkeiten und Kenntnissen muß aber beides bewältigt werden, das Ziel und die darauf hinzielenden Handlungen. Es ist nun evident, daß alle nach dem vollkommenen Leben und dem Glück streben; aber nur einigen ist es möglich, dies zu erreichen, anderen dagegen nicht – sei es durch eine Fügung der Verhältnisse oder ihre Natur; das vollkommene Leben ist ja auch auf eine gewisse Ausstattung angewiesen, in geringerem Umfang bei Menschen von besserer Art, in größerem denjenigen von schlechterer; andere suchen dagegen von vornherein das Glück auf die falsche Weise, während die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Wir haben uns hier die Aufgabe gesetzt, die beste Verfassung zu untersuchen, und dies ist die Verfassung, unter der
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sich ein Staat der besten politischen Verhältnisse erfreuen kann; dies dürfte unter einer Verfassung eintreten, in der der Staat am ehesten glücklich sein kann. Daher darf offensichtlich nicht ungeklärt bleiben, was Glück ist. Wir behaupten nun und haben in den ethischen (Erörterungen) bestimmt, sofern jene Darlegungen auch nur etwas von Nutzen sind, daß (Glück) eine Tätigkeit und vollkommene Verwirklichung guter menschlicher Qualität ist, und zwar nicht bedingt, sondern schlechthin – ich meine mit »bedingt« das, was jeweils gefordert ist, mit »schlechthin«, was man um seiner selbst willen richtig ausführt. Dies läßt sich an gerechten Handlungen erläutern: gerechte Akte von Vergeltung und Bestrafung gehen zwar von guter menschlicher Qualität aus, aber sie sind (als Reaktion) gefordert, deswegen verwirklichen sie das Richtige nur als ein solches Erfordernis; es wäre ja vorzuziehen, daß weder ein Mann noch ein Staat eine solche Maßnahme ergreifen müssen. Dagegen sind Handlungen, die hohes Ansehen oder Reichtümer bringen sollen, schlechthin im höchsten Maße wertvoll. Im ersten Falle [wählt] 〈 beseitigt 〉 man ja einen Übelstand, während die Handlungen der zweiten Art im Gegenteil dazu Güter schaffen und hervorbringen. Ein guter Mann könnte zwar Armut und Krankheit und die anderen Unglücksfälle mit Würde ertragen, aber Glückseligkeit setzt doch die entgegengesetzten (Bedingungen) voraus – in den ethischen Erörterungen wurde ja auch bestimmt, daß derjenige ein guter Mann ist, für den wegen seiner guten menschlichen Qualität die schlechthin guten Dinge gut sind; offensichtlich muß auch ihre Nutzung schlechthin gut und richtig sein. Deswegen vertreten Menschen auch die Auffassung, man verdanke Glück den äußeren Gütern, so als könnte man klares und schönes Kitharaspielen eher dem Instrument als der technischen Meisterschaft zuschreiben. Nach diesen Ausführungen müssen einige Bedingungen von Anfang an erfüllt sein, während der Gesetzgeber die anderen schaffen muß. Deswegen wünschen wir, daß der staatliche Verband all das [nach Wunsch] 〈 besitzt 〉, worüber eine glückliche Fügung gebietet – denn wir behaupten, daß sie (hier-
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über) gebietet. Daß aber der Staat gut ist, kann nicht mehr die Glücksfügung, sondern nur Wissen und ethische Entscheidung bewirken. Gut ist ein Staat, wenn seine Bürger, die aktiv am Staat teilnehmen, gut sind – bei uns nehmen aber alle Bürger aktiv am Staat teil. Infolgedessen muß man untersuchen, wie ein Mann gut wird. Zwar ist es durchaus möglich, daß die Bürger als Gesamtheit gut sind, ohne daß jeder Einzelne dies ist, aber letzteres ist doch vorzuziehen; denn wenn jeder Einzelne gut ist, dann sind zugleich auch alle gut. Gut und trefflich wird man durch drei (Einflüsse): diese drei sind Natur, Gewöhnung und Vernunft. Zunächst einmal muß man ja als Mensch geboren werden und nicht als eines der anderen Lebewesen; ebenso muß man auch mit einer bestimmten Anlage in Körper und Seele geboren werden. Für gewisse Eigenschaften hilft die Naturanlage dagegen nicht, denn Gewöhnung hat die Macht, sie zu ändern; manche Qualitäten, die von Natur noch ambivalent sind, entwickeln sich ja unter dem Einfluß der Gewohnheit zum Schlechteren oder Besseren. Tiere leben meist nach ihren angeborenen Instinkten, einige zu einem geringen Teil auch nach Gewohnheit, der Mensch aber auch nach Vernunft, denn er allein besitzt Vernunft. Daher müssen (bei ihm) diese drei miteinander in Einklang stehen. Gegen ihre Gewohnheit und Natur handeln Menschen ja oft nach Vernunftgründen, wenn sie sich überzeugen lassen, daß es so besser sei. Wir haben früher bestimmt, was für eine Naturanlage diejenigen besitzen sollen, die sich von dem Gesetzgeber leicht formen lassen sollen. Alles andere ist Aufgabe der Erziehung; denn man lernt einiges durch Gewöhnung, anderes indem man (Unterweisungen) zuhört. Kapitel 14. Jede staatliche Gemeinschaft besteht aus Regierenden und Regierten. Daher muß man untersuchen, ob die Männer, die regieren und regiert werden, sich darin jeweils abwechseln oder ob ein und dieselben auf Lebenszeit (regieren bzw. regiert werden) sollen; denn ihre Erziehung muß sich offensichtlich nach der jeweiligen Regelung richten. Nimmt man
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die Möglichkeit an, daß die einen so sehr von den anderen unterschieden sind, wie nach unserem Glauben Götter und Heroen den Menschen zunächst körperlich, dann auch seelisch weit überlegen sind, sodaß die Überlegenheit der Regierenden unbestritten wäre und den Regierten vor Augen stünde: in einem solchen Falle wäre es offensichtlich besser, daß ein und dieselben ein für alle Mal ständig regieren, während die anderen regiert werden. Solche Bedingungen kann man aber nicht leicht finden, und es ist auch ausgeschlossen, daß Könige in der beschriebenen Weise den Regierten überlegen sind, wie es nach Skylax bei den Indern der Fall ist. Daraus ergibt sich klar, daß aus vielen Gründen alle in gleicher Weise an dem Wechsel von Regieren und Regiertwerden teilhaben müssen. Denn für Gleiche ist das Gleiche gleich, und nur schwer kann eine Verfassung, deren Ordnung gegen Gerechtigkeit verstößt, Bestand haben. Alle Bewohner des Landes stehen ja als Verbündete der Regierten bereit in dem Verlangen, eine Änderung der Verhältnisse herbeizuführen; es ist jedoch ein Ding der Unmöglichkeit, daß die Regierenden zahlenmäßig so stark sind, daß sie sich gegen diese alle siegreich behaupten können. Auf der anderen Seite ist es aber unbestritten, daß die Regierenden und die Regierten verschieden sein müssen. Wie das nun verwirklicht werden soll und wie sie (doch alle am Regieren) teilhaben können, dafür muß der Gesetzgeber Sorge tragen. Es wurde aber auch schon vorher besprochen: die Natur hat ja die Unterscheidung geliefert, indem sie unter den Mitgliedern der gleichen Art die einen jünger, die anderen älter machte; die einen verdienen, regiert zu werden, und die anderen zu regieren. Niemand wehrt sich ja dagegen, wegen seiner Jugend noch regiert zu werden, noch hält er sich für zu gut, besonders da er ja (später), wenn er das erforderliche Alter erreicht hat, den Lohn für diesen Dienst erhalten wird. Man muß also sagen, daß in einer gewissen Weise ein und dieselben regieren und regiert werden, daß in einer anderen es jedoch je Verschiedene sind. Daher muß auch die Erziehung in gewisser Weise dieselbe, in anderer jedoch verschieden sein;
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denn wer richtig herrschen will, muß, wie man sagt, zuerst beherrscht werden. Herrschaft dient nun aber, wie in den ersten Erörterungen behauptet wurde, in einer Form dem Wohl des Regierenden, in der anderen dagegen dem des Regierten. Die erste bezeichnen wir despotisch, die andere Herrschaft über Freie. Bei den Anordnungen, die gegeben werden, ist es aber in einigen Fällen unwesentlich, was für Tätigkeiten aufgetragen wurden, sondern welchen Zweck man verfolgt. So ist es durchaus angebracht, daß die heranwachsenden Freien gewisse als Dienstleistungen geltende Arbeiten verrichten; denn ob sie schicklich oder schimpflich sind, hängt nicht so sehr von den Tätigkeiten selber, sondern dem Zweck und Ziel ab. Wir behaupten aber, daß die gute Qualität eines Bürgers und Regierenden mit der des besten Mannes identisch ist und daß der gleiche Mann zunächst regiert werden muß und erst später regieren darf. Daher muß der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, daß sie gute Männer werden, durch welche Tätigkeiten (dies möglich ist) und was das Ziel des besten Lebens ist. Bei der Seele sind zwei Teile unterschieden: einer besitzt Vernunft an sich, der andere zwar nicht an sich, kann aber der Vernunft gehorchen. Die vorzügliche Ausbildung dieser Teile ist es, nach der ein Mann in bestimmter Weise als gut bezeichnet wird. Die richtige Antwort auf die Frage, in welchem dieser beiden (Vermögen) eher das Ziel liegt, ist allen klar, die die Abgrenzung genau so vornehmen wie wir. Denn das Geringerwertige existiert überall um des Besseren willen, und dies ist deutlich in gleicher Weise in den Gegenständen, die den Normen technischen Könnens wie denen der Natur entsprechen. Das vernunftbegabte (Vermögen) ist nun überlegen. Nach unserer gewohnten Einteilung ist auch dieses zweigeteilt: eine Form von Vernunft ist praktisch, die andere theoretisch; genauso muß aber auch dieser (Seelen-)Teil untergliedert sein. Wir werden auch behaupten, daß Handlungen entsprechend unterschieden werden. Alle Menschen, die zu allen oder den beiden Handlungen befähigt sind, müssen eher die Handlun-
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gen des von Natur besseren (Seelenteils) wählen; denn was das Höchste ist, das jeder erreichen kann, das wählt er am ehesten. Auch das ganze Leben ist unterteilt: in Tätigsein und Muße bzw. in Krieg und Frieden, und bei allem, was man tut, gilt die Unterscheidung von einerseits Dingen, die notwendig bzw. nützlich sind, und andererseits solchen, die die Vollendung in sich tragen. Hierbei muß man die gleiche Wahl wie bei den Seelenteilen und ihren Handlungen treffen: Krieg muß man um des Friedens willen wählen, die Unrast von Beschäftigung wählen, um in Muße leben zu können, und Notwendiges oder Nützliches um der in sich vollendeten Dinge willen. Diesem allen muß der leitende Staatsmann sowohl bei den Seelenteilen wie den Handlungen in seiner Gesetzgebung seine Aufmerksamkeit widmen; größere Aufmerksamkeit verdienen dabei das Bessere und die Ziele. Das Gleiche gilt für die Lebensformen und die Wahl der (entsprechenden) Handlungen: man muß zwar die Fähigkeit besitzen, tätig zu sein und Krieg zu führen, in höherem Maße aber Frieden zu halten und in Muße zu leben; und ebenso (muß man fähig sein,) Notwendiges oder Nützliches zu tun, eher aber die Dinge, die in sich vollendet sind. Daher muß man sich an diesen Zielen bei der Erziehung derer ausrichten, die noch Kinder sind oder den anderen Altersgruppen angehören, die noch Erziehung brauchen. Die Griechen, die jetzt den Ruf genießen, sich der besten politischen Verhältnisse zu erfreuen, und die Gesetzgeber, die diese Verfassungen gegeben haben, haben offensichtlich die Verfassungsregelungen nicht auf das beste Ziel und ihre Gesetze und Erziehung nicht auf alle Formen charakterlicher Vorzüglichkeit ausgerichtet, sondern haben sich in entwürdigender Weise zu denen, die Nutzen und eher Gewinn versprachen, abgewandt. Ähnlich wie sie haben sich auch einige spätere Autoren im gleichen Sinne geäußert. Bei ihrem Preis der spartanischen Verfassung bewundern sie die Zielsetzung des Gesetzgebers, da er alle Gesetzgebung auf Eroberung und Krieg ausgerichtet hat. Diese (Auffassung) läßt sich theoretisch leicht widerlegen und ist jetzt schon durch die Ereignisse widerlegt. Wie die meisten Menschen über viele despotisch zu
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herrschen suchen, weil sie sich dadurch reichlich mit Glücks gütern versorgen können, so haben offensichtlich auch Thibron und alle anderen, die über die Verfassung der Spartaner geschrieben haben, deren Gesetzgeber deswegen bewundert, weil sie für die Gefahren (des Krieges) trainiert waren und so Herrschaft über viele ausübten. Nun liegt aber auf der Hand, daß die Spartaner, nachdem ihnen jetzt die Ausübung der Herrschaft nicht länger vergönnt ist, auch das Glück eingebüßt haben und daß ihr Gesetzgeber nicht bewundernswert war. Es ist außerdem lächerlich, daß sie zwar den Gesetzen ihres Gesetzgebers folgten und nichts sie daran hinderte, danach zu leben, aber trotzdem das glückliche Leben verloren haben. Außerdem hegen diese Autoren eine falsche Auffassung von der (Form von) Herrschaft, die für den Gesetzgeber offensichtlich am wertvollsten sein muß. Die Herrschaft über Freie verdient ja mehr Achtung als die despotische und setzt auch mehr charakterliche Vorzüglichkeit voraus. Außerdem darf man einen Staat nicht deswegen für glücklich halten und den Gesetzgeber dafür loben, daß er (seine Bürger) für Eroberungen trainiert hat, damit sie über die Nachbarn regieren können, denn dies richtet erheblichen Schaden an. Offensichtlich muß ja dann auch ein Bürger, wenn er dazu in der Lage ist, alles daranzusetzen versuchen, über seinen eigenen Staat zu regieren. Gerade diesen Vorwurf erheben nun die Spartaner gegen den König Pausanias, obwohl sich dieser doch eines so hohen Ansehens erfreute. Keine dieser Vorstellungen und Gesetze kann ein guter Staatsmann teilen, und sie sind auch nicht nützlich oder richtig. Denn die gleichen (Grundsätze) sind für den Einzelnen wie für die Gemeinschaft am besten, und sie muß der Gesetzgeber in den Seelen der Menschen einprägen. Das Training für den Krieg soll man nicht deswegen ernsthaft betreiben, damit man andere, die dies nicht verdienen, versklavt, sondern zu allererst, damit man nicht selber von anderen versklavt wird, danach um eine führende Stellung zum Vorteil der Beherrschten, aber nicht eine despotische Herrschaft über alle zu gewinnen,
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und erst an dritter Stelle um despotisch über die zu gebieten, die Sklaverei verdienen. Die Erfahrung bestätigt den Grundsatz, daß der Gesetzgeber mehr darauf achten muß, daß er die Gesetze über das Kriegswesen und die anderen Angelegenheiten um der Muße und des Friedens willen gibt. Denn die meisten jener anderen Staaten behaupten sich nur, solange sie Krieg führen, gehen aber zugrunde, wenn sie die Herrschaft errungen haben; sie verlieren nämlich im Frieden, genauso wie Eisen, ihre Schärfe. Dafür ist der Gesetzgeber verantwortlich, da er nicht dazu erzog, in Muße leben zu können. Kapitel 15. Menschen verfolgen offensichtlich sowohl in der Gemeinschaft als auch persönlich als Individuen ein und dasselbe Ziel, und dessen Bestimmung muß für den besten Mann wie für die beste Verfassung gleich sein. Da man nun, wie häufig gesagt wurde, durch Krieg das Ziel Frieden und durch Tätigkeit das Ziel Muße verfolgt, muß man offensichtlich die für die Muße erforderlichen guten Eigenschaften besitzen. Nützlich für Muße und eine sinnerfüllte Lebensgestaltung sind diejenigen guten Eigenschaften, die man nicht nur während der Muße, sondern auch beim Tätigsein verwirklicht; viele notwendige Bedingungen müssen ja erfüllt sein, damit man sich der Muße erfreuen kann. Ein Staat muß deswegen maßvolle Besonnenheit besitzen und tapfer und ausdauernd sein, denn nach dem Sprichwort gibt es für Sklaven keine Muße; diejenigen, die nicht tapfer Gefahren bestehen können, werden aber zu Sklaven der Angreifer. Tapferkeit und Standhaftigkeit braucht man für aufgezwungene Tätigkeit, Philosophie für die Muße, und Selbstbeherrschung und Gerechtigkeit für beide Lebenslagen und um so mehr, wenn man in Frieden und Muße lebt. Denn Krieg allein zwingt schon Männer, gerecht und selbstbeherrscht zu sein, während der Genuß der Glücksgüter und Muße in Friedenszeiten sie eher dazu verleiten, Unrecht zuzufügen, um andere zu erniedrigen. In ganz erheblichem Maße brauchen daher die, denen es am besten zu gehen scheint und die alle hochgepriesenen (Güter) genießen, Gerechtigkeit und
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maßvolle Besonnenheit, zum Beispiel, wie die Dichter singen, Menschen auf den Inseln der Seligen, falls es sie gibt. Denn sie werden in dem Maße am ehesten auf Philosophie, maßvolle Besonnenheit und Gerechtigkeit angewiesen sein, in dem sie mehr Muße im Überfluß solcher Güter genießen. Es ist damit klar, daß ein Staat, der in Glück leben und gut sein will, diese Formen menschlicher Vorzüglichkeit besitzen muß. Denn es ist schon an sich beschämend, nicht mit (Glücks-)Gütern umgehen zu können, weit schlimmer ist es aber, daß man dies nicht in Zeiten der Muße kann, sondern als gut gilt, solange man mit Tätigkeiten und Krieg in Anspruch genommen ist, zu Zeiten von Frieden und Muße jedoch als sklavisch verdorben. Deswegen darf man charakterliche Vorzüglichkeit nicht wie der Staat der Spartaner üben. Diese unterscheiden sich ja von den anderen nicht darin, daß sie nicht die gleichen Güter wie die anderen für die höchsten halten, sondern daß sie glauben, man gewinne sie eher durch eine bestimmte Form guter menschlicher Qualität. Da 〈 sie 〉 nun diese Güter und ihren Genuß für wichtiger als den 〈 Gebrauch 〉 der Formen guter menschlicher Qualität †…† und daß man sie um ihrer selbst willen (praktizieren muß), geht daraus klar hervor. Wie und durch welche Mittel man sie gewinnt, dies muß jetzt untersucht werden. Früher haben wir auseinandergesetzt, daß man (dazu) Na turanlage, Gewöhnung und Vernunft braucht. Von diesen (drei Einflüssen) wurde vorher die Naturanlage, die die (zukünftigen Bürger) haben sollen, bestimmt; es bleibt aber noch zu erörtern, ob sie früher durch Vernunft oder Gewöhnung erzogen werden sollen; denn diese (beiden) müssen miteinander in Einklang stehen. Vernunft kann ja das beste Ziel verfehlen, wie man auch durch Gewöhnung in gleicher Weise (irregeleitet sein kann). Zunächst einmal ist klar, daß (hier), wie auch sonst, alles Entstehen von einem Anfang ausgeht und daß das Ziel, das einen bestimmten Anfang voraussetzt, (wieder) 〈 Ausgangspunkt 〉 für ein weiteres Ziel ist. Überlegung und Vernunft sind
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aber Ziel der Natur, sodaß man sich bei Geburt und Einübung von Gewohnheiten auf sie ausrichten muß. Außerdem bilden Körper und Seele zwei (Teile); ebenso beobachten wir auch bei der Seele zwei Teile, das Nichtvernünftige und das Vernunftbegabte, und ihnen zugeordnet (unterscheiden wir) zwei Verhaltensweisen, einmal Verlangen, dann vernünftige Überlegung. Wie aber der Körper früher als die Seele entsteht, so auch das Nichtvernünftige früher als das Vernunftbegabte, wie das ja unmittelbar einleuchtet, denn Kinder besitzen gleich bei ihrer Geburt Gemütsaufwallungen, Wünschen und außerdem Begehren, Überlegung und Vernunft kommen aber naturgemäß erst in fortschreitendem Alter hinzu. Deswegen muß man zuerst sich zuvor der Ausbildung des Körpers als der Seele annehmen und sich (erst) danach um das Verlangen kümmern – man muß sich um das Verlangen der Vernunft wegen sorgen und sich des Körpers um der Seele willen annehmen. Kapitel 16. Der Gesetzgeber muß von Anfang an dafür sorgen, daß die Körper der Kinder, die aufgezogen werden, möglichst vollkommen werden. Daher muß er zuerst seine Aufmerksamkeit der ehelichen Verbindung zuwenden und darauf achten, wann die Eheleute die Ehe miteinander schließen und was für Eigenschaften sie besitzen sollen. Er muß gesetzliche Vorschriften über die Ehe erlassen, indem er die Partner und ihre Lebenszeit in Betracht zieht. Sie sollen nämlich zusammen jeweils in dem entsprechenden Alter den gleichen Bedingungen entgegengehen, und es darf bei ihrer Fortpflanzungsfähigkeit keinen Mißklang geben, da der Mann noch zeugen, die Frau aber nicht mehr gebären kann, oder sie fähig ist, er jedoch nicht; denn ein solches Mißverhältnis verursacht unter den Ehepartnern Zwietracht und Auseinandersetzungen . Der Gesetzgeber muß auch darauf achten, in welchem Abstand die Kinder die Nachfolge antreten werden; der Altersunterschied zwischen Söhnen und ihren Vätern darf ja nicht zu groß sein; denn anderenfalls kann den Eltern in höherem Alter der Dank der Kinder nichts mehr nützen, ebenso wenig wie den Kindern die Unterstützung durch die Väter (hel-
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fen kann). Der Altersunterschied darf aber auch nicht zu eng sein; dies führt ja zu erheblichem Unfrieden: solche Kinder werden (ihre Eltern) mit weniger Respekt behandeln, da sie fast gleichaltrig sind, und der geringe Altersunterschied führt bei der Verwaltung des Haushalts zu gegenseitigen Vorwürfen. Der Gesetzgeber muß aber auch darauf achten, daß die Neugeborenen körperlich nach seinen Vorstellungen geraten; denn das war der Ausgangspunkt, der uns hierher führte. Mit einer einzigen Maßnahme lassen sich so ziemlich alle diese Absichten verwirklichen. Mit dem Höchstalter von siebzig Jahren ist in den meisten Fällen bei Männern und mit fünfzig bei Frauen das Ende der Fortpflanzungsfähigkeit erreicht. Das früheste Alter für geschlechtliche Vereinigung soll (daher für beide so gewählt werden, daß sie) die genannten Altersgrenzen (zugleich) erreichen. Geschlechtliche Vereinigung in zu jungem Alter hat aber nachteilige Folgen für die Nachkommen. Denn bei allen Tieren sind die Abkömmlinge zu junger Eltern unvollkommen ausgebildet, sie sind eher weiblich und klein an Gestalt, weshalb bei Menschen das gleiche eintreten muß. Das läßt sich leicht bestätigen: in Städten, in denen es üblich ist, Männer und Frauen in jungem Alter zu vermählen, sind die Neugeborenen unterentwickelt und körperlich klein. Außerdem leiden die (zu) jungen Frauen bei der Geburt schlimmer, und sie kommen in größerer Zahl um. Daher wurde auch das bekannte Orakel den Troizeniern, wie einige behaupten, aus dem Grunde erteilt, weil dort viele Frauen starben, da sie in zu jugendlichem Alter heirateten – das Orakel bezog sich aber nicht auf die Ernte der Frucht. Frauen nicht in zu jungem Alter zu verheiraten trägt außerdem zu ihrem maßvollen Betragen bei; denn wenn sie früh mit Geschlechtsverkehr beginnen, stehen sie in dem Ruf, sexuell allzu maßlos zu sein. Auch die Körper junger Männer (leiden; sie) werden, wie man glaubt, in ihrem Wachstum beeinträchtigt, wenn sie schon Geschlechtsverkehr haben, während ihr Samen noch am Wachsen ist; denn für sein Wachstum gibt es eine fest umrissene Zeitspanne, nach deren Ablauf er nicht mehr zunimmt.
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Das passende Heiratsalter ist daher bei Frauen etwa achtzehn Jahre, bei Männern dagegen siebenunddreißig oder weniger †…† Denn in diesem Alter schließen (beide) die eheliche Verbindung in der Blüte ihrer körperlichen Kraft, und in einem passenden Alter gehen sie gemeinsam dem Ende des Zeugens oder Gebärens entgegen. Außerdem werden dann die Kinder den Platz ihrer Eltern zum (richtigen) Zeitpunkt einnehmen: sie stehen selber am Anfang ihrer Blütezeit, sofern, wie man erwarten kann, die Kinder gleich (zu Beginn der Ehe) geboren werden, und bei den (Vätern) sind im Alter von ungefähr siebzig Jahren die Kräfte am Schwinden. Damit ist nun erörtert, in welchem Alter man die eheliche Gemeinschaft schließen solle. Die Ehepartner sollen (für die Fortpflanzung) die Jahreszeit bevorzugen, die auch jetzt die meisten zu Recht nutzen, wenn sie den Winter für diese Vereinigung wählen. Für das Kinderzeugen müssen die Ehepartner außerdem die Darlegungen von Ärzten und Naturkundigen beachten; denn die Ärzte geben treffend den Zeitpunkt, der beim Körper (dafür) günstig ist, an und ebenso die Naturkundigen bei den Winden: sie geben den Nordwinden klar den Vorzug vor den Südwinden. Was für eine Körperverfassung (der Eltern) am ehesten die Neugeborenen begünstigt, muß ausführlicher und genauer in den Erörterungen über die Behandlung von Kindern dargelegt werden; es reicht aber aus, dies hier knapp zu umreißen. Die Stärke eines Athleten trägt nichts zur Konstitution, wie sie ein Bürger braucht, oder seiner Gesundheit und Fortpflanzungsfähigkeit bei, genauso wenig aber auch eine pflegebedürftige Körperverfassung, die Anstrengungen zu wenig gewachsen ist, sondern eine in der Mitte. Die Eltern brauchen eine Konstitution, die durch Training gekräftigt ist, aber nicht eine, die unter gewaltsamen Anstrengungen oder einseitig trainiert ist wie die der Athleten, sondern eine, die die Handlungen von Freien begünstigt. Dies muß für Männer und Frauen in gleicher Weise gelten. Auch während der Schwangerschaft müssen sich die Frauen um ihren Körper kümmern, sie sollen ihm keine Ruhe gön-
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nen und sollen nicht kärgliche Nahrung zu sich nehmen. Der Gesetzgeber kann dies leicht sicherstellen, indem er anordnet, daß sie sich täglich auf den Weg machen, um den Göttern ihre Verehrung entgegenzubringen, denen die Verehrung für die Geburt von Kindern zufiel. Anders als dem Körper sollen sie aber dem Geist Entspannung gönnen. Denn offensichtlich wird das Kind im Mutterleib von (dem Zustand) seiner Mutter beeinflußt so wie die Pflanzen von der Erde. Zur Aussetzung oder dem Aufziehen der Neugeborenen soll ein Gesetz vorschreiben, daß man kein behindertes Kind aufziehen darf; dagegen wegen Kinderreichtums ein Kind auszusetzen, verbietet die herkömmliche Ordnung; denn die Zahl der Geburten muß man begrenzen, und wenn bei einigen geschlechtliche Vereinigung doch zu weiterer Schwangerschaft führt, dann muß man eine Abtreibung vornehmen, bevor das Ungeborene Wahrnehmung und Leben hat; denn was hierbei göttliches Gebot gestattet oder verbietet, soll danach bestimmt sein, ob das Ungeborene Wahrnehmungsvermögen und Leben besitzt. Für Mann und Frau wurde das Alter bestimmt, in dem man mit der sexuellen Vereinigung beginnen soll. Genauso soll auch festgelegt werden, wie lange man sich der Aufgabe widmen soll, Kinder hervorzubringen; denn Kinder von Eltern fortgeschrittenen Alters werden genauso wenig wie diejenigen der zu jungen in ihren körperlichen und geistigen Fähigkeiten vollkommen entwickelt geboren, und Kinder von Eltern in hohem Alter sind schwächlich. Deswegen soll man die Zeit der größten geistigen Leistungskraft (als Grenze für das Fortpflanzen setzen), dies ist bei den meisten das Alter etwa um fünfzig Jahre, das auch einige Dichter angeben, die die Lebenszeit nach Altersspannen von je sieben Jahren bemessen. Daher sollen (Männer) im Alter von vier- oder fünfundfünfzig mit dem Zeugen von Kindern, die geboren werden, aufhören. In den folgenden Jahren soll man aber offensichtlich zum gesundheitlichen Wohlbefinden und einem anderen entsprechenden Grund miteinander sexuell verkehren. Wir müssen auch die (außerehelichen) Beziehungen zu einer anderen Frau oder einem anderen Mann ansprechen: es
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soll grundsätzlich als verwerflich gelten, sich offen überhaupt in irgendeiner Weise (mit einem anderen Partner) intim einzulassen, solange man Ehemann ist und so angeredet wird. Wenn aber bekannt wird, daß jemand so etwas in dem Zeitraum tut, in dem man Kinder zeugt, dann soll er mit Ehrverlust, der (der Schwere) des Vergehens entspricht, bestraft werden. Kapitel 17. Wenn nun die Kinder geboren sind, hat, wie man doch wohl annehmen muß, die Qualität der Nahrung einen großen Einfluß auf ihre Körperkraft. Eine Betrachtung der anderen Lebewesen und der Volksstämme, denen es ernst damit ist, eine kriegerische Konstitution anzuerziehen, zeigt, daß eine an Milch reiche Nahrung den Körpern besonders zuträglich ist; sie enthält aber besser keinen Wein, da dieser krank macht. Es ist auch nützlich, daß Kinder alle Bewegungen machen, die ihr frühes Alter erlaubt. Um aber zu verhindern, daß die Gliedmaßen, die noch biegsam sind, verformt werden, benutzen auch heute noch einige Volksstämme künstliche Hilfsmittel, die ihren Körper gerade erhalten. Vorteilhaft ist aber auch, die Kinder gleich im frühesten Alter an Kälte zu gewöhnen, und dies ist sowohl für ihre Gesundheit als auch für kriegerische Aktionen höchst nützlich. Deswegen pflegen viele Barbaren entsprechende Bräuche: die einen tauchen die Neugebo renen in einen kalten Fluß ein, andere wie die Kelten lassen sie nur kurz geschnittene Kleidungsstücke tragen. Es ist besser, sie an alles, woran man sie nur gewöhnen kann, gleich von Anfang an zu gewöhnen, aber dann Schritt für Schritt in der Gewöhnung weiterzugehen. Wegen seiner Wärme eignet sich der Körper von Kindern von Natur gut dafür, an Kälte gewöhnt zu werden. In dieser oder ähnlicher Weise sorgt man am besten für die Kinder im frühesten Alter. In der darauf folgenden Altersstufe, bis zum Alter von fünf Jahren, ist es noch zu früh, sie irgendeinem Lernen oder Anstrengungen, die ihnen Gewalt antun, auszusetzen, damit diese nicht ihr Wachstum beeinträchtigen; sie sollen aber soviel Bewegung erhalten, daß sie nicht körperlich träge wer-
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den. Tätigkeiten aller Art und besonders Spiel sollen ihnen diese Bewegung verschaffen. Diese Spiele müssen aber auch zu Freien passen und sollen weder anstrengend noch weichlich sein. Beamte, die man Knabenaufseher nennt, sollen darauf achten, was für Erzählungen und Geschichten Kinder in diesem Alter hören dürfen; denn dies alles soll den Weg für die späteren Beschäftigungen bahnen; deswegen soll Spiel zum größten Teil das, was man später ernsthaft betreibt, nachahmen. Zu Unrecht verbieten aber diejenigen heftiges Weinen, die dies in ihren Gesetzen verhindern wollen; denn es fördert das Wachstum, es ist ja in gewisser Weise Training für den Körper. Das Zurückhalten des Atems gibt nämlich allen, die sich anstrengen, Kraft, und dies gilt auch für Kinder, die sich (beim Weinen) anstrengen. Die Knabenaufseher sollen darüber wachen, wie diese Kinder sonst ihre Zeit verbringen, und besonders, daß sie sich möglichst wenig in der Gesellschaft von Sklaven aufhalten. Denn in diesem Alter und danach, bis sie sieben Jahre alt sind, müssen sie im Hause großgezogen werden. Es ist aber zu erwarten, daß sie auch schon in diesem Alter von allem, was sie hören und sehen, unfreies Betragen aufnehmen. Ganz besonders muß der Gesetzgeber schmutzige Sprache völlig aus dem Staat verbannen; denn von dem leichtfertigen Gebrauch schmutziger Rede ist es nur ein kleiner Schritt, bis man solche Dinge auch tut. Auf alle Fälle muß man dies aber von den Kindern fernhalten, damit sie nichts dieser Art sagen oder hören. Wenn aber bekannt wird, daß jemand etwas Verbotenes sagt oder tut, dann soll man ihn, wenn er ein Freier ist, aber noch nicht den Zugang zu den gemeinsamen Mahlzeiten gewonnen hat, mit entehrenden Maßnahmen und mit Schlägen bestrafen, einen älteren, mit entehrenden Maßnahmen, wie sie einem Unfreien zukommen, wegen seines sklavischen Betragens. Da wir solche Redensweise (aus dem Staat) verbannen, untersagen wir offensichtlich auch, daß man Zuschauer unschicklicher Darstellungen in Bild oder Wort wird. Die Beamten müssen daher darüber wachen, daß kein Standbild oder Gemälde solche Handlungen darstellt. Solche Darstellungen
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sollen nur bei den Göttern erlaubt sein, denen das Gesetz auch derbe Freizügigkeit gestattet. Außerdem stellt ja auch das Gesetz allen frei, wenn sie nur das entsprechende Alter erreicht haben, für sich selber, für ihre Kinder und Frauen die Götter zu ehren. Die Jüngeren darf man aber erst dann als Zuschauer (der Aufführung) von jambischen Versen und Komödie zulassen, wenn sie das Alter erreicht haben, in dem sie an den gemeinsamen Mahlzeiten und berauschendem Trinken teilnehmen dürfen, und wenn die Erziehung sie völlig gegen den davon kommenden Schaden unempfindlich gemacht haben wird. Wir haben dies nun gleichsam im Vorübergehen dargelegt. Später müssen wir dem aber mehr Aufmerksamkeit widmen und dies genauer bestimmen, indem wir zuerst die Frage erörtern, ob man diese (Aufführungen) eher untersagen soll oder gestatten darf und wie man dies gesetzlich regeln soll. (Hier) sind wir nur so weit darauf eingegangen, wie es im gegenwärtigen Zusammenhang notwendig war. Vielleicht hat der Tragödienschauspieler Theodoros das, was wir meinen, nicht schlecht zum Ausdruck gebracht. Er erlaubte nämlich niemandem, selbst keinem der schwächeren Schauspieler, vor ihm auf der Bühne aufzutreten, da die Zuschauer von dem eingenommen würden, was sie zuerst hören. Das Gleiche gilt aber auch in den Beziehungen zu Menschen und zu Dingen: wir entwickeln ja eine Vorliebe für alle unsere frühesten (Eindrücke). Deswegen muß man den Kindern alles Minderwertige fremd machen, besonders das, was Schlechtigkeit oder Böswilligkeit enthält. Nach Vollendung der ersten fünf Lebensjahre, während der zwei Jahre, bis sie sieben Jahre alt werden, sollen die Kinder schon als Zuschauer bei der Ausbildung in den Gegenständen, die sie später lernen sollen, zugegen sein. Es gibt zwei Altersstufen, die eine je besondere Erziehung verlangen: die, die auf den Zeitraum zwischen dem Alter von sieben Jahren und der Pubertät † folgt †, und dann die † nach † dem Zeitraum von der Pubertät bis zum einundzwanzigsten Lebensjahr. Denn diejenigen, die die Altersstufen nach Zeitspannen von sieben Jahren abgrenzen, vertreten im Großen und Ganzen keine
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schlechte Auffassung, man muß aber der Einteilung der Natur folgen; denn jede fachkundige Tätigkeit und Unterweisung will den Mängeln der Natur abhelfen. Zunächst muß man nun untersuchen, ob man eine bestimmte Ordnung (der Erziehung) der Kinder entwickeln soll, danach ob es von Nutzen ist, sie öffentlich oder privat zu erziehen, wie es jetzt in den meisten Staaten gehandhabt wird, und drittens, was für eine Erziehung dies sein soll.
BUC H V I I I Achtes Buch
Kapitel 1. Der Gesetzgeber muß die Erziehung der Jugendlichen zu seiner wichtigsten Aufgabe machen, wie wohl niemand bestreiten dürfte; denn wo dies in den Staaten versäumt wird, schadet das den Verfassungen. Es muß nämlich eine Erziehung auf (die Grundsätze) jeder Verfassung hin geben; der Charakter (der Bürger), der jeder Verfassung eigentümlich ist, pflegt ja die Verfassung zu erhalten und bringt sie am Anfang überhaupt erst hervor, z. B. ein demokratischer Charakter eine Demokratie und ein oligarchischer eine Oligarchie, und je besser der Charakter ist, umso besser macht er in allen Fällen die Verfassung. Außerdem muß man in allen Fertigkeiten und fachkundigen Tätigkeiten zuvor in einigen Dingen ausgebildet und durch Gewöhnung vorbereitet werden, um sie ausüben zu können; dies gilt dann offensichtlich auch für die Handlungen von charakterlicher Vorzüglichkeit. Da der ganze Staat ein einziges Ziel verfolgt, so ist damit auch klar, daß die Erziehung aller ein und dieselbe und eine gemeinschaftliche Aufgabe sein muß und daß sie nicht eine Privatangelegenheit sein darf, so wie sich jetzt jeder persönlich seiner Kinder annimmt und ihnen eine je besondere Ausbildung nach eigenem Gutdünken erteilt. Um gemeinschaftliche Angelegenheiten muß man sich aber auch gemeinsam bemühen. Zugleich darf man auch nicht glauben, ein Bürger gehöre sich selber, vielmehr gehören alle dem Staat, denn jeder ist ein Teil des Staates, naturgemäß richtet sich aber die Tätigkeit des Teils an der des Ganzen aus. Auch in dieser Hinsicht mag man die Spartaner loben; denn sie bemühen sich ganz besonders um die (Erziehung der) Kinder, und sie tun dies gemeinschaftlich. Kapitel 2. Damit ist geklärt, daß die Erziehung durch Gesetzgebung geregelt sein und daß man sie zu einer gemeinschaft
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lichen Aufgabe machen muß; aber was für eine Erziehung dies sein soll und wie (die Kinder) erzogen werden sollen, darf nicht unbekannt bleiben. Jetzt ist man sich ja darüber uneins, wie man hierbei vorgehen soll; denn nicht alle glauben, daß die Kinder die gleichen Dinge lernen müssen, um gute menschliche Qualität oder das beste Leben zu verwirklichen; und es ist auch unklar, ob man (dabei) mehr auf die (Ausbildung des) Verstandes oder des Charakters der Seele hinarbeiten soll. Auch die jetzt allgemein übliche Erziehung bietet ein verwirrendes Bild, und es bleibt unklar, ob man die für das Leben nützlichen Dinge oder das, was zu guter menschlicher Qualität beiträgt, oder das nicht nutzbringend Anwendbare lernen soll – alle Möglichkeiten haben ja Befürworter gefunden. (Dabei) gibt es auch keine Einigkeit über die Arten der Ausbildung, die zu persönlicher Vorzüglichkeit führen – (verständlicherweise), denn von vornherein schätzen nicht alle die gleiche Form guter menschlicher Qualität; so ist denn zu erwarten, daß sie sich auch darüber uneinig sind, wie man sie einüben soll. Es ist nun unbestritten, daß man die nützlichen Dinge, soweit sie unverzichtbar sind, lernen muß; (zugleich) ist aber auch offensichtlich, daß man nicht alle zu lernen braucht, denn es gibt eine klare Unterscheidung zwischen den Tätigkeiten, die zu Freien bzw. Unfreien passen, 〈 u nd 〉 (es ist klar), daß man sich zu nützlichen Tätigkeiten dieser Art nur bereit finden darf, wenn man dadurch nicht ein Banause wird – als banausisch muß man die Tätigkeit und Fertigkeiten oder die Ausbildung ansehen, die den Körper oder die Seele oder den Geist der Freien untauglich für die Verwirklichung und die Handlungen von guter menschlicher Qualität machen. Deswegen bezeichnen wir ja auch die Fertigkeiten, die den Körper in Mitleidenschaft ziehen, und Lohnarbeiten als banausisch, denn sie berauben den Geist der Muße und machen ihn gemein. Während es durchaus eines Freien nicht unwürdig ist, bis zu einem gewissen Grade mit einigen zu einem Freien passenden Wissensgegenständen vertraut zu sein, zieht es doch die beschriebenen schlimmen Folgen nach sich, wenn man sich
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ihnen widmet, um sie perfekt zu beherrschen. Und es macht auch einen großen Unterschied, zu welchem Zweck man etwas tut oder lernt; denn für sich selber oder für Freunde oder angetrieben von guter menschlicher Qualität zu handeln, hat durchaus nichts Unfreies an sich; wer aber genau dasselbe im Dienste anderer tut, der kann häufig den Eindruck erwecken, eine Tätigkeit nach der Art eines Tagelöhners oder Sklaven zu verrichten. Die heutzutage praktizierten Methoden der Unterweisung verfolgen, wie wir gesagt haben, kein einheitliches Ziel. Kapitel 3. Es sind wohl vier Gegenstände, die man zu lehren pflegt: Lesen und Schreiben, Gymnastik und Musik; einige unterrichten auch in Zeichnen als dem vierten Fach. Schreiben und Zeichnen lehrt man, weil man sie als nützlich für das Leben und in vielfältiger Weise brauchbar hält, Gymnastik, weil sie zu Tapferkeit beitrage; über (den Zweck von) Musik könnte man aber schon Fragen aufwerfen: heutzutage üben die meisten Musik zu ihrem Vergnügen aus, während die Männer der Vergangenheit ihr einen Platz in der Erziehung gaben, weil, wie schon häufig dargelegt wurde, die Natur selber nicht nur sucht, richtig tätig zu sein, sondern sich auch in würdiger Weise der Muße zu erfreuen – dies ist das eine Grundprinzip von allem, und wir wollen dies hier wiederholen. Nun sind zwar beide unerläßlich, Muße ist aber dem Tätigsein vorzuziehen und ist sein Zweck; daher muß man untersuchen, womit man sich während der Muße beschäftigen soll. Bestimmt nicht mit Amüsement, denn dann müßte ja Amüsement das Lebensziel sein – das ist aber unmöglich. Man muß sich Amüsement eher in (Zeiten) anstrengender Tätigkeit gestatten; denn wer sich anstrengt, braucht Erholung, und Amüsement dient der Erholung, während Arbeit von Anstrengung und Anspannung begleitet ist. Amüsement muß man sich aus diesem Grunde gönnen, aber den dafür richtigen Zeitpunkt sorgfältig beachten, so wie wenn man Heilmittel verabreicht. Die Bewegung der Seele beim Amüsement ist ja Entspannung, und weil man sich dabei vergnügt, bringt sie Erholung. Muße enthält dage-
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gen, wie man glaubt, Vergnügen, Glück und glückseliges Leben in sich selber; dieser (Segnungen) erfreut sich aber (nur), wer in Muße lebt, nicht dagegen die, die arbeiten müssen. Wer arbeitet, müht sich ja um eines Zweckes willen ab, der noch nicht erfüllt ist; Glück ist dagegen das Ziel selber und alle nehmen an, daß Glück nicht von Schmerz, sondern von freudigem Empfinden begleitet ist; aber nicht mehr alle sind sich darüber einig, welche Freude (Glück begleitet), sondern jeder wählt sie, wie es zu ihm und seinem Wesen paßt; der Beste wählt die beste Lust und die, die von den nobelsten Anlässen erregt wird. Damit ist Folgendes klar: einige Dinge muß man auch für die Muße einer sinnerfüllten Lebensgestaltung lernen und sich darin erziehen lassen; diese Gegenstände der Erziehung und des Lernens enthalten den Zweck in sich selber, während was man für die Arbeit lernt, notwendig ist und anderen Zwecken dient. Deswegen haben auch die Männer der Vergangenheit der Musik einen Platz in der Erziehung zugewiesen. Sie sahen sie nicht als notwendig an, denn das gibt es nicht in der Musik, auch nicht als nützlich, so wie Lesen und Schreiben für gewinnbringende Geschäfte, für Hausverwaltung, Lernen und viele politische Tätigkeiten von Nutzen ist; auch das Zeichnen verhilft ja, wie man meint, zu einem besseren Urteil über die Arbeiten von Handwerkern. (Die Alten glaubten) auch nicht, daß Musik – so wie Gymnastik – Gesundheit und Kraft fördere, denn wir können bei Musik keine Wirkung dieser Art beobachten. Es bleibt damit, daß sie zur sinnerfüllten Lebensgestaltung während der Muße beiträgt; dafür haben sie offensichtlich auch die meisten eingeführt, denn sie weisen ihr einen Platz in der Lebensgestaltung, wie sie nach ihrer Auffassung Freie pflegen sollen, zu. Deswegen hat auch Homer so gedichtet: »aber es gehört sich, zu reichlichem Mahle zu laden«; und nachdem er so zuerst andere aufgezählt hat, fährt er fort: »die den Sänger einladen, der alle erfreut«; und anderswo sagt Odysseus, man verbringe die Zeit am besten, wenn Menschen sich vergnügen und »die Gäste eines Mahles, einer neben dem anderen sitzend, im Hause dem Sänger zuhören.«
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Damit ist klar, daß die Söhne eine bestimmte Form von Ausbildung erhalten müssen, nicht weil sie nützlich oder notwendig ist, sondern weil sie zu einem Freien paßt und in sich vollendet ist – ob es aber nur eine einzige Art gibt oder mehrere und welches diese sind und wie man sie lehren soll, muß später erörtert werden. (Selbst nur) soweit gekommen zu sein ist für uns von Nutzen, zumal wir ja auch von den Männern der Vergangenheit in den verbreiteten Erziehungsgegenständen ein unterstützendes Zeugnis erhalten – die Musik macht dies ja deutlich. Außerdem (ist aber auch klar), daß man die Kinder in einigen nützlichen Dingen nicht nur wegen ihres unmittelbaren Nutzens – wie bei Lesen und Schreiben – unterweisen lassen muß, sondern auch weil man dadurch andere Dinge lernen kann. Ebenso sollen sie nicht nur zu zeichnen lernen, damit sie bei ihren eigenen Käufen keine Fehler machen und beim Kauf oder Verkauf von Geräten vor Betrug geschützt sind, sondern eher weil es zum Erfassen der Schönheit der Form verhilft. Denn überall das Nützliche zu suchen gehört sich am wenigsten für Männer mit einer hohen Gesinnung und von freier Art. Es ist klar, daß man die Kinder früher durch Gewöhnung als durch Vernunft erziehen und früher den Körper als den Geist ausbilden muß. Danach unterliegt es keinem Zweifel, daß die Kinder Leibeserziehung erhalten müssen: in Gymnastik, die eine bestimmte Körperverfassung hervorbringt, und in spezifischem Training, das erreicht, daß man zu gewissen Leistungen fähig ist. Kapitel 4. Einige Staaten, die dafür bekannt sind, daß sie sich am meisten um die Erziehung der Kinder kümmern, entwickeln in ihnen heutzutage die Körperkonstitution von Athleten. Dadurch schädigen sie Aussehen und Wachstum des Körpers. Die Spartaner begingen zwar nicht diesen Fehler, sie machen aber durch die Anstrengungen (ihres Trainings) aus den jungen Männern (geradezu) wilde Tiere, so als ob dies am ehesten Tapferkeit fördere. Man soll sich aber bei der Erziehung, wie schon häufig festgestellt wurde, weder eine einzige Form
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persönlicher Tüchtigkeit, noch in besonderem Maße gerade Tapferkeit zum Ziel setzen. Wenn man aber auch zu Tapferkeit erziehen muß, (versagen die Spartaner auch hier:) sie verstehen nicht einmal, was Tapferkeit hervorbringt. Unsere Beobachtung anderer Lebewesen oder der Barbaren zeigt ja, daß sich Tapferkeit nicht bei den wildesten findet, sondern eher denen, die einen ruhigeren oder löwenhaften Charakter besitzen. Es gibt viele barbarische Stämme, die keine Skrupel kennen, andere umzubringen und Menschen zu essen, wie die Achäer am Pontos und die Heniocher und andere Völker auf dem Festland – einige handeln genauso wie diese, andere sogar schlimmer, so diejenigen, die vom Plündern leben, aber Tapferkeit besitzen sie nicht. Außerdem wissen wir, daß die Spartaner selber allen anderen überlegen waren, solange sie sich allein schonungslos ihrem anstrengenden Training unterwarfen, während sie jetzt sowohl bei sportlichen Wettkämpfen als auch bei kriegerischen Begegnungen von anderen besiegt werden. Denn es war nicht die Art ihres Trainings der Jugend, der sie die Überlegenheit verdankten, sondern die Tatsache, daß sie allein trainierten und Gegner hatten, die nicht trainierten. Daher muß die Absicht, vollkommen zu handeln, aber nicht das tierisch Wilde die wichtigste Rolle spielen. Denn nur ein guter Mann, aber kein Wolf oder irgendein anderes Tier kämpft in einer Gefährdung, in der ethische Vollkommenheit auf dem Spiel steht. (Staaten), die den jungen Männern erlauben, sich zu stark in diese Richtung zu entwickeln, und ihnen die Ausbildung in den notwendigen (Eigenschaften) vorenthalten, bringen in Wahrheit eng beschränkte Kriegshandwerker hervor; sie machen diese in ihrer politischen Fähigkeit ja nur für eine Aufgabe brauchbar – und für diese noch schlechter als andere, wie mein Argument behauptet. Man darf auch nicht nach den Leistungen der Vergangenheit urteilen, sondern denen der Gegenwart: jetzt finden sie nämlich andere, die gegen sie in der Erziehung zum Wettstreit antreten, früher gab es diese jedoch nicht.
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Es herrscht nun Einigkeit darüber, daß Körpertraining ein Teil der Erziehung sein muß und wie man dabei verfahren soll: bis zur Pubertät muß man (den Jugendlichen) leichtere gymnastische Übungen vorschreiben, aber ein Zwangsregiment bei der Diät und gewaltsame Anstrengungen von ihnen fernhalten, damit nichts ihr Wachstum behindert. Ein nicht unbedeutendes Indiz dafür, daß (Zwang bei Diät und Übungen) solche negativen Wirkungen haben kann, liefern die Sieger bei den Olympischen Spielen: man kann (nur) zwei oder drei finden, die sowohl als Männer wie zuvor als Jugendliche gesiegt haben; (die anderen) haben durch ihr Training in jungem Alter wegen der Übungen, die ihnen Gewalt antun, ihre Kraft verloren. Wenn (die jungen Männer) sich aber nach der Pubertät drei Jahre lang anderen Lehrgegenständen gewidmet haben, dann ist der richtige Zeitpunkt erreicht, um sie in der folgenden Altersstufe Anstrengungen und einem Zwangsregiment bei der Diät zu unterwerfen. Denn gleichzeitig darf man nicht mit dem Geist und dem Körper anstrengend arbeiten; jede von beiden Anstrengungen bewirkt ja naturgemäß Entgegengesetztes: die Anstrengung des Körpers behindert den Geist und die des Geistes den Körper. Kapitel 5. Einige strittige Fragen zur Musik haben wir in unserer Behandlung schon früher aufgeworfen, und es ist jetzt angebracht, sie wieder aufzugreifen und voranzubringen; sie sollen gleichsam das Vorspiel zu einer Erörterung werden, mit der sich jemand zu diesem Thema äußern möchte; es ist ja nicht leicht zu bestimmen, welche Wirkung Musik hat oder weshalb man Musik pflegen soll: soll man dies zum Amüsement und zur Erholung tun, so wie man Schlaf und Zechen genießt? Keines von diesen gehört ja für sich genommen zu den Dingen, um die man sich ernsthaft bemüht, sondern sie tun wohl, und zugleich »beenden sie Kummer«, wie Euripides sagt. Deswegen bringt man Musik auch mit ihnen zusammen und genießt alles, Schlaf, Rausch und Musik, in der gleichen Weise – manche rechnen auch Tanz dazu. Oder soll man eher glauben, daß Musik zu charakterlicher Vorzüglichkeit beiträgt? Denn wie
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Gymnastik eine bestimmte Körperverfassung hervorbringt, so kann man annehmen, daß Musik den Charakter prägen kann, indem sie daran gewöhnt, in der richtigen Weise Freude empfinden zu können. Oder trägt sie irgendwie zur sinnerfüllten Lebensgestaltung und zur Geistesbildung bei, denn diese muß man als drittes unter den angegebenen Zielen ansetzen? Es ist unbestritten, daß Amüsement nicht der Zweck sein kann, für den man die Jugendlichen (musikalisch) ausbilden soll, denn sie haben keinen Spaß beim Lernen, Lernen tut ihnen ja weh. Aber auch sinnerfüllte Lebensgestaltung kann man nicht Kindern und entsprechenden Altersstufen zugestehen; denn niemand, der noch nicht seine Vollendung erreicht hat, kann das Vollendete beanspruchen. Aber vielleicht kann man einwenden, daß man bei dem Ernst (musikalischer Ausbildung) der Kinder auf das Amüsement hinzielt, dessen sie sich als Erwachsene in ihrem reifen Alter erfreuen werden. Aber warum sollen sie in diesem Falle (Musikausübung) selber lernen, anstatt sich wie die Könige der Perser und Meder an den künstlerischen Darbietungen von Musikern zu erfreuen und zu † lernen †? Denn jemand, der Musik zu seinem Beruf und Kunst gemacht hat, muß doch einen höheren Kunstgenuß bieten als die, die soviel Mühe darauf verwandt haben, wie man gerade nur für das Erlernen braucht. Wenn sich die (Jugendlichen) diese (Fertigkeiten) selber mühsam aneignen sollen, dann müßte man sie auch in der Vorbereitung von Speisen ausbilden, aber das ist absurd. Die gleiche Frage stellt sich aber auch dann, wenn (Musik) den Charakter besser machen kann: warum soll man (ihre Ausübung) selber erlernen, anstatt anderen zuzuhören und dabei (durch Gewöhnung) die Fähigkeit zu gewinnen, in der richtigen Weise Freude zu empfinden und zu urteilen so wie die Spartaner? Obwohl diese nicht selber (Musik auszuüben) lernen, können sie trotzdem, wie sie behaupten, zutreffend beurteilen, welche Gesänge gut sind und welche nicht. Das gleiche Argument gilt aber auch, wenn man Musik für den angenehmen Zeitvertreib und die sinnerfüllte Lebensgestaltung eines freien Mannes verwenden soll: warum soll man
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sie selber erlernen, anstatt sich an den künstlerischen Darbietungen anderer zu erfreuen? Man kann auch an unsere Vorstellung über die Götter erinnern: die Dichter lassen nicht Zeus selber singen oder die Kithara spielen; wir bezeichnen ja Sänger und Kitharaspieler gewerbsmäßige Musikanten, und kein Mann singt oder spielt selber die Kithara außer unter dem Einfluß von Wein oder zum eigenen Vergnügen. Dies muß vielleicht später genauer erörtert werden. Zuerst muß man untersuchen, ob man der Musik einen Platz in der Erziehung zuweisen soll oder nicht und welche der drei erwogenen Wirkungen sie hat: (Charakter-)Bildung, Amüsement oder sinnerfüllte Lebensgestaltung. Mit guten Gründen wird sie mit ihnen allen in Verbindung gebracht, und sie gehört offensichtlich zu allen; denn man sucht Amüsement, um sich zu erholen, Erholung muß aber Vergnügen bereiten, denn sie ist eine Kur der Mühsal, die harte Anstrengungen mit sich bringen. Und sinnerfüllte Lebensgestaltung muß nach der übereinstimmenden Meinung aller nicht nur das Noble besitzen, sondern auch Vergnügen einschließen; denn Glück setzt beides voraus. Musik, einerlei ob sie reine Instrumentalmusik oder von Gesang begleitet ist, bereitet nun eines der größten Vergnügen, wie wir alle behaupten; wenigstens sagt auch Musaios: »Gesang ist Sterblichen die größte Erquickung«; und so zieht man sie ja auch zu geselligen und unterhaltsamen Zusammenkünften hinzu, weil sie Freude verbreiten kann. Danach wird man schon aus diesem Grunde annehmen können, daß die jungen Leute in Musik erzogen werden müssen; denn Annehmlichkeiten, die nicht schaden, passen nicht nur zum vollkommenen Zustand, sondern auch zur Erholung. Menschen gelingt es auch nur selten, sich im vollkommenen Zustand zu befinden, häufiger erholen sie sich und amüsieren sich, nicht nur weil sie sich etwas Weiteres davon versprechen, sondern auch einfach zum Vergnügen; und so ist es doch wohl nützlich, ihnen zu gestatten, sich bei dem Vergnügen, das die Musik bringt, zu entspannen. Es ist eine allgemeine Erfahrung, daß Menschen sich Amüse ment zum Lebensziel machen; denn auch das Lebensziel schließt ja doch wohl eine Form von Vergnügen ein, aber nicht jede be-
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liebige. Während sie nun jene (höchste) Form von Vergnügen suchen, wählen sie eine beliebige, als sei sie die wahre, weil sie eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Ziel der Handlungen aufweist. Das Ziel wird ja nicht wegen erst in der Zukunft erreichbarer Vorteile gewählt, und ebenso sucht man diese anderen Arten von Vergnügen nicht wegen Zukünftigem, sondern Vergangenem wie (der Erholung von) Anstrengungen und Schmerz. Diese Tatsache könnte man mit Recht als den Grund angeben, weshalb man Glück in diesen Arten von Vergnügungen sucht. (Man soll) aber, wie es scheint, Musik nicht nur wegen dieser Form von Vergnügen, sondern auch wegen ihres Nutzens für die Erholung (genießen). Man muß aber auch Folgendes untersuchen: hat die Musik vielleicht wohl beiläufig diese Wirkung, besitzt aber ihrer Natur nach einen höheren Wert als nur den, der genannten (Erholung) zu dienen? Soll man also nicht nur das von allen geteilte Vergnügen, das alle als Wirkung von Musik empfinden, genießen – Musik bringt ja eine natürliche Freude, weshalb Musikgenuß bei allen Altersstufen und Charaktertypen beliebt ist? Soll man nicht vielmehr untersuchen, ob sie irgendwie auch auf den Charakter und die Seele einwirkt? Dies ist dann evident, wenn wir durch sie in unserem Charakter in einer bestimmten Weise beeinflußt werden. Daß wir nun tatsächlich in einer bestimmten Weise beeinflußt werden, zeigt sich deutlich besonders an den Kompositionen des Olympus; denn diese versetzen unbestritten die Seelen in einen Zustand von Ekstase, Ekstase ist aber ein Affekt, der in der Seele den Charakter erfaßt. Außerdem werden alle, die nachahmenden Darstellungen zuhören, auch allein schon 〈 durch 〉 Rhythmen und Melodien in ihren Empfindungen mitgerissen. Musik gehört nun zu den Freude bereitenden Dingen, und charakterliche Vorzüglichkeit hat damit zu tun, daß man in der richtigen Weise Freude empfindet, liebt und haßt. Daher muß man vor allem anderen (die Fähigkeit) erlernen oder sich durch Gewöhnung aneignen, richtig zu urteilen und an guten Charakteren und ethisch vollkommenen Handlungen Gefallen zu finden. Nach den wirklichen natürlichen Regungen
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von Zorn und gelassener Ruhe, von Tapferkeit und selbstbeherrschter Mäßigung und allen Äußerungen des Charakters, die diesen entgegengesetzt sind, oder den anderen Charakteräußerungen gibt es am ehesten eine Entsprechung zu ihnen in Rhythmen und Melodien. Das läßt sich an den Erfahrungen ablesen: wir ändern uns ja in der Seele, wenn wir solchen (Rhythmen und Melodien) zuhören. Eine Gewöhnung an die Empfindung von Schmerz oder Freude unter ähnlichen Umständen kommt nun solchen Empfindungen angesichts wirk licher Anlässe nahe. Wenn zum Beispiel jemand Freude daran empfindet, das Bild von jemand anzuschauen, und zwar aus keinem anderen Grund als allein wegen der (dargestellten) Gestalt, dann muß ihm auch der Anblick der Person selber, deren Bild er betrachtet, Vergnügen bereiten. Bei den anderen durch die Sinne wahrgenommenen Eindrücken wie denen, die man durch Tasten oder Schmecken aufnimmt, gibt es keine Entsprechung zu charakterlichen Haltungen, aber (sie findet sich) geringfügig bei den Objekten des Gesichtssinnes; denn Formen vermitteln solche Eindrücke, aber nur in einem geringen Ausmaß, und 〈 n icht 〉 alle Menschen sind für Wahrnehmung dieser Art empfänglich. Außerdem enthalten die durch den Gesichtssinn wahrgenommenen (Objekte) nicht Entsprechungen zu charakterlichen Haltungen, sondern die hervorgebrachten Formen und Farben sind eher (bildliche) Zeichen von Charakterhaltungen, und diese sind in Affektszuständen auf den Körpern (sichtbar). Insofern aber das Betrachten dieser Darstellungen doch eine Wirkung (auf den Charakter) hat, sollen die jungen Leute nicht die Bilder des Pauson betrachten, sondern des Polygnot oder jedes anderen Malers und Bildhauers, der gute Charaktere darstellt. In den Melodien allein gibt es dagegen schon Darstellungen charakterlicher Haltungen, und dies ist offensichtlich: die Tonarten sind von vornherein ihrer Natur nach so verschieden, daß man beim Hören auf jede von ihnen mit einer je besonderen Gemütsstimmung reagiert und nicht unverändert bleibt: auf einige reagieren die Zuhörer eher in trauriger und bedrückter Weise wie auf die sogenannte mixolydische Tonart, bei den
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spannungslosen nehmen sie dagegen eine gelöstere Stimmung an; in der Mitte zwischen ihnen liegt am ehesten ihre Reaktion auf eine andere, die dorische Tonart; unter allen Tonarten scheint sie ja allein eine ruhige und feste Haltung hervorzubringen, während die phrygische die Hörer in Ekstase versetzt. All dies erklären diejenigen richtig, die diesen Zweig der Bildung philosophisch untersucht haben, denn sie berufen sich auf die tatsächlichen Vorgänge als stützende Zeugnisse für ihre Ausführungen. Die gleiche Vielfalt liegt auch bei den Rhythmen vor: die einen besitzen einen eher ruhigen, die anderen einen zur Bewegung antreibenden Charakter, und die Körperbewegungen, die die eine Gruppe dieser Rhythmen begleiten, sind von eher vulgärer Art, die der anderen passen dagegen eher zu Freien. Daraus geht nun hervor, daß Musik eine gewisse Qualität des Charakters hervorbringen kann; wenn sie aber diese Fähigkeit besitzt, dann muß man sie offensichtlich einsetzen, und man muß die Kinder in Musik erziehen. Musikunterricht paßt ja in diesem Alter zu ihrer Natur; denn wegen ihres Alters halten Kinder freiwillig nichts Unangenehmes aus, Musik gehört aber von Natur zu den Dingen, die Vergnügen bereiten. Und es scheint eine gewisse Verwandtschaft (zwischen der Seele) und den Tonarten und Rhythmen zu geben. Das erklärt den Ausspruch vieler Weiser, von denen einige sagen, die Seele sei eine Harmonie, die anderen, sie habe eine Harmonie. Kapitel 6. Jetzt muß die Frage erörtert werden, die auch schon früher aufgeworfen wurde: sollen Kinder (Musik) erlernen, indem sie selber singen und (ein Instrument) spielen, oder nicht? Unzweifelhaft fördert es erheblich die Ausbildung einer bestimmten (Charakter-)Qualität, wenn jemand selbst Musik aktiv ausübt. Es ist ja unmöglich oder jedenfalls schwierig, kundig zu urteilen, wenn man nicht selber die Kunst ausgeübt hat. Zugleich gilt, daß Kinder irgendwie die Zeit ausfüllen müssen, und man muß anerkennen, daß die Rassel des Archytas, die man den Kindern gibt, eine willkommene Erfindung ist: sie sollen damit spielen, anstatt die Dinge im Haus zu zerbrechen;
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ein Kind kann ja nicht Ruhe halten. Die Rassel ist als Spielzeug wie geschaffen für Kleinkinder, während für die älteren Kinder (musikalische) Erziehung ist, was (für jene) die Rassel war. Aus solchen Überlegungen wird deutlich, daß Musikunterricht auch die praktische Ausübung einschließen muß. Was hierbei zu den verschiedenen Altersstufen paßt und was nicht, ist nicht schwer zu bestimmen. Es ist auch leicht, die Äußerungen derer zu widerlegen, für die Musikausübung einen Geruch von gewerbsmäßiger Beschäftigung an sich hat. Zunächst einmal gilt folgendes: man soll Musik ausüben, um die Urteilsfähigkeit zu entwickeln; deswegen soll man in der Jugend Musik ausüben; wenn man aber älter geworden ist, soll man davon befreit sein, aber jetzt die Fähigkeit besitzen, das Schöne zu beurteilen und sich daran richtig zu erfreuen, da man in seiner Jugend die entsprechende Ausbildung erhielt. Einige erheben den Vorwurf, Musik(unter richt) mache die Schüler zu Männern, die eine gewerbsmäßige Fertigkeit beherrschen. Dies kann man leicht entkräften, indem man folgende Gesichtspunkte beachtet: einmal den Grad, bis zu dem diejenigen Musik ausüben sollen, die in der wünschenswerten Eigenschaft von Bürgern ausgebildet werden; dann die Art von Melodien und Rhythmen, die sie verwenden, und schließlich die Instrumente, die sie zu spielen erlernen sollen – auch dies ist ja natürlich von Bedeutung. Mit (der Beachtung) dieser Gesichtspunkte kann man den genannten Vorwurf widerlegen; denn andererseits (soll ja nicht bestritten werden, daß) bestimmte Formen von Musik(unterricht) durchaus die behauptete (nachteilige) Wirkung haben können. Es ist damit klar, daß Musikunterricht die später wahrgenommenen Tätigkeiten nicht beeinträchtigen und auch nicht den Körper auf eine Gewerbstätigkeit abrichten, aber für die Ausbildung in kriegerischen und politischen (Tätigkeiten) untauglich machen darf – untauglich schon jetzt für seinen vollen Gebrauch und später für das Lernen. Das gewünschte Ergebnis kann man wohl dann erzielen, wenn die Kinder beim Lernen nicht unter Anstrengungen die Fertigkeiten, die in den Wettbewerben professioneller Musiker erwartet werden, ein-
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üben und auch nicht die virtuosen Kunststücke beherrschen müssen, die jetzt in die Wettkämpfe und von den Wettkämpfen in die musikalische Erziehung Eingang gefunden haben; sie brauchen vielmehr solche Fertigkeiten nur bis zu dem Grade (zu erlernen), daß sie sich an schönen Melodien und Rhythmen erfreuen können und nicht nur den von allen empfundenen (Reiz) von Musik genießen; denn das tun auch sonst einige Tiere, außerdem die große Zahl der Sklaven und Kinder. Daraus wird aber auch klar, welche Instrumente man benutzen soll: man darf zur Erziehung nicht Auloi und auch sonst kein Instrument verwenden, das hohe technische Anforderungen stellt wie die Kithara oder ein ähnliches Instrument, sondern nur die, die sie zu guten Schülern in der musikalischen oder anderen Bildung machen. Außerdem bringt der Aulos keine Charakterhaltung, sondern eher eine starke emotionale Erregung hervor. Man soll ihn daher bei Anlässen verwenden, bei denen die Aufführung eher eine Reinigung, aber nicht Lernen bewirkt. Wir wollen hinzufügen, daß auch folgender Umstand seiner Benutzung in der Erziehung entgegensteht: das Spielen des Aulos erlaubt nicht, einen Text zu singen. Deswegen haben zu Recht die Männer der Vergangenheit den Jugendlichen und den Freien seine Benutzung untersagt, obwohl sie ihn ursprünglich benutzt hatten. Wegen des gestiegenen Wohlstandes konnten sie sich eher der Muße erfreuen und entwickelten eine großzügigere Haltung beim (Verfolgen) charakterlicher Vorzüglichkeit; sie waren außerdem sowohl schon vor den Perserkriegen als auch besonders danach wegen ihrer Erfolge selbstbewußter geworden und griffen alle Bildungsgegenstände auf und machten dabei keinen Unterschied, sondern suchten, noch weitere hinzuzufügen. Deshalb nahmen sie auch das Aulosspielen in die Erziehung auf; so spielte in Sparta ein Chorege selber den Aulos zur Begleitung des tanzenden Chores und in Athen hatte sich das Aulosspielen so weit verbreitet, daß fast die Mehrzahl der Freien Aulos spielte – wir können dies an der Tafel sehen, die Thrasippos, der für Ekphantides den Chor ausgestattet hatte, aufstellte. Später, als man besser unterscheiden konnte, was charakter-
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liche Vorzüglichkeit fördert und was nicht, wurde das Aulosspielen verworfen und ebenso viele ältere Instrumente wie Pektiden, Barbiten und diejenigen, auf denen man hauptsächlich zum Vergnügen derer spielt, die den Musikern zuhören, nämlich Saiteninstrumente mit siebenseitigem und mit dreiseitigem Korpus, Sambyken und alle Instrumente, die eine virtuose Fertigkeit verlangen. Was die Alten im Mythos über die Auloi erzählen, macht Sinn: man sagt nämlich, daß Athene, die die Auloi erfunden hatte, sie fortgeworfen habe. Es ist keine üble Erklärung, daß die Göttin dies tat, weil sie die häßliche Entstellung des Gesichtes (beim Spielen) verabscheute; wahrscheinlicher handelte sie so, weil die Ausbildung im Aulosspielen nichts zum Geist beiträgt, wir schreiben ja Athene Wissen und Kunstverstand zu. Wir lehnen eine Ausbildung zu technischer Meisterschaft sowohl bei der (Wahl der) Instrumente wie bei ihrer Beherrschung ab – als technisch bezeichnen wir die Ausbildung für Wettbewerbe. Denn hierbei spielt man nicht, um seine charakterliche Qualität zu verbessern, sondem zum Vergnügen der Zuhörer, einem vulgären Vergnügen. Deswegen ist dies nach unserem Urteil keine Tätigkeit für Freie, sondern eher für Männer, die gegen Bezahlung arbeiten. Sie werden Musikanten, die sich bei anderen verdingen; das Ziel, das sie sich setzen, ist ja verwerflich. Denn der Theaterbesucher mit seiner Vulgarität pflegt die Musik zu verändern, und damit verdirbt er den Charakter der ausübenden Musiker, die ihm gefallen wollen, und wegen ihrer Bewegungen, die die Musik begleiten, verdirbt er auch ihren Körper. Kapitel 7. Außerdem müssen aber auch folgende Fragen erörtert werden: soll man alle Tonarten und alle Rhythmen [auch für die Erziehung] verwenden oder hier eine Auswahl treffen? Und danach: sollen wir die gleiche Abgrenzung auch für diejenigen vornehmen, die Erziehung ernsthaft betreiben, oder muß man noch zusätzlich eine dritte Regelung treffen? Wir wissen, daß Melodie und Rhythmen die künstlerischen Mittel der Musik sind; es darf aber nicht unbekannt bleiben, welche
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erzieherische Wirkung jedes von beiden hat und ob man eher einer melodisch oder einer rhythmisch ansprechenden Musik den Vorzug geben soll. Nach unserer Auffassung sagen einige der gegenwärtigen Musikforscher und Männer, die von der Philosophie herkommen und Kenntnis in der musikalischen Erziehung besitzen, dazu in vielem das Richtige; daher wollen wir es allen, die eine ins Einzelne gehende genaue Behandlung wünschen, überlassen, sie bei jenen Fachleuten zu suchen; wir werden dies hier umrißhaft erörtern und dabei nur die groben Linien zeichnen. Wir übernehmen die Einteilung der Melodien, wie sie einige Philosophen vorgenommen haben, wenn sie die einen als ethisch, die anderen als praktisch und die letzte Gruppe als enthusiastisch charakterisieren; (wir folgen ihnen) auch in der Art, wie sie den jeweils zu jedem (Typus von) Melodien passenden Charakter der Tonarten angeben, nämlich für jeden einen anderen. Wir behaupten auch, daß man sich der Musik nicht nur wegen eines, sondern wegen mehrerer nützlicher Zwecke widmen soll; denn man soll dies wegen der (charakterlichen) Erziehung und der Reinigung – was wir unter Reinigung verstehen, wollen wir jetzt ohne weitere Erklärungen, aber später in den Erörterungen Über die Dichtkunst genauer darlegen – und drittens wegen der sinnerfüllten Lebensgestaltung 〈 bzw. 〉 der Entspannung und Erholung von Anspannung tun. Es ist damit klar, daß man zwar alle (Arten von Melodien) verwenden soll, aber nicht alle in der gleichen Weise, sondern für die (Charakter-)Erziehung diejenigen, die am stärksten ethisch sind, dagegen wenn man dem Instrumentalspiel anderer zuhört, sowohl die praktischen als auch die enthusiastischen. Denn die Gemütserregung, die in einigen Seelen stark auftritt, gibt es bei allen, der Unterschied liegt (nur) in dem geringeren oder stärkeren Grad der Erregung wie (bei) jammerndem Mitleiden und Furcht, außerdem (bei) Ekstase – denn manche sind auch von dieser Erregung leicht überwältigt, und wir beobachten, daß sie unter dem Einfluß religiöser Melodien, wenn sie die die Seele in Rausch versetzenden Melodien in sich aufnehmen, zur Ruhe kommen, da
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sie gleichsam eine medizinische Behandlung und Reinigung erhalten haben. Das gleiche muß auch denen widerfahren, die für jammerndes Mitleiden, für Furcht oder allgemein für irgendwelche emotionale Regungen anfällig sind, und allen anderen in dem Ausmaß, in dem jeder dafür empfänglich ist: sie alle müssen eine Form von Reinigung und eine von Lust begleitete Erleichterung erfahren. In ähnlicher Weise bringen auch die [kathartischen] 〈 praktischen 〉 Melodien Menschen eine unschädliche Freude. Deswegen muß man den Künstlern, die mit musikalischen Darbietungen in den Theatern zum Wettstreit auftreten, erlauben, solche Tonarten und solche Melodien 〈 zu benutzen 〉. Nun besuchen aber zwei Arten von Zuschauern die Theater: die einen sind frei und gebildet, die anderen sind vulgär und bestehen aus Handwerkern, Tagelöhnern und anderen dieser Art; auch dieser Gruppe muß man zu ihrer Erholung musische Wettkämpfe und Aufführungen anbieten. Wie aber ihre Seelen von der naturgemäßen Haltung gleichsam verrenkt abweichen, so gibt es auch bei den Tonarten Abweichungsformen, und es gibt Melodien voller Spannung und chromatischer Verzerrung. Allen bereitet aber das Vergnügen, was ihrer Natur nach zu ihnen paßt; deswegen soll man den Künstlern, die um (die Gunst) solcher Theaterbesucher wetteifern, erlauben, Musik dieser Art zu spielen. Für die (charakterliche) Erziehung soll man, wie gesagt, die ethischen Melodien und entsprechenden Tonarten verwenden – ethisch ist die dorische, wie wir früher feststellten. Wenn Männer, die sich mit Philosophie und musikalischer Erziehung beschäftigt haben, eine weitere Tonart billigen, dann soll man auch sie akzeptieren. Der Sokrates der Politeia hat aber zu Unrecht nur die phrygische zusammen mit der dorischen Tonart (in seinem Staat) belassen, obwohl er doch unter den Instrumenten den Aulos verbannte – (zu Unrecht), weil unter den Tonarten die phrygische die gleiche Wirkung hat wie unter den Instrumenten der Aulos: beide versetzen in Rausch und erregen emotional. Die Kompositionen zeigen dies; denn jede bacchische Verzückung oder jede andere Erregung dieser Art wird am ehesten von
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allen Instrumenten durch Auloi dargestellt, und bei den Tonarten findet dies in den phrygischen Melodien seinen passenden Ausdruck; so gilt ja der Dithyrambos unbestritten als phrygischer Gesang. Die Männer, die sich hierin auskennen, geben dafür viele Beispiele an, besonders erwähnen sie, daß Philoxenos, der versuchte, einen Dithyrambus »die Myser« in der dorischen Tonart zu komponieren, dies nicht durchhalten konnte, sondern aufgrund der Natur (des Genre) selber wieder in die passende phrygische Tonart verfiel. Alle sind sich darüber einig, daß die dorische Tonart die größte Festigkeit und am ehesten den Charakter von Tapferkeit besitzt. Außerdem preisen wir die Mitte zwischen Extremen und behaupten, man müsse den mittleren Kurs einhalten – die dorische Tonart besitzt diesen Charakter (der Mitte) im Verhältnis zu den anderen Tonarten. Offensichtlich paßt es daher gut, daß die Jüngeren eher in dorischen Melodien unterwiesen werden. (Bei der Wahl der Tonarten) gibt es zwei Gesichtspunkte: das Mögliche und das Passende; denn alle sollen jeweils eher, was möglich und was passend ist, wählen. Aber ihre (Auswahl) ist auch durch das jeweilige Alter bedingt. So fällt es Männern, deren (Kräfte) wegen ihres Alters schon nachgelassen haben, nicht leicht, in den angespannten Tonarten zu singen, die Natur weist vielmehr Männern dieses Alters die spannungslosen Tonarten zu. Daher tadeln einige Musikforscher zu Recht Sokrates auch dafür, daß er für die Erziehung die spannungslosen Tonarten verworfen hat. Er deutete sie ja als berauschend, nicht im Sinne der berauschenden Wirkung von Wein – denn dieser führt eher zu enthemmender Schwärmerei – sondern der ermüdenden Schwächung. Aus unserer Einschätzung folgt, daß sich (die Jüngeren) auch für später, wenn sie älter sein werden, mit entsprechenden Tonarten und Melodien vertraut machen sollen. Man soll aber auch Tonarten verwenden, die zum Kindesalter passen, weil sie sowohl ordentliches Betragen als auch Erziehung vermitteln können, wie es bei der lydischen Tonart am ehesten der Fall zu scheint. Offensichtlich muß man diese drei Ziele in die Erziehung einbeziehen: die Mitte, das Mögliche und das Passende.
Zu diesem Band
Der vorliegende Band präsentiert die aristotelische Politik in der Übersetzung von Eckart Schütrumpf. Der Text wurde dem Band 616 der Philosophischen Bibliothek, ersch. 2012, entnommen. Die Übersetzung der Studienausgabe stellt eine gründlich durchgesehene und überarbeitete Fassung des Textes in der Akademie-Ausgabe der aristotelischen Schriften (Band 9/I–IV, Berlin 1991–2005) dar. Runde Klammern ( ) bezeichnen Zusätze des Übersetzers, eckige Klammern [ ] Tilgungen von Worten des griechischen Textes. Mit Kreuzen † sind Textstellen gekennzeichnet, die im Original verderbt sind und deren Herstellung unsicher ist. Kursive Hervorhebungen sind, ebenso wie Anführungszeichen, Stilmittel der Übersetzung. Um ein leichtes und schnelles Auffinden gesuchter Textstellen zu ermöglichen, wird am Seitenrand die Paginierung der Gesamtausgabe der überlieferten Werke Aristoteles’ von Immanuel Bekker (Berlin 1831–1870) mitgeführt, nach der üblicherweise zitiert wird.
ARISTOTELES
PHILOSOPHISCHE SCHRIFTEN in sechs Bänden
Band 5
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
ARISTOTELES
Metaphysik Nach der Übersetzung von hermann bonitz
bearbeitet von horst seidl
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 725
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INHALT
Metaphysik 1. Buch 9 2. Buch 41 3. Buch 47 4. Buch 69 5. Buch 95 6. Buch 131 7. Buch 139 8. Buch 177 9. Buch 189 10. Buch 209 11. Buch 231 12. Buch 261 13. Buch 283 14. Buch 315
Zu diesem Band 333
ARISTOTELES Metaphysik
BUCH I
1. (a) Alle Menschen streben von Natur nach Wissen. Dies beweist die Liebe zu den Sinneswahrnehmungen; denn auch ohne den Nutzen werden sie an sich geliebt und vor allen anderen die Wahrnehmungen mittels der Augen. Nicht nämlich nur zum Zweck des Handelns, sondern auch, wenn wir nicht zu handeln beabsichtigen, ziehen wir das Sehen so gut wie allen andern vor. Ursache davon ist, daß dieser Sinn uns am meisten Erkenntnis gibt und viele Unterschiede aufdeckt. Von Natur nun entstehen die Lebewesen mit sinnlicher Wahrnehmung, aus dieser entsteht bei einigen von ihnen keine Erinnerung, bei anderen wohl, und darum sind diese verständiger und gelehriger als jene, welche sich nicht erinnern können. Verständig ohne zu lernen sind alle diejenigen, welche keine Geräusche hören können, z. B. die Biene und was etwa sonst für Lebewesen der Art sind; dagegen lernen alle diejenigen, welche außer der Erinnerung auch diesen Sinn besitzen. Die anderen Lebewesen leben nun mit Vorstellungen und Erinnerungen und haben nur geringen Anteil an Erfahrung, das Geschlecht der Menschen dagegen lebt auch mit Kunst und Überlegungen. Aus der Erinnerung entsteht nämlich für die Menschen Erfahrung; denn viele Erinnerungen an denselben Gegenstand bewirken das Vermögen einer Erfahrung, und es scheint die Erfahrung der Wissenschaft und Kunst fast ähnlich zu sein. Wissenschaft aber und Kunst gehen für die Menschen aus der Erfahrung hervor; denn „Erfahrung brachte Kunst hervor“, sagt Polos mit Recht, ,,Unerfahrenheit aber Zufall“. Die Kunst entsteht dann, wenn sich aus vielen durch die Erfahrung gegebenen Gedanken eine allgemeine Annahme über das Ähnliche bildet. Denn die Annahme, daß (z. B.) dem Kallias, der an dieser bestimmten Krankheit litt, dieses bestimmte Heilmittel half, und ebenso dem Sokrates und vielen Einzelnen, ist eine Sache der Erfahrung; daß es dagegen
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allen von solcher Beschaffenheit, die, nach einem Artbegriff begrenzt, an dieser Krankheit litten, zuträglich war, z. B. denen mit phlegmatischer, cholerischer oder fieberartiger Beschaffenheit, diese Annahme gehört der Kunst an. (b) Zum Zweck des Handelns steht die Erfahrung der Kunst nicht nach, vielmehr sehen wir, daß die Erfahrenen mehr Erfolg haben als diejenigen, die ohne Erfahrung nur den (allgemeinen) Begriff besitzen. Die Ursache davon ist, daß die Erfahrung Erkenntnis vom Einzelnen ist, die Kunst hingegen vom Allgemeinen, die Handlungen und Entstehungen aber auf das Einzelne gehen. Denn nicht einen Menschen überhaupt heilt der Arzt, außer in akzidentellem Sinne, sondern Kallias oder Sokrates oder irgendeinen anderen von den so Benannten (Kranken), dem es zukommt, ein Mensch zu sein. Wenn nun jemand den Begriff besitzt ohne Erfahrung und das Allgemeine kennt, das darin enthaltene Einzelne aber nicht kennt, so wird er das rechte Heilverfahren oft verfehlen; denn Gegenstand des Heilens ist vielmehr das Einzelne. Dennoch aber glauben wir, daß Wissen und Verstehen mehr der Kunst zukomme als der Erfahrung, und halten die Künstler für weiser als die Erfahrenen, da Weisheit einen jeden mehr nach dem Maßstabe des Wissens begleite. Und dies deshalb, weil die einen die Ursache kennen, die anderen nicht. Denn die Erfahrenen kennen nur das Daß, aber nicht das Warum; jene aber kennen das Warum und die Ursache. Deshalb stehen auch die leitenden Künstler in jedem einzelnen Gebiete in höherer Achtung, wie wir meinen, und wissen mehr und sind weiser als die Handwerker, weil sie die Ursachen dessen, was hervorgebracht wird, wissen, während die Handwerker so wirken, wie einiges von dem Unbeseelten, das zwar etwas hervorbringt, wie z. B. das Feuer Wärme, aber ohne das zu wissen, was es hervorbringt. Wie das Unbeseelte durch ein natürliches Vermögen jedes hervorbringt, so die Handwerker durch Gewöhnung. Denn jene halten wir nicht nach der größeren Geschicklichkeit zum Handeln für weiser, sondern darum, weil sie im Besitz des Begriffes sind und die Ursachen kennen. Überhaupt ist dies ein Zeichen des Wissenden und des Unwissenden, (den Gegenstand) lehren (bzw.
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nicht lehren) zu können, und darum sehen wir die Kunst mehr für Wissenschaft an als die Erfahrung; denn die Künstler können lehren, die Erfahrenen aber nicht. Ferner meinen wir, daß von den Sinneswahrnehmungen keine Weisheit gewähre, und doch geben sie die bestimmteste Kenntnis vom Einzelnen; aber das Warum geben sie von keinem Dinge an, z. B. von dem Feuer geben sie nicht an, warum es brennt, sondern nur, daß es brennt. (c) Wer daher zuerst neben den gewöhnlichen Sinneswahrnehmungen eine Kunst erfand, der wurde natürlich von den Menschen bewundert, nicht nur wegen der Nützlichkeit seiner Erfindung, sondern wegen der Weisheit, die ihn vor den anderen auszeichnete. Bei dem Fortschritt in der Erfindung von Künsten, teils für die notwendigen Bedürfnisse, teils für die (angenehmere) Lebensführung, halten wir die letzteren immer für weiser als die ersteren, weil ihr Wissen nicht auf den Nutzen gerichtet ist. Als daher schon alles Derartige (Lebensnotwendige) erworben war, da wurden die Wissenschaften gefunden, die sich weder auf das Angenehme, noch auf die notwendigen Bedürfnisse des Lebens beziehen, und zwar zuerst in den Gegenden, wo man Muße hatte. Deshalb bildeten sich in Ägypten zuerst die mathematischen Künste (Wissenschaften) aus, weil dort dem Stande der Priester Muße gelassen war. (d) Welcher Unterschied nun zwischen Kunst und Wissenschaft und dem übrigen Gleichartigen besteht, ist in der Ethik erklärt; der Zweck der gegenwärtigen Erörterung aber ist, zu zeigen, daß alle als Gegenstand der sogenannten Weisheit die ersten Ursachen und Prinzipien ansehen. Daher gilt, wie gesagt, der Erfahrene für weiser als der, welcher irgendeine Sinneswahrnehmung besitzt, der Künstler für weiser als der Erfahrene, und wieder der leitende Künstler vor dem Handwerker, die theoretischen Wissenschaften aber vor den hervorbringenden. Daß also die Weisheit eine Wissenschaft von gewissen Prinzipien und Ursachen ist, das ist hieraus klar. 2. (a) Da wir nun diese Wissenschaft suchen, müssen wir danach fragen, von welcherlei Ursachen und Prinzipien die Wissenschaft handelt, welche Weisheit ist. Nimmt man nun die ge-
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wöhnlichen Annahmen, welche wir über den Weisen haben, so dürfte vielleicht die Sache daraus eher deutlich werden. Wir nehmen nun erstens an, daß der Weise, soviel möglich, alles verstehe (erkenne), ohne dabei Wissen vom Einzelnen zu besitzen; ferner, daß der, welcher das Schwierige und für den Menschen nicht leicht Erkennbare zu erkennen vermag, weise sei (denn Sinneswahrnehmung ist allen gemeinsam und darum leicht und nichts Weises); ferner, daß in jeder Wissenschaft der Genauere und die Ursachen zu lehren Fähigere der Weisere sei; und daß unter den Wissenschaften die, welche um ihrer selbst und um des Wissens willen gesucht wird, eher Weisheit sei als die um anderweitiger Ergebnisse willen gesuchte, und ebenso die mehr gebietende im Vergleich mit der dienenden; denn der Weise müsse nicht Anordnungen entgegennehmen, sondern geben. Und nicht er müsse einem anderen, sondern ihm der weniger Weise gehorchen. (b) Dies sind im ganzen die Annahmen, die wir über die Weisheit und die Weisen haben. Hierunter muß das Merkmal, alles zu verstehen (erkennen), dem zukommen, der am meisten die Wissenschaft vom Allgemeinen hat; denn dieser weiß gewissermaßen alles Untergeordnete. Auch ist gerade dies für die Menschen am schwersten zu erkennen: das am meisten Allgemeine; denn es liegt am entferntesten von den Sinneswahrnehmungen. Am genauesten aber sind unter den Wissenschaften die, welche sich am meisten auf das Erste (Prinzipien) beziehen; denn auf eine geringere Zahl von Prinzipien bezogene Wissenschaften sind genauer als diejenigen, bei denen noch bestimmende Zusätze hinzukommen; z. B. ist die Arithmetik genauer als die Geometrie. Aber auch zu lehren fähiger ist die auf die Ursachen theoretisch gerichtete Wissenschaft; denn es lehren diejenigen (besser), die zu jedem die Ursachen angeben. Wissen aber und Verstehen (Erkennen) um ihrer selbst willen kommen am meisten der Wissenschaft des im höchsten Sinne Verstehbaren (Erkennbaren) zu. Denn wer das Erkennen um seiner selbst willen wählt, der wird die höchste Wissenschaft am meisten wählen, dies ist aber die Wissenschaft des im höchsten Sinne Erkennbaren, im höchsten Sinne erkennbar aber sind das Er-
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ste (Prinzipien) und die Ursachen; denn durch diese und aus diesen wird das übrige erkannt, nicht aber sie aus dem Untergeordneten. Am gebietendsten unter den Wissenschaften, gebietender als die dienende, ist die, welche den Zweck erkennt, weshalb jedes zu tun ist; dieser ist aber das Gute für jedes Einzelne und im ganzen das Beste in der gesamten Natur. Nach allem eben Gesagten fällt also die gesuchte Benennung derselben Wissenschaft zu: Sie muß nämlich eine auf die ersten Prinzipien und Ursachen gehende, theoretische sein; denn auch das Gute und das Weswegen ist eine der Ursachen. (c) Daß sie aber keine hervorbringende (poietische) ist, beweisen schon die ältesten Philosophen. Denn Verwunderung war den Menschen jetzt wie vormals der Anfang des Philosophierens, indem sie sich anfangs über das nächstliegende Unerklärte verwunderten, dann allmählich fortschritten und auch über Größeres Fragen aufwarfen, z. B. über die Erscheinungen an dem Mond und der Sonne und den Gestirnen und über die Entstehung des Alls. Wer sich aber über eine Sache fragt und verwundert, der glaubt sie nicht zu kennen. (Deshalb ist der Freund der Sagen auch in gewisser Weise ein Philosoph; denn die Sage besteht aus Wunderbarem.) Wenn sie daher philosophierten, um der Unwissenheit zu entgehen, so suchten sie das Erkennen offenbar des Wissens wegen, nicht um irgendeines Nutzens willen. Das bestätigt auch der Verlauf der Sache; denn als so ziemlich alles zur Annehmlichkeit und (höheren) Lebensführung Nötige vorhanden war, da begann man diese Art der Einsicht zu suchen. (d) Daraus erhellt also, daß wir sie nicht um irgendeines anderweitigen Nutzens willen suchen; sondern, wie wir den Menschen frei nennen, der um seiner selbst willen, nicht um eines anderen willen ist, so auch diese Wissenschaft als allein unter allen freie; denn sie allein ist um ihrer selbst willen. Darum möchte man auch mit Recht ihre Erwerbung für eine nicht (mehr) menschliche halten; denn in vielen Dingen ist die menschliche Natur knechtisch, und es dürfte daher wohl nach des Simonides Spruch ,,nur ein Gott dieses Vorrecht besitzen“, für den Menschen aber unziemlich sein, nicht die ihm ange-
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messene Wissenschaft zu suchen. Wenn die Dichter recht haben und die Götter von Natur neidisch sind, so würde dies hier am meisten zutreffen, und es müßten alle unglückselig sein, die (in jener Wissenschaft) zu weit strebten. Aber weder kann Neid im göttlichen Wesen liegen, sondern, wie es schon im Sprichwort heißt: „Viel lügen die Dichter“, noch darf man eine andere Wissenschaft für ehrwürdiger halten als diese. Denn die göttlichste ist zugleich die ehrwürdigste. Göttlich aber dürfte allein sie in zweifachem Sinne sein: Einmal nämlich ist die Wissenschaft göttlich, welche der Gott am meisten haben mag, und zum andern die, welche das Göttliche zum Gegenstand haben dürfte. Bei dieser Wissenschaft allein trifft beides zugleich ein; denn Gott gilt allen für eine Ursache und Prinzip, und diese Wissenschaft möchte wohl allein oder doch am meisten Gott besitzen. Notwendiger als diese sind alle anderen, besser aber keine. (e) Ihr Besitz muß jedoch für uns gewissermaßen in das Gegenteil der anfänglichen Forschung umschlagen. Denn es beginnen, wie gesagt, alle mit der Verwunderung darüber, ob sich etwas wirklich so verhält, wie etwa über die automatischen Kunstwerke, wenn sie die Ursache noch nicht eingesehen haben, oder über die Sonnenwenden oder die Inkommensurabilität der Diagonale (eines Rechtecks); denn verwunderlich erscheint es allen (anfänglich), sofern sie die Ursache noch nicht eingesehen haben, wenn etwas durch das kleinste Maß nicht meßbar sein soll. Es muß aber dann beim Gegenteil und ,,beim Besseren“ enden nach dem Sprichwort, wie auch bei diesen Gegenständen, wenn man (die Ursache einzusehen) gelernt hat; denn über nichts würde sich ein der Geometrie Kundiger mehr verwundern, als wenn die Diagonale kommensurabel sein sollte. Welches also das Wesen der gesuchten Wissenschaft ist und welches das Ziel, das die Untersuchung und das gesamte Verfahren (Methode) erreichen muß, ist hiermit ausgesprochen. 3. (a) Da wir nun offenbar eine Wissenschaft von den anfänglichen Ursachen uns erwerben müssen (denn ein Wissen von
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jedem zu haben beanspruchen wir dann, wenn wir die erste Ursache zu kennen glauben), die Ursachen aber in vier verschiedenen Bedeutungen genannt werden, von denen die eine, wie wir behaupten, das Wesen (Wesenheit) und das Sosein ist (denn das Warum wird zuletzt auf den Begriff der Sache zurückgeführt, Ursache aber und Prinzip ist das erste Warum), eine andere der Stoff und das Substrat, eine dritte die, woher der Anfang der Bewegung kommt, eine vierte aber die dieser entgegengesetzte, nämlich das Weswegen und das Gute (denn dieses ist das Ziel aller Entstehung und Bewegung): so wollen wir, obgleich wir diesen Gegenstand in den Büchern Über die Natur hinlänglich erörtert haben, doch auch diejenigen hinzuziehen, welche vor uns das Seiende erforscht und über die Wahrheit philosophiert haben. Denn offenbar sprechen auch jene von gewissen Prinzipien und Ursachen; diese durchzugehen wird also der gegenwärtigen Untersuchung (Methode) förderlich sein; denn entweder werden wir noch eine andere Gattung der Ursache finden oder den jetzt erwähnten mehr vertrauen. (b) Von den ersten Philosophen hielten die meisten nur die stoffartigen für die Prinzipien von allem; denn dasjenige, woraus alles Seiende ist und woraus es als Erstem entsteht und worein es als Letztem untergeht, indem das Wesen bestehen bleibt und nur die Eigenschaften wechseln, dies, sagen sie, ist Element und Prinzip des Seienden. Darum nehmen sie auch kein Entstehen und Vergehen von etwas an, da ja eine derartige Natur stets erhalten bleibe, wie man ja auch nicht von Sokrates sagt, daß er schlechthin werde, wenn er schön oder gebildet wird, noch daß er vergehe, wenn er diese Eigenschaften verliert, weil das Substrat, Sokrates selbst, beharrt; so werde und vergehe auch nichts anderes. Denn es muß eine gewisse Natur vorhanden sein, entweder eine oder mehr als eine, aus welcher das übrige entsteht, während jene erhalten bleibt. (c) Doch über die Menge und die Art eines derartigen Prinzips stimmen nicht alle überein. Thales, der Urheber solcher Philosophie, nennt es Wasser (weshalb er auch erklärte, daß die Erde auf dem Wasser sei), wobei er vielleicht zu dieser Annahme kam, weil
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er sah, daß die Nahrung aller Dinge feucht ist und das Warme selbst aus dem Feuchten entsteht und durch dasselbe lebt (das aber, woraus alles wird, ist das Prinzip von allem); hierdurch also kam er wohl auf diese Annahme und außerdem dadurch, daß die Samen aller Dinge feuchter Natur sind, das Wasser aber für das Feuchte Prinzip seiner Natur ist. Manche meinen auch, daß die Alten, welche lange vor unserer Generation und zuerst über die göttlichen Dinge geforscht haben (die ersten Theologen), ebenso über die Natur gedacht hätten; denn den Okeanos und die Tethys machten sie zu Erzeugern der Entstehung und den Eid der Götter zum Wasser, das bei den Dichtern Styx heißt; denn am ehrwürdigsten ist das Älteste, der Eid aber ist das Ehrwürdigste. Ob nun dies schon eine ursprüngliche und alte Meinung über die Natur war, das möchte wohl dunkel bleiben; Thales jedoch soll sich auf diese Weise über die erste Ursache ausgesprochen haben. Den Hippon wird man wohl wegen des geringen Wertes seiner Gedanken nicht würdigen, unter diese Männer zu rechnen. Anaximenes und Diogenes dagegen setzen die Luft als früher gegenüber dem Wasser an und als vorzüglichstes Prinzip unter den einfachen Körpern, Hippasos der Metapontiner und Herakleitos der Ephesier das Feuer, Empedokles die vier Elemente, indem er zu den genannten die Erde als viertes hinzufügte. Denn diese blieben (nach seiner Ansicht) immer und entstünden nicht, außer in Hinsicht der größeren oder geringeren Menge, indem sie zur Einheit verbunden oder aus der Einheit ausgeschieden würden. Anaxagoras aber, der Klazomenier, welcher der Zeit nach früher ist als dieser, seinen Werken nach aber später, behauptet, daß die Prinzipien unbegrenzt viele seien; denn ziemlich alles Gleichteilige, wie Wasser und Feuer, entstände und verginge so, nämlich nur durch Verbindung und Trennung, auf andere Weise aber entstehe und vergehe es nicht, sondern bleibe ewig. (d) Hiernach möchte man das nach Art des Stoffes verstandene Prinzip für das einzige ansehen. Beim weiteren Fortschritt jedoch zeigte ihnen die Sache selbst den Weg und nötigte sie zum (weiteren) Forschen. Denn wenn auch durchaus jedem Entstehen und Vergehen etwas zugrunde liegt, aus dem
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es hervorgeht, sei dies eines oder mehreres, warum geschieht denn dies und was ist die Ursache? Denn das Zugrundeliegende bewirkt doch nicht selbst seine eigne Veränderung. Ich meine z. B. so: Das Holz und das Erz sind nicht die Ursache dafür, daß sich jedes von beiden verändert, und nicht das Holz macht ein Bett oder das Erz eine Bildsäule (aus sich selbst), sondern etwas anderes ist Ursache der Veränderung. Diese Ursache nun suchen heißt das zweite Prinzip suchen, oder, wie wir es nennen würden, dasjenige, wovon der Anfang der Bewegung kommt. Die sich nun ganz zu Anfang mit dieser Weise des Vorgehens befaßten und ein einziges Substrat setzten, fanden hierin keine Schwierigkeit. Einige indes von denen, welche das Eine (als Prinzip) behaupten, erklären, dieser Untersuchung gleichsam unterliegend, das Eine und die ganze Natur sei unbeweglich, nicht nur in Beziehung auf Entstehen und Vergehen (denn dies ist eine alte Lehre und darin stimmten alle überein), sondern auch in Beziehung auf jede andere Art der Veränderung, und dieses ist ihnen eigentümlich. Von denen also, welche behaupten, das All sei nur Eines, kam keiner dazu, diese Art des Prinzips (der Bewegung) ins Auge zu fassen, außer etwa Parmenides, und auch dieser nur insofern, als er nicht das Eine, sondern gewissermaßen zwei Ursachen annimmt. Die aber mehr als eines annahmen, können eher davon sprechen, wie z. B. die, welche das Warme und das Kalte oder Feuer und Erde annehmen; sie gebrauchen nämlich das Feuer, als habe es eine bewegende Natur, das Wasser aber und die Erde und das andere dieser Art in der entgegengesetzten Weise. (e) Nach diesen Männern und solchen (von ihnen vertretenen) Prinzipien wurde man, da diese nicht genügten, die Natur des Seienden aus ihnen entstehen zu lassen, wieder, wie gesagt, von der Wahrheit selbst genötigt, das nächstfolgende Prinzip zu suchen. Denn daß sich im Sein und Werden das Gute und Schöne findet, davon kann doch billigerweise nicht das Feuer oder die Erde oder sonst etwas der Art die Ursache sein, noch konnten jene wohl diese Ansicht haben; aber ebensowenig ging es wohl an, eine so große Sache dem Zufall und dem Ungefähr zuzuschreiben. Als nun jemand erklärte, daß Vernunft
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wie in den lebenden Wesen so auch in der Natur die Ursache aller Schönheit und aller Ordnung sei, da erschien er gegen die Früheren wie ein Nüchterner gegen Irreredende. Sicher wissen wir, daß Anaxagoras diese Gedanken ergriff, doch es besteht Grund (zu der Annahme), daß sie schon früher Hermotimos der Klazomenier ausgesprochen hat. Diejenigen nun, welche diese Annahme aufstellten, setzten zugleich die Ursache des Guten als ein Prinzip des Seienden, und als eine solche, wovon für das Seiende der Anfang der Bewegung kommt.
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4. (a) Man könnte vermuten, daß Hesiodos zuerst eine solche Ursache gesucht und wer noch sonst etwa Liebe oder Begierde in dem Seienden als Prinzip gesetzt, wie auch Parmenides; denn dieser sagt, wo er die Entstehung des Alls aufbaut: „Als ersten von allen unsterblichen Göttern ersann sie (die über das All waltende Göttin) den Eros“; Hesiodos aber sagt: „Vor allem zuerst ward Chaos, nach diesem aber ward die breitbrüstige Erde, und Eros, der vor allen unsterblichen Göttern hervorragt“, als ob in dem Seienden sich eine Ursache finden müsse, welche die Dinge bewege und zusammenbringe. Wem unter diesen man den Vorrang geben soll, es zuerst ausgesprochen zu haben, das sei später zu entscheiden gestattet. Da aber auch das Gegenteil des Guten sich in der Natur vorhanden zeigte, nicht nur Ordnung und das Schöne, sondern auch Unordnung und das Häßliche, und des Bösen mehr als des Guten, des Schlechten mehr als des Schönen, so führte ebenso ein anderer Freundschaft und Streit ein, jedes von beiden als Ursache jener beiden. Denn folgt man dem Empedokles und faßt seine Ansicht nach ihrem eigentlichen Gedanken, nicht nach ihrem unbeholfenen Ausdruck, so wird man finden, daß ihm die Freundschaft Ursache des Guten ist, der Streit Ursache des Bösen; so daß wohl recht hat, wer sagt, Empedokles setze gewissermaßen und zwar als Erster das Gute und das Böse als Prinzipien, sofern ja die Ursache alles Guten das Gute selbst und des Bösen das Böse ist. (b) Soweit also scheinen diese, wie gesagt, sich mit zwei von den Ursachen befaßt zu haben, welche wir in den Büchern
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Über die Natur unterschieden haben, nämlich mit dem Stoff und mit dem, wovon die Bewegung ausgeht, indessen nur undeutlich und noch keineswegs sicher, sondern so wie es in den Gefechten die Ungeübten machen; denn diese führen im Herumfahren wohl auch öfters gute Hiebe, aber sie tun es nicht aus Wissen, und ebenso gleichen auch jene nicht Wissenden in dem, was sie sagen; denn sie machen ja offenbar von diesen Prinzipien fast gar keinen oder doch nur sehr wenig Gebrauch. Anaxagoras nämlich gebraucht bei seiner Weltbildung die Vernunft (wie) als Kunstgriff (wie den Maschinengott im Theater), und wenn er in Verlegenheit kommt, aus welcher Ursache denn etwas notwendig sein soll, dann zieht er ihn herbei; im übrigen aber sucht er die Ursache eher in allem andern Entstehenden als in der Vernunft. Und Empedokles gebraucht seine Ursachen zwar etwas mehr als dieser, aber doch weder genügend, noch findet er zu einer Übereinstimmung unter ihnen. Öfters wenigstens trennt bei ihm die Freundschaft und verbindet der Streit. Denn wenn das All durch den Streit in die Elemente getrennt wird, so wird ja das Feuer in Eines (Element) verbunden und ebenso jedes der übrigen Elemente; wenn sie aber wieder alle durch die Freundschaft in das Eine (Sphairos) zusammengehen, so müssen notwendig aus einem jeden die Teile wieder geschieden werden. Empedokles also hat im Gegensatz zu den früheren Philosophen als Erster diese Ursache als geteilt eingeführt, indem er nicht eine Ursache der Bewegung aufstellte, sondern verschiedene und entgegengesetzte. Ferner benannte er zuerst von den sogenannten stoffartigen Elementen vier, doch wendet er sie nicht als vier an, sondern als wären sie nur zwei, nämlich das Feuer an sich und die ihr gegenüberstehenden: Erde, Luft und Wasser, als eine einzige Natur. Das kann man bei genauerer Betrachtung aus seinen Gedichten entnehmen. (c) In dieser Weise also benannte Empedokles, wie gesagt, soviele Prinzipien. Leukippos aber und sein Genosse Demokritos behaupten als Elemente das Volle und das Leere, indem sie das eine als Seiendes, das andere als Nichtseiendes benennen, nämlich das Volle und Dichte als das Seiende, das Leere und Dünne als das Nichtseiende. Deshalb behaupten sie
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auch, daß das Seiende um nichts mehr sei als das Nichtseiende, weil auch das Leere nicht (weniger) als der Körper. Dies seien die Ursachen des Seienden im Sinne des Stoffes. Und wie diejenigen, welche das zugrunde liegende Wesen als Eines setzen, das übrige durch die Eigenschaften desselben entstehen lassen und dabei das Dünne und Dichte als Prinzipien der Eigenschaften annehmen, in gleicher Weise erklären auch diese die Unterschiede für die Ursachen des übrigen. Deren sind aber nach ihrer Ansicht drei: Gestalt, Ordnung und Lage; denn das Seiende, sagen sie, unterscheide sich nur durch Zug, Berührung und Wendung. Hiervon bedeutet aber der Zug Gestalt, die Berührung Ordnung, und die Wendung Lage. Es unterscheidet sich nämlich A von N durch die Gestalt, AN von NA durch die Ordnung, N von Z durch die Lage. Die Frage aber nach der Bewegung, woher denn oder wie sie bei dem Seienden stattfinde, haben auch diese mit ähnlichem Leichtsinn wie die übrigen beiseite gesetzt. Über die zwei Ursachen scheinen also, wie gesagt, die Untersuchungen der Früheren bis hierher geführt worden zu sein.
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5. (a) Während dieser Zeit und schon vorher befaßten sich die sogenannten Pythagoreer mit der Mathematik und brachten sie zuerst weiter, und darin eingelebt hielten sie deren Prinzipien für die Prinzipien alles Seienden. Da nämlich die Zahlen in der Mathematik der Natur nach das Erste sind, und sie in den Zahlen viele Ähnlichkeiten (Gleichnisse) zu sehen glaubten mit dem, was ist und entsteht, mehr als in Feuer, Erde und Wasser, wonach ihnen (z. B.) die eine Bestimmtheit der Zahlen Gerechtigkeit sei, eine andere Seele oder Vernunft, wieder eine andere Reife und so in gleicher Weise so gut wie jedes einzelne, und sie ferner die Bestimmungen und Verhältnisse der Harmonien in Zahlen fanden; – da ihnen also das übrige seiner ganzen Natur nach den Zahlen zu gleichen schien, die Zahlen aber sich als das Erste in der gesamten Natur zeigten, so nahmen sie an, die Elemente der Zahlen seien Elemente alles Seienden, und der ganze Himmel sei Harmonie und Zahl. Und was sie nun in den Zahlen und den Harmonien als über-
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einstimmend mit den Eigenschaften (Zuständen) und den Teilen des Himmels und der ganzen Weltbildung aufweisen konnten, das brachten sie zusammen und paßten es an. Und wenn irgendwo eine Lücke blieb, schauten sie eifrig darauf, daß ihre ganze Untersuchung in sich geschlossen sei. Ich meine z. B., da ihnen die Zehnzahl etwas Vollkommenes ist und das ganze Wesen der Zahlen umfaßt, so behaupten sie auch, der bewegten Himmelskörper seien zehn; nun sind aber nur neun wirklich sichtbar; darum erdichten sie als zehnten die Gegenerde. Diesen Gegenstand haben wir anderswo genauer erörtert; daß wir aber jetzt darauf eingehen, hat den Zweck, auch von ihnen zu entnehmen, welche Prinzipien sie setzen und wie diese auf die genannten Ursachen zurückkommen. Offenbar nun sehen auch sie die Zahl als Prinzip an, sowohl als Stoff für das Seiende, als auch als Bestimmtheiten und Zustände. Als Elemente der Zahl aber betrachten sie das Gerade und das Ungerade, von denen das eine begrenzt sei, das andere unbegrenzt, das Eine aber bestehe aus diesen beiden (denn es sei sowohl gerade als ungerade), die Zahl aber aus dem Einen, und aus Zahlen, wie gesagt, bestehe der ganze Himmel. Andere aus derselben Schule nehmen zehn Prinzipien an, welche sie in entsprechende Reihen zusammenordnen: Grenze und Unbegrenztes, Ungerades und Gerades, Eines und Vielheit, Rechtes und Linkes, Männliches und Weibliches, Ruhendes und Bewegtes, Gerades und Krummes, Licht und Finsternis, Gutes und Böses, gleichseitiges und ungleichseitiges Viereck. Dieser Annahme scheint auch der Krotoniate Alkmaion zu folgen, mag er sie nun von jenen oder mögen jene sie von ihm übernommen haben; denn Alkmaion war ein jüngerer Zeitgenosse des Pythagoras und sprach sich auf ähnliche Weise aus wie die Pythagoreer. Er sagt nämlich, die meisten menschlichen Dinge bildeten eine Zweiheit, und bezeichnet damit die Gegensätze, nicht bestimmte, wie diese, sondern die ersten besten, wie Weißes und Schwarzes, Süßes und Bitteres, Gutes und Böses, Kleines und Großes. Dieser also warf nun unbestimmte Ansichten hin über das übrige, die Pythagoreer dagegen erklärten, wie viele Gegensätze es gebe und welche
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es seien. Von beiden also kann man so viel entnehmen, daß die Gegensätze Prinzipien des Seienden seien; wie viele aber und welche, kann man nur von den einen entnehmen. Wie man diese jedoch auf die genannten Ursachen zurückführen könne, das ist von ihnen nicht bestimmt entwickelt, doch scheinen sie die Elemente als stoffartige Prinzipien zu setzen; denn aus ihnen als immanenten Bestandteilen bestehe, sagen sie, das Wesen (die Substanz) und sei aus ihnen gebildet. (b) Hieraus kann man die Gedanken der Alten, welche eine Mehrheit von Elementen der Natur setzten, zur Genüge ersehen. Manche zwar erklärten sich auch über das All in dem Sinne, daß es eine einzige Natur sei, indessen auch diese nicht auf gleiche Weise, weder in Hinsicht auf Richtigkeit noch gemäß der Natur. In die gegenwärtige Untersuchung der Ursachen paßt nun zwar ihre Erwähnung keineswegs; denn sie reden vom Einen nicht in dem Sinne wie einige von den Naturphilosophen, welche zwar auch Eines zugrunde legen, aber aus dem Einen als aus dem Stoffe das Seiende entstehen lassen; denn jene fügen die Bewegung hinzu, insofern sie ja das All entstehen lassen, diese aber behaupten die Unbeweglichkeit. Indessen folgendes über sie gehört doch in die gegenwärtige Untersuchung. Parmenides nämlich scheint das begriffliche Eine aufgefaßt zu haben, Melissos das stoffartige; deswegen behauptet es jener als begrenzt, dieser als unbegrenzt, Xenophanes dagegen, der zuerst die Einheit lehrte (denn Parmenides soll sein Schüler gewesen sein), erklärte sich nicht bestimmter und scheint gar nicht die eine oder die andere Natur berührt zu haben, sondern im Hinblick auf den ganzen Himmel sagt er, das Eine sei der Gott. Diese müssen also für die gegenwärtige Untersuchung beiseite gesetzt werden, (und zwar) die beiden, Xenophanes und Melissos, durchaus, da sie zu wenig philosophische Bildung haben. Parmenides scheint mit hellerer Einsicht zu sprechen. Indem er nämlich davon ausgeht, daß das Nichtseiende neben dem Seienden überhaupt nichts sei, so meint er, daß notwendig das Seiende Eines sei und weiter nichts (worüber wir genauer in den Büchern Über die Natur gesprochen haben); indem er sich aber dann gezwungen
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sieht, den Erscheinungen nachzugeben, und so eine Einheit für den Begriff, eine Vielheit für die sinnliche Wahrnehmung annimmt, so setzt er wiederum zwei Ursachen und zwei Prinzipien, das Warme und das Kalte, wie von Feuer und Erde sprechend, und ordnet das Warme dem Seienden zu, das andere dem Nichtseienden. (c) Aus dem bisher Angeführten und den Ansichten der Weisen, welche bereits mit der Untersuchung dieses Gegenstandes beschäftigt gewesen, haben wir also folgendes erhalten: Von den ersten Philosophen ein körperliches Prinzip (denn Wasser und Feuer und dergleichen sind Körper), und zwar von den einen ein einziges, von anderen mehrere körperliche Prinzipien, von beiden aber als stoffartige Prinzipien. Einige, welche dies Prinzip setzten, fügten dazu noch das, von dem die Bewegung ausgeht, und zwar dies teils als ein einziges, teils als ein zwiefaches. Bis zu den Italischen Philosophen also, diese nicht mit eingerechnet, haben die übrigen nur in beschränkter Weise hierüber gehandelt; sie haben eben nur, wie gesagt, zwei Prinzipien angewendet, von denen sie das zweite, das, von dem die Bewegung ausgeht, teils als Eines/Prinzip, teils als Zwei setzten. Die Pythagoreer haben die Prinzipien als zweifache in derselben Weise gesetzt, das aber fügten sie hinzu, was ihnen auch eigentümlich ist, daß sie das Begrenzte und das Unbegrenzte und das Eine nicht für Prädikate anderer Wesenheiten ansahen, wie etwa des Feuers, der Erde oder anderer dergleichen Dinge, sondern das Unbegrenzte selbst und das Eins selbst als Wesen dessen behaupteten, von dem es prädiziert werde; weshalb sie denn auch die Zahl für die Wesenheit aller Dinge erklärten. Hierüber also erklärten sie sich auf diese Weise, außerdem begannen sie auch auf die Frage nach dem Was zu antworten und zu definieren, aber sie betrieben den Gegenstand zu leichthin. Denn sie definierten oberflächlich und hielten dasjenige, dem der in Rede stehende Begriff zuerst zukommt, für die Wesenheit der Sache geradeso, wie wenn jemand meinte, das Doppelte und die Zweizahl seien dasselbe, weil sich in der Zweizahl zuerst das Doppelte findet. Aber darum ist es doch nicht dasselbe, Doppeltes sein oder
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Zweizahl sein, sonst würde ja, wie es denn auch jenen widerfuhr, das eine vieles sein. – Von den Früheren also und den übrigen kann man so viel entnehmen.
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6. (a) Nach den genannten Philosophen folgte die Lehre Platons, welche sich in den meisten Punkten an diese anschloß, jedoch auch einige Eigentümlichkeiten hatte im Gegensatz zu den Italischen Philosophen. Da er nämlich von Jugend auf mit dem Kratylos und den Ansichten des Herakleitos bekannt geworden war, daß alles Sinnliche in beständigem Flusse sei, und daß es keine Wissenschaft davon gebe, so blieb er auch später bei dieser Annahme. Und da sich nun Sokrates mit den ethischen Gegenständen beschäftigte und gar nicht mit der gesamten Natur, in jenen aber das Allgemeine suchte und sein Nachdenken zuerst auf Definitionen richtete, brachte dies den Platon, der seine Ansichten aufnahm, zu der Annahme, daß die Definition auf etwas von dem Sinnlichen Verschiedenes gehe; denn unmöglich könne es eine allgemeine Definition von irgendeinem sinnlichen Gegenstande geben, da diese sich in beständiger Veränderung befänden. Was nun von dem Seienden solcher Art war, nannte er Ideen; das Sinnliche aber sei neben diesem und werde nach ihm benannt; denn durch Teilhabe an den Ideen existiere die Vielheit des den Ideen Gleichnamigen. Dieser Ausdruck ,Teilhabe‘ ist nur ein neues Wort für eine ältere Ansicht; denn die Pythagoreer behaupten, das Seiende existiere durch Nachahmung der Zahlen, Platon, mit verändertem Namen, durch Teilhabe. Was denn aber eigentlich diese Teilhabe oder diese Nachahmung sei, das haben sie andern zu untersuchen überlassen. Ferner erklärt er, daß außer dem Sinnlichen und den Ideen die mathematischen Dinge existierten, als dazwischen liegend, unterschieden vom Sinnlichen durch ihre Ewigkeit und Unbeweglichkeit, von den Ideen dadurch, daß es der mathematischen Dinge viel gleichartige gibt, während die Idee selbst nur je eine ist. (b) Da nun die Ideen für das übrige Ursachen sind, so glaubte er, daß die Elemente der Ideen Elemente aller Dinge seien. Als Stoff nun seien das Große und das Kleine Prinzipien, als Wesen das Eine. Denn
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aus jenem entständen durch Teilhabe am Einen die Ideen, die Zahlen. Daß er das Eine selbst als Wesen erklärt und nicht als Prädikat eines davon verschiedenen Dinges, darin stimmt er mit den Pythagoreern überein, und ebenso setzt er gleich diesen die Zahlen als Ursache der Wesen für alles übrige; eigentümlich aber ist ihm, daß er anstatt des Unbegrenzten als eines einzigen (Prinzips) eine Zweiheit setzt und das Unbegrenzte aus dem Großen und Kleinen bestehen läßt, und ferner die Zahlen getrennt neben dem Sinnlichen annimmt, während jene behaupten, die Zahlen seien die Dinge selbst, und das Mathematische nicht zwischen den Ideen und dem Sinnlichen setzen. Daß er nun das Eine und die Zahlen neben die Dinge setzte (als von diesen getrennt), und nicht wie die Pythagoreer, und die Einführung der Ideen war begründet in dem fragenden Denken in Begriffen; denn die Früheren hatten noch keinen Anteil an der Dialektik. Zur Zweiheit aber machte er das andere Prinzip darum, weil sich die Zahlen mit Ausnahme der ersten leicht aus dieser erzeugen ließen, wie aus einem bildsamen Stoffe. Und doch findet das Gegenteil statt, denn so, wie sie sagen, ist es gar nicht mit Grund anzunehmen. Sie lassen nämlich aus demselben Stoffe vieles hervorgehen, während die Form nur einmal erzeugt; dagegen sieht man ja, wie aus einem Stoff (z. B.) nur ein Tisch wird, während der, der die Form dazu bringt, als ein einzelner, viele Dinge hervorbringt. Ähnlich verhält sich auch das Männliche zu dem Weiblichen; das Weibliche ist durch eine Begattung befruchtet, das Männliche aber befruchtet vieles. Und dies sind doch Nachbilder von jenen Prinzipien. (c) So also erklärte sich Platon über das, was zur Untersuchung steht; offenbar hat er nach dem Gesagten nur zwei Ursachen angewendet, nämlich die des Was und die stoffartige; denn die Ideen sind für das übrige, für die Ideen selbst aber das Eine Ursache des Was. Und hinsichtlich der zugrunde liegenden Materie, von welcher bei den übrigen Dingen die Ideen, bei den Ideen selbst das Eine ausgesagt wird, erklärte er, daß sie eine Zweiheit ist, nämlich das Große und das Kleine. Ferner schrieb er auch den beiden Elementen, dem einen die Erzeugung des Guten, dem andern des Bösen zu, was, wie wir
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erwähnt, auch schon einige der früheren Philosophen getan hatten, z. B. Empedokles und Anaxagoras.
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7. Kurz und zusammenfassend sind wir hiermit durchgegangen, wer von den Prinzipien und der Wahrheit gehandelt hat, und in welcher Weise; soviel jedoch können wir daraus entnehmen, daß von allen, die über Prinzip und Ursache handeln, keiner ein anderes Prinzip außer den in den Büchern Über die Natur von uns bestimmten genannt hat, sondern offenbar alle, freilich dunkel, nur jene irgendwie berühren. (a) Denn die einen meinen das Prinzip als Stoff, mögen sie es nun als eines oder als mehrere annehmen und als einen Körper oder als etwas Unkörperliches setzen, wie z. B. Platon das Große und das Kleine, die Italische Schule das Unendliche, Empedokles Feuer, Erde, Wasser und Luft, Anaxagoras die unendliche Zahl des Gleichteiligen. Alle diese also haben sich mit einer solchen Ursache befaßt, und ferner ebenso alle, welche die Luft oder das Feuer oder das Wasser oder etwas, das dichter als Feuer und dünner als Luft sei, zum Prinzip machen; denn auch auf solche Weise haben einige das erste Element bestimmt. (b) Diese also haben nur diese (eine) Ursache aufgefaßt; andere haben dazu das hinzugefügt, wovon der Ursprung der Bewegung ausgeht, z. B. alle, welche Freundschaft und Streit oder Vernunft oder Eros zum Prinzip machen. (c) Das Sosein und das Wesen hat keiner bestimmt angegeben, am meisten sprechen noch davon die, welche die Ideen annehmen; denn weder als Stoff setzen sie für das Sinnliche die Ideen und für die Ideen das Eine voraus, noch nehmen sie an, daß davon die Bewegung ausgehe (denn sie erklären es vielmehr für die Ursache der Bewegungslosigkeit und der Ruhe), sondern die Ideen verursachen das Sosein für jedes von den übrigen Dingen, und für die Ideen selbst das Eine. (d) Den Zweck aber, um deswillen die Handlungen und Veränderungen und Bewegungen geschehen, führen sie in gewisser Weise als Ursache an, doch nicht in dieser Weise und nicht, wie es der Natur der Sache angemessen ist. Diejenigen nämlich, welche die Vernunft oder die Freundschaft annehmen, setzen zwar diese Ursachen als etwas Gutes, aber doch
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nicht in dem Sinne, daß um ihretwillen etwas von den seienden Dingen sei oder werde, sondern so, daß sie von ihnen die Bewegungen ausgehen lassen. Ebenso sagen zwar die, welche das Eine oder das Seiende für eine solche Natur erklären, daß dieses Ursache des Wesens (der Substanz) sei, aber doch nicht, daß um seinetwillen etwas sei oder werde. So ergibt sich denn, daß sie das Gute als Ursache gewissermaßen aufstellen und auch nicht aufstellen; denn sie machen es nicht schlechthin, sondern in akzidentellem Sinne zur Ursache. Daß wir also die Zahl und die Art der Ursachen richtig bestimmt haben, dafür scheinen auch diese alle Zeugnis zu geben, da sie keine andere Ursache berühren konnten. Außerdem leuchtet auch ein, daß die Prinzipien so entweder alle oder eine Art derselben zu erforschen sind. Welche möglichen Probleme (Aporien) sich aber gegen die Lehre eines jeden und seine Ansicht über die Prinzipien ergeben, das wollen wir nachher durchgehen. 8. (a) Alle nun, welche das All als Eines und eine Natur als Stoff setzen, und zwar eine körperliche, ausgedehnte, fehlen offenbar in mehr als einer Beziehung. Denn nur für die Körper setzen sie diese Elemente, nicht für das Unkörperliche, obgleich es doch auch Unkörperliches gibt. Und während sie die Ursachen des Entstehens und Vergehens anzugeben versuchen und über die Natur aller Dinge Untersuchung anstellen, heben sie doch die Ursache der Bewegung auf. Ferner ist es ein Fehler, daß sie das Wesen und das Was von keinem Ding als Ursache setzen. Wenn sie überdies so leichthin jeden von den einfachen Körpern für Prinzip erklären mit Ausnahme der Erde, so tun sie dies, weil sie die gegenseitige Entstehung derselben auseinander nicht ihrer Art nach untersucht haben. Ich meine Feuer, Wasser, Erde und Luft; denn einiges von diesen entsteht durch Verbindung, anderes durch Trennung auseinander. Dies ist aber für die Entscheidung über das Früher und Später von der größten Wichtigkeit; denn in der einen Rücksicht würde derjenige Körper als der elementarste gelten, aus welchem als erstem die übrigen durch Verbindung entstehen, der Art würde
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aber der kleinteiligste und feinste Körper sein. Darum würden alle, welche das Feuer als Prinzip setzen, am meisten mit dieser Betrachtungsweise übereinstimmen. Und auch jeder der übrigen stimmt dem Gedanken bei, daß das Element der Körper von dieser Beschaffenheit sein müsse; wenigstens hat keiner von den Späteren, welche ein Prinzip behaupten, die Erde für das Element erklärt, offenbar wegen ihr Großteiligkeit. Von den übrigen drei Elementen hat jedes seinen Verteidiger gefunden, denn die einen erklären das Feuer, die andern das Wasser, die dritten die Luft für das Prinzip. Und doch, warum nennen sie denn nicht auch die Erde, nach der Ansicht der meisten Menschen, die ja alles für Erde erklären? So sagt ja auch Hesiodos, die Erde sei zuerst unter den Körpern entstanden, so alt und volkstümlich ist diese Annahme. Nach jenem Gesichtspunkte nun also würde niemand recht haben, der etwas anderes als das Feuer zum Prinzip macht, auch nicht, wenn er etwas setzt, das dichter als die Luft und dünner als das Wasser sei. Ist dagegen das im Verlauf der Entstehung Spätere der Natur nach früher, und ist das Verarbeitete und Verbundene später im Verlauf des Werdens, so müßte das Gegenteil hiervon stattfinden, das Wasser müßte früher sein als die Luft, die Erde früher als das Wasser. (b) Soviel mag genügen über die, welche eine Ursache der bezeichneten Art setzen. Dasselbe gilt aber auch, wenn jemand mehrere stoffliche Prinzipien setzt, wie etwa Empedokles, welcher die vier Elemente für den Stoff erklärt. Denn auch für diesen müssen sich notwendig teils dieselben, teils andere eigentümliche Folgerungen ergeben. Denn einmal sehen wir, daß diese auseinander entstehen, so daß also Feuer und Erde nicht immer als derselbe Körper bestehen bleiben, worüber wir in den Büchern Über die Natur gesprochen haben; dann, was die Ursache des Bewegten betrifft, so muß man meinen, daß er sich darüber, ob man ein oder zwei Ursachen hiervon setzen muß, weder richtig noch begründet ausgesprochen hat. Überhaupt hebt eine solche Ansicht notwendig die Qualitätsveränderung auf; denn es wird nicht etwas aus warm kalt, noch aus kalt warm werden. Sonst müßte ja etwas diese entgegengesetz-
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ten Affektionen erfahren, und es müßte eine einzige Natur geben, welche Wasser und Feuer würde, was jener nicht meint. Wenn man von Anaxagoras annähme, daß er zwei Elemente setzte, so wäre dies am sinnvollsten; zwar hat er selbst diese nicht entwickelt, aber es würde doch notwendig folgen, wenn man ihn leitete. Zwar ist es auch sonst schon unstatthaft zu sagen, alles sei am Anfang gemischt gewesen, einmal weil sich daraus ergibt, daß es vorher müßte ungemischt vorhanden gewesen sein, dann weil der Natur nach nicht jegliches mit jeglichem sich aufs Geratewohl mischen läßt, und ferner weil die Affektionen und Akzidenzien von den Wesen getrennt würden (denn wovon es Mischung gibt, davon ebenso auch Trennung); indessen, wenn man seiner Ansicht nachgeht und das, was er sagen will, entwickelt, so würde sich zeigen, daß seine Lehre sich neuartiger ausdrückt (den Späteren näher steht). Denn als noch nichts bestimmt ausgeschieden war, konnte man offenbar nichts in Wahrheit von jenem Wesen aussagen. Ich meine z. B., es war weder weiß noch schwarz noch grau noch von anderer Farbe, sondern notwendig farblos; denn sonst würde es ja schon eine einzelne Farbe gehabt haben. In gleicher Weise hatte es auch keinen Geschmack und aus demselben Grunde auch sonst nichts der Art. Es konnte überhaupt weder eine Qualität noch eine Quantität haben, noch überhaupt etwas sein; denn sonst hätte es eine bestimmte einzelne Form gehabt, was unmöglich, da alles gemischt war. Sonst wäre es ja schon ausgeschieden gewesen. Es aber sagt, alles sei gemischt gewesen außer dem Geist, dieser allein sei unvermischt und rein. Hieraus ergibt sich nun, daß er als Prinzipien das Eine (denn dies ist einfach und ungemischt) und das Andere setzt, wie wir das Unbestimmte nennen, ehe es bestimmt worden und an einer Formbestimmung Anteil bekommen hat. Und so redet er freilich nicht richtig und nicht bestimmt, indessen will er doch etwas Ähnliches wie die Späteren und wie es mehr dem Augenschein entspricht. (c) Indessen diese sind nur auf die Erörterung des Entstehens und Vergehens und der Bewegung beschränkt; denn fast nur für das Wesen solcher Art forschen sie nach den Prinzipien
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und den Ursachen. Die aber alles Seiende zum Gegenstande ihrer Betrachtung machen und von dem Seienden einiges als sinnlich wahrnehmbar, anderes als nicht sinnlich wahrnehmbar setzen, diese richten ihre Untersuchung offenbar auf beide Gattungen; daher man sich mit ihnen mehr zu beschäftigen hat, was sie denn Richtiges und was Unrichtiges für unsere gegenwärtige Untersuchung bringen. Die sogenannten Pythagoreer nun handeln von ungewöhnlicheren Prinzipien und Elementen als die Naturphilosophen. Ursache davon ist, weil sie diese nicht aus dem Sinnlichen entnommen haben; denn die mathematischen Dinge sind ohne Bewegung, mit Ausnahme derjenigen, von denen die Astronomie handelt. Dabei ist doch der Gegenstand ihrer ganzen Untersuchung und Bemühung die Natur; denn sie lassen den Himmel entstehen und beobachten, was sich an seinen Teilen, Eigenschaften (Zuständen) und Tätigkeiten zuträgt, und verwenden hierauf ihre Prinzipien und Ursachen, gleich als stimmten sie den übrigen Naturphilosophen darin bei, daß zum Seienden nur das gehört, was sinnlich wahrnehmbar ist und was der sogenannte Himmel umfaßt. Ihre Ursachen und Prinzipien aber sind, wie gesagt, geeignet, auch zum höheren Seienden aufzusteigen, und passen dafür mehr als für die Erörterung der Natur. Von welcher Art von Ursache jedoch Bewegung ausgehen soll, da nur Grenze und Unbegrenztes, Ungerades und Gerades vorausgesetzt sind, darüber sagen sie nichts, noch auch, wie es möglich ist, daß ohne Bewegung und Veränderung Entstehen und Vergehen und die Erscheinungen der bewegten Himmelskörper stattfinden sollen. – Ferner, gesetzt auch, man gebe ihnen zu, daß aus diesen Prinzipien eine Größe sich ergebe, oder gesetzt, dies würde erwiesen, so bleibt doch die Frage, wie denn einige von den Körpern schwer, andere leicht sein sollen. Denn nach den Prinzipien, die sie voraussetzen und erörtern, handeln sie ebensogut von den sinnlichen wie von den mathematischen Dingen; darum haben sie auch über Feuer oder Erde oder die andern derartigen Körper gar nichts gesagt, da sie über das Sinnliche nichts ihm Eigenes, wie ich glaube, zu sagen hatten. – Ferner, wie kann man annehmen, daß Ursachen von dem, was
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am Himmel ist und geschieht, vom Anfang an wie jetzt die Bestimmtheiten der Zahl und die Zahl selbst seien, und daß es doch keine andere Zahl gebe als diejenige, aus welcher der Himmel gebidet ist? Wenn sich nämlich nach ihnen in einem bestimmten Teile Meinung und Reife befindet, ein wenig weiter oben oder unten aber Ungerechtigkeit und Scheidung oder Mischung, und sie zum Beweise dafür anführen, jedes einzelne von diesen sei eine Zahl, und an dem bestimmten Orte sei gerade die entsprechende Menge von (aus diesen Zahlen) bestehenden Größen, weil jene Eigenschaften je einem besonderen Orte angehörten: so fragt sich, ob diese am Himmel befindliche Zahl dieselbe ist wie die, für die man eine jeder dieser Affektionen zu halten hat, oder eine andere neben ihr? Platon behauptet, sie sei eine andere; er hält freilich ebenfalls sowohl jene Affektionen als auch ihre Ursachen für Zahlen, aber die einen für bloß gedachte, ursächliche, die andern für sinnlich wahrnehmbare. 9. (a) Von den Pythagoreern wollen wir für jetzt nicht weiter handeln; denn es genügt, sich mit ihnen soweit befaßt zu haben. Diejenigen aber, welche die Ideen als Ursache setzen, haben (1.) fürs erste, indem sie die Ursache dieser sinnlichen Dinge finden wollten, andere an Zahl ihnen gleiche hinzugebracht, gleichwie wenn jemand, der eine Anzahl von Gegenständen zählen möchte, es nicht zu können glaubte, wenn weniger Zahlen vorliegen, aber dann zählte, nachdem er sie (die Zahlen) vermehrt hat. Denn der Ideen sind ungefähr ebenso viele oder nicht weniger als der Dinge, deren Ursachen erforschend sie eben von diesen sinnlichen Dingen zu jenen fortschritten. Denn für jedes Einzelne gibt es etwas Gleichnamiges, abgesehen von den Wesen auch für die anderen Dinge, die eine Einheit über der Vielheit des Einzelnen haben, sowohl bei diesen veränderlichen Dingen als bei den ewigen. (2.) Ferner erscheint von den Beweisen, welche wir für die Existenz der Ideen führen, keiner evident; denn aus einigen ergibt sich keine notwendige Schlußfolge, andere erweisen auch Ideen für solche Dinge, für welche wir keine Ideen annehmen. Nach den Beweisgrün-
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den nämlich, welche aus den Wissenschaften argumentieren, würde es Ideen von allem geben, worüber Wissenschaften gehen; und nach dem Beweis, welcher von „dem Einen über dem Vielen“ (Einzelnen) ausgeht, müßte es auch von den Negationen Ideen geben, und nach dem Argument, daß man (auch) etwas Vergangenes noch denke, gäbe es Ideen der vergänglichen Dinge; denn es bleibt doch eine Vorstellung von diesen. (3.) Ferner ergeben die schärferen Beweise teils Ideen des Relativen, wovon es doch nach unserer Lehre keine Gattung an sich gibt, teils sprechen sie von ,,dem dritten Menschen“. (4.) Und überhaupt heben die für die Ideen vorgebrachten Gründe dasjenige auf, dessen Sein wir, wenn wir von Ideen sprechen, noch mehr wollen als das der Ideen selbst; denn es ergibt sich ja daraus, daß nicht die Zweiheit das Erste ist, sondern die Zahl, und das Relative früher ist als das An-sich und was einige noch sonst alles, den Ansichten der Ideenlehre nachgehend, ihren Prinzipien entgegengestellt haben. (5.) Ferner müßte es nach der zugrunde liegenden Annahme, wonach wir sagen, daß es Ideen gäbe, nicht nur von den Wesen (Substanzen) Ideen geben, sondern auch noch von vielem anderen (denn der Gedanke ist ja ein einziger nicht nur bei den Wesen, sondern auch beim übrigen, und Wissenschaft gibt es nicht nur von dem Wesen, sondern auch von anderem, und dergleichen Folgerungen ergeben sich noch tausend andere). Nach der Notwendigkeit aber und den herrschenden Ansichten über die Ideen muß es, wenn es eine Teilhabe an den Ideen gibt, Ideen nur von den Wesen geben. Denn nicht in akzidenteller Weise findet Teilhabe an ihnen statt, sondern diese muß insofern stattfinden, als ein jedes nicht von einem Zugrundeliegenden (Subjekt) ausgesagt wird. Ich meine z. B., wenn etwas an dem Doppeltenan-sich teilhat, so hat es auch an dem Ewigen teil, aber in akzidentellem Sinne; denn es ist ein Akzidens für das Doppelte, daß es ewig ist. Also werden die Ideen nur Wesen sein. Dasselbe aber bedeutet Wesen hier bei dem Sinnlichen und dort bei dem Ewigen. Oder was soll es sonst heißen, wenn man sagt, es sei (existiere) etwas getrennt von diesem Sinnlichen, welches die Einheit sei zur Vielheit des Einzelnen? Und wenn nun die
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Ideen und die an ihnen teilnehmenden Dinge derselben Form (Art) angehören, so würden sie ja etwas Gemeinsames haben; denn warum sollte denn bei den vergänglichen Zweiheiten und bei den zwar vielen, aber ewigen (mathematischen) Zweiheiten mehr als bei der (idealen) Zweiheit-an-sich und der einzelnen sinnlichen Zweiheit das Wesen, Zweiheit zu sein, ein und daselbe sein? Gehören sie aber nicht derselben Form an, so würden sie ja nur namensgleich sein, und es wäre geradeso, als wenn man sowohl den Kallias wie das Holz Mensch nennte, ohne eine Gemeinschaft beider zu sehen. (b) (6.) Am meisten aber müßte man wohl in Verlegenheit kommen, wenn man angeben sollte, was denn die Ideen für das Ewige unter dem sinnlich Wahrnehmbaren oder für das Entstehende und Vergehende beitragen; denn sie sind ja weder irgendeiner Bewegung noch einer Veränderung Ursache. Aber sie helfen auch nichts, weder zur Erkenntnis der anderen Dinge (denn sie sind ja nicht das Wesen derselben, sonst müßten sie in ihnen sein), noch zum Sein derselben, da sie ja nicht in den an ihnen teilhabenden Dingen sind. Denn sie könnten zwar vielleicht Ursachen in dem Sinne sein, wie die Beimischung des Weißen Ursache ist, daß etwas weiß ist. Doch dieser Gedanke, den zuerst Anaxagoras, später Eudoxos und einige andere ausgesprochen, hat gar zu wenig Halt; denn es ist leicht, viele ungereimte Folgerungen gegen eine solche Ansicht zusammenzubringen. (7.) Aber es ist auch auf keine der Weisen, die man gewöhnlich anführt, möglich, daß aus den Ideen das andere werde. Wenn man aber sagt, die Ideen seien Vorbilder und das andere nehme an ihnen teil, so sind das leere Worte und poetische Metaphern. Denn was ist denn das werktätige Prinzip, welches im Hinblick auf die Ideen arbeitet? Es kann ja auch etwas einem andern ähnlich sein oder werden, ohne diesem nachgebildet zu sein; also mag es nun einen Sokrates geben oder nicht, so kann es jemand geben wie Sokrates, und dasselbe gälte offenbar auch, wenn es einen ewigen Sokrates gäbe. – (8.) Ferner wird es für dasselbe Ding mehrere Vorbilder geben, also auch mehrere Ideen, z. B. für den Menschen das Lebewesen und das Zweifüßige und zugleich den Men-
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schen selbst. (9.) Ferner würden die Ideen nicht nur Vorbilder für das Sinnliche sein, sondern auch für die Ideen selbst, z. B. die Gattung für die Arten der Gattung; wonach denn dasselbe zugleich Vorbild und Nachbild sein müßte. (10.) Ferner muß es wohl für unmöglich gelten, daß das Wesen und dasjenige, wovon es Wesen (Wesenheit) ist, getrennt voneinander existieren. Wie können denn also die Ideen, wenn sie die Wesen(heiten) der Dinge sind, getrennt von diesen existieren? – Im Phaidon wird der Gedanke ausgesprochen, daß die Ideen sowohl des Seins als des Werdens Ursache seien. Aber wenngleich die Ideen existieren, so entsteht doch das daran Teilhabende nicht, wofern es nicht eine bewegende Kraft gibt, und dagegen entsteht wieder vieles andere, wie ein Haus und ein Ring, wovon es nach dieser Lehre keine Ideen gibt. Also ist es ja offenbar möglich, daß auch die andern Dinge durch solche Ursachen wie die oben angeführten sein und werden können. (c) (11.) Ferner, wenn die Ideen Zahlen sind, wie sollen sie ursächlich sein? Etwa darum, weil die seienden Dinge andere Zahlen sind, z. B. diese Zahl ein Mensch, diese Sokrates, diese Kallias? Inwiefern sind denn dann jene für diese ursächlich? Denn daß die einen ewig sind, die anderen nicht, kann keinen Unterschied machen. (12.) Sind sie aber deshalb ursächlich, weil die sinnlich wahrnehmbaren Dinge Zahlverhältnisse sind, z. B. die Harmonie, so muß es ja offenbar etwas Eines geben, dessen Verhältnisse sie sind. Gibt es nun dieses Etwas, nämlich den Stoff, so müssen offenbar auch die (Ideen-)Zahlen selbst Verhältnisse sein von etwas zu einem andern. Ich meine z. B., wenn Kallias ein Zahlenverhältnis ist von Feuer, Erde, Wasser und Luft, so müßte auch die Idee ein Zahlenverhältnis von andern ihr zugrunde liegenden Dingen sein, und der Mensch selbst, mag er Zahl sein oder nicht, wird doch ein Zahlenverhältnis sein von etwas, und nicht Zahl (schlechthin), noch muß es deswegen eine Zahl geben. (13.) Ferner, aus vielen Zahlen entsteht eine Zahl, wie soll aber aus mehreren Ideen eine Idee werden? Sagt man aber, daß nicht aus mehreren Zahlen eine wird, sondern aus den in den Zahlen enthaltenen Einheiten,
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wie etwa in der Myriade, wie steht es dann mit den Einheiten? Sind sie innerlich gleichartig, so werden sich daraus viele Ungereimtheiten ergeben; sind sie dagegen nicht gleichartig, weder die in derselben Zahl enthaltenen untereinander noch alle mit allen, wodurch sollen sie sich denn unterscheiden, da sie keine Eigenschaft haben? Das läßt sich nicht begründen, noch sinnvoll denken. (14.) Ferner ist es notwendig, eine davon verschiedene Art von Zahlen zu konstruieren, welche Gegenstand der Arithmetik sei, und so alles das, was einige als dazwischen liegend bezeichnen. Wie oder aus welchen Prinzipien soll dies sein? Oder weshalb soll es zwischen den sinnlichen Dingen und den (Ideen-)Zahlen selbst liegen? (15.) Ferner, jeder von den beiden Einheiten, welche in der Zweizahl enthalten sind, besteht aus einer früheren Zweiheit. Aber das ist doch unmöglich. (16.) Ferner, warum ist denn die zusammengefaßte Zahl eine einzige Zahl? (17.) Ferner überdies, wenn denn die Einheiten verschieden sind, so hätten sie davon so reden sollen wie diejenigen, welche von vier oder zwei Elementen sprechen. Jeder von diesen nämlich nennt nicht das Allgemeine Element, z. B. den Körper, sondern Feuer und Erde, mag nun dafür der Körper etwas Allgemeines sein oder nicht. Nun aber spricht man von dem Einen so, als sei es in sich so gleichartig wie Feuer oder Wasser. Wäre dem so, so würden die Zahlen nicht Wesen sein, vielmehr ist offenbar, daß, wenn etwas das Eine selbst und dies Prinzip ist, man das Eine in mehrfachem Sinne nimmt; denn anders ist es unmöglich. (18.) Indem wir die Wesen auf die Prinzipien zurückführen wollen, lassen wir die Linien entstehen aus dem Kurzen und Langen als einer Art des Kleinen und Großen, die Fläche aus dem Breiten und Schmalen, den Körper aus dem Hohen und Niedrigen. Aber wie kann denn dann in der Fläche die Linie enthalten sein, und in dem Körper Linie und Fläche? Denn das Breite und Schmale ist ja eine andere Gattung als das Hohe und Niedrige. Sowenig also die Zahlen in diesen enthalten sind, weil das Viel und Wenig von diesen verschieden ist, ebensowenig wird hier das Höhere in dem Niederen sein. Es
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ist aber auch nicht das Breite die höhere Gattung des Tiefen; sonst wäre ja der Körper eine Fläche. – (19.) Ferner, woher sollen die Punkte (in den Linien) enthalten sein? Gegen ihre Gattung stritt nun freilich Platon als gegen eine bloß geometrische Lehre und nannte sie vielmehr den Anfang (Prinzip) der Linie, wofür er auch oft den Ausdruck der „unteilbaren Linien“ gebrauchte. Aber es muß doch eine Grenze der Linie geben, und aus demselben Grunde, aus welchem die Linie existiert, muß auch der Punkt existieren. (d) (20.) Überhaupt haben wir, indem doch die Weisheit über die Ursachen der sichtbaren Dinge forscht, dies beiseite gesetzt (denn wir reden gar nicht von der Ursache, von welcher der Anfang der Bewegung ausgeht), sondern in der Meinung, als gäben wir das Wesen derselben an, erklären wir, daß andere Wesen existieren; inwiefern aber diese das Wesen der sichtbaren Dinge sind, darüber machen wir leere Worte; denn von Teilhabe zu sprechen, ist, wie früher erörtert, nichts. (21.) Ebensowenig stehen die Ideen mit der Ursache, welche wir durch die Wissenschaften sehen, wodurch jede Vernunft und jede Natur tätig ist und die wir als eines von den Prinzipien anführen, in irgendeiner Berührung, sondern die Mathematik ist den jetzigen Philosophen zur Philosophie geworden, obgleich sie behaupten, man müsse dieselbe um anderer Dinge willen betreiben. (22.) Ferner möchte man das als Stoff zugrunde gelegte Wesen mehr für ein mathematisches halten und vielmehr für ein Prädikat und einen Artunterschied des Wesens und des Stoffes als selbst für Stoff, ich meine nämlich das Große und Kleine, wie ja auch die Naturphilosophen von dem Dünnen und Dichten reden und es als die ersten Unterschiede des Substrates bezeichnen; denn dies ist ja auch ein Überschuß und ein Mangel. – (23.) Und was die Bewegung anbetrifft, so würden, wenn dies, das Große und Kleine, Bewegung sein soll, offenbar die Ideen in Bewegung sein; wo aber nicht, woher kam sie dann? So ist denn die ganze Untersuchung der Natur aufgehoben. (24.) Und was sich leicht zu erweisen scheint, nämlich daß Alles Eines ist, das ergibt sich aus ihren Beweisen nicht. Denn
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durch das Herausheben des Einen aus der Vielheit ergibt sich, selbst wenn man ihnen alles zugibt, nicht, daß Alles eins ist, sondern nur, daß es ein Eines selbst gibt; und nicht einmal dies, wofern man ihnen nicht zugibt, daß das Allgemeine Gattung sei, und das ist doch in manchen Fällen unmöglich. (25.) Wenn sie aber nach den Zahlen Linien und Flächen und Körper setzen, so läßt sich gar kein Grund anführen, weder inwiefern sie sind oder sein sollen, noch darüber, welches Vermögen sie haben; denn diese können weder Ideen sein, da sie keine Zahlen sind, noch Dazwischenliegendes, da dies das Mathematische ist, noch können sie den vergänglichen Dingen angehören, sondern offenbar ergibt sich hierin wieder eine andere, vierte Gattung der Wesen. (e) (26.) Überhaupt ist es unmöglich, die Elemente des Seienden zu finden, wenn man nicht die verschiedenen Bedeutungen, die das Seiende hat, unterscheidet, zumal wenn die Untersuchung auf die Frage geht, aus welcherlei Elementen das Seiende bestehe. Denn für das Tun oder Leiden oder für das Gerade kann man doch keine Elemente angeben, aus denen es bestände, sondern, wofern dies überhaupt möglich ist, so ist es nur für die Wesen (Substanzen) möglich. Also ist es unrichtig, die Elemente von allem Seienden zu suchen oder zu meinen, daß man sie habe. (27.) Wie sollte man denn auch die Elemente der gesamten Dinge erkennen lernen? Denn offenbar könnte man ja vor dieser Erkenntnis nichts vorher erkannt haben. So wie nämlich der, welcher die Geometrie erlernt, zwar andere Dinge vorher wissen kann, aber keines von denjenigen, welche Gegenstand dieser Wissenschaft sind und die er eben erst erlernen will, ebenso verhält es sich auch bei allem anderen. Gibt es also eine Wissenschaft der gesamten Dinge, wie manche behaupten, so müßte, wer sie erlernt, vorher nichts wissen. Nun geschieht aber doch jede Erlernung durch ein vorausgehendes Wissen aller oder einiger Stücke, sowohl die Erlernung durch Beweis wie die durch Definition; denn man muß die Teile, aus welchen die Definition besteht, vorher kennen, und sie müssen schon bekannt sein. In gleicher Weise verhält es sich bei der Er-
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lernung durch Induktion. – (28.) Aber gesetzt, diese Erkenntnis wäre uns angeboren, so wäre es doch verwunderlich, wie es uns verborgen bleiben sollte, wenn wir im Besitz der höchsten Wissenschaft wären. (29.) Ferner, wie soll man erkennen, woraus das Seiende besteht, und wie soll dies deutlich werden? Auch dies macht nämlich Schwierigkeit; denn man könnte ja darüber Zweifel erheben in derselben Art wie bei einigen Silben, wo z. B. einige behaupten, die Silbe za bestehe aus den Lauten, s, d, und a, andere dagegen einen andern, von den bekannten verschiedenen Laut annehmen. (30.) Ferner, wie kann man wohl die Gegenstände der sinnlichen Wahrnehmung erkennen, wenn man nicht diese sinnliche Wahrnehmung besitzt? Und doch müßte dies der Fall sein, wenn jene Prinzipien die Elemente wären, aus denen alles bestände, ebenso wie die zusammengesetzten Laute aus ihren eigentümlichen Elementen bestehen. 10. Daß also alle die in den Büchern Über die Natur angeführten Ursachen aufzusuchen scheinen, und daß wir außer diesen keine andere Art von Ursachen anführen können, ist selbst aus den obigen Erörterungen offenbar. Doch handelten sie von diesen nur dunkel, und wenn in gewissem Sinne alle Ursachen schon früher genannt sind, so sind sie es wieder in gewissem Sinne durchaus nicht. Denn die erste Philosophie schien über alles nur stammelnd zu reden (wie ein Kind), da sie noch jung war und am Beginn stand. So sagt zwar auch Empedokles, der Knochen habe sein Sein durch den Begriff (Verhältnis), dieser ist aber das Sosein und das Wesen des Dinges. Auf gleiche Weise müßte ja aber der Begriff (das Verhältnis) auch das Fleisch und jedes einzelne von den übrigen Dingen bestimmen oder überhaupt keines; denn durch diesen würde ebensowohl das Fleisch wie der Knochen und jedes einzelne von den andern Dingen sein Sein haben, nicht durch den Stoff, von dem er spricht: Feuer, Erde, Wasser und Luft. Doch hierin würde er, wenn es ein anderer ausgesprochen hätte, beigestimmt haben, er selbst hat es aber nicht bestimmt gesagt. Dergleichen
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Gegenstände sind schon oben geklärt worden. Welche Fragen man aber über eben diese Gegenstände vorbringen kann, darauf wollen wir nun eingehen; denn vielleicht können sie uns den Weg zur Lösung der späteren Fragen bahnen.
BUCH II
1. (a) Die Betrachtung der Wahrheit ist in einer Hinsicht schwer, in einer andern leicht. Dies zeigt sich darin, daß niemand sie in gebührender Weise erreichen, aber auch nicht alle verfehlen können, sondern ein jeder etwas Richtiges über die Natur sagt, und wenn sie einzeln genommen nichts oder nur wenig zu derselben beitragen, so ergibt sich doch aus der Zusammenfassung aller eine gewisse Größe. Wenn es sich also mit ihr zu verhalten scheint wie nach dem Sprichwort: ,Wer sollte denn eine Tür nicht treffen‘, so möchte sie von dieser Seite betrachtet leicht sein; daß man aber etwas im ganzen haben, im einzelnen aber verfehlen kann, das beweist ihre Schwierigkeit. (b) Vielleicht ist nun aber die Ursache der Schwierigkeit, die ja von zweifacher Art sein kann, nicht in den Dingen, sondern in uns selbst; wie sich nämlich die Augen der Eulen gegen das Tageslicht verhalten, so verhält sich die Vernunft unserer Seele zu dem, was seiner Natur nach unter allem am offenbarsten ist. (c) Mit Recht muß man nicht bloß gegenüber denjenigen dankbar sein, deren Ansichten man teilen kann, sondern auch gegenüber denen, deren Lehren sich mehr auf der Oberfläche gehalten haben. Denn auch sie trugen dadurch etwas bei, daß sie unsere Fähigkeit übten und vorbildeten. Wäre Timotheos nicht gewesen, so entbehrten wir eines großen Teiles unserer lyrischen Poesie; wäre aber Phrynis nicht gewesen, so wäre Timotheos nicht aufgetreten. Geradeso verhält es sich mit denen, welche sich über die Wahrheit erklärt haben; von den einen haben wir gewisse Ansichten überkommen, die andern sind die Ursache gewesen, daß diese auftraten. (d) Richtig ist es auch, die Philosophie Wissenschaft der Wahrheit zu nennen. Denn für die theoretische Philosophie ist die Wahrheit, für die praktische das Werk Ziel. Denn wenn auch die Vertreter der praktischen Philosophie danach fragen, wie etwas beschaffen ist, so ist doch nicht das Ewige (das Ursächliche, das Ansich), son-
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dern das Relative und Zeitliche Gegenstand ihrer Betrachtung. Die Wahrheit aber wissen wir nicht ohne Erkenntnis der Ursache. Jedes (Prinzip) hat dasjenige vor dem übrigen im höchsten Grade, wonach es auch in dem übrigen als Gemeinsames zukommt, wie z. B. das Feuer am wärmsten ist, weil es auch für das übrige Ursache der Wärme ist. Daher ist auch dasjenige am wahrsten, welches für das Spätere Ursache der Wahrheit ist. Darum müssen die Prinzipien des ewig Seienden (immer) am wahrsten sein; denn sie sind nicht bald wahr, bald falsch, noch haben sie die Ursache des Seins in einem andern, sondern sie selbst sind Ursache für das übrige. Wie sich daher jedes zum Sein verhält, so auch zur Wahrheit. 994a
2. (a) Daß es ein Prinzip gibt und die Ursachen des Seien den nicht ins Unendliche fortschreiten, weder in fortlaufender Reihe noch der Art nach, ist offenbar. Denn weder das Entstehen des einen aus dem andern als aus seinem Stoffe kann ins Unendliche fortgehen, z. B. Fleisch aus Erde, und Erde aus Wasser, und Wasser aus Feuer und so ins Unendliche; noch kann bei derjenigen Ursache, von welcher die Bewegung ausgeht, ein Fortschritt ins Unendliche stattfinden, z. B. daß der Mensch von der Luft bewegt würde, diese von der Sonne, die Sonne vom Streite, und so fort ohne Grenze. In gleicher Weise kann auch der Zweck nicht ins Unendliche fortgehen, daß etwa das Gehen stattfände um der Gesundheit willen, diese um der Glückseligkeit, diese wieder um eines andern willen, und so fort jedes wieder in einem andern seinen Zweck habe. Dasselbe findet auch statt bei dem Sosein. Denn bei jedem Mittleren, wozu es geschieden davon ein Äußerstes und ein Früheres gibt, muß notwendig das Frühere Ursache sein für das Nachfolgende. Denn wenn wir sagen sollten, welches denn unter den dreien Ursache sei, so werden wir das Erste nennen. Gewiß doch nicht das Äußerste, denn das Letzte ist für keines Ursache; aber ebensowenig das Mittlere, denn dies ist nur für eines Ursache. Es macht dabei keinen Unterschied, ob man von einem (Mittleren) oder mehreren, von unbegrenzten oder begrenzten handelt. Bei den in diesem Sinne unendlichen (Ursa-
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chen) aber und überhaupt bei dem Unendlichen sind alle Teile gleich sehr mittlere bis zum gegenwärtigen; gibt es also bei ihm nichts Erstes, so gibt es auch keine Ursache. Ebensowenig aber ist es möglich, daß, während es aufwärts einen Anfang gibt, abwärts ein Fortschritt ins Unendliche stattfinde, so daß etwa aus dem Feuer Wasser, aus diesem Erde, und so immer wieder eine andere Gattung entstände. In zweifachem Sinne nämlich sagt man, daß eines aus dem andern werde: entweder (erstens) so, wie „eines nach dem anderen“, z. B. die isthmischen Spiele aus den olympischen, bzw. wie aus dem Knaben, indem er sich verändert, der Mann, oder (zweitens), wie aus Wasser Luft wird. Wie aus dem Knaben der Mann, damit meinen wir, wie aus dem Werdenden das Gewordene und aus dem sich Vollendenden das Vollendete. Immer nämlich liegt etwas dazwischen: Wie das Werden zwischen Sein und Nichtsein, so ist auch das Werdende ein Mittleres zwischen Seiendem und Nicht-Seiendem. Der Lernende ist ein werdender Gelehrter, und das meinen wir, wenn wir sagen, daß aus dem Lernenden ein Gelehrter werde. Wie aus Wasser Luft, damit meinen wir das Entstehen durch den Untergang des andern. Daher findet bei jenen keine Umkehr in der Folge des Entstehens statt, und es wird nicht aus dem Manne der Knabe; denn nicht aus dem Entstehen wird dort das Werdende, sondern nach dem Entstehen. So wird auch der Tag aus dem Morgen, indem er nach diesem eintritt, und darum wird auch nicht der Morgen aus dem Tage. Bei der anderen Art des Werdens dagegen findet die Umkehrung der Folge statt. Bei beiden Arten aber ist ein Fortschritt ins Unendliche unmöglich; denn das eine muß als ein Mittleres ein Ende haben, das andere aber erleidet eine Umkehr in einander, indem das Vergehen des einen Entstehen des andern ist. Zugleich ist es auch unmöglich, daß das Erste, welches ewig ist, bei dem Entstehen selbst untergehe; denn da das Entstehen nicht einen Fortschritt ins Unendliche aufwärts zuläßt, so kann dasjenige, aus welchem als erstem durch seinen Untergang etwas entstand, nicht ewig sein. Ferner ist das Weswegen Endzweck. Endzweck aber ist das, welches nicht um eines andern willen, sondern um dessentwillen das andere ist. Wenn es also ein sol-
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ches Äußerstes gibt, so findet dabei kein Fortschritt ins Unendlicht statt; gibt es kein solches, so gibt es überhaupt kein Weswegen. Aber wer hierin einen Fortschritt ins Unendliche behauptet, der hebt, ohne es zu wissen, das Wesen des Guten auf. Und doch würde niemand etwas zu tun unternehmen, wenn er nicht zu einem Ende zu kommen gedächte. Auch läge in solchem Verhalten keine Vernunft; denn der Vernünftige handelt immer nach einem Weswegen; dies ist aber eine Grenze; denn der Zweck ist eine Grenze. Aber auch das Sosein läßt sich nicht jeweils auf eine andere Begriffsbestimmung zurückführen, die begrifflich (immer wieder) erweitert würde. Denn immer ist der frühere mehr Begriff der Sache als der spätere; wenn es also nicht das Erste schon ist, so noch weniger das darauf Folgende. – Ferner hebt eine solche Behauptung das Wissen auf, da es nicht möglich ist zu wissen, bevor man zum Unteilbaren gelangt ist. Und ebensowenig ist Erkennen möglich. Denn wie ist es denn möglich, das in diesem Sinne Unendliche zu denken? Es verhält sich nämlich hierbei nicht so, wie bei der Linie, bei welcher die Teilung zwar keine Grenze hat, die man aber doch nicht denken kann, ohne im Teilen anzuhalten. Wer deshalb die unendlich teilbare Linie durchgeht, wird die Teilungen der Linie nicht zählen (können). Auch die Materie kann man nur an einem bewegten Gegenstande denkend erfassen. Und kein (bewegtes, materielles) Ding kann unendlich sein. Andernfalls wäre das wesentlich Unendliche nicht unendlich. (b) Ebensowenig aber wäre ein Erkennen möglich, wenn die Arten der Ursachen der Zahl nach unendlich wären. Denn wir glauben dann etwas zu wissen, wenn wir die Ursachen desselben erkannt haben; das ins Unendliche Zunehmende aber kann man nicht in begrenzter Zeit durchgehen.
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3. (a) Die verschiedene Aufnahme des Unterrichts hängt von der Gewohnheit ab; denn wie wir es gewohnt sind, so verlangen wir, soll die Behandlung eines Gegenstandes beschaffen sein, und was davon abweicht, erscheint uns als unpassend und wegen des Ungewöhnlichen schwieriger zu verstehen und fremdartiger; denn das Gewohnte ist verständlicher. Wie groß die
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Macht der Gewohnheit ist, beweisen die Gesetze, bei welchen Sagenhaftes und Kindisches wegen der Gewohnheit daran mehr bewirkt als Erkennen. Einige also mögen einen Unterrichtenden gar nicht anhören, wenn er nicht auf mathematische Weise spricht. Andere, wenn er nicht Beispiele bringt, andere verlangen, daß er Dichter als Zeugen anführe. Die einen verlangen in allen Dingen strenge Genauigkeit, die andern verdrießt diese Genauigkeit, entweder weil sie dieselbe nicht fassen können, oder weil sie ihnen für Kleinlichkeit gilt. Denn strenge Genauigkeit hat hiervon etwas an sich, wodurch sie wie im Geschäftsverkehr so auch in der Behandlung der Wissenschaften manchen für unfrei gilt. (b) Daher muß man (im methodischen Fragen) schon gebildet sein, welche Weise man bei jedem Gegenstande zu fordern hat; denn unstatthaft ist es, zugleich die Wissenschaft und die Weise ihrer Behandlung zu suchen, da (auch) jedes von diesen beiden für sich zu finden nicht leicht ist. (c) Die genaue Schärfe der Mathematik aber darf man nicht für alle Gegenstände fordern, sondern nur für die stofflosen. Darum paßt diese Weise nicht für die Wissenschaft der Natur, denn alle Natur ist wohl mit Stoff verbunden. Wir müssen deshalb zuerst untersuchen, was die Natur ist; denn daraus wird sich auch ergeben, worüber die Physik geht [und ob die Untersuchung der Ursachen und Prinzipien Gegenstand einer oder mehrerer Wissenschaften ist].
BUCH III
1. (a) Für die gesuchte Wissenschaft ist es nötig, daß wir uns zuerst dem zuwenden, worüber wir zunächst Fragen stellen müssen. Dies sind teils die abweichenden Ansichten, welche manche hierüber aufgestellt haben, teils anderes, was etwa bisher unbeachtet geblieben ist. Für diejenigen nämlich, die einen guten Erfolg der Lösung anstreben, ist eine gute Fragestellung förderlich; denn der spätere Erfolg liegt in der Lösung des vorher in Frage Gestellten, auflösen aber kann man nicht, wenn man den Knoten nicht kennt. Die Fragestellung (Aporie) aber im Denken zeigt diesen Knoten in der Sache an; denn im Fragen gleicht man den Gebundenen, denen es nach beiden Seiten unmöglich ist vorwärts zu schreiten. Man muß deshalb vorher alle Schwierigkeiten in Betracht gezogen haben sowohl aus dem bereits ausgesprochenen Grunde, als auch weil man bei einer Forschung ohne vorausgegangenes Fragen den Wanderern gleicht, welche nicht wissen, wohin sie gehen sollen, und zudem dann nicht einmal erkennen, ob sie das gesuchte Ziel gefunden haben oder nicht. Denn das Ziel ist ihnen ja nicht bekannt, wohl aber ist es dem bekannt, der vorher danach gefragt hat. Überdies muß notwendig der zur Entscheidung befähigter sein, der die gegeneinander streitenden Gründe, wie ein Richter die streitenden Parteien, angehört hat. (b) (1.) Die erste Frage betrifft den Gegenstand, den wir in der Einleitung besprochen haben, nämlich ob die Betrachtung der Ursachen Gegenstand einer oder mehrerer Wissenschaften ist, und (2.) ob es der Wissenschaft nur zukommt, die ersten Prinzipien der Wesen (Substanzen) in Betracht zu ziehen oder auch die allgemeinen Prinzipien der Beweisführung, z. B. ob es möglich ist, ein und dasselbe zugleich zu bejahen und zu verneinen oder nicht, und anderes der Art. (3.) Und wenn die Wissenschaft auf das Wesen (Substanz) geht, so fragt sich, ob alle Wesen einer oder mehreren Wissenschaften angehören, und
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wenn mehreren, ob diese alle verwandt sind oder einige von ihnen als Weisheit zu bezeichnen sind, andere nicht. (4.) Auch dies muß ferner erforscht werden, ob man nur den sinnlichen Wesen Sein zuzuschreiben hat oder noch anderen neben diesen, und ob dann einer oder mehreren Gattungen von Wesen, wie dies von denen geschieht, welche die Ideen und das Mathematische, als Mittleres zwischen den Ideen und den sinnlichen Dingen, aufstellen. (5.) Diese Fragen also müssen untersucht werden, und ferner, ob die theoretische Untersuchung nur auf die Wesen gerichtet ist oder auch auf die Akzidenzien, die den Wesen an sich zukommen. Ferner in Beziehung auf Identisches und Verschiedenes, Ähnliches und Unähnliches, Selbigkeit und Gegensatz, über Früheres und Späteres und alles andere dieser Art, welches die Dialektik nur nach Wahrscheinlichkeitsgründen zu betrachten versucht, muß man fragen, welcher Wissenschaft die Untersuchung derselben zukommt; ebenso auch über die Akzidenzien, die diesen Dingen an sich zukommen, und nicht bloß darüber, was ein jedes derselben ist, sondern auch, ob ein jedes nur einen konträren Gegensatz hat. (6.) Ferner, ob die Prinzipien und Elemente die Gattungen sind oder die immanenten Bestandteile, in welche jedes Ding zerlegt wird; und (7.) wenn die Gattungen, ob die von den Individuen zunächst ausgesagten oder die ersten und höchsten, z. B. ob Lebewesen oder Mensch Prinzip ist, und welches von beiden neben dem Einzelnen in höherem Grade ist. (8.) Am meisten aber muß man danach forschen und sich damit beschäftigen, ob es neben dem Stoff noch eine Ursache an sich gibt oder nicht, und ob diese abtrennbar ist oder nicht, ob sie der Zahl nach eine ist oder mehrere, und ob es etwas neben dem konkreten Ding gibt oder nicht (von Konkretem spreche ich dort, wo etwas vom Stoff ausgesagt wird), oder ob dies bei einigen der Fall ist, bei andern nicht, und bei welcherlei Dingen. (9.) Ferner fragt sich, ob die Prinzipien der Zahl oder der Art nach bestimmt sind, ebensowohl die in den Begriffen wie die im Zugrundeliegenden (Einzelnen) enthaltenen, und (10.) ob für Vergängliches und Unvergängliches dieselben Prinzipien sind oder verschiedene, und ob alle unvergänglich
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sind oder die des Vergänglichen vergänglich. (11.) Besonders schwierig und fragwürdig ist ferner dies, ob das Eine und das Seiende, wie die Pythagoreer und Platon lehrten, nicht etwas anderes ist (als das, wovon es ausgesagt wird), sondern Wesen (Wesenheit) des Seienden ist, oder ob dies nicht der Fall ist, sondern etwas anderes das Zugrundeliegende (Subjekt) ist, wie etwa in Empedokles’ Lehre die Freundschaft, oder bei einem andern das Feuer oder das Wasser oder die Luft. (12.) Ferner fragt sich, ob die Prinzipien allgemein sind oder wie die Einzeldinge, (13.) ob sie der Möglichkeit nach oder in Wirklichkeit sind, und überdies, ob noch in einer andern Weise als für die Bewegung; denn auch diese Frage kann viel Schwierigkeit machen. (14.) Überdies ist noch zu untersuchen, ob die Zahlen, Linien, Figuren und Punkte Wesen sind oder nicht, und wenn sie Wesen sind, ob abgetrennt von den sinnlichen oder immanent in denselben. In allen diesen Punkten ist nicht nur die Auffindung der Wahrheit schwer, sondern selbst eine gute Fragestellung für das Denken nicht leicht. 2. (1. Aporie) Zuerst also die Frage, die wir zuerst anführten, nämlich ob die Betrachtung aller Gattungen der Ursachen einer Wissenschaft angehört oder mehreren. (a) Wie sollte es wohl einer Wissenschaft zukommen, die verschiedenen Ursachen zu erkennen, da diese nicht entgegengesetzt sind? Dazu kommt, daß sich in vielen seienden Dingen nicht alle Arten von Ursachen finden. Denn wie ist es möglich, daß sich das Prinzip der Bewegung oder die Natur des Guten in dem Unbeweglichen finde, da ja jedes, was an sich und nach seiner eigenen Natur gut ist, ein Zweck und insofern Ursache ist, als um seinetwillen das andere wird und ist, der Zweck aber und das Weswegen Zweck einer Handlung ist und jede Handlung mit Bewegung verbunden ist? Darum kann sich also in dem Unbeweglichen dies Prinzip und das Gute an sich nicht finden. Daher wird auch in der Mathematik nichts aus dieser Ursache bewiesen, und kein Beweis geht darauf zurück, daß es so besser oder schlechter sei, vielmehr tut niemand derartiger Verhältnisse dabei auch nur Erwähnung. Deshalb verachteten auch ei-
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nige von den Sophisten, z. B. Aristippos, die Mathematik; denn bei den andern Künsten, sagten sie, ja selbst bei den Handwerken, wie dem Zimmerer- oder Schusterhandwerk, führe man als Grund immer an, daß etwas so besser oder schlechter sei, die Mathematik aber nehme auf gut und schlecht gar keine Rücksicht. (b) Wenn aber andererseits die Ursachen mehreren Wissenschaften angehören und jedes Prinzip einer anderen Wissenschaft, welche von diesen sollen wir für die gesuchte erklären? Oder wen unter denen, die diese Wissenschaften besitzen, sollen wir am meisten für kundig des gesuchten Gegenstandes halten? Denn es ist ja möglich, daß sich bei einem und demselben Gegenstande alle Arten der Ursachen finden, z. B. beim Hause; hier ist nämlich der Ursprung der Bewegung die Kunst und der Baumeister, Zweck das Werk, Stoff die Erde und die Steine, Form der Begriff. Nach dem nun, was früher hierüber bestimmt worden ist, welche von den Wissenschaften man Weisheit zu nennen hat, läßt sich für jede ein Grund anführen, sie so zu nennen. Denn als herrschende und leitende Wissenschaft, der die anderen wie dienende nicht einmal widersprechen dürfen, würde die Wissenschaft des Zwecks und des Guten diesen Namen verdienen (denn um des Zweckes willen ist das andere); insofern aber die Weisheit als Wissenschaft der ersten Ursachen und des am meisten Wißbaren bestimmt wurde, wäre vielmehr die Wissenschaft des Wesens so zu nennen. Denn unter mehreren, welche auf verschiedene Weise dasselbe wissen, schreiben wir dem in höherem Sinne Wissen zu, der die Sache nach ihrem Sein, als dem, der sie nach ihrem Nichtsein erkennt, und im höchsten Sinne dem, der erkennt, was sie ist, nicht bloß, wie groß oder wie beschaffen sie ist, oder was sie ihrer Natur nach zu tun oder zu leiden fähig ist. Ferner schreiben wir uns auch bei jedem andern Dinge, für das es Beweisführung gibt, Wissen dann zu, wenn wir die Frage, was es ist, beantworten; z. B. was ist Quadrierung? Die Auffindung der mittleren Proportionale; und auf gleiche Weise auch in den übrigen Dingen. Hinsichtlich der Entstehungen aber und der Handlungen und überhaupt jeder Veränderung legen wir uns dann Wissenschaft bei, wenn wir das Prinzip der Bewegung
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erkannt haben. Dies ist aber vom Zwecke verschieden und ihm entgegengesetzt. – Danach würde es scheinen, daß die Betrachtung jeder einzelnen dieser Ursachen verschiedenen Wissenschaften zukomme. (2. Aporie) Ferner erhebt sich eine Frage in Beziehung auf die Prinzipien der Beweise, ob diese einer und derselben oder einer andern Wissenschaft angehören. Unter Prinzipien der Beweise verstehe ich nämlich die allgemeinen Annahmen, von denen wir alle beim Beweisen ausgehen, z. B. daß man notwendig alles entweder bejahen oder verneinen muß, daß unmöglich etwas zugleich sein und nicht sein kann, und was dergleichen Voraussetzungen mehr sind. Es fragt sich also: gehören diese einer und derselben Wissenschaft an wie auch das Wesen (Substanz) oder einer andern, und wenn nicht derselben, welche von beiden soll man als die gesuchte bezeichnen? (a) Daß sie derselben Wissenschaft angehören, ist nicht mit Grund anzunehmen. Denn inwiefern kommt denn eine Einsicht in dieselben der Geometrie etwa mehr zu als überhaupt irgendeiner? Wenn es aber nun jeder beliebigen gleich gut zukommt und doch nicht allen zusammen zukommen kann, so wird ihre Erkenntnis sowenig wie irgendeiner der übrigen Wissenschaften, ebensowenig auch der die Wesen erkennenden Wissenschaft angehören. Dazu kommt: Auf welche Weise sollte es denn überhaupt eine Wissenschaft derselben geben? Denn was ein jeder dieser Sätze bedeutet, das wissen wir auch jetzt schon; wenigstens wenden auch die andern Künste dieselben als bekannte an. Sollte es aber eine beweisende Wissenschaft für dieselben geben, so muß ein Gattungsbereich zugrunde liegen, und sie müssen teils Bestimmtheiten von ihm, teils Axiome sein (denn nicht für alles kann es einen Beweis geben); denn jeder Beweis muß aus etwas über etwas und für etwas geführt werden. Daraus ergäbe sich also, daß alles, was bewiesen wird, einem Gattungsbereich angehörte, denn alle beweisenden Wissenschaften wenden die Axiome an. (b) Ist aber die Wissenschaft vom Wesen eine andere als die von den Axiomen, welche von beiden ist dann ihrer Natur nach die bedeutendere und frühere? Denn am allgemeinsten und von allem Prinzip sind
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die Axiome. Und wenn nicht dem Philosophen, wem anders soll es denn dann zukommen, hierüber Wahres und Falsches zu erforschen? (3. Aporie) Überhaupt, handeln von allen Wesen eine Wissenschaft oder mehrere? (a) Wenn nun nicht eine einzige, welche Art von Wesen soll man als Gegenstand der gegenwärtigen Wissenschaft setzen? (b) Daß sie aber alle einer Wissenschaft angehören, ist nicht wahrscheinlich; sonst würde es auch eine beweisende Wissenschaft für alle Akzidenzien geben, da ja eine jede Wissenschaft an einem Zugrundeliegenden (Subjekt) die wesentlichen Akzidenzien betrachtet, ausgehend von den allgemeinen Axiomen. Es kommt also einer und derselben Wissenschaft zu, von denselben Annahmen ausgehend an einem und demselben Gattungsbereich die wesentlichen Akzidenzien zu betrachten. Denn wie der Gegenstand der Beweisführung einer Wissenschaft angehört, so gehören auch die Annahmen, von denen man ausgeht, einer Wissenschaft an, mag es nun dieselbe sein oder eine andere; daher haben diese selben Wissenschaften oder eine von ihnen abhängige auch die Akzidenzien zu betrachten. (4. Aporie) Ferner fragt sich, ob die Untersuchung nur auf die Wesen geht oder auch auf ihre Akzidenzien. Ich meine z. B., wenn der Körper ein Wesen ist und ebenso Linien und Flächen, so fragt sich, ob es derselben Wissenschaft zukommt, diese zu erkennen und zugleich auch die Akzidenzien einer jeden dieser Gattungen, von denen die Mathematik beweisend handelt, oder ob es einer andern Wissenschaft angehört. (a) Gehört es nämlich derselben Wissenschaft an, so müßte ja auch die Wissenschaft vom Wesen eine beweisführende sein, und doch scheint für das Was keine Beweisführung stattzufinden. (b) Gehört es aber einer andern Wissenschaft an, welche Wissenschaft soll es denn sein, die hinsichtlich des Wesens die Akzidenzien zu betrachten hätte? Hierauf zu antworten ist sehr schwer. (5. Aporie) Ferner ist die Frage, ob man nur von den sinnlichen Wesen zu behaupten hat, daß sie seien, oder auch noch von andern außer diesen, und ob dann nur eine oder mehrere Gattungen von Wesen zu setzen sind, wie dies diejenigen tun, welche die Ideen annehmen und das Mittlere, wovon, wie sie
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sagen, die mathematischen Wissenschaften handeln. In welchem Sinne wir die Ideen als Ursachen und Wesen(heiten) an sich setzen, darüber ist im ersten Abschnitt gesprochen. (a) Bei den vielen Schwierigkeiten, zu welchen die Ideenlehre führt, tritt dies besonders als unstatthaft hervor, daß man zwar gewisse Naturen annimmt neben denen im Weltall, diese aber den sinnlich wahrnehmbaren gleichmacht, mit dem einzigen Unterschied, daß die einen ewig seien, die andern vergänglich. Denn sie reden von einem Menschen-an-sich, Pferde-ansich, Gesundheit-an-sich und fügen eben nichts weiter als dies an-sich hinzu, ganz so wie diejenigen, welche zwar Götter annehmen, aber von Menschengestalt; denn jene setzten nichts anderes als ewige Menschen, und ebenso setzen diese in den Ideen nichts anderes als ewige sinnlich wahrnehmbare Dinge. (b) Will man ferner neben den Ideen und den sinnlich wahrnehmbaren Dingen das Dazwischenliegende setzen, so wird man in viele Schwierigkeiten geraten. Denn offenbar muß es dann in gleicher Weise Linien geben neben den Ideallinien und den sinnlichen und in gleicher Weise bei jeder anderen Gattung. Da nun die Astronomie eine dieser Wissenschaften ist, so muß es einen Himmel geben neben dem sinnlichen Himmel und eine Sonne und einen Mond und ebenso für die übrigen Himmelskörper. Wie soll man aber solchen Folgerungen Glauben schenken? Denn als unbeweglich könnte man diesen Himmel nicht sinnvoll annehmen, als bewegt aber ihn anzusehen ist ganz unmöglich. Das gleiche gilt von den Gegenständen, mit denen sich die Optik und die mathematische Harmonik beschäftigt; auch diese nämlich können aus denselben Gründen unmöglich neben den sinnlichen Dingen existieren. Denn wenn sinnlich Wahrnehmbares und sinnliche Wahrnehmungen dazwischen liegen, so müßten ja offenbar auch Lebewesen zwischen den Ideen und den vergänglichen existieren. – Man würde aber auch darüber Fragen stellen, anzugeben, bei welchen Arten der seienden Dinge man diese Wissenschaften zu suchen hat. Denn soll sich die Geometrie von der praktischen Feldmeßkunst nur dadurch unterscheiden, daß die eine das sinnlich Wahrnehmbare, die andere das nicht sinnlich Wahr-
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nehmbare zum Gegenstande hat, so müßte ja auch neben der Heilkunst eine Wissenschaft bestehen, welche zwischen der Heilkunst an sich und dieser bestimmten Heilkunst läge, und in gleicher Weise für jede andere Wissenschaft. Wie ist das aber möglich? Denn dann müßte es ja auch ein Gesundes geben neben dem sinnlichen Gesunden und dem Gesunden ansich. Übrigens ist es auch nicht einmal wahr, daß die Feldmeßkunst die sinnlichen und vergänglichen Größen zu ihrem Gegenstande hat; sonst würde sie ja mit deren Untergange selbst untergehen. Und ebensowenig handelt die Astronomie von den sinnlichen Größen oder von diesem sinnlich wahrnehmbaren Himmel. Denn weder die sinnlich wahrnehmbaren Linien sind von der Art, wie die Geometrie sie setzt (denn nichts sinnlich Wahrnehmbares ist in dieser Weise gerade oder rund; denn der Kreis berührt das Lineal nicht in einem Punkte, sondern in der Weise, wie Protagoras zur Widerlegung der Geometer darlegte), noch sind die Bewegungen und Wendungen am Himmel denen gleich, von welchen die Astronomie redet, noch haben die Punkte eine den Gestirnen gleiche Natur. – (c) Es gibt nun einige, welche dies sogenannte Dazwischenliegende zwischen den Ideen und den sinnlichen Dingen zwar auch setzen, aber nicht als selbständig getrennt von den sinnlichen Dingen, sondern als immanent in denselben. Die Unmöglichkeiten alle durchzugehen, in welche diese geraten, würde eine längere Erörterung erfordern, doch genügt schon folgende Betrachtung. Einerseits nämlich ist nicht mit Grund anzunehmen, daß es sich nur bei diesen so verhalten sollte, sondern offenbar müßte es ebensogut möglich sein, daß die Ideen immanent in den sinnlichen Dingen wären; denn bei beiden ist das Verhältnis dasselbe. Ferner müßten notwendig zwei Körper in demselben Raume sein, und (das Dazwischenliegende) könnte nicht unbeweglich sein als immanent in den bewegten sinnlichen Dingen. Überhaupt aber, wozu nähme man denn an, daß dies (Dazwischenliegende) zwar existiere, aber in den sinnlichen Dingen immanent? Denn man wird ja in dieselben Ungereimtheiten verfallen wie die vorhin erwähnten; es müßte nämlich auch so
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einen Himmel geben neben dem sinnlichen, nur nicht getrennt von ihm, sondern an demselben Orte, was noch unmöglicher ist. 3. (6. Aporie) In diesen Punkten also ist es sehr schwierig anzugeben, welche Annahme die Wahrheit trifft, und dasselbe gilt auch hinsichtlich der Prinzipien, nämlich ob man die Gattungen als Elemente und Prinzipien ansehen soll oder vielmehr die ersten, immanenten Bestandteile, aus denen jedes einzelne Ding besteht; (a) wie z. B. für Elemente und Prinzip des Lautes alles das gilt, woraus als ersten immanenten Bestandteilen die Laute zusammengesetzt sind, und nicht das Allgemeine, der Laut; und ebenso nennen wir Elemente der geometrischen Figuren dasjenige, dessen Beweise im Beweise der übrigen (sc. der Figuren), entweder aller oder der meisten, enthalten sind. Ferner bei den Körpern nennen sowohl die, welche mehrere Elemente annehmen, wie die, welche eines setzen, dasjenige Prinzip, woraus die Körper zusammengesetzt sind und bestehen; z. B. Empedokles bezeichnet Feuer, Wasser und das übrige als Elemente, weil aus ihnen als den immanenten Bestandteilen die Dinge bestehen, nicht, weil sie Gattungen der Dinge wären. Zudem findet dasselbe statt, wenn jemand bei andern Dingen die Natur erkennen will, z. B. bei einem Bette; wenn er nämlich weiß, aus welchen Bestandteilen es besteht und wie diese zusammengesetzt sind, dann kennt er die Natur desselben. (b) Nach diesen Gründen also würden die Gattungen nicht die Prinzipien der seienden Dinge sein. Insofern wir aber jedes Ding durch Begriffsbestimmung erkennen, und Prinzipien der Begriffsbestimmung die Gattungen sind, müssen notwendig die Gattungen auch Prinzipien des durch den Begriff Bestimmten sein. Und wenn Wissenschaft von den Dingen erlangen nichts anderes heißt als Erkenntnis der Artformen erlangen, nach welchen sie genannt werden, so sind ja doch die Gattungen Prinzipien der Arten. Auch scheinen einige von denen, welche als Elemente der Dinge das Eine und das Seiende aufstellen oder das Große und Kleine, dies in der Bedeutung von Gattungen zu nehmen. (c) Aber auf beide Weisen zugleich die Prinzipien zu setzen, ist ebensowenig möglich. Denn der
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Begriff des Wesens ist nur einer, und die Begriffsbestimmung durch die Gattungen würde ja von der verschieden sein, welche die Bestandteile angäbe. (7. Aporie) Überdies, wenn auch durchaus die Gattungen Prinzipien sind, soll man dann die ersten Gattungen für Prinzipien ansehen, oder die, welche zuletzt von den Individuen ausgesagt werden? Denn auch hierüber erhebt sich Zweifel. (a) Wenn nämlich immer das Allgemeine mehr Prinzip ist, so müssen offenbar die höchsten Gattungen als Prinzipien gesetzt werden; denn diese werden von allen Dingen ausgesagt. Es wird daher geradeso viele Prinzipien des Seienden geben, wie es erste Gattungen gibt, und es werden daher das Seiende und das Eine Prinzipien und Wesen(heiten) sein; denn diese werden durchaus von allem Seienden ausgesagt. Aber es ist nicht möglich, daß das Eine und das Seiende Gattungen der seienden Dinge seien. Denn die Artunterschiede jeder Gattung müssen notwendig sein, und jeder muß einer sein; unmöglich aber können die Arten einer Gattung von den zugehörigen Artunterschieden, noch die Gattung, abgesehen von ihren Arten, von den Artunterschieden ausgesagt werden, woraus sich ergibt, daß, sofern das Eine und das Seiende Gattungen sind, kein Artunterschied ein Seiendes oder ein Eines sein kann. Wenn aber das Eine und das Seiende nicht Gattungen sind, so können sie auch nicht Prinzipien sein, sofern ja die Gattungen Prinzipien sein sollen. Ferner würde bei dieser Annahme auch das, was zwischen den obersten Gattungen und den Individuen liegt, mit den Artunterschieden zusammengefaßt Gattung sein müssen, bis zu den Individuen; nun aber gilt dies wohl bei einigem, bei anderem aber nicht. Außerdem sind auch die Artunterschiede in noch höherem Sinne Prinzipien als die Gattungen. Falls aber auch diese Prinzipien sind, so werden ja der Prinzipien geradezu unendlich viele, zumal wenn man die erste Gattung als Prinzip setzt. (b) Wenn aber andererseits das Eine mehr prinzipartig ist, Eines aber das Unteilbare, und unteilbar jedes entweder der Quantität oder der Art nach ist, und unter diesen beiden das der Art nach Unteilbare früher ist, die Gattungen aber teilbar sind, nämlich in Arten: so würde hiernach
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das zuletzt von den Individuen Ausgesagte mehr Eines sein. Denn ,Mensch‘ ist nicht Gattung der einzelnen Menschen. – Ferner kann bei den Dingen, in welchen es ein Früher und Später gibt, das Allgemeine über diesen Einzelnen nicht etwas außer und neben denselben sein; z. B. wenn die erste unter den Zahlen die Zweiheit ist, so kann es nicht eine Zahl geben außer den Arten der Zahlen, ebenso nicht eine Figur neben den Arten der Figuren. Wenn aber bei diesen nicht die Gattungen neben den Arten sind, so wird es noch weniger bei den andern Dingen der Fall sein; denn gerade von diesen scheint es am meisten Gattungen zu geben. In den Individuen aber findet sich kein Früher und Später. – Ferner, wo sich ein Besser und Schlechter findet, da ist immer das Bessere früher; also würde es auch von diesen Dingen keine Gattungen geben. Hiernach scheint vielmehr das von den Individuen Ausgesagte Prinzip zu sein als die Gattungen. Wie man aber wiederum von ihnen als Prinzipien annehmen soll, daß sie Prädikate der Individuen Prinzipien seien, ist nicht leicht zu sagen. Denn das Prinzip und die Ursache muß außer den Dingen sein, deren Prinzip sie ist, und abgetrennt von denselben existieren können. Daß aber ein solches (Prinzip) neben den einzelnen Dingen existiere, könnte man doch aus keinem andern Grunde annehmen, als weil es allgemein und von allen ausgesagt wird. Ist aber dies der Grund der Annahme, so möchte man das Allgemeinere auch mehr als Prinzip setzen, und es würden also die ersten Gattungen Prinzipien sein. 4. (8. Aporie) Hieran schließt sich als nächste die schwierigste und am notwendigsten zu erörternde Frage an, bei der die Erörterung jetzt steht. (a) Wenn es nämlich nichts gibt neben den einzelnen Dingen, die einzelnen Dinge aber unendlich viele sind, wie ist es dann möglich, von den unendlich vielen Dingen Wissenschaft zu erlangen? Denn nur insofern erkennen wir alles, als es etwas Eines und Identisches gibt und ein Allgemeines vorliegt. Wenn aber dies notwendig ist und es also etwas neben den einzelnen Dingen geben muß, so müssen notwendig die Gattungen neben den Einzeldingen existieren, und zwar
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entweder die nächsten oder die höchsten Gattungen; daß dies aber unmöglich ist, haben wir soeben in Fragen erörtert. Ferner, wenn es denn durchaus etwas gibt neben dem konkreten Ganzen (dem Einzelding, von dem ich dann spreche), wenn immer etwas von dem Stoff ausgesagt wird, so fragt sich, falls es etwas gibt, ob es neben allen Dingen etwas geben soll, oder nur neben einigen, neben andern nicht, oder neben keinem. (b) Angenommen nun, es gäbe nichts neben den einzelnen Dingen, so würde nichts erkennbar, sondern alles nur sinnlich wahrnehmbar sein und es von nichts Wissenschaft geben, man müßte denn etwa die sinnliche Wahrnehmung für Wissenschaft erklären. Ferner würde auch nichts ewig oder unbeweglich sein; denn alles Sinnliche vergeht und ist in Bewegung. Gibt es aber nichts Ewiges, so ist es auch nicht möglich, daß ein Werden stattfinde. Denn hierbei muß es notwendig etwas geben, was wird, und das, woraus es wird, und von diesen muß das Letzte unentstanden sein, sofern ja nicht ein Fortschritt ins Unendliche stattfindet, und nichts aus Nichtseiendem werden kann. Ferner, wo Werden und Bewegung ist, muß auch eine Grenze sein; denn weder ist irgendeine Bewegung unendlich, sondern jede hat ein Ziel, noch kann dasjenige werden, für das es unmöglich ist, (dann) geworden zu sein. Jedes Gewordene aber muß (dann) notwendig sein, sobald es geworden ist. Weiter aber, wenn der Stoff existiert, eben darum weil er unentstanden ist, so ist noch mit mehr Grund anzunehmen, daß es auch die Wesenheit gibt, wenn immer jener Stoff (zu etwas Bestimmtem) wird. Denn wenn weder dieses (Bestimmte mit der Wesenheit) sein soll noch jener (Stoff), so würde überhaupt nichts sein. Ist dies aber unmöglich, so muß notwendig die Gestalt und die Artform etwas neben dem konkreten Ganzen sein. (c) Aber bei dieser Annahme entsteht wieder die schwierige Frage, für welche Dinge man etwas neben dem konkreten Ganzen setzen soll und für welche nicht; denn man würde doch nicht die Existenz eines Hauses neben den einzelnen Häusern annehmen. Überdies, soll denn für alle einzelnen, z. B. für alle Menschen, die Wesenheit eine sein? Das ist unstatthaft; denn wessen Wesenheit eine ist, das ist selbst Eines. Also vielmehr
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viele und verschiedene? Das ist aber ebensowenig mit Grund anzunehmen. Überdies, auf welche Weise wird denn der Stoff zu jedem einzelnen Ding, und wie enthält denn das konkrete Ganze beides in sich? (9. Aporie) Ferner kann man hinsichtlich der Prinzipien folgende Frage aufwerfen: (a) Sind sie nur der Art nach Eines, so würde es überhaupt nichts geben, was der Zahl nach Eines wäre, und auch nicht das Eine und das Seiende selbst. Und wie sollte es dann wissenschaftliche Erkenntnis geben, wenn es nicht etwas Eines über allem Einzelnen gäbe? (b) Andrerseits aber, wenn sie der Zahl nach Eines sind und jedes der Prinzipien eines ist, und nicht wie bei den sinnlichen Dingen ein anderes für anderes (wie z. B. für diese der Art nach identische Silbe auch die Prinzipien der Art nach dieselben sind, aber der Zahl nach andere), wenn also die Prinzipien der seienden Dinge nicht in dieser Weise, sondern jedes der Zahl nach Eines ist, so würde es außer den Elementen überhaupt nichts anderes geben (denn der Zahl nach Eines und Einzelnes bedeutet ganz dasselbe; Einzelnes nennen wir ja eben das, was der Zahl nach Eines ist, Allgemeines aber das von allen Ausgesagte), geradeso wie, wenn die Elemente des Lautes der Zahl nach begrenzt wären, es notwendig nur ebensoviele Buchstaben geben müßte wie Elemente, da ja nicht zwei oder mehrere von derselben Art wären. (10. Aporie) Eine der schwierigsten Fragen wurde von den gegenwärtigen Philosophen ebenso wie von den früheren übergangen, nämlich ob für das Vergängliche und für das Unvergängliche die Prinzipien dieselben sind oder verschiedene. (a) Sind nämlich die Prinzipien für beides dieselben, wie kommt es, daß das eine (von den Dingen) vergänglich, das andere unvergänglich ist, und was ist hiervon die Ursache? Dichter nun wie Hesiodos und alle übrigen Theologen haben nur daran gedacht, was ihnen selbst glaublich erschien, aber auf uns keine Rücksicht genommen. Denn indem sie Götter zu Prinzipien machen und aus Göttern alles entstehen lassen, erklären sie dann, was nicht Nektar und Ambrosia gekostet habe, das sei sterblich geworden. Offenbar also waren diese Worte ihnen selbst verständlich, und doch geht schon, was sie von der An-
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wendung selbst dieser Ursachen gesagt haben, über unser Fassungsvermögen. Denn wenn sie um der Lust willen Nektar und Ambrosia berühren, so sind dieselben für sie nicht Ursachen des Seins; berühren sie aber dieselben um des Seins willen, wie können sie dann ewig sein, da sie doch der Speise bedürfen? Doch es gehört sich wohl nicht, mythische Weisheit in ernstliche Betrachtung zu ziehen. Diejenigen aber, welche für ihre Lehren Beweise bringen, muß man fragen und ausforschen, wie (es denn möglich sein soll, daß) die Dinge, da sie doch aus denselben Prinzipien hervorgehen, zum Teil ihrer Natur nach ewig sind, zum Teil vergehen. Da sie aber keine Ursache dafür angeben und es sich auch nicht wohl begründen läßt, daß es sich so verhalte, so können offenbar nicht dieselben Prinzipien und Ursachen für beides sein. Selbst Empedokles, dem man noch am meisten zutrauen möchte, daß er in seiner Rede mit sich selbst in Übereinstimmung bleibt, verfällt in denselben Fehler. Er setzt nämlich zwar ein Prinzip als Ursache des Vergehens, den Streit, aber es scheint wohl, daß dies Prinzip ebensogut alles erzeugt, ausgenommen das Eine; denn alles andere ist aus dem Streit hervorgegangen, außer Gott. Sagt ja doch Empedokles: “Aus ihm sproßte, was ist und was war und alles, was sein wird, Bäume sproßten hervor aus ihm und Männer und Frauen, Tiere des Waldes und Vögel und wassergenährete Fische, Und nie alternde Götter.” Und auch abgesehen hiervon ist dies einleuchtend; denn wenn der Streit nicht in den Dingen wäre, so wäre Alles Eines, wie er sagt; denn als sie zusammengetreten waren, stand der Streit an der äußersten Grenze. Daraus folgt denn auch für ihn, daß der seligste Gott weniger Einsicht hat als alles andere; denn er erkennt nicht alle Elemente, da er den Streit nicht in sich hat, und nur Gleiches durch Gleiches erkannt wird. “Denn mit der Erde (sagt er) gewahrt man die Erde, mit Wasser das Wasser,
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Göttlichen Äther mit Äther, mit Feuer verderbliches Feuer, Streit mit furchtbarem Streit und bindende Liebe mit Liebe.” Doch, wovon unsere Rede ausgegangen ist, so viel ist offenbar: Es ergibt sich für ihn, daß nach seiner Ansicht der Streit ebensogut für das Sein wie für das Vergehen Ursache sein müßte. Ebensowenig aber ist die Freundschaft Ursache nur des Seins; denn indem sie die Dinge in das Eine zusammenführt, vernichtet sie die übrigen. Und zugleich gibt er für die Veränderung selbst nicht einmal eine Ursache an, außer daß es sich eben von Natur so verhalte: “Aber nachdem der gewaltige Streit in den Gliedern gereift war und sich zur Herrschaft erhob, als endlich die Zeit sich erfüllte, die kraft mächtigen Eides den beiden wechselnd bestimmt ist,” unter der Voraussetzung, daß notwendig die Veränderung eintreten müsse; eine Ursache aber der Notwendigkeit gibt er nicht an. Indessen insoweit bleibt er sich doch konsequent, daß er nicht einen Teil der seienden Dinge als vergänglich, einen andern als unvergänglich, sondern alles als vergänglich setzt außer den Elementen. Die jetzt erörterte Frage aber geht darauf, weshalb denn einiges vergänglich ist, anderes nicht, wenn doch alles aus denselben Prinzipien hervorgeht. (b) Soviel also darüber, daß die Prinzipien für beides nicht dieselben sein können. Wenn aber für das Vergängliche andere Prinzipien sind, so erhebt sich eine Frage, ob diese ebenfalls unvergänglich sein sollen oder vergänglich. Sind sie nämlich vergänglich, so leuchtet ein, daß sie notwendig wieder aus etwas sein müssen (denn alles vergeht in das, woraus es ist), woraus dann folgt, daß es für die Prinzipien andere frühere Prinzipien geben müßte, was doch unmöglich ist, mag nun hierin sich ein Ende finden, oder mag es ins Unendliche fortgehen. Ferner, wie sollte denn das Vergängliche existieren, wenn die Prinzipien aufgehoben werden? – Sind sie dagegen unvergäng-
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lich, warum soll dann aus diesen unvergänglichen Prinzipien Vergängliches hervorgehen, aus den anderen aber Unvergängliches? Das ist nicht wahrscheinlich, sondern ist entweder unmöglich oder bedarf einer langen Erörterung. Übrigens hat niemand auch nur daran gedacht, verschiedene Prinzipien anzunehmen, sondern sie setzen dieselben Prinzipien für alles und naschen nur an der zuerst aufgeworfenen Frage, als sei sie eine Kleinigkeit. (11. Aporie) Vor allem schwierig und zur Erkenntnis der Wahrheit notwendig ist die Beantwortung der Frage, ob denn das Seiende und das Eine Wesen der seienden Dinge sind, und jedes von beiden nicht, indem es jeweils für etwas anderes steht, das eine seiend, das andere eines ist, oder ob man vielmehr fragen muß, was denn das Seiende und was das Eine ist, in dem Sinne, daß eine andere Natur zugrunde liegt. Einige nämlich meinen, daß es sich seinem Wesen nach auf jene, andere, daß es sich auf diese Weise verhalte. Platon nämlich und die Pythagoreer erklären, daß das Soseiende und das Eine nicht jeweils für etwas anderes stehen, sondern dies selbst sei eben ihre Natur, indem das Eines-sein und das Seiendes-sein selbst ihr Wesen sei. Der anderen Ansicht sind die Physiker; Empedokles z. B., um das Eine auf etwas Bekannteres zurückzuführen, sagt, was das Eine ist; denn er scheint die Freundschaft dafür zu erklären, da sie ja in allem Ursache der Einheit ist. Andere erklären das Feuer, andere die Luft für dies Eine und dies Seiende, aus welchem die Dinge seien und geworden seien. In gleicher Weise erklären sich auch diejenigen, welche eine Mehrzahl von Elementen setzen; denn auch sie müssen notwendig das Eine und das Seiende ebenso vielfach bestimmen, wie sie Prinzipien setzen. (a) Wenn man nun das Eine und das Seiende nicht als Wesen setzt, so ergibt sich daraus, daß auch von dem übrigen Allgemeinen nichts ist; denn dies ist ja am meisten vor allem andern allgemein. Gibt es aber nicht etwas Eines selbst und ein Seiendes selbst, so kann es noch viel weniger von den übrigen etwas neben den Einzeldingen geben. – Ferner, wenn das Eine nicht ein Wesen ist, so kann offenbar auch die Zahl nicht eine von den seienden Dingen abgetrennte
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Natur sein; denn die Zahl besteht aus Einheiten, die Einheit aber ist ihrem Wesen nach Eines. (b) Gibt es dagegen ein Eines und ein Seiendes selbst, so muß notwendig das Eine und das Seiende ihr Wesen sein; denn es wird nicht als etwas anderes allgemein ausgesagt, sondern als ebendieses selbst. Doch wenn es nun ein Seiendes selbst und ein Eines selbst geben soll, so entsteht die sehr schwierige Frage, wie dann etwas außer dem Einen sein, ich meine, wie dann mehr als das Eine sein soll. Denn was verschieden von dem Seienden ist, das ist nicht. Man muß daher in die parmenideische Lehre verfallen, daß alle Dinge Eines sind und dies eben das Seiende ist. Beide Annahmen aber sind schwer zu halten; denn mag man das Eine nicht als Wesen setzen oder wohl als etwas, so ist es doch unmöglich, daß die Zahl Wesen sei. Setzt man das Eine nicht als Wesen, so sind die (fraglichen) Gründe schon vorher erörtert; setzt man es aber als Wesen, so entsteht hier dieselbe Frage auch bei dem Seienden. Denn woher soll dann neben dem Einen selbst ein anderes Eines sein? Denn es müßte ja NichtEines sein, während doch alles Seiende entweder Eines oder Vieles ist, das Viele aber aus Einheiten besteht. – Ferner, wenn das Eine selbst unteilbar ist, so müßte es nach Zenons Behauptung überhaupt nichts sein. Denn was weder hinzugefügt etwas größer mache, noch hinweggenommen kleiner, das, behauptet er, ist gar nichts Seiendes, indem offenbar das Seiende eine Größe sei; und wenn eine Größe, eine körperliche, denn dieser kommt jedenfalls Sein zu. Die anderen Größen bringen auf die eine Weise hinzugefügt Vergrößerung hervor, auf die andere Weise nicht, z. B. Fläche und Linie; Punkt aber und Einheit auf keine Weise. Doch Zenon philosophiert freilich unwissenschaftlich, und es kann etwas Unteilbares existieren, und zwar so, daß es auch gegen seine Gründe besteht (denn es kann nicht Vergrößerung, sondern Vermehrung hervorbringen). Aber es bleibt doch die Frage, wie denn aus einem solchen Einen oder aus mehreren solchen eine Größe hervorgehen solle. Denn es ist ja hier derselbe Fall, wie wenn man die Linie aus Punkten entstehen ließe. Wenn man aber annimmt, wie dies einige tun, daß aus dem Einen selbst und einem andern Nicht-Einen die
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Zahl hervorgehe, so muß man hier ebensogut fragen, warum und wie denn das Hervorgehende bald Zahl, bald Größe sein soll, sofern doch das Nicht-Eine die Ungleichheit und immer dasselbe Wesen war. Denn weder ist einzusehen, wie aus dem Einen und diesem Wesen, noch, wie aus den Zahlen und diesem Wesen die Größen hervorgehen sollen.
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5. (12. Aporie) Hieran schließt sich als nächste die Frage an, ob die Zahlen, die Körper, die Flächen und die Punkte Wesen sind oder nicht. (a) Wenn sie nicht Wesen sind, so entgeht uns ganz, was denn das Seiende und was die Wesen der Dinge sein sollen. Denn die Affektionen, die Bewegungen, das Relative, die verschiedenen Lagen und die begrifflichen Verhältnisse scheinen doch nicht das Wesen von irgend etwas zu bezeichnen; denn dies alles wird von einem Zugrundeliegenden ausgesagt, und keines von ihnen ist ein bestimmtes Etwas (Substanz). Bei demjenigen aber, das wohl am meisten ein Wesen zu bezeichnen scheint, nämlich Wasser, Erde, Feuer und Luft, woraus die zusammengesetzten Körper bestehen, bei diesen also sind Wärme und Kälte und ähnliche Affektionen nicht Wesen. Nur der Körper, der diese Affektionen erleidet, besteht als etwas Seiendes und als ein Wesen (Substanz). Nun ist aber der Körper weniger Wesen als die Fläche, diese weniger als die Linie, und die Linie weniger als die Einheit und der Punkt; denn durch diese ist der Körper bestimmt, und sie scheinen ohne den Körper sein zu können; der Körper aber kann nicht ohne diese sein. Deshalb hielten die meisten und die älteren Philosophen den Körper für das Wesen und das Seiende, das übrige aber für Affektionen desselben, so daß ihnen die Prinzipien der Körper Prinzipien aller Dinge sind. Die späteren aber, die für weiser galten, setzten die Zahlen als Prinzipien. Also, wie gesagt, wenn diese nicht Wesen sind, so ist überhaupt nichts Wesen und nichts ein Seiendes; denn man kann ja doch nicht die Akzidenzien derselben als Seiendes bezeichnen. (b) Andrerseits aber, wenn man der Ansicht beistimmt, daß die Linien und die Punkte mehr Wesen seien als die Körper, und wir doch nicht sehen, an welcherlei Körpern diese sein sollen (denn
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an den sinnlich wahrnehmbaren können sie unmöglich sein), so würde es ja überhaupt kein Wesen geben. Ferner leuchtet ein, daß dies alles nur Teilungen des Körpers sind, nach der Breite oder nach der Tiefe oder nach der Länge. Überdies findet sich in dem Körper in gleichem Sinne jede beliebige Figur oder gar keine. Wenn also im Steine nicht (z. B.) die Hermesstatue enthalten ist, so ist auch im Würfel nicht die Hälfte des Würfels enthalten, nämlich als bestimmt abgegrenzt. Also ist auch keine Fläche darin; denn wäre irgendeine darin, so würde auch diejenige darin enthalten sein, welche die Hälfte abgrenzt. Dasselbe gilt auch von der Linie, dem Punkte und der Einheit. Wenn also der Körper durchaus Wesen ist, und diese (Begrenzungen) wieder mehr als der Körper, sie aber doch nicht Wesen sind, so entgeht uns, was überhaupt unter den Dingen das Seiende und das Wesen sein soll. Denn außer dem Erörterten ergeben sich auch noch Widersprüche hinsichtlich des Entstehens und Vergehens. Es scheint nämlich, daß das Wesen, wenn es nach früherem Nicht-sein nunmehr ist oder nach vorherigem Sein späterhin nicht ist, dieses durch Vermittlung des Entstehens und Vergehens erleide; die Punkte aber und Linien und Flächen können weder werden noch vergehen, obgleich sie bald sind, bald nicht sind. Wenn nämlich zwei Körper sich berühren oder trennen, so sind zugleich mit der Berührung die Grenzen eins, zugleich mit der Trennung zwei; so daß bei der Berührung die eine nicht mehr ist, sondern vergangen ist, bei der Trennung aber die sind, welche vorher nicht waren. Ein Werden findet dabei nicht statt, denn der unteilbare Punkt kann ja nicht in zwei geteilt werden. Und wenn ein Werden und Vergehen stattfindet, woraus werden sie dann? – Ähnlich verhält es sich auch mit dem Jetzt in der Zeit; denn auch dies kann ebensowenig entstehen und vergehen und scheint doch immer ein anderes zu sein, so daß es also nicht Wesenheit ist. Ebenso verhält es sich aber offenbar mit den Punkten und den Linien und Flächen; es findet bei diesen dasselbe Verhältnis statt, da sie alle in gleicher Weise Grenzen oder Teilungen sind.
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6. (13. Aporie) Überhaupt kann man die Frage aufwerfen, weshalb es denn nötig ist, neben dem Sinnlichen und dem Dazwischenliegenden (sc. zwischen diesem und den Ideen) noch etwas anderes zu suchen, wie wir z. B. die Ideen setzen. (a) Wenn dies nämlich deshalb geschieht, weil die mathematischen Dinge sich von den sinnlichen zwar in anderem unterscheiden, aber nicht darin, daß viele gleichartige existieren, so werden deshalb denn auch ihre Prinzipien nicht der Zahl nach bestimmt sein können, wie ja auch (z. B.) die Prinzipien der sinnlichen Buchstaben nicht der Zahl nach bestimmt sind, sondern (nur) der Art nach; man müßte denn etwa von den Prinzipien dieser bestimmten einzelnen Silbe oder dieses bestimmten einzelnen Lautes reden, dann werden die Prinzipien auch der Zahl nach bestimmt sein. Ebenso nun auch bei dem Dazwischenliegenden (Mathematischen), denn auch bei diesem ist des Gleichartigen unzählig viel. Wenn es daher nicht neben den sinnlichen und den mathematischen Dingen andere gibt, wie z. B. manche die Ideen setzen, so wird es kein Wesen geben, das der Zahl und der Art nach eines wäre, und die Prinzipien der seienden Dinge werden nicht der Zahl, sondern nur der Art nach bestimmt begrenzt sein. Wenn diese Gründe zwingend sind, dann müssen auch die Ideen um ihretwillen gesetzt werden. Wenn nämlich auch die Anhänger der Ideenlehre ihre Gründe nicht gut darlegen, so ist es doch dies, was sie eigentlich wollen, und sie müssen dies sagen, daß jede Idee ein Wesen ist und keine ein bloßes Akzidens. (b) Aber nehmen wir nun an, daß die Ideen existieren und daß jedes Prinzip der Zahl und nicht bloß der Art nach Eines sei, so ergeben sich daraus die schon oben dargelegten unmöglichen Folgerungen. (14. Aporie) In nahem Zusammenhange hiermit steht die Frage, ob die Elemente der Möglichkeit nach existieren oder auf eine andere Weise. (a) Wenn nämlich auf andere Weise, so wird etwas anderes noch den Prinzipien vorausgehen. Denn die Möglichkeit ist früher als jene Art der Ursache, vom Möglichen aber braucht nicht notwendig alles sich auf jene Weise zu verhalten. – (b) Sind dagegen die Elemente nur der Möglichkeit nach, so könnte auch gar nichts von dem Seienden existieren.
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Denn vermögend zu sein ist das, was noch nicht ist, denn es wird das Nichtseiende (= das Mögliche); es wird ja nichts von dem, dem zu sein unmöglich ist. (15. Aporie) Außer diesen schwierigen Fragen über die Prinzipien muß man auch noch folgende behandeln, nämlich ob die Prinzipien allgemein sind oder in der Weise der Einzeldinge. (a) Sind sie nämlich allgemein, so können sie nicht Wesen sein, denn nichts Allgemeines bezeichnet ein bestimmtes Etwas, sondern bloß eine Qualität, die Wesenheit aber ist ein bestimmtes Etwas. Und sollte auch das allgemein Ausgesagte ein bestimmtes Etwas sein und sich herausheben lassen, so würde daraus folgen, daß Sokrates eine Vielheit von Lebewesen wäre, nämlich er wäre er selbst und Mensch und Lebewesen, sofern ja jedes von diesen ein bestimmtes Etwas und Eines bezeichnet. – (b) Sind also die Prinzipien allgemein, so ergeben sich diese Folgerungen; sind sie dagegen nicht allgemein, sondern in der Art der Einzeldinge, so können sie nicht Gegenstand der Wissenschaft sein; denn die Wissenschaften aller Dinge sind allgemein. Es müßten also diesen Prinzipien andere allgemein von ihnen ausgesagte vorausgehen, wenn es eine Wissenschaft derselben geben sollte.
BUCH IV
1. (a) Es gibt eine Wissenschaft, welche das Seiende als Seiendes untersucht und das demselben an sich Zukommende. Diese Wissenschaft ist mit keiner der einzelnen Wissenschaften identisch; denn keine der übrigen Wissenschaften handelt allgemein vom Seienden als Seiendem, sondern sie grenzen sich einen Teil des Seienden ab und untersuchen die für diesen sich ergebenden Bestimmungen, wie z. B. die mathematischen Wissenschaften. (b) Indem wir nun die Prinzipien und die höchsten Ursachen suchen, ist offenbar, daß diese notwendig Ursachen einer gewissen Natur an sich sein müssen. Wenn also auch diejenigen, welche die Elemente des Seienden suchten, diese Prinzipien suchten, so müssen dies auch die Elemente des Seienden sein nicht in akzidentellem Sinne, sondern insofern es ist. Daher müssen auch wir die ersten Ursachen des Seienden als Seienden erfassen. 2. (a) Das Seiende wird in mehrfacher Bedeutung ausgesagt, aber immer in Beziehung auf Eines und auf eine einzige Natur und nicht nach bloßer Namensgleichheit (homonym); sondern wie alles, was gesund genannt wird, auf Gesundheit hin ausgesagt wird, indem es dieselbe erhält oder hervorbringt, oder ein Anzeichen derselben, oder sie aufzunehmen fähig ist, und wie etwas ärztlich heißt in Beziehung auf die Arzneikunde, entweder weil es die Arzneikunde besitzt oder zu ihr wohl befähigt oder ein Werk derselben ist; und wie wir dasselbe beim Gebrauch der übrigen Wörter finden werden: ebenso wird auch das Seiende zwar in vielfachen Bedeutungen ausgesagt, aber doch alles in Beziehung auf ein Prinzip. Denn einiges wird als seiend bezeichnet, weil es Wesen (Substanzen), anderes, weil es Eigenschaften eines Wesens sind, anderes, weil es der Weg zu einem Wesen oder Untergang oder Beraubung oder Qualität oder das Schaffende und Erzeugende ist für ein Wesen oder für
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etwas in Beziehung zu ihm Stehendes, oder Negation von etwas unter diesen oder von einem Wesen (deshalb sagen wir ja auch, das Nichtseiende sei nicht-seiend). Wie nun alles Gesunde einer Wissenschaft angehört, so verhält es sich gleicherweise auch bei dem übrigen. Denn nicht nur das, was nach Einem ausgesagt wird, sondern auch das, was in Beziehung auf Eines ausgesagt wird, ist Gegenstand einer einzigen Wissenschaft; denn in gewissem Sinne wird auch dies nach Einem ausgesagt. Also gehört offenbar auch alles Seiende als Seiendes einer einzigen Wissenschaft an. Überall geht aber die Wissenschaft vornehmlich und zunächst auf das Erste, von dem das übrige abhängt und wonach es benannt ist. Ist dies nun das Wesen (Substanz), so muß der Philosoph die Prinzipien und die Ursachen der Wesen (erfaßt) haben. Von jeder Gattung gibt es aber, wie nur eine Sinneswahrnehmung, so nur eine Wissenschaft; die Grammatik z. B. als eine einzige Wissenschaft handelt von allen Lauten. Daher gehören auch alle Arten des Seienden einer der Gattung nach einzigen Wissenschaft an, die Arten des Seienden aber den Arten der Wissenschaft. (b) Nun sind das Eine und das Seiende identisch und eine Natur, indem sie einander folgen, wie Prinzip und Ursache, nicht insofern als sie durch einen Begriff bestimmt würden. (Doch macht es nichts aus, wenn wir das letztere annehmen, vielmehr ist es für die Untersuchung noch mehr förderlich.) Denn dasselbe ist ein Mensch und seiender Mensch und Mensch, und die Verdoppelung im Ausdruck „er ist ein Mensch“ oder „er ist Mensch“ bringt keine Veränderung des Sinnes hervor (offenbar wird es auch beim Entstehen und beim Vergehen nicht getrennt, und dasselbe gilt vom Einen); der Zusatz bezeichnet also hier nur dasselbige, und das Eine ist nicht etwas Verschiedenes außer dem Seienden. Auch ist jedes Wesen eines, nicht bloß in akzidentellem Sinne, und ebenso ist es seiend an sich. So viel es also Arten des Einen gibt, so viel gibt es auch Arten des Seienden, deren Was zu untersuchen die Aufgabe einer der Gattung nach einzigen Wissenschaft ist, ich meine z. B. die Untersuchungen über das Identische, das Ähnliche und anderes
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dergleichen und das ihnen Entgegengesetzte. So gut wie alle Gegensätze aber werden auf dies Prinzip zurückgeführt. Hierüber mag das genügen, was wir in der Auswahl der Gegensätze untersucht haben. Und Teile der Philosophie gibt es so viele, wie es verschiedene Wesen gibt, so daß notwendig ein Teil von ihnen erster, ein anderer der folgende sein muß; denn das Eine und das Seiende liegt von vornherein in Gattungen vor, und deshalb werden ihnen (nach Gattungen geordnet) die Wissenschaften entsprechen. Es verhält sich nämlich mit dem Philosophen wie mit dem sog. Mathematiker; denn auch die Mathematik hat Teile, und es gibt in ihr eine erste und zweite Wissenschaft und so andere der Reihe nach. (c) Da nun die Untersuchung des Entgegengesetzten einer Wissenschaft angehört, dem Einen aber die Vielheit entgegensteht, und die Negation ebensogut wie die Privation zu untersuchen derselben einen Wissenschaft zukommt, weil in diesen beiden das Eine, wovon es Negation oder Privation gibt, betrachtet wird (entweder nämlich sagen wir schlichthin, daß jenes nicht vorhanden sei oder für eine bestimmte Gattung nicht; in diesem Falle kommt zu dem negierten Einen außer der Negation noch der negierende Unterschied hinzu; denn die Negation ist Abwesenheit des Negierten. Bei der Privation tritt auch ein bestimmtes Wesen auf, von welcher die Privation ausgesagt wird); – da also dem Einen die Vielheit entgegengesetzt ist, so ist auch die Erkenntnis dessen, was den erwähnten Gegenständen entgegengesetzt ist, (nämlich) des Anderen, des Verschiedenen, des Ungleichen und was noch sonst nach diesen oder nach der Menge und dem Einen genannt wird, Aufgabe der genannten Wissenschaft. Hierzu gehört auch der (konträre) Gegensatz; denn der Gegensatz ist ein Unterschied, der Unterschied eine Verschiedenheit. Da nun also das Eine in mehreren Bedeutungen ausgesagt wird, so werden auch diese Gegenstände in verschiedenen Bedeutungen ausgesagt werden, aber die Erkenntnis aller wird doch einer Wissenschaft zufallen; denn wegen der Mehrheit der Bedeutungen gehört ein Gegenstand erst dann verschiedenen Wissenschaften an, wenn die Begriffe weder nach Einem ausgesagt, noch auf Eines hin bezogen werden.
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Da aber alles auf das Erste zurückgeführt wird, z. B. alles, was Eines heißt, auf das erste Eine, und man sagen muß, daß es sich ebenso auch bei dem Identischen und dem Anderen und den Gegensätzen verhält: so muß man unterscheiden, in wie vielen Bedeutungen jedes ausgesagt wird, und dann in Beziehung auf das Erste in jeder Kategorie angeben, wie es sich zu diesem verhält; denn einiges wird nach dem Ersten in derselben Kategorie genannt werden, weil es dasselbe hat, anderes, weil es dasselbe hervorbringt, anderes auf andere ähnliche Weisen. (d) Hieraus ist nun offenbar, was bei den aufgeworfenen Fragen erwähnt wurde, daß es einer Wissenschaft zukommt, diese (Gegensätze) ebenso wie das Wesen zu erörtern; dies war aber eine von den besprochenen Fragen. Auch kommt es dem Philosophen zu, alle (diese) Gegenstände untersuchen zu können. Denn wenn nicht dem Philosophen, wem soll es denn zukommen zu erforschen, ob Sokrates und der sitzende Sokrates dasselbe ist, oder ob immer Eines zu Einem in Gegensatz steht, oder was der Gegensatz ist, oder in wie vielen Bedeutungen er ausgesagt wird, und ebenso in bezug auf anderes derartiges? Da dies nun Eigenschaften des Einen an sich sind, insofern es Eines, und des Seienden, insofern es Seiendes, nicht insofern es Zahl oder Linie oder Feuer ist, so hat offenbar jene Wissenschaft sowohl das Was als auch die Akzidenzien (Eigenschaften) hierzu zu erkennen. Und nicht insofern fehlen die, welche hierüber Untersuchungen anstellen, als dies der Philosophie nicht angehöre, sondern als sie von dem Wesen selbst, das doch das Frühere ist, nichts wissen. Denn wie die Zahl als Zahl besondere Eigenschaften hat, z. B. Ungeradheit und Geradheit, Verhältnis und Gleichheit, Übermaß und Mangel, was den Zahlen sowohl an sich als in Beziehung auf einander zukommt; und ebenso das Solide, das Unbewegte und das Bewegte, das Schwerelose und das Schwere andere Eigenschaften hat: ebenso hat auch das Seiende als solches gewisse eigentümliche Merkmale, und sie sind es, hinsichtlich deren der Philosoph die Wahrheit zu erforschen hat. Ein Beweis dafür ist auch folgendes: Die Dialektiker und die Sophisten wollen ebenfalls für Philosophen gelten. Denn die Sophistik ist nur Scheinweis-
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heit, und auch die Dialektiker diskutieren über alles, gemeinsam aber ist allem das Seiende. Sie diskutieren darüber offenbar deshalb, weil es der Philosophie angehört. Denn die Sophistik und die Dialektik beschäftigen sich mit derselben Gattung wie die Philosophie, nur unterscheidet sich diese von der einen durch die Art und Weise ihres Vermögens, von der andern durch ihren Lebenszweck. Denn die Dialektik versucht sich nur an dem, was die Philosophie erkennt, und die Sophistik scheint nur Weisheit zu sein, ist es aber nicht. Ferner ist die eine Reihe der Gegensätze Privation, und alles wird auf das Seiende und Nicht-Seiende und auf das Eine und die Vielheit zurückgeführt, z. B. Ruhe auf das Eine, Bewegung auf die Vielheit. Das Seiende und die Wesenheit lassen so gut wie alle in übereinstimmender Ansicht aus Gegensätzen zusammengesetzt werden, indem ja alle als Prinzipien Gegensätze annehmen, einige das Ungerade und das Gerade, andere das Warme und das Kalte, andere Grenze und Unbegrenztes, andere Freundschaft und Streit. Und auch alles übrige wird offenbar auf das Eine und die Vielheit zurückgeführt; die Art der Zurückführung wollen wir (als bekannt) voraussetzen. Und vollends die von den anderen gesetzten Prinzipien fallen unter diese (gegensätzlichen) Gattungen. Also auch hieraus erhellt, daß die Untersuchung des Seienden als Seienden einer Wissenschaft angehört; denn alles ist entweder Gegensatz oder aus Gegensätzen, Prinzipien aber der Gegensätze sind das Eine und die Vielheit. Diese aber gehören einer Wissenschaft an, mögen sie nun nach Einem genannt sein oder nicht, wie denn das letztere wohl in Wahrheit der Fall ist. Indessen wenn auch das Eine in mehrfacher Bedeutung ausgesagt wird, so wird doch das übrige in Beziehung auf das erste Eine ausgesagt werden, und dasselbe gilt von dem Entgegengesetzten. Auch schon deshalb (selbst wenn das Seiende und das Eine nicht ein Allgemeines und dasselbe für alles oder selbständig abtrennbar ist – wie dies wohl auch nicht der Fall ist –, sondern teils durch seine Beziehungen auf das Eine, teils durch Reihenfolge Eines ist) kommt es nicht dem Geometer zu, zu untersuchen, was das Konträre oder das
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Vollkommene oder das Seiende, das Eine oder das Identische oder das Verschiedene ist, ausgenommen voraussetzungsweise. (e) Hiernach ist denn klar, daß es einer Wissenschaft zukommt, das Seiende als Seiendes und das dem Seienden als solchem Zukommende zu untersuchen, und daß dieselbe Wissenschaft nicht nur die Wesen, sondern auch die den Wesen zukommenden Merkmale untersucht, sowohl die bisher genannten, als auch das Früher und Später, Gattung und Art, Ganzes und Teil und anderes derartiges.
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3. (a) Zu erörtern ist nun, ob es einer und derselben oder verschiedenen Wissenschaften zukommt, von den in der Mathematik so genannten Axiomen und von dem Wesen (Substanz) zu handeln. Offenbar kommt die Untersuchung der Axiome derselben einen Wissenschaft zu, nämlich der des Philosophen; denn sie gelten von allem Seienden, nicht von irgendeiner Gattung insbesondere, geschieden von den übrigen. Alle bedienen sich ihrer, weil sie vom Seienden als Seiendem gelten, und jede Gattung Seiendes ist. Sie bedienen sich ihrer aber nur insoweit, als es für sie nötig ist, d. h. soweit die Gattung reicht, auf welche ihre Beweisführungen gehen. Da sie also von allem gelten, insofern es Seiendes ist (denn dies ist das allem Gemeinsame), so kommt ihre Untersuchung dem zu, der das Seiende als solches erkennt. Deshalb unternimmt denn auch keiner von denen, die sich einer speziellen Wissenschaft widmen, über diese zu sprechen, ob sie wahr sind oder nicht, weder der Geometer noch der Arithmetiker, ausgenommen einige Physiker. Daß diese es taten, hat seinen guten Grund; denn sie allein glaubten über die ganze Natur und über das Seiende Untersuchungen anzustellen. Da es aber einen Wissenschaftler gibt, der noch über dem Physiker steht (denn die Natur ist ja nur eine Gattung des Seienden), so wird diesem, welcher (das Seiende) allgemein und das erste Wesen betrachtet hat, auch die Untersuchung der Axiome zufallen. Die Physik ist zwar auch eine Weisheit, aber nicht die erste. Was aber einige von denen, die von den Axiomen sprechen, über die Wahrheit vorbringen, wie man dieselbe annehmen solle, das tun sie aus Unkenntnis der
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Analytik; denn die Kenntnis dieser Dinge muß man schon zur Untersuchung mitbringen und nicht erst bei derselben suchen. (b) Daß es also dem Philosophen und dem, der jedes Wesen betrachtet, zukommt, auch die Prinzipien des Beweises zu untersuchen, ist hiernach klar. Es gehört sich nun, daß in jeder Gattung der, welcher die vollste Erkenntnis derselben besitzt, die sichersten Prinzipien der Sache anzugeben vermag, also auch der, welcher vom Seienden als Seiendem die höchste Wissenschaft hat, die sichersten Prinzipien von allem. Dies ist aber der Philosoph, und das sicherste unter allen Prinzipien ist dasjenige, bei welchem Täuschung unmöglich ist; denn ein solches muß notwendig am bekanntesten sein, da sich ja alle über das täuschen, was sie nicht erkennen, und muß ohne Voraussetzung gelten. Denn ein Prinzip, welches jeder notwendig besitzen muß, der irgend etwas von dem Seienden erkennen soll, ist nicht Annahme (Hypothese), und was jeder erkannt haben muß, der irgend etwas erkennen soll, das muß er schon zum Erkennen mitbringen. Daß ein so beschaffenes Prinzip das sicherste unter allen ist, leuchtet ein; welches aber dies ist, wollen wir nun angeben: daß nämlich dasselbe demselben und in derselben Beziehung (und dazu mögen noch die anderen näheren Bestimmungen hinzugefügt sein, mit denen wir logischen Einwürfen ausweichen) unmöglich zugleich zukommen und nicht zukommen kann. Das ist das sicherste unter allen Prinzipien; denn es paßt darauf die angegebene Bestimmung. Es ist nämlich unmöglich, daß jemand annehme, dasselbe sei und sei nicht. Zwar meinen einige, Herakleitos sage so, doch ist es ja nicht notwendig, daß jemand das, was er sagt, auch wirklich so annehme. Wenn es nun aber nicht möglich ist, daß demselben das Entgegengesetzte zugleich zukomme (und dabei wollen wir auch zu diesem Satze die gewöhnlichen näheren Bestimmungen hinzugefügt haben), beim Widerspruche aber eine Meinung der anderen Meinung entgegengesetzt ist, so ist es offenbar unmöglich, daß derselbe zugleich annehme, daß dasselbe sei und nicht sei; denn wer sich hierüber täuschte, der hätte ja die entgegengesetzten Ansichten zugleich. Daher kommen alle, die einen Beweis führen, auf diese letzte Annahme
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zurück; denn dies Prinzip ist seinem Wesen nach zugleich Prinzip der anderen Axiome.
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4. (a) Nun gibt es aber, wie gesagt, einige, welche es auch selber für möglich erklären, daß dasselbe sei und nicht sei und daß man dies so annehme. Auch viele von den Physikern bedienen sich dieses Satzes. Wir dagegen haben angenommen, es sei unmöglich, daß etwas zugleich sei und nicht sei, und haben hieraus erwiesen, daß dies das sicherste unter allen Prinzipien ist. Manche verlangen nun aus Mangel an Bildung, man solle auch dies beweisen; denn Mangel an Bildung ist es, wenn man nicht weiß, wofür ein Beweis zu suchen ist und wofür nicht. Denn daß es überhaupt für alles einen Beweis gebe, ist unmöglich, sonst würde ja ein Fortschritt ins Unendliche eintreten und auch so kein Beweis stattfinden. Wenn aber für manches kein Beweis gesucht werden darf, so möchten sie wohl nicht angeben können, was sie denn mit mehr Recht für ein solches Prinzip halten wollten. Doch ein widerlegender Beweis für die Unmöglichkeit der Behauptung läßt sich führen, sobald der dagegen Streitende nur überhaupt redet; wo aber nicht, so wäre es ja lächerlich, gegen den reden zu wollen, der über nichts Rede steht, gerade insofern er nicht Rede steht; denn ein solcher ist, als solcher, einer Pflanze gleich. Den widerlegenden Beweis aber unterscheide ich von dem eigentlichen direkten Beweis; wollte man diesen führen, so würde man das zu Erweisende vorauszusetzen scheinen; ist aber der andere (Bestreitende) schuld daran, so ergibt sich eine Widerlegung, aber nicht ein eigentlicher Beweis. Der Ausgangspunkt bei allen derartigen Diskussionen ist nicht, daß man vom Gegner verlangt, er solle erklären, daß etwas sei oder nicht sei (denn dies würde man schon für eine Annahme des zu Beweisenden ansehen), sondern daß er im Reden etwas bezeichne für sich wie für einen anderen; denn das ist ja notwendig, sofern er überhaupt etwas reden will. Wo nicht, so hätte ja ein solcher gar keine Rede, weder zu sich selbst noch zu einem andern. Gibt jemand einmal dies zu, so läßt sich ihm auch die Wahrheit des Axioms erweisen; denn es ist dann schon etwas fest bestimmt. Die Grund-
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lage zum Beweise aber gibt nicht der Beweisende, sondern der, welcher Rede steht; denn er steht Rede, obgleich er doch die Rede aufhebt. [Und ferner hat der, der dies zugab, zugleich zugegeben, daß etwas wahr sei ohne Beweis, so daß sich also nicht alles zugleich so und auch nicht so verhalten würde.] (b) (1.) Zuerst nun also ist eben dies selbst wahr, daß das Wort ,sein‘ und das Wort ,nicht-sein‘ etwas Bestimmtes bezeichnet, so daß unmöglich sich alles zugleich so und auch nicht so verhalten kann. Ferner, wenn das Wort ,Mensch‘ Eines (etwas Bestimmtes) bezeichnet, so mag dies z. B. ,zweifüßiges Lebewesen‘ sein. Daß es Eines bezeichne, meine ich so: Wenn ,Mensch’ dies bedeutet, so wird, falls etwas ein Mensch ist, sein Wesen, Mensch zu sein, hierin liegen. (Doch macht es keinen Unterschied, wenn jemand behauptete, das Wort Mensch bezeichne Mehreres, aber nur bestimmt Begrenztes; denn dann würde für jeden Begriff ein anderer Name gesetzt werden. Ich meine z. B., wenn jemand behauptete, das Wort Mensch bezeichne nicht nur Eines, sondern Vieles, unter denen das eine den Begriff des zweifüßigen Lebewesens habe, aber es wären auch noch mehrere davon verschiedene, jedoch der Zahl nach begrenzte Begriffe vorhanden; denn dann ließe sich für jeden der Begriffe ein besonderer Name setzen. Könnte dies aber nicht geschehen, sondern behauptete vielmehr jemand, das Wort bezeichne unendlich Vieles, so wäre offenbar gar keine Rede möglich; denn nicht Eines (Bestimmtes) bezeichnen ist dasselbe wie nichts bezeichnen; bezeichnen aber die Worte nichts, so ist die Möglichkeit der Unterredung mit andern aufgehoben, in Wahrheit auch die Möglichkeit der Unterredung mit sich selbst. Denn man kann gar nichts denken, wenn man nicht Eines denkt; ist dies aber der Fall, so würde man auch für diese Sache einen Namen setzen können.) So mag es denn bei dem zu Anfang ausgesprochenen Satz bleiben, daß das Wort etwas bezeichne und zwar Eines bezeichne. Dann ist es nicht möglich, daß Mensch-sein dasselbe bezeichne wie Nicht-Mensch-sein, sofern nämlich das Wort Mensch Eines bezeichnet nicht bloß als Prädikat von Einem, sondern auch als Eines. Denn nicht so wollen wir das Eines-bezeichnen ver-
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standen wissen, daß etwas Prädikat von Einem sei; in diesem Sinne nämlich würde auch Gebildet und Weiß und Mensch Eines bezeichnen, und alles würde Eines sein, weil alles gleichbedeutend wäre. Und auch Sein und Nicht-sein wird nicht in anderem Sinne dasselbe sein als in dem der Gleichnamigkeit, etwa so, wie wenn, was wir Mensch nennen, andere NichtMensch nennten. Aber das ist gar nicht der Fragepunkt, ob dasselbe Mensch und Nicht-Mensch heißen, sondern, ob das Ding beides zugleich sein kann. Wenn nun also Mensch und Nicht-Mensch nichts Verschiedenes bezeichnen, so würde offenbar auch das Nicht-Mensch-sein von Mensch-sein nicht verschieden sein, also Mensch-sein würde heißen Nicht-Menschsein; denn es würde Eines sein. Denn das bedeutet ja Einessein, wie z. B. bei Gewand und Kleid, daß der Begriff derselbe ist. Wäre es aber Eines, so bezeichnet dann Mensch-sein und Nicht-Mensch-sein ein und dasselbe. Es war aber gezeigt, daß es Verschiedenes bezeichnet. So ist also notwendig, daß, wenn man von etwas in Wahrheit sagen kann, daß es Mensch ist, dies zweifüßiges Lebewesen ist; denn dies war es ja, was das Wort Mensch bezeichnete. Ist dies aber notwendig, so ist es nicht möglich, daß dasselbe auch nicht zweifüßiges Lebewesen sei; denn “notwendig Mensch sein“ bezeichnet ja eben die Unmöglichkeit, nicht Mensch zu sein. Also ist es nicht möglich, daß es zugleich wahr sei zu behaupten, dasselbe sei Mensch und sei nicht Mensch. Dasselbe gilt auch von dem Nicht-Menschsein. Denn Mensch-sein und Nicht-Menschsein bezeichnet Verschiedenes, sofern ja schon “weiß sein“ und “Mensch sein“ Verschiedenes bezeichnen; denn jenes ist ja noch viel mehr entgegengesetzt, so daß es gewiß Verschiedenes bezeichnet. Wollte nun noch jemand sagen, daß ja Weiß dasselbe und Eines bezeichne, so würden wir wieder dasselbe erwidern wie schon früher, nämlich daß dann alles Eines sein würde, nicht nur das Entgegengesetzte. Ist dies aber nicht möglich, so ergibt sich die ausgesprochene Folgerung, sofern der Streitende nur auf das Gefragte antwortet. Fügt er dagegen bei einer einfachen Frage in seiner Antwort auch noch die Negationen hinzu, so antwortet er nicht auf die Frage. Denn es ist allerdings ganz gut
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möglich, daß dasselbe zugleich Mensch und weiß sei und noch tausend anderes, aber dennoch muß man auf die Frage, ob man dies mit Wahrheit Mensch nennen kann oder nicht, nur das antworten, was Eines bezeichnet, und nicht hinzufügen, daß es auch weiß und groß ist. Denn es ist unmöglich die Akzidenzien alle anzuführen, da ihrer unendlich viele sind; also mag der Gegner entweder alle anführen oder keines. In gleicher Weise also darf man, wenn auch tausendmal dasselbe Mensch ist und nicht Mensch ist, doch auf die Frage, ob dies Mensch ist, nicht noch hinzuantworten, daß es auch nicht Mensch ist, wenn man nicht auch noch alle andern Akzidenzien, welche es hat und nicht hat, hinzufügen will. Tut man aber dies, so unterredet man sich nicht. (2.) Überhaupt heben die, welche diese Behauptung aufstellen, das Wesen und das Sosein auf. Denn sie müssen notwendig behaupten, daß alles Akzidens sei und Ein-Mensch-sein an sich oder Lebewesen-sein an sich gar nicht existiere. Denn wäre es das Wesen von etwas, Mensch zu sein, so könnte dies nicht zugleich Nicht-Mensch sein oder Mensch nicht sein, was doch die Verneinungen von jenen sind. Denn Eines war es, was jenes bezeichnete, und dies war Wesenheit von etwas. Etwas als Wesen eines Dinges bezeichnen heißt aussagen, daß es sein eigentümliches Sein in nichts anderem habe. Wenn aber sein Wesen, Mensch zu sein, zugleich darin liegen soll, nicht Mensch zu sein oder Mensch nicht zu sein, so wäre es ja etwas anderes. Jene müssen also erklären, daß es von keinem Dinge einen solchen Begriff des Wesens gibt, sondern alles nur Akzidens ist. Denn dadurch sind ja Wesenheit und Akzidens voneinander geschieden; Weiß z. B. ist ein Akzidens für den Menschen, weil er zwar weiß ist, aber nicht das Weiße an sich. Wird aber alles nur in akzidentellem Sinne ausgesagt, so gäbe es ja gar nichts Erstes, wovon ausgesagt würde, wenn anders das Akzidens immer das Prädikat eines Subjekts bedeutet. Es müßte also ins Unendliche fortgehen. Das ist aber nicht möglich, da nicht mehr als zwei miteinander verbunden werden; denn das Akzidens ist nicht Akzidens eines Akzidens, außer sofern beide Akzidenzien an demselben Ding sind. Ich
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meine z. B., das Weiße ist gebildet und das Gebildete weiß, weil beides Akzidenzien des Menschen sind; aber nicht in diesem Sinne sagt man ,Sokrates ist gebildet’, weil etwa beides Akzidenzien an einem andern wären. Alle Akzidenzien werden nun entweder auf die letztere oder auf die erstere Weise ausgesagt. Bei der letzteren Weise, wie im Beispiel das Weiße Akzidens für Sokrates ist, ist ein Fortschritt ins Unendliche aufwärts nicht möglich, z. B. daß für Sokrates, der weiß ist, wieder etwas anderes Akzidens sei; denn es wird nicht aus allen ein Eines. Aber auch bei der anderen Art kann nicht das Weiße wieder etwas anderes als Akzidens haben, z. B. das Gebildete; denn es wäre ja ebensogut jenes für dieses, wie dieses für jenes Akzidens. Nun ist aber auch unterschieden, daß alles entweder in dieser Weise Akzidens ist, oder in dem Sinne wie Gebildet am Sokrates. In dieser letzteren Weise aber ist das Akzidens nicht Akzidens eines Akzidens, sondern nur in der ersteren; also kann nicht alles als Akzidens ausgesagt werden. Es muß also etwas geben, das auch (etwas) als Wesen bezeichnet, und wenn dies, so ist bewiesen, daß unmöglich die Wiedersprüche zugleich prädiziert werden können. (3.) Ferner, wenn zugleich alle Widersprüche über denselben Gegenstand wahr sind, so müßte offenbar alles Eines sein. Denn es würde dasselbe Schiff und Mauer und Mensch sein, wenn man von jedem Dinge etwas bejahend oder verneinend prädizieren kann, wie diejenigen notwendig zugeben müssen, welche der Lehre des Protagoras beistimmen. Denn wenn jemand meint, der Mensch sei kein Schiff, so ist er auch offenbar kein Schiff; also ist er auch ein Schiff, sofern das kontradiktorische Gegenteil wahr ist. Und so kommt man denn zu dem “Allzusammen der Dinge” bei Anaxagoras, so daß nichts in Wahrheit existiert. Sie scheinen also das Unbestimmte zu behaupten, und während sie glauben vom Seienden zu reden, reden sie vom Nichtseienden; denn was nur dem Vermögen, nicht der Wirklichkeit nach ist, das ist das Unbestimmte. Sie müssen nun aber von jedem Dinge jede Verneinung oder Bejahung aussprechen; denn es wäre ja unstatthaft, wenn einem jeden seine eigene Verneinung zwar zukommen sollte, die Vernei-
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nung eines andern aber, das ihm nicht zukommt, nicht zukommen sollte. Ich meine z. B., wenn es wahr ist, vom Menschen zu sagen, daß er nicht Mensch ist, so ist es offenbar auch wahr, daß er nicht Schiff ist. Findet nun die Bejahung statt, so muß notwendig auch die Verneinung stattfinden; kommt ihm die Bejahung nicht zu, so wird ihm doch gewiß die Verneinung desselben noch gewisser zukommen als die seiner selbst. Da nun diese ihm zukommt, so würde ihm auch die Verneinung des Schiffes zukommen, und wenn diese, dann auch die Bejahung. (4.) In diese Folgerungen also geraten diejenigen, welche diese Behauptung aufstellen, und ferner auch dahin, daß gar nicht notwendig Bejahung oder Verneinung stattfinden muß. Denn wenn es wahr ist, daß der Mensch zugleich nicht Mensch ist, so müßte er offenbar auch weder Mensch noch nicht Mensch sein. Denn jene zwei Aussagen haben zwei Verneinungen, oder wenn man dieselbe als eine einzige aus beiden gebildete ansieht, so würde auch diese als eine einzige entgegengesetzt sein. (5.) Ferner verhält es sich entweder bei allen Dingen so, wie sie behaupten, und es ist etwas zugleich weiß und nicht weiß, seiend und nicht-seiend und in gleicher Weise bei den andern Bejahungen und Verneinungen, oder dies ist nicht der Fall, sondern es verhält sich nur bei einigen so, bei andern nicht. Verhält es sich nun nicht bei allen so, dann würden doch diese, bei denen es sich nicht so verhält, als bestimmte festgelegt sein. Verhält es sich dagegen bei allen so, so wird wiederum entweder bei allen, bei welchen die Bejahung stattfindet, auch die Verneinung, und bei denen die Verneinung, auch die Bejahung stattfinden, oder es wird zwar, bei denen die Bejahung stattfindet, auch die Verneinung, aber nicht umgekehrt bei allen, bei denen die Verneinung, auch die Bejahung stattfinden. Wäre das letztere der Fall, so gäbe es doch etwas bleibend und fest Nicht-seiendes, und diese Behauptung wäre sicher; und wenn das Nicht-sein sicher und erkennbar ist, so würde die entgegengesetzte Bejahung noch erkennbarer sein. Findet aber gleichmäßig bei allen, wo Verneinung, auch Bejahung statt, so muß man notwendig die Wahrheit reden, entweder indem man trennt, z. B. indem man sagt, daß etwas weiß, und dann wieder, daß es nicht weiß
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ist, oder indem man nicht trennt. Kann man nun die Wahrheit nicht aussagen, indem man trennt, so sagt man dies gar nicht aus, und es ist überhaupt nichts. Wie sollte wohl aber das, was nicht ist, etwas aussprechen oder gehen können? Auch würde alles Eines sein, wie schon früher gesagt, und Mensch, Gott, Schiff samt den Verneinungen davon würden ein und dasselbe sein. Denn wenn man gleichmäßig von jedem dies aussagen kann, so kann sich dann nicht eines von dem andern unterscheiden; denn sollte es sich unterscheiden, so würde ja dies wahr und eigentümlich sein. Auf gleiche Weise ergeben sich die ausgesprochenen Folgerungen, wenn man trennend Wahrheit aussagen kann. (6.) Dazu kommt, daß hiernach alle die Wahrheit sagen und alle im Irrtum sein würden, und daß, wer dies behauptet, von sich selbst eingesteht, daß er im Irrtum ist. Ferner ist offenbar gegen diesen gar kein Streit möglich, denn er sagt nichts. Denn er sagt weder, daß sich etwas so, noch, daß es sich nicht so verhalte, sondern sowohl so als auch nicht so; und wiederum verneint er beides, daß es sich weder so, noch nicht so verhalte; denn sonst wäre ja schon etwas bestimmt. (7.) Ferner, wenn dort, wo die Bejahung wahr ist, die Verneinung falsch, und wo diese wahr, die Bejahung falsch ist, dürfte es nicht möglich sein, dasselbe zugleich mit Wahrheit zu bejahen und zu verneinen. Doch dies möchte man wohl für eine Annahme des zu Beweisenden erklären. (8.) Ferner, ist denn der im Irrtum, welcher annimmt, es verhalte sich etwas so, oder es verhalte sich nicht so, der dagegen in der Wahrheit, der beides zugleich annimmt? Ist der letztere in der Wahrheit, was ist denn dann damit gemeint, wenn man sagt, die Natur des Seienden sei so beschaffen? Ist er aber nicht in der Wahrheit, sondern vielmehr der, welcher jenes annimmt, so verhielte sich ja doch das Seiende schon auf eine bestimmte Weise, und dies wäre wahr und nicht auch zugleich nicht wahr. Wenn aber alle auf gleiche Weise irren und die Wahrheit sagen, so kann, wer dieser Ansicht ist, überhaupt gar nichts aussprechen oder sagen; denn zugleich sagt er ja dies und auch nicht dies. Nimmt er aber überhaupt gar nichts an, sondern meint eben nur und meint auch ebensogut nicht, wie unterschiede er sich denn
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dann von den Pflanzen? (9.) Hieraus erhellt am deutlichsten, daß niemand wirklich dieser Ansicht ist, selbst nicht unter denen, welche diese Lehre bekennen. Denn warum geht denn der Anhänger dieser Lehre (z. B.) nach Megara und bleibt nicht lieber in Ruhe, während er meint zu gehen? Warum stürzt er sich nicht gleich frühmorgens in einen Brunnen oder in einen Abgrund, wenn es sich eben trifft, sondern nimmt sich offenbar in acht, indem er also das Hineinstürzen nicht in gleicher Weise für nicht gut und für gut hält? Offenbar also hält er das eine für besser, das andere nicht. Wo aber dies, so muß er notwendig auch annehmen, dies sei ein Mensch, jenes nicht, dies sei süß, jenes nicht. Denn er sucht ja nicht alles auf gleiche Weise und hält nicht alles für gleich, wenn er in der Meinung, es sei gut, (z. B.) Wasser zu trinken oder einen Menschen zu sehen, dann dies sucht, und doch müßte er alles gleich setzen, wenn dasselbe gleicherweise Mensch wäre und auch nicht Mensch. Aber, wie gesagt, es gibt niemanden, der sich nicht offenbar vor einigem hütete, vor anderem nicht. Wie es also scheint, nehmen alle an, daß sich etwas schlechthin so verhalte, wenn nicht in allen Dingen, so doch bei der Frage nach Besser und Schlechter. Tun sie dies aber nicht nach Wissen, sondern nach bloßem Meinen, so müssen sie um so mehr um Erreichung der Wahrheit bemüht sein, wie sich ja auch der Kranke um die Gesundheit mehr bemüht als der Gesunde; denn im Vergleich mit dem Wissenden steht der Meinende nicht in gesundem Verhältnis zur Wahrheit. (10.) Ferner, wenn sich auch durchaus alles so und auch nicht so verhält, so findet sich doch wenigstens das Mehr und Weniger in der Natur des Seienden; denn nicht in gleicher Weise würden wir die Zwei ungerade nennen und die Drei, und nicht in gleichem Irrtum befindet sich, wer Vier für Fünf hält, und wer Tausend dafür ansieht. Irren also diese nicht gleich sehr, so irrt der eine weniger und hat daher mehr Wahrheit. Ist nun das Mehr näher (zur Wahrheit), so muß es auch Wahres geben, dem das mehr Wahre sich mehr nähert. Und selbst wenn dies nicht, so muß es doch schon etwas Sichereres und Wahreres geben, und wir sind damit von der Lehre befreit,
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welche keinen Unterschied zugibt und nichts im Denken fest zu begrenzen erlaubt. 5. (a) Von derselben Meinung geht auch die Lehre des Protagoras aus, und beide müssen miteinander stehen oder fallen. Denn wenn alles, was jemand meint oder was ihm scheint, wahr ist, so muß alles zugleich wahr und falsch sein; denn viele haben einander entgegengesetzte Meinungen und glauben, daß die, welche nicht dasselbe meinen, im Irrtum seien. Sonach muß notwendig dasselbe sein und auch nicht sein. Wenn aber diese Behauptung richtig ist, so muß alles, was jemand meint, wahr sein. Denn dadurch, daß sie Entgegengesetztes meinen, unterscheiden sich die im Irrtum und die in der Wahrheit sich Befindenden. Ist nun das Seiende selbst so beschaffen, so würden ja alle in der Wahrheit sein. Hieraus ist also klar, daß beide Lehren von demselben Gedanken ausgehen. Doch ist die Art, wie man ihnen zu begegnen hat, nicht bei allen dieselbe; die einen haben Gründe nötig, die anderen Gewalt. Denn bei denen, welche von ungelösten Fragen aus zu dieser Annahme gelangten, ist die Unwissenheit leicht zu heilen, da man nicht ihren Worten, sondern ihren Gedanken zu begegnen hat; bei denen aber, welche so reden, nur um so zu reden, ist die Widerlegung eine Heilung ihrer Rede in den Lauten und Worten. (b) Der Anlaß zu dieser Ansicht lag für die, welche aus wirklichem Zweifel dazu gelangten, im Sinnlichen. (1.) Einmal nämlich, daß die Widersprüche und Gegensätze zugleich existierten, glaubte man darum, weil man aus demselben das Entgegengesetzte werden sah. Wenn es nun nicht möglich ist, daß etwas war, ohne zu sein, so war schon vorher die Sache beides, wie ja Anaxagoras sagt, alles finde sich in allem gemischt, und so auch Demokritos, der das Leere und das Volle in jedem Teile gleich sehr existieren läßt, wiewohl er dabei das eine als Seiendes, das andere als Nicht-Seiendes bezeichnet. Denen nun, die von hier aus zu jener Ansicht gelangt sind, werden wir erwidern, daß sie in gewissem Sinne recht haben, in gewissem Sinne aber unwissend sind. Denn das Seiende wird in zwei Bedeutungen gebraucht, so daß in dem einen Sinne etwas aus dem Nicht-
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Seienden werden kann, in dem andern nicht, und es möglich ist, daß dasselbe zugleich sei und nicht sei, nur nicht in derselben Bedeutung. Denn dem Vermögen nach kann dasselbe zugleich Entgegengesetztes sein, der Wirklichkeit (Vollendung) nach aber nicht. Ferner werden wir aber von ihnen verlangen, daß sie auch eine andere Wesenheit des Seienden anerkennen, bei der überhaupt weder Bewegung noch Vergehen und Entstehen stattfindet. (2.) Auf gleiche Weise lag in dem Sinnlichen die Veranlassung zu der Ansicht, das Erscheinende sei das Wahre. Denn die Wahrheit, meinen sie, dürfe man doch nicht nach der größeren oder geringeren Anzahl derer, welche eine bestimmte Meinung haben, prüfen, da dasselbe einigen beim Kosten süß scheine, anderen bitter, so daß, wenn alle krank oder verrückt, nur zwei bis drei gesund oder bei Verstande wären, diese für die Kranken und die Verrückten gelten würden, nicht aber die anderen. Ferner scheine es auch vielen der übrigen Lebewesen bei denselben Gegenständen anders und entgegengesetzt als uns, ja selbst jeder einzelne für sich bleibe sich in der durch die Sinneswahrnehmung gegebenen Meinung nicht gleich. Was nun hiervon wahr sei, was falsch, das sei verborgen, denn das eine sei nicht mehr wahr als das andere, sondern beides auf gleiche Weise. Daher denn Demokritos sagt, entweder sei nichts wahr, oder es sei uns doch verborgen. Überhaupt aber mußten sie, weil sie die Sinneswahrnehmung für Verstand und wieder die Sinneswahrnehmung für Veränderung hielten, notwendig dasjenige, was einem jeden in der Sinneswahrnehmung erscheint, für wahr erklären. Von diesen Ausgangspunkten aus sind Empedokles, Demokritos und so gut wie alle übrigen in solchen Ansichten befangen. So sagt ja Empedokles, mit der Veränderung unseres Zustandes verändere sich unser Verstand: “Je nach vorhandenem Stoffe erwächst dem Menschen die Einsicht’’, und an einer andern Stelle: “Wie sie selber sich wandeln, so naht sich in stetigem Wechsel ihnen Gedank’ um Gedanke”.
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Auf gleiche Weise spricht sich auch Parmenides aus: “Denn wie jedem die Mischung sich regt in gelenken Organen, also naht der Gedanke dem Menschen; denn ein und dasselbe ist’s, was denkt, der Organe Natur, bei allen und jedem Sterblichen; denn das Mehrere ist’s, was wirkt als Gedanke”. Ebenso wird von Anaxagoras berichtet, er habe einigen Gefährten gegenüber geäußert, die Dinge würden für sie so sein, wie sie diese auffaßten. Auch Homer, so sagt man, sei offenbar derselben Ansicht, da er den Hektor, als er durch einen Schlag benommen war, da liegen läßt „anderes sinnend“, wonach denn auch die des Verstandes Beraubten Verstand hätten, nur einen anderen. Wenn nun beides Verstand ist, so muß sich das Seiende notwendig so und auch nicht so verhalten. – Hieraus ergibt sich etwas sehr Beklemmendes; denn wenn diejenigen, welche das Wahre, soweit es überhaupt möglich ist, am meisten erkannt haben – denn das sind doch jene, die es am meisten suchen und lieben –, solche Ansichten hegen und dies über die Wahrheit erklären, wie sollten nicht die mit Recht mutlos werden, welche zu philosophieren unternehmen? Denn die Wahrheit suchen möchte hiernach nichts anderes sein als nach Vögeln haschen. (c) (1.) Die Ursache dieser Ansicht nun lag für sie darin, daß sie bei der Forschung nach der Wahrheit des Seienden nur das Sinnliche für Seiendes hielten; in diesem aber ist die Natur des Unbestimmten und dessen, was auf die bezeichnete Weise ist, vorherrschend. Daher sprechen sie zwar begreiflicherweise so, aber Wahres sprechen sie nicht. Es ist nämlich wohl passender, (gegen sie) sich in dieser Weise zu äußern als in der des Epicharm gegen Xenophanes. – (2.) Ferner, da sie sehen, daß sich diese Natur in ihrem ganzen Umfang in Bewegung befinde, und es von dem sich Verändernden keine wahre Aussage gebe, so meinten sie, daß man über dieses auf alle Weise durchaus sich Verändernde nichts mit Wahrheit aussagen könne. Aus dieser Annahme ging die überspannteste unter den erwähnten
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Ansichten hervor, derer nämlich, die sich Anhänger des Herakleitos nennen, und des Kratylos, der zuletzt gar nichts mehr glaubte sagen zu dürfen, sondern nur den Finger zum Zeigen bewegte und dem Herakleitos Vorwürfe darüber machte, daß er erklärte, man könne nicht zweimal in denselben Fluß einsteigen; denn er selbst meinte, man könne es auch nicht einmal. Wir werden nun auch auf diese Erörterung erwidern, daß bei dem sich Verändernden, während es eben sich verändert, allerdings ein richtiger Grund vorhanden ist, es für nicht seiend zu halten. Und doch ist auch dies noch zweifelhaft; denn das Werdende, indem es eine Eigenschaft eben verliert, hat noch etwas von dem, was es verliert, und muß schon etwas von dem sein, was es wird. Und überhaupt: soll etwas untergehn, so muß es als ein Seiendes vorhanden sein, und wenn dagegen etwas entsteht, so muß etwas sein, woraus und wodurch es erzeugt wird, und dies kann nicht ins Unendliche gehen. Doch dies wollen wir jetzt übergehen und nur dies erwidern, daß Veränderung in der Quantität etwas anderes ist als Veränderung in der Qualität. Mag immerhin die Quantität nicht beharren, doch ist es ja die Form, nach der wir alles erkennen. (3.) Ferner muß man den Anhängern dieser Ansicht mit Recht vorwerfen, daß sie, während sie bei den sinnlichen Dingen selbst nur die geringere Zahl sich so verhalten sahen, ihre Behauptung gleichmäßig über das ganze Weltall ausdehnten. Denn nur der uns umgebende Raum der Sinneswelt befindet sich in beständigem Vergehen und Entstehen. Aber dieser ist so gut wie gar kein Teil von dem All, und mit mehr Recht würde man also um unbewegter Dinge willen diese freigesprochen als mit diesen jene verdammt haben. – (4.) Ferner werden wir ihnen dasselbe erwidern, was schon oben erwähnt wurde; man muß ihnen nämlich beweisen und sie überzeugen, daß es eine unbewegte Natur (Wesen) gibt. Geraten doch gerade diejenigen, welche alles zugleich sein und nicht sein lassen, in die Folgerung, daß sie vielmehr eine allgemeine Ruhe als eine allgemeine Bewegung behaupten müssen. Denn es gibt ja nichts, wozu sich etwas verändern könnte, da sich bereits alles in allem findet.
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(5.) Was aber die behauptete Wahrheit alles Erscheinenden betrifft, so ist zu erwidern, daß nicht alles Erscheinende wahr ist; einmal, weil jede Sinneswahrnehmung nur in dem ihr eigentümlichen Gebiete von Irrtum frei ist, und weil die Vorstellung von der Sinneswahrnehmung verschieden ist. (6.) Ferner muß man sich wundern, wenn sie wirklich darüber Fragen aufwerfen, ob die Größen so groß, die Farben so beschaffen sind, wie sie den Entfernten oder wie sie den nahe Stehenden, und ob so, wie sie den Gesunden oder wie sie den Kranken erscheinen, ob über die Schwere die Schwächlichen oder die Starken, über die Wahrheit die Schlafenden oder die Wachenden richtig urteilen. Denn daß sie dies gar nicht ernstlich meinen, ist offenbar; es macht sich ja niemand, wenn er (z. B.) während eines Aufenthaltes in Libyen des Nachts in Athen zu sein glaubt, auf den Weg in das Odeon. (7.) Ferner über das Zukünftige ist doch wohl, wie schon Platon sagt, die Meinung des Arztes gültiger als die des Laien, z. B. darüber, ob jemand gesund werden wird oder nicht. (8.) Ferner haben auch die Sinneswahrnehmungen selbst über das einem fremden und das ihrem eigenen Gebiet Angehörige, über das Nahe und das Entfernte nicht gleiche Gültigkeit, sondern über die Farbe entscheidet das Gesicht, nicht der Geschmack, über die Speise der Geschmack, nicht das Gesicht. (9.) Keiner aber von diesen Sinnen erklärt zu gleicher Zeit über dasselbe, daß es sich so verhalte und auch nicht so verhalte. Ja selbst in verschiedenen Zeiten ist niemals jemand über die Sinnesaffektion selbst im Zweifel gewesen, sondern nur über den Gegenstand, bei dem dieselbe vorkam. Ich meine z. B., es kann zwar derselbe Wein, wenn er selbst oder wenn der Körper des Kostenden sich verändert hat, einmal süß und das anderemal nicht süß erscheinen; aber das Süße selbst, so wie es ist, wofern es ist, hat sich nie verändert, sondern die Sinneswahrnehmung hat immer darüber recht, und was süß sein soll, das muß notwendig diese bestimmte Beschaffenheit haben. Dies heben freilich alle diese Ansichten auf; so wie sie nicht die Wesenheit von irgend etwas anerkennen, so auch nicht die Notwendigkeit. Denn das Notwendige kann sich nicht so und auch anders verhalten, so daß, wenn
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etwas notwendig ist, es sich nicht zugleich so und auch nicht so verhalten wird. (10.) Überhaupt aber würde, wenn nur das Sinnlich-Wahrnehmbare wäre, nichts sein, wofern die beseelten Wesen nicht wären; denn es gäbe dann keine Sinneswahrnehmung. Daß nun (unter dieser Bedingung) nichts sinnlich Wahrnehmbares vorhanden wäre, mag wohl wahr sein, (denn dies ist eine Affektion des Wahrnehmenden); daß aber die Subjekte (Dinge), welche die Sinneswahrnehmung bewirken, nicht sein sollen, wenn keine Sinneswahrnehmung statt hat, ist unmöglich. Denn die Sinneswahrnehmung ist ja doch nicht Wahrnehmung ihrer selbst; sondern es muß etwas davon Verschiedenes außer der Sinneswahrnehmung existieren (sc. die Dinge), was dieser selbst notwendig vorausgehen muß. Denn das Bewegende ist seinem Wesen nach früher als das Bewegte, und dies bleibt wahr, wenngleich beides auf einander bezogen wird. 6. (11.) Manchen nun sowohl unter denen, welche von diesen Ansichten überzeugt sind, als auch von denen, die sie nur mit dem Munde bekennen, stellen sich Fragen; denn sie untersuchen, wer denn das Kriterium für den Gesunden haben soll und überhaupt für den, der über jeden Gegenstand richtig urteile. Solche Schwierigkeiten kommen der Frage gleich, ob wir jetzt schlafen oder wachen. Alle solche Fragen nämlich laufen auf dasselbe hinaus; denn sie fordern für alles einen Grund; sie suchen nämlich ein Prinzip und wollen dies durch Beweis erlangen. Daß sie nicht wirklich davon überzeugt sind, das beweisen sie deutlich in ihren Handlungen. Vielmehr liegt ihr Fehler darin, daß sie, wie gesagt, einen Beweis für das suchen, wofür es keinen Beweis gibt; denn des Beweises Prinzip ist nicht selbst Beweis. Diese also würden sich leicht überzeugen lassen, da dies nicht schwer zu fassen ist. Die dagegen in Worten gezwungen sein wollen, verlangen etwas Unmögliches; sie fordern, man solle das Entgegengesetzte beweisen, während sie doch selbst schon Entgegengesetztes aussprechen. (12.) Wenn nun aber nicht alles relativ ist, sondern auch einiges an und für sich existiert, so kann nicht alles Erscheinende wahr sein; denn
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das Erscheinende ist Erscheinung für jemanden. Wer also alles Erscheinende für wahr erklärt, der macht alles Seiende zu bloß Relativem. Darum müssen denn die, welche durch die Gewalt der Worte gezwungen sein wollen und dabei Rede stehen, in ihrer Behauptung acht geben und sagen, nicht daß das Erscheinende ist, sondern daß das Erscheinende für den ist, dem es erscheint, und wann und inwiefern und wie es erscheint. Stehen sie aber Rede und fügen nicht diese näheren Bestimmungen hinzu, so werden sie bald in Widersprüche gegen sich selbst gebracht werden. Denn es ist ja möglich, daß etwas denselben für das Gesicht als Honig erscheint, für den Geschmack aber nicht, und daß den beiden Augen, wenn sie von ungleicher Sehkraft sind, etwas verschieden erscheint. gegen die, welche aus den erörterten Gründen das Erscheinende für das Wahre halten und darum behaupten, daß alles ebenso sehr zugleich wahr und falsch sei; es erscheine ja nämlich nicht allen dasselbe, und sogar nicht denselben immer dasselbe, sondern oftmals auch zu derselben Zeit Entgegengesetztes. (Der Tastsinn z. B. hält bei der Verschlingung der Finger für zwei Gegenstände, was dem Gesichtssinn als einer erscheint.) Aber es erscheint doch nicht demselben Sinne in derselben Beziehung, derselben Weise und derselben Zeit etwas als verschieden; dies also würde das Wahre sein. Und darum müssen wohl die, welche nicht um der Sachfrage, sondern nur um der Rede willen diese Ansichten aussprechen, erklären, daß das Erscheinende nicht schlechthin wahr ist, sondern wahr für diesen, dem es erscheint, und müssen, wie gesagt, alles zu Relativem machen, welches nur in seiner Beziehung auf Meinung und Sinneswahrnehmung existiere, so daß danach nichts geworden ist noch werden kann, wofern es nicht jemand vorher gemeint hat. Ist es dagegen wahr, daß etwas geworden ist und sein wird, so ist es offenbar nicht wahr, daß alles nur durch die Beziehung auf das Meinen existiere. (13.) Ferner, wenn etwas Eines ist, so müßte es sich auf Eines oder auf ein Bestimmtes beziehen, und ebenso, wenn etwas Identisches sowohl Halbes als auch Gleiches ist, so steht doch nicht etwa das Gleiche in Beziehung zum Doppelten. Wenn nun dem
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Meinenden gegenüber Mensch und Gemeintes dasselbe ist, so kann dann das Meinende nicht Mensch sein, da vielmehr das Gemeinte Mensch ist. Und wenn jedes durch seine Beziehung zum Meinenden ist, so müßte das Meinende zu der Art nach unendlich vielen Dingen in Beziehung stehen. (d) So viel nun darüber, daß die Ansicht: kontradiktorische Aussagen könnten nicht zugleich wahr sein, die sicherste unter allen ist, und was sich für die ergibt, welche so sagen (beide Aussagen könnten zugleich wahr sein), und aus welchem Grunde sie so sagen. Da nun aber unmöglich der Widerspruch zugleich von demselben Gegenstande mit Wahrheit ausgesagt werden kann, so kann offenbar auch das Konträre nicht demselben Gegenstande zugleich zukommen. Denn von den beiden Gliedern eines konträren Gegensatzes ist das eine nicht minder Privation, und zwar Privation eines Wesens. Privation aber ist die über eine bestimmte Gattung ausgesprochene Negation. Ist es nun unmöglich, etwas in Wahrheit zugleich zu bejahen und zu verneinen, so ist es ebenso unmöglich, daß das Konträre demselben zugleich zukomme, sondern entweder beides nur in gewisser Beschränkung oder das eine in gewisser Beschränkung das andere schlechthin. 7. (a) Ebensowenig aber kann es zwischen den beiden Gliedern des Widerspruchs etwas geben, sondern man muß notwendig jeweils Eines von Einem entweder bejahen oder verneinen. (1.) Dies erhellt zuerst aus der Bestimmung dessen, was wahr und falsch ist. Zu sagen nämlich, das Seiende sei nicht oder das Nicht-Seiende sei, ist falsch, dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nicht-Seiende sei nicht, ist wahr. Wer also ein Sein oder ein Nicht-Sein prädiziert, muß Wahres oder Falsches aussprechen. Man sagt aber von dem Seienden nicht, es sei nicht oder es sei, und ebensowenig von dem Nicht-Seienden. – (2.) Ferner, das Mittlere zwischen den beiden Gliedern des Widerspruchs wird entweder in der Weise Mittleres sein, wie Grau zwischen Weiß und Schwarz, oder wie dasjenige, was weder Mensch noch Pferd ist, zwischen Mensch und Pferd. Ist es in dem letzteren Sinne Mittleres, so würde bei ihm keine Verän-
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derung statthaben (denn es verändert sich ja etwas aus dem Nicht-Guten zum Guten oder aus diesem zum Nicht-Guten). Nun zeigt sich aber immer, daß diese statthat, indem sich Veränderung nicht anders findet denn als Übergang in das Entgegengesetzte und (auch) in das Mittlere. Gibt es dagegen ein Mittleres, so würde ja dann ein Werden stattfinden zum Weißen, und doch nicht aus dem Nicht-Weißen. Nun jedoch findet sich ein solches Werden nicht. – (3.) Ferner, alles was Gegenstand des Denkens oder des intellektiven Erfassens ist, wird vom Denken bejaht oder verneint. Dies ergibt sich aus der Definition darüber, wann das Denken wahr oder falsch ist, nämlich wenn immer es so bejahend oder verneinend verbindet, ist es in der Wahrheit, wenn aber anders, im Irrtum. – (4.) Ferner müßte ein solches Mittleres, wenn man nicht eben bloß um des Redens willen davon redet, neben allen Widersprüchen sich finden, woraus sich ergäbe, daß man auch weder die Wahrheit sagen, noch die Wahrheit nicht sagen würde. Ebenso müßte es auch zwischen dem Seienden und Nichtseienden ein Mittleres, und eine Veränderung außer dem Entstehen und Vergehen geben. – (5.) Ferner müßte es auch in den Gattungen des Seienden, in welchen die Negation zugleich den konträren Gegensatz mit sich bringt, ein Mittleres geben, z. B. bei den Zahlen müßte es solche geben, die weder gerade noch ungerade wären; das ist aber unmöglich, wie sich aus der Definition ergibt. – (6.) Ferner müßte dies ins Unendliche fortgehen, und man würde nicht nur das Anderthalbfache der seienden Dinge erhalten, sondern noch mehr. Denn man könnte ja wieder über das Mittlere zusammen mit der Bejahung und zusammen mit der Verneinung die Verneinung aussprechen, und dies würde selbst etwas sein, da seine Wesenheit eine von beiden verneinten verschiedene wäre. – (7.) Ferner, wenn jemand auf die Frage, ob etwas weiß ist, mit Nein antwortet, so hat er nichts weiter abgesprochen als das Sein; denn das Nicht-sein ist Verneinung. (b) Einige nun sind in diese Ansicht, so gut wie in andere paradoxe Ansichten, dadurch geraten, daß sie, unvermögend die Streitgründe zu widerlegen, denselben nachgaben und das Erschlossene als richtig anerkannten. Aus diesem Grunde also
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sind einige auf diese Ansicht gekommen, andere dadurch, daß sie für alles begründenden Beweis suchten. (c) Gegen alle diese ergibt sich der Anfang (der Widerlegung) aus der Definition. Diese entsteht daraus, daß sie ja notwendig etwas bezeichnen müssen; denn der Begriff, dessen Wort Zeichen (Angabe der Bedeutung) ist, wird zur Definition. Es scheint nun die Lehre des Herakleitos, welche alles sein und auch nicht sein läßt, alles für wahr zu erklären, die des Anaxagoras dagegen etwas Mittleres zwischen den Gliedern des Widerspruchs zu setzen, so daß alles falsch wird; denn wenn Gutes und Nicht-Gutes gemischt wird, so ist die Mischung weder Gutes nocht NichtGutes, so daß man nichts von ihr in Wahrheit aussagen kann. 8. (a) Nach diesen Bestimmungen ergibt sich, daß die Erklärungen über Wahr und Falsch, welche sich auf einerlei Weise über alles erstrecken sollen, nicht statthaben können, wie einerseits die Lehre derer, welche behaupten, nichts sei wahr – denn es könne sich mit allen Sätzen so verhalten wie mit dem, welcher die Quadrat-Diagonale für kommensurabel erklärt –, und andererseits derer, welche sagen, alles sei wahr. (b) (1.) Im ganzen fallen diese Lehren mit der des Herakleitos zusammen; denn wer behauptet, alles sei wahr und alles sei falsch, der spricht auch jeden von diesen beiden Sätzen abgesondert für sich aus; sind nun jene unmöglich, so kann auch dies unmöglich statthaben. – (2.) Ferner gibt es offenbar manche Widersprüche, in denen unmöglich beide Glieder zugleich wahr sein können. Aber ebensowenig können alle falsch sein, obwohl dies nach dem Gesagten noch eher möglich schiene. Gegen alle solche Behauptungen muß man, wie schon in den obigen Erörterungen gesagt ist, das Zugeständnis fordern, nicht daß etwas sei oder nicht sei, sondern daß man mit einem Worte etwas bezeichne; man muß also von einer Definition ausgehend sich unterreden und zuerst festsetzen, was denn Wahr oder Falsch bedeute. Wenn nun aber das Falsche nichts anderes ist als die Verneinung des Wahren, so kann unmöglich alles falsch sein; denn notwendig muß das eine Glied des Widerspruchs wahr sein. – (3.) Ferner, wenn man notwendig jedes bejahen oder
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verneinen muß, so kann unmöglich beides falsch sein; denn nur das eine Glied des Widerspruchs ist falsch. (4.) Alle solche Behauptungen geraten aber auch in die vielerwähnte Folgerung, daß sie sich selbst aufheben. Denn wer alles für wahr erklärt, der erklärt damit auch die der seinen entgegenstehende Behauptung für wahr, also seine eigne für falsch (da jene des Gegners seine eigne nicht für wahr erklärt). Wer aber alles für falsch hält, der hält auch seine eigene Behauptung für falsch. Wollte aber der eine die Behauptung des Gegners ausnehmen, als ob diese allein nicht wahr sei, der andere seine eigne, als ob diese allein nicht falsch sei, so würden sie nichtsdestoweniger dahin kommen, unendlich viele wahre und falsche Behauptungen annehmen zu müssen. Denn auch die Behauptung, welche erklärt, daß die wahre Behauptung wahr sei, würde selbst wahr sein, und dies würde ins Unendliche fortgehen. (5.) Offenbar ist die Lehre, daß alles ruhe, ebensowenig wahr, wie die andere, alles sei in Bewegung. Denn wenn alles ruht, so wäre immer dasselbe wahr und falsch, während sich dies doch offenbar als der Veränderung unterworfen zeigt; der Sprechende selbst war ja einst nicht und wird wiederum nicht sein. Ist dagegen alles in Bewegung, so würde nichts wahr sein; es wäre also alles falsch. Doch wurde schon bewiesen, daß dies unmöglich ist. Ferner muß, was sich verändert, ein Seiendes sein; denn die Veränderung geht aus etwas zu etwas. Aber es ist auch nicht möglich, daß alles nur zu Zeiten in Ruhe oder Bewegung sei und nichts für immer; denn es gibt etwas, das immer das Bewegte bewegt, und das erste Bewegende ist selbst unbewegt.
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1. (a) (1.) Prinzip wird erstens das bei einer Sache genannt, von woher einer zuerst eine Bewegung beginnt; z. B. bei der Linie und dem Weg ist von der einen Seite dies, von der entgegengesetzten das andere Prinzip. (2.) Ferner heißt Prinzip dasjenige, von dem aus etwas am besten entstehen kann: So muß man z. B. beim Unterricht oft nicht vom Ersten und vom Prinzip der Sache ausgehen, sondern von wo aus man am leichtesten lernen kann. (3.) Ferner heißt Prinzip der immanente Teil, von welchem zuerst die Entstehung ausgeht; z. B. wie bei dem Schiff der Kiel oder bei dem Haus der Grund Prinzip in diesem Sinne ist, so nehmen bei den Tieren einige das Gehirn, andere das Herz, andere irgendeinen anderen Teil dafür. (4.) Dann dasjenige, von welchem als nicht immanenten Teil die Entstehung eines Dinges anfängt und von welchem, dem natürlichen Verlauf gemäß, die Bewegung und Veränderung zuerst beginnt; so entsteht das Kind von Vater und Mutter, die Schlacht aus dem Streit. (5.) Ferner heißt Prinzip dasjenige, nach dessen Entschlusse das Bewegte sich bewegt und das Sich-Verändernde sich verändert; in diesem Sinne werden die Ämter in den Staaten und die Regierungen der Herrscher, Könige und Tyrannen Prinzipien (Herrschaften) genannt, und (6.) auch die Künste und unter ihnen am meisten diejenigen, welche für andere Künste Anleitung geben. (7.) Ferner dasjenige, wovon man in der Erkenntnis eines Gegenstandes ausgeht, denn auch dies wird Prinzip des Gegenstandes genannt; z. B. die Voraussetzungen (Prämissen) der Beweise. (b) In gleich vielen Bedeutungen wird auch der Begriff Ursache gebraucht; denn alle Ursachen sind Prinzipien. (c) Allgemeines Merkmal der Prinzipien in allen Bedeutungen ist, daß es ein Erstes ist, wovon her etwas ist, wird oder erkannt wird. Von diesen Prinzipien sind die einen (den Dingen) immanent, die anderen außerhalb (von ihnen). Darum ist sowohl die Natur Prinzip als auch das Ele-
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ment und ebenso das Denken, der Entschluß, die Wesenheit und der Zweck; denn bei vielen Dingen ist das Gute und das Schöne Prinzip sowohl des Erkennens als auch der Bewegung.
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2. (a) Ursache wird (1.) in einer Bedeutung der immanente Stoff genannt, woraus etwas wird; so ist das Erz der Bildsäule, das Silber der Schale Ursache und ebenso die allgemeineren Gattungen von diesen; (2.) in einer andern Bedeutung heißt Ursache die Form und das Musterbild – dies ist der Begriff des Soseins – sowie die Gattungen davon, z. B. Ursache der Oktave das Verhältnis von Zwei zu Eins und allgemeiner die Zahl, wie auch die in dem Begriff enthaltenen Bestandteile. (3.) Ferner heißt Ursache dasjenige, wovon her die Veränderung oder die Ruhe ihren ersten Anfang nimmt; so ist z. B. der Beratende Ursache, oder der Vater Ursache des Kindes, und überhaupt das Hervorbringende Ursache des Hervorgebrachten, das Verändernde Ursache des Veränderten. (4.) Ferner heißt etwas Ursache als Zweck, d. h. als dasjenige, worumwillen etwas geschieht; in diesem Sinne ist die Gesundheit Ursache des Spazierengehens. Denn auf die Frage, weshalb jemand spazierengeht, antworten wir: um gesund zu werden, und glauben mit dieser Antwort die Ursache angegeben zu haben. Dasselbe gilt von allem, was auf jemandes Bewegung hin noch dazwischen vor dem Eintreten des Zwecks geschieht, z. B. vor dem Gesundwerden die Abmagerung oder die Reinigung oder die ärztlichen Mittel oder Werkzeuge; dies alles nämlich geschieht um des Zweckes willen, es unterscheidet sich aber untereinander dadurch, daß einiges Werkzeug, anderes Werk ist. (b) In so vielen Bedeutungen werden ungefähr die Ursachen genannt. Da sie in mehreren Bedeutungen vorliegen, ergibt sich, daß dasselbe Ding mehrere Ursachen haben kann, und zwar nicht in akzidentellem Sinne: So ist z. B. von der Bildsäule sowohl die Bildnerkunst als auch das Erz Ursache, in keiner andern Beziehung, als insofern sie Bildsäule ist; aber nicht in derselben Weise, sondern das eine als Stoff, das andere als Ursprung der Bewegung. Manches ist auch Ursache von einander; das Arbeiten z. B. ist Ursache des Wohlbefindens und dieses Ursa-
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che des Arbeitens, aber nicht in demselben Sinne, sondern das eine als Zweck, das andere als Anfang der Bewegung. Ferner ist auch dasselbe zuweilen Ursache von Entgegengesetztem; denn wessen Anwesenheit Ursache von diesem bestimmten Ereignis ist, dessen Abwesenheit sehen wir zuweilen als Ursache des Gegenteils an; z. B. als Ursache des Schiffbruches die Abwesenheit des Steuermannes, dessen Anwesenheit Ursache der Erhaltung des Schiffes war. Beides aber, die Anwesenheit wie deren Gegenteil, sind bewegende Ursachen. (c) Alle bisher erwähnten Bedeutungen von Ursachen fallen sehr deutlich unter vier Hauptklassen. Denn die Buchstaben sind Ursachen für die Silben, der Stoff für das daraus Gefertigte, das Feuer, die Erde und alles dergleichen für die Körper, die Teile für das Ganze und die Voraussetzungen für den Schluß, insofern sie das sind, woraus etwas wird, und hierbei sind nun die einen Ursachen als das Zugrundeliegende (Substrat), z. B. die Teile, die anderen als das Sosein, nämlich die Ganzheit und die Zusammensetzung und die Form. Der Same aber und der Arzt und der Beratende und überhaupt das Hervorbringende, diese alle sind Ursachen in dem Sinne, daß von ihnen der Anfang der Bewegung oder der Ruhe ausgeht. Anderes endlich ist Ursache als der Zweck für das übrige und als das Gute; denn dasjenige, worum willen etwas geschieht, soll das Beste und der Zweck des übrigen sein. Es mag hierbei gleich gelten, ob wir es als das wirklich Gute oder als das scheinbar Gute bezeichnen. (d) Ursachen sind also diese und soviele der Art nach. Zahlreich sind die Weisen, in denen die Ursachen auftreten, doch lassen sich auch diese unter wenige Hauptgesichtspunkte bringen. Es werden nämlich die Ursachen in verschiedener Weise selbst bei dem Gleichartigen genannt, indem das eine verglichen mit dem anderen in vor- oder nachgeordneter Weise Ursache ist; Ursache der Gesundheit z. B. ist sowohl der Arzt wie der Künstler, und Ursache der Oktave sowohl das Doppelte wie die Zahl, und so immer das umfassende Allgemeine von irgendeinem einzelnen Individuellen. Ferner gilt dasselbe von der akzidentellen Ursache und ihren höheren Gattungen. Ursache der Bildsäule z. B. ist in anderem Sinne Polykleitos, in
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anderem der Bildhauer, weil es nämlich ein Akzidens des Bildhauers ist, Polykleitos zu sein. Aber auch das umfassende Allgemeine des Akzidens ist Ursache, z. B. der Mensch oder auch allgemein das Lebewesen ist Ursache der Bildsäule, weil Polykleitos ein Mensch und der Mensch ein Lebewesen ist. Es steht also von den Akzidenzien selbst das eine im Vergleich zu dem andern ferner und näher (zur Ursache), z. B. wenn man den Weißen oder den Musikalischen Ursache der Bildsäule nennte und nicht nur den Polykleitos oder den Menschen. Alles aber, sowohl was an sich als auch was in akzidentellem Sinne als Ursache bezeichnet wird, wird so genannt teils als dem Vermögen, teils als der wirklichen Tätigkeit nach; z. B. Ursache des Bauens ist der Baumeister oder der bauende Baumeister. – Das gleiche wird sich auch von dem (Verursachten) sagen lassen, dessen Ursachen in den genannten Fällen die Ursachen sind, z. B. von dieser bestimmten Bildsäule oder der Bildsäule überhaupt oder allgemein dem Abbild, und diesem bestimmten Erz oder dem Erz überhaupt oder allgemein dem Stoff, und so in gleicher Weise auch bei den Akzidenzien des Verursachten. Ferner wird auch das eine und das andere verbunden ausgesagt werden, z. B. wenn man nicht sagt Polykleitos oder Bildhauer, sondern der Bildhauer Polykleitos. (e) Alle diese verschiedenen Bedeutungen von Ursache kommen jedoch auf sechs Arten zurück, deren jede eine zwiefache Weise zuläßt: Entweder nämlich wird die Ursache als das Einzelne selbst oder als die höhere Gattung bezeichnet oder als Akzidens oder als Gattung des Akzidens, und zwar entweder verbunden untereinander oder einfach (getrennt). Und dieses alles findet entweder dem Vermögen oder der wirklichen Tätigkeit nach statt. Auf diesem letzteren Gegensatze aber beruht der Unterschied, daß das wirklich Tätige und die einzelne individuelle Ursache immer zugleich ist mit dem Gegenstande, auf welchen sie gerichtet ist, z. B. dieser bestimmte Heilende mit diesem bestimmten Kranken, und dieser einzelne Bauende mit diesem einzelnen im Bau begriffenen Gegenstande. Was aber nur dem Vermögen nach Ursache ist, das ist nicht immer mit
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seinem Gegenstande zugleich; denn nicht zugleich vergeht das Haus und der Baumeister. 3. (a) Element wird (1.) dasjenige genannt, woraus als erstem immanenten Bestandteil etwas zusammengesetzt ist, welcher nicht mehr der Art nach in Verschiedenartiges teilbar ist, wie z. B. Elemente (Buchstaben) der Sprachlaute dasjenige sind, woraus die Lauteinheit zusammengesetzt ist und worin sie zerlegt wird als in die letzten Bestandteile, die sich nicht wieder in verschiedenartige Laute von ihnen auflösen lassen. Vielmehr, selbst wenn man sie teilte, ergäben sich gleichartige Teile, wie vom Wasser jeder Teil wieder Wasser ist, nicht dagegen so von der Silbe. (2.) Auf gleiche Weise nennt man auch Elemente der Körper dasjenige, worin die Körper als in die letzten, nicht weiter in Verschiedenartiges auflösbare Bestandteile zerlegt werden; mag deren einer oder mögen ihrer mehrere sein, so nennt man sie Elemente. (3.) In verwandter Weise spricht man vom Element der mathematischen Beweise und der Beweise überhaupt; denn die ersten ursprünglichen Beweise, welche in mehreren Beweisen wieder enthalten sind, werden Elemente der Beweise genannt; solcherlei Schlüsse sind die ersten, einfachen, aus drei Gliedern durch einen Mittelbegriff gebildeten. (b) Hiervon überträgt man den Namen Element auch auf das, was als Eines und Kleines zu vielem brauchbar ist. Deshalb wird denn das Kleine, Einfache und Unteilbare Element genannt. Daher ist es denn gekommen, daß man die allgemeinsten Dinge als Elemente betrachtet, weil jedes derselben als ein Einziges und Einfaches sich in vielen Dingen oder den meisten findet; weshalb ja nach der Ansicht mancher auch das Eine und der Punkt Prinzipien sind. Da nun die sog. Gattungen allgemein und unteilbar sind (denn es gibt keine Definition von ihnen), so nennen manche die Gattungen Elemente, und zwar diese mehr als den Artunterschied, weil die Gattung allgemeiner ist; denn wovon der Artunterschied ausgesagt wird, dem kommt auch der Gattungsbegriff notwendig zu, aber nicht jedem, dem der Gattungsbegriff zukommt, auch der Artunterschied. (c) Das Gemeinsame in allen Bedeutungen ist, daß
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Element eines jeden einen ersten immanenten Bestandteil bezeichnet.
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4. (a) (1.) Natur heißt in einer Bedeutung die Entstehung des Wachsenden (gleichsam als wenn man das y in phýsis lang ausspräche), (2.) in einer andern der erste immanente (Stoff), woraus das Wachsende erwächst; (3.) ferner dasjenige, wovon bei einem jeden natürlichen Dinge die erste Bewegung ausgeht, welche ihm selbst zukommt, insofern es das ist, was es ist. (4.) Wachsen (natürliches Werden) aber schreibt man allem zu, was Vermehrung durch ein anderes dadurch erhält, daß es mit ihm in Berührung steht und zusammengewachsen oder angewachsen ist, wie die Embryonen. Das Zusammenwachsen ist aber verschieden von der Berührung; denn bei der letzten braucht außer der Berührung nichts weiter vorhanden zu sein, bei dem Zusammengewachsenen aber ist etwas in beiden eins und dasselbe, welches bewirkt, daß sie, statt sich bloß zu berühren, zusammengewachsen und eins sind, der Kontinuität und der Quantität, nicht aber der Qualität nach. (5.) Ferner wird Natur derjenige Stoff genannt, aus welchem als dem ersten (Bestandteil) eines von den nicht natürlichen Dingen (= Artefakten) ist oder wird, wobei er selbst noch ungestaltet ist und sich aus eigenem Vermögen nicht verändert. So bezeichnet man z. B. als Natur der Bildsäule und der ehernen Geräte das Erz, als Natur der hölzernen das Holz, und auf gleiche Weise bei den übrigen; denn aus diesen besteht jedes einzelne, wobei der (zugrundeliegende) erste Stoff erhalten bleibt. Auf diese Weise nennt man auch die Elemente der natürlichen Dinge deren Natur, indem einige das Feuer, andere die Erde, die Luft, das Wasser oder etwas anderes der Art angeben, und entweder nur einiges von diesen oder alle. – (6.) Ferner heißt in einer andern Bedeutung Natur die Wesenheit der natürlichen Dinge, z. B. wenn man die erste Zusammensetzung Natur nennt, wie Empedokles sagt: „Natur ist keines der Dinge, sondern sie ist Mischung allein und Trennung allein des Gemischten. Natur werden die Dinge nur von den Menschen genannt“. Daher sagen wir auch von allem, was von Natur ist oder wird, wenngleich das schon
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vorhanden ist, woraus es naturgemäß wird oder ist, daß es noch nicht seine Natur habe, wenn es nicht die Form und Gestalt hat. Von Natur also ist das aus beiden, Stoff und Form Bestehende, z. B. die Tiere und deren Teile; Natur aber ist einerseits der erste Stoff (und auch dieser in doppelter Bedeutung, entweder der erste für dieses spezielle Ding oder im allgemeinen der erste, wie z. B. von Erzarbeiten in Beziehung auf sie selbst das Erz erster Stoff ist, im allgemeinen aber vielleicht das Wasser, wenn alles Schmelzbare Wasser ist), andererseits die Form und die Wesenheit; diese ist aber der Zweck des Werdens. In übertragenem Sinne nennt man nun auch überhaupt jedes Wesen Natur auf Grund von dieser, weil die Natur ein Wesen ist. (b) Nach dem Gesagten ist also Natur im ersten und eigentlichen Sinne die Wesenheit der Dinge, welche das Prinzip der Bewegung in sich selbst haben, insofern sie das sind, was sie sind; denn der Stoff wird Natur genannt, weil er diese aufzunehmen fähig ist, das Werden und Wachsen darum, weil es Bewegungen sind, die von dieser ausgehen. Und Natur ist auch das Prinzip der Bewegung der natürlichen Dinge, immanent in den Dingen entweder dem Vermögen oder der wirklichen Tätigkeit nach. 5. (a) (1.) Notwendig nennt man dasjenige, ohne welches als Mitursache es nicht möglich ist zu leben; so sind z. B. das Atmen und die Nahrung dem lebenden Wesen notwendig; denn es ist unmöglich, ohne diese zu sein. (2.) Ferner heißt notwendig dasjenige, ohne welches das Gute nicht sein oder werden, oder man das Übel nicht entfernen und sich davon befreien kann, wie es z. B. notwendig ist, die Arznei zu trinken, um nicht zu leiden, oder nach Aigina zu segeln, um sein Geld zu bekommen. (3.) Ferner heißt notwendig das Erzwungene und der Zwang, d. h. dasjenige, welches uns gegen unsere eigene Neigung und unseren Entschluß bindet und hemmt. Denn man nennt das Erzwungene notwendig, weshalb es auch schmerzlich ist, wie Euenos sagt: „Denn alles Notwendige ist ein betrübendes Ding.“ Und der Zwang ist eine Art Notwendigkeit, wie ja Sophokles sagt: „... Es nötigt mich der Zwang zu solcher Tat.“ Auch gilt die Notwendigkeit für etwas Unerbittliches,
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und mit Recht; denn sie steht der Bewegung nach Vorsatz und Überlegung entgegen. (4.) Ferner sagen wir von dem, was sich nicht anders verhalten kann, es sei notwendig, daß es sich so verhalte. (b) Und auf diese Bedeutung von Notwendig kommen gewissermaßen alle anderen Bedeutungen desselben zurück; denn einmal von dem Erzwungenen sagt man, daß es notwendig dies tun oder leiden müsse, in dem Falle, wenn es wegen des Zwingenden nicht seiner eigenen Neigung folgen kann, indem man als Notwendigkeit das ansieht, wodurch ihm unmöglich ist, sich anders zu verhalten. Und bei den Mitursachen des Lebens und des Guten verhält es sich ebenso; denn wenn hier das Leben, dort das Gute ohne gewisse Dinge nicht möglich ist, so sind diese notwendig und diese Ursache eine Art von Notwendigkeit. Zu dem Notwendigen gehört ferner auch der Beweis, weil etwas, wenn es schlechthin bewiesen ist, sich nicht anders verhalten kann; Ursachen aber dieser Notwendigkeit sind die ersten Voraussetzungen, wenn sich nämlich dasjenige, woraus der Schluß gezogen ist, nicht anders verhalten kann. (c) Das Notwendige nun hat entweder die Ursache der Notwendigkeit in einem anderen oder nicht in einem anderen, sondern es kommt vielmehr um seinetwillen anderem Notwendigkeit zu. Im ersten und strengsten Sinne notwendig ist also das Einfache; denn dies kann sich nicht auf mehrfache Weise verhalten, also auch nicht so und anders, denn dann verhielte es sich schon auf mehrfache Weise. Gibt es also gewisse ewige und unveränderliche Dinge, so findet in ihrer Notwendigkeit kein Zwang und kein Gegensatz gegen die Natur statt. 6. (a) Eines wird etwas genannt entweder in akzidentellem Sinne, oder an sich. (1.) In akzidentellem Sinne Eines z. B. Koriskos und Gebildet und der gebildete Koriskos; denn es ist dasselbe, ob man sagt, Koriskos und Gebildet sei Eines, oder, Koriskos sei gebildet, und ebenso gebildet und gerecht, oder der gebildete und gerechte Koriskos. Denn alles dies wird Eines genannt in akzidentellem Sinne, Gerecht nämlich und Gebildet, weil es Akzidenzien an demselben einen Wesen sind, Gebildet aber und Koriskos, weil das eine ein Akzidens des
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anderen ist. Auf gleiche Weise ist gewissermaßen der gebildete Koriskos eins mit Koriskos, weil einer von den im Begriff enthaltenen Teilen ein Akzidens am andern ist, nämlich Gebildet am Koriskos, und der gebildete Koriskos eins mit dem gerechten Koriskos, weil der eine Teil von einem jeden von beiden Akzidens an einem und demselben ist. (2.) Ebenso verhält es sich auch, wenn man bei einer Gattung oder einer allgemeinen Benennung von Akzidens spricht, z. B. daß Mensch und gebildeter Mensch dasselbe sei; entweder nämlich ist dies der Fall, weil an Mensch als einem einzigen Wesen Gebildet ein Akzidens ist, oder weil beides Akzidens ist an irgendeinem individuellen Dinge ist, z. B. an Koriskos. Indes ist dies beides nicht in demselben Sinne Akzidens, sondern das eine etwa als Gattung und dem Wesen innewohnend, das andere als eine Haltung oder Eigenschaft des Wesens. (b) Dies sind also alle die verschiedenen Weisen, in welchen etwas in akzidentellem Sinne als Eines bezeichnet wird. (1.) Von dem aber, was an sich Eines genannt wird, heißt einiges so, weil es ein Kontinuum ist, z. B. das Bündel durch das Band, das Holz durch den Leim, und so heißt die Linie, auch wenn sie gebrochen ist, aber dabei kontinuierlich, eine wie ja auch ein jedes von den Gliedern, z. B. das Bein und der Arm. Von diesen selbst aber heißt in strengerem Sinne das Eines, was von Natur, als das, was durch Kunst Kontinuierliches bildet. Kontinuierlich aber heißt dasjenige, dessen Bewegung an sich eine ist und sich nicht anders verhalten kann; eine aber ist die Bewegung, wenn sie unteilbar ist, unteilbar nämlich der Zeit nach. Kontinuierlich an sich ist dasjenige, was nicht bloß durch Berührung Eines ist; denn nimmt man zwei einander berührende Holzstücke, so wird man nicht sagen, daß diese Eines seien, weder ein Holz, noch ein Körper, noch sonst irgend ein Kontinuierliches. Das Kontinuierliche überhaupt wird Eines genannt, wenn es auch ein Gelenk hat, in strengerem Sinne aber das, welches kein Gelenk hat, z. B. das Schienbein und die Hüfte in strengerem Sinne als das Bein, weil die Bewegung des Beines nicht notwendig eine einzige sein muß. Ebenso ist die gerade Linie in vollerem Sinne Eines als die gebrochene; die gebrochene, welche einen Winkel
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bildet, bezeichnen wir als eine und auch als nicht eine, weil es möglich ist, daß ihre Bewegung nicht zugleich stattfinde, und auch daß diese zugleich stattfinde; die Bewegung der geraden Linie aber findet immer zugleich statt, und es ist nicht möglich, daß ein ausgedehnter Teil derselben ruhe, während ein anderer sich bewegt, wie dies bei der gebrochenen der Fall sein kann. (2.) Ferner wird in einem anderen Sinne etwas Eines genannt, weil sein Substrat der Art nach unterschiedslos ist. Unterschiedslos heißt aber das, dessen Art für die sinnliche Wahrnehmung unteilbar ist; unter Substrat aber ist entweder das nächste oder das letzte und äußerste verstanden. Denn man bezeichnet einerseits den Wein als Eines und das Wasser als Eines, insofern jedes derselben der Art nach unteilbar ist, und andererseits nennt man alle Flüssigkeiten Eines, z. B. Öl, Wein und das Schmelzbare, weil das letzte Substrat für alle dasselbe ist; denn alle diese sind Wasser oder Luft. (3.) Als Eines bezeichnet man auch diejenigen Dinge, deren Gattung dieselbe ist, aber sich durch die entgegengesetzten Artunterschiede unterscheidet. Auch diese alle werden Eines genannt, weil die Gattung, welche den Artunterschieden zugrunde liegt, eine einzige ist, z. B. Pferd, Mensch und Hund sind Eines, weil sie alle Lebewesen sind, und zwar auf eine ähnliche Weise, wie im vorigen Falle der Stoff ein einziger war. In manchen Fällen nun werden diese auf solche Weise als Eines bezeichnet, in anderen nach der höheren Gattung als dasselbe; sofern es nämlich letzte Arten der Gattung sind, werden sie nach der übergeordneten Gattung als Eines bezeichnet; z. B. das gleichseitige und gleichschenklige Dreieck sind eine und dieselbe Figur, da beide Dreiecke sind, als Dreiecke aber sind sie nicht ein und dasselbe. (4.) Ferner wird Eines alles dasjenige genannt, wovon der Begriff, der das Sosein angibt, unteilbar ist in Vergleich mit einem anderen, welcher das Sosein der Sache ausdrückt; denn an und für sich ist jeder Begriff teilbar; so ist etwas, wenn es auch vermehrt ist und abnimmt, Eines, weil sein Begriff ein einziger ist, wie etwa bei den Flächen trotz der Verschiedenheit der Größe der Artbegriff ein einziger ist. (5.) Überhaupt aber ist im vollsten Sinne dasjenige Eines, wovon die intellektive Erfassung,
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die das Sosein erfaßt, eine einzige ist und weder der Zeit noch dem Raume noch dem Begriffe nach eine Teilung zuläßt, und unter diesen wieder am meisten die Wesenheiten. (6.) Denn allgemein wird dasjenige, welches keine Teilung zuläßt, insofern es sie nicht zuläßt, Eines genannt; z. B. wenn bei jemandem, insofern er Mensch ist, keine Teilung stattfindet, so ist er ein Mensch; wenn dagegen, insofern er ein Lebewesen ist, so ist er ein Lebewesen; wenn, insofern er Größe ist, so ist er eine Größe. Das meiste nun wird Eines genannt, weil etwas anderes es entweder bewirkt oder hat, oder leidet, oder nach einem Verhältnis Eines ist. Im ursprünglichen und strengen Sinne aber ist dasjenige Eines, dessen Wesenheit eine ist. Eine aber entweder der Kontinuität oder der Art oder dem Begriffe nach; denn als Mehrheit zählen wir teils, was nicht ein Kontinuum bildet, teils, deren Art nicht eine, teils, deren Begriff nicht einer ist. (7.) Ferner nennen wir einerseits jedes Eines, wenn es ein Quantum und kontinuierlich ist, andererseits aber auch nicht, sofern es nicht ein Ganzes ist, d. h. sofern es nicht eine einzige Form hat; wir würden z. B. nicht auf gleiche Weise Einheit prädizieren, wenn wir die Teile des Schuhes irgendwie zusammengesetzt sehen, es müßte denn sein um der Kontinuität willen, sondern vielmehr erst dann, wenn sie so zusammengesetzt sind, daß sie (z. B.) ein Schuh sind und bereits eine einzige Form haben. Darum ist auch die Kreislinie vor allen Linien eine einzige, weil sie ganz und vollendet ist. (c) (1.) Das Einessein heißt: Prinzip der Zahl für etwas sein; denn das erste Maß ist Prinzip. In jeder Gattung nämlich ist das, womit als Erstem wir erkennen, das Maß derselben; so ist also das Eine Prinzip des Erkennbaren bei jedem Dinge. Nicht dasselbe ist aber in allen Gattungen das Eine; hier nämlich der Viertelton, dort das Lautbare und Lautlose, ein anderes wieder bei der Schwere, ein anderes bei der Bewegung. Überall aber ist das Eine entweder der Quantität oder der Form nach unteilbar. (2.) Unter dem nun, was der Quantität nach und als Quantum unteilbar ist, heißt das, was in jeder Richtung unteilbar und zugleich ohne Lage ist, Einheit. Das dagegen, was in jeder Richtung unteilbar ist und eine Lage hat, ist Punkt. Das in einer Richtung
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Teilbare ist Linie, das in zwei Richtungen Fläche, das in allen drei Richtungen der Quantität nach Teilbare Körper. Und umgekehrt ist das in zwei Richtungen Teilbare Fläche, das in einer Richtung Teilbare Linie, das in keiner Richtung der Quantität nach Teilbare Punkt und Einheit, nämlich ohne Lage Einheit, mit Lage Punkt. (3.) Ferner ist einiges der Zahl nach Eines, anderes der Art, anderes der Gattung, anderes der Analogie nach. Der Zahl nach nämlich das, dessen Stoff, der Art nach das, dessen Begriff einer ist, der Gattung nach das, was derselben Form der Kategorie angehört, der Analogie nach, was sich ebenso verhält wie ein anderes zu einem anderen. Immer ist dabei mit dem Früheren das Spätere mitgesetzt; z. B. was der Zahl nach Eines ist, das ist es auch der Art nach, aber was es der Art nach ist, das ist nicht auch alles der Zahl nach Eines, aber der Gattung nach ist alles Eines, was es der Art nach ist, was aber dem Geschlechte nach, das ist nicht alles auch der Art nach, sondern der Analogie nach Eines, und was der Analogie nach Eines ist, das ist es nicht alles auch der Gattung nach. (d) Offenbar ist auch, daß das Viele in entgegengesetztem Sinne gebraucht werden dürfte wie das Eine. Einiges nämlich wird als Vieles bezeichnet, weil es nicht stetig zusammenhängt, anderes, weil sein Stoff, der erste oder der letzte, der Art nach teilbar ist, anderes, weil die Begriffe, welche das Sosein angeben, mehrere sind. 7. (a) Das Seiende wird teils in akzidentellem Sinne ausgesagt, teils an sich. In akzidentellem Sinne sagen wir z. B. „der Gerechte ist gebildet“, und „der Mensch ist gebildet“, und „ein Gebildeter ist ein Mensch“ in ähnlicher Weise, wie wenn wir sagen „der Gebildete baut“, weil es für den Baumeister ein Akzidens ist, gebildet, oder für den Gebildeten, Baumeister zu sein; denn „dies ist dies“ bedeutet „dies ist ein Akzidens von diesem“. Ebenso verhält es sich in den angeführten Fällen; denn wenn wir sagen „der Mensch ist gebildet“ und „der Gebildete ist ein Mensch“, oder „der Weiße ist gebildet“ oder „der Gebildete ist weiß“, so geschieht dies in dem einen Falle, weil beides Akzidenzien an demselben Seienden sind, in dem
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anderen weil das eine, das Prädikat, an dem anderen als seiendem Akzidens ist; im dritten Falle aber „der Gebildete ist ein Mensch“, weil an diesem „Gebildet“ ein Akzidens ist; so sagt man auch, das Nichtweiße sei, weil jenes ist, wovon dies ein Akzidens ist. Wem also in akzidentellem Sinne Sein zugeschrieben wird, bei dem geschieht es entweder, weil beides demselben Seienden zukommt, oder weil jenes einem Seienden zukommt, oder weil ihm selbst das Substrat zukommt, wovon es ausgesagt wird. (b) (1.) An sich zu sein aber wird von all dem gesagt, was die Formen der Kategorien bezeichnen; denn so vielfach diese ausgesagt werden, so viele Bedeutungen des Seins bezeichnen sie. Da nun das kategorial Ausgesagte teils ein Was bezeichnet, teils etwas Qualitatives, teils etwas Quantitatives, teils etwas Relatives, teils ein Tun oder Leiden, teils ein Wo, teils ein Wann, so hat mit jedem von diesem das Sein gleiche Bedeutung; denn es ist kein Unterschied, ob man sagt „der Mensch ist gesund lebend“ oder „der Mensch lebt gesund“, „der Mensch ist gehend oder schneidend“ oder „der Mensch geht oder schneidet“, und in ähnlicher Weise auch bei den übrigen. (2.) Ferner bezeichnet das Sein und das Ist, daß etwas wahr ist, das Nichtsein aber, daß etwas nicht wahr sei, sondern falsch, gleicherweise bei der Bejahung wie bei der Verneinung; z. B. „Sokrates ist gebildet“ bedeutet, daß dies wahr ist, oder „Sokrates ist nicht-weiß“ ebenfalls, daß dies wahr ist; dagegen „es ist nicht die Diagonale nicht kommensurabel“ bezeichnet, daß dies falsch ist. (3.) Ferner bezeichnet das Sein und das Seiende in diesen angeführten Fällen teils das Vermögen (Mögliche), teils die Vollendung. Denn „es ist sehend“ sagen wir sowohl von dem Vermögen, als von dem der Vollendung nach Sehenden. Ebenso schreiben wir Wissen sowohl dem zu, der sich der Wissenschaft bedienen kann, wie dem, der sich ihrer bedient; und ruhend nennen wir sowohl das, was schon in Ruhe ist, als auch was ruhen kann. In gleicher Weise auch bei den Wesen; denn wir sagen ja, der Hermes sei in dem Steine und die Hälfte der Linie in der Linie, und nennen Weizen auch den noch nicht reifen. Wann aber etwas möglich ist, und wann noch nicht, das muß anderswo bestimmt werden.
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8. (a) (1.) Wesen heißen die einfachen Körper, z. B. Erde, Feuer, Wasser und was dergleichen mehr ist, und überhaupt die Körper und die aus ihnen bestehenden lebenden Wesen und die göttlichen Dinge, die Himmelskörper, und ihre Teile. Alles dies heißt Wesen, weil es nicht von einem Zugrundeliegenden (Subjekt) ausgesagt wird, sondern vielmehr das andere von ihm. – (2.) In einer andern Weise heißt Wesen, was immanent in solchen Dingen, welche nicht von einem Subjekt ausgesagt werden, Ursache des Seins für diese ist, wie die Seele in dem Lebewesen. (3.) Ferner heißen Wesen die Teile, welche immanent in solchen Dingen diese begrenzen und als dies bestimmte Etwas bedeuten, mit deren Aufhebung das Ganze aufgehoben wird, wie z. B. mit Aufhebung der Fläche der Körper, wie einige behaupten, und mit Aufhebung der Linie die Fläche aufgehoben wird. Und überhaupt dieser Art scheint einigen die Zahl zu sein, weil nach ihrer Aufhebung nichts sei und sie alles begrenze. – (4.) Ferner wird auch das Sosein, dessen Begriff Definition ist, Wesen jedes Dinges genannt. (b) Es ergibt sich also, daß man Wesen in zwei Bedeutungen gebraucht, einmal als das letzte Subjekt, das nicht weiter von einem anderen ausgesagt wird, sowie als dasjenige, welches ein bestimmtes Seiendes und abtrennbar ist; solcherart aber ist eines jeden Dinges Gestalt und Form.
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9. (a) Als Dasselbe (Identische) bezeichnet man etwas einmal in akzidentellem Sinne. So ist z. B. das Weiße und das Gebildete dasselbe, weil es Akzidens an demselben ist, und Mensch und Gebildet, weil das eine am andern Akzidens ist, und das Gebildete ist Mensch, weil es ein Akzidens des Menschen ist. Mit jedem von diesen beiden ist dies (nämlich das Zusammengesetzte) und mit diesem wieder jedes von beiden dasselbe, mit dem gebildeten Menschen wird der Mensch und das Gebildete als dasselbe bezeichnet und ebenso mit diesem jenes. Daher wird auch dies alles nicht allgemein ausgesagt; denn es ist nicht wahr zu sagen, jeder Mensch und das Gebildete sei dasselbe. Was nämlich einem Ding allgemein zukommt, das kommt ihm an sich zu, die Akzidenzien aber kommen ihm nicht an sich zu,
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sondern werden nur von den Einzeldingen schlechthin ausgesagt. Denn Sokrates und der gebildete Sokrates scheint dasselbe zu sein, Sokrates aber läßt sich nicht von vielen aussagen, und man sagt daher nicht ,,jeder Sokrates“ wie man sagt „jeder Mensch“. – (b) Einiges also wird in diesem Sinne dasselbe genannt, anderes an sich, wie es auch ebenso als Eines bezeichnet wird; dasjenige nämlich heißt dasselbe, dessen Stoff der Art oder der Zahl nach einer, und das, dessen Wesen (Wesenheit) eines ist. Offenbar ist also die Selbigkeit eine Einheit des Seins, entweder unter mehreren oder bei einem, wenn man es als eine Mehrheit ansieht, z. B. wenn man sagt, es sei etwas mit sich selbst dasselbe; denn man sieht es dann an, als seien es zwei. (c) Als Anderes bezeichnet man die Dinge, bei denen die Formen oder der Stoff oder der Begriff des Wesens (Wesenheit) eine Mehrheit bilden, und überhaupt gebraucht man Anderes im entgegengesetzten Sinne als Dasselbe. (d) Verschieden nennt man alles, was ein anderes ist, während es in einer Beziehung dasselbe ist, nur nicht der Zahl nach, sondern der Art oder der Gattung oder der Analogie nach. Ferner das, dessen Gattung ein anderes ist, und das Konträre und alles, dessen Anderes-sein in dem Wesen (Wesenheit) liegt. (e) Ähnlich heißen die Dinge, welche in jeder Beziehung als selbige (identische) bestimmt sind, und die, welche mehr selbige als andere Bestimmtheiten haben, und die, deren Qualität eine ist; auch das nennt man einem anderen ähnlich, was mit ihm die meisten oder die bedeutendsten von den Gegensätzen gemein hat, nach denen es sich verändern kann. In entgegengesetztem Sinne wie Ähnlich gebraucht man Unähnlich. 10. (a) Entgegengesetzt nennt man den Widerspruch, das Konträre, das Relative, Privation und Haben, und das Äußerste, woraus oder wozu das Entstehen und Vergehen übergeht; ferner wenn etwas nicht zugleich sich an demselben (Substrat) finden kann, das beides in sich aufzunehmen fähig ist, so nennt man jenes selbst oder das, woraus es ist, entgegengesetzt. So findet sich Grau und Weiß nicht an demselben (Substrat), und darum ist das entgegengesetzt, woraus diese sind. (b) Konträr
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heißt einmal dasjenige der Gattung nach Verschiedene, was sich nicht zugleich an demselben (Substrat) finden kann, ferner was unter dem derselben Gattung Angehörigen sich am meisten unterscheidet, und was, an demselben aufnehmenden (Substrat) vorkommend, sich am meisten unterscheidet, und was sich unter dem demselben Vermögen Angehörigen am meisten unterscheidet, und das, dessen Unterschied der größte ist, schlechthin oder der Gattung oder der Art nach. Das übrige wird konträr genannt, insofern es Konträres in den bezeichneten Bedeutungen hat, oder solches aufnehmen kann, oder dasselbe hervorbringen oder erleiden kann, oder hervorbringt oder leidet, oder insofern es ein Aufgeben oder ein Annehmen, oder ein Haben oder eine Privation von Konträrem in diesem Sinne ist. (c) Da aber das Eine und das Seiende in mehrfacher Bedeutung gesagt werden, so muß notwendig auch alles andere, was diesen gemäß ausgesagt wird, durch jene Verschiedenheit mit bestimmt sein, also auch das Selbige, das Andere und das Konträre; daher es denn in jeder Kategorie ein anderes sein muß. (d) Der Art nach anderes nennt man das, was derselben Gattung angehörig nicht eines dem anderen untergeordnet ist, und was in derselben Gattung befindlich einen Unterschied an sich hat, und was in der Wesenheit einen konträren Gegensatz hat. Ferner ist auch das Konträre gegeneinander anderes der Art nach, entweder alles Konträre oder das eigentlich so genannte, und alle letzten Arten einer Gattung, deren Begriffe nicht dieselben sind; z. B. Mensch und Pferd sind der Gattung nach unteilbar, ihre Begriffe aber sind nicht dieselben. Auch das heißt der Art nach anderes, was in derselben Wesenheit befindlich einen Unterschied hat. Der Art nach dasselbe nennt man etwas in dem entgegengesetzten Sinne als das eben Aufgeführte. 11. (a) (1.) Als früher und später bezeichnet man einiges, da es ein Erstes und einen Anfang in jeder Gattung geben muß, in dem Sinne, daß es einem bestimmten Anfang näher ist, sei dies nun schlechthin und der Natur nach oder irgendwo oder von irgendwem so gesetzt. So ist etwas dem Raume nach früher da-
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durch, daß es näher ist entweder einem von Natur bestimmten Orte, z. B. der Mitte oder dem Ende, oder einem zufälligen; das Entferntere aber ist später. Anderes heißt der Zeit nach früher; nämlich einiges, weil es entfernter von der Gegenwart ist, so das Vergangene: der troische Krieg ist früher als der persische, weil er weiter von der Gegenwart entfernt ist; anderes, weil es der Gegenwart näher ist, so das Zukünftige: die Nemeischen Spiele sind früher als die Pythischen, weil sie der Gegenwart näher sind, diese als Anfang und Erstes genommen. Anderes ist der Bewegung nach früher, z. B. der Knabe früher als der Mann; denn auch dies ist schlechthin ein Anfang. Anderes dem Vermögen nach. Was nämlich an Vermögen stärker ist und kräftiger, das ist früher; so ist aber das beschaffen, nach dessen Vorsatz das andere und spätere folgen muß, so daß es sich nicht bewegt, wenn jenes sich nicht bewegt, und sich bewegt, wenn jenes sich bewegt. Anfang ist hierbei der Vorsatz. Anderes heißt so der Ordnung nach, nämlich alles, was gegen ein bestimmtes Etwas in verhältnismäßigen Abständen entfernt ist, z. B. der Nebenmann ist früher als der dritte, die vorletzte Saite (am Instrument) früher als die letzte; dort ist nämlich der Chorführer, hier die mittlere Saite Anfang. (2.) In solcher Bedeutung also wird in diesen Fällen Früher gebraucht, in einer andern heißt früher das, was für die Erkenntnis früher ist, als sei es früher schlechthin. Und hierbei wieder unterscheidet sich das dem Begriffe nach und das der sinnlichen Wahrnehmung nach Frühere. Dem Begriffe nach nämlich ist das Allgemeine früher, der sinnlichen Wahrnehmung nach das Einzelne. Und dem Begriffe nach ist auch das Akzidens früher als das Ganze (dem es zugehört), z. B. Gebildet früher als gebildeter Mensch. Denn der Begriff kann als gesamter nicht bestehen, ohne den Teil; wiewohl Gebildet auch nicht existieren kann, ohne daß jemand gebildet ist. (3.) Ferner nennt man früher die Bestimmtheiten des Früheren, z. B. Geradheit früher als Ebenheit; denn jenes ist eine Bestimmtheit der Linie an sich, dieses der Fläche. (4.) In solchem Sinne also heißt dies früher und später, anderes heißt so der Natur und dem Wesen nach; früher nämlich heißt dann etwas, was ohne anderes sein kann, während dies nicht
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ohne jenes; eine Unterscheidung, deren sich Platon bediente. Da nun das Sein in mehreren Bedeutungen ausgesagt wird, so ist zuerst das Subjekt früher, und deshalb ist das Wesen (Substanz) früher, ferner dann in anderer Weise das, was dem Vermögen oder der Wirklichkeit nach ist. Denn einiges ist dem Vermögen, anderes der Wirklichkeit nach früher; z. B. dem Vermögen nach ist die halbe Linie früher als die ganze, der Teil früher als das Ganze, und der Stoff früher als das Wesen, der Wirklichkeit nach aber später; denn erst durch Auflösung des Ganzen kann er in Wirklichkeit sein. – (b) Gewissermaßen wird alles, was früher und später heißt, nach dieser Bedeutung so genannt; denn einiges kann der Entstehung nach ohne das andere sein, z. B. das Ganze ohne die Teile, anderes dem Vergehen nach, z. B. der Teil ohne das Ganze. Und ähnlich verhält es sich auch beim übrigen. 12. (a) (1.) Vermögen heißt einmal das Prinzip der Bewegung oder Veränderung in einem andern oder insofern es ein anderes ist; die Baukunst z. B. ist ein Vermögen, welches sich nicht in dem Gebauten findet; die Heilkunst dagegen, welche ebenfalls ein Vermögen ist, kann sich zwar wohl in dem Geheilten finden, aber nicht insofern er geheilt ist. (2.) Einerseits also heißt Vermögen überhaupt das Prinzip der Veränderung oder Bewegung in einem anderen oder insofern es ein anderes ist, andererseits das Prinzip der Veränderung von einem anderen her oder insofern es ein anderes ist. Denn wenn nach diesem Vermögen das Leidende etwas leidet, so sagen wir, es vermöge zu leiden, und zwar bald, wenn es irgendeine beliebige Affektion, bald nur, wenn es eine zum Besseren hinführende zu erleiden fähig ist. – (3.) Ferner heißt Vermögen die Fähigkeit, etwas schön oder nach Vorsatz auszuführen; denn manchmal sagen wir von denen, welche zwar gehen oder sprechen können, aber nicht schön oder nicht ihrem eigenen Vorhaben gemäß, sie vermögen nicht zu sprechen oder zu gehen. In gleicher Weise auch bei dem Leiden. – (4.) Ferner nennt man diejenigen Beschaffenheiten (Haltungen) Vermögen, durch welche etwas dem Leiden oder der Veränderung schlechthin enthoben ist
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oder sich nicht leicht zum Schlechteren bewegen läßt. Denn zerbrochen und zerrieben und gekrümmt und überhaupt vernichtet wird etwas nicht, insofern es Vermögen, sondern insofern es nicht Vermögen und vielmehr Mangel an etwas hat; für nicht unterworfen solchen Affektionen gilt das, was sie nur kaum und unmerklich erfährt zufolge eines Vermögens, weil es nämlich ein Vermögen und eine bestimmte Beschaffenheit hat. (b) Indem nun Vermögen in allen diesen Bedeutungen gebraucht wird, so wird auch das Vermögende in der einen Bedeutung das genannt werden, was das Prinzip ist der Bewegung oder Veränderung (denn auch das Stillstand Bewirkende ist etwas Vermögendes) in einem andern oder insofern es ein anderes ist; in einer anderen Bedeutung wird man etwas vermögend nennen, wenn etwas anderes über es selbst ein solches Vermögen hat; in einer anderen, wenn es das Vermögen hat, in irgend etwas überzugehen, sei es zu Schlechterem oder zu Besserem. (Denn auch das Vergehende ist, scheint es, vermögend zu vergehen, da es ja sonst nicht würde vergangen sein, wenn es unvermögend wäre; nun aber trägt es in sich eine gewisse Disposition und Ursache und ein Prinzip eines solchen Erleidens. Bald also scheint etwas durch ein Haben, bald durch eine Privation vermögend zu sein. Wenn nun auch die Privation gewissermaßen ein Haben ist, so würde alles durch ein Haben möglich sein. Dieses Seiende wird aber dann nur dem gleichen Namen nach vermögend genannt, so daß es sowohl durch das Haben einer Beschaffenheit und eines Prinzips vermögend ist, wie auch durch das Haben von dessen Privation, wenn es überhaupt eine Privation „haben“ kann.) In einer anderen Bedeutung wieder heißt etwas vermögend, weil nichts anderes – oder es selbst insofern es ein anderes ist – über es selbst das Vermögen und Prinzip der Vernichtung hat. Ferner heißt dies alles vermögend entweder nur, weil es überhaupt werden oder nicht werden, oder weil es gut werden kann. Denn auch in dem Leblosen findet sich diese Art des Vermögens, z. B. in den Instrumenten; man sagt nämlich von der einen Leier, sie vermöge zu tönen, von der andern, sie vermöge es nicht, wenn sie nicht wohltönend ist. (c) Unvermögen ist die Privation des Vermö-
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gens und die Aufhebung der eben bezeichneten Art von Prinzip, entweder überhaupt oder bei dem, welches dasselbe der Natur gemäß hat, oder auch zu einer Zeit, wenn es dasselbe der Natur gemäß haben könnte; denn nicht in gleichem Sinne würden wir den Knaben und den Mann und den Verschnittenen unvermögend zur Zeugung nennen. Ferner ist jeder von beiden Arten des Vermögens eine Art des Unvermögens entgegengesetzt, sowohl der bloß bewegenden, als der gut bewegenden. (d) Unvermögend wird also etwas einmal genannt nach dem Unvermögen in diesem Sinne, dann aber auch in anderer Bedeutung, wie man Möglich und Unmöglich einander entgegensetzt. Unmöglich nämlich ist das, dessen Gegenteil notwendig wahr ist; z. B. daß die Diagonale kommensurabel sei, ist unmöglich, weil dieser Satz etwas Falsches ist, dessen Gegenteil nicht nur wahr, sondern notwendig wahr ist, nämlich der, daß die Diagonale inkommensurabel ist: Daß sie kommensurabel sei, ist also nicht nur falsch, sondern notwendig falsch. Das Gegenteil hiervon, das Mögliche, wird dem zugeschrieben, dessen Gegenteil nicht notwendig falsch ist; z. B. daß der Mensch sitze, ist möglich, denn das Nicht-sitzen ist nicht notwendig falsch. Möglich also bezeichnet in der einen Bedeutung, wie gesagt, daß etwas nicht notwendig falsch, in einer anderen, daß es wahr ist, in einer anderen wieder, daß es wahr sein kann. In übertragenem Sinne spricht man in der Geometrie von Vermögen oder Potenz. (e) Diese Bedeutungen also des Möglichen werden nicht nach einem Vermögen benannt. Was aber nach einem Vermögen als möglich oder vermögend bezeichnet wird, das heißt alles so durch seine Beziehung auf Vermögen in der ersten Bedeutung, d. h. es ist Prinzip der Veränderung in einem anderen, oder insofern es ein anderes ist. Denn das übrige wird vermögend genannt, teils weil etwas anderes über es selbst ein solches Vermögen hat, teils weil es dies nicht hat, teils weil es dies auf eine bestimmte Weise hat. Ebenso verhält es sich auch mit den Bedeutungen von unmöglich oder unvermögend. Der eigentliche Begriff also von Vermögen in erster Bedeutung würde danach sein: Prinzip der Veränderung in einem anderen oder insofern es ein anderes ist.
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13. (a) Quantitatives nennt man dasjenige, was in immanente zwei oder mehr Teile teilbar ist, deren jeder seiner Natur nach etwas Eines und Bestimmtes ist. Menge nun ist ein Quantum, wenn es zählbar, Größe, wenn es meßbar ist. Man nennt aber Menge, was der Möglichkeit nach in Nicht-stetiges, Größe, was in Stetiges (Kontinuierliches) teilbar ist. Und unter den Größen ist die nach einer Richtung stetige Länge, die nach zwei Richtungen stetige Breite, die nach drei Richtungen Tiefe. Von diesen heißt die begrenzte Menge Zahl, die Länge Linie, die Breite Fläche, die Tiefe Körper. – (b) Ferner wird einiges an sich Quantitatives genannt, anderes in akzidentellem Sinne; z. B. die Linie ist ein Quantum an sich, das Gebildete dagegen erst in akzidentellem Sinne. Unter dem, was an sich Quantum ist, ist es einiges dem Wesen nach; z. B. die Linie ist ein Quantum (weil sich in dem Begriff, welcher angibt, was die Linie ist, das Quantum findet); anderes ist eine Bestimmtheit und ein Verhalten einer solchen Wesenheit, z. B. das Viele und Wenige, Lange und Kurze, Breite und Schmale, Tiefe und Flache, Schwere und Leichte und anderes der Art. Auch Groß und Klein und Größer und Kleiner, sowohl wenn dies an sich, als auch wenn es in Beziehung aufeinander ausgesprochen wird, sind Bestimmtheiten an sich des Quantitativen. Doch werden diese Namen auch auf anderes übertragen. – (c) Von dem, was in akzidentellem Sinne Quantitatives genannt wird, heißt einiges so in der Weise, wie es von dem Gebildeten hieß, es sei ein Quantum, und ebenso von dem Weißen, insofern nämlich das, woran sich dies vorfindet, ein Quantum ist; oder in der Bedeutung wie Bewegung und Zeit; denn auch diese werden als Quantitatives und Kontinuierliches bezeichnet, weil dasjenige teilbar ist, dessen Bestimmtheiten sie sind. Ich meine hiermit nicht das, was bewegt wird, sondern (das Quantum), um das dieses bewegt wurde. Weil nämlich dieses ein Quantum ist, ist auch die Bewegung ein Quantum, und weil diese, darum auch die Zeit. 14. (a) (1.) Das Qualitative heißt in der einen Bedeutung der Unterschied des Wesens; z. B. der Mensch ist ein Lebewesen
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von bestimmter Qualität, weil er ein zweifüßiges, das Pferd, weil es ein vierfüßiges ist, und der Kreis ist eine Figur von bestimmter Qualität, weil er eine winkellose Figur ist, indem man hierbei den Unterschied im Wesen als Qualität bezeichnet. (2.) In der einen Weise also nennt man Qualität den Unterschied des Wesens, in einer andern Bedeutung gebraucht man Qualität bei den unbeweglichen und mathematischen Dingen. So haben die Zahlen eine bestimmte Qualität, z. B. die zusammengesetzten und nicht nur in einer Richtung fortlaufenden, sondern deren Nachbild Ebene und Körper ist (dies sind nämlich die aus ein- oder zweimaliger Multiplikation entstandenen); und überhaupt ist bei ihnen Qualität, was sich noch neben der Quantität in ihrem Wesen findet; denn Wesen einer jeden Zahl ist das, was sie einmal ist, z. B. der Zahl sechs nicht das, was sie zwei- oder dreimal, sondern was sie einmal ist; denn sechs ist einmal sechs. – (3.) Ferner heißen Qualitäten die Bestimmtheiten der bewegten Wesen, z. B. Wärme und Kälte, Weiße und Schwärze, Schwere und Leichtigkeit, und was noch sonst dieser Art, nach welchem man, wenn es wechselt, den Körpern Qualitätsveränderung zuschreibt. – (4.) Ferner bestimmt man Qualität nach Tugend und Schlechtigkeit und überhaupt nach Schlechtem und Gutem. (b) Qualität würde demnach im ganzen in zwei Bedeutungen gebraucht, von denen die eine die eigentliche ist. Erste Qualität nämlich ist der Unterschied des Wesens. Hierzu gehört auch als eine besondere Art die Qualität, die sich in den Zahlen findet; denn auch sie ist ein Unterschied von Wesen, aber nicht von bewegten oder doch nicht, insofern sie bewegt werden. Dann sind Qualitäten die Affektionen des Bewegten, insofern es bewegt ist, und die Unterschiede der Bewegungen. Zu den Affektionen gehören auch Tugend und Schlechtigkeit, denn sie bezeichnen Unterschiede der Bewegung und der Tätigkeit, denen gemäß das in Bewegung Befindliche gut oder schlecht etwas tut oder leidet; denn was auf diese bestimmte Weise bewegt zu werden oder tätig zu sein vermag, ist gut, was dagegen auf diese und zwar die entgegengesetzte Weise, schlecht. Besonders bezeichnet gut und
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schlecht die Qualität bei den beseelten Wesen und unter diesen am meisten bei den nach Vorsatz handelnden. 15. (a) Relativ nennt man einmal, was sich verhält wie das Doppelte zum Halben, das Dreifache zum Drittel und überhaupt das so Vielfache zu dem so vielten Teile und das Übertreffende zum Übertroffenen; ferner, was sich verhält wie das Erwärmende zum Erwärmten, das Schneidende zum Geschnittenen und überhaupt das Tätige zum Leidenden; dann, was sich verhält wie das Gemessene zum Maß, das Gewußte zur Wissenschaft, das sinnlich Wahrgenommene zur sinnlichen Wahrnehmung. (1.) In dem ersten Falle nennt man etwas relativ der Zahl nach, entweder schlechthin oder in bestimmter Weise gegen einander oder gegen Eines; z. B. das Zweifache ist eine im Verhältnis zu Einem bestimmte Zahl, das Vielfache bezeichnet ebenfalls ein Zahlenverhältnis zu Einem, aber nicht einem bestimmten, z. B. dieser oder dieser Zahl; das Verhältnis von anderthalb zu zwei Drittel ist ein Zahlenverhältnis zu einer bestimmten Zahl, das Verhältnis eines unechten Bruches zu dem umgekehrten echten Bruche dagegen geht auf ein unbestimmtes, so wie das des Vielfachen zum Einen. Das Verhältnis aber des Übertreffenden zum Übertroffenen ist der Zahl nach völlig unbestimmt; denn die Zahl ist kommensurabel, hierbei aber liegt eine inkommensurable Zahl zugrunde; denn das Übertreffende ist im Verhältnis zum Übertroffenen ebensoviel und noch etwas dazu, dies Etwas aber ist unbestimmt; denn es kann jedes Beliebige sein, Gleiches oder Ungleiches. Alle diese Relationen also sind Zahlenverhältnisse und Bestimmtheiten der Zahl, und so auch ferner noch in anderer Weise das Gleiche und das Ähnliche und das Selbige; denn diese alle stehen in Beziehung zum Einen. Selbig nämlich ist, was eine Wesenheit, ähnlich, was eine Qualität, gleich, was eine Quantität hat. Nun ist aber das Eine Prinzip und Maß der Zahl, also werden auch diese Verhältnisse als solche bezeichnet wegen ihrer Beziehung auf die Zahl, aber nicht in derselben Weise. (2.) Das Wirkende und Leidende dagegen stehen in Verhältnis zueinander durch das wirkende und leidende Vermö-
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gen und nach den Tätigkeiten dieser Vermögen; so steht z. B. das der Erwärmung Fähige zu dem Erwärmbaren in Verhältnis als vermögend, sowie das Wärmende zu dem Gewärmten und das Schneidende zu dem Geschnittenen als wirklich tätig. Von den Zahlenverhältnissen dagegen gibt es keine wirklichen Tätigkeiten außer in dem Sinne, wie dies anderswo erklärt ist; die auf Bewegung beruhenden wirklichen Tätigkeiten finden aber bei diesen nicht statt. Manche von den auf Vermögen beruhenden Verhältnissen werden auch noch den verschiedenen Zeiten nach bestimmt; z. B. das, was hervorgebracht hat, steht im Verhältnis zu dem, was hervorgebracht worden ist, und das, was hervorbringen wird, zu dem, was hervorgebracht werden wird. In diesem Sinne nennt man den Vater Vater des Sohnes; denn jener hat etwas hervorgebracht, dieser hat eine Tätigkeit erfahren. – Ferner steht einiges im Verhältnis der Privation eines Vermögens, wie das Unvermögende und alles, was in diesem Sinne ausgesprochen wird, z. B. das Unsichtbare. (3.) Dasjenige nun also, was der Zahl oder dem Vermögen nach als relativ bezeichnet wird, heißt so, weil sein eigenes Wesen in der Beziehung zu einem andern besteht, aber nicht bloß darum, weil etwas anderes auf jenes bezogen wird; hingegen das Meßbare, das Wißbare, das Denkbare heißt relativ darum, weil etwas anderes auf es selbst bezogen wird. Denn denkbar heißt etwas, weil es ein Denken desselben gibt, aber es ist nicht das Denken Denken dessen, worauf das Denken geht, sonst wäre dasselbe zweimal gesagt. Und ebenso ist das Sehen Sehen von etwas, aber nicht Sehen dessen, worauf das Sehen geht (wiewohl man dies in Wahrheit sagen könnte), sondern das Sehen ist auf eine Farbe oder etwas dergleichen gerichtet. In jener Weise aber wäre dasselbe zweimal gesagt, das Sehen sei das Sehen dessen, worauf das Sehen geht. (b) Was also an sich als relativ bezeichnet wird, das wird teils in diesen Bedeutungen so genannt, teils wenn die Gattung, zu der es gehört, solcher Art ist; z. B. die Heilkunst gilt für etwas Relatives, weil die Gattung derselben, die Wissenschaft, für etwas Relatives gilt. Ferner heißt alles das relativ, durch dessen Besitz etwas relativ ist; z. B. die Gleichheit ist etwas Relatives, weil das Gleiche
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relativ ist, und die Ähnlichkeit, weil das Ähnliche. (c) In akzidentellem Sinne dagegen heißt z. B. der Mensch relativ, weil es ein Akzidens desselben ist, das Zweifache von einem anderen zu sein, und dies ein Relatives ist; oder das Weiße heißt relativ, wenn Weiß und Doppelt Akzidenzien desselben Dinges sind. 16. (a) (1.) Vollendet nennt man einmal das, außerhalb dessen sich auch nicht ein einziger Teil finden läßt; so ist z. B. die Zeit eines jeden Dinges vollendet, außer welcher sich keine finden läßt, welche ein Teil dieser Zeit wäre. (2.) Ferner heißt vollendet, was der Tüchtigkeit nach und im Guten in seiner Gattung nicht übertroffen werden kann; vollendet z. B. ist ein Arzt und vollendet ein Flötenspieler, wenn ihnen nach der Art der ihnen eigentümlichen Tüchtigkeit nichts fehlt. So gebrauchen wir es auch in übertragenem Sinne von Schlechtem und nennen einen Sykophanten oder einen Dieb vollendet; denn wir nennen sie ja auch gut, z. B. ein guter Dieb, ein guter Sykophant, und Tüchtigkeit ist eine Art von Vollendung; denn jedes Ding und jedes Wesen ist dann vollkommen, wenn ihm nach der Art der ihm eigentümlichen Tüchtigkeit nichts zu der natürlichen Größe mangelt. – (3.) Ferner heißt das vollendet, was einen guten Zweck (Ziel, Ende) hat; denn durch das Besitzen des Zweckes (Endes) ist etwas vollendet. Daher übertragen wir, da das Ziel ein Äußerstes ist, Vollendet auch auf das Schlechte und sagen, daß etwas vollendet untergegangen oder vollendet vernichtet sei, wenn an seiner Vernichtung und seinem Übel nichts mehr fehlt, sondern es am Äußersten ist (weshalb man denn auch in übertragenem Sinne das Ende Zweck (Ziel) nennt, weil beides ein Äußerstes ist); Zweck aber ist auch das letzte Worumwillen. (b) Was also an sich als vollendet bezeichnet wird, das wird in diesen Bedeutungen so genannt, teils weil es im Guten keinen Mangel hat und nicht übertroffen werden kann und nichts außerhalb desselben zu finden ist, teils weil es überhaupt in der jedesmaligen Art nicht übertroffen werden kann und nichts außerhalb desselben ist; was aber sonst vollendet heißt, das wird nunmehr so genannt mit Beziehung auf das Gesagte, weil es entweder etwas der Art hervorbringt oder hat
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oder dazu stimmt oder in irgendeiner Beziehung zu dem steht, was im ursprünglichen Sinne vollendet genannt wird. 17. (a) (1.) Grenze heißt das Äußerste eines jeden Dinges sowohl als erstes, außerhalb dessen nichts, als auch als erstes, innerhalb dessen alles ist, (2.) und wo es auf Größe geht, die Form derselben oder dessen, was Größe hat; (3.) und das Ziel (der Zweck) eines jeden Dinges, ein solches nämlich, zu welchem die Bewegung und die Handlung hingeht, nicht von dem sie ausgeht; zuweilen jedoch heißt beides so, sowohl wozu sie hingeht, als wovon sie ausgeht; (4.) ferner das Worumwillen und das Wesen und das Sosein eines jeden Dinges; denn dies ist die Grenze der Erkenntnis, wenn aber der Erkenntnis, dann auch der Sache. (b) Daraus erhellt, daß man Grenze in ebenso viel Bedeutungen gebraucht wie Prinzip und in noch mehr Bedeutungen; denn das Prinzip ist eine Grenze, aber nicht jede Grenze ist ein Prinzip. 18. (a) Das Wonach wird in mehrerlei Bedeutung ausgesagt. (1.) In einem Sinne bezeichnet man damit die Form und das Wesen eines jeden Dinges; z. B. das, wonach der Gute gut genannt wird, ist das Gute selbst; (2.) in einem anderen Sinne das, worin als in einem Ersten etwas naturgemäß entsteht, wie die Farbe in der Oberfläche. Das Wonach in der ersten Bedeutung ist die Form; in der zweiten bezeichnet es die Materie und das erste Zugrundeliegende (Substrat) für jedes. (3.) Überhaupt wird das Wonach einem Dinge ebenso vielfach zukommen wie die Ursache; so sagt man: Wonach ist er gekommen? oder: Weswegen ist er gekommen? und: Wonach ist fehlgeschlossen oder (richtig) geschlossen worden? Oder: Was ist die Ursache des Schlusses oder Fehlschlusses? (4.) Ferner wird das Wonach von der Lage gebraucht, wenn man sagt: Wonach steht er? oder: wonach geht er? Denn dies alles bezeichnet eine Lage und einen Ort. (b) Demgemäß muß es nun auch mehrere Bedeutungen des An-sich geben. (1.) In einem Sinne ist das An-sich das Sosein für jedes Ding, wie z. B. Kallias an sich und das Sosein für Kallias dasselbe bedeuten, (2.) in einem anderen bezeich-
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net es alles, was in dem Was eines Dinges enthalten ist; z. B. Kallias an sich ist ein Lebewesen; denn in seinem Begriffe ist der Begriff Lebewesen enthalten, da ja Kallias ein Lebewesen ist. (3.) Ferner ist etwas das an sich, was es in sich selbst als Erstem oder in einem seiner Teile aufgenommen hat; so z. B. ist die Oberfläche an sich weiß und der Mensch an sich lebendig, denn die Seele ist ein Teil des Menschen, in welcher als erster das Leben ist. – (4.) Ferner ist etwas an sich, was keine andere Ursache hat. Der Mensch hat zwar viele Ursachen, z. B. das Lebewesen, das Zweifüßige, aber dennoch ist Mensch an sich nur der Mensch. – (5.) Ferner heißt an sich alles, was einem Dinge allein und als alleinigem zukommt, weshalb das Abgetrennte (Selbständige) an sich ist. 19. Anordnung (Disposition, Anlage) nennt man die Ordnung eines Dinges, welches Teile hat, sei es dem Orte oder dem Vermögen oder der Art nach. Denn eine Ordnung (Lage) muß sich darin finden, wie schon der Name Anordnung (Anlage) zeigt. 20. Haltung nennt man (1.) in der einen Bedeutung z. B. eine Tätigkeit (Wirklichkeit) des Haltenden und des Gehaltenen als eine Art von Handlung oder Bewegung; denn wenn das eine hervorbringt, das andere hervorgebracht wird, so findet sich als vermittelnd die Hervorbringung, und ebenso findet sich zwischen dem, welcher ein Kleid hält, und dem gehaltenen Kleide als vermittelnd die Haltung. Haltung in diesem Sinne kann man offenbar nicht wieder halten, denn sonst würde ein Fortschritt ins Unendliche stattfinden, wenn es möglich sein sollte, daß man die Haltung des Gehaltenen halte. (2.) In einem andern Sinne aber nennt man Haltung die Disposition, nach welcher das in einem bestimmten Zustand Befindliche sich gut oder schlecht befindet, und zwar entweder an sich oder in Beziehung auf ein anderes; so ist z. B. die Gesundheit eine Haltung, denn sie ist eine solche Disposition. – Ferner schreibt man auch Haltung dem zu, was ein Teil einer solchen Disposition ist; deshalb ist auch die Tüchtigkeit der Teile eine Haltung.
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21. Affektion nennt man (1.) in einem Sinne eine Qualität, in bezug auf welche Qualitätsveränderung stattfinden kann, z. B. das Weiße und Schwarze, Süße und Bittere, Leichtigkeit und Schwere und was dergleichen mehr ist. (2.) In einem anderen Sinne nennt man die bereits wirklich eintretenden Tätigkeiten und Qualitätsveränderungen Affektionen. (3.) Ferner nennt man unter diesen in strengerem Sinne Affektionen die schädlichen Qualitätsveränderungen und Bewegungen und am meisten die schmerzhaft schädlichen. Ferner werden übergroße Unglücksfälle und Schmerzen Affektionen genannt.
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22. Privation wird (1.) in der einen Bedeutung von einem Dinge ausgesagt, wenn es etwas von dem nicht besitzt, was seiner Natur nach besessen werden kann, gesetzt auch jenes Ding selbst sei nicht geeignet, es zu besitzen; so schreiben wir z. B. der Pflanze Privation der Augen zu. (2.) In einem anderen Sinne wird Privation ausgesagt, wenn ein Ding entweder selbst oder seine Gattung, geeignet ist, etwas zu besitzen, dies aber nicht besitzt; auf andere Weise z. B. legt man dem Menschen und dem Maulwurf Privation des Sehens bei, dem einen der Gattung nach, dem anderen hinsichtlich seiner selbst. – (3.) Ferner wird von einem Dinge Privation ausgesagt, wenn es, von Natur befähigt, etwas zu besitzen und zwar zu der Zeit, wenn es befähigt ist, dies doch nicht besitzt; die Blindheit nämlich ist zwar eine Privation, aber blind heißt nicht, wer in irgendeinem Alter kein Sehvermögen hat, sondern wer es in dem Alter nicht besitzt, wo er es zu besitzen von Natur befähigt ist. Und in gleicher Weise, wenn jemand etwas nicht hat, worin und wonach und wozu und wie er es zu haben von Natur geeignet ist. (4.) Ferner nennt man die gewaltsame Entziehung eines Dinges Privation. (5.) Und überhaupt in allen den Bedeutungen, in welchen man Negationen durch ein vorgesetztes un- aussagt, in diesen allen spricht man auch von Privation. So schreibt man dem Ungleichen Privation zu, weil es, obwohl von Natur dazu geeignet, die Gleichheit nicht besitzt, dem Unsichtbaren, weil es Farbe überhaupt nicht besitzt, und dem Unfüßigen, weil es Füße überhaupt nicht oder nur schlecht hat, ferner z. B. dem
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unkernigen Obste, weil es etwas nur in geringem Maße hat, d. h. weil es dasselbe gewissermaßen schlecht hat; ferner anderem darum, weil es etwas nicht leicht oder nicht gut hat, z. B. dem Unteilbaren nicht nur, weil es überhaupt nicht geteilt, sondern auch, weil es nicht leicht oder nicht gut geteilt werden kann; ferner anderem darum, weil es etwas gar nicht hat; denn blind nennt man nicht den Einäugigen, sondern den, dem auf beiden Augen die Sehkraft fehlt. Deshalb ist nicht ein jeder entweder gut oder schlecht, entweder gerecht oder ungerecht, sondern es gibt dazwischen auch ein Mittleres. 23. (a) Haben (Halten) wird in mehrerlei Bedeutung ausgesagt; (1.) einmal bedeutet es nach eigener Natur oder nach eigenem Triebe etwas bewegen und führen; darum sagt man, das Fieber habe den Menschen, die Tyrannen haben die Städte, die Bekleideten haben das Kleid. (2.) In einer anderen Bedeutung sagt man von dem, es habe etwas, in welchem als in dem zur Aufnahme Fähigen sich etwas findet; z. B. das Erz hat die Form der Bildsäule, der Körper die Krankheit. (3.) In einer andern heißt es vom Umfassenden, es halte das Umfaßte; denn worin etwas als umfaßt vorhanden ist, von dem, sagt man, werde es gehalten oder in dem sei es enthalten; vom Gefäß z. B. sagen wir, es halte die Flüssigkeit, von der Stadt, sie habe die Menschen, und von dem Schiff, es habe die Schiffer; und so sagt man auch von dem Ganzen, es habe die Teile. (4.) Ferner sagt man von dem, was etwas anderes abhält, sich nach seinem eigenen Triebe zu bewegen oder zu handeln, es halte dies, z. B. die Säulen, sagt man, halten die darauf liegenden Lasten, und so lassen die Dichter den Atlas den Himmel halten, als würde er sonst auf die Erde zusammenstürzen, wie dies auch von den Naturphilosophen einige sagen. In demselben Sinne sagt man auch von dem Zusammenhaltenden, es halte das, was es zusammenhält, als würde es sonst getrennt sein nach dem eignen Triebe eines jeden. (b) Auch das In-etwas-sein hat dieselben Bedeutungen wie das Haben und richtet sich nach diesem.
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24. Aus-etwas-sein wird (1.) in der einen Bedeutung gesagt, wenn etwas aus einem anderen als aus seinem Stoffe besteht, und zwar auf zweifache Weise, entweder nach der ersten Gattung oder nach der letzten Art; z. B. in der einen Weise ist alles Schmelzbare aus Wasser, in der anderen ist die Bildsäule aus Erz. (2.) Dann sagt man es in der Bedeutung, daß es heißt: aus dem ersten bewegenden Prinzip sein; z. B. Woraus wurde der Kampf? Aus dem Zank, indem dieser der Ursprung des Kampfes war. (3.) Ferner sagt man es von dem aus Stoff und Form Zusammengesetzten, wie aus dem Ganzen die Teile, aus der Ilias die einzelnen Gesänge und aus dem Hause die Steine sind; denn Zweck ist die Form, und was den Zweck (Ende) erreicht hat, ist vollendet. (4.) Dann sagt man es in dem Sinne, wie die (Art-)Form aus seinem Teil besteht, z. B. der Mensch aus dem Zweifüßigen, die Silbe aus dem Buchstaben; denn dies hat einen anderen Sinn, als wenn man sagt, die Bildsäule sei aus Erz, indem in diesem Falle das zusammengesetzte Wesen aus sinnlich wahrnehmbarem Stoff ist; aber auch die Art-Form ist aus dem Stoff der Art-Form. – (5.) In diesen Bedeutungen sagt man also in den genannten Fällen das Aus-etwas-sein, in andern dann, wenn in Beziehung auf einen Teil eine dieser Bedeutungen stattfindet, z. B. das Kind ist aus Vater und Mutter, die Pflanzen sind aus der Erde, weil sie aus einem Teil derselben sind. – (6.) In einer anderen Bedeutung von dem, was in der Zeitfolge nach ihm ist, z. B. die Nacht ist aus dem Tage und der Sturm aus der Windstille, weil das eine nach dem anderen stattfindet. Und hierbei gebraucht man in einigen Fällen den Ausdruck, weil ein Übergang ineinander stattfindet, wie in den angeführten, in anderen nur, weil es der Zeit nach darauf folgt; z. B. die Seefahrt fand aus der Tag- und Nachtgleiche statt, weil sie nach der Tag- und Nachtgleiche stattfand, die Thargelien aus den Dionysien, weil nach den Dionysien. 25. Teil heißt (1.) in einer Bedeutung dasjenige, in welches das Quantitative irgendwie geteilt werden kann; denn was vom Quantitativen als solchem genommen wird, heißt immer Teil desselben; von der Zahl Drei z. B. heißt in gewissem Sinne
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Zwei ein Teil. In einem anderen Sinne heißt unter diesem nur dasjenige Teil, welches das Quantitative mißt; daher heißt in dem einen Sinne Zwei ein Teil von Drei, in dem andern nicht. (2.) Ferner heißt auch das, worin abgesehen von der Quantität die (Art-)Form zerlegt werden kann, Teil derselben, deshalb nennt man (auch) die Art-Formen Teile der Gattung. (3.) Ferner heißt dasjenige, worin das Ganze, sowohl als die Form oder als der Träger der Form, zerlegt wird oder woraus es zusammengesetzt ist, Teil desselben; von der ehernen Kugel z. B. oder dem ehernen Würfel ist sowohl das Erz ein Teil – dies ist nämlich der Stoff, an welchem sich die Form befindet –, wie auch andererseits der Winkel ein Teil ist. (4.) Ferner heißt auch das, was sich in dem erklärenden Begriff jedes Dinges findet, Teil des Ganzen; darum nennt man auch die Gattung Teil der Art-Form, aber in anderem Sinne, als die Art-Form Teil der Gattung hieß. 26. Ganzes heißt (1.) das, wovon kein Teil fehlt, aus welchen bestehend es als Ganzes von Natur bezeichnet wird, und (2.) dasjenige, was das Umfaßte so umfaßt, daß aus jenem eine Einheit wird. Dies geschieht aber auf zweifache Weise, entweder so, daß jedes Einzelne ein Eines ist, oder daß aus ihnen das Eine wird. Was nämlich allgemein und vom Ganzen ausgesagt wird, als sei es ein Ganzes, das ist ein Ganzes in dem Sinne, daß es vieles insofern umfaßt, als es von jedem einzelnen ausgesagt wird, und alle je einzeln genommen eines sind, z. B. Mensch, Pferd, Gott, weil alle lebende Wesen sind. In der anderen Weise dagegen ist Ganzes das Zusammenhängende und Begrenzte, wenn aus mehreren immanenten Teilen eine Einheit geworden ist, besonders, wenn die Teile nur dem Vermögen nach existieren, doch auch, wenn der Wirklichkeit nach. Unter diesen selbst aber sagt man dies Wort mehr von dem, was von Natur als was durch Kunst ein Ganzes ist, wie wir dies auch bei dem Einen angaben, denn die Ganzheit ist ja nur eine Art von Einheit. (3.) Ferner nennt man von dem Quantitativen, welches Anfang, Mitte und Ende hat, dasjenige, bei welchem die Lage keinen Unterschied macht, gesamt, wo da-
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gegen die Lage einen Unterschied macht, ganz; wo beides stattfinden kann, sagt man sowohl ganz als gesamt. Dies gilt von dem, dessen Natur zwar bei veränderter Lage dieselbe bleibt, die Gestalt aber nicht, z. B. Wachs, Kleid; von diesen sagt man sowohl ganz als auch gesamt, weil es beide Bestimmungen hat. Das Wasser hingegen, alles Flüssige und die Zahl nennt man gesamt, aber ganze Zahl oder ganzes Wasser gebraucht man nicht, außer auf übertragene Weise. Wo man aber von einem Dinge als Einheit ,gesamt‘ gebraucht, da gebraucht man von seinen getrennten Teilen ,gesamte‘: diese gesamte Zahl, diese gesamten Einheiten. 27. (1.) Verstümmelt nennt man unter den quantitativen Dingen nicht jedes beliebige, sondern es muß teilbar und ein Ganzes sein. Denn die Zwei heißt nicht verstümmelt, wenn ihr die eine Eins genommen ist (denn die Verstümmelung und der Rest ist niemals gleich), und überhaupt heißt keine Zahl so; denn das Wesen muß bestehen bleiben; soll ein Becher verstümmelt sein, so muß er noch Becher sein, die Zahl aber ist dann nicht mehr dieselbe. (2.) Aber ferner gebraucht man auch nicht von allem, was in ungleichartige Teile zerfällt, den Ausdruck verstümmelt – wie z. B. manche Zahl ungleiche Teile hat, etwa Zwei und Drei – und überhaupt von keinem Dinge, bei dem die Lage keinen Unterschied macht, wie etwa Wasser oder Feuer, sondern nur von solchen, bei welchen die Lage zum Wesen gehört. (3.) Und überdies müssen dieselben in stetigem Zusammenhang stehen; darum heißt die Harmonie, obwohl sie aus ungleichartigen Teilen besteht und eine Lage hat, doch nicht verstümmelt. (4.) Außerdem ist auch, was ein Ganzes ist, nicht durch Entziehung jedes beliebigen Teiles verstümmelt. Es dürfen nämlich die weggenommenen Teile weder die wesentlich bestimmenden noch die an irgendeiner beliebigen Stelle befindlichen sein; der Becher z. B. heißt verstümmelt, nicht wenn er durchbohrt, sondern wenn der Henkel oder sonst irgendein äußerster Teil ihm genommen ist. Und so heißt auch der Mensch verstümmelt, nicht wenn ihm das Fleisch oder die Milz, sondern wenn ihm ein äußerster Teil genommen ist, und
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auch dann nicht in jedem Falle, sondern wenn dies ein solcher ist, der ganz weggenommen sich nicht wieder erzeugt. Darum nennt man die Kahlköpfigen nicht verstümmelt. 28. (a) Geschlecht/Gattung gebraucht man (1.) einmal, wenn eine zusammenhängende Erzeugung von solchen, welche dieselbe Form haben, stattfindet; so sagt man z. B.: solange das Geschlecht der Menschen ist, d. h. solange ihre Erzeugung ununterbrochen besteht. (2.) Ferner gebraucht man Geschlecht von dem, von welchem als dem ersten Bewegenden ausgehend das andere zum Sein gelangt; so nennt man die einen Hellenen von Geschlecht, die anderen Ioner, weil die einen vom Hellen, die andern von Ion als erstem Erzeuger abstammen. Und man gebraucht den Ausdruck mehr von dem Erzeuger als von dem Stoff, wiewohl man allerdings auch nach weiblicher Abstammung etwas als Geschlecht bezeichnet, z. B. die Nachkommen der Pyrrha. – (3.) Ferner gebraucht man Geschlecht (Gattung) in der Bedeutung, wie es die Fläche von allen Flächenfiguren, der Körper von allen Körperfiguren ist; denn jede Figur ist eine so bestimmte Fläche oder ein so bestimmter Körper, dies aber, Fläche und Körper, ist das Zugrundeliegende für die Unterschiede. – (4.) Ferner nennt man in den Erklärungen Geschlecht/Gattung, was in den das Was eines Dinges bezeichnenden Begriffen als das Erste vorliegt, dessen Unterschiede die Qualitäten sind, (b) In diesen verschiedenen Bedeutungen also gebraucht man Geschlecht, einmal von der zusammenhängenden Erzeugung der gleichen Art, dann von dem gleichartigen ersten Bewegenden, dann von dem Stoffe; denn dasjenige wovon der Unterschied und die Qualität sich findet, ist das Substrat, welches wir Stoff nennen. – (c) Dem Geschlechte/der Gattung nach andere heißen die Dinge, deren erstes Zugrundeliegendes ein anderes ist und welche nicht ineinander oder beide in dasselbe aufgelöst werden, wie z. B. Form und Stoff anderes dem Geschlechte nach ist, und was einer anderen Kategorienform des Seienden angehört; einiges nämlich von dem Seienden bezeichnet ein Was, anderes eine Qualität und so fort
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nach den früher gegebenen Unterscheidungen; denn auch dies wird weder ineinander noch in Eines aufgelöst.
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29. Das Falsche wird (1.) in einer Bedeutung ein falscher Sachverhalt genannt, und dies einmal dadurch, daß (etwas) nicht zusammen besteht oder nicht zusammen bestehen kann, wie etwa, wenn man sagt, die Diagonale sei kommensurabel oder du sitzest, denn von diesen ist das eine immer, das andere zu Zeiten falsch in derselben Weise, wie es auch nicht seiend ist. Zum anderen heißen falsch solche Dinge, welche zwar etwas Seiendes sind, aber in deren Natur es liegt, entweder nicht zu erscheinen, wie sie sind, oder als das, was sie nicht sind, z. B. Schattenriß, Traum; denn diese sind zwar etwas, aber nicht das, dessen Vorstellung sie erwecken. Dinge also heißen falsch in diesen beiden Bedeutungen, entweder weil sie nicht sind, oder weil die von ihnen hervorgerufene Vorstellung die Vorstellung eines Nicht-seienden ist. (2.) Eine Aussage aber ist falsch, wenn sie, insofern sie falsch, auf Nicht-seiendes geht. Darum ist jede Aussage falsch, wenn sie auf etwas anderes bezogen wird als das, wovon sie wahr ist, z. B. der Begriff des Kreises vom Dreieck ausgesagt wird. Von jedem Gegenstande gibt es in dem einen Sinne nur eine Aussage, nämlich die des Soseins, in anderem Sinne gibt es viele Aussagen, weil dieses Ding an sich und dieses Ding samt seinen Affektionen gewissermaßen dasselbe ist, z. B. Sokrates und der gebildete Sokrates. Die falsche Aussage ist von nichts geradezu Aussage. Darum ist die Ansicht des Antisthenes einfältig, welcher behauptet, es werde immer nur Eines von Einem ausgesagt, nämlich nichts anderes als der ihm angehörige Begriff, woraus sich dann die Folgerung ergab, daß es unmöglich sei (sich) zu widersprechen, ja auch so gut wie unmöglich falsch zu reden. Vielmehr ist es möglich, von einem jeden Gegenstande nicht nur seinen eigenen Begriff auszusagen, sondern auch den eines anderen, falsch nun gewiß auf alle Weise, auf manche Weise aber auch mit Wahrheit, wie man z. B. die Acht als etwas Doppeltes durch den Begriff der Zwei bestimmen kann. (3.) Das bisher Aufgeführte nennt man also in diesen Bedeutungen falsch. Ein Mensch aber heißt falsch,
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wenn er zu solchen Aussagen geneigt ist und sie mit Vorsatz erwählt, aus keinem anderen Grunde als um ihrer selbst willen, und ferner der, welcher anderen solche Aussagen beibringt, wie wir ja auch die Dinge falsch nennen, welche eine falsche Vorstellung beibringen. Daher täuscht der im Hippias gegebene Beweis, daß derselbe (Mensch) falsch und wahr sei. Denn als falsch nimmt er den an, welcher Falsches beibringen kann, und dies ist der Kundige und Verständige; ferner setzt er voraus, daß, wer freiwillig schlecht ist, besser sei als wer unfreiwillig. Diese falsche Annahme wird durch eine Induktion bewiesen; denn der freiwillig Hinkende, heißt es, ist besser als der unfreiwillig Hinkende, wobei unter Hinken die Nachahmung des Hinkens verstanden ist; denn wenn jemand wirklich freiwillig hinkte, so würde er wohl, wie dies im Sittlichen der Fall ist, auf diese Weise auch schlechter sein. 30. Akzidens nennt man (1.) dasjenige, was sich zwar an etwas findet und mit Wahrheit von ihm ausgesagt werden kann, aber weder notwendig noch in den meisten Fällen sich findet, z. B. wenn jemand beim Graben eines Loches für eine Pflanze einen Schatz fand. Dies also, einen Schatz zu finden, ist ein Akzidens für den, der ein Loch gräbt; denn weder folgt mit Notwendigkeit das eine aus dem anderen oder das eine nach dem anderen, noch findet auch in den meisten Fällen jemand einen Schatz, wenn er ein Loch für eine Pflanze gräbt. So kann auch der Gebildete weiß sein, aber da dies weder notwendig noch in den meisten Fällen stattfindet, so nennen wir es Akzidens. Indem also das, was existiert, etwas und an etwas, und manches davon auch irgendwo und irgendwann ist, so wird Akzidens heißen, was zwar existiert, aber nicht deshalb existiert, weil dies bestimmt war oder jetzt oder hier ist. Es gibt also für das Akzidens auch keine bestimmte, sondern nur eine zufällige Ursache, d. h. eine unbestimmte. Z. B. es war für jemanden ein Akzidens, nach Aigina zu kommen, wenn er nicht deshalb hinkam, weil er hinkommen wollte, sondern vom Sturme verschlagen oder von Räubern gefangen. Denn das Akzidens ist geworden und ist, aber nicht insofern es selbst, sondern inso-
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fern etwas anderes ist; denn der Sturm war Ursache, daß er anderswohin kam, als wohin er wollte, nämlich nach Aigina. (2.) In einer andern Bedeutung nennt man Akzidens auch das, was einem Gegenstand an sich zukommt, ohne in seinem Wesen zu liegen, z. B. dem Dreieck die Winkelsumme von zwei Rechten. Das Akzidens in diesem Sinne kann ewig sein, in jenem aber durchaus nicht. Doch hiervon wird anderswo der Grund angegeben.
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1. (a) Die Prinzipien und Ursachen des Seienden, und zwar insofern es Seiendes ist, sind der Gegenstand der Untersuchung. Es gibt nämlich eine Ursache der Gesundheit und des Wohlbefindens, und von den mathematischen Dingen gibt es Prinzipien und Elemente und Ursachen, und überhaupt handelt jede auf Denken gegründete oder mit Denken verbundene Wissenschaft von Ursachen und Prinzipien in genauerem oder einfacherem Sinne. Doch alle diese Wissenschaften handeln nur von einem bestimmten Seienden und einer bestimmten Gattung, deren Grenzen sie sich umschrieben haben, aber nicht vom Seienden schlechthin und insofern es Seiendes ist, und geben über das Was keine Rechenschaft, sondern von ihm ausgehend, indem sie es entweder durch Anschauung verdeutlichen oder als Voraussetzung das Was annehmen, erweisen sie dann mit mehr oder weniger strenger Notwendigkeit dasjenige, was der Gattung, mit der sie sich beschäftigen, an sich zukommt. Offenbar also gibt es aus einer solchen Induktion keinen Beweis der Wesenheit und des Was, sondern nur eine andere Art des Aufweises. Und ebenso reden sie auch davon nicht, ob der Gegenstand, von dem sie handeln, ist oder nicht ist, weil es demselben Denken angehört zu bestimmen, was etwas ist und ob es ist. (b) Da auch die Physik eine Wissenschaft ist, welche eine Gattung des Seienden behandelt – nämlich dasjenige Wesen, welches das Prinzip der Bewegung und der Ruhe in sich selber hat –, so ist sie offenbar weder eine praktische, noch eine hervorbringende Wissenschaft. Denn bei den auf das Hervorbringen gerichteten Wissenschaften ist das Prinzip in dem Hervorbringenden, sei es Vernunft oder Kunst oder irgendein Vermögen, das Prinzip aber der Wissenschaften, welche auf das Handeln gehen, liegt in dem Handelnden, nämlich der Entschluß; denn der Gegenstand der Handlung und des Entschlusses ist derselbe. Wenn also jedes Denkverfahren entwe-
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der auf Handeln oder auf Hervorbringen oder auf Betrachtung geht, so muß hiernach die Physik eine betrachtende (theoretische) sein, aber in Beziehung auf ein solches Seiendes, welches sich bewegen (bzw. bewegt werden) kann, und auf ein Wesen (Wesenheit), welches zwar – meistens – durch den Begriff bestimmt ist, aber nur nicht abtrennbar (selbständig für sich) ist. Hierbei darf nun nicht verborgen bleiben, wie es sich mit dem Sosein und dem Begriff verhält, da ohne dies forschen nichts tun hieße. Nun verhält sich von dem begrifflich Bestimmten und dem Was einiges wie (z. B.) das „Stülpnasige“, anderes wie das „Hohle“. Dies unterscheidet sich aber darin, daß in dem „Stülpnasigen“ die Materie mit eingeschlossen ist; denn das „Stülpnasige“ ist eine hohle Nase, die Hohlheit aber besteht ohne sinnlich wahrnehmbaren Stoff. Wenn nun alles Physische in dem Sinne gemeint ist wie das Stülpnasige, z. B. Nase, Auge, Gesicht, Fleisch, Knochen, überhaupt Lebewesen, Blatt, Wurzel, Rinde, überhaupt Pflanze (bei keinem unter diesen nämlich sieht der Begriff von der Bewegung ab, sondern dies alles hat immer einen Stoff), so ergibt sich hieraus, wie man in der Physik das Was suchen und bestimmen muß und weshalb auch die Betrachtung der Seele zum Teil Gegenstand der Physik ist, insoweit sie nämlich nicht ohne den Stoff besteht. (c) Daß also die Physik eine betrachtende Wissenschaft ist, ist hieraus offenbar. Aber auch die Mathematik ist eine betrachtende Wissenschaft. Ob ihr Gegenstand das Unbewegliche und Abtrennbare (Selbständige) ist, bleibt für jetzt unentschieden, doch so viel ist klar, daß sie einiges Mathematische betrachtet, insofern es unbeweglich und insofern es selbständig trennbar ist. (d) Gibt es aber etwas Ewiges, Unbewegliches, Abtrennbares (Selbständiges), so muß offenbar dessen Erkenntnis einer betrachtenden Wissenschaft angehören. Aber der Physik gehört es nicht an, da diese von Bewegbarem handelt, und auch nicht der Mathematik, sondern einer beiden vorausgehenden Wissenschaft. Denn die Physik handelt von abtrennbaren (selbständigen), aber nicht unbeweglichen Dingen, einiges zur Mathematik Gehörende betrifft Unbewegliches, das aber nicht abtrennbar ist, sondern als an einem Stoff befindlich; die erste
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Philosophie aber handelt von sowohl abtrennbaren (selbständigen), als auch unbeweglichen Dingen. Nun müssen notwendig alle Ursachen ewig sein, vor allem aber diese; denn sie sind die Ursachen des Sichtbaren von den göttlichen Dingen. Hiernach würde es also drei betrachtende philosophische Wissenschaften geben: Mathematik, Physik, Theologie. Denn unzweifelhaft ist, wenn sich irgendwo das Göttliche findet, daß es sich in einer solchen Natur findet, und die würdigste Wissenschaft die würdigste Gattung des Seienden zum Gegenstande haben muß. Nun haben die betrachtenden Wissenschaften den Vorzug vor den anderen, und diese (gesuchte) wieder unter den betrachtenden. (e) Man könnte nämlich fragen, ob die erste Philosophie allgemein ist oder auf eine einzelne Gattung und eine einzelne Natur geht. (Auf dieselbe Weise verhält es sich auch in den mathematischen Wissenschaften, indem Geometrie und Astronomie von einer einzelnen Natur handeln, die allgemeine Mathematik aber alle gemeinsam umfaßt.) Gibt es nun neben den natürlich bestehenden Wesen kein anderes, so würde die Physik die erste Wissenschaft sein; gibt es aber ein unbewegliches Wesen, so ist dieses das frühere und die (es behandelnde) Philosophie die erste und eine allgemeine, insofern sie die erste ist, und ihr würde es zukommen, das Seiende, insofern es Seiendes ist, zu betrachten, sowohl sein Was als auch das ihm als Seiendem Zukommende. 2. (a) Da aber das Seiende, schlechthin ausgesprochen, in vielfachen Bedeutungen gebraucht wird, von denen das eine das Akzidentelle war, ein anderes das als Wahres (bezeichnete), und das Nichtseiende als Falsches, außerdem die verschiedenen Arten der Kategorien – z. B. das eine Seiende bezeichnete ein Was, ein anderes eine Qualität, ein anderes eine Quantität oder ein Wo oder ein Wann und was noch sonst ähnliche Bedeutungen ausdrückt – und ferner außer diesem das dem Vermögen oder der wirklichen Tätigkeit nach Seiende: da also das Seiende in verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird, so ist zuerst von dem in akzidentellem Sinne Seienden zu erklären, daß keine wissenschaftliche Betrachtung dieses zum Gegen-
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stand hat. Das zeigt sich darin, daß keine Wissenschaft, weder die praktische, noch die hervorbringende, noch die betrachtende auf dasselbe Sorgfalt verwendet. Wer ein Haus baut, der baut nicht auch dasjenige, was sich an dem gewordenen Hause als Akzidens findet; denn dessen ist unbegrenzt vieles. Es steht ja nichts im Wege, daß das gebaute Haus für einige angenehm, für andere schädlich, für andere nützlich und verschieden von so gut wie allem Seienden sei; aber nichts von dem allen bringt die Baukunst hervor. In derselben Weise betrachtet auch der Geometer nicht, was in diesem Sinne Akzidens der Figuren ist, z. B. ob ein Dreieck und ein Dreieck mit der Winkelsumme von zwei Rechten verschieden ist. Und dies hat seinen guten Grund; denn das Akzidens ist wie ein bloßer Name. Daher hat in gewisser Weise nicht übel Platon der Sophistik das Nichtseiende zugewiesen. Denn die Erörterungen der Sophisten gehen vorzugsweise auf das Akzidentelle, ob Gebildet und Sprachkundig und Koriskos und der gebildete Koriskos etwas anderes oder dasselbe ist, und ob alles, was ist, ohne immer zu sein, geworden ist, also ob der Gebildete, welcher sprachkundig, und der Sprachkundige, welcher gebildet ist, es geworden ist, und was noch sonst dergleichen Reden sind. Denn das Akzidentelle zeigt sich als dem Nichtseienden nahe verwandt. Das ergibt sich auch aus Erörterungen folgender Art: Bei dem nämlich, was in anderem Sinne ist, findet Entstehen und Vergehen statt, bei dem akzidentellen Sein aber nicht. Doch müssen wir von dem Akzidens erklären, soweit es möglich ist, was seine Natur ist und aus welcher Ursache es ist: denn daraus wird wohl zugleich erhellen, weshalb es keine Wissenschaft desselben gibt. (b) Da nämlich unter dem Seienden einiges sich immer auf gleiche Weise und notwendig verhält – ich meine nicht die Notwendigkeit, welche einen Zwang bedeutet, sondern welche bezeichnet, daß es sich nicht anders verhalten kann –, anderes zwar nicht notwendig und nicht immer, aber doch in den meisten Fällen ist: so ist dies das Prinzip und dies die Ursache davon, daß es ein Akzidens gibt; denn was weder immer noch in der Regel stattfindet, das nennen wir Akzidens. Z. B. wenn in den Hundstagen Unwetter und Kälte eintritt, so nennen wir
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dies ein Akzidens, aber nicht, wenn Hitze und Schwüle, weil das letztere immer oder in der Regel stattfindet, das erstere aber nicht. So ist es auch für den Menschen ein Akzidens, weiß zu sein, da dies weder immer noch in der Regel stattfindet, daß er aber ein Lebewesen ist, ist kein Akzidens. Und daß der Baumeister heile, ist ein Akzidens von ihm, weil dies zu tun nicht in der Natur des Baumeisters, sondern des Arztes liegt, und es für den Baumeister ein Akzidens ist, daß er Arzt ist. So kann auch wohl der Kochkünstler, während er den Wohlgeschmack bezweckt, etwas der Gesundheit Dienliches machen, aber nicht infolge seiner Kochkunst; also ist es ein Akzidens für ihn; und er macht es nur in gewissem Sinne, aber nicht schlechthin. Denn von dem anderen gibt es zuweilen hervorbringende Vermögen, von dem Akzidentellen aber gibt es keine bestimmte Kunst und kein bestimmtes Vermögen. Denn was in akzidentellem Sinne ist oder wird, hat auch eine Ursache, die es nur in akzidentellem Sinne ist. Da also nicht alles notwendig und immer ist oder wird, sondern das meiste nur in der Regel, so muß es notwendig auch ein akzidentelles Seiendes geben; z. B. nicht immer und nicht in der Regel ist der Weiße gebildet; wird er es aber in einem Falle, so wird er es in akzidenteller Weise sein. Wo nicht, so müßte alles notwendig sein. Der Stoff also, welcher neben dem in der Regel Stattfindenden auch etwas anderes zuläßt, ist die Ursache des Akzidentellen. Man muß aber davon ausgehen, ob es etwas gibt, das weder immer, noch in der Regel ist, oder ob dies unmöglich ist. Es gibt also etwas neben diesem, das Zufällige nämlich und Akzidentelle. Aber gibt es zwar etwas, das in der Regel, aber nichts, das immer stattfindet, oder gibt es vielmehr auch etwas Ewiges? Dies soll später untersucht werden. (c) Daß es aber keine Wissenschaft des Akzidentellen gibt, ist offenbar. Denn jede Wissenschaft hat zu ihrem Gegenstande das, was immer oder doch in den meisten Fällen stattfindet. Denn wie sollte man es sonst lernen oder einen andern lehren? Es muß vielmehr als immer oder als in der Regel stattfindend bestimmt sein; z. B. das Honigwasser ist den Fieberkranken in der Regel heilsam. Was aber außerhalb dieser Regel fällt, wenn es nicht heilsam ist, wird
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man nicht angeben können, z. B. etwa bei Neumond; denn insofern es immer oder in der Regel heilsam ist, wird es auch bei Neumond heilsam sein; das Akzidentelle aber fällt neben und außer diesen Fällen. Was also das Akzidens ist und durch welche Ursache es ist und warum es keine Wissenschaft desselben gibt, ist hiermit erklärt.
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3. (a) Offenbar aber muß es Prinzipien und Ursachen geben, die erzeugbar und vergänglich sind, ohne daß für sie ein Entstehen und Vergehen stattfindet. Denn wäre dies nicht, so müßte alles notwendig sein, sofern es nämlich für jedes Entstehende und Vergehende eine Ursache geben müßte, die dies nicht bloß in akzidentellem Sinne wäre. (b) Denn fragt man: Wird dieses sein oder nicht? so ist die Antwort: Wenn jenes geschehen sein wird, im entgegengesetzten Falle aber nicht. Und dies wird stattfinden, wenn ein anderes eintritt. So wird man offenbar von einem bestimmten Zeitpunkt aus immer einen Zeitteil hinwegnehmend bis zum gegenwärtigen Augenblick gelangen. Also dieser wird an einer Krankheit oder durch Gewalt sterben, sofern er ausgeht, und dies, wenn er dürstet, und dies, wenn etwas anderes stattfindet, und so wird man bis zu dem gelangen, was jetzt stattfindet, oder zu etwas, das schon geschehen ist, z. B. sofern er dürstet, und dies, wenn er Salziges ißt; dies findet aber bereits statt oder nicht; also mit Notwendigkeit wird er sterben oder nicht sterben. Und so gilt auch dasselbe, wenn jemand zu dem Geschehenen übergeht; denn dies, ich meine das Geschehene, findet sich schon in etwas. Alles Zukünftige also wird mit Notwendigkeit eintreten, z. B. daß der Lebende sterbe; denn schon ist etwas geschehen, z. B. die entgegengesetzten Elemente finden sich in demselben Körper; ob aber der Tod durch Krankheit oder durch Gewalt eintreten wird, ist noch nicht bestimmt, sondern erst, wenn dies geschehen ist. (c) Offenbar also geht es nur bis zu einem bestimmten Prinzip, und dies geht nicht weiter auf ein anderes zurück. Dies wird das Prinzip von etwas beliebig Zufälligem sein, und es wird nichts anderes als die Ursache seines Entstehens geben. Auf welche Art von Prinzip und Ursache aber diese Zurück-
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führung geht, ob auf den Stoff oder den Zweck oder die bewegende Ursache, das ist vorzüglich zu untersuchen. 4. (a) Das akzidentelle Sein wollen wir nun beiseite setzen, denn es ist hinlänglich bestimmt. Was nun aber als seiend bezeichnet wird, weil es wahr, als nicht seiend, weil es falsch ist, das beruht auf Vereinigung und Trennung, beides zusammen auf Teilung des Widerspruchs. (Das Wahre nämlich spricht die Bejahung aus von dem Verbundenen, die Verneinung von dem Getrennten, das Falsche aber spricht das kontradiktorische Gegenteil dieser Teilung aus.) Wie es angehe, daß man etwas zugleich oder getrennt denke, ist eine andere Frage; ich verstehe unter zugleich und getrennt, daß nicht bloß eine Reihenfolge, sondern eine Einheit entsteht. (b) Denn das Falsche und das Wahre liegt nicht in den Dingen, so daß etwa das Gute wahr und das Böse sogleich falsch wäre, sondern im Denken. Bei den einfachen Dingen und dem Was aber auch nicht im Denken (sondern in einem intuitiven Erfassen). Was nun also über das in diesem Sinne Seiende und Nichtseiende zu untersuchen ist, das wollen wir später erwägen. (c) Da aber die Verbindung und Trennung im Denken stattfindet und nicht in den Dingen, und was in dieser Bedeutung (als wahr) seiend ist, verschieden ist von dem im eigentlichen Sinne Seienden (denn was etwas ist, oder daß es von solcher Qualität, Quantität oder sonst etwas der Art ist, dies verbindet oder trennt das Denken), so wollen wir das akzidentelle Seiende und das als wahr Seiende beiseite lassen. Denn des einen Ursache ist unbestimmt, des andern Ursache aber ist eine gewisse Affektion des Denkens, und beide gehen auf die noch übrige Gattung des Seienden und zeigen nicht noch außerdem eine andere Natur des Seienden. Also dies mag beiseite gesetzt sein, wir haben vielmehr die Ursachen und Prinzipien des Seienden, insofern es Seiendes ist, zu untersuchen. Aus dem aber, was wir über die verschiedenen Bedeutungen jedes Wortes erörtert haben, ist offenbar, daß das Seiende in mehrfacher Bedeutung gebraucht wird.
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1. (a) Das Seiende wird in mehreren Bedeutungen ausgesagt, wie wir früher in der Untersuchung über die mehrfachen Bedeutungen unterschieden haben. Denn es bezeichnet teils ein Was und Einzelnes (Dieses-da), teils daß etwas Qualitatives oder Quantitatives oder jedes von dem übrigen so Ausgesagten ist. Indem nun in so vielen Bedeutungen das Seiende bezeichnet wird, so ist offenbar von ihnen erstes Seiendes das Was, welches das Wesen (Substanz) bezeichnet. Denn wenn wir aussprechen, wie beschaffen dieses Ding ist, so sagen wir, es ist gut oder böse, aber nicht, es ist drei Ellen lang oder es ist ein Mensch; wenn wir aber angeben, was es ist, so nennen wir es nicht weiß oder warm oder drei Ellen lang, sondern einen Menschen oder einen Gott. Das andere aber wird seiend genannt, insofern es an dem in dieser Bedeutung Seienden entweder eine Quantität oder eine Qualität, eine Affektion oder etwas anderes der Art ist. (b) Darum könnte man auch bei dem Gehen, dem Gesundsein und dem Sitzen in Zweifel sein, ob ein jedes derselben ein Seiendes ist oder ein Nichtseiendes, und ebenso bei allem anderen dieser Art. Denn keines von diesen besteht an sich oder ist einer Abtrennung von dem Wesen (Substanz) fähig, sondern, wofern überhaupt, so gehört vielmehr das Gehende, das Sitzende und das Gesunde zu dem Seienden. Dieses zeigt sich aber als mehr seiend, weil sein Subjekt etwas Bestimmtes ist, nämlich das Wesen und das Einzelne, welches sich unter einer solchen Aussageweise (Kategorie) zeigt. Denn das Gute oder das Sitzende wird ohne dieses nicht ausgesagt. Es erhellt also, daß durch dieses, das Wesen (Substanz), auch ein jedes von jenem ist, so daß demnach Seiendes in erster Bedeutung (erstes Seiendes), welches nicht etwas Seiendes (in irgendeiner Beziehung), sondern schlechthin Seiendes ist, das Wesen sein dürfte. (c) Nun gebraucht man zwar das Wort Erstes in verschiedenen Bedeutungen, indes in jeder
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von ihnen ist das Wesen Erstes sowohl dem Begriff, wie der Erkenntnis und der Zeit nach. Denn von dem Seienden nach den übrigen Aussageweisen ist keines selbständig abtrennbar, sondern dieses allein. Und auch dem Begriff nach ist es Erstes. Denn in dem Begriff eines jeden Dinges muß der Begriff des Wesens enthalten sein. Und zu wissen glauben wir ein jedes am meisten dann, wenn wir erkannt haben, was (z. B.) der Mensch ist oder das Feuer, mehr als wenn wir die Qualität oder die Quantität oder das Wo erkannt haben; denn auch von diesen selbst kennen wir ein jedes dann, wenn wir erkannt haben, was die Quantität oder die Qualität ist. (d) Und die Frage, welche von alters her so gut wie jetzt und immer aufgeworfen und Gegenstand des Zweifels ist, die Frage, was das Seiende ist, bedeutet nichts anderes als, was das Wesen ist. Denn von dem Seienden sagen einige, es sei Eines, andere, mehr als Eines, einige, es sei begrenzt, andere, es sei unbegrenzt. Darum müssen auch wir hauptsächlich und zuerst und so gut wie einzig darauf unsere Betrachtung richten, was denn das in diesem Sinne Seiende ist. 2. (a) Es scheint nun das Wesen am offenbarsten den Körpern zuzukommen. Darum nennen wir die Lebewesen und Pflanzen und deren Teile Wesen, sowie die natürlichen Körper, wie Feuer, Wasser, Erde und jedes dieser Art, und alles, was Teile von diesen oder aus diesen sind, sei es aus Teilen von diesen, sei es aus allen, wie der Himmel und seine Teile, Gestirne, Mond und Sonne. Ob aber diese allein Wesen sind oder auch andere oder von diesen nichts, sondern andere Wesen sind, das ist zu untersuchen. (b) Manche sind der Ansicht, daß die Grenzen des Körpers, wie Fläche, Linie, Punkt und Einheit, Wesen seien, und zwar mehr als der Körper und das Solide. Ferner meinen einige, daß außer dem sinnlich Wahrnehmbaren nichts der Art existiere, andere nehmen mehreres, das mehr ewig sei, an, wie Platon die Ideen und die mathematischen Begriffe als zwei Wesen und als drittes Wesen das der sinnlich wahrnehmbaren Körper. Speusippos aber setzt, von dem Einen ausgehend, noch mehr Wesen und verschiedene
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Prinzipien für jedes Wesen, eines für die Zahlen, ein anderes für die Größen, ein anderes ferner für die Seele, und auf diese Weise erweitert er das Gebiet der Wesen. Einige ferner behaupten, daß die Ideen und die Zahlen dieselbe Natur hätten, das andere aber demnächst der Reihe nach folge, Linien und Flächen, bis zum Wesen des Himmels und dem sinnlich Wahrnehmbaren. (c) Welche nun von diesen Ansichten richtig ist, welche falsch, und welche Wesen es gibt und ob gewisse Wesen außer den sinnlich wahrnehmbaren existieren oder nicht und wie diese existieren, und ob es außer den sinnlichen ein vollständig abtrennbares Wesen gibt und warum und wie, oder ob es keines gibt – dies müssen wir untersuchen, indem wir zuerst den Grundzügen nach bestimmen, was das Wesen ist. 3. (a) Wesen wird, wenn nicht in mehr, so doch in vier Hauptbedeutungen ausgesagt. Denn das Sosein, das Allgemeine und die Gattung werden für das Wesen eines jeden gehalten, und dazu viertens das Zugrundeliegende. Das Zugrundeliegende aber ist dasjenige, von dem das übrige ausgesagt wird, das selbst aber nicht wieder von einem anderen ausgesagt wird. Darum müssen wir zuerst über dieses Bestimmungen treffen, da das erste Zugrundeliegende (Subjekt) am meisten Wesen zu sein scheint. (b) Als Zugrundeliegendes (Substrat) nun wird in gewisser Weise die Materie bezeichnet, in anderer Weise die Gestalt und drittens das aus beiden (Zusammengesetzte). Ich verstehe aber unter Materie z. B. das Erz, unter Gestalt die Figur seiner Form, unter dem aus beiden (Zusammengesetzten) die Bildsäule als konkretes Ganzes. Wenn nun die Form früher und mehr seiend ist als die Materie, so muß sie auch aus demselben Grunde früher sein als das aus beiden (Zusammengesetzte). (c) Für jetzt ist nun also im allgemeinen Umriß bezeichnet, was etwa das Wesen ist, daß es nämlich das ist, was selbst nicht von einem Zugrundeliegenden (Subjekt), sondern wovon vielmehr das andere ausgesagt wird; indes darf man nicht hierbei allein stehenbleiben, weil es noch nicht genügt. Denn diese Bestimmung selbst ist unklar, und überdies würde die Materie Wesen werden; denn wenn diese nicht Wesen ist,
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so entgeht uns, was sonst Wesen sein sollte. Wenn nämlich das übrige hinweggenommen wird, so bleibt offenbar nichts (als die Materie) zurück. Denn das übrige besteht in Affektionen oder Erzeugnissen oder Vermögen der Körper; die Länge und Breite und Tiefe sind gewisse Quantitäten, aber nicht Wesen, da nicht das Quantum, sondern vielmehr dasjenige Wesen ist, an dem als erstem das Quantum sich findet. Wenn wir aber Länge und Tiefe und Breite hinwegnehmen, so sehen wir nichts übrigbleiben als dasjenige, was es auch irgend sein mag, das durch diese bestimmt ist; so daß, wenn man die Sache so betrachtet, notwendig die Materie als einziges Wesen erscheinen muß. Ich nenne aber Materie das, was an sich weder als etwas noch als Quantitatives, noch durch irgendeine andere der Aussageweisen bezeichnet wird, durch welche das Seiende bestimmt ist. Es gibt nämlich etwas, von dem eine jede dieser Bestimmungen ausgesagt wird und dessen Sein verschieden ist von jeder Bestimmung. Denn die anderen werden vom Wesen ausgesagt, dieses aber von der Materie. Daher denn das Letzte an sich weder ein bestimmtes Was, noch ein Quantum noch sonst irgend etwas ist. Aber auch die Verneinungen davon sind nicht dieses Letzte, da auch diese ihm nur in akzidentellem Sinne zukommen können. (d) Wenn man also von diesem Gesichtspunkt aus die Sache betrachtet, so ergibt sich, daß die Materie Wesen ist. Das ist aber unmöglich. Denn selbständige Abtrennbarkeit und Bestimmtheit (das Dies-da) wird am meisten dem Wesen zugeschrieben. Demnach dürfte man der Ansicht sein, daß die Form und das aus beiden (Zusammengesetzte) mehr Wesen ist als die Materie. (e) Das aus beiden zusammengesetzte Wesen nun, ich meine das aus der Materie und der Form bestehende, müssen wir beiseite setzen, da es später und sinnenfällig ist. Auch die Materie ist gewissermaßen offenbar. Über das dritte aber müssen wir Untersuchung anstellen, denn es ist das schwierigste. Es wird nun aber allgemein anerkannt, daß es gewisse Wesen vom sinnlich Wahrnehmbaren gibt; auf diese müssen wir daher zuerst die Forschung richten; [denn es ist förderlich, zu dem Erkennbareren überzugehen. Das Lernen geht nämlich bei allen so vor
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sich, daß sie durch das seiner Natur nach weniger Erkennbare zu dem mehr Erkennbaren fortschreiten; und wie es beim Handeln darauf ankommt, von dem für den Einzelnen Guten ausgehend zu bewirken, daß das schlechthin Gute dem Einzelnen gut sei, so ist es auch Aufgabe beim Lernen, von dem für den Einzelnen Erkennbaren ausgehend zu bewirken, daß das der Natur nach Erkennbare für den Einzelnen erkennbar werde. Freilich ist das, was für den Einzelnen erkennbar und erstes ist, oft an sich sehr wenig erkennbar und enthält wenig oder nichts vom Seienden. Aber dennoch muß man versuchen, von dem an sich zwar wenig Erkennbaren, für den Einzelnen aber Erkennbaren das allgemein Erkennbare zu erkennen, indem man, wie gesagt, durch jenes selbst zu diesem übergeht.]
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4. (a) Da wir im Anfang unterschieden haben, auf wieviele Weisen wir das Wesen bestimmen, und für eine von ihnen das Sosein galt, so müssen wir dieses betrachten. [ ]. (b) Zuerst nun wollen wir darüber einiges in begrifflicher Weise sagen, nämlich daß das Sosein für jedes Ding das ist, was (von ihm) an sich ausgesagt wird. Das Du-sein ist nämlich nicht dasselbe mit dem Gebildet-sein; denn nicht insofern du du bist, bist du gebildet; was du also an dir selbst bist, das ist dein Sosein. Aber auch nicht dieses alles. Denn das ist nicht Sosein, was etwas in der Weise an sich ist, wie die Fläche ein Weißes ist; denn Fläche-sein ist nicht Weißes-sein. Aber auch nicht das aus beiden Bestehende, das Weiße-Fläche-sein, ist das Sosein. Warum? Weil das zu Bestimmende selbst mit darin enthalten ist. Der Begriff also ist für jedes Ding Begriff des Soseins, in welchem es nicht selbst mit enthalten ist, während er es doch bezeichnet. Wenn daher Weiße-Fläche-sein dasselbe sein wollte mit Ebene-Fläche-sein, so müßte Weiß-sein und Eben-sein eins und dasselbe sein. (c) Da es aber auch nach den anderen Kategorien Zusammengesetztes gibt – denn ein Zugrundeliegendes gibt es für ein jedes, wie für das Qualitative, das Quantitative, das Wann, das Wo und die Bewegung –, so ist zu fragen, ob es für ein jedes derselben einen Begriff des Soseins gibt und ob auch für sie ein Sosein vorhanden ist, z. B.
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ob für weißer-Mensch ein Sosein, Weißer-Mensch-sein, vorhanden ist. Man setze dafür den Namen Kleid. Was ist nun das Kleid-sein? Aber dies gehört ja gar nicht zu dem, was an sich ausgesagt wird. Indessen das „nicht an sich“ wird in zweierlei Bedeutungen gebraucht, einmal so, daß es eine Hinzufügung bezeichnet, einmal so, daß es sie nicht bezeichnet. Denn einerseits wird einiges als „nicht an sich“ bezeichnet darum, weil es selbst einem anderen, welches definiert wird, anhängt, z. B. wenn jemand, das Weiß-sein definierend, den Begriff von weißer-Mensch angäbe; andererseits deshalb, weil ein anderes, welches definiert wird, ihm anhängt, z. B. wenn Kleid bedeutete weißer Mensch, und man definierte Kleid als ein Weißes; indes, weißer Mensch ist zwar ein Weißes, aber doch nicht das Weiß-sein. (d) Gibt es nun aber für das Kleid-sein überhaupt ein Sosein oder nicht? Denn das Sosein ist ein einzelnes Etwas; wenn aber etwas nur von einem anderen ausgesagt wird, so ist es nicht ein einzelnes Etwas; z. B. der weiße Mensch ist kein einzelnes Etwas, da ja ein einzelnes Etwas zu sein nur den Wesen zukommt. Ein Sosein gibt es also von allen denjenigen, deren Begriff Definition ist. Eine Definition aber gibt es nicht überall da, wo überhaupt ein Name mit einem Begriff dasselbe bezeichnet (sonst würden ja alle Begriffe Definitionen sein; denn es würde für jeden beliebigen Begriff einen gleichbedeutenden Namen geben, so daß auch die Ilias eine Definition wäre), sondern wo er Begriff eines Ersten ist; der Art aber ist alles, was nicht dadurch bezeichnet wird, daß etwas von etwas anderem ausgesagt wird. (e) Es wird also ein Sosein von nichts geben, was nicht Art einer Gattung ist, sondern nur von den Arten allein; denn diese werden ja nicht bezeichnet als der Teilhabe nach seiend und als Affektion, noch als Akzidens. Einen Begriff nun, der die Bedeutung angibt (eine Nominaldefinition), wird es auch von jedem der übrigen geben, wenn es einen Namen gibt, nämlich die Angabe, daß dieses diesem beigelegt wird, oder statt der einfachen Angabe eine genauere; eine Wesensdefinition aber wird es dafür nicht geben, auch kein Sosein. (f) Doch es wird wohl die Definition wie auch das Was in mehreren Bedeutungen gebraucht. Denn
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das Was bezeichnet in der einen Bedeutung das Wesen und das einzelne Etwas, in einer anderen ein jedes der Prädikate, Quantitatives, Qualitatives und was sonst der Art ist. Wie nämlich das Sein allen zukommt, aber nicht auf gleiche Weise, sondern den einen in ursprünglicher, den anderen in abgeleiteter Weise, so kommt auch das Was schlechthin dem Wesen zu, in gewissem Sinne aber auch den anderen. Denn auch bei dem Qualitativen würden wir fragen, was es ist, so daß auch das Qualitative ein Was ist, aber nicht ein Was schlechthin; sondern wie vom Nichtseienden einige in begrifflich allgemeiner Weise sagen, es sei, nicht schlechthin, sondern eben nicht-seiend, ebenso verhält es sich bei dem Qualitativen. (g) Man muß nun zwar auch untersuchen, wie man sich über jede Sache auszudrücken hat, indessen doch nicht so sehr, als wie es sich mit der Sache verhält. So wird denn also, da deutlich ist, was wir meinen, das Sosein im ersten und absoluten Sinne dem Wesen zukommen, dann auch dem übrigen, in ähnlicher Weise wie das Was, nämlich nicht schlechthin als Sosein, sondern als Sosein der Qualität oder der Quantität. Denn entweder muß man sagen, dies sei nur dem gleichen Namen nach Seiendes, oder durch Hinzufügung und Weglassung, wie auch das Nichterkennbare erkennbar ist. Das Wahre freilich ist, daß es weder bloß gleichnamig noch identisch ist, sondern so, wie man vieles medizinisch nennt, weil es sich auf ein und dasselbe bezieht, ohne ein und dasselbe zu sein, aber doch auch nicht nach bloßer Namensgleichheit. Denn medizinisch nennt man einen Körper, ein Werk, ein Gerät nicht nach bloßer Namensgleichheit, auch nicht nach Wesenheit, sondern nach der Beziehung auf eines. (h) Doch auf welche von beiden Weisen sich auch jemand hierüber aussprechen mag, ist gleichgültig; das aber ist offenbar, daß die Wesensdefinition im ersten und absoluten Sinne und das Sosein den Wesen zukommt. Indes auf ähnliche Weise kommt es auch den übrigen Dingen zu, nur nicht im ersten und eigentlichen Sinne. Denn es ist nicht notwendig, wenn wir dieses Ding setzen, daß dasjenige Wesensdefinition desselben ist, was dem Begriff nach dasselbe bezeichnet, sondern einem bestimmten Begriff nach. Dies fin-
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det aber dann statt, wenn es der Begriff von etwas Einem ist, nicht dem bloßen Zusammenhange nach wie die Ilias, noch durch Verbindung, sondern in allen Bedeutungen, in welchen das Eine gebraucht wird. Das Eine aber wird gebraucht wie das Seiende. Das Seiende aber bezeichnet teils ein bestimmtes Etwas, teils ein Quantitatives, teils ein Qualitatives. Darum wird es auch von „weißer Mensch“ einen Begriff und eine Wesendefinition geben, aber in anderer Weise von dem Weißen und von dem Wesen. 5. (a) Wenn man den durch Hinzufügung von Merkmalen entstehenden Begriff nicht für Wesensdefinition anerkennen will, so entsteht die schwierige Frage, für welche unter den nicht einfachen, sondern durch Verbindung entstehenden Dingen es eine Wesensdefinition geben solle. Denn durch Hinzufügung muß man notwendig den Begriff derselben erklären. Ich meine z. B., es gibt Nase und Hohlheit, und Stülpnasigkeit als das aus beiden Zusammengesetzte, indem das eine an dem anderen ist. Und zwar ist nicht in akzidenteller Weise die Hohlheit oder die Stülpnasigkeit Affektion der Nase, sondern an sich, auch nicht so, wie das Weiße am Kallias oder am Menschen, weil Kallias weiß ist, dessen Akzidens es ist, ein Mensch zu sein, sondern wie das Männliche am Lebewesen und das Gleiche an der Quantität und alles, von dem man sagt, daß es einem anderen an sich zukomme. Darunter versteht man nämlich alles dasjenige, in welchem der Begriff oder der Name dessen, an welchem es eine Affektion ist, enthalten ist, und was man nicht abgetrennt davon erklären kann, wie man wohl das Weiße erklären kann ohne den Menschen, aber nicht das Weibliche ohne das Lebewesen. Von diesen hat also entweder keine ein Sosein und eine Wesensdefinition, oder es hat sie auf andere Weise, wie wir erörtert haben. (b) In Beziehung hierauf entsteht auch noch eine andere Schwierigkeit. Wenn nämlich Stülpnase und hohle Nase ein und dasselbe ist, so müßte ja auch das Stülpnasige und das Hohle einerlei sein. Ist dies aber nicht der Fall, weil man ja vom Stülpnasigen unmöglich sprechen kann ohne das hinzuzudenken, dessen Affektion an
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sich es ist (denn das Stülpnasige ist eine Hohlheit an der Nase), so darf man „stülpige Nase“ entweder gar nicht sagen, oder es ist darin zweimal dasselbe gesagt, nämlich „hohle Nase Nase“. Denn „stülpige Nase“ ist soviel wie „hohle Nase Nase“. Darum ist es unstatthaft, daß es von dergleichen ein Sosein geben sollte, weil ein Fortschritt ins Unendliche eintreten würde; denn in der „stülpigen Nase Nase“ würde wieder etwas anderes enthalten sein. (c) Es erhellt also, daß es nur von dem Wesen eine Wesensdefinition gibt. Denn soll auch für die übrigen Kategorien eine Wesensdefinition sein, so müßte man dieselbe durch Hinzufügung erklären, z. B. für das Qualitative und das Ungerade; denn dies läßt sich ebensowenig ohne die Zahl denken wie das Weibliche ohne das Lebewesen. Mit dem Ausdruck aber „durch Hinzufügung“ meine ich solche Fälle, in welchen man zweimal dasselbe sagen muß, wie in den genannten. Ist dies aber wahr, so wird es auch für die Verbindung, z. B. ungerade Zahl, kein Sosein geben, sondern es verbirgt sich hier, daß die Begriffe nicht genau ausgesprochen werden. Gibt es aber auch hiervon Begriffe, so sind sie es entweder in anderer Weise, oder man muß, wie gesagt, erklären, daß Wesensdefinition und Sosein in mehreren Bedeutungen gebraucht werden; wonach es dann in der einen Bedeutung nur von den Wesen ein Sosein und eine Wesensdefinition geben würde, in einer anderen Bedeutung aber auch von den anderen Kategorien. Hieraus ist also klar, daß die Wesensdefinition der Begriff des Soseins ist, und daß es das Sosein entweder allein oder vorzugsweise und zuerst und schlechthin von den Wesen gibt. 6. (a) Ob aber jedes einzelne Ding mit seinem Sosein identisch ist oder verschieden, muß untersucht werden, weil dies für die Untersuchung des Wesens förderlich ist; denn jedes einzelne Ding gilt für nichts anderes als für sein eigenes Wesen und das Sosein wird eben als das Wesen jedes einzelnen bezeichnet. (b) Bei dem nun, was nur Akzidentelles bedeutet, würde man Ding und Sosein für verschieden halten, z. B. weißer Mensch für verschieden von Weißer-Mensch-sein. Denn wäre dies
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dasselbe, so würde auch Mensch-sein und Weißer-Menschsein dasselbe sein; denn Mensch und weißer Mensch ist ja, wie man sagt, dasselbe, also würde auch Weißer-Mensch-sein und Mensch-sein dasselbe sein. Aber es folgt nicht mit Notwendigkeit, daß Ding und Sosein bei Akzidenzien dasselbe sei; denn in den Beweisprämissen sind nicht auf gleiche Weise die extremen Terme (die Prädikate, mit dem Subjekt) identisch. Vielleicht würde man aber dafürhalten, es ergebe sich, daß sie (die Prädikate) identisch seien, wenn sie beide in den Prämissen Akzidenzien (des Subjektes) sind, z. B. Weiß-sein und Gebildet-sein; aber das glaubt niemand. (c) Ist aber bei demjenigen, was als an sich seiend bezeichnet wird, notwendig das Ding und sein Sosein dasselbe? Z. B. wenn es gewisse Wesen gibt, vor denen nicht andere Wesen und Naturen als frühere bestehen, in welcher Weise manche den Ideen Sein zuschreiben? Denn wäre das Gute selbst und das Gut-sein, das Lebewesen und das Lebewesen-sein, das Seiende und das Seiend-sein verschieden, so würden andere Wesen und Naturen und Ideen außer den behaupteten vorhanden sein, und diese würden frühere Wesen sein, sofern ja das Sosein Wesen ist. (d) Sind diese nun getrennt voneinander, so würde es von dem einen keine Wissenschaft geben, und das andere würde nichts Seiendes sein (ich verstehe nämlich unter „getrenntsein“, wenn weder dem Guten selbst das Gut-sein zukommt, noch diesem, daß es als Gutes existiert); denn Wissenschaft findet bei einem jeden Gegenstande dann statt, wenn wir sein Sosein erkannt haben. Wie es sich nun aber bei dem Guten verhält, so auf gleiche Weise bei allem anderen; wenn daher das Gut-sein nicht das Gute ist, so ist auch nicht das Seiende-sein das Seiende, noch das Eine-sein das Eine, und auf gleiche Weise ist (dann) jedes überhaupt Sosein oder keines, so daß, wenn das Seiend-sein nicht Seiendes ist, auch kein anderes Sosein seiend ist. Ferner, wem das Gut-sein nicht zukommt, das ist nicht gut. (e) Also sind das Gute und Gut-sein, das Schöne und Schön-sein notwendig ein und dasselbe und so alles, was nicht in Beziehung auf ein anderes ausgesagt wird, sondern an sich und unbedingt. Denn es genügt schon, wenn dies statt-
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findet, mag es auch keine Ideen geben; noch mehr aber wohl, wenn es Ideen gibt. Zugleich erhellt, daß sofern es Ideen gibt in der Weise, wie einige behaupten, das Zugrundeliegende nicht Wesen ist; denn diese müssen Wesen sein, aber nicht in Beziehung auf ein Zugrundeliegendes, weil sie sonst nur durch Teilhabe an etwas anderem existieren würden. Wie nun aus diesen Gründen jedes einzelne Ding und sein Sosein eins und dasselbe ist, nicht bloß in akzidenteller Weise, so auch darum, weil ein Ding erkennen heißt, sein Sosein erkennen. Also auch durch „Herausstellung“ muß sich beides als identisch erweisen. (f) Bei dem aber, was nur als Akzidens ausgesagt wird, z. B. gebildet oder weiß, ist es nicht wahr zu sagen, daß das Ding selbst und das Sosein dasselbe sei, weil das Akzidens eine zweifache Bedeutung hat; denn Weiß heißt sowohl das, woran das Akzidens haftet, als auch dieses Akzidens selbst. Also sind hier das Sosein und das Ding selbst in einer Hinsicht dasselbe, in der anderen Hinsicht nicht dasselbe. Denn Mensch-sein und Weißer-Mensch-sein ist dem Sosein nach nicht dasselbe, sondern nur der Affektion nach ist es dasselbe. (g) Unstatthafte Folgerungen würden sich auch ergeben, wenn man für jedes einzelne Sosein einen besonderen Namen setzen wollte. Denn dann würde noch außer diesem ein anderes Sosein sein, z. B. für das Sosein des Pferdes wieder ein anderes Sosein. Doch was hindert denn, daß nicht unmittelbar und sogleich manches ein Sosein sei, da ja das Sosein Wesen ist? Ja sogar nicht nur Eines ist es mit den an sich seienden Dingen, sondern auch ihr Begriff ist derselbe, wie schon aus dem Gesagten erkennbar ist; denn nicht in der Weise des akzidentellen Seins sind Einessein und Eines identisch. Ferner, wäre es anderes, so würde ein Fortschritt ins Unendliche entstehen; denn das eine wäre dann das Sosein des Einen, das andere das Eine selbst, weshalb dann von jedem wieder dasselbe gelten würde. (h) Daß nun bei demjenigen, was als ein Erstes und ein an sich Seiendes bezeichnet wird, das Wesen des Einzelnen mit dem Einzelnen selbst ein und dasselbe ist, das ist offenbar. Die sophistischen Gegengründe aber gegen diese Behauptung werden offenbar durch dieselbe Lösung gehoben, und so auch die Frage, ob So-
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krates und Sokrates-sein dasselbe ist. Denn es macht keinen Unterschied, welche Beispiele jemand zu seiner Frage oder zu seiner Lösung wählt. Inwiefern also das Einzelne und sein Sosein dasselbe sind und inwiefern nicht, ist hiermit erklärt.
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7. (a) Das Werdende wird teils durch Natur, teils durch Kunst, teils von ungefähr (spontan). Alles Werdende aber wird durch etwas und aus etwas und etwas. Etwas aber meine ich nach jeder Kategorie; denn es wird entweder ein bestimmtes Einzelnes oder irgendwie beschaffen oder irgendwie groß oder irgendwo. Das natürliche Werden nun ist dasjenige, welches aus der Natur hervorgeht; dasjenige, woraus etwas wird, ist nach unserem Ausdruck der Stoff, das, wodurch es wird, ist etwas von Natur Seiendes, dasjenige, was es wird, ist Mensch, Pflanze oder sonst etwas von dem, was wir im strengsten Sinne als Wesen bezeichnen. Alles aber, was wird, sei es durch Natur, sei es durch Kunst, hat einen Stoff; denn ein jedes Werdende hat die Möglichkeit sowohl zu sein als auch nicht zu sein, und das ist in einem jeden der Stoff. Überhaupt aber ist sowohl das, woraus etwas wird, wie das, wonach es wird, Natur (denn das Werdende, z. B. Pflanze oder Lebewesen, hat Natur) und ebenso auch das, wodurch etwas wird, nämlich das als formgebend bezeichnete, gleichartige Wesen; dieses aber ist in einem anderen. Denn ein Mensch erzeugt einen Menschen. (b) So wird also durch die Natur das Werdende. Die anderen Arten des Werdens heißen Hervorbringungen. Alle Hervorbringungen aber gehen entweder von der Kunst oder von dem Vermögen oder vom Denken aus. Manche darunter geschehen auf ähnliche Weise auch von ungefähr und durch Zufall, so wie es auch bei dem natürlich Werdenden vorkommt; denn auch da gibt es einiges, welches ebensowohl aus Samen wie ohne Samen entsteht. Dieses nun haben wir später zu untersuchen. Durch Kunst aber entsteht dasjenige, dessen Form in der Seele vorhanden ist. Form nenne ich das Sosein eines jeden Dinges und sein erstes Wesen. Auch das Entgegengesetzte nämlich fällt gewissermaßen unter dieselbe Form; denn der Privation Wesen ist das entgegengesetzte Wesen; z. B. Gesundheit ist
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(gleichsam auch) Wesen der Krankheit, denn durch Abwesenheit derselben wird die Krankheit erklärt. Die Gesundheit aber ist der Begriff in der Seele und in der Wissenschaft. Es entsteht nun das Gesunde durch folgenden Gang des Denkens. Da das und das Gesundheit ist, so muß, wenn dieses gesund werden soll, dieses Bestimmte stattfinden, z. B. Gleichmaß. Soll aber dies stattfinden, so muß Wärme vorhanden sein. Und so schreitet man im Denken immer fort, bis man zuletzt zu dem hingelangt, was man selbst hervorbringen kann. Dann wird nun die von hier ausgehende und zum Gesundmachen fortschreitende Bewegung Werktätigkeit genannt. Es ergibt sich also, daß gewissermaßen die Gesundheit aus der Gesundheit hervorgeht, und das Haus aus dem Hause, nämlich das Stoffliche aus dem Nichtstofflichen; denn die Heilkunst und die Baukunst ist die Form der Gesundheit und des Hauses, Wesen ohne Stoff aber nenne ich das Sosein. (c) Das Werden und die Bewegung heißen teils Denken, teils Werktätigkeit; nämlich die vom Prinzip und der Form ausgehende Bewegung Denken, dagegen diejenige, welche von dem ausgeht, was für das Denken das Letzte ist, heißt Werktätigkeit; dasselbe gilt auch von jedem anderen, das zwischen dem Anfangs- und Endpunkte liegt. Ich meine z. B. so: Wenn dieser gesund werden soll, so wird er in Gleichmaß kommen müssen. Was heißt nun in Gleichmaß kommen? Das und das. Dies wird aber stattfinden, wenn er in Wärme kommt. Was heißt nun aber dies? Das und das. Dies ist aber dem Vermögen nach vorhanden, und dies steht bereits in unserer Gewalt. (d) Das Werktätige nun und das, wovon die Bewegung des Gesundmachens ausgeht, ist, wenn es durch Kunst geschieht, die Form in der Seele; geschieht es aber von ungefähr, so liegt der Ursprung der Bewegung in demjenigen, was bei dem der Kunst gemäß Werktätigen den Anfang der Tätigkeit ausmacht; wie man beim Heilen den Anfang etwa mit dem Erwärmen und dies durch Reibung hervorbringt. Die Wärme nun in dem Körper ist entweder ein Teil der Gesundheit, oder es folgt ihr selbst unmittelbar oder durch mehrere Mittelglieder etwas der Art, was ein Teil der Gesundheit ist. Dieses Werktätige ist das Äu-
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ßerste (Letzte) und ist der so beschaffene Teil der Gesundheit; ebenso sind es beim Hause z. B. die Steine und so bei allem andern. Es ist also, wie man gewöhnlich sagt, unmöglich, daß etwas werde, wenn nicht schon etwas vorher vorhanden war. Daß also ein Teil notwendig vorhanden sein muß, ist erkennbar; denn der Stoff ist ein Teil, er ist in dem Werdenden vorhanden und er wird. Aber auch von dem im Begriff Enthaltenen muß etwas vorher vorhanden sein. So geben wir bei den ehernen Kreisen auf beide Weisen an, was sie sind, sowohl indem wir den Stoff bezeichnen, daß es Erz ist, als auch die Form, daß es eine solche Figur ist, und dies ist die erste Gattung, in welcher es gesetzt wird. Der eherne Kreis enthält also in seinem Begriffe den Stoff. (e) Einiges nun, was aus etwas als seinem Stoff wird, nennt man, wenn es geworden ist, nicht jenes (den Stoff) selbst, sondern nach Art von jenem, z. B. die Bildsäule nicht Stein, sondern steinern. Hingegen der Mensch, der gesund wird, wird nicht als das bezeichnet, woraus er wird. Der Grund davon aber liegt darin, daß das Werdende sowohl aus der Privation, wie auch aus dem Zugrundeliegenden (Substrat) wird, welches wir Stoff nennen; z. B. sowohl der Mensch wie der Kranke wird gesund. Indessen sagt man doch mehr, daß etwas aus der Privation wird, z. B. aus krank gesund, als aus Mensch. Deshalb wird krank der Gesunde nicht genannt, wohl aber Mensch und gesunder Mensch. Wo aber die Privation undeutlich und unbenannt ist, wie z. B. beim Erz der Mangel irgendeiner Gestalt oder bei Backsteinen und Holz der Mangel der Form des Hauses, da scheint das Werdende aus diesen hervorzugehen, wie dort der Gesunde aus dem Kranken. Wie also dort das Gewordene nicht den Namen dessen führt, woraus es geworden ist, so heißt auch hier die Bildsäule nicht Holz, sondern mit einer Umbildung des Wortes hölzern, und ehern, aber nicht Erz, steinern, aber nicht Stein, und das Haus backsteinern, nicht Backsteine. Denn wenn man die Sache genau betrachtet, so würde man nicht schlechthin so sagen (daß die Bildsäule aus Holz oder das Haus aus Backsteinen wird); denn das Werdende muß werden, indem sich dabei das-
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jenige, woraus es wird, verändert, aber nicht bleibt. Um deswillen drückt man sich so aus. 8. (a) Indem nun das Werdende durch etwas wird (darunter verstehe ich das, von dem der Anfang des Werdens ausgeht) und aus etwas (dies mag aber nicht die Formberaubung, sondern der Stoff sein; denn wir haben schon erklärt, wie wir dies meinen) und etwas wird (nämlich Kugel oder Kreis oder sonst anderes der Art), so macht der Werktätige wie nicht das Zugrundeliegende (Substrat), das Erz, ebensowenig auch die Kugel, ausgenommen im akzidentellen Sinne, weil die eherne Kugel eine Kugel ist und er jene macht. Denn dies einzelne Etwas machen heißt aus dem allgemeinen Substrat dies einzelne Etwas hervorbringen. Ich meine, das Erz rund machen heißt nicht das Runde oder die Kugel machen, sondern etwas anderes, nämlich diese Form, in einem anderen hervorbringen. Denn wenn man auch diese, die Form, hervorbrächte, so müßte man sie aus einem anderen hervorbringen, denn dies war vorausgesetzt; z. B. man macht eine eherne Kugel so, daß man aus diesem, nämlich dem Erz, dies macht, nämlich die Kugel. Wenn man nun auch dies selbst wieder macht, so müßte man es offenbar auf dieselbe Weise machen, und es würde so das Werden ins Unendliche gehen. Es ist also offenbar, daß die Form, oder wie man sonst die Gestaltung am sinnlich Wahrnehmbaren nennen soll, nicht wird, und daß es keine Entstehung derselben gibt, und daß ebensowenig das Sosein entsteht; denn dies, die Form, ist vielmehr dasjenige, was in einem anderen wird, durch Kunst oder durch Natur oder durch das Vermögen des Hervorbringens. Wohl aber macht der Werktätige, daß die eherne Kugel ist, er macht sie nämlich aus Erz und Kugel; denn in dies Einzelne bringt er die Form hinein, und das daraus Hervorgehende ist eherne Kugel. Sollte es aber für das Kugel-sein überhaupt eine Entstehung geben, so müßte etwas aus etwas werden; denn alles, was entsteht, muß teilbar sein, und es muß das eine dies, das andere das sein, ich meine das eine Stoff, das andere Form. Wenn nun Kugel die Figur ist, welche vom Mittelpunkt aus nach allen
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Seiten gleiche Entfernung hat, so ist dabei eines dasjenige, an dem das wird, was der Werktätige hervorbringt, das andere das, was an jenem ist, das Ganze aber ist das Gewordene, z. B. die eherne Kugel. Aus dem Gesagten erhellt also, daß dasjenige, was wir als Form oder Wesen(heit) bezeichnen, nicht wird, wohl aber das nach ihr benannte Ganze (Zusammengesetzte), und daß in jedem Werdenden ein Stoff vorhanden ist, und das eine dies, das andere das ist. (b) Gibt es nun eine Kugel außer den einzelnen Kugeln oder ein Haus außer den Steinen? Wenn es sich so verhielte, so würde nicht einmal ein einzelnes Etwas entstehen, vielmehr bezeichnet (die Art-Form) etwas solcherart Beschaffenes, aber ist nicht ein Etwas und ein Bestimmtes, sondern man macht und erzeugt aus diesem Etwas ein so Beschaffenes, und wenn es erzeugt ist, so ist es ein so beschaffenes Etwas. Dies ganz konkrete Etwas, Kallias oder Sokrates, ist nun wie diese einzelne bestimmte eherne Kugel, der Mensch aber und das Lebewesen ist wie eherne Kugel im allgemeinen. So ist denn offenbar, daß die Ursache von Ideen her, so wie manche die Ideen zu nennen pflegen, wenn es überhaupt solches an sich außer den Einzeldingen gibt, für das Entstehen und die Wesen nichts nützt und daß die Ideen wenigstens nicht aus diesem Grunde selbständige Wesen sein dürften. (c) Bei manchen nun ist es sogar einleuchtend, daß das Erzeugende zwar von derselben Art ist wie das Erzeugte, aber doch nicht dasselbe, und nicht Eines mit ihm der Zahl, sondern nur der Art nach, z. B. bei den natürlichen Dingen; denn der Mensch erzeugt wieder einen Menschen, wofern nicht etwas gegen die Natur geschieht, wie wenn ein Pferd einen Maulesel erzeugt. Aber auch hierbei ist ein ähnliches Verhältnis. Denn dasjenige, was das Gemeinsame für Pferd und Esel sein würde, diese nächste Gattung, hat keinen Namen, es würde aber wohl beides enthalten, wie eben der Maulesel. Daher ist denn offenbar, daß es nicht nötig ist, eine Art-Form als Urbild aufzustellen (denn am meisten würde man ihrer ja in diesen Fällen bedürfen; denn dies sind vorzugsweise Wesen), sondern es genügt, daß das Erzeugende hervorbringe und Ursache der Form an der Materie sei. Das (konkrete) Ganze
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nun, die solcherart beschaffene Form in diesem Fleisch und diesen Knochen, ist Kallias und Sokrates. Und verschieden ist es durch den Stoff, denn dieser ist ein verschiedener, identisch durch die Art-Form, denn die Art ist unteilbar. 9. (a) Man könnte fragen, wie es kommt, daß einiges sowohl durch Kunst wie auch von ungefähr (spontan) entsteht, z. B. Gesundheit, anderes nicht, z. B. ein Haus. Der Grund liegt darin, daß die Materie, welche beim Hervorbringen und Entstehen dessen, was durch Kunst entsteht, den Anfang des Entstehens bildet und in welcher ein Teil des Dinges selbst vorhanden ist, teilweise so beschaffen ist, daß sie sich aus sich selbst bewegen kann, teilweise nicht, und die erstere wieder teils fähig ist, sich auf diese bestimmte Weise zu bewegen, teils unfähig. Denn vieles ist zwar einer Bewegung durch sich selbst fähig, aber nicht dieser bestimmten, z. B. des Tanzens. Wo nun also die Materie solche Beschaffenheit hat, wie z. B. die Steine, da ist es auch nicht möglich, daß es auf diese bestimmte Weise bewegt werde, außer durch ein anderes; auf eine andere Weise aber wohl, wie (z. B.) das Feuer. Deshalb kann das eine nicht entstehen ohne einen Künstler, das andere aber kann ohne ihn entstehen; denn es wird durch solches bewegt werden, was zwar die Kunst nicht besitzt, aber entweder selbst bewegt werden kann oder durch anderes, das ebenfalls die Kunst nicht besitzt, oder durch einen Teil. (b) Aus dem Gesagten ist auch klar, daß alles gewissermaßen aus Gleichnamigem entsteht, wie das, was durch die Natur entsteht, (ähnlich) wie z. B. das Haus aus einem Hause bzw. durch die Vernunft (denn die Kunst ist die Form) oder aus einem gleichnamigen Teile oder aus etwas, das einen Teil enthält, falls es nicht akzidentell entsteht. Denn die Ursache der Erzeugung ist der erste wesentliche Teil. So ruft die in der Bewegung enthaltene Wärme Wärme im Körper hervor; diese aber ist entweder Gesundheit oder ein Teil von ihr, oder es folgt auf sie ein Teil der Gesundheit oder die Gesundheit selbst. Deshalb wird auch von der Wärme gesagt, sie erzeuge die Gesundheit, wenn sie das erzeugt, worauf die Wärme folgt und wovon sie ein Akzidens ist. Es ist
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daher so wie bei den Beweisschlüssen das Prinzip von allem das Wesen; denn wie aus dem Was die Schlüsse hervorgehen, so hier die Entstehungen. (c) Auf ähnliche Weise verhält es sich auch mit dem durch die Natur Entstehenden. Denn der Same bringt (etwas) in der Weise hervor wie (der Künstler) das Kunstwerk. Er hat nämlich die Form dem Vermögen nach in sich, und dasjenige, wovon der Same ausgeht, ist in gewisser Weise ein Gleichnamiges. Freilich darf man nicht verlangen, daß in allen Fällen etwas so entstehe, wie der Mensch aus dem Menschen (denn auch die Frau wird vom Manne erzeugt, und deshalb wird nicht der Maulesel vom Maulesel erzeugt), sondern dieser Akt der Erzeugung findet nur da statt, wo keine Abnormität ist. (d) Wo nun aber etwas von ungefähr (spontan) entsteht, da verhält es sich wie dort; es findet nämlich ein Entstehen von ungefähr bei dem statt, dessen Stoff auch aus sich selbst dieselbe Bewegung empfangen kann, in welche der Same ihn setzt; alles dagegen, bei dem dies nicht der Fall ist, kann unmöglich auf eine andere Weise entstehen als aus dem Erzeugenden. (e) Aber nicht nur hinsichtlich des Wesens beweist diese Begründung, daß die Form nicht entsteht, sondern sie gilt ebenso von allem, was ein Erstes ist, z. B. vom Quantitativen, Qualitativen und den übrigen Kategorien. Wie nämlich die eherne Kugel zwar entsteht, aber weder Kugel noch Erz, und ebenso beim Erz, wenn dies entsteht (immer nämlich muß der Stoff und die Form schon vorhanden sein), ebenso ist es beim Qualitativen und Quantitativen und in gleicher Weise bei den übrigen Kategorien. Denn es entsteht nicht das Qualitative, sondern Holz von solcher Qualität, und nicht das Quantitative, sondern Holz oder Lebewesen von solcher Quantität. Als Eigentümlichkeit des Wesens muß man unter diesen herausheben, daß notwendig ein anderes in Wirklichkeit existierendes Wesen vorher vorhanden sein muß, welches es hervorbringt; z. B. ein Lebewesen, wenn ein Lebewesen entsteht. Beim Qualitativen und Quantitativen ist nicht nötig, daß etwas in Wirklichkeit, sondern nur, daß es dem Vermögen nach vorher vorhanden sei.
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10. (a) Da aber die Wesensdefinition ein Begriff (Rede) ist und jeder Begriff (Rede) Teile hat und der Teil des Begriffs zum Teil der Sache in dem gleichen Verhältnis steht wie der Begriff zur Sache, so entsteht nunmehr die Frage, ob der Begriff der Teile in dem Begriff des Ganzen enthalten sein muß oder nicht. Bei einigen nämlich ist er offenbar darin enthalten, bei anderen nicht. Denn der Begriff des Kreises enthält den der einzelnen Segmente nicht in sich, wohl aber der Begriff der Silbe den der Buchstaben, und doch wird ja ebensogut der Kreis in die Segmente zerlegt wie die Silbe in die Buchstaben. Ferner, wenn die Teile früher sind als das Ganze, und von dem rechten Winkel der spitze, von dem Lebewesen der Finger ein Teil ist, so würde der spitze Winkel früher sein als der rechte, und der Finger früher als der Mensch. Doch scheint vielmehr jenes früher zu sein; denn dem Begriff nach ist der spitze Winkel und der Finger abhängig von dem rechten Winkel und dem Lebewesen, und auch darum sind diese früher, weil sie ohne jene sein können. (b) Doch wird wohl Teil in verschiedenen Bedeutungen gebraucht, von denen die eine ist, daß er das Maß der Quantität nach bezeichnet. Diese wollen wir aber jetzt beiseite setzen und vielmehr nur untersuchen, woraus das Wesen als aus seinen Teilen besteht. Wenn nun eines Materie ist, ein anderes Form, ein anderes deren Vereinigung, und Wesen sowohl die Materie ist wie die Form und das aus beiden Zusammengesetzte, so kann in einer Hinsicht die Materie Teil von etwas genannt werden, in anderer nicht, sondern nur dasjenige, woraus der Begriff der Art-Form besteht. Von der Hohlheit z. B. ist das Fleisch (der Nase) kein Teil, denn es ist die Materie, an welcher sie vorkommt, wohl aber ist es ein Teil der Stülpnasigkeit. Und ebenso ist das Erz ein Teil der gesamten, konkreten Bildsäule, aber nicht ein Teil der nach der ArtForm benannten Bildsäule. Denn man muß die Art-Form und jedes Ding nach seiner Art-Form bezeichnen, während das Materielle niemals an sich bezeichnet werden kann. (c) Darum enthält der Begriff des Kreises den der Segmente nicht, wohl aber der Begriff der Silbe den der Buchstaben; denn die Buchstaben sind Teile des Begriffs der Art-Form und nicht Stoff,
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die Segmente aber sind Teile in dem Sinne, wie sie der Stoff sind, an welchem die Art-Form entsteht. Doch stehen auch sie der Art-Form noch näher als das Erz für den Fall, daß die Rundung am Erze entsteht. In gewissem Sinne werden auch nicht alle Buchstaben im Begriff der Silbe enthalten sein, wie etwa diese bestimmten einzelnen im Wachs oder in der Luft; weil diese bereits ebenfalls als sinnlicher Stoff Teile der Silbe sind. So auch, wenn die Linie durch Teilung in die Hälfte, der Mensch durch Zerlegung in die Knochen und Sehnen und das Fleisch sich auflöst, so bestehen sie deshalb doch nicht aus diesen als aus Teilen des Wesens, sondern als aus dem Stoffe, und von der konkreten Vereinigung sind sie Teile, aber darum sind sie nicht Teile der Art-Form und des im Begriff Enthaltenen; und deshalb finden sie sich auch nicht im Begriff. (d) In einigen Begriffen also findet sich der Begriff solcher Teile, in anderen aber kann er sich nicht finden, wenn der Begriff nicht auf die mit der Materie zusammengefaßte Form geht. Darum besteht denn einiges aus demjenigen als aus seinem Prinzip, in das zerlegt es vergeht, anderes nicht. Was nämlich Zusammenfassung ist von Form und Stoff, wie das Stülpnasige und der eherne Kreis, das vergeht durch Auflösung in diese Substrate, und der Stoff ist ein Teil von ihnen; was aber nicht mit der Materie zusammengefaßt ist, sondern ohne Materie besteht, und dessen Begriff jeweils nur ein solcher der Art-Form ist, das vergeht nicht, entweder überhaupt nicht oder doch nicht auf diese Weise. Bei jenen (zusammengesetzten Dingen) sind diese daher Prinzipien und Teile, von der Art-Form aber sind sie weder Teile, noch Prinzipien. Und deshalb löst sich die irdene Bildsäule in Erde, die eherne Kugel in Erz und Kallias in Fleisch und Knochen auf, und auf ähnliche Weise ferner der Kreis in die Kreissegmente, weil er etwas mit der Materie Vereinigtes ist. Denn mit demselben Namen wird ja der Kreis seinem allgemeinen Begriff nach und der einzelne benannt, weil es für das Einzelne keine besonderen Namen gibt. (e) Hiermit ist nun zwar die Wahrheit ausgesprochen, doch wollen wir, die Sache von neuem aufnehmend, uns noch deutlicher aussprechen. Diejenigen Teile, welche Teile des Begrif-
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fes sind und in welche der Begriff zerlegt wird, diese sind früher, entweder alle oder einige. Der Begriff des rechten Winkels wird aber nicht zerlegt in den des spitzen, sondern vielmehr der des spitzen in den des rechten; denn wer den spitzen Winkel definiert, gebraucht dabei den rechten Winkel; denn der spitze, definiert man, ist kleiner als der rechte. Ebenso verhalten sich Kreis und Halbkreis; denn der Halbkreis wird durch den Kreis definiert und der Finger durch das Ganze des Körpers; denn als den so und so beschaffenen Teil des Menschen definiert man den Finger. Was also stoffliche Teile eines Dinges sind und worin es als in den Stoff zerlegt wird, das ist später; was aber Teile des Begriffes sind und des begrifflichen Wesens, das ist, entweder alles oder doch einiges, früher. (f) Da nun aber die Seele der Lebewesen (denn sie ist die Wesenheit des Belebten) das begriffliche Wesen und die Art-Form und das Sosein für den so und so beschaffenen Leib ist (denn wenn man irgendeinen Teil recht definieren will, so kann man ihn nicht ohne Bezeichnung seiner Wirksamkeit definieren, und diese kann nicht stattfinden ohne Wahrnehmung), so werden die Teile derselben, entweder alle oder einige, früher sein als das gesamte, konkrete Lebewesen, und dasselbe gilt auf gleiche Weise in jedem einzelnen Falle. Der Leib aber und seine Teile sind später als das Wesen, und in sie als in seinen Stoff wird nicht das Wesen, sondern die konkrete Vereinigung von Stoff und Form zerlegt. Für die konkrete Vereinigung also sind diese in gewissem Sinne früher, in gewissem auch wieder nicht; denn sie können nicht getrennt und selbständig bestehen. Denn nicht der Finger schlechthin, wie er auch beschaffen sein möge, ist ein Teil des Lebewesens, sondern der tote ist es nur dem Namen nach. Manche Teile bestehen zugleich mit dem Ganzen, nämlich die entscheidenden, in welchen als dem ersten der Begriff und die Wesenheit sich zeigt, z. B. etwa das Herz oder das Gehirn; welches von beiden so beschaffen sei, ist gleichgültig. Der Mensch aber im allgemeinen und das Pferd und das übrige dieser Art, was zwar von dem Einzelnen, aber als allgemeines ausgesagt wird, ist nicht Wesen, sondern etwas aus diesem bestimmten Begriff und diesem Stoff
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als allgemeinen Zusammengefaßtes. Das Einzelne aber, z. B. Sokrates, ist aus dem letzten Stoff; ebenso verhält es sich bei dem übrigen. (g) Teile gibt es also sowohl von der Art-Form (unter Art-Form verstehe ich das Sosein) als auch von dem aus Art-Form und Stoff Zusammengesetzten [wie auch von dem Stoff selbst]. Doch die Teile des Begriffes sind nur die Teile der Art-Form, der Begriff aber geht auf das Allgemeine; denn Kreis-sein und Kreis, Seele-sein und Seele ist dasselbe. Von dem konkreten (zusammengesetzten) Ganzen aber, z. B. von diesem bestimmten einzelnen Kreis, sei es ein sinnlicher oder ein gedachter, intelligibler (ich verstehe unter den gedachten z. B. die mathematischen, unter den sinnlichen z. B. die ehernen und die hölzernen), von diesen gibt es keinen Begriff, sondern sie werden nur im Akt der vernunftmäßigen Erfassung oder der sinnlichen Wahrnehmung erkannt. Ob sie aber, aus der Wirklichkeit heraustretend, überhaupt noch sind oder nicht sind, ist nicht klar, sondern immer werden sie nur bezeichnet und erkannt durch den allgemeinen Begriff. Die Materie ist an sich unerkennbar. Sie ist aber teils eine sinnlich wahrnehmbare, teils eine denkbare (intelligible); sinnlich wahrnehmbar z. B. Erz und Holz und überhaupt alle bewegliche Materie, denkbar dagegen die in dem sinnlich Wahrnehmbaren vorhandene, aber nicht insofern es sinnlich wahrnehmbar ist, wie dies z. B. bei den Gegenständen der Mathematik der Fall ist. (h) Wie es sich also mit Ganzem und Teil, mit Früherem und Späterem verhält, ist hiermit erörtert. Wenn jemand fragen sollte, ob der rechte Winkel und der Kreis und das Lebewesen früher sind oder die Teile, in welche sie zerlegt werden und aus denen sie bestehen, so muß man auf diese Frage entgegnen, daß sie sich nicht einfach beantworten läßt. Denn wenn man unter Seele auch das beseelte lebende Wesen versteht oder unter Seele des Einzelnen das einzelne lebende Wesen, unter Kreis das Kreis-sein, unter rechter Winkel das Rechter-Winkel-sein und die Wesenheit des rechten Winkel, so muß man allerdings etwas Bestimmtes im Vergleich mit etwas Bestimmten als später bezeichnen, z. B. im Vergleich mit den Teilen im Begriff und des einzelnen rechten Winkels. Der mit dem Stoff verbundene
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nämlich, der eherne rechte Winkel, und der in den einzelnen Linien vorkommende ist dann später, der stofflose dagegen ist gegen die Teile im Begriff später, gegen die Teile im einzelnen früher. Einfach aber läßt sich nicht darauf antworten. Sind aber Seele und lebendes Wesen nicht dasselbe, sondern verschieden, so muß man auch dann, wie gesagt, einige Teile als früher, andere als später bezeichnen. 11. (a) Man fragt aber auch mit Recht, welche Teile der ArtForm angehören und welche nicht dieser, sondern dem mit dem Stoff Vereinigten; denn solange dieses nicht offenbar ist, ist es ja nicht möglich, jedes Ding zu definieren, da das Allgemeine und die Art-Form Gegenstand der Wesensdefinition sind. Wenn also nicht offenbar ist, welche Teile stofflich sind und welche nicht, so kann auch der Begriff der Sache nicht klar werden. Bei allem demjenigen nun, was offenbar an verschiedenartigen Dingen stattfindet, wie z. B. der Kreis sich an Erz und Stein und Holz findet, ist es gewiß, daß weder Erz noch Stein irgendeinen Teil an der Wesenheit des Kreises hat, darum weil dieser von ihnen abgetrennt wird. (b) Bei demjenigen aber, was man nicht getrennt wahrnimmt, ist es zwar recht wohl möglich, daß das Verhältnis dasselbe sei, wie z. B. wenn man auch keine anderen als eherne Kreise sähe, doch nichtsdestoweniger das Erz keinen Anteil an der Wesenheit des Kreises haben würde; doch ist es schwer, in Gedanken davon zu abstrahieren. Z. B. die Form des Menschen findet sich immer dargestellt in Fleisch und Knochen und solchen Teilen; sind diese nun auch Teile der Art-Form und des Begriffes? Doch wohl nicht, sondern Stoff, und wir sind nur nicht imstande es zu trennen, weil die Form des Menschen nicht auch an anderem Stoff vorkommt. (c) Da dies nun möglich zu sein scheint, und es zweifelhaft ist, wann dies stattfindet, so kommen manche in Zweifel auch über den Kreis und das Dreieck, als gehöre es sich nicht, diese durch Linien und durch Stetiges zu definieren, sondern als verhalte es sich hiermit ebenso wie mit dem Fleisch und den Knochen des Menschen, und mit dem Erz und dem Stein der Bildsäule, und führen alles auf Zahlen
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zurück und behaupten, der Begriff der Linie sei der der Zwei. Und zwar erklären von den Anhängern der Ideenlehre einige die Zweiheit für die Linie an sich, andere für die Form der Linie. Denn bei manchen sei die Form und das, dessen Form es sei, identisch, wie Zweiheit und Form der Zweiheit, bei der Linie aber nicht mehr. Daraus ergibt sich nun als Folge, daß die Art-Form eine von vielen Dingen ist, deren Art-Form offenbar verschieden ist, eine Folgerung, in welche die Pythagoreer gerieten, und es ist danach möglich, daß das Eine selbst die Form von allem sei, das übrige aber nicht Formen seien. Dann freilich würde alles Eines sein. (d) Daß also eine Schwierigkeit bei den Wesensdefinitionen entsteht, und was die Ursache davon ist, haben wir erörtert. Und darum ist es auch ein vergebliches Bemühen, alles in dieser Weise auf die Art-Form zurückzuführen und die Materie abzutrennen; denn manches ist wohl so mit dem Stoff vereinigt, daß es eben diese Form an diesem Stoff oder dieser Stoff in solcher Beschaffenheit ist. (e) Und die Vergleichung, welche der jüngere Sokrates beim Lebewesen anzuwenden pflegte, ist nicht richtig; denn sie führt von der Wahrheit ab und läßt uns als möglich annehmen, daß es einen Menschen gebe ohne seine Teile, wie einen Kreis ohne Erz. Doch der Fall ist nicht gleich. Denn das Lebewesen ist etwas Sinnliches und nicht ohne Bewegung zu definieren, darum auch nicht ohne Teile von bestimmter Beschaffenheit; denn nicht die irgendwie beschaffene Hand ist ein Teil des Menschen, sondern die, welche ihr Werk vollbringen kann, also die lebendige; die nicht lebendige aber ist nicht Teil. (f) Wie steht es aber bei den Gegenständen der Mathematik? Warum sind hier die Begriffe der Teile nicht Teile im Begriff, z. B. die Halbkreise im Begriff des Kreises? Denn sie sind nichts Sinnliches. Doch vielleicht macht dies keinen Unterschied; denn auch von manchem, was nicht sinnlich ist, kann es einen Stoff geben, und überhaupt findet sich ein Stoff bei allem, was nicht ein Sosein und eine Art-Form an sich, sondern ein individuelles Etwas ist. Von dem Kreise nun seinem allgemeinen Begriff nach werden diese nicht Teile sein, wohl aber von dem individuellen, einzelnen Kreis, wie
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früher erklärt ist. Die Materie ist nämlich zum Teil eine wahrnehmbare, zum Teil eine denkbare (intelligible). (g) Offenbar ist es auch, daß die Seele die erste Wesenheit ist, der Körper aber Stoff; der Mensch oder das Lebewesen ist die Verbindung von beiden als Allgemeines. Sokrates aber und Koriskos ist, wenn die Seele ein Zweifaches ist, selbst ein Zweifaches; denn einige meinen es als die Seele, andere als die konkrete Verbindung. Spricht man aber schlechthin von dieser Seele und diesem Körper, so verhält sich wie das Allgemeine so auch das Einzelne. (h) Ob es nun neben dem Stoff der Wesen dieser Art noch einen anderen gibt, und ob man ein von diesen verschiedenes Wesen aufzusuchen hat, wie Zahlen und dergleichen, das soll später untersucht werden. Eben deswegen versuchen wir ja auch hinsichtlich der sinnlichen Wesen Begriffsdefinitionen zu geben; denn eigentlich ist die Untersuchung über die sinnlichen Wesen Aufgabe der Physik und des zweiten Teiles der Philosophie; denn dem Physiker kommt es zu, nicht nur die Materie allein, sondern auch die begriffsmäßig bestimmte zu untersuchen, und diese noch mehr. Inwiefern hinsichtlich der Wesensdefinitionen das im Begriff Enthaltene Teil ist und wodurch die Wesensdefinition ein einheitlicher Begriff ist (offenbar nämlich, weil die Sache eine ist; aber wodurch ist die Sache eine, da sie ja Teile hat?), diese Fragen sind später der Untersuchung zu unterwerfen. (i) Was nun das Sosein ist und inwiefern es an sich ist, das ist im allgemeinen bei allem erklärt, ferner, weshalb bei einigen der Begriff des Soseins die Teile des Definierten enthält, bei anderen nicht, und daß im Begriff des Wesens die stoffartigen Teile nicht enthalten sein können. Denn sie sind nicht Teile jenes Wesens (sc. der Wesenheit), sondern des mit dem Stoffe vereinigten. Von diesem konkreten Wesen gibt es in gewissem Sinne einen Begriff und auch nicht. Insofern es nämlich mit dem Stoff verbunden ist, gibt es keinen Begriff, weil dieser etwas Unbestimmtes ist; nach dem ersten Wesen (Wesenheit) aber gibt es einen, wie z. B. beim Menschen den Begriff der Seele. Denn Wesen(heit) des Dinges ist die inwohnende ArtForm, aus welcher in Verbindung mit der Materie das konkre-
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te Wesen besteht, z. B. die Hohlheit; aus dieser nämlich und der Nase ist die stülpnasige Nase und die Stülpnasigkeit; in dem ersten nämlich muß sich Nase zweimal finden. In dem konkreten Wesen aber, wie in der Stülpnase oder dem Kallias, muß die Materie mitbegriffen sein. – Ferner ist erörtert, daß das Sosein und das Einzelne selbst in manchen Fällen dasselbe sind, wie bei den ersten Wesen, z. B. Hohlheit und Hohlheit-sein, wenn dies ein erstes Wesen ist (ich nenne aber erstes Wesen dasjenige, welches nicht insofern ausgesagt wird, als es etwas an einem anderen ist und an einem Zugrundeliegenden als Stoff); wo aber etwas als Stoff bezeichnet wird oder als zusammengefaßt mit dem Stoff, da sind sie (Sosein und Einzelnes) nicht dasselbe, noch auch da, wo etwas nur im akzidentellen Sinne Eines ist, wie Sokrates und Gebildet; denn dies ist nur akzidentellerweise dasselbe. 12. (a) Nun wollen wir zunächst von der Wesensdefinition handeln, insoweit dieser Gegenstand nicht schon in den Analytiken erörtert ist. Die Frage nämlich, welche dort aufgestellt wurde, ist für die Untersuchung über das Wesen förderlich; ich meine die Frage, wodurch denn dasjenige eines ist, dessen Begriff wir als Wesensdefinition setzen, z. B. beim Menschen zweifüßiges Lebewesen – denn das mag sein Begriff sein – wodurch also ist dieses eines und nicht vieles, nämlich Lebewesen und Zweifüßiges? Denn in dem Falle, daß wir Mensch und Weiß setzen, ist es vieles, sofern nicht eines dem anderen zukommt, eines aber erst dann, wenn es zukommt und das Zugrundeliegende, Mensch, eine bestimmte Affektion erfährt; dann nämlich wird es eines und ist der weiße Mensch. In dem Falle aber, von dem wir handeln (zweifüßiges Lebewesen), nimmt nicht das eine teil am anderen; denn die Gattung nimmt ja nicht teil an seinen Unterschieden, sonst würde dasselbe zugleich an dem Entgegengesetzten teilnehmen, da die Unterschiede, durch welche sich die Gattung unterscheidet, entgegengesetzte sind. Doch selbst angenommen, es nehme teil, so ist die Überlegung wieder dieselbe, wenn doch der Unterschiede mehrere sind, z. B. befußt, zweifüßig, ungeflügelt. Wodurch nämlich sind diese
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denn eines und nicht vieles? Doch nicht dadurch, daß sie darin vorhanden sind; denn auf diese Weise würde aus allem Eines werden. Eines aber muß alles sein, was in der Wesensdefinition enthalten ist; denn die Wesensdefinition ist ein einheitlicher Begriff und Begriff des Wesens, also muß sie der Begriff von Einem sein. Denn es bezeichnet ja auch das Wesen, wie wir behaupten, ein Eines und ein individuelles Etwas. (b) Wir müssen nun zuerst die aus Einteilungen hervorgehenden Wesensdefinitionen ins Auge fassen. Es finden sich nämlich in der Wesensdefinition nichts weiter als die erste Gattung und die Unterschiede; die anderen Gattungen bestehen aus dem ersten und den dazugenommenen Unterschieden; z. B. die erste Gattung ist Lebewesen, die nächste zweifüßiges Lebewesen, und weiter zweifüßiges, ungeflügeltes Lebewesen, und auf gleiche Weise verhält es sich, wenn der Ausdruck noch mehrere Glieder enthält. Überhaupt ist es gleichgültig, ob er viele oder wenige enthält, also auch, ob wenige oder bloß zwei; von den zweien aber ist das eine der Unterschied, das andere die Gattung; z. B. bei zweifüßigem Lebewesen ist Lebewesen die Gattung, das andere der Unterschied. Wenn nun die Gattung schlechthin nicht außerhalb der gattungsmäßigen Arten existiert oder, sofern sie existiert, nur als Stoff – denn die Stimme ist (gleichsam) wie Gattung und Stoff, die Unterschiede aber bringen aus ihr die Arten, die einzelnen Buchstaben, hervor, – so ist offenbar, daß die Wesensdefinition der aus den Unterschieden hervorgehende Begriff ist. Aber man muß auch wirklich den Unterschied in seine Unterschiede teilen; z. B. von Lebewesen ist befußt ein Unterschied; man muß nun weiter den Unterschied des befußten Lebewesens kennen, insofern es befußt ist. Also darf man, wenn man recht einteilen will, nicht sagen: Das befußte ist teils beflügelt, teils unbeflügelt – diese Einteilung würde man nur aus Unfähigkeit anstellen –, sondern vielmehr: Das eine hat gespaltene, das andere ungespaltene Füße; denn dies sind Unterschiede des Fußes und Spaltfüßigkeit ist eine Art des Befußt-seins. Und so wird man immer fortschreiten, bis man zu dem gelangt, was keine weitere Teilung in Unterschiede zuläßt. Dann werden sich so viele Ar-
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ten von Fuß ergeben, wie Unterschiede vorhanden waren. (c) Wenn dem nun so ist, so erhellt, daß der letzte Unterschied das Wesen und die Wesensdefinition der Sache sein muß, wofern man nicht in den Begriffen öfters dasselbe sagen soll, was ja überflüssig ist. Und doch würde sich eine solche Wiederholung ergeben; denn wenn man sagt: befußtes, zweifüßiges Lebewesen, so sagt man nichts anderes als ein Lebewesen, welches Füße hat, und zwar zwei Füße, und teilt man hier wieder nach dem eigentümlichen Unterschied, so wird man öfter dasselbe sagen, so oftmal, als wie viele Unterschiede vorhanden sind. Wofern man also den Unterschied selbst in seinen Unterschied teilt, so wird der eine und letzte Unterschied die Art-Form und das Wesen sein. Wofern man dagegen in akzidentelle Unterschiede einteilt, wie z. B.: Das Befußte ist teils schwarz, teils weiß, so werden so viele Unterschiede sein, wie Einteilungen vorgenommen sind. (d) Offenbar also ist die Wesensdefinition der aus den Unterschieden gebildete Begriff, und zwar, bei richtiger Einteilung, der aus dem letzten dieser Unterschiede. Dies würde sich deutlich zeigen, wenn jemand solche Wesensdefinitionen umstellen wollte, z. B. die von Mensch, und sagte ein zweifüßiges, befußtes Lebewesen; denn das, befußt‘ ist dann überflüssig, da schon zweifüßig angegeben ist. Eine Stellung aber und Ordnung findet in dem Wesen nicht statt; denn wie sollte man denken, daß in ihm das eine früher, das andere später sei? Über die aus Einteilung hervorgehenden Wesensdefinitionen und ihre Beschaffenheit mag zunächst soviel gesagt sein. 13. (a) Da die Untersuchung von dem Wesen handelt, so wollen wir wieder zurückgehen. Es wird nämlich als Wesen sowohl das Zugrundeliegende bezeichnet und das Sosein und das aus beiden Zusammengesetzte wie auch das Allgemeine. Von jenen beiden ist nun schon gehandelt, nämlich vom Sosein und vom Zugrundeliegenden, nämlich daß dieses auf zweierlei Weise zugrunde liegt, entweder indem es als individuelles Etwas, wie das Lebewesen, den Affektionen oder als Stoff der Vollendung zugrunde liegt. Nun sind auch manche der An-
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sicht, daß das Allgemeine vor allem Ursache und Prinzip sei; darum wollen wir auch dies näher untersuchen. (b) Es scheint nämlich unmöglich zu sein, daß irgend etwas von dem, was als Allgemeines bezeichnet wird, Wesen sei. Denn das erste Wesen eines jeden Einzelnen ist diesem Einzelnen eigentümlich und findet sich nicht noch in einem anderen, das Allgemeine aber ist mehrerem gemeinsam; denn eben das heißt ja allgemein, was seiner Natur nach mehreren zukommt. Wessen Wesen soll dies nun sein? Gewiß doch entweder von allem oder keinem. Daß es von allem Wesen sei, ist unmöglich; ist es aber das Wesen von einem, so wird auch das andere dies sein. Denn die Dinge, deren Wesen eines und deren Sosein eines ist, sind selbst Eines. – Ferner, Wesen heißt das, was nicht von dem Zugrundeliegenden (Subjekt) ausgesagt wird, das Allgemeine aber wird immer in Beziehung auf irgendein Subjekt bezeichnet. – (c) Doch vielleicht kann das Allgemeine nicht so beschaffen sein wie das Sosein, sondern findet sich in jenem, wie Lebewesen in Mensch und Pferd. Nun, so wird es offenbar einen Begriff desselben geben. Doch es macht nicht einmal etwas aus, wenn es nicht von allem in dem Wesen Vorkommenden einen Begriff gibt; denn um nichts weniger wird es Wesen von etwas sein, wie der Mensch von dem einzelnen Menschen, in welchem er sich findet. Daraus würden sich aber wieder dieselben Folgen ergeben; denn das Wesen (das Allgemeine), z. B. Lebewesen, würde Wesen dessen sein, in welchem es als eigentümlich angehörig vorkommt. Ferner ist es ja auch unmöglich und ungereimt, daß das individuelle Etwas und das Wesen, wenn es aus etwas besteht, nicht aus Wesen und aus einzelnem Bestimmten, sondern aus Qualitäten bestehe; denn dann würde ja das Nicht-Wesen und die Qualität früher sein als das Wesen und das bestimmte Etwas. Das ist aber unmöglich; denn weder dem Begriff noch der Zeit noch der Entstehung nach können die Affektionen früher sein als das Wesen; sie würden ja sonst selbständig abtrennbar sein. – Ferner würde sich in dem Wesen Sokrates ein Wesen befinden, und es würde also ein Wesen aus zwei Wesen bestehen. – Überhaupt aber ergibt sich, wenn der Mensch und alles, was in dieser Wei-
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se bezeichnet wird, Wesen ist, daß nichts von dem, was sich in dem Begriffe findet, Wesen von irgend etwas ist, noch selbständig existiert an sich oder in etwas anderem als dem Individuellen; ich meine z. B., daß nicht ein Lebewesen existiert außer den einzelnen, noch sonst etwas von dem, was nur im Begriff sich findet. (d) Wenn man aus diesen Gesichtspunkten die Sache erwägt, so ist offenbar, daß nichts Allgemeines Wesen ist, und daß das allgemein Ausgesagte nicht ein individuelles Etwas, sondern eine Qualität bezeichnet (wo nicht, so ergibt sich außer anderen Unmöglichkeiten auch „der dritte Mensch“). Und dasselbe erhellt auch auf folgende Weise. Es ist nämlich unmöglich, daß ein Wesen bestehe aus Wesen, welche sich als wirkliche darin fänden. Denn dasjenige, was der Wirklichkeit nach zwei ist, wird niemals in Wirklichkeit eines, sondern nur, wenn es der Möglichkeit nach zwei ist, kann es eines werden, wie z. B. das Doppelte, aus zwei Hälften, die aber bloß der Möglichkeit nach existieren; denn die Wirklichkeit trennt. Wenn daher das Wesen eines ist, so kann es nicht aus darin vorhandenen Wesen bestehen, und in diesem Sinne hat Demokritos recht, wenn er behauptet, es sei unmöglich, daß aus zweien eines oder aus einem zwei werde; er setzte nämlich die unteilbaren Größen als die Wesen. Auf ähnliche Weise wird es sich nun offenbar auch bei den Zahlen verhalten, sofern, wie einige behaupten, die Zahl eine Zusammensetzung aus Einheiten ist; denn entweder ist die Zweizahl nicht eines, oder die Einheit findet sich in ihr nicht der Wirklichkeit nach. (e) Doch rufen diese Ergebnisse noch einen Zweifel hervor. Wenn nämlich kein Wesen aus Allgemeinem bestehen kann, weil das Allgemeine eine Qualität, aber nicht ein individuelles Etwas bezeichnet, und ebensowenig ein Wesen aus Wesen zusammengesetzt sein kann, die sich der Wirklichkeit nach darin fänden, so müßte ja jedes Wesen etwas nicht Zusammengesetztes sein, so daß es auch keinen Begriff eines Wesens gäbe. Und doch ist die Ansicht allgemein und von alters her ausgesprochen, daß allein oder zumeist von den Wesen es eine Begriffsdefinition gibt. Nun aber findet sich, daß es auch von
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diesem keine gibt, also von gar nichts. Oder vielleicht gibt es etwa in gewissem Sinne eine Wesensdefinition und in anderem Sinne nicht. Dies wird sich aus den späteren Erörterungen deutlicher ergeben. 14. (a) Aus eben diesem ist auch deutlich, welche Folgen sich für diejenigen ergeben, welche die Idee als Wesen und als selbständig abtrennbar setzen und zugleich die Idee aus der Gattung und den Unterschieden bilden. Denn wenn die Ideen existieren und Lebewesen sich sowohl im Menschen wie im Pferde findet, so muß es entweder eines und dasselbe der Zahl nach sein oder ein anderes der Zahl nach. Dem Begriff nach nämlich ist es offenbar eines; denn wer den Begriff desselben in dem einen und dem anderen Fall angibt, gibt denselben Begriff an. Wenn es nun einen Menschen an und für sich gibt als ein bestimmtes, abtrennbares Etwas, so muß notwendig auch das, woraus es besteht, z. B. Lebewesen und zweifüßig, ein bestimmtes Etwas bezeichnen und selbständig abtrennbar und Wesen sein; also gilt dies auch vom Lebewesen. (b) Wenn nun das Lebewesen in dem Pferd und in dem Menschen so eins und dasselbe ist, wie du mit dir selbst eins und dasselbe bist, wie soll dann das eine in dem abgetrennt Existierenden eins sein, und weshalb soll nicht dies Lebewesen auch abgetrennt von sich selbst existieren? Ferner, wenn es am Zweifüßigen und am Vielfüßigen teilhaben soll, so ergibt sich eine unmögliche Folge; denn das Entgegengesetzte würde zugleich bei demselben einen und bestimmten Etwas statthaben. Wofern dies aber nicht der Fall ist, wie ist es dann gemeint, wenn jemand sagt, das Lebewesen sei zweifüßig oder sei befußt? Oder ist es vielleicht durch Zusammensetzung oder Berührung oder Mischung verbunden? Aber das alles ist ja ungereimt. Man nehme dagegen an, die Idee sei in jedem Einzelnen, worin sie sich findet, eine andere. Dann würde ja geradezu unendlich vieles sein, dessen Wesen Lebewesen wäre; denn nicht in akzidentellem Sinne enthält der Mensch das Lebewesen. – Ferner würde das Lebewesen an sich vieles sein; denn das in jedem Einzelnen vorhandene Lebewesen ist Wesen, da es nicht als Prädikat
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von einem davon verschiedenen Wesen ausgesagt wird. Wäre es aber nicht Wesen, so würde der Mensch aus jenem bestehen und jenes würde die Gattung von Mensch sein. – Ferner müßten alle Bestandteile des Begriffes Mensch Ideen sein. Nun ist es aber unmöglich, daß etwas Idee des einen und Wesen eines anderen sei. Also wird jedes in den einzelnen Lebewesen vorhandene Lebewesen Lebewesen-an-sich sein. Ferner, woraus soll dies bestehen, oder wie soll aus ihm ein Lebewesen hervorgehen? Oder wie ist es möglich, daß das Lebewesen, welches Wesen ist, selbst bestehe neben dem Lebewesen-an-sich? (c) Ferner, bei den sinnlichen Dingen ergeben sich außer diesen noch unstatthaftere Folgen. Kann es sich nun unmöglich so verhalten, so kann es offenbar davon nicht Ideen in dem Sinne geben, wie einige behaupten.
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15. (a) Da das konkrete Ganze (Ding) ein von dem Begriff verschiedenes Wesen ist (das eine Wesen nämlich ist der mit dem Stoff zusammengefaßte Begriff, das andere der Begriff überhaupt), so kommt bei den konkreten Dingen ein Vergehen vor, weil auch Entstehen stattfindet; bei dem Begriff aber kann kein Vergehen stattfinden, weil auch kein Entstehen (denn nicht das Haus-sein entsteht, sondern die Existenz dieses bestimmten Hauses), sondern ohne Entstehen und Vergehen sind die Begriffe und sind nicht; denn daß niemand sie erzeugt oder hervorbringt, ist erwiesen. Darum gibt es auch von den einzelnen sinnlichen Wesen keine Wesensdefinition und keinen Beweis, weil sie Stoff enthalten, dessen Wesen darin besteht, daß er sein und auch nicht sein kann; weshalb auch alles einzelne Sinnliche vergänglich ist. Wenn nun der Beweis auf das Notwendige geht, und die Wesensdefinition der Wissenschaft angehört, und sowenig wie die Wissenschaft bald Wissenschaft sein kann, bald Unwissenheit (von solcher Beschaffenheit ist vielmehr die Meinung), ebensowenig der Beweis und die Wesensdefinition einem solchen Wechsel anheimfallen kann (vielmehr geht ja die Meinung auf dasjenige, was sich auch anders verhalten kann): so kann es offenbar von dem Sinnlichen keine Wesensdefinition und keinen Beweis
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geben. Denn das Vergängliche ist für diejenigen, welche die Wissenschaft besitzen, unerkennbar, sobald es aus der sinnlichen Wahrnehmung verschwunden ist, und, wenngleich der Begriff von ihm noch als derselbe in der Seele behalten ist, so kann es doch keine Wesensdefinition und keinen Beweis mehr geben. Wer sich daher um Definitionen bemüht, darf, wenn er etwas Einzelnes definiert, nicht vergessen, daß es sich immer aufheben läßt; denn eine eigentliche Wesensdefinition davon ist nicht möglich. (b) Ebensowenig läßt sich eine Idee definieren; denn sie ist etwas Einzelnes, wie sie sagen, und selbständig abtrennbar. Ein Begriff muß notwendig aus Worten bestehen. Wer nun einen Begriff definiert, wird nicht nur Worte bilden; denn diese würden unbekannt sein, die vorhandenen Worte aber sind allen gemeinsam, also müssen sie auch einem anderen als dem definierten Begriff zukommen. Z. B. wenn jemand dich definieren wollte, so wird er sagen ein mageres oder weißes, lebendes Wesen oder sonst etwas, was sich auch an einem anderen fände. Wollte aber jemand sagen, es sei ganz wohl möglich, daß diese Worte alle einzeln sich auch bei anderen fänden, zusammen aber nur bei diesem, so muß man zuerst erklären, daß sie sich vielmehr bei beiden finden; z. B. das zweifüßige Lebewesen kommt sowohl dem Lebewesen zu als auch dem Zweifüßigen. Und dies muß sich bei den ewigen Wesen sogar notwendig so verhalten, da sie ja früher sind und Teile des Zusammengesetzten. Sie müssen aber auch selbständig abtrennbar sein, sofern der Mensch selbständig abtrennbar ist; denn entweder muß keinem oder beiden diese Selbständigkeit zugeschrieben werden. Ist nun keines selbständig, so kann es nicht eine Gattung neben den Arten der Gattung geben; ist aber die Gattung selbständig, so muß es auch der Artunterschied sein. Und dann muß man erklären, daß beide dem Sein nach früher sind, derartiges aber wird nicht zugleich mit aufgehoben. Ferner, wenn die Ideen aus Ideen bestehen, so werden, da die Bestandteile das Einfachere sind, die Bestandteile der Idee, z. B. Lebewesen und Zweifüßiges, von vielem ausgesagt werden müssen. Wo nicht, wie soll man sie erkennen? Denn es würde ja dann eine Idee existieren, die
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man nicht von mehr als einem Dinge prädizieren könnte. Das ist ja aber nicht die Meinung der Ideenlehrer, sondern es soll vielmehr jede Idee Teilhabe zulassen. (c) Es entgeht ihnen also, wie gesagt, daß man von den ewigen Dingen keine Definitionen angeben kann, namentlich von denen, die einzig sind, wie Sonne und Mond. Denn bei der Definition derselben fehlt man nicht nur dadurch, daß man dergleichen beifügt, nach dessen Hinwegnahme die Sonne noch sein würde, z. B. daß sie um die Erde geht oder bei Nacht unsichtbar ist (denn wenn sie stillstände oder immer schiene, so dürfte hiernach die Sonne nicht mehr sein, was doch unstatthaft, da die Sonne ein Wesen bezeichnet), sondern auch durch Angabe solcher Merkmale, welche auch bei einem anderen Vorkommen können; z. B. wenn eine andere von dieser Beschaffenheit wäre, so würde sie offenbar auch Sonne sein. Der Begriff ist also allgemein, die Sonne aber ist etwas Einzelnes, wie Kleon und Sokrates. Warum bringt denn von den Anhängern der Ideenlehre keiner den Begriff einer Idee? Wenn sie den Versuch anstellten, so würde sich dabei die Wahrheit des eben Gesagten zeigen. 16. (a) Offenbar ist von dem, was für Wesen gilt, das meiste nur Vermögen; so die Teile der Lebewesen (denn keiner von diesen existiert getrennt, und wenn sie getrennt sind, dann sind sie alle nur wie Stoff) und Erde und Feuer und Luft; denn keiner von ihnen ist eine Einheit, sondern ist nur wie ein Haufen Getreidekörner, ehe sie gekocht sind und aus ihnen eins geworden ist. Am ehesten möchte man noch bei den Teilen des Belebten und der Seele annehmen, daß sie beides zugleich seien, sowohl der Wirklichkeit, als auch der Möglichkeit nach seiend, weil sie die Prinzipien der Bewegung durch irgend etwas in ihren Gelenken haben, weshalb denn auch manche Lebewesen nach dem Zerschneiden noch fortleben. Indessen ist doch dies alles nur dem Vermögen nach, wenn es von Natur Eines und Stetiges ist und nicht durch Gewalt oder auch durch Zusammenwachsen; denn dies ist eine Abnormität. (b) Da aber das Eine in derselben Weise ausgesagt wird wie das Seiende und das Wesen des Einen eines, und dasjenige, dessen
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Wesen der Zahl nach eines ist, selbst eines der Zahl nach ist, so ist offenbar, daß weder das Eine noch das Seiende Wesen der Dinge sein kann, sowenig wie Element-sein oder Prinzipsein. Vielmehr fragen wir, um zu Bestimmterem zu gelangen, was denn das Prinzip ist. Unter diesen ist nun das Seiende und das Eine mehr Wesen als das Prinzip und das Element und die Ursache, indessen doch auch dieses noch nicht, sofern überhaupt auch nichts anderes Allgemeines Wesen ist. Denn das Wesen kommt keinem anderen zu als ihm selbst und dem, welches das Wesen hat, dessen Wesen es ist. Ferner, das Eine würde dann, wenn es Wesen wäre, nicht zugleich in vielem vorhanden sein, das Allgemeine aber ist zugleich in vielem vorhanden. (c) Daher ist denn offenbar, daß kein Allgemeines neben dem Einzelnen selbständig existiert, und diejenigen, welche die Ideen annehmen, haben in einer Hinsicht recht, nämlich daß sie dieselben selbständig hinstellen, sofern sie Wesen sind, dagegen in einer anderen Hinsicht haben sie nicht recht, daß sie das Eine, das vielem gemeinsam ist, als Idee setzen. Der Grund davon aber liegt darin, daß sie nicht anzugeben wissen, welches denn diese unvergänglichen Wesen sind neben den einzelnen und sinnlichen. Sie machen sie daher der Art nach den vergänglichen gleich (denn diese kennen wir): Mensch-an-sich, Pferd-an-sich, indem sie den sinnlichen Dingen dies Wort, an-sich‘, hinzufügen. Und doch würden die Gestirne, wenn wir sie auch nicht sähen, nichtsdestoweniger ewige Wesen sein neben denen, die wir kennten; also auch in diesem Falle, selbst wenn wir nicht angeben könnten, was diese Wesen sind, ist doch, daß welche sind, wohl notwendig. – Daß also nichts Allgemeines Wesen ist, und kein Wesen aus Wesen besteht, ist offenbar. 17. (a) Als was aber und wie beschaffen man das Wesen zu bezeichnen habe, das wollen wir noch einmal sagen, indem wir dabei einen anderen Ausgangspunkt nehmen; denn vielleicht werden wir daraus auch Aufklärung über jenes Wesen erhalten, welches von den sinnlichen Wesen abgetrennt und selbständig ist. Da nun das Wesen ein Prinzip und eine Ursache
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ist, so müssen wir von hier ausgehen. Man untersucht aber das Warum immer so, daß man fragt, warum etwas einem anderen zukommt; denn wenn man untersucht, weshalb der gebildete Mensch gebildeter Mensch ist, so heißt dies entweder das Ausgesprochene selbst untersuchen, weshalb der gebildete Mensch gebildeter Mensch ist, oder etwas anderes. Untersuchen nun, weshalb etwas es selbst ist, heißt nichts untersuchen. Denn das Daß und das Sein muß als bekannt und offenbar gegeben sein, ich meine z. B., daß der Mond sich verfinstert. Daß aber etwas es selbst ist, dafür gibt es in allen Fällen eine Erklärung und einen Grund, z. B. weshalb der Mensch Mensch und der gebildete gebildet sei. Es müßte denn jemand sagen: Weil jedes in Beziehung auf sich selbst unteilbar ist. Dies aber ist eben seine Einheit, und dies ist bei allem gemeinschaftlich und kurz anzugeben. Wohl aber würde man untersuchen, weshalb der Mensch ein so und so beschaffenes Lebewesen ist. Dann ist aber offenbar, daß man nicht untersucht, warum der Mensch Mensch ist, vielmehr weshalb etwas einem anderen zukommt. Daß es ihm aber zukommt, muß offenbar sein, wo nicht, so würde man gar nichts zu untersuchen haben. Z. B. weshalb donnert es? heißt: weshalb entsteht ein Schall in den Wolken? Also ist der Gegenstand der Untersuchung, weshalb etwas einem anderen zukommt. Und ebenso: weshalb ist dies, z. B. Ziegel und Steine, ein Haus? Es ist also offenbar, daß man nach der Ursache fragt – dies ist, um es allgemein begrifflich auszudrücken, das Sosein –, welche bei einigen der Zweck ist, z. B. etwa beim Haus oder Bett, bei anderen aber das erste Bewegende; denn auch dieses ist Ursache. Aber eine solche Ursache sucht man beim Entstehen und Vergehen, die andere auch beim Sein. (b) Der Gegenstand der Untersuchung ist dann besonders dunkel, wenn die Frage nicht so ausgedrückt ist, daß etwas von einem anderen ausgesagt wird, wie wenn man fragt, was der Mensch ist, weil dies einfach und schlechthin ausgedrückt ist, aber man nicht näher unterscheidet, daß dieses Ding das und das ist. Man muß aber erst näher gliedern, ehe man die Untersuchung anstellt; wo nicht, so wird es dassel-
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be bedeuten, nichts zu untersuchen und etwas zu untersuchen. Indem aber das Sein gegeben und vorausgesetzt sein muß, so geht die Untersuchung offenbar darauf, weshalb der Stoff dieses Bestimmte ist. Z. B. weshalb ist dies ein Haus? Weil ihm das zukommt, worin das Wesen eines Hauses besteht. Warum ist dieser ein Mensch? Oder: worin hat dieser Körper diese bestimmte Beschaffenheit? Man sucht also die Ursache für den Stoff, diese ist die Form, durch welche er etwas Bestimmtes ist, und das ist das Wesen. Daher ist denn offenbar, daß bei dem Einfachen keine Untersuchung und keine Lehre stattfindet, sondern eine andere Art der Erforschung. (c) Dasjenige, was so zusammengesetzt ist, daß das Ganze eines ist, nicht wie ein Haufen, sondern wie die Silbe, ist nicht nur seine Elemente. Die Silbe nämlich ist nicht einerlei mit ihren Elementen (Buchstaben), das ba nicht einerlei mit b und a, ebensowenig Fleisch mit Feuer und Erde; denn nach der Auflösung ist das eine nicht mehr, z. B. das Fleisch und die Silbe, die Sprachelemente (Buchstaben) aber sind noch, und ebenso das Feuer und die Erde. Also ist die Silbe etwas außer diesen, nicht bloß nämlich die Sprachelemente, Vokale und Konsonanten, sondern auch noch etwas anderes, und das Fleisch ist nicht nur Feuer und Erde oder Warmes und Kaltes, sondern auch etwas anderes. Ist es nun notwendig, daß jenes andere entweder Element sei oder aus Elementen bestehe, so wird, wenn man annimmt, es sei Element, sich derselbe Fall wiederholen; aus diesem Element nämlich und aus Feuer und Erde wird das Fleisch bestehen und noch aus etwas anderem, so daß es ins Unendliche fortgehen würde. Besteht es aber aus Element, so wird es offenbar nicht aus einem, sondern aus mehreren bestehen als jenes selbst, so daß wir hier wieder dasselbe zu sagen haben würden, wie bei dem Fleisch oder der Silbe. Man wird daher die Ansicht fassen, daß dies etwas Bestimmtes sei und nicht Element, und daß es Ursache davon sei, daß dies Fleisch ist und dies Silbe. Ähnlich verhält es sich auch bei den übrigen. Das aber nun ist das Wesen eines jeden; denn dieses ist die erste Ursache des Seins. Manche Dinge nun freilich sind nicht
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Wesen; bei allen aber, die naturgemäß oder durch die Natur als Wesen bestehen, würde sich diese Natur als Wesen zeigen, die nicht Element ist, sondern Prinzip. Element aber ist das, worin etwas als in seinen immanenten Stoff zerlegt wird; z. B. Element der Silbe ist das a und das b.
BUCH VIII
1. (a) Aus dem Gesagten müssen wir nun Schlußfolgerungen ziehen und die Hauptpunkte vereinigend das Ganze zu Ende führen. Es ist also gesagt, daß die Ursachen, die Prinzipien und die Elemente der Wesen Gegenstand der Forschung sind. Von den Wesen aber sind einige allgemein von allen anerkannt, über manche dagegen haben einige eigentümliche Ansichten ausgesprochen. Allgemein anerkannt sind die natürlichen Wesen, z. B. Feuer, Erde, Wasser, Luft und die anderen einfachen Körper, ferner die Pflanzen und ihre Teile, und die Lebewesen und die Teile der Lebewesen, und endlich der Himmel und die Teile des Himmels; nach eigentümlicher Ansicht dagegen setzen manche als Wesen die Ideen und die mathematischen Dinge. Anderes ergibt sich als Wesen aus der Untersuchung, nämlich das Sosein und das Zugrundeliegende. Ferner ergibt sich aus einer anderen Betrachtung, daß die Gattung mehr Wesen ist als die Arten, und das Allgemeine mehr als das Einzelne. Mit dem Allgemeinen und der Gattung stehen auch die Ideen in naher Berührung; denn aus demselben Grunde gelten sie für Wesen. Da aber das Sosein Wesen ist, und sein Begriff Wesensdefinition, so sind auch über die Wesensdefinition und das An-sich nähere Bestimmungen gegeben. Und da die Wesensdefinition ein Begriff ist, der Begriff aber Teile hat, so war es notwendig, auch hinsichtlich des Teiles zu sehen, welches Teile des Wesens und somit auch der Wesensdefinition sind, und welches nicht. Ferner ist weder das Allgemeine noch die Gattung Wesen. Über die Ideen und die mathematischen Dinge sind späterhin genauere Untersuchungen anzustellen; denn einige setzen diese als Wesen außer den sinnlichen Wesen. (b) Jetzt aber wollen wir auf die allgemein anerkannten Wesen eingehen. Dies sind die sinnlichen; die sinnlichen Wesen aber haben alle einen Stoff. Wesen aber ist das Zugrundeliegende, in einem Sinne der Stoff (unter
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Stoff verstehe ich nämlich dasjenige, was, ohne der Wirklichkeit nach ein bestimmtes Etwas zu sein, doch der Möglichkeit nach ein bestimmtes Etwas ist), in anderem Sinne der Begriff und die Gestalt, welche als ein individuell bestimmtes Etwas dem Begriff nach abtrennbar ist. Ein Drittes ist das aus beiden Hervorgehende, bei dem allein Entstehen und Vergehen stattfindet und welches schlechthin selbständig abtrennbar ist; denn von den begrifflichen Wesen sind einige selbständig abtrennbar, andere nicht. – (c) Daß aber auch der Stoff Wesen ist, ist offenbar, da bei allen gegensätzlichen Veränderungen etwas vorhanden ist, das den Veränderungen zugrunde liegt, z. B. bei den Ortsveränderungen das, was jetzt hier und dann woanders ist, bei den Größenveränderungen, was jetzt so groß ist und dann wieder kleiner oder größer, bei den Beschaffenheitsveränderungen das jetzt Gesunde und dann wieder Kranke. Ähnlich auch bei den Wesenheitsveränderungen das jetzt im Entstehen, dann wieder im Vergehen Begriffene, und jetzt als bestimmtes Etwas, dann wieder der Formberaubung nach Zugrundeliegende. Mit dieser Veränderung sind auch die anderen mitgesetzt; aber mit einer oder zweien von den übrigen ist diese nicht mitgesetzt. Denn wenn etwas den der Ortsveränderung zugrunde liegenden Stoff hat, so ist es nicht notwendig, daß es darum auch den der Entstehung und Vergehung zugrunde liegenden habe. 2. (a) Was nun der Unterschied ist zwischen Werden schlechthin und Werden nicht-schlechthin, ist in den Physik-Schriften gesagt. Da aber das Wesen, welches als Substrat und Stoff besteht, allgemein anerkannt wird, und dies das dem Vermögen nach existierende Wesen ist, so bleibt uns noch übrig zu sagen, welches denn das der Wirklichkeit nach bestehende Wesen der sinnlichen Dinge ist. Demokritos nun scheint drei Unterschiede anzunehmen; der zugrunde liegende Körper nämlich, der Stoff, behauptet er, sei eines und dasselbe, er unterscheide sich aber teils der Bildung, d. h. der Gestalt nach, teils nach der Wendung, d. h. der Stellung nach, teils der Berührung, d. h. der Ordnung nach. Offenbar aber sind ja der
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Verschiedenheiten viele; manches z. B. wird als verschieden bezeichnet nach der Zusammensetzung des Stoffes; so alles, was durch Mischung entsteht, wie der Honigtrank, oder durch Bindung, z. B. das Bündel, oder durch Leim, z. B. das Buch, oder durch Nägel, z. B. die Kiste, oder durch mehreres von diesem zugleich; anderes nach der Stellung, z. B. Unterschwelle und Oberschwelle (denn diese unterscheiden sich durch die bestimmte Lage); anderes der Zeit nach, z. B. Abendmahlzeit und Frühstück; anderes dem Orte nach, z. B. die Winde; anderes nach den Affektionen des Sinnlichen, z. B. der Härte und Weichheit, der Dichtigkeit und Dünnheit, der Trockenheit und Nässe; manches unterscheidet sich nach einigen dieser Gesichtspunkte; anderes nach diesen allen und überhaupt teils nach Überfluß, teils nach Mangel. Offenbar wird daher auch das „Ist“ in ebenso vielen Bedeutungen ausgesagt; Unterschwelle nämlich ist etwas, weil es so liegt, und das Sein bezeichnet: so und so liegen, so wie Eis-sein bedeutet: so und so verdichtet sein. Bei manchen wird auch das Sein durch alle diese Momente bestimmt sein, indem es teils gemischt, teils vermengt, teils gebunden, teils verdichtet, teils durch die anderen Unterschiede bestimmt ist, wie die Hand oder der Fuß. Man muß also die allgemeinen Gattungen dieser Unterschiede herausheben, weil diese die Prinzipien des Seins sein müssen, z. B. dasjenige, was durch das Mehr und Minder, Dicht und Dünn und anderes der Art bestimmt ist; alles dies nämlich kommt zurück auf Überfluß und Mangel. Was aber durch Gestalt oder durch Glätte und Rauheit bestimmt ist, das kommt alles auf Gerade und Krumm zurück. Für manches wird das Sein in der Mischung bestehen, und das Nichtsein im Gegenteil. (b) Hieraus ist also offenbar, daß, wenn das Wesen Ursache davon ist, daß ein jedes ist, man in diesen Unterschieden die Ursache zu suchen hat, weshalb ein jedes dieser Dinge ist. Wesen nun ist freilich nichts von diesen, auch nicht in seiner Verbindung mit dem Stoff, indes findet sich doch etwas demselben Analoges in jedem. (c) Und wie bei den Wesen dasjenige, was vom Stoff ausgesagt wird, die Wirklichkeit selbst ist, so ist auch bei den anderen Begriffsdefinitionen hierauf der
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größte Nachdruck zu legen. Z. B. wenn man den Begriff der Unterschwelle angeben sollte, so würde man sagen: ein in dieser bestimmten Lage befindliches Holz oder Stein, und würde in gleicher Weise ein Haus definieren als Ziegelsteine und Holz in dieser bestimmten Lage (bei manchem kommt auch wohl noch der Zweck hinzu). Ebenso Eis als Wasser in dieser bestimmten Weise konsolidiert oder verdichtet, Harmonie als diese bestimmte Verbindung von hohen und tiefen Tönen, und in gleicher Weise auch bei dem übrigen. (d) Hieraus ist denn offenbar, daß bei verschiedenem Stoff auch die Wirklichkeit und der Begriff verschieden sind; bei einigem nämlich besteht die Wirklichkeit in der Zusammensetzung, bei anderem in der Mischung, bei anderem in etwas anderem von den angeführten Momenten. Wenn daher bei der Definition eines Hauses einige angeben, es sei Steine, Ziegel, Holz, so meinen sie das Haus dem Vermögen nach; denn jene Dinge sind der Stoff desselben; und wenn andere es als einen bedeckenden Schutz für Körper und Sachen bezeichnen oder noch andere Bestimmungen der Art hinzufügen, so meinen sie die Wirklichkeit; wer aber beides verbindet, der meint das dritte aus diesen beiden hervorgehende Wesen. Es scheint nämlich der durch die Artunterschiede hindurchgehende Begriff mehr die ArtForm und die Wirklichkeit zu treffen, der aus den Bestandteilen gebildete mehr den Stoff. Ähnlich verhält es sich auch mit den Definitionen, welche Archytas als richtig anerkannte; sie enthalten nämlich die Verbindung von beiden. Z. B. was ist Windstille? Ruhe in der Masse der Luft; hier ist nämlich Stoff die Luft, Wirklichkeit und Wesen aber die Ruhe. Was ist Meeresruhe? Ebenheit des Meeres; stoffliches Substrat ist hier das Meer, die Wirklichkeit und Art-Form aber ist die Ebenheit. Hieraus ist denn offenbar, was das sinnliche Wesen ist und in welcher Weise es besteht; das eine nämlich als Stoff, das andere als Art-Form und Wirklichkeit; das dritte Wesen ist das aus beiden hervorgehende. 3. (a) Man darf aber nicht unbemerkt lassen, daß es zuweilen zweifelhaft ist, ob ein Name das zusammengesetzte (konkre-
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te) Wesen bezeichnet oder die Wirklichkeit und die Art-Form, z. B. ob Haus das verbundene Ganze bezeichnet, nämlich eine aus so und so liegenden Ziegeln und Steinen gemachte Bedeckung, oder nur die Wirklichkeit und die Form, nämlich eine Bedeckung, und ob Linie bezeichnet Zweiheit in der Länge oder Zweiheit, und ob Lebewesen bezeichnet Seele in einem Körper oder Seele; denn diese ist das Wesen und die Wirklichkeit irgendeines Körpers. Für beides würde der Name Lebewesen passen, nicht als ob der Begriff derselbe wäre, sondern weil es zu einem und demselben gehört. Doch dies ist zwar in anderen Beziehungen von Bedeutung, aber nicht für die Erforschung des sinnlichen Wesens; denn das Sosein kommt der Art-Form und der Wirklichkeit zu. Denn Seele und Seele-sein ist dasselbe, Mensch-sein aber und Mensch ist nicht dasselbe, wenn man nicht etwa auch die Seele Mensch nennen will; dann würde es in gewissem Sinne dasselbe sein, in gewissem Sinne wieder nicht. (b) Bei näherer Untersuchung zeigt sich, daß die Silbe nicht besteht aus den Sprachelementen (Buchstaben) und der Zusammensetzung, und ebenso das Haus nicht Ziegel und Zusammensetzung ist. Und das ist ganz richtig. Denn die Zusammensetzung und Mischung ist nicht selbst eines von den Elementen, deren Zusammensetzung und Mischung sie ist. Auf ähnliche Weise verhält es sich auch bei allem übrigen; z. B. wenn die Unterschwelle durch ihre Lage ist, was sie ist, so ist nicht die Lage aus der Unterschwelle, sondern die Unterschwelle aus der Lage. So ist also auch der Mensch nicht Lebewesen und Zweifüßiges, sondern, wenn dies der Stoff ist, so muß noch neben diesem etwas vorhanden sein, was aber weder Element ist, noch aus Elementen besteht, sondern das Wesen ist; dies lassen manche außer acht und sprechen nur vom Stoff. Wenn nun dies die Ursache des Seins und des Wesens ist, so kann man es wohl das Wesen selbst nennen. Notwendig muß dieses nun entweder ewig sein oder vergänglich ohne zu vergehen und geworden ohne zu werden. Es ist aber in einem anderen Abschnitte bewiesen und erklärt, daß niemand die Form macht oder erzeugt, sondern ein bestimmter Stoff
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gebildet wird, und so dasjenige entsteht, was aus beiden, Stoff und Form, zusammengesetzt ist. (c) Ob die Wesen der vergänglichen Dinge selbständig abtrennbar sind, ist noch nicht klar; nur das ist klar, daß dies bei einigen nicht möglich ist, nämlich bei allem, was nicht außer dem Einzelnen sein kann, z. B. Haus, Gerät. Vielleicht sind aber eben diese nicht einmal Wesen, sowenig wie irgend etwas anderes, was nicht von Natur besteht; denn die Natur hat man wohl als das einzige Wesen in dem Vergänglichen anzusehen. (d) So hat denn der Zweifel eine gewisse Berechtigung, welchen die Anhänger des Antisthenes und die in dieser Weise Ungebildeten vorbrachten, es sei nämlich nicht möglich zu definieren, was etwas ist, da die Definition durch eine Reihe von Worten geschehe, sondern man könne nur bestimmen und lehren, wie beschaffen etwas ist; vom Silber z. B. lasse sich nicht angeben, was es ist, sondern nur, daß es wie Zinn ist. Danach ist denn von einigen Wesen Definition und Begriff möglich, z. B. von den zusammengesetzten (Dingen), mögen diese sinnlich wahrnehmbar oder nur denkbar sein; nicht möglich dagegen von denen, aus welchen als ihren ersten Bestandteilen diese bestehen, sofern ja der definierende Begriff etwas von etwas aussagt und das eine die Stelle des Stoffes, das andere die der Form einnehmen muß. (e) Offenbar ist aber auch, daß die Wesen, wenn sie gewissermaßen Zahlen sind, es in diesem Sinne sind und nicht, wie einige behaupten, als aus Einheiten bestehend. Die Wesensdefinition ist nämlich eine Art von Zahl, da sie teilbar ist in Unteilbares (denn die Begriffe sind nicht unendlich), und von derselben Art ist auch die Zahl. Und wie eine Zahl, wenn man von ihren Bestandteilen etwas wegnimmt oder zu ihnen hinzusetzt, mag man auch noch so wenig wegnehmen oder zusetzen, nicht mehr dieselbe, sondern eine andere ist, so wird auch die Wesensdefinition und das Sosein nicht mehr dasselbe sein, wenn etwas weggenommen oder hinzugetan ist. Ferner muß es für die Zahl etwas geben, wodurch sie Eines ist (freilich können sie jetzt aber nicht angeben, wodurch sie Eines ist, sofern sie es ist; entweder aber ist sie nicht Eines, sondern nur eine Anhäufung, oder wenn sie es ist, muß man angeben,
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was es dann ist, das aus vielem eines macht), und ebenso ist die Wesensdefinition eine; aber auch hier können sie das Vereinigende nicht angeben. Und das ist ganz natürlich; denn es hängt von demselben Grunde ab, und das Wesen ist eines, nicht weil es, wie manche behaupten, eine Einheit oder ein Punkt ist, sondern weil jedes Wesen Wirklichkeit und Natur ist. Und wie die Zahl kein mehr und minder hat, so auch nicht das Wesen der Art-Form nach, sondern, sofern überhaupt, das mit dem Stoff verbundene. – So weit denn die Bestimmungen über Entstehen und Vergehen dessen, was man als Wesen bezeichnet, inwiefern es möglich ist, inwiefern unmöglich, sowie auch über die Zurückführung der Wesen auf Zahlen. 4. (a) Hinsichtlich des stofflichen Wesens darf man nicht übersehen, daß, wenngleich alles aus demselben ersten Prinzip oder denselben ersten Prinzipien hervorgeht, und derselbe Stoff als Prinzip allem Entstehenden zugrunde liegt, es dennoch einen eigentümlichen Stoff für jedes Einzelne gibt; z. B. für den Schleim ist der nächste Stoff das Süße und Fettige, für die Galle das Bittere oder irgend etwas anderes. Vielleicht geht aber dieses aus demselben hervor. Mehrere Stoffe desselben Dinges ergeben sich dann, wenn der eine der Stoff des anderen ist; z. B. der Schleim entsteht aus Fettigem und Süßem, wenn das Fettige aus dem Süßen entsteht: aus Galle aber entsteht Schleim, insofern die Galle in ihren ersten Stoff aufgelöst wird. Denn auf zweierlei Weise wird eines aus dem anderen, entweder durch fernere Entwicklung oder durch Auflösung in die Grundlage (Prinzip). (b) Aus einem und demselben Stoffe kann Verschiedenes entstehen durch die bewegende Ursache, z. B. aus Holz sowohl eine Kiste wie eine Bettstelle. Manches Verschiedene dagegen verlangt notwendig einen verschiedenen Stoff; eine Säge z. B. kann nicht aus Holz gemacht werden, und das hängt nicht von der bewegenden Ursache ab; denn sie kann nie eine Säge aus Wolle oder Holz machen. Wo aber dasselbe aus verschiedenem Stoff hervorgehen kann, da muß notwendig die Kunst und das bewegende Prinzip dasselbe sein;
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denn wäre sowohl der Stoff als auch das Bewegende verschieden, so würde es auch das daraus Gewordene sein. (c) Fragt man nun nach der Ursache, so muß man, da Ursache in mehreren Bedeutungen gebraucht wird, alle möglichen Ursachen angeben. Z. B. beim Menschen: welches ist die stoffliche Ursache? Etwa die Menstruation. Welches die bewegende? Etwa der Same. Welches die formbestimmende? Das Sosein. Welches das Weswegen? Der Zweck. Vielleicht ist aber dies beides dasselbe. Man muß aber dabei die nächsten Ursachen angeben, bei der Frage nach dem Stoff nicht Feuer und Erde, sondern den eigentümlichen Stoff. (d) Bei den natürlichen und entstehenden Wesen muß man also, will man die Untersuchung richtig anstellen, auf diese Weise untersuchen, sofern ja diese und so viele Ursachen vorhanden sind und die Ursachen erkannt werden sollen; dagegen bei den natürlichen, aber ewigen Wesen verhält es sich anders. Manche davon haben nämlich wohl keinen Stoff, oder wenigstens nicht einen solchen wie die entstehenden, sondern nur einen der Ortsveränderung zugrunde liegenden. Und ebensowenig gibt es bei alledem, was zwar durch die Natur, aber nicht als Wesen existiert, einen Stoff, sondern das Zugrundeliegende ist das Wesen. Z. B. was ist die Ursache der Mondfinsternis? Was ihr Stoff? Es gibt keinen, sondern der Mond ist es, der die Affektion erfährt. Was ist die bewegende und das Licht hemmende Ursache? Die Erde. Eine Zweckursache ist dabei vielleicht nicht vorhanden. Die Ursache der Art-Form nach ist der Begriff; doch bleibt dieser dunkel, wenn er nicht den Grund mit enthält. Z. B. was ist Mondfinsternis? Beraubung des Lichtes. Wenn man aber hinzusetzt:, durch das Dazwischentreten der Erde’, so ist dies der die Ursache in sich schließende Begriff. Bei dem Schlafe ist undeutlich, was es denn ist, woran zunächst diese Affektion sich findet. Etwa das Lebewesen. Gut, aber inwiefern dieses? Und was ist das Erste? Das Herz oder etwas anderes. Ferner, wodurch ist es affiziert? Welches ist die Affektion jenes Teiles und nicht des Ganzen? Diese bestimmte Bewegungslosigkeit. Gut, aber aus welcher Affektion des ersten Leidenden ging diese hervor?
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5. (a) Da aber einiges ohne Entstehen und Vergehen ist und nicht ist, z. B. die Punkte, sofern sie überhaupt sind, und überhaupt die Formen (denn nicht das Weiße wird, sondern das Holz wird weiß, wenn überhaupt alles Werdende aus etwas und zu etwas wird), so kann nicht alles Konträre auseinander werden, sondern in anderem Sinne wird der weiße Mensch aus dem schwarzen und Weiß aus Schwarz, und nicht von allem gibt es einen Stoff, sondern von dem, was auseinander entsteht und ineinander übergeht. Von allem dem aber, was ohne Übergang ist und nicht ist, gibt es keinen Stoff. (b) Eine schwierige Frage aber ist, wie sich zu dem Konträren der Stoff eines jeden Dinges verhält. Z. B. wenn der Körper dem Vermögen nach gesund, die Krankheit aber der Gesundheit konträr entgegengesetzt ist, ist dann der Körper beides dem Vermögen nach? Und ist das Wasser dem Vermögen nach Wein und Essig? Des einen Stoff ist er wohl der Beschaffenheit und Form nach, des anderen der Formberaubung (Privation) und dem widernatürlichen Vergehen nach. (c) Eine Schwierigkeit liegt auch darin, weshalb der Wein nicht der Stoff des Essigs und dem Vermögen nach Essig ist, obgleich doch Essig aus ihm wird, und der Lebende nicht dem Vermögen nach tot. Vielmehr ist wohl das Verderben nur etwas Akzidentelles, der Stoff selbst aber des Lebenden ist, insofern er vergeht, das Vermögen und der Stoff des Toten, und das Wasser des Essigs. Denn aus diesen entstehen sie, wie aus dem Tag die Nacht. Und was also auf diese Weise ineinander übergeht, muß erst zum Stoff zurückkehren; z. B. wenn aus einem Toten ein Lebender werden soll, muß er zuerst in den Stoff zurückkehren, und aus diesem wird ein Lebendes, und so der Essig in Wasser, und aus diesem wird Wein. 6. (a) Um aber auf die erwähnte Schwierigkeit hinsichtlich der Wesensdefinition und der Zahlen zurückzukommen: Was ist die Ursache, daß sie eines sind? Denn bei allem, was mehrere Teile hat und als Ganzes nicht wie eine bloße Anhäufung besteht, sondern wo das Ganze etwas außer den Teilen ist, gibt es eine Ursache der Einheit; wie ja auch bei den Körpern bald Berührung Ursache der Einheit ist, bald Klebrigkeit, bald ir-
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gendeine andere Affektion dieser Art. Die Wesensdefinition aber ist eine, nicht durch Verbindung, wie etwa die Ilias, sondern dadurch, daß sie Wesensdefinition von Einem ist. Was ist es nun also, was den Menschen zu Einem macht? Wodurch ist er Eines und nicht Vieles, z. B. lebendes Wesen und Zweifüßiges, zumal wenn es, wie einige behaupten, ein Lebewesenan-sich und ein Zweifüßiges-an-sich gibt? Warum ist dann der Mensch nicht jenes beides selbst, nämlich Lebewesen und Zweifüßiges, wonach dann Menschen nicht nur Teilhabe am Menschen-an-sich, noch durch Teilhabe an Einem sein würden, sondern an den beiden, am Lebewesen und am Zweifüßigen? Überhaupt wäre dann der Mensch nicht Eines, sondern Mehreres, nämlich Lebewesen und Zweifüßiges. (b) Wenn man nun den Gang einschlägt, den sie bei ihren Definitionen und Aussagen einzuschlagen pflegen, so ist es offenbar unmöglich, den Grund anzugeben und die Schwierigkeit zu lösen. Ist aber, wie wir behaupten, das eine Stoff, das andere Form, das eine dem Vermögen, das andere der Wirklichkeit nach, so scheint in der Frage gar keine Schwierigkeit mehr zu liegen. Denn die Frage ist dieselbe, wie wenn die Wesensbestimmung von Kleid wäre „rundes Erz“; denn dieser Name würde Zeichen des Begriffes sein, und der Gegenstand der Frage ist also, was denn die Ursache davon ist, daß das Erz und das Runde Eines sind. Diese Schwierigkeit aber verschwindet, da das eine Stoff, das andere Form ist. Dafür nun, daß das dem Vermögen nach Seiende der Wirklichkeit nach ist, ist da, wo ein Werden stattfindet, nichts anderes als das Hervorbringende Ursache. Denn dafür, daß die Kugel dem Vermögen nach Kugel in Wirklichkeit ist, gibt es keine andere Ursache, sondern dies war eben das Sosein für ein jedes von beiden. Der Stoff aber ist teils denkbar, teils sinnlich wahrnehmbar, und immer ist im Begriff das eine Stoff, das andere Wirklichkeit, z. B. der Kreis eine „ebene Figur“. (c) Was aber keinen Stoff hat, weder denkbaren, noch sinnlich wahrnehmbaren, das ist unmittelbar das, was Eines ist, so wie auch das, was Seiendes ist, nämlich das bestimmte Etwas, das Qualitative, das Quantitative. Darum findet sich auch in den Wesensdefinitionen weder das Seien-
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de noch das Eine, und das Sosein ist unmittelbar ein Eines so wie auch ein Seiendes. Darum gibt es auch für keines unter diesen eine andere Ursache, weshalb es ein Eines oder ein Seiendes ist; denn unmittelbar ist jedes ein Seiendes und ein Eines, nicht als ob sie im Seienden und im Einen als den allgemeinen Gattungsbegriffen enthalten wären, noch auch als ob diese selbständig abtrennbar neben dem Einzelnen existierten. (d) Wegen dieser Schwierigkeit sprechen einige von einer Teilhabe, aber was denn die Ursache dieser Teilhabe und was das Teilhaben selbst bedeute, darüber sind sie in Verlegenheit; andere behaupten ein Zusammensein, wie Lykophron, der sagt, die Wissenschaft sei ein Zusammensein des Wissens und der Seele; andere sehen das Leben als eine Zusammensetzung oder Verbindung der Seele mit dem Leibe an. Und doch ist in allen Fällen dasselbe Verhältnis. Das Gesundsein nämlich müßte ein Zusammensein oder eine Verknüpfung oder eine Verbindung sein der Seele und Gesundheit, und daß das Erz dreieckig ist, (dies bedeute) eine Zusammensetzung von Erz und dreieckig, und daß etwas weiß ist, eine Zusammensetzung von Fläche und Weiße. Der Grund dieser Ansichten und Zweifel aber liegt darin, daß man für Vermögen und Wirklichkeit nach einem Einheit bringenden Begriff und einem Unterschied sucht. Es ist aber vielmehr, wie gesagt, der nächste Stoff und die Form dasselbe, nur das eine dem Vermögen, das andere der Wirklichkeit nach. Also verhält es sich mit jener Frage geradeso, wie wenn man bei dem Einen selbst nach dem Grund fragen wollte, weshalb es eines ist; denn ein jedes ist ein Eines, und das dem Vermögen nach Seiende ist mit dem in Wirklichkeit Seienden in gewisser Weise einerlei. Es gibt also weiter keine Ursache als die von dem Vermögen zur Wirklichkeit bewegende. Was aber keinen Stoff hat, das ist schlechthin das, was Eines ist.
BUCH IX
1. (a) Über das nun, was im eigentlichen Sinne seiend ist und worauf alle anderen Aussageweisen (Kategorien) des Seienden zurückgeführt werden, ist gehandelt worden, nämlich über das Wesen. Nach dem Begriff des Wesens nämlich wird alles übrige als seiend bezeichnet, das Quantitative, das Qualitative und das übrige in dieser Weise Ausgesagte; denn dies alles muß, wie wir in den obigen Erörterungen gesagt haben, den Begriff des Wesens enthalten. Da nun das Seiende einmal als ein Was oder ein Qualitatives oder ein Quantitatives, andererseits nach Vermögen (Möglichkeit) und Vollendung (Wirklichkeit) und nach dem Werk bezeichnet wird, so wollen wir auch über Vermögen und Vollendung genauere Bestimmungen geben. Und zuerst über Vermögen in der Bedeutung, die zwar die eigentlichste, aber für unseren gegenwärtigen Zweck nicht die dienlichste ist; denn Vermögen und Wirklichkeit erstrecken sich weiter als nur auf das in Bewegung Befindliche. Doch nachdem wir über Vermögen in dieser Bedeutung werden gesprochen haben, wollen wir bei den Bestimmungen über die Wirklichkeit auch über die übrigen (Bedeutungen) uns erklären. (b) Daß Vermögen und Vermögend-sein in mehreren Bedeutungen gebraucht wird, haben wir schon anderen Ortes abgehandelt. Von diesen Bedeutungen mögen alle diejenigen übergangen werden, welche nach bloßer Namensgleichheit dazu gehören; denn manches heißt nach einer bloßen Ähnlichkeit Vermögen, wie wir in der Geometrie etwas als vermögend oder als unvermögend bezeichnen, weil es auf gewisse Weise ist oder nicht ist. Diejenigen Vermögen aber, welche derselben Art angehören, sind alle gewisse Prinzipien und heißen so nach ihrer Beziehung auf ein erstes Vermögen, welches ein Prinzip ist der Veränderung in einem anderen oder in ein und demselben, insofern es ein anderes ist. So gibt es nämlich ein Vermögen des Leidens als ein in dem Leidenden
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selbst innewohnendes Prinzip des Leidens von einem anderen oder insofern es ein anderes ist. Ein anderes dagegen ist ein Zustand der Unfähigkeit zum Schlechteren bestimmt und von einem anderen, oder insofern es ein anderes ist, als von einem Veränderungsprinzip vernichtet zu werden. In allen diesen Begriffen findet sich nämlich der Begriff des ersten Vermögens. Ferner werden diese als Vermögen bezeichnet entweder bloß des Tuns oder Leidens oder des auf richtige Weise Tuns und Leidens; also auch in den Begriffen dieser Vermögen finden sich gewissermaßen die Begriffe der früheren Vermögen. (c) Hieraus erhellt also, daß in gewissem Sinne das Vermögen des Tuns und des Leidens eines ist (denn vermögend ist etwas, sowohl weil es selbst das Vermögen hat zu leiden, wie auch weil ein anderes das Vermögen hat, von ihm zu leiden), in gewissem Sinne ein anderes ist. Das eine findet sich nämlich in dem Leidenden; denn darum, weil es ein gewisses Prinzip hat und weil der Stoff selbst ein gewisses Prinzip ist, leidet das Leidende und anderes von anderem. Das Fette nämlich ist brennbar, das auf diese bestimmte Weise Nachgebende zerbrechbar, und in ähnlicher Weise auch bei dem übrigen. Das andere Vermögen dagegen ist in dem Tätigen, z. B. das Warme und die Baukunst, das eine in dem Wärmenden, das andere in dem Baukundigen. Sofern daher beides von Natur vereinigt ist, leidet es nichts durch sich selbst, denn es ist dann nur Eines und nicht ein anderes. (d) Unvermögen und unvermögend ist die einem solchen Vermögen entgegengesetzte Privation; also hat jedesmal Vermögen und Unvermögen dasselbe Objekt und auf dieselbe Weise. Von Privation aber spricht man in mehreren Bedeutungen; denn man schreibt sie sowohl dem zu, was etwas nicht hat, wie dem, was etwas nicht hat, obgleich es dazu von Natur geeignet ist, entweder wenn es überhaupt, oder wenn es zu der Zeit, wo es zu haben geeignet ist, dasselbe nicht hat, und entweder wenn es auf eine bestimmte Weise, z. B. ganz und gar, oder auch wenn es auf irgendeine beliebige Weise dasselbe nicht hat. In manchen Fällen schreiben wir Privation dem zu, das, von Natur geeignet etwas zu haben, durch erlittene Gewalt dasselbe nicht hat.
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2. (a) Da nun einige Prinzipien dieser Art sich in dem Unbeseelten finden, andere in dem Beseelten und der Seele, und in dem vernünftigen Teil der Seele, so müssen offenbar auch von den Vermögen einige unvernünftig sein, andere mit Vernunft verbunden. Alle Künste daher und die hervorbringenden Wissenschaften sind Vermögen; denn sie sind Prinzipien der Veränderung in einem anderen, oder insofern es ein anderes ist. Und zwar geht von den mit Vernunft verbundenen Vermögen je ein und dasselbe auf das Entgegengesetzte, die unvernünftigen dagegen gehen jeweils nur auf ein Objekt; z. B. das Warme ist nur Vermögen des Wärmens, die Heilkunst dagegen ist das Vermögen der Krankheit und der Gesundheit. (b) Der Grund davon liegt darin, daß die Wissenschaft Begriff ist; der Begriff aber erklärt die Sache und deren Privation, nur nicht auf gleiche Weise, und geht in gewissem Sinne auf beides, in gewissem Sinne wiederum mehr auf das Seiende. Also müssen notwendig auch die so beschaffenen Wissenschaften zwar auf das Entgegengesetzte gehen, aber auf das eine Glied des Gegensatzes an sich, auf das andere nicht an sich; denn auch der Begriff geht auf das eine an sich, auf das andere nur gewissermaßen in akzidentellem Sinne. Denn nur durch Verneinung und Hinwegnahme erklärt er das Entgegengesetzte. Denn die Privation im eigentlichsten Sinne ist das Entgegengesetzte (Konträre), diese ist aber eine Entziehung des anderen, (c) Da nun Entgegengesetztes nicht in demselben Ding sich findet, die Wissenschaft aber insofern Vermögen ist, als sie den Begriff besitzt, und da die Seele Prinzip der Bewegung ist: so ergibt sich, daß während das Gesunde nur Gesundheit, das Wärmende nur Wärme, das Kältende nur Kälte macht, der die Wissenschaft Besitzende dagegen beides hervorbringt. Denn der Begriff geht auf beides, aber nicht auf gleiche Weise, und ist in der Seele, welche das Prinzip der Bewegung hat; diese wird also von demselben Prinzip aus und an dasselbe anknüpfend beides in Bewegung setzen. Daher bringt das nach Begriffen Vermögende das Entgegengesetzte hervor im Vergleich zu dem ohne Begriff Vermögenden, denn in einem Prinzip, dem Begriff, wird das Entgegengesetzte umfaßt. (d)
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Ferner ist auch offenbar, daß mit dem Vermögen, richtig zu tun oder zu leiden, das Vermögen des bloßen Tuns oder Leidens mitgesetzt ist, aber nicht immer mit diesem auch jenes; denn wer etwas richtig tut, muß es notwendig auch tun, aber wer etwas bloß tut, braucht es nicht notwendig auf richtige Weise zu tun.
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3. (a) Es gibt einige wie die Megariker, welche behaupten, ein Ding habe nur dann ein Vermögen, wenn es wirklich tätig sei, wenn jenes aber nicht wirklich tätig sei, habe es auch das Vermögen nicht; z. B. derjenige, der eben nicht baut, vermöge auch nicht zu bauen, sondern nur der Bauende, während er baut, und in gleicher Weise in den anderen Fällen. (b) In welche unstatthaften Folgen diese geraten, ist nicht schwer zu sehen. Denn offenbar könnte hiernach niemand Baumeister sein, wofern er nicht eben baut; denn Baumeister sein bedeutet ja vermögend sein, ein Haus zu bauen; und gleicherweise bei den übrigen Künsten. Wenn es nun unmöglich ist solche Künste zu besitzen, ohne sie vorher gelernt und erworben, und sie nicht zu besitzen, ohne sie einmal verloren zu haben (nämlich entweder durch Vergessenheit oder durch eine Affektion und durch die Länge der Zeit; denn gewiß doch nicht durch den Untergang der Kunst selbst; denn sie ist ewig), sollte dann jemand, sobald er aufhört tätig zu sein, die Kunst nicht mehr haben? Und indem er sogleich wieder baut, auf welche Weise sollte er sie erworben haben? Das gleiche würde auch für die unbeseelten Dinge gelten. Denn es könnte nichts kalt oder warm oder süß oder überhaupt sinnlich wahrnehmbar sein ohne Wahrnehmenden; womit sie denn in die Lehre des Protagoras geraten würden. Ja es könnte auch nichts sinnliche Wahrnehmung haben, sofern es nicht eben sinnlich wahrnimmt und wirklich tätig ist. Wenn nun blind dasjenige ist, was kein Sehvermögen hat, obgleich es dazu von Natur geeignet ist, und zwar zu der Zeit, wann es zu sehen geeignet ist, und während es (dies) noch ist: so müßten dieselben an einem Tage mehrmals blind werden und ebenso taub. – Ferner, wenn das des Vermögens Beraubte unvermögend (unmöglich) ist, so
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müßte das, was nicht geschehen ist, unvermögend sein zu geschehen; wer aber von dem, was unmöglich geschehen kann, sagte, daß es sei oder sein werde, der würde sich täuschen; denn das bedeutete ja eben der Begriff ,unmöglich’. Daher heben diese Lehren auch Bewegung und Werden auf. Denn das Stehende wird immer stehen, das Sitzende immer sitzen; denn unmöglich könnte ja das aufstehen, was nicht vermag aufzustehen. (c) Ist es nun nicht zulässig dies zu behaupten, so sind offenbar Vermögen und wirkliche Tätigkeit voneinander verschieden; jene Lehren aber machen Vermögen und wirkliche Tätigkeit zu einem und demselben und suchen also etwas gar nicht Kleines aufzuheben. Also kann etwas zwar vermögend sein zu sein und doch nicht sein oder vermögend nicht zu sein und doch sein, und ebenso kann auch in den anderen Kategorien etwas z. B. vermögend sein zu gehen und doch nicht gehen, und nicht gehend doch vermögend zu gehen. (d) Vermögend aber ist dasjenige, bei welchem, wenn die wirkliche Tätigkeit dessen eintritt, wessen Vermögen ihm zugeschrieben wird, nichts Unmögliches eintreten wird. Ich meine z. B., wenn etwas vermögend ist zu sitzen, und es möglich ist, daß es sitze, so wird, wenn bei ihm das Sitzen wirklich stattfindet, nichts Unmögliches eintreten; und ebenso, wenn etwas vermag, bewegt zu werden oder zu bewegen, oder zu stehen oder zu stellen, oder zu sein oder zu werden, oder nicht zu sein oder nicht zu werden. Es ist aber der Name der wirklichen Tätigkeit, welcher eine Beziehung hat auf die vollendende Wirklichkeit, besonders von den Bewegungen auch auf das übrige übergegangen; denn für wirkliche Tätigkeit gilt am meisten die Bewegung. Darum schreibt man auch dem, was nicht ist, Bewegtwerden nicht zu, sondern gibt ihm andere Prädikate; man sagt z. B. von dem Nichtseienden, es sei denkbar oder erstrebbar, aber nicht, es sei bewegt. Und dies deshalb, weil es, zwar noch nicht in Wirklichkeit seiend, doch in Wirklichkeit sein wird. Denn von dem Nichtseienden ist einiges dem Vermögen nach; aber es ist nicht, weil es nicht in Wirklichkeit ist.
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4. (a) Wenn aber, wie gesagt, möglich etwas insofern ist, als ihm (die Wirklichkeit) folgt, so kann es offenbar nicht wahr sein, wenn man sagt, das und das sei zwar möglich, aber es werde nicht eintreten, da auf diese Weise die Bedeutung von unmöglich uns ganz entginge. Ich meine z. B., wenn jemand sagte, es sei zwar möglich, daß die Diagonale gemessen werde, doch werde sie niemals gemessen werden, ohne zu bedenken, wie es unmöglich ist, daß etwas als möglich durch nichts gehindert sein soll zu sein oder zu werden und doch nicht sei und nicht sein werde. Vielmehr ergibt sich aus dem oben Festgesetzten, daß, wenn man selbst annähme, es sei etwas oder es sei etwas geworden, das zwar nicht ist, aber doch möglich ist, dadurch keine Unmöglichkeit eintreten würde; das würde aber in jenem Beispiel der Fall sein; denn daß die Diagonale gemessen werde, ist unmöglich. Falsch nämlich und unmöglich ist keineswegs dasselbe; daß du jetzt stehest, ist zwar falsch, aber nicht unmöglich. (b) Zugleich ergibt sich: Wenn unter der Voraussetzung, daß A ist, notwendig auch B sein muß, dann muß auch unter der Voraussetzung, daß A möglich ist, notwendig B möglich sein. Denn wäre es nicht notwendig, daß es möglich sei, so steht nichts im Wege, daß sein Sein unmöglich sei. Nun sei also A möglich. In diesem Falle also, wenn A möglich ist, würde die Annahme, daß A sei, keine Unmöglichkeit ergeben. Dann müßte also notwendig auch B sein. Aber es war unmöglich. Also angenommen, es sei unmöglich. Wenn es nun unmöglich ist, daß B sei, so ist es notwendig auch unmöglich, daß A sei. Das erste (A) aber war möglich, also auch das zweite (B). Ist also A möglich, so muß auch B möglich sein, sofern sich A und B so verhielten, daß mit dem Sein von A notwendig das Sein von B gesetzt ist. Sollte aber, bei solchem Verhältnis von A und B, B nicht in dieser Weise möglich sein, so könnte sich auch A und B nicht so verhalten, wie vorausgesetzt wurde. Und wenn aus der Möglichkeit von A notwendig die Möglichkeit von B folgt, so muß auch, für den Fall, daß A ist, notwendig B sein. Denn wenn man sagt, B müsse notwendig möglich sein, sofern A möglich ist, so bedeutet dies, daß sofern und
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wann und wie es möglich ist, daß A sei, dann und so auch jenes es notwendig sein muß. 5. (a) Indem nun die gesamten Vermögen teils angeboren sind, wie z. B. die Sinne, teils durch Übung (Gewöhnung) erworben, z. B. das Vermögen des Flötenspiels, teils durch Unterricht, wie das Vermögen der Künste: so kann man notwendigerweise diejenigen, welche durch Übung und Vernunft gewonnen werden, nur durch vorausgehende wirkliche Tätigkeit besitzen, bei den anders beschaffenen dagegen und bei dem Vermögen zum Leiden ist dies nicht notwendig. (b) Da das Vermögende etwas vermag und zu bestimmter Zeit und auf bestimmte Weise, und was noch sonst in der Begriffsdefinition zugefügt werden muß, da ferner einiges vernunftmäßig bewegen kann und seine Vermögen mit Vernunft verbunden sind, anderes vernunftlos bewegt und seine Vermögen vernunftlos sind, und da jene Vermögen sich nur in dem Beseelten, diese aber im Beseelten und Unbeseelten finden können: so müssen die vernunftlosen Vermögen, sobald sich so, wie sie vermögend sind, das Tätige und das Leidende nähern, das eine tätig, das andere leidend sein; bei den vernünftigen aber ist dies nicht notwendig. Denn die vernunftlosen Vermögen sind jedes nur einer Tätigkeit fähig, die vernünftigen aber sind des Entgegengesetzten fähig, so daß sie also das Entgegengesetzte zugleich tun würden, was doch unmöglich ist. (c) Also muß etwas anderes das Entscheidende sein; ich meine hierbei das Strebungsvermögen oder den Vorsatz. Denn was das vernünftige Vermögen entscheidend erstrebt, das wird es tun, falls dies dem Vermögen gemäß vorhanden ist und es sich dem des Leidens Fähigen nähert. Das vernunftmäßig Vermögende wird also jedesmal, falls es danach strebt, das tun, dessen Vermögen es hat, und so, wie es das Vermögen hat. Es hat aber das Vermögen zu tun, wenn das Leidensfähige anwesend ist und sich auf bestimmte Weise verhält. Wo nicht, so wird es nicht tätig sein können. Die Bestimmung, daß kein äußeres Hindernis eintrete, braucht man nicht weiter hinzuzufügen; denn es hat das Vermögen zu tun nur in der Weise, wie es Vermögen ist, und dies ist es nicht
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schlechthin, sondern unter bestimmten Umständen, wovon auch schon die äußeren Hindernisse mit ausgeschlossen sein müssen; denn diese heben einiges von dem in der Begriffsdefinition Enthaltenen auf. (d) Darum kann auch nicht jemand, falls er es wollte oder begehrte, zweierlei oder das Entgegengesetzte zugleich tun; denn nicht in diesem Sinne hat er das Vermögen dazu, und es gibt kein Vermögen, das Entgegengesetzte zugleich zu tun; denn wozu er das Vermögen hat, das würde er auch so tun.
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6. (a) Nachdem nun von dem in Beziehung auf Bewegung ausgesagten Vermögen gehandelt ist, wollen wir über die wirkliche Tätigkeit (Wirklichkeit) bestimmen, was und wie beschaffen sie ist. Bei dieser Erörterung wird nämlich zugleich erhellen, daß wir vermögend (möglich) nicht nur das nennen, was zu bewegen oder von einem bewegt zu werden fähig ist, sei es schlechthin oder auf eine bestimmte Weise, sondern möglich auch noch in einem anderen Sinne gebrauchen. Darum wollen wir in der Untersuchung auch dies durchgehen. (b) Unter Wirklichkeit versteht man, daß die Sache existiere, nicht in dem Sinne, wie man sagt, sie sei der Möglichkeit nach – denn der Möglichkeit nach sagen wir z. B., es sei im Holze eines Hermes und in der ganzen Linie ihre Hälfte, weil sie von ihr genommen werden könnte, und einen Wissenschaftler der Möglichkeit nach nennen wir auch den, der eben nicht in theoretischer Erkenntnis begriffen ist, sofern er nur fähig ist dieselbe anzustellen –, sondern der wirklichen Tätigkeit nach, (c) Was wir meinen, wird beim Einzelnen durch Induktion deutlich werden, und man muß nicht für jedes eine Begriffsdefinition suchen, sondern auch das Analoge in einem Blick zusammenschauen. Wie sich nämlich das Bauende verhält zum Baukünstler, so verhält sich auch das Wachende zum Schlafenden, das Sehende zu dem, was die Augen verschließt, aber doch den Gesichtssinn hat, das aus dem Stoff Ausgegliederte zum Stoff, das Bearbeitete zum Unbearbeiteten. In diesem Gegensatz soll durch das erste Glied die Wirklichkeit, durch das andere das Mögliche bezeichnet werden. (d) Doch sagt man nicht von
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allem in gleicher Weise, daß es der wirklichen Tätigkeit nach sei, ausgenommen der Analogie nach, indem so wie dies in diesem ist oder zu diesem sich verhält, so jenes in jenem ist oder sich zu jenem verhält; einiges nämlich verhält sich wie Bewegung zur Möglichkeit, anderes wie Wesen(heit) zu einem Stoff. (e) In einem anderen Sinne spricht man auch beim Unendlichen und beim Leeren und bei anderen Dingen dieser Art von Möglichkeit und Wirklichkeit als bei den meisten Dingen, z. B. dem Sehenden, dem Gehenden und dem Gesehenen. Denn dies kann zuweilen auch schlechthin in Wahrheit ausgesagt werden; denn gesehen nennt man etwas teils, weil es wirklich gesehen wird, teils, weil es gesehen werden kann. Das Unendliche aber ist nicht in der Weise der Möglichkeit nach, daß es einmal der Wirklichkeit nach selbständig abgetrennt existieren werde, sondern nur für die Erkenntnis. Denn daß die Teilung nie aufhört, dies ergibt die Bestimmung, daß diese Wirklichkeit nur der Möglichkeit nach, aber nicht in selbständiger Abtrennung besteht. (f) Von den Handlungen, die eine Grenze haben, enthält keine ein Ziel, sondern sie betreffen nur das zum Ziel Führende. So ist z. B. das Ziel des Abmagerns die Magerkeit, aber wenn sich das Abmagernde in einer solchen Bewegung befindet, ohne daß das Ziel der Bewegung vorliegt, so ist dieses keine Handlung oder wenigstens keine vollendete; denn sie ist nicht das Ziel; jene dagegen enthält das Ziel und ist die (vollendete) Handlung. So kann man wohl sagen: er sieht und hat zugleich (immer schon) gesehen, er überlegt und hat zugleich (immer schon) überlegt, er denkt und hat zugleich (immer schon) gedacht, aber man kann nicht sagen: er lernt und hat zugleich (immer schon) gelernt, er wird gesund und ist zugleich (immer schon) gesund geworden. Dagegen: er lebt gut und hat zugleich gut gelebt, er ist glücklich und ist zugleich glücklich geworden. Wo nicht, so hätte er einmal damit aufhören müssen, wie wenn einer sich abmagert; nun ist dem aber nicht so, sondern er lebt und hat gelebt. Von diesen Dingen muß man also die einen als Bewegungen, die anderen als wirkliche Tätigkeiten (Wirklichkeiten) bezeichnen. Jede Bewegung ist nämlich unvollendet,
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z. B. Abmagerung, Lernen, Gehen, Bauen. Dieses sind Bewegungen, und zwar unvollendete; denn einer kann nicht zugleich gehen und gegangen sein, oder bauen und gebaut haben, oder werden und geworden sein, oder sowohl bewegt werden als auch bewegt worden sein, sondern ein anderes bewegt und ein anderes hat bewegt. Dagegen kann dasselbe Wesen zugleich sehen und gesehen haben, zugleich denken und gedacht haben. Einen Vorgang von dieser Art nenne ich wirkliche Tätigkeit (Wirklichkeit), einen von jener Art Bewegung. Aus diesen und derartigen Betrachtungen möge sich uns deutlich erwiesen haben, was und wie beschaffen das der wirklichen Tätigkeit (Wirklichkeit) nach Seiende ist.
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7. (a) Wann ein jedes Ding der Möglichkeit nach ist und wann noch nicht, müssen wir näher bestimmen; denn es findet dies doch nicht zu jeder beliebigen Zeit statt. Ist z. B. die Erde der Möglichkeit nach ein Mensch? Doch nicht, sondern vielmehr erst, wenn sie Same geworden ist, und vielleicht dann noch nicht einmal; so wie ja auch nicht durch die Heilkunst oder auch durch den Zufall jedes gesund gemacht werden kann, sondern es etwas gibt, was dazu die Möglichkeit hat, und dieses das der Möglichkeit nach Gesunde ist. (b) Die Begriffsbestimmung nun für das aus dem Denken wirklich Entstehende liegt darin, daß es auf den Willen des Tätigen hin ohne äußeres Hindernis geschieht, in jenem Falle aber bei dem, was gesund gemacht wird, daß in ihm selber kein Hindernis ist. In ähnlicher Weise ist auch etwas ein Haus der Möglichkeit nach, wenn in dem, was in ihm ist, und in dem Stoff kein Hindernis liegt, daß ein Haus werde, und nichts ist, was erst noch hinzukommen oder abgehen oder sich verändern muß; dies ist ein Haus der Möglichkeit nach; und ebenso verhält es sich bei allem, für welches das Prinzip des Entstehens außerhalb seiner liegt. Und bei allem, was in dem Möglichen selbst das Prinzip des Entstehens hat, ist dasjenige etwas der Möglichkeit nach, was in Abwesenheit äußerer Hindernisse durch sich selbst jenes sein wird. Z. B. der Same ist noch nicht der Möglichkeit nach ein Mensch; denn er muß erst noch in ein anderes kom-
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men und sich verändern. Wenn aber etwas schon durch das in ihm liegende Prinzip diese Beschaffenheit hat, dann ist es dies schon der Möglichkeit nach; jenes dagegen bedarf noch eines anderen Prinzips. Die Erde z. B. ist noch nicht der Möglichkeit nach eine Bildsäule; denn sie müßte erst durch Veränderung Erz werden. (c) Es scheint nun das Wirkliche, wovon wir reden, nicht jenes selbst, Stoff, zu sein, sondern nach Art von jenem, z. B. der Kasten nicht Holz, sondern hölzern, das Holz nicht Erde, sondern irden. Und wenn so wiederum die Erde nicht ein anderes, sondern aus einem anderen ist, so ist immer jenes andere schlechthin dem Vermögen nach das Spätere. Z. B. der Kasten ist nicht irden noch Erde, sondern hölzern; denn dies, das Holz, ist der Möglichkeit nach ein Kasten und ist der Stoff des Kastens, und zwar Holz schlechthin der Stoff des Kastens schlechthin, und dies bestimmte Holz der Stoff dieses bestimmten Kastens. Gibt es nun ein Erstes, was nicht erst noch nach einem anderen als solchartiges bezeichnet wird, so ist dies erster Stoff; z. B. wenn die Erde aus Luft (luftartig), die Luft nicht Feuer, sondern aus Feuer (feuerartig) ist, so ist das Feuer erster Stoff und ein einzelnes Etwas, Wesen (Substanz). Denn dadurch unterscheiden sich das Allgemeine und das Zugrundeliegende, daß es ein einzelnes Etwas ist oder nicht. Das Subjekt z. B. für die Affektionen ist Mensch und Körper und Seele, Affektion aber ist gebildet, weiß. Wenn nun die Bildung in dasselbe kommt, so wird dieses nicht Bildung genannt, sondern gebildet, und der Mensch nicht Weiße, sondern weiß, und nicht Gang oder Bewegung, sondern gehend oder bewegt, so wie vorher als solchartiges (z. B. hölzern, nicht Holz). Wo es sich nun so verhält, da ist das Letzte Wesen; wo es sich aber nicht so verhält, sondern das Ausgesagte eine Form und ein bestimmtes Etwas ist, da ist das Letzte (wovon ausgesagt wird) Stoff und stoffliches Wesen. Und es ist ganz recht, daß man nach dem Stoff und den Affektionen etwas nicht als dieses selbst, sondern als nach oder aus diesem bezeichnet; denn beides, Stoff und Affektion, ist etwas Unbestimmtes. Wann man also zu sagen hat, daß Etwas der Möglichkeit nach sei, und wann nicht, ist hiermit erörtert.
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8. (a) Nach der oben gegebenen Bestimmung über die verschiedenen Bedeutungen von Früher ist offenbar, daß die Wirklichkeit früher ist als das Vermögen (die Möglichkeit), ich meine hierbei nicht nur als das vorher bestimmte Vermögen, welches als Prinzip bezeichnet wird der Veränderung in einem anderen, insofern es ein anderes ist, sondern überhaupt als jedes Prinzip der Bewegung oder Ruhe. Denn auch die Natur gehört zu derselben Gattung wie das Vermögen, da sie ein bewegendes Prinzip ist, aber nicht in einem anderen, sondern in einem Ding selbst, insofern dieses es selbst ist. In Vergleich mit jedem solchen Vermögen ist die Wirklichkeit früher sowohl dem Begriff als auch dem Wesen nach; der Zeit nach ist sie gewissermaßen früher, gewissermaßen auch nicht. (b 1) Daß sie nun dem Begriff nach früher ist, ist offenbar. Denn das in vollem Sinne Vermögende heißt vermögend darum, weil es in wirkliche Tätigkeit treten kann; ich meine z. B.: baukundig ist das, was zu bauen vermag, sehfähig ist das, was zu sehen, sichtbar, was gesehen zu werden vermag. Dasselbe gilt auch bei dem übrigen, so daß notwendig der Begriff und die Erkenntnis der Wirklichkeit dem Begriff und der Erkenntnis des Vermögens vorausgehen muß. (b 2) Der Zeit nach früher aber ist es auf diese Weise: Das der Art nach Identische ist früher in wirklicher Tätigkeit, aber nicht das der Zahl nach Identische. Ich meine dies so: Im Vergleich mit diesem bestimmten Menschen, der schon in Wirklichkeit ist, und mit dem Getreide und dem Sehenden ist der Zeit nach früher der Stoff und der Same und das Sehfähige, welche zwar dem Vermögen nach (der Möglichkeit nach) Mensch und Getreide und sehend sind, aber noch nicht in Wirklichkeit. Aber der Zeit nach früher als dieses ist (wiederum) anderes in Wirklichkeit Seiendes, aus welchem dies wurde; denn was in Wirklichkeit ist, wird jedesmal aus dem dem Vermögen nach Seienden (aus dem der Möglichkeit nach Seienden) durch etwas, das in Wirklichkeit ist, z. B. der Mensch durch einen Menschen, der Gebildete durch einen Gebildeten, indem jedesmal etwas als erstes bewegt; das Bewegende aber ist schon in Wirklichkeit. Es ist aber in der Erörterung über das Wesen gesagt, daß das Werdende immer
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aus etwas etwas wird und durch etwas, und dieses der Art nach dasselbe ist. Darum gilt es auch für unmöglich, daß jemand ein Baukünstler sei, ohne etwas gebaut zu haben, oder ein Zitherspieler, ohne etwas auf der Zither gespielt zu haben; denn wer das Zitherspiel erlernt, der lernt es durch Spielen auf der Zither, und ebenso auch die anderen. Daher entstand denn der sophistische Beweis, daß jemand, ohne die Wissenschaft zu besitzen, doch das hervorbringen solle, worauf die Wissenschaft geht; denn wer etwas lernt, hat es noch nicht. Weil aber von dem, was wird, schon etwas geworden, von dem, was bewegt wird, schon etwas bewegt ist, wie dies in der Abhandlung über die Bewegung erwiesen ist, so muß wohl notwendig der Lernende auch schon etwas von der Wissenschaft besitzen. Also auch insofern erhellt, daß dem Entstehen und der Zeit nach die Wirklichkeit früher ist als das Vermögen (die Möglichkeit). (b 3) Aber auch dem Wesen nach ist sie es. Erstens weil das, was der Entstehung nach später ist, der Art und dem Wesen nach früher ist, z. B. der Mann früher als das Kind, der Mensch früher als der Same; denn das eine hat schon die Form, das andere aber nicht. Ferner darum, weil alles, was entsteht, auf ein Prinzip und ein Ziel hingeht; Prinzip nämlich ist das Weswegen, und um des Zieles willen ist das Werden. Ziel aber ist die Wirklichkeit, und um ihretwillen erhält man das Vermögen (die Möglichkeit); denn nicht, um den Gesichtssinn zu haben, sehen die Lebewesen, sondern um zu sehen, haben sie den Gesichtssinn. Ebenso hat man die Baukunst, um zu bauen, die Denkkraft, um zu denken, nicht aber denkt man, um Denkkraft zu erlangen, es sei denn die Studierenden. Diese aber denken noch nicht theoretisch, es sei denn nur in gewissem Maße, oder weil sie noch keines theoretischen Denkens bedürfen. Ferner ist der Stoff dem Vermögen nach (der Möglichkeit nach), weil er zur Form gelangen kann; sobald er aber in Wirklichkeit ist, dann ist er in der Form. Ebenso auch bei dem übrigen, auch bei dem, dessen Ziel Bewegung ist. Wie daher die Lehrer das Ziel erreicht zu haben glauben, wenn sie ihren Schüler in wirklicher Tätigkeit zeigen, ebenso ist es auch in der Natur. Denn wäre es nicht so, dann verfiele man in den
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Hermes des Pauson; denn es würde bei der Wissenschaft ebenso wie bei jenem Hermes unerkennbar sein, ob sie (beim Schüler) „außen“ oder „innen“ sei. Denn das Werk ist Zweck, die Wirklichkeit aber ist das Werk. Daher ist auch der Name Wirklichkeit von Werk abgeleitet und zielt hin auf Vollendung. – Indem nun in einigen Fällen das Letzte der Gebrauch ist, wie z. B. beim Gesichtssinn das Sehen, und außer diesem kein von dem Sehen unterschiedenes Werk entsteht, in anderen aber eines entsteht, z. B. durch die Baukunst außer dem Bauen selbst das Haus: so ist um nichts weniger die wirkliche Tätigkeit in dem einen Falle Zweck, in dem anderen Falle mehr Zweck als das Vermögen (die Möglichkeit). Denn das Bauen ist in dem, was gebaut wird, und wird und ist zugleich mit dem Gebäude. Bei demjenigen nun also, bei welchem das Entstehende etwas anderes neben und außer dem Gebrauch ist, bei diesem ist die wirkliche Tätigkeit in dem, was hervorgebracht wird, z. B. das Bauen in dem, was gebaut wird, das Weben in dem, was gewebt wird, und ebenso bei dem übrigen, überhaupt die Bewegung in dem, was bewegt wird; bei dem aber, bei welchem es nicht neben der wirklichen Tätigkeit ein Werk gibt, ist die wirkliche Tätigkeit in ihm selbst, z. B. das Sehen in dem Sehenden, das Denken in dem Denkenden, das Leben in der Seele, und darum auch die Glückseligkeit, da diese ein Leben von einer bestimmten Beschaffenheit ist. Hieraus erhellt also, daß das Wesen und die Form wirkliche Tätigkeit ist. Aus diesem Grunde also ist offenbar dem Wesen nach die wirkliche Tätigkeit früher als das Vermögen (die Möglichkeit), und, wie gesagt, der Zeit nach geht immer eine wirkliche Tätigkeit vor der anderen voraus bis zu der Wirklichkeit des immerfort ursprünglich Bewegenden. (b 4) Aber auch in entscheidenderem Sinne hat die Wirklichkeit Vorrang vor dem Vermögen (der Möglichkeit); denn das Ewige ist dem Wesen nach früher als das Vergängliche, nichts Ewiges aber ist nur dem Vermögen nach (der Möglichkeit nach). Der Grund ist dieser: Jedes Vermögen (jede Möglichkeit) geht zugleich auf den Gegensatz; denn was nicht vermag zu sein, das kann sich auch nicht bei irgendeinem finden, aber jedes, das zu sein ver-
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mag, das kann auch nicht wirklich tätig sein. Was also zu sein vermag, das kann sowohl sein als auch nicht sein, und hat also als ein und dasselbe das Vermögen (die Möglichkeit) sowohl zu sein als auch nicht zu sein. Was aber vermag nicht zu sein, bei dem ist möglich, daß es nicht sei. Was aber möglicherweise nicht sein kann, das ist vergänglich, entweder schlechthin oder eben in der Hinsicht, in welcher es von ihm heißt, es könne auch nicht sein, sei es dem Orte oder der Quantität oder Qualität nach; schlechthin aber vergänglich ist, was dem Wesen nach auch nicht sein kann. Nichts also von dem schlechthin Unvergänglichen ist etwas schlechthin dem Vermögen nach (der Möglichkeit nach) Seiendes. In gewisser Beziehung, etwa der Qualität oder dem Orte nach, kann es dies allerdings sein. Dies alles also ist in Wirklichkeit. Ebensowenig ist von dem notwendig Seienden etwas nur dem Vermögen nach (der Möglichkeit nach), und dies ist doch das Erste; denn wenn dies nicht wäre, würde überhaupt nichts sein. Auch nicht Bewegung, wenn es eine ewige gibt. Und wenn es ein ewig Bewegtes gibt, so ist dies nicht bloß dem Vermögen nach bewegt, ausgenommen etwa hinsichtlich der Richtung woher und wohin; denn hiervon kann es recht wohl einen Stoff geben. Darum sind die Sonne, die Gestirne und der ganze Himmel immer in wirklicher Tätigkeit, und es ist nicht zu fürchten, daß sie einmal stillstehen, wie dies die Naturphilosophen fürchten. Auch strengt es sie nicht an dies zu tun, da bei ihnen die Bewegung nicht wie bei den vergänglichen Dingen, mit dem Vermögen des Gegenteils verbunden ist, so daß deshalb die ununterbrochene Dauer der Bewegung für sie anstrengend wäre; denn die Ursache solcher Anstrengung ist das Wesen, welches nur Stoff und Vermögen, nicht wirkliche Tätigkeit ist. Dem Unvergänglichen nähert sich aber nachahmend auch das in Veränderung Begriffene, z. B. die Erde und das Feuer. Denn auch diese sind immer in wirklicher Tätigkeit, da sie an sich und in sich die Bewegung haben. Die anderen Vermögen aber gehen nach den gegebenen Bestimmungen alle auch auf das Gegenteil; denn was so zu bewegen vermag, das vermag auch nicht so zu bewegen. Dies gilt von den vernunftmäßigen Vermögen; die unver-
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nünftigen aber gehen zugleich auf das Gegenteil insofern, als Tätiges und Leidendes anwesend ist oder nicht. Gibt es also solche Naturen und Wesen, wie von denen, die „in den Begriffen“ philosophieren, die Ideen aufgestellt werden, so wäre vielmehr das wissenschaftlich Verständige etwas (Seiendes) als die Wissenschaft selbst und das Bewegte (mehr) als die Bewegung (selbst). Denn diese (sc. Wissenschaft und Bewegung) sind mehr wirkliche Tätigkeiten, jene aber, die Vermögen (die Möglichkeiten) von diesen. Hieraus erhellt denn, daß die wirkliche Tätigkeit früher als das Vermögen (die Möglichkeit) und als jedes Veränderungsprinzip ist. 9. (a) Daß im Vergleich mit einem tüchtigen Vermögen die wirkliche Tätigkeit besser und wertvoller ist, erhellt aus folgendem: Was als vermögend bezeichnet wird, das hat gleicherweise das Vermögen zu dem Entgegengesetzten; z. B. wovon man sagt, daß es vermöge gesund zu sein, das vermag auch krank zu sein, und zwar zugleich; denn dasselbe Vermögen geht auf Gesundsein und Kranksein, auf Ruhen und Bewegtwerden, auf Bauen und Niederreißen, auf Gebautwerden und Einstürzen. Das Vermögen also zu dem Entgegengesetzten ist zugleich vorhanden, das Entgegengesetzte selbst aber findet unmöglich zugleich statt. So können auch die entgegengesetzten wirklichen Tätigkeiten unmöglich zugleich stattfinden, z. B. gesund sein und krank sein. Also muß notwendig die eine von diesen das Gute sein, bei dem Vermögen aber kommt das Gute gleicherweise beiden oder keinem von beiden zu. Die wirkliche Tätigkeit also ist besser. – (b) Ebenso notwendig ist auch, daß beim Schlechten das Ziel und die wirkliche Tätigkeit schlechter ist als das Vermögen; denn das Vermögen geht als dasselbe auf beide Glieder des Gegensatzes. Also gibt es nicht das Schlechte neben und außer den Dingen; denn das Schlechte ist der Natur nach später als das Vermögen. Also findet sich auch in dem Ursprünglichen und Ewigen nichts Schlechtes, kein Fehl, nichts Verdorbenes; denn auch die Verderbnis ist etwas Schlechtes. (c) Auch die Beweise für geometrische Figuren findet man durch wirkliche Tätigkeit, da man sie durch
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Teilung findet; wären sie schon geteilt, so würden sie offenbar sein, so aber findet sich die Teilung in ihnen dem Vermögen nach. Z. B. warum sind die Winkel des Dreiecks zwei Rechte? Weil die Winkel um einen Punkt zwei Rechte betragen. Wäre nun die mit der einen Seite parallele Linie gezogen, so würde es auf den ersten Blick sogleich deutlich sein. Warum ist jeder Winkel im Halbkreis ein Rechter? Weil, wenn die Linien gleich sind, und zwar die Grundlinie das Zweifache, die in der Mitte errichtete Senkrechte das Einfache ist – wenn man dies sieht und jenen Satz weiß, so ist die Sache klar. Also wird offenbar das dem Vermögen nach (der Möglichkeit nach) Seiende, wenn es in die Wirklichkeit überführt ist, gefunden. Die Ursache liegt darin, daß die Wirklichkeit Denken ist. Also geht die Möglichkeit aus der Wirklichkeit (Tätigkeit) hervor, und deshalb kommt man tätig zur Erkenntnis; denn später der Entstehung nach ist nur die der Zahl nach identische wirkliche Tätigkeit (Wirklichkeit). 10. (a) Indem das Seiende und das Nichtseiende teils nach den Formen der Kategorien ausgesagt wird, teils nach Vermögen (Möglichkeit) und Wirklichkeit derselben oder deren Gegenteil, teils als das im eigentlichsten Sinne seiende Wahre oder Falsche – dieses aber liegt bei den Dingen durch Zusammensetzung und Trennung vor, so daß der die Wahrheit sagt, der vom Getrennten urteilt, es sei getrennt, von dem Zusammengesetzten, es sei zusammengesetzt, der dagegen im Irrtum ist, welcher anders denkt als die Dinge sich verhalten –: so fragt sich, wann denn das genannte Wahre oder Falsche vorliegt; denn wir müssen untersuchen, was wir damit meinen. Nicht darum nämlich, weil unser Urteil, du seiest weiß, wahr ist, bist du weiß, sondern darum, weil du weiß bist, sagen wir die Wahrheit, indem wir dies behaupten. (b) Wenn nun einiges immer zusammengesetzt ist und unmöglich getrennt werden kann, anderes immer getrennt ist und unmöglich verbunden werden kann, anderes Verbindung und Trennung zuläßt, – denn das Sein bedeutet Verbunden-sein und Eines-sein, das Nichtsein aber Nicht-verbunden- und Mehrheit-sein –: so wird bei dem,
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was sich auch anders (sc. verbunden oder getrennt) verhalten kann, dieselbe Meinung und dieselbe Erklärung wahr und falsch, und man kann damit bald die Wahrheit sagen, bald die Unwahrheit; bei dem dagegen, was sich unmöglich anders verhalten kann, findet nicht bald Wahrheit statt, bald Falschheit, sondern dasselbe ist immer wahr oder falsch. (c) Was bedeutet nun aber bei dem Unzusammengesetzten Sein und Nicht-sein, Wahr und Falsch? Denn dies ist ja nicht zusammengesetzt, so daß es wäre, wenn es verbunden, nicht wäre, wenn es getrennt wäre, wie dies bei dem weißen Holz oder der inkommensurablen Diagonale der Fall ist, und so wird auch Wahrheit und Falschheit hier nicht in dem Sinne stattfinden wie bei jenen. Oder es wird, so wie das Wahre, auch das Sein für dieses nicht denselben Sinn haben (wie für das Zusammengesetzte); vielmehr ist es beim Wahren oder Falschen hier so, daß jenes ein „Berühren“ und Sagen ist – denn Sagen ist nicht dasselbe wie Aussagen über etwas –, das Nichtwissen aber ist „Nicht-Berühren“. Eine Täuschung ist bei dem Was nicht möglich außer in akzidentellem Sinne, und ebensowenig bei den nicht zusammengesetzten Wesen; denn auch bei diesen findet keine Täuschung statt. (d) Und alle diese sind der Wirklichkeit, nicht dem Vermögen nach; denn sonst würden sie entstehen und untergehen; nun kann aber das Seiende selbst weder entstehen noch untergehen, da es sonst aus etwas entstehen würde. Bei dem also, was ein Sein an sich und in Wirklichkeit ist, ist keine Täuschung möglich, sondern nur Denken (vernunftmäßiges Erfassen) oder Nichtdenken. Nur nach dem Was fragt man bei ihnen, ob sie solcherlei sind oder nicht. (e) Das Sein aber in der Bedeutung des Wahren und das Nichtsein in der Bedeutung des Falschen findet in der einen Weise so statt, daß bei der Verbindung Wahres, bei der Nichtverbindung Falsches vorliegt, und in dieser einen Weise dann, wenn auch das Seiende sich so verhält. Wo dies nicht der Fall ist, da liegt auch das Wahre nicht in dieser Weise vor, sondern das Wahre besteht darin, die Dinge zu denken (vernunftmäßig zu erfassen). Irrtum und Täuschung gibt es in bezug auf dieses nicht, sondern nur Unwissenheit; und zwar nicht eine Unwissenheit, die der
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Blindheit vergleichbar wäre; denn der Blindheit würde es vergleichbar sein, wenn jemand überhaupt die Denkkraft nicht hätte. (f) Offenbar ist auch, daß bei Unbeweglichem, sofern man voraussetzt, daß es unbeweglich ist, eine Täuschung hinsichtlich des Wann nicht möglich ist. Wenn man z. B. von dem Dreieck glaubt, daß es sich nicht verändert, so wird man nicht meinen, daß es bald eine Winkelsumme von zwei Rechten habe, bald nicht, denn da müßte es sich ja verändern. Sondern man kann nur meinen, daß etwas einigen zukomme, anderen nicht. z. B., daß keine gerade Zahl erste Zahl sei, oder daß einige es seien, andere nicht. Bei dem aber, was der Zahl nach Eines ist, wird nicht einmal dies stattfinden; denn man wird nicht mehr meinen können, daß etwas einigen darunter zukomme, anderen nicht, sondern man muß entweder Wahres oder Falsches aussagen, indem sich der Gegenstand immer auf diese gleiche Weise verhält.
BUCH X
1. (a) Daß man das Eine in mehreren Bedeutungen gebraucht, ist früher bei der Unterscheidung der verschiedenen Bedeutungen gesagt; doch kommen die mannigfachen Bedeutungen auf vier Hauptarten zurück, in welchen das Eine ursprünglich, an sich und nicht in akzidentellem Sinne gebraucht wird. Einmal nämlich heißt Eines das Zusammenhängende, entweder schlechthin jedes Zusammenhängende oder vorzugsweise das von Natur und nicht bloß durch Berührung oder Bindung Zusammenhängende; und unter diesen ist wieder das mehr und ursprünglicher Eines, dessen Bewegung unteilbarer und einfacher ist. Ferner nennt man, und dies noch mehr (in strengerem Sinne), Eines dasjenige, was ein Ganzes ist und eine bestimmte Gestalt und Form hat, besonders wenn etwas von Natur und nicht durch Gewalt so beschaffen ist, wie alles, was durch Leim, Nägel oder Bänder vereinigt ist, sondern in sich selbst die Ursache eines Zusammenhangs hat; diesen hat es aber dadurch, daß seine Bewegung eine ist und unteilbar dem Ort und der Zeit nach. Daraus erhellt: Wenn etwas von Natur das erste Prinzip der ersten Bewegung hat, ich meine z. B. unter den verschiedenen Arten der räumlichen Bewegung die Kreisbewegung, so ist dies Erste einheitliche Größe. Was also in diesem Sinne Eines ist, das ist entweder ein Zusammenhängendes oder ein Ganzes; in anderem Sinne Eines ist dasjenige, dessen Begriff ein einheitlicher ist; dieser Art ist das, dessen Auffassung im Denken eine einheitliche ist, d. h. eine unteilbare; unteilbar aber ist sie bei dem, was der Art oder der Zahl nach unteilbar ist. Der Zahl nach nun unteilbar ist das Einzelne, der Art nach das, was für die Erkenntnis und Wissenschaft unteilbar ist; wonach denn erstes Eines das sein würde, was für die Wesen Ursache der Einheit ist. In diesen Bedeutungen also gebraucht man das Eine, indem das von Natur Zusammenhängende, das Ganze, das Einzelne und das Allgemeine
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Eines genannt werden. Dies alles heißt Eines, weil unteilbar bei den einen die Bewegung ist, bei den anderen die Auffassung im Denken und der Begriff. (b) Man muß aber erwägen, daß man die Frage, welcherlei Dinge man Eines nennt, und die andere, was das Eines-sein und der Begriff des Einen ist, nicht als gleichbedeutend fassen darf. Man gebraucht nämlich Eines in den aufgezählten Bedeutungen, und jedes Ding heißt Eines, bei welchem einer dieser Fälle stattfindet; das Eines-sein dagegen wird bald einem unter diesen zukommen, bald aber auch einem anderen, das der Bedeutung des Namens näher liegt, während jene nur dem Vermögen nach Eines sind, wie derselbe Unterschied bei Element oder Ursache stattfinden würde, wenn man es einmal als Prädikat für gewisse Dinge bestimmen und dann den Begriff des Wortes angeben soll. In gewissem Sinne nämlich ist das Feuer Element (vielleicht auch an sich das Unendliche oder sonst etwas anderes der Art), in anderem Sinne ist es nicht Element; denn Feuersein und Element-sein ist nicht dasselbe, sondern als bestimmtes Ding und natürliches Wesen ist das Feuer Element, der Name aber bezeichnet, es sei ein Akzidens desselben, daß etwas aus ihm als erstem Innewohnenden entsteht. Ebenso verhält es sich auch mit Ursache und mit Einem und allem Ähnlichen. (c) So bedeutet denn also Eines-sein unteilbar sein als dies bestimmte einzelne Ding und einzeln abgesondert dem Ort oder der Art oder dem Denken nach, oder ganz und unteilbar sein. Namentlich bedeutet es das erste Maß in jeder Gattung, am eigentlichsten im Quantitativen; denn von diesem ist es auch auf das übrige übertragen. Maß nämlich ist das, wodurch das Quantiative erkannt wird; es wird aber das Quantitative als Quantitatives erkannt entweder durch das Eine oder durch die Zahl, jede Zahl aber durch das Eine. Alles Quantitative als solches wird daher durch das Eine erkannt, und dasjenige Erste, wordurch die Quanta erkannt werden, ist das Eine selbst; darum ist das Eine Prinzip der Zahl als solcher. Von da übertragend nennt man auch in den anderen Bereichen Maß dasjenige, durch welches als erstes ein jedes Ding erkannt wird, und das Maß für jedes ist ein Eines bei der Länge, der Breite, der
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Tiefe, der Schwere, der Geschwindigkeit. Schwere nämlich und Geschwindigkeit ist die gemeinsame Benennung für die beiden Gegensätze, indem jedes dieser Wort eine zweifache Bedeutung hat; denn Schwere schreibt man sowohl dem zu, das irgendein beliebiges, wie dem, das ein übermäßiges Gewicht hat, Geschwindigkeit sowohl dem, das sich in irgendeiner noch so schwachen, wie dem, das sich in einer übermäßigen starken Bewegung befindet; denn auch das Langsame hat eine Geschwindigkeit, auch das Leichte eine Schwere. In allen diesen Fällen also ist ein Eines und ein Unteilbares Maß und Prinzip, wie man ja auch bei den Linien die einen Fuß lange als unteilbar anwendet. Überall nämlich sucht man als das Maß ein Eines und Unteilbares, d. h. etwas, was der Qualität oder der Quantität nach einfach ist. Wo es nun unmöglich scheint von dem Maß etwas hinwegzunehmen oder hinzuzufügen, da ist das Maß genau. Darum ist das Maß der Zahl das genaueste; denn die Einheit setzt man als schlechthin unteilbar, in den übrigen Fällen dagegen sucht man sich einer solchen Unteilbarkeit nur anzunähern. Beim Stadion nämlich und beim Talent und so immer beim Größeren würde ein Hinwegnehmen oder Hinzufügen weniger bemerkt werden als bei einem Kleineren; daher machen alle dasjenige zum Maß, bei welchem zuerst ein solches Hinzufügen und Hinwegnehmen für die sinnliche Wahrnehmung nicht möglich ist, so bei Flüssigem und Festem, bei Schwere und Größe, und glauben dann das Quantum zu erkennen, wenn sie es durch dieses Maß kennen. Ebenso mißt man die Bewegung durch die einfache und schnellste Bewegung, da diese die geringste Zeitdauer hat; darum ist in der Astronomie ein solches Eines Prinzip und Maß; man legt nämlich als gleichmäßige und schnellste Bewegung die des Himmels zugrunde und beurteilt nach ihr die übrigen. So ist in der Musik der Viertelton als Kleinstes, in der Sprache der Buchstabe die Einheit. Alles dies ist Eines nicht in dem Sinne, als gäbe es ein allgemeines Eines, sondern in der erörterten Bedeutung. – (d) Nicht immer ist indes das Maß ein Eines der Zahl nach, sondern zuweilen eine Mehrheit; z. B. gibt es zweierlei Vierteltöne, welche nicht für das Gehör, son-
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dern in den Zahlenverhältnissen unterschieden werden, und der Laute, mit denen wir messen, sind mehrere; der Durchmesser und die Seite und alle Raumgrößen werden durch zwei Maße gemessen. (e) So ist also das Eine Maß von allen Dingen, weil wir, woraus das Wesen ist, erkennen, indem wir es entweder der Quantität oder der Art nach einteilen, und darum ist das Eine unteilbar, weil das Erste von jedem unteilbar ist. Doch nicht in gleichem Sinne ist jedes Eine unteilbar, z. B. Fuß und Einheit, sondern das eine schlechthin, das andere nähert sich nur der Unteilbarkeit für die sinnliche Wahrnehmung, wie schon gesagt; denn eigentlich ist wohl jedes Kontinuum teilbar. (f) Immer ist das Maß dem Gemessenen gleichartig, für Größen eine Größe, und im einzelnen für Länge und Länge, für Breite und Breite, für Laute ein Laut, für Schwere eine Schwere, für Einheiten eine Einheit. So nämlich muß man die Sache hier fassen und nicht: für Zahlen eine Zahl, wie doch geschehen müßte, wenn man die Sache hier ebenso fassen wollte; doch würde man hiermit nicht den entsprechenden Satz aufstellen, sondern es wäre so, als wenn man sagte, für Einheiten seien Einheiten, aber nicht die Einheit das Maß, indem ja die Zahl eine Menge von Einheiten ist. Auch die Wissenschaft und die sinnliche Wahrnehmung nennen wir ein Maß der Dinge aus demselben Grunde, weil wir durch sie etwas erkennen, wiewohl sie vielmehr gemessen werden als selbst messen. Aber es geht uns hierbei ebenso, wie wenn wir unsere Größe erkennen, indem ein anderer durch so und so vielmaliges Anlegen der Elle uns mißt. Wenn aber Protagoras sagt, der Mensch sei das Maß aller Dinge, so heißt das soviel wie, der Wissende oder der sinnlich Wahrnehmende sei das Maß, und diese, weil sie sinnliche Wahrnehmung oder Wissenschaft besitzen, die wir als Maß ihrer Gegenstände bezeichnen. So scheint der Ausspruch etwas besonderes zu enthalten, ohne es doch wirklich zu enthalten. (g) Hieraus ist deutlich, daß das Eines-sein, wenn man am strengsten den Begriff des Wortes bestimmt, ein Maß bezeichnet, und zwar am eigentlichsten für das Quantitative, dann auch für das Qualitative. Maß aber wird etwas sein, wenn es unteilbar ist,
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in dem einen Falle der Quantität, in dem anderen der Qualität nach; darum ist das Eine unteilbar, entweder schlechthin, oder insofern es Eines ist. 2. (a) Was aber Wesen und Natur des Einen betrifft, so müssen wir, wie wir schon in der dialektischen Erörterung der Probleme auf die Frage kamen, was das Eine sei und was man über dasselbe anzunehmen habe, untersuchen, auf welche von beiden Weisen es sich damit verhält, ob nämlich so, daß das Eine selbst ein Wesen ist, wie früher die Pythagoreer sagten und später Platon, oder ob vielmehr eine Natur zugrunde liegt, und wie man sich darüber deutlicher aussprechen soll, und (ob) mehr nach der Art der Naturphilosophen; von diesen nämlich stellt der eine die Freundschaft, ein anderer die Luft, ein anderer das Unendliche als das Eine auf. (b) Wenn nun nichts Allgemeines Wesen sein kann, wie in der Abhandlung über das Wesen und das Seiende gesagt ist, und auch dies selbst, das Wesen, nicht als ein Eines außer den vielen Einzelnen, da es etwas Allgemeines ist, sondern nur Prädikat derselben sein kann: so kann offenbar auch das Eine nicht ein selbständiges Wesen sein; denn das Seiende und das Eine wird am allgemeinsten von allem ausgesagt. Es sind also die Gattungen nicht Naturen und Wesen getrennt von den übrigen Dingen, und das Eine kann auch nicht Gattung sein aus denselben Gründen, aus welchen auch das Seiende und das Wesen es nicht sind. (c) Ferner muß es sich doch bei allem gleichmäßig verhalten; das Eine aber wird in ebenso vielfachen Bedeutungen gebraucht wie das Seiende. Da nun also bei den Qualitäten ein Etwas und eine bestimmte Natur das Eine ist, und ebenso bei den Quantitäten, so muß man offenbar überhaupt fragen, was das Eine ist, so wie man auch fragt, was das Seiende ist, indem es nicht hinreicht, daß eben dies seine Natur sei. Nun ist in den Farben das Eine eine Farbe, z. B. die weiße, wenn nämlich die anderen Farben sich als entstanden zeigen aus der weißen und schwarzen, diese aber Privation der weißen ist, wie ja auch die Finsternis des Lichtes; denn sie ist Privation des Lichtes. Wären also die Dinge Farben, so
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würden die Dinge eine Zahl sein. Aber wovon? Offenbar eine Zahl von Farben. Und das Eine wäre ein bestimmtes Eines, z. B. das Weiße. Ebenso, wären die Dinge Töne, so würden sie eine Zahl sein, aber von Vierteltönen, und nicht würde Zahl selbst ihr Wesen sein, und das Eine würde etwas sein, dessen Wesen nicht das Eine wäre, sondern der Viertelton. Ebenso würde auch bei den Lauten das Seiende eine Zahl von Buchstaben sein und das Eine ein Selbstlauter. Und wären die Dinge geradlinige Figuren, so würden sie eine Zahl von Figuren, und das Eine würde das Dreieck sein. Dasselbe gilt auch bei den anderen Gattungen. Wenn nun also bei den Zahlen und dem Einen, welches sich in den Affektionen, den Qualitäten, den Quantitäten und der Bewegung findet, immer die Zahl Zahl von Etwas und das Eine ein bestimmtes Eines ist, aber nicht eben dies selbst sein Wesen ist, so muß es sich auch bei den Wesen ebenso verhalten; denn es ist ja bei allem dasselbe Verhältnis. Daraus ist also offenbar, daß das Eine in jeder Gattung eine bestimmte Natur ist, und bei keinem eben dies, das Eine, seine Natur ist; sondern wie man in den Farben eine Farbe als das Eine selbst, so hat man auch beim Wesen ein Wesen als das Eine selbst zu suchen. (d) Daß das Eine und das Seiende gewissermaßen dasselbe bedeuten, erhellt daraus, daß es die Kategorien in ebensovielen Bedeutungen begleitet und in keiner derselben ist, z. B. weder in der des Was, noch in der der Qualität, sondern sich hierin ebenso verhält wie das Seiende, und daraus, daß nichts anderes hinzu ausgesagt wird, wenn man statt Mensch sagt ein Mensch, so wie auch durch das Sein nichts anderes zu dem Was oder der Qualität oder der Quantität hinzukommt; Eines-sein heißt eben ein Einzelnessein. 3. (a) Das Eine und das Viele sind einander in mehreren Weisen entgegengesetzt, von denen die eine ist, daß sich das Eine und die Menge entgegenstehen als Unteilbares und Teilbares; das Geteilte nämlich oder Teilbare heißt eine Menge, das Unteilbare oder Nicht-Geteilte heißt Eines. Da es nun vier Arten der Entgegensetzung gibt, und von diesen beiden das eine Pri-
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vation des anderen ist, so stehen sie in konträrem Gegensatz, nicht aber in Kontradiktion oder Relation zueinander. Es wird aber das Eine nach seinem Konträren genannt und aus ihm verdeutlicht, das Unteilbare aus dem Teilbaren, weil die Menge und das Teilbare mehr sinnlich wahrnehmbar ist als das Unteilbare. Vermöge der sinnlichen Wahrnehmung ist daher die Menge dem Begriff nach früher als das Unteilbare. (b) Zum Einen gehören, wie wir dies bei der Einteilung der Gegensätze verzeichnet haben, das Selbige (Identische), das Ähnliche und das Gleiche, zur Menge das Andere, das Unähnliche und das Ungleiche. (c) Das Selbige gebraucht man in mehreren Bedeutungen; einmal sagen wir es zuweilen von dem aus, was der Zahl nach Eines ist, dann von dem, was sowohl dem Begriffe wie der Zahl nach Eines ist, wie z. B. du mit dir selbst der Form wie dem Stoff nach Eines bist. Ferner, wenn der Begriff des ersten Wesens ein einziger ist; z. B. die gleichen geraden Linien sind dieselben, und ebenso die gleichen und gleichwinkeligen Vierecke, obwohl ihrer mehrere sind; aber bei diesen ist die Gleichheit Einheit. (d) Ähnlich nennt man Dinge, wenn sie, ohne schlechthin dieselben oder dem zusammengesetzten Wesen nach ununterschieden zu sein, der Form nach dieselben sind; z. B. das größere Viereck ist dem kleineren ähnlich, und die ungleichen Geraden untereinander; denn diese sind ähnlich, aber nicht schlechthin dieselben. Ferner nennt man ähnlich solche Dinge, welche, indem sie dieselbe eines höheren oder geringeren Grades fähige Form haben, diese weder in höherem noch in geringerem Grade besitzen. Andere nennt man ähnlich, wenn ihnen dieselbe der Art nach identische Affektion, z. B. die weiße Farbe, in höherem und niedrigerem Grade zukommt, weil ihre Art eine ist. Andere heißen so, wenn sie mehr identische als andere Eigenschaften haben, sei es überhaupt, oder solche, die sich zunächst darbieten; so ist z. B. das Zinn dem Silber und das Gold dem Feuer ähnlich, insofern es gelb und rot ist. (e) Offenbar wird daher auch das Andere und das Unähnliche in mehreren Bedeutungen gebraucht. Das Andere bildet einmal den Gegensatz zu dem Selbigen, daher ist jedes in Vergleich mit jedem entweder dasselbe oder ein an-
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deres; ferner gebraucht man das Andere, wenn nicht der Stoff sowohl als auch der Begriff dasselbe ist, daher du ein anderer bist als dein Nachbar. Eine dritte Bedeutung hat es in der Mathematik. Das Andere oder das Selbige wird daher von jedem in Beziehung auf jedes ausgesagt, sofern jedes von ihnen ein Eines und ein Seiendes ist. Das Andere ist nämlich nicht der kontradiktorische Gegensatz von dem Selbigen und wird daher nicht, wie das Nicht-Selbige, vom Nicht-seienden ausgesagt, wohl aber von allem Seienden; denn sowohl das Seiende als auch das Eine ist von Natur entweder Eines oder nicht Eines. (f) In dieser Weise also sind das Andere und das Selbige einander entgegengesetzt. Unterschied aber und Andersheit sind verschieden. Denn das Andere braucht nicht gegen das, gegen welches es ein anderes ist, durch etwas ein Anderes zu sein; denn jedes Seiende überhaupt ist entweder dasselbe oder ein anderes. Was aber von etwas unterschieden ist, muß durch etwas unterschieden sein. Es muß also für beide etwas Identisches geben, wodurch sie sich unterscheiden. Dieses Identische ist entweder Gattung oder Art; denn alles Unterschiedene unterscheidet sich entweder der Gattung oder der Art nach, der Gattung nach nämlich, wenn es keinen gemeinsamen Stoff hat, und kein Übergang aus dem einen ins andere möglich ist, z. B. alles, was verschiedenen Kategorien angehört; der Art nach, was sich in derselben Gattung befindet. Gattung heißt das, was identisch von beiden Unterschieden dem Wesen nach ausgesagt wird. Das Konträre ist unterschieden, und der konträre Gegensatz eine Art von Unterschied. Daß wir dies mit Recht so aufstellen, ergibt sich durch Induktion. Denn von allem in etwas Verschiedenen zeigt sich, daß es auch Selbiges und nicht bloß Anderes ist, sondern dies ist, was der Gattung nach anderes ist, jenes, was sich in derselben Reihe der Aussage findet, also in derselben Gattung und dasselbige der Gattung nach. Welcherlei Dinge aber der Gattung nach dieselben oder andere sind, ist anderwärts unterschieden. 4. (a) Da sich aber das Unterschiedene mehr oder weniger voneinander unterscheiden kann, so gibt es auch einen größten
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Unterschied und diesen nenne ich konträren Gegensatz. Daß dieser die größte Unterschiedenheit ist, erhellt aus der Induktion. Denn dasjenige, was der Gattung nach unterschieden ist, gestattet keinen Übergang ineinander, sondern ist weiter voneinander entfernt und unvergleichbar; bei dem der Art nach Unterschiedenen aber findet Entstehung aus dem Konträren als dem Äußersten statt. Das Äußerste hat den größten Abstand, also hat auch das Konträre den größten Abstand. Das Größte aber in jeder Gattung ist vollendet. Denn das Größte ist dasjenige, das nicht übertroffen werden kann, vollendet das, außerhalb dessen sich nichts finden läßt; denn der vollendete Unterschied hat sein Ende erreicht, so wie auch alles übrige darum vollendet heißt, weil es zum Ende gelangt ist. Außerhalb des Endes aber liegt nichts; denn dies ist das Äußerste in allem und umschließt das Ganze. Deshalb liegt also nichts jenseits des Endes, und das Vollendete bedarf keines weiteren Zuwachses. (b) Daß also der konträre Gegensatz vollendete Unterschiedenheit ist, erhellt hieraus; indem aber das Konträre in verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird, so wird den verschiedenen Arten desselben Vollendung in eben dem Sinne zukommen, wie ihnen der konträre Gegensatz zukommt. Ist dem so, dann ist offenbar, daß eines nicht mehrere konträre Gegensätze haben kann; denn nichts kann noch mehr äußerstes sein als das Äußerste, und der eine Abstand kann nicht mehr als zwei Endpunkte haben. Und überhaupt, wenn der konträre Gegensatz ein Unterschied ist, der Unterschied aber zwischen zwei Dingen besteht, so muß auch der vollendete Unterschied zwischen zwei Dingen stattfinden. (c) Auch die anderen Bestimmungen über das Konträre müssen notwendig gelten. Der vollendete Unterschied ist nämlich der größte. Denn außerhalb des Gebietes dessen, was sich der Gattung oder der Art nach unterscheidet, darf man nichts nehmen (denn es ist erwiesen, daß es zu dem außerhalb der Gattung Liegenden keinen Unterschied gibt), unter diesen aber ist der vollendete Unterschied der größte. Und das in derselben Gattung am meisten Unterschiedene ist konträr; denn der vollendete Unterschied derselben ist der größte. Auch das
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in demselben empfänglichen Stoff am meisten Unterschiedene ist konträr; denn der Stoff für das Konträre ist derselbe. Ebenso ist auch das am meisten Unterschiedene unter demjenigen, was demselben Vermögen angehört, konträr; denn eine einzige Wissenschaft geht auf eine Gattung, in welcher dann der vollendete Unterschied der größte ist. (d) Der erste konträre Gegensatz ist Haben (Haltung) und Privation, aber nicht jede Privation, da dieses Wort in mehreren Bedeutungen gebraucht wird, sondern nur vollendete Privation. Alles übrige Konträre wird nur nach diesem ersten Konträren so benannt, entweder weil es dieses hat, oder hervorbringt oder hervorzubringen fähig ist, oder dies oder anderes Konträres annimmt oder ablegt. (e) Wenn nun Gegensätze sind der Widerspruch (Kontradiktion), die Privation, der konträre Gegensatz und die Relation, worunter der Widerspruch das Erste ist, und wenn es ferner beim Widerspruch kein Mittleres gibt, während beim Konträren ein solches vorliegen kann: so erhellt, daß Widerspruch und konträrer Gegensatz nicht dasselbe ist. Die Privation ist aber ein bestimmter Widerspruch; denn teils dem, was überhaupt unvermögend ist, etwas zu haben, teils dem, was, von Natur befähigt, etwas zu haben, es nicht hat, schreibt man Privation zu, und dies entweder überhaupt oder mit einer näheren Bestimmung. Es wird nämlich, wie wir dies anderweitig erörtert haben, in verschiedenen Bedeutungen gebraucht. Die Privation ist daher eine bestimmte Art des Widerspruchs oder ein entweder geschiedenes oder mit dem empfänglichen Stoffe zusammengenommenes Unvermögen. Daher gibt es für den Widerspruch nichts Mittleres, wohl aber für manche Privationen; denn gleich oder nicht gleich muß jedes sein, gleich oder ungleich aber nicht jedes, sondern nur das für die Gleichheit Empfängliche. (f) Wenn nun die Entstehungen für den Stoff von dem Konträren ausgehen, und wenn sie ferner entweder von der Form und dem Haben der Form oder von der Privation der Form und der Gestalt ausgehen, so ist offenbar jeder konträre Gegensatz eine Privation, aber wohl nicht jede Privation ein konträrer Gegensatz. Der Grund liegt darin, daß Privation demjenigen, dem sie beigelegt wird, auf verschiedene
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Weise zukommen kann, während nämlich das konträr ist, von welchem als dem Äußersten die Veränderungen ausgehen. Es erhellt dies auch aus Induktion. Jeder konträre Gegensatz nämlich enthält die Privation des einen von den beiden konträr entgegengesetzten Gliedern, aber nicht bei allem auf gleiche Weise, Ungleichheit nämlich die Privation der Gleichheit, Unähnlichkeit die der Ähnlichkeit, Schlechtigkeit die der Tugend. Es tritt hierbei der besprochene Unterschied ein; manchem nämlich legt man Privation bei, wenn sie nur überhaupt vorliegt, anderem, wenn sie zu bestimmter Zeit oder an einem bestimmten Teile vorliegt, z. B. in einem gewissen Lebensalter, oder an dem dazu bestimmten Teil oder durchaus. Darum gibt es bei manchen privativen Gegensätzen ein Mittleres, z. B. bei einem Menschen, der weder gut noch schlecht ist, bei anderem nicht, wie z. B. etwas notwendig entweder ungerade oder gerade sein muß. Ferner hat der eine (Gegensatz) ein bestimmtes Zugrundeliegendes, der andere nicht. Demnach ist offenbar, daß immer das eine Glied des konträren Gegensatzes eine Privation bezeichnet; es genügt aber schon, wenn dies von den ersten konträren Gegensätzen und ihren Gattungen gilt, wie von dem Einen und dem Vielen; denn die anderen werden auf diese zurückgeführt. 5. (a) Da zu einem immer nur eines der konträre Gegensatz ist, so könnte man fragen, wie Eines und Vieles und wie das Gleiche dem Großen und dem Kleinen entgegengesetzt ist. Die Frageform nämlich „ob … oder“ wird immer nur beim Gegensatz angewendet, z. B. ob etwas weiß oder schwarz und ob es weiß oder nicht weiß ist; dagegen sagen wir nicht: ob ein Mensch oder weiß, außer unter einer bestimmten Voraussetzung und so, wie wenn wir z. B. fragen, ob Kleon oder Sokrates kam. Denn eine Notwendigkeit dazu, daß nur eines von beiden der Fall ist, liegt in keiner Art vor. Aber auch dies ist von jenem abgeleitet; denn nur bei dem Entgegengesetzten ist es unmöglich, daß es zugleich vorliege, und dies wendet man auch an, wenn man fragt, ob der eine oder der andere kam; denn wenn beides zugleich möglich wäre, so wäre die Frage
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lächerlich. Doch wenn auch, so fällt es auf ähnliche Weise unter den Gegensatz, nämlich unter den des Einen und Vielen, z. B. ob beide kamen oder der eine. (b) Wenn also die Frage mit „oder“ immer bei dem Entgegengesetzten stattfindet, und man doch sagt: „ist dies größer oder kleiner oder gleich?“, so fragt sich: in welchem Gegensatz steht das Gleiche zu diesen beiden? Denn es ist ja weder für das eine von beiden noch für beide das Konträre; denn warum sollte es dies für das Größere mehr sein als für das Kleinere? Ferner ist das Gleiche das Konträre zu dem Ungleichen; also wäre es zu mehr als einem das Konträre. Wenn aber das Ungleiche dasselbe zugleich für beides bezeichnet, so wäre es doch beiden entgegengesetzt. Und dieser Zweifel ist denen günstig, welche das Ungleiche für eine Zweiheit erklären. Aber es ergibt sich doch, daß eines zweien konträr entgegengesetzt sein müßte, was unmöglich ist. Ferner zeigt sich, daß das Gleiche zwischen dem Großen und Kleinen liegt; nichts Konträres aber erscheint als ein Mittleres und kann es auch nach der Begriffsbestimmung nicht; denn es würde keinen vollendeten Gegensatz enthalten, wenn es ein Mittleres wäre, vielmehr enthält es anderes als Mittleres zwischen sich. (c) Es bleibt also nur noch übrig, daß es als Negation oder als Privation entgegengesetzt sei. Als Negation oder als Privation nun des einen von beiden kann es nicht entgegengesetzt sein; denn warum sollte es mehr dem Großen als dem Kleinen entgegengesetzt sein? Es ist also privative Negation von beiden. Darum gebraucht man das „oder“ auch nur in Beziehung auf beides, aber nicht auf eines von beiden, z. B. „ist etwas größer oder gleich?“ oder „ist es gleich oder kleiner?“, sondern man verbindet immer die drei. Es ist aber nicht eine notwendige Privation; denn nicht jedes, was weder größer noch kleiner ist, ist darum gleich, sondern nur das, worin jene von Natur statthaben. Es ist also das Gleiche dasjenige, was weder groß noch klein ist, während es von Natur befähigt ist groß oder klein zu sein, und ist beiden als privative Negation entgegengesetzt, weshalb es auch zwischen beiden liegt. Auch dasjenige, was weder gut noch böse ist, ist beiden entgegengesetzt, nur hat es darum keine besondere Benennung, weil bei-
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des, gut und böse, in verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird und nicht einen einzigen Stoff hat. Eher findet dies statt bei dem, was weder weiß noch schwarz ist; doch hat auch dies nicht eine einzige Benennung, sondern man führt die irgendwie bestimmten Farben an, von welchen diese Negation im privativen Sinne ausgesagt wird; denn notwendig muß es grau oder blaß sein oder sonst etwas der Art. (d) Ungerecht ist also der Tadel derer, welche meinen, es müsse dies von allem auf gleiche Weise ausgesagt werden, und es müsse zwischen Schuh und Hand dasjenige ein Mittleres sein, was weder Schuh noch Hand ist, sofern dasjenige, was weder gut noch böse ist, ein Mittleres ist zwischen dem Guten und dem Bösen, gleich als müsse es bei allem ein Mittleres geben. Aber diese Folgerung ist gar nicht notwendig. Die Negation nämlich der beiden Glieder des Gegensatzes zugleich findet nur da statt, wo es ein Mittleres und eine bestimmte Entfernung der Natur der Sache nach gibt; in jenem Falle aber gibt es keinen Unterschied, weil das zugleich Negierte nicht derselben Gattung angehört, also das Zugrundeliegende nicht dasselbe ist. 6. (a) Ähnliche Fragen könnte man auch hinsichtlich des Gegensatzes des Einen und Vielen aufwerfen. Wenn nämlich Eines und Vieles einander schlechthin entgegengesetzt sind, so ergeben sich daraus einige unmögliche Folgerungen; denn das Eine müßte dann Weniges oder Wenige sein, weil auch Wenige einen Gegensatz zu Vielen bildet. Ferner Zwei müßte Viele sein, sofern ja das Zweifache, das nach der Zwei benannt ist, ein Vielfaches ist. Das Eine also wäre Weniges; denn womit sonst verglichen sollte denn Zwei Viele sein, außer mit dem Einen und dem Wenigen, da es nichts Geringeres gibt? Ferner, wie sich bei der Länge das Lange und Kurze finden, so bei der Menge das Viele und Wenige, und was Vieles ist, das ist zugleich Viele, was Viele zugleich Vieles. Wenn also nicht bei dem leicht begrenzbaren Kontinuum ein Unterschied stattfindet, so muß das Wenige eine Menge sein. Daher ist das Eine eine Menge, sofern es ja Weniges ist; dies aber ergibt sich notwendig, wenn Zwei Viele ist. (b) Doch vielleicht nennt man die
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Vielen in gewisser Weise auch Vieles, aber mit einem Unterschied, z. B. Wasser nennt man Vieles, aber nicht Viele. Man gebraucht vielmehr Viele nur von alledem, was geteilt ist, in der einen Weise so, daß sie eine Menge bezeichnen, die ein Übermaß enthält, entweder schlechthin oder in Beziehung auf etwas Bestimmtes, so wie man ebenso Weniges von einer Menge aussagt, die einen Mangel enthält; in der anderen Bedeutung als Zahl, und in dieser allein steht es dem Einen gegenüber. Denn wenn wir sagen Eines oder Viele, so ist das geradeso, als wenn man von Einheit und Einheiten oder Weißem und Weißen spricht oder von Gemessenen in bezug auf das Maß und das Meßbare. In derselben Bedeutung gebraucht man auch Vielfaches. Jede Zahl nämlich ist Viele, weil jede Einheiten enthält und durch Eines meßbar ist, und als entgegengesetzt dem Einen, nicht dem Wenigen. In diesem Sinne ist also auch Zwei Viele, nicht als eine Menge, die schlechthin oder in Beziehung auf ein bestimmtes ein Übermaß enthielte, sondern als erste Menge. Wenige dagegen ist die Zwei schlechthin; denn sie ist die erste Menge, die einen Mangel enthält. Deshalb war Anaxagoras im Unrecht mit seiner abwegigen Behauptung: „Alle Dinge waren zusammen, unbegrenzt an Menge und an Kleinheit“. Er hätte statt „und an Kleinheit“ sagen müssen „und an Wenigkeit“. Denn sie sind nicht unbegrenzt, da das Wenige nicht von dem Einen, wie einige annehmen, sondern von der Zwei herrührt. (c) Eines und Vieles in den Zahlen stehen also einander gegenüber wie das Maß dem Meßbaren, d. h. wie dasjenige Relative, welches nicht an sich zu dem Relativen gehört. Schon anderen Ortes haben wir erörtert, daß das Relative in zwei verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird, einmal als das Entgegengesetzte, dann in der Weise, wie die Wissenschaft dem Gewußten insofern gegenübersteht, als etwas anderes auf dasselbe bezogen wird. Daß das Eine kleiner ist als etwas, z. B. als Zwei, schadet nichts; denn wenn es auch kleiner ist, so ist es darum nicht Weniges. Die Menge aber ist gleichsam der Gattungsbegriff der Zahl, indem die Zahl eine durch Eines meßbare Menge ist. Und es steht sich in gewisser Weise gegenüber Eines und Zahl, nicht
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als Konträres, sondern, wie gesagt, so wie einiges von dem Relativen, nämlich insofern, als das eine Maß, die andere meßbar ist. Darum ist auch nicht alles, was Eines ist, zugleich Zahl, z. B. alles, was unteilbar ist. Das Verhältnis der Wissenschaft zum Wißbaren wird zwar in gleicher Weise bezeichnet, doch ist es nicht gleich; denn es könnte wohl scheinen, als sei die Wissenschaft das Maß, das Wißbare das Gemessene, es ergibt sich aber vielmehr, daß zwar jede Wissenschaft wißbar, aber nicht jedes Wißbare Wissenschaft ist, weil in gewissem Sinne die Wissenschaft durch das Wißbare gemessen wird. Die Menge aber ist weder zu Wenig der konträre Gegensatz, sondern diesem steht vielmehr Viel gegenüber als übertreffende Menge der übertroffenen, noch auch zu Einem in jeder Weise, sondern einmal, wie gesagt, als Teilbares zu dem Unteilbaren, zweitens in der Weise der Relation, wie die Wissenschaft dem Wißbaren entgegensteht, wenn die Menge Zahl, das Eine aber Maß ist. 7. (a) Da bei Konträrem ein Mittleres vorliegen kann und bei manchem wirklich vorliegt, so muß das Mittlere notwendig aus dem Konträren bestehen. (b) Alles Mittlere nämlich ist mit dem, dessen Mittleres es ist, in derselben Gattung. Denn Mittleres nennen wir das, in welches das sich Verändernde sich früher verändern muß; z. B. wenn man von der untersten Saite zur höchsten durch die kleinsten Unterschiede fortschreitet, so muß man früher zu den mittleren Tönen gelangen, und wenn man in den Farben vom Weißen zum Schwarzen gelangen will, so muß man früher zum Roten und zum Grauen kommen als zum Schwarzen, und in gleicher Weise verhält es sich bei allem anderen. Ein Übergang aber aus einer Gattung in eine andere, z. B. aus Farbe in Figur, ist nicht möglich außer im akzidentellen Sinne. Also muß notwendig das Mittlere untereinander und mit dem, dessen Mittleres es ist, in derselben Gattung sein. (c) Nun ist aber alles Mittlere ein solches von Entgegengesetztem; denn aus diesem allein kann Veränderung an sich statthaben. Also ist es unmöglich, daß etwas ein Mittleres sei von Nicht-Entgegengesetztem, weil
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es sonst eine Veränderung geben müßte, die nicht von Entgegengesetztem ausginge. Unter den Entgegensetzungen aber hat der Widerspruch kein Mittleres; denn Widerspruch ist ja eben ein Gegensatz, dessen eines Glied jedem zukommt, ohne daß ein Mittleres vorläge. Die übrigen Arten des Gegensatzes sind Relation, Privation und konträrer Gegensatz. Unter dem Relativen nun hat dasjenige, das nicht zueinander in konträrem Gegensatz steht, nichts Mittleres, weil es nicht in derselben Gattung begriffen ist. Denn was sollte denn das Mittlere sein zwischen Wissenschaft und Wißbarem? Wohl aber gibt es zwischen Groß und Klein ein Mittleres. (d) Ist aber das Mittlere, wie erwiesen, in derselben Gattung und ein Mittleres von konträr Entgegengesetztem, so muß es notwendig selbst aus diesem Konträren zusammengesetzt sein. Entweder nämlich wird es für dieses eine Gattung geben oder nicht. Und wenn sich nun eine Gattung findet, so daß sie etwas Früheres ist als das Konträre, so werden die Unterschiede als früher konträr entgegengesetzt sein, welche das Konträre, als Arten der Gattung, bilden; denn die Arten bestehen aus der Gattung und den Unterschieden: Wenn z. B. das Weiße und das Schwarze einander konträr entgegengesetzt sind, und das eine trennende Farbe ist, das andere verbindende Farbe, so werden diese Unterschiede, trennend und verbindend, früher sein, mithin wird auch dieser konträre Gegensatz früher sein. Es sind aber doch die konträr entgegengesetzten Unterschiede in stärkerem Maße entgegengesetzt. Auch das übrige und das Mittlere muß aus der Gattung und den Unterschieden bestehen. Z. B. alle Farben, welche etwas Mittleres zwischen weiß und schwarz sind, müssen bezeichnet werden als aus der Gattung, nämlich der Farbe, und gewissen Unterschieden bestehend. Diese Unterschiede können nicht das erste Konträre sein, sonst müßte jedes weiß oder schwarz sein. Also müssen es andere sein, und diese Unterschiede müssen also zwischen dem ersten Konträren liegen. Die ersten Unterschiede aber sind das Trennende und das Verbindende. Man muß also bei denjenigen ersten Konträren, welche nicht in der Gattung enthalten sind, untersuchen, woraus ihr Mittleres entsteht. Denn notwendig muß
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das in derselben Gattung Begriffene aus solchem, was mit der Gattung unzusammengesetzt ist, zusammengesetzt sein, oder es muß unzusammengesetzt sein. Das Konträre nun ist nicht aus einander zusammengesetzt, also ist es Prinzip; das Mittlere aber ist entweder alles (zusammengesetzt) oder nichts davon. Nun wird aber etwas aus Konträrem so, daß ein Übergang in dieses früher stattfinden muß als in das Konträre selbst, da es mehr als das eine, weniger als das andere sein muß. Also muß dies ein Mittleres für das Konträre sein. Also ist auch alles übrige Mittlere zusammengesetzt; denn was mehr ist als das eine, weniger als das andere, das ist irgendwie aus dem zusammengesetzt, mit dem verglichen ihm ein Mehr und Weniger zugeschrieben wird. Da es nun aber nichts anderes der Gattung nach Gleiches gibt, das früher wäre als das Konträre, so muß alles Mittlere aus dem Konträren bestehen. Also auch alles Untergeordnete, Konträres sowohl wie Mittleres, muß aus dem ersten Konträren zusammengesetzt sein. Daß also alles Mittlere in derselben Gattung enthalten und ein Mittleres von Konträrem ist und aus dem Konträren zusammengesetzt ist, das ist hieraus offenbar. 8. (a) Das der Art nach andere ist anderes zu etwas in etwas und dieses muß beiden zukommen; z. B. wenn ein Lebewesen der Art nach anderes zu einem anderen ist, so sind beide Lebewesen. Das der Art nach andere muß sich also notwendig in derselben Gattung befinden. Ich nenne nämlich dasjenige Gattung, was von beiden als ein und dasselbe ausgesagt wird und das sich nicht bloß in akzidenteller Weise unterscheidet, mag es nun als Stoff existieren oder auf eine andere Weise. Es muß nämlich nicht nur das Gemeinsame sich in beiden finden, daß z. B. beide Lebewesen sind, sondern eben dies selbst, Lebewesen, muß für jedes von beiden ein anderes sein, z. B. Mensch und Pferd. Deshalb ist das Gemeinsame untereinander der Art nach ein anderes. Es muß also an sich das eine ein solches Lebewesen sein, das andere ein solches, z. B. das eine Pferd, das andere Mensch. Dieser Unterschied muß also ein Anderssein der Gattung sein. Ich nenne nämlich den Un-
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terschied der Gattung ein Anderssein, welcher diese selbst, die Gattung, zu einem anderen macht. (b) Es wird dies also eine konträre Entgegensetzung sein. Das erhellt auch aus der Induktion. Denn alles wird durch Gegensätze eingeteilt, und daß das konträr Entgegengesetzte sich in derselben Gattung findet, ist erwiesen; denn der konträre Gegensatz war vollendete Unterschiedenheit. Der Artunterschied aber findet immer statt gegen etwas in etwas; dies wird also dasselbe und die Gattung für beides sein. Darum ist auch alles Konträre, das sich der Art und nicht der Gattung nach unterscheidet, in derselben Reihe der Kategorie, und voneinander am meisten verschieden; denn der Unterschied desselben ist vollendet, und es findet nicht zugleich miteinander statt. Der Unterschied ist also eine Entgegensetzung. Der Art nach anderes sein heißt also in derselben Gattung befindlich als Unteilbares entgegengesetzt sein. Der Art nach identisch ist dagegen, was als Unteilbares keinen Gegensatz hat. Denn in der Teilung und in dem Mittleren treten Gegensätze ein, bevor man zu dem Unteilbaren gelangt. (c) Daraus ergibt sich, daß keine der einer Gattung zukommenden Arten im Vergleich mit ihrer sogenannten Gattung der Art nach identisch oder anderes ist. Gebührenderweise; denn der Stoff wird durch Negation bezeichnet, die Gattung aber ist Stoff für das, dessen Gattung sie heißt, nicht in dem Sinne, wie man von der Gattung (dem Geschlecht) der Herakliden, sondern wie man von Gattungen in der Natur redet. Ebensowenig sind die Arten gegen das nicht in derselben Gattung Befindliche der Art nach anderes, sondern von diesem müssen sie sich der Gattung nach, von dem in derselben Gattung Befindlichen aber der Art nach unterscheiden. Denn der Unterschied muß ein Gegensatz gegen das sein, wovon sich etwas der Art nach unterscheidet; dieser findet sich aber nur bei dem in derselben Gattung Enthaltenen. 9. (a) Man könnte aber fragen, weshalb denn das Weib vom Manne nicht der Art nach verschieden ist, da doch das Weibliche zum Männlichen im konträren Gegensatz steht, der Unterschied aber ein konträrer Gegensatz ist, und weshalb eben-
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so das weibliche und das männliche Lebewesen nicht der Art nach unterschieden sind, da dies doch ein Unterschied des Lebewesens an sich ist, und nicht so wie weiße und schwarze Farbe, sondern weiblich und männlich dem Lebewesen zukommt, insofern es Lebewesen ist. Diese Frage fällt ungefähr zusammen mit dieser, weshalb denn einige Gegensätze der Art nach anderes hervorbringen, andere nicht; z. B. befußt und geflügelt bringt dies hervor, weiße und schwarze Farbe dagegen nicht. (b) Vielleicht liegt der Grund darin, daß jenes eigentümliche Affektionen der Gattung sind, dieses aber weniger. Und indem nun etwas teils Begriff ist, teils Stoff, so bringen die den Begriff treffenden Gegensätze Artunterschiedenheit hervor, die mit dem Stoff zusammengefaßten dagegen nicht. Daher bringt weiße und schwarze Farbe keine Artverschiedenheit hervor, und der weiße Mensch steht zu dem schwarzen nicht in einer Unterschiedenheit der Art nach, auch dann nicht, wenn man für jeden einen Namen setzt. Denn der Mensch ist hier nur als Stoff genommen, der Stoff aber bewirkt keinen Unterschied; deshalb sind ja auch die einzelnen Menschen nicht Arten des Menschen, obwohl das Fleisch und die Knochen, aus denen dieser besteht, andere sind als die, aus denen jener besteht; sondern das Konkrete ist zwar ein anderes, aber nicht ein der Art nach anderes, weil in dem Begriff kein Gegensatz stattfindet; dieses aber ist das letzte Unteilbare. Kallias nun ist der mit dem Stoff zusammengefaßte Begriff, also ist auch der weiße Mensch ein solcher, weil Kallias weiß ist; also ist der Mensch nur in akzidentellem Sinne weiß. Auch der eherne Kreis und das hölzerne Dreieck oder das eherne Dreieck und der hölzerne Kreis sind nicht um des Stoffes willen der Art nach verschieden; sondern weil sich im Begriff eine Entgegensetzung findet. (c) Bringt aber der Stoff nicht der Art nach anderes hervor, wenn er in gewisser Weise ein anderer ist, oder bewirkt er dieses auf gewisse Weise? Denn warum ist denn dieser einzelne Mensch gegenüber diesem einzelnen Pferd der Art nach anderes, da doch ihre Begriffe mit dem Stoff zusammengefaßt sind? Doch wohl, weil im Begriff die Entgegensetzung liegt. Denn auch zwischen dem weißen Menschen
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und dem schwarzen Pferd (besteht eine Verschiedenheit), aber nicht insofern, als der eine weiß, das andere schwarz ist; denn sie würden ebensogut der Art nach anderes sein, wenn beide weiß wären. (d) Das Männliche und Weibliche nun sind zwar eigentümliche Affektionen des Lebewesens, aber nicht an der Wesenheit, sondern in dem Stoff und dem Körper. Darum wird aus demselben Samen, je nachdem er eine bestimmte Affektion erleidet, etwas Männliches oder etwas Weibliches. Was also das der Art nach andere ist, und warum sich einiges der Art nach unterscheidet, anderes nicht, ist hiermit erklärt.
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10. (a) Da das Konträre der Art nach anderes, das Vergängliche und Unvergängliche aber konträr entgegengesetzt ist (denn die Privation ist ein bestimmtes Unvermögen), so müssen notwendig das Vergängliche und das Unvergängliche der Gattung nach anderes sein. (b) Jetzt haben wir diesen Satz nur über diese allgemeinen Benennungen ausgesprochen, so daß man noch glauben könnte, es seien nicht notwendig das Vergängliche und das Unvergängliche der Art nach anderes, wie ja auch Schwarz und Weiß dies nicht sind; denn dasselbe Ding, z. B. Mensch, kann, und zwar wenn es ein allgemeines ist, zugleich weiß und schwarz sein, und auch, wenn es ein einzelnes ist, kann es weiß und schwarz sein, nur nicht zugleich. Und doch ist ja das Weiße dem Schwarzen konträr entgegengesetzt. (c) Aber von dem Konträren kommt einiges manchem in akzidenteller Weise zu, wie z. B. das eben Genannte und vieles andere, bei anderem dagegen ist dies nicht möglich, und zu diesem gehört auch das Vergängliche und Unvergängliche. Denn für kein Ding ist die Vergänglichkeit ein Akzidens, weil es bei dem Akzidens möglich ist, daß es auch nicht vorhanden sei, das Vergängliche aber zu demjenigen gehört, das, wo es sich findet, mit Notwendigkeit statthat. Denn sonst müßte ein und dasselbe Ding vergänglich und unvergänglich sein, wenn es möglich wäre, daß ihm das Vergängliche auch nicht zukomme. Als das Wesen selbst oder im Wesen muß die Vergänglichkeit bei jedem Vergänglichen sein. Dasselbe gilt auch von dem Unvergänglichen; beides gehört zu dem mit Notwendigkeit
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Stattfindenden. Dasjenige also, wodurch und wonach als Prinzip das eine Ding vergänglich, das andere unvergänglich ist, enthält einen Gegensatz; daher müssen beide Dinge der Gattung nach verschieden sein. (d) Hieraus ist denn offenbar, daß nicht Ideen in der Weise, wie einige es behaupten, existieren können; denn sonst würde es einen vergänglichen und einen unvergänglichen Menschen geben, und dabei sollen doch die Ideen den Einzeldingen der Art nach und nicht bloß dem Namen nach gleich sein. Aber was der Gattung nach verschieden ist, ist voneinander weiter entfernt als das Artverschiedene.
BUCH XI
1. Daß die Weisheit eine Wissenschaft von den Prinzipien ist, erhellt aus den ersten Untersuchungen, in welchen das von anderen über die Prinzipien Gesagte aporetisch erörtert worden ist. (1. Aporie) Man könnte aber die Frage aufwerfen, ob man anzunehmen hat, daß die Weisheit eine Wissenschaft sei, oder daß sie mehrere umfasse. (a) Sollte sie eine Wissenschaft sein, so ist zu bedenken, daß eine Wissenschaft immer auf Entgegengesetztes geht, die Prinzipien aber nicht entgegengesetzt sind. (b) Ist sie nicht eine, so fragt sich, welcherlei Wissenschaften man für die Weisheit anzusehen hat. (2. Aporie) Ferner, gehört die Untersuchung der Prinzipien der Beweise einer Wissenschaft an oder mehreren? (a) Gehört sie einer an, warum soll sie dann vielmehr dieser als irgendeiner anderen zukommen? (b) Gehört sie mehreren Wissenschaften an, welche soll man dann dafür ansehen? (3. Aporie) Ferner, ist die Weisheit Wissenschaft aller Wesen oder nicht? (a) Ist sie nicht Wissenschaft aller Wesen, so ist schwer anzugeben, welcher Wesen Wissenschaft sie sei. (b) Ist sie aber als eine einzige Wissenschaft Wissenschaft von allen Wesen, so ist nicht einzusehen, wie dieselbe Wissenschaft auf mehreres gehen solle. (4. Aporie) Ferner, geht die Weisheit nur auf die Wesen oder auch auf ihre Akzidenzien? (a) Wenn nämlich ja, so gibt es zwar für die Akzidenzien eine Beweisführung, nicht aber für die Wesen. (b) Geht aber eine verschiedene Wissenschaft auf die einen und auf die anderen, so fragt sich, was denn jede von beiden, und welche von beiden die Weisheit ist. Die beweisende Weisheit nämlich ist die, welche auf die Akzidenzien geht, die aber auf das Erste geht, ist die Wissenschaft der Wesen. (5. Aporie) Man kann aber auch nicht annehmen, daß die gesuchte Wissenschaft von den in der Physik erwähnten Ursachen handle. Denn sie handelt ja auch nicht von dem Weswegen, da solcherlei Art das Gute ist; dies findet sich aber in dem, was zu
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tun ist und was sich in Bewegung befindet. Und es bewegt als Erstes (denn diese Beschaffenheit hat der Zweck), das erste Bewegende aber findet sich nicht in dem Unbeweglichen. (6. Aporie) Überhaupt macht es Schwierigkeit, ob denn die jetzt gesuchte Wissenschaft von den sinnlichen Wesen handelt oder nicht von diesen, sondern von gewissen anderen. (a) Wenn sie nämlich von anderen Wesen handelt, so würden dies entweder die Ideen oder die mathematischen Dinge sein. Daß nun die Ideen nicht existieren, ist offenbar. Indessen entsteht, wenn man sie setzt, auch noch die schwierige Frage, warum es sich denn nicht ebenso wie bei den mathematischen Dingen auch bei den übrigen verhält, von denen es Ideen gibt. Ich meine, die mathematischen Dinge setzt man zwischen die Ideen und die sinnlichen Dinge als etwas Drittes außer den Ideen und dem Sinnlichen, während es einen dritten Menschen oder ein drittes Pferd nicht gibt außer dem an-sich (seienden) und dem einzelnen. Verhält es sich dagegen nicht so, wie sie sagen, mit welcherlei Dingen soll man denn dann annehmen, daß sich der Mathematiker beschäftige? Denn mit den sinnlichen doch wohl nicht, da keines derselben so beschaffen ist, wie die mathematischen Wissenschaften es verlangen. Es handelt aber die jetzt gesuchte Wissenschaft auch nicht von den mathematischen Dingen, da deren keines selbständig abtrennbar ist. (b) Aber ebensowenig von den sinnlichen Wesen; denn diese sind vergänglich. (7. Aporie) Überhaupt muß man fragen, welcher Wissenschaft es zukommt, den der Mathematik zugrunde liegenden Stoff zu untersuchen. (a) Der Physik nicht, da die ganze Beschäftigung des Physikers auf das gerichtet ist, was in sich selbst das Prinzip der Bewegung und der Ruhe hat; aber ebensowenig der Wissenschaft, welche Beweis und Erkenntnis sucht; denn sie stellt eben ihre Untersuchung über diese Gattung des Seienden an. (b) So bleibt also nur übrig, daß die vorliegende Wissenschaft darüber Untersuchung anstelle. (8. Aporie) Auch könnte man fragen, (a) ob man als Gegenstand der vorliegenden Wissenschaft die Prinzipien anzusehen hat, welche von einigen Elemente genannt werden. Diese Elemente setzen aber alle als dem Zusammengesetzten einwohnend. (b)
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Eher möchte es scheinen, daß die vorliegende Wissenschaft auf das Allgemeine gehen müsse, da jeder Begriff und jede Wissenschaft auf das Allgemeine, nicht auf das Letzte gerichtet ist, so daß sie demnach von den ersten Gattungen handeln würde. Dies würden das Seiende und das Eine sein; denn von diesen hat man anzunehmen, daß sie am meisten das Seiende umfassen und am meisten Prinzipien gleichen, weil sie das der Natur nach Erste sind; denn mit ihrem Untergang wird auch das übrige mit aufgehoben, da alles ein Seiendes und ein Eines ist. (aa) Wofern aber, wenn man sie als Gattungen aufstellte, die Unterschiede an denselben teilhaben müßten, während doch kein Unterschied an der Gattung teilhat, insofern würde man glauben, sie nicht als Gattungen und Prinzipien aufstellen zu dürfen. Ferner, wenn das Einfachere Prinzip des weniger Einfachen, das Letzte aber unter dem aus den Gattungen Abgeleiteten als Unteilbares einfacher ist als die Gattungen, da ja die Gattungen in mehrere, voneinander unterschiedene Arten geteilt werden, so würden die Arten vielmehr für Prinzip gelten als die Gattungen. (bb) Wofern dagegen mit den Gattungen die Arten zugleich aufgehoben werden, gleichen die Gattungen mehr Prinzipien; denn was das übrige zugleich mit sich aufhebt, ist Prinzip. Dies also und anderes Ähnliche sind die Gegenstände, welche Zweifel erregen. 2. (9. Aporie) Ferner, hat man außer dem Einzelnen etwas zu setzen oder nicht, sondern geht vielmehr die gesuchte Wissenschaft auf dieses Einzelne? (a) Aber dies ist unendlich (vieles). (b) Allein das, was außer dem Einzelnen existiert, ist Gattung oder Art, auf deren keines die jetzt gesuchte Wissenschaft geht, wie die Unmöglichkeit davon im vorigen erörtert ist. – (10. Aporie) Überhaupt ist es eine schwierige Frage, ob man außer den sinnlichen, hier sich findenden Wesen ein abtrennbares Wesen anzunehmen hat oder nicht, so daß diese Wesen das Seiende sind und von ihnen die Weisheit handelt. (a) Wir suchen nämlich, so scheint es, ein anderes Wesen, und dies eben ist unsere Aufgabe, ich meine zu sehen, ob es etwas Abtrennbares an sich gibt, das sich an keinem der sinnlichen
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Dinge findet. Wenn es aber ferner außer den sinnlichen Wesen ein anderes Wesen gibt, außer welchen von den sinnlichen Dingen soll man diese setzen? Denn warum soll man denn vielmehr außer den Menschen oder den Pferden dieses Wesen setzen als außer den übrigen lebenden Wesen oder auch überhaupt außer den unbeseelten? Allein eine den sinnlichen und vergänglichen Wesen gleiche Zahl von anderen ewigen Wesen aufzustellen, scheint doch außer aller Grenzen der Wahrscheinlichkeit zu fallen. (b) Ist dagegen das jetzt gesuchte Prinzip nicht abtrennbar von den Körpern, welches kann man dann mehr aufstellen als den Stoff? Allein der Stoff ist nicht der Wirklichkeit, sondern nur dem Vermögen nach. Mehr und eigentlicher als dies würde daher für Prinzip die Form und die Gestalt anzusehen sein. Diese ist aber vergänglich, und es gibt also überhaupt kein ewiges, abtrennbares, an sich seiendes Wesen. Doch das ist unstatthaft; denn ein solches Prinzip und ein solches Wesen scheint doch zu existieren und wird gerade von den Gebildetsten gesucht; denn wie sollte Ordnung sein, wenn nicht etwas Ewiges, Abtrennbares, Bleibendes existierte? (11. Aporie) (a) Ferner, wenn es denn ein Wesen und ein Prinzip gibt von der Natur, wie wir es jetzt suchen, und dies für alle Dinge eines und für Ewiges und Vergängliches dasselbe ist, so entsteht die schwierige Frage, warum denn bei demselben Prinzip einiges von dem dem Prinzip Untergeordneten ewig ist, anderes nicht ewig. Das ist ja unstatthaft. (b) Gibt es aber ein anderes Prinzip für das Vergängliche, ein anderes für das Ewige, so werden wir, wenn auch das Prinzip des Vergänglichen ewig ist, in gleiche Schwierigkeit geraten. Denn warum soll denn, wenn das Prinzip ewig ist, nicht auch das unter das Prinzip Fallende ewig sein? Ist es aber vergänglich, so ergibt sich ein anderes Prinzip von diesem, und wieder von diesem zweiten ein anderes, und so geht es ins Unendliche fort. (12. Aporie) Will man dagegen als Prinzipien das Seiende und das Eine aufstellen, welche am meisten für unbewegte Prinzipien gelten, so fragt sich zuerst, (a) wenn jedes von diesen nicht ein bestimmtes Etwas und ein Wesen bezeichnet, wie sie denn abtrennbar und an sich sein sollen. Von dieser Beschaffenheit
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müssen aber doch die ewigen und ersten Prinzipien sein, die wir suchen. (b) Allein wenn jedes von ihnen ein bestimmtes Etwas und ein Wesen bezeichnet, so ist ja dann alles Seiende Wesen, da von allen das Seiende, von einigen auch das Eine ausgesagt wird. Daß aber alles Seiende Wesen sei, ist ein Irrtum. Wie kann ferner die Ansicht derer wahr sein, welche als erstes Prinzip das Eine und dies als Wesen bezeichnen, aus dem Einen und dem Stoff als erstes die Zahl bilden und diese für ein Wesen erklären? Denn wie soll man die Zweiheit und so eine jede der übrigen zusammengesetzten Zahlen als ein Eines denken? Darüber sagen sie nichts, und es ist auch nicht leicht, darüber etwas zu sagen. Allein, will man die Linien oder was mit diesen zusammenhängt (ich meine die ersten Flächen) als Prinzipien aufstellen, so sind dies ja nicht abtrennbare Wesen, sondern Schnitte und Teilungen, die einen der Flächen, die anderen der Körper, die Punkte der Linien, und sind zugleich Grenzen von eben diesen. Aber alles dies findet sich an einem anderen, und nichts ist trennbar. Wie soll man ferner annehmen, daß es ein Wesen des Einen und des Punktes gebe? Für jedes Wesen findet ein Entstehen statt, für den Punkt aber nicht; denn der Punkt ist nur eine Teilung. (13. Aporie) Auch dies macht Schwierigkeit, daß jede Wissenschaft auf das Allgemeine und das so und so Beschaffene geht, das Wesen nicht zu dem Allgemeinen gehört, sondern vielmehr ein bestimmtes Etwas und ein Abtrennbares ist, so daß sich fragt, wenn es über die Prinzipien eine Wissenschaft gibt, wie man denn annehmen darf, daß das Prinzip ein Wesen sei. (14. Aporie) Ferner, gibt es außer dem Konkreten etwas oder nicht? Unter Konkretem verstehe ich nämlich den Stoff und das mit ihm Verbundene. (a) Gibt es nichts, so ist zu erwägen, daß alles am Stoff Befindliche vergänglich ist. (b) Gibt es etwas, so würde dies die Form und Gestalt sein. Bei welchen Dingen nun dies stattfindet, bei welchem nicht, würde schwer zu bestimmen sein; denn bei manchem ist offenbar die Form nicht abtrennbar, z. B. beim Haus. (15. Aporie) Ferner, sind die Prinzipien der Art oder der Zahl nach dieselben? Sind sie es der Zahl nach, so muß alles dasselbe sein.
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3. (a) Da die Wissenschaft des Philosophen vom Seienden als solchem im allgemeinen und nicht von einem besonderen Teil desselben handelt, und das Seiende nicht in einer, sondern in mehreren Bedeutungen gebraucht wird, so ergibt sich, daß das Seiende, wenn es nur den Namen und nichts sonst gemeinsam hat, nicht einer einzigen Wissenschaft angehört, da das nur dem Namen nach Gleiche nicht einer einzigen Gattung angehört. Hat dagegen das Seiende etwas Gemeinsames, so wird es einer Wissenschaft angehören. (b) Es scheint nun aber in der besagten Weise gebraucht zu werden, wie ärztlich und gesund, welche beide ebenfalls in mehreren Bedeutungen gebraucht werden. Es wird nämlich insofern ein jedes ärztlich genannt, als es sich entweder auf die ärztliche Wissenschaft oder auf die Gesundheit bezieht, oder noch auf andere Weise, aber doch so, daß alles auf dasselbe zurückgeführt wird. Ärztlich nämlich nennt man einen Begriff und ein Messer, weil jener von der ärztlichen Wissenschaft abgeleitet, dieses dazu brauchbar ist. Ähnlich verhält es sich mit gesund; einiges nämlich heißt so, weil es ein Zeichen von Gesundheit ist, anderes weil es diese bewirkt. Dasselbe gilt auch von den übrigen. Auf dieselbe Weise nun wird auch das Seiende alles genannt; ein jedes nämlich wird darum seiend genannt, weil es von dem Seienden als solchem eine Affektion oder ein Verhalten oder eine Lage oder eine Bewegung oder etwas anderes der Art ist. (c) Da aber alles Seiende auf ein Eines und ein Gemeinsames zurückgeführt wird, so muß auch jeder von den Gegensätzen auf die ersten Unterschiede und Gegensätze des Seienden als solchen zurückgeführt werden, mögen nun Menge und Eines oder Ähnlichkeit und Unähnlichkeit oder irgend welche andere diese ersten Gegensätze des Seienden sein; denn darüber genüge, was anderweitig untersucht ist. – Es macht aber keinen Unterschied, ob man das Seiende auf das Seiende oder auf das Eine zurückführt; denn wenn auch das Seiende nicht dasselbe ist wie das Eine, sondern etwas anderes, so sind doch diese beiden Begriffe (in der Aussage) vertauschbar; das Eine ist nämlich gewissermaßen auch seiend, das Seiende auch Eines. (d) Da es aber Aufgabe einer und derselben Wissenschaft
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ist, alle Gegensätze zu untersuchen, und jeder von diesen der Beraubung nach ausgesagt wird, so könnte man gleichwohl die Frage aufwerfen, wie einige von ihnen, bei denen es ein Mittleres gibt, wie z. B. bei dem Gerechten und Ungerechten, der Beraubung nach ausgesagt werden. Bei allen derartigen Mittelbegriffen muß man die Beraubung nicht als eine des Gesamtbegriffs, sondern nur der letzten Art auffassen. Wenn z. B. der Gerechte vermöge einer dauernden Beschaffenheit den Gesetzen gehorsam ist, so wird deshalb der Ungerechte nicht gänzlich des Gesamtbegriffs beraubt sein, sondern er läßt es nur in gewisser Hinsicht an Gehorsam gegen die Gesetze fehlen, und nur insofern kann die Beraubung von ihm ausgesagt werden. Ebenso in den übrigen Fällen. (e) Wie der Mathematiker das aus Abstraktion Hervorgegangene untersucht, indem er nämlich alles Sinnliche, z. B. Schwere und Leichtigkeit, Härte und das Gegenteil, ferner Wärme und Kälte und die anderen Gegensätze der sinnlichen Wahrnehmung wegläßt und nur das Quantitative und das nach einer oder zwei oder drei Richtungen Kontinuierliche übrigläßt und die Affektionen derselben nicht in einer anderen Beziehung, sondern nur, insofern sie ein Quantum und ein Kontinuum sind, untersucht und bei einigem die gegenseitigen Lagen und das an ihnen sich Findende betrachtet, bei anderem die Meßbarkeit und Unmeßbarkeit, bei anderem die Verhältnisse, und wie wir dabei doch die Geometrie als eine einzige Wissenschaft von diesem allen und als dieselbe aufstellen: ebenso verhält es sich auch mit dem Seienden. Denn die Akzidenzien desselben, insofern es seiend ist, und seine Gegensätze, insofern es seiend ist, zu betrachten, gehört keiner anderen Wissenschaft an als der Philosophie. Denn der Physik kann man ihre Untersuchung nicht zuteilen, insofern es etwas Seiendes ist, sondern, insofern es teilhat an Bewegung. Die Dialektik und die Sophistik aber gehen zwar auf die Akzidenzien des Seienden, aber nicht, insofern es ein Seiendes ist, und nicht auf das Seiende als solches. Also bleibt nur übrig, daß der Philosoph die genannten Gegenstände, insofern sie Seiendes sind, zu behandeln hat. (f) Da nun das Seiende bei der Mehrheit seiner Bedeutungen
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doch in Beziehung auf ein Eines und ein Gemeinsames ausgesagt wird, und in gleicher Weise die Gegensätze, indem sie auf die ersten Gegensätze und Unterschiede des Seienden zurückgeführt werden, und da Gegenstände solcher Art unter eine Wissenschaft fallen können: so löst sich hiermit die zu Anfang ausgesprochene Frage, nämlich die, ob es über ein Vieles und der Gattung nach Unterschiedenes eine einzige Wissenschaft gebe. 4. (a) Da auch der Mathematiker die allgemeinen Grundsätze in einer (ihm) eigentümlichen Weise gebraucht, so gehört auch die Untersuchung ihrer Prinzipien der ersten Philosophie an. Denn daß Gleiches von Gleichem hinweggenommen gleiche Reste läßt, das gilt zwar allgemein von allem Quantitativen, die Mathematik aber sondert diesen Grundsatz ab und stellt ihre Untersuchungen über einen bestimmten Teil des ihr eigentümlichen Stoffes an, z. B. über Linien, Winkel, Zahlen oder sonst etwas anderes Quantitatives, nicht insofern es etwas Seiendes, sondern insofern es etwas nach einer oder zwei oder drei Richtungen Kontinuierliches ist. (b) Die Philosophie dagegen handelt nicht von dem Partikulären und dessen Akzidenzien, sondern betrachtet jedes nur in Beziehung auf das Seiende als solches. (c) In derselben Weise wie mit der Mathematik verhält es sich auch mit der Physik; denn diese betrachtet die Akzidenzien und die Prinzipien des Seienden, insofern es bewegt, nicht insofern es seiend ist. (d) Von der ersten Wissenschaft aber erklärten wir, daß ihr Gegenstand das Seiende sei, insofern es seiend, nicht insofern es irgend etwas anderes ist. Also muß man Physik sowohl wie Mathematik für Teile der Weisheit ansehen.
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5. (a) Es gibt für das Seiende ein Prinzip, über welches man sich nie täuschen kann, sondern bei dem immer das Gegenteil, ich meine die Wahrheit, stattfinden muß, nämlich der Satz: Es ist nicht möglich, daß dasselbe zu einer und derselben Zeit sei und nicht sei, und was noch sonst in dieser Weise einander entgegengesetzt ist. Einen Beweis schlechthin gibt es für ei-
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nen solchen Satz nicht, wohl aber kann man gegen einen bestimmten Gegner einen Beweis dafür führen. Es ist nämlich nicht möglich, im Schließen von einem Prinzip auszugehen, welches sicherer wäre als eben dieser Satz; und doch müßte das der Fall sein, wenn ein Beweis schlechthin sollte geführt werden können. (b) Wer aber denjenigen, der die entgegengesetzten Aussagen zugleich behauptet, des Irrtums überführen will, der muß etwas der Art annehmen, was mit dem Satz, daß unmöglich dasselbe zu einer und derselben Zeit sein und auch nicht sein könne, zwar dasselbe ist, aber doch nicht dasselbe zu sein scheint; denn nur auf diese Weise kann gegen den, welcher behauptet, daß die entgegengesetzten Aussagen zugleich in Beziehung auf dasselbe wahr seien, ein Beweis geführt werden. Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch möglich sein? Es muß also jedes Wort bekannt sein und etwas, und zwar eines und nicht mehreres, bezeichnen; hat es mehrere Bedeutungen, so muß man erklären, in welcher von diesen man das Wort gebraucht. (c) (1.) Wer nun sagt, daß dieses sei und nicht sei, der verneint eben das, was er bejaht, sagt also, daß das Wort das nicht bezeichne, was es bezeichnet. Das ist aber unmöglich. Wenn also ein Wort bedeutet, daß dieses sei, so kann unmöglich das Gegenteil in Beziehung auf dasselbe wahr sein. (2.) Ferner, wenn ein Wort etwas bezeichnet und dies mit Wahrheit ausgesagt wird, so muß es notwendig so sein; was aber notwendig ist, das kann nicht etwa zuweilen nicht sein; also ist es unmöglich, daß die entgegengesetzten Aussagen zugleich von demselben Gegenstand wahr seien. – (3.) Ferner, wenn die Verneinung ebenso wahr ist wie die Bejahung, so wird man mit ebenso großer Wahrheit etwas einen Nicht-Menschen wie einen Menschen nennen. Nun scheint es aber so, daß man, wenn man den Menschen ein Nicht-Pferd nennt, noch mehr oder doch nicht weniger die Wahrheit sagt, als wenn man ihn einen NichtMenschen nennt; folglich wird auch der die Wahrheit sagen, der ihn Pferd nennt, da die entgegengesetzten Aussagen gleich
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wahr sein sollen. Daraus ergibt sich also, daß derselbe Mensch ist und Pferd und irgendein beliebiges anderes Lebewesen. (4.) Einen Beweis schlechthin gibt es also von diesen Sätzen nicht, wohl aber eine Widerlegung dessen, der das Gegenteil aufstellt. Selbst den Herakleitos würde man wohl bald, wenn man ihn auf diese Weise fragte, zwingen einzugestehen, daß niemals die entgegengesetzten Aussagen zugleich über denselben Gegenstand wahr sein können; so aber hat er diese Ansicht gefaßt, ohne sich selbst recht bewußt zu sein, was er damit meint. Überhaupt aber angenommen, seine Behauptung sei wahr, die nämlich, daß dasselbe zu einer und derselben Zeit sein und auch nicht sein könne, wo würde daraus folgen, daß auch eben diese Behauptung nicht wahr ist. Denn wie bei Trennung der beiden Glieder des Gegensatzes die Verneinung ebenso wahr ist wie die Bejahung, so muß auch auf dieselbe Weise, wenn man die beiden Glieder des Gegensatzes gleichsam wie zu einer Bejahung verbindet und vereinigt, die Verneinung dieses Ganzen ebenso wahr sein wie die Bejahung des Ganzen. (5.) Ferner, wenn es nicht möglich ist, etwas mit Wahrheit zu bejahen, so würde auch diese Behauptung selbst, daß keine Bejahung wahr sei, falsch sein. Ist es dagegen möglich, etwas mit Wahrheit zu bejahen, so würde damit die Behauptung derer gehoben sein, welche solche Sätze bestreiten und damit die Möglichkeit der Unterredung ganz aufheben. 6. (a) Verwandt mit den angeführten Behauptungen ist auch der Ausspruch des Protagoras. Wenn dieser nämlich sagt, der Mensch sei das Maß aller Dinge, so meint er damit nichts anderes als, was einem jeden scheine, das sei auch sicher und fest also. Ist dies aber der Fall, so ergibt sich daraus, daß dasselbe ist und nicht ist und gut und schlecht ist, und daß ebenso die übrigen Gegensätze von demselben zugleich gelten, darum weil oft dies bestimmte Ding den einen schön scheint, den anderen im Gegenteil häßlich, und dasjenige, was einem jeden erscheint, das Maß des Dinges ist. Diese Schwierigkeit wird sich heben, wenn man den Ausgangspunkt betrachtet, von welchem aus diese Ansicht entstanden ist. Einige nämlich
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scheinen von der Lehre der Naturphilosophen aus auf diese Ansicht gekommen zu sein, andere von der Erfahrung aus, daß nicht alle über denselben Gegenstand dasselbe erkennen, sondern dies bestimmte Ding einigen süß erscheint, anderen entgegengesetzt. (b) Daß nämlich nichts aus Nicht-Seiendem entstehe, sondern alles aus Seiendem, ist gemeinsame Lehre so gut wie aller Naturphilosophen. Da nun nichts Weißes aus dem entsteht was vollkommen weiß und nirgends nicht weiß ist, so muß das Weiße aus dem Nicht-Weißen entstehen; nach ihrer Meinung muß es daher aus Nicht-Seiendem entstehen, sofern nicht Nicht-Weiß und Weiß dasselbe war. Aber diese Schwierigkeit ist leicht zu heben; denn es ist ja in der Physik erklärt, inwiefern das Werdende aus dem Nicht-Seienden wird und inwiefern aus dem Seienden. (c) Den Meinungen und Vorstellungen aber derer, die gegen einander streiten, gleiches Gewicht beizulegen ist Torheit; (1.) denn offenbar müssen die einen von ihnen sich im Irrtum befinden. Das erhellt aus den Sinneswahrnehmungen; denn niemals erscheint dasselbe den einen süß, den anderen entgegengesetzt, ohne daß bei den einen das Sinnesorgan und der Geschmack für die bezeichneten Flüssigkeiten verdorben und beschädigt ist. Ist dem aber so, so hat man die einen für das Maß anzusehen, die anderen aber nicht. Ebenso meine ich es nun auch bei gut und schlecht, schön und häßlich und allem anderen der Art. Denn zu behaupten, die Entgegengesetztes Behauptenden hätten gleich recht, ist geradeso, wie wenn man sagte, dasjenige, was denen erscheint, welche den Finger unter das Auge legen und so bewirken, daß ihnen die Dinge doppelt erscheinen, sei auch wirklich doppelt, weil es ihnen so erscheint, und wieder einfach, weil denen, die das Auge nicht bewegen, das Einfache einfach erscheint. – (2.) Überhaupt aber ist es unstatthaft, von der Erfahrung aus, daß die irdischen Dinge als in Veränderung begriffen und niemals in demselben Zustand beharrend erscheinen, eine Entscheidung über die Wahrheit geben zu wollen. Denn vielmehr muß man ausgehend von dem, das sich immer auf dieselbe Weise verhält und niemals in irgendeine Veränderung eingeht, die Wahrheit suchen. Solcher Art aber sind die Himmelskörper;
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denn diese erscheinen nicht bald so beschaffen, bald anders, sondern immer als dieselben und keiner Veränderung teilhaftig. – (3.) Ferner, wenn es eine Bewegung gibt und ein Bewegtes, und jedes aus etwas und zu etwas bewegt wird, so muß also das Bewegte in jenem sein, aus dem es bewegt werden wird, und nicht in diesem, und nach diesem hin bewegt werden und zu diesem gelangen, das Gegenteil aber kann nicht zugleich, wie jene es wollen, wahr sein. (4.) Und wenn die irdischen Dinge der Quantität nach in einem beständigen Flusse und einer steten Bewegung sind, und man dies annehmen möchte, wiewohl es nicht wahr ist, weshalb sollen sie denn nicht der Qualität nach beharren? Ein hauptsächlicher Grund nämlich zu der Behauptung, daß sich das Entgegengesetzte von demselben aussagen lasse, liegt in der Annahme, die Quantität beharre nicht an den Körpern, weil dasselbe zugleich vier Ellen lang ist und auch nicht vier Ellen lang. Aber das Wesen beruht auf der Qualität; diese aber gehört der bestimmten Natur an, während die Quantität der unbestimmten angehört. (5.) Ferner, warum nehmen sie denn, wenn der Arzt ihnen diese Speise verordnet, wirklich diese Speise zu sich? Warum ist denn dies Brot und nicht ebensogut Nicht-Brot? Also müßte ganz einerlei sein, es zu essen oder es nicht zu essen. Nun aber nehmen sie die Speise zu sich, als erkennten sie in diesem Falle die Wahrheit und als wäre dies Verordnete Speise. Aber das dürften sie ja nicht, wenn wirklich in den sinnlichen Dingen kein Wesen fest besteht, sondern alle immer bewegt werden und fließen. (6.) Ferner, angenommen, wir verändern uns fortwährend und bleiben niemals dieselben, was ist es dann noch wunderbar, wenn uns gerade wie den Kranken die Dinge niemals als dieselben erscheinen? Auch den Kranken nämlich erscheinen, weil sie nicht in derselben Stimmung und demselben Verhalten sind wie zur Zeit der Gesundheit, die Gegenstände der Sinneswahrnehmung nicht ebenso; deshalb hat aber das sinnlich Wahrnehmbare an keiner Veränderung teil, sondern bringt nur in den Kranken nicht dieselben, sondern andere Wahrnehmungen hervor. Und ebenso muß es sich auch wohl verhalten, wenn die bezeichnete Veränderung stattfin-
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det. Wenn wir uns dagegen nicht verändern, sondern immer dieselben bleiben, so ist ja hiernach schon etwas Bleibendes. (d) Gegen die nun, welche aus Gründen die besprochenen Zweifel hegen, ist es nicht leicht sie zu lösen, wenn man nicht etwas setzt, wofür man weiter keine Begründung fordert; denn nur auf diese Weise kommt jede Begründung und jeder Beweis zustande. Setzen sie dagegen nichts, so heben sie jede Unterredung und überhaupt jede Begründung auf. Gegen diese also läßt sich nicht mit Gründen streiten; denen dagegen, welche infolge der überlieferten Schwierigkeiten in diese Zweifel geraten sind, kann man leicht begegnen und das lösen, was den Zweifel in ihnen hervorruft. Das ist aus dem Gesagten offenbar. (e) Hieraus erhellt denn, daß unmöglich die entgegengesetzten Aussagen über dasselbe zu derselben Zeit wahr sein können, und ebensowenig das Konträre, weil jeder konträre Gegensatz eine Privation enthält. Dies wird offenbar, wenn man die Begriffe des konträr Entgegengesetzten bis auf ihren Ursprung auflöst. (f) Ebensowenig kann aber auch Mittleres von einem und demselben Gegenstand ausgesagt werden. Denn wenn der Gegenstand unserer Aussage weiß ist, so würden wir im Irrtum sein, wenn wir sagten, er sei weder weiß noch schwarz; denn daraus ergäbe sich, daß er weiß sei und auch nicht weiß; nun kann aber nur das eine Glied der miteinander verbundenen Gegensätze wahr sein, das andere aber ist die Negation von weiß. Man kann also weder, wenn man Herakleitos’ Ansicht billigt, die Wahrheit treffen, noch wenn man der des Anaxagoras folgt; denn sonst ergäbe sich ja, daß man das Entgegengesetzte von demselben aussagte. Denn wenn Anaxagoras sagt, daß in jedem ein Teil von jedem ist, so sagt er ja, daß jedes ebensowohl bitter wie süß ist, und so mit jedem beliebigen der übrigen Gegensätze, sofern ja jedes in jedem sich nicht nur dem Vermögen, sondern der Wirklichkeit nach und bestimmt ausgeschieden findet. Ebensowenig ist es möglich, daß alle Aussagen falsch, oder daß alle wahr sein sollten, sowohl wegen vieler anderen Ungereimtheiten, die man aus dieser Annahme ableiten und zusammenbringen könnte, als auch besonders deshalb, weil, wenn alle falsch sein
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sollen, auch diese Behauptung selbst nicht wahr sein kann; sollen dagegen alle wahr sein, so würde sogar die Behauptung, daß alle falsch seien, nicht falsch sein.
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7. (a) Jede Wissenschaft sucht gewisse Prinzipien und Ursachen für jeden unter ihr befaßten Gegenstand des Wissens, z. B. die Heilkunde, die Gymnastik und so eine jede der übrigen, auf ein Hervorbringen gerichteten und mathematischen Wissenschaften. Jede derselben nämlich begrenzt sich eine bestimmte Gattung und beschäftigt sich mit dieser als mit etwas Existierendem und Seiendem, aber nicht insofern es ist; sondern das ist Gegenstand einer anderen, von dieser getrennten Wissenschaft. Von den bezeichneten Wissenschaften aber nimmt eine jede in jeder Gattung des Seienden das Was irgendwie an und versucht dann das übrige mit geringerer oder größerer Strenge zu erweisen. Sie nehmen aber das Was an teils aus der sinnlichen Wahrnehmung, teils als Voraussetzung; daher es denn auch aus Induktion erhellt, daß für des Wesen und das Was kein Beweis möglich ist. (b) Indem es nun eine Wissenschaft der Natur gibt, so ist offenbar, daß diese von den auf das Handeln und den auf das Hervorbringen gerichteten Wissenschaften verschieden sein muß. Bei einer Wissenschaft nämlich, die auf das Hervorbringen eines Werkes geht, liegt das Prinzip der Bewegung in dem Hervorbringenden und nicht in dem Hervorgebrachten, und dies Prinzip ist eine Kunst oder sonst irgendein anderes Vermögen. In ähnlicher Weise ist bei einer auf das Handeln gerichteten Wissenschaft die Bewegung nicht in dem Gegenstand der Handlung, sondern vielmehr in dem Handelnden. Die Wissenschaft des Physikers aber beschäftigt sich mit dem, was in sich selbst das Prinzip der Bewegung hat. Hieraus erhellt denn, daß die Physik weder eine auf das Handeln, noch eine auf das Hervorbringen gerichtete Wissenschaft ist, sondern eine betrachtende (theoretische); denn in eine von diesen drei Gattungen muß sie notwendig fallen. Indem nun jede dieser Wissenschaften das Was irgendwie erkennen und als Prinzip gebrauchen muß, so dürfen wir nicht übersehen, in welcher Weise der Physiker
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zu definieren und wie er den Begriff des Wesens zu fassen hat, ob in der Weise wie das Stülpnasige oder wie das Hohle. Von diesen beiden nämlich wird der Begriff der Stülpnasigkeit immer in Verbindung mit dem Stoff des Gegenstandes ausgesprochen, der des Hohlen aber ohne den Stoff. Die Stülpnasigkeit nämlich entsteht an der Nase, und darum wird ihr Begriff immer nur in Verbindung mit dieser gedacht; das Stülpnasige nämlich ist eine hohle Nase. Offenbar muß nun der Begriff vom Fleisch, vom Auge und so von allen übrigen Teilen immer in Vereinigung mit dem Stoff angegeben werden. (c) Da es eine Wissenschaft gibt vom Seienden, insofern dies seiend und selbständig abtrennbar ist, muß untersucht werden, ob man diese für identisch mit der Physik zu halten hat oder vielmehr für eine andere. Die Physik handelt nun von den Dingen, die in sich selbst das Prinzip der Bewegung haben; die Mathematik dagegen ist zwar eine theoretische (Wissenschaft) und hat zum Gegenstand das Bleibende, aber nicht das Abtrennbare. Von demjenigen Seienden also, das abtrennbar und unbeweglich ist, handelt eine andere, von diesen beiden verschiedene Wissenschaft, sofern nämlich ein solches abtrennbares und unbewegtes Wesen existiert, wie wir zu beweisen versuchen werden. Und wofern es unter dem Seienden ein solches Wesen gibt, so muß da auch wohl das Göttliche sich finden, und dies würde das erste und vorzüglichste Prinzip sein. Es gibt also offenbar drei Gattungen betrachtender (theoretischer) Wissenschaften: Physik, Mathematik, Theologie. Die betrachtenden Wissenschaften sind die höchste Gattung unter allen Wissenschaften, und unter ihnen wieder die zuletzt genannte; denn sie handelt von dem Ehrwürdigsten unter allem Seienden, höher und niedriger aber steht eine jede Wissenschaft nach Maßgabe des ihr eigentümlichen Gegenstandes des Wissens. (d) Man könnte in Zweifel sein, ob man die Wissenschaft vom Seienden, insofern es ist, als allgemein zu setzen hat oder nicht. Von den mathematischen Wissenschaften nämlich handelt jede einzelne über eine bestimmt abgegrenzte Gattung, die allgemeine Mathematik aber ist allen Gattungen gemeinsam. Angenommen nun, die physischen Wesen seien die er-
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sten unter allem Seienden, so würde auch die Physik die erste unter den Wissenschaften sein. Gibt es dagegen noch eine andere Natur und ein Wesen, das abtrennbar und unbewegt ist, so muß auch die Wissenschaft derselben von der Physik verschieden sein und früher als diese und muß darum allgemein sein, weil sie die frühere ist.
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8. (a) Da das Seiende schlechthin in verschiedenen Bedeutungen ausgesagt wird, unter denen eine das akzidentelle Seiende meint, so wollen wir zuerst das in diesem Sinne Seiende in Erwägung ziehen. Daß nun keine unter den überlieferten Wissenschaften vom Akzidentellen handelt, ist offenbar; denn die Baukunst fragt nicht nach dem, was für die zukünftigen Bewohner des Hauses ein Akzidens sein wird, z. B. ob sie es in Trauer oder in Freude bewohnen werden; ebensowenig fragt die Kunst des Webers, Schusters oder Kochs danach. Jede von diesen Wissenschaften ist vielmehr auf das ihr Eigentümliche, d. h. auf den ihr angehörigen Zweck gerichtet. Auch danach, daß der Gebildete, wenn er sprachkundig geworden ist, beides zugleich sein muß, während er es früher nicht war, – was aber nicht immer seiend ist, das wurde einmal, also wurde er zugleich gebildet und sprachkundig –, hiernach fragt keine der Wissenschaften, die man allgemein als Wissenschaften anerkennt, sondern nur die Sophistik; denn diese allein beschäftigt sich mit dem Akzidentellen; daher hatte Platon nicht unrecht, wenn er behauptete, die Sophistik beschäftige sich mit dem Nicht-Seienden. Daß aber von dem Akzidentellen eine Wissenschaft auch nicht einmal möglich ist, das wird sich zeigen, wenn wir versuchen zu sehen, was eigentlich das Akzidens ist. Wir sagen von allem entweder, es sei immer und mit Notwendigkeit (ich meine nicht die gewaltsame Notwendigkeit, sondern diejenige, welche wir in den Beweisen haben), oder, es sei meistenteils, oder aber, es sei weder immer noch meistenteils, sondern nur, wie es sich eben trifft. In den Hundstagen z. B. kann wohl Kälte Vorkommen, aber dies findet weder immer und mit Notwendigkeit, noch in der Regel statt, sondern es kann sich einmal so treffen. Es ist also das Akzidentelle dasje-
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nige, was zwar geschieht, aber nicht immer, noch mit Notwendigkeit, noch auch meistenteils. Hiermit ist erklärt, was das Akzidens ist; es leuchtet aber ein, warum es von einem solchen Gegenstand keine Wissenschaft geben kann; denn jede Wissenschaft ist auf das gerichtet, was immer oder meistenteils ist, das Akzidentelle aber findet sich in keinem dieser beiden Gebiete. (b) Daß aber die Ursachen und Prinzipien des Akzidentellen nicht so beschaffen sind wie die des an sich Seienden, ist offenkundig; sonst müßte ja alles mit Notwendigkeit sein. Denn wenn dieses ist, sofern dies zweite ist, dies zweite, sofern dies dritte, und dieses nicht zufällig, sondern mit Notwendigkeit stattfindet, so muß auch alles mit Notwendigkeit stattfinden, dessen Ursache dies dritte ist, bis zur letzten Wirkung hin; diese fand aber in akzidenteller Weise statt. Es müßte also hiernach alles mit Notwendigkeit stattfinden, und der Zufall und die Möglichkeit des Werdens und Nichtwerdens müßten aus dem Gebiete des Werdens ganz hinweggenommen werden. Auch wenn man die Ursache nicht als seiend, sondern als werdend voraussetzt, wird sich dieselbe Folgerung ergeben; alles nämlich wird mit Notwendigkeit geschehen. Denn die morgige Finsternis wird eintreten, sofern dies geschieht, dies, sofern ein zweites, das zweite, sofern ein anderes geschieht; auf diese Weise wird man von der begrenzten Zeit zwischen heute und morgen immer einen Zeitteil hinwegnehmend endlich bis zu dem gegenwärtig Existierenden gelangen. Da nun dies ist, so muß mit Notwendigkeit alles nach ihm geschehen, so daß danach überhaupt alles mit Notwendigkeit würde. (c) Von dem, was wahr und was akzidentell seiend ist, beruht das eine in der Verbindung des Denkens und ist eine Affektion desselben; darum werden nicht die Prinzipien des in diesem Sinne Seienden, sondern des außer dem Denken und abtrennbar (selbständig) Seienden gesucht; das andere Seiende aber, das akzidentelle, ist nicht notwendig, sondern unbestimmt; darum sind seine Ursachen ohne Ordnung und Grenze. (d) Das Weswegen findet sich in dem, was durch Natur oder durch die Denkkraft entsteht. Zufall aber findet statt, wenn etwas hiervon in akzidenteller Weise geschieht. Denn so wie
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von dem Seienden einiges an sich, anderes akzidentell ist, so ist dies auch bei der Ursache der Fall. Der Zufall aber ist akzidentelle Ursache in dem, was nach Vorsatz um eines Zwecks willen geschieht. Darum hat der Zufall dieselben Objekte wie die denkende Überlegung; denn Entschluß findet ohne denkende Überlegung nicht statt. Die Ursachen aber, durch welche das Zufällige geschehen kann, sind unbestimmt; darum ist er für menschliche Überlegung unerkennbar und akzidentelle Ursache, von nichts aber ist er Ursache schlechthin. Glücklich und unglücklich ist der Zufall, wenn der Erfolg desselben ein Gut oder ein Übel ist; Glück und Unglück tritt ein, wenn dieser Erfolg groß ist. Da nun aber nichts Akzidentelles früher ist als das An-sich, so gilt dies auch von den Ursachen. Sollte also wirklich der Zufall und das Unwillkürliche Ursache des Himmels sein, so würden doch noch früher Vernunft und Natur eine Ursache sein. 9. (a) Einiges ist nur der Wirklichkeit, anderes nur dem Vermögen (der Möglichkeit) nach, anderes sowohl dem Vermögen als auch der Wirklichkeit nach ein bestimmtes (einzelnes) Seiendes oder ein Quantum oder eine von den anderen Kategorien. Die Bewegung ist aber nicht neben und außer den Dingen; denn Veränderung findet immer den Kategorien des Seienden gemäß statt. Etwas Gemeinsames über diesen, was in keine Kategorie fiele, läßt sich nicht finden. Jedes kommt aber in zweifachem Sinne allem zu, z. B. das bestimmte Etwas; teils nämlich ist es Gestalt desselben, teils Privation; ebenso ist in der Qualität einiges weiß, anderes schwarz, in der Quantität einiges vollkomvollkommen, anderes unvollkommen, in der Bewegung einiges oben, anderes unten, oder leicht und schwer. Es gibt also von der Bewegung und Veränderung soviel Arten wie vom Seienden. Indem nun in jeder Gattung des Seienden das Mögliche von dem Wirklichen geschieden ist, so nenne ich die Wirklichkeit des Möglichen, insofern es möglich ist, Bewegung. (b) Daß diese Bestimmung wahr ist, erhellt aus folgendem: Wenn das Erbaubare, insofern wir es eben erbaubar nennen, der Wirklichkeit nach ist, so wird erbaut, und dies ist
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das Erbauen. Dasselbe gilt von dem Erlernen, Heilen, Wälzen, Gehen, Springen, Altern, Reifen. Das Bewegtwerden tritt ein, sobald Verwirklichung selbst stattfindet, weder früher noch später. Die Vollendung (Wirklichkeit) also des in Möglichkeit Seienden, sobald es in Wirklichkeit seiend tätig ist, nicht insofern es selbst (wirklich) ist, sondern insofern es bewegbar ist, ist Bewegung. Das „insofern“ meine ich so: Das Erz ist dem Vermögen nach Bildsäule, aber doch ist die Wirklichkeit des Erzes, insofern es Erz ist, nicht Bewegung. Denn Erz-sein und dem Vermögen nach etwas sein ist nicht identisch; denn wäre es schlechthin dem Begriff nach identisch, so würde die Wirklichkeit des Erzes Bewegung sein. Es ist aber nicht identisch, wie aus dem Gegenteil erhellt; denn gesund werden können und krank sein können ist nicht identisch (sonst wäre ja auch gesund sein und krank sein identisch), wohl aber ist das Substrat, welches sowohl gesund wie auch krank ist, mag dies nun Flüssigkeit oder mag es Blut sein, identisch und eins. Da nun jenes nicht identisch ist, sowenig wie Farbe und Sichtbares identisch sind, so ist die Wirklichkeit des Möglichen, insofern es möglich ist, Bewegung. Daß nämlich diese Wirklichkeit Bewegung ist, und daß das Bewegt werden dann eintritt, wenn diese Wirklichkeit stattfindet, und weder früher noch später, ist offenbar. Denn es ist möglich, daß dasselbe bald in wirklicher Tätigkeit sei, bald nicht, z. B. das Erbaubare, insofern es erbaubar ist, und die Wirklichkeit des Erbaubaren als Erbaubaren ist das Erbauen. Denn entweder ist dieses das Erbauen, die Wirklichkeit, oder das erbaute Haus. Aber sobald das Haus ist, ist das Erbaubare nicht mehr; erbaut aber wird das Erbaubare. Also muß das Erbauen die Wirklichkeit sein, das Erbauen aber ist eine Bewegung. Dasselbe gilt auch von den übrigen Bewegungen. (c) Daß diese gegebenen Bestimmungen richtig sind, ergibt sich aus dem, was andere über die Bewegung sagen, und aus der Schwierigkeit, sie anders zu definieren. Denn man kann sie nicht in eine andere Gattung setzen. Das ersieht man daraus, wenn einige sie Anders-sein oder Ungleichheit oder Nicht-Seiendes nennen, von denen doch keines sich notwendig
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zu bewegen braucht; ebensowenig findet aber die Veränderung zu diesen oder aus diesen mehr statt als aus den Gegenteilen. Der Grund, sie hierin zu setzen, liegt darin, daß die Bewegung etwas Unbestimmtes zu sein scheint, die Prinzipien der anderen Reihe aber wegen der in ihnen enthaltenen Privation unbestimmt sind; denn sie sind weder ein bestimmtes Etwas noch eine Qualität noch sonst eine der übrigen Kategorien. Daß aber die Bewegung für unbestimmt gilt, hat darin seinen Grund, daß man sie weder zu der Möglichkeit noch zu der Wirklichkeit des Seienden rechnen kann; denn weder was der Möglichkeit, noch was der Wirklichkeit nach ein Quantum ist, wird notwendig bewegt, und die Bewegung scheint zwar eine wirkliche Tätigkeit zu sein, aber eine unvollendete, darum weil das Mögliche unvollendet ist, dessen Wirklichkeit sie ist. Darum ist es schwer zu finden, was die Bewegung ist; denn man müßte sie entweder zur Privation oder zur Möglichkeit oder zur Wirklichkeit an sich rechnen, aber keine dieser Annahmen zeigt sich als zulässig. Also bleibt nur das von uns Ausgesprochene übrig, daß sie Wriklichkeit und Nichtwirklichkeit sei, wie näher bestimmt, was zwar schwer zu fassen, aber doch möglich ist. (d) Offenbar ist die Bewegung in dem Bewegbaren; denn sie ist dessen Wirklichkeit, und zwar durch das zum Bewegen Fähige, und die Wirklichkeit des zum Bewegen Fähigen ist keine andere. Denn die Bewegung muß die Wirklichkeit beider sein; denn zum Bewegen fähig ist etwas durch das Vermögen, bewegend aber durch die wirkliche Tätigkeit; doch zum Bewegen fähig ist es für das Bewegbare. Also ist auf gleiche Weise die wirkliche Tätigkeit beider eine, wie derselbe Abstand von eins zu zwei und von zwei zu eins, und wie das Steile zugleich abschüssig ist, ohne daß das (begriffliche) Sein dasselbe wäre. Ebenso verhält es sich bei dem Bewegenden und dem Bewegten. 10. (a) Unter dem Unendlichen versteht man entweder das, was nicht durchgegangen werden kann, weil es seinem Wesen nach zum Durchgehen nicht geeignet ist, in der Weise, wie man die Stimme unsichtbar nennt, oder das, was einen unvollendbaren
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oder kaum vollendbaren Durchgang hat, oder das, was kein Durchgehen zuläßt oder keine Grenze hat, obgleich es seinem Wesen nach dazu geeignet ist. Ferner kann etwas entweder in Beziehung auf das Hinzufügen oder in Beziehung auf das Hinwegnehmen oder in beiden Beziehungen unendlich sein. (b) Daß es nun ein Unendliches für sich abgetrennt seiend – und doch sinnlich wahrnehmbar – gäbe, ist unmöglich. Denn wenn das Unendliche weder Größe noch Menge ist, sondern es selbst Wesen davon und nicht Akzidens ist, so müßte es unteilbar sein, weil das Teilbare Größe oder Menge ist. Ist es nun aber unteilbar, so ist es nicht unendlich, es wäre denn in dem Sinne, wie die Stimme unsichtbar ist. Aber so meint man es nicht, und in diesem Sinne suchen auch wir das Unendliche nicht, sondern als das, was zu durchgehen nicht möglich ist. Wie ist es ferner denkbar, daß etwas unendlich an sich sei, wenn es nicht auch die Zahl und die Größe ist, deren Affektion das Unendliche ist? Ferner, wenn das Unendliche akzidentell ist, so kann es nicht Element der seienden Dinge sein, insofern es unendlich ist, sowenig wie das Unsichtbare Element der Sprache, obgleich die Stimme unsichtbar ist. (c) (1.) Daß aber nicht in Wirklichkeit das Unendliche sein kann, leuchtet ein, weil dann jeder davon genommene Teil unendlich sein müßte; denn das Unendlich-sein und das Unendliche ist identisch, sofern das Unendliche Wesenheit ist und nicht von einem Substrat ausgesagt wird. Daher muß es entweder unteilbar sein, oder, wofern teilbar, in Unendliches teilbar. Daß aber dasselbe Unendliche wieder vieles Unendliche zu seinen Teilen habe, ist unmöglich, und doch müßte, wie der Luft Teil Luft, so des Unendlichen Unendliches sein, wenn es Wesenheit und Prinzip ist. Also ist es vielmehr unteilbar und untrennbar. Doch ist das (in diesem Sinne) der Wirklichkeit nach Unendliche unmöglich, weil es ein Quantum sein muß. Also ist es nur ein Akzidens. Wenn aber dies der Fall ist, so ist nach den früheren Erörterungen unmöglich das Unendliche Prinzip, sondern dasjenige, dessen Akzidens es ist, die Luft etwa oder das Gerade.
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(2.) Die bisherige Untersuchung war allgemein; daß sich aber im Sinnlichen das Unendliche nicht findet, erhellt aus folgendem: Wenn der Begriff des Körpers das von Flächen Begrenzte ist, so kann kein Körper unendlich sein, weder ein sinnlich wahrnehmbarer noch ein denkbarer, und ebensowenig kann eine Zahl existieren als getrennt und unendlich; denn zählbar ist die Zahl oder das, was die Zahl enthält. – (3.) In der Weise der Physik ist dasselbe folgendermaßen zu beweisen. Ein unendlicher Körper könnte weder zusammengesetzt noch einfach sein. Zusammengesetzt nicht, weil die Elemente der Zahl nach begrenzt sind; es müßten nämlich die entgegengesetzten Elemente einander gleichkommen und nicht eines von ihnen unendlich sein; denn wenn des anderen Körpers Vermögen auch nur irgendwie (um das geringste) nachsteht, so wird das Begrenzte durch das Unbegrenzte untergehen. Daß aber ein jedes Element unendlich sei, ist unmöglich; denn Körper ist das nach allen Dimensionen Ausgedehnte, unendlich das unendlich Ausgedehnte, also ein unendlicher Körper müßte nach allen Dimensionen unendlich sein. Ebensowenig kann aber der unendliche Körper ein einziger und einfacher sein, weder nach den Lehren einiger als etwas neben den Elementen, woraus sie diese entstehen lassen (denn ein solcher Körper neben den Elementen existiert nicht; woraus nämlich jedes entsteht, dahin löst es sich auch wieder auf, aber es zeigt sich ja dies nicht neben den einfachen Körpern), noch als Feuer oder irgendein anderes der Elemente. Denn abgesehen davon, daß eines unter ihnen unendlich wäre, ist es unmöglich, auch die Begrenztheit vorausgesetzt, daß das gesamte All eines derselben sei oder werde, wie Herakleitos sagt, daß alles einst Feuer werde. Ebenso verhält es sich mit dem Einen, welches einige Physiker zu einem Element machen; denn alles verwandelt sich aus dem Entgegengesetzten, z. B. aus Warmem in Kaltes. (4.) Ferner, der sinnliche Körper ist irgendwo, und identisch ist der Raum des Ganzen und eines Teiles, z. B. der Erde. Ist nun das Ganze gleichartig, so wird es entweder unbewegt sein oder immer bewegt werden. Das ist aber unmöglich. Denn warum sollte es vielmehr unten als oben oder irgendwo sein? Z. B. es
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sei eine Scholle, wo soll diese sich bewegen oder wo soll sie bleiben, da der Raum des ihr gleichartigen Körpers unendlich ist? Also wird sie den ganzen Raum einnehmen. Und wie das? Wie ist also ihr Bleiben und wie ihre Bewegung? Oder wird sie überall bleiben? Dann würde sie sich also nicht bewegen. Oder wird sie sich überall bewegen? Dann würde sie also nicht stehen bleiben. Ist aber das Ganze ungleichartig, so sind auch die Räume ungleichartig, und erstens ist dann der Körper des Ganzen nicht Eines außer durch Berührung, ferner werden diese der Art nach entweder begrenzt oder unbegrenzt sein. Daß sie begrenzt sein sollten, ist nicht möglich, denn dann müßten von ihnen, wenn das Ganze unbegrenzt sein soll, einige unbegrenzt sein, andere nicht, z. B. Feuer oder Wasser; dergleichen würde aber Vernichtung für das Entgegengesetzte sein. Sind sie aber unendlich und einfach, so werden auch die Räume unendlich sein und die Elemente unendlich; ist dies aber unmöglich, und sind die Räume begrenzt, so muß auch das Ganze notwendig begrenzt sein. (5.) Überhaupt ist es aber unmöglich, daß ein unendlicher Körper und Raum für die Körper sei, wenn jeder sinnlich wahrnehmbare Körper entweder Schwere oder Leichtigkeit hat. Denn er müßte sich demnach entweder nach der Mitte oder aufwärts bewegen, unmöglich aber kann das Unendliche, mag man das Ganze nehmen oder die Hälfte, irgendeine von diesen Bewegungen erleiden. Denn wie will man das Unendliche teilen, oder wie soll es in dem Unendlichen ein Unten und ein Oben, ein Äußerstes und ein Mittleres geben? (6.) Ferne ist jeder sinnliche Körper im Raume, des Raumes Arten sind sechs, in dem unendlichen Körper aber können diese sich unmöglich finden. (7.) Überhaupt, wenn es unmöglich ist, daß der Raum unendlich sei, so ist es auch für den Körper unmöglich; denn was im Raume ist, das ist irgendwo; dies irgendwo bezeichnet ein Oben oder Unten oder irgendeine der übrigen Bestimmungen, jede derselben aber ist eine Grenze. (d) Das Unendliche ist nicht dasselbe bei der Größe und der Bewegung und der Zeit, als sei es ein einziges Wesen, sondern das Spätere wird als unendlich bezeichnet mit Beziehung auf das Frühere, z. B. die Bewegung
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mit Beziehung auf die Größe, zu welcher die Bewegung oder Veränderung oder Vergrößerung geht, die Zeit aber um der Bewegung willen. 1067b
11. (a) Was sich verändert, das verändert sich teils in akzidentellem Sinne, wie z. B. das Gebildete geht; teils schreiben wir einem Ding schlechthin Veränderungen zu, weil sich etwas an ihm verändert, wie z. B. bei allem, was sich seinen Teilen nach verändert; denn der Körper wird gesund, weil das Auge gesund wird. Es gibt aber auch etwas, das an sich zuerst bewegt wird, und dies ist das an sich Bewegbare. Ebenso verhält es sich auch bei dem Bewegenden; einiges nämlich bewegt in akzidentellem Sinne, anderes dem Teile nach, anderes an sich. Es gibt ein erstes Bewegendes, es gibt auch etwas, das bewegt wird, ferner das, worin es bewegt wird, die Zeit, und woraus und wozu. Die Formen aber und die Affektionen und der Ort, wohin das bewegt wird, was bewegt wird, sind unbeweglich, z. B. Wissenschaft und Wärme; nicht die Wärme ist Bewegung, sondern die Erwärmung. Die nicht-akzidentelle Veränderung findet nicht bei allen Dingen statt, sondern bei den konträr entgegengesetzten und den mittleren und beim kontradiktorischen Gegensatz, wovon man sich durch Induktion überzeugt. (b) Was sich verändert, das verändert sich entweder aus einem Zugrundeliegenden in ein Zugrundeliegendes oder aus einem Nicht-Zugrundeliegenden in ein Nicht-Zugrundeliegendes oder aus einem Zugrundeliegenden in ein Nicht-Zugrundeliegendes oder aus einem Nicht-Zugrundeliegenden in ein Zugrundeliegendes. Unter Zugrundeliegendem verstehe ich dasjenige, was durch eine Bejahung bezeichnet wird. Es muß also notwendig drei Arten der Veränderung geben; denn die aus einem Nicht-Zugrundeliegenden in ein NichtZugrundeliegendes ist keine Veränderung; denn sie betrifft weder einen konträren (Gegensatz) noch einen kontradiktorischen, weil kein Gegensatz vorhanden ist. Die Veränderung nun aus einem Nicht-Zugrundeliegenden in ein Zugrundeliegendes nach einem kontradiktorischen Gegensatze ist das Entstehen, und zwar, wo sie schlechthin stattfindet, Entstehen schlechthin,
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wo sie Veränderung von etwas Bestimmtem ist, bestimmtes Entstehen. Die Veränderung dagegen aus einem Zugrundeliegenden in ein Nicht-Zugrundeliegendes ist das Vergehen, und zwar, wo sie schlechthin stattfindet, Vergehen schlechthin, wo sie Veränderung von etwas Bestimmtem ist, bestimmtes Vergehen. (c) Wenn nun das Nichtseiende in mehreren Bedeutungen gebraucht wird, und weder dasjenige, welches sich auf Verbindung und Trennung bezieht, bewegt sein kann, noch das dem Vermögen nach Vorhandene, welches dem schlechthin Seienden entgegengesetzt ist (das Nichtweiße oder Nichtgute kann nämlich dennoch möglicherweise in akzidentellem Sinne bewegt sein, indem das Nichtweiße z. B. ein Mensch sein könnte; was aber schlechthin nicht ein bestimmtes Ding ist, kann auf keine Weise bewegt sein), ist es unmöglich, daß das Nichtseiende bewegt sei. Ist dies der Fall, so kann auch das Entstehen keine Bewegung sein; denn das Nichtseiende entsteht ja doch. Denn wenn auch das Entstehen bei ihm nur in akzidentellem Sinne stattfindet, so ist es doch wahr zu sagen, daß bei dem schlechthin Entstehenden das Nichtseiende vorhanden ist. Ebensowenig kann das Entstehen Ruhe sein. Zu diesen Schwierigkeiten kommt noch hinzu, daß, während alles Bewegte im Raume ist, das Nichtseiende nicht im Raume ist, weil es sonst irgendwo sein müßte. Ebensowenig ist ferner das Vergehen Bewegung. Denn das Gegenteil von Bewegung ist entweder Bewegung oder Ruhe, das Gegenteil des Vergehens aber ist das Entstehen. (d) Da nun jede Bewegung eine Art von Veränderung ist, die Veränderung aber die drei angegebenen Arten hat, und da ferner unter diesen die beiden Veränderungen in das kontradiktorische Gegenteil, das Entstehen und Vergehen, keine Arten der Bewegung sind, so muß notwendig nur die Veränderung aus einem Zugrundeliegenden in ein Zugrundeliegendes Bewegung sein. Die Zugrundeliegenden sind entweder konträr oder liegen inmitten zwischen dem Konträren; denn es mag vorausgesetzt werden, daß auch die Privation etwas Konträres ist, wie sie ja auch durch Bejahung bezeichnet wird, z. B. das Nackte, das Stumme, das Schwarze.
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12. (a) Wenn nun die Kategorien geschieden sind in Wesen, Qualität, Ort, Tun und Leiden, Relation, Quantität, so muß es notwendig drei Arten der Bewegung geben: Bewegung der Qualität, der Quantität, des Ortes. Dem Wesen nach kann es keine Bewegung geben, weil dem Wesen nichts entgegengesetzt ist. Ebensowenig kann eine Bewegung der Relation stattfinden; denn es ist möglich, daß man, während das eine Glied der Relation sich verändert, das andere nicht mit Wahrheit aussagen kann, obwohl es sich nicht verändert. Daher ist die Bewegung des Relativen nur eine akzidentelle. Ebensowenig findet eine Bewegung des Tuenden und Leidenden oder des Bewegenden und Bewegten statt, weil nicht eine Bewegung der Bewegung oder ein Entstehen des Entstehens oder überhaupt eine Veränderung der Veränderung möglich ist. (b) (1.) In zweifachem Sinne nämlich kann man von einer Bewegung der Bewegung sprechen. Entweder soll die Bewegung Substrat sein, z. B. der Mensch wird bewegt, weil er sich aus weiß in schwarz verändert, und so soll auch die Bewegung warm oder kalt werden, den Ort verändern oder sich vermehren. Das ist aber unmöglich, weil die Veränderung nicht ein Substrat ist. Oder Bewegung der Bewegung soll dadurch stattfinden, daß ein davon verschiedenes Substrat aus einer Veränderung sich in eine andere Form verändert, wie z. B. der Mensch aus Krankheit in Gesundheit. Aber auch dies ist nicht möglich außer in akzidentellem Sinne. Denn jede Bewegung ist Veränderung aus einem in ein anderes (dasselbe gilt auch vom Entstehen und Vergehen), nur daß die Übergänge in das so oder so Entgegengesetzte nicht Arten der Veränderung sind. Also verändert sich etwas zugleich aus Gesundheit in Krankheit und aus eben dieser Veränderung in eine andere. Offenbar, wenn etwas bereits erkrankt ist, würde es sich schon in irgendeinen Zustand verändert haben (denn es kann ja auch Stillstand eintreten), und zwar jedesmal nicht in irgendeine beliebige, und jene würde eine Veränderung aus etwas in etwas sein. Also müßte es die entgegengesetzte Veränderung sein, nämlich die Genesung. Vielmehr findet nur in akzidentellem Sinne eine Veränderung der Veränderung statt, wie etwas z. B.
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aus Erinnerung in Vergessenheit übergeht, insofern dasjenige, an welchem jenes sich findet, bald zur Wissenschaft sich verändert, bald zur Gesundheit. (2.) Ferner würde sich ein Fortschritt ins Unendliche ergeben, wenn es eine Veränderung der Veränderung und ein Entstehen des Entstehens geben soll. Notwendig muß also auch das frühere Entstehen entstehen, sofern das spätere entsteht. Z. B. wenn die Entstehung an sich einmal entstand, so entstand auch das schlechthin Entstehende, also war das Entstehende noch nicht schlechthin, sondern es war ein entstehendes Entstehendes. Und wenn nun auch dies wieder einmal entstand, so war es damals noch nicht als Entstehendes. Da sich nun in dem Unendlichen nichts Erstes findet, so würde auch hier das Erste nicht sein. also auch das Folgende nicht. Es könnte sich also nichts bewegen noch verändern. (3.) Ferner, bei demselben findet die entgegengesetzte Bewegung statt und der Stillstand und Werden und Vergehen; also sobald das Werdende Werdendes geworden ist, dann vergeht es, weder sogleich beim Entstehen noch später, denn das Vergehende muß sein. (4.) Ferner, dem Entstehenden und sich Verändernden muß ein Stoff zugrunde liegen. Welches sollte dieser sein? Was ist es, das in derselben Weise Werden oder Veränderung würde, wie das der Qualitätsveränderung unterworfene Körper oder Seele ist? Ferner was ist es, dem sie sich zubewegen? Denn Bewegung muß Bewegung sein, aus diesem bestimmten Etwas in dies bestimmte Etwas, nicht bloße Bewegung. Wie soll dies nun möglich sein? Es kann ja doch nicht ein Lernen des Lernens, also auch nicht ein Werden des Werdens geben. (c) Da also weder beim Wesen noch bei der Relation noch beim Tun und Leiden Bewegung stattfindet, so bleibt nur übrig, daß es Bewegung gibt der Qualität, der Quantität, und des Ortes; denn bei jedem von diesen ist ein Gegensatz vorhanden. Unter Qualität aber meine ich nicht die dem Wesen angehörige (denn auch der Artunterschied ist ja eine Qualität), sondern die Affektionsqualität, vermöge deren man von etwas sagt, daß es eine Affektion erfahre oder nicht erfahre. (d) Unbeweglich heißt einmal dasjenige, was überhaupt nicht bewegt werden kann, dann dasjenige, was sich in langer Zeit
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nur mit Mühe bewegt oder schwer anfängt, dann dasjenige, was, seinem Wesen nach fähig bewegt zu werden, nicht bewegt wird, und zwar dann und da und so, wann und wo und wie es bewegt zu werden fähig ist. Dieser Art des Unbeweglichen allein schreibe ich Ruhe zu; denn Ruhe ist der konträre Gegensatz von Bewegung, also eine Privation an dem der Bewegung Fähigen. Zusammen dem Raume nach ist dasjenige, was in demselben ersten Raume, getrennt aber, was in einem anderen Raume ist. Berührung schreibt man den Dingen zu, deren Enden zusammen sind. Mittleres heißt dasjenige, in welches das sich Verändernde früher übergeht als in das Äußerste, wenn es sich naturgemäß kontinuierlich verändert. Dem Orte nach entgegengesetzt heißt dasjenige, was in gerader Linie am weitesten entfernt ist. Nächstfolgend heißt dasjenige, was nach dem Anfang ist, wenn zwischen ihm, wie es der Stellung oder der Art nach oder sonstwie bestimmt ist, und dem, welchem es zunächst folgt, nichts derselben Art in der Mitte ist; so sind Linien Nächstfolgendes für eine Linie, Einheiten für eine Einheit, ein Haus für ein anderes Haus. Dabei ist es ganz wohl zulässig, daß etwas anderes in der Mitte sei; denn das Nächstfolgende ist dies für etwas Bestimmtes und ist ein Späteres. Denn das Eine ist nicht Nächstfolgendes für die zwei, und der Neumond nicht für das zweite Viertel. Angrenzend heißt das Nächstfolgende, wenn es berührt. Da nun jede Veränderung unter Entgegengesetztem stattfindet, entgegengesetzt aber teils das Konträre, teils das Kontradiktorische ist, der kontradiktorische Gegensatz aber nichts Mittleres hat, so findet offenbar das Mittlere statt bei dem Konträren. Stetig ist das Angrenzende und Berührende. Ich spreche nämlich von stetig, wenn zwei Dinge eine und dieselbe Grenze haben, mit der sie sich berühren und Zusammenhängen. Also kann Stetigkeit nur da Vorkommen, wo aus mehreren durch Berührung eine Einheit entstehen kann. (e) Offenbar ist der Begriff des Nächstfolgenden der erste; denn das Nächstfolgende berührt darum noch nicht, das Berührende dagegen muß nächstfolgend sein, und wenn etwas stetig ist, muß Berührung stattfinden, aber nicht
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umgekehrt, wenn Berührung, auch schon Stetigkeit. Wo keine Berührung statthat, da findet sich auch kein Zusammenwachsen. Also sind Punkt und Einheit nicht identisch; denn für die einen findet Berührung statt, für die anderen nicht, sondern nur unmittelbare Aufeinanderfolge. Auch gibt es bei den einen ein Mittleres, bei den anderen nicht.
BUCH XII
1. (a) Das Wesen ist der Gegenstand unserer Betrachtung; denn die Prinzipien und Ursachen der Wesen werden gesucht, (b) Denn wenn das All wie ein Ganzes ist, so ist das Wesen sein erster Teil, und wenn es in einer Abfolge vorliegt, so ist auch in diesem Falle das Wesen das Erste, darauf folgt das Qualitative, dann das Quantitative. Zudem ist das übrige nicht einmal als eigentlich Seiendes anzusprechen, sondern als Qualität und Bewegung, wie auch das NichtWeiße und das Nicht-Gerade; denn wir schreiben ja doch auch diesem Sein zu, z. B. „es ist nicht weiß“. Ferner ist nichts von dem übrigen selbständig abtrennbar. Auch legen die alten Denker durch die Tat Zeugnis dafür ab; denn sie suchten Prinzipien, Elemente und Ursachen des Wesens. Die jetzigen Philosophen nun setzen mehr das Allgemeine als Wesen; denn die Gattungen sind etwas Allgemeines, und diese stellen sie darum als Prinzip und Wesen auf, weil sie ihre Untersuchung vernunftmäßig (begrifflich) führen; die alten Denker hingegen setzten das Einzelne als Wesen, z. B. Feuer und Erde, aber nicht das Allgemeine, Körper. (c) Der Wesen sind drei; erstens das sinnlich wahrnehmbare; von diesem ist das eine ewig, das andere vergänglich, das alle anerkennen, z. B. die Pflanzen und die Lebewesen, wovon die Elemente gefunden werden müssen, mag es nun eines oder mehrere sein. Zweitens das unbewegliche (Wesen). Dieses behaupten einige als existierend, und teils scheiden sie dieses in zwei Bereiche von Wesen, teils setzen sie die Ideen und die mathematischen Dinge als ein Wesen, teils nehmen sie auch von diesen nur die mathematischen Dinge als unbewegliche Wesen an. Jene Wesen gehören der Physik an, denn sie sind der Bewegung unterworfen, diese aber einer anderen Wissenschaft, da sie ja mit jenen kein gemeinsames Prinzip hat.
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2. (a) Das sinnliche Wesen ist veränderlich. Wenn nun die Veränderung von dem Entgegengesetzten oder dem Mittleren ausgeht, aber nicht von jedem Entgegengesetzten (denn auch die Stimme ist etwas Nicht-Weißes), sondern von Konträrem: so muß notwendig etwas zugrunde liegen, was in den Gegensatz übergeht, da das Konträre selbst nicht übergeht. Ferner, bei der Veränderung beharrt etwas, das Konträre aber beharrt nicht. Also gibt es noch ein Drittes außer dem Konträren, die Materie (den Stoff). (b) Wenn es nun vier Arten von Veränderungen gibt, nämlich des Was, der Qualität, der Quantität und des Ortes, und die Veränderung des Was absolutes Entstehen und Vergehen, die der Quantität Vermehrung und Verminderung, die der Affektion Umwandlung, die des Ortes Ortsbewegung ist: so würde demnach die Veränderung bei jeder Art ein Übergang in den jedesmaligen Gegensatz sein. (c) Notwendig muß sich nun der Stoff verändern, indem er zu beiden Gegensätzen das Vermögen hat. Indem aber das Seiende zweierlei ist, so geht alles aus dem, was nur dem Vermögen nach ist, in das der Wirklichkeit nach Seiende über, z. B. aus dem Weißen dem Vermögen nach in das Weiße der Wirklichkeit nach. In gleicher Weise verhält es sich bei der Vermehrung und Verminderung. Also kann nicht nur aus Nichtseiendem in akzidentellem Sinne etwas werden, sondern alles wird auch aus Seiendem, nämlich aus solchem, was der Möglichkeit nach ist, der Wirklichkeit nach aber nicht ist. Dies ist gemeint mit dem Einen des Anaxagoras – denn besser wird es so ausgedrückt als „es war alles beisammen“ – sowie mit der Mischung des Empedokles und des Anaximander, wie auch mit der Lehre des Demokrit: „Es war alles beisammen“, nämlich der Möglichkeit nach, nicht aber der Wirklichkeit nach. Sie haben also im Grunde den Stoff gemeint. (d) Alles aber hat einen Stoff, was sich verändert, nur Verschiedenes einen verschiedenen; auch die ewigen Wesen, welche nicht dem Entstehen, wohl aber der Bewegung unterworfen sind, haben einen Stoff, nicht aber für Entstehung, sondern nur für Bewegung. (e) Man könnte aber fragen, aus was für einem Nichtseienden die Entstehung hervorgeht, da das Nichtseiende in drei verschiedenen
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Bedeutungen gebraucht wird. Offenbar aus dem, was nur der Möglichkeit, nicht der Wirklichkeit nach ist, aber dennoch nicht aus dem ersten besten, sondern verschiedenes aus verschiedenem. Und es reicht nicht hin zu sagen, alle Dinge waren beisammen; denn sie unterscheiden sich dem Stoffe nach. Weshalb wären es denn sonst unendlich viele und nicht bloß eines? Denn die (wirkende) Vernunft ist nur eine. Wäre daher auch der Stoff ein einziger, so würde das in Wirklichkeit, was der Stoff der Möglichkeit nach war. – (f) Drei sind also der Ursachen und drei Prinzipien: zwei bildet der Gegensatz, dessen eines Glied der Begriff und die Form, das andere die Formberaubung (Privation) ist, das dritte ist der Stoff. 3. (a) Ferner, weder die Materie entsteht noch die Form, ich meine nämlich die letzte Materie und die letzte Form. Denn bei jeder Veränderung verändert sich etwas und durch etwas und in etwas. Dasjenige, wodurch es sich verändert, ist das erste Bewegende; das, was sich verändert, ist der Stoff; das, worin es sich verändert, ist die Form. Man müßte also ins Unendliche fortschreiten, wenn nicht nur das Erz rund würde, sondern auch das Runde und das Erz würde. Also muß notwendig einmal ein Stillstand eintreten. (b) Ferner, jedes Wesen wird aus einem wesensgleichen (es sind nämlich sowohl die natürlichen Dinge Wesen als auch die übrigen). Entweder nämlich entsteht es durch Kunst oder durch Natur oder durch Zufall oder von ungefähr. Die Kunst nun ist ein in einem Anderen befindliches Prinzip, die Natur Prinzip in dem Dinge selbst; denn der Mensch erzeugt wieder einen Menschen. Die übrigen Ursachen aber, Zufall nämlich und Ungefähr, sind Privationen dieser. (c) Der Wesen aber sind drei: erstens der Stoff, welcher dem Scheine nach ein bestimmtes Etwas ist (denn was nur in äußerster Berührung, nicht durch Zusammenwachsen zusammenhängt, ist Stoff und Zugrundeliegendes); zweitens die Natur (Wesen), das Bestimmte, zu welcher etwas wird, und eine gewisse Haltung, drittens das daraus hervorgehende einzelne Wesen, z. B. Sokrates, Kallias. Bei manchen Dingen nun gibt es das bestimmte Etwas nicht selbständig außer dem
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konkreten Wesen, z. B. die Form des Hauses, wenn man nicht die Kunst als Form des Hauses bezeichnet. Auch findet bei diesen nicht Entstehen und Vergehen statt, sondern in anderer Weise kommt dem nicht stofflichen Hause und der Gesundheit und allem durch Kunst Entstehenden Sein und Nichtsein zu. Vielmehr wenn es selbständig existiert, so bei den natürlichen Dingen. Daher hatte Platon nicht unrecht, wenn er nur für die natürlichen Dinge Ideen setzte, sofern es überhaupt von ihnen verschiedene Ideen gibt, wie Feuer, Fleisch, Kopf; denn dies alles ist Stoff, und zwar als der letzte Stoff des Wesens im eigentlichen Sinne. (d) Dasjenige nun, was bewegende Ursachen sind, besteht schon vorweg. Dasjenige aber, was als Formbegriff Ursache ist, besteht zugleich. Denn dann, wenn der Mensch gesund ist, ist auch die Gesundheit vorhanden, und die Gestalt der ehernen Kugel und die eherne Kugel selbst bestehen zugleich. Ob die Formbestimmung auch nachher noch verbleibt, das ist zu untersuchen. In manchen Fällen steht dem nichts im Wege; die Seele z. B. ist vielleicht von dieser Beschaffenheit, nicht die gesamte, sondern die Vernunft; denn daß die ganze Seele verbleibe, ist wohl unmöglich. Offenbar ist also nur, daß man deshalb nicht der Annahme der Ideen bedarf; denn der Mensch erzeugt den Menschen, der einzelne den einzelnen. In ähnlicher Weise verhält es sich bei den Künsten; denn die Heilkunst ist der Begriff der Gesundheit.
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4. (a) Die Ursachen und die Prinzipien sind in einem Sinne bei Verschiedenem verschieden, in anderem Sinne dagegen, wenn man nämlich im allgemeinen und der Analogie nach von ihnen spricht, bei allen dieselben. Man könnte nämlich im Zweifel sein, ob die Prinzipien und die Elemente für die Wesen und für das Relative dieselben sind oder nicht, und in ähnlicher Weise bei jeder der übrigen Kategorien. (b) Doch es würde zu Ungereimtheiten führen, wenn sie für alle dieselben sein sollten; denn dann würden das Relative und das Wesen aus demselben hervorgehen. Was sollte nun das sein, woraus beide hervorgingen? Denn außer dem Wesen und den anderen Kategorien gibt es keine allgemeinen Gattungsbegriffe. Das Ele-
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ment aber geht dem voraus, dessen Element es ist. Nun ist aber weder das Wesen Element des Relativen, noch dieses Element des Wesens. Ferner, wie ist es möglich, daß alles dieselben Elemente habe? Denn keines der Elemente kann mit dem aus den Elementen Zusammengesetzten identisch sein; z. B. mit ba ist weder b noch a identisch. Aber auch von dem Intelligiblen gibt es kein Element, wie z. B. das Eine oder das Seiende; denn dies kommt ja auch jedem von dem Zusammengesetzten zu. Also ist keines von den Elementen Wesen oder Relatives; dies müßte es aber doch notwendig sein, sollte alles aus denselben Elementen hervorgehen. Also hat nicht alles dieselben Elemente. (c) Oder vielmehr, wie gesagt, in gewissem Sinne hat alles dieselben Elemente, in gewissem Sinne nicht; z. B. bei den sinnlich wahrnehmbaren Körpern ist etwa Element als Formbestimmung das Warme und in anderer Weise das Kalte, die Formberaubung, als Stoff aber dasjenige, was als erstes an sich selbst ein Vermögen hierzu hat; Wesen aber sind sowohl diese, als auch was aus ihnen hervorgeht und wovon dies die Prinzipien sind, oder was noch sonst aus Warmem und Kaltem als ein Eines hervorgeht, z. B. Fleisch oder Knochen; denn das Gewordene muß ja von ihnen verschieden sein. Bei diesen also sind die Genannten Elemente und Prinzipien, bei anderen andere. In diesem Sinne nun haben nicht alle Dinge dieselben Elemente, wohl aber der Analogie nach, wie wenn man sagte, es gebe überhaupt drei Prinzipien: die Form, die Formberaubung und den Stoff. Jedes von diesen Prinzipien ist aber für jedes besondere Gebiet der Dinge ein anderes, z. B. bei der Farbe weiß, schwarz, Fläche, Licht, Finsternis, Luft; hieraus entstehen Tag und Nacht. (d) Da nun aber nicht nur das in einem Ding Enthaltene Ursache ist, sondern auch von dem Äußeren etwas, wie das Bewegende, so sind offenbar Prinzip und Element verschieden. Ursache aber ist beides. Und in diese wird das Prinzip geteilt. Was aber Ursache ist als bewegend oder zur Ruhe bringend, ist ein Prinzip und Wesen. Elemente also gibt es der Analogie nach drei, Ursachen und Prinzipien aber vier. In Verschiedenem aber ist auch die Ursache eine verschiedene, und auch
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die erste bewegende Ursache ist für anderes eine andere. Z. B. Gesundheit, Krankheit, Körper: die bewegende Ursache ist die Heilkunst. Form, bestimmte Formlosigkeit, Ziegelei: die bewegende Ursache ist die Baukunst. In diese Verschiedenheiten also trennt sich das Prinzip. (e) Da nun aber die bewegende Ursache bei den natürlichen Dingen für den Menschen z. B. der Mensch ist, in den vom Gedanken ausgehenden aber die Formbestimmung oder deren Gegenteil, würden in gewisser Weise nur drei Ursachen sein, in anderer vier. Denn die Heilkunst ist gewissermaßen Gesundheit, und die Baukunst die Formbestimmung des Hauses, und der Mensch erzeugt den Menschen. – Ausserdem besteht das daneben, was als Erstes alles bewegt.
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5. (a) Da einiges selbständig abtrennbar ist, anderes nicht, sind jenes Wesen. Und deshalb sind sie auch Ursachen von allen Dingen, weil ohne die Wesen die Affektionen und die Bewegungen nicht existieren können. Sie würden dann vielleicht Seele und Körper, oder Vernunft, Streben und Körper sein. (b) Ferner sind auf eine andere Weise die Prinzipien der Analogie nach dieselben, nämlich als Wirklichkeit und Vermögen; aber auch diese finden sich verschieden und auf verschiedene Weise in Verschiedenem. In manchen Fällen ist dasselbe bald der Wirklichkeit, bald dem Vermögen nach, z. B. Wein oder Fleisch oder Mensch. Auch dies fällt unter die früher erwähnten Ursachen. Der Wirklichkeit nach ist nämlich die Form, sofern sie abtrennbar ist, und das aus beiden Hervorgehende, die Formberaubung (Privation) aber ist z. B. Finsternis oder Krankes. Dem Vermögen nach aber ist der Stoff; denn dieser ist dasjenige, das beides zu werden vermag. (c) In anderer Weise unterscheiden sich der Wirklichkeit und dem Vermögen nach diejenigen Dinge, welche nicht denselben Stoff haben, (als) diejenigen, welche nicht dieselbe Form haben, sondern eine andere. So sind des Menschen Ursache nicht nur die Elemente, Feuer und Erde, als Stoff, sondern auch die eigentümliche Form und eine etwaige andere äußere Ursache, z. B. der Vater, außerdem die Sonne und die Ekliptik,
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und zwar letztere nicht als Stoff oder Form oder Beraubung oder Gleichartiges, sondern als Bewegendes. Ferner muß man bemerken, daß man einiges allgemein aussagen darf, anderes nicht. Die ersten Prinzipien also von allen Dingen sind dasjenige, was der Wirklichkeit nach ein erstes, bestimmtes Etwas ist, und ein anderes, welches es dem Vermögen nach ist. Jenes nun also ist nicht (als) das Allgemeine. Denn das Einzelne ist Prinzip des Einzelnen. Der Mensch im allgemeinen ist zwar Prinzip des Menschen, aber es gibt keinen Menschen im allgemeinen, sondern Peleus ist Prinzip des Achilleus, dein Prinzip ist dein Vater, und dieses bestimmte B ist Prinzip dieses bestimmten BA, im allgemeinen aber ist B Prinzip des BA schlechthin. (d) Ferner, hinsichtlich der Artformen der Wesen sind für Verschiedenes die Ursachen und Elemente, wie gesagt, verschieden, und zwar sind sie nicht nur für das nicht in derselben Gattung Enthaltene, z. B. Farben, Töne, Wesen, Qualität, verschieden außer der Analogie nach, sondern verschieden auch für das in derselben Art Enthaltene, nur dann nicht der Art nach verschieden, sondern eben insofern, als unter den Einzeldingen etwas anderes dein Stoff und dein Bewegendes und deine Form ist und die meinige, obgleich sie im allgemeinen Begriff dieselben sind. – (e) Fragt man also, was die Prinzipien oder Elemente der Wesen, des Relativen und des Qualitativen sind, ob sie dieselben sind oder andere, so ist offenbar, daß, wenn man die Mehrheit der Bedeutungen berücksichtigt, sie dieselben für ein jedes sind; scheidet man sie aber, dann sind sie nicht dieselben, sondern andere und nur in gewissem Sinne dieselben für alles. In gewissem Sinne nämlich, der Analogie nach, sind es dieselben: Stoff, Form, Formberaubung, Bewegendes, und in gewissem Sinne sind auch die Ursachen der Wesen Ursachen von allem, weil mit ihrer Aufhebung das übrige mit aufgehoben wird; auch ist es die erste Ursache der Wirklichkeit nach. In anderem Sinne aber sind die ersten Ursachen andere, nämlich die Gegensätze, welche weder als allgemeine Gattungen ausgesagt, noch auch in verschiedenen Bedeutungen gebraucht werden, und ferner die Stoffe. Was also und wie viele Prinzipien für die sinnlichen
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Dinge sind, und inwiefern sie dieselben sind, inwiefern verschieden, ist hiermit erörtert. 6. (a) Da nun der Wesen drei waren, nämlich zwei natürliche und eine unbewegte, so wollen wir nun von dieser handeln und zeigen, daß es notwendig ein ewiges unbewegtes Wesen geben muß. Denn die Wesen sind von dem Seienden das Erste, und wenn alle vergänglich sind, so ist alles vergänglich. Unmöglich aber kann die Bewegung entstehen oder vergehen; denn sie war immer. Ebensowenig die Zeit; denn das Früher und Später ist selbst nicht möglich, wenn es keine Zeit gibt. Die Bewegung ist also ebenso stetig wie die Zeit, da diese entweder dasselbe ist wie die Bewegung oder eine Affektion derselben. Stetige Bewegung aber ist einzig die Ortsveränderung, und zwar unter dieser die Kreisbewegung. (b) Gäbe es nun ein Prinzip des Bewegens und Hervorbringens, aber ein solches, das nicht in Wirklichkeit wäre, so würde keine Bewegung stattfinden; denn was bloß das Vermögen (die Möglichkeit) hat, kann auch nicht in Wirklichkeit sein. Also würde es nichts nützen, wenn wir ewige Wesen annehmen wollten, wie die Anhänger der Ideenlehre, sofern nicht in ihnen ein Prinzip enthalten wäre, welches das Vermögen der Veränderung hat. Aber auch dies würde nicht genügen, noch die Annahme irgendeines anderen Wesens neben den Ideen; denn sofern das Wesen nicht in Wirklichkeit sich befände, so würde keine Bewegung stattfinden. Ja, wenn es selbst in Wirklichkeit sich befände, sein Wesen aber bloßes Vermögen wäre, auch dann würde keine ewige Bewegung stattfinden; denn was dem Vermögen nach ist, kann möglicherweise auch nicht sein. Also muß ein solches Prinzip vorausgesetzt werden, dessen Wesen Wirklichkeit ist. (c) Ferner müssen diese Wesen ohne Stoff sein; denn wenn irgend etwas anderes ewig ist, müssen sie es sein; also müssen sie der Wirklichkeit nach sein. (d) Doch hier entsteht eine Schwierigkeit. Denn das Wirkliche, meint man, ist alles möglich, das Mögliche nicht alles wirklich, so daß demnach das Vermögen (das Mögliche) das Frühere sein würde. Aber wäre dies wahr, so würde nichts von dem Seienden sein; denn es ist
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möglich, daß etwas zwar vermag zu sein, aber doch noch nicht ist. Stimmt man freilich der Ansicht der Theologen bei, welche alles aus der Nacht hervorgehen lassen, oder der der Naturphilosophen, welche behaupten, daß alle Dinge beisammen waren, so kommt man auf dieselbe Unmöglichkeit. Denn wie soll etwas bewegt werden, wenn nicht eine Ursache in wirklicher Tätigkeit vorhanden wäre? Denn es kann ja doch der Stoff nicht sich selbst in Bewegung setzen, sondern dies tut die Baukunst, und ebensowenig kann die Menstruation oder die Erde sich selbst bewegen, sondern das tut der Same oder der Keim. Darum setzen einige eine ewige wirkliche Tätigkeit voraus, z. B. Leukippos und Platon; denn sie behaupten, es existiere immer Bewegung. Aber warum dies so ist, und welche Bewegung es ist, warum sich dies so, jenes anders bewegt, davon geben sie keinen Grund an; denn es bewegt sich ja nichts so, wie es sich eben trifft, sondern es muß immer etwas zugrunde liegen, wie sich ja jetzt etwas von Natur auf diese Weise, durch Gewalt aber oder durch Wirkung der Vernunft oder durch etwas anderes auf eine andere Weise bewegt. Ferner, welche Art von Bewegung ist die erste? Denn darauf kommt gar sehr viel an. Für Platon aber würde es öfters gar nicht möglich sein zu sagen, welches er für das Prinzip hält, nämlich das sich selbst bewegende; denn, wie er sich ausspricht, müßte die Seele später sein (als die Bewegung) und doch auch zugleich mit dem Himmel. (e) Die Ansicht nun, daß die Möglichkeit der Wirklichkeit vorausgehe, ist gewissermaßen richtig, gewissermaßen auch nicht; wie dies gemeint, ist früher erklärt. Daß aber die wirkliche Tätigkeit das Frühere ist, dafür zeugen Anaxagoras (denn der Geist ist in wirklicher Tätigkeit) und Empedokles mit seinen Prinzipien, Liebe und Haß, und diejenigen, welche eine ewige Bewegung annehmen, wie Leukippos. Also war nicht eine unendliche Zeit Chaos oder Nacht, sondern immer dasselbige, entweder im Kreislauf oder auf eine andere Weise, sofern die Wirklichkeit dem Vermögen vorausgeht. Wenn nun immer dasselbe im Kreislauf besteht, so muß etwas bleiben, das gleichmäßig in wirklicher Tätigkeit ist. Soll aber Entstehen und Vergehen vorhanden sein, so muß etwas anderes
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existieren, was in anderer und wieder anderer Weise wirklich tätig ist. Es muß also in der einen Weise in Beziehung auf sich selbst, in der anderen Weise in Beziehung auf anderes wirken, und dies also in Beziehung auf ein verschiedenes drittes oder auf das erste. Notwendig auf dies; denn dies ist wieder sich selbst wie jenem anderen Ursache der Bewegung. Also vorzüglicher ist das erste; denn es war ja Ursache der ewig gleichen Bewegung, der verschiedenen Bewegung Ursache war das andere; daß aber immer diese Verschiedenheit stattfindet, davon sind offenbar beide Ursache. So verhalten sich denn auch die Bewegungen. Was braucht man also noch andere Prinzipien zu suchen? 7. (a) Da es nun aber angeht, daß sich die Sache so verhalte, und wenn sie nicht sich so verhielte, alles aus der Nacht und dem Beisammen aller Dinge und dem Nicht-Seienden hervorgehen würde, so lösen sich demnach diese Schwierigkeiten, und es gibt etwas, das sich immer in unaufhörlicher Bewegung bewegt, diese Bewegung aber ist die Kreisbewegung. Dies ist nicht nur durch den Begriff, sondern auch durch die Sache selbst deutlich. Also ist der erste Himmel ewig. (b) Also gibt es auch etwas, das bewegt. Da aber dasjenige, was bewegt wird und bewegt, ein Mittleres ist, so muß es auch etwas geben, das ohne bewegt zu werden, selbst bewegt, das ewig und Wesen und Wirklichkeit ist. (c) Auf solche Weise aber bewegt das Erstrebte und das Intelligible (Erkennbare); es bewegt, ohne bewegt zu werden. Von diesen beiden ist das erste (als Prinzipien) dasselbe. Denn Gegenstand des Begehrens ist dasjenige, was als schön erscheint, Gegenstand des Willens ist an sich das, was schön ist. Wir erstreben aber etwas vielmehr, weil wir es für gut halten, als daß wir es für gut hielten, weil wir es erstreben. Prinzip ist die Vernunfttätigkeit. Die Vernunft wird vom Intelligiblen bewegt, intelligibel aber an sich ist die eine Reihe der Zusammenstellung (der Gegensätze); in ihr nimmt das Wesen die erste Stelle ein, und unter dieser die einfache, der wirklichen Tätigkeit nach existierende (Eines aber und Einfach ist nicht dasselbe; denn das Eine bezeichnet ein Maß,
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das Einfache aber ein bestimmtes Verhalten), aber auch das Schöne und das um seiner selbst willen Erstrebbare findet sich in derselben Reihe, und das erste (als Prinzip) ist entweder das beste oder dem analog. Daß aber der Zweck zu dem Unbewegten gehört, macht die Unterscheidung deutlich; denn es gibt einen Zweck für etwas und von etwas; jener ist unbeweglich, dieser nicht. Jenes bewegt wie ein Geliebtes, und durch das (von ihm) Bewegte bewegt es das übrige, (d) Wenn nun etwas bewegt wird, so ist es möglich, daß es sich auch anders verhalte. Wenn also Ortsbewegung die erste Wirklichkeit (wirkliche Tätigkeit) insofern ist, als das Bewegte in Bewegung ist, so ist insofern auch möglich, daß es sich anders verhalte, nämlich dem Orte, wenn auch nicht dem Wesen nach. Nun gibt es aber etwas, was ohne bewegt zu werden selbst bewegt und in Wirklichkeit (in wirklicher Tätigkeit) existiert; bei diesem ist also auf keine Weise möglich, daß es sich anders verhalte. Denn Ortsbewegung ist die erste unter den Veränderungen, und unter ihr die Kreisbewegung; diese Bewegung aber wird von jenem ersten Bewegenden hervorgebracht. Also ist es notwendig seiend, und inwiefern es notwendig ist, ist es auch so gut und in diesem Sinne Prinzip. Notwendig nämlich wird in mehreren Bedeutungen gebraucht, einmal als das gegen den eigenen Trieb mit Gewalt Erzwungene, dann als das, ohne welches das Gute nicht sein kann, drittens als das, was nicht anders möglich ist, sondern absolut ist. Von einem solchen Prinzip also hängen der Himmel und die Natur ab. (e) Sein Leben aber ist das beste, und wie es bei uns nur kurze Zeit stattfindet, da beständige Dauer uns unmöglich ist, so ist es bei ihm immerwährend. Denn seine Wirklichkeit (wirkliche Tätigkeit) ist zugleich Lust. Und deshalb ist Wachen, Wahrnehmen, Vernunfttätigkeit das Angenehmste, und durch diese erst Hoffnungen und Erinnerungen. Die Vernunfttätigkeit an sich aber geht auf das an sich Beste, die höchste auf das Höchste. Sich selbst erkennt die Vernunft in Ergreifung des Intelligiblen; denn intelligibel wird sie selbst, den Gegenstand berührend und erfassend, so daß Vernunft und Intelligibles dasselbe sind. Denn die Vernunft ist das aufnehmende Ver-
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mögen für das Intelligible und das Wesen. Sie ist in wirklicher Tätigkeit, indem sie das Intelligible hat. Also ist jenes (das Intelligible) noch in vollerem Sinne göttlich als das, was die Vernunft Göttliches zu haben scheint, und die Betrachtung (theoretische Tätigkeit) ist das Angenehmste und Beste. Wenn sich nun so gut, wie wir zuweilen, der Gott immer verhält, so ist er bewundernswert, wenn aber noch besser, dann noch bewundernswerter. So verhält er sich aber. Und Leben wohnt in ihm; denn der Vernunft Wirklichkeit (wirkliche Tätigkeit) ist Leben, jener aber ist die Wirklichkeit (Tätigkeit), seine Wirklichkeit (Tätigkeit) an sich ist bestes und ewiges Leben. Der Gott, sagen wir, ist das ewige, beste Lebewesen, so daß dem Gott Leben und beständige Ewigkeit zukommen; denn dies ist der Gott. (f) Alle diejenigen aber, welche, wie die Pythagoreer und Speusippos, annehmen, das Schönste und Beste sei nicht im Prinzip enthalten – weil ja auch bei den Pflanzen und Tieren die Prinzipien zwar Ursachen sind, das Schöne und Vollkommene aber erst in dem daraus Hervorgehenden sich findet –, haben keine richtige Ansicht; denn der Same geht aus anderem, ihm selbst vorausgehenden Vollendeten hervor, und das erste ist nicht der Same, sondern das Vollendete. So würde man z. B. vom Menschen sagen, daß er früher sei als der Same, nämlich nicht von dem Menschen, der aus diesem Samen wird, sondern von einem anderen, aus welchem der Same hervorgegangen ist. (g) Daß es also ein ewiges, unbewegtes, von dem Sinnlichen getrennt selbständig existierendes Wesen gibt, ist aus dem Gesagten klar. Es ist aber auch erwiesen, daß dieses Wesen keine Größe haben kann, sondern unteilbar und unzertrennlich ist. Denn die unendliche Zeit hindurch bewegt es, nichts Begrenztes aber hat ein unbegrenztes (unendliches) Vermögen. Da nun jede Größe begrenzt oder unbegrenzt sein muß, so kann es eine begrenzte Größe aus dem angegebenen Grunde nicht haben, eine unbegrenzte Größe aber darum nicht, weil es überhaupt keine unbegrenzte Größe gibt. Aber es ist auch ferner erwiesen, daß es keiner Affektion und keiner Qualitätsveränderung unterworfen ist; denn alle übrigen
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Bewegungen folgen erst der Ortsbewegung nach. Von diesem also ist offenbar, warum es sich so verhält. 8. (a) Ob nun aber nur ein solches Wesen anzunehmen ist oder deren mehrere, diese Frage darf nicht übersehen werden, vielmehr müssen wir auch die Erklärungen der anderen Philosophen erwähnen, nämlich daß sie hierüber nichts Bestimmtes ausgesprochen haben. Denn die Ideenlehre enthält hierüber keine eigentümliche Untersuchung; die Anhänger derselben erklären nämlich, die Ideen seien Zahlen, über die Zahlen aber sprechen sie bald so, als seien derselben unendlich viele, bald wieder, als seien sie mit der Zehnzahl begrenzt und abgeschlossen; weshalb aber die Vielheit der Zahlen gerade so groß sei, dafür führen sie keinen ernstlichen Beweis. Wir aber müssen uns darüber unseren Grundlagen und den bisherigen Bestimmungen gemäß aussprechen. (b) Das Prinzip nämlich und das Erste von allem Seienden ist unbewegt, sowohl an sich wie auch in akzidenteller Weise, aber es bringt die erste, ewige und einige Bewegung hervor. Da nun das Bewegte von etwas bewegt werden, und das erste Bewegende an sich unbewegt sein, und die ewige Bewegung von einem ewigen (Prinzip), die einige von einem einigen ausgehen muß, und da wir ferner außer der einfachen Bewegung des Ganzen, welche nach unserer Behauptung von dem ersten und unbewegten Wesen ausgeht, noch andere ewige Bewegungen sehen, die der Planeten nämlich (denn ewig und ruhelos ist der im Kreis bewegte Körper, wie dies in den physischen Schriften erwiesen ist), so muß auch jede dieser Bewegungen von einem an sich unbeweglichen und ewigen Wesen ausgehen. Denn die Natur der Gestirne ist ein ewiges Wesen, und so ist auch das Bewegende ewig und früher als das Bewegte, und was früher ist als ein Wesen, muß notwendig Wesen sein. Demnach ist aus dem vorher erörterten Grunde offenbar, daß ebensoviele Wesen existieren müssen, die ihrer Natur nach ewig und an sich unbewegt und ohne Größe sind. (c) Daß also Wesen existieren, und von ihnen eines das erste und zweite ist nach derselben Ordnung wie die Bewegungen der Gestirne, ist offenbar. Die Anzahl aber
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der Bewegungen müssen wir aus derjenigen mathematischen Wissenschaft entnehmen, welche mit der Philosophie in der nächsten Beziehung steht, aus der Astronomie. Denn diese stellt Untersuchung an über das zwar sinnlich wahrnehmbare, aber doch ewige Wesen; die anderen mathematischen Wissenschaften dagegen handeln gar nicht von einem Wesen, z. B. die Wissenschaft der Zahlen und der Geometrie. Daß nun die bewegten Körper mehrere Bewegungen haben, ist selbst denen offenbar, die sich nur wenig mit der Sache beschäftigt haben; denn jeder von den Planeten hat mehr als eine Bewegung. Wieviele ihrer aber sind, darüber geben wir jetzt der Übersicht wegen die Angaben einiger Mathematiker an, damit man in Gedanken eine bestimmte Zahl annehmen kann. Übrigens muß man teils selbst untersuchen, teils diejenigen befragen, welche die Sache untersuchen; und wenn sich dann bei dieser Beschäftigung etwas von dem jetzt Gesagten Abweichendes ergibt, so muß man zwar beide schätzen, aber den genaueren folgen. Eudoxos nun nahm an, daß die Bewegung der Sonne und des Mondes in je drei Sphären geschehe; die erste davon sei die Sphäre der Fixsterne, die zweite habe ihre Richtung mitten durch den Tierkreis, die dritte gehe in schräger Richtung durch die Breite des Tierkreises, schräger aber durchschneide den Tierkreis die Sphäre, in welcher der Mond, als die, in welcher die Sonne sich bewegt. Jeder der Planeten bewege sich in vier Sphären; unter diesen sei die erste und zweite mit den entsprechenden von Sonne und Mond einerlei, weil sowohl die Sphäre der Fixsterne alle in Bewegung setze, als auch die ihr untergeordnete, in der Richtung der Mittellinie des Tierkreises bewegte allen gemeinsam sei; für die dritte lägen die Pole bei allen Planeten in dem durch die Mittellinie des Tierkreises gelegten Kreise; die vierte Sphäre bewege sich nach der Richtung eines gegen die Mitte der dritten Sphäre schiefen Kreises. Für die dritte Sphäre hätten von den übrigen Planeten jeder seine eigenen Pole, Venus und Merkur aber dieselben. Kallippos stimmte hinsichtlich der Lage der Sphären, d. h. der Ordnung ihrer Abstände, mit Eudoxos überein, auch schrieb er dem Jupiter und dem Saturn dieselbe Anzahl von
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Sphären zu wie jener; doch der Sonne und dem Monde, meinte er, müßten noch je zwei hinzugefügt werden, wenn man die wirklichen Erscheinungen darstellen wolle, und jedem der übrigen Planeten noch eine. Sollen aber diese Sphären alle zusammengenommen die wirklichen Erscheinungen darstellen, so muß für jeden Planeten eine um eins kleinere Anzahl anderer Sphären vorhanden sein, welche die der Lage nach erste Sphäre des jedesmal zunächst untergeordneten Planeten zurückführen und in dieselbe Lage wiederherstellen; denn nur so ist es möglich, daß das Gesamte die Bewegung der Planeten ausführt. Da nun der Sphären, in welchen die Planeten selbst bewegt werden, acht und fünfundzwanzig sind, und von diesen nur diejenigen nicht brauchen zurückgeführt zu werden, in welchen der unterste Planet sich bewegt, so ergeben sich sechs Sphären, welche die der beiden obersten zurückführen, und sechzehn für die folgenden, und als Anzahl der gesamten Sphären, der bewegenden sowohl als der zurückführenden, fünfundfünfzig. Wollte man aber der Sonne und dem Mond die eben erwähnten Bewegungen nicht zufügen, so würde sich als Anzahl der gesamten Sphären siebenundvierzig ergeben. (d) So groß also mag die Anzahl der Sphären sein; dann ist mit Wahrscheinlichkeit die Anzahl der Wesen und der unbeweglichen sowie der sinnlich wahrnehmbaren Prinzipien ebenso groß zu setzen. Von Notwendigkeit hier zu reden mag Stärkeren überlassen bleiben. Wenn es aber keine Bewegung geben kann, die nicht in der Bewegung eines Gestirnes ihr Ziel hat, wenn man ferner jede Natur und jedes den Affektionen nicht unterworfene, an sich des Besten teilhaftige Wesen für Zweck halten muß: so würde es demnach kein anderes Wesen außer diesen geben, sondern dies würde notwendig die Zahl der Wesen sein. Denn gäbe es noch andere, so müßten sie ja in Bewegung setzen, indem sie Zweck einer Bewegung wären. Aber unmöglich kann es noch andere Bewegungen außer den genannten geben; das ist aus der Betrachtung der bewegten Körper zu ersehen. Denn wenn jedes Bewegende auf ein Bewegtes geht, und jede Bewegung Bewegung eines Dinges ist, so kann es keine Bewegung geben,
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welche auf sich selbst oder auf eine andere Bewegung ginge, sondern sie muß Bewegung eines Gestirnes sein. Denn ginge eine Bewegung auf eine andere Bewegung, so müßte auch diese wieder auf eine andere gehen. Und da nun ein Fortschritt ins Unendliche undenkbar ist, so muß das Ziel jeder Bewegung einer von den göttlichen Körpern sein, die sich am Himmel bewegen. (e) Daß aber nur ein Himmel existiert, ist offenbar. Denn gäbe es mehrere Himmel, wie es der Menschen mehrere gibt, so würde das Prinzip eines jeden einzelnen der Form nach eines sein, und nur der Zahl nach wären es viele. Was aber der Zahl nach eine Mehrheit ist, hat einen Stoff; denn der Begriff der mehreren, z. B. des Menschen, ist einer und derselbe, Sokrates aber ist ein Einzelner. Das erste Sosein aber hat keinen Stoff, denn es ist Vollendung (Wirklichkeit). Eines also ist dem Begriff und der Zahl nach das erste bewegende Unbewegte; also ist auch das immer und stetig Bewegte nur Eines; also gibt es nur einen Himmel. (f) Von den Alten und den Vätern aus uralter Zeit ist in mythischer Form den Späteren überliefert, daß die Gestirne Götter sind und das Göttliche die ganze Natur umfaßt. Das übrige ist dann in sagenhafter Weise hinzugefügt zur Überredung der Menge und zur Anwendung für die Gesetze und das allgemeine Beste. Sie schreiben ihnen nämlich Ähnlichkeit mit den Menschen oder mit anderen lebendigen Wesen zu und anderes dem Ähnliches und damit Zusammenhängendes. Wenn man hiervon absehend nur das erste selbst nimmt, daß sie nämlich die ersten Wesen für Götter hielten, so wird man darin einen göttlichen Ausspruch finden, und da wahrscheinlich jede Kunst und jede Wissenschaft öfters nach Möglichkeit aufgefunden und wieder verlorengegangen ist, so wird man in diesen Ansichten gleichsam Überreste von jenen sehen, die sich bis jetzt erhalten haben. Nur insoweit also ist uns die Ansicht unserer Väter und unserer ältesten Vorfahren klar. 9. (a) Hinsichtlich der Vernunft aber entstehen einige Zweifel. Unter dem Erscheinenden nämlich gilt sie für das Göttlichste; inwiefern aber und durch welche Eigenschaft sie dies sei, ist
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schwierig anzugeben. Denn wenn sie nichts erkennt, sondern sich so verhält wie ein Schlafender, worin läge denn da ihre Würde? Wenn sie jedoch erkennt, dieses Erkennen aber durch etwas anderes bestimmt ist, so wäre sie, da das, worin ihr Wesen besteht, dann nicht Erkennen als Tätigkeit, sondern nur das Vermögen dazu ist, nicht das beste Wesen. Denn durch das Erkennen kommt ihr die Würde zu. Ferner, mag nun Vernunft oder ihre Tätigkeit ihr Wesen sein, was erkennt sie denn? Entweder doch erfaßt sie sich selbst oder etwas anderes, und wenn etwas anderes, dann entweder immer dasselbe oder Verschiedenes. Macht es nun einen Unterschied oder keinen, ob man das Schöne oder ob man das erste beste erfaßt? Oder ist es nicht vielmehr gar unziemend, manches zum Gegenstand des Erkennens zu machen? Offenbar denkt sie das Göttlichste und Würdigste, und zwar ohne Veränderung; denn die Veränderung würde zum Schlechteren gehen, und dies würde schon eine Bewegung sein. (b) Erstlich nun, wenn die Vernunft nicht Erkenntnistätigkeit ist, sondern nur Vermögen, so ist natürlich, daß ihr die Stetigkeit des Erkennens beschwerlich wäre. Ferner ist offenbar, daß etwas anderes würdiger wäre als die Vernunft, nämlich das Erkannte. Denn das Erkennen und seine Tätigkeit wird auch dem zukommen, der das Schlechteste erkennt. Wenn nun dies zu fliehen ist, wie es ja auch besser ist, manches nicht zu sehen, als es zu sehen, so würde demnach die Vernunfttätigkeit nicht das Beste sein. Sich selbst also erkennt die Vernunft, wenn anders sie das Beste ist, und die Vernunfterkenntnis (bzw. -tätigkeit) ist Erkenntnis ihrer Erkenntnis (-tätigkeit). (c) Nun haben jedoch offenbar die Wissenschaft und die Sinneswahrnehmung, die Meinung und die Vorstellung immer etwas anderes zum Objekt, sich selbst aber nur nebenbei. Ferner, wenn vernunftmäßiges Erkennen und Erkanntwerden verschieden sind, in Beziehung auf welches von beiden kommt denn der Vernunft das Gute zu? Denn das Sein der Vernunfterkenntnis und des Erkannten ist ja nicht dasselbe. (d) Doch bei manchem ist ja die Wissenschaft die Sache selbst. Bei den hervorbringenden Wissenschaften ist dies das Wesen ohne den Stoff und das Sosein, bei den betrachtenden
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der Begriff (als die Sache) und die Erkenntnistätigkeit. Da also das Erkannte und die Vernunft nicht verschieden sind bei allem, was keinen Stoff hat, so wird es dasselbe sein, und Vernunfterkenntnis mit dem Erkannten ein einziges. (e) Ferner bleibt nun noch eine schwierige Frage übrig: ob das Erkannte zusammengesetzt ist; denn es würde ja dann das Erkennen in den Teilen des Ganzen einer Veränderung unterworfen sein. (f) Vielmehr ist doch wohl alles, was keinen Stoff hat, unteilbar. Wie sich die menschliche Vernunft, d. h. die auf das Zusammengesetzte gerichtete, in einer gewissen Zeit verhält – denn sie hat nicht in diesem oder in jenem Teile das Gute, sondern im Ganzen das Beste, welches etwas anderes ist (als sie selbst) –: so verhält sich die Vernunfterkenntnis ihrer selbst (der göttlichen Vernunft) die ganze Ewigkeit hindurch. 10. (a) Es ist aber auch zu erwägen, auf welche von beiden Weisen die Natur des Alls das Gute und das Beste enthält, ob als etwas Abgetrenntes, selbständig an sich Bestehendes, oder als die Ordnung seiner Teile. (b) Oder wohl auf beide Arten zugleich, wie dies bei dem Heer der Fall ist; denn für dieses liegt das Gute sowohl in der Ordnung als auch im Feldherrn, und mehr noch in diesem. Nicht er ist nämlich durch die Ordnung, sondern die Ordnung durch ihn. (c) Alles aber ist in gewisser, doch nicht in gleicher Weise zusammengeordnet, Fische wie Vögel und Pflanzen (und es ist nicht so, daß das eine zum anderen in keiner Beziehung stände, sondern es besteht eine). Denn alles ist auf Eines hin geordnet, jedoch so, wie in einem Hauswesen den Freien am wenigsten gestattet ist, etwas Beliebiges zu tun, sondern für sie alles oder doch das meiste geordnet ist, für die Sklaven hingegen und die Tiere nur weniges von dem, was auf das Allgemeine Bezug hat, während das meiste ihrem Belieben überlassen bleibt. In solcher Art nämlich ist die Natur eines jeden von ihnen Prinzip; ich meine, alle müssen zur Aussonderung kommen. Ebenso verhält es sich mit anderen Dingen, die alle gemeinsam verbunden zum Ganzen beitragen.
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(d) In welche Unmöglichkeiten und Ungereimtheiten nun diejenigen geraten, welche anderer Ansicht sind, und in welche diejenigen, welche noch die angemesseneren Ansichten aufstellen, und bei welchen Ansichten sich die geringsten Schwierigkeiten ergeben, das darf uns nicht verborgen bleiben. (1.) Alle nämlich lassen alles aus Entgegengesetztem entstehen. Dabei haben sie weder darin recht, daß sie alles, noch darin, daß sie es aus Entgegengesetztem entstehen lassen, und wie dasjenige, bei dem das Entgegengesetzte sich findet, aus dem Entgegengesetzten entstehen solle, erklären sie gar nicht; denn das Entgegengesetzte ist unfähig eines von dem anderen eine Affektion zu erfahren. Für uns löst sich diese Schwierigkeit ganz natürlich durch die Annahme eines Dritten, des Stoffes. Jene aber machen den einen von den beiden Gegensätzen zum Stoff, wie das Ungleiche für das Gleiche, die Vielheit für die Einheit. Auch dies löst sich auf dieselbe Weise; denn der Stoff, der ein einziger ist, hat keinen Gegensatz. (2.) Ferner würde danach alles am Schlechten teilhaben mit Ausnahme der Einheit; denn das Schlechte selbst ist das eine von den beiden Elementen. Die anderen aber setzen das Gute und das Schlechte nicht einmal als Prinzipien, und es ist doch unter allem am meisten das Gute Prinzip. Jene aber haben darin zwar recht, daß sie das Gute als Prinzip setzen, inwiefern es aber Prinzip ist, erklären sie nicht, ob nämlich als Zweck oder als Bewegendes oder als Form. (3.) Unstatthaft ist auch die Ansicht des Empedokles; er setzt nämlich die Freundschaft als das Gute. Diese ist aber Prinzip sowohl als bewegend, denn sie verbindet, wie auch als Stoff, denn sie ist ein Teil der Mischung. Wenn es nun auch ein Akzidens desselben Dinges sein kann, sowohl stoffliches als auch bewegendes Prinzip zu sein, so ist doch Stoff-sein und Bewegendessein nicht dasselbe. In welcher von beiden Bedeutungen also ist sie Freundschaft? Unstatthaft ist es aber auch, daß der Streit unvergänglich sein soll; denn er ist ja selbst die Natur des Bösen. – (4.) Anaxagoras aber setzt das Gute als bewegendes Prinzip, denn der Geist bewegt; aber er bewegt wegen eines Zweckes, dieser ist also etwas von ihm verschiedenes, es sei denn, daß er so annehme
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wie wir; denn die Heilkunst ist in gewissem Sinne die Gesundheit. (5.) Unstatthaft aber ist es auch, nicht etwas dem Guten und der Vernunft Entgegengesetztes anzunehmen. (6.) Alle aber, welche die Gegensätze annehmen, bedienen sich gar nicht einmal der Gegensätze, wenn man sie nicht richtig ordnet. Und weshalb einiges vergänglich, anderes unvergänglich ist, erklärt keiner; denn sie lassen alles Seiende aus denselben Prinzipien entstehen. (7.) Ferner lassen die einen das Seiende aus dem Nichtseienden hervorgehen, die anderen setzen, um nicht hierzu gezwungen zu werden, alles als Eines. (8.) Ferner, weshalb das Entstehen ewig sein soll und was die Ursache des Entstehens, erklärt keiner. (9.) Und für die, welche zwei Prinzipien setzen, ergibt sich die Notwendigkeit, daß ein anderes Prinzip höher und entscheidender sei, und so müßten auch die Anhänger der Ideenlehre ein anderes höheres Prinzip setzen. Denn weshalb hatten oder haben denn die Dinge teil an den Ideen? (10.) Und für die anderen ergibt sich die notwendige Folge, daß der Weisheit und der würdigsten Wissenschaft etwas entgegengesetzt sein muß, für uns aber nicht; denn für das Erste gibt es keinen Gegensatz. Denn alles Entgegengesetzte hat einen Stoff und ist dem Vermögen nach dasselbe; die der Weisheit entgegengesetzte Unwissenheit würde also auf das Entgegengesetzte gehen. Dem Ersten aber ist nichts entgegengesetzt. (11.) Wenn nun außer den sinnlichen Dingen keine anderen existieren, so würde es kein Prinzip, keine Ordnung, kein Entstehen, keine himmlischen Dinge geben, sondern immer würde für das Prinzip wieder ein anderes Prinzip sein, wie dies den Theologen und den Naturphilosophen widerfährt. Existieren aber die Ideen oder die Zahlen außer dem Sinnlichen, so sind sie Ursache von nichts oder doch nicht Ursache der Bewegung. (12.) Ferner, wie soll aus dem, was keine Größe hat, Größe oder Stetiges hervorgehen? Die Zahl wird ja nichts Stetiges hervorbringen, weder als bewegendes noch als formbestimmendes Prinzip. (13.) Aber auch von den beiden Gegensätzen wird keiner erzeugendes oder bewegendes Prinzip sein; denn dann wäre es ja möglich, daß es nicht sei. Das Hervorbringen ist ja später als das Vermögen. Also würde das
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Seiende nicht ewig sein. Es ist aber ewig; also muß von diesen Behauptungen etwas aufgehoben werden. Wie dies, ist früher erklärt. (14.) Ferner, wodurch die Zahlen Eines sind oder die Seele und der Körper und überhaupt die Form und die Sache, darüber gibt keiner irgendeine Erklärung; auch können sie keine Erklärung geben, wofern sie nicht uns beistimmen, daß das Bewegende die Einheit hervorbringt. (15.) Diejenigen aber, welche die mathematische Zahl als die erste ansehen, und so immer ein Wesen nach dem anderen, und für jedes andere Prinzipien setzen, machen das Wesen des Ganzen unzusammenhängend (denn das eine Wesen trägt durch sein Sein oder Nichtsein nichts für das andere bei) und nehmen viele Prinzipien an. Das Seiende aber mag nicht schlecht beherrscht sein. „Nimmer ist gut eine Vielherrschaft; nur Einer sei Herrscher!“
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BUCH XIII
1. (a) Was das Wesen des sinnlich Wahrnehmbaren sei, ist erörtert, nämlich in der Abhandlung über die Physik hinsichtlich der Materie, nachher hinsichtlich desjenigen Wesens, das der wirklichen Tätigkeit nach Wesen ist. Da aber die Untersuchung dahin geht, ob es außer den sinnlichen Wesen ein unbewegtes und ewiges gibt oder nicht, und wenn es eines gibt, welches es ist, so müssen wir zuerst die Ansichten der anderen erwägen, damit, wenn sich Unrichtiges darin findet, wir uns nicht desselben Fehlers schuldig machen, und wenn wir eine Ansicht mit ihnen gemeinsam haben, wir nicht darüber mit uns allein unzufrieden sind; denn man muß zufrieden sein, wenn man einiges besser, anderes doch wenigstens nicht schlechter erklärt. (b) Es gibt nun zwei Ansichten hierüber. Manche nämlich sehen die Gegenstände der Mathematik, wie Zahlen und Linien und das übrige dem Verwandte, für Wesen an, und dann wieder die Ideen. Da nun einige dies für zwei Arten von Wesen ansehen, die Ideen und die mathematischen Zahlen, andere beides für einerlei Art von Wesen halten, andere wieder nur die Gegenstände der Mathematik als Wesen setzen: so müssen wir zuerst die Gegenstände der Mathematik untersuchen, ohne ein anderes Wesen mit in die Untersuchung zu ziehen, z. B. ob sie Ideen sind oder nicht, und ob sie Prinzipien und Wesen des Seienden sind oder nicht, sondern eben nur die Gegenstände der Mathematik, ob sie sind oder nicht, und wenn sie sind, in welcher Weise sie sind; dann müssen wir abgesondert von den Ideen handeln, einfach und nur um der Ordnung willen; denn das meiste darüber ist ja in den exoterischen Abhandlungen vielfach besprochen. Ferner muß dann eine ausführlichere Erörterung darauf eingehen zu untersuchen, ob die Wesen und die Prinzipien des Seienden Zahlen und Ideen sind; denn nach der Behandlung der Ideen bleibt uns dies als dritte Frage. (c) Wenn es die Gegenstände der Ma-
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thematik gibt, so müssen sie entweder in den sinnlich wahrnehmbaren Gegenständen sein, wie einige behaupten, oder getrennt und selbständig vom Sinnlichen, wofür sich ebenfalls einige erklären; wenn keines von beiden der Fall ist, so sind die Gegenstände der Mathematik entweder gar nicht oder auf eine andere Weise. Unsere Untersuchung wird also nicht das Sein der mathematischen Dinge, sondern die Weise des Seins betreffen.
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2. (a) Daß sie nun unmöglich in den sinnlich wahrnehmbaren Dingen sind, und dies eine ganz erdichtete Behauptung ist, ist früher in den zweifelnden aporetischen Erörterungen erklärt, weil es nämlich unmöglich ist, daß zwei Körper in demselben Raume seien, und ferner, weil aus demselben Grunde auch alle anderen Vermögen und Wesen im Sinnlichen und keine selbständig abgetrennt sein könnten. Das ist also früher erörtert. Außerdem aber ist offenbar, daß es nach dieser Ansicht unmöglich sein würde, daß irgendein Körper geteilt werde. Denn er müßte nach Flächen geteilt werden und diese nach Linien und diese nach Punkten; wenn es nun also unmöglich ist den Punkt zu teilen, so gilt dann dasselbe auch von der Linie, und wenn von dieser, auch von dem übrigen. Was für einen Unterschied macht es nun, ob man sagt, die sinnlichen Linien und Punkte seien solche Wesen, oder, sie selbst seien es zwar nicht, aber es seien in ihnen solche Wesen enthalten. Denn es muß ja daraus dieselbe Folge hervorgehen. Denn entweder müßten sie mit der Teilung der sinnlichen Dinge ebenfalls geteilt werden, oder auch die sinnlichen dürften nicht geteilt werden. (b) Aber andererseits ist es auch nicht möglich, daß solche Naturen (Wesen) getrennt und selbständig sind. (1.) Denn sollte es außer den sinnlichen Körpern getrennt und selbständig als verschieden von dem Sinnlichen und ihm vorausgehend andere Körper geben, so müßten ja notwendig auch außer den sinnlichen Flächen andere Flächen selbständig sein, und so Punkte und Linien; denn das Verhältnis ist hier dasselbe. Ist aber dem so, so müßte es wieder außer den mathematischen Körpern andere Flächen, Linien und Punkte abgetrennt
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geben; denn das Unverbundene ist früher als das Zusammengesetzte. Und wenn die nicht-sinnlichen Körper früher sind als die sinnlichen, so müssen aus demselben Grunde auch die Flächen an sich früher sein als die Flächen an den unbewegten Körpern. Also sind diese Flächen und Linien verschieden von denen, die in den unsinnlichen, abgetrennt für sich bestehenden Körpern enthalten sind; denn die einen bestehen zugleich mit den mathematischen Körpern, die anderen sind früher als die mathematischen Körper. Und in diesen Flächen wieder würden Linien sein, vor denen aus demselben Grunde andere Linien und Punkte vorausgehen müßten, und vor den Punkten in diesen früheren Linien müßten andere frühere Punkte existieren, vor denen es dann nicht wieder andere frühere gäbe. Da ergibt sich nun aber eine ganz ungereimte Häufung. Denn es folgt aus dem Gesagten, daß nur einerlei Körper existieren würden außer den sinnlichen, aber dreierlei Flächen außer den sinnlichen, nämlich die außer den sinnliche, die in den mathematischen Körpern und die getrennt von diesen sind, einerlei Linien, fünferlei Punkte. Über welche von diesen Arten werden nun die mathematischen Wissenschaften handeln? Doch wohl nicht über die Flächen und Linien und Punkte in dem unbewegten Körper. Denn die Wissenschaft handelt immer von dem Früheren. (2.) Derselbe Fall ist auch bei den Zahlen; denn neben jeder Art von Punkten würden andere Einheiten existieren und neben einzelnen sinnlich wahrnehmbaren Dingen, so daß es unendlich viele Arten der mathematischen Zahlen geben würde. (3.) Ferner, wie soll man die Zweifel lösen, welche oben in den dialektischen Erörterungen aufgeworfen wurden? Die Gegenstände nämlich der Astronomie müßten ja ebenso außer den sinnlich wahrnehmbaren exis tieren wie die Gegenstände der Geometrie; daß aber ein Himmel mit seinen Teilen, überhaupt etwas der Bewegung Unterworfenes, außer dem Sinnlichen existiere, ist doch unmöglich. Ähnlich verhält es sich mit den Gegenständen der Optik und Harmonik; es würden ebenfalls Stimme und Gesicht außer dem Sinnlichen und dem Einzelnen existieren. Also müßte dasselbe auch von den anderen sinnlichen Wahr-
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nehmungen und den anderen sinnlich wahrnehmbaren Dingen gelten. Denn warum sollte es für das eine mehr gelten als für das andere? Ist aber dies der Fall, so müßten ja, wofern Sinneswahrnehmungen, so auch Tiere außer den sinnlichen existieren. (4.) Ferner werden von den Mathematikern manche Sätze allgemein auf gestellt, abgesehen von diesen Wesen. Also müßte auch dafür noch ein anderes Wesen dazwischen sein, abgetrennt und selbständig, zwischen den Ideen und den mittleren Dingen, welches weder Zahl noch Punkt noch Größe noch Zeit wäre. Ist aber dies unmöglich, so ist es offenbar ebenso unmöglich, daß jene Wesen selbständig und abgetrennt von den sinnlichen sind, (c) Überhaupt aber ergeben sich gerade aus der Annahme, daß die Gegenstände der Mathematik so als abgetrennte, selbständige Wesen bestehen, Folgerungen, die mit der Wahrheit und den gewöhnlichen Ansichten im Widerspruch stehen. (5.) Denn notwendig würden sie ja, wenn man sie annimmt, früher sein als die sinnlich wahrnehmbaren Dinge, während sie doch in Wahrheit später sind; denn die unvollendete Größe ist der Entstehung nach früher, dem Wesen nach später als die vollendete, in demselben Verhältnisse wie das Leblose zum Belebten. (6.) Ferner, wodurch sollen denn eigentlich die mathematischen Größen Einheit haben? Denn die sinnlichen haben sie durch die Seele oder einen Teil derselben oder durch etwas anderes, was recht wohl Grund der Einheit sein kann; wo nicht, so sind sie eine Vielheit und zerfallen in dieselbe. Was soll denn aber für jenes, das teilbar und ein Quantum ist, Ursache der Einheit und des Zusammenhaltens sein? (d) (7.) Ferner beweist die Entstehung dasselbe. Zuerst nämlich entsteht etwas der Länge, dann der Breite, dann der Tiefe nach, und so hat es die Vollendung erreicht. Ist nun dasjenige, was im Verlauf der Entstehung das Spätere ist, dem Wesen nach das Frühere, so wäre ja der Körper früher als die Fläche und die Linie, und auch insofern mehr vollendet und ein Ganzes, als er belebt wird. Wie sollte aber eine Fläche oder eine Linie belebt sein können? Solche Behauptung ginge ja über unsere Sinne. (8.) Ferner ist der Körper eine Art von Wesen; denn er ist bereits in gewissem
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Sinne vollendet. Wie sollen aber Linien Wesen sein? Weder als Formbestimmung oder Gestalt sind sie es, wie es etwa z. B. die Seele ist, noch als Stoff, wie der Körper. Denn man sieht ja, daß nichts aus Linien oder Flächen oder Punkten bestehen kann. Wären sie aber ein stoffliches Wesen, so müßte man sehen, daß dieses mit ihnen geschehen könne. Dem Begriff nach also mögen die Gegenstände der Mathematik früher sein, aber nicht alles, was dem Begriff nach früher ist, ist es auch 1077b dem Wesen nach. Dem Wesen nach nämlich ist dasjenige früher, was abgetrennt dem Sein nach den Vorrang hat, dem Begriff nach aber alles das, dessen Begriff aus dem des anderen abstrahiert ist; dies beides findet aber nicht zugleich statt. Denn wenn die Affektionen nicht selbständig neben den Wesen bestehen, z. B. ein Bewegtes oder ein Weißes, so ist das Weiße dem Begriff nach früher als der weiße Mensch, aber nicht dem Wesen nach. Denn es besteht nicht abgetrennt (selbständig) für sich, sondern ist immer nur in dem Ganzen. Unter dem Ganzen aber verstehe ich den weißen Menschen. Daraus ist denn offenbar, daß weder das durch Abstraktion Entstandene früher, noch das durch Hinzufügung Entstandene später entstanden ist; denn durch Hinzufügung des Begriffes Weiß entsteht der Begriff des weißen Menschen. (e) Daß also die Gegenstände der Mathematik nicht in höherem Sinne Wesen sind als die sinnlichen Körper, noch dem Sein nach früher als das Sinnliche, sondern bloß dem Begriff nach, noch endlich irgendwo abgetrennt sein können, ist hiermit genügend geklärt. Da sie nun aber auch nicht in dem Sinnlichen sein konnten, so müssen sie offenbar entweder gar nicht sein oder nur in gewisser Weise und deshalb nicht schlechthin sein; denn wir gebrauchen ja das Sein in vielen Bedeutungen. (a) Wie nämlich die allgemeinen Sätze in der Mathematik nicht von Din- 3 gen handeln, welche abgetrennt und selbständig außer den Größen und Zahlen sind. sondern von diesen, nur nicht inwiefern ihnen zukommt, Größe zu haben oder teilbar zu sein: ebenso kann es offenbar von sinnlichen Größen Begriffe und Beweise geben, nicht insofern sie sinnlich, sondern insofern sie eben dies, nämlich Größen sind. Denn wie es von dem Be-
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wegten viele Begriffe gibt, nur insofern es bewegt ist, – ganz abgesehen davon, was ein jedes dieser Dinge ist und was ihm sonst zukommt, – und wie es doch deshalb nicht nötig ist, daß es ein Bewegtes gebe abgetrennt von dem Sinnlichen, oder daß in diesem selbst ein abgeschiedenes, bestimmtes Wesen vorhanden sei: ebenso wird es auch wieder vom Bewegten manche Begriffe und Wissenschaften geben, nicht insofern es bewegt, sondern insofern es Körper ist, und ferner insofern es bloß Fläche oder bloß Länge ist, und inwiefern es teilbar, und inwiefern es unteilbar, aber in bestimmter Lage befindlich und inwiefern es eben bloß unteilbar ist. Da man also schlechthin mit Wahrheit behaupten kann, daß nicht nur das getrennte Selbständige, sondern auch das Untrennbare ist, z. B. daß das Bewegte ist, so kann man auch schlechthin mit Wahrheit sagen, daß die Gegenstände der Mathematik sind, und zwar in dem Sinne, wie man gewöhnlich von ihnen spricht. Und wie man auch von den übrigen Wissenschaften schlechthin mit Wahrheit zu sagen hat, daß sie auf ihren bestimmten Gegenstand, nicht auf das Akzidentelle gehen, z. B. auf das Weiße, wenn das Gesunde weiß ist, die Wissenschaft aber vom Gesunden handelt, sondern auf jeden Gegenstand, insofern er jener ist, z. B. auf das Gesunde, insofern es Gesundes, auf den Menschen, insofern er Mensch ist: ebenso muß man sich auch über die Geometrie aussprechen. Wenn den Gegenständen der Mathematik zukommt, sinnlich wahrnehmbar zu sein, sie aber nicht von ihnen handelt, insofern sie sinnlich wahrnehmbar sind, so werden deshalb die mathematischen Wissenschaften nicht Wissenschaften vom Sinnlichen sein, aber ebensowenig getrennte, selbständige Wesen außer dem Sinnlichen zu ihrem Gegenstand haben. Viele Akzidenzien an sich finden sich an den Dingen, insofern eine jede dieser Eigenschaften vorhanden ist; kommen ja doch auch dem Lebewesen eigentümliche Affektionen zu, insofern es weiblich, und insofern es männlich ist, aber dennoch gibt es nicht etwa ein Weibliches oder ein Männliches abgetrennt vom Lebewesen und selbständig, und ebenso kommen auch den sinnlichen Körpern manche Eigenschaften zu, nur insofern sie Längen und insofern sie
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Flächen sind. (b) Je früher nun dem Begriff nach und je einfacher die Gegenstände einer Wissenschaft sind, desto mehr Genauigkeit hat sie, die eben in der Einfachheit besteht. Daher ist die Wissenschaft, welche von der Größe absieht, genauer als die, welche sie berücksichtigt, und vorzüglich diejenige, welche die Dinge abgesehen von der Bewegung betrachtet. Berücksichtigt sie aber die Bewegung, so ist sie am genauesten bei Betrachtung der ersten Bewegung; denn diese ist die einfachste, und unter den Arten der einfachen Bewegung wiederum die gleichmäßige. Derselbe Fall ist auch bei der Harmonik und Optik; keine von diesen Wissenschaften betrachtet das Gesicht oder die Stimme, insofern es Gesicht oder Stimme ist, sondern insofern es auf Linien und Zahlen zurückkommt, und doch sind jenes eigentümliche Affektionen derselben. Und ebenso verhält es sich mit der Mechanik. Wenn daher jemand Akzidentelles als getrennt und selbständig setzt und dann Untersuchung über dasselbe anstellt, insofern es das ist, was es ist, so wird er deshalb nicht in Irrtum verfallen, ebensowenig wie wenn er im Sande eine Zeichnung macht und von einer Linie, die keinen Fuß lang ist, annimmt, sie sei einen Fuß lang. Denn nicht in diesen Voraussetzungen liegt der Irrtum. Ja man wird so einen jeden Gegenstand am besten untersuchen, wenn man dasjenige, was Keine selbständige Realität hat, als selbständig setzt, wie es der Arithmetiker und der Geometer tut. Der Mensch nämlich, insofern er Mensch ist, ist etwas Einziges und Unteilbares; jener aber setzt schlechthin ein unteilbares Eines und dann untersucht er, ob dem Menschen etwas zukommt, insofern er unteilbar ist. Der Geometer aber betrachtet ihn nicht, insofern er Mensch, noch insofern er unteilbar, sondern insofern er ein Solidum ist. Denn was ihm, auch wenn er etwa nicht unteilbar wäre, zukommen würde, das kann ihm offenbar auch ohne dies zukommen, der Möglichkeit nach. Hiernach haben denn die Geometer recht und handeln vom Seienden, und ihre Gegenstände sind Seiendes. Denn das Seiende ist ja zweierlei, das eine in Wirklichkeit, das andere stofflich. (c) Da nun das Gute und das Schöne voneinander verschieden sind (denn das eine findet sich immer nur in
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der Handlung, das Schöne aber auch bei dem Unbeweglichen), so sind diejenigen im Irrtum, welche behaupten, die mathematischen Wissenschaften handelten nicht von dem Schönen und Guten. Ihre Begriffe und Beweise handeln nämlich sehr wohl davon; denn wenn sie das Schöne und Gute zwar nicht nennen, aber dessen Werke und Verhältnisse nachweisen, so kann man nicht sagen, daß sie nicht davon handelten. Die hauptsächlichsten Formen aber des Schönen sind Ordnung und Ebenmaß und Bestimmtheit, was ja am meisten die mathematischen Wissenschaften zum Gegenstand ihrer Beweise haben. Und da dies, ich meine z. B. die Ordnung und die Bestimmtheit, sich als Ursache von vielem zeigt, so handeln ja offenbar die mathematischen Wissenschaften in gewissem Sinne auch von einer solchen Ursache, welche als das Schöne Ursache ist. Deutlicher werden wir darüber an einer anderen Stelle sprechen. 4. (a) So viel also über die Gegenstände der Mathematik, daß sie etwas Seiendes sind und inwiefern sie es sind und inwiefern sie früher sind, inwiefern nicht früher. Was nun aber die Ideen betrifft, so müssen wir zunächst die Ideenlehre an sich betrachten, ohne damit die Natur der Zahlen in Verbindung zu setzen, sondern wir müssen die Ansichten so fassen wie diejenigen, welche zuerst die Existenz der Ideen behaupten. (b) Es gelangten aber die Anhänger der Ideenlehre zu dieser Ansicht durch die Überzeugung von der Wahrheit der Heraklitischen Lehre, daß alles Sinnliche in beständigem Fluß sei; sollte es daher eine Wissenschaft und eine Erkenntnis von etwas geben, so müßten außer den sinnlichen Wesen davon verschiedene bleibende existieren; denn von dem Fließenden gebe es keine Wissenschaft. Nun beschäftigte sich damals Sokrates mit den sittlichen Tugenden und suchte zuerst über sie allgemeine Begriffe aufzustellen; denn unter den Physikern hatte Demokritos diesen Gegenstand eben nur berührt und von dem Warmen und Kalten eine Art von Definition gegeben; vor diesem aber hatten sich die Pythagoreer nur mit einigen wenigen Gegenständen beschäftigt, deren Begriffe sie auf die
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Zahlen zurückführten, z. B. was die Reife oder das Gerechte oder die Ehe sei; jener aber frage mit gutem Grunde nach dem Was. Denn er suchte Schlüsse zu ziehen, das Prinzip aber der Schlüsse ist das Was. Denn die dialektische Kunst war noch nicht so ausgebildet, daß man auch ohne Kenntnis des Was die Gegensätze hätte untersuchen können und ob Entgegengesetztes derselben Wissenschaft angehöre. Zweierlei nämlich ist es, was man mit Recht dem Sokrates zuschreiben kann: die Induktionsbeweise und die allgemeinen Definitionen; dies beides nämlich geht auf das Prinzip der Wissenschaft. Sokrates aber setzte das Allgemeine und die Begriffsbestimmungen nicht als abgetrennte, selbständige Wesen; die Anhänger der Ideenlehre aber trennten es ab und nannten dieses Ideen der Dinge. (c) Es ergab sich daher für sie, daß es ziemlich auf gleiche Weise Ideen geben müsse von jedem Allgemeinen, und es ging ihnen ähnlich, wie wenn jemand, der eine Anzahl von Gegenständen zählen will, es nicht zu können glaubte, solange deren weniger sind, aber dann zählte, nachdem er sie vermehrt; denn der Ideen sind ja geradezu noch mehr als der einzelnen sinnlichen Dinge, deren Ursachen aufsuchend sie von dem Sinnlichen zu jenen fortschritten. Denn für jedes Einzelne gibt es etwas Gleichnamiges, und getrennt von den Wesen gibt es für die anderen Dinge ein Eines über der Vielheit sowohl bei den veränderlichen Dingen wie bei den ewigen. (d) Ferner ist keiner von den Beweisen evident, welche man dafür vorbringt, daß es Ideen gibt; (1.) Denn einige von ihnen ergeben keine notwendige Schlußfolge, andere aber würden auch für solche Dinge Ideen erweisen, wovon sie nicht annehmen, daß es Ideen gibt. Nach den Beweisgründen nämlich, welche sie aus dem Wesen der Wissenschaften entnehmen, müßte es Ideen für alles geben, was Gegenstand einer Wissenschaft ist, nach dem Beweis aber, welcher von der Einheit über die Vielheit des Einzelnen ausgeht, müßte es auch von den Negationen Ideen geben, und nach dem Beweise, daß man etwas Vergangenes noch denke, müßte es auch Ideen der vergänglichen Dinge geben; denn es bleibt doch eine Vorstellung von diesen. (2.) Ferner ergeben die schlagendsten Beweise teils von dem
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Relativen Ideen, wovon es nach ihrer Behauptung doch keine Gattung an sich gibt, teils führen sie in den Schluß vom „dritten Menschen“. (3.) Und überhaupt heben die für die Ideen vorgebrachten Gründe dasjenige auf, dessen Realität die Anhänger der Ideenlehre noch mehr behaupten als die der Ideen selbst. Denn es ergibt sich ja, daß nicht die Zweiheit das Erste ist, sondern die Zahl, und diesem das Relative vorausgeht und dem An-sich, und was man noch sonst alles, den Ansichten der Ideenlehre nachgehend, ihren Prinzipien entgegengestellt hat. (4.) Ferner müßte es nach der Annahme, wonach sie behaupten, daß es Ideen gebe, nicht bloß von den Wesen Ideen geben, sondern auch von vielem anderen. Denn der Gedanke ist ja ein einziger nicht nur bei den Wesen, sondern auch bei den Nicht-Wesen, und Wissenschaften gibt es nicht nur vom Wesen, und dergleichen Folgerungen ergeben sich noch tausend andere. Nach der Notwendigkeit aber und den herrschenden Ansichten über die Ideen muß, wenn es eine Teilhabe an den Ideen gibt, es nur von den Wesen Ideen geben. Denn nicht in akzidenteller Weise findet Teilhabe an ihnen statt, sondern diese muß insofern stattfinden, insofern ein jedes nicht von einem anderen als Zugrundeliegendem ausgesagt wird. Ich meine z. B., wenn etwas an dem Doppelten-an-sich teilhat, so hat es auch an dem Ewigen teil, aber nur in akzidenteller Weise; denn für das Doppelte ist es ein Akzidens, ewig zu sein. Also wird es Ideen nur für die Wesen geben. (5.) Dasselbe bezeichnet aber Wesen hier beim Sinnlichen und dort bei dem Ewigen. Oder was soll sonst die Behauptung bedeuten, es gebe etwas außer dem Sinnlichen, welches die Einheit sei zur Vielheit des Einzelnen? Und wenn nun die Ideen und die an ihnen teilhabenden Dinge derselben Art-Form angehören, so würden sie ja etwas Gemeinsames haben; denn warum sollte denn bei den vergänglichen Zweiheiten und bei den zwar vielen, aber ewigen Zweiheiten mehr als bei der Zweiheit-an-sich und der einzelnen sinnlichen Zweiheit das Wesen, Zweiheit zu sein, ein und dasselbe sein? Gehören sie aber nicht derselben Art-Form an, so würden sie ja nur namensgleich sein, und es wäre geradeso, wie wenn man sowohl den Kallias wie das Holz
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Mensch nennt, ohne irgendeine Gemeinschaft beider zu sehen. (6.) Wollen wir aber annehmen, daß im übrigen die allgemeinen Begriffe mit den Ideen übereinstimmen, z. B. mit dem Kreis-an-sich der allgemeine Begriff einer ebenen Figur samt den weiteren Teilen des Begriffs, und nur hinzugefügt werden müsse, wessen Urbild es ist, so ist wohl zu erwägen, ob dies nicht etwa ganz haltlos ist. Denn welchem Teil des Begriffs soll es hinzugesetzt werden? Der Mitte oder der Fläche oder allen? Denn alles, was sich im Wesen findet, muß ja Idee sein, wie z. B. das Lebewesen und das Zweifüßige. Und ferner muß offenbar es selbst etwas sein, wie die Fläche ein Wesen sein muß, welches sich als Gattung in allen Arten finden würde. 5. (e) Am meisten aber müßte man wohl in Verlegenheit kommen, wenn man angeben sollte, was denn die Ideen für das Ewige unter dem sinnlich Wahrnehmbaren oder für das Entstehende und Vergehende beitragen; (7.) denn sie sind ja für sie weder irgendeiner Bewegung noch einer Veränderung Ursache. Aber sie helfen auch weder zur Erkenntnis der anderen Dinge etwas (denn sie sind ja nicht das Wesen derselben; sonst müßten sie in ihnen sein) noch zum Sein derselben, da sie ja nicht in den an ihnen teilhabenden Dingen sind; denn so könnten sie vielleicht Ursachen in dem Sinne sein, wie die Beimischung des Weißen Ursache ist, daß etwas weiß ist. Doch dieser Gedanke, den früher Anaxagoras, später Eudoxos in seiner Verlegenheit aussprach und einige andere, hat zu wenig Halt; denn es ist leicht, viele ungereimte Folgerungen gegen eine solche Ansicht zusammenzubringen. (8.) Aber es ist auch auf keine der Weisen, die man sonst gewöhnlich anführt, möglich, daß aus den Ideen das andere werde. Wenn man aber sagt, die Ideen seien Vorbilder und das andere nehme an ihnen teil, so sind das leere Worte und poetische Metaphern. Denn was ist denn das wirkende Prinzip, welches im Hinblick auf die Ideen wirkt? Es kann ja aber auch etwas einem anderen ähnlich sein oder werden, ohne diesem nachgebildet zu sein; also mag es nun einen Sokrates geben oder nicht, so kann es jemand geben wie Sokrates; dasselbe gälte offenbar
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auch, wenn es einen ewigen Sokrates gäbe. (9.) Ferner wird es für dasselbe Ding mehrere Vorbilder geben, also auch mehrere Ideen, z. B. für den Menschen das Lebewesen und das Zweifüßige und zugleich den Menschen-an-sich. (10.) Ferner würden die Ideen nicht nur Vorbilder für das Sinnliche sein, sondern auch für die Ideen selbst, z. B. die Gattung für die Arten der Gattung; wonach dann dasselbe zugleich Vorbild und Nachbild sein müßte. (11.) Ferner muß es wohl für unmöglich gelten, daß das Wesen und dasjenige, dessen Wesen etwas ist, getrennt voneinander existierten. Wie könnten denn also die Ideen, wenn sie das Wesen der Dinge sind, getrennt von diesen existieren? (12.) Im Phaidon wird die Ansicht ausgesprochen, daß die Ideen sowohl des Seins wie des Werdens Ursache seien. Aber wenngleich die Ideen existieren, so entsteht dennoch nichts, wofern es nicht eine bewegende Kraft gibt, und dagegen entsteht wieder vieles andere, wie ein Haus und ein Ring, wovon es nach ihrer Ansicht keine Ideen gibt. Also ist es ja offenbar möglich, daß auch jene Dinge, wovon es nach ihrer Behauptung Ideen gibt, durch eben solche Ursachen sein und werden wie die eben angeführten und nicht durch die Ideen. – Doch über die Ideen läßt sich sowohl auf diese Weise als auch durch logischere und schärfere Gründe vieles dem Angeführten Ähnliches beibringen. 6. (a) Da nun die Bestimmungen hierüber aufgestellt sind, so ist es angemessen, auf die Untersuchung der Zahlenlehre zurückzugehen und zu fragen, welche Folgerungen sich für diejenigen ergeben, welche behaupten, die Zahlen seien abtrennbare Wesen und die ersten Ursachen des Seienden. (b) Wenn nun die Zahl ein reales Wesen und ihr Wesen nichts anderes sein soll als eben dies, Zahl zu sein, wie dies die Ansicht einiger ist, so muß entweder etwas von ihr das erste, ein anderes das nächste sein, jedes von dem anderen der Art nach verschieden – und dies findet dann entweder sogleich bei den Einheiten statt, und es ist jede Einheit mit jeder Einheit unvereinbar, oder sie bilden alle miteinander eine Reihe und sind jede mit jeder vereinbar, wie man dies als die Beschaffenheit
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der mathematischen Zahl bezeichnet; denn in der mathematischen Zahl ist eine Einheit von der anderen in nichts verschieden: oder es müssen einige Einheiten vereinbar sein, andere nicht, wie z. B. wenn nach dem Einen die erste Zweiheit folgt und dann die Dreiheit und die übrigen Zahlen, und dann die Einheiten in einer jeden einzelnen Zahl vereinbar sind, z. B. die in der ersten Zweiheit untereinander oder die in der ersten Dreiheit untereinander, und so auch bei den übrigen Zahlen, die in der Zweiheit-an-sich aber mit den Einheiten in der Dreiheit-an-sich unvereinbar, und in ähnlicher Weise bei den übrigen Zahlen; weshalb denn auch in der mathematischen Zahl gezählt wird eins, zwei, indem man zu dem vorigen Einen ein anderes Eines zufügt, und so drei, indem man zu Zwei Eines zufügt, und ebenso die übrigen Zahlen; bei dieser Zahl aber zählt man nach dem Einen eine davon verschiedene Zwei ohne jenes erste Eine und eine Dreiheit ohne die Zweiheit und ähnlich die übrigen Zahlen. Oder es muß die eine Art von Zahlen so sein, wie die zuerst bezeichnete, die andere wie die mathematische, und eine dritte auf die zuletzt bezeichnete Weise. – Ferner müßten diese Zahlen entweder trennbar sein von den Dingen oder nicht trennbar, sondern in den Sinnesdingen enthalten, nicht in der Weise, wie wir es oben betrachteten, sondern in der, daß die sinnlichen Dinge aus Zahlen als ihren Bestandteilen entständen, oder es muß die eine trennbar sein, die andere nicht. (c) Dies sind also die einzig möglichen Weisen, in denen die Zahlen sein können. Auch hat von denen, welche das Eine als Prinzip und Wesen und Element von allem setzen und aus diesem Einen und einem anderen Etwas die Zahlen hervorgehen lassen, jeder einen von diesen Wegen eingeschlagen, nur die Ansicht, daß alle Einheiten unvereinbar sein sollten, hat keiner verfolgt. Und dies ist ganz natürlich; denn es kann außer den erwähnten keine andere Weise weiter geben. Die einen nämlich behaupten, es gebe beide Arten von Zahlen, die einen, welche das Früher und Später an sich haben, nämlich die Ideen, die anderen, die mathematischen, neben den Ideen und den sinnlichen Dingen, und beide als selbständig geschieden von den sinnlichen Dingen. Andere
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behaupten, es gebe nur die mathematische Zahl als das Erste von allem Seienden, abgetrennt von den sinnlichen Dingen. Auch die Pythagoreer nehmen nur die eine Zahl an, nämlich die mathematische, aber nicht als abgetrennt, sondern aus ihr als immanentem Bestandteil, behaupten sie, beständen die sinnlichen Wesen. Denn sie bilden ja den ganzen Himmel aus Zahlen, aber nicht aus einheitlichen, sondern sie nehmen von den Einheiten an, daß sie eine Größe haben; wie jedoch das erste Eine sich zur Ausdehnung gebildet habe, darauf scheinen sie nicht antworten zu können. Ein anderer behauptet, es gebe nur eine erste Zahl, nämlich die Idealzahl. Einige wieder sagen, eben diese Zahl sei die mathematische. (d) Ähnlich verhält es sich mit den Ansichten über die Längen, die Flächen und die Körper. Die einen nämlich setzen das Mathematische und das Ideelle als verschieden. Von denen aber, die anderer Ansicht sind, setzen die einen das Mathematische und auf mathematische Weise, alle nämlich, welche nicht die Ideen zu Zahlen machen noch behaupten, daß es Ideen gebe; die anderen setzen ebenfalls das Mathematische, aber nicht auf mathematische Weise; denn es werde, behaupten sie, nicht jede Größe wieder in Größen geteilt, noch bildeten jede beliebigen Einheiten eine Zweiheit. Als einheitlich aber setzen die Zahlen alle, welche das Eine zum Prinzip und Element aller Dinge machen, mit Ausnahme der Pythagoreer; diese aber setzen dieselben als ausgedehnt, wie schon oben erwähnt ist. Wie viele verschiedene Ansichten hierüber möglich, und daß alle möglichen Weisen aufgeführt sind, ist hieraus offenbar. Es sind nun aber zwar alle unhaltbar, aber vielleicht doch die eine mehr als die andere.
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7. (a) Zuerst nun ist zu untersuchen, ob die Einheiten vereinbar sind oder unvereinbar, und wenn unvereinbar, auf welche der beiden von uns unterschiedenen Weisen. Es ist nämlich möglich, einmal daß jede Einheit mit jeder Einheit unvereinbar sei, dann aber auch, daß die Einheiten in der Zweiheitan-sich zu denen in der Dreiheit-an-sich unvereinbar seien, und daß gleicher Weise die in jeder ersten Zahl enthaltenen
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Einheiten miteinander unvereinbar seien. (1.) Wenn nun erstens alle Einheiten vereinbar und ununterschieden sind, so entsteht daraus die mathematische Zahl und nur eine Art von Zahlen, und es ist nicht möglich, daß die Ideen Zahlen sind. Welche Zahl nämlich sollte denn Mensch-an-sich oder Lebewesen-an-sich oder irgendeine andere der Ideen sein? Denn von jedem Ding gibt es doch nur eine Idee, z. B. eine Idee vom Menschen-an-sich und vom Lebewesen-an-sich eine andere; bei den Zahlen aber gibt es dergleichen und ununterschiedene unzählige, so daß diese Dreiheit um nichts mehr Mensch-ansich sein würde als irgendeine beliebige. Wenn aber die Ideen nicht Zahlen sind, so ist es überhaupt gar nicht möglich, daß sie existieren. Aus welchen Prinzipien nämlich sollen die Ideen hervorgehen? Denn die Zahl geht aus dem Einen und der unbestimmten Zweiheit hervor, und diese werden als die Prinzipien und die Elemente der Zahl bezeichnet, und man kann die Ideen in bezug auf die Zahlen weder als früher noch als später setzen. (2.) Wenn aber zweitens die Einheiten unvereinbar sind, und zwar in dem Sinne, daß jede mit jeder unvereinbar ist, so kann die so gebildete Zahl weder die mathematische sein (denn die mathematische Zahl besteht aus ununterschiedenen Einheiten, und was von ihr erwiesen wird, paßt zu dieser Voraussetzung), noch die Idealzahl. Denn dann würde ja die Zweiheit nicht das erste Erzeugnis aus dem Einen und der unbestimmten Zweiheit sein, und dann, wie man angibt, die übrigen Zahlen der Reihe nach (hervorgehen): Zweiheit, Dreiheit, Vierheit. Denn auf diese Weise werden ja die (in der ersten Zweiheit enthaltenen) Einheiten zugleich erzeugt, mag man nun sagen wie der, welcher zuerst diese Ansicht aufstellte, aus Ungleichen (denn indem sie gleich geworden, entstanden sie) oder auf eine andere Weise. – (3.) Ferner, wenn die eine Einheit früher sein soll als die andere, so würde sie auch früher sein als die aus ihnen hervorgehende Zweiheit; denn wenn das eine früher, das andere später ist, so muß auch das aus beiden Hervorgehende früher als das eine, später als das andere sein (4.) Ferner, da das Eine-an-sich erstes ist, dann etwas unter den übrigen ein erstes Eines, welches aber nach
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jenem Einen-an-sich das zweite ist, und ferner ein drittes, welches nach dem zweiten das zweite, nach dem ersten Einen aber das dritte ist: so würden ja die Einheiten eher sein als die Zahlen, nach denen sie bezeichnet werden; es würde z. B. in der Zweiheit eine dritte Einheit sein, ehe die Drei wäre, und in der Dreiheit eine vierte und so die fünfte, ehe diese Zahlen wären. Nun hat zwar keiner von ihnen in diesem Sinne die Einheiten für unvereinbar erklärt, doch aus ihren Prinzipien ergibt sich folgerecht auch diese Weise, in Wahrheit freilich ist sie unmöglich. Denn sofern es eine erste Einheit und ein erstes Eines gibt, so muß es konsequenterweise auch frühere und spätere Einheiten geben, und dasselbe muß auch für die Zweiheiten gelten, da es ja eine erste Zweiheit gibt; denn nach dem ersten muß folgerecht und notwendig ein zweites folgen, und wenn ein zweites, dann auch ein drittes und so das übrige der Reihe nach. Beides aber zugleich zu behaupten, daß nach dem Einen eine Einheit erste und zweite sei, und daß zugleich eine Zweiheit erste sei, ist unmöglich. Jene aber setzen zwar eine erste Einheit und ein erstes Eines, aber ein zweites und drittes nicht weiter, und eine erste Zweiheit, aber eine zweite und dritte nicht mehr. (5.) Wenn aber alle Einheiten unvereinbar miteinander sind, so ist es auch offenbar unmöglich, daß es eine Zweiheit-an-sich und eine Dreiheit-an-sich und so die übrigen Zahlen gebe. Denn mögen nun die Einheiten ununterschieden sein oder sich voneinander, jede von jeder, unterscheiden, notwendig muß man doch die Zahlen durch Hinzufügung bilden, z. B. die Zweiheit, indem man zum Einen ein anderes Eines hinzusetzt, und die Dreiheit, indem man zu der Zwei ein anderes Eines hinzusetzt, und die Vierheit auf dieselbe Weise. Ist dem nun aber so, so können unmöglich die Zahlen so entstehen, wie jene sie entstehen lassen, aus dem Einen nämlich und der unbestimmten Zweiheit; denn es wird ja bei der Entstehung durch Hinzufügung die Zweiheit ein Teil der Dreiheit und diese der Vierheit, und dasselbe ergibt sich bei den folgenden Zahlen. Sie aber ließen freilich die Vierheit entstehen aus der ersten Zweiheit und der unbestimmten Zweiheit, also zwei Zweiheiten außer der Zweiheit-an-sich; wo
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nicht, so würde in der Vierheit-an-sich die Zweiheit-an-sich ein Teil sein und dazu eine andere Zweiheit hinzugefügt sein, und ebenso würde die Zweiheit aus dem Einen-an-sich und einem anderen Einen hervorgehen. Ist dem aber so, so ist es nicht möglich, daß das eine Element die unbestimmte Zweiheit sei; denn es hat ja eine Einheit, aber nicht eine bestimmte Zweiheit zu erzeugen. – (6.) Ferner, wie sollte es denn neben der Zweiheit-an-sich und der Dreiheit-an-sich andere Dreiheiten und Zweiheiten geben? Und auf welche Weise bestehen sie denn aus früheren und späteren Einheiten? Alles dies ist ja willkürliche Erdichtung, und es ist unmöglich, daß es eine erste Zweiheit und dann eine Dreiheit an sich gebe. Und doch müßte dies stattfinden, sofern einmal das Eine und die unbestimmte Zweiheit Elemente sein sollen. Sind aber die Folgen, die sich ergeben, unmöglich, so ist es auch unmöglich, daß es diese Prinzipien gibt. (b) Wenn also die Einheiten jede gegen jede verschieden sein sollen, so ergeben sich mit Notwendigkeit diese und ähnliche Folgen. Wenn hingegen die Einheiten in verschiedenen Zahlen unterschieden, die aber in derselben Zahl ununterschieden sind, so ergeben sich auch dann nicht geringere Schwierigkeiten. (1.) Z. B. in der Zehnzahl-an-sich sind zehn Einheiten, es besteht aber die Zehnzahl sowohl aus diesen als auch aus zwei Fünfzahlen. Da nun die Zehnzahl-an-sich nicht eine beliebige Zahl ist, noch aus beliebigen Fünfzahlen besteht, sowenig wie aus beliebigen Einheiten, so müssen sich die Einheiten in dieser Zehnzahl unterscheiden. Denn unterschieden sie sich nicht, so würden sich auch die Fünfzahlen, aus denen die Zehnzahl besteht, nicht unterscheiden; also da sich diese unterscheiden, so müssen auch die Einheiten sich unterscheiden. Wenn diese aber sich unterscheiden, werden denn dann keine anderen Fünfzahlen (in jener) vorliegen, sondern nur diese zwei, oder wird es deren geben? Daß keine anderen vorliegen sollten, ist unstatthaft; gibt es aber andere, was für eine Zehnzahl soll dann aus ihnen entstehen? Denn es ist doch in der Zehnzahl nicht noch eine andere Zehnzahl außer ihr selbst. Aber ebenso ist es notwendig, daß die
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Vierzahl nicht aus beliebigen Zweiheiten entstehe; denn die unbestimmte Zweiheit, sagen sie, indem sie die bestimmte Zweiheit aufnahm, bildete zwei Einheiten; denn es war ihr Wesen, das Aufgenommene zu verzweifachen. – (2.) Ferner, wie ist es möglich, daß neben den zwei Einheiten die Zweiheit ein selbständiges Wesen sei, und so die Dreiheit außer den drei Einheiten? Denn entweder müßte das eine teilhaben an dem anderen, wie der weiße Mensch neben dem Weißen und dem Menschen ist (er hat nämlich teil an diesen), oder es müßte das eine der Artunterschied des anderen sein, wie der Mensch neben dem Lebewesen und dem Zweifüßigen. (3.) Ferner ist manches durch Berührung Eines, anderes durch Mischung, anderes durch seine Stellung. Doch hiervon kann nichts bei den Einheiten stattfinden, aus denen die Zweiheit und die Dreiheit besteht, sondern wie die zwei Menschen nicht ein Eines sein können außer beiden einzelnen, so muß dies notwendig auch bei den Einheiten der Fall sein. Und daß sie unteilbar sind, das kann keinen Unterschied machen; denn auch die Punkte sind ja unteilbar, aber dennoch ist nicht die Zweiheit derselben etwas anderes außer den beiden selbst. – (4.) Aber auch diese Folgerung darf nicht übersehen werden, daß es demnach frühere und spätere Zweiheiten gäbe und in gleicher Weise bei den übrigen Zahlen. Die Zweiheiten nämlich in der Vierzahl mögen zugleich miteinander sein; aber sie sind doch früher als die in der Achtzahl, und wie die Zweiheit diese, so erzeugten sie die Vierheiten in der Achtzahl-an-sich. Ist also die erste Zweiheit eine Idee, so würden auch diese Ideen sein. Derselbe Grund gilt aber auch für die Einheiten; denn die in der ersten Zweiheit enthaltenen Einheiten erzeugen die vier in der Vierzahl enthaltenen, so daß dann alle Einheiten Ideen und eine Idee aus Ideen zusammengesetzt sein würde. Offenbar also müßte auch das, dessen Ideen die Ideen sind, zusammengesetzt sein, wie etwa wenn man behauptete, die Lebewesen seien aus Lebewesen zusammengesetzt, sofern es Ideen von diesen gibt. (5.) Überhaupt aber ist die Annahme von irgendeiner Verschiedenheit der Einheiten unstatthaft und eine willkürliche
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Erdichtung (ich nenne aber willkürliche Erdichtung dasjenige, was mit Gewalt der zugrunde gelegten Ansicht angepaßt ist); denn weder nach Quantität noch nach Qualität sehen wir, daß sich eine Einheit von der anderen unterscheide, und es ist notwendig, daß jede Zahl einer anderen gleich oder ungleich sei, was von allen Zahlen, namentlich aber von den einheitlichen, gilt. Wenn also eine Zahl weder kleiner noch größer ist, so muß sie gleich sein; das Gleiche und überhaupt Ununterschiedene setzen wir aber bei den Zahlen als identisch. Wo nicht, so würden ja nicht einmal die Zweiheiten in der Zehnzahl an sich ununterschieden sein, obgleich sie gleich sind. Denn welchen besonderen Grund würde denn der anzuführen haben, der ihre Ununterschiedenheit behauptete? (6.) Ferner, wenn jede Einheit und eine andere Einheit dazu zwei ist, so würde ja eine Einheit aus der Zweiheit-an-sich und eine andere aus der Dreiheit-an-sich eine Zweiheit bilden aus verschiedenen Einheiten; würde dies nun früher sein als die Dreiheit oder später? Es scheint allerdings notwendig, daß sie früher sei; denn die eine von den beiden Einheiten ist zugleich mit der Dreiheit, die andere zugleich mit der Zweiheit. Wir unsererseits nehmen an, daß überhaupt eines und eines, mögen sie gleich sein oder ungleich, zwei sei, z. B. das Gute und das Böse, Mensch und Pferd; die Anhänger jener Lehre aber lassen dies nicht einmal bei den Einheiten gelten. (7.) Ist nun nach ihrer Ansicht die Dreizahl nicht eine größere Zahl als die Zweizahl, so wäre das verwunderlich; ist sie aber größer, so ist ja offenbar auch eine der Zweiheit gleiche Zahl darin enthalten, und diese also ist von der Zweiheit-an-sich ununterschieden. Aber das ist nicht möglich, sofern es eine erste und zweite Zahl gibt, und es würden dann auch die Ideen nicht Zahlen sein. Denn eben darin haben jene recht, daß sie fordern, die Einheiten sollen unterschieden sein, sofern sie Ideen sein sollen, wie oben erörtert; denn die Idee ist nur eine. Sind aber die Einheiten ununterschieden, so würden auch die Zweiheiten und Dreiheiten ununterschieden sein. Darum müssen sie denn auch notwendig sagen, man zähle so „eins“, „zwei“, ohne etwas zu dem schon Vorhandenen hinzuzufügen; denn sonst
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würde ja die Erzeugung nicht aus der unbestimmten Zweiheit geschehen, und die Zahl könnte nicht Idee sein; denn es würde ja eine Idee in der anderen enthalten sein, und alle Ideen würden Teile einer Idee sein. In der Konsequenz ihrer Ansicht haben sie also hierin recht, aber nicht an sich und schlechthin; denn sie heben damit vieles auf. (8.) Ja auch hierin, müßten sie zugeben, liegt eine Schwierigkeit, ob wir, wenn wir zählen und sprechen „eins, zwei, drei“, durch Hinzufügung zählen oder durch Teilung. Wir tun aber beides; deshalb ist es lächerlich, diesen Unterschied auf einen grundsätzlichen Unterschied des Wesens zurückzuführen. 1083a
8. (a) Vor allem aber gehört es sich zu bestimmen, welcher Unterschied bei der Zahl und der Einheit stattfindet, sofern überhaupt einer stattfindet. Notwendig müßte dies nun ein Unterschied der Quantität oder der Qualität sein; offenbar aber kann keines von beiden hier stattfinden; nur die Zahl unterscheidet sich, insofern sie Zahl ist, der Quantität nach. Wenn sich aber auch die Einheiten der Quantität nach unterschieden, so müßten sich ja auch Zahlen bei gleicher Menge der Einheiten voneinander unterscheiden. Ferner, sind denn die früheren Einheiten größer oder kleiner, und nehmen die folgenden zu oder ab? Alles dies ist ja widersinnig. Aber auch der Qualität nach können sie sich nicht unterscheiden. Denn den Einheiten kann eine Affektion nicht zukommen; sagen sie ja doch auch von den Zahlen, daß ihnen Qualität später zukomme als Quantität. Ferner könnte es ihnen ja weder von dem Einen werden noch von der unbestimmten Zweiheit; denn jenes hat keine Qualität, diese aber ist die Ursache der Quantität; denn ihr Wesen ist Ursache davon, daß das Seiende vieles ist. Wenn es sich nun also irgend anders verhält, so ist dies durchaus im Anfange der Untersuchung auszusprechen, und es sind Bestimmungen über den Unterschied der Einheit zu treffen, vorzüglich weshalb denn ein solcher Unterschied notwendig stattfinde, wo nicht, dann wenigstens, welchen sie meinen. Hieraus ist dann offenbar, daß, wenn die Ideen Zahlen sind, weder alle Einheiten vereinbar sein können noch auch unver-
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einbar miteinander auf keine der beiden bezeichneten Arten. (b) Aber ebensowenig ist die Ansicht haltbar, welche andere über die Zahlen aufstellen. Es sind dies nämlich diejenigen, welche nicht annehmen, daß Ideen existieren, weder schlechthin noch als Zahlen, sondern daß die mathematischen Dinge existieren und die Zahlen das Erste unter dem Seienden seien, und daß ihr Prinzip das Eine-an-sich sei. Denn es ist ja unstatthaft, daß es ein Eines gebe, welches das erste unter den verschiedenen Einen sei, wie diese behaupten, und nicht ebenso eine Zweiheit für die Zweiheiten und eine Dreiheit für die Dreiheiten; denn bei allen diesen findet dasselbe Verhältnis statt. Wenn es sich nun so mit den Zahlen verhält und jemand nur die mathematische Zahl annimmt, so ist das Eine nicht Prinzip; denn notwendig müßte sich ein solches Eines von den übrigen Einheiten unterscheiden, und wenn dies, auch eine erste Zweiheit von den Zweiheiten, und ebenso auch die übrigen Zahlen der Reihe nach. Soll aber das Eine Prinzip sein, so muß es sich vielmehr mit den Zahlen so verhalten, wie Platon sagte, und es muß eine erste Zweiheit und Dreiheit geben, und es dürfen die Zahlen nicht miteinander vereinbar sein. Nimmt aber nun jemand dies an, so ist schon erörtert, wie viele unmögliche Folgerungen sich daraus ergeben. Notwendig aber muß es sich doch auf diese oder jene Weise verhalten, so daß, wenn keines von beiden zulässig ist, es auch nicht möglich sein würde, daß die Zahl selbständig abtrennbar sei. (c) Hieraus ist aber schon einleuchtend, daß die dritte Ansicht die schwächste ist, wenn man behauptet, die Idealzahl und die mathematische seien dieselbe. Denn in dieser einen Ansicht müssen sich notwendig die Fehler beider vereinigen; denn einmal ist es auf diese Weise nicht möglich, daß sie mathematische Zahl sei, sondern sie müssen durch Annahme eigentümlicher Voraussetzungen die Sache ausspinnen; andererseits müssen sie auch in dieselben Folgerungen verfallen wie diejenigen, welche die Zahl als Idee setzen. (d) Die Weise dagegen, in welcher die Pythagoreer die Zahlen aufstellen, hat auf der einen Seite weniger Schwierigkeiten als die bisher erwähnten, auf der anderen Seite aber wieder andere eigentümliche. Denn daß sie die
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Zahl nicht als etwas Abtrennbares setzen, das räumt viele von den unmöglichen Folgerungen hinweg; daß aber die Körper aus Zahlen zusammengesetzt sein sollten, und daß diese Zahl mathematische Zahl sei, ist unmöglich. Denn die Annahme von unteilbaren Größen ist falsch, und wenn es wirklich solche Größen gibt, so haben doch die Einheiten gewiß keine Größe. Wie ist es nun aber möglich, daß aus Unteilbarem eine Größe sich zusammensetze? Und doch ist ja die arithmetische Zahl einheitlich. Sie aber setzen die Zahl als die seienden Dinge; wenigstens passen sie ihre Lehren so an die Körper an, als wenn diese aus jenen, den Zahlen, entständen. (e) (1.) Wenn es nun notwendig ist, daß die Zahl, sofern sie etwas an sich Seiendes sein soll, es auf eine der angegebenen Weisen sei, und wenn sie es doch auf keine dieser Weisen sein kann, so ist erkennbar, daß die Zahl gar nicht ein solches Wesen ist, wie diejenigen annehmen, welche sie als abtrennbar setzen. (2.) Ferner, geht denn jede Einheit aus dem Kleinen und Großen hervor, indem diese gleichgemacht werden, oder die eine aus dem Kleinen, die andere aus dem Großen? Findet das letztere statt, so besteht nicht ein jedes aus allen Elementen, und es sind auch die Einheiten nicht ununterschieden; denn in der einen findet sich das Große, in der anderen das Kleine, welches seinem Wesen nach das Gegenteil von jenem ist. Ferner, wie steht es mit den Einheiten in der Dreiheit-ansich? Denn eines ist überzählig; doch vielleicht setzen sie eben deshalb in der ungeraden Zahl das Eine als Mittleres. Besteht dagegen jede von beiden Einheiten aus beiden, dem Großen und Kleinen, indem sie gleichgemacht werden, wie soll dann die Zweiheit als ein einziges Wesen aus dem Großen und Kleinen hervorgehen? Oder wie soll sie sich unterscheiden von der Einheit? – (3.) Ferner ist die Einheit früher als die Zweiheit; denn mit Aufhebung der Einheit wird die Zweiheit aufgehoben. Also müßte sie notwendig Idee einer Idee sein, da sie ja früher ist als eine Idee, und müßte als frühere entstanden sein. Woraus soll sie also entstanden sein? Denn die unbestimmte Zweiheit bringt ja nach ihrer Ansicht Zweiheit hervor.
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(4.) Ferner muß die Zahl notwendig entweder begrenzt oder unbegrenzt sein; denn sie setzen sie als selbständig abtrennbar, so daß notwendig das eine oder das andere stattfinden muß. Daß sie nun nicht unbegrenzt sein kann, ist klar; denn die unendliche Zahl ist weder ungerade noch gerade, die Entstehung der Zahlen aber führt immer entweder auf ungerade oder gerade Zahl; nämlich einmal, wenn das Eine auf die gerade Zahl trifft, entsteht die ungerade, wenn dagegen die Zweiheit auf eine gerade Zahl trifft, die doppeltgerade, und wenn auf diese ungerade, so entsteht die andere Art der geraden Zahl. (5.) Ferner müßte, wenn jede Idee Idee von etwas ist, die Zahlen aber Ideen sind, auch die unendliche Zahl Idee von etwas sein, sei es von etwas sinnlich Wahrnehmbarem oder von etwas anderem. Doch das ist weder ihrer Behauptung noch den Gründen nach möglich, sondern sie setzen die Ideen so. (6.) Ist sie dagegen begrenzt, so fragt sich: bis zu welcher Zahl reicht sie? Hier darf man nun nicht bloß angeben, daß sie bis zu dieser bestimmten reiche, sondern auch warum. Aber wenn nun die Zahl bis zur Zehnzahl reicht, wie dies die Ansicht einiger ist, so werden erstens die Ideen bald ausgehen; z. B. wenn die Dreiheit Menschan-sich ist, welche Zahl wird denn dann Pferd-an-sich sein? Denn jede Zahl bis zur Zehnzahl ist ja ein An-sich-Seiendes; also muß es eine von den Zahlen bis zur Zehnzahl sein; denn diese sind Wesen und Ideen. Aber sie werden doch nicht ausreichen; denn schon die Arten des Lebewesens werden über sie hinausgehen. (7.) Zugleich ist klar, daß, wenn in solcher Weise die Dreiheit Mensch-an-sich ist, auch die anderen Dreiheiten es sein werden; denn die in denselben Zahlen enthaltenen Ideen sind ähnlich, so daß sich daraus unzählige Menschen ergeben würden, und zwar, wenn jede Dreiheit Idee ist, so wäre jeder Mensch ein Mensch-an-sich, wo nicht, so wären es doch Menschen. Und wenn die kleinere Zahl ein Teil der größeren ist in dem Falle, wo die Einheiten innerhalb derselben Zahl vereinbar sind, so müßte, wenn die Vierzahl-an-sich Idee von etwas ist, etwa vom Pferd oder vom Weißen, der Mensch ein Teil sein vom Pferd, sofern der Mensch Zweiheit ist. (8.) Ungereimt ist es aber auch, daß es von der Zehnzahl eine Idee
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geben soll, von der Elfzahl aber nicht und ebensowenig von den nächsten Zahlen. (9.) Ferner ist und wird auch einiges, wovon es keine Ideen gibt. Weshalb gibt es also nicht auch Ideen von jenem? Also sind die Ideen nicht Ursachen. (10.) Ferner ist es abwegig, wenn die Zahl nur bis zur Zehnzahl reichen soll, während doch das Eine in höherem Sinne Seiendes ist und Formbestimmung für die Zehnzahl; denn das Eine als Eines hat keine Entstehung, die Zehnzahl aber hat eine. Doch versuchen sie ihre Ansicht unter der Voraussetzung auszuführen, daß die Zahl bis zur Zehnzahl abgeschlossen und vollendet sei. Wenigstens erzeugen sie das daraus Hervorgehende, wie das Leere, das Verhältnis, das Ungerade und anderes dergleichen, innerhalb der Zehnzahl; denn einiges schreiben sie den Prinzipien zu, wie Bewegung, Ruhe, Böses, das andere den Zahlen selbst. Darum ist ihnen das Eine das Ungerade. Denn läge in der Dreiheit das Ungerade, wie wäre denn dann die Fünfzahl ungerade? (11.) Ferner reichen auch die räumlichen Größen und was der Art ist bis zu einer bestimmten Zahl; z. B. die Einheit ist unteilbare Linie, darauf folgt die Zweiheit, und dann geht auch dies bis zur Zehnzahl. (12.) Ferner, wenn die Zahl selbständig abtrennbar ist, so entsteht die Frage, ob das Eine früher ist oder die Dreiheit und die Zweiheit. Insofern die Zahl zusammengesetzt ist, ist das Eine früher, insofern aber das Allgemeine und die Form früher ist, ist die Zahl früher; denn jede der Einheiten ist ein Teil der Zahl als deren Stoff, diese aber ist die Form. Nun ist in gewissem Sinne der rechte Winkel früher als der spitze, nämlich der Bestimmtheit und dem Begriff nach; in einem anderen Sinne ist dagegen der spitze früher, nämlich als Teil, in welchen der rechte Winkel zerlegt wird. Als Stoff ist also der spitze Winkel und das Element und die Einheit früher, der Form aber und dem begrifflichen Wesen nach der rechte Winkel und das ganze, konkrete, aus Stoff und Form Bestehende; denn der Form und dem durch den Begriff bestimmten näher ist das Konkrete, der Entstehung nach aber ist es später. (13.) Inwiefern ist nun das Eine Prinzip? Weil es unteilbar ist, erklären sie. Aber unteilbar ist sowohl das Allgemeine als
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auch das Individuelle und das Element, aber auf verschiedene Weise, das eine dem Begriff, das andere der Zeit nach. In welchen von beiden Bedeutungen ist nun das Eine Prinzip? Denn, wie gesagt, es ist ebensowohl der rechte Winkel früher als der spitze wie auch dieser früher als jener, und jeder von beiden ist eines. (14.) Sie machen nun das Eine zum Prinzip in beiden Bedeutungen. Das ist aber unmöglich; denn das eine ist als Form und Wesen, das andere als Teil und Stoff gemeint. Denn in gewissem Sinne ist jede von den beiden Einheiten der Zweiheit ein Eines, in Wahrheit nur dem Vermögen nach, sofern ja die Zahl ein Eines ist und nicht als bloßer Haufen besteht, sondern, wie sie sagen, das eine aus diesen, das andere aus jenen Einheiten; der Wirklichkeit nach aber ist keine von den beiden Einheiten. (f) Der Grund aber, weshalb sie in diese Fehler gerieten, liegt darin, daß sie zugleich aus der Mathematik und aus allgemeinen Begriffen die Prinzipien aufsuchten. Der Mathematik gemäß setzten sie das Eine und das Prinzip als Punkt; denn die Einheit ist ein Punkt ohne Lage. Wie nun einige andere aus dem Kleinsten das Seiende zusammensetzten, so machten sie es ebenfalls. Die Einheit wird hiermit zum Stoff der Zahlen und zugleich früher als die Zweiheit; andererseits aber ist sie später, insofern die Zweiheit ein Ganzes, ein Eines und Form ist. Weil sie aber das Allgemeine suchten, so bezeichneten sie auch so das ausgesagte Eine als Teil. Das kann aber nicht zugleich bei demselben vorliegen. (15.) Wenn nun das Eine-an-sich nur ohne Lage sein muß (denn es unterscheidet sich durch nichts als dadurch, daß es Prinzip ist) und die Zweiheit teilbar ist, die Einheit aber nicht: so würde demnach die Einheit dem Einen ähnlicher sein als die Zweiheit. Und wenn dies, dann ist auch das Eine der Einheit ähnlicher als der Zweiheit; demanch würde jede von den beiden Einheiten in der Zweiheit früher sein als die Zweiheit. Doch das ist ihre Ansicht nicht; wenigstens erzeugen sie die Zweiheit zuerst. – (16.) Ferner, wenn die Zweiheit-an-sich eines ist und ebenso die Dreiheit-an-sich, so sind beide zusammen eine Zweiheit. Woraus entsteht denn nun diese Zweiheit?
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9. (17.) Auch könnte man fragen, da in den Zahlen keine Berührung stattfindet, sondern Reihenfolge der Einheiten, welche nichts zwischeninne haben, z. B. der Einheiten in der Zweiheit und in der Dreiheit, ob auch für das Eine selbst die Reihenfolge stattfindet oder nicht, und ob die Zweiheit früher ist in der Reihenfolge oder irgendeine von ihren beiden Einheiten. (a) (1.) Ähnliche Schwierigkeiten ergeben sich auch hinsichtlich der auf die Zahl folgenden Gattungen der Linie, der Fläche und des Körpers. Einige nämlich lassen diese aus den Arten des Großen und Kleinen entstehen, z. B. aus dem Langen und Kurzen die Längen, aus dem Breiten und Schmalen die Flächen, aus dem Tiefen und Flachen die Körper; dies sind aber Arten des Großen und Kleinen. Das einheitliche Prinzip des Einen aber setzen einige von den Anhängern dieser Lehre auf diese, andere auf andere Weise. (2.) Hierin zeigt sich nun Unzähliges, was unmöglich, willkürlich ersonnen und mit allem Vernünftigen im Widerspruch ist. Denn es ergibt sich ja daraus, daß Linie, Fläche, Körper abgelöst voneinander sind, sofern nicht auch von den Prinzipien eines mit dem anderen gesetzt ist, so daß das Breite und Schmale zugleich lang und kurz ist; ist aber dies der Fall, so würde ja die Fläche Linie und der Körper Fläche sein. (3.) Ferner, wie soll man daraus Winkel und Figur und das andere der Art erklären? Es ergibt sich hier dasselbe wie bei der Lehre von den Zahlen; denn dies sind Eigenschaften der Größe, aber es entsteht aus ihnen die Größe ebensowenig wie aus Geradem und Krummem die Länge oder aus Glattem und Rauhem der Körper. (b) Alle diese Ansichten aber gemeinsam trifft der Zweifel hinsichtlich der Arten der Gattung, wenn man dem Allgemeinen Realität zuschreibt, ob nämlich das Lebewesen-an-sich in dem einzelnen Lebewesen ist, oder ob es von dem einzelnen Lebewesen verschieden ist. Setzt man nämlich das Allgemeine nicht als selbständig abtrennbar, so kann dies gar keine Schwierigkeit machen; setzt man dagegen, wie die Anhänger dieser Lehre es tun, das Eine und die Zahl als selbständig abtrennbar, so sind diese Schwierigkeiten nicht leicht zu lösen, wenn man „nicht leicht“
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das nennen darf, was unmöglich ist. Denn wenn jemand in der Zweiheit und überhaupt in der Zahl das Eine denkt, denkt er dann das Eine-an-sich oder ein anderes Eines? (c) Diese also lassen aus solchem Stoff die Größen entstehen, andere dagegen aus dem Punkt (der Punkt nämlich ist nach ihrer Ansicht nicht Eines, sondern wie das Eine) und aus einem anderen Stoff, welcher ist wie die Menge, aber welcher nicht die Menge selbst ist. Diese Ansicht führt um nichts weniger zu denselben Zweifeln. Denn wenn der Stoff einer ist, so sind Linien und Fläche und Körper dasselbe; denn aus demselben hervorgehend müßten sie auch ein und dasselbe sein. Sind aber der Stoffe mehrere, einer für die Linie, ein zweiter für die Fläche, ein anderer für den Körper, so werden sie entweder einer mit dem anderen gesetzt sein oder nicht; man würde demnach auch so auf dieselben Folgerungen kommen; denn entweder würde dann die Fläche gar nicht in sich die Linie enthalten oder selbst Linie sein. – (d) (1.) Ferner, zu erklären, wie es denkbar sein soll, daß aus der Einheit und der Menge die Zahl hervorgehe, daran versucht man sich gar nicht; wie man aber auch sich darüber aussprechen mag, man wird in dieselben Schwierigkeiten geraten wie diejenigen, welche aus dem Einen und der unbestimmten Zweiheit die Zahlen erzeugen. Denn nach der einen Ansicht läßt man die Zahl aus dem allgemein Ausgesagten hervorgehen, nicht aus einer einzelnen bestimmten Menge, nach der anderen aber aus einer einzelnen bestimmten Menge, aber der ersten; denn die Zweiheit, sagt man, ist die erste Menge. Also ist eigentlich kein Unterschied, sondern es müssen sich dieselben Schwierigkeiten ergeben: Verbindung oder Stellung oder Mischung oder Entstehung und was sonst noch der Art ist. (2.) Vor allem aber möchte man fragen: Wenn jede Einheit Eines ist, woraus ist sie denn? Es ist nämlich doch nicht eine jede das Eine-an-sich. Entweder muß sie nun aus dem Einen-ansich und der Menge sein oder aus einem Teil der Menge. Daß nun die Einheit eine Menge sei, ist unmöglich anzunehmen, da sie ja unteilbar ist. (3.) Die andere Annahme aber, daß sie aus einem Teil der Menge sei, hat viele andere Schwierigkei-
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ten. Denn dann muß jeder von den Teilen der Menge unteilbar sein, und es kann nicht das Eine und die Menge Element sein; denn jede einzelne Einheit entsteht nicht aus der Einheit und dem Einen. (4.) Ferner, wer sich so ausspricht, tut nichts anderes, als daß er eine andere Zahl setzt; denn die Menge von Unteilbarem ist eben Zahl. (5.) Ferner muß man auch bei denen, die sich so aussprechen, fragen, ob die Zahl unbegrenzt ist oder begrenzt. Denn es lag, wie es scheint, eine begrenzte Menge zugrunde, aus welcher und dem Einen die begrenzten Einheiten hervorgingen. Verschieden aber ist Menge-an-sich und unbegrenzte Menge. Was für eine Menge ist es nun, die mit dem Einen Element ist? (6.) Eine ähnliche Frage würde sich hinsichtlich des Punktes und des Elementes, aus welchen sie die räumlichen Größen erzeugen, erheben. Denn es ist doch wohl nicht dieser Punkt der einzige. Woraus geht nun ein jeder von den anderen Punkten hervor? Doch nicht aus einer Entfernung und dem Punkt-an-sich. Es können aber auch die Teile der Entfernung nicht unteilbare Teile sein wie die der Menge, aus welcher die Einheiten hervorgingen; denn die Zahl ist aus Unteilbarem zusammengesetzt, die Größen aber nicht. (e) Dies alles nun und anderes der Art zeigt klar, daß unmöglich die Zahl und die Größen abgetrennt für sich sind. Auch ist der Zwiespalt in den Hauptansichten über die Zahlen ein Zeichen dafür, daß die Unwahrheit der Lehre diese Verwirrung unter ihren Anhängern hervorbringt. Denn die einen, welche nur die mathematischen Dinge neben den sinnlichen setzen, ließen, da sie die Schwierigkeit und Willkür in der Ideenlehre sahen, von der Idealzahl ab und setzten nur die mathematische. Andere dagegen, welche die Ideen, und zwar diese als Zahlen setzen wollten, aber nicht sahen, wie denn, wenn man diese Prinzipien annimmt, die mathematische Zahl neben der Idealzahl bestehen solle, setzten den Worten nach die Idealzahl und die mathematische als identisch; in der Tat freilich ist damit die mathematische Zahl aufgehoben; denn ihre Behauptungen beruhen auf ihnen eigenen, nicht auf mathematischen Voraussetzungen. Der aber zuerst aufstellte,
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daß es Ideen gebe, und daß die Ideen Zahlen seien, und daß es die mathematischen Dinge gebe, trennte beides mit gutem Grunde. So ergibt sich denn, daß in gewisser Weise jeder von diesen recht hat, im ganzen gesehen aber keiner. Das bezeugen sie auch selbst, da ihre Behauptungen nicht einstimmig untereinander sind, sondern entgegengesetzt. Der Grund aber liegt darin, daß ihre Voraussetzungen und Prinzipien falsch sind. Denn schwer ist es, aus Falschem Richtiges abzuleiten, wie Epicharmos sagt; denn kaum ist es ausgesprochen, und schon zeigt es sich als nicht recht gesagt. Soviel mag genügen als Zweifel und als erklärende Bestimmung über die Zahlen. Aus weiterer Erörterung würde, wer schon überzeugt ist, an Überzeugung noch gewinnen, doch würde sie nichts beitragen den zu überzeugen, der es nicht schon ist. (f) Was aber die ersten Prinzipien und die ersten Ursachen und Elemente betrifft, so sind die Ansichten derer, welche nur über das sinnliche Wesen Bestimmungen geben, teils in den physischen Schriften erwähnt, teils gehören sie nicht in die gegenwärtige Untersuchung; die Betrachtung aber der Ansichten derjenigen, welche neben den sinnlichen Wesen andere annehmen, schließt sich an das bisher Erörterte an. Da nun einige als solche Wesen die Ideen und die Zahlen setzen und deren Elemente zu Elementen und Prinzipien des Seienden machen, so ist bei diesen zu erwägen, was sie behaupten und wie sie es behaupten. Diejenigen, welche bloß die Zahlen aufstellen, und zwar die mathematischen, sollen später zur Untersuchung kommen; bei denen aber, welche die Realität der Ideen behaupten, kann man zugleich mit ihrer Lehrweise auch die Schwierigkeit, die in derselben liegt, erkennen. Denn in den Ideen stellen sie einmal das Allgemeine als Wesen auf und dann setzen sie diese andererseits als selbständig abtrennbar und als Einzeldinge. Daß dies aber nicht möglich ist, haben wir früher erörtert. (g) Der Grund, weshalb diejenigen, welche das Allgemeine als die Ideen setzten, diese beiden entgegengesetzten Bestimmungen in Eines verknüpften, liegt darin, daß sie dieselben als nicht einerlei mit den sinnlichen Dingen annahmen. Das Einzelne nämlich in den sinnlichen
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Dingen, meinten sie, fließe und nichts davon beharre, das Allgemeine bestehe außer diesen als etwas davon Verschiedenes. Hierzu gab allerdings, wie wir früher erwähnten, Sokrates durch seine Begriffsbestimmungen die Anregung, nur trennte er diese nicht von dem Einzelnen, und darin dachte er ganz richtig, daß er nicht trennte. Das zeigt sich auch in den Folgen. Ohne Allgemeines nämlich ist es unmöglich, Wissenschaft zu erlangen, die Trennung aber der Ideen von dem Einzelnen ist die Ursache der Schwierigkeiten, in welche sich die Ideenlehre verwickelt. Ihre Anhänger nun, welche für notwendig hielten, daß, wenn es Wesen außer den sinnlichen und fließenden geben solle, diese abtrennbar seien, hatten keine anderen anzugeben, sondern die allgemein ausgesagten Wesen stellten sie als selbständige Wesen heraus, woraus sich dann ergibt, daß die allgemeinen und die einzelnen Wesen so ziemlich dieselben sind. Dies würde also eine Schwierigkeit sein, welche in den Behauptungen an sich liegt. 10. (a) Eine Schwierigkeit aber, welche sowohl für diejenigen sich erhebt, welche behaupten, daß es Ideen gebe, wie für die, welche dies nicht behaupten, und die wir früher in den zweifelnden (aporetischen) Betrachtungen erwähnten, wollen wir nun näher besprechen. Wollte man nämlich die Wesen nicht als selbständig abtrennbar aufstellen, und zwar in der Weise, wie man von dem einzelnen Seienden spricht, so würde man, wie wir einmal sagen wollen, das Wesen aufheben; wenn man dagegen die Wesen als abgetrennt aufstellt, wie soll man dann ihre Elemente und Prinzipien aufstellen? (b) (1.) Setzt man sie als Einzeldinge und nicht als Allgemeines, so kann es des Seienden nur ebensoviel geben, wie es Elemente gibt, und die Elemente können nicht wissenschaftlich erkennbar sein. Denn angenommen, die Silben der Sprache seien Wesen, und ihre Elemente (Buchstaben) seien Elemente der Wesen, so müßte demnach notwendig die Silbe ba ein Eines sein und so jede Silbe eine einzige, sofern sie ja nicht allgemein und nur der Form nach dieselben sind, sondern eine jede der Zahl nach eine und ein bestimmtes Etwas und nicht bloß namensgleich
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ist. (2.) Ferner nimmt man ja ein jedes, welches an sich ist, als ein Eines an. Gilt dies von den Silben, so gilt es auch von dem, woraus diese bestehen. Also gibt es nicht mehr a als eines, und ebenso bei den übrigen Elementen auf dieselbe Weise, so wie auch von den übrigen Silben dieselbe nicht eine andere und wieder andere ist. Aber ist dem so, so würde es nicht außer den Elementen anderes Seiendes geben, sondern eben nur die Elemente. (3.) Ferner sind dann die Elemente auch nicht wißbar, denn sie sind nicht allgemein, die Wissenschaft aber geht auf das Allgemeine. Das geht aus den Beweisen ebensowohl wie aus den Wesensbestimmungen hervor; denn man kann nicht schließen, daß dieses Dreieck die zwei Rechten gleiche Winkelsumme hat, wenn nicht jedes Dreieck diese Winkelsumme hat, noch daß dieser Mensch ein Lebewesen ist, wenn nicht der allgemeine Satz gilt, daß jeder Mensch ein Lebewesen ist. (c) Wenn aber dagegen die Prinzipien oder auch die aus ihnen hervorgehenden Wesen allgemein sein sollen, so würde das Nicht-Wesen früher sein als das Wesen; denn das Allgemeine ist Nicht-Wesen, das Element und das Prinzip aber war als allgemein gesetzt, und das Element und Prinzip ist früher als das, dessen Element und Prinzip es ist. (d) Alle diese Folgerungen ergeben sich ganz notwendig, wenn man die Ideen aus Elementen hervorgehen läßt und neben den der Art nach gleichen Wesen die Realität von einem selbständigen einzelnen Einen behauptet. Wenn es dagegen wohl möglich ist, daß z. B. bei den Elementen der Sprache viele a und viele b existieren und nicht außer diesen ein a-an-sich und ein b-an-sich, so würden dann deswegen recht wohl auch der ähnlichen Silben unzählige sein. (e) Daß aber alle Wissenschaft auf das Allgemeine gehe, so daß deshalb notwendig auch die Prinzipien des Seienden allgemein und nicht selbständig abgetrennte Wesen sein müßten, das enthält freilich die größte Schwierigkeit unter den erwähnten, indessen ist die Behauptung in gewissem Sinne wahr, in anderem Sinne dagegen nicht wahr. Die Wissenschaft nämlich ist so wie auch das Wissen von zweierlei Art, einmal der Möglichkeit nach, dann der wirklichen Tätigkeit (Verwirklichung) nach. Die Möglichkeit nun, welche wie
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(der) Stoff allgemein und unbestimmt ist, geht auch auf das Allgemeine und Unbestimmte, die wirkliche Tätigkeit aber geht als begrenzte auf Bestimmtes, als Einzelnes auf etwas Einzelnes. Aber in akzidenteller Weise sieht der Gesichtssinn auch die allgemeine Farbe, weil diese bestimmte Farbe, die er sieht, Farbe ist; und das bestimmte a, welches der Grammatiker betrachtet, ist ein a. Denn müßten notwendig die Prinzipien allgemein sein, so müßte auch das aus ihnen Hervorgehende allgemein sein, wie dies bei den Beweisen stattfindet; wäre aber dies der Fall, so würde es weder ein selbständig Abgetrenntes noch ein Wesen geben. Aber es ist ja klar, daß die Wissenschaft in der einen Bedeutung allgemein ist, in einer anderen nicht.
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1. (a) So viel also über dieses Wesen. Nun setzen aber alle wie in den natürlichen Dingen so auch in ähnlicher Weise für die unbewegten Wesen die Prinzipien als entgegengesetzt. Wenn es aber nicht möglich ist, daß etwas früher sei als das Prinzip von allem, so ist es auch unmöglich, daß das Prinzip Prinzip sei, indem es selbst etwas anderes ist, wie wenn z. B. jemand sagte, das Weiße sei Prinzip, nicht insofern es etwas anderes, sondern insofern es weiß ist, doch hafte es an einem Zugrundeliegenden und sei weiß, indem es etwas anderes sei; denn dieses andere würde ja dann früher sein. Nun entsteht aber aus Entgegengesetztem alles so, daß ihm etwas zugrunde liegt. Also muß am meisten den Gegensätzen ein Zugrundeliegendes zukommen. Alle Gegensätze haften also immer an einem Zugrundeliegenden, und keiner hat selbständige Realität. Dem Wesen aber ist, wie sich offenbar zeigt und durch Gründe bestätigt wird, nichts entgegengesetzt. Keines von dem Entgegengesetzten ist also im strengen Sinne Prinzip von allem, sondern etwas anderes ist Prinzip. (b) Jene aber setzen das eine von den beiden Entgegengesetzten als Materie, indem sie teils für das Eine als das Gleiche das Ungleiche, welches das Wesen der Menge sein soll, teils für das Eine die Menge als Stoff setzen. Denn es werden ja nach der einen Ansicht die Zahlen aus der Zweiheit des Ungleichen, des Großen und Kleinen, nach der anderen aus der Menge, nach beiden aber durch das Wesen des Einen erzeugt. Denn auch der, welcher das Ungleiche und das Eine als die Elemente bezeichnet, unter dem Ungleichen aber die Zweiheit aus Großem und Kleinem versteht, meint es so, daß das Ungleiche und das Große und das Kleine Eines sein sollen, und unterscheidet nicht, daß sie es dem Begriff nach sind, aber nicht der Zahl nach. (c) Aber sie bestimmen auch nicht einmal die Prinzipien, die sie Elemente nennen, richtig, indem einige das Große und das Kleine setzen samt
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dem Einen, diese drei als Elemente der Zahlen, jene zwei als Stoff, das Eine als Form, andere das Viel und Wenig, weil das Große und das Kleine seinem Wesen nach der Raumgröße verwandter sei, andere das Allgemeine, unter welchem dies befaßt ist, das Übertreffende und das Übertroffene. Dies letztere unterscheidet sich eigentlich von jenem in mehreren Folgerungen gar nicht, sondern nur hinsichtlich der logischen Schwierigkeiten, vor denen sie sich hüten, da sie selbst logische Beweise Vorbringen. Indessen aus demselben Grunde, aus welchem das Übertreffende und das Übertroffene Prinzipien sein sollen, aber nicht das Große und das Kleine, müßte auch die Zahl früher als die Zweiheit aus den Elementen hervorgehen; denn beide sind das Allgemeinere. So aber behaupten sie das eine ohne zugleich das andere zu behaupten. – Andere setzen das Verschiedene und das Andere dem Einen, andere die Vielheit und das Eine einander entgegen. Wenn nun aber, wie sie ja doch wollen, das Seiende aus Entgegengesetztem hervorgehen soll, dem Einen aber entweder nichts, oder wenn überhaupt etwas, die Vielheit entgegengesetzt ist, das Ungleiche dagegen dem Gleichen und das Verschiedene dem Identischen und das Andere dem Identischen, so haben die noch immer einiges für sich, welche das Eine der Vielheit entgegensetzen, doch ist auch ihre Ansicht nicht genügend begründet; denn es würde ja danach das Eine wenig sein, da die Vielheit der Wenigkeit, das Viele dem Wenigen entgegengesetzt ist. (d) Offenbar aber bezeichnet das Eine ein Maß, und in jedem Falle ist etwas anderes das Zugrundeliegende, z. B. bei der Harmonie der halbe Ton, bei der Größe der Zoll oder Fuß oder etwas der Art, bei den Rhythmen der Fuß oder die Silbe, ebenso bei der Schwere ein bestimmtes Gewicht, und immer in gleicher Weise, bei dem Qualitativen etwas Qualitatives, bei dem Quantitativen etwas Quantitatives, und das Maß ist unteilbar teils der Art nach, teils für die sinnliche Wahrnehmung; das Eine ist aber dabei nicht ein Wesen an sich. Und dies hat seinen guten Grund; denn das Eine bezeichnet das Maß einer Vielheit, und die Zahl bezeichnet eine gemessene Vielheit und eine Vielheit von Maßen. Darum ist auch not-
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wendig das Eine nicht Zahl, so wenig wie das Maß eine Mehrheit von Maßen ist, sondern das Maß und das Eine ist Prinzip. Immer aber muß allem Gezählten etwas Identisches als Maß zugrunde liegen; z. B. wenn Pferde gezählt werden, so ist das Maß Pferd, wenn Menschen, Mensch; wenn Mensch, Pferd und Gott, etwa lebendes Wesen, und die Zahl würde lebende Wesen zählen; wenn Mensch, Weißes und Gehendes, so gibt es davon am wenigsten eine Zahl, weil alles an dem Selbigen und der Zahl nach Einen stattfindet; indessen würde die Zahl derselben eine Zahl von Arten sein oder sonst eines ähnlichen gemeinsamen Prädikates. (e) Die dagegen das Ungleiche als ein Eines und die unbestimmte Zweiheit des Großen und Kleinen setzen, entfernen sich in ihren Ansichten gar weit von dem Wahrscheinlichen und dem Möglichen; (1.) denn dies sind ja vielmehr Affektionen und Akzidenzien als Zugrundeliegendes für Zahlen und Größen, das Viel und Wenig nämlich für die Zahl, das Groß und Klein für die Raumgröße, wie gerade und ungerade, rauh und glatt, gerade und krumm. (2.) Ferner kommt zu diesem Fehler noch hinzu, daß das Große und das Kleine und alles dergleichen notwendig etwas Relatives ist; das Relative aber ist unter allen Kategorien am wenigsten eine Natur und ein Wesen und ist später als das Qualitative und das Quantitative, und das Relative ist, wie gesagt, eine Affektion des Quantitativen, aber nicht dessen Stoff, sofern ja sowohl dem Relativen im allgemeinen als auch seinen Teilen und Arten etwas anderes zugrunde liegen muß. Denn nichts ist groß und klein, viel oder wenig, überhaupt hat nichts eine Relationsbestimmung an sich, ohne daß es etwas anderes wäre, als welches es dann viel oder wenig oder groß oder klein ist oder eine sonstige Relationsbestimmung erhält. Ein Zeichen dafür aber, daß das Relative am wenigsten ein Wesen und etwas Seiendes ist, liegt darin, daß vom Relativen allein es kein Entstehen, kein Vergehen, keine Bewegung gibt, wie es für die Quantität Zuwachs und Abnahme, für die Qualität Beschaffenheitsveränderung, für den Ort Bewegung, für das Wesen Entstehen und Vergehen schlechthin gibt. Aber für das Relative findet
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dies nicht statt; denn ohne verändert zu werden, wird dasselbe bald größer, bald kleiner oder gleich sein, wenn das andere der Quantität nach verändert ist. (3.) Notwendig muß aber Stoff für ein jedes Einzelding das sein, was der Möglichkeit nach ein solches Ding ist, also auch für das Wesen; das Relative aber ist weder der Möglichkeit nach noch in Wirklichkeit Wesen. Also ist es unstatthaft oder vielmehr unmöglich, ein Nicht-Wesen als Element und als das Frühere für das Wesen zu setzen; denn alle anderen Kategorien sind später als das Wesen. (4.) Ferner werden die Elemente nicht als Prädikate ausgesagt von dem, dessen Elemente sie sind; das Viel und Wenig aber werden sowohl getrennt als auch zugleich ausgesagt von der Zahl, und das Lang und Kurz von der Linie, und die Ebene ist breit und schmal. Gibt es nun auch eine Menge, von welcher das eine immer wenig ist, z. B. die Zweiheit (denn wäre sie viel, so würde das Eine wenig sein), so muß es auch eine geben, welche schlechthin viel ist; z. B. die Zehnzahl würde viel sein, wenn es nichts gäbe, was mehr ist als sie, oder die Zahl tausend. Wie soll nun die Zahl so aus dem Vielen und Wenigen entstehen? Denn entweder müßte man keines oder beides von ihr aussagen; nun aber wird nur das eine von ihr ausgesagt. 2. (a) Überhaupt aber muß man untersuchen, ob es möglich ist, daß das Ewige aus Elementen bestehe. Es würde ja dann einen Stoff haben, da alles aus Elementen Bestehende zusammengesetzt ist. Wenn nun notwendig alles aus Elementen Bestehende aus dem werden muß, aus dem es besteht, mag jenes nun ewig oder mag es geworden sein, alles aber dasjenige, was es wird, aus dem der Möglichkeit nach Seienden wird (denn aus dem Unvermögenden könnte es ja nicht werden noch sein), das dem Vermögen nach Seiende aber ebensogut zu wirklicher Tätigkeit übergehen kann als auch nicht: so müßte es ja für die Zahl oder für irgend etwas anderes, das einen Stoff hat, mag es auch noch so sehr immer sein, doch auch möglich sein, daß es nicht sei, wie ja das noch so viele Jahre hindurch Bestehende ebensogut nicht sein kann wie das nur einen Tag Bestehende. Und wenn dem so ist, so müßte selbst das die unbegrenzte
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Zeit hindurch Seiende auch nicht sein können. Sie würden also nicht ewig sein, sofern ja das nicht ewig ist, was auch nicht sein kann, wie wir dies in anderen Untersuchungen erörtert haben. Wenn aber das jetzt Ausgesprochene allgemeine Wahrheit hat, daß nämlich kein Wesen ewig ist, sofern es nicht in wirklicher Tätigkeit ist, und die Elemente Stoff des Wesens sind: so gibt es für kein ewiges Wesen Elemente, aus denen es als immanenten Teilen bestände. (b) Manche setzen nun zwar die unbestimmte Zweiheit als Element neben dem Einen, aber sie vermeiden die Setzung des Ungleichen aus gutem Grunde wegen der daraus sich ergebenden unmöglichen Folgerungen. Indessen entziehen sie sich dadurch nur den Schwierigkeiten, zu denen die Annahme des Ungleichen und des Relativen als Element notwendig führen muß; was sich aber abgesehen von dieser Ansicht ergibt, das muß auch bei jenen notwendig seine Geltung haben, mögen sie nun aus diesen Elementen die Idealzahl entstehen lassen oder die mathematische. (c) Unter den mancherlei Gründen, welche auf diesen Abweg führten, ist der hauptsächlichste eine veraltete Fragestellung. Man glaubte nämlich, daß alles Seiende Eines sein müsse, das Seiende selbst, sofern man nicht den Ausspruch des Parmenides löste und widerlegte „nimmer wirst du erkennen, daß sei Nichtseiendes“, vielmehr müsse man zeigen, daß das Nichtseiende ist; denn so würden dann aus dem Seienden und einem anderen Prinzip die seienden Dinge hervorgehen, sofern deren eine Mehrheit sein soll. (d) Indessen (1.) erstens, da das Seiende in vielen Bedeutungen ausgesagt wird (denn es bezeichnet teils ein Wesen, teils Qualitatives, teils Quantitatives und so die übrigen Kategorien), (als) was für eine Art von Seiendem soll denn alles eines sein, wofern man nicht das Nichtseiende als seiend annimmt? Die Wesen oder die Affektionen und so das übrige auf gleiche Weise oder alles? Und soll das bestimmte Etwas, das Quantitative, das Qualitative und was sonst noch etwas Seiendes bezeichnet, Eines sein? Aber es ist ja ganz unstatthaft oder vielmehr unmöglich, daß das Nichtseiende als eine Art von Wesen Ursache davon sei, daß von dem Seienden das eine ein bestimmtes Etwas ist, das
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andere eine bestimmte Qualität oder Quantität oder örtliche Lage hat. (2.) Zweitens, aus welcherlei Nicht-seiendem und Seiendem soll das Seiende hervorgehen? Denn auch das Nichtseiende wird in mehrfacher Bedeutung ausgesagt, weil ja das Seiende mannigfache Bedeutung hat, und Nicht-Mensch bezeichnet, daß etwas nicht dies bestimmte Etwas, nicht-gerade, daß es nicht dieses Qualitative, nicht-dreiklaftrig, daß es nicht dieses Quantitative ist. Aus welcherlei Seiendem und Nichtseiendem geht also die Vielheit des Seienden hervor? Nun meint freilich der Urheber dieser Ansicht den Irrtum (das Falsche) und versteht diese Natur unter demjenigen Nichtseienden, aus dem und dem Seienden die Vielheit der Dinge hervorgehe – weshalb es denn auch hieß, man müsse etwas Falsches voraussetzen, wie auch die Geometer von der Linie, welche nicht einen Fuß lang ist, annehmen, sie habe diese Länge –; aber es ist ja unmöglich, daß sich dies so verhalte. Denn weder setzen die Geometer etwas Falsches voraus (denn jene Annahme ist ja gar nicht in dem Schluß enthalten), noch kann aus dem in diesem Sinne Nichtseienden das Seiende entstehen oder vergehen. Sondern indem das je nach den einzelnen Ableitungen Nichtseiende in so vielfachem Sinne ausgesagt wird, wie es Kategorien gibt, und außer dem noch das Falsche und das dem Vermögen nach Seiende als nicht seiend bezeichnet wird: so geht aus dem letzteren das Werden hervor; nämlich aus dem, was nicht wirklich Mensch ist, aber doch dem Vermögen nach Mensch, wird der Mensch, aus dem Nicht-Weißen, das aber dem Vermögen nach weiß ist, das Weiße, und so in ähnlicher Weise, mag nun eines werden oder vieles. (3.) Offenbar richtet sich diese Untersuchung darauf, inwiefern dem von den Wesen ausgesagten Seienden Vielheit zukomme; denn das aus der Erzeugung Hervorgehende sind Zahlen, Längen und Körper. Aber es ist unstatthaft, bei der Frage nach dem Grunde der Vielheit bloß auf das Was einzugehen und nicht auch auf das Qualitative und Quantitative. Denn die unbestimmte Zweiheit oder das Große und Kleine ist doch nicht der Grund davon, daß zweierlei Weißes, oder daß eine Vielheit von Farben oder Feuchtigkeiten oder Figuren existiert; sonst würden
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ja auch diese Zahlen und Einheiten sein. Aber freilich, wären sie auf dieses eingegangen, so würden sie die Ursache auch bei jenen, den Wesen, erkannt haben; denn in beiden findet sich dieselbe und analoge Ursache. Denn diese Verirrung ist auch der Grund davon, daß sie, den Gegensatz für das Seiende und das Eine suchend, um aus ihm und diesem die seienden Dinge hervorgehen zu lassen, das Relative und das Ungleiche zugrunde legten, das weder konträr noch kontradiktorisch jenem entgegengesetzt, sondern ein Wesen unter dem Seienden ist wie ebenso das Was und das Qualitative. (4.) Und sie hätten auch danach fragen müssen, wie denn das Relative vieles ist und nicht bloß eines; nun aber fragt man wohl, wie es denn viele Einheiten gibt neben dem ersten Einen, aber nicht weiter danach, wie es vielerlei Ungleiches neben dem ersten Ungleichen gibt. Und doch wenden sie diese Vielheit des Ungleichen an und erwähnen Groß-Klein, Viel-Wenig, woraus die Zahlen, Lang-Kurz, woraus die Körper entstehen sollen, und so erwähnen sie noch mehr Arten des Relativen. Was ist denn nun für dieses Grund der Vielheit? (5.) Man muß also, wie gesagt, für jedes Einzelne das der Möglichkeit nach Seiende voraussetzen. Das aber fügte der Urheber dieser Ansicht noch hinzu, was dasjenige sei, das der Möglichkeit nach ein bestimmtes Etwas und Wesen, an sich aber nicht seiend ist, nämlich daß es das Relative sei (wie wenn er gesagt hätte das Qualitative), das ja ebenfalls weder der Möglichkeit nach das Eine oder das Seiende ist noch die Negation des Einen oder des Seienden, sondern eines von den seienden Dingen. Und noch vielmehr mußte man es, wie gesagt, voraussetzen, wenn er untersucht hätte, wie dem Seienden Vielheit zukomme; er muße nicht bloß das Seiende in derselben Kategorie untersuchen, wie den Wesen oder den Qualitäten, sondern wie dem Seienden überhaupt Vielheit zukomme; denn einiges davon ist Wesen, anderes Affektion, anderes Relatives. (6.) Bei den anderen Kategorien ist nun auch noch eine andere Antwort auf die Frage, wie dem Seienden Vielheit zukomme, möglich, nämlich die: weil es nicht selbständig sei. So gebe es dadurch, daß das Zugrundeliegende vieles werde
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und sei, eine Vielheit von Qualitativem und Quantitativem. Allein einen gewissen Stoff muß doch jede Gattung haben; nur kann er nicht selbständig abtrennbar von den Wesen sein. Bei den Einzeldingen hingegen ist es einigermaßen fraglich, wie das einzelne Etwas vieles sein kann, wenn es nicht ein gewisseseinzelnes Etwas und eine Natur von der Art geben soll. Diese Frage führt vielmehr auf die zurück, weshalb es viele Wesen der Wirklichkeit nach gibt, nicht aber eines. (7.) Wenn aber das Was und das Quantum nicht einerlei ist, so erklärt man nicht, wie und warum das Seiende, das Was, vieles ist, sondern wie der Quanta viele sind. Denn jede Zahl bezeichnet ein Quantum, und die Einheit bezeichnet, wo nicht ein Maß, doch das der Quantität nach Unteilbare. Wenn nun also das Quantum etwas anderes ist als das Was, so gibt man nicht an, woher und wie das Was eine Vielheit erhält; behauptet man dagegen, daß Quantum und Was dasselbe seien, so hat man viele Einwürfe zu erwarten. (e) Man hat aber auch darauf die Untersuchung zu richten, woher man denn hinsichtlich der Zahlen die Überzeugung bekommen soll, daß sie sind. Bei der Annahme der Ideen nämlich sind sie eine Ursache für die seienden Dinge, insofern ja jede Zahl eine Idee, die Idee aber auf irgendeine Weise für das übrige Ursache des Seins ist; denn dies mag einmal als Grundlage ihrer Ansicht gelten. Wenn man aber bei der Einsicht in die Schwierigkeiten der Ideenlehre diese Ansicht nicht annimmt, also nicht aus diesem Grunde die Zahlen aufstellt, sondern die mathematische Zahl setzt, woher soll man denn dann die Überzeugung gewinnen, daß es die so beschaffene Zahl gibt, und wozu soll sie den übrigen Dingen dienlich sein? Denn weder ist sie nach der Behauptung der Anhänger dieser Ansicht Zahl von etwas, sondern man setzt sie als ein Wesen an und für sich, noch zeigt sie sich als Ursache. Denn die arithmetischen Lehrsätze müssen, wie erörtert, alle auch für das Sinnliche gelten. 3. (a) Diejenigen nun also, welche behaupten, daß es Ideen gibt und daß sie Zahlen sind, versuchen doch wenigstens, durch
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Herausstellung eines jeden (Allgemeinen) jeweils etwas Eines neben der Vielheit des Einzelnen anzunehmen und zu erklären, wie und weshalb jedes ein Seiendes sei; aber freilich, da ihre Gründe weder zwingend noch überhaupt zulässig sind, so hat man auch nicht deshalb zu sagen, daß die Zahlen (selbständig für sich) seien. (b) Die Pythagoreer dagegen setzten, da sie viele Eigenschaften der Zahlen an den sinnlichen Körpern haften sahen, die Zahlen ebenfalls als das Seiende, aber nicht als selbständig abtrennbar, sondern so, daß das Seiende aus Zahlen bestehe. Weshalb aber? Weil die Eigenschaften der Zahlen sich in der Harmonie finden und im Himmel und in vielen anderen Dingen. (c) Diejenigen dagegen, welche nur von der mathematischen Zahl behaupten, daß sie sei, können nach ihren Voraussetzungen nichts der Art Vorbringen, sondern man gab als Grund nur an, es würde sonst keine Wissenschaft von dem Mathematischen geben. Wir dagegen behaupten, daß es allerdings eine gibt, wie früher erörtert. Und offenbar gibt es das Mathematische nicht als selbständig abgetrennt; denn wäre es von den sinnlichen Dingen getrennt, so würden sich nicht seine Eigenschaften in den Körpern finden. (d) Die Pythagoreer haben sich nun also in dieser Beziehung keines Fehlers schuldig gemacht; insofern sie aber aus Zahlen die natürlichen Körper entstehen lassen, also aus dem, was weder Schwere noch Leichtigkeit hat, dasjenige, was schwer oder leicht ist, scheinen sie von einem anderen Himmel zu sprechen und von anderen Körpern, nicht von den sinnlichen. (e) Die aber die Zahl als selbständig abtrennbar setzen, nehmen deshalb an, die Zahl existiere und sei selbständig abtrennbar und gleicherweise auch die mathematischen Größen, weil von den sinnlichen Dingen die Lehrsätze nicht gelten würden und doch die gewöhnlich ausgesprochenen wahr sind und sich unmittelbare Beistimmung gewinnen. Offenbar nun wird die Widerlegung das Entgegengesetzte behaupten, und die Anhänger dieser Ansicht müssen die eben aufgestellte Schwierigkeit lösen, wie es denn kommt, daß, während die mathematischen Dinge auf keine Weise in den sinnlichen sind, doch deren Eigenschaften sich in den sinnlichen Dingen finden. (f) Manche
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finden auch darin, daß der Punkt für die Linie, diese für die Fläche, diese für den Körper Grenze und Äusserstes ist, einen zwingenden Grund dafür, daß es solche Wesen gibt. Wir müssen also sehen, ob nicht dieser Grund gar zu schwach ist. Denn einmal ist das Äußerste nicht ein Wesen, sondern dies alles ist vielmehr Grenze – denn es gibt ja auch beim Geben und überhaupt bei der Bewegung eine Grenze, diese müßte also ein bestimmtes Etwas und ein Wesen sein, was ganz abwegig ist –, und dann, gesetzt auch das Äußerste wäre Wesen, so wäre es doch Wesen dieses bestimmten Sinnlichen; denn als Grenze von diesem wurde es bezeichnet. Weshalb ist es denn also selbständig abgetrennt? (g) Ferner wird man, wenn man nicht gar zu nachgiebig ist, hinsichtlich der gesamten Zahl und des Mathematischen den Punkt in Frage ziehen müssen, daß das Frühere und Spätere keinen Einfluß aufeinander haben. Denn nach der Ansicht derer, welche nur das Mathematische als real setzen, müßten, wenn auch die Zahl nicht wäre, die Raumgrößen nichtsdestoweniger existieren, und wenn diese nicht, so doch die Seele und die sinnlich wahrnehmbaren Körper. Aber die Natur ist doch offenbar nicht so ohne Zusammenhang wie eine schlechte Tragödie. (h) Die Anhänger der Ideenlehre dagegen entgehen freilich diesem Vorwurfe; denn sie lassen die Raumgrößen aus der Materie und der Zahl entstehen: aus der Zweiheit die Linien, aus der Dreiheit etwa die Flächen, aus der Vierzahl die Körper, oder auch aus anderen Zahlen; denn darauf kommt hierbei nichts an. Aber sollen denn dies Ideen sein, oder in welcher Weise gibt es sie, und welche Bedeutung haben sie für das Seiende? Keine; sowenig wie das Mathematische, ebensowenig hat dies einen Einfluß auf das Seiende. Ja es gibt nicht einmal einen Lehrsatz über dieselben, sofern man nicht das Mathematische umwerfen und eigentümliche Meinungen aufstellen will. Doch ist es nicht schwer, die ersten besten Voraussetzungen zu machen und daran ein langes Gerede und viele Folgerungen anzuknüpfen. (i) Diese nun also fehlen, indem sie an die Ideen das Mathematische anknüpfen. Die dagegen zuerst zweierlei Zahl setzten, nämlich eine als die Idealzahl und eine andere als die mathematische, haben
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nicht erklärt und können auch nicht erklären, wie und woraus die mathematische Zahl entstehen solle (sie setzen dieselbe nämlich zwischen inne zwischen Idealzahl und sinnliche Zahl. Denn soll sie aus dem Großen und Kleinen hervorgehen, so würde sie ja mit der Idealzahl identisch sein (aus einem anderen Großen und Kleinen aber läßt man die Raumgrößen entstehen); wenn man dagegen ein anderes nennen will, so würde man ja der Elemente mehrere benennen. Und wäre ein Eines das Prinzip von beiden, so würde das Eine etwas Gemeinsames für sie sein. Man muß nun einerseits fragen, wie denn das Eine auch zu dieser Vielheit kommt, und dabei ist es andererseits nach ihrer Ansicht unmöglich, daß eine Zahl auf andere Weise entstehe als aus dem Einen und der unbestimmten Zweiheit. (j) Dies alles ist also unbegründet und steht im Widerspruch mit sich selbst wie mit allem Wohlbegründeten; es klingt ganz wie die lange Rede beim Simonides. Es entsteht aber eine lange Rede wie dort die der Sklaven, wenn man nicht mit dem gesunden Menschenverstand redet. Auch die Elemente selbst, das Große und das Kleine, möchten schreien, wie sie hin- und hergezerrt werden; denn sie können auf keine Weise die Zahl erzeugen mit Ausnahme der vom Einen aus verdoppelten. (k) Es ist aber auch abwegig oder vielmehr eine reine Unmöglichkeit, eine Erzeugung dessen zu setzen, was ewig ist. Bei den Pythagoreern nun darf man gar nicht darüber in Zweifel sein, ob sie eine Entstehung setzen oder nicht. Denn sie erklären ja ganz offenbar, daß, nachdem das Eine zusammengetreten, sei dies nun aus den Flächen oder aus der Farbe oder aus einem Samen oder sonst aus etwas, das sie selbst nicht anzugeben wissen, sogleich die nächsten Teile des Unbegrenzten von der Grenze angezogen und begrenzt wurden. Aber da sie eine Weltbildung geben und ihre Ansichten in das Gebiet der Physik gehören, so ist es billig, sie dort etwas zu prüfen, aber aus der gegenwärtigen Untersuchung wegzulassen; denn wir untersuchen die Prinzipien in dem Unbeweglichen und müssen deshalb auch die Prinzipien für diese Art von Zahlen betrachten.
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4. (a) Von der ungeraden Zahl also nehmen jene keine Entstehung an, offenbar unter der Voraussetzung, daß die gerade Zahl eine Entstehung habe; die erste gerade Zahl aber bilden einige aus dem Ungleichen, dem Großen und Kleinen nämlich, indem diese gleichgemacht werden. Notwendig mußte also, bevor sie gleichgemacht wurden, Ungleichheit bei ihnen stattfinden. Wären sie immer gleichgemacht, so wären sie ja nicht vorher ungleich; denn vor dem „immer“ gibt es kein vorher. Daraus zeigt sich denn deutlich, daß sie nicht bloß um der Betrachtung willen eine Entstehung der Zahlen annehmen. (b) Eine Schwierigkeit aber und, wenn man sie leicht beseitigen will, ein Vorwurf entsteht aus der Frage, wie sich denn die Elemente und die Prinzipien zu dem Guten und Schönen verhalten; die Frage ist nämlich, ob sich unter den Prinzipien ein solches findet, wie wir es unter dem Guten an sich und dem Besten verstanden wissen wollen, oder ob dies nicht der Fall ist, sondern das Gute erst als ein Späteres im Verlauf des Entstehens hervortritt. Die (alten) Theologen nun scheinen mit einigen unter den gegenwärtigen Philosophen darin übereinzustimmen, daß das Gute und das Schöne nicht im Prinzip liege, sondern sich bei der fortschreitenden Entstehung des Seienden zeige. Diese Ansicht aber stellen sie auf, um eine wirkliche Schwierigkeit zu vermeiden, in welche man verfällt, wenn man, wie einige es tun, das Eine als Prinzip setzt. Es entsteht aber diese Schwierigkeit nicht daraus, daß sie dem Prinzip das Gute als ihm inwohnend zuschreiben, sondern daraus, daß sie das Eine als Prinzip setzen, und zwar als Prinzip im Sinne von Element, und daß sie die Zahl aus dem Einen entstehen lassen. Die alten Dichter kommen ihnen insofern nahe, als sie die Herrschaft und Leitung nicht den ursprünglichen Göttern zuschreiben, z. B. der Nacht und dem Himmel oder dem Chaos oder dem Okeanos, sondern dem Zeus. Indessen bei diesen ergibt sich eine solche Ansicht daraus, daß sie die Herrscher des Seienden wechseln lassen; denn diejenigen von ihnen, welche Dichtung und Wissenschaft verbinden und nicht alles mythisch behandeln, wie Pherekydes und einige andere, setzen das erste Erzeugende als Bestes, und ebenso die Magi-
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er, und von den späteren Weisen z. B. Empedokles und Anaxagoras, indem der eine die Freundschaft als ein Element, der andere die Vernunft als Prinzip setzt. Von denen aber, welche behaupten, daß es unbewegte Wesen gibt, erklären einige, das Eine-an-sich sei das Gute-an-sich; als Wesen desselben jedoch sahen sie vorzugsweise das Eine an. (c) Die Schwierigkeit liegt also in der Frage, für welche von den beiden Ansichten man sich zu erklären habe. Verwunderlich wäre es, wenn dem ersten, ewigen, selbstgenügsamen Wesen dies Erste selbst, die Selbstgenügsamkeit und die Ewigkeit, nicht als ein Gut zukäme. Aber es kann ja aus keinem anderen Grunde unvergänglich sein oder selbstgenügsam, als weil es sich gut verhält. Die Behauptung also, daß das Prinzip so beschaffen sei, möchte wohl in der Wahrheit begründet sein. (d) Aber daß dies Prinzip das Eine sei, oder, wenn dies nicht, doch ein Element und ein Element der Zahlen, das ist unmöglich; (1.) denn daraus ergibt sich vielfache Schwierigkeit – welche zu vermeiden einige diese Ansicht ganz aufgegeben haben, diejenigen nämlich, welche das Eine als erstes Prinzip und als Element anerkennen, aber nur von der mathematischen Zahl; denn alle Einheiten werden dann etwas Gutes-an-sich, und es ergibt sich eine große Fülle von Gütern. Ferner, wenn die Ideen Zahlen sind, so sind die Ideen alle etwas Gutes-an-sich. Man setze nun Ideen, wovon man will: setzt man Ideen nur von dem Guten, so werden die Ideen nicht Wesen sein; setzt man aber auch Ideen von den Wesen, so werden alle Lebewesen und alle Pflanzen und was an ihnen teilhat, Gutes sein. (2.) Einerseits also ergeben sich diese Unmöglichkeiten; andererseits muß das entgegengesetzte Element, mag man dafür Menge oder das Ungleiche und Große und Kleine ansehen, das Böse-an-sich sein. (3.) Darum vermied es der eine, das Gute mit dem Einen zu verbinden, indem sich daraus, da ja das Entstehen aus Entgegengesetztem hervorgeht, notwendig ergeben müßte, daß das Böse das Wesen der Menge sei; andere aber bezeichnen das Ungleiche als das Wesen des Bösen. (4.) Daraus ergibt sich denn, daß alles Seiende am Bösen teilhat, mit Ausnahme des Einen allein, und daß die Zahlen am Ungemischten einen
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volleren Anteil haben als die Raumgrößen, und daß das Böse der Raum des Guten ist, und daß es an dem teilhat und nach dem strebt, was ihm selbst Vernichtung bringt; denn das Entgegengesetzte bringt ja einander Vernichtung. Und wenn es wahr ist, was wir aussprachen, daß der Stoff das ist, was dem Vermögen (Möglichkeit) nach ein jedes Einzelne ist, z. B. der Stoff des wirklichen Feuers das, was dem Vermögen nach Feuer ist, so würde das Böse selbst dem Vermögen (Möglichkeit) nach Gute sein. (5.) In alle diese Folgerungen nun geraten sie, teils weil sie jedes Prinzip als Element setzen, teils weil sie die Zahlen zu ersten abtrennbaren Wesen und Ideen machen. 5. (a) Wenn es also gleich unmöglich ist, das Gute nicht in die Prinzipien zu setzen, und es auf die angeführte Weise zu setzen, so ist offenbar, daß man bei dieser Ansicht die Prinzipien und die ersten Wesen nicht richtig angibt. (b) Falsch ist auch die Ansicht, nach der man die Prinzipien des Alls mit dem Prinzip der Tiere und Pflanzen vergleicht und dann behauptet, weil hier aus Unbestimmtem und Unvollkommenem das Vollkommenere hervorgeht, deshalb verhalte es sich auch bei den ersten Wesen ebenso, so daß das Eine-an-sich nicht einmal etwas Seiendes sei. Denn es sind ja auch hier, bei Lebewesen und Pflanzen, die Prinzipien, aus denen dies hervorgeht, vollkommen. Denn der Mensch erzeugt den Menschen, und nicht der Same ist das Erste. (c) Unstatthaft ist es aber auch, zugleich mit den mathematischen Körpern den Raum entstehen zu lassen; denn der Raum ist den Einzeldingen eigentümlich, und darum sind diese dem Raume nach abtrennbar, die mathematischen Dinge aber sind nicht irgendwo. Und ebenso unstatthaft ist es zu behaupten, daß die mathematischen Dinge irgendwo seien, ohne zu erklären, was der Raum ist. (d) Es hätten aber diejenigen, welche behaupten, daß das Seiende aus Elementen bestehe und daß die Zahlen das erste unter dem Seienden seien, zuerst unterscheiden sollen, auf welche verschiedene Weisen eines aus dem anderen entstehe, und sodann erklären sollen, auf welche Weise die Zahl aus den Prinzipien hervorgehe. (1.) Etwa durch Mischung? Aber
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nicht alles ist mischbar, das aus der Mischung Entstehende ist von seinen Elementen verschieden, und das Eine würde dann nicht ein abtrennbares, verschiedenes Wesen sein, wie sie doch wollen. Also wohl vielmehr durch Zusammensetzung wie die Silbe? Aber da muß ja schon eine Stellung vorausgesetzt werden, und man würde das Eine und die Vielheit im Denken getrennt denken. Die Zahl würde also dies sein: Einheit und Vielheit oder Eines und Ungleiches. (2.) Und da das „Sein aus etwas“ teils bedeutet Sein als aus immanenten Elementen, teils nicht, auf welche von diesen beiden Weisen entsteht die Zahl? Denn aus etwas als aus seinen immanenten Elementen ist nur dasjenige, bei dem ein Entstehen stattfindet. (3.) Oder ist es vielmehr wie aus einem Samen? Aber es ist ja nicht möglich, daß von dem Unteilbaren etwas abgehe. (4.) Oder aber als aus seinem bei der Entstehung nicht verharrenden Gegenteil? Aber alles, was auf solche Weise entsteht, das entsteht zugleich auch aus etwas anderem, welches beharrt. Da man nun das Eine zum Teil als Gegensatz der Vielheit aufstellt, zum Teil als Gegensatz des Ungleichen, wobei man dann das Eine als Gleiches ansieht, so entsteht hiernach die Zahl aus Entgegengesetztem. Folglich müßte es etwas anderes geben, aus welchem als dem beharrenden und davon verschiedenen Zugrundeliegenden die Zahl wäre und entstanden wäre. (5.) Ferner aber, wie kommt es denn, daß während alles andere, was aus Entgegengesetztem entsteht oder ein Entgegengesetztes hat, vernichtet wird, auch wenn es aus dem ganzen Entgegengesetzten besteht, bei der Zahl dies nicht stattfindet? Denn hierüber erklärt man sich nicht. Und doch vernichtet ja der Gegensatz, mag er immanent sein oder nicht immanent, wie z. B. der Streit, die Mischung. Freilich sollte er nicht, da er ja nicht jener entgegengesetzt ist. (e) Es ist aber auch nicht bestimmt, in welcher von den beiden Bedeutungen die Zahlen Ursache der Wesen und des Seins sind, ob als Grenzen, wie die Punkte von den Raumgrößen, und wie Eurytos bestimmte, welches die Zahl von etwas sei. z. B. dies die Zahl des Menschen, dies die des Pferdes, indem er wie diejenigen, welche die Zahlen in die Gestalten vom Dreieck und Viereck
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stellen, so mit Rechenpfennigen Gestalten denen der Pflanzen ähnlich bildete, oder ob darum die Zahlen Ursachen des Seins sind, weil die Harmonie ein Verhältnis von Zahlen ist, und in ähnlicher Weise Mensch und jedes Einzelne von dem übrigen? Wie sollen dann aber die Affektionen Zahlen sein: das Weiße, das Süße und das Warme? Daß aber die Zahlen nicht Wesen sind noch auch Ursache der Form, ist offenbar; denn das Verhältnis ist das Wesen, die Zahl aber ist Stoff. Denn von Fleisch oder Knochen ist das Wesen Zahl in diesem Sinne, daß drei Teile Feuer sind, zwei Teile Erde, und immer ist die Zahl, welche es auch sein möge, Zahl von etwas, sei dies Feuer oder Erde oder Einheit. Das Wesen aber besteht darin, daß in der Mischung ein bestimmtes Quantum zu einem bestimmten Quantum hinzukommt; dies ist aber nicht mehr Zahl, sondern Verhältnis der Mischung von körperlichen oder irgend welcherlei anderen Zahlen. Weder als hervorbringend also ist die Zahl Ursache, sei es die Zahl überhaupt oder die einheitliche, noch als Stoff noch als Begriff und Formbestimmung der Dinge. Aber auch nicht als Zweck.
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6. (a) Man könnte die Frage aufwerfen, was denn das Gute sei, das von den Zahlen dadurch herkommen soll, daß die Mischung in einer Zahl geschehe, sei es in einer teilbaren oder in einer ungeraden. Denn es ist ja doch in Wirklichkeit das Honigwasser keineswegs gesünder, wenn es zu dreimal drei gemischt ist, vielmehr ist es heilsamer, wenn es ohne bestimmtes Zahlenverhältnis wässerig, als wenn es in bestimmter Zahl gemischt, aber stark ist. Ferner bestehen die Verhältnisse der Mischungen in Hinzufügung von Zahlen, nicht aber in Vervielfältigung, z. B. drei zu zwei, aber nicht dreimal zwei. Denn bei Vervielfältigungen muß ja die Gattung dieselbe sein. Daher muß die Reihe ABC durch A und die Reihe D E F durch F gemessen werden, mithin alles durch dasselbe. Also kann nicht die Reihe des Feuers B C E F, und die Zahl des Wassers zweimal drei sein. (b) Wenn aber notwendig alles an der Zahl teilhaben muß, so muß sich auch notwendig ergeben, daß vieles identisch und die Zahl dieselbe ist für dies und für ein anderes.
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Ist nun also dies die Ursache und ist dadurch die Sache, oder zeigt sich das nicht? Z. B. gibt es eine Zahl der Sonnenkreise und wieder eine der Mondkreise und so eine Zahl des Lebens und des Alters eines jeden Lebewesens. Was hindert nun, daß einige dieser Zahlen Quadratzahlen sind, andere Kubikzahlen, und teils gleich, teils das Doppelte? Nichts hindert dies, vielmehr ist es notwendig, daß man sich in diesem herumbewege, wenn es ja ihre Ansicht war, daß alles an den Zahlen teilhabe und das Verschiedene unter dieselbe Zahl fallen könne. Daher würde manches, dem dieselbe Zahl zukommt, deshalb, weil es dieselbe Zahlbestimmung hat, einander identisch sein; z. B. Sonne und Mond würden dasselbe sein. Aber inwiefern ist dies Ursache? Sieben sind der Vokale, sieben Saiten bilden die Harmonien, sieben Pleiaden gibt es, mit sieben Jahren wechseln die Lebewesen ihre Zähne (einige nämlich, andere aber nicht), sieben sind der Kämpfer gegen Theben. Ist nun also diese bestimmte Beschaffenheit der Zahl die Ursache davon, daß jener Kämpfer sieben wurden, oder daß die Pleiaden aus sieben Sternen bestehen? Oder rührt nicht vielmehr jene Zahl von der Zahl der Tore (Thebens) oder von irgendeiner anderen Ursache her? In diesen aber zählen wir gerade sieben Sterne, wie wir beim Bären zwölf, andere aber mehr Sterne zählen. So nennt man ja auch X Y Z Einklänge, und weil der Einklänge drei sind, darum seien auch dieser drei; daß es aber noch tausend dergleichen geben könnte, darum kümmert man sich nicht; denn es könnte ja für GR ein Zeichen vorhanden sein. Sind sie es aber darum, weil ein jeder von ihnen und kein anderer weiter das Doppelte der übrigen Konsonanten ist (wovon der Grund darin liegt, daß drei Sprachstellen vorhanden sind, und an jeder ein S nachgesetzt wird): so sind deshalb nur drei, aber nicht, weil der Einklänge drei sind; denn Einklänge gibt es noch mehr, hier aber kann es nicht mehr geben. Die Anhänger solcher Ansichten sind den alten Erklärern Homers ähnlich, die kleine Ähnlichkeiten sehen, große aber übersehen. Manche stellen noch viel anderes der Art auf: z. B. von den mittleren Saiten habe die eine neun, die andere acht Teile, und ebenso der epische Vers siebzehn Silben in gleicher An-
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zahl mit diesen; er schreitet aber in seinem rechten Teil mit neun, in seinem linken mit acht Silben. Und die Entfernung in dem Alphabet von A bis zum Z ist ebensogroß wie auf der Flöte vom tiefsten zum höchsten Ton, und diese Zahl ist der des Himmelsganzen gleich. (c) Derartiges bei den ewigen Dingen zu behaupten oder aufzufinden, ist für niemand schwer, wie man sieht, da es schon bei den vergänglichen der Fall ist. Aber die in den Zahlen befindlichen gepriesenen Wesen und das diesen Entgegengesetzte und überhaupt die Gegenstände der Mathematik, wie einige sie auffassen und zu Ursachen der Natur machen, scheinen einem bei einer solchen Betrachtung ganz verlorenzugehen; denn nach keiner der über die Prinzipien festgestellten Weisen ist irgend etwas unter ihnen eine Ursache. Nach ihrer Darstellung freilich ist es offenbar, daß das Gute vorhanden ist und daß der Reihe des Schönen das Ungerade, das Geradlinige, das Quadratische und die Potenzen einiger Zahlen angehören. Zugleich sind ja die Jahreszeiten und eine Zahl von bestimmter Beschaffenheit, und so hat denn auch alles andere, was sie aus den mathematischen Lehrsätzen ableiten, diese Bedeutung. Es ist daher bloßen Zufälligkeiten gleich zu achten. Es sind nämlich zwar Akzidenzien, jedoch verhalten sich alle eigentümlich gegeneinander; ihre Einheit aber beruht in der Analogie. Denn in jeder Kategorie des Seienden gibt es Analoges: wie das Gerade in der Länge, so in der Breite etwa das Ebene, in der Zahl das Ungerade, in der Farbe das Weiße. Ferner sind die Idealzahlen nicht der Grund der Harmonien und derartiger Dinge; denn bei jenen unterscheiden sich die gleichen voneinander der Art nach, da ja auch die Einheiten verschieden sind. Man hat also aus diesem Grunde wenigstens nicht Ideen aufzustellen. Diese Folgerungen also ergeben sich aus der Zahlenlehre, und es ließen sich deren auch noch mehr zusammenbringen. Daß man aber so viele Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer Entstehung findet und die Sache auf keine Weise durchführen kann, scheint ein Beweis dafür zu sein, daß die mathematischen Dinge nicht, wie einige behaupten, von den sinnlichen abtrennbar selbständig, und daß dies nicht die Prinzipien sind.
Zu diesem Band
Dieser Band enthält die deutsche Übersetzung der Metaphysik, die als zweisprachige Studienausgabe in den Bänden 307 und 308 der Philosophischen Bibliothek vorliegt. Die 1890 erschienene Übersetzung von Hermann Bonitz wurde 1978 von Horst Seidl grundlegend überarbeitet, stilistisch an den heutigen Sprachgebrauch angepasst und an einigen Stellen enger an den griechischen Text angeglichen. Unserer Ausgabe liegt die wiederum durchgesehene 3. Auflage von 1989 zugrunde. Runde Klammern ( ) bezeichnen Zusätze des Übersetzers, Anführungszeichen ebenso wie die Hervorhebung von Zitaten sind Stilmittel der Übersetzung. Um ein leichtes und schnelles Auffinden gesuchter Textstellen zu ermöglichen, wird am Seitenrand die Paginierung der Gesamtausgabe der überlieferten Werke Aristoteles’ von Immanuel Bekker (Berlin 1831–1870) mitgeführt, nach der üblicherweise zitiert wird.
ARISTOTELES
PHILOSOPHISCHE SCHRIFTEN in sechs Bänden
Band 6
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
ARISTOTELES
Physik Vorlesung über Natur Übersetzt von hans günter zekl
Über die Seele Übersetzt von klaus corcilius
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 726
Bibliographische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet abrufbar über http://portal.dnb.de. ISBN gesamt print: 978-3-7873-3550-3 ISBN einzeln print: 978-3-7873-3601-2 ISBN gesamt eBook: 978-3-7873-3594-7 ISBN einzeln eBook: 978-3-7873-3607-4
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INHALT
Physik
1. Buch 9 2. Buch 35 3. Buch 61 4. Buch 87 5. Buch 135 6. Buch 159 7. Buch 191 8. Buch 211
Über die Seele
1. Buch 265 2. Buch 291 3. Buch 325
Zu diesem Band 355
ARISTOTELES Physik
BUCH I Erstes Buch
1. Da Wissen und Verstehen bei allen Sachgebieten, in denen es Grund-Sätze oder Ursachen oder Grundbausteine gibt, daraus entsteht, daß man eben diese kennen lernt – denn wir sind überzeugt, dann einen jeden Gegenstand zu erkennen, wenn wir seine ersten Ursachen zur Kenntnis gebracht haben und seine ersten Anfänge und (seinen Bestand) bis hin zu den Grundbausteinen –, deshalb ist klar: Auch bei der Wissenschaft von der Natur muß der Versuch gemacht werden, zunächst über die Grundsätze Bestimmungen zu treffen. Es ergibt sich damit der Weg von dem uns Bekannteren und Klareren zu dem in Wirklichkeit Klareren und Bekannteren. – Denn was uns bekannter ist und was an sich, ist nicht dasselbe. – Deshalb muß also auf diese Weise vorgegangen werden: Von dem der Natur nach Undeutlicheren uns aber Klareren hin zu dem, was der Natur nach klarer und bekannter ist. Uns ist aber zu allererst klar und durchsichtig das mehr Vermengte. Später erst werden aus diesem bekannt die Grundbausteine und die Grund-Sätze, wenn man es auseinandernimmt. Deswegen muß der Weg von den Ganzheiten zu den Einzelheiten führen. Denn nach der Sinneswahrnehmung ist immer das Ganze bekannter, Ganzheit bedeutet aber doch so ein Ganzes; denn die allgemeine Ganzheit umfaßt viele Einzelmomente als ihre Teile. – Ganz ähnlich geht es ja doch auch den Wörtern im Vergleich zur Begriffserklärung: Sie sagen unbestimmt ein Ganzes aus, z. B. »Kreis«, die Bestimmung des Kreises nimmt ihn dann in seine einzelnen Bestandsstücke auseinander. So machen es ja auch die Kinder: Anfangs reden sie jeden Mann mit »Vater« an und mit »Mutter« jede Frau, später unterscheiden sie hier ein jedes genauer.
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2. Notwendigerweise muß nun der Anfangsgrund entweder einer sein, oder es gibt mehrere; und wenn es einer ist, so nimmt er entweder Veränderung nicht an sich, wie Parmenides und Melissos sagen, oder er nimmt sie an sich, so lehren die Naturphilosophen, wobei die einen sagen, (dieser erste Grund) sei Luft, die anderen, es sei Wasser. Wenn es nun mehrere sind, muß ihre Anzahl entweder begrenzt oder unbegrenzt sein; und wenn sie begrenzt sind, aber mehr als einer, dann müssen es entweder zwei oder drei oder vier oder irgendeine bestimmte Anzahl sein; und wenn sie unbegrenzt sind, so sind sie entweder, wie Demokrit lehrt, der Gattung nach eins, nur in der Gestalt 〈unterschieden〉, oder sie sind auch der (begrifflichen) Art nach unterschieden, ja entgegengesetzt. Ganz ähnlich verfahren auch die, welche untersuchen, wieviel Seiendes es gibt: Sie suchen nämlich die ersten Bestandsstücke der vorhandenen Dinge auf und fragen dann, ob das eines ist oder viele, und wenn viele, ob eine begrenzte oder unbegrenzte Anzahl. Also auch sie tun nichts anderes: bei den anfänglichen Bausteinen fragen sie nach Ein- oder Mehrzahl. Die Untersuchung, ob das Seiende eines und unwandelbar ist, ist keine Untersuchung im Bereich der Naturforschung. Wie ja auch der Geometer demjenigen keine Erklärungen mehr geben kann, der seine Grund-Sätze aufhebt, sondern dies entweder Sache einer anderen Wissenschaft ist oder einer Allgemeinwissenschaft, nicht anders verhält es sich bei der Frage nach den Anfängen: Es gibt nämlich gar keinen Anfang mehr, wenn nur eins und in diesem Sinne eines da ist. Denn »Anfang« ist immer Anfang »von etwas«, einem oder mehrerem. Die Untersuchung also, ob in diesem Sinne eines ist, gleicht dem Versuch, gegen eine x-beliebige These zu argumentieren von der Sorte, was nur um der bloßen Behauptung willen gesagt wird – z. B. die Heraklitische These, oder wenn jemand behaupten wollte, das Seiende sei ein Mensch –, oder dem Versuch, eine eristische Argumentation aufzuklären; – was denn auch beide diese Erklärungen an sich haben, sowohl die des Melissos wie die des Parmenides: Sie machen erstens falsche Annahmen und sind zweitens in sich nicht schlüssig.
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Dabei ist die des Melissos besonders billig und enthält gar keine wirkliche Schwierigkeit, sondern wenn nur eine einzige Ungereimtheit zugegeben wird, so folgt daraus der Rest. Das ist nun wirklich nichts Schwieriges. Für uns dagegen soll die Grundannahme sein: Die natürlichen Gegenstände unterliegen entweder alle oder zum Teil dem Wechsel. Das ist klar, wenn man von der Einzelerscheinung ausgeht. Außerdem ist es auch nicht sinnvoll, alles aufklären zu wollen, sondern nur bei solchen Fehlern, die jemand von Grundsätzen aus herleitend macht; wo das nicht so ist, dort ist es nicht sinnvoll; z. B. die Kreisquadratur mittels der Schnitte – diesen Versuch zu diskutieren, ist Aufgabe eines Geometers, für den Versuch Antiphons aber gilt das nicht. Indessen, da sie zwar nicht über Natur handeln, es ihnen aber doch geschieht, für die Naturwissenschaft kennzeichnende Schwierigkeiten auszusprechen, so mag es wohl erlaubt sein, sich kurz in eine Auseinandersetzung über sie einzulassen. Denn diese Untersuchung hat es zu tun mit Philosophie. Die angemessenste Anfangsfrage von allen, da der Ausdruck »seiend« nun einmal in vielen Bedeutungen gebraucht wird, ist: In welchem Sinn verwenden ihn diejenigen, die die Gesamtheit des Seienden für eins erklären? Meinen sie mit dieser Gesamtheit ein Ding oder So-und-so-vieles oder Sound-so-beschaffenes? Und noch einmal: Meinen sie mit dieser Gesamtheit ein einziges Ding, so wie man von einem Menschen, einem Pferd oder einer Seele sprechen kann, oder soll dies eine bestimmte Eigenschaft sein, wie »weiß«, »warm« oder anderes derart? Das alles unterscheidet sich doch sehr, ja man kann gar nicht sagen, wie sehr. Wenn sie sowohl Ding als auch irgendwie-beschaffen und irgendwie-viel ist, und dies entweder unabhängig von einander oder nicht, so wäre das Seiende eine Vielheit. Wenn aber diese Gesamtheit ein »irgendwie-beschaffen« oder »irgendwie-viel« ist, einerlei ob es nun ein Ding wäre oder nicht, dann ist das seltsam – wenn man denn das Unmögliche »seltsam« nennen darf. Denn keine der übrigen Bestimmungen, außer dem Ding, kann für sich
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vorkommen: alle anderen werden doch nur von dem Ding als ihrer Grundlage ausgesagt. Melissos behauptet, das Seiende sei unbegrenzt; dann wäre das Seiende etwas So-und-so-vieles, denn (der Begriff) »unbegrenzt« findet sich innerhalb des (Bereichs) »irgendwieviel«. Daß aber ein Ding oder etwas So-und-so-beschaffenes oder ein Vorgang unbegrenzt wäre, ist nicht möglich, außer nur in dem beiläufigen Nebensinn, wenn sie zugleich auch irgendetwas So-und-so-vieles wären. Die Begriffserklärung von »unbegrenzt« benutzt jedenfalls den Begriff von »so-und-soviel«, nicht jedoch den von »Ding« und »so-und-so-beschaffen«. Wenn also dieses Seiende sowohl ein Ding als auch ein So-und-soviel wäre, so wäre es nicht mehr eines, sondern es wären schon zwei. Wäre es aber nur Ding, dann kann es nicht unbegrenzt sein, und es kann dann auch keine Größe besitzen, denn dann wäre es schon wieder ein So-und-so-viel. Weiter, da auch der Begriff »eins« in mehrfacher Bedeutung ausgesagt wird, wie »seiend« auch, so ist zu prüfen, in welcher Bedeutung denn der Ausdruck »eines (ist) das Ganze« aufzufassen ist. »Eins« läßt sich nun sagen entweder von Zusammenhängendem oder von dem Nicht-Auseinandernehmbaren oder von (Gegenständen), deren Begriffserklärung eine und dieselbe ist, z. B. bei »Rebensaft« und »Wein«. – Sollte es im Sinne von Zusammenhang gemeint sein, so wird das Eine zu einer Vielheit; denn das Zusammenhängende ist ins Unendliche teilbar. – Es gibt auch noch eine Schwierigkeit bezüglich des Verhältnisses von Teil und Ganzem, – vielleicht gehört sie nicht zu dieser Untersuchung, aber sie besteht an und für sich: Sind Teil und Ganzes eins oder mehreres? Und wie können sie diese Einzahl oder Mehrzahl sein? Und wenn sie eine Mehrzahl sind, wie können sie diese Mehrzahl sein? Und (ebenso gilt das) von nicht zusammenhängenden Teilen. Und wenn ein jeder einzelne Teil als unabtrennbar dem Ganzen zugehört, dann müßte dies ja auch für die Teile untereinander gelten. (Sollte es) andrerseits (gemeint sein) im Sinne von Nichtauseinandernehmbarkeit, so wird das Seiende nichts als so-undsoviel oder so-und-so-beschaffen Bestimmbares, und somit ist
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es auch nicht unbegrenzt, wie Melissos doch sagt, und andrerseits auch nicht begrenzt, wie Parmenides (will). Denn es ist die Grenze, die nicht weiter zu teilen ist, nicht das Begrenzte. Andrerseits, wäre alles Seiende dem Begriffe nach eines, wie z. B. »Kleid« und »Gewand«, so geschieht es ihnen, den Satz des Heraklit zu sagen: dann wird »gutsein« und »schlechtsein« das Gleiche, und »gutsein« mit »nicht-gutsein«, – so daß dann dasselbe würden »gut« und »nicht-gut«, »Mensch« und »Pferd«, und die Untersuchung dann nicht mehr um das Einssein des Seienden ginge, sondern um das Nichtssein –, und ebenso würden »so-beschaffen-sein« und »so-viel-sein« dasselbe. Die Nachfahren dieser Alten waren voller Sorge, daß es ihnen nicht geschehe, daß ein und derselbe Gegenstand zugleich eines und vieles würde. Deshalb schlossen die einen den Gebrauch des Wortes »ist« aus, wie z. B. Lykophron, die anderen formten die Ausdrucksweise um und sagten dann nicht mehr »der Mensch ist weiß«, sondern »er weißt«, und nicht mehr »er ist unterwegs«, sondern »er wegt«, – und das alles, damit es ihnen nicht geschehen sollte, indem sie ein »ist« setzten, aus Einem Vieles zu machen, – in der Annahme, daß die Begriffe »eins« und »seiend« nur eine Bedeutung hätten. Das Seiende ist aber eine Vielfalt, und zwar entweder dem Begriffe nach – z.B. »Weißsein« und »Gebildetsein« sind unterschieden, dennoch kann ein und derselbe Gegenstand beides sein; so ist das Eine auch Vieles –, oder der Teilung nach, wie z.B. das Ganze und seine Teile. An dem Punkt wußten sie nicht weiter und gaben schließlich zu, daß das Eine Vieles sei, – als ob es nicht möglich wäre, daß ein und dasselbe Ding sehr wohl eins und vieles ist, nur nicht Widersprechendes gleichzeitig. Denn die Einheitsbestimmung tritt auf sowohl in der Weise der Möglichkeit wie der Wirklichkeit. 3. Wenn man auf diese Weise herangeht, erscheint die Behauptung unmöglich, das Seiende sei eines. Und die Beweismittel, deren sie sich bedienen, aufzulösen, ist nicht schwer: Beide ziehen ihre Schlüsse auf eristische Weise, sowohl Melissos wie Parmenides [sie machen erstens falsche Annahmen, und
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zweitens sind ihre Darlegungen nicht schlüssig. Dabei ist die des Melissos besonders billig und enthält gar keine wirkliche Schwierigkeit, sondern wenn nur eine einzige Ungereimtheit zugegeben wird, so folgt daraus der Rest. Das ist nun wirklich nichts Schwieriges]. Daß Melissos falsch schließt, ist klar, glaubt er doch folgende Annahme machen zu dürfen: Wenn alles Gewordene einen Anfang hat, so hat das Nicht-Gewordene keinen! Sodann ist auch dieses unverständlich: Von allem soll es einen Anfang geben, von jedem Ding, – von der Zeit aber nicht; und beim Werden nicht nur vom absoluten Entstehen, sondern auch von der Eigenschaftsveränderung, – als ob es nicht in zahlreichen Fällen den plötzlichen Umschlag gäbe! Dann: Weswegen soll es unbewegt sein, wenn es eins ist? So bewegt sich doch auch eine einheitliche Teil-Menge, z.B. dies Wasser hier, in sich selbst; warum soll dies das All nicht können? Dann: Warum soll es an ihm nicht Eigenschaftsveränderung geben können? Aber es ist ja auch nicht möglich, daß es der Art nach eines ist, außer wenn man nur den Stoff ansieht – in diesem Sinne behaupten auch einige der Naturdenker eine Einheitlichkeit des Alls, in dem anderen aber nicht –; »Mensch« ist doch von »Pferd« der Art nach verschieden, und einander entgegengesetzte Dinge auch. Auch gegen Parmenides kann man dieselben Überlegungen vorbringen, und noch andere besondere dazu. Auch hier liegt die Auflösung einerseits darin, daß die Annahme falsch ist, andrerseits, daß das Vorgehen nicht schlüssig ist: Im Irrtum ist er damit, daß er annimmt, »seiend« habe einen einfachen Sprachgebrauch, wo es doch in vielen Bedeutungen angesprochen wird. Einen falschen Schluß zieht er damit: Nähme man einmal allein die als »weiß« bestimmten Gegenstände heraus, dann würden, wenn »weiß« eine einzige Bedeutung hätte, diese weißen Dinge durchaus nicht weniger viele und schon gar nicht eins. Denn weder durch beständigen Zusammenhang wird das Weiße hier eins werden noch dem Begriffe nach: »Weiß-sein« (als Begriff) und »als Gegenstand »weiß« an sich haben« ist immer noch zu unterscheiden. Und es wird neben
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dem, was da weiß ist, nichts Für-sich-Bestehendes geben; denn »weiß« und »weißer Gegenstand« sind nicht als Für-sich-Bestehende, sondern der Seinsart nach voneinander unterschieden. Aber dies konnte Parmenides noch nicht sehen. Notwendig geriet er also auf die Annahme, der Ausdruck »seiend« habe nicht nur eine einzige Bedeutung und übertrage sie auf alles, wovon er ausgesagt wird, sondern er mache dies zum Begriff von »seiend« und »eins«. Denn das nebenbei Zutreffende wird von etwas Bestehendem ausgesagt, so daß dasjenige, dem die Bestimmung »seiend« nur nebenbei zutrifft, nicht sein wird – denn es war doch von »seiend« verschieden! Dann müßte also sein etwas, das nicht ist! Der Begriff »seiend« kann also nicht an etwas Anderem bloß vorgefunden werden; denn »Sein« selbst kann doch nicht ein einzelnes Seiendes sein, oder »seiend« müßte eben doch viele Bedeutungen haben, so daß ein jedes Einzelne sein kann. Nun war aber doch die Grundannahme: »seiend« hat eine Bedeutung. Wenn nun also der Begriff »seiend« keinem Anderen zukommt, sondern umgekehrt 〈alles Andere〉 ihm, wieso bezeichnet dann der Begriff »seiend« mehr das Seiende als Nichtseiendes? Wenn nämlich einmal der Begriff »seiend« auch weiß sein soll, das »weißsein« aber nicht wirklich seiend ist – denn die Bestimmung »seiend« kann ihm ja nicht zutreffen: nichts ist seiend, was nicht dieser Begriff »seiend« ist –, so ist das Moment »weiß« also nichtseiend; aber nicht in dem Sinne wie »etwas Nichtseiendes«, sondern »überhaupt nichtseiend«. Dann kommt also heraus: Der Begriff »seiend« ist nichtseiend; denn es war ja als wahrer Satz von ihm angenommen, er sei »weiß«, dieses »weiß« aber bedeutete »nichtseiend«. Also wird »weiß« auch noch den Begriff »seiend« bedeuten müssen. Somit hat also »seiend« doch mehrere Bedeutungen. – Und auch eine Größe wird dieses Seiende nicht haben können, wenn »seiend« immer den Begriff »seiend« meint; denn für jeden seiner Teile wäre sein Sein ein verschiedenes. Daß aber diese Bestimmung »seiend« in noch anderes in Form der Bestimmung Seiendes auseinanderfällt, ist auch dem Begriff nach klar: Z.B. wenn »Mensch« ein solcher für
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sich seiender Begriff ist, dann müssen notwendig auch »Lebewesen« und »zweifüßig« solche an sich seienden Begriffe sein. Wenn sie nämlich ein Ansichseiendes nicht wären, so werden sie zu bloßen Zusatzbestimmungen; und dann kommen sie entweder dem Menschen zu oder irgend einem anderen Gegenstand. Aber das ist unmöglich: »Nebenbei zutreffend« ist doch so bestimmt: Entweder etwas, das beliebig an einem Gegenstand zutreffen kann oder auch nicht, oder solches, in dessen Begriff das, dem es nebenbei zutrifft, schon vorhanden ist [oder solches, in dem der Begriff dessen, dem es zutrifft, schon vorhanden ist], – z.B. die Bestimmung »sitzen« besteht als unabhängig für sich, hingegen in der Bestimmung »stupsnasig« ist enthalten der Begriff der Nase, von der man sagt, daß diese Stupsnäsigkeit nebenbei auf sie zutrifft. Weiter, was an Stücken in der bestimmenden Begriffserklärung enthalten ist oder woraus sie besteht, in deren Begriff ist nicht enthalten der Begriff des Ganzen, z.B. in »zweifüßig« nicht die Bestimmung »Mensch«, und in »weiß« nicht die Bestimmung »weißer Mensch«. Wenn sich das nun so verhalten sollte und dem Menschen die Eigenschaft der Zweifüßigkeit nur nebenbei zuträfe, dann müßte notwendigerweise diese Bestimmung von ihm abtrennbar sein, so daß es möglich würde, daß »Mensch« auch einmal »nicht zweifüßig« wäre, – oder es müßte andrerseits in dem Begriff von »zweifüßig« der Begriff von »Mensch« schon enthalten sein. Aber das war ja unmöglich: es verhielt sich doch umgekehrt. Wenn aber die Bestimmungen »zweifüßig« und »Lebewesen« einem Anderen nebenbei zutreffen und beide nicht ein an sich Seiendes sind, dann würde auch die Bestimmung »Mensch« zu etwas, was an einem Anderen nur nebenbei vorkommt. Aber das an sich Seiende soll doch bei nichts nur nebenbei vorkommen; und das, wovon sie beide zusammen oder einzeln ausgesagt werden, soll »das aus ihnen Gebildete« genannt werden. Soll also das All aus nicht-auseinandernehmbaren (Stücken) bestehen? Einige haben den beiden Überlegungen Zugeständnisse gemacht, dem Satz »alles ist Eins«, wenn »seiend« eine einzi-
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ge Bedeutung hat, gaben sie zu, daß »nichtseiend« (doch) ist, der Beweiskette mit der Zweiteilung gaben sie nach, indem sie unteilbare Größen ansetzten. Es ist aber klar, daß folgender Schluß nicht richtig ist: »Wenn ›seiend‹ eine einzige Bedeutung hat und nicht zugleich auch das Gegenteil davon bedeuten kann, dann wird es nichts Nichtseiendes geben«; denn es steht der Annahme nichts entgegen, daß »nichtseiend« zwar nicht schlechthin existiert, wohl aber als bestimmtes einzelnes Nichtseiendes. Die Behauptung also, wenn es neben dem Seienden selbst nichts anderes gebe, dann müsse alles eins sein, ist nicht stimmig. Denn wer begreift schon diesen Ausdruck »das Seiende selbst«, wenn er sich dabei nicht ein bestimmtes begrifflich Seiendes vorstellt? Ist das so, dann besteht nun wirklich kein Hinderungsgrund dafür, daß das Seiende eine Vielheit ist; so war es behauptet worden. Daß also in diesem Sinne das Seiende unmöglich eins sein kann, ist klar. 4. Wie andrerseits die Naturdenker (darüber) sprechen, (davon) gibt es zwei Richtungen: Die einen setzen den zugrundeliegenden Körper als einen an, entweder einen von den drei (Grundstoffen) oder einen anderen, der dichter als Feuer, aber weniger dicht als Luft ist, alles übrige bringen sie hervor durch Verdichtung und Verdünnung und machen eine Vielheit daraus. – Diese beiden sind Gegensätze, allgemein gefaßt ist es: Übermaß und Mangel; so wie Platon spricht von dem Großen und dem Kleinen, nur mit dem Unterschied, daß er dies beides zum Stoff macht, die Einheit aber zur Form, wohingegen umgekehrt diese (Denker) das Eine Zugrundeliegende zum Stoff machen, die Gegensätze aber zu Unterschieden und Formen. – Die anderen lassen aus der Einheit die darin enthaltenen Gegensätze sich herausbilden, so wie es Anaximandros sagt und alle die, welche in ihrer Lehre Eins und Vieles setzen, wie Empedokles und Anaxagoras; denn auch diese lassen aus der Mischung das übrige sich herausbilden. Der Unterschied zwischen ihnen liegt nur darin, daß der eine daraus einen Umlauf macht, der andere es nur einmal ablaufen läßt, und der Letz-
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tere die Anzahl der gleichartigen Stoffe und der Gegensätze als unendlich ansetzt, der Erstere aber nur die sogenannten (vier) Grundstoffe. Anaxagoras scheint zu seiner Unendlichkeitsvermutung auf dem Wege gekommen zu sein, daß er die gemeinsame Annahme der Naturdenker für zutreffend hielt, wonach aus Nichtseiendem nichts entstehen kann – deswegen gibt es ja solche Sätze (bei ihm) wie: »Zusammen war alles« und »das Entstehen eines bestimmten Einzeldings erweist sich als Eigenschaftsveränderung«; andere nennen das dann »Vermischung« und »Entmischung« –. Sodann auf Grund (des Satzes), daß Gegensätze auseinander entstehen; dann müssen sie also vorher darin enthalten gewesen sein. Wenn doch alles Entstehende notwendig entsteht entweder aus Seiendem oder aus Nichtseiendem, davon aber die Entstehung aus Nichtseiendem unmöglich ist – in dieser Annahme sind alle, (die) über Natur (geschrieben haben) einer Meinung –, so müsse sich, meinten sie, der Rest mit Notwendigkeit ergeben, nämlich daß das Entstehen aus Seiendem, schon darin Vorhandenem erfolge, das uns allerdings auf Grund der Kleinheit der Massen mit den Sinnen unerkennbar sei. Daher kommen sie zu der Aussage, alles sei in allem gemischt, weil sie doch alles aus allem hervorgehen sahen; die Dinge erschienen allerdings als unterschiedlich und würden als verschieden von einander angesprochen auf Grund des Bestandteils, der in dieser Mischung zahlloser Stoffe wegen seiner bloßen Menge das Übergewicht besitze. In absoluter Reinheit gebe es nämlich Weißes oder Schwarzes, Süßes, Fleisch oder Knochen gar nicht, nur wovon ein jeder Gegenstand am meisten enthalte, das erscheine als die natürliche Beschaffenheit dieses Dings. Wenn nun also das Unendliche, insofern es unendlich ist, unerkennbar ist, so ist das hinsichtlich Menge oder Größe Unbegrenzte ein unerkennbares So-und-so-viel, das hinsichtlich der Form Unbestimmte ist ein unerkennbares So-und-sobeschaffen. Wären nun die Anfangsgründe unendlich, sei es der Menge, sei es der Art nach, so wäre es unmöglich, über das, was sich aus ihnen ergibt, ein Wissen zu gewinnen. Denn wir nehmen doch an, über ein Zusammengesetztes dann ein
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Wissen zu haben, wenn wir wissen, aus welchen und wievielen Bestandteilen es besteht. Weiter, wenn (Folgendes mit) Notwendigkeit (gilt): Etwas, dessen Teil nach Größe und Kleinheit von ganz beliebigen Ausmaßen sein kann, muß diese Eigenschaft auch selbst haben – ich meine hier einen von solchen Teilen, in welche als ursprünglich schon vorhandene das Ganze auseinandergenommen wird –: wenn es daher unmöglich ist, daß ein Tier oder eine Pflanze nach Größe und Kleinheit von beliebigen Ausmaßen sein kann, so ist es offenkundig, daß dies auch für keinen seiner Teile gelten kann; denn sonst verhielte sich ja das Ganze ähnlich. Fleisch, Knochen und dergleichen sind nun solche Teile eines Tiers, und Früchte die von Pflanzen. Es ist somit klar, daß Fleisch, Knochen oder anderes derart unmöglich von beliebiger Ausmessung der Größe nach sein kann, weder nach oben noch nach unten. Weiter, einmal angenommen, alles Derartige wäre von Anfang an ineinander enthalten, und es entstünde nichts wirklich, sondern es bildete sich nur das darin schon Enthaltene heraus, und es würde nach dem überwiegenden Anteil benannt, und es könnte aus jedem Beliebigen jedes Beliebige werden – z.B. aus Fleisch würde sich Wasser herausbilden und Fleisch aus Wasser –: wenn aber jeder begrenzte Körper von einem begrenzten Körper ausgeschöpft werden kann, so ist es offenkundig, daß nicht alles in allem vorhanden sein kann. Wenn man nämlich das aus dem Wasser sich bildende Fleisch wegnähme und wenn aus dem übriggebliebenen Wasser erneut weiteres durch Entmischung sich bildete – wenn dies sich Herausbildende auch immer weniger sein wird –, so wird es dennoch nach der Seite der Geringfügigkeit hin eine bestimmte Größe nicht unterschreiten. Wenn dann also entweder die entmischende Herausbildung zum Stillstand kommt, dann ist nicht alles in allem enthalten – denn in dem restlichen Wasser ist dann kein Fleisch mehr vorhanden oder wenn andrerseits kein Stillstand eintritt, sondern immer weiteres Ausschöpfen stattfindet, dann werden in einer begrenzten Größe gleichartige Anteile von begrenzter Größe, aber unbegrenzt an Men-
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ge enthalten sein. Das ist aber unmöglich. – Außerdem, wenn jeder Körper durch Wegnahme von etwas notwendig kleiner werden muß, das Wieviel aber von (z.B.) Fleisch nach Größe und Kleinheit begrenzt ist, so ist offenkundig, daß aus dem kleinsten Fleischteil sich kein Körper mehr herausbilden wird; denn der wäre ja noch kleiner als der kleinste. Weiter, in den unendlich vielen Körpern müßte auch von Anfang an schon unendlich viel Fleisch, Blut, Gehirn (u.s.w.) enthalten sein, zwar 〈nicht〉 sorgsam voneinander getrennt, doch deshalb nicht weniger vorhanden, und ein jedes in unbegrenzter Menge. Das ist aber unsinnig. Die Behauptung, daß die Entmischung nicht bis zum Ende durchgehe, ist zwar ohne Einsicht ausgesprochen, sagt dennoch Richtiges; Zustände sind nämlich nicht abtrennbar. Wenn nun Farben und Beschaffenheiten sich in Mischung befinden, und wenn die dann entmischt werden, so wird es etwas Weißes und etwas Gesundes geben, das nicht ein unterschiedenes Etwas ist, aber auch nicht nur an einem Gegenstand vorkommt. So benimmt sich dieser (Welt-)Geist sonderbar: Er versucht sich an Unmöglichem, wenn er nämlich die Entmischung zwar will, diese aber unmöglich durchzuführen ist, sowohl nach Seite des So-und-so-viel wie nach der von Sound-so-beschaffen; u. z. der Vielheit nach nicht, weil es keine kleinste Größe gibt, der Eigenschaft nach nicht, weil die Zustände nicht für sich sein können. – Nicht richtig ist es auch, wie er die Entstehung der gleichartigen Stoffe annimmt. Es gibt zwar so eine Art der Zerteilung wie Dreck zu Dreck, es gibt aber auch ganz andere; und es ist durchaus nicht die gleiche Art und Weise, wie Ziegelsteine aus einem Haus entnommen werden könnten oder ein Haus aus Ziegeln gebaut ist, und so auch Wasser und Luft auseinander bestünden und entstünden! Besser ist es, weniger und eine begrenzte Anzahl von Grundstoffen anzunehmen, wie es Empedokles tut. 5. Alle machen sie also Gegensätze zu Anfangsgründen, sowohl die, welche sagen, das All sei eins und unterliege kei-
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nem Wandel – Parmenides macht ja auch Warmes und Kaltes zu Prinzipien, er gibt diesen nur die Namen »Feuer« und »Erde« –, wie auch die, welche Lockeres und Dichtes setzen, und Demokrit, der das Volle und Leere nimmt, von denen das eine, wie er sagt, als Seiendes, das andere als Nichtseiendes vorkommt; außerdem (unterscheidet er noch) nach Lage, Gestalt, Anordnung; diese drei sind wieder Oberbegriffe von Gegensätzen: die von »Lage« sind: oben – unten, vorn – hinten; die von »Gestalt«: gewinkelt – winkellos, gerade – rund. Daß also alle die Anfänge irgendwie als Gegensätze ansetzen, ist klar. Und das aus gutem Grund: denn Anfänge dürfen weder auseinander herkommen noch aus Anderem, und umgekehrt muß aus ihnen alles herleitbar sein. Den ersten Gegensätzen kommen nun (genau) diese (Bestimmungen) zu: Wegen der Tatsache, daß sie die ersten sind, (stammen sie) nicht aus Anderem; auf Grund ihrer Gegensätzlichkeit sind sie nicht auseinander herleitbar. Aber dies muß man auch auf der Begriffsebene untersuchen, wie es denn zustandekommt. Als erstes ist aufzustellen (der Satz): Nichts unter allem, was es gibt, ist von der Art, daß es Beliebiges entweder bewirkt oder Beliebiges von Beliebigem erfährt: und es entsteht auch nicht Beliebiges aus Beliebigem, außer man nähme das im Sinn des Nebenbei-Zutreffens. Wie sollte denn aus einem »gebildet« ein »weiß« werden, wenn nicht zusätzlich dem »nicht-weiß« oder »schwarz« das »gebildet« nebenbei zuträfe? Hingegen, weiß wird etwas nur aus einem nicht-weißen Zustand, wobei hier nicht jede Bestimmung möglich ist, sondern es kommt nur in Frage »schwarz« oder ein Mittelwert (zwischen schwarz und weiß); und »gebildet« wird etwas aus »nicht-gebildet«, nur wieder nicht aus allen möglichen Zuständen, sondern aus »ungebildet« oder aus Mittelzuständen, wenn es sie hier geben sollte. Aber auch umgekehrt, nichts geht unter in das erste Beliebige; z.B. »weiß« nicht zu »gebildet«, außer vielleicht einmal nebenbei zutreffend, sondern immer nur in »nicht-weiß«, und nicht in Beliebiges, sondern in »schwarz« oder eine Mittelfarbe; ebenso verfällt »gebildet« zu »nicht-gebildet«, und auch hier nicht wieder in einen
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beliebigen Zustand, sondern in »ungebildet« oder einen etwa vorhandenen Mittelzustand. In gleicher Weise gilt das auch bei allem Übrigen, da sich auch das Nicht-Einfache, sondern Zusammengesetzte unter dem, was es gibt, nach dem gleichen Verhältnis verhält. Nur wegen der Tatsache, daß die entgegengesetzten Zustände nicht immer einen Namen haben, bleibt verborgen, daß dies geschieht. Es muß doch notwendig alles Wohlgefügte aus Ungefügtem entstehen, und umgekehrt das Ungefügte aus Gefügtem; und untergehen muß das Gefügte in eine Ungefügtheit, und dies darf nicht eine beliebige, sondern muß die entgegengesetzte sein. Und es macht hier keinen Unterschied, ob man von »Wohlgefügtheit« redet oder von »Ordnung« oder von »Zusammensetzung«; es ist klar, daß (es sich jedesmal um) das gleiche Verhältnis (handelt). Aber nun, auch so ein Ding wie »Haus«, »Standbild« und anderes derart entsteht auf die gleiche Weise: Ein Haus entsteht aus dem Vorzustand des Nicht-Zusammengesetztseins, sondern vielmehr GetrenntHerumliegens von diesem und jenem (Baustoff); ein Standbild, und überhaupt etwas formend Gestaltetes entsteht aus dem Zustand der Ungestaltetheit. Und ein jedes von diesen ist entweder Anordnung oder eine Art Zusammensetzung. Wenn dies nun alles stimmt, so kann man sagen: Jedes Entstehende entsteht und jedes Vergehende vergeht entweder aus Gegenteiligem oder zu Gegenteiligem, und in die Mittelzustände dazwischen. Nun sind aber diese Mittelzustände ihrerseits aus den Gegensätzen herleitbar, z. B. Farbschattierungen aus Weiß und Schwarz. Also: Alles natürlich Entstehende wäre entweder selbst Gegensatz oder aus Gegensätzen (herleitbar). Bis so weit sind etwa auch von den Anderen die Meisten mitgefolgt, wie wir früher sagten. Sie alle sprechen ja die Grundbausteine und die von ihnen so genannten »Anfänge«, wiewohl ohne Begriff setzend, doch als Gegensätze an, als ob sie von der Wahrheit selbst dazu gezwungen wären. Sie unterscheiden sich untereinander darin, daß die einen grundsätzlichere, die anderen nachgeordnete Gegensätze annehmen, und die einen solche, die dem Begriffe nach bekannter sind, die
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anderen der Wahrnehmung nach bekanntere, – die einen setzen Warm und Kalt, die anderen Feucht und Trocken, wieder andere Ungerade und Gerade oder Streit und Liebe als Ursachen des Werdens an; dies unterscheidet sich voneinander in der besprochenen Weise –; so daß sie irgendwie das Gleiche sagen und auch wieder Unterschiedliches: untereinander Unterschiedliches, wie es den meisten (von ihnen) ja selbst so scheint; das Gleiche aber, insofern dies alles entsprechend ist. Sie nehmen es sich ja aus der gleichen Anordnung. Die einen unter diesen Gegensätzen sind bekanntermaßen umfassend, die anderen werden umfaßt. Insoweit also reden sie sowohl gleich wie auch verschieden, und schlechter und besser auch, und die einen fassen Bekannteres nach dem Begriff, wie soeben gesagt, die anderen solches nach der Wahrnehmung – das Allgemeine ist dabei das nach dem Begriff Bekannte, das Einzelne das nach der Wahrnehmung; denn der Begriff ist auf das allgemeine Ganze gerichtet, die Wahrnehmung auf den einzelnen Teil –; z.B. das »Große-und-Kleine« ist bekannter nach dem Begriff, das Lockere und das Dichte nach der Wahrnehmung. Daß also die Anfangsgründe gegensätzlich sein müssen, ist klar. 6. Anschließend wäre darüber zu sprechen, ob es zwei oder drei oder mehr sind. Ein einziges sein kann es ja nicht, weil die Gegensätze nicht einer sind; aber auch unendlich viele nicht, weil dann das Vorhandene nicht erklärbar würde und weil es einerseits innerhalb einer jeden einheitlichen Gattung nur eine einzige Entgegensetzung gibt – »Dasein« ist aber so eine einheitliche Gattung – und andrerseits weil eine Herleitung aus einer begrenzten Anzahl möglich ist, und zwar besser aus einer begrenzten Anzahl – so Empedokles – als aus unendlich vielen; er meint ja, alles das auch leisten zu können, was Anaxagoras aus seinen unendlich vielen herleitet. Des weiteren sind einige Gegensätze grundsätzlicher als andere, und andere entstehen auseinander, z.B. süß und bitter, weiß und schwarz; die Grundanfänge dagegen müssen immer bestehen.
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Daß es also weder ein einziger ist noch unendlich viele, ist daraus klar. Indem es somit eine begrenzte Anzahl ist, so hat es einen guten Grund, nicht nur zwei anzusetzen. Man kann ja wirklich in Schwierigkeiten kommen bei der Frage, wie denn entweder die Dichte in der Verfassung sein soll, an der Dünnheit etwas zu bewirken, oder umgekehrt diese an der Dichte. Das gilt gleicherweise auch von jedem beliebigen anderen Gegensatz: Weder bringt die Liebe den Streit zusammen und macht etwas aus ihm, noch der Streit aus ihr, sondern beide zusammen bewirken ein Drittes, von ihnen Verschiedenes. Einige nehmen noch mehr Anfänge an, aus denen sie die Beschaffenheit des Seienden errichten. Außerdem könnte man auch noch an folgendem Punkt in Schwierigkeiten kommen, wenn man den Gegensätzen nicht einen von ihnen verschiedenen Naturgegenstand zugrundelegte: Wir sehen die Gegensätze bei keinem Seienden als dessen Wesen vorkommen; ein Grund-Satz darf aber nicht von etwas schon Vorliegendem ausgesagt werden, denn dann gäbe es ja einen Grund des Grundes. Das Zugrundeliegende ist doch der Anfang, und es scheint vor dem von ihm Ausgesagten zu liegen. Weiter, wir behaupten, daß ein Ding nicht einem Ding entgegengesetzt sein kann. Wie sollte dann aus Nicht-Dingen Ding (herleitbar) sein? Oder, wie sollte Nicht-Ding grundsätzlicher sein als Ding? Also: Wenn jemand die frühere Beweisführung für richtig halten will, und diese nun auch, so ist es notwendig – wenn man sie doch beide retten will –, etwas Drittes zugrunde zu legen, in dem Sinne, wie jene sprechen, die da behaupten, das Welt-Ganze sei ein einziger Naturstoff, z.B. Wasser oder Feuer oder ein Stoff, der mitten zwischen ihnen liegt. Dabei spricht mehr für dieses Mittlere; denn Feuer, Erde, Luft und Wasser sind bereits mit Gegensätzlichkeiten verflochten. Deswegen handeln nicht unvernünftig die, welche das Zugrundeliegende als verschieden von diesen ansetzen; von den übrigen die, welche Luft annehmen; denn die Luft hat unter den übrigen Grundstoffen noch am wenigsten sinnlich wahrnehmbare
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Besonderheiten. Danach käme das Wasser. Alle aber bilden dieses Eine mit Hilfe der Gegensätze zur Form, durch Dichte und Lockerheit, durch Mehr und Weniger; dies bedeutet aber, verallgemeinert, ganz klar Übermaß und Mangel, wie früher schon gesagt. Und sie scheint alt zu sein diese Lehrmeinung, daß das Eine verbunden mit Übermaß und Mangel die Anfangsgründe des Seienden sind, nur wurde sie nicht auf gleiche Art vertreten, sondern die Alten ließen die Zwei aktiv handeln, das Eine passiv erleiden, von den Späteren sagen einige, im Gegenteil, das Eine handle eher, die Zwei verhielten sich passiv. Die Behauptung also, die Grundbestandteile seien drei, scheint, wenn man sie mit Hilfe dieser und anderer derartiger Überlegungen nachprüft, einige Vernunft für sich zu haben – wie schon gesagt –, die Ansetzung von mehr als dreien aber nicht mehr. Als erleidender Gegenstand der Wirkungen reicht doch das eine völlig aus. Wenn aber, angenommen, es seien vier, dann zwei Gegensatzpaare auftreten werden, so wird einem jeden Paar für sich ein von ihnen verschiedenes Mittelding zukommen müssen; wenn sie aber auseinander das Werden hervorbringen können, da sie doch zwei sind, dann wäre eines dieser Gegensatzpaare überflüssig. Zugleich ist es aber auch unmöglich, daß die ersten Gegensatzpaare eine Mehrheit sein sollten. Denn »Dasein« ist eine einheitliche Gattung des Seienden, so daß sich die Anfangsgründe allein der größeren oder geringeren Grundsätzlichkeit nach von einander unterscheiden werden, aber nicht durch ihre Gattung; denn in einer Gattung findet sich immer nur eine Entgegensetzung, und alle Entgegensetzungen scheinen auf eine einzige hinzuführen. – Daß also der Grundbaustein weder ein einziger ist, noch mehr davon als zwei oder drei vorhanden sind, ist klar. Was aber von diesen beiden gelten soll, das zu entscheiden enthält, wie gesagt, viel Schwierigkeit. 7. Folgendes wollen nun wir selbst darüber sagen, indem wir den gesamten Begriff des Werdens durchgehen. Es ist ja der Natur gemäß, das Allgemeine zuerst zu sagen, danach geson-
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dert die Einzelheiten anzuschauen. Wir sagen also: »Es entsteht aus Einem ein Anderes, oder aus einem Verschiedenen ein Verschiedenes«, und wir sprechen damit entweder ein Einfaches an oder ein Zusammengesetztes. Damit meine ich Folgendes: Es gibt doch solche Sätze wie »ein Mensch wird gebildet« oder »das Nicht-Gebildete wird gebildet« oder »der nicht-gebildete Mensch wird ein gebildeter Mensch«. Hierbei nenne ich »einfach« auf der Seite des Werdenden die Bestimmungen »Mensch« und »nicht-gebildet«, einfach auf der Seite des Gewordenen steht »gebildet«. Zusammengesetzt aber ist sowohl das Gewordene wie das Werdende, wenn wir die Aussage machen, der »nicht-gebildete Mensch« werde ein »gebildeter Mensch«. Hiermit sagt man im einen Fall nicht nur »das wird es«, sondern auch »daraus wird es«, z. B. »aus nicht-gebildet gebildet», aber das wird nicht in allen Fällen so gesagt: denn es ist noch keiner »aus einem Menschen« »ein Gebildeter« geworden, sondern »ein Mensch« ist »gebildet« geworden. Von den Dingen, die, wie wir sagen, als Einfache ihr Werden vollziehen, beharren die einen bei diesem Veränderungsablauf, die anderen beharren dabei nicht; »Mensch« bleibt ja erhalten, wenn ein Mensch gebildet wird, und es bleibt dabei; hingegen, »nicht-gebildet« und »ungebildet« beharrt weder bei einfachem noch bei zusammengesetztem Auftreten. Nachdem dies so bestimmt ist, kann man, wenn man es so ansieht, wie wir sagen, aus allem, was da wird, folgende Annahme herleiten: Es muß immer etwas als das, was da wird, zugrunde liegen, und dieses, mag es auch der Zahl nach einheitlich sein, so ist es doch der Art nach nicht eins – mit »der Art nach« und »dem Begriff nach« meine ich dasselbe –; denn »Menschsein« und »ungebildet-sein« ist begrifflich nicht dasselbe, und das eine bleibt erhalten, das andere nicht. Das, was (bei diesem Werdensverlauf) kein Gegenteil hat, bleibt erhalten – »Mensch« bleibt ja erhalten –, hingegen »nicht-gebildet« und »ungebildet« beharrt nicht; und auch nicht das aus beiden Zusammengesetzte, wie z.B. »ungebildeter Mensch«. Der Ausdruck »aus etwas wird etwas« – und nicht: »etwas wird etwas« – wird in größerem Umfang bei nicht-beharrenden Be-
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stimmungen gebraucht, z.B. »aus ungebildet gebildet werden«, »aus einem Menschen« aber (wird man) nichts. Indessen, auch bei Beharrendem spricht man bisweilen genauso: »aus dem Erz« wird eine Statue, sagen wir, und nicht: »das Erz« wird zur Statue. Im Falle des Werdens aus einem Gegensätzlichen und Nicht-Beharrenden gibt es beide Aussageweisen, sowohl »aus diesem wird das« und »das wird das«, also sowohl »aus einem Ungebildeten« wie auch »der Ungebildete« wird ein Gebildeter. Und bei der Zusammensetzung genauso: Sowohl »aus einem ungebildeten Menschen« als auch »ein ungebildeter Mensch« wird, wie man sagt, ein gebildeter. Nun hat »werden« ja viele Bedeutungen, und von Vielem kann man nicht einfach sagen »es wird«, sondern immer nur »es wird etwas Bestimmtes«; im strengen Sinne werden – das können nur Dinge: so ist es nun bei allen übrigen Bestimmungen offenkundig, daß ihrer Veränderung etwas, was da wird, zugrunde liegen muß – denn »irgendwiegroß«, »irgendwiebeschaffen«, »in Beziehung zu etwas«, »irgendwann« und »irgendwo« können veränderliche Bestimmungen nur an etwas Zugrundeliegendem sein wegen der Tatsache, daß allein das Ding von nichts anderem als seinem Zugrundeliegendem ausgesagt werden kann, sondern umgekehrt nur alles übrige von dem Ding –; daß aber auch die Gegenstände und was sonst noch im einfachen Sinne ist, aus einem gewissen Zugrundeliegenden entstehen, dürfte für einen, der genau hinsieht, offenkundig werden. Immer ist ja schon etwas da, was zugrunde liegt, woraus das Werdende entsteht, z.B. die Pflanzen und Tiere aus Samen. Es entsteht das im einfachen Sinn Werdende teils durch Umformung, z. B. ein Standbild; teils durch Hinzutun, z.B. Dinge, die wachsen; teils durch Fortnehmen, z.B. wenn aus dem Stein eine Hermesfigur wird; teils durch Zusammenfügung, z.B. ein Haus; teils durch Eigenschaftsveränderung, z.B. bei Dingen, die sich in ihrem Stoff wandeln. Alles, was so entsteht, entsteht ganz offenkundig von Grundlagen aus. Es ist also aus dem Gesagten klar, daß jedes Werdende immer ein Zusammengesetztes ist: es gibt das Etwas, das da wird, und das, wozu dieses wird, und dies auf doppelte Weise: Entweder
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das Zugrundeliegende oder das Gegensätzliche. Mit Gegensätzlichkeit meine ich dergleichen wie »ungebildet«, mit Zugrundeliegen so etwas wie »Mensch«; und »Ungestaltetheit«, »Formlosigkeit« und »Ungeordnetheit« sind Gegensätzliches, »Erz«, »Stein« oder »Gold« dagegen sind Grundlage. Es ist also klar: Wenn es Ursachen und Anfangsgründe des von Natur aus Vorhandenen gibt, aus welchen als den ersten es ist und geworden ist, und zwar nicht in der Nebenbedeutung der Worte, sondern ein jedes, das ausgesagt wird, nach seinem Wesen, dann entsteht alles aus dem Zugrundeliegenden und der Form(gebung). Denn der Ausdruck »gebildeter Mensch« setzt sich doch wohl aus »Mensch« und »gebildet« zusammen; man kann ihn ja in deren Begriffe auflösen. Es ist damit klar, daß das Werdende aus diesen (Stücken) entsteht. Das Zugrundeliegende ist aber der Zahl nach eins, der Art nach zwei – denn »Mensch«, »Gold« und überhaupt jedes zählbare Stoff(Stück) ist eher ein bestimmtes »Dieses-da«, und es ist nicht nur so nebenbei, daß das Werdende aus ihm entsteht; hingegen ist »Fehlen der Bestimmtheit« und »Entgegensetzung« ein nur nebenbei Eintreffendes –; eines ist jedoch die Form, z.B. »Anordnung« oder »Bildung« oder etwas anderes, das so ausgesagt werden kann. Deswegen ist es einerseits erforderlich, die Anfangsgründe als zwei anzusprechen, andrerseits aber auch als drei. Und man kann sie auch als die Gegensätze bestimmen, wie wenn z.B. jemand »gebildet und ungebildet« oder »warm und kalt« oder »wohlgefügt und ungefügt« nennen wollte, – andrerseits kann man es auch wieder nicht; denn die Gegensätze können unmöglich von einander Einwirkung erfahren. Aber auch das klärt sich auf Grund der Tatsache, daß das Zugrundeliegende ein Anderes ist: dies ist nämlich kein Stück eines Gegensatzes. Also: Auf gewisse Weise sind die Prinzipien nicht mehr als die Gegensätze, sondern – zahlenmäßig bestimmt – zwei; sie sind aber auch wieder nicht durchaus nur zwei – wegen der Tatsache, daß ihnen das »sein« auf verschiedene Weise zutrifft –, sondern drei; denn verschieden voneinander ist »Mensch-sein« und »ungebildet-sein«, und »ungeformt-sein« und »Erz-sein«.
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Wie viele Anfangsgründe der im Werdensverlauf befindlichen Naturgegenstände es gibt, und in welchem Sinne diese Anzahl zu nehmen ist, darüber ist nun gesprochen. Und klar ist: Es muß etwas den Gegensätzen zugrunde liegen, und die Gegensätze müssen zwei sein. Auf eine bestimmte andere Weise ist das aber nicht notwendig; dann wird es reichen, wenn das eine der Gegensatzglieder durch seine bloße Abwesenheit und Anwesenheit den Umschlag bewirkt. Das zugrundeliegende Naturding wird der Erkenntnis zugänglich mittels einer Entsprechung: Wie sich zum Standbild das Erz, zur Liege das Holz oder zu anderen Dingen, die Gestaltung (erfahren) haben, das Ungestaltete verhält, bevor es die Gestaltung an sich genommen hat, genauso verhält sich dies (der Grund-Stoff) zum bestimmten Dasein, zum Diesesda, zum Seienden. Ein Anfang ist also dies – allerdings ist es nicht in dem Sinne eins und seiend wie das Dieses-da –, (ebenfalls) einer die (Form), auf die der Begriff zielt, und schließlich das diesem Entgegengesetzte, das Fehlen-der-Bestimmtheit. In welchem Sinn dies zwei, in welchem mehr (als zwei) sind, darüber ist in den obigen Ausführungen gesprochen. Zuerst wurde gesagt, daß Anfangsgründe allein die Gegensätze seien, später dann, daß notwendig ein Anderes ihnen zugrunde liege und es also drei seien. Aus den jetzigen Ausführungen ist klargeworden, welches der Unterschied unter den Gegensätzen ist. Ob freilich die Form das Wesen ist oder das Zugrundeliegende, ist noch nicht klar. Wie viele Anfangsgründe es sind und welche, das soll nun als einsichtig gemacht gelten. 8. Daß sich allein auf diese Weise auch die Schwierigkeit der Alten löst, wollen wir danach darlegen: Auf der Suche nach der Wahrheit und nach dem natürlichen Wesen alles Seienden gerieten die Ersten in der Wissenssuche gewissermaßen vom Wege ab und wurden infolge von Unwissenheit auf einen anderen Weg gestoßen; und so sagen sie denn, etwas Seiendes könne weder entstehen noch vergehen wegen der Notwendigkeit der Annahme, Entstehendes müsse entstehen entweder aus Seiendem oder aus Nichtseiendem, – beides aber sei un-
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möglich: Seiendes entstehe nicht – es sei ja schon –, und aus Nichtseiendem gehe ja wohl nichts hervor; denn da müsse schon etwas vorhanden sein. Und was sich im Anschluß daran ergibt, das verstärkten sie noch und sagen also, Vielheit gebe es gar nicht, sondern allein das »Seiende selbst«. Sie faßten also diese Meinung, aus den angeführten Gründen. Wir aber behaupten dagegen: (Ausdrücke wie) »aus Seiendem oder Nichtseiendem entstehen« oder »Nichtseiendes oder Seiendes bewirkt oder erfährt etwas« oder »etwas wird das« unterscheiden sich auf eine Art durchaus nicht von Sätzen wie »der Arzt tut oder erfährt etwas« oder »durch den Arzt ist oder entsteht etwas«; weil also dies in zweifacher Bedeutung ausgesprochen wird, so klarerweise auch die Ausdrücke »aus Seiendem« und »Seiendes bewirkt oder erfährt«. (Beispiel:) »Ein Haus baut der Arzt«, – nicht als Arzt, sondern als Bauherr; und: »weiß wird er«, – nicht als Arzt, sondern insofern er vorher schwarz war; aber: »er heilt« und »er geht seiner ärztlichen Eignung verlustig«, – dies als Arzt. Da aber Sätze wie »der Arzt tut oder erfährt etwas« oder »infolge der Einwirkung des Arztes tritt etwas ein« in ganz besonders eigentlicher Bedeutung dann von uns ausgesagt werden, wenn er als Arzt dies alles erfährt, tut oder werden läßt, so ist klar: Auch der Ausdruck »aus Nichtseiendem entstehen« bezeichnet dieses »in-welcher-Hinsicht-es-nichtseiend-ist«. Jene machten diesen Unterschied nicht, gerieten auf den Abweg, und durch diese Unkenntnis vermehrten sie den Irrtum so sehr, daß sie zu der Meinung gelangten, nichts entstehe oder sei von allem Übrigen, sondern daß sie das gesamte Werden aufhoben. Wir selbst sagen ja auch: Aus Nichtseiendem kann strenggenommen nichts entstehen, allerdings (sagen wir dazu:) in irgendwie bestimmter Hinsicht kann sehr wohl etwas aus Nichtseiendem entstehen, z.B. in nebenbei zutreffender Bedeutung – aus einer nicht vorhandenen Bestimmung, was rein für sich »nichtseiend« ist, nicht aus einem vorher darin schon Vorhandenen wird etwas; das ist es, was so erstaunlich erscheint und das Entstehen von etwas als unmöglich erscheinen läßt, als aus Nichtseiendem –. Ebenso aber (sagen wir): Auch aus Seiendem kann Seiendes
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nicht entstehen, außer nebenbei zutreffend; in diesem Sinne kann aber auch es, das Seiende, entstehen, auf die gleiche Weise wie wenn z.B. aus einem Tier ein Tier entsteht, und aus einem bestimmten Tier ein bestimmtes Tier, etwa ein Hund 〈aus einem Hund oder ein Pferd〉 aus einem Pferd, entsteht. Ein solcher Hund stammt dann ja nicht nur aus einem bestimmten Tier ab, sondern auch aus (der Gattung) »Tier« – nur freilich nicht, insofern sie diese Gattung ist –, denn dies ist schon von vornherein zutreffend. Wenn andrerseits etwas »Tier« nicht in diesem nur nebensächlichen Sinn werden soll, dann kann das nicht aus »Tier« sein; und wenn etwas »seiend« werden soll, dann nicht aus Seiendem; aber auch nicht einfach aus Nichtseiendem; der Ausdruck »aus Nichtseiendem« ist ja von uns seiner Bedeutung nach bestimmt als »insofern es nichtseiend ist«. Im übrigen heben wir den Satz »alles muß entweder sein oder nichtsein« nicht auf. Das ist also eine Weise (der Lösung), eine andere liegt darin, daß es möglich ist, ein und dieselbe Aussage unter dem Blickwinkel der Möglichkeit und dem der Wirklichkeit zu machen. Dies ist in anderen Zusammenhängen mit Genauigkeit näher bestimmt. Also, wie wir schon sagten: Die Schwierigkeiten lösen sich, durch welche gezwungen sie (die Alten) einiges des oben Aufgestellten aufheben wollten. Das sind die Gründe, weswegen die Früheren so sehr abgekommen sind von dem Weg, der zu Werden und Vergehen und überhaupt zu Wechsel führt. Diese Beschaffenheit der Dinge, wäre sie gesehen worden, hätte ihre ganze Unkenntnis aufgehellt. 9. Berührt haben zwar auch andere sie schon, jedoch nicht hinreichend (erfaßt). Zunächst einmal stimmen sie nämlich der uneingeschränkten Behauptung zu, entstehen könne etwas nur aus Nichtseiendem, insoweit spreche Parmenides ganz richtig. Sodann scheint ihnen, wenn sie denn der Zahl nach eine einzige ist, so sei sie auch nach ihrer Leistung nur eine. Das ist aber ein gewaltiger Unterschied: Wir sagen ja, Stoff und fehlende Bestimmtheit seien verschieden von einander, und das eine davon sei nichtseiend in nebensächlicher Bedeu-
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tung, der Stoff, – die fehlende Bestimmtheit aber an und für sich; und er, der Stoff, liege nahe bei dem gegenständlichen Ding, ja sei in gewissem Sinne eines, die fehlende Bestimmtheit keinesfalls. Diese dagegen setzten »nichtseiend« und »das Groß-und-Kleine« ganz ähnlich, und zwar entweder als beide zusammengenommen oder als jedes getrennt für sich. Daher ist diese Art von Dreiheit ganz und gar verschieden von jener. Bis hierhin sind sie ja vorangekommen, daß irgendein Naturding zugrunde liegen muß, dieses machen sie allerdings zu einem einzigen. Wenn man auch eine Zweiheit daraus macht, indem man es »groß-und-klein« nennt, so tut man nichtsdestoweniger dasselbe; die andere (Seite) hat man dabei ja übersehen. Denn das beharrende Moment ist Mitursache des Werdenden zusammen mit der Gestaltung, so wie eine Mutter; hingegen, die eine Seite des Gegensatzes möchte oft, wenn man die Vernunft streng auf das Mangelhafte an ihr richtet, so erscheinen, als ob sie ganz und gar nicht sei. Wenn es doch etwas Göttliches und Gutes und Erstrebenswertes gibt, so sagen wir, daß das eine das Gegenteil dazu ist, ein anderes ist aber das, welches von der Art ist, nach diesem zu streben und zu greifen, soweit es dazu von sich aus in der Lage ist. Ihnen aber passiert es, daß das Gegenteil nach seiner eigenen Vernichtung strebt. Es kann aber doch weder die vollendete Form selbst nach sich selbst streben wegen der Tatsache, daß sie nach nichts mehr verlangt, noch das Gegenteil (nach seinem Gegenteil) – denn Gegensätze sind in bezug aufeinander vernichtend –, sondern dies (Strebende) ist der Stoff, so wie wenn Weibliches nach Männlichem und Häßliches nach Schönem (begehrt); nur, nicht die Bestimmung (häßlich) an und für sich, sondern etwas, dem dies nebenbei zutrifft, und ebenso nicht »weiblich« (an und für sich), sondern (ein Wesen), dem dies zutrifft. Dem Vergehen und dem Entstehen unterworfen ist er (der Stoff) in einer Hinsicht wohl, in anderer aber nicht. Wenn man ihn nämlich nimmt als das »an welchem«, so geht er im eigentlichen Sinne unter – ist doch das Vergehende »an ihm«, nämlich die fehlende Bestimmtheit –; nimmt man ihn aber nach seiner Leistung, so geht er nicht im Wortsinn unter,
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sondern ist dann notwendig unvergänglich und ungeworden. Wenn er nämlich entstünde, dann muß schon wieder etwas Erstes ihm zugrunde liegen, aus dem als schon in ihm Vorhandenen (er entstünde). Das ist aber doch eben dieses Wesen, so daß es dann schon wäre, bevor es würde: ich nenne eben »Stoff« das Erste einem jeden Zugrundeliegende, aus dem etwas als in ihm schon Vorhandenen wird, und zwar nicht nebenbei zutreffend. Wenn er andrerseits untergeht, so kommt man auf ihn zu allerletzt herunter, so daß er untergegangen sein wird, bevor er untergegangen ist. Was aber den Anfangsgrund »nach der Form« anbetrifft (und die Fragen), ob er eines ist oder viele und welches oder welche, dies in Genauigkeit abzustecken, ist Aufgabe der »Ersten Philosophie«, so daß es denn bis zu der Gelegenheit zurückgestellt sein soll. Was aber die in der Natur vorkommenden und vergänglichen Formen angeht, so werden wir in unseren späteren Darlegungen darüber sprechen. Daß es also Anfangsgründe gibt und welche es sind und wie viele der Zahl nach, das soll uns nun so bestimmt sein. Und nun beginnen wir an anderer Stelle nochmal und wollen von Anfang an vortragen.
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1. Unter den vorhandenen (Dingen) sind die einen von Natur aus, die anderen sind auf Grund anderer Ursachen da. Von Natur aus: Die Tiere und deren Teile, die Pflanzen und die einfachen unter den Körpern, wie Erde, Feuer, Luft und Wasser; von diesen und Ähnlichem sagen wir ja, es sei von Natur aus. Alle diese erscheinen als unterschieden gegenüber dem, was nicht von Natur aus besteht. Von diesen hat nämlich ein jedes in sich selbst einen Anfang von Veränderung und Bestand, teils bezogen auf Raum, teils auf Wachstum und Schwinden, teils auf Eigenschaftsveränderung. Hingegen, Liege und Kleid, und was es dergleichen Gattungen sonst noch geben mag, hat, insofern ihm eine jede solche Bezeichnung eignet und insoweit es ein kunstmäßig hergestelltes Ding ist, keinerlei innewohnenden Drang zu Veränderung in sich; insofern es aber diesen (Gegenständen) nebenbei auch zutrifft, aus Holz oder aus Erde oder aus Stoffen, die aus einer Mischung beider sind, zu bestehen, haben sie (ihn), und zwar genau so weit; denn Naturbeschaffenheit ist doch eine Art Anfang und Ursache von Bewegung und Ruhe an dem Ding, dem sie im eigentlichen Sinne, an und für sich, nicht nur nebenbei, zukommt. – Mit »nicht nur nebenbei« meine ich folgendes: Es kann ja wohl vorkommen, daß jemand selbst zum Urheber von Gesundung an sich selbst werden kann, wenn er nämlich ein Arzt ist; aber doch nicht insoweit er gesundet, besitzt er die Heilkunst, sondern es trifft hier nur nebenbei zusammen, daß dieselbe Person Arzt und gesundender (Patient) ist; deswegen treten ja auch beide Bestimmungen getrennt voneinander auf. – Ganz ähnlich verhält sich auch ein jedes von allem übrigen, was hergestellt ist; keins von diesen Dingen enthält ja in sich den Anfangsgrund seiner Herstellung, sondern die einen haben ihn in Anderem und außerhalb ihrer, z.B. ein Haus und jeder übrige mit Händen hergestellte Gegenstand, die anderen haben ihn
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zwar in sich, aber nicht als eben diese, – etwa was nebenbei zutreffend Ursache für sich selbst werden könnte. Naturbeschaffenheit ist also das Gesagte. Naturbeschaffenheit hat alles, was einen solchen Anfang hat. Und alles dieses sind Wesen; denn dies ist etwas Zugrundeliegendes, und Naturbeschaffenheit kommt immer an Zugrundeliegendem vor. Naturgemäß ist dieses und alles, was diesem, insofern es dies ist, zukommt, z.B. dem Feuer der Auftrieb nach oben. Von einer solchen Bestimmung kann man nicht sagen: »sie ist Naturbeschaffenheit«, auch nicht »sie hat eine«, aber: »sie ist von Natur aus« und »ist naturgemäß«. Was nun also »Naturbeschaffenheit« bedeutet, ist vorgetragen, und auch die Bedeutung von »von Natur aus« und »naturgemäß«. Daß es Naturbeschaffenheit gibt, das nachweisen zu wollen, wäre ein lächerlicher Versuch. Es liegt doch auf der Hand, daß Vieles unter dem Vorkommenden von der Art ist. Offensichtliches aber mit Hilfe von Nichtoffensichtlichem zu erweisen, das ist Eigenschaft eines, der nicht beurteilen kann, was aus sich selbst und was nicht aus sich selbst erkennbar ist – daß es jemandem so gehen kann, ist nicht unbekannt: es kann ja auch einer, der von Geburt an blind ist, über Farben klug daherreden –, so daß solche Leute notwendig nur über Bezeichnungen reden, dabei aber nichts begreifen. Naturanlage und eigentliches Wesen der von Natur aus vorhandenen Dinge scheint aber bei einigen (Leuten) bestimmt zu werden als das erste in einem jeden Vorfindliche, an und für sich noch ungestaltet: Z.B. wäre von einer Liege die Naturanlage das Holz, von einem Standbild das Erz. Zum Beweis dafür führt Antiphon an: Wenn man eine Liege in die Erde eingrübe und die Verrottung die Kraft bekäme, einen Sproß herauswachsen zu lassen, dann würde der nicht eine Liege, sondern nur Holz; komme doch die eine Bestimmtheit ihm nur nebenbei zu, dieser durch willkürlichen künstlichen Eingriff gesetzte Zustand (Liege), das eigentliche Wesen aber sei dasjenige, welches bei allen diesen Ereignissen durchweg sich erhalte. Und wenn ein jeder solcher Stoff sich zu einem anderen ebenso verhielte – z.B. Erz und Gold zu Wasser, Knochen
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und Holz zu Erde und ähnlich jedes beliebige andere –, dann sei eben jenes die Naturbeschaffenheit und das Wesen von ihnen. Deswegen sagen die einen, Feuer, andere, Erde, andere, Luft, andere Wasser, andere, Einiges davon, andere, alles dieses zusammen sei die Naturbeschaffenheit des Vorhandenen. Was davon einer nun als solches angenommen hat, sei es eins oder mehrere, dies und so vieles, sagt er dann, sei das ganze Sein, alles andere demgegenüber nur Ereignisse, Zustände und Anordnungen davon; und von diesen sei ein jedes ewig in seinem Bestand – denn es gebe bei ihnen keine gegenseitige Verwandlung das andere hingegen entstehe und vergehe in unermeßlicher Zahl. Das ist die eine Weise, in der man von »Naturbeschaffenheit« spricht, nämlich: Der erste, einem jeden zugrundeliegende Stoff der Dinge, die Anfang von Wandel und Veränderung in sich selbst haben. Auf eine andere Weise ist es die Gestalt, die in den Begriff gefaßte Form. So wie nämlich »Werk« genannt wird das, was nach handwerklichen Regeln gefertigt ist, das Handwerkliche, ebenso wird »Naturding« genannt das Naturgemäße und Natürliche; aber weder im ersten Fall würden wir wohl sagen, etwas sei »nach handwerklichen Regeln gefertigt«, wenn es nur der Möglichkeit nach (z.B.) eine Liege ist, aber noch nicht die volle Form der Liege besitzt, oder so etwas sei ein »Werk«, noch auch entsprechend bei den von Natur bestehenden Dingen: Was der Möglichkeit nach Fleisch oder Knochen ist, hat ja weder schon sein eigenes Wesen, bevor es an sich genommen hat die begriffsgemäße Form, mittels derer wir es genau bestimmen und sagen »was Fleisch oder Knochen ist«, noch ist es »von Natur aus«. Auf andere Weise wäre also die Naturbeschaffenheit der Dinge, die Anfang von Veränderlichkeit in sich selbst haben, dies: Die Gestaltung, die Form, welche sich (von dem Ding) nicht abtrennen läßt, außer nur in Gedanken. – Das »aus diesen« (scil. Stoff und Form) ist nicht Naturbeschaffenheit, wohl aber »von Natur aus«, z.B. so etwas wie »Mensch«. Und diese (Form) ist in höherem Maße Naturbeschaffenheit als der Stoff; ein jedes wird doch dann erst eigentlich als es
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selbst angesprochen, wenn es in seiner zweckhaft erreichten Form da ist, mehr als wenn es bloß der Möglichkeit nach ist. Sodann: Ein Mensch entsteht aus einem Menschen, nicht aber eine Liege aus einer Liege. Deswegen sagen sie ja auch, nicht das äußere Aussehen sei die Naturanlage, sondern (in diesem Fall) das Holz, weil daraus, wenn es sproßte, nicht eine Liege würde, sondern Holz. Wenn das also Naturbeschaffenheit sein soll, dann ist es auch die Gestalt; denn aus einem Menschen entsteht ein Mensch. Ferner, »Naturanlage«, aufgefaßt als ein Werdevorgang, ist ein Weg hin zum (vollendeten) Wesen. Es ist ja hier nicht so wie beim Heilen: davon sagt man nicht, es sei ein Weg zur Heilkunst, sondern einer zur Gesundheit; das Heilen muß ja notwendig von der Heilkunst herkommen, nicht zu ihr hinführen; nicht so allerdings verhält sich »Naturanlage« zu »eigentlichem Wesen«, sondern: Was da natürlich aus etwas erwächst, geht, insoweit es sich natürlich weiterbildet, auf etwas anderes zu. Was nun wird natürlich gebildet? Nicht das »aus dem«, sondern das »zu dem hin«. Die (erreichte) Form ist also das natürliche Wesen. »Gestalt« und »Naturbeschaffenheit« werden in doppelter Bedeutung ausgesagt: auch die fehlende Bestimmung ist in gewissem Sinne Form. Ob aber fehlende Bestimmung und Gegensatz bei dem strenggenommenen Entstehen etwas bedeuten oder nicht, das ist später zu untersuchen. 2. Nachdem bestimmt ist, wie viele Bedeutungen »Naturbeschaffenheit« hat, ist hierauf zu untersuchen, worin sich der Mathematiker vom Natur-Forscher unterscheidet – Flächen und Raumformen haben die natürlichen Körper ja auch, und Längen und Punkte, womit sich eben der Mathematiker befaßt –; zweitens (ist zu untersuchen), ob die Gestirnkunde eine von der Natur-Wissenschaft verschiedene Wissenschaft ist oder ein Teil von ihr. Wenn es doch Aufgabe des NaturForschers ist zu wissen, was Sonne oder Mond wirklich sind, sollte er sich dagegen um die ihnen wesentlich zukommenden Eigenschaften nicht kümmern, so wäre das unsinnig, zumal
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doch ganz offenkundig die Naturdenker über die Form von Mond und Sonne sprechen, und auch über die Frage, ob die Erde oder die ganze Welt kugelförmig ist oder nicht. Hiermit befaßt sich nun auch der Mathematiker, allerdings nicht insoweit dies alles Begrenzung eines natürlichen Körpers ist; und auch die Eigenschaften betrachtet er nicht, insofern sie ihnen als eben derartigen zutreffen; deswegen verselbständigt er sie auch, denn sie sind im Denken von der allgemeinen Veränderung der Dinge abtrennbar, und das macht überhaupt keinen Unterschied, und es ergibt sich nichts Falsches, wenn man sie abtrennt. Ohne es zu wissen, machen auch die das Gleiche, welche sagen, daß es Ideen gibt: Sie verselbständigen nämlich die natürlichen Bestimmungen, die doch weniger abtrennbar sind als mathematische. Daß dies so ist, dürfte klarwerden, wenn man die Begriffsbestimmung beider Sorten von Gegenständen zu geben versuchte, und zwar sowohl der Gegenstände selbst wie auch ihrer Eigenschaften: dann werden nämlich »ungerade« und »gerade« »geradlinig« und »gekrümmt« schließlich auch »Zahl«, »Linie« und »Gestalt« ohne den Begriff »natürliche Veränderung« begegnen; »Fleisch«, »Knochen« und »Mensch« aber nicht mehr, sondern dies wird so in der Rede behandelt wie »Stupsnase«, aber nicht wie »gekrümmt«. Dies belegen auch die mehr naturbezogenen unter den mathematischen (Lehren), wie Lehre vom Sehen, vom guten Klang, Gestirnkunde: sie verhalten sich gewissermaßen umgekehrt zur Geometrie. Die Geometrie betrachtet ja eine tatsächlich hingezeichnete Linie, aber eben nicht insofern sie diese Beschaffenheit hat; umgekehrt, die Lehre vom Sehen untersucht eine mathematische Linie, aber nicht insofern sie mathematisch ist, sondern insofern sie ein Naturverhältnis darstellt. Nachdem nun »Naturbeschaffenheit« zweifach zu fassen ist, nämlich einmal die Form (aussagt), und auch den Stoff, so ist die Untersuchung so zu führen, wie wenn wir bezüglich der Stupsnäsigkeit nachsuchten, was sie denn ist, also: Weder ohne Stoff (ist) solches, noch aber auf den Stoff beschränkt. Und nun könnte einer ja auch folgende Streitfrage aufwerfen:
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Da die Naturbeschaffenheiten also zwei seien, mit welcher von beiden sich wohl der Natur-Forscher zu befassen habe? Oder etwa mit dem aus beiden Zusammengesetzten? Aber, wenn mit dem Zusammengesetzten, dann auch mit jedem von beiden (Stücken)! Ist es nun Aufgabe einer und derselben (Wissenschaft) oder verschiedener, jedes der beiden zur Erkenntnis zu bringen? – Wenn man auf die Alten hinsieht, dann scheint der Gegenstand ja wohl der Stoff zu sein – denn nur zu einem kleinen Teil haben Empedokles und Demokrit die Form und das »was es wirklich ist« berührt –; wenn hingegen die Kunstfertigkeit der Naturbeschaffenheit nacheifert und es Aufgabe eines und desselben Wissens ist, Form und Stoff bis zu einem gewissen Grade zu kennen – z.B. beim Arzt ist es die Gesundheit einerseits und Galle und Schleim andrerseits, in deren Zusammensetzung Gesundheit besteht, und ähnlich auch beim Baumeister der Plan des Hauses und die Baustoffe, wie Ziegel und Holz; ebenso auch in den anderen Fällen so wäre es Aufgabe auch der Naturwissenschaft, beide Begriffe von Naturbeschaffenheit zur Erkenntnis zu bringen. Weiter: Das »Weswegen« und das Ziel sind Aufgabe des gleichen (Wissens), und die derentwegen eingesetzten Mittel auch. Die Naturbeschaffenheit aber ist Ziel und Weswegen: welche Gegenstände nämlich, bei fortlaufend erfolgender Veränderung, ein Ziel haben, bei denen ist eben dieser letzte Punkt auch das Weswegen. Daher ist es lächerlich, wenn sich der Dichter dazu hinreißen ließ zu sagen: »Er nahm das Ende, dessentwegen er geboren ward«; denn es will nicht jeder Schlußpunkt Ziel sein, sondern nur der beste Zustand. Da nun die Handwerke ihren Stoff auch »machen«, die einen im strengen Sinn (von herstellen), die anderen, indem sie ihn nur brauchbar machen, und wir alles Vorhandene, als um unseretwillen, in Gebrauch nehmen – in gewissem Sinne sind nämlich auch wir Zweck; der Ausdruck »Weswegen« hat ja zwei Bedeutungen, darüber ist in den Ausführungen »über die Philosophie« gesprochen –: zwei Tätigkeiten sind es, die über den Stoff verfügen und eine Kenntnis von ihm besitzen, einmal die, welche ihn in Gebrauch nimmt, und von der herstellenden
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Tätigkeit die maßgebliche. Deshalb ist auch die gebrauchende Tätigkeit in gewissem Sinne maßgeblich, sie unterscheidet sich aber darin, daß sie der Kenntnis der Form fähig ist, die andere hingegen, als herstellend, des Stoffs. (Beispiel:) Der Schiffssteuermann besitzt ein Wissen, wie beschaffen die Form des Steuerruders sein muß, und erteilt entsprechend Auftrag; der andere aber weiß, aus welchem Holz und mit Hilfe welcher Arbeitsvorgänge es zu machen ist. In den handwerklichen Zusammenhängen stellen wir selbst den Stoff her um des Werkes willen; im Bereich der Natur ist er schon vorhanden. Schließlich: Der Stoff gehört zu den (Dingen) »im Verhältnis zu etwas«: für eine andere Form anderer Stoff. Bis wie weit also muß sich der Natur-Forscher über die Form und das »was-ist-es« ein Wissen aneignen? Doch wohl so, wie der Arzt mit der Sehne und der Schmied mit dem Erz: ein jedes bis zu dem Weswegen; und sein Gebiet sind solche Gegenstände, die der begrifflichen Form nach zwar abtrennbar sind, aber nur an einem Stoff da sind. Denn es ist ein Mensch, der einen Menschen zeugt, und das Sonnenlicht. Wie sich das Abtrennbare verhält und was es wesensmäßig ist, das zu bestimmen ist Arbeit der ersten Philosophie. 3. Nachdem dies bestimmt ist, ist bezüglich der Ursachen die Untersuchung anzustellen, welche und wie viele der Zahl nach es sind. Da doch diese Anstrengung hier um der Erkenntnis willen unternommen wird, etwas erkannt zu haben wir aber nicht eher überzeugt sind, bevor wir das »Weshalb« eines jeden erfaßt haben – das heißt aber: seine erste Ursache erfaßt haben –, so ist es klar, daß auch wir dies hier zu tun haben hinsichtlich Werden und Vergehen und überhaupt jeder Art von natürlichem Wandel, damit wir in Kenntnis ihrer Anfangsgründe ein jedes Untersuchte auf sie zurückzuführen versuchen können. Auf eine Weise wird also Ursache genannt das, woraus als schon Vorhandenem etwas entsteht, z.B. das Erz Ursache des Standbilds, das Silber der Schale, und die Gattungen dieser Begriffe (sind es auch).
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Auf eine andere aber die Form und das Modell, d.i. die vernünftige Erklärung des »was es wirklich ist«, und die Gattungen davon – z.B. beim Oktavklang das Verhältnis 2 zu 1, und überhaupt der Zahlbegriff – und die Bestimmungsstücke, die in der Erklärung vorkommen, auch. Des weiteren: Woher der anfängliche Anstoß zu Wandel oder Beharrung kommt; z.B. ist der Ratgeber Verursacher von etwas, und der Vater Verursacher des Kindes, und allgemein das Bewirkende (Ursache) dessen, was bewirkt wird, und das Verändernde dessen, was sich ändert. Schließlich: Als das Ziel, d.i. das Weswegen; z.B. (Ziel) des Spazierengehens (ist) die Gesundheit. – »Weshalb geht er doch spazieren?« – Wir antworten: »Damit er sich wohlbefindet«, und indem wir so sprechen, meinen wir, den Grund angegeben zu haben. (Ursache ist) auch alles, was nach einem Anstoß durch Anderes zwischen diesem und dem Ziel erfolgt, z.B. für die Gesundheit die Abmagerungskur, die Entschlackung, Heilmittel oder ärztliches Werkzeug; alles dies ist ja um des Ziels willen da, der Unterschied unter einander besteht nur darin, daß es sich teils um Tätigkeiten, teils um Werkzeuge handelt. »Ursache« wird also etwa in so vielen Bedeutungen ausgesagt. Es ergibt sich nun, da von Ursächlichem in vielen Weisen die Rede sein kann, daß es auch viele Ursachen eines und desselben Gegenstandes geben kann, und zwar nicht nebenbei zutreffend; so ist z.B. Ursache des Standbilds sowohl die Bildhauerei wie auch das Erz, nicht über ein Anderes vermittelt, sondern insofern es Standbild ist, nur nicht auf die gleiche Weise, sondern das eine als Stoff, das andere als »Woher der Bearbeitung«. Es kommt auch wechselseitige Verursachung bei einigen Dingen vor, z.B. körperliche Anstrengung als Ursache guter Verfassung und (umgekehrt) diese als Ursache der Anstrengung; nur, nicht auf die gleiche Weise, sondern das eine als Ziel, das andere als Ausgangspunkt der Veränderung. Weiter, ein und dasselbe ist (auch Ursache) gegenteiliger (Folgen): Etwas, das, als Anwesendes, ursächlich ist für dies, das machen wir bisweilen, als Abwesendes, verantwortlich für
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das Eintreten des Gegenteils davon, z.B. die Abwesenheit des Steuermanns für den Schiffbruch, dessen Anwesenheit Ursache der Rettung gewesen wäre. Alle die jetzt aufgezählten Formen von Ursache fallen unter vier besonders augenfällige Weisen: (1) Die Buchstaben der Silben, der Stoff der handwerklichen Erzeugnisse, Feuer und die übrigen derartigen Körper, die Teile eines Ganzen und auch die Voraussetzungen des Schlusses – all das ist im Sinne des »Woraus« ursächlich. Die eine Seite dieser (Zusammensetzungen ist ursächlich) im Sinne des Zugrundeliegenden, z.B. die Teile; (2) die andere Seite im Sinne des »was-es-wirklichist«, nämlich das Ganze, die Zusammensetzung, die Form. (3) Same hingegen, Arzt, Ratgeber und überhaupt Bewirkendes, alles dies ist »woher der Ausgangpunkt von Wandel und Beharrung«. (4) Schließlich (sind Dinge ursächlich) als das Ziel und das Gute der anderen. Das Weswegen will doch ein Bestes und Ziel der anderen (Dinge) sein. – Es soll dabei keinen Unterschied machen, ob man es als »Gut« schlechthin oder nur als »Gut, das dafür gehalten wird« anspricht. Das sind also die Ursachen, und so viele sind es der Art nach. Die Weisen des Auftretens der Ursachen sind viele an der Zahl, wenn man sie jedoch auf Hauptfälle bringt, werden auch sie weniger. »Ursache« wird ja in vielen Bedeutungen ausgesprochen, und sogar bei Bestimmungen innerhalb der gleichen Art läßt sich das eine im Vergleich zum anderen voroder nachgeordnet aussagen, z.B. (Urheber) von »Gesundheit« ist sowohl »Arzt« wie auch »Meister«, und (Ursache) des Oktavklangs ist sowohl das Verhältnis 2 zu 1 wie auch der Zahlbegriff, und so jeweils das Umfassende im Vergleich zum Eingeschränkten. Sodann (geht es) in der Form nebensächlicher Eigenschaft und ihrer Gattungen, z.B. (Urheber) von »Standbild« ist in anderem Sinne »Polykletos« und in wieder anderem »Bildhauer«, weil ja für das Bildhauer-Sein das Polykletos-Sein eine nur nebensächliche Bestimmung ist.
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Und als das Umfassende des Nebensächlichen auch, z.B. wenn gleich »Mensch« Urheber des Standbilds wäre oder ganz allgemein »Lebewesen«. Es ist auch bei den nebensächlichen Bestimmungen einiges weiter oder enger gefaßt als anderes, z.B. wenn ein Weißer oder ein Gebildeter als Urheber des Standbilds genannt würde. Alles dies, sowohl das in der eigentlichen Bedeutung Ausgesagte wie auch das im nebensächlichen Sinn, kann entweder als nur ermöglichend ausgesagt werden oder als tatsächlich wirksam, z.B. (Ursache) des Hausbaus ist entweder (einfach) ein Baumeister oder (genauer) ein Baumeister, der seine Tätigkeit gerade ausübt. In ähnlicher Weise wie bei dem Vorgetragenen wird man auch über die (Dinge) sprechen, deren Ursachen die Ursachen sind: Z.B. (Ursache) dieses einen Standbilds hier, oder eines Standbilds, oder allgemein eines Bildwerks; und (Ursache) dieses Erzstücks hier, oder von Erz, oder allgemein von Stoff. Und bei den nebensächlichen Eigenschaften genauso. Schließlich kann sowohl dieses (das Begründende) wie jenes (das Begründete) in Form der Verknüpfung ausgesagt werden, z.B. nicht: »Polykletos (ist Urheber)«, auch nicht: »ein Bildhauer (ist Urheber)«, sondern: »der Bildhauer Polykletos ...« Trotz (dieser großen Vielfalt): Alles dies macht (zusammengefaßt) eine Anzahl von sechs (Fällen) aus, und das wird noch zweifach ausgesagt: (1) als das Einzelne; (2) als die Gattung (dazu); (3) als die nebensächliche Eigenschaft; (4) als die Gattung der nebensächlichen Eigenschaft; (5) als Verknüpfung dessen; (6) einfach Ausgesagtes. Und alles das (a) entweder in voller Wirksamkeit oder (b) nur der Möglichkeit nach. Es liegt noch darin der Unterschied, daß das Wirksame und das Einzelne zugleich mit dem, dessen Ursache es ist, da ist und nicht da ist – z.B. dieser bestimmte heilend Tätige und dieser bestimmte gerade Behandelte, oder dieser bestimmte an der Bauarbeit Tätige und dieses gerade Gebaute –, das nach der Möglichkeit Ausgesagte aber nicht immer: das Haus und sein Baumeister gehen ja keinesfalls gleichzeitig zugrunde.
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Man muß aber immer die genaueste Ursache von etwas aufsuchen, wie bei dem übrigen auch, z.B.: der Mensch baut ein Haus, weil er Baumeister ist, der Baumeister aber (handelt) gemäß der Technik des Hausbaus; diese Ursache ist also vorrangig. Und so in allen Fällen. Sodann (sind) Gattungen (Ursachen) von Gattungen, Einzelnes von Einzelnem, z.B. »Bildhauer« (Ursache) von »Standbild«, aber: dieser bestimmte (Bildhauer) dieses bestimmten (Werkes). Und: Möglichkeiten von Möglichem, Wirksames im Verhältnis zu solchem, an dem Wirkung erfolgt. Wie viele Ursachen es also gibt und auf welche Weise sie Ursachen sind, das soll uns hiermit hinreichend bestimmt sein. 4. Es werden aber auch die (undurchschaubare) Schicksalsfügung und der Zufall zu den Ursachen gezählt, und von vielem sagt man, es sei oder ergebe sich »aus Schicksal« oder »aus Zufall«. Auf welche Weise sich nun Schicksalsfügung und Zufall unter diesen Ursachen finden, ob Schicksal und Zufall dasselbe sind oder verschieden voneinander und überhaupt, was denn Schicksalsfügung und Zufall eigentlich ist: das ist zu untersuchen. Es gibt ja auch Leute, die die Frage stellen, ob es so etwas überhaupt gibt oder nicht. Sie sagen, es geschehe ja gar nichts infolge von Fügung, sondern von allem gebe es eine genau bestimmte Ursache, wovon man nur so sagt, es geschehe zufällig oder aus Schicksal; z.B. bei einem Gang auf den Marktplatz, bei dem es sich dann so fügt, daß man jemanden trifft, den man schon immer treffen wollte, den man aber hier nicht vermutete; hier sei die Ursache der Vorsatz, auf dem Markt einzukaufen, als man losging. In gleicher Weise sei auch bei allem anderen, was man so »zufällig gefügt« nenne, immer eine bestimmte Ursache zu greifen, nur nicht die Fügung; denn wenn diese Schicksalsfügung wirklich etwas wäre, dann erschiene das doch wahrhaftig als unbegreiflich; und es könnte einer auch die Frage stellen, weshalb wohl keiner der alten Weisen, wenn er über die Ursachen von Werden und Vergehen Aussagen machte, über Fügung auch nur ein einziges klären-
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des Wort verloren hat, vielmehr, wie es scheint, waren auch jene der Meinung, daß nichts aus zufälliger Fügung geschehe. Aber auch dies ist verwunderlich: Es geschieht und ist nun einmal vieles aus Fügung und Zufall, wovon sie genau wußten, daß man ein jedes auf eine bestimmte Werde-Ursache zurückführen kann, so wie es die alte Erklärung ja sagte, welche die Fügung aufhob: trotzdem sagen alle (übereinstimmend), ein Teil davon sei aus Fügung, der andere Teil aber nicht aus Fügung. Das hätten sie doch irgendwie in ihre Überlegungen mit aufnehmen müssen. Andrerseits aber waren sie auch nicht der Meinung, daß »Fügung« zu denjenigen (Anfangsgründen) gehöre, wie »Liebe und Streit« oder »Vernunft« oder »Feuer« oder anderes dergleichen. Es ist also unverständlich (beides), sowohl wenn sie annahmen, es gebe so etwas (wie Fügung) überhaupt nicht, als auch, wenn sie es zwar annahmen, aber die Behandlung davon übergingen, und das, so sie doch (diese Erklärungsweise) manchmal benutzen! So sagt etwa Empedokles, nicht immer werde die Luft als oberstes ausgesondert, sondern (das gehe) wie es sich halt fügt. Er sagt jedenfalls in seiner »Welterschaffung«: »So stieß er (scil., der Äther) eilend jetzt an, vielmals aber anders.« Und von den Teilen der Tiere behauptet er ja auch, sie entstünden meistenteils aus zufälliger Fügung. Es gibt auch Leute, die für diesen (unseren) Himmel und für alle Welten als Ursache den Zufall ansetzen. Infolge von Zufall sei nämlich der (Ur-)Wirbel entstanden und die Bewegung, die (die Stoffe) entmischt und das Weltganze in diese Anordnung gebracht hat. Das ist ja nun äußerst verwunderungswürdig: Einerseits lehren sie doch, die Tiere und Pflanzen könnten infolge Zufalls weder sein noch entstehen, sondern entweder sei »Naturanlage« oder »Weltvernunft« oder etwas anderes dergleichen die Ursache davon – denn nicht ein »was-sich-gerade-so-ergibt« entsteht aus dem Samen eines jeden, sondern aus diesem so gearteten ein Ölbaum, aus diesem so gearteten ein Mensch –, andrerseits soll aber der Himmel mit seinen göttlichsten unter den Erscheinungen nur so von ganz allein geworden sein, und eine derartige Ursache wie für die Tiere und Pflanzen soll es für ihn nicht geben. Und
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wenn es sich schon wirklich so verhielte, so wäre eben dies der Aufmerksamkeit würdig, und es verhielte sich richtig, darüber gesprochen zu haben. Denn zusätzlich zu der Tatsache, daß diese Behauptungen für sich schon unbegreiflich sind, ist es noch unbegreiflicher, dies zu behaupten, wo man doch sieht, daß am Himmel nichts infolge Zufalls geschieht, hingegen im Bereich dessen, wo (nach ihrer Ansicht) nichts auf Grund bloßer Fügung (geschieht), doch vieles auf Grund zufälliger Fügung sich ergibt. Es wäre doch das genaue Gegenteil wahrscheinlich. Es gibt auch Leute, die der Meinung sind, die Schicksalsfügung sei eine Ursache, nur eine der menschlichen Vernunft undurchschaubare, da sie etwas Göttliches sei und ins Übernatürliche weise. Also ist zu untersuchen, (1) was dies beides ist, (2) ob Zufall und Schicksalsfügung dasselbe sind oder verschieden, und (3) wie sie sich zu den (oben) bestimmten Ursachen fügen. 5. Erstens nun also: Da wir sehen, daß einiges immer genau so eintritt, anderes in den meisten Fällen so, so ist es klar, daß in keinem dieser beiden Fälle als Ursache die Fügung oder das »aus Fügung« ausgesagt wird, weder in dem Fall »aus Notwendigkeit und immer« noch in dem Fall »in der Regel so«. Da es nun aber auch Ereignisse gibt, die dem zuwider verlaufen, und alle von solchen sagen, es sei »auf Grund von Fügung«, so ist es klar, daß Schicksalfügung und Zufall wirklich etwas sind. Daß nämlich derartige Ereignisse auf Grund von Fügung, und daß Ereignisse auf Grund von Fügung derartig sind, wissen wir. Unter dem, was geschieht, erfolgen die einen (Ereignisse) wegen irgendetwas, die anderen nicht – von den ersteren erfolgen die einen gemäß vorsätzlicher Absicht, die anderen nicht nach solcher Absicht, beide befinden sich aber unter den Ereignissen wegen etwas –; es ist also klar, daß auch unter den Ereignissen entgegen der Notwendigkeit und der Regel sich einige befinden können, bei denen das »wegen etwas« wenigstens vorliegen kann. »Wegen etwas« ist alles das, was sowohl durch planende Vernunft hervorgebracht sein könnte
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oder auch durch Naturanlage. Wenn Derartiges also nun als nebenbei eintretende Wirkung erfolgt, dann sagen wir, es sei »aus Fügung«; wie ja auch »seiend« ein Ding im eigentlichen Sinne ist, ein anderes nur in nebenbei zutreffender Bedeutung, ebenso kann das auch mit »Ursache« sein; z. B.: Von einem Haus ist Ursache im eigentlichen Sinn die Fähigkeit, ein Haus zu bauen, in nebenbei zutreffender Bedeutung kann es dann auch »weiß« oder »gebildet« sein. Die Ursache im eigentlichen Sinn ist eindeutig bestimmt, die Ursache in der Nebenbedeutung nicht festgelegt; denn auf diesen einen Gegenstand kann ja unendlich Vieles zutreffen. – Wie nun schon gesagt wurde: Wenn im Bereich der Ereignisse, die wegen etwas eintreten, dies eintritt, dann nennt man das »zufällig« und »auf Grund von Fügung« – der Unterschied dieser beiden untereinander ist später zu bestimmen, für jetzt soll nur dies einsichtig sein, daß beide zu den Ereignissen »wegen etwas« gehören –; z. B.: Wegen der Rückerstattung des Geldes wäre wohl einer (zum Markt) hingegangen, zur Zeit, als der Schuldner selbst gerade seine Außenstände einzog, – wenn er dies gewußt hätte! Nun aber ging er nicht deswegen hin, sondern es ergab sich für ihn eben so, gleichzeitig zu gehen und dies wegen des Geldeinzugs zu tun. Dabei gilt zusätzlich: Weder »in vielen Fällen« ging er zu diesem Platz noch »aus Notwendigkeit« (d.i. immer). Nun gehört das Endergebnis, der Erhalt (des Geldes), zwar nicht zu den in ihm liegenden Ursachen, aber doch zu den vorsätzlichen und denen auf Grund planender Vernunft; und man sagt in diesem Fall eben, er sei zufällig hingegangen. Wenn er aber in der Absicht, sich eben dies vorzunehmen, (hinging) oder als ständiger oder wenigstens häufiger Besucher (dieses Platzes), dann (spricht man) nicht von Fügung. Es ist mithin klar, daß die Fügung eine Ursache im nebensächlichen Sinn ist, im Bereich der Ereignisse wegen etwas, (und hier besonders) unter denen, die nach einem Vorsatz erfolgen. Deshalb können sich planende Vernunft und Fügung auf ein und dasselbe Ereignis beziehen, denn Vorsatz gibt es nicht ohne planende Vernunft.
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Unbestimmbar müssen also die Ursachen dessen sein, was infolge von Fügung geschehen mag. Daher scheint auch der Schicksalbegriff selbst in den Bereich des Unbestimmbaren zu gehören und dem Menschen unerklärlich zu sein; und es gibt Gründe für die Vermutung, daß nichts aus Fügung geschehen könne. Alles dies sind ja richtige Aussagen, aus plausiblem Grund: Es gibt ja wirklich Ereignisse infolge von Fügung; denn sie treten als Nebenwirkungen auf, und eine als Nebenwirkung auftretende Ursache ist ja die Fügung. Nur, im eigentlichen Sinn ist sie Ursache von nichts. Z. B. eines Hauses Urheber ist ein Baumeister, im nebenbei eintretenden Sinn kann es aber auch ein Flötenspieler sein, und für das Ereignis, daß einer hinging und sein Geld einzog, während er doch nicht deswegen hingegangen war, mag es unzählig viele Gründe geben: Entweder wollte er da jemanden sehen, oder er wollte zu Anklage oder Verteidigung in einem Prozeß, oder er wollte ein Theaterstück anschauen. Auch die Behauptung, etwas Widervernünftiges sei doch diese Fügung, ist richtig: der vernünftige Schluß bezieht sich auf Dinge, die immer so sind oder doch in der Mehrzahl der Fälle, die Fügung dagegen findet statt unter dem, was dem zuwider geschieht; da also so geartete Ursachen unbestimmbar sind, ist auch die Fügung ein Unbestimmbares. Trotzdem könnte man in einigen Fällen die Frage stellen, ob denn nun alles Beliebige Ursache im Bereich der Fügung werden könnte; z. B., (als Ursache) von guter körperlicher Verfassung (mag man angeben) tiefes Durchatmen oder Sonnenbaden, aber doch wohl nicht die Tatsache, daß man sich hat die Haare schneiden lassen! Von den Ursachen im nebensächlichen Sinn liegen einige nämlich näher als andere. Eine Fügung wird dann »gut« genannt, wenn sich dabei etwas Gutes ergibt, und »schlecht«, wenn etwas Schlechtes; von »Glück« und »Unglück« spricht man dann, wenn diese Ereignisse eine gewisse Größe annehmen. Beinahe ein großes Übel zu erleiden oder ein großes Gut zu erlangen, das ist dann (je nachdem) »Glückhaben« oder »Pechhaben«, weil doch das Denken dies wie etwas Vorhandenes ausspricht. Denn das
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»Beinahe« scheint gewissermaßen gar keinen Abstand mehr zu bedeuten. Weiter: »Unbeständig« heißt das Glück, verständlicherweise, denn die Fügung ist unbeständig; weder »immer so« noch »in der Regel so« kann von den Ereignissen auf Grund von Fügung eines sein. Beide sind also, wie gesagt, Ursachen in nebensächlicher Bedeutung – sowohl die Schicksalsfügung wie auch der Zufall –, und zwar im Bereich solcher Vorgänge, die nicht im strengen Sinn und auch nicht im Sinne von allermeistens erfolgen können, und sie gehören zu den Geschehnissen, die wegen etwas eintreten.
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6. Ihr Unterschied liegt darin, daß »Zufall« sich über einen weiteren Bereich erstreckt. Ereignisse auf Grund von Fügung sind alle auch zufällig; (umgekehrt) diese sind nicht alle auf Grund von Fügung. Schicksalsfügung und (Ereignisse) auf Grund von Fügung können nur für solche (Wesen) zutreffen, für die auch »Glückhaben« gelten kann, und überhaupt »Handlung«. Also muß Fügung sich notwendig beziehen auf mögliche Handlungen – ein Beleg dafür ist, daß »Glückhaben« dasselbe zu sein scheint wie »Glücklichsein«, oder doch in der Bedeutung nahebei liegt; Glücklichsein ist aber eine Art Handlung, denn es bedeutet, daß einem das Handeln gut ausgeht –, so daß gilt: Alles, was nicht handeln kann, kann auch nicht etwas aus Fügung tun. Deswegen tut nichts Unbelebtes, kein Tier und auch kein kleines Kind etwas aus Fügung, weil sie alle freien Willen zur Entscheidung nämlich nicht haben; auch »Glückhaben« oder »Pechhaben« trifft auf sie nicht zu, außer im Bilde der Ähnlichkeit, so wie etwa Protarchos sagte, glücklich seien die Steine, aus welchen die Altäre gemacht sind, da sie doch verehrt würden, auf ihren Artgenossen hingegen tritt man herum. Dagegen, infolge von Fügung etwas zu erleiden, das trifft irgendwie auch auf diese zu, wenn nämlich ein Handelnder aus Fügung etwas mit ihnen tut; anders geht es nicht. Der Zufall hingegen trifft auch auf Tiere und einen großen Teil des
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Unbelebten zu; z. B. »das Pferd kam zufällig heraus«, sagen wir dann, wenn es zwar durch sein Herauskommen einem Unglück entging, aber nicht herauskam in der Absicht, diesem Unglück zu entgehen. Und: »Der Schemel fiel zufällig um«; er stand zwar da, um darauf zu sitzen, aber er ist nicht, um darauf zu sitzen, umgefallen! Es ist also klar: Wenn im Bereich der Geschehnisse, die im strengen Sinn wegen etwas ein treten und deren Ursache außer ihnen liegt, etwas geschieht, das mit dem Ergebnis nicht in eine Deswegen-Beziehung zu bringen ist, dann nennen wir das »zufällig«. »Auf Grund von Fügung« (sagen wir) von solchen Ereignissen, die im Bereich sinnvoll gewollter Handlungen bei (Wesen), die die Fähigkeit zu planendem Vorsatz haben, zufällig eintreten. Ein Hinweis ist auch das (Wort) »vergeblich«: Das benutzt man dann, wenn das um eines anderen willen Vorgenommene bei seinem Eintreten diesen Zweck nicht erreicht; z. B., wenn das Spazierengehen um der Verdauungsförderung willen unternommen wird und wenn für den Spaziergänger die erhoffte Wirkung nicht eingetreten ist, dann sagen wir, er sei vergeblich spazieren gegangen, und nennen ein solches Spazierengehen »zwecklos«, wobei wir dem »zwecklos« folgende Bedeutung unterlegen: Wenn etwas, das um eines anderen willen da ist, jenes andere, um dessentwillen es da und vorhanden war, nicht zuwege bringt. Wenn doch jemand sagen wollte, er habe sich vergeblich gewaschen, weil die Sonnenfinsternis nicht eingetreten sei, dann wäre der lächerlich; denn das eine hat doch nicht um des anderen willen stattgefunden. So ergibt sich »Zufall« schon vom bloßen Wort her, wenn »es selbst« (das Ereignis) »vergeblich zu-fällt«. Da ist also ein Stein heruntergefallen, nicht um jemanden zu treffen; zufällig also ist der Stein gefallen, er hätte ja auch durch Einwirkung von jemandem fallen können, und dies mit der Zweckabsicht, jemanden zu erschlagen. Am deutlichsten getrennt ist (das zufällige Ereignis) von dem aus Fügung im Bereich der naturhaften Ereignisse; wenn nämlich etwas eintritt der Naturbeschaffenheit zuwider, dann sagen wir nicht, es sei aus Fügung, sondern mehr zufällig so
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geworden. Doch auch dies ist dabei noch unterschiedlich: Das eine (das Zufallsereignis) hat seine Ursache außerhalb seiner, das andere (das Naturereignis) in sich selbst. Was also Zufall und was Schicksalsfügung ist, darüber ist nun gesprochen, und auch worin sie sich voneinander unterscheiden. Was nun die Weisen von »Ursache« angeht, so gehören sie beide zu dem Fall des »Woher-der-Ursprung-der-Veränderung«. Sie gehören jeweils entweder zu den Ursachen aus Natur oder zu den Ursachen aus Vernunft; aber deren Anzahl ist unbestimmbar. Da aber Zufall und Schicksalsfügung Ursache sind von Ereignissen, von denen auch die (Welt)vernunft Urheberin sein könnte oder die Naturanlage, wenn sie nämlich auf nebenbei zutreffende Weise Ursache eben dieser Vorgänge geworden ist, (da nun weiter) nichts Nebensächliches dem an und für sich Geltenden vorgeordnet ist, ist es klar, daß auch die NebenbeiUrsache nicht der eigentlichen vorgeordnet sein kann. Nachgeordnet sind also Zufall und Schicksalsfügung der Vernunft und der Natur. Wenn also schon wirklich Ursache dieses Himmelsgewölbes der Zufall wäre, so wäre es immer noch nötig, daß vorher erst die Vernunft Ursache wäre und die Natur, sowohl von vielen anderen Dingen als auch von diesem Weltganzen. 7. Daß es Ursachen gibt und daß es so viele an der Zahl sind, wie wir sagen, ist klargestellt; ebenso viele Bedeutungen hat ja die »Weshalb«-Frage umfaßt: Entweder nämlich läßt sich das letzte Weshalb zurückführen auf das »was-es-ist«, bei den unveränderlichen (Gegenständen ist das der Fall), z. B. in der Mathematik: Zur Begriffsbestimmung von »gerade« oder »meßbar« oder anderem wird letztlich zurückgeleitet; oder auf das erste (den Ereignissen) den Anstoß Gebende, z. B.: »Weshalb gerieten sie in Krieg?« (Antwort:) Weil sie einen Raubzug unternommen hatten; oder (es ist) das »um-etwas-willen« – um die Herrschaft an sich zu bringen –; oder, bei Gegenständen des Wandels, der Stoff. Daß also nun die Ursachen diese und daß es so viele sind, ist offenkundig. Indem es nun vier Ursachen sind, so ist es Aufga-
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be des Natur-Forschers, bezüglich aller sich ein Wissen anzueignen, und wenn er die Rückleitung auf alle (vier) vollzieht, dann wird er die Weshalb-Frage auf naturbezogene Weise beantworten: Stoff, Form, das in Gang Setzende, das Weswegen. Nun gehen aber die drei (letztgenannten) oft in eins zusammen: Das »was-es-ist« und das »Weswegen« sind eines, und das »woher-zuerst-die-Veränderung« ist diesen (wenigstens) der Art nach gleich: Es ist ein Mensch, der einen Menschen zeugt, und überhaupt alles, was Veränderung in Gang setzt und dabei selbst der Veränderung unterliegt – Gegenstände, bei denen das nicht so ist, gehören nicht mehr zur Aufgabe der Naturbetrachtung: nicht indem sie an sich selbst Veränderung haben und Ursprung von Veränderung, geben sie Anstoß zur Veränderung, sondern als selbst unveränderlich; entsprechend sind es drei Aufgabenfelder: Eines (ist befaßt) mit dem Unveränderlichen, das andere mit dem zwar Veränderlichen, aber Unvergänglichen, das dritte mit dem Vergänglichen –; also: Das »Weshalb« wird sowohl durch Rückführung auf den Stoff angegeben wie auch auf das »was-es-ist« und auf das erste Anstoßgebende. Bei einem Werdevorgang ermittelt man die Ursachen allermeist auf diese Weise: »Was ereignet sich nach was?« und: »Was hat zuerst eingewirkt?« oder: »Worin bestand die Einwirkung?«, und so der Reihe nach fort. Zweierlei sind die auf natürliche Weise Anstoß gebenden Gründe, der eine von ihnen ist (selbst) nicht von natürlicher Art; denn er hat nicht den Veränderungsanfang in sich selbst. Etwas derartiges liegt vor, wenn etwas Veränderung anstößt ohne selbst sich zu verändern, so wie das ganz und gar Unveränderliche und Erste von allem und das »was-es-ist« und die Gestalt; denn dies ist Ziel und Weswegen. Da also die Naturbeschaffenheit ein Weswegen ist, so muß man auch diese zur Kenntnis bringen, und man muß das »Weshalb« umfassend angeben, z. B.: »weil aus diesem notwendig das (folgt) ...« – das »aus diesem« ist entweder schlechthin oder als »in der Regel so« (zu verstehen) –; und: »wenn dies hier soll sein können ...« – so wie aus den Voraussetzungen der Schluß –; und: »weil dieses es war, was es doch sein sollte ...«; und: »weil es besser so war ...« –
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nicht im schlechthinnigen Sinn, sondern das (Bessere) im Hinblick auf das Wesen eines jeden. 8. Es ist also zu sprechen, erstens, (über die Frage) weshalb Naturbeschaffenheit zu den Ursachen »wegen etwas« gehört, zweitens über die Bestimmung »notwendig«, wie es sich damit bei den natürlichen Vorgängen verhält. Auf diese Ursache führen ja alle (die natürlichen Ereignisse) zurück, etwa: Weil das Warme von dieser Art ist und das Kalte (von jener), und so eine jede dieser (Grundkräfte), ist und geschieht jenes andere mit Notwendigkeit; auch wenn sie ja eine andere Ursache angeben, soweit sie sie ergriffen haben, lassen sie sie schon wieder fahren: Der eine Liebe und Streit, der andere die (Welt-) Vernunft. Es steckt eine Schwierigkeit in der Frage, was denn die Annahme hindern soll, die Natur gehe nicht wegen etwas zu Werke und nicht, weil es besser (so ist), sondern so, wie »Zeus regnet«, nicht auf daß er das Getreide wachsen lasse, sondern aus Notwendigkeit: der aufgestiegene Dunst müsse sich ja abkühlen, und abgekühlt werde er zu Wasser und regne so ab; daß das Getreide infolge dieses Ereignisses wachse, sei nur beiläufige Folge; und entsprechend: Wenn jemandem das Getreide auf der Tenne verdirbt, dann regnet es doch nicht deswegen, damit es verdirbt, sondern auch das hat sich als beiläufige Folge ergeben. Was hindert also die Annahme, daß es sich auch mit den (organischen) Teilen in der Natur so verhalte, z. B. die Zähne wüchsen mit Notwendigkeit (aus dem Kiefer) heraus, und zwar die vorderen scharf, geeignet zum Abbeißen, die Backenzähne aber breit und (daher) brauchbar zum Zerkleinern der Nahrung, wohingegen dies doch nicht um dessentwillen eintrete, sondern es falle nur so zusammen. Und ähnlich sei es auch mit den übrigen Teilen, in welchen ein »wegen etwas« vorzuliegen scheint. Überall, wo sich nun alles so ergab, als ob es wegen etwas geschehen wäre, da erhielten sich diese (Gebilde), die eben rein zufällig in geeigneter Weise zusammengetreten seien. Wo es sich nicht so ergab, da gingen sie unter und tun es noch, so wie ja Empedokles spricht von »Rindsgattungen mit Mannsbug«.
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Die Rede, mittels derer man so schwierige Fragen stellen kann, ist also diese – und falls es noch eine andere derartige geben sollte. Es ist jedoch unmöglich, daß es sich auf solche Weise verhalten kann. Diese (beschriebenen Vorgänge) und überhaupt alle naturhaften Ereignisse vollziehen sich entweder immer so oder in aller Regel so, von den Ereignissen infolge von Fügung und Zufall aber keins. Man hält es ja nicht für eine Folge von Fügung und bloßem Sichsoergeben, wenn es im Winter häufig regnet, sondern (dies würde man dann) wenn es in den Hundstagen geschähe; und (umgekehrt): Dörrende Hitze zur Zeit der Hundstage nicht, wenn sie im Winter einträte aber wohl. Wenn (solches) nun offenbar entweder infolge des Sich-so-Ergebens oder wegen etwas ist, und wenn es weder aus bloßem Sich-Ergeben noch aus Zufall sein kann, dann müßte es ja wohl wegen etwas sein. Nun handelt es sich bei allem Derartigen aber um Naturereignisse, wie auch sie selbst sagen würden, die das vorbringen. So findet sich also das »wegen etwas« im Bereich dessen, was von Natur aus wird und ist. Weiter: Bei Vorgängen, die ein bestimmtes Ziel haben, wird um dessentwillen das ihm Vorausgehende getan, und so der Reihe nach fort. Folglich, so wie es getan wird, genau so setzt es sich natürlich zusammen, und so wie es natürlich zusammengesetzt ist, ebenso wird ein jedes getan, – wenn nicht etwas hindernd dazwischentritt. Die Handlungen erfolgen aber wegen etwas; also ist es auch da wegen etwas. Wenn z. B. ein Haus zu den Naturgegenständen gehörte, dann entstünde es genau so, wie jetzt auf Grund handwerklicher Fähigkeit; wenn umgekehrt die Naturdinge nicht allein aus Naturanlage, sondern auch aus Kunstfertigkeit entstünden, dann würden sie genau so entstehen, wie sie natürlich zusammengesetzt sind. Wegen des einen ist also das andere da. Allgemein gesprochen, die Kunstfertigkeit bringt teils zur Vollendung, was die Natur nicht zu Ende bringen kann, teils eifert sie ihr (der Natur) nach: Wenn nun die Vorgänge nach Maßgabe der Kunstfertigkeit auf Grund des »wegen etwas« ablaufen, so ist es klar, daß auch die Vorgänge gemäß der Natur (dies tun). Denn es verhält sich ja ähnlich zueinander das Spätere zum Früheren
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sowohl bei den Vorgängen gemäß Kunst wie auch bei denen gemäß Natur. Besonders deutlich wird das bei den übrigen Lebewesen, die weder aus bewußter Kunstfertigkeit noch indem sie vorher untersucht haben oder zu Rate gegangen sind, an ihr Werk gehen. Daher wissen einige die schwierige Frage nicht zu entscheiden, ob mit Verstand oder irgendeiner anderen (Fähigkeit) die Spinnen, Ameisen und dergleichen Tiere ihre Arbeit verrichten. Wenn man ein wenig so weitergeht, wird auch bei Pflanzen offenkundig, daß die im Hinblick auf das Ziel nützlichen Vorgänge stattfinden, z. B. (dienen) die Blätter zum Zwecke des Obdachs der Frucht. Wenn also auf Grund von Naturanlage und wegen etwas die Schwalbe ihr Nest und die Spinne ihr Gespinst baut und die Pflanzen ihre Blätter wegen der Früchte (hervorbringen) und die Wurzeln nicht in die Luft, sondern in den Boden (treiben) der Nahrung wegen, dann ist offenkundig, daß es diese so beschriebene Ursache im Bereich des natürlichen Werdens und Seins wirklich gibt. Und da »Naturbeschaffenheit« doppelte Bedeutung hat, einmal als Stoff, einmal als Form, da diese aber Ziel ist und wegen des Ziels das übrige (da ist), muß es also wohl auch diese Ursache geben, die (mit dem Namen) »Weswegen«. Fehler gibt es sowohl bei den Vorgängen gemäß Kunstfertigkeit – da macht ein Schreiber einen Rechtschreibfehler, und ein Arzt vertut sich bei der Verabreichung eines Heilmittels –: also ist klar, daß so etwas auch bei den Vorgängen gemäß Natur eintreten kann. Wenn es also unter den Erzeugnissen gemäß Kunstfertigkeit welche gibt, bei denen das richtige »wegen etwas« erreicht ist, bei den mißlungenen Dingen aber das »wegen etwas« wohl versucht, aber verfehlt worden ist, dann dürfte sich das bei den natürlichen Dingen ähnlich verhalten, und Mißbildungen sind Verfehlungen jenes »wegen etwas«. Und was diese »Rindsgattungen« unter den anfänglichen Bildungen angeht, wenn sie nicht in der Lage waren, zu irgendeinem Schluß oder Ziel zu gelangen, dann geschah das ja wohl dadurch, daß einer ihrer Urstoffe verdorben war, so wie heutzutage der Same (verdorben sein kann).
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Weiter, notwendig muß doch zuerst der Same entstanden sein, und nicht gleich die Lebewesen; auch das »Rohgefügt zuerst ...« war Same. Weiter, auch bei den Pflanzen findet sich das »wegen etwas«, nur ist es weniger ausgebildet. Ist nun etwa wohl auch bei den Pflanzen so etwas eingetreten: wie (bei den Tieren) die »Rindsgattungen mit Mannsbug«, so etwa »Weinstockartiges mit Olivenbaumspitzen« – oder nicht? Das wäre ja ein Widersinn; und trotzdem müßte es so sein, wenn doch auch bei den Tieren (so etwas wäre). Weiter, es müßte dann ja auch innerhalb der (Fortpflanzung durch) Samen entstehen können, was auch immer sich so ergibt. Wer aber das behauptet, der hebt (die Begriffe) »naturgemäß« und »Naturanlage« ganz auf. Naturgemäß nämlich (verhält sich) alles, was von einem ursprünglichen Antrieb in sich selbst aus in fortlaufender Veränderung zu einem bestimmten Ziel gelangt. Von einem jeden (Ausgangspunkt) aus ergibt sich für ein jedes nicht dasselbe, und schon gar nicht etwa Beliebiges, allerdings will sich immer (wieder) dasselbe bilden, wenn nicht etwas störend eintritt. Das »weswegen« und das, »was deswegen (eintritt)« kann wohl auch, wie es sich so fügt, eintreten, wie wir z. B. sagen: »Wie es sich so fügte, kam sein Gastfreund, löste ihn aus und ging wieder von dannen«, wenn er, als ob er deswegen gekommen wäre, handelte, in Wirklichkeit aber nicht deswegen gekommen war. Und dies alles nur auf Grund nebenbei eintretender Wirkung – denn Fügung gehört doch zu den Nebenbei-Ursachen, wie wir früher sagten; hingegen, wenn dies immer oder in den meisten Fällen so eingetreten ist, dann ist es kein Nebenbei und nicht infolge von Fügung. Bei den Naturabläufen (gilt) aber das »immer gleich«, außer wenn etwas störend dazwischentritt. Unverständlich ist der Einwand, man könne doch nicht meinen, sie (die Naturabläufe) erfolgten wegen etwas, wenn man ja nicht sehe, daß das Anstoßgebende planend mit sich zu Rate gegangen sei. Doch auch die Kunstfertigkeit überlegt nicht mehr hin und her; und wenn die Schiffsbaukunst in dem Holz läge, dann würde sie ähnlich wie die Natur zu Werke ge-
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hen. Wenn es also bei der Kunstfertigkeit das »wegen etwas« gibt, dann auch in der Natur. Am deutlichsten wird das (dann), wenn ein Arzt seine Heilkunst auf sich selbst anwendet: so ähnlich geht auch die Natur vor. Daß also Naturbeschaffenheit eine Ursache ist, und zwar im Sinne eines »wegen etwas«, ist einsichtig.
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9. (Der Begriff) »aus Naturnotwendigkeit« – trifft er (nur) »auf Grund von Voraussetzung« (scil. anderer Sachverhalte) zu oder auch im unbedingten Sinn? Nun meint man ja so, Notwendigkeit bei der Entstehung sei (etwa derart), wie wenn jemand annehmen wollte, diese Mauer hier sei »aus Notwendigkeit« entstanden: Weil das Schwere von Natur so geartet sei, sich abwärts zu bewegen, das Leichte aber an die Oberfläche, deshalb lägen hier die Steinfundamente zuunterst, die Lehmziegel lägen wegen ihrer (größeren) Leichtigkeit darauf, ganz oben aber die Holzteile, denn sie seien am leichtesten. Doch in Wirklichkeit ist sie zwar nicht ohne dieses entstanden, aber doch nicht deswegen – außer bloß im Sinne des Stoffs –, sondern um etwas zu bergen und zu schützen. Ähnlich ist es auch bei allen anderen Dingen, soweit sich in ihnen ein »deswegen« findet: Nicht ohne solches, was notwendige Naturbeschaffenheit hat, allerdings nicht deswegen, außer nur als Stoff, sondern wegen etwas; z. B.: »Weshalb hat eine Säge diese und jene Eigenschaften?« – »Damit sie das und das (leisten kann)« und »wegen dieser Aufgabe«. Dies »Weswegen« allerdings kann nicht erreicht werden, wenn sie nicht aus Eisen ist; sie muß also notwendig aus Eisen sein, wenn das eine Säge sein soll und dies ihre Aufgabe. Auf Grund von Voraussetzung also besteht Notwendigkeit, aber nicht als Ziel. In dem Stoff nämlich liegt das Notwendige, das »weswegen« hingegen im Begriff. Es verhält sich die Bestimmung »notwendig« in der Mathematik und im Bereich dessen, was naturgemäß sich wandelt, auf gewisse Weise ähnlich: Weil (z. B.) »gerade« so und so (bestimmt) ist, muß notwendig das Dreieck einen Winkelbetrag gleich zwei Rechten haben. Es gilt aber nicht (umgekehrt): Da Letzteres ist, muß Ersteres sein. Und doch: Wenn dieses (Letz-
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tere) nicht gilt, besteht auch der Begriff der Geraden nicht. Im Bereich dessen, was wegen etwas eintritt, umgekehrt: Wenn das Ziel erreicht werden soll oder es schon ist, muß auch das ihm Vorausliegende eintreten oder schon eingetreten sein. Andernfalls (gilt): So wie dort, wenn der Schlußsatz nicht besteht, auch der Anfangspunkt nicht bestehen kann, so hier nicht das angezielte Ende, das »Weswegen«. Ein Anfangspunkt ist ja auch es, nur nicht des Handelns, sondern des planenden Überlegens – dort (in der Mathematik) nur von Nachdenken, denn Handlungen gibt es da ja nicht –. Wenn also ein Haus sein soll, dann muß notwendig dies und jenes hergestellt sein oder zur Verfügung stehen oder dasein, kurz und gut: Der »Stoff-wegen-etwas«, z. B. Ziegel und Steine – wenn es ein Haus (sein soll); allerdings, nicht wegen dieser (Baustoffe) ist das Ziel gesetzt, außer im Sinne des Stoffs dazu, und es wird auch nicht deswegen erreicht werden. Umgekehrt aber und allgemein: Wenn es Stoff nicht gibt, wird es weder Haus noch Säge geben, das Haus, wenn keine Steine, die Säge, wenn kein Eisen da ist. Und auch dort (in der Mathematik) gelten die Ausgangspunkte nicht, wenn das Dreieck nicht zwei Rechte hat. Einsichtig ist also, daß die Bestimmung »notwendig«, und zwar im Sinne des Stoffs ausgesagt, im Bereich der Naturvorgänge (ihren Platz hat), und die Veränderungen an diesem auch. Und beide Ursachenformen sind von dem Natur-Forscher anzugeben, besonders aber die »um etwas willen«; denn diese ist Ursache des Stoffs, nicht er für das Ziel. Und das Ziel ist das »weswegen«, und der ursprüngliche Anfang geht von der Bestimmung und dem Begriff aus, so wie im Bereich der Kunstfertigkeit auch: Da »Haus« etwas von der und der Beschaffenheit ist, muß mit Notwendigkeit dies und jenes erfolgt sein und zur Verfügung stehen; und: Weil »Gesundheit« dies und das ist, muß das und jenes mit Notwendigkeit eingetreten und vorhanden sein. Ebenso (auf Seiten der Natur): Wenn »Mensch« dies ist, so (notwendig) dies und das ...; wenn aber dies und das ..., so auch jenes ... Möglicherweise gibt es auch innerhalb des Begriffs eine Notwendigkeit. Wenn man nämlich (z. B.) die Arbeit »sägen« bestimmt hat als so und so ge-
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artete Durchtrennung, dann wird diese nicht stattfinden können, wenn sie (die Säge) nicht so und so geartete Zähne hat; und die kann es nicht geben, wenn sie nicht aus Eisen ist. Es verhalten sich nämlich auch bei der begrifflichen Erklärung einige Teilstücke so: als Stoff des Begriffs.
BUCH III Drittes Buch
1. Da Naturbeschaffenheit Anfangsgrund von Veränderung und Wandel ist, diese unsere Untersuchung aber um Naturbeschaffenheit geht, so darf nicht verborgen bleiben, was Veränderung denn ist. Denn wenn man hier in Unkenntnis ist, ist man es notwendig auch bezüglich des Naturbegriffs. Wenn wir unsere Bestimmungen bezüglich von Veränderung getroffen haben, ist zu versuchen, auf gleiche Weise das durchzugehen, was sich daran anschließt: Verändernde Bewegung scheint in den Bereich des Zusammenhängenden zu gehören, in dem Begriff »zusammenhängend« erscheint allererst (die Bestimmung) »unbegrenzt«; wenn man nämlich »zusammenhängend« bestimmt, tritt nebenbei ein, daß man oftmals den Begriff »unbegrenzt« mitbenutzt, denn »unbegrenzt teilbar« – das ist eben »zusammenhängend«. Zudem, ohne die Begriffe »Ort«, »leer« und »Zeit« kann Veränderung nicht sein. Es ist also klar, daß deswegen und wegen der Tatsache, daß diese Begriffe für alles gemeinsam und allgemein sind, ihre Untersuchung durchzuführen ist, und zwar indem man jeden einzelnen von ihnen vornimmt – die Anschauung des Einzelfalles ist der des Allgemeinen ja nachgeordnet –: Zuerst also, wie gesagt, zum Begriff » Veränderung«. Es ist also vorhanden das eine allein im Modus der Wirklichkeit, das andere nach Möglichkeit und Wirklichkeit, eines ist ein »dieses-da«, anderes ein »so viel«, anderes »so geartet« und, was die übrigen Grundaussageweisen von »seiend« angeht, so weiter. Von dem, was »in Beziehung auf etwas« ausgesagt wird, tritt das eine (Teilstück) als »bezogen auf Überschuß und Mangel« auf, das andere als »bezogen auf Handelndes und Leidendes«, allgemein: Veränderndes und Veränderbares. Das Verändernde ist ja ein Veränderndes eines Veränderbaren, und umgekehrt das Veränderliche ist veränderbar durch
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ein Veränderndes. Es gibt aber keine Veränderung abgesehen von den Dingen: es wandelt sich ja je das sich Wandelnde entweder seinem Wesen nach oder nach dem »wieviel« oder dem »wie geartet« oder nach dem Ort – oberhalb dieser ist nichts Allgemeines zu greifen, wie wir behaupten, was nicht entweder ein »dieses« oder irgendwieviel oder irgendwiegeartet oder irgendeine andere der Grundaussagen wäre. So kann es also auch nicht Wandel und Veränderung von etwas geben neben dem Aufgezählten, wenn es doch neben dem Aufgezählten nichts gibt. Jede (dieser Grundaussagen) trifft auf alles in zwei Weisen zu, z. B. das »dieses« – eine Weise davon ist »Gestalt«, die andere »noch fehlende Bestimmung« –, und nach dem »wie geartet« – eine ist »weiß«, die andere »schwarz« –, und nach dem »wieviel« – das eine »abgeschlossen«, das andere »unvollendet«. Ähnlich auch nach der Ortsbewegung – das eine »oben«, das andere »unten«, oder das eine »leicht«, das andere »schwer«. Also: Von Veränderung und Wandel gibt es so viele Formen wie von »seiend«. Indem nun in jeder Gattung genau getrennt sind das eine als »in angestrebter Wirklichkeit da«, das andere als »der Möglichkeit nach vorhanden«, so (gilt): Das endliche Zur-Wirklichkeit-Kommen eines bloß der Möglichkeit nach Vorhandenen, insofern es eben ein solches ist – das ist (entwickelnde) Veränderung; z. B. die des eigenschaftlich Wandelbaren, insofern es eigenschaftlich wandelbar ist, (ist) »Eigenschaftsveränderung«; die dessen, was wachsen kann oder, seines Gegenteils, dessen, was schwinden kann – denn eine gemeinsame Bezeichnung über beiden gibt es nicht – (heißt) »Wachsen« und »Schwinden«; die dessen, was entstehen und vergehen kann, (heißt) »Werden« und »Vergehen«, die dessen, was sich fortbewegen kann, » Ortsbewegung«. Daß der Veränderungsbegriff dieses besagt, wird aus Folgendem klar: Wenn etwas, das gebaut werden kann, insofern wir eben diese Eigenschaft von ihm aussagen, zu seiner endlichen Verwirklichung kommt, dann wird es (eben) gebaut, und dies ist dann »Bauen«. Ebenso auch: »Lernen«, »Heilen«, »Umwälzen«, »Springen«, »Reifen«, »Altern«. Da nun eini-
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ges, als dieses selbe, sowohl der Möglichkeit wie auch der Verwirklichung nach da ist – nicht gleichzeitig oder in derselben Hinsicht, sondern z. B. so: Warm der Wirklichkeit, kalt der Möglichkeit nach –, werden diese Dinge nunmehr viele Wirkungen aufeinander ausüben und viele von einander erfahren. Alles wird ja sein zugleich Wirkung ausübend und Wirkung erfahrend. Was also natürlich Anstoß zur Veränderung gibt, (ist selbst auch) veränderbar. Alles derartige setzt ja in Bewegung, in Bewegung auch selbst (befindlich). Nun meinen einige, überhaupt alles Veränderung Anstoßende sei auch selbst in Veränderung begriffen, indessen, über diesen Punkt wird in anderen Zusammenhängen Klarheit erreicht werden, wie es sich damit verhält – es gibt nämlich etwas, das Veränderung in Bewegung setzt und selbst unveränderlich ist –; (feststeht:) Das endliche Zur-Wirklichkeit-Kommen des der Möglichkeit nach Seienden, wenn es (das Ding) schon in der Wirklichkeit und tätig ist, nicht insofern es es selbst, sondern insofern es veränderbar ist, das ist Veränderung. Mit dem »insofern« meine ich dies: Es ist (z. B.) dieser Erzklumpen der Möglichkeit nach ein Standbild, trotzdem ist hier nicht das Zur-Wirklichkeit-Kommen des Erzes, insofern es eben Erz ist, die Veränderung; »Erz-sein« und »der-Möglichkeit-nach-etwas-sein« sind ja nicht dasselbe, indessen, wenn dies ohne weiteres und dem Begriffe nach dasselbe wäre, dann wäre (hier) eben das ZurWirklichkeit-Kommen des Erzes als Erz die Veränderung. Es ist aber, wie gesagt, nicht dasselbe – klar wird das an den Gegensätzen: »Gesundsein-können« und »Kranksein-können« sind verschieden, sonst wären ja auch »Kranksein und »Gesundsein« dasselbe; das Zugrundeliegende hingegen, das da gesund oder krank ist – mag das der Flüssigkeitshaushalt sein oder die Blutzusammensetzung –, das ist ein und dasselbe. – Da sie nun also nicht dasselbe sind, so wie auch »Farbe« und »sichtbar« nicht dasselbe sind, (so gilt also:) Das Zur-Wirklichkeit-Kommen des Möglichen, insofern es möglich ist, das ist ganz offenkundig: Veränderung. Daß dies also der Begriff davon ist und (außerdem) daß Veränderung genau dann stattfindet, wenn die Verwirklichung
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selbst sich vollzieht – und weder vorher noch nachher –, das ist klar. Ein jedes kann ja bald in Tätigkeit sein, bald auch nicht, z. B. etwas, woran man bauen kann; und die Tätigkeit an so einem Baubaren, insofern es eben baubar ist, das ist »Bauen« – diese tätige Verwirklichung (heißt so) entweder als »Bauen« oder als »Haus«; aber wenn es schon ein Haus ist, ist es nicht mehr baubar; man baut nur an etwas, das noch zu bauen ist, die tätige Verwirklichung muß also das Bauen sein –; Bauen ist aber eine (planvolle) Veränderung. Aber dieselbe Beweisführung ist passend auch bei allen anderen Fällen von Veränderung. 2. Daß das gut so gesagt ist, ergibt sich einerseits aus dem, was die Anderen über diesen Begriff zu sagen haben, andrerseits aus der Tatsache, daß es nicht leicht ist, andere Bestimmungen hierüber zu treffen. »Veränderung« und »Wandel« kann man durchaus nicht in einer anderen Gattung anordnen, und das wird klar, wenn man sich einmal ansieht, wie einige sie so ansetzen, die da behaupten, »Unterschiedenheit« und »Ungleichheit« und »das Nichtseiende« sei die Veränderung; davon muß sich aber gar nichts verändern, weder wenn etwas »unterschieden« wäre, noch auch als »ungleiches« oder »nichtseiendes«. Und der Übergang in dieses oder aus diesem hat überhaupt keinen Vorrang vor dem aus dem jeweiligen Gegenteil. Ursache davon, daß man sie hier eingeordnet hat, ist die Tatsache, daß Veränderung etwas Unbestimmbares zu sein scheint, und die Anfangsgründe der einen Seite der Zuordnung sind es auf Grund ihrer Noch-nicht-Bestimmtheit auch: keins von ihnen ist ein »dieses« oder ein »solches« und gehört auch nicht den übrigen Grundaussagen an. Dafür, daß Veränderung unbestimmbar zu sein scheint, liegt die Ursache darin, daß man sie im Bereich des Seienden weder auf der Seite der Möglichkeit noch unter die wirkende Tätigkeit einordnen kann: weder, was ein »irgendwieviel« sein kann, verändert sich mit Notwendigkeit, noch das, was schon wirklich ein »so-und-so-viel« ist, und Veränderung scheint zwar eine Art Wirksamkeit zu sein, aber eine noch nicht zu
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Ende gebrachte. Ursache davon ist: Noch unvollkommen ist das Mögliche, dessen Verwirklichung sie ist. Deswegen ist es schwierig, sie (die Veränderung) in dem zu fassen, was sie (wirklich) ist: Man müßte sie entweder unter »noch fehlende Bestimmtheit« setzen oder unter »Möglichkeit« oder unter »Wirklichkeit«, im strengen Sinn genommen; aber keins von diesen erweist sich offenbar als möglich. Bleibt also nur die beschriebene Weise, daß sie zwar eine Art Wirksamkeit ist, aber eine so geartete, wie oben gesagt, – schwierig auszumachen, doch möglich in ihrem Vorkommen. Es befindet sich auch alles in Veränderung, was in besagter Weise verändernden Anstoß gibt, was der Möglichkeit nach veränderbar ist und dessen Bewegungslosigkeit »Ruhezustand« heißt – wovon »verändernde Bewegung« ausgesagt werden kann, dessen nicht vorhandene Bewegung heißt eben »Ruhe« –; die Einwirkung auf dieses, insofern es ein solches ist, ist eben das Verändern. Dies tut es aber durch Berührung, also erfährt es zugleich auch etwas. Deswegen (gilt): Veränderung (ist) Zum-Ziel-Bringen des Veränderbaren, sofern es veränderbar ist; dies geschieht aber durch Berührung mit dem in Veränderung Setzenden, so daß also gleichzeitig auch dieses etwas erfährt. Eine bestimmte Form aber wird das Verändernde je mitbringen, entweder ein »dieses« oder »solches« oder »so-undsovieles«, welche Grund und Ursache der Veränderung ist, dann wenn es sie in Gang bringt; z. B.: Der wirklich existierende Mensch macht aus einem der Möglichkeit nach vorhandenen Menschen einen Menschen. 3. Auch die umstrittene (Vorstellung) klärt sich nun, daß die Veränderung sich findet an dem Veränderbaren. Sie ist ja dessen Zum-Ziel-Bringen mit Hilfe dessen, was den Bewegungsanstoß geben kann; und die Tätigkeit des Veränderung Anstoßenden ist ja keine andere (als eben diese): es muß doch ein Zum-Ziel-Kommen beider sein. In der Lage, Veränderung bewirken zu können, ist es auf Grund seiner Möglichkeit (dazu), Veränderung bewirkend ist es durch Tätigkeit; aber tätig sein
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könnend ist es nur in Beziehung auf ein Veränderbares; daher die Tätigkeit beider in ähnlicher Weise eine einzige ist, wie der Abstand »1 bis 2« derselbe ist wie »2 bis 1« oder (das Verhältnis von) »ansteigend« und »abschüssig« (bei einem Weg): das ist ja ein einziger (Sachverhalt), allerdings der Begriff davon ist nicht einer. Ähnlich ist es nun auch mit Veränderndem und sich Veränderndem. Das enthält (nun noch) eine nur für’s Drüberreden bestehende Schwierigkeit: Vielleicht muß es nämlich doch geben eine Tätigkeit des Bewirkenden und (davon unterschieden) eine des Erfahrenden; das eine wäre dann »Einwirkung«, das andere »Erleiden«, und Ergebnis und Ziel des einen wäre »Werk«, des anderen »Ereignis«. Da nun beides Veränderungsvorgänge sind – und wenn sie doch unterschieden sein sollen –, an wem (finden sie statt)? Nun, entweder doch beide an dem Einwirkung Erfahrenden und sich Verändernden, oder die Einwirkung an dem Bewirkenden, das Erleiden an dem Erfahrenden – wollte man auch dies wieder »Einwirken« nennen, dann wäre das ein Spiel mit gleichen Worten –. Aber nun, wenn dieses (Letztere): dann wird die Veränderung an dem Verändernden stattfinden – denn bei Veränderndem und sich Veränderndem gilt doch das gleiche Verhältnis (wie bei Bewirkendem und Erfahrendem) –, so daß also entweder (gilt): Alles Verändernde befindet sich auch selbst in Bewegung, oder: Es hat zwar Veränderung an sich und verändert sich doch nicht. Wenn, andrerseits, beides an dem in Veränderung Befindlichen und sie Erfahrenden (stattfindet), sowohl die Einwirkung wie auch das Erleiden, und so auch (etwa) sowohl die Belehrung wie auch das Lernen, die doch zwei (Vorgänge) sind, an dem Lernenden, dann wird, erstens, die Tätigkeit eines jeden nicht an jedem vorhanden sein, zweitens ist es unsinnig, daß zwei Veränderungsvorgänge gleichzeitig ablaufen sollten: welche sollen sie denn sein, die zwei Eigenschaftsveränderungen, an einem einzigen Gegenstand und auf eine einzige Form hin (stattfindend)? Das geht ja gar nicht. – (Einwand:) Aber die Tätigkeit soll eine einzige sein! – Dagegen: Es ist ja wohl undenkbar, wie zwei der Art nach verschiedene (Dinge) eine und dieselbe
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Tätigkeit ausüben sollen. Und das würde ja eintreten: Wenn »Belehrung« und »Lernen« dieselbe Tätigkeit sein sollen, und (überhaupt) »Einwirkung« und »Erleiden« auch, dann bedeutet auch »lehren« das gleiche wie »lernen«, und »einwirken« das gleiche wie »Einwirkung erfahren«; dann müßte ja notwendig der Lehrende alles lernen und der Einwirkende (alles selbst) erfahren. Oder (gilt gegen das alles Folgendes?): Weder daß die Tätigkeit des einen an einem von ihm Verschiedenen (sich vollzieht), ist eine unsinnige Annahme – »lehren« ist doch die Tätigkeit eines, der lehren kann, allerdings (ausgeübt) an jemandem, nicht abgeschnitten (von aller Lebenswirklichkeit), sondern (es ist Tätigkeit) »dessen an dem« –, noch besteht irgendein Hinderungsgrund anzunehmen, daß die eine (Tätigkeit) zweier (Leute) dieselbe sei – nicht so, als wären sie begrifflich dasselbe, sondern so, wie das (nur) Mögliche im Vergleich zu dem Wirklichen zutrifft –, noch schließlich muß der Lehrende (selbst auch alles) lernen, auch dann nicht, wenn »einwirken« und »Einwirkung erfahren« den gleichen Vorgang bezeichnen – dies allerdings nicht in dem Sinne, daß ihre Begriffsbestimmung, die das »was-es-wirklich-war« angibt, eine einzige wäre, wie z. B. bei »Gewand« und »Kleid«, sondern so, wie der Weg von Theben nach Athen und der von Athen nach Theben (der gleiche ist), wie auch schon früher gesagt ist. Es sind ja nicht alle Eigenschaften die gleichen, die dem, was nur so in etwa (unter einander) das gleiche ist, zukommen, sondern dies gilt nur für Gegenstände, deren ganzes Wesen miteinander gleich ist. Und schon gar nicht, auch wenn »Belehrung« und »Lernvorgang« denselben Vorgang beschreiben, ist lernen dasselbe wie lehren, so wie auch, wenn der Abstand zwischen (zwei) von einander entfernten Punkten ein einziger ist, es nicht ein und dasselbe ist, die Entfernung von hier nach dort oder von dort nach hier beginnen zu lassen. Um es allgemein zu sagen: Weder ist »Belehrung« mit »Lernvorgang« noch »Einwirkung« mit »Erleiden der Einwirkung« im eigentlichen Sinn dasselbe, sondern das ist nur jenes, dem diese beiden (als Aussagen) zukommen, der Begriff »Veränderung« selbst; denn (die beiden
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Sachverhalte), daß es Wirkung gibt »dessen an dem« und auch »auf dies durch jenes« sind dem Begriffe nach verschieden. Was nun also Veränderung wirklich ist, ist damit gesagt, sowohl im Allgemeinen wie im Einzelnen; es ist nämlich nicht mehr unklar, wie eine jede ihrer Arten wird festgelegt werden müssen: Eigenschaftsveränderung z. B. ist das endliche ZurWirklichkeit-Kommen dessen, was eigenschaftlich veränderbar ist, insofern es eben dies ist. Des weiteren ist einsichtiger geworden die (Verwirklichung) des der Möglichkeit nach Einwirkenden und des Einwirkung Erfahrenden, insofern beides ein solches ist, auch hier wieder im Allgemeinen und im Einzelnen, sei es »Hausbau« oder »ärztliche Tätigkeit«. Auf gleiche Weise wird sich sprechen lassen auch über jede andere aller Formen von Veränderung.
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4. Da es die Natur-Wissenschaft zu tun hat mit (Raum-) Größen, Veränderung und Zeit, von denen jedes entweder unbegrenzt oder begrenzt sein muß – wenn auch nicht alles (dieser Einteilung in) »unbegrenzt« oder »begrenzt« unterliegt, Beispiel: Gemütszustand oder Punkt; derartiges muß wohl nicht einer der beiden Seiten dieses Gegensatzes angehören –, (deshalb) ist es wohl angebracht, wenn jemand, der sich um den Naturbegriff bemüht, auch die Bestimmung »unbegrenzt« ins Auge faßt, (mit der Fragestellung) ob es so etwas gibt oder nicht, und wenn es das gibt, was es denn ist. Anzeichen dafür, daß die Untersuchung dieses Begriffs zu diesem (naturwissenschaftlichen) Erkenntniszweig von Haus aus gehört, ist: Alle, die in dem Ruf stehen, dieses Denkgebiet mit nennenswertem Erfolg bearbeitet zu haben, haben sich ausdrücklich mit dem Unendlichen auseinandergesetzt, und alle setzen es als einen Seinsgrund an: Die einen, so die Pythagoreer und Platon, nehmen es rein für sich, nicht als etwas, das an einem anderen vorkommt, sondern so, als ob die Bestimmung »unbegrenzt« selbst einen Sinn hätte. Nur setzen es die Pythagoreer in den Bereich der sinnlich wahrnehmbaren Dinge – die Zahl nehmen sie ja als nicht abtrennbar – und (lehren), der Raum außerhalb des Himmelsgewölbes sei unendlich;
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Platon dagegen (sagt), außerhalb gebe es keinen Körper, auch nicht die Ideen, weil die gar nicht »irgendwo« seien, die Grenzenlosigkeit sei aber sowohl im sinnlichen Bereich wie auch unter ihnen anzutreffen. Und (als weiterer Unterschied:) sie (lehren), das Unbestimmbare sei die gerade Zahl – diese, eingefaßt und von der ungeraden Zahl zur Abgrenzung gebracht, gewähre der Vielheit des Seienden seine Grenzenlosigkeit; ein Anzeichen dafür sei das, was bei der Zahlen(darstellung) sich ergebe: Wenn man nämlich die »Maßwinkel« um die 1 herumlege, und wenn man es unter Ausschluß ihrer tue, so entstehe im zweiten Fall immer eine andere Figur, im ersten aber immer nur eine einzige –; Platon dagegen setzt zwei Unbegrenzte an: Das Große und das Kleine. Die Natur-Denker hingegen legen alle der Grenzenlosigkeit ein von ihr verschiedenes Naturding aus der Gruppe der sogenannten Grundstoffe unter, wie: Wasser, oder Luft, oder das Mittelding dieser. Von denen, die die Anzahl der Elemente als begrenzt ansetzen, nimmt sie keiner als von unbegrenzter Häufigkeit an. Die aber die Elemente als unendlich viele ansetzen – so Anaxagoras und Demokrit: Der eine (läßt sie) aus den »gleichteiligen Stoffen« (bestehen), der andere aus der »keimhaften Allgegenwärtigkeit« der Formen –, die sagen, dies Unendliche sei in einem lückenlosen Berührungszusammenhang. Und der Erstere (behauptet), ein jedes der Teilstücke sei eine Mischung gleichwie das All auch, weil man doch sehe, daß alles Beliebige aus Beliebigem entstehe; das ist ja wohl auch der offensichtliche Grund für seine Behauptung, einmal seien »alle Dinge beieinander« gewesen, z. B. diese bestimmte Fleisch- und jene bestimmte Knochen(menge), und so auch Beliebiges; also alles, und auch gleichzeitig. (Nach ihm) liegt ja ein Anfang der Entmischung nicht nur in jedem Einzelding, sondern (es gibt auch einen) aller zusammen. Da ja, was entsteht, aus einem solchen (gemischten) Körper entsteht und da es von allem eine Entstehung gibt, nur nicht zugleich, so muß es auch einen Ursprung des Entstehens geben, dieser aber ist ein einziger – welchen er »(Welt-)Vernunft« nennt –, diese Vernunft aber geht von einem bestimmten Anfang her
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an die Arbeit, nachdem sie vorher (planende) Gedanken gefaßt hat. So soll notwendig werden die Vorstellung »einmal war alles beisammen«, und dann fing es einmal mit der Veränderungsbewegung an. Demokrit dagegen lehrt, von den Erstformen könne nicht die eine aus der anderen entstehen; gleichwohl ist auch für ihn der gemeinsame (All-)Körper der Uranfang von allem, er unterscheidet sich in seinen Bestandteilen nach Größe und äußerer Form. Daß also diese Untersuchung den Natur-Forschern als Aufgabe zusteht, ist somit klar. Aus gutem Grund setzen alle es (das Unbegrenzte) auch als Anfangsgrund: Weder könne es ja sinnloserweise vorhanden sein, noch könne ihm eine andere Bedeutung zukommen außer der als Grund; nun sei alles entweder (selbst) ursprünglicher Anfang oder Folgeeines solchen Anfangs, von Unbegrenztem aber kann es keinen Anfang geben, denn der wäre ja schon eine Grenze an ihm. Außerdem sei es auch ungeworden und unvergänglich, da es eben doch ein Anfangsgrund sei; denn ein Gewordenes müsse notwendig ein Ende nehmen, und ein Ende gibt es auch bei jedem Verfall. Deshalb – wie wir ja sagen – gibt es offenbar von diesem Anfang keinen Anfang, sondern es scheint Anfang alles übrigen zu sein und alles zu umfassen und sämtliches zu lenken, – so sagen es die, welche neben »unbegrenzt« keine anderen Ursachen stellen, etwa wie »(Welt-)Vernunft« oder »Liebe«. Und es soll dann auch das Göttliche sein; denn es sei unsterblich und dem Verderben nicht unterworfen, wie Anaximandros sagt und die meisten der alten Natur-Denker. Dafür, daß es etwas Unbegrenztes auch wirklich gebe, ergibt sich die zuversichtliche Annahme wohl, wenn man besonders fünf (Stücke) ins Auge faßt: (1) (ergibt sie sich) aus der Zeit – die ist unendlich –; (2) aus der Teilung bei den Größen – es benutzen ja auch die Mathematiker den Unendlichkeitsbegriff –; (3) (aus der Überlegung), daß wohl nur dann Werden und Vergehen nicht aufhören, wenn der Bestand, aus dem das Entstehende entnommen wird, unbegrenzt ist; weiter (4) (aus der Überlegung), daß ein Begrenztes immer an etwas grenzen
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muß, daher es notwendig keine (Gesamt-) Grenze geben kann, wenn doch immer eins an ein anderes angrenzen muß; (5) die allermächtigste Überlegung, die allen gemeinsame Schwierigkeiten bereitet, ist aber diese: Auf Grund der Tatsache, daß es beim Nachdenken darüber kein »Halt!« gibt, scheint auch die Zahlenreihe unendlich zu sein, und die mathematischen Größen, und der außerhalb des Himmelsgewölbes liegende Bereich. Wenn aber dieser Außenraum unendlich ausgedehnt ist, dann scheint es ja wohl einen unbegrenzt großen (Welt-) Körper zu geben und unendlich viele Welten: wieso sollte denn hier mehr an Leerem sein als da? Wenn also erst einmal an einer Stelle, dann sei die Masse gleich auch überall: wenn sowohl leere Ausdehnung und (Welt-)Ort unendlich groß sind, dann zugleich auch mit Notwendigkeit der Welt-Körper. Denn Seinkönnen und Sein unterscheidet sich bei den ewigen (Dingen) nicht. Nun hat die Lehre vom Unbegrenztheitsbegriff aber auch Schwierigkeiten: Ob man ansetzt, ein Unendliches gebe es nicht, so folgen daraus viele Unmöglichkeiten, ebenso (wenn man ansetzt), es gebe das. Weiter, auf welche von beiden Weisen kommt es vor: Entweder als Ding oder als eigentümliche Zusatzbestimmtheit an einem Naturding? Oder auf beide Weisen nicht, und trotzdem gibt es nichtsdestoweniger ein Unbegrenztes oder unbegrenzt Vieles? Besonders Aufgabe des Natur-Forschers eine sinnlich wahrnehmbare Größe von unbegrenzter Ausdehnung gibt. Zuerst ist nun zu bestimmen, in wie vielen Bedeutungen »unbegrenzt« ausgesagt wird. Auf eine Weise: Das, bei dem man unmöglich ein Ende erreichen kann, weil ihm von Natur aus das Durchgehen überhaupt nicht gegeben ist, so wie (etwa) die Stimme unsichtbar ist. Auf eine andere: Das, was an sich durchaus die Möglichkeit des Durchgangs hat, wobei man jedoch nicht an ein Ende kommt, entweder was (dem Durchlaufen) große Mühe bereitet, oder was, von Natur aus dazu ausgestattet, Durchgang und Grenze zu haben, dies doch nicht hat. Schließlich kann unendlich sein alles in Rücksicht auf Hinzusetzen oder auf Teilen oder auf beides.
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5. Ablösbar von den Sinnendingen kann (die Bestimmung) »unbegrenzt«, in dem Sinn, daß ein Unbegrenztes für sich selbst etwas wäre, nicht sein. Wenn nämlich »unbegrenzt« für sich weder Größe noch Anzahl bezeichnet, sondern ein Gegenstand und nicht ein (dem Gegenstand nur) Zutreffendes sein soll, dann wird es unteilbar sein – das Teilbare ist doch entweder Größe oder Anzahl –, wenn aber ein solches, so nicht unbegrenzt, außer in dem Sinn, wie die Stimme unsichtbar ist. Aber nicht in diesem Sinn meinen seine Bedeutung die, welche die Wirklichkeit von Unbegrenztem behaupten, und auch wir untersuchen es nicht so, sondern in dem Sinn von etwas, bei dem man, es durchgehend, an kein Ende gelangen kann. Wenn aber »unbegrenzt« nur nebenbei zutreffend steht, dann ist es wohl kaum, als dieses Unbegrenzte, Grundbaustein des Seienden, so wie ja auch »unsichtbar« nicht (Baustein) von Sprache ist – und doch ist die Stimme tatsächlich unsichtbar. Weiter: Wie soll es etwas geben können, das als dieses selbst unbegrenzt ist, wenn (eben ein Dieses-Sein) für Zahl und Größe nicht gelten soll, deren An-und-für-sich-Eigenschaft »unbegrenzt« doch nur ist? Für »unbegrenzt« besteht dazu ja noch viel weniger Notwendigkeit als für »Zahl« oder »Größe«. Es ist aber auch offensichtlich, daß Unbegrenztes nicht in der Weise von wirklich Seiendem und als Ding und Anfangsgrund Vorkommen kann: dann wird ja jedes beliebig entnommene Stück von ihm, wenn es in Stücke zerlegbar ist, wieder die Bestimmung »unbegrenzt« tragen – denn »UnbegrenztSein« und »etwas-Unbegrenztes-sein« ist ja dasselbe, wenn die Bestimmung »unbegrenzt« ein Ding bezeichnet und nicht von einem (anderen) Gegenstand (ausgesagt wird) –; also ist es entweder unteilbar oder in unbegrenzte Stücke teilbar. Daß aber Ein und Dasselbe viele unbegrenzte Stücke sein könnte, ist unmöglich – aber (das wäre ja die Konsequenz:) so wie der Luft-Teil (selbst wieder) Luft ist, genau so muß (der Teil) von »unbegrenzt« selbst unbegrenzt sein, wenn dies doch Ding und Anfangsgrund sein soll –; also (– andere Seite –) ist es nicht in Stücke zu zerlegen und unteilbar. Das aber kann ein wirklich und tatsächlich vorhandenes Unbegrenztes un-
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möglich sein: es ist ja notwendig als ein »irgendwie-vieles« bestimmt. Also (bleibt nur übrig:) als nur zutreffende Bestimmung kommt »unbegrenzt« (an anderem) vor. Aber wenn man das annimmt, so ist ja schon gesagt, daß man es dann nicht mehr als Anfangsgrund ansprechen kann, sondern nur das, dem es zukommt, (z. B.) die Luft oder die gerade Zahl. Es ist also unsinnig die Darlegung derer, die so reden, wie es die Pythagoreer tun: Gleichzeitig setzen sie das Unbegrenzte als gegenständlich und zerspalten es auch in Teile. Aber vielleicht müßte diese Untersuchung ganz allgemein geführt werden: Ob Unbegrenztes auch in den Gegenständen der Mathematik Vorkommen kann und im Bereich des nur Denkbaren, das keine ausgedehnte Größe hat. Wir dagegen betrachten hier (nur) die Sinnendinge und (beschränken uns auf) das, was wir hier zu unserer Aufgabe machen: Gibt es unter diesen oder gibt es nicht einen Körper, unbegrenzt hinsichtlich seines möglichen Anwachsens? Schaut man die Sache zunächst rein begrifflich an, so ergibt sich wohl aus folgenden Überlegungen, daß es ihn nicht gibt: Ist die Begriffsbestimmung von »Körper« dies: »durch eine Oberfläche begrenzt«, dann kann es ja wohl keinen unbegrenzten Körper geben, weder einen denkbaren noch einen sinnlich wahrnehmbaren – aber (es kann) ja auch nicht einmal eine Zahl (geben), verstanden in dem Sinne von »abgezogen von Sinnendingen und unendlich«; denn zählbar ist Zahl oder das, was Zahl an sich hat; ist nun »zählbar« bestimmt als »das, was zu Ende durchgezählt werden kann«, dann müßte es ja möglich sein, beim Durchgang durch dies »Unendliche« an ein Ende zu kommen. Richtet man die Betrachtung mehr nach der Natureigentümlichkeit, (so ergibt sich das Gleiche wie oben) aus Folgendem: Weder als zusammengesetzter (Körper) kann er (unbegrenzt sein) noch als einfacher. Zusammengesetzt wird der unbegrenzt große Körper nicht sein können, wenn seine Grundstoffe an Menge begrenzt sind. Es ist ja notwendig, daß sie eine Mehrzahl sind und daß die
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gegensätzlichen (unter ihnen) sich jeweils das Gleichgewicht halten, und es darf dann nicht einer von ihnen von unbegrenzter Menge sein: wenn das in einem Körper vorhandene Kraftvermögen um ein beliebiges Maß hinter der eines anderen zurückbleibt, – Beispiel: Feuer sei begrenzt, Luft unbegrenzt, (wenn dann auch) eine gleiche Menge Feuer an Kraftvermögen so und so viel mal mehr leistet als die gleiche Menge Luft – nur muß dies Verhältnis in Zahlen ausdrückbar sein –, dann ist dennoch offenkundig, daß das Unbegrenzte (hier) das Begrenzte überwältigen und vernichten wird. Daß aber jedes von ihnen unbegrenzt wäre, ist auch unmöglich: »Körper« ist als »das nach allen Richtungen Ausdehnung Besitzende« bestimmt, »unbegrenzt« ist das grenzenlos Ausgedehnte, also, »unbegrenzter Körper« muß sein »das nach allen Seiten ins Unbegrenzte Ausgedehnte«. Aber auch einheitlich und einfach kann ein unbegrenzter Körper nicht sein, weder in dem Sinne, wie einige den (Stoff) neben den Grund-Körpern (ansetzen), aus dem sie diese dann erzeugen, noch überhaupt. Es gibt ja Denker, die das Unbegrenzte zu einem solchen machen – und nicht Luft oder Wasser (als dieses ansetzen) –, damit nicht alle übrigen (Grundstoffe) durch den unbegrenzten unter ihnen vernichtet werden. Sie (die Grundstoffe) zeigen ja Gegensatz unter einander, z. B. die Luft: kalt; das Wasser: feucht; das Feuer: warm. Wenn von diesen eines unbegrenzt wäre, dann wären die übrigen schon längst vernichtet. Nun aber sagen sie, es gebe ein davon Verschiedenes, aus welchem diese (entstünden). Es ist aber unmöglich, daß es so etwas gibt, – nicht (nur) weil es unbegrenzt (sein soll) – darüber muß Allgemeines, über alles in gleicher Weise, ausgesagt werden, sowohl über Luft, wie Wasser und was auch immer –, sondern weil es einen solchen sinnlich wahrnehmbaren Körper neben den sogenannten Bausteinen nicht gibt: Woraus alles besteht, in das löst es sich auch wieder auf, – so daß so etwas hier (greifbar) sein müßte, neben Luft, Feuer, Erde und Wasser; es erscheint aber nichts davon. Auch Feuer oder irgendein anderer der Grundbaustoffe kann auf keinen Fall unbegrenzt sein; überhaupt und abge-
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sehen davon, daß dann (wieder) eines von ihnen unbegrenzt wäre, ist es unmöglich, daß das All, auch wenn es begrenzt sein sollte, ein einziges von ihnen wäre oder würde, so wie Heraklit sagt, alles werde einmal zu Feuer, – dieselbe Überlegung gilt auch für diesen einen (Urstoff), den die Natur-Denker neben den Stoffen ansetzen. Alles wandelt sich ja aus einem Gegenteil in ein Gegenteil um, z. B. aus »warm« in »kalt«. Man muß aber (allgemein) bei jedem (Grundstoff) mit Hilfe dieser Überlegungen prüfen, ob es sich so mit ihm verhalten kann oder nicht. Daß es ganz unmöglich ist, daß ein wahrnehmbarer Körper von unbegrenzter Größe sei, ist aus Folgendem klar: Alles Wahrnehmbare ist von Natur aus mit der Eigenschaft ausgestattet, irgendwo zu sein, und es gibt einen bestimmten Ort eines jeden, und der ist derselbe für den Teil wie für das Ganze, z. B. der der ganzen Erde und der eines einzigen Erdklumpens oder der des Feuers und eines seiner Funken. Wenn also er (der angenommene Welt-Körper) einförmig wäre, dann gibt es in ihm gar keine Bewegung oder nichts als dauerndes Hin-und-her-Bewegen. Aber das ist ja unmöglich: Was sollte dann oben oder unten oder wo auch immer sein? Ich meine, z. B. bei einem Erdklumpen, wo wird seine Bewegungsbahn verlaufen, oder wo wird er dann (mit Bewegung aufhören und) bleiben? Der Ort des mit diesem Klumpen gleichartigen Körpers ist ja (gemäß Annahme) unbegrenzt groß. Soll er etwa nun den ganzen Ort besetzen? Ja, wie denn? Welche Form von Ruhe und Bewegung soll ihm eignen und wo (im Ganzen)? Soll er etwa überall verharren können? Dann wird ihm die Bewegung verloren gehen. Oder soll er sich überall bewegen können? Dann kommt er nirgends zur Ruhe. – Ist andrerseits das All nicht einförmig, dann sind von verschiedener Art auch die Orte. Erstens ist dann der Körper des Alls nicht (wirklich) einheitlich, außer im Sinn bloßer Berührung (seiner Teile). Zweitens sind diese (Bestandsstücke) dann entweder begrenzt oder unbegrenzt hinsichtlich ihrer Arten. Begrenzt (der Art nach) können sie nun nicht sein, – denn wenn doch das All unbegrenzt sein soll, dann müßten die einen un-
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begrenzt (der Anzahl nach) sein, die anderen nicht, Beispiel: Feuer oder Wasser; das würde, wie schon früher gesagt, für die dazu gegensätzlichen (Stoffe) die Vernichtung bedeuten. [ ... ] Sind sie dagegen unbegrenzt (der Art nach) und (untereinander) ungemischt, so wird es auch unzählig viele Orte und unzählig viele Grundstoffe geben. Ist das jedoch unmöglich und ist die Anzahl der Orte begrenzt, dann muß dieser Schluß auch für das Ganze gelten. Es ist ja unmöglich, daß Ort und Körper nicht genau aufeinander passen: weder kann der AllOrt größer sein, als bis wie weit der All-Körper reichen kann – zugleich wäre noch dieser Körper dann auch von nicht unbegrenzter Größe – noch der Körper größer als der Ort; denn entweder (im ersten Fall) wird es ein Leeres geben oder (im zweiten) einen Körper, dem es von Natur nicht gegeben ist, irgendwo zu sein. 〈Deswegen hat ja wohl keiner der alten NaturDenker dieses Einheitliche Unbegrenzte als Feuer oder Erde angesetzt, sondern entweder als Wasser oder Luft oder deren Mittleres, (eben) weil der Ort jedes der beiden (ersteren) klar und fest bestimmt war, diese (letzteren) hingegen bezüglich Oben und Unten sich nicht recht festlegen wollen.〉 Was Anaxagoras über die Beharrung des unbegrenzten (Alls) lehrt, ist unsinnig: Es stütze sich selbst, sagt er, dies Unbegrenzte; dies (sei möglich), weil es »in sich selbst« sei – da sei ja nichts anderes, es zu umfassen –, wobei er voraussetzt, wo etwas sich befinde, dort zu sein sei ihm von Natur gegeben. Das stimmt aber nicht: Es kann auch etwas irgendwo auf Grund äußeren Zwanges sein, und (so) nicht dort, wo es von Natur aus sein sollte. Gibt man sogar einmal zu, das Weltganze bewege sich nicht (von Ort zu Ort) – denn was von sich selbst gestützt wird und in sich selbst ist, muß notwendig bewegungslos sein –, ja dann muß man doch begründen, wieso es ihm nicht naturgegeben ist, sich zu bewegen. Es reicht ja nicht, es bloß zu behaupten und dann mit der Sache fertig zu sein. Dann könnte es nämlich auch sein, daß es nur keinen Platz hat, sich anderswohin zu bewegen, und es deshalb nicht tut, wobei aber nichts die Annahme hindert, daß ihm die Möglichkeit dazu doch naturgegeben ist. So ist es ja mit der Erde: Sie verläßt ih-
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ren Platz nicht – auch nicht, wenn sie unbegrenzt groß wäre –, aber dies, weil sie eingesperrt ist von der (Welt-)Mitte; es ist ja nicht so, daß sie nur dabliebe, weil es keine andere Stelle gibt, wohin sie getragen werden könnte, sondern (dies tut sie), weil sie von Natur aus so geartet ist. Und doch könnte man auch hier sagen: »sie stützt sich selbst«. Wenn nun nicht einmal bei der Erde, diese einmal als unbegrenzt groß angesetzt, dies die Ursache ist, sondern (die Tatsache), daß sie Schwere an sich hat, Schweres aber verharrt an der (Welt-)Mitte, die Erde (hat also ihren Platz) in der Mitte, in ganz gleicher Weise könnte dann auch das (anaxagoreische) Unbegrenzte auf Grund irgendeiner anderen Ursache in sich selbst verharren, und nicht weil es unbegrenzt ist und sich selbst stützt. Gleichzeitig ist auch klar, daß wohl auch jeder beliebige Teil (eines solchen Unbegrenzten) bewegungslos verharren müßte: Wie das Unbegrenzte stützend in sich selbst verharrt, so wird auch, wenn man einen beliebigen Teil herausnimmt, dieser in sich selbst verharren; vom Ganzen und vom Teil sind die Orte ja gleichartig, z. B. (der) der ganzen Erde und (der) eines Klumpens: unten, und (der) des ganzen Feuers und (der) eines Funkens: oben. Wenn also der Ort des Unbegrenzten das »in sich selbst« ist, dann wird es für dessen Teil der gleiche sein: er wird also »in sich selbst« verharren. Überhaupt ist offenkundig, daß die beiden Sätze, (1) es gebe einen unendlich großen Körper, und (2) die Körper (im All) hätten darin einen bestimmten Ort, unmöglich zugleich bestehen können, wenn jeder sinnlich wahrnehmbare Körper Schwere oder Leichtigkeit besitzt und, wenn er schwer ist, von Natur aus einen Bewegungsdrang hin zur (Welt-)Mitte hat, wenn aber leicht, einen nach oben: notwendig müßte das auch für das Unbegrenzte gelten; es ist aber unmöglich, daß ihm entweder als ganzem irgendeine der beiden (Möglichkeiten), oder daß einer Hälfte von ihm die eine, der andere die andere (Möglichkeit) widerführe: wie soll man es denn trennen können? Oder: Wie soll es von dem Unbegrenzten ein Oben und Unten oder einen Rand und eine Mitte geben?
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Weiter, jeder sinnlich wahrnehmbare Körper ist an einem Ort; die Arten und Unterschiede von Ort sind aber: »oben und unten«, »vorn und hinten« und »rechts und links«; und das nicht nur in bezug auf uns und der bloßen Anordnung nach, sondern es ist auch in dem Weltganzen selbst fest abgesetzt. Es ist aber unmöglich, daß es in dem (angenommenen) Unbegrenzten so etwas gibt. Kurz und gut, wenn es unmöglich einen unendlich großen Ort geben kann, und wenn jeder Körper an einem Ort ist, so ist es unmöglich, daß es einen Körper von unbegrenzter Ausdehnung geben könnte. Nun ist doch etwas, wovon man »irgendwo« sagen kann, an einem Ort und (umgekehrt), was an einem Ort ist, irgendwo. Wenn nun »unbegrenzt« auch nicht durch »so-und-so-viel« bestimmt sein kann – denn sonst muß es gleich zu einem (einzeln) als so und so viel Bestimmten werden, z. B. zwei Ellen lang, drei Ellen lang ...; dergleichen bringt ja das »so-und-so-viel« zum Ausdruck ebenso besagt auch »an einem Ort« (für das Unbegrenzte), daß es »an dieser bestimmten Stelle da« (sein muß), und das wäre entweder oben oder unten oder in irgendeiner anderen Richtung von den sechsen, von diesen stellt aber jedes eine bestimmte Abgrenzung dar. Daß es also in tatsächlicher Wirklichkeit einen Körper von unbegrenzter Größe nicht geben kann, ist aus diesem offenkundig. 6. Daß andrerseits, wenn es Unbegrenztes überhaupt nicht gibt, viel Unmögliches sich ergibt, ist klar: Dann müßte es von der Zeit einen Anfang und ein Ende geben, die (ausgedehnten) Größen wären nicht (immerfort) in Größen teilbar, und die Zahlenreihe wäre nicht unendlich. Wenn es nun, nach diesen so getroffenen Bestimmungen, auf keine dieser beiden Weisen zu gehen scheint, so ist ein Schlichter nötig, und es ist klar, daß (sein Spruch so aussehen muß:) in bestimmtem Sinne gibt es das wohl, in einem bestimmten anderen aber nicht. Also: »sein« wird ausgesagt einmal in der Weise der Möglichkeit, zum anderen in der der zum Ziel gekommenen Wirk-
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lichkeit; und »unbegrenzt« ist einmal in der Weise von Hinzusetzung, zum anderen in der von Teilung (denkbar). Von der (Raum-)Größe gilt, wie gesagt: In tätiger Wirklichkeit ist sie nicht unbegrenzt; in der Weise von Teilung geht es wohl. – Es ist ja nicht schwierig, die Sache mit den »unteilbaren Linien« zu erledigen. – So bleibt also (die Annahme), daß »unbegrenzt« nur in der Weise der Möglichkeit vorkommt. Man darf aber den Ausdruck »der Möglichkeit nach seiend« nicht in dem Sinne nehmen: So wie, wenn es möglich ist, daß dies hier ein Standbild ist, dann wird dies auch einmal ein Standbild sein – genau so auch ein Unbegrenztes, was einmal in tatsächlicher Wirklichkeit sein wird. Dagegen, indem doch der Ausdruck »sein« viele Bedeutungen hat, (so gilt:) Wie der Tag »ist«, und der Wettkampf, (nämlich) dadurch daß immer wieder etwas Neues eintritt, genauso auch das Unbegrenzte; – auch bei diesen (Sätzen) gibt es noch das »der Möglichkeit nach« und das »tatsächlich«: »Die Olympischen Spiele sind.«, das kann heißen: Der Wettkampf kann ablaufen, oder: er findet gerade statt. Eine je andere Bedeutung nimmt offenbar »unbegrenzt« (einerseits) in der Zeit und bei den Menschen an und (andererseits) bei der Teilung von Größen. Ganz allgemein kommt ja Unbegrenztes in der Weise vor, daß immer wieder ein Anderes hinzugenommen wird, und das Hinzugenommene ist zwar jeweils begrenzt, aber es ist immer und immer wieder ein anderes, [Weiter, »sein« wird in mehreren Bedeutungen ausgesagt; man darf also »unbegrenzt« nicht nehmen als ein »Dieses-da«, wie »Mensch« oder »Haus«, sondern so, wie man über »Tag« Aussagen macht und »Wettkampf«: denen ist ihr Sein nicht in gegenständlicher Form zuteil geworden, sondern immer nur in Werden und Vergehen, (also) als begrenzt, aber immer und immer wieder ein anderes.] nur bleibt bei den Größen das je Fortgenommene erhalten, bei der Zeit und der Menschen(reihe) geht es unter, (jedoch) so, daß (die Abfolge) nie ausgeht.
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Der Ausdruck »hinsichtlich Hinzusetzung« trifft in etwa das Gleiche wie »hinsichtlich Teilung«; an einem begrenzten Gegenstand geht das »hinsichtlich Hinzusetzung« (nur) umgekehrt vor sich: in der gleichen Weise, wie es bei seiner Teilung sichtlich ins Unendliche fortgeht, genauso führt die (unendliche) Hinzusetzung anscheinend zu dem Begrenzten. (Beispiel:) Wenn man innerhalb einer begrenzten Größe ein genau bestimmtes Teilstück herausnimmt und dann in dem gleichen Verhältnis Hinzusetzungen durchführt – wobei man diese gleiche Größe nur nicht in Beziehung zum Ganzen auffassen darf –, dann wird man die begrenzte Größe nie voll durchlaufen können; wenn man dagegen das Verhältnis in der Weise anwachsen läßt, daß man immer dieselbe Größe erfaßt, dann wird man sie durchlaufen, auf Grund des (gültigen Satzes:) »Jede endliche Größe läßt sich durch jeden beliebig festgesetzten Bruchteil von ihr ausschöpfen«. Auf andere Weise also kann es nicht sein, (in diesem) so (verstandenen Sinne) kann es jedoch sein, das Unbegrenzte, nämlich in der Hilfe fortlaufender Teilung – es ist aber auch in der Weise endlicher Wirklichkeit, so wie wir sagen: Der Tag ist, und: Der Wettkampf (ist) –; und in der Weise der Möglichkeit so, wie der Stoff, und nicht für sich bestehend, wie das Begrenzte. Auch im Sinn der Hinzufügung ist Unbegrenztes also hiernach in der Weise der Möglichkeit vorhanden, (ein Fall) von dem wir ja sagen, daß er auf gewisse Weise der gleiche ist wie der »gemäß Teilung«: Hier läßt sich ja auch immer etwas noch weiter Draußenliegendes nehmen, allerdings wird man dabei nicht jede Größe überschreiten können, so wie man mit Hilfe der Teilung jedes Begrenzte überschreitet und es immer etwas noch Kleineres gibt. Also: Alles überschreiten auf dem Wege der Hinzusetzung, das geht nicht einmal im Sinne der bloßen Möglichkeit, oder es müßte schon etwas geben, was – in beiläufiger Folge – auch wirklich und tatsächlich unbegrenzt wäre; so sagen ja die Natur-Denker, der Außen-Körper der Welt, dessen Bestand Luft oder etwas anderes dergleichen sei, sei unbegrenzt groß. Wenn es jedoch einen sinnlich wahrnehmbaren Körper von tatsächlich unbegrenzter Ausdehnung
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nicht geben kann, so ist offenkundig, daß es so etwas im Sinne der Hinzusetzung auch nicht einmal der Möglichkeit nach geben kann, außer nur, wie gesagt, als Umkehrverfahren zur Teilung; hat doch auch Platon aus dem Grunde zwei Unbegrenzte machen wollen, weil sowohl bei der Vermehrung anscheinend (alles Maß) überschritten werden kann, wie es auch bei der Wegnahme ins Unbegrenzte fortgehe. Nun setzt er sie wohl an, dann aber benutzt er sie nicht: Weder kommt (bei ihm) in den Zahlen das Unbegrenzte nach Seite der Wegnahme vor – die Eins-Zahl ist bei ihm das Kleinste – noch das nach der Seite der Vermehrung – bis zur Zehn-Zahl läßt er die Zahlenreihe gehen. Es ergibt sich so, daß »unbegrenzt« das Gegenteil von dem bedeutet, was man dafür erklärt: Nicht »was nichts außerhalb seiner hat« sondern »wozu es immer ein Äußeres gibt«, das ist unbegrenzt. Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Man nennt die Fingerringe »endlos«, die keinen Stein haben, deshalb weil immer noch ein weiterer Punkt nach außen zu fassen ist, – dabei spricht man nur im Sinne einer Ähnlichkeit so, nicht jedoch im eigentlichen Sinne des Wortes; denn für den Fall müßte es so etwas ja wirklich geben, und man dürfte nie zweimal den gleichen Punkt fassen. Beim Kreis ist es anders, nur immer das Nächste in der Reihe ist »verschieden« vom anderen. »Unbegrenzt« ist damit (in seiner Bedeutung festgelegt als) »wovon man, wenn man es nach dem Gesichtspunkt des ›wieviel‹ auffaßt, immer noch ein Weiteres annehmen kann«. Wovon es aber kein Weiteres gibt, das ist vollendet und ganz. So setzen wir die Bestimmung »ganz« ja fest: »wovon nichts fort ist«, z. B. ein ganzer Mensch oder Kasten. Und wie es mit dem Einzelfall ist, so auch der beherrschende, eigentliche: das Ganze (der Welt) ist das, wozu es nichts Äußeres gibt. Wozu es aber ein Fern-Sein draußen gibt, das ist nicht vollständig, was auch immer ihm fehlen mag. »Ganz« und »vollendet« sind in ihrer Bedeutung entweder völlig gleich oder nahe beieinander. Vollendet ist nichts, was kein Ende hat; Ende aber ist Grenze. Deshalb muß man zu der Ansicht kommen: Besser hat Parmenides gesprochen als Melissos: Der Letztere nennt das
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Unbegrenzte »ganz«, der andere aber (lehrt), das Ganze sei begrenzt, »von Mitten her gleich gerüstet«. Es heißt nämlich nicht Leinen mit Leinen verbinden, wenn man dem »All und Ganzen« das »unbegrenzt« antut; indessen entnehmen sie eben hieraus die Ehrwürdigkeit um den Unbegrenztheitsbegriff, das »alles-umfassen« und das »alles-in-sich-bergen«, – eben weil er eine gewisse Ähnlichkeit mit dem des Ganzen besitzt. Es ist ja das Unbegrenzte der Vollkommenheit der Größe Stoff, und es ist das der Möglichkeit nach Ganze, der Wirklichkeit nach aber nicht, auseinanderteilbar nach der Seite der Verkleinerung und nach der der umgekehrt dazu verlaufenden Hinzusetzung, ganz und begrenzt nicht an sich selbst, sondern (immer nur) an Anderem. Und es umfaßt auch nicht, sondern wird umfaßt, insofern es unbegrenzt ist. Deswegen ist es auch unerkennbar in dieser seiner Eigenschaft als unbegrenzt; denn dieser Stoff hat (noch) keine Form. Es ist also offensichtlich, daß »unbegrenzt« eher im Begriff des Teils als dem des Ganzen (aufzusuchen ist); ein Teil des Ganzen ist ja der Stoff, so wie »Erz« ein Teil von »ehernes Standbild«. Wenn es indessen im Bereich des sinnlich Wahrnehmbaren umfassende Aufgabe hätte, dann müßte ja im Bereich des Denkbaren das »Groß-und-Kleine« die Denkgegenstände umfassen. Es ist aber unsinnig und unmöglich, daß Unerkennbares und Unbestimmtes umfasse und bestimme.
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7. Ganz zu Recht ergibt sich der Eindruck, daß das (Verfahren) »gemäß Hinzusetzung« nicht unbegrenzt in dem Sinne ist, daß es jede erdenkliche Größe übersteigen könnte, hingegen in Richtung auf Zerteilung gibt es (die entsprechende Möglichkeit); – eingefaßt wird ja von außen her der Stoff und (so) das Unbegrenzte (auch): es ist die Form, die es einfaßt. – Aus gutem Grund ist es aber auch so, daß es bei der Zahl in Richtung auf das Kleinste eine Grenze gibt, in Richtung auf das Mehr aber immer jede Anzahl noch übertroffen werden kann; bei den (Raum-)Größen dagegen ist es umgekehrt: in Richtung auf das »kleiner« wird jede Größe unterschritten, in Richtung auf das »größer« aber gibt es keine unbegrenzte Größe.
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Ursache davon ist, daß die Ein-Zahl unteilbar ist, was auch immer da eins sein mag – Beispiel: ein Mensch, und nicht viele; Zahl ist dann eine »Mehrheit von Einsen« und (so) irgendwieviel; daher muß man bei dem Unteilbaren halten – »drei« und »zwei« sind ja nur Ableitungsformen (von eins), ähnlich auch jede andere Zahl –, hingegen, in Richtung auf das Mehr kann man immer weiter denken; unbegrenzt sind ja die Zweiteilungen der (Raum-)Größe. Also: Der Möglichkeit nach ist sie (die Zahlenreihe) es (unbegrenzt), in tatsächlicher Wirklichkeit jedoch nicht; man kann nur je etwas annehmen, was jede festgesetzte Anzahl übersteigt. Aber diese (so verstandene) Zahl ist nicht ablösbar, und ihre Unendlichkeit hat keinen Bestand, sondern wird immer nur, so wie die Zeit und ihre Zählung auch. Bei den (Raum-)Größen ist es umgekehrt: Es läßt sich Zusammenhängendes ins Unendliche fort teilen, in Richtung auf das »größer« aber ist es nicht unbegrenzt. Wie groß es nämlich der Möglichkeit nach sein kann, so groß kann es auch in Wirklichkeit sein. Da es also eine sinnlich wahrnehmbare Größe von unbegrenzter Ausdehnung nicht gibt, so ist es auch nicht einmal möglich, daß es ein Übertreffen jeder bestimmten festgesetzten Größe gibt; denn dann könnte es etwas geben, was größer wäre als der Himmel. Die Bedeutung von »unbegrenzt« ist nicht dieselbe in Anwendung auf (Raum-)Größe, Veränderung und Zeit, – als wäre dies ein einziger Naturgegenstand –, sondern hier wird das Nachgeordnete nach Maßgabe des sachlich Vorangehenden ausgesagt, z. B. Veränderung (ist ein unbegrenzt sich vollziehender Vorgang), weil die (Raum-)Größe, an der sich Ortsbewegung, Eigenschaftsveränderung und Wachstum vollziehen, (dies unbegrenzt tut); die Zeit dann ist es wegen der Veränderung. – Jetzt benutzen wir diese Begriffe schon einmal, später werden wir darüber sprechen, was ein jedes (davon) ist und daß jede Größe (immer wieder) in Größen teilbar ist. Es nimmt diese Darlegung auch den Mathematikern ihre Anschauungsweise nicht fort, indem sie die Vorstellung wegräumt, es gebe Unbegrenztes in dem Sinne, daß es in tatsächlicher Wirklichkeit vorkomme, in Richtung auf Anwachsen
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nicht zu durchlaufen: sie brauchen ja auch so das (wirklich) Unendliche nicht – jedenfalls benutzen sie es nicht –, sondern (was sie brauchen) ist nur die Möglichkeit, daß eine begrenzte (Linie) immer so groß sein können muß, wie sie es verlangen. Entsprechend der größten Größe ist dann im gleichen Verhältnis zu teilen jede beliebig angenommene andere Größe. Im Hinblick auf das mathematische Beweisverfahren macht es für sie also gar nichts aus, ob es das (die tatsächliche Unbegrenztheit) unter den vorkommenden Größen gibt. Da nun die Ursachen in vierfacher Weise eingeteilt sind, so ist es offenkundig, daß »unbegrenzt« Ursache im Sinne des Stoffs ist und daß sein begrifflicher Gehalt zu fassen ist als noch fehlende Bestimmtheit, das ihm aber an sich Zugrundeliegende ist das Zusammenhängende, sinnlich Wahrnehmbare. Es scheinen auch alle anderen das Unbegrenzte wie einen Stoff gebraucht zu haben. Gerade deshalb ist es ja unsinnig, es zum Umfassenden zu machen, und nicht zum Umfaßten. 8. Übrig bleibt noch durchzugehen, auf Grund welcher Überlegungen das Unbegrenzte nicht bloß in der Weise der Möglichkeit da zu sein scheint, sondern als ein fest umrissenes Ding. Die einen dieser (Überlegungen) sind ja nicht zwingend, die anderen haben bestimmte, wahre Gegengründe an ihrer Seite: (1) Damit das Werden nicht aufhöre, ist es durchaus nicht notwendig, daß es in tatsächlicher Wirklichkeit einen unbegrenzten sinnlich wahrnehmbaren Körper geben muß. Es ist ja möglich, daß des einen Untergang des anderen Entstehen ist, wobei das Ganze (in dem das alles stattfindet) begrenzt ist. (2) »Berühren« und »Begrenztsein« sind unterschieden. Das erste ist ein »in-Hinsicht-auf-etwas« und ein »mit-wem« – jede Berührung findet statt »mit irgendetwas« –, auch bei diesem und jenem bestimmten Begrenzten trifft dies nebenbei zu; »begrenzt« ist aber kein »in-Hinsicht-auf-etwas«. Und es wird auch nicht jedem Beliebigen zuteil, mit jedem Beliebigen in Berührung zu geraten. (3) Dem bloßen Denken zu vertrauen, ist unsinnig. Nicht auf seiten des Dings liegen Übermaß und Ausfall, sondern
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nur beim Denken: Jeden von uns könnte man sich ja in vervielfachter Größe, verglichen mit jetzt, denken, ja man könnte uns ins Unbegrenzte wachsen lassen; aber deswegen befindet sich ja noch keiner außerhalb des Größenmaßes, das wir eben haben, bloß weil es einer so denkt, sondern (wenn das zutrifft) weil es so ist. Dieses (das Denken) tritt bloß noch hinzu. (4) Zeit dagegen und Veränderung sind unbegrenzt, und Denken auch, wobei das je Herausgenommene keinen Bestand hat. (Raum-)Größe ist (tatsächlich) nicht unbegrenzt, weder durch wirkliche Ausschöpfung, noch durch gedankliches Anwachsenlassen. Damit ist über »unbegrenzt«, in welchem Sinn es das gibt und in welchem nicht, und was es ist, gesprochen.
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1. In ähnlicher Weise muß der Natur-Forscher auch über die Bestimmung »Ort« – so wie auch über »unbegrenzt« – Erkenntnis gewinnen (und die Fragen stellen), ob es das gibt oder nicht, und in welchem Sinn es vorhanden ist, und was der Begriff aussagt. Von dem, was ist, nehmen ja alle an, daß es irgendwo ist – was es nicht gibt, sei auch nirgendwo: wo gibt es denn »Bockhirsch« oder »Sphinx«? und von den Veränderungsformen ist die allgemeinste und die im eigentlichen Sinn die Ortsveränderung, wir nennen sie Bewegung. Andrerseits bringt es aber auch viele Schwierigkeiten mit sich, (wenn man fragt) was denn wohl »Ort« sein soll; denn er erscheint als ein nicht mit sich Selbiges, wenn man die Betrachtung von allen ihm zukommenden Eigenschaften aus unternimmt. Außerdem haben wir bezüglich dieses Begriffs keine Vorarbeit anderer in der Hand, weder gut gestellte Fragen noch gute Lösungswege. Daß es nun so etwas wie Ort gibt, das scheint klar zu sein auf Grund der Wechselumstellung, (Beispiel): Da, wo jetzt gerade Wasser sich befindet, ebendort – wenn es wie aus einem Gefäß entwichen ist – ist nun wieder Luft, ein andermal nimmt ebendiesen Ort irgendein anderer der (einfachen) Körper ein. Dies scheint also doch etwas von allem Eintretenden und Wechselnden durchaus Verschiedenes zu sein. Worin jetzt gerade Luft ist, darin war früher Wasser; es ist also klar, daß der Ort und Raum etwas von beiden Verschiedenes sein mußte, in welchem und aus welchem sie wechselten. Weiter, die Bewegungen der natürlichen einfachen Körper, wie Feuer, Erde und dergleichen, zeigen nicht nur an, daß »Ort« wirklich etwas bedeutet, sondern daß er sogar eine gewisse Kraft besitzt. Es bewegt sich nämlich ein jeder an seinen eigenen Ort, wenn man ihn nicht daran hindert, der eine nach oben, der andere nach unten. Dies sind aber Teile und
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Formen von »Ort« nämlich »oben« und »unten« und die übrigen der sechs Erstreckungen. Diese möglichen Anordnungen sind nicht bloß im Verhältnis zu uns da, das »oben« und »unten« und »rechts« und »links«: Für uns sind sie ja nicht immer gleich, sondern ergeben sich je nach Lage, so wie wir uns wenden – deshalb kann ein und dasselbe oftmals rechts und links und oben und unten und vorn und hinten sein –, in der Natur hingegen ist ein jedes davon klar für sich abgegrenzt. Denn »oben« ist nicht eine beliebige Stelle, sondern (liegt) dort, wohin Feuer und das Leichte sich bewegt; ebenso ist auch »unten« nicht eine beliebige Stelle, sondern dort, wohin das, was Schwere besitzt, und das Erdhafte (fällt), – so daß sich dies nicht der bloßen Anordnung nach unterscheidet, sondern auch nach der Kraftausübung. So zeigen die mathematischen Gegenstände es auch: Sie befinden sich nicht an einem Ort, und doch zeigen sie in Abhängigkeit von ihrer Anordnung uns gegenüber ein Rechts und Links, eben als Gegenstände, die nur wegen Anordnung so bestimmt werden, von Natur aus aber keine dieser Eigenschaften haben. Weiter, diejenigen, die behaupten, daß es Leeres gibt, sprechen damit auch das Dasein von Ort aus; »leer« läßt sich ja wohl nur so bestimmen: »Ort, aus dem Körper herausgenommen ist«. Daß also Ort etwas neben den Körpern selbständig Vorkommendes sein muß und daß jeder wahrnehmbare Körper an einem Ort ist, das möchte man infolgedessen annehmen. Dann scheint wohl auch Hesiod richtig zu sprechen, wenn er als Erstes den »leeren Abgrund« ansetzt; er sagt doch: »Allererstes war da der Abgrund, aber sodann Erde, breitbrüstige ...«, – so als müsse doch wohl zuerst ein Raum dem Seienden zur Verfügung stehen, (und dies) in der Annahme, wie die große Masse auch, alles sei irgendwo und (damit) an einem Ort. – Wenn das wirklich so ist, dann wäre die Leistungsfähigkeit des Ortsbegriffs ja ganz erstaunlich, und sie wäre allem vorgeordnet: Ohne welches doch von allem übrigen nichts ist, es aber (kann) ohne das andere (sein), das muß doch notwen-
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dig ein allererstes sein. Der Ort geht ja nicht unter, wenn die in ihm (befindlichen Gegenstände) vergehen. Indessen, es hat damit so seine Schwierigkeit, wenn er denn ist, was er dann ist: Etwa eine gewichtige Masse von Körper oder ein anderes Naturding, – denn zunächst einmal ist die Gattung zu suchen, in die er gehört. (1) Erstreckungen hat er nun also drei: Länge, Breite, Tiefe, wodurch (eben auch) jeder Körper begrenzt wird. Es ist aber unmöglich, daß der Ort ein Körper sein könnte, denn dann wären ja zwei Körper am selben (Platz). (2) Weiter: Wenn es von einem Körper Ort und Platz gibt, dann klarerweise auch einen der Fläche und der übrigen Begrenzungen. Denn hier wird dieselbe Erklärung passen: Wo früher die (Begrenzungs-)Flächen von Wasser waren, da werden hernach die von Luft sein. Aber nun können wir keinerlei Unterschied machen zwischen einem Punkt und dem Ort eines Punktes, so daß also (die Umkehrfolge sich ergibt:) wenn bei ihm sein Ort von ihm nicht verschieden ist, dann auch bei keinem der übrigen (Begrenzungsstücke), und dann ist Ort gar nichts unabhängig neben einem jeden von diesen. (3) Als was sollten wir die wesentlichen Merkmale von Ort denn auch ansetzen? Weder kann er ja Grundbaustein noch aus Grundbausteinen (zusammengesetzt) sein, wenn er doch solche Naturbeschaffenheit hat, und zwar weder aus körperlichen noch aus unkörperlichen: Größe ist ihm zwar eigen, Körperlichkeit aber keine. Es sind aber die Bausteine von Wahrnehmbarem (selbst) Körper, aus dem Gedachten, andrerseits, wird keine (Raum-)Größe. (4) Weiter: Bei was von dem, was es gibt, könnte man denn den Ort als seine Ursache ansetzen? Keine Ursachenaufgabe trifft ihm ja zu von den vieren: Weder als Stoff des Seienden (ist er tätig) – es besteht ja nichts aus ihm –, noch als Form und Begriff der Dinge, noch als Ziel, noch auch setzt er das Seiende in Bewegung. (5) Weiter: Wenn er auch selbst etwas unter dem Seienden ist, dann wird er irgendwo sein. Die schwierige Frage Zenons erfordert nämlich eine Klärung: Wenn alles Seiende »an ei-
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nem Ort« ist, so wird es klarerweise auch den »Ort des Ortes« geben müssen, und dies so fort ins Unendliche. (6) Weiter: Ebenso wie jeder Körper an einem Ort, genauso (ist) auch an jedem Ort ein Körper. Was werden wir nun über Gegenstände zu sagen haben, die anwachsen? Es ist hiernach ja nötig, daß ihr Ort mit ihnen wächst, wenn doch der Ort eines jeden weder kleiner noch größer ist (als dieses selbst). Auf Grund dieser Überlegungen muß man sich nicht nur mit der Frage auseinandersetzen, was mit »Ort« gemeint ist, sondern auch mit der, ob es das wirklich gibt.
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2. Da aber einiges an und für sich, anderes nur vermittelt über weiteres ausgesagt wird und »Ort« einmal ganz allgemein genommen wird als der, in dem alle Körper sich befinden, zum anderen ganz eigentümlich als der, in dem als unmittelbarem (ein Körper ist) – ich meine damit: Z. B. du befindest dich jetzt in der Himmelskugel, weil du innerhalb des Luftraums bist, und dieser ist innerhalb der Himmelskugel, und innerhalb des Luftbereichs, weil auf der Erde, genauso auch auf ihr, weil du an diesem ganz bestimmten Ort bist, der nichts mehr enthält als nur dich –, wenn denn also »Ort« bestimmt ist als »das unmittelbar einen jeden Körper Umfassende«, so wäre er eine Art Begrenzung; es könnte mithin scheinen, die Form und Gestalt eines jeden sei sein Ort, wodurch doch die (Raum-) Größe und der Stoff dieser Größe begrenzt wird; das ist doch die (äußere) Abgrenzung eines jeden. Wenn man es so ansieht, ist »Ort« die Form eines jeden. Insoweit jedoch andrerseits Ort offensichtlich der erfüllte Zwischenraum der (Raum-)Größe ist, (ist er) der Stoff; diese Bestimmung ist ja von der Größe unterschieden: sie meint das von der Form Umfaßte und Begrenzte, z. B. von Fläche und Grenz(linie), von eben dieser Art ist aber der Stoff und das Unbestimmte; wenn man nämlich (etwa) die Eingrenzung und die (Gestalt-)Eigenschaften von »Kugel« fortnimmt, dann bleibt nichts da neben dem (bloßen) Stoff. Aus dem Grunde läßt ja auch Platon Stoff und Raum dasselbe sein in seinem »Timaios«: (ist doch nach ihm) das »Teil-
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habefähige« und der Raum ein und dasselbe. Freilich meint er zwar dort »teilhabefähig« in anderem Sinne als in den sogenannten »Ungeschriebenen Lehrsätzen«, gleichwohl bestimmte er »Ort« und »Raum« als dasselbe. – Es sagen ja alle, daß es so etwas wie Ort geben muß, was das aber ist, hat er allein (bisher) einmal auszusagen versucht. Mit gutem Recht mag es, wenn man von diesen Gesichtspunkten ausgeht, schwierig erscheinen, sich Erkenntnis zu verschaffen, was denn »Ort« wirklich ist: ob er etwa irgendeins von diesen beiden ist, Stoff oder Form. Zumal das ja auch den genauesten Scharfblick erfordert und sie unabhängig von einander nicht leicht zur Erkenntnis zu bringen sind. Andrerseits aber, daß »Ort« unmöglich eins von diesen sein kann, das ist nicht schwer zu sehen. Form und Stoff lassen sich nämlich nicht von dem (aus ihnen gebildeten) Dinge ablösen, was hingegen den Ort angeht, so ist das möglich: Worin (eben) Luft war, darin tritt (jetzt) wieder, wie gesagt, Wasser ein, wobei Wasser und Luft wechselseitig die Plätze tauschen, und mit den übrigen Körpern ist es ähnlich; es ist also »Ort« weder Teil noch Beschaffenheit eines jeden, sondern ablösbar davon. Somit scheint »Ort« etwas Derartiges zu sein wie ein Gefäß– »Gefäß« meint doch soviel wie: »Ort, der fortbewegt werden kann« –, ein Gefäß aber ist kein (Stück) des Gegenstandes (der im Gefäß ist). Insofern er also ablösbar ist von dem Gegenstand, insoweit ist er nicht Form; insofern er andrerseits umfaßt, insoweit ist er von Stoff unterschieden. Es scheint stets das irgendwo Befindliche selbst (für sich) etwas zu sein, und ein von ihm Unterschiedenes ist das, was außerhalb seiner ist. – Gegen Platon muß man einwenden, wenn denn beim Vortrag einmal abgewichen werden darf: Warum sind (seine) »Formen« und »Zahlen« nicht an einem Ort, wenn doch das »Teilnehmungsfähige« der Ort sein soll, einerlei ob nun das »Große-und-Kleine« dies Teilnehmungsfähige ist oder der »Stoff«, so wie er’s im »Timaios« geschrieben hat. – Weiter, wie sollte sich (etwas) an seinen eigenen (natürlichen) Ort bewegen können, wenn »Ort« so etwas wäre wie Stoff oder Form? Es ist ja unmöglich, daß etwas, das mit
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Fortbewegung nichts zu tun hat und nicht den Oben-Unten(Unterschied) an sich zuläßt, Ort sein kann. Also muß man den Ortsbegriff innerhalb derartiger Bestimmungen aufsuchen (die beides ermöglichen). Wenn andrerseits der Ort »an diesem« (Gegenstand sein soll) – das müßte er ja, wenn er entweder Gestalt oder Stoff ist so würde ein Ort an einem Ort sein; denn zugleich mit dem Dinge wandelt und bewegt sich auch seine Form und sein Unbestimmtes, (sie sind) nicht immer an der gleichen Stelle, sondern dort, wo auch das Ding ist. Es wird dann also vom Ort einen Ort geben. Weiter, wenn aus Luft Wasser geworden ist, dann ist (wohl) Ort zugrunde gegangen: der entstandene Körper nimmt ja nicht mehr genau so viel Ort sein. Was soll das aber nur für ein Schwund sein? Auf Grund welcher Annahmen es notwendig ist, daß »Ort« etwas wirklich Vorhandenes ist, und andrerseits, auf Grund welcher Annahmen man über seine Begriffsbedeutung in Schwierigkeiten geraten kann, ist (damit) vorgetragen. 3. Hiernach ist die Frage aufzunehmen, in wie vielen Bedeutungen (der Ausdruck) »eines in einem Anderen« ausgesprochen wird. (1) Auf eine Weise so: Der Finger ist »an der Hand«, und allgemein, der Teil ist »in dem Ganzen« (enthalten). (2) Auf eine andere so: Das Ganze (besteht) »in seinen Teilen«; denn neben seinen Teilen gibt es ein Ganzes gar nicht. (3) Auf eine andere Weise so: »Mensch« ist (inbegriffen) in »Lebewesen«, und allgemein, Art in Gattung. (4) Auf eine andere Weise so: Die Gattungsbestimmung ist (enthalten) »in der Artbestimmung«, und allgemein, das Teilstück der Artbestimmung in deren Begriffserklärung. (5) Weiter so: Gesundheit (besteht) »in (einem bestimmten Verhältnis von) Warmem und Kaltem«, und allgemein, die Form (verwirklicht sich) in dem Stoff. (6) Weiter so: »In (der Hand) des Großkönigs« liegen die Geschicke der Hellenen, und allgemein, beim ersten Anstoßgebenden. (7) Weiter so: »In einem Gut«, und allgemein, in einem Ziel (beschlossen liegt der Sinn einer Handlung); das aber ist ein »weswegen«. (8) Die hauptsächlichste Bedeutung
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unter allen ist jedoch diese: »in einem Gefäß«, und allgemein, »an einem Ort«. Man könnte nun die schwierige Frage stellen, ob denn auch etwas, als dies selbst, in sich selbst sein kann, oder ob nichts (dies kann), sondern alles entweder nirgends ist oder in einem Anderen. Nun hat dieser Ausdruck zweifache Bedeutung: Entweder an und für sich, oder vermittelt über ein Anderes. Wenn nämlich Teile eines Ganzen das »worin« und das »darin« ausmachen, wird man vom Ganzen sagen, es sei in sich selbst; es wird ja eben auch vermittelt über seine Teile ausgesagt, z. B. (kann man jemand) »weiß« (nennen), weil seine Oberfläche weiß ist, und »reich an Wissen«, weil das Vernünftige an ihm (diese Eigenschaft hat). So wird also ein Krug nicht »in sich selbst« sein, und auch nicht der Wein. (Von dem ganzen Ausdruck) »Krug Wein« aber wird man es sagen können; denn das »was« und das »worin«, beides sind hier Teile des gleichen (Ganzen). In diesem Sinne kann also etwas, als dies selbst, in sich selbst sein, in der unmittelbaren Bedeutung geht es nicht. Z. B. »weiß« ist an einem Körper – denn die Oberfläche ist ja an einem Körper –, »Wissen« ist in der Seele ... . Vermittelt über diese Bestimmungen, die ja Teile sind, (erfolgt) die Zuteilung der Eigenschaften (und findet sich) so an »Mensch« vor. [»Krug« und »Wein« sind, für sich genommen, nicht Teile, zusammengenommen aber wohl; wenn sie dann also Teile sind, kann (dies Gebilde) selbst in sich selbst sein.] Z. B. »weiß« ist an dem Menschen, weil es an seinem Körper ist, und an diesem, weil an seiner Oberfläche; an ihr ist es dann nicht mehr vermittelt über ein Anderes. Und dies ist auch noch der Art nach verschieden und hat ein jedes andere Naturbeschaffenheit und Vermögen, (ich meine) »Fläche« und »weiß«. Also, weder wenn man von der heranführenden Erfahrung aus die Sache betrachtet, sieht man, daß irgendetwas gemäß irgendeiner fest ausgemachten Bestimmung »in sich selbst« wäre, und überdies durch schließendes Denken wird klar, daß dies auch unmöglich ist: Es würde ja jedes von beiden beides
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sein müssen – z. B. müßte der Krug sowohl Gefäß wie auch Wein und der Wein sowohl Wein wie auch Krug sein –, wenn es denn möglich sein soll, daß etwas als es selbst in sich selbst ist. Und wenn sie schon »ineinander« sein könnten, so würde immer noch der Krug den Wein aufnehmen, nicht insofern er selbst Wein ist, sondern der (und umgekehrt) der Wein würde sich in dem Krug befinden, nicht insofern er selbst Krug ist, sondern der. Daß sie also ihrem wesentlichen Begriffsinhalt nach etwas Verschiedenes sind, ist klar; anders lautet nämlich die Begriffserklärung von »in welchem« und von »in diesem«. Aber nicht einmal in nebensächlich eintreffender Bedeutung geht es. Denn dann würden ja zwei (Dinge) zugleich an demselben (Ort) sein: Erstens wäre der Krug selbst in sich selbst – wenn etwas, dessen Naturbeschaffenheit doch aufnehmend ist, in sich selbst sein kann –, und dann noch das, dessen Aufnehmendes er war, – wenn es z. B. Wein war, dann eben Wein. Daß also in unmittelbarem Sinne etwas in sich selbst sein könnte, ist ganz klar unmöglich. Die Schwierigkeit, die nun aber Zenon aufwarf: Wenn »Ort« etwas Seiendes ist, so muß er doch »in etwas« sein, – das aufzulösen ist nicht schwer: Es besteht ja gar kein Hinderungsgrund, daß der unmittelbare Ort »in einem Anderen« sei, allerdings an ihm nicht als an einem Ort, sondern so, wie »Gesundheit« (besteht) in den warmen (Anteilen des Körpers), als Verhältnis, die Wärme aber im Körper ist, als Zustand. Man muß also gar nicht notwendig ins Unendliche damit fortgehen. Folgendes ist damit offenkundig: Da »Gefäß« nichts von dem »in ihm« an sich hat – unterschieden ist doch das im direkten Sinn (aufgefaßte) »was« und das »in welchem« –, so kann »Ort« weder der Stoff noch die Form sein, sondern nur ein davon Verschiedenes. Diese sind nämlich ein Stück dessen, das darin ist, sowohl der Stoff wie auch die Gestalt. So viel sei damit an Schwierigkeiten vorgetragen. – 4. Was denn nun »Ort« (seinem Begriffe nach) ist, dürfte auf folgende Weise klarwerden: Wir wollen an ihm die (Bestim-
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mungen) hernehmen, die an ihm für sich wahrheitsgemäß zuzutreffen scheinen. Wir setzen also für richtig an, (1) Ort sei das unmittelbar Umfassende für das, dessen Ort er ist, und (2) er sei kein Stück des (umfaßten) Gegenstandes (selbst); weiter (3), der unmittelbare (Ort) sei weder kleiner noch größer (als das von ihm umfaßte Ding); weiter (4), er lasse ein jedes (Ding) hinter sich und sei von ihm ablösbar; außerdem (5), jeder Ort enthalte das »oben und unten« (als seine Arten); und (6), es bewege sich jeder Körper von Natur aus zu seinem angestammten Ort und bleibe (dort), das tue er entweder oben oder unten. Nachdem diese (Sätze) zugrundegelegt sind, ist das übrige anzuschauen. Man muß dabei versuchen, die Untersuchung so durchzuführen, daß das Wesentliche an dem Begriff wiedergegeben wird, so daß infolge davon einerseits die (oben angeführten) Schwierigkeiten sich lösen, andrerseits sich erweist, daß die ihm anscheinend zukommenden Bestimmungen ihm auch wirklich zukommen, und außerdem, daß die Ursache der Schwierigkeit und der hier zu stellenden anspruchsvollen Fragen deutlich wird. So dürfte alles aufs beste dargelegt werden. Erstens also muß man bedenken, daß man nach einem Ortsbegriff überhaupt nicht suchen würde, gäbe es nicht die Ortsbewegung. Das ist ja auch besonders der Grund dafür, daß man so meint, das Himmelsgewölbe sei »an einem Ort«, weil es ja immer in Bewegung ist. Von diesem (Bewegungsbegriff) ist die eine (Art) Fortbewegung (von Ort zu Ort), die andere Wachsen und Schwinden; denn auch bei Wachsen und Schwinden findet ja ein Wandel statt: was früher »an dieser Stelle« war, ist übergetreten in einen kleineren oder größeren (Platz). »In Bewegung« kann etwas nun sein einerseits an sich, tatsächlich, andrerseits in nebenbei zutreffender Bedeutung. »Nebenbei zutreffend (in Bewegung)« kann meinen einerseits etwas, das sich auch an sich selbst bewegen könnte, z. B. die Glieder eines Körpers oder der Nagel in einem Schiff, andrerseits, was dies gar nicht kann, sondern immer nur nebenbei zutreffend (sich bewegt), z. B. die Eigenschaft, »weiß« oder
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»wissend« zu sein: derlei wechselt ja nur so den Ort, daß das, an dem sie Vorkommen, ihn wechselt. Da wir nun aber sagen: »Wir sind ›in der Welt als an einem Ort«, (und dies) weil (wir sind) »innerhalb des Luft(raums)«, dieser aber ist »innerhalb der Himmels(grenze)«; und innerhalb des Luftraumes aber nicht als in dem ganzen, sondern wegen seines Randes und (uns) umfassenden (Stücks), sagen wir, wir seien »in dem (Luft)raum« befindlich – wenn nämlich der ganze Luft(bereich) Ort wäre, dann wären der Ort eines jeden und dieses selbst nicht gleichgroß, es ist aber doch offenkundig, daß sie gleichgroß sind: von dieser Art ist eben der unmittelbare (Ort), an dem es ist –; wenn denn nun also nicht durch Trennbarkeitunterschieden wäre das Umfassende (von dem Umfaßten), sondern zusammenhängend (mit ihm), dann wird man nicht von ihm sagen, es sei in dem als an einem Ort, sondern so wie der Teil an einem Ganzen. Wenn (das Umfaßte) dagegen deutlich getrennt ist (von dem Umfassenden) und in Berührung (mit ihm), dann befindet es sich unmittelbar innerhalb des (inneren) Randes des Umfassenden, der dann weder ein Teil des in ihm (Befindlichen) ist noch größer als dessen Ausdehnung, sondern gleichgroß; denn die Ränder von sich berührenden (Dingen) sind an der gleichen Stelle. Und ein (etwa) Zusammenhängendes bewegt sich ja nicht in ihm (dem Umfassenden), sondern mit ihm, ist es dagegen getrennt, dann in ihm. Und einerlei, ob das Umfassende selbst in Bewegung ist oder nicht, (dies gilt) nichtsdestoweniger. [Weiter, wenn es (das Umfaßte) nicht deutlich getrennt wäre, wird man es als »Teil am Ganzen« aussagen, so z. B. ist am Auge die Linse oder am Körper die Hand; ist es dagegen abgesetzt (...), wie z. B. im Faß das Wasser, im Tongefäß der Wein: die Hand bewegt sich mit dem Körper, das Wasser in dem Faß.] Aus diesem ist nun schon klar, was »Ort« dem Begriffe nach ist. Es sind ja so ziemlich genau vier (Möglichkeiten), von denen notwendig »Ort« eine sein muß: Entweder äußere Form oder Stoff oder eine Art Ausdehnung, (die) mitten zwischen den (inneren) Rändern (des Umfassenden sich ergibt), oder
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die Ränder (selbst), wenn es gar keine Ausdehnung neben der (Raum-)Größe des eingeschlossenen Körpers gibt. Daß davon drei ganz bestimmte es nicht sein können, ist offenkundig: (1) Nun scheint es ja auf Grund des Umfassens die äußere Form zu sein; die Ränder des Umfassenden und des Umfaßten fallen ja an gleicher Stelle zusammen. Es sind nun wirklich beides Grenzen, nur nicht des gleichen (Dings), sondern die Form (ist Grenze des umfaßten) Gegenstandes, der Ort die des umfassenden Körpers. (2) Auf Grund dessen, daß das Umfaßte, deutlich Abgesetzte den Ort wechselt, wobei oft das Umfassende (erhalten) bleibt, z. B. Wasser (fließt) aus einem Gefäß, scheint es die inmitten bestehende Ausdehnung zu sein, da sie doch unabhängig von dem austretenden Körper Bestand hat. Dem ist jedoch nicht so, sondern ein beliebiger Körper tritt (gleich wieder) ein (aus der Zahl) derer, die den Platz wechseln und ihrer natürlichen Beschaffenheit nach ein Berührungsverhältnis bilden können. Wenn es so eine Ausdehnung gäbe von der Art, für sich dasein und Bestand haben zu können, dann wären in dem gleichen (Ort) unzählig viele Orte; denn wenn Wasser und Luft ihren Ort tauschen, dann werden das Gleiche tun alle Teile in dem Ganzen, was auch das ganze Wasser in dem Gefäß (tut). Zugleich wird es auch einen Ort geben, der den Ort wechselt; dann wird es also von dem Ort einen weiteren Ort geben, und viele Orte werden zugleich sein. Aber der Ort eines Teils wird ja gar nicht ein anderer, innerhalb dessen er sich (mit)bewegt, wenn das ganze Gefäß den Ort wechselt, sondern (er bleibt) der gleiche. »In welchem« sie nämlich sind, wechseln Luft und Wasser ihren Platz, oder auch die Teile von Wasser, aber nicht an dem Ort, in den sie eintreten, der ein Teil ist des Ortes, der der Ort »ganze Welt« ist. (3) Aber auch der Stoff könnte scheinen, Ort zu sein, wenn man (die Sache) anhand eines in Ruhe befindlichen (Beispiels) betrachtet, das zudem auch noch keine deutliche Absetzung, sondern Zusammenhang (der beteiligten Körper) zeigt. Genauso wie nämlich, wenn etwas sich in seinen Eigenschaften verändert, etwas vorhanden ist, das jetzt »weiß« ist, vormals
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aber »schwarz« (war), und jetzt »hart«, vormals aber »weich« – deswegen sagen wir ja, daß es so etwas geben muß wie »Stoff« –, ebenso scheint auch »Ort« vorhanden sein zu müssen, auf Grund einer eben solchen Vorstellungsweise, nur mit dem Unterschied: Jenes – der Stoff – (soll sein), weil, was Luft war, dies nun Wasser ist, »Ort« dagegen, weil, wo Luft war, an dieser Stelle nun Wasser ist. Aber – wie schon in früheren Ausführungen gesagt ist – Stoff ist weder ablösbar von dem Gegenstand, noch umfaßt er ihn, Ort aber (tut) beides. (4) Wenn also Ort keins von den dreien ist, weder Form noch Stoff noch eine Art Ausdehnung, als stets vorhandene und unterschiedene neben der des Gegenstandes, der den Platz wechselt, so ist es notwendig, daß Ort das noch übriggebliebene von den vieren ist, nämlich die Grenze des umfassenden Körpers, 〈insofern sie mit dem Umfaßten in Berührung steht〉. Mit »umfaßter Körper« meine ich einen, der bewegbar im Sinne der Ortsveränderung ist. Nun scheint eine große und schwer zu fassende Aufgabe der Ortsbegriff zu sein wegen der Tatsache, daß dabei Stoff und Form (immer) miterscheinen, und deswegen, weil das Umsetzen des Sich-Fort-Bewegenden in einem Umfassenden erfolgt, das (selbst) ruht; deswegen scheint es ja möglich zu sein, daß es (so eine) Ausdehnung inmitten gebe, als etwas von den bewegten (Raum-)Größen Unterschiedenes. Es trägt dazu auch bei die Tatsache, daß Luft scheinbar körperlos ist; denn damit scheinen nicht nur die Grenzen des Gefäßes den Ort zu bilden, sondern auch (der Hohlraum) inmitten, als wäre er leer. Es gilt nun (die Entsprechung): Wie »Gefäß« einen fortbeweglichen Ort (darstellt), so (ist) Ort ein Gefäß, das man nicht wegsetzen kann. Wenn also ein »Darinnen« in einem Bewegten sich bewegt und wandelt, z. B. ein Schiff im Fluß, dann bezieht es sich auf sein Umfassendes eher wie auf ein Gefäß als auf einen Ort. Es hat aber Ort den Drang, unbeweglich zu sein. Deswegen ist (in diesem Fall) eher der ganze Fluß Ort, weil er als Ganzer unbeweglich ist. Also: Die unmittelbare, unbewegliche Grenze des Umfassenden – das ist Ort.
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Das ist auch der Grund, weswegen die Mitte des Weltganzen und der Rand der Kreisbewegung zu uns hin allen in ganz entschiedener Weise als »oben« (– das zweite –) und »unten« (– das erste –) erscheint, weil (nämlich) die eine (Stelle) immer in Ruhe ist, der Rand des die Kreisbewegung (vollziehenden Körpers) aber sich immer regelmäßig verhält. Da also »leicht« bedeutet »was von Natur aus sich nach oben bewegt«, »schwer« dagegen »was nach unten« (von Natur aus sich bewegt), so ist die zur Mitte hin umfassende Grenze unten, und die Mitte (selbst auch), die nach dem Rand hin (umfassende Grenze) oben, und der äußerste Rand (selbst auch). Aus diesem Grund scheint Ort zu sein (a) eine gewisse Form von Fläche, (b) so etwas wie ein Gefäß, (c) ein Umfassendes. Außerdem: Zugleich mit und bei dem Ding ist Ort; zugleich mit und bei dem Begrenzten sind die Grenzen. 5. Welcher Körper nun einen äußeren Körper hat, der ihn umfaßt, der ist an einem Ort, welcher nicht, der nicht. Also: Wenn einmal Wasser so ein Körper wäre, dann werden sich wohl seine Teile bewegen – sie werden ja voneinander umfaßt –, das Ganze hingegen bewegt sich in einem Sinne wohl, im anderen jedoch nicht: als diese Ganzheit genommen, verändert es mit einem Mal den Ort nicht, im Kreis aber bewegt es sich – von den Teilen ist nämlich dieser der Ort –, und auf und ab (bewegt es sich) nicht, im Kreis aber einige (Teile von ihm); andere (Teile) auch auf und ab, alle die, welche Verdichtung und Lockerung an sich haben. Wie gesagt wurde, ist einiges an einem Ort nach bloßer Möglichkeit, anderes in tatsächlicher Wirklichkeit. Wenn demnach das »Gleichteilige« zusammenhängend ist, so sind seine Teile nur nach Möglichkeit an einem Ort. Wenn sie hingegen deutlich (von einander) getrennt sind und sich in Berührung befinden, wie bei einem Haufen (Körner, Sand o. ä.), so in tatsächlicher Wirklichkeit. Und einiges (ist) an und für sich (an einem Ort) – z. B. ist jeder im Sinne der Fortbewegung oder des Wachsens veränderbare Körper im eigentlichen Sinne »irgendwo«; das Himmels-All, wie gesagt, ist nicht irgendwo, als
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Ganzes, und nicht »an einem Ort«, wenn doch kein Körper es umfaßt. Unter dem Gesichtspunkt hingegen, daß es in ihm Bewegung gibt, ist es Ort für seine Teile; jeder unterschiedene der Teile schließt ja an einen anderen an –; anderes dagegen (nur) in nebenbei zutreffender Bedeutung, z. B. »Seele« und »Weltall«; (dessen) Teile sind ja wohl alle an einem Ort: bis zum Kreis hinauf umfaßt einer den anderen. Deswegen (gilt): Die oberen Teile bewegen sich im Kreis, das All aber ist nicht »irgendwo«; denn die Bestimmung »irgendwo« ist (immer) selbst etwas, und es muß (immer) noch etwas anderes dasein neben diesem »in welchem«, das, was es umfaßt. Neben dem All und Ganzen ist aber nichts, außerhalb des Alls, und deswegen ist in der Welt alles – Welt ist ja wohl das All. »Ort« ist aber nicht die Welt (einfach so), sondern von der Welt eine Art äußerster Rand, der in Berührung steht mit dem bewegbaren Körper [ruhende Grenze]. Also: Die Erde (befindet sich) innerhalb der Wasser(sphäre), diese innerhalb der Luft(sphäre), diese innerhalb der strahlenden Leucht(sphäre), die Leucht(sphäre) innerhalb der Himmels(sphäre), die Himmels(sphäre) aber nicht mehr in einem Anderen. Daraus ist nun offenkundig, daß sich auch alle Schwierigkeiten lösen lassen, wenn man »Ort« so aussagt: (1) Weder muß der Ort mitwachsen, noch (2) muß es von Punkt einen Ort geben, noch (3) müssen zwei Körper an demselben Ort sein, noch (4) muß es einen Körper-Zwischenraum geben – denn das »inmitten« eines Ortes ist (immer) ein beliebiger Körper, nicht aber das Freisein von einem Körper –. Und (5), es ist ein Ort auch irgendwo, nicht allerdings als an einem Ort, sondern (so) wie die Grenze an dem Begrenzten; denn nicht »alles Seiende« ist an einem Ort, sondern nur der der Bewegung fähige Körper. Und (6), es bewegt sich auch ein jedes zu seinem eigenen Ort hin, mit gutem Grund: Was der Reihe nach (angeordnet ist) und sich ohne Zwang berührt, das ist (miteinander) verwandt; ist es zu einer Einheit verwachsen, so ist es keiner Einwirkung (aufeinander) fähig, ist es dagegen (nur) in Berührung, so ist es wechselseitiger Einwirkung herüber und hinüber zugänglich. – Und es ruht auch von Natur aus alles an seinem heimischen
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Ort, nicht ohne Grund: auch der Teil (davon verhält sich ja so); was aber an seinem Ort ist, verhält sich wie ein trennbarer Teil zum Ganzen, wie wenn z. B. jemand einen Teil Wasser oder Luft fortbewegt (und der dann zu seinem heimischen Ort zurückwill). So verhält sich auch Luft zu Wasser, (es ist) wie ihr Stoff sie die Form: das Wasser Stoff der Luft, die Luft dagegen wie eine Art Verwirklichung von ihm: Wasser ist der Möglichkeit nach Luft, Luft ist wieder Möglichkeit nach Wasser – auf andere Weise. – Darüber ist später zu bestimmen, nur wegen der gegebenen Gelegenheit war es notwendig, darüber ein Wort gesagt zu haben; was jetzt aber noch unklar ausgesprochen ist, wird dann klarer werden. – Wenn nun dasselbe Stoff und Verwirklichungsform ist – Wasser ist ja beides, nur das eine der Möglichkeit nach, das andere in Wirklichkeit –, so verhält es sich wohl irgendwie wie Teil zu Ganzem. Solche (Körper) haben daher auch Berührung; ein Zusammenwachsen würde es dann, wenn beide tatsächlich eins geworden wären. Über »Ort« ist somit gesprochen: (1) Daß es ihn gibt, (2) was er dem Begriff nach ist. 6. Auf gleiche Weise, muß man annehmen, ist es Aufgabe des Naturforschers, auch über (die Bestimmung) »leer« (folgende) Betrachtungen anzustellen: Ob es das gibt oder nicht, in welcher Weise es vorkommt und was es dem Begriffe nach ist, – so wie bei »Ort« auch (geschehen). Die Gründe dafür, auf der Grundlage vorausgesetzter Annahmen Wirklichkeit entweder anzusetzen oder nicht, sind (hier wie dort) ja ähnlich: Z. B. setzen diejenigen, die die Wirklichkeit von Leerem behaupten, es als eine Art Ort und Gefäß an; voll erscheint es dann, wenn es die Körpermasse, deren es aufnahmefähig ist, (in sich) hat, ist es ihrer dagegen verlustig gegangen, so (erscheint es als) leer. So kann also dasselbe leer und voll und Ort sein, nur dem Begriffsinhalt nach sind diese Bestimmungen nicht dasselbe. Man muß die Untersuchung nun bei dem Punkt anfangen, daß man aufnimmt, was (1) die sagen, die behaupten, daß es Leeres gibt, und (2) umgekehrt auch, was die sagen, die das
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bestreiten, und drittens die allgemein gängigen Meinungen darüber. Welche nun den Versuch unternehmen zu beweisen, daß es das gar nicht gibt, die widerlegen gar nicht die Vorstellung, die die Leute so mit dem Wort »leer« ausdrücken wollen, sondern (nur) das, was sie falscherweise darunter verstehen, z. B. Anaxagoras und (alle), die die Widerlegung so wie er führen: Sie zeigen zwar auf, daß Luft etwas Wirkliches ist, malträtieren dabei ihre Schläuche und zeigen damit, wie stark Luft doch ist, und schließen sie in ihren Wasserhebern ein. Die Leute dagegen wollen mit »leer« (ganz einfach) zum Ausdruck bringen ein Raumstück, in welchem kein wahrnehmbarer Körper ist. Weil sie nun meinen, alles Wirkliche sei Körper, so behaupten sie, worin überhaupt nichts sei, das sei eben leer, und deshalb (gelangen sie zu dem Irrtum), was (in Wirklichkeit) voll Luft (ist), sei leer. Man muß jedoch nicht das beweisen, daß Luft etwas Wirkliches ist, sondern daß es eine räumliche Ausdehnung, verschieden von den Körpern, gar nicht gibt, weder als etwas Abtrennbares noch tatsächlich vorkommend, welche den All-Körper zerteilte, so daß er nicht mehr zusammenhängend wäre – so lehren Demokrit, Leukippos und viele andere unter den Natur-Denkern es –, oder falls es außerhalb des zusammenhängenden All-Körpers etwas solches geben sollte. Diese Leute treten der Aufgabe gegenüber, als ob sie die Tür nicht fanden; das schaffen schon eher die, welche die Wirklichkeit von Leerem behaupten. Die eine Überlegung, die sie vortragen, ist: Es gäbe (sonst) keine ortsverändernde Bewegung – das ist: Fortbewegung und Wachstum –; es scheine offenkundig Bewegung nicht geben zu können, wenn nicht Leeres wäre. Volles könne ja unmöglich etwas aufnehmen; wenn es dagegen etwas aufnehmen sollte und zwei (Körper) an gleicher Stelle wären, dann könnten ja auch gleich beliebig viele Körper da sein, denn einen Unterschied, auf Grund dessen das Behauptete nicht möglich wäre, kann ja niemand angeben. Wenn das aber geht, so würde auch das kleinste (Raumstück) den größten (Körper) aufnehmen können; denn »groß« – das sind ja viele Kleine. Wenn also viele gleichgroße (Körper) an dersel-
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ben Stelle sein können, dann auch viele ungleichgroße. Melissos jedenfalls führt seinen Nachweis, das All sei bewegender Veränderung nicht zugänglich, mit folgenden (Sätzen) durch: Wenn es Bewegung darin gäbe, gebe es notwendig – sagt er – darin auch Leeres, Leeres aber gehöre nicht zu dem, was ist. Das ist also die eine Weise von Annahmen, woraus sie aufzeigen, daß es so etwas wie »leer« wirklich gibt. Die andere (ist folgende): Es erscheinen ganz offenkundig einige Dinge, die einschrumpfen und zusammengedrückt werden, z. B. nähmen die Fässer, sagt man, (nach der Umfüllung) den Wein mitsamt den Schläuchen auf, womit also doch wohl der verdichtete Körper in die in ihm vorhandenen Leerräume eingerückt sei. Des weiteren scheint nach Meinung aller auch Wachstum zu erfolgen (nur) mittels der Voraussetzung von Leerem: Nahrung sei ja (auch) ein Körper, zwei Körper aber könnten unmöglich zugleich (an gleicher Stelle) sein. Zum Beweisstück nehmen sie auch das, was mit der Asche passiert, welche genau so viel Wasser aufnimmt, wie das Gefäß, wenn es leer ist. Es gebe, so sagten auch die Pythagoreer, ein Leeres, und dies trete in das Himmelsgewölbe ein, aus dem unendlichen Hauch (kommend), wobei dieses das Leere auch atmend in sich ziehe, welches die Natureinheiten trennend bestimme, so als wäre »leer« eine Art Trennung des in Reihe Angeordneten und eine bestimmende Scheidung. Und dies sei auch das Grundlegende bei den Zahlen: das Leere halte bestimmend deren Wesen auseinander. Auf Grund welcher Annahmen die einen behaupten, es gebe (Leeres), die anderen dessen Dasein bestreiten, dies ist damit etwa nach Art und Anzahl vorgeführt. 7. Für die Entscheidung, ob es sich so oder so verhält, muß man erfassen, was denn das Wort aussagt: Es scheint somit »leer« einen Ort zu bezeichnen, an dem nichts ist. Ursache dieser Annahme ist, daß man meint, »Seiendes« – das sei eben »Körper«, jeder Körper aber sei an einem Ort, leer sei der Ort, an welchem kein Körper sich befinde, also, wenn irgendwo kein Körper ist, dort sei eben nichts. »Körper« nun wieder, das
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versteht man in jedem Fall als »der Berührung fähig«; von der Art ist, was Schwere oder Leichtheit an sich hat. Es ergibt sich somit aus dem Gesetz des Schlusses, daß »leer« das ist, in welchem nichts Schweres oder Leichtes sich befindet. Dieses, wie wir auch schon früher vorgetragen haben, ergibt sich aus der Schlußform. Es ist jedoch widersinnig, wenn (hiernach) der Punkt zu einem Leeren wird; denn dann müßte er ja einen Ort darstellen, in welchem Leere von einem anfaßbaren Körper besteht. Aber nun wird doch »leer« offenkundig auf eine Weise in folgendem Sinn ausgesagt: »Was nicht von einem der Berührungswahrnehmung zugänglichen Körper erfüllt ist«; »der Berührungswahrnehmung zugänglich« ist, was Schwere und Leichtigkeit an sich hat, – man könnte sich daher die schwierige Frage vorlegen, was sie wohl sagten, wenn dies ausgedehnte Raumstück etwa »Farbe« oder »Geräusch« enthielte: ist es dann leer oder nicht? Oder (wird es dadurch) klar: Wenn es einen berührbaren Körper aufnehmen könnte, ist es leer, wenn nicht, dann nicht? – Die andere Weise (der Bedeutung von »leer« ist): »Worin nicht ein ›Dieses-da‹ und körperliches Wesen (sich befindet)«. Das ist auch der Grund dafür, warum einige sagen, das Leere sei der Stoff zum Körper, – die gleichen Leute, die auch »Ort« als eben dies selbe ansetzen –, eine Behauptung, die aber nicht in die richtige Richtung geht: Stoff ist nämlich nicht ablösbar von den Gegenständen, die Bestimmung »leer« dagegen suchen sie als etwas Ablösbares auf. Da nun aber die Bestimmungen über »Ort« schon getroffen sind und das Leere – wenn es denn überhaupt vorkommt – notwendig ein Ort sein muß, dem Körper weggenommen ist, (da) von Ort aber vorgetragen ist, in welchem Sinne er ist und in welchem Sinne nicht, so ist offenkundig: In dieser Weise gibt es Leeres nicht, weder als abgelöste (Bestimmung) noch als nicht abtrennbare. «Leer« will ja nicht »Körper«, sondern »Aussparung von Körper« bedeuten. Deswegen scheint auch »leer« etwas Wirkliches zu meinen, weil ja auch »Ort« es tut, und dies mit Hilfe der gleichen (Überlegungen): Da kommt nämlich die ortsverändernde Bewegung an (als Hilfe) sowohl für die, die da sagen, Ort stelle etwas Wirkliches neben den in
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ihn einfallenden Körper dar, als auch für die, welche das Leere (als wirklich behaupten). »Ursache von Bewegung«, meinen sie, sei das Leere, in dem Sinne genommen als das »worinBewegung-vonstatten-geht«. Das wäre dann so etwas, wie es nach Aussage einiger »Ort« darstellt. Es gibt aber gar keine Notwendigkeit dazu, daß, wenn es Bewegung gibt, auch Leeres sein müßte. Zunächst einmal schon ganz allgemein durchaus nicht bei jeder Veränderungsform, – deshalb blieb es dem Melissos verborgen: Eigenschaften verändern kann auch ein Erfülltes; aber ja auch nicht einmal für die Ortsbewegung: Gleichzeitig einander ausweichen können ja die bewegten Körper, wobei es gar keine von ihnen geschiedene Ausdehnung neben ihnen geben muß. Das wird klar an den Wirbeln von zusammenhängenden Stoffen, z. B. besonders an denen von Flüssigkeiten. Und auch Verdichtung ist möglich, nicht in (angenommene) Leerräume hinein, sondern mittels Auspressung darin vorhandener Stoffe, z. B. wenn Wasser zusammengedrückt wird, (entweicht) die darin befindliche Luft; und auch Wachstum (gibt es), nicht allein, indem etwas hineingeht, sondern durch Eigenschaftsveränderung, wenn z. B. aus Wasser Luft wird. Überhaupt, die Rede von dem Wachstum und die von dem in die Asche geschütteten Wasser stehen sich selbst im Weg: Entweder es wächst nicht jedes beliebige (Teil an dem Wachsenden), oder es wächst nicht durch (Hinzutritt von) Körpern, oder es ist möglich, daß zwei Körper an gleicher Stelle sind – damit fordern sie nur (von uns) eine Schwierigkeit zu lösen, die sie (mit uns) gemeinsam haben, aber sie weisen nicht die Wirklichkeit von Leerem nach –, oder der ganze Körper ist notwendig leer, wenn er an allen Stellen wächst und wächst mittels (Annahme von) Leerem. Die gleiche Überlegung ergibt sich auch bei (dem Fall mit) der Asche. Daß also die Belege, mittels derer sie das Vorhandensein von Leerem aufzeigen wollen, leicht zu entkräften sind, ist offenkundig.
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8. Daß es ein Leeres in dieser selbständig für sich bestehenden Weise, wie einige das behaupten, nicht gibt, wollen wir nochmal vortragen: Wenn jeder der einfachen Körper eine natürliche Bewegungsrichtung hat, z. B. Feuer nach oben, Erde nach unten zur Weltmitte hin, so ist es klar, daß nicht das Leere Ursache dieser Fortbewegung sein kann. Von welcher (Bewegungsart) wird das Leere dann Ursache sein können? Es schien doch Ursache zu sein von ortsverändernder Bewegung, von dieser ist es das aber nicht. Weiter, wenn es so etwas gibt wie »Ort unter Verlust von Körper«, wenn ein Leeres vorliegt, auf welcher Bahn wird sich ein in es eingesetzter Körper wohl bewegen? Sicherlich nicht in jede Richtung. Dieselbe Überlegung (paßt) auch gegen diejenigen, die da meinen, der Ort sei etwas Für-sich-Bestehendes, zu welchem hin die Bewegung stattfindet: Wie soll denn das da Eingesetzte in Bewegung oder zur Ruhe kommen? Auch bei dem ObenUnten-Unterschied paßt dieselbe Überlegung wie bei »leer« – ganz einsichtig: Zu einem Ort machen das Leere die, welche seine Wirklichkeit behaupten. Wie soll dann (etwas) entweder an einem Ort oder in einem Leeren sein können? Es geht ja nicht zusammen, wenn ein bestimmter Körper als ganzer eingesetzt wird als an einem für sich bestehenden und beharrenden Ort: Ein Teil von ihm, wenn der nicht getrennt gesetzt wird, wird nicht an dem Ort sein, sondern (nur) an dem Ganzen. – Schließlich wenn nicht (so verstandener) Ort, so wird auch kein Leeres vorhanden sein. Nun ergibt sich denen, die da sagen, es gebe Leeres als notwendige (Voraussetzung), wenn Bewegung sein soll, eher genau das Gegenteil, wenn man es einmal richtig ansieht, nämlich daß ganz und gar nichts sich überhaupt bewegen kann, wenn Leeres wäre. Wie nämlich bei denen, die behaupten, wegen der Gleichartigkeit (ihres gesamten Umfelds) sei die Erde in Ruhe, so auch hier: Im Leeren muß notwendig (alles) zur Ruhe kommen. Es gibt ja nichts (darin, was etwas veranlassen könnte), sich eher oder weniger auf dieser oder jener Bahn
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zu bewegen; insofern es leer ist, hat es keinen Unterschied an sich. Sodann (gilt): Jeder Bewegungsvorgang (vollzieht sich) entweder unter Einwirkung äußeren Drucks oder naturgemäß. Notwendig (gilt dann folgender Schluß): Wenn es also äußerlich bewirkte (Bewegung) gibt, so muß es auch naturgemäße geben – die äußerlich bewirkte ist gegen die Natur, (Bewegung) entgegen der Natur ist nachgeordnet der naturgemäßen –; wenn also (umgekehrt) nicht jeder der natürlichen Körper eine naturgemäße Bewegung an sich hat, so wird auch keine der anderen Bewegungsformen zur Verfügung stehen. Aber wie soll es denn (Bewegung) der Natur nach geben, wenn es doch gar keinen Unterschied im Leeren und Unbegrenzten gibt? Insofern es nämlich unbegrenzt ist, kann es Oben, Unten oder Mitte an ihm gar nicht geben, insofern es leer ist, sind Oben und Unten an ihm durchaus nicht zu unterscheiden – wie es nämlich an »nichts« keinerlei Unterscheidung mehr gibt, so auch an »leer« nicht mehr: »leer« ist doch offenkundig etwas wie »etwas Nichtseiendes« und ein »Verlust (von Seiendem)« –; Fortbewegung der Natur nach hingegen ist (klar) nach Unterschieden gegliedert, also gibt es diese Unterschiede von Natur aus auch. Also (gilt): Entweder gibt es nirgends und für nichts eine Bewegung von Natur aus, oder, wenn es dies doch geben soll, so gibt es Leeres nicht. Weiter: Erfahrungsgemäß bewegen sich Wurfgeschosse weiter, wenn das ihnen den Anstoß Gebende sie auch nicht mehr berührt, (und sie tun dies) entweder infolge von wechselseitigem Sich-Umstellen (von Luftteilen und dem Geschoßkörper), wie einige vortragen, oder infolge davon, daß die einmal angestoßene Luft eine Stoßbewegung weitergibt, die schneller ist als die Bewegung des abgestoßenen (Geschosses), mittels derer es zu seinem angestammten Ort sich hinbewegt. Im Leeren steht aber nichts davon zur Verfügung, und es wird da gar keine Fortbewegung geben, außer nur so wie ein (durch andere) Mitgenommenes. Weiter: Niemand könnte wohl sagen, weswegen denn (im Leeren) etwas in Bewegung Gesetztes einmal irgendwo zum
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Stillstand kommen sollte: warum hier eher als da? Also, entweder wird (alles) in Ruhe sein, oder es muß notwendig ins Unbegrenzte fortgehende Bewegung sein, wenn nicht etwas Stärkeres hindernd dazwischentritt. Weiter, es sieht ja scheinbar so aus, als gehe Bewegung in ein Leeres hinein, wegen (der Vorstellung von) Ausweichen. Im Leeren gilt derartiges aber nach allen Richtungen in gleicher Weise, also müßte die Bewegung sich in jede Richtung vollziehen. Weiter, auch aus den folgenden Überlegungen wird einsichtig, was hier vertreten wird: Wir sehen ja, ein und dieselbe körperliche Gewichtsmasse kann schneller bewegt werden, aus zwei Ursachen: entweder durch den Unterschied des (Körpers), durch welchen (sie bewegt wird), z. B. »durch Wasser oder Erde« und »durch Wasser oder Luft«; oder durch den Unterschied beim fortbewegten Körper (selbst), wenn alles übrige gleichbleibt, in bezug auf Überwiegen von Schwere oder Leichtheit. (a) Der (Körper), durch welchen die Bewegung geht, ist Ursache, insofern er (sie) hindert, besonders wenn er eine Gegenbewegung ausführt, aber auch wenn er ruht. In stärkerem Maße (tut es) einer, der nicht gut zu teilen ist; ein solcher ist der dichtere. (Anschauungsbeispiel:) Der (Körper) mit der Aufschrift »A« soll also fortbewegt werden durch (den Körper) »B« in einer Zeit, sie habe den Wert »C«; dagegen durch »D«, welches ein lockerer gelagerter Körper sein soll, bewege er sich in einer Zeit »E«; wenn nun B genauso lang ist wie D, dann (richtet sich die Durchlaufzeit) nach dem Verhältnis unter den hindernden Körpern. Es sei einmal B »Wasser« und D »Luft«: Um wieviel lockerer Luft ist als Wasser und körperloser, um genauso viel schneller wird sich A durch D bewegen als durch B. Es soll also in dem gleichen Verhältnis, um das sich Luft von Wasser unterscheidet, auch die eine Geschwindigkeit zu der anderen stehen: ist also (Luft) doppelt so locker (wie Wasser), so wird er in doppelter Zeit B durchlaufen im Verhältnis zu D, d. h. die Zeit C wird doppelt so groß sein wie E.
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Und so also immer weiter: Je körperloser, weniger hinderlich und besser teilbar (der Körper ist), durch welchen die Bewegung vonstatten geht, um so schneller wird die Bewegung sein. »Leer« aber bildet überhaupt kein Verhältnis, um das es von »Körper« übertroffen würde, so wie ja auch »nichts« (kein Verhältnis hat) zu »Zahl«. Wenn also 4 um 1 größer ist als 3, um mehr (als 1) größer als 2, um noch mehr (größer) als 1, als (sie schon größer war) als 2, so hat sie im Verhältnis zu »nichts« keine Größenordnung mehr, um die sie es übertrifft. Das als »größer« Gesetzte muß sich ja zerteilen lassen in »Unterschied« und »Kleineres«, bei 4 wäre das dann hier: »Betrag des Unterschieds« und – »nichts«. – Deshalb hat auch eine Linie keinen Unterschiedsbetrag zu Punkt, außer man läßt sie aus Punkten zusammengesetzt sein. – Genau so kann auch »leer« zu »voll« kein (in Zahlen ausdrückbares) Verhältnis haben, also auch der (entsprechende) Bewegungsablauf nicht, sondern: Wenn (etwas) durch den allerlockersten (Körper) in so und so viel Zeit sich so und so weit fortbewegt, dann übertrifft (eine angenommene Bewegung) durch Leeres jedes (denkbare) Verhältnis. (Darstellungsbeispiel:) Es sei also (die Ausdehnung) »F« leer, aber größengleich mit B und D. Wenn also A hier durchgeht und eine Fortbewegung vollzieht, in einer bestimmten Zeit – sie heiße »G« –, die aber kleiner sein soll, als E war, dann wird (genau) dieses Verhältnis haben das Leere zu dem Vollen. Aber: In eben dieser Zeit G wird A auf D (eine Teilstrecke) durchlaufen, sie sei »H«. Es wird aber auch F durchlaufen, wenn es sich etwa in der Dichte von Luft unterscheidet genau in dem Verhältnis, welches die Zeit E zur Zeit G hat: Wenn nämlich um soviel lockerer gelagert der Körper F ist als D, um wieviel (die Zeit) E (die Zeit) G übertrifft, so (verhält es sich) bei der Geschwindigkeit umgekehrt: A wird, wenn es sich bewegt, F um soviel (schneller) durchlaufen, wieviel G (kleiner ist als E). Wenn nun gar kein Körper mehr in F ist, dann (muß die Geschwindigkeit) noch schneller (sein). Aber sie war doch als »G« festgesetzt. Also: in einer gleichen Zeit wird es eine
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Strecke durchlaufen, die entweder erfüllt oder leer ist. Das geht nicht. Es ist also klar: Wenn es (überhaupt) eine Zeit gibt, in der etwas durch ein (Streckenstück) Leeres sich bewegen soll, wird diese Unmöglichkeit herauskommen: Man wird ein gleiches Zeitstück zu fassen bekommen, in dem etwas eine erfüllte und eine leere Strecke durchläuft; es wird ja immer ein Entsprechungsverhältnis eines Körpers zu einem anderen geben, wie ja auch Zeitstück zu Zeitstück sich verhält. Um es zusammenfassend zu sagen, klar ist von dem, was sich da ergibt, die Ursache: Jede Bewegung steht zu einer Bewegung in einem Verhältnis – denn sie findet in der Zeit statt; und jedes Zeitstück steht zu einem Zeitstück in einem Verhältnis, wenn beide endliche (Größen) sind; ein Verhältnis von leer zu voll gibt es aber nicht. (b) Insoweit sich nun die (Körper) unterscheiden, durch welche die Bewegung geht, ergibt sich das (Gesagte); hinsichtlich des Überwiegens (von Schwere oder Leichtheit) auf seiten derfortbewegten Körper aber folgendes: Wir sehen ja, daß (Körper), die größeren Antrieb haben, sei es an Schwere oder an Leichtheit, wenn alle übrigen Bedingungen gleichbleiben, schneller eine gleiche Strecke durchmessen, und zwar in dem Verhältnis, welches die (dabei vorkommenden) Größen zueinander haben. Das müßte also auch (bei einem Weg) durch eine leere Strecke so sein. Aber das geht nicht: aus welchem Grund soll denn hier die Bewegung schneller vonstatten gehen? Auf erfüllten Wegstrecken gilt das ja mit Notwendigkeit: Schneller teilt auf Grund seiner Kraft das Größere (den durchmessenen Körper) auseinander; entweder teilt es ihn auf Grund seiner äußeren Gestalt oder durch den Antrieb, den ein von sich aus bewegter oder ein losgeschickter (Körper) besitzt. Also müßte (im Leeren) alles gleichschnell sein. Aber das geht nicht. Daß also, wenn es Leeres gibt, genau das Gegenteil dessen herauskommt, was diejenigen doch erreichen wollen, die behaupten, daß es Leeres gibt, ist aus dem Gesagten klar. Diese meinen doch, das Leere müsse, wenn es denn eine Ortsbewegung überhaupt geben soll, sein ein für sich selbst abgesondert
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Bestehendes. Das ist aber die gleiche Behauptung wie die, Ort sei etwas eigenständig Bestimmtes; und daß dies unmöglich ist, ist früher schon gesagt. Auch wenn man es rein für sich nimmt, dürfte das sogenannte Leere als eine wahrhaft leere Vorstellung sich herausstelen: Wie, wenn man einen Würfel ins Wasser legt, genau so viel Wasser verdrängt wird, wie groß der Würfel ist, ebenso ist es auch in der Luft; nur ist es da der Wahrnehmung nicht zugänglich. Und so notwendig stets bei jedem Körper, der ein Sich-Umstellen an sich hat, insoweit ihm dies Sich-Umstellen naturgegeben ist: Wenn er nicht zusammengedrückt wird, so muß er ausweichend sich umstellen, entweder immer nach unten, wenn seine natürliche Bewegung nach unten geht, wie bei Erde, oder nach oben, wenn es Feuer ist, oder nach beiden Richtungen, einerlei von welcher Art auch immer der hineingesetzte Körper ist. Im Leeren ist dies nun unmöglich – es ist ja kein Körper –, (es müßte) statt dessen durch den Würfel sich die gleiche Erstreckung hindurchziehen, die auch früher in dem Leeren da war, so wie wenn etwa das Wasser nicht mit dem hölzernen Würfel den Platz tauschte, oder die Luft nicht, sondern sie allseits durch ihn hindurchgingen. Aber nun besitzt doch der Würfel genau so viel Größe, wieviel Leeres er einnimmt. Die mag nun warm sein oder kalt oder schwer oder leicht, sie ist nichtsdestoweniger dem (begrifflichen) Sein nach unterschieden von allen diesen Eigenschaften, auch wenn man sie nicht (als für sich bestehend) abtrennen könnte, – ich meine die ausgedehnte Masse des hölzernen Würfels. Wenn diese also auch abgesondert würde von allen übrigen (Eigenschaften) und (z. B.) weder schwer noch leicht wäre, so wird sie doch ein (ihr) genau gleichgroßes Leeres einnehmen und wird sich befinden in dem gleichen Teil von Ort und Leerem, der gleich ihr selbst ist. Worin wird sich denn dann noch der Körper des Würfels unterscheiden von dem gleichgroßen Leeren und Ort? Und wenn solches nun doch zweierlei sein soll, wieso soll dann nicht beliebig vieles an der gleichen Stelle sein können? Das ist die eine Unsinnigkeit und Unmöglichkeit. Aber auch Folgendes ist offenkundig: Auch wenn der Würfel sei-
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nen Platz tauscht, wird er behalten, was ja auch die übrigen Körper alle haben. Wenn sich das von »Ort« also in nichts unterscheidet, warum muß man dann überhaupt einen Ort für die Körper ansetzen neben der ausgedehnten Masse eines jeden, wenn diese ohne Eigenschaften (angesetzt ist)? Es trägt ja überhaupt nichts bei, wenn verschieden von ihr, um sie herum, gleichgroß mit ihr ein solcher Leerraum (angesetzt) wäre. [Weiter, so etwas wie Leeres muß unter den bewegten (Gegenständen) doch einmal klar greifbar werden; nun aber (ergibt sich dies) nirgends in der ganzen Welt. Die Luft ist ja etwas (Körperliches), nur erscheint sie nicht so, – auch Wasser (würde) nicht (so erscheinen), wenn die Fische aus Eisen wären: es ist der Tastsinn, bei dem die Entscheidung darüber liegt, was durch Berühren wahrnehmbar ist.] Daß es also ein selbständig für sich bestehendes Leeres nicht gibt, ist hieraus klar. 9. Nun gibt es einige, die auf Grund der Tatsache, daß es locker und dicht (gelagerte Stoffe) gibt, meinen, es sei offenkundig, daß es Leeres gibt. Wenn es nämlich »locker« und »dicht« nicht gäbe, so wäre auch kein »Eingehen« und Zusammengepreßtwerden (von Stoffen) möglich. Wenn es das aber nicht gäbe, so wäre (a) entweder Bewegung überhaupt nicht möglich, oder (b) das Welt-Ganze müßte Wogen schlagen, wie Xuthos das ausdrückte, oder (c) es müßten Luft und Wasser immer in gleichgroßen Mengen ineinander umschlagen – ich meine, wenn z. B. aus einem Becher Wasser Luft geworden ist, dann muß gleichzeitig aus einer entsprechenden Menge Luft ebensoviel Wasser geworden sein –, oder (d) es muß mit Notwendigkeit Leeres geben. Zusammengehen und Sichausdehnen ist ja wohl anders nicht möglich. Wenn sie nun mit »locker« etwas meinen, was viele, für sich bestehende Leerräume in sich enthält, so ist offenkundig: Wenn es ein für sich bestehendes Leeres gar nicht geben kann, so wie ja auch nicht einen Ort, der eine bloße Erstreckung seiner selbst darstellte, dann in diesem Sinne auch nichts Lockeres. Wenn es nun andrerseits zwar nicht für sich bestehen soll
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und doch etwas Leeres (in dem Lockeren) darin sein soll, dann ist das wohl weniger unmöglich, es ergibt sich aber dabei, erstens, daß das Leere nicht Ursache jeder Bewegung sein kann, sondern nur der nach oben gerichteten – das Lockere ist ja leicht, deswegen sagen sie ja auch, Feuer sei locker gelagert –, zweitens, daß das Leere nicht in dem Sinne verstanden, als das »in welchem«, Ursache von Bewegung sein kann, sondern (nur), wie Schläuche durch ihren eigenen Auftrieb etwas an sie Gehängtes mitnehmen, ebenso trägt (dann) auch das Leere nach oben. Doch wie soll es eine Ortsbewegung des Leeren oder einen Ort des Leeren geben können? Dann entsteht ja eines Leeren Leeres, in welches es sich hinbewegt. Weiter: Wie werden sie beim Schweren dessen Bewegung nach unten erklären wollen? Und klar ist auch: Wenn die Aufwärtsbewegung (in ihrer Geschwindigkeit) sich nach dem zunehmenden Maß von Lockerkeit und Leere richtet, dann müßte sie, wenn es ein ganz Leeres gäbe, am allerschnellsten gehen. Aber es ist doch wohl auch bei diesem unmöglich, überhaupt eine Bewegung zu machen. Die Begründung ist die gleiche wie bei dem Fall, daß in einem Leeren alles unbeweglich wäre: So gilt auch für das Leere selbst, daß es unbeweglich ist; denn die Geschwindigkeiten stünden in keinem Verhältnis zueinander. Indessen, wir bestreiten zwar, daß es Leeres gibt, die übrigen Einwände bestehen aber ganz zu Recht: Entweder kann es Bewegung nicht geben, wenn es nicht Verdichtung und Auflockerung gibt; oder das Himmelsgewölbe muß Wellen schlagen; oder es muß immer (genau) die gleiche Menge Wasser aus Luft werden wie (umgekehrt) Luft aus Wasser: offenkundig ist ja, daß die aus Wasser entstehende Luft einen größeren Raum einnimmt (als das Wasser vorher); notwendig müßte nun, wenn es ein Zusammendrücken nicht gibt, entweder der anschließende (Körper) fortgestoßen werden (und so fort und dieser Stoß schließlich) den äußersten Körper zum Auswogen bringen; oder es muß an irgendeiner anderen Stelle genauso viel Wasser aus Luft sich durch Umschlag bilden, damit die Gesamtmasse des Ganzen gleichbleibt; oder (schließlich) es gibt gar keine Bewegung mehr. Immer wo etwas sich umstellt,
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wird sich dies so ergeben, außer wenn es im Kreis herumgeht; aber Fortbewegung fallt nicht immer unter kreisförmige, sondern auch unter geradlinige Art. Die (oben genannten) Leute also würden sagen, deswegen gebe es eben so etwas wie Leeres; wir dagegen behaupten auf Grund dessen, was von uns zugrundegelegt war: Es gibt einen einzigen Stoff für die Gegensätze, wie Warm und Kalt und die übrigen natürlichen Entgegensetzungen; und aus einem der Möglichkeit nach Seienden wird ein in tatsächlicher Wirklichkeit Seiendes; und »Stoff« ist zwar nichts für sich Bestehendes, aber in seinem begrifflichen Sein unterschieden und ein einziges der Zahl nach, etwa gegenüber Farbe und Warm und Kalt. Nun ist aber Stoff eines Körpers und (Stoff) von Großem und Kleinem dasselbe. Das ist klar: Wenn nämlich aus Wasser Luft geworden ist, dann ist derselbe Stoff nicht durch Annahme von etwas ein anderes geworden, sondern (nur) was es der Möglichkeit nach schon war, das ist es nun tatsächlich geworden; und umgekehrt, (wenn) Wasser aus Luft (geworden ist), dann genauso: nur, einmal zur Größe (der Ausdehnung) aus der Kleinheit, zum anderen zur Kleinheit aus der Größe. Ähnlich (ist es) also auch, wenn Luft, die zunächst große Ausdehnung hat, zu einer kleineren Masse wird, und (umgekehrt) aus einer kleineren zu einer größeren: der Stoff, der beides der Möglichkeit nach schon ist, wird dazu (wirklich). So wie nämlich dasselbe von Kalt zu Warm und von Warm zu Kalt (übergeht), weil es das (jeweils) der Möglichkeit nach schon war, ebenso (kann es) auch aus einem Warmen ein noch Wärmeres (werden), wobei nichts in dem Stoff warm wird, was nicht schon warm war zu dem Zeitpunkt, als (das ganze Ding) noch weniger warm war; nicht anders ist es ja bei der Krümmung des Kreisrands: Wenn sie aus (der Krümmung) eines größeren Kreises zu der eines kleineren Kreises geworden ist – mag sie dabei entweder dieselbe sein oder eine andere –, so tritt dabei (die Bestimmung) »gekrümmt« an nichts auf, was nicht vorher schon gekrümmt, sondern etwa gerade war; denn »weniger und mehr« (bei einer Eigenschaft) entsteht nicht durch völliges Ausbleiben. Und man kann auch nicht vom brennen-
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den Feuer irgendein Stück nehmen, in dem nicht Wärme und die Farbe der Glut enthalten ist. Ebenso also verhält sich auch der frühere Wärmezustand zu dem späteren. Daher erhalten auch Größe und Kleinheit der wahrnehmbaren Körpermasse ihren Ausdehnungszustand, ohne daß ihr Stoff irgendetwas (Zusätzliches) an sich nimmt, sondern weil es der Möglichkeit nach Stoff zu beiden (Zuständen) ist. Es ist also ein und derselbe (Körper) dicht und locker, und ein einziger ist der Stoff zu ihnen. Dabei ist das dicht Gelagerte schwer, das Lockere leicht. [Weiter, so wie der Kreisrand, wenn er auf ein kleineres (Ausmaß) zusammengekürzt wird, die Einkrümmung nicht als eine ihm ganz neue Bestimmung an sich nimmt, sondern nur, was schon da war, zusammengezogen ist, und so wie vom Feuer alles, was man da herausnehmen mag, warm sein wird, so ist auch das All ein Zusammenführen und Auseinandersenden ein und desselben Stoffs.] Zwei (Bestimmungen) sind es, die auf jeder von beiden Seiten, beim Dichten und Lockeren, stehen: Das Schwere und das Harte scheinen dicht zu sein, und deren Gegensätze locker, das Leichte und Weiche. Allerdings stimmen Schwer und Hart bei Blei im Vergleich zu Eisen nicht zusammen. Aus dem Gesagten ist also offenkundig, daß es weder ein für sich abgesondertes Leeres gibt, weder im direkten Sinn genommen noch als im Lockeren (vorhanden), noch (ein) der Möglichkeit nach (vorhandenes), außer jemand wollte nun unbedingt die Ursache von Fortbewegung »Leeres« nennen. In diesem Sinne wäre dann das Leere des Schweren und Leichten Stoff, insofern es eben diese Beschaffenheit hätte; denn Dicht und Locker, nach diesem Gegensatz hin genommen, sind dann Hervorbringer von Bewegung, nach der Seite von Hart und Weich hingegen (genommen, sind sie Hervorbringer) von Einwirkung und Widerstand gegen Einwirkung, und nicht so sehr von Fortbewegung als vielmehr von Verschiedenwerdung. Und so sollen über »leer«, in welchem Sinne es das gibt und in welchem nicht, auf diese Weise die Bestimmungen getroffen sein.
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10. Anschließend an das Gesagte ist nun an die (Bestimmung) »Zeit« heranzutreten. Zunächst ist es von Vorteil, hierüber Zweifelsfragen anzustellen, auch mittels äußerlich herbeigezogener Überlegungen, nämlich ob sie zum Seienden gehört oder zum Nichtseienden; sodann (ist danach zu fragen), was denn ihr wirkliches Wesen ist. Daß sie nun also entweder überhaupt nicht wirklich ist oder nur unter Anstrengungen und auf dunkle Weise, das möchte man aus folgenden (Tatbeständen) vermuten: Das eine Teilstück von ihr ist vorübergegangen und ist (insoweit) nicht (mehr), das andere steht noch bevor und ist (insoweit) noch nicht. Aus diesen Stücken besteht sowohl die (ganze) unendliche, wie auch die jeweils genommene Zeit. Was nun aus Nichtseiendem zusammengesetzt ist, von dem scheint es doch wohl unmöglich zu sein, daß es am Sein teilhabe. Außerdem, von jedem teilbaren (Ding), falls es ist, müssen, solange es ist, entweder alle seine Teile sein oder (doch) einige. Von der Zeit dagegen sind die einen Teile schon vorüber, die anderen stehen noch bevor, es ist keiner, und das, wo sie doch teilbar ist. Das »Jetzt« aber ist nicht Teil: der Teil mißt (das Ganze) aus, und das Ganze muß aus den Teilen bestehen; die Zeit besteht aber ganz offensichtlich nicht aus den »Jetzten«. Weiter, was das »Jetzt« angeht, welches augenscheinlich Vergangenes und Zukünftiges trennt, so ist nicht leicht zu sehen, ob es die ganze Zeit hindurch immer ein und dasselbe bleibt, oder ob es immer wieder ein anderes wird. (a) Wenn es einerseits wieder und wieder ein anderes wird, kein Teil aber dessen, was in der Zeit immer wieder ein anderes (ist), gleichzeitig (mit anderen sein kann) – sofern nicht der eine umfaßt, der andere umfaßt wird, so wie ein kleinerer Zeitabschnitt von einem größeren (eingeschlossen wird) –, und wenn, was jetzt nicht ist, früher aber war, notwendig irgendwann einmal zugrunde gegangen sein muß: dann können auch die Jetzte nicht gleichzeitig im Verhältnis zueinander sein, sondern es muß je das frühere untergegangen sein. Genau während der eigenen Dauer kann es nicht zugrunde gegangen sein, weil es da doch gerade war; aber zur Zeit eines
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anderen Jetzt kann das frühere Jetzt auch nicht untergegangen sein; – es soll dabei als unmöglich (vorausgesetzt) sein, daß die Jetzte miteinander zusammenhängend wären, so wie das ja auch im Verhältnis von Punkt zu Punkt gilt. Wenn es nun also in dem der Reihe nach sich anschließenden nicht zugrunde gegangen ist, sondern (erst) in einem weiteren, dann wäre es ja noch in den dazwischenliegenden Jetzten, die doch unendlich viele sind, vorhanden (und so) gleichzeitig (mit ihnen). Das kann nicht sein. (b) Aber andrerseits ist es auch nicht möglich, daß es die Zeit hindurch immer dasselbe bleibt: kein teilbares, begrenztes (Ding) hat (nur) eine Grenze, einerlei ob es in einer Richtung in fortlaufendem Zusammenhang steht oder in mehreren; das Jetzt ist aber eine (solche) Grenze, und man kann ein begrenztes Zeitstück herausgreifen (womit man also schon zwei Jetzte, eins am Anfang eins am Schluß, hätte). Weiter, wenn »Zugleich-Sein-in-der-Zeit« und »weder-früher-noch-später« soviel bedeutet wie: »In-demselben-undeinen-Jetzt-Stattfinden«, und wenn dann frühere und spätere Ereignisse auf ein bestimmtes (so verstandenes) Jetzt gesetzt werden, dann würden ja gleichzeitig sein Ereignisse aus dem zehntausendsten Jahr (vor uns) mit heute Vorgefallenem, und dann wäre nichts mehr früher oder später als etwas anderes. Über die ihr zukommenden (Eigenschaften) seien nun so viele Schwierigkeiten herausgestellt. Was aber die Zeit nun wirklich ist, was ihr Wesen ist, das bleibt gleichermaßen unklar, einerseits aus den überlieferten (Ansichten), andrerseits aus dem, was wir gerade im Vorigen durchgegangen sind. Die einen sagen nämlich, sie sei die Bewegung des Alls, die anderen setzen sie gleich mit der Weltkugel selbst. Doch von dem Umlauf braucht auch ein Teilabschnitt eine bestimmte Zeit, und er ist noch nicht Umlauf: was man herausgegriffen hat, ist ein Teil des Umlaufs, aber nicht Umlauf. Weiter, wenn es mehrere Himmelskugeln gäbe, dann wäre ja wohl entsprechend die Zeit die Bewegung einer jeden von ihnen; so gäbe es denn viele Zeiten neben einander her. – Als Weltkugel erschien den Vertretern dieser Meinung die Zeit
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(aus dem Grund), weil einerseits »in der Zeit« alles ist und andrerseits ebenso auch »in der Weltkugel«. Aber diese Behauptung ist doch wohl zu einfältig, als daß man die damit sich ergebenden Unmöglichkeiten durchprüfen müßte. Da aber die Zeit in besonderem Maße eine Art Bewegung zu sein scheint und Wandel, so wäre dies zu prüfen: Die verändernde Bewegung eines jeden (Gegenstandes) findet statt an dem Sich-Verändernden allein oder dort, wo das in ablaufender Veränderung Befindliche selbst gerade ist; die Zeit dagegen ist in gleicher Weise sowohl überall als auch bei allen (Dingen). Weiter, Veränderung kann schneller und langsamer ablaufen, Zeit kann das nicht. »Langsam« und »schnell« werden ja gerade mit Hilfe der Zeit bestimmt: »schnell« – das in geringer (Zeit) weit Fortschreitende; »langsam« – das in langer (Zeit) wenig (Fortschreitende). Die Zeit dagegen ist nicht durch Zeit bestimmt, weder nach der Seite ihres »Wieviel« noch nach der ihres »Wie-geartet«. Daß sie also nicht mit Bewegung gleichzusetzen ist, ist offenkundig; – dabei soll für uns im Augenblick kein Unterschied bestehen zwischen den Ausdrücken »Bewegung« oder »Wandel«. – 11. Aber andrerseits, ohne Veränderung (ist sie) auch nicht: Wenn wir selbst in unserem Denken keine Veränderung vollziehen oder nicht merken, daß wir eine vollzogen haben, dann scheint uns keine Zeit vergangen zu sein, so wie ja Mythen erzählt werden von denen, die auf Sardinien bei den Heroen schlafen: Ihnen fehlt auch die Zeit, wenn sie wieder aufgewacht sind; sie verknüpfen nämlich mit dem früheren Jetzt das spätere und machen daraus ein einziges, wobei sie infolge ihrer Empfindungslosigkeit die Zeit dazwischen weglassen. Wie es also Zeit gar nicht gäbe, wenn nicht das Jetzt (immer wieder) ein verschiedenes wäre, sondern ein und dasselbe, genauso erscheint hier das Zwischenstück nicht als Zeit, da die Verschiedenheit (der Jetzte) verborgen bleibt. Wenn also der Eindruck, es vergehe keine Zeit, sich uns dann ergibt, wenn wir keine Veränderung bestimmend erfassen können, sondern
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das Bewußtsein in einem einzigen, unmittelbaren (Jetzt) zu bleiben scheint, wenn andrerseits wir (Veränderung) wahrnehmen und abgrenzend bestimmen und dann sagen, es sei Zeit vergangen, so ist offenkundig, daß ohne Bewegung und Veränderung Zeit nicht ist. Daß somit Zeit nicht gleich Bewegung, andrerseits aber auch nicht ohne Bewegung ist, leuchtet ein. Wir müssen also, da wir ja danach fragen, was die Zeit ist, von dem Punkt anfangen, daß wir die Frage aufnehmen, was an dem Bewegungsverlauf sie denn ist. Wir nehmen Bewegung und Zeit ja zugleich wahr. Ja auch, wenn Dunkelheit herrscht und wir über unseren Körper nichts erfahren, wenn jedoch in unserem Bewußtsein irgendein Vorgang abläuft, dann scheint alsbald auch zugleich ein Stück Zeit vergangen zu sein. Indessen, auch (umgekehrt): Wenn eine Zeit vergangen zu sein scheint, scheint gleichzeitig auch eine bestimmte Bewegung vor sich gegangen zu sein. Also: Entweder ist die Zeit gleich Bewegung, oder sie ist etwas an dem Bewegungsverlauf. Da sie nun aber gleich Bewegung eben nicht war, so muß sie etwas an dem Bewegungsverlauf sein. Da nun ein Bewegtes sich von etwas fort zu etwas hin bewegt und da jede (Ausdehnungs-)Größe zusammenhängend ist, so folgt (hierin) die Bewegung der Größe: Wegen der Tatsache, daß Größe immer zusammenhängend ist, ist auch Bewegungsverlauf etwas Zusammenhängendes, infolge der Bewegung aber auch die Zeit: Wie lange die Bewegung verlief, genau so viel Zeit ist anscheinend jeweils darüber vergangen. Die Bestimmungen »davor« und »danach« gelten also ursprünglich im Ortsbereich; da sind es also Unterschiede der Anordnung; indem es nun aber auch bei (Raum-)Größen das »davor« und »danach« gibt, so muß notwendigerweise auch in dem Bewegungsverlauf das »davor« und »danach« begegnen, entsprechend den (Verhältnissen) dort. Aber dann gibt es auch in der Zeit das »davor« und »danach«, auf Grund dessen, daß hier ja der eine Bereich dem anderen unter ihnen nachfolgt. Es ist aber das »davor« und »danach« bei der Bewegung (nichts anderes als), was Bewegung eben ist; allerdings dem begriff-
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lichen Sein nach ist es unterschieden davon und nicht gleich Bewegung. Aber auch die Zeit erfassen wir, indem wir Bewegungsabläufe abgrenzen, und dies tun wir mittels des »davor« und »danach«. Und wir sagen dann, daß Zeit vergangen sei, wenn wir von einem »davor« und einem »danach« bei der Bewegung Wahrnehmung gewinnen. Die Absetzung vollziehen wir dadurch, daß wir sie (die Abschnitte) immer wieder als je andere annehmen und mitten zwischen ihnen ein weiteres, von ihnen Verschiedenes (ansetzen). Wenn wir nämlich die Enden als von der Mitte verschieden begreifen und das Bewußtsein zwei Jetzte anspricht, das eine davor, das andere danach, dann sprechen wir davon, dies sei Zeit: Was nämlich begrenzt ist durch ein Jetzt, das ist offenbar Zeit. Und das soll zugrundegelegt sein. Wenn wir also das Jetzt als ein einziges wahrnehmen und nicht entweder als »davor« und »danach« beim Bewegungsablauf oder als die (eine und) selbe (Grenze) zwischen einem vorherigen und einem nachherigen (Ablauf), dann scheint keinerlei Zeit vergangen zu sein, weil ja auch keine Bewegung (ablief). Wenn dagegen ein »davor« und »danach« (wahrgenommen wird), dann nennen wir es Zeit. Denn eben das ist Zeit: Die Meßzahl von Bewegung hinsichtlich des »davor« und »danach«. Also: Nicht gleich Bewegung ist die Zeit, sondern insoweit die Bewegung Zahl an sich hat (gehört sie zu ihr). Ein Beleg dafür: Das »mehr« und »weniger« entscheiden wir mittels der Zahl, mehr oder weniger Bewegung mittels der Zeit; eine Art Zahl ist also die Zeit. Da nun die (Bestimmung) »Zahl« in zweifacher Bedeutung vorkommt – wir nennen ja sowohl das Gezählte und das Zählbare »Zahl«, wie auch das, womit wir zählen, so fällt also Zeit unter »Gezähltes«, und nicht unter »womit wir zählen«. Womit wir zählen und das Gezählte sind aber verschieden. Und wie der Bewegungsablauf je ein anderer und (wieder) anderer ist, so auch die Zeit – nur jeder gleichzeitig genommene Zeitpunkt ist derselbe; das Jetzt (bleibt) ja dasselbe Was-eseinmal-war, nur sein begriffliches Sein ist unterschieden: das
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Jetzt setzt Grenzen in die Zeit gemäß »davor« und »danach«. Das Jetzt ist in einem Sinn genommen (immer) dasselbe, in einem anderen (wieder ist es) nicht dasselbe: insofern es immer wieder an anderer (Stelle begegnet), ist es unterschieden – das war doch eben das »Jetzt-sein« an ihm –; (bezogen auf das,) was das Jetzt zu irgendeinem Zeitpunkt eben ist, ist es das Selbe. Es folgt ja nach, wie gesagt wurde, der (Raum-) Größe die Bewegung, und dieser die Zeit, wie wir behaupten. Und ähnlich wie der Punkt (verhält sich) also das Fortbewegte, an dem wir die Bewegung erkennen und das »davor« an ihr und das »danach«: Dieses »Was-es-je-einmal-ist« ist dasselbe – entweder Punkt oder Stein oder etwas anderes derart –, der bestimmenden Erklärung nach (ist es je) ein anderes, so wie ja auch die Wortverdreher annehmen wollen, »Koriskos im Lykeion« bezeichne einen anderen als »Koriskos auf dem Markt«. Auch dies (Fortbewegte) ist also durch sein Immerwoanders-Sein unterschieden. Dem Fortbewegten aber folgt (hierin) das Jetzt, so wie die Zeit der Bewegung: an dem Fortbewegten erkennen wir ja das »davor« und »danach« beim Bewegungsablauf, insofern aber dies »davor« und »danach« abgezählt werden können, besteht das Jetzt. Daher gilt auch in diesem Zusammenhange: Was, irgendwann einmal seiend, ein Jetzt ist, das ist (immer) dasselbe – (nichts anderes als) das »davor« und »danach« an der Bewegung ist es im jeweiligen Auftreten dagegen ist es verschieden – insofern nämlich das »davor« und »danach« abgezählt werden können, besteht ja das Jetzt. Und in besonderem Maße der Erkenntnis zugänglich ist dies (bestimmte Jetzt); auch Bewegung überhaupt (ist ja nur erkennbar) anhand des Bewegten, und Ortsbewegung anhand eines Sich-fort-Bewegenden; denn ein Dieses-da ist der fortbewegte Gegenstand, »Bewegung« selbst ist das nicht. Also: In einem Sinn genommen ist das Jetzt immer dasselbe, im anderen aber nicht dasselbe; und so (gilt das) ja auch (für) das Fortbewegte. Klar ist auch dies: Wenn es einerseits Zeit nicht gäbe, gäbe es auch das Jetzt nicht, wenn es andrerseits das Jetzt nicht gäbe, dann auch die Zeit nicht; denn es bestehen zusammen,
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wie das Fortbewegte und die Ortsbewegung, so auch die Zählung des Fortbewegten und die der Ortsbewegung. Diese Zählung der Fortbewegung stellt ja (nichts anderes als) die Zeit dar, das Jetzt aber, ebenso wie das Fortbewegte, ist gewissermaßen eine Einheit der Zahl. Und die Zeit ist also auf Grund des Jetzt sowohl zusammenhängend, wie sie (andrerseits) auch mittels des Jetzt durch Schnitte eingeteilt wird. Auch in diesem Punkte folgt sie der Ortsbewegung und ihrem Bewegten: auch Bewegung überhaupt und Fortbewegung sind einheitlich durch das Fortbewegte, weil das nämlich eines ist – und zwar nicht was es jeweils in irgendeinem Zeitpunkt ist – dann könnte es ja aussetzen –, sondern dem Begriffe nach; und es ist auch dieses, was den Bewegungsablauf in Vorheriges und Nachheriges einteilt. Auch es folgt (darin) irgendwie dem Punkt: auch der Punkt hält die Länge sowohl zusammen und trennt sie ebensowohl; ist er doch des einen (Stückes) Anfang, des anderen Ende. Wenn aber einer die Sache so anpacken wollte, daß er den einen (Punkt) als zweie benutzt, dann muß (bei der Bewegung) ein Stillstand eintreten, wenn derselbe Punkt Anfang und Ende sein soll. Das Jetzt ist aber auf Grund der Tatsache, daß das Sich-fort-Bewegende eben bewegt ist, je ein anderes. Es ist also die Zeit eine Anzahl, nicht als die eines und desselben Punktes, weil der Anfang und Ende darstellt, sondern eher so wie die Grenzpunkte einer Geraden – und nicht als deren Teile, erstens aus dem genannten Grund: man müßte (je) den Punkt in der Mitte als zwei (Punkte) gebrauchen, so daß sich ein Stillstand ergäbe; und sodann ist auch offenkundig, daß das Jetzt kein Teil der Zeit ist, und auch die Einteilung des Bewegungsablaufs (durch Schnitte ist das) nicht, wie ja auch der Punkt kein (Teil) der Linie (ist). Die zwei (durch Schnitte entstehenden) Linien sind dagegen Teile der einen (ursprünglichen). Insoweit nun das Jetzt Grenze ist, ist es nicht Zeit, sondern kommt an ihr nur nebenbei vor; insoweit es andererseits die Zählung leistet, 〈ist es das doch〉 ... Grenzen sind Grenzen dessen allein, dessen Grenzen sie eben sind, die Zahl dagegen (beispielsweise), die dieser Pferde hier – zehn –, die begegnet auch anderswo.
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Daß also die Zeit Zahlmoment an der Bewegung hinsichtlich des »davor« und »danach«, und daß sie zusammenhängend ist – denn sie ist bezogen auf ein Zusammenhängendes –, ist offenkundig. 12. Die kleinste Zahl, diesen Begriff im allgemeinen Sinn genommen, ist die Zwei; als die oder die Anzahl genommen, gibt es in einem Sinne wohl (eine kleinste Zahl), in anderem Sinne aber nicht; z. B.: von einer Linie gibt es der Menge nach eine kleinste Anzahl, nämlich zwei oder eine, der Größe nach gibt es eine kleinste Zahl dagegen nicht; denn jede Linie läßt sich immer noch teilen. Also in gleicher Weise auch die Zeit: Der geringste Zeit(abschnitt), der Zahl nach genommen, ist einer oder zwei, dagegen der Größe nach genommen gibt es (ein Kleinstes) nicht. Klar ist weiter auch, daß man »schnell« oder »langsam« (von der Zeit) nicht aussagen kann, dagegen »viel« und »wenig« und »lang« und »kurz« wohl. Insoweit sie zusammenhängend ist, ist sie lang oder kurz, insoweit sie Anzahl ist, viel oder wenig. Schnell oder langsam ist sie dagegen nicht; es ist ja auch keine Zahl, mittels derer wir zählen, schnell oder langsam. Und sie (die Zeit) ist überall am gleichen Zeitpunkt dieselbe; in ihrem »davor« und »danach« betrachtet ist sie jedoch nicht dieselbe, weil ja auch der Wandel, als dieser gegenwärtige, ein einheitlicher ist, hingegen der vergangene und der zukünftige (Zustand) davon verschieden, die Zeit aber ist Zahl, nicht solche, mittels derer wir zählen, sondern gezählte Anzahl, und diese wird, von »davor« zu »danach« (fortschreitend), immer eine andere; auch die jeweiligen Jetzte sind verschiedene. Die (folgende) Zahl ist eine und dieselbe: Hundert Pferde und hundert Menschen; wovon das aber Zahl war, das ist verschieden voneinander: Pferde – Menschen. Weiter, ebenso wie es möglich ist, daß ein und derselbe Bewegungsablauf immer wieder stattfindet, genauso gilt das auch für Zeitabschnitte; z. B.: Jahr oder Frühling oder Herbst. Wir messen nicht bloß Bewegung mittels Zeit, sondern auch (umgekehrt) Zeit mittels Bewegung, weil sie nämlich durch einan-
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der bestimmt werden: Die Zeit mißt den Bewegungsablauf, sie ist ja seine (Meß-)Zahl, der Bewegungsablauf seinerseits (gibt an, wieviel) Zeit (verstrichen ist). Und wir sprechen von »viel« und »wenig« Zeit, indem wir eben mittels der Bewegung messen, so wie wir ja auch mittels der zählbaren (Einheit) die Zahl (angeben), z. B. mittels »ein Pferd« die Zahl der Pferde. Mittels der Zahl können wir ja die Anzahl der Pferde bekannt machen, umgekehrt, mittels des einen Pferdes kommen wir überhaupt erst zur Zahl von Pferden. Ganz ähnlich gilt das auch für Zeit und Bewegung: Mittels der Zeit messen wir die Bewegung, mittels der Bewegung die Zeit. Und das ergibt sich aus gutem Grund so: Der (Raum-)Größe folgt nach die Bewegung, der Bewegung die Zeit, darin daß sie (alle) »so-undso-viel«, »zusammenhängend« und »teilbar« sind. Auf Grund dessen, daß die (Raum-)Größe diese Eigenschaften hat, erfahrt Bewegung diese auch, infolge der Bewegung dann auch die Zeit. Und wir messen auch die (Raum-)Größe mittels der Bewegung, und (umgekehrt) die Bewegung mittels der Größe: Wir sprechen davon, ein Weg sei lang, wenn die Reise lang ist, und von ihr sagen wir, sie sei lang, wenn der Weg so ist. Und von der Zeit (sagen wir, sie sei lang), wenn die Bewegung es ist, und von der Bewegung, wenn die Zeit. Da nun die Zeit das Maß der Bewegung und ihres Ablaufs ist, da sie weiter die Bewegung dadurch mißt, daß sie einen bestimmten Abschnitt von ihr abgrenzt, welcher dann den ganzen Ablauf ausmißt – so wie ja auch der Unterarm eine Länge durch Festlegen einer ganz bestimmten Größe, die das Ganze ausmißt, (durchläuft) –, und da für Bewegung »In-derZeit-Sein« soviel heißt wie »mittels-der-Zeit-gemessen- Werden« nach Art und Dauer – man mißt ja Bewegung und Dauer von Bewegung gleichzeitig, und das ist ja eben ihr In- der-ZeitSein, daß ihre Dauer darin gemessen wird –: so ist es also klar, daß auch für alles übrige »In-der-Zeit-Sein« dies ist, daß die Dauer davon durch die Zeit gemessen wird. Denn »In-derZeit-Sein« bedeutet entweder die eine oder die andere von zwei Möglichkeiten: Entweder Dauer während der Dauer der Zeit, oder in dem Sinne, wie man von einigem sagt, es falle
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»unter die Zahl«. Das wieder bedeutet entweder »als Teil oder Eigenschaft der Zahl«, und allgemein, daß es etwas an der Zahl ist, oder daß es davon eine Zahl gibt. Da nun aber die Zeit eine Zahl darstellt, so sind das »Jetzt« und das »Davor« und dergleichen so »in der Zeit«, wie »Einheit«, »Gerade« und »Ungerade« unter Zahl fallen – die einen Bestimmungen sind etwas an der Zahl, die anderen etwas an der Zeit die Ereignisse hingegen sind in der Zeit wie unter einer Anzahl. Wenn aber das, so werden sie von Zeit eingefaßt, so wie auch das, was unter die Zahl fallt, von Zahl (umgeben ist) und das, was an einem Ort ist, von diesem Ort (umfaßt wird). Dann ist aber auch klar, daß »In-der-Zeit- Sein« nicht bedeutet »Dauer während der Dauer der Zeit«, so wie ja auch »In-BewegungSein« und »An-einem-Ort-Sein« nicht heißt: (Dauer) solange Bewegung und Ort sind. Hätte das »in etwas« diese Bedeutung, dann könnten alle Dinge in allem Beliebigen sein, z. B. auch das Weltgebäude in einem Hirsekorn; denn während der Dauer des Hirsekorns ist ja auch das Himmelsgewölbe. Aber das trifft ja nur nebenbei zu, jenes andere aber muß notwendig nachfolgen: Dem in der Zeit Befindlichen, daß es eine Zeit gibt, solange es ist; dem in Bewegung Befindlichen, daß es zu der Zeit Bewegung gibt. Da also »in der Zeit« das gleiche Begriffsverhältnis bezeichnet wie »unter der Zahl«, so wird immer eine Zeit ergriffen werden können, die größer ist, als ein jedes in der Zeit Befindliche (dauert). Daher muß notwendig alles in der Zeit Befindliche von Zeit eingefaßt werden, wie auch alles übrige, was in etwas ist, z. B. was an einem Ort ist, von diesem Ort. Und folglich widerfährt ihm etwas durch die Zeit, wie wir ja auch zu sagen gewohnt sind: »die Zeit läßt es schwinden«, und »alles altert mit der Zeit« und »man vergißt im Laufe der Zeit«, aber (wir sagen) nicht: »es hat gelernt (infolge der Zeit)« oder »es ist jung geworden« oder »schön geworden«. Denn an und für sich genommen ist die Zeit Urheberin eher von Verfall; ist sie doch das Zahl(moment) an Bewegung, verändernde Bewegung aber bringt das Bestehende fort zum Umbruch. – Somit ist klar, daß das Immerseiende, insofern es immerseiend ist, nicht in der Zeit ist: es wird ja
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nicht von Zeit eingefaßt, und es wird nicht die Dauer seines Seins von der Zeit gemessen. Beleg dafür ist, daß ihm nichts durch die Zeit widerfährt, da es ja nicht in der Zeit ist. – Da die Zeit Maß von Bewegung ist, so wird sie auch von Ruhe das Maß sein: jede Ruhe findet statt in der Zeit. Es gilt nicht die Entsprechung: Wie das in Bewegung Befindliche notwendig sich bewegen muß, so auch das in der Zeit Befindliche; denn Zeit ist nicht gleich Bewegung, sondern sie ist die Zahl von Bewegung, innerhalb dieser Anzahl von Bewegung kann auch das Ruhende sich befinden. Nicht jedes Unbewegliche ruht nämlich, sondern nur (die Art von ihm), die, von Natur aus zwar zur Bewegung ausgestattet, (gegenwärtig) einen Zugang zu Bewegung nicht hat – so ist es in den früheren Ausführungen schon gesagt. – »Unter eine Zahl fallen« bedeutet, daß es eine Anzahl dieses Gegenstandes gibt und daß sein Vorkommen gemessen wird durch die Zahl, unter die er fällt; ist er also in der Zeit, dann (wird er eben) von der Zeit (gemessen). Die Zeit wird aber das Bewegte und das Ruhende (nur) messen, insofern das eine bewegt, das andere ruhend ist; sie mißt ja dessen Bewegung und Ruhe nach ihrer Größe. Das Bewegte ist also nicht ganz allgemein meßbar durch Zeit, insofern es überhaupt ein »so-und-so-viel« ist, sondern nur insofern seine Bewegung ein »so-und-so-viel« ist. Was also weder der Bewegung noch der Ruhe unterliegt, ist nicht in der Zeit. In-derZeit-Sein heißt: Durch-Zeit-gemessen-Werden, die Zeit aber ist Maß von Bewegung und Ruhe. Offenkundig ist somit auch, daß nicht der gesamte Bereich »nichtseiend« unter die Zeit fällt, z. B. was gar nicht anders (als nichtseiend) sein kann, wie etwa der Sachverhalt, daß die Diagonale mit der Seite in gleichen Einheiten meßbar sein soll. Überhaupt, wenn die Zeit an und für sich Maß nur von Bewegung ist, von allem übrigen dann bloß in nebenbei zutreffender Bedeutung, so ist es klar, daß bei allen den Dingen, deren Dauer sie mißt, ihr Vorkommen zwischen Ruhen und Bewegtwerden sich abspielt. Alles somit, was vergänglich ist und entstehen kann, und überhaupt, was zu einer Zeit ist, zu einer anderen nicht, muß notwendig in der Zeit sein – es gibt
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immer ein größeres Zeitstück, welches ihre Dauer übertreffen wird und auch die Dauer des Zeitraums, der sie mißt –; bei dem, was nicht ist, (muß man einteilen:) Was davon die Zeit umfaßt, das war entweder – so wie Homer einmal war oder es wird sein, so wie etwas noch Bevorstehendes, je nachdem auf welcher Seite (die Zeit es) umfaßt; und wenn (sie es) auf beiden (tut), dann (gilt eben) beides [es war und wird sein]. Was aber die Zeit nie und nirgends umfaßt, das war weder, noch ist es, noch wird es sein. Solches gehört zu der Art von Nichtseiendem, deren Gegenteil immer ist, z. B. daß die Diagonale (mit der Seite) nicht in gleichen Einheiten meßbar ist, das gilt immer; und so etwas ist nicht in der Zeit. Also auch nicht die Behauptung, sie sei in gleichen Einheiten meßbar: die gilt aus dem Grunde niemals, weil sie das Gegenteil besagt von der, die immer gilt. Wovon dagegen das Gegenteil nicht immer gilt, das kann sowohl sein als auch nicht (sein), und so gibt es Werden und Vergehen davon. 13. Das Jetzt bildet den Zusammenhang von Zeit, wie gesagt wurde; es hält ja die vergangene und zukünftige Zeit zusammen. Und es ist auch die Grenze von Zeit, stellt es doch des einen Anfang, des anderen Ende dar, nur ist dies nicht so sichtbar wie bei dem Punkt, der ja bleibt. Es teilt der Möglichkeit nach; und sofern es diese Eigenschaft zeigt, ist das Jetzt immer ein anderes, insofern es dagegen zusammenknüpft, ist es immer dasselbe, – wie bei den mathematischen Linien: der je angenommene Punkt ist für das Denken nicht derselbe; für den, der die Linie teilt, ist es immer wieder ein anderer Punkt; insofern es aber ein einziger Punkt ist, ist es überall derselbe So auch das Jetzt: Einerseits ist es Teilung der Zeit der Möglichkeit nach, andrerseits ist es Grenze beider (Stücke) und ihre Einheit. Sie sind dasselbe, und sie beziehen sich auf dasselbe, die Teilung und die Einung, ihrem begrifflichen Inhalt nach sind sie freilich nicht dasselbe. Das ist der eine Wortgebrauch von »Jetzt«. Ein anderer liegt dann vor, wenn eine diesem (Jetzt) benachbarte Zeitspanne vorliegt: »Er wird jetzt (gleich) kommen«, (so sagt man) weil er
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heute kommen wird. »Er ist jetzt (gerade) gekommen«, – weil er heute angelangt ist. Dagegen, die Ereignisse vor Ilion sind nicht gerade eben erst vergangen, und auch die (große) Überschwemmung (wird) nicht jetzt (sofort stattfinden). Trotzdem bildet die Zeit einen Zusammenhang bis zu diesen (Ereignissen), nur (nennt man sie nicht »eben gleich«), weil sie (uns) nicht naheliegen. Der Ausdruck »einmal« meint eine Zeit, die abgegrenzt ist von dem Jetzt in seinem früheren Sinn, z. B.: »Einmal wurde Troja genommen« und »einmal wird es die große Überschwemmung geben«; dies muß gegen das Jetzt (der Gegenwart) abgegrenzt sein: Es wird also noch von diesem Augenblick an ein so und so großer Zeitabschnitt vergehen bis zu jenem (Ereignis), und es war schon (so und so viel Zeit) bis zu dem vergangenen hinauf. Wenn aber keine Zeit ist, von der (man) nicht (sagen kann:) »einmal«, dann wäre ja wohl jeder Zeitabschnitt begrenzt. Geht es also einmal mit ihr zu Ende? Oder nicht, wenn es doch Bewegung immer gibt? Ist sie also eine (je) andere, oder (kehrt) die gleiche (Zeit) oftmals wieder? Klar ist: Wie die Bewegung, so auch die Zeit; wenn nämlich ein und dieselbe (Bewegung) einmal wiederkehrt, so wird auch die Zeit eine und dieselbe sein, andernfalls jedoch nicht. Da das Jetzt Ende und Anfang von Zeit (darstellt), nur nicht von dem gleichen (Stück), sondern des Vergangenen Ende, Anfang des Bevorstehenden, so mag wohl, wie der Kreis an der gleichen Stelle irgendwie Gekrümmtes und Hohles (vereint), so auch die Zeit sich stets als am Anfang und am Ende verhalten. Deswegen erscheint sie als je verschieden; das Jetzt ist ja nicht Anfang und Ende des gleichen (Stücks); sonst wäre es ja zugleich und in gleicher Hinsicht das Gegenteil von sich selbst. Und so hört (die Zeit) also nie auf; sie ist ja immer (wieder) am Anfang. Der Ausdruck »gerade« meint (1) den Teil der bevorstehenden Zeit, der dem gegenwärtigen, unteilbaren Jetzt benachbart ist: – »Wann gehst du?« – »Gerade.«, – weil die Zeit nahe ist, in der er es tun wird; (2) auch von der vergangenen Zeit das, was vom Jetzt nicht weit weg ist: – »Wann gehst du?« –
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»Ich bin gerade gegangen.« – Den Satz dagegen »Ilion ist gerade erobert worden« können wir nicht aussprechen, weil das zu weit weg ist vom Jetzt. Auch »eben« meint den dem gegenwärtigen Jetzt naheliegenden Teil der vergangenen Zeit: – »Wann bist du gekommen?« – »Eben.«, – wenn diese Zeit dem bestehenden Jetzt naheliegt. »Vormals« dagegen (bezeichnet) weit Entferntes. »Plötzlich« (meint) solches, das infolge seiner Kürze in unwahrnehmbar kleiner Zeit heraustritt. Dabei ist jeder Wandel von Natur aus so ein Herausbringendes. Es ist ja in der Zeit, daß alles entsteht und vergeht; deshalb haben einige sie als das Allerweiseste bezeichnet, der Pythagoreer Paron dagegen als das Unwissendste, weil man in ihr ans Vergessen kommt, und er hatte damit eher recht. Es ist somit klar, daß sie an und für sich eher von Vergehen die Ursache sein muß als von Entstehen, wie ja auch früher schon gesagt wurde – der bloße Wandel für sich ist etwas (aus der Form) Herausbringendes –, von Werden und Sein dagegen (ist sie Ursache) nur nebenbei zutreffend. Hinreichendes Anzeichen dafür ist die Tatsache, daß so ziemlich nichts zustandekommt ohne Sich-Rühren und Handeln, dagegen Verkommen geschieht auch ohne Rührigsein. Und diese Art Verfall gerade nennen wir gern »Zahn der Zeit«. Indessen, es ist gar nicht die Zeit, die das macht, sondern es ergibt sich nur so, daß auch dieser Wandel in der Zeit stattfindet. Daß es also so etwas wie Zeit gibt und was sie ist, weiter, in wievielen Bedeutungen von »Jetzt« die Rede ist, und was »einmal«, »eben«, »gerade«, »vormals« und »plötzlich« bedeuten: darüber ist gesprochen. 14. Nachdem dies von uns so festgestellt ist, ist offenkundig, daß jeder Wandel und alles sich Verändernde in der Zeit ist. Denn »schneller« und »langsamer« sind von jeder Form von Wandel aussagbar: in allen (Bereichen) ist es so erfahrbar. Mit »Sich-schneller-Bewegen« meine ich dies: Was bei gleicher Entfernung und gleichförmiger Bewegung früher zu dem zugrundegelegten (Ende) sich wandelt – z.B. bei der
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Ortsbewegung: Wenn beide sich auf der Kreisbahn bewegen oder auf der Geraden; ähnlich bei den anderen (Bewegungsformen). Aber nun fällt doch »früher« unter »Zeit«: »früher« und »später« sagen wir doch gemäß dem Abstand vom Jetzt, das Jetzt ist Grenze von Vergangenem und Bevorstehendem. Da die Jetzte also zur Zeit gehören, werden auch »früher« und »später« unter sie fallen müssen: wozu das Jetzt gehört, dazu gehört auch die Entfernung vom Jetzt. – Im übrigen hat »früher«, von vergangener Zeit ausgesagt, eine gegensätzliche Bedeutung zu seiner Aussage von zukünftiger: Im Bereich des Vergangenen nennen wir »früher«, was vom Jetzt weiter entfernt ist, und »später« das ihm Nähere; in der zukünftigen Zeit ist »früher« das (dem Jetzt) Nähere, »später« das Fernere. – Da also »früher« unter »Zeit« fällt und da jeder Veränderung das »früher« (und »später«) folgt, so ist klar, daß jeder Wandel und jede Veränderung in der Zeit stattfindet. Der Untersuchung wert sind auch (die Fragen), wie sich denn die Zeit zum Bewußtsein verhält und weshalb die Zeit allgegenwärtig zu sein scheint, sowohl zu Land wie auf dem Meer und am Himmel. Etwa, weil sie eine Eigenschaft oder Verhältnis von Bewegung ist, wo sie doch eine Anzahl ist, und diese alle sind der Bewegung zugänglich – sie sind ja alle an einem Ort – und weil die Zeit und die Bewegung sowohl nach Möglichkeit wie in tatsächlicher Wirklichkeit zugleich (auftreten)? Ob andrerseits, wenn es ein Bewußtsein (davon) nicht gäbe, die Zeit vorhanden wäre oder nicht, das könnte man wohl fragen: wenn das Dasein von jemand, der zählen kann, ausgeschlossen wäre, dann könnte auch unmöglich etwas sein, das gezählt werden kann, also dann klarerweise auch nicht Zahl; Zahl ist doch entweder das Gezählte oder das Zählbare. Wenn aber nichts anderes von Natur begabt ist zu zählen als das Bewußtsein (des Menschen), und von diesem (besonders) das Verstandesvermögen, dann ist es unmöglich, daß es Zeit gibt, wenn es Bewußtsein (davon) nicht gibt, außer etwa als das, was als Seiendes der Zeit zugrundeliegt, etwa wenn es möglich ist, daß es VeränderungsVorgänge ohne Bewußtsein (davon) gibt. Das
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»früher-und-später« ist (wohl Bestimmungsstück) an der Veränderung, Zeit dagegen ist dies (erst), insoweit es zählbar ist. Nun könnte man auch noch die Frage erörtern, von welcher Veränderungsform die Zeit Zahl ist. Etwa von jeder beliebigen? – Es erfolgt ja Entstehen in der Zeit und Vergehen und Wachsen und Eigenschaftsveränderung und Ortsbewegung. Insoweit es also Bewegung ist, insofern gibt es von jeder Veränderungsart Zahl. Deshalb: Es gibt ganz allgemein von zusammenhängender Bewegung Zahl, nicht von einer bestimmten. Aber: Es kommt vor, daß sich jetzt gerade auch Anderes verändert hat; jede dieser beiden Bewegungen hätte also Zahl bei sich. Dann gibt es auch eine verschiedene Zeit, und dann wären zwei gleichberechtigte Zeiten zugleich da. – Oder doch nicht? Es ist doch eine und dieselbe Zeit, die da gleichlang und gleichzeitig ist. Der Art nach sind es sogar nicht gleichzeitige (Zeitabschnitte). Hätte man da etwa Hunde und Pferde, beidesmal sieben, so ist das dieselbe Zahl: genau so gibt es auch von den gleichzeitig vor sich gehenden Veränderungsabläufen (eine und) dieselbe Zeit, nur ist die eine Form davon vielleicht schnell, die andere nicht, und das eine ist Ortsbewegung, das andere Eigenschaftsveränderung. Dennoch ist die Zeit die gleiche, wenn ihre Zahl gleich ist und (sie) gleichzeitig (abläuft), die der Eigenschaftsveränderung und die der Ortsbewegung. Deswegen: Die Veränderungsformen sind verschieden und unabhängig von einander, die Zeit aber ist überall dieselbe, weil auch die Zahl der gleichlangen und gleichzeitig ablaufenden (Bewegungen) überall eine und dieselbe ist. Da aber 〈die ursprünglichste〉 (Form von Veränderung) die Ortsbewegung ist, und von dieser wieder die Kreisbewegung, und da weiter ein jedes gezählt wird mittels einer ihm stammverwandten Einheit, so die Zahleneinsen durch »eins«, Pferde durch »Pferd«, so dann auch die Zeit durch ein bestimmtes, festgelegtes Zeitstück, da aber gemessen wird, wie wir sagten, die Zeit einerseits mittels Bewegung, die Bewegung andrerseits mittels Zeit – das bedeutet: Durch ein mittels Zeit abgegrenztes Bewegungsstück wird von der Bewegung ihr »wieviel« gemessen, und von der Zeit (dann auch) –: Wenn nun das
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ursprüngliche Maß von allem ihm Stammverwandten (gelten soll), dann ist die Kreisbewegung, die gleichmäßige, am allermeisten Maß, weil die Zahl dieser die erkennbarste ist. Eigenschaftsveränderung, Wachsen und Entstehen sind alle nicht gleichmäßig, Orsbewegung jedoch ist es. Aus diesem Grund entsteht auch der Schein, die Zeit sei die Bewegung der (Welt-)Kugel, weil nämlich an dieser gemessen werden die übrigen Veränderungen, und auch die Zeit selbst mittels dieser Bewegung. Daher ergeben sich auch bekannte geläufige Redeweisen: Man sagt, ein Kreis seien die Ereignisse des Menschenlebens, und von allem übrigen, was natürliche Veränderung an sich hat und Werden und Vergehen, (sagt man es auch). Das (kommt daher), weil dies alles durch die Zeit geschieden wird und nimmt Ende und Anfang, als ob (es sich) wie in einem Umlauf (verhielte). Auch die Zeit selbst scheint ja eine Art Kreis zu sein. Wiederum entsteht dieser Schein dadurch, daß sie von derartiger Bewegung das Maß ist und (andrerseits) selbst von dieser gemessen wird. Also, zu sagen, die dem Werden unterliegenden Dinge stellten einen Kreis(lauf) dar, bedeutet (das gleiche wie) zu sagen, es gebe eine Art Kreis(lauf) der Zeit. Das (kommt daher), weil sie durch die Kreisbewegung gemessen wird. Neben dem Maß erscheint ja nichts anderes an dem Gemessenen mit, außer dem, Maß(einheiten) darstellt. – Es ist aber zu Recht behauptet, daß die Zahl dieselbe ist, die von Schafen und Hunden, wenn beide (Anzahlen) gleichgroß sind; es ist jedoch nicht dieselbe Zehnheit, d. h. es sind nicht dieselben zehn; so sind es ja auch nicht dieselben Dreiecke, das gleichseitige und das unregelmäßige, und doch sind sie dieselbe Figur, weil sie beide Dreiecke sind. »Dasselbe« wird ja genannt (etwas mit etwas), von dem es sich nicht durch einen Unterschied unterscheidet, aber nicht (mit etwas), von dem es sich unterscheidet, z.B.: Dreieck unterscheidet sich von Dreieck in einem ‹Dreiecks-› Unterschied, also sind es verschiedene Dreiecke. Dagegen, zu »Figur« besteht kein Unterschied, sondern (dies liegt) innerhalb einer und derselben Einteilung: »Figur« ist nämlich einesteils ein solches: Kreis, andernteils
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ein solches: Dreieck; davon aber ist das eine (Teilstück) ein solches: gleichseitig, das andere ein solches: unregelmäßig. Die Figur also ist die gleiche, u. z. »Dreieck«, als Dreieck aber sind sie nicht dasselbe. Und so also ist auch eine Zahl dieselbe – denn die Anzahl davon unterscheidet sich nicht aufgrund eines Zahl-Unterschiedes –, die Zehnheit dagegen ist nicht dasselbe: Das, wovon sie ausgesagt wird, unterscheidet sich, – einmal Hunde, einmal Pferde. Über Zeit an ihr selbst wie auch über das, was in der Untersuchung mit ihr zusammenhängt, ist somit gesprochen.
BUCH V Fünftes Buch
1. Alles, was sich wandelt, wandelt sich entweder (1) in nebenbei zutreffender Bedeutung – z. B. kann man sagen: »Etwas Gebildetes schreitet aus«, weil eben etwas ausschreitet, dem es nebenbei auch zutrifft, gebildet zu sein; – oder (2) auf Grund dessen, daß etwas an ihm sich wandelt, sagt man einfach: »es wandelt sich« – z. B. was man so (vermittelt) über Teile aussagt: »Der Körper gesundet«, weil das Auge oder die Brust (dies tut), das aber sind eben Teile des Körperganzen; – es gibt aber (3) auch solches, was weder in nebenbei zutreffender Bedeutung sich verändert noch dadurch, daß eines von seinen (Stücken das tut), sondern dadurch, daß es selbst in unmittelbarem Sinn in Veränderung ist. Das ist das in eigentlicher Bedeutung Veränderbare, und zwar Verschiedenes nach verschiedener Veränderungsart, z. B. eigenschaftsveränderlich, – und von der Eigenschaftsveränderung (gibt es wieder), was den Gesundheitszustand ändern kann und – davon verschieden – was den Wärmezustand ändern kann. Bezüglich dessen, was da Veränderung bewirkt, ist es genau so: Eines setzt in nebenbei zutreffender Bedeutung Veränderung in Gang, ein anderes (vermittelt) über Teil, indem nämlich eins seiner (zugehörigen Stücke dies tut), wieder eins an sich selbst in unmittelbarer Bedeutung, z. B.: »Der Arzt übt ärztliche Kunst aus«, und »die Hand haut zu«. Also: Eines ist das eigentlich in Bewegung Setzende, ein anderes das in Bewegung Gesetzte, – außerdem (gibt es noch) das »in welchem« (dabei), die Zeit, und neben all dem noch das »aus welchem« und das »wozuhin«: – Jede Veränderung geht von etwas aus und zu etwas hin; zu unterscheiden sind also das im eigentlichen Sinn Veränderte, das »woraufhin-die-Veränderung-stattfindet« und ihr »woher«, z. B. »Holz«, »Warm«, »Kalt«: Eins davon ist das »was«, eins das »zu was«, eins das »aus was«. Klar, daß Veränderung an dem Holz (stattfindet),
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nicht an seiner Zustandsbestimmung: so etwas wie »Bestimmung«, »Ort« oder »so-und-so-viel« setzt weder in Veränderung noch wird es verändert, stattdessen, es gibt Veränderndes, Verändertes und »zu was« der Veränderung; der (vollzogene) Wechsel erhält ja seinen Namen mehr nach dem »zu was« als nach dem »aus was«: Vergehen ist (bestimmt als) Wechsel zum Nichtsein hin, – obschon doch das Vergehende aus einem Seienden wechselt; (ebenso ist) Werden (ein Wechsel) zum Sein, obschon (es erfolgt) aus Nichtseiendem. Was Veränderung ist, darüber ist früher gesprochen. Die Formen dagegen und die Zustände und der Ort, worauf sich das Veränderte zubewegt, unterliegen keiner Veränderung, z. B. »Wissen«, »Wärme«. Nun könnte man die schwierige Frage aufwerfen, ob Zustände Veränderungsweisen sind, – Weißfarbigkeit (ist etwa so ein) Zustand. Dann würde es also geben einen Wandel zur Veränderung hin. Aber es ist doch wohl nicht »Weißfarbigkeit« eine Veränderung, sondern »Weißfärbung«. Auch für sie trifft zu (die Unterscheidung nach) »nebenbei zutreffend« und »vermittelt über Teil«, d. h. über ein anderes, und »in eigentlicher Bedeutung«, also nicht über anderes, – z. B. ein Weißwerdendes wandelt sich einerseits nebenbei (etwa) in ein zur Kenntnis Genommenes – Zur-Kenntnis-genommen-werden trifft ja für Farbe nur nebenbei zu –, andrerseits zu »Farbe« hin (wandelt es sich über die Teilvermittlung), weil »weiß« Teil ist von »Farbe« – (so sagt man ja) auch, »nach Europa« (wenn einer etwa aus Asien nach Athen kommt), weil »Athen« Teil ist von »Europa« –, schließlich in die »weiße Farbe« (wandelt es sich) in eigentlichem Sinn. In welchem Sinn also (etwas) an ihm selbst sich verändert, in welchem nur nebenbei zutreffend, und in welchem vermittelt über ein anderes, in welchem dadurch, daß es selbst unmittelbar (dies tut), und zwar sowohl auf seiten des Verändernden wie auf seiten des Veränderten, ist klar; und auch, daß Veränderung (sich abspielt) nicht an der Formbestimmtheit, sondern an dem in tatsächlicher Wirklichkeit Veränderten und Veränderbaren.
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Der nur nebenbei zutreffende Wandel soll im Folgenden beiseite bleiben: er ist überall da und immer und bei allem. Der (Wandel) in nicht nebenbei zutreffender Bedeutung (kommt) nicht an allem (vor), sondern nur an Gegenteiligem, deren Mittelzuständen und überhaupt bei Widerspruch; zuverlässige Bestätigung dafür (holt man sich) durch Heranführung aus der Erfahrung. Aus dem Mittelzustand findet Wechsel statt: man benutzt ihn dabei als einen Gegensatz zu beiden Seiten hin, denn der Mittelzustand hat irgendwie (beide) Außenzustände in sich; daher spricht man ihn im Verhältnis zu ihnen und sie im Verhältnis zu ihm auch als gegensätzlich aus, z. B.: Der Mittelton ist hoch im Verhältnis zum Grundton und tief im Verhältnis zum Oberton; und Grau ist weiß im Verhältnis zu Schwarz und schwarz im Verhältnis zu Weiß. Da jede Umwandlung erfolgt aus etwas zu etwas hin – dies klärt schon der Name auf: »um einander« (wandelt sich da) etwas, und eins stellt früheren, eins späteren Zustand klar –, so dürfte also das Sich-Wandelnde sich wandeln auf vierfache Weise: Entweder (1) aus Zugrundeliegendem in Zugrundeliegendes, oder (2) aus Zugrundeliegendem in Nicht-Zugrundeliegendes, oder (3) aus Nicht-Zugrundeliegendem in Zugrundeliegendes, oder (4) aus Nicht-Zugrundeliegendem in Nicht-Zugrundeliegendes; – mit »zugrundeliegend« meine ich, was durch einen Aussagesatz zum Verständnis gebracht wird. Somit (ergibt sich) notwendig aus dem Gesagten, daß es drei Formen von Wandel gibt: (1) Aus Zugrundeliegendem in Zugrundeliegendes, (2) aus Zugrundeliegendem in NichtZugrundeliegendes, und (3) aus Nicht-Zugrundeliegendem in Zugrundeliegendes. Denn die (Weise) »aus Nicht-Zugrundeliegendem in Nicht-Zugrundeliegendes« ist kein Wandel, weil sie nicht über ein Gegensatzverhältnis läuft: weder Gegenteil noch Widerspruch drückt sie aus. (3) Die (Weise) »aus Nicht-Zugrundeliegendem in Zugrundeliegendes«, ein Wandel über Widerspruch, das ist Werden, und zwar das ohne weitere Bestimmung (ist) einfachhin (Entstehen), das andere ist bestimmtes (Werden) von etwas, z. B.: Das (Werden) von Nicht-Weiß zu Weiß ist ein Werden dessen,
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andrerseits, das (Werden) aus Nichtseiendem einfachhin zu Sein ist Werden schlechthin, gemäß dessen man einfachhin von »Entstehen« redet und nicht von »Etwas-werden«. (2) Die (Weise) »aus Zugrundeliegendem in Nicht-Zugrundeliegendes« (ist) Vergehen, einfachhin das eines seienden Gegenstandes zum Nichtsein, bestimmt das hinüber zur entgegengesetzten Verneinung, – wie bei »Werden« schon gesagt. Da nun »nichtseiend« in mehreren Bedeutungen ausgesagt wird, und da weder die (Bedeutung von ihm, die) über Zusammensetzung und Trennung (im aussagenden Satz sich ergibt), sich verändern kann noch die »nach Möglichkeit (seiend)«, welches dem einfach, tatsächlich Seienden entgegengesetzt ist – zwar, »nicht-weiß« oder »nicht-gut« können doch in nebenbei zutreffendem Sinn sich verändern, denn es könnte etwa das »Nicht-Weiße« ein Mensch sein, – ein einfachhin »nichtdieses« (kann das) unter gar keinen Umständen –: so ist es unmöglich, daß »nichtseiend« Veränderung an sich nimmt; – gilt aber das, so kann auch Entstehen keine Form von Veränderung sein; denn es entsteht ja ein Nichtseiendes; und wenn es auch noch so sehr in nebenbei zutreffender Bedeutung »wird«, so bleibt es doch wahr zu sagen, daß »nichtseiend« auf Werdendes einfachhin zutrifft; – und für Ruhezustand ist es ähnlich. Diese Mißlichkeit ergibt sich nun [bei dem Fall, daß Nichtseiendes in Bewegung geraten muß], und auch (noch eine), wenn alles Bewegte an einem Ort sein muß, Nichtseiendes aber nicht an einem Ort ist; (es kann aber gar nicht an einem Ort sein,) denn dann wäre es ja irgendwo. Und auch Untergang ist somit keine Form von Veränderung; denn Gegensatz zu »Veränderung« ist entweder »Veränderung« (scil. in entgegengesetzte Richtung) oder »Ruhezustand«, – »Untergang« ist aber zu »Entstehung« gegensätzlich. Da nun aber jede Veränderungsform ein Wandel ist und es von Wandel die drei genannten (Formen) gibt, und da nun aber davon die Formen in Richtung auf Entstehen und Untergang keine Formen von Veränderung sind, diese hingegen die (sind, die sich) im Feld von Widerspruch (abspielen), so gilt notwendig: Der Wandel aus einem Zugrundeliegenden zu ei-
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nem Zugrundeliegenden (1) ist allein Veränderung. »Zugrundeliegend« (ist dabei bestimmt) entweder als Gegenteiliges oder deren Zwischenzustand – auch »nichtvorhandene Bestimmung« soll hier als Gegenteil gelten – und wird durch einen Aussagesatz zum Verständnis gebracht, (Beispiele:) »nackt«, »zahnlos«, »schwarz«. Wenn nun die Weisen der Aussage eingeteilt sind nach Wesen, Beschaffenheit, dem »wo«, [»wann«], dem »im-Verhältnis-zu ...«, dem »wieviel« und dem »tun-oder-erfahren«, so sind es notwendig drei Formen von Veränderung: (1) Die des Wiebeschaffen; (2) die des Wieviel; (3) die nach dem Ort. 2. Das seiende Wesen selbst betreffend gibt es Veränderung nicht, auf Grund der Tatsache, daß nichts unter dem, was es gibt, einem Wesen entgegengesetzt ist. Und auch von dem »imVerhältnis-zu ...« (gibt es Veränderung) nicht; es ist ja möglich, wenn eine Seite sich ändert, daß dann die andere 〈wahr ist und nicht–〉 wahr ist, die sich in nichts geändert hat, so daß also deren Veränderung nur nebenbei zutrifft. Also auch von dem »Tätigen-und-Erfahrenden« oder Veränderten-und-Verändernden (gibt es) keine, weil es eben eine Veränderung der Veränderung und eine Entstehung des Entstehens, und allgemein, einen Wandel des Wandels nicht gibt. Zuerst einmal, auf zweierlei Weise wäre es möglich, daß es Veränderung der Veränderung gibt: Entweder (1) als die an einem Zugrundeliegenden, z. B. so wie »ein Mensch verändert sich«, weil er sich etwa aus »weiß« zu »schwarz« wandelt. Ja, soll denn etwa so auch »Veränderung« warmwerden, sich abkühlen, den Ort tauschen, wachsen oder schwinden? Das ist ja unmöglich: zu den Dingen, die als Zugrundeliegendes vorkommen, gehört »Wandel« nicht. Oder (2), indem ein anderes, Zugrundeliegendes aus »Wandel« übergeht zu einer anderen Bestimmungsform [...]. Aber auch das ist nicht möglich, außer im nebenbei zutreffenden Sinn: Veränderung selbst ist ja schon so ein Wandel aus einer Bestimmungsform hin zu einer anderen, 〈z. B. (Wandel) eines Menschen aus Krankheit zu Gesundheit〉. – Und bei Entstehung und Untergang ist es
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genau so, nur daß die beiden so auf ihre Entgegensetzung abzielen, sie aber, die Veränderung so. Dann wandelt sich ja gleichzeitig (zweierlei): (Mensch) aus Gesundheit zu Krankheit, und (Wandel) aus eben dieser Wandlungsform selbst zu einer anderen. So ist denn klar: Sobald einer krank geworden ist, ist auch schon ein Umschlag eingetreten in irgendeine beliebige (Bestimmungsform) – möglich etwa: Ruhezustand –, und weiterhin nicht in die je beliebig auftretende, auch sie wird ja ein »aus-etwas-zu-etwas-anderem-hin« sein, so daß es also die entgegengesetzte sein wird, Gesundung. Aber im Sinne des Nebenbei-Zutreffens (geht es doch): Z.B. tritt Wandel ein von Erinnerung zu Vergessen, weil das, dem dies zutrifft, dem Wandel unterliegt, mal zum Gewußtwerden hin, mal zum Vergessenwerden. Sodann wird man ins Unendliche geraten, wenn es Wandel des Wandels gibt und Entstehung des Entstehens: Notwendig muß ja auch die Vorform da sein, wenn die spätere sein soll, z. B. wenn »Entstehung einfachhin« einmal entstehen würde, so müßte auch das, was zu ihr werden sollte, entstehen, mit der Folge, daß »Entstehendes einfachhin« noch nicht war, aber etwas »entstehendes Entstehendes« schon; und wieder, auch dies müßte irgendwann einmal entstehen, mit der Folge, daß dann das »entstehende Entstehende« noch nicht war (usf.). Da es nun aber bei unendlichen Reihen ein Erstes nicht gibt, so wird es dies Erste (beim Entstehen von Wandel) auch nicht geben, mit der Folge, daß auch das daran Anschließende nicht (in Gang kommt). Danach könnte also überhaupt nichts entstehen noch sich verändern noch sich wandeln. Weiter, es ist ein und derselbe Gegenstand, an dem Veränderung in die entgegengesetzte Richtung vor sich geht – und darüber hinaus Ruhezustand auch noch (eintreten kann) – und Entstehen und Untergang, mit der Folge, daß das »entstehende Entstehen«, sobald es entstehend geworden ist, dann dem Untergang entgegengeht; das kann es ja aber weder gleich als Entstehendes noch später: denn, was da untergehen soll, muß doch zunächst erst einmal sein!
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Weiter, es muß ein Stoff zugrundeliegen dem, was da entsteht und sich wandelt. Welcher soll das hier nun sein: Wie das, was Eigenschaften verändern kann, ein Körper ist oder eine Gesinnung, so (fragt sich:) Was ist das, was zu Veränderung oder Entstehung wird? Und andrerseits: Was ist das, zu dem hin sie sich verändern? Denn dies muß doch sein: Veränderung oder Entstehung dessen, aus diesem, zu diesem hin. Zusätzlich auch noch: Wie soll das denn gehen? Die Entstehung von Kenntnis ist ja noch nicht Kenntnis, also auch die Entstehung von Werden noch kein Werden, auch nicht die bestimmte (Entstehung) eines Bestimmten. Weiter, wenn es drei Arten von Veränderung gibt, dann muß sowohl das zugrundeliegende Naturding wie auch das »Wohin« der Veränderung etwas von diesem sein, z. B. »Ortsbewegung wechselt die Eigenschaft« oder »bewegt sich fort«. Kurz und gut, da alles Sichverändernde sich verändert auf dreierlei Weise, entweder (1) in nebenbei zutreffender Bedeutung, oder (2) dadurch, daß ein Teil von ihm (dies tut), oder (3) an ihm selbst, so könnte nur im nebenbei zutreffenden Sinn Wandel sich wandeln, wie wenn etwa ein Gesundender (nebenbei) liefe oder lernte. Aber diesen (Wandel) in nebenbei zutreffendem Sinn haben wir längst beiseite gestellt. Da es aber weder am Wesen noch am »im-Verhältnis-zu ...« noch an dem »Tun-und-Leiden« (Veränderung gibt), so bleibt übrig, daß es im Bereich des »So-und-so-beschaffen« und des »So-und-so-viel« und des »Dort-und-dort« Veränderung allein geben kann: in jedem dieser (Bereiche) gibt es Entgegensetzung. Die (Veränderung) im Bereich des »So-und-so-beschaffen« sei: Eigenschaftsveränderung; diese Allgemeinbezeichnung ist ja festgemacht. Mit »so-und-so-beschaffen« meine ich nicht das, (was) innerhalb von »Wesen« (auftaucht) – auch »Unterschied« ist ja eine Beschaffenheit –, sondern das, was (einem Gegenstand) widerfahren kann, wonach man (von ihm) sagt, ihm widerfahre etwas, oder er sei frei davon. Die (Veränderung) im Bereich des »So-und-so-viel« hat auf der allgemeinen Ebene keine Bezeichnung, nach den Einzel-
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richtungen hin heißt sie Wachsen und Schwinden: Die (Bewegung) in Richtung auf die vollkommene Größe ist Wachsen, die von ihr wieder fort ist Schwinden. Die (Veränderung) im Bereich von »Ort« hat sowohl auf der allgemeinen wie auf der besonderen Ebene keine Bezeichnung, sie soll aber im allgemeinen einmal »Fuhre» benannt sein, (und das) obschon doch von derlei Gegenständen im eigentlichen Sinn allein dann gesagt wird, sie »fahren dahin«, wenn es nicht an ihnen selbst, den ortswechselnden Dingen, ist, zum Stillstand zu kommen, und auch bezogen auf alle die Dinge, die sich nicht selbst in eine Ortsbewegung versetzen können. Der Wandel innerhalb einer und derselben Art zu Mehr oder Weniger hin ist Eigenschaftsveränderung; entweder ist dies ja eine Bewegung fort von einem Gegenteil oder eine hin zu einem Gegenteil, und zwar entweder einfachhin so oder irgendwie bestimmt; wenn sie in Richtung auf ein Weniger geht, dann wird man sagen, der Wandel vollziehe sich in Richtung auf das Gegenteil; geht sie auf das Mehr zu, (so wird man dies ansprechen) als vom Gegenteil fort zum Selbst hin. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Wandel irgendwie bestimmt stattfindet oder einfachhin so, nur daß bei »irgendwie bestimmt« die Gegensatzpaare zur Verfügung stehen müssen; »mehr« und »weniger« aber bedeuten das stärkere oder geringere Darinvorhandensein des Gegenteils und Nicht(-Darinvorhandensein). Daß also diese drei die einzigen Formen von Veränderung sind, ist danach klar. – Der Veränderung nicht unterliegend ist (1) das, was ganz und gar unmöglich in Veränderung gesetzt werden kann, so wie Lärm unsichtbar ist; (2) das, was in langer Zeit nur gerade eben sich bewegt, oder solches, was nur langsam damit anfängt, was man denn »schwer veränderbar« nennt; und (3) solches, dem es von Natur aus zwar gegeben ist, sich zu verändern, und das dies auch könnte, das aber zu der Zeit und an der Stelle und in der Form, da es ihm gegeben wäre, sich gerade nicht verändert; das ist unter dem Unveränderbaren das einzige, von dem ich sage: Es ruht. Denn
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Gegenteil ist Ruhe von Veränderung, also kann sie auch die Nichtbestimmtheit dessen sein, das (Veränderung) an sich nehmen könnte. Was also Veränderung ist, was Ruhe, wieviele Formen von Wechsel es gibt und welche Weisen von Veränderung, das ist nach dem Gesagten einsichtig. 3. Danach wollen wir vortragen, was »beisammen« bedeutet und »getrennt«, und was »berühren«, was »inmitten«, was »in Reihe folgend«, was »anschließend« und »zusammenhängend«, und (schließlich) welchen Gegenständen ein jedes davon seiner Natur nach eignet. »Beisammen« also nenne ich das im Hinblick auf Ort, was im genauen Sinn an einem Ort sich befindet; »getrennt« (ist) dagegen das, was an verschiedenem (Ort ist); von »berühren« (rede ich bei den Dingen), deren Ränder beisammen sind. 〈Da aber jeder Wandel (stattfindet) zwischen Gegensätzen und solche Gegensätze (bestehen können) in Gegenüberliegendem und Widerspruch, und da es bei Widerspruch nichts in der Mitte gibt, so ist offenkundig, daß das »inmitten« im Bereich des Gegenüberliegenden Vorkommen muß. Das »inmitten« findet sich in einer Reihe von mindestens dreien: Die Außenpunkte beim Wandel sind die Gegenüberliegenden〉, inmitten ist dann das, wohin das Sich-Wandelnde früher kommen muß, bevor es zum Außenpunkt sich wandelt, wenn es naturgemäß in zusammenhängender Weise sich wandelt. [...] Zusammenhängend verändert sich das, was nichts oder möglichst wenig von der ganzen Sache ausläßt, – nicht was die Zeit angeht – da macht es nichts, wenn mal eine Pause eintritt, aber wohl, wenn gleich nach dem Grundton die Oktave erklingt –, sondern bezogen auf den Gegenstand, an dem die Veränderung vorgeht. Das ist an Ortsbewegungen und den anderen Formen von Wandel offensichtlich. »Gegenüberliegend« in Hinsicht auf Ort ist das, was über eine Gerade am weitesten von einander entfernt ist: sie (ist) ja die kürzeste (Strecke und) begrenzt, und Begrenztes dient als Maß.
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»In Reihe folgend« ist solches, was nach dem Anfang kommt und so nach Anordnung und Form oder etwas anderem für sich abgegrenzt ist, und nichts ist inmitten von Gegenständen der gleichen Gattung (zwischen ihm) und dem, dessen in Reihe Folgendes es ist, – ich meine z. B. Strecke oder Strecken folgen auf Strecke, und auf Einheit folgt Einheit oder Einheiten, und auf Haus folgt Haus; etwas davon Verschiedenes darf ja ohne weiteres inmitten sein –; das in Reihe Folgende folgt einem Bestimmten nach und ist (selbst auch) ein bestimmtes Späteres: Eins folgt nicht in Reihe auf Zwei und nicht der Monatsanfang auf den zweiten Tag, sondern Letzteres dem Ersteren. »Anschließend« ist, was in Reihe folgt und in Berührung steht. [...] »Zusammenhängend« ist einerseits ein besonderer Fall von »anschließend«, ich sage aber dagegen, »zusammenhängend« liege dann vor, wenn die Grenze beider, da wo sie sich berühren, eine und dieselbe geworden ist und, wie der Name ja schon sagt, zusammengehalten wird. Dies kann es aber so lange nicht geben, wie die beiden Ränder zwei sind. – Nachdem dies bestimmt festgelegt ist, ist klar, daß es Zusammenhang nur bei solchen Gegenständen geben kann, aus denen auf Grund von Zusammenfügung ein Eines werden kann; und so wie das zusammenhaltende (Teilstück) eines wird, genau so wird das Ganze eines sein, z. B. durch Nagel, Leim, Gelenkverbindung, Anwachsen. Offensichtlich ist aber auch, daß die ursprüngliche Bestimmung das »In-Reihe-folgend« ist; was nämlich in Berührung steht, muß notwendig auch in Reihe folgen, (umgekehrt) aber muß nicht alles in Reihe Folgende auch (einander) berühren, – deshalb findet sich Reihenfolge auch bei begrifflich Ursprünglicherem, z. B. bei Zahlen, Berührung gibt es da aber nicht –; und wenn »zusammenhängend« vorliegt, dann notwendig auch »berühren«, (umgekehrt) aber, wenn etwas in Berührung steht, ist es noch nicht zusammenhängend: es ist ja nicht notwendig, daß deren Oberflächen eins werden müssen, wenn sie beisammen wären, aber (umgekehrt), wenn (sie) eins (sind),
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dann notwendig auch beisammen. Zusammenwachsen ist also das Späteste, bezogen auf den Werdevorgang: notwendig müssen sich die Ränder erst einmal berühren, wenn sie zusammenwachsen sollen, was aber in Berührung steht, das ist noch nicht alles zusammengewachsen; bei Gegenständen, für die es Berührung nicht gibt, ist klar, daß es für sie auch Zusammenwachsen nicht geben kann. Also wenn es Punkt und Einheit in der Weise geben sollte, wie man sie so als Für-sich-Bestehende ansetzt, dann ist es nicht möglich, daß Einheit und Punkt dasselbe wären: den (Punkten) nämlich steht Berührung zu, den Einheiten (nur) Reihenfolge, und bei den (Ersteren) kann etwas dazwischenliegen – jede Strecke liegt ja zwischen Punkten –, bei den (Letzteren) ist diese Notwendigkeit nicht: es gibt ja kein »inmitten« zwischen Zweiheit und Einheit. Was nun also die Bedeutungen sind von »beisammen« und »getrennt«, was die von »berühren«, die von »inmitten« und »in Reihe folgend«, und was die von »anschließend« und von »zusammenhängend«, und welchen Gegenständen ein jedes davon zukommt, ist vorgetragen. 4. »Einheitlich« wird Veränderung auf vielerlei Weise genannt. »Eins« sprechen wir ja in vielen Bedeutungen aus. Der Gattung nach einheitlich ist sie gemäß der Einteilung der Grundformen von Aussage – Ortsbewegung ist mit jeder Form von Ortsbewegung der Gattung nach eins, Eigenschaftsveränderung dagegen ist von Ortsbewegung der Gattung nach unterschieden –, der Art nach einheitlich (ist sie dann), wenn sie zusätzlich dazu, der Gattung nach einheitlich zu sein, auch noch in einer unteilbaren Art sich findet; z. B. von »Farbe« gibt es immer noch Unterschiede – demnach sind der Art nach unterschieden (die Veränderungen) Schwärzen und Weißen [also jedes Weiß-Machen ist mit jedem Weißmachen gleich in der Art, und jedes Schwärzen mit Schwärzen] –, von »weißer Farbe« aber nicht mehr: Daher ist der Art nach eins Weißen mit jeder Art von Weißen. Wenn es aber irgendwelche (Bestimmungen) gibt, die zugleich sowohl Gattung wie auch Art
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sind, so ist klar, daß in bestimmter Beziehung (so eine Veränderungsbeziehung) wohl der Art nach eine sein kann, ohne solchen Zusatz aber wird sie der Art nach eine nicht sein, z. B. »Wissenserwerb», wenn »Wissenschaft« einerseits Art ist von »Begreifen«, andrerseits jedoch Gattung der einzelnen Fächer. Man könnte die Streitfrage aufwerfen, ob eine Bewegung der Art nach eine ist, wenn vom selben Ausgangspunkt aus ein und derselbe Gegenstand zum gleichen Endpunkt übergeht, z. B. dieser eine Punkt von der Stelle hier zu dieser Stelle hier, (und das) immer wieder. Wäre das so, dann wird die Kreisbewegung dieselbe sein wie die Geradeausbewegung, und Wälzen dieselbe wie Schreiten! Oder ist nicht doch festgelegt: Das »worin« – wenn das der Art nach verschieden ist, daß dann auch die Bewegung verschieden ist, und nun ist aber »im Kreis herum« von »geradeaus« der Art nach verschieden? – Der Gattung und der Art nach ist also Veränderung einheitlich auf diese Weise; ohne Zusatz einheitliche Veränderung ist (nur) die nach dem Wesen und der Zahl einheitliche. Welches eine so beschriebene ist, wird klar, wenn man die Dinge auseinandernimmt: Drei Dinge sind es doch an der Zahl, mit Bezug auf die wir von Veränderung reden, »was«, »worin« und »wann«. Ich meine damit: (1) Es muß das, was sich verändert, etwas sein, z. B. »Mensch« oder »Gold«; und (2) in einem (Bereich) muß dies sich verändern, z. B. im Raum oder in einem Zustand; und (3) irgendwann (muß dies vor sich gehen): in der Zeit verändert sich alles. Davon liegt nun das Der-Gattung-oder-Art-nach-eins-Sein bei dem Tätigkeitsfeld, in dem es sich verändert; das Anschließend(-Sichvollziehen) liegt bei der Zeit; das Einssein ohne jeden Zusatz liegt bei diesen allen: Sowohl das »worin« muß hier eins sein und unteilbar, z. B. die Bewegungsart, wie auch das »wann«, so muß die Zeit einheitlich sein und darf nicht aussetzen, und auch das Sichverändernde muß eines sein, nicht dem bloßen NebenbeiZutreffen nach – wie etwa »weiß wird schwarz« und »Koriskos geht«: »Koriskos« und »weiß« sind hier eins, aber eben nur
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nebenbei zutreffend –, und auch nicht auf allgemeiner Ebene: dann könnte es nämlich sein, daß gleichzeitig zwei Menschen dieselbe Gesundungsveränderung durchmachen, etwa von einer Augenerkrankung; aber eben nicht eine ist diese (Veränderung), sondern nur der Art nach eine. Was aber die Vorstellung angeht: »Sokrates macht eine artgleiche Eigenschaftsveränderung durch, nur zu einer immer wieder anderen Zeit«, (so sei dazu gesagt:) Wenn Untergegangenes wieder eines an Zahl werden könnte, dann wäre auch diese (Veränderung) eine; geht das aber nicht, so ist sie zwar die gleiche, eine aber nicht. Eine Schwierigkeit, die dieser sehr ähnlich ist, enthält auch (die Frage:) Ist »Gesundheit«, und allgemein: Zustände und Erlebnisse, einheitlich ihrem Sein in den Körpern nach? Denn diese, die das ja an sich nehmen, erscheinen als sich verändernd und fließend. Wenn denn also »Gesundheit heute morgen« und »(Gesundheit) jetzt« eine und dieselbe ist, wieso sollte nicht, wenn (jemand) nach einer Unterbrechung Gesundheit wiedererlangt, dann diese mit der früheren der Zahl nach eine sein? Ihre Begriffserklärung ist doch die gleiche, nur, soviel Unterschied besteht doch: Wenn es zwei (Zustände) sind, eben aus dem Grund, weil das der Zahl nach so ist, dann muß das (genauso) für ihre Verwirklichung gelten – eine Verwirklichung (ist bezogen) auf einen (Zustand) –; ist dagegen der Zustand einer, so möchte es vielleicht nicht jedem so vorkommen, daß dann eine auch die Verwirklichung sein müsse – wenn (jemand) doch mit Gehen aufhört, dann ist (der Vorgang) »Schreiten« in dem Augenblick nicht mehr, geht er dann aber wieder, so wird er auch wieder sein –; wäre nun (die Verwirklichung) eine und dieselbe, dann könnte eines und dasselbe vielmal untergehen und sein! Diese Schwierigkeiten liegen nun außerhalb des Rahmens der gegenwärtigen Untersuchung. – Da aber jede Veränderung zusammenhängend ist, so muß sowohl die schlechterdings einheitliche auch zusammenhängend sein, wenn doch jede (Veränderung immer aufs neue) teilbar ist, und, wenn sie zusammenhängend ist, muß sie auch einheitlich sein; es hängt
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ja wohl nicht jede Veränderung mit jeder nahtlos zusammen, so wie auch bei anderen Dingen nicht jedes Beliebige mit jedem Beliebigen zusammenhängt, sondern nur die Gegenstände, deren Endstücke einheitlich werden. Endstücke gibt es bei einigen Gegenständen gar nicht, bei anderen sind sie verschieden der Art nach und nur dem Namen nach gleich: wie sollte sich denn auch verbinden oder einswerden das Endstück einer Strecke mit dem Ende eines (Spazier)gangs? Aneinander anschließend allerdings können sein auch (Veränderungen), die nicht nach Art und Gattung dieselben sind – nach einem Lauf kann einer sogleich Fieber kriegen, und z. B. die Fackelstaffette ist ein sich anschließendes Weiterbringen, zusammenhängend aber nicht. »Zusammenhängend« ist ja festgelegt als »deren Ränder eins (sind)«. Also, aneinander anschließend und in Reihe folgend sind (Veränderungen) dadurch, daß ihr Zeitablauf zusammenhängt, zusammenhängend (sind sie selbst erst) dadurch, daß ihr eigener Ablauf es ist; das ist aber dann der Fall, wenn von zwei (Abläufen) das Endstück eins wird. Es muß also sein die schlechterdings zusammenhängende und einheitliche Veränderung: Dieselbe der Art nach, (Veränderung) eines Gegenstandes und (stattfindend) in einer Zeit. »Der Zeit nach (einheitlich« ist so zu verstehen:) Daß keine Bewegungslosigkeit dazwischenkommen darf – im Zeitpunkt des Aussetzens tritt ja notwendig Ruhezustand ein, dann sind es also viele Bewegungsabläufe, und nicht einer, wenn immer eine Ruhe dazwischen eintritt: also wenn ein Veränderungsablauf durch Stillstand durchgeteilt wird, so ist er nicht (mehr) einheitlich oder zusammenhängend; er wird aber durchgeteilt, wenn (ihm) eine Zeit dazwischenkommt(, in der er nicht ist); ist die Veränderung andrerseits der Art nach nicht einheitlich, auch wenn sie nicht aussetzt, dann ist zwar ihr Zeitablauf einheitlich, der Art nach ist die Veränderung aber unterschieden. Die einheitliche (Veränderung) muß notwendig auch der Art nach eine sein, (umgekehrt) aber, daß diese auch schlechterdings einheitlich wäre, ist nicht notwendig. Was also schlechterdings einheitliche Veränderung ist, ist vorgetragen. –
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Es wird aber auch noch »einheitlich« genannt die zu Ende gekommene (Veränderung), einerlei ob sie das nach Gattung oder Art ist oder nach dem Wesen (des Gegenstandes), so wie (man) ja auch bei allem übrigen »vollkommen« und »ganz« von einem Einheitlichen (aussagt). Es kommt auch vor, selbst wenn sie unvollendet ist, nennt man sie einheitlich, wenn sie nur zusammenhängend ist. Auf noch andere Weise, neben den genannten, wird einheitlich genannt die gleichmäßige Veränderung. Die ungleichmäßige erscheint ja gelegentlich als nicht-einheitlich, sondern in höherem Maße ist es (scil. einheitlich) die gleichmäßige, z. B. die Geradeaus-Bewegung; die ungleichmäßige (ist in ihre verschiedenen Abfolgen) auseinandernehmbar. Der Unterschied zwischen ihnen scheint so zu bestehen wie zwischen »Mehr« und »Weniger«. In jeder Form von Veränderung findet sich (die Möglichkeit von) »gleichmäßig« oder »nicht-gleichmäßig« vor: es kann etwas gleichmäßig seine Eigenschaften verändern, es kann sich auf gleichmäßiger Bahn fortbewegen, z. B. auf Kreis oder Gerader, und was Wachsen angeht und Schwinden, ist es entsprechend. Ungleichmäßigkeit ist Unterschiedlichkeit einerseits in der Bewegungsrichtung – unmöglich kann ja Bewegung gleichmäßig sein über eine nichtgleichmäßige (Raum-) Größe hin, z. B. Bewegung über Eck oder über Windungen oder über andere Ausdehnungen, bei denen ein beliebig herausgegriffenes Teilstück nicht auf ein beliebiges Teilstück paßt –; andrerseits findet sie sich nicht an dem »was« noch am »wann« noch an dem »zu was hin«, sondern in dem »wie«: Durch Schnelligkeit und Langsamkeit ist (Bewegungsablauf) bisweilen bestimmt: Dessen Geschwindigkeit die gleiche, der ist gleichmäßig, wo nicht, der ist ungleichmäßig. Dies ist auch der Grund, warum Schnelligkeit und Langsamkeit nicht Arten von »Veränderung« sind und auch nicht artenbildende Unterschiede, weil sie eben allen unterschiedenen (Bewegungsformen) Art für Art folgen. Also (sind es) auch nicht Schwere und Leichtheit, soweit sie sich auf gleiche Körper richten, z. B. (Anziehungskraft) von Erde zu (Stücken von) sich selbst oder von Feuer zu (Teilen von) ihm selbst. – Einheitlich ist nun also
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auch die ungleichmäßige (Veränderung), wenn und dadurch daß sie zusammenhängend ist, aber sie ist es in geringerem Maße – so trifft es z. B. auf Fortbewegung über Eck zu –; das »weniger« enthält immer eine Beimischung von Gegenteil. Wenn aber jede einheitliche (Veränderung) sowohl gleichmäßig als auch nicht-gleichmäßig sein kann, so sind ja wohl (nur) aneinander anschließende, nicht der Art nach gleiche (Veränderungen) nicht auch (schon) einheitlich und zusammenhängend: Wie sollte etwa z. B. gleichmäßig sein eine aus Eigenschaftsveränderung und Fortbewegung zusammengesetzte (Abfolge)? Die müßten ja aufeinander passen. 5. Noch ist zu bestimmen, welche Form von Veränderung einer Veränderung entgegengesetzt ist, und bezüglich »Ruhezustand« (ist) auf die gleiche Weise (zu fragen). Zunächst einmal ist einzuteilen: Ist entgegengesetzt (1) Veränderung von dem Gleichen fort der zu dem Gleichen hin – Beispiel: »von Gesundheit fort« – »zu Gesundheit hin« – so scheinen auch Entstehen und Untergehen (sich zu einander zu verhalten) –; oder (2) Veränderung von Entgegengesetztem fort – Beispiel: »von Gesundheit fort« – »von Krankheit fort« –; oder (3) die zu Entgegengesetztem hin – Beispiel: »zu Gesundheit hin« – »zu Krankheit hin« –; oder (4) Veränderung von Entgegengesetztem fort der zu Entgegengesetztem hin – Beispiel: »von Gesundheit fort« – »zu Krankheit hin« – oder (5) Veränderung von Entgegengesetztem fort zu Entgegengesetztem hin der von Entgegengesetztem fort zu Entgegengesetztem hin – Beispiel: »von Gesundheit fort zu Krankheit hin« – »von Krankheit fort zu Gesundheit hin« –? Entweder eine oder mehrere dieser Weisen müssen es ja sein: weitere Möglichkeiten des Gegeneinandersetzens gibt es nicht. Nun ist die (Veränderung) von Entgegengesetztem fort der zu Entgegengesetztem hin nicht entgegengesetzt – Beispiel: »von Gesundheit fort« – »zu Krankheit hin«; das ist ein und dieselbe; allerdings, ihre Begriffsbestimmung ist nicht dieselbe, so wie eben nicht dasselbe ist »aus (dem Zustand) der Gesundheit sich wandeln« und »zur Krankheit hin (sich wan-
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deln)«. Und auch die (Veränderung) von Entgegengesetztem fort (ist) nicht der von Entgegengesetztem fort (entgegengesetzt): zugleich findet zwar statt (Wechsel) von Entgegengesetztem zu Entgegengesetztem oder Mittelzustand, – aber darüber werden wir gleich noch sprechen; doch scheint offenbar in stärkerem Maße der Wandel hin zu Entgegengesetztem Ursache der Entgegensetzung zu sein als der von Entgegengesetztem fort; letzterer ist ein Loslassen von Entgegengesetztheit, ersterer ihr Ergreifen. Und es wird auch jede Veränderung mehr nach dem »wohin« ihres Wandels benannt als nach dem »woher« – Beispiel: »Gesundung« der Weg zur Gesundheit hin, »Erkrankung« der zur Krankheit hin. Bleiben also: Die (Veränderung) zu Entgegengesetztem hin und die zu Entgegengesetztem hin von Entgegengesetztem fort. Sogleich ergibt sich nun, daß die (Veränderungen) zu Entgegengesetztem hin auch von Entgegengesetztem fort vonstatten gehen, nur, ihre Begriffsbestimmung ist wohl nicht dieselbe, – ich meine »zu Gesundheit hin« im Verhältnis zu »von Krankheit fort« und »von Gesundheit fort« im Verhältnis zu »zu Krankheit hin«. Da nun »Wandel« sich von »Veränderung« unterscheidet – von einem bestimmten Zugrundeliegenden zu einem bestimmten Zugrundeliegenden übergehender Wandel: das ist doch Veränderung –, so ist die Veränderung von Entgegengesetztem fort zu Entgegengesetztem hin der von Entgegengesetztem fort zu Entgegengesetztem hin entgegengesetzt – Beispiel: »Von Gesundheit fort zu Krankheit hin« – »von Krankheit fort zu Gesundheit hin«. Einleuchtend wird auch durch Beispiele aus der Erfahrung, von welcher Art Entgegengesetztes offenbar ist: Kranksein – Gesundsein; Unterrichtetwerden – Hinters-Licht-geführtwerden, und zwar nicht durch sich selbst – das führt ja zu entgegengesetztem Ergebnis; – wie des Wissens so kann man auch des Trugs teilhaftig werden sowohl durch eigene Person wie durch jemand anderen –; Bewegung aufwärts – abwärts, – entgegengesetzt der Längenausdehnung nach –; Bewegung
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nach rechts – nach links, – entgegengesetzt in Breitenrichtung Bewegung vorwärts – rückwärts, – entgegengesetzt auch das. Der Übergang bloß zu Entgegengesetztem ist nicht Veränderung, sondern Wandel – Beispiel: Weißwerden, – ohne (Angabe des) Woraus. Und bei Bestimmungen, die kein Entgegengesetztes haben, ist der Übergang von dem Gleichen fort dem zu dem Gleichen hin entgegengesetzt; aus dem Grund ist Entstehen dem Untergang entgegegengesetzt und Verlust (entgegengesetzt) der Einnahme. Das sind Übergänge, Veränderungen aber nicht. Die Veränderungen zum Mittelzustand hin, bei solchen Gegensätzen, die ein »inmitten« haben, muß man wohl wie die zum Entgegengesetzten hin ansetzen; denn die Veränderung benutzt das »inmitten« wie ein Entgegengesetztes, ob der Wechsel nun in die oder in die andere Richtung geht, z. B.: von »grau« zu »weiß«, als ob er aus »schwarz« käme; von »weiß« zu »grau« als in Richtung auf »schwarz«; von »schwarz« zu »grau«, als ob es zu »weiß« hinführt, das Grau. Die Mitte wird im Verhältnis zu beiden (Äußeren) angesprochen gewissermaßen als je das entsprechend andere der Äußeren, – wie ja früher auch gesagt ist. Also: Veränderung ist einer Veränderung entgegengesetzt, (wenn gegenübersteht) die von Entgegengesetztem fort zu Entgegengesetztem hin der von Entgegengesetztem fort zu Entgegengesetztem hin. 6. Da nun einer Veränderung offenbar nicht nur Veränderung entgegengesetzt ist, sondern auch Ruhezustand, so ist auch dies zu bestimmen. Zwar, im einfachen Wortsinn entgegengesetzt ist nur Veränderung einer Veränderung, ihr gegenübergestellt ist aber auch Ruhezustand – er ist ja fehlende Bestimmung an ih r, und es geht auch, daß fehlende Bestimmtheit »entgegengesetzt« genannt wird –, und zwar einer so und so bestimmten (Veränderung) ein so und so bestimmter (Ruhezustand), Beispiel: Ortsbewegung – Stillstand an einem Ort. Aber das ist jetzt nur einfachhin gesprochen; (genauer gefragt) nämlich: Ist einem »Bleiben an dieser Stelle« entge-
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gengestellt die »Bewegung von hier fort« oder die »Bewegung hierhin«? Nun ist doch klar: Da Veränderung innerhalb zweier Zugrundeliegender (verläuft), so (ist entgegengesetzt) der »(Bewegung) von hier fort zum Gegenteil hin« das »Verbleiben an dieser Stelle« und der »(Bewegung) vom Gegenteil fort hierhin« das »(Verbleiben) im Gegenteil«. Zugleich aber sind diese (Ruhezustände) auch untereinander entgegengesetzt: es wäre ja auch unsinnig, wenn es entgegengesetzte Veränderungen zwar gibt, einander gegenüberstehende Stillstände aber nicht geben sollte. Es sind dies die (Stillstände) in entgegengesetzten (Zuständen), Beispiel: Verbleiben im Zustand der Gesundheit – Verbleiben im Zustand der Krankheit –, bezogen auf Veränderung wäre dies die »von Gesundheit zu Krankheit«, – »von Krankheit zu Gesundheit« wäre hier unzutreffend; denn die Veränderung zu dem selben hin, bei dem dann Stillstand eintritt, ist mehr ein Zur-RuheKommen, oder es tritt ein, daß es (scil. das Zur-Ruhe-Kommen) zugleich mit der Veränderung stattfindet; und entweder dies oder das muß es sein –, denn die Ruhe im Zustand »weiß« ist der im Zustand »Gesundheit« nicht entgegengesetzt. Bei Bestimmungen, die kein Entgegengesetztes sich gegenüber haben, gibt es wohl gegenläufigen Übergang, nämlich »von dem selben fort« – »hin zu dem selben«, Beispiel: Aus Seiendem – zu Seiendem –, Veränderung aber ist das nicht; und auch Stillstand gibt es bei diesen Dingen nicht, allenfalls Übergangslosigkeit. Und falls es etwas Zugrundeliegendes hier geben sollte, so wäre Übergangslosigkeit an einem Seienden der an einem Nicht-Seienden entgegengesetzt. Falls andrerseits das »nicht-seiend« gar nicht bestimmt ist, so könnte man die schwierige Frage stellen, wem denn nun die Übergangslosigkeit am Seienden entgegengesetzt sein soll und ob das Ruhezustand ist. Sollte Letzteres aber zutreffen, so ist entweder nicht jeder Ruhezustand einer Veränderung entgegengesetzt, oder Entstehen und Untergang sind (Formen von) Veränderung. Somit ist klar daß man es »Ruhezustand« nicht nennen darf, wenn nicht auch diese zu Formen von Veränderung werden sollen; es ist aber etwas Ähnliches, nämlich eben
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Übergangslosigkeit. Sie ist entweder gar keinem (Zustand) entgegengesetzt oder der (Übergangslosigkeit) beim Nichtseienden oder dem Untergang: dieser fuhrt ja von ihr fort, Werden auf sie hin. Man könnte nun in die schwierige Frage einsteigen, warum es denn beim Ortswechsel einerseits naturgemäße andrerseits naturwidrige Ruhezustände und Bewegungen gibt, bei den anderen (Formen von Veränderung) aber nicht, z. B. etwa: »Eigenschaftsveränderung naturgemäß« gegenüber »naturwidrig« –, »Gesundwerden« ist um nichts mehr als »Krankwerden« naturgemäß oder naturwidrig, und auch nicht »Weißwerden« im Vergleich mit »Schwarzwerden» –; ähnlich auch bei Wachsen und Schwinden: Weder sind die unter einander entgegengesetzt unter dem Gesichtspunkt von »natürlich« und »naturwidrig«, noch (ist es) ein Wachstumsvorgang einem anderen; und bei Entstehen und Untergehen ist es das gleiche Verhältnis: Weder gilt »Entstehen ist naturgemäß, Untergehen naturwidrig« – Altern ist nämlich durchaus naturgemäß –, noch sehen wir innerhalb von »Entstehen« selbst den einen Vorgang als naturgemäß, einen anderen als naturwidrig Vorkommen. – Oder doch? Wenn »gewaltsam« so viel bedeutet wie »naturwidrig«, wäre dann nicht auch eine Untergangsweise einer anderen entgegengesetzt, nämlich die gewaltsame, als naturwidrig stattfindend, der naturgemäßen? Gibt es nun nicht auch einige Werdevorgänge, die gewaltsam sind und vom Schicksal nicht vorgesehen waren, denen dann entgegengesetzt sind die naturgemäßen, und Wachstumsvorgänge auch, die gewaltsam sind, und Vorgänge von Schwund, z. B.: Frühreifes Wachstum auf Grund zu reichlicher Ernährung, und schnell reifendes Getreide, das dabei keine Festigkeit gewonnen hat? Und mit Eigenschaftsveränderung, wie steht es da? Doch wohl genau so? Da gibt es doch wohl gewaltsame einerseits, andrerseits natürliche, z. B. Menschen, die ihr Fieber nicht an den Tagen der Entscheidung loswerden, andrerseits solche, bei denen das der Fall ist: die einen haben ihren Zustand naturwidrig geändert, die anderen naturgemäß. So wird es also auch Formen von Untergang geben, die einander, und
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nicht Formen von Entstehen, entgegengesetzt sind. Und was soll sie denn gelegentlich daran hindern? (Sie wären) ja auch schon (gegensätzlich), wenn der eine Untergang freudebringend wäre, der andere aber schmerzlich. Also ist nicht einfach so »Untergang« einem »Untergang« entgegengesetzt, sondern insofern der eine von ihnen so und so geartet, der andere entsprechend anders geartet ist. Ganz allgemein also sind Bewegungsvorgänge und Ruhezustände auf die beschriebene Weise (einander) entgegengesetzt, z. B. der (mit) »oben« (bestimmte) dem »unten«; das sind ja Ortsgegensätze. Es macht aber die Aufwärtsbewegung von Natur aus das Feuer, die Abwärtsbewegung die Erde, und ihre Bewegungen sind (einander) entgegengesetzt. Feuer also aufwärts seiner Natur nach, abwärts dagegen seiner Natur zuwider, und entgegengesetzt ist seine naturgemäße Bewegung der naturwidrigen. Und für die Ruhezustände entsprechend: Der (mit) »oben« (bestimmte) Ruhezustand ist der Bewegung von oben nach unten entgegengesetzt. Nun geschieht für Erde dieses (Oben-)Bleiben entgegen der Natur, die genannte Bewegung aber ist ihr naturgemäß. Also ist einer Bewegung ein Stillstand entgegengesetzt, und zwar der naturwidrige (Stillstand) der naturgemäßen (Bewegung, und das bezüglich) des gleichen Gegenstandes; es sind ja auch die Bewegungsrichtungen des gleichen Gegenstandes einander entgegengesetzt, (nämlich) so: Die eine davon ist naturgemäß, (je nachdem) die Aufwärts- oder die Abwärts(bewegung), die andere (entsprechend) naturwidrig. Eine Schwierigkeit bringt mit sich (die Frage), ob es von jedem nicht immerwährenden Ruhezustand ein Entstehen gibt, und dies wäre dann das »Zum-Stillstand-Kommen«. Dann gäbe es also auch im Falle des naturwidrig (bewegungslos) Bleibenden – Beispiel: Erde in der Höhe – ein Entstehen davon; dann müßte es ja also zu dem Zeitpunkt, als es gewaltsam nach oben gebracht wurde, zum Stillstand gekommen sein! Aber: Das zum Ort seines Stillstands Kommende bewegt sich doch ganz offensichtlich in einer beschleunigten Weise, das gewaltsam (Bewegte) dagegen umgekehrt (in einer verlangsam-
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ten). Obwohl es also mit »ruhend-sein« gar nicht angefangen hat, wird es doch ruhend sein! Außerdem: »Zum-StillstandKommen« ist offenkundig entweder völlig gleichbedeutend mit »an seinem natürlichen Ort gelangen«, oder es tritt (wenigstens) gleichzeitig damit ein. Eine Schwierigkeit bringt mit sich (die Frage), ob »An-dieser-Stelle-Stillstehen« entgegengesetzt ist zu »Bewegung von hier fort«: Wenn sich etwas aus diesem (Zustand) fortbewegt und (ihn) fahren läßt, dann hat es offensichtlich das, was abgestoßen wird, noch an sich, also, wenn dieser Stillstand entgegengesetzt ist der Bewegung von hier fort zum Gegenteil hin, dann würde Entgegengesetztes zugleich vorliegen. Oder steht es in gewisser Hinsicht still, wenn es noch verbleibt, und allgemein: Von dem Sich-Verändernden ist etwas noch dort, anderes schon (drüben), wohin es übergeht? Aus diesem Grund ist eher eine Veränderungsform einer anderen entgegengesetzt als ein Zur-Ruhe-Kommen. Über Veränderung und Ruhe, in welchem Sinn jedes von beiden einheitlich ist und welche (Formen davon einander) entgegengesetzt sind, ist damit gesprochen. – [Man könnte auch noch Fragen aufwerfen das Zum-Stillstand-Kommen betreffend, ob etwa auch allen naturwidrigen Veränderungsformen, die es gibt, ein entsprechender Ruhezustand gegenübergesetzt ist. Nimmt man das einerseits nicht an, so wäre das unsinnig: (Das naturwidrig Bewegte) bleibt ja (dort, wohin es bewegt wurde), wenn auch nur unter gewaltsamer Einwirkung (von außen); dann wird also etwas, das nicht immer ruhend war, dies nun sein, ohne es doch geworden zu sein. Andrerseits ist klar, daß es so ist: So wie etwas sich naturwidrig bewegen kann, so dürfte es auch naturwidrig zur Ruhe kommen können. Da nun einige Dinge die Möglichkeit zur naturgemäßen und zur naturwidrigen Bewegung haben – Beispiel: Für Feuer ist die Aufwärts(bewegung) naturgemäß, Abwärts(bewegung) naturwidrig –, (stellt sich die Frage:) ist diese (letztere der ersteren) entgegengesetzt, oder (ist es) die Bewegung der Erde – die bewegt sich ja naturgemäß nach unten –? Oder sind es offenbar beide, nur nicht auf gleiche Wei-
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se, sondern die naturgemäße (der Erde) als (gegensätzlich) zur naturgemäßen von ihm (dem Feuer); die Aufwärts(bewegung) des Feuers dagegen seiner Abwärtsbewegung) als naturgemäß (im Gegensatz zu) ihr als naturwidrig. Ähnlich dann auch mit den Ruhezuständen; irgendwie ist aber auch wohl der Ruhe die Veränderung gegenübergesetzt.]
BUCH VI Sechstes Buch
1. Ist nun »zusammenhängend«, »berührend« und »in Reihe folgend« (derartig), wie früher bestimmt: Zusammenhängend (also solche Dinge), deren Ränder eine Einheit bilden, in Berührung solche, deren (Ränder) beisammen (sind), in Reihenfolge (solche), bei denen nichts Gleichartiges zwischen (ihnen sich findet) –: dann ist es unmöglich, daß aus unteilbaren (Bestandteilen) etwas Zusammenhängendes bestehen könnte, etwa eine Linie aus Punkten, – wenn doch Linie ein Zusammenhängendes ist, Punkt ein Unteilbares; weder bilden doch eine Einheit die Ränder von Punkten – es gibt ja gar nicht hier »Rand«, dort »sonstigen Teil« von einem Unteilbaren –, noch können die Ränder beisammen sein – es gibt ja eben nichts (nach der Art von) Rand an einem Teillosen: dann wäre nämlich schon verschieden voneinander Rand und das, dessen Rand er ist. Weiter, es wäre ja doch wohl notwendig, daß sie entweder zusammenhängend sind, diese Punkte, oder in Berührung miteinander, aus denen dies Zusammenhängende besteht, – der gleiche Gedankengang trifft auch für alles Unteilbare zu. Zusammenhängend sind sie nun doch wohl nicht, aus genanntem Grund. Was dagegen Berührung angeht, (so gilt:) Ein jedes (dieser Verhältnisse betrifft) entweder Ganzes im Verhältnis zu Ganzem oder Teil zu Teil oder Teil zum Ganzen. Da nun Nicht-Auseinandernehmbares teillos ist, so müßte hier Ganzes mit Ganzem sich berühren. Ganzes mit Ganzem sich berührend wird aber keinen Zusammenhang bilden; denn ein Zusammenhängendes hat hier einen und dort einen anderen Teil und läßt sich auseinandernehmen in in diesem Sinn Verschiedenes und dem Ort nach Getrenntes. Aber auch »in Reihe folgend« wird sich nicht ergeben von Punkt zu Punkt oder von »Jetzt« zu »Jetzt«, in dem Sinne, daß aus diesen eine Länge oder Zeitdauer sich zusammensetzen
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könnte; »in Reihe folgend« sind eben doch Dinge, bei denen nichts Gleichartiges dazwischenkommt, dagegen bei Punkten liegt immer dazwischen »Linie«, und bei Jetzten »Zeit«. Weiter, es würde geschehen, daß sie auseinandergenommen werden in Nicht-mehr-Auseinandernehmbares, wenn man sie in das, woraus beide bestehen, auseinandernehmen wird; aber nichts von Zusammenhängendem war doch auseinandernehmbar in Teilloses. Eine andere Gattung aber kann nicht liegen zwischen [den Punkten und den Jetzten] : entweder würde das nicht-auseinandernehmbar sein oder auseinandernehmbar, und wenn auseinandernehmbar, dann wieder entweder in Nicht-Auseinandernehmbares oder in immerfort Auseinandernehmbares; das ist aber zusammenhängend. Es liegt aber auch auf der Hand, daß alles Zusammenhängende auseinandernehmbar sein muß in immerfort Auseinandernehmbares: Führte dies nämlich zu Nicht-Auseinandernehmbarem, so wird sich ergeben Unteilbares in Berührung mit Unteilbarem; denn einheitlich ist der Rand und in Berührung bei Zusammenhängendem. Es ist Sache derselben Erörterung, bei (Raum)Größe, Zeit und Bewegung (zusammen zu untersuchen), ob sie aus Unteilbarem sich zusammensetzen und auch auseinanderzunehmen sind in solches, oder (ob das für) keins (von ihnen gilt). Das ergibt sich aus Folgendem: Wenn eine (Raum-)Größe sich aus unteilbaren (Bestandteilen) zusammensetzt, dann wird auch die Bewegung ebendieser aus gleichen Bewegungsstücken sein, die unteilbar sind, z. B.: Wenn (die Strecke) ABC aus A, B, C als aus unteilbaren (Stücken) besteht, dann hat der Bewegungsvorgang DEF, den (der Körper) Z zu durchlaufen hat über ABC, jedes (dieser Stücke) als nicht-auseinandernehmbaren Teil. Wenn doch beim Vorliegen von Bewegung notwendig etwas sich da bewegen muß, und (umgekehrt) wenn sich da etwas bewegt, Bewegung vorliegen muß, so wird auch »sich bewegen« aus unteilbaren (Stücken) bestehen. Z hat doch mit Durchlaufen der Bewegung D (das Stück) A hinter sich gebracht, B mit (Durchlaufen von) E und C entsprechend mit F. Wenn also notwendigerweise ein von irgendwo nach irgendwo
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sich Bewegendes nicht gleichzeitig in Bewegung begriffen und auch Bewegung zu der Stelle, wo es hinsollte, als es sich noch bewegte, schon hinter sich haben kann – Beispiel: Wer »nach Theben geht«, von dem kann man unmöglich gleichzeitig sagen: »er geht nach Theben«, und: »er ist auf seinem Gang in Theben angelangt« –, wenn weiter das Z über A die als teillos (angenommene) Bewegung durchlief zum Zeitpunkt des Vorliegens der Bewegungseinheit D, (so folgt) also: Wenn, einerseits, »hat durchlaufen« erst später (gesagt werden kann) als »durchläuft«, dann müßte (der Bewegungsvorgang) doch wohl teilbar sein – zur Zeit nämlich, da es im Durchlaufen war, war es ja weder in Ruhe noch schon am Ende des Durchlaufs, sondern eben mittendrin wenn, andrerseits, zugleich (gelten soll) »durchläuft« und »hat durchlaufen«, dann wird der Gehende zum Zeitpunkt, wo er noch geht, schon dort angelangt sein, und (allgemein:) das Sichbewegende (schon) am Ziel, auf das es sich noch hinbewegt. Wenn andrerseits sich etwas über die ganze (Strecke) ABC bewegt, und der Bewegungsverlauf, den es vollzieht, ist DEF, den teillosen Bewegungsvorgang über A aber »durchläuft« nichts, sondern »hat sich (immer schon) durchbewegt«, dann gäbe es wohl eine Bewegungsform (bestehend) nicht aus Bewegungsabläufen, sondern aus Bewegungsergebnissen, und daraus, daß sich bewegt hat etwas, das sich gar nicht bewegte: denn A hat es ja durchlaufen, ohne es zu durchlaufen. Dann wird es also auch geben das »jemand ist angekommen«, der doch gar nicht ging: diese Strecke hat er hinter sich gebracht, ohne sie zu gehen. Wenn nun mit Notwendigkeit (gilt), daß ein Jedes entweder ruht oder sich bewegt, dann wird es über jeden der (Abschnitte) A, B, C ruhen müssen, sodaß man dann etwas hätte, das andauernd ruhend und zugleich auch bewegt ist: über ABC als Ganzes bewegte es sich ja und ruhte doch auf jedem beliebigen Teil, mithin doch auch über die ganze (Strecke). Und wenn die teillosen (Stücke) der Bewegung DEF ihrerseits Bewegungsabläufe sind, dann könnte (etwas) bei Vorliegen von Bewegung sich auch nicht bewegen, sondern ruhen; wären es
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andrerseits nicht Bewegungsabläufe, dann gäbe es Bewegung, die nicht aus (Einzel)bewegungen besteht. In ähnlicher Weise wie für Länge und Bewegung wäre notwendig die Eigenschaft, unteilbar zu sein, auch für die Zeit, und sie würde dann bestehen aus den Jetzten als aus unteilbaren Stücken; wenn doch jede (Bewegung) teilbar ist, in immer geringerer Zeit ein Gleichschnelles eine geringere Strecke durchläuft, so wird teilbar sein auch die Zeit. Wenn andrerseits die Zeit teilbar (ist), in der etwas die (Streckenbewegung) A durchmacht, so wird auch die (Größe) A teilbar sein.
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2. Da nun eine jede (Raum-)Größe (nur wieder) in Größen teilbar ist – es ist ja nachgewiesen, daß unmöglich etwas Zusammenhängendes aus unteilbaren (Bestandteilen) sein kann, es ist aber jede Größe zusammenhängend –, so (gilt) notwendig: Etwas Schnelleres bewegt sich (a) in gleicher Zeit über größere (Strecke) und auch (b) in kleinerer (Zeit) über eine gleiche und auch (c) in kleinerer über mehr (Strecke), so wie einige das »schneller« ja auch bestimmen. (a) Es sei also Gegenstand A schneller als Gegenstand B. Wenn denn schneller das ist, was früher hinüberkommt, (so gilt:) In der Zeit, in der A von C nach D hinübergekommen ist – sie heiße FG –, in dieser wird B noch nicht bei D sein, sondern Zurückbleiben, sodaß (also klar ist:) In gleicher Zeit durchläuft das Schnellere mehr (Strecke). (c) Aber auch in geringerer (Zeit) mehr: In der Zeit, in der A zu D gelangt ist, soll B, das ja als langsamer angesetzt ist, bei E sein. Folglich, da A bis D gekommen ist in der ganzen Zeit FG, so wird es bei H schon sein in einer kleineren (Zeit) als diese, sie heiße FK. Die (Strecke) CH, die A durchlaufen hat, ist größer als CE, die Zeit FK ist geringer als die ganze FG, sodaß (also gilt:) In kürzerer (Zeit) größere (Strecke) durchläuft es. (b) Offenkundig ist aus diesem auch, daß ein Schnelleres in geringerer Zeit die gleiche (Strecke wie ein Langsameres) durchläuft: Da es die größere (Strecke) in geringerer (Zeit) durchgeht im Vergleich zum Langsameren, dagegen selbst für
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sich genommen in mehr Zeit die größere (Strecke) im Vergleich zur kleineren, z. B. (Strecke) LM im Vergleich zu LO, so ist ja wohl größer die Zeit QR, in der es LM durchläuft, als QS, in der es LO (zurücklegt). Wenn folglich die Zeit QR kleiner ist als die X, in der das Langsamere die (Strecke) LO durchläuft, dann wird auch QS kleiner sein als X; sie war ja schon kleiner als QR, und was noch kleiner ist als ein schon Kleineres, ist auch selbst kleiner; so daß (also gilt:) In kleinerer (Zeit) wird es sich die gleiche (Strecke) bewegen. Außerdem, wenn notwendig (folgender Satz gilt:) Jeder Gegenstand bewegt sich (im Vergleich zu einem anderen über die gleiche Strecke) entweder in gleicher oder in kürzerer oder in längerer (Zeit), und wenn das, was mehr Zeit braucht, langsamer ist, was die gleiche, gleichschnell, und wenn schließlich »schneller« weder »gleichschnell« noch »langsamer« bedeuten kann, dann wird es sich ja wohl nicht in gleicher oder in längerer (Zeit) bewegen, das Schnellere; bleibt also nur: In geringerer (Zeit), also auch (von hier aus) notwendig: Die gleiche Strecke in geringerer Zeit wird durchlaufen das Schnellere. Da jede Bewegung in der Zeit (stattfindet) und in jeder Zeit Bewegung stattfinden können muß und (weiter) alles Sichbewegende dies schneller und langsamer tun kann, so wird es zu jeder Zeit das »schneller« und »langsamer« beim Sichbewegen geben. Ist das so, dann ergibt sich notwendig, daß auch die Zeit zusammenhängend ist. Mit »zusammenhängend« meine ich: Was teilbar ist in je immer wieder Teilbares. Dies Verständnis von »zusammenhängend« zugrundegelegt, ergibt sich notwendig, daß die Zeit zusammenhängend ist: Da doch nachgewiesen ist, daß etwas Schnelleres in geringerer Zeit eine gleichlange (Strecke) durchläuft, so sei einmal Gegenstand A schneller, Gegenstand B langsamer, und es bewege sich der langsamere über die Strecke CD in der Zeit FG. Klar (ist) mithin, daß der schnellere in vergleichsweise geringerer (Zeit) sich über die gleiche Strecke bewegen wird, er habe die Bewegung vollzogen in (Zeit) FH. Aufs neue also, da der schnellere in (Zeit) FH die ganze (Strecke) CD durchlaufen hat, so wird der langsamere in der gleichen Zeit eine kleinere (Strecke)
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durchlaufen, sie heiße CK. Da nun der langsamere, B, in der Zeit FH die (Strecke) CK durchlaufen hat, so wird der schnellere (diese Strecke) in kürzerer (Zeit) durchlaufen, so daß die Zeit FH wieder geteilt werden muß. Wird sie aber geteilt, so wird auch wieder Strecke CK geteilt, gemäß dem gleichen Verhältnis. Wenn aber die Strecke, so auch die Zeit. Und das wird je wieder so sein, wenn man mit einbezieht vom Schnelleren aus das Langsamere und vom Langsameren aus das Schnellere und dabei das beschriebene Verfahren benutzt: Das Schnellere wird die Zeit teilen, das Langsamere die Streckenlänge. Wenn nun dies dauernde Umkehren zu wahren Ergebnissen führt und als Ergebnis des Umkehrens immer eine Teilung herauskommt, so ist offenkundig: Zeit in ihrer Gesamtheit bildet einen Zusammenhang. Gleichzeitig ist aber auch klar: Jede Größenerstreckung bildet einen Zusammenhang. Denn es sind dieselben, und genauso viele Teilungsvorgänge, nach denen Zeit geteilt wird und (Raum-)Größe auch. Außerdem ist auch nach den gewöhnlichen, im Sprachgebrauch befindlichen Redeweisen offenkundig, daß, wenn Zeit einen Zusammenhang bildet, auch Erstreckung dies tut: wenn doch »in halber Zeit« (etwas) nur »halb durchkommt«, und allgemeiner: »In weniger (Zeit) weniger (Strecke)«, dann sind es eben die gleichen Teilungen von Zeit und Strecke. Und wenn eins der beiden unbegrenzt wäre, so auch das andere, und in welchem Sinne das eine, so auch das andere, z. B.: Wäre die Zeit nach Anfangs- und Endpunkt unendlich, so wäre auch die Erstreckung es hinsichtlich ihrer Grenzpunkte; läge die Unbegrenztheit in der Teilbarkeit, so hinsichtlich der Teilbarkeit auch die Erstreckung; wenn schließlich in beiden Hinsichten, so in beiden Hinsichten auch die Erstreckung. Das ist eben auch der Grund, weshalb Zenons Beweis eine Falschheit annimmt, (der da besagt,) es sei nicht möglich, das Unendliche durchzugehen oder das unendlich Viele Punkt für Punkt einzeln zu packen in begrenzter Zeit: In doppeltem Sinne werden doch sowohl Erstreckung wie auch Zeit »unbegrenzt« genannt, und allgemein alles Zusammenhängende überhaupt, (nämlich) entweder nach Teilung oder nach ihren
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Grenzpunkten; (Dinge,) die nach dem »wieviel« unzählig sind, kann man tatsächlich nicht ergreifen in begrenzter Zeit, dagegen, was nach der Teilung (unbegrenzt ist,) wohl; auch die Zeit selbst ist in diesem Sinne unbegrenzt. Also in »unbegrenzter«, und nicht in begrenzter (Zeit) ereignet es sich, das Unendliche durchzugehen, und man ergreift die unendlich Vielen (eben) mit unendlich Vielem, nicht mit Begrenztem. Weder also ist es möglich, das Unendliche in begrenzter Zeit durchzugehen, noch in unbegrenzter (Zeit) das Endliche, sondern wenn die Zeit unbegrenzt ist, so wird auch die Erstreckungsgröße das sein, und wenn die Größe, so auch die Zeit. Es sei also begrenzte Größe, AB, dagegen unbegrenzte Zeit, C; herausgegriffen sei ein begrenztes Zeitstück, CD; in ihm durchläuft (der Gegenstand) ein Teilstück der Erstreckung, das Durchlaufene soll heißen BE. Dies wird nun (hintereinandergelegt) die Größe AB entweder genau ausmessen, oder es wird hinter ihr Zurückbleiben oder über sie hinausreichen – das macht ja keinen Unterschied –; wenn doch (der Gegenstand) immer die gleiche Erstreckung wie BE in der gleichen Zeit durchläuft, diese aber das Ganze ausmißt, so wird die Gesamtzeit begrenzt sein, in der durchgekommen ist; sie wird ja in genau gleichviele (Teilstücke) zerlegt wie die Erstreckung auch. Außerdem, wenn (der Gegenstand) nicht jede Erstreckung in unbegrenzter Zeit durchläuft, sondern er irgendeine auch in begrenzter (Zeit) durchlaufen kann, wie z. B. BE, diese aber das Ganze ausmißt, und wenn er gleiche Strecke in gleicher Zeit durchläuft, folglich wird begrenzt sein auch die Zeit. Daß er aber BE nicht in unbegrenzter (Zeit) durchläuft, ist offenkundig, wenn die Zeit als auf der einen Seite begrenzt angenommen würde; wenn er nämlich in kleinerer (Zeit) das Teilstück durchläuft, muß dies notwendig begrenzt sein, wo doch das eine Ende schon als vorliegend angesetzt war. – Die gleiche Beweisführung (ist anwendbar) auch, wenn (umgekehrt) die Erstreckung als unendlich, die Zeit dagegen als begrenzt (angesetzt sein soll).
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Offenkundig ist nun aus dem Gesagten, daß es weder Linie noch Fläche noch überhaupt etwas Zusammenhängendes als (an irgendeiner Stelle) unteilbar geben kann, – nicht nur wegen des eben Vorgetragenen, sondern auch weil (andernfalls) eintreten würde ein Teilen des Unteilbaren: Da doch in jeder Zeit (die Möglichkeit zu) »schneller« und »langsamer« ist und das Schnellere mehr (Strecke) durchläuft in gleicher Zeit, und es mag dabei die doppelte oder anderthalbfache Strecke durchlaufen (verglichen mit dem Langsameren) – so ein Geschwindigkeitsverhältnis könnte man einmal ansetzen – (so sei einmal angenommen:) Das Schnellere sei fortgekommen anderthalbfache (Strecke) in gleicher Zeit, und es seien die Erstreckungsgrößen eingeteilt, die des Schnelleren in drei unteilbare (Stücke), AB, BC, CD, die des Langsameren in zwei, EF, FG; folglich wird auch die Zeit eingeteilt sein in drei unteilbare (Stücke): es durchläuft ja gleiche Strecke in gleicher Zeit; geteilt sei mithin die Zeit in KL, LM, MN; da nun aber wieder das Langsamere (in dieser Zeit) um die Strecke EFG fortgekommen sein soll, so wird auch die Zeit in Zweierstücke geschnitten werden müssen; damit wird also das Unteilbare geteilt, und (der Gegenstand) die unteilbare (Strecke) nicht in unteilbarer (Zeit) durchlaufen, sondern in einem Mehr (davon). Einsichtig ist mithin: Nichts von dem, was zusammenhängend ist, ist teillos.
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3. Notwendig (gilt) aber auch: Das »Jetzt«, und zwar nicht das vermittelt über anderes, sondern an sich und unmittelbar ausgesagte, ist unteilbar, und in jeder Zeit ist derartiges mitenthalten. Ist es doch (einerseits) eine Art Rand des Gewesenen, über den so weit nichts Zukünftiges reichen kann, und auch wieder (Rand) des Zukünftigen, über den so weit nichts Vergangenes reicht. Das eben, sagen wir, ist Grenze von beiden. Wenn davon nachgewiesen wird, daß es derartig ist und ein und dasselbe, so wird zugleich auch offenkundig sein, daß es unteilbar ist. Also, notwendig muß das Jetzt ein und derselbe Rand beider Zeitabschnitte sein; wäre es (in sich) unterschieden, so könnte das eine davon dem anderen nicht mehr in
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Reihe folgen auf Grund der Tatsache, daß ein Zusammenhängendes aus Teillosem nicht sein kann; stünde dagegen jedes von beiden für sich, dann wird dazwischen (wieder) Zeit sein; alles Zusammenhängende ist doch von der Art, daß sich etwas aus der gleichen Gattung zwischen den Grenzen findet. Aber wenn nun das Dazwischen (wieder) Zeit ist, so wird es teilbar sein: jedes Zeitstück, wurde nachgewiesen, ist teilbar. Somit wäre das Jetzt teilbar; ist jedoch das Jetzt teilbar, so wird ein Stück von Gewesenem im Zukünftigen sein und vom Zukünftigen im Gewesenen; denn da wo eingeteilt wird, diese Stelle nimmt doch vergangene und zukünftige Zeit auseinander. Gleichzeitig aber auch wäre dann das Jetzt nicht mehr für sich (ausgesagt), sondern vermittelt über anderes; denn die Einteilung (ist und macht) nicht ein An-und-für-sich. Zudem wäre dann von dem Jetzt ein Stück vergangen, das andere zukünftig, und noch dazu nicht immer dasselbe Stück vergangen oder zukünftig. Und dann wäre auch noch das Jetzt nicht mehr (mit sich) ein und dasselbe; denn Zeit ist ja vielfältig teilbar. Kurz und gut, wenn das alles unmöglich so sein kann, so (gilt) notwendig: Das Jetzt an beiden ist das gleiche. Aber wenn das gleiche, dann offenkundig ist es auch unteilbar; wäre es nämich teilbar, so wird wieder genau das eintreten, was sich soeben ergeben hatte. Daß es mithin in der Zeit etwas Unteilbares gibt, was wir als »Jetzt« ansprechen, ist klar aus dem Gesagten. Daß dagegen im Jetzt nichts sich bewegt, ist aus Folgendem einleuchtend: Ginge das nämlich, so wird (in ihm) auch Schneller-und Langsamer-Bewegen möglich sein müssen. Es heiße also das Jetzt einmal (Ausdehnung) N, es soll sich bewegt haben in ihm der schnellere (Gegenstand) über AB; folglich wird der langsamere in der gleichen (Zeit) eine kleinere Strecke als AB sich bewegen, etwa AC. Da nun der langsamere in dem ganzen Jetzt über AC sich bewegt hat, so wird der schnellere (diese Strecke) in kürzerer Zeit, verglichen damit, durchmessen, mit der Folge, daß man dann das Jetzt wird teilen müssen. Aber es war doch (als) unteilbar (erwiesen). Es gibt das also nicht, Bewegung im Jetzt.
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Aber auch kein Ruhen: »Es ruht« sagen wir von etwas, das, von Natur aus zu Bewegung befähigt, nur jetzt gerade und an dieser Stelle und in der Bewegungsart, wo es das zwar tun könnte, sich eben nicht bewegt; also, da im Jetzt nichts von Natur aus zu Bewegung befähigt ist, so klarerweise auch nicht zu Ruhe. Weiter, wenn das Jetzt das gleiche ist an beiden Zeiten und wenn (etwas) über ein Zeitganzes sich bewegen und über ein anderes (Zeitganzes) ruhen kann, wenn dann weiter das, was sich die ganze Zeit lang bewegt, auch in jedem beliebigen Zeitpunkt dieses Ganzen, wo es von Natur aus zu Bewegung befähigt ist, in Bewegung sein wird, und wenn für das Ruhende in seinem Ruhen die gleichen Überlegungen gelten: dann wird herauskommen, daß ein und derselbe Gegenstand zugleich ruht und sich bewegt; es war ja doch der gleiche Rand der beiden Zeiten, dieses Jetzt. Weiter, »es ruht« sagen wir von etwas, das sich – sowohl es selbst wie auch seine Teile (untereinander) – gleich verhält, jetzt im Vergleich zu vorher; im Jetzt gibt es aber kein »vorher«, somit also auch kein Ruhen. Notwendig (gilt) also: Es bewegt sich das Bewegte in einer Zeit, und es ruht (in einer solchen) das Ruhende. 4. Was sich da wandelt, alles das muß teilbar sein. Da doch jeder Wandel »von etwas aus« »zu etwas hin« geht und (außerdem gilt:) Wenn es in dem (Zustand) schon ist, zu dem hin es sich wandelte, wandelt es sich nicht mehr, wenn es dagegen (noch in dem Zustand ist), aus dem heraus es sich wandeln sollte, sowohl es selbst wie auch alle seine Teile, dann wandelt es sich noch nicht – was sich ja immer gleich verhält, sowohl es selbst wie auch seine Teile, wandelt sich nicht –: so ist es also notwendig, daß ein (Stück) des Übergehenden in diesem (Zustand) ist, das andere in dem anderen. In beiden zugleich oder in keinem davon kann es ja nicht sein. Mit »wozuhin es sich wandelt« meine ich (je) den ersten Wandlungsschritt, z. B. von »weiß« aus das »grau«, nicht das »schwarz«; es ist ja nicht notwendig, daß das Übergehende in einem der beiden Außen-
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zustände sein muß. – Offenkundig ist also: Alles, was sich da wandelt, wird teilbar sein müssen. Bewegungsablauf ist teilbar in zweifachem Sinn, auf eine Weise nach der Zeit, auf andere nach den Bewegungen der Teile des bewegten (Gegenstands), z. B.: Wenn das ganze AC sich bewegt, so wird auch das (Teilstück) AB sich bewegen und BC auch; es sei nun die Bewegung von Teil AB DE, die von BC EF; dann (ergibt sich) notwendig, daß die ganze, DF, die Bewegung von AC ist; es wird sich ja über sie bewegen, wenn doch ein jeder der Teile sich über ein jedes (Teilstück) bewegt; keins bewegt sich ja doch über die Bewegungsstrecke des anderen, mit der Folge, daß die Gesamtbewegung eben die Bewegung der Gesamtgröße ist. Weiter, wenn jede Bewegung (Bewegung) »von etwas« ist, die Gesamtbewegung DF aber weder die eines der Teile sein kann – die Teile hatten ja ihre Einzelbewegung – noch die von irgend etwas anderem – von welchem Gesamtgegenstand doch die Gesamtbewegung die Bewegung ist, von dessen Teilen sind es die Teilbewegungen; die Teilbewegungen waren aber doch die von AB und BC und von nichts anderm; von einer Mehrzahl (von Gegenständen) konnte es einen Bewegungsablauf ja doch nicht geben –: dann wäre ja wohl auch die Gesamtbewegung die der Größe ABC. Weiter, wenn die Bewegung des Gesamtgegenstandes eine andere ist (als die der Teile), z. B. HI, so wird von ihr die Bewegung jedes der beiden Teile abgezogen werden können; diese werden gleich sein den (Größen) DE, EF – ein Gegenstand hat eine Bewegung –; wenn nun also das ganze HI auseinandergenommen werden kann in die Teilbewegungen, so wird HI gleich DF; wenn andrerseits ein Rest dabei bleibt, z. B. KI, dann würde das eine Bewegung von nichts sein, – weder doch die des Gesamtgegenstandes noch die seiner Teile, wegen (des Satzes) »ein Gegenstand hat eine Bewegung«, noch die von irgend etwas anderem; denn zusammenhängende Bewegung ist (Bewegung) zusammenhängender Gegenstände –; ebenso aber auch für den Fall, daß (DE, EF) bei der Teilung überragen. Also, wenn dies (alles) unmöglich ist, so ist sie notwendig
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dieselbe und und gleichgroß. – Das also ist die Teilungsmöglichkeit nach dem Gesichtspunkt der Teilbewegungen, und notwendig muß es sie von allem geben, was teilbar ist. Die andere (ergab sich) nach der Zeit: Da jede Bewegung in der Zeit (stattfindet) und jeder Zeitabschnitt teilbar ist und in geringerer Zeit auch die Bewegung kleiner ist, so ist notwendig: Jeder Bewegungsablauf kann geteilt werden nach dem Gesichtspunkt der Zeit. Da nun alles, was sich verändert, dies »in einem« (Wirklichkeitsbereich) tut und eine bestimmte Zeit lang, und da alles (Sich-Verändernde) einen Bewegungsverlauf durchmacht, so (gilt) notwendig: Es sind dieselben Teilungen, was Zeit angeht und Bewegungsablauf oder -vorgang und Bewegtes und »worin« der Veränderung, – nur daß es nicht bei allen (Wirklichkeitsbereichen), worin die Veränderung (vorgeht), genauso ist, sondern bei »Ort« (geschieht es) im eigentlichen, bei »so-undso-beschaffen« in nebenbei zutreffendem Sinn. Es sei einmal angenommen: Zeit, in der die Veränderung abläuft, A, Bewegungsvorgang B; wenn nun (der Gegenstand über den ganzen Vorgang in der Gesamtzeit sich bewegt hat, dann in der halben (entsprechend) weniger, und wenn man die wieder teilt, so (entsprechend) weniger im Vergleich dazu, und so immer weiter. Genauso (ist es) aber auch (umgekehrt): Wenn der Bewegungsvorgang teilbar ist, so ist es auch die Zeit; wenn (der Gegenstand) den ganzen (Verlauf) in der ganzen (Zeit macht), dann den halben in der halben und so weiter weniger (Verlauf) in weniger (Zeit). Auf dieselbe Weise wird auch das Ablaufen des Bewegungsvorgangs geteilt werden; es sei einmal C dies Ablaufen: Zum Zeitpunkt des halben Bewegungsvorgangs wird es (entsprechend) kleiner sein als das Ganze und wieder zum Zeitpunkt der Hälfte der Hälfte (entsprechend), und immer so weiter. Es geht auch, daß man heraushebt das Ablaufen nach den beiden Einzelbewegungen, z. B. nach DC und CE, und dann sagt, daß das ganze (Ablaufen) gemäß der ganzen (Bewegung) sein wird – wäre es ja anders, so würde es mehrfaches Ablaufen geben bezogen auf ein und dieselbe Bewegung –; genauso haben wir ja auch gezeigt, daß die (Gesamt-)
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Bewegung teilbar ist in die Bewegungen der Teile: nimmt man das Ablaufen gemäß jeder Einzelbewegung, so wird das ganze einen Zusammenhang bilden. Genauso wird sich zeigen lassen, daß auch die Strecke teilbar ist, und allgemein jedes »worin die Wandlung erfolgt«, – nur bei einigem in nebenbei zutreffender Bedeutung, indem das, was sich da wandelt, teilbar ist; teilt man eins, so teilt man in Folge alle. Und auch bezüglich des Begrenzt- oder Unbegrenztseins verhält es sich gleich bei allen. Es hat sich die Teilungsunendlichkeit von allem besonders herausgestellt als Folge nach dem Gegenstand des Wandels; denn dem, was sich da wandelt, kommt (die Eigenschaft) »teilbar« und »unbegrenzt« unmittelbar zu. Was (dabei) »teilbar« heißt, ist früher nachgewiesen, »unbegrenzt« wird im Folgenden klar werden. 5. Da nun alles, was sich wandelt, »aus etwas zu etwas« übergeht, so (gilt) notwendig: Was sich gewandelt hat, sobald es nur diesen Wandel durchhat, ist in dem (Zustand, zu dem) es sich gewandelt hat. Denn das »woraus« des Wandels, das läßt ja das Sich-Wandelnde hinter sich und tritt aus ihm heraus, und entweder ist das Sich-Wandeln (gleich) dasselbe wie dies Hinter-sich-Lassen, oder es folgt (doch wenigstens) das Hinter-sich-Lassen dem Sich-Wandeln. Wenn aber dem »Sich-Wandeln« das »Hinter-sich-Lassen« (folgt), so auch dem »Sich-Gewandelthaben« das »Hinter-sich-Gelassenhaben«; jedes der beiden (Verhältnisse) entspricht sich ja genau. Da nun eine der Arten von Wandel die »gemäß ausschließendem Widerspruch« (ist), (die nämlich dann vorliegt,) wenn (etwas) übergegangen ist aus »nichtseiend« zu »seiend«, so hat es das »nichtseiend« hinter sich gelassen; somit wird es sein im »seiend«; – von allem gilt ja notwendig: Es ist entweder, oder es ist nicht. Also ist offenkundig, daß bei der Wandlungsform »gemäß ausschließendem Widerspruch« das, was sich gewandelt hat, in dem (Zustand) sein wird, (zu dem) es sich gewandelt hat. Wenn aber in ihr (das so ist), so auch bei den übrigen; es ist ja ähnlich bei (dieser) einen und den anderen.
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Außerdem wird es aber auch, wenn man sie einzeln vornimmt, offenkundig, wenn nur als notwendig gilt, daß das, was den Wandel durchhat, sein muß »irgendwo« oder »in irgend einem« (Zustand). Da es ja das »woraus« seines Wandels hinter sich gelassen hat, aber doch irgendwo sein muß, so ist es etweder in diesem (Zielzustand) oder in einem anderen. Wäre es in einem anderen, z. B. im (Zustand) C, wenn es gerade den Wandel zu B hinter sich gebracht hat, so wird es wieder von C sich wandeln zu B, denn (dann) war B nicht anschließend, Wandel bildet aber einen Zusammenhang. Danach (ergäbe sich:) Was sich gewandelt hat, wandelt sich zu dem Zeitpunkt, wo es dies schon getan hat, noch zu dem hin, wozu es sich schon gewandelt hat; das ist unmöglich. Also ist notwendig: Was sich gewandelt hat, ist in dem (Zustand), zu dem hin es sich gewandelt hat. So ist also einleuchtend: Was geworden ist, zu dem Zeitpunkt, wo es mit Werden fertig ist, wird sein, und was untergegangen ist, wird nicht sein. Das ist, erstens, ganz allgemein gesagt von jeder Form von Wandel, und besonders klar ist es bei der »gemäß ausschließendem Widerspruch«. Daß also nun, was sich gewandelt hat, genau zu der Zeit, wo es mit Wandel fertig ist, in jenem (Endzustand) ist, ist klar. Das unmittelbare »Worin des vollzogenen Wandels« des veränderten Gegenstands muß aber unzerschneidbar sein. Mit »unmittelbar« meine ich (hier einen Zeitpunkt), der nicht dadurch, daß etwas von ihm Verschiedenes so ist, diese Eigenschaft hat. Es sei also einmal teilbar das (Zeitstück) AC, und es soll bei B geteilt sein; wenn (der Gegenstand) nun in AB den Wandel durchhat oder auch in BC, so wird er wohl in AC nicht unmittelbar den Wandel vollzogen haben. Wenn er andrerseits in beiden (Teilabschnitten) im Vollzug des Wandels war – er muß doch in jedem von beiden entweder den Wandel durchhaben oder noch dabei sein –, dann wird er wohl auch in dem Ganzen nur dabei sein, sich zu wandeln; aber (es war doch vorausgesetzt, daß) er den Wandel schon durchhatte. Die gleiche Überlegung (ergibt sich) auch, wenn er in dem einen (Teilstück) noch dabei ist, sich zu wandeln, im anderen dagegen den Wandel schon durchhat; dann dann würde es nämlich
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etwas geben, das »unmittelbarer als unmittelbar« ist. Also ist wohl nicht teilbar (der Augenblick,) worin er den Wandel vollzogen hat. Somit ist einleuchtend: Das Untergegangene und das Entstandene sind beide in einem unzerschneidbaren (Augenblick) das eine untergegangen, das andere entstanden. Es wird jedoch der Ausdruck »worin es unmittelbar den Wandel gemacht hat« in zweifacher Bedeutung ausgesprochen, einmal im Sinn von von »in welchem unmittelbaren (Augenblick) der Wandel zu Ende kam« – dann (erst) ist ja die Aussage wahr: »es hat den Wandel vollzogen« –, zum anderen im Sinne von »in welchem unmittelbaren (Augenblick) es anfing mit dem Wandel«. Der Sinn von »unmittelbar«, der vom Ende des Wandels ausgesagt wird, ist in Aussagen zutreffend und stellt Vorhandenes dar – es kann ja wirklich ein Wandel sein Ende gefunden haben, und es gibt ein »Ende des Wandels«, von dem ja doch gezeigt ist, daß es unteilbar ist, weil es eben eine Grenze ist –; dagegen der Sinn, der den Anfang (des Wandels) meint, trifft überhaupt nichts Bestehendes: es gibt nicht (so etwas wie) »Anfang des Wandels«, und auch nicht ein Zeitstück, in dem unmittelbar es den Wandel beginnt. Es sei also einmal »unmittelbares« (Zeitstück) AD; dies ist dann nicht unteilbar, denn sonst würde herauskommen, daß die Jetzte zusammenhängend sind. Weiter, wenn (der Gegenstand) in der Gesamtzeit CA ruht – er sei einmal als ruhend angesetzt –, dann ruht er auch in A, mit der Folge, daß, wenn AD teillos ist, er gleichzeitig ruhen wird und Wandel sich vollzogen hat: In A ruht er, in D hat er Wandel hinter sich. Indem es nun aber nicht teillos ist, muß es auseinandernehmbar sein, und (der Gegenstand) muß in jedem beliebigen seiner (Stücke) schon Wandel hinter sich gebracht haben; teilt man nämlich AD einmal durch, (so folgt): Wenn (der Gegenstand) in keinem (der Stücke) Wandel hinter sich gebracht hat, so auch in dem Ganzen nicht; wenn er dagegen in beiden (erst) dabei ist, sich zu wandeln, so auch in dem Ganzen; wenn schließlich nur in einem von beiden er Wandel hinter sich hat, so in dem Ganzen nicht mehr unmittelbar. Somit ergibt sich notwendig: In jedem beliebigen (Stück) muß er schon Wandel hinter sich
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haben. Somit ist einleuchtend: Es gibt kein »erstes Worin des vollzogenen Wandels«; denn die Teilungen (wären dabei) unbegrenzt. Und auch an dem Gegenstand des vollzogenen Wandels gibt es kein »Erstes« (zu unterscheiden), das Wandel hinter sich gebracht hat. Es sei einmal DF das erste Gewandelte von DE, – es ist ja gezeigt, daß alles teilbar ist, was sich da wandelt. Die Zeit, in der DF sich gewandelt hat, sei HI. Wenn nun in der ganzen (Zeit) das DF Wandel hinter sich gebracht hat, so wird es in der halben etwas Geringeres sein, was Wandel durchgemacht hat, und auch früher als DF, und wieder ein anderes (kleiner und früher) als dieses, und wieder ein anderes als jenes, und so immer weiter. Also, es wird kein Erstes an dem Sich-Wandelnden geben, das Wandel hinter sich gebracht hat. Daß es also weder an dem Gegenstand des Wandels noch an der Zeit, in der er sich wandelt, ein »Erstes« (zu finden) gibt, ist einsichtig aus dem Gesagten. Dagegen das, was sich da wandelt oder, (besser gesagt, die Eigenschaft,) in Hinsicht auf die (der Gegenstand) sich wandelt, wird sich nicht mehr entsprechend verhalten. Drei (Stücke) sind es doch, die bei (Vorliegen von) Wandel ausgesagt werden: Das, was sich da wandelt, das »worin« und das »wozuhin« des Wandels, z. B. »Mensch«, »Zeit«, »weiß«. Dabei kann man man »Mensch« und »Zeit« teilen, bei »weiß« liegt die Sache anders. Zwar, in nebenbei zutreffender Bedeutung ist ja alles teilbar: jenes (Ding) nämlich, dem es zutrifft, »weiß« oder »so-und-sobeschaffen« (zu sein), ist teilbar. Indessen, auch bei solchen (Dingen), die an sich selbst als teilbar angesprochen werden, und nicht nur in nebenbei zutreffender Bedeutung, wird es dies »Erste« nicht geben, z. B. bei den Größen; es sei also AB eine (Erstreckungs-)Größe, es sei die Bewegung verlaufen von B zu C als erstem (Punkt); somit ergibt sich: Wenn BC unteilbar sein soll, so wird etwas Teilloses mit etwas Teillosem Zusammenhängen; ist es dagegen teilbar, so wird es etwas geben, das noch früher ist als C, zu dem der Wandel stattgefunden hat, und dann wieder ein anders (, das früher ist) als jenes, und so immer weiter auf Grund der Tatsache, daß die Teilung nie
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ausgeht. Also wird es kein »Erstes« geben, zu dem hin Wandel vollzogen ist. Entsprechend ist auch bei Wandel des »so-undso-groß«: auch er findet statt an einem Zusammenhängenden. Somit ist klar: Als einziger unter den Veränderungsformen ist es bei der Eigenschaftsveränderung möglich, daß es in ihr ein an sich Unteilbares geben kann. 6. Da alles, was sich wandelt, dies in einer Zeit tut, und da der Ausdruck »in der Zeit sich wandeln« (zweifach) ausgesagt wird, sowohl im Sinne von »in diesem unmittelbaren Zeitraum«, wie auch über anderes vermittelt – z. B. (sagen wir:) »In dem Jahr« verändert es sich, weil es das »an diesem Tag« (des Jahres) tut –, (so läßt sich sagen:) In welchem unmittelbaren Zeitraum das Sich-Wandelnde sich wandelt, in jedem beliebigen (Zeitpunkt) davon muß es im Wandel begriffen sein. Klar ist das schon aus der Begriffsbestimmung – in diesem Sinn wollten wir »unmittelbar« ja aussagen –, aber auch aus folgenden (Überlegungen) wird es einsichtig: Es sei einmal (der Zeitraum), in dem unmittelbar das Bewegte sich bewegt, OR, und er soll bei K geteilt sein, – jedes Zeitstück ist ja teilbar; dann wird es sich in der Zeit OK entweder bewegen oder nicht, und wieder in KR genauso; wenn es nun in keinem der beiden (Zeiträume) sich bewegt, dann wird es ja wohl in dem ganzen in Ruhe sein – denn daß etwas sich bewegt, was in keinem der dazugehörigen Zeitstücke in Bewegung ist, das geht nicht –; wenn andrerseits nur in einem davon es sich bewegt, dann würde es in OR nicht als unmittelbarem (Zeitraum) sich bewegen; dann ist die Bewegung ja über anderes vermittelt. Somit ist notwendig, daß es sich in jedem beliebigen (Zeitstück) von OR bewegt. Ist das aufgezeigt, so ist einsichtig: Alles, was in Bewegung ist, muß (auch immer schon) früher Bewegung hinter sich gebracht haben. Wenn nämlich (ein Gegenstand) in der unmittelbaren Zeit OR die (Raum-)Größe KL durchlaufen hat, so wird in der halben Zeit ein gleichschnell bewegter, der auch gleichzeitig angefangen hat, die Hälfte (an Strecke) durchlaufen haben; wenn aber der gleichschnelle (Gegenstand) in der-
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selben Zeit etwas an Bewegung vollbracht hat, so muß auch der andere sich über genau die gleiche Erstreckung sich bewegt haben, also folgt: Es hat sich immer schon bewegt, was da in Bewegung ist. Weiter, wenn wir sagen, (der Gegenstand) habe in der ganzen Zeit OR Bewegung hinter sich gebracht, oder auch allgemein, in beliebiger Zeit, dadurch daß wir (je) das letzte Jetzt davon herausnehmen – das ist ja das Grenzensetzende, und das »Inmitten von Jetzten« ist Zeit –, dann kann auch von den anderen (Zeitabschnitten) genauso gesagt werden, daß er in ihnen Bewegung hinter sich gebracht hat. Die Zweiteilung (bildet) aber doch »Rand von Hälfte«; folglich wird er auch in der Hälfte (der Zeit) schon Bewegung hinter sich haben, und allgemein, in jedem beliebigen Teil schon; jeweils ist ja zugleich mit dem Einschnitt Zeit (gesetzt), die begrenzt ist durch die Jetzte. Ist nun jedes Zeitstück teilbar und das »Inmitten von Jetzten« Zeit, so hat alles, was sich da wandelt, immer schon unzählig viele Wandlungsschritte durchgemacht. Weiter, wenn etwas, das fortlaufend sich wandelt und dabei nicht untergegangen ist und auch nicht mit dem Wandel Schluß gemacht hat, zu jedem beliebigen (Zeitpunkt) entweder im Wandel noch begriffen sein oder Wandel durchgemacht haben muß, wenn weiter im Jetzt ein »Im-Wandel-begriffensein« nicht geht, so (gilt) notwendig: Es muß Wandel schon hinter sich gebracht haben zu jedem der Jetztzeitpunkte. Mithin, sind die Jetzte unendlich viele, so wird alles, was sich da wandelt, unendlich viele Veränderungsschritte (immer schon) hinter sich haben. Nicht nur, was in Veränderung begriffen ist, muß schon Wandel hinter sich haben, sondern auch was mit Wandel fertig ist, muß früher im Wandel begriffen gewesen sein. Alles, was »von etwas aus zu etwas hin« Wandel durchgemacht hat, hat dies ja in der Zeit getan; es soll einmal (ansatzweise) in einem Jetzt von A zu B sich gewandelt haben; dann kann es in dem selben Jetzt, in dem es sich bei A befindet, Wandel nicht erfahren haben, – sonst wäre es ja gleichzeitig in (Zustand) A und B; was doch Wandel durchgemacht hat, ist zu dem Zeitpunkt, wo
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es dies getan hat, nicht mehr in diesem (Anfangszustand), das ist früher aufgezeigt worden. Wenn dagegen in einem anderen (Jetzt der Wandel gewesen sein soll), so wird dazwischen Zeit liegen; die Jetzte waren ja nichts Zusammenhängendes. Da es sich mithin in einer Zeit gewandelt hat, jedes Zeitstück aber teilbar ist, so wird es in der halben (Zeit) einen andern Wandel schon durchgemacht haben, und wieder in der Hälfte davon einen anderen, und immer so weiter. Also, es wird (immer schon) früher im Wandel begriffen sein. Weiter, bei der (Erstreckungs-)Größe wird das Gesagte noch deutlicher, auf Grund der Tatsache daß die Erstreckung, innerhalb deren das Sich-Wandelnde sich bewegt, zusammenhängend ist. Es habe also einmal etwas Wandel durchgemacht von C nach D; wenn folglich CD unteilbar wäre, so würde ein Teilloses zusammenhängend mit einem Teillosen sein; da denn dies unmöglich ist, muß das »dazwischen« eine Größe sein, mithin ins Unendliche teilbar, mit der Folge, daß (der Gegenstand) in alle diese (Stufen) früher sich wandeln muß. Notwendig (gilt) also: Alles, was Wandel hinter sich hat, war früher im Wandel begriffen. Es ist ja derselbe Beweis (gültig) auch für die nicht-zusammenhängenden (Bereiche), z. B. bei entgegengesetzten (Begriffen) und bei ausschließendem Widerspruch; wir werden ja einfach die Zeit nehmen, in der es sich gewandelt hat, und wieder dasselbe sagen. Also steht mit Notwendigkeit fest: Was Wandel hinter sich hat, war auch im Wandel begriffen, und was im Wandel begriffen ist, hat auch schon Wandel hinter sich; und Wandel-Durchgemachthaben liegt vor dem Sich-Wandeln, andrerseits aber auch Im-Wandel-Begriffensein vor Wandeldurchgemachthaben; und davon wird man nie das Erste zu fassen kriegen. Grund dafür ist: Teilloses bildet mit Teillosem keinen Zusammenhang, denn (im Zusammenhängenden) gibt es unbegrenzte Teilung, – so wie auch bei den vermehrten und verminderten Linien. Einleuchtend ist nun auch, daß etwas, das ein Entstehen hinter sich hat, vorher im Entstehen begriffen gewesen sein muß und (umgekehrt) schon Entstehung hinter sich gebracht
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haben muß, soweit dies teilbare und zusammenhängende (Dinge sind); indessen (betrifft dies) nicht immer das, was da entsteht (selbst), sondern manchmal ein anderes, z. B. eins seiner Teilstücke, wie etwa von einem Haus die Grundmauern. Entsprechend (verhält es sich) auch bei Untergehendem und Untergegangenem. Sofort findet sich ja bei Entstehendem und Untergehendem etwas Unbegrenztes ein, da sie doch zusammenhängend sind, und es kann weder etwas werden, was nicht schon Werdevorgang hinter sich hat, noch etwas geworden sein, was nicht vorher auch im Werden begriffen war; und genau so gilt das auch von Untergehen und Untergegangensein: Immer wird Untergegangensein vor einem Untergehen liegen, und ein Untergehen vor Untergegangensein. – Somit ist einsichtig: Gewordenes muß vorher im Werden begriffen gewesen sein, und Werdendes muß vorher auch schon geworden sein; jede Größe und jede Zeit ist doch immer teilbar. Folglich, das (zeitliche) »worin« dieses Vorgangs, davon findet man nie ein (wirklich) Erstes. 7. Da alles, was sich bewegt, dies in der Zeit tut, und zwar in einem Mehr (an Zeit) über eine größere Erstreckung, so ist es in unbegrenzter Zeit unmöglich, eine (nur) begrenzte Bewegung auszuführen, wenn es nicht immer nur die gleiche Bewegung macht und dabei über eine der Teilstrecken dieser (Gesamterstreckung) läuft, sondern in ganzer (Zeit) ganze (Strecke). Daß doch, wenn etwas sich gleichschnell fortbewegt, es eine begrenzte (Strecke) in begrenzter (Zeit) durchlaufen muß, ist klar, – nimmt man doch ein Teilstück heraus, das die ganze restlos ausmißt, dann wird es in genau gleichviel Zeitabschnitten, wieviel Teilstücke es gibt, die ganze (Strecke) durchmessen haben; folglich, da diese begrenzt sind, und zwar ein jedes durch ein »so-und-so-viel«, alle zusammen durch ein »sound-so-viel-mal«, so ist ja wohl auch die (entsprechende) Zeit bemessen: Sie wird so-viel-mal-so-viel sein, wie die Zeit für einen Teil, vervielfältigt mit der Anzahl der Teile; aber wenn es nun etwa nicht gleichförmig schnell (sich bewegen sollte), so macht das keinen Unterschied. Es sei also die (Linie) AB
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eine begrenzte Entfernung, die (der Gegenstand) in unbegrenzter Zeit durchmessen haben soll, und diese unbegrenzte Zeit sei CD; wenn nun also notwendig er ein (Streckenstück von AB) früher durchlaufen haben muß als ein anderes – das ist doch klar, daß er in einem früheren Zeitpunkt ein anderes (Streckenstück) durchlaufen hat als in einer späteren; immer doch wird er in einem Mehr (an Zeit) ein wieder anderes (Stück) durchlaufen haben, einerlei ob er sich nun gleichförmig schnell oder nicht gleichförmig schnell fortbewegt, und ob die Geschwindigkeit nun anzieht oder nachläßt oder auch gleichbleibt, so um nichts weniger –, es sei also nun einmal herausgegriffen ein Teilstück der Entfernung AB, nämlich AE, welches AB restlos ausmißt: Das muß nun also in irgend einem Zeitstück von der unendlichen Zeit geschafft sein; in der unendlichen kann es ja nicht sein, das Ganze (sollte) doch in der unendlichen (Zeit zurückgelegt sein); und wieder, wenn ich ein anderes nehme in der Größe von AE, so muß (das Durchlaufen auch wieder) in begrenzter Zeit (sein); das Ganze (sollte) in unendlicher (durchlaufen werden). Und indem ich so weiter nehme, (finde ich:) Da es von unendlicher (Größe) kein Teilstück gibt, was sie restlos ausmißt – unmöglich kann doch Unendliches aus Endlichem sich zusammensetzen, einerlei ob aus gleichen oder ungleichen (Teilstücken), auf Grund der Tatsache, daß (gerade) endliche (Größen) nach Anzahl und Größe von irgend einer Einheit ausgemessen werden, einerlei ob diese (Einheiten) gleichgroß oder ungleichgroß (gewählt) sind, solange sie größenmäßig begrenzt sind, (gilt das) nichtsdestoweniger –, da nun doch gerade die begrenzte Entfernung durch so und so viele AE ausgemessen wird, so muß ja wohl in begrenzter Zeit AB durchmessen werden –, genauso verhält es sich (übrigens) auch beim Übergang zu Ruhe. Also, es kann ein mit sich selbiger und einheitlicher Gegenstand weder dauernd werden noch dauernd vergehen. Dieselbe Erklärung (gilt) auch dafür, daß es (umgekehrt) auch nicht möglich ist, in begrenzter Zeit über unendliche (Strecke) sich zu bewegen oder zur Ruhe zu kommen, einerlei ob sich (der Gegenstand) nun gleichmäßig oder ungleichmäßig
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bewegt. Nimmt man nämlich ein Teilstück heraus, das die ganze Zeit restlos ausmißt, so wird (der Gegenstand) in diesem ein So-und-so-viel der Erstreckungsgröße durchlaufen, nicht das Ganze – das Ganze sollte ja in der ganzen (Zeit durchlaufen werden) – und wieder, in einem gleichen Zeitstück ein anderes (So-und-so-viel), und so in jedem (Zeitstück) gleichermaßen, einerlei ob die gleich oder ungleich sind dem Anfangsstück; das macht ja keinen Unterschied, wenn nur jedes begrenzt ist; so ist dann doch klar, daß, wenn die Zeit aufgebraucht ist, die unendliche (Strecke) nicht ausgemessen sein wird, da doch dieses Ausschöpfen als begrenztes stattfindet, sowohl bezogen auf das So-und-so-viel wie auf das So-und-so-viel-mal. Also, (der Gegenstand) wird nicht in begrenzter Zeit unbegrenzte (Strecke) durchlaufen können. Und es macht keinen Unterschied, ob diese Erstreckung nur nach einer oder nach beiden Seiten unbegrenzt ist; das gibt dieselbe Erklärung. Nachdem dies aufgezeigt ist, ist ersichtlich, daß auch eine begrenzte (Körper-)Größe eine unbegrenzte (Erstreckung) in begrenzter (Zeit) nicht durchlaufen kann, aus dem gleichen Grund: In dem Teilstück von Zeit wird er begrenzte (Erstreckung) durchlaufen, und in jedem (Teilstück) genauso, also in dem ganzen (Zeitraum) eine begrenzte. Wenn aber der begrenzte (Körper) unbegrenzte (Erstreckung) in begrenzter Zeit nicht durchlaufen kann, so ist klar, daß auch (umgekehrt) nicht unbegrenzter (Körper) begrenzte (Erstreckung durchläuft); wenn doch der unbegrenzte die begrenzte (durchlaufen könnte), so müßte notwendig auch (umgekehrt) der begrenzte die unbegrenzte durchlaufen können; es macht ja doch keinen Unterschied, welches von beiden das Bewegte ist: beidesmal geht durch das Begrenzte das Unbegrenzte. Wenn also einmal bewegt sein soll das Unbegrenzte, A, so wird es ein Stück von ihm geben, gegenüber von dem begrenzten B, beispielsweise CD, und wieder ein anderes und anderes, und so immer weiter. Folglich wird sich gleichzeitig ergeben, daß Unbegrenztes sich durch Begrenztes bewegt hat und daß Begrenztes Unbegrenztes durchlaufen hat. Vielleicht ist ja auch gar nicht anders möglich, daß Unbegrenztes sich
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durch Begrenztes bewegt habe sollte, als dadurch, daß das Begrenzte das Unbegrenzte durchläuft, entweder in richtiger Fortbewegung oder es ausmessend. Wenn nun das unmöglich ist, so kann wohl folglich Unbegrenztes Begrenztes nicht durchlaufen. Aber auch wird unbegrenzter (Körper) in begrenzter Zeit nicht unbegrenzte (Erstreckung) durchlaufen; wenn doch unbegrenzte, so auch begrenzte: im Unbegrenzten kommt doch das Begrenzte immer schon mit vor. Schließlich, wenn man die Zeit (als unbegrenzt) herausgreift, wird es dieselbe Beweisführung sein. Da nun weder das Begrenzte das Unbegrenzte noch das Unbegrenzte das Begrenzte noch das Unbegrenzte das Unbegrenzte in begrenzter Zeit sich bewegend durchläuft, so ist es einsichtig, daß es auch keine unendliche Bewegung in begrenzter Zeit geben wird; was macht es denn für einen Unterschied, ob man den Bewegungsvorgang oder die (beteiligte) Größe unbegrenzt macht? Es muß doch, wenn irgendeins davon, so auch das andere unbegrenzt sein; jeder Bewegungsvorgang (spielt sich) doch in einem Raum (ab). 8. Da alles entweder in bewegender Veränderung begriffen oder im Ruhezustand ist, was dazu von Natur veranlagt ist, dann, wann es das ist, und dort, wo, und in der Art, wie es das eben tun soll, so (ergibt sich) notwendig: Was auf dem Wege zum Stillstand ist, ist zum Zeitpunkt, wo es das tut, noch in Bewegung. Wäre es das nicht, so wäre es ja schon in Ruhe, aber es geht nicht, daß etwas zur Ruhe kommt, das schon ruht. Ist das aufgezeigt, so ist einsichtig, daß auch dies Zum-StillstandKommen in einer Zeit stattfinden muß, – das Sich-Bewegende tut dies in einer Zeit, was zum Stillstand kommt, ist aufgezeigt als in bewegender Veränderung befindlich, also kommt es notwendig in einer Zeit zum Stillstand. Weiter, wenn wir (die Bestimmungen) »schneller« und »langsamer« in (dem Bestimmungsfeld) Zeit ansprechen, (so muß man sich vor Augen halten:) Es gibt »Schneller-« und »Langsamer-zum-Stillstand-kommen«. Was die unmittelbare
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Zeit angeht, in welcher das, was zum Stillstand kommt, dies tut, so muß es in jedem Augenblick von ihr dies tun. Nimmt man nämlich diesen Zeitabschnitt auseinander, (so kann man schließen:) Wenn in keinem der Teile Zum-Stillstandkommen stattfindet, so auch in dem Ganzen nicht, sodaß also (danach) ein Zum-Stillstand-kommen nicht zum Stillstand käme; wenn (andrerseits) das nur in einem der Teile (der Fall ist), so fände das Zum-Stillstand-kommen in dem Ganzen nicht als unmittelbarer Zeit statt: es käme in dieser Zeit nur vermittelt über ein anderes zum Stillstand, genauso wie früher schon für den bewegten Gegenstand vorgetragen. Wie andrerseits bei dem Bewegten man keinen Zeitpunkt greifen kann, zu dem als erstem es sich bewegt, genauso (findet man keinen), in dem (als erstem) das Zum-Stillstand-Kommende zum Stillstand kommt: weder vom Sich-Bewegen noch vom Zur-Ruhe-Kommen ist ein Erstes (faßbar). Es sei einmal eine solche Anfangszeit des Zum-Stillstand-Kommens die (Strecke) AB; das kann nun nicht teillos sein – Bewegung gibt es ja nicht in irgendeinem teillosen (Zeitstück), wegen der Tatsache, daß etwas von dem Gegenstand immer schon Bewegung hinter sich haben muß, das Zur-Ruhe-Kommende ist aber, wie gezeigt, ein Bewegtes; aber andrerseits, wenn es nun teilbar ist, so wird das Zur-Ruhe-Kommen in jedem beliebigen der Teile davon stattfinden; das ist ja früher gezeigt bezüglich der unmittelbaren Zeit des Zur-Ruhe-Kommens, daß dies in jedem Zeitstück von ihr stattfindet. Da es nun also eine Zeit ist, dies »erste worin des Zur-Ruhe-Kommens«, und nicht ein Unzerschneidbares, da aber doch jede Zeit ins Unendliche teilbar ist, so wird es ein erstes Zeitstück, in welchem es zur Ruhe kommt, nicht geben. Aber auch bei dem, was in Ruhe ist, ist kein Zeitpunkt faßbar, »wann zuerst« es mit dem Ruhen anfing. In einem teillosen (Zeitraum) konnte es ja nicht mit Ruhe beginnen, auf Grund des Satzes, daß Bewegung in einem unzerschneidbaren (Zeitstück) nicht sein kann, das »worin« von Ruhen ist aber auch das von Bewegung, – wir sagten doch, dann ruhe etwas,
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wenn ein (zu Bewegung) Befähigtes (zu einer Zeit), worin es zu Bewegung naturbefähigt ist, dies eben doch nicht tut. Weiter, wir sprechen doch dann von »Ruhen«, wenn (etwas) sich gleich verhält jetzt im Vergleich zu vorher; damit beurteilen wir es nicht in einem einzigen (Zeitpunkt), sondern zum wenigsten in zweien; also ist (das) »worin es ruht« nicht teillos. Ist es aber teilbar, so ist es ja wohl (ein Stück) Zeit, und in jedem beliebigen der Teile davon wird es ruhen; das wird sich auf dieselbe Weise zeigen lassen wie bei den früher behandelten Gegenständen: sonach wird es hier ein »Erstes« nicht geben. Grund davon ist: Es ruht und es bewegt sich alles in der Zeit, es gibt aber keine »erste Zeit«, und auch bei Größe nichts dergleichen und überhaupt bei keinem Zusammenhängenden: alles (dies) ist ins Unendliche teilbar. Da alles, was sich bewegend verändert, in der Zeit sich bewegt und von etwas fort zu etwas hin wechselt, (so gilt auch:) In der Zeit, in welcher es sich bewegt, und zwar der unmittelbaren, nicht über (Bewegung) in einem ihrer Teile vermittelt, kann das Bewegte unmöglich im genauen Sinne an einer bestimmten Stelle sein. Denn es ist doch gerade Ruhen so bestimmt, als »eine bestimmte Zeit lang als Ganzes für sich und bezogen auf jeden seiner Teile an derselben (Stelle) sein«. Genau in dem Sinn sprechen wir doch von »Ruhen«: Wenn in einem Jetzt und wieder einem es wahr ist zu sagen: »Es selbst (als Ganzes) und seine Teile sind an derselben (Stelle)«. Wenn nun aber das eben Ruhen ist, dann geht es nicht, daß ein Wechselndes als Ganzes, bezogen auf die unmittelbare Zeit (des Wechsels), an einer bestimmten (Stelle) ist; jedes Zeitstück ist doch teilbar, folglich wird es in einem Teil von ihr und wieder einem anderen wahr sein zu sagen: »Es selbst und seine Teile sind an dem gleichen (Ort)«; denn wenn es nicht so ist, sondern nur in einem einzigen der Jetzte, so wird es in keiner Zeit an irgendeiner Stelle sein, sondern nur an einer Zeitgrenze. In dem Jetzt kann es zwar je an einer Stelle sein, allerdings ruht es (dabei) nicht; denn es gibt weder Bewegung noch Ruhe im Jetzt, stattdessen ist »Nicht-Bewegung« wahr in dem Jetzt und »An-einer-Stelle-sein«; in der Zeit dagegen geht es nicht, daß
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es ruhend an einer Stelle wäre; sonst ergäbe sich ja, daß ein Fortbewegtes ruhe! 9. Zenon schließt fehlerhaft: Wenn ein Jedes, sagt er, immer dann im Ruhezustand ist, wenn es »in dem gleichen« (Raumstück) ist, wenn dann weiter immer das Fortbewegte in dem Jetzt ist, so wäre der fliegende Pfeil unbewegt. – Das aber ist ein Irrtum: die Zeit besteht ja gar nicht aus unteilbaren Jetzten, so wie auch sonst keine andere Größe (aus so unteilbaren Bestandsstücken sich aufbaut). Es sind vier Beweisreihen Zenons »Über Bewegung«, die dem, der sie lösen will, solche Schwierigkeiten machen; die erste ist die »Über die Nicht-Bewegung«, mit der Begründung, erst einmal müsse doch der fortbewegte Gegenstand zur halben Entfernung kommen, bevor er ans Ende kommt, – dazu haben wir schon die (notwendigen) Unterscheidungen getroffen in den früheren Untersuchungen. Die zweite ist der sogenannte »Achilleus«, der geht so: Das Langsamste wird im Lauf niemals vom Schnellsten eingeholt werden; erst einmal muß doch das Verfolgende dahin kommen, von wo aus das Fliehende losgezogen war, mit der Folge, daß das Langsamere immer in bißchen Vorsprung haben muß. – Es ist dies jedoch auch der gleiche Beweis wie das Halbieren, er unterscheidet sich nur darin, daß die hinzugenommene Größe nicht zweigeteilt wird. Daß das Langsamere nicht eingeholt werden kann, hat sich zwar auf Grund der Beweiskette ergeben, es kommt dies jedoch zustande infolge des gleichen Fehlers wie bei der Zweiteilung – in beiden ergibt sich doch, daß (der Gegenstand) ans Ende nicht kommen kann, indem die (zu durchmessende) Größe nach irgend einem Verhältnis durchgeteilt wird; nur tritt hier noch dazu, daß nicht einmal das mit Dichterschwung als »Schnellstes« Gerühmte bei der Verfolgung des Langsamsten (dies schafft) –; also muß auch die Auflösung die gleiche sein. Zu fordern, daß das, was den Vorsprung hat, nicht eingeholt wird, ist ein Trug; freilich, solange es Vorsprung hat, wird es nicht eingeholt; doch trotzdem
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wird es eingeholt, wenn er nur zugeben wird, daß sie (hier) eine begrenzte (Strecke) durchlaufen. Das sind also diese zwei Beweisreihen, die dritte ist die gerade genannte, wonach der fliegende Pfeil stehenbleibt. Das ergibt sich durch die Fehlannahme, daß die Zeit aus Jetzten sich zusammensetze; gibt man das nämlich nicht zu, so ergibt sich auch nicht der Schluß. Die vierte ist die »Von den auf dem Rennplatz bewegten Massen«, die in je gleicher Anzahl gegenläufig an einander vorbeiziehen sollen, die einen vom Ende des Platzes aus, die andern von der Mitte, mit je gleicher Geschwindigkeit, wobei, wie er meint, herauskomme, daß gleich sei halbe Zeitmenge der doppelten. – Der Fehlschluß besteht darin zu fordern, daß eine Größe, die sich (a) an einer gleichen in Bewegung befindlichen, (b) an einer gleichen in Ruhe befindlichen Größe mit je gleicher Geschwindigkeit vorbeibewegt, dafür auch je die gleiche Zeit brauche. Das ist ein Irrtum. Z.B. soll da stehen eine bestimmte Anzahl an ruhenden Massen, AA ...; die BB ... (sollen die sein, die) von der Mitte aus (mit der Bewegung) anfangen, genau so viele nach Zahl und Größe wie sie; die CC ... (bewegen sich) vom Rand aus, gleichviele an Zahl und Größe wie sie und gleichschnell wie die B ...; somit ergibt sich: Das erste B wird gleichzeitig am Rand sein wie das erste C, wenn sie sich aneinander vorbeibewegen. Es ergibt sich aber: C ist die ganze Strecke an allem vorbeigelaufen, B nur an der Hälfte, mithin wäre die Zeit auch nur halb so groß; denn jedes der beiden ist im Vergleich zum anderen doch gleich. Gleichzeitig ergibt sich aber: Das erste B ist an allen C vorbeigelaufen; denn das erste C und das erste B werden ja gleichzeitig bei den gegenüberliegenden Rändern ankommen, [die gleiche Zeit braucht es doch für das Vorbeilaufen an jedem B wie auch für das an jedem A, so sagt er] auf Grund der Tatsache, daß beide die gleiche Zeit lang an A vorbeilaufen. – Das ist also die besagte Beweiskette; sie ergibt sich auf Grund des besagten Irrtums. Auch bei dem Wechsel im Bereich des ausschließenden Widerspruchs wird sich uns somit nichts Unmögliches ergeben; z. B. wenn (etwas) aus »nicht-weiß« zu »weiß« wechselt und
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in keinem der der beiden (Zustände) ist, daß es dann also weder weiß wäre noch nicht-weiß. Es ist ja nicht so, daß es, wenn es nicht als Ganzes in einem der beiden (Zustände) ist, dann nicht schon »weiß« oder »nicht-weiß« genannt werden dürfte: als »weiß« oder »nicht-weiß« sprechen wir es nicht an, weil es gänzlich diese Eigenschaft hat, sondern auf Grund dessen, daß die meisten oder die hauptsächlichsten Teile (von ihm so sind); es ist nicht das Gleiche (zu sagen:) »Nicht-in-diesem-Zustand-sein« und »Nicht-ganz-in-diesem-Zustand-sein«. Ähnlich steht es auch mit »seiend« und »nicht-seiend« und den anderen (Aussagen) nach ausschließendem Widerspruch: Es wird mit Notwendigkeit (der Gegenstand) in einem der beiden gegensätzlichen (Zustände) sein müssen, in keinem davon jedoch immer als ganzer. (Und so) wieder (verhält es sich auch) bei Kreis und Kugel und überhaupt den (Gegenständen), die sich in sich selbst bewegen, daß sich da ergeben soll, sie ruhten doch; die wären doch eine Zeit lang »an der gleichen Stelle«, sie selbst (als Ganze) wie auch ihre Teile, also würden sie zugleich in Ruhe sein und in Bewegung! (Antwort:) Erstens sind deren Teile in gar keiner Zeit an der gleichen Stelle, zweitens, auch das Ganze wechselt doch je in eine andere. Nimmt man einen Umfang von A aus an und einen von B und C aus und von allen übrigen Kennpunkten eines jeden (Kreises), so sind die nicht die gleichen, außer in dem Sinn wie »gebildeter Mensch« und »Mensch«, weil das nebenbei zutrifft. Also es wechselt je der eine zum anderen hinüber, und (das) wird nie zu Ruhe kommen. – Auf gleiche Weise (verhält es sich) bei der Kugel und den übrigen in sich selbst bewegten (Körpern). 10. Nachdem das aufgezeigt ist, sagen wir: Etwas Teilloses kann sich nicht in Bewegung befinden, außer in nebenbei zutreffender Bedeutung, z. B. wenn ein Körper oder eine (Raum-) Größe sich bewegt, daß es dann daran vorkommt, so wie wenn ein Gegenstand auf einem Schiff sich bewegt infolge der Fortbewegung des Schiffs oder ein Teil mittels der Bewegung des Ganzen, – mit »teillos« meine ich »was hinsichtlich des ›wie-
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viel‹ nicht auseinandernehmbar ist«; es sind ja die Bewegungen der Teile unterschieden, sowohl was die Teile untereinander angeht, wie auch bezogen auf die Bewegung des Ganzen. Man könnte an einer Kugel diesen Unterschied besonders deutlich sehen: Nicht die gleiche Geschwindigkeit haben die (Teile) in der Nähe des Mittelpunkts und die am Rande draußen und die Kugel als ganze, also ist es eben nicht eine einzige Bewegung. Wie gerade gesagt, in diesem Sinne kann sich ein Teilloses schon bewegen, wie einer, der auf einem Schiff sitzt, (sich mitbewegt) wenn das Schiff fährt, bezogen auf es selbst dagegen kann es das nicht. Es soll einmal überwechseln (dies Teillose) von AB zu BC, einerlei ob (dies Wechsel ist) von Größe zu Größe oder von Gestalt zu Gestalt oder von einem ausschließenden Gegensatz zum anderen; die Zeit, in der unmittelbar der Wandel stattfindet, sei D; dann folgt mit Notwendigkeit: In der Zeit, in der es sich wandelt, ist es entweder in AB oder in BC, oder etwas von ihm ist in diesem, etwas anderes in jenem, – alles, was sich wandelt, stand doch unter dieser Bedingung. Nun, daß ein Stück von ihm hier, ein anderes dort ist, das geht nicht; dann wäre es ja teilbar. Aber doch auch nicht in BC (kann es schon sein); dann hätte es den Wandel ja schon hinter sich, es ist aber doch vorausgesetzt, daß es noch dabei ist. Bleibt also, daß es noch in AB ist für die Zeit, in der es wechselt; dann wird es mithin ruhen; denn »In-dem-Selbensein-für-eine-bestimmte-Zeit«, das eben war doch »ruhen«. Folglich ist es nicht möglich, daß Teilloses sich bewegt oder überhaupt einem Wechsel unterliegt; allein nur so wäre ja Bewegung an ihm, wenn die Zeit aus den Jetzten bestünde; dann hätte es je in dem Jetzt immer schon Bewegung hinter sich und Wandel vollzogen, sodaß es zwar nie in Bewegung begriffen wäre, doch je Bewegung durchlaufen hätte. Daß das unmöglich ist, ist früher schon gezeigt: Weder setzt sich die Zeit aus den Jetzten zusammen noch die Linie aus Punkten noch die Bewegung aus Bewegungseinheiten. Wer das sagt, oder daß Bewegung aus unteilbaren (Stücken) bestehe, der macht damit das Gleiche, wie wenn die Zeit aus den Jetzten bestünde oder die Länge aus Punkten.
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Weiter wird auch aus Folgendem einsichtig, daß weder Punkt noch irgend ein anderes Unteilbares Bewegung an sich haben kann: Alles, was sich bewegt, kann unmöglich vorher eine größere Strecke, als es selbst mißt, hinter sich gebracht haben, bevor es entweder eine gleichgroße oder kleinere (geschafft hat); ist das so, so ist einleuchtend, daß also auch ein Punkt sich erst einmal über eine kleinere oder gleichgroße Strecke (bezogen auf die eigene Ausdehnung) bewegt haben muß; da er nun doch unteilbar ist, so kann er unmöglich zuerst eine kleinere Strecke (als er selbst) hinter sich gebracht haben; also dann eine gleichgroße wie er selbst; dann tritt also doch ein die Linie, die aus Punkten besteht: denn wenn er immer eine gleichgroße Strecke, wie er selbst ist, zurücklegt, so wird der Punkt schließlich die ganze Linie ausmessen. Wenn das aber nicht geht, so auch nicht, daß sich Unteilbares bewegte. Weiter, wenn alles sich in der Zeit bewegt, im Jetzt aber nichts, und wenn jede Zeit teilbar ist, so muß es ja wohl eine Zeitspanne geben für jedes beliebige Bewegte, die kleiner ist als die, in der es sich um die eigene Erstreckung bewegt; das ist doch Zeit, in der es sich bewegt, auf Grund der Tatsache, daß alles sich in der Zeit bewegt, jede Zeit aber ist teilbar, so ist es früher gezeigt. Wenn also ein Punkt sich bewegt, so wird es dann eine Zeit geben, die kleiner ist als die, in der er sich um die eigenene Ausdehnung bewegt hat. Aber das kann es gar nicht geben, denn in dieser geringeren (Zeit) müßte er sich um weniger (als seine eigene Ausdehnung) bewegen; danach müßte also teilbar sein das Unteilbare in noch Kleineres, so wie ja auch die Zeit (immer) in Zeit (teilbar ist). Einzig und allein könnte doch Teilloses und Unteilbares sich (dann) bewegen, wenn in dem unzerschneidbaren Jetzt Bewegung möglich wäre; gehört doch in den gleichen Zusammenhang das »ImJetzt-sich-bewegen« und die »Bewegung-von-Unteilbarem«. Von Wechsel gibt es keine einzige Weise, die unendlich wäre. Jede (Veränderung) ging ja von etwas aus zu etwas hin, und zwar sowohl die im Bereich von ausschließendem Widerspruch wie auch die im Bereich von Entgegengesetztem; also, von den (Veränderungen) im Bereich ausschließenden Widerspruchs
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sind die bejahende Aussage und die Verneinung die Grenze, z. B. von »werden« (ist es) »seiend«, von »vergehen« »nichtseiend«; von den (Veränderungen) im Bereich der Entgegensetzungen (sind es eben) die Gegensätze (selbst); das sind ja die äußersten Punkte des Wechsels, also auch bei jeder Form von Eigenschaftsveränderung – aus irgendwelchen entgegengesetzten (Bestimmungen) findet Eigenschaftsveränderung doch statt –, ähnlich auch bei Wachsen und Schwinden; äußerster Punkt des Wachsens ist die Grenze bei der nach Maßgabe der eigenen Naturveranlagung vollständigen Größe, (äußerster Punkt) des Schwindens ist das Heraustreten aus dieser. Fortbewegung dagegen wird in diesem Sinn nicht begrenzt sein; sie (liegt) ja nicht ganz im Bereich der Entgegensetzungen. Da jedoch etwas, das unmöglich geschnitten sein kann – in dem Sinn verstanden, daß tatsächlich keine Möglichkeit dazu da war, es zu schneiden, – »unmöglich« wird ja in mehreren Bedeutungen ausgesagt –: da also ein in dem Sinne als unmöglich Verstandenes auch nicht im Zustand des Geschnittenwerdens gewesen sein kann, und überhaupt, da etwas, das unmöglich geworden sein kann, auch nicht werden konnte: so kann wohl auch nicht das, was unmöglich Wandel vollzogen haben kann, im Wandel zu dem sein, wohin es unmöglich den Wandel vollzogen haben kann. Wenn nun also der fortbewegte Gegenstand irgendwohin wechselt, so wird es auch möglich sein, diesen Wechsel zu Ende zu bringen. Somit ist das keine unendliche Bewegung, und (der Gegenstand) wird über keine unendliche Strecke fortbewegt werden; denn so eine ist ja unmöglich zu Ende zu bringen. Daß also in dem Sinn Wandel nicht unendlich ist, daß (seinem Verlauf) nicht durch Grenzen Ziele gesetzt wären, ist einsichtig. Dagegen, ob es in dem Sinn möglich ist, daß er der Zeit nach unendlich ist und dabei einer und derselbe bleibt, das ist zu prüfen. Vollzieht er sich denn als nicht-einheitlicher, so besteht ja wohl kein Hinderungsgrund, z. B. wenn nach der Ortsbewegung eine Eigenschaftsveränderung käme, nach der Eigenschaftsveränderung ein Wachstum und dann wieder ein Entstehen. In dem Sinne wird der Zeit nach immer Verän-
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derung sein, aber es ist keine einheitliche, weil (die Abfolge) aus allen keine einheitlihe ausmacht. In dem Sinne aber, daß er wirklich einheitlich verläuft, geht es nicht, daß (ein Bewegungsablauf) der Zeit nach unendlich wäre, – außer einem einzigen: Das ist die Kreisbewegung.
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1. Alles, was in verändernder Bewegung ist, muß von etwas in Bewegung gebracht werden. Wenn es denn in sich selbst den Ursprung der Veränderung nicht hat, so ist einleuchtend, daß es von etwas anderem in Bewegung gesetzt wird, – ein anderes (als es) wird (dann) ja das Bewegende sein; hat es ihn aber doch in sich selbst, so sei einmal angenommen: AB (ist der Gegenstand), der sich im eigentlichen, vollen Wortsinn bewegt, nicht etwa dadurch, daß eins seiner Stücke dies tut. Dann erstens, anzunehmen, AB werde von sich selbst bewegt, weil es sich doch als Ganzes bewegt und von nichts Äußerem (dazu angestoßen wird), das ist ähnlich wie im Falle von KL, das LM in Bewegung setzt, aber auch selbst (von diesem) in Bewegung gesetzt wird, wie wenn man dann leugnen wollte, daß KM von etwas in Bewegung gesetzt wird, weil doch nicht offenkundig sei, welches von beiden nun das Bewegende, welches das in Bewegung Gesetzte sei. Zweitens, das, was nicht durch etwas (anderes) in Bewegung gesetzt wird, muß nicht mit seiner Bewegung aufgehört haben, wenn ein anderes im Ruhezustand ist, vielmehr (gilt umgekehrt:) Wenn etwas im Ruhezustand ist dadurch, daß ein anderes mit Bewegung aufgehört hat, so muß dies notwendig (etwas sein, das) von etwas in Bewegung gesetzt wird. Wird dies angenommen, (so ergibt sich:) Alles, was in Bewegung ist, wird von etwas in Bewegung gesetzt. Da doch AB als in Bewegung angenommen ist, so muß es auch teilbar sein, – alles, was sich bewegt, ist teilbar; dann soll es also auseinandergenommen sein bei C; wenn dann CB nicht in Bewegung wäre, so wird auch AB sich nicht bewegen; denn nähme man es als bewegt an, so (ergäbe sich) klar: AC wäre in Bewegung, wohingegen CB ruhte, mit der Folge, daß (AB) nicht an sich und in eigentlicher Bedeutung in Bewegung wäre; aber es war doch (oben) vorausgesetzt, daß es genau dies tun sollte; notwendig
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(ergibt sich) also: Ist CB nicht in Bewegung, so ruht AB. Was aber ruht, wenn etwas (von ihm Verschiedenes) nicht in Bewegung ist, von dem ist übereinstimmend ausgemacht, daß es von etwas in Bewegung gesetzt wird, (und das führt wieder zur) Folge, daß alles, was in Bewegung ist, von etwas in Bewegung gesetzt werden muß. Was in Bewegung ist, wird immer teilbar sein, ist aber ein Teil (von ihm) nicht in Bewegung, so muß auch das Ganze ruhen. Wenn (das also gilt:) Alles, was in Bewegung ist, muß von etwas in Bewegung gesetzt werden, (so ist zu bedenken:) Wenn etwas eine Ortsbewegung durchmacht unter Einwirkung eines anderen, das (auch) in Bewegung ist, und wiederum, das Bewegende wird von einem anderen in Bewegung gesetzt, das selbst in Bewegung ist, und das wieder von einem anderen, und immer so weiter, so (ergibt sich) notwendig: Es gibt irgendein Erstes Bewegendes, und man darf da nicht ins Unendliche weitergehen. Angenommen einmal, es sei nicht so, sondern es gehe unbegrenzt so weiter: Es werde also in Bewegung gesetzt A von B, B von C, C von D, und so immer das anschließende (Ding) vom sich anschließenden. Da nun zugrundegelegt ist (die Annahme) „das Bewegende ist selbst in Bewegung, wenn es in Bewegung setzt”, so (ergibt sich) notwendig: Zugleich stattfinden muß die Bewegung des In-Bewegung-Gesetzten mit der das In-Bewegung-Setzenden, – es ist doch gleichzeitig, daß das Bewegende bewegt und das Bewegte bewegt wird; somit liegt auf der Hand: Die Bewegung von A, B, C und eines jeden dieser in Bewegung setzenden und (dabei) selbst in Bewegung befindlichen (Dinge) ist gleichzeitig. Es soll nun hergenommen werden die Bewegung eines jeden, und die von A sei E, die von B sei F, die von C, D (usf.) G, H (usf.); wenn doch (zwar) je ein Jedes von einem Jeden in Bewegung gesetzt wird, so wird man dennoch die Bewegung eines Jeden als einheitlich der Zahl nach greifen können; jede Bewegung (führt) ja von etwas aus zu etwas hin und ist bezogen auf ihre äußersten Punkte nicht unendlich; – ich meine mit »der Zahl nach einheitlich« eine Bewegung, die von einem der Zahl nach einheitlich Sel-
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bigen zu einem ebensolchen in einer zahlenmäßig einheitlichselbigen Zeit führt; Bewegung kann ja der Gattung, der Art und der Zahl nach dieselbe sein; – der Gattung nach (sind es die), die unter die gleiche Grundform von Aussage (fallen), z. B. »Sein« oder »Eigenschaft«; der Art nach (sind es die), die von etwas Artgleichem aus zu etwas Artgleichem hin (fuhren), z. B. von »weiß« zu »schwarz« oder von »gut« zu »schlecht«, was eben der Art nach nicht unterschieden ist; der Zahl nach (ist es eine solche), die von einem Zahleinheitlichen aus zu einem Zahleinheitlichen hin in einer und derselben Zeit (führt), z. B. »von diesem ›weiß‹ hier aus zu diesem ›schwarz‹ hier hin« oder »von dieser bestimmten Stelle zu der da«, (und das) »in dieser bestimmten Zeit«; wäre es doch in verschiedener, so wird dies nicht mehr eine zahlenmäßig einheitliche Bewegung sein, sondern (nur) der Art nach. Darüber aber ist in früheren (Ausführungen) gesprochen. – Es soll nun auch noch die Zeit herausgegriffen werden, in der A seine eigene Bewegung hinter sich gebracht hat, und sie sei K; ist nun die Bewegung von A begrenzt, so wird es auch die Zeit sein. Wenn denn nun also die bewegenden und die bewegten (Dinge) unendlich viele wären, so wird auch die Bewegung EFGH ..., die (sich ja) aus allen (Einzelbewegungen zusammensetzt), unendlich sein müssen; dabei mögen die Bewegungen von A, B und der anderen gleichgroß sein, es mögen die der anderen auch größer sein, es folgt, ob sie nun gleichgroß oder größer sind, in beiden Fällen, daß die Gesamtbewegung unendlich wäre; was hier möglich ist, das nehmen wir auch an. Da aber A und ein Jedes der anderen gleichzeitig sich bewegt, so wird die ganze Bewegung in derselben Zeit stattfinden wie die von A; die von A war aber in begrenzter (Zeit); (es ergäbe sich) somit: Unendliche (Bewegung) in begrenzter (Zeit); das aber ist unmöglich. So möchte es scheinen, die Ausgangsbehauptung sei nachgewiesen, indessen ist sie das noch nicht, weil noch nichts Unmögliches (aus der Behauptung des Gegenteils) nachgewiesen ist. Es ist ja doch möglich, daß es in begrenzter Zeit unendliche Bewegung geben kann, freilich nicht eines Einzi-
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gen, sondern von Vielen; das tritt ja auch in diesem Fall ein: Jedes davon vollzieht seine eigene Bewegung, und daß Viele sich gleichzeitig bewegen, ist nicht Unmögliches; aber wenn das, was im eigentlichen Sinn eine Ortsbewegung oder auch Körper-Bewegung anstößt, notwendig entweder in Berührung oder in Zusammenhang stehen muß mit dem, was in Bewegung gesetzt wird, so wie wir’s bei allem ja sehen, so müssen notwendig die bewegenden und die bewegten (Dinge) einen Zusammenhang bilden oder einander berühren, sodaß aus allen eine Art Einheit sich bildet. Ob diese (Einheit) nun begrenzt ist oder grenzenlos, macht für unsere jetzige Untersuchung keinen Unterschied; in jedem Fall wird aber die Bewegung unendlich sein von Gegenständen, die unendlich viele sind, wenn es denn möglich ist, daß (die Einzelbewegungen) gleichgroß sind und größer im Vergleich unter einander; denn was möglich ist, wollen wir hier als vorliegend annehmen. Wenn also die (Zusammensetzung) aus ABCD ... 〈entweder ein begrenztes oder〉 ein unbegrenztes Ding ist und es die Bewegung EFHG ... vollzieht in der Zeit K, diese jedoch begrenzt ist, so ergibt sich: In begrenzter Zeit wird dies entweder Begrenzte oder Unbegrenzte eine unendliche (Bewegung) durchlaufen. Beidesmal ist das unmöglich. Folglich (ist) notwendig (die Annahme): »Anhalten!« und: »Es gibt ein erstes Bewegendes, das (selbst) auch bewegt ist.« Es verändert an der Sache ja nichts, daß sich die Unmöglichkeit aus (bloßer) Ansetzung ergibt: die Ansetzung ist genommen als tatsächlich möglich, und von dem, was (in dem Sinn) als möglich gesetzt ist, soll nichts nur aus diesem Grunde unmöglich werden. 2. Das unmittelbar In-Bewegung-Setzende, verstanden nicht im Sinne des »weswegen«, sondern »von-wo-aus-der-Anstoßzur-Bewegung (kommt)«, ist an gleicher Stelle wie das, was bewegt wird, – mit »an gleicher Stelle« meine ich, daß nichts zwischen ihnen liegt; dies ist etwas, das für jedes Bewegte und Bewegende gemeinsam ist. Da es nun an Veränderungsformen drei gibt, die hinsichtlich des Raumes, die hinsichtlich des »sound-so-beschaffen« und die hinsichtlich des »so-und-so-viel«,
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so müssen es auch drei (Arten von) Anstoßgebendem sein: Das Forttragende, das Andersmachende, das Mehrende oder Mindernde. – Zuerst wollen wir nun über Fortbewegung sprechen: sie ist die erste unter den Veränderungsformen. Also, alles Fortbewegte wird entweder durch sich selbst in Bewegung gesetzt oder von einem anderen. Was nun selbst von sich selbst in Bewegung gesetzt wird, bei dem liegt es auf der Hand, daß Bewegtes und Bewegendes beieinander sind; denn ihnen wohnt ja das unmittelbar Bewegung-Anstoßende inne, mithin kann es da wirklich kein »dazwischen« geben. Was dagegen von anderem in Bewegung gesetzt wird, (bei dem) muß sich das auf (folgende) vierfache Weise ereignen, – vier Formen sind es doch der Fortbewegung durch anderes: Zug, Stoß Mitnahme, Drehung. Alle ortsbezogenen Bewegungen sind auf diese zurückzuführen: So ist der Schub eine Art von Stoßen, wenn nämlich das von sich aus In-Bewegung-Setzende beim Stoß (dem in Bewegung Gesetzten) nachfolgt; (bei) Abstoß (ist es schon vom Wort her klar; er liegt dann vor), wenn das die Bewegung Anstoßende nicht mitfolgt; Wurf (ist es dann), wenn (das In-Bewegung-Setzende) von sich aus eine heftigere Bewegung zustande bringt, als die natürliche Fortbewegung (des Bewegten) wäre, und (dieses) so weit fortgetragen wird, solange diese Bewegung stärker ist; und wiederum, Fortstoß und Zusammenstoß sind Formen von Abstoß und Zug: Fortstoß ist ein Abstoß, – das Abstoßen erfolgt ja entweder als »von sich selbst fort« oder als »von einem anderen weg«; Zusammenstoß ist eine (Form von) Zug, – es kann ja Ziehen »zu sich selbst her« stattfinden oder »zu einem anderen hin«. Mithin (gilt das auch für) deren Arten, wie (die Webertätigkeiten) »Blätten« und »Dem-Schiffchen-Anstoß-geben«: Das eine ist ein Zusammenstoßen, das andere Fortstoßen. Genauso auch die übrigen Formen von Mischung und Entmischung, – sie alle werden doch Formen sein von Fortstoß und Zusammenstoß, außer denen, die bei Entstehen und Untergehen vorkommen. Zugleich ist auch offenkundig, daß Mischung und Entmischung nicht eine weitere Gattung von Veränderung darstel-
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len: alle ihre Formen lassen sich auf die eine oder andere der genannten (Arten) verteilen. Weiter, Einatmen ist ein Zug, Ausatmen ein Stoß; genauso auch Spucken und (entsprechend) alles übrige, was es an ausscheidenden und einnehmenden Vorgängen am Körper so gibt: die einen sind Zugbewegungen, die anderen Abstoßvorgänge. Man muß auch die übrigen ortsbezogenen (Bewegungsformen) zurückführen: alle fallen unter die genannten vier. Von diesen (selbst) aber gehen wieder Mitnahme und Drehung zurück auf Zug und Stoß. Mitnahme findet ja statt auf eine dieser drei genannten Weisen, – was mitgenommen wird, ist in nebenbei zutreffender Bedeutung bewegt, weil es doch an einem Bewegten oder auf irgend einem Bewegten sich befindet, das Mitnehmende dagegen nimmt es mit, indem es (selbst) gezogen, gestoßen oder gedreht wird, folglich kommt Mitnahme bei allen dreien gemeinsam vor. Drehung hingegen ist zusammengesetzt aus Zug und Stoß; was Drehbewegung in Gang setzt, muß doch an der einen Stelle ziehen, an der anderen stoßen: ein Stück treibt es von sich weg, eins führt es auf sich zu. Wenn also das Stoßende und das Ziehende unmittelbar bei dem Angestoßenen und dem Gezogenen ist, so ist offenbar, daß es bei dem, was eine Ortsbewegung vollführt, und dem, was diesem die Bewegung mitteilt, kein »Dazwischen-(liegt)-etwas« geben kann. Aber das ist ja auch aus den Begriffsbestimmungen klar: Stoß ist Bewegung von sich selbst oder einem anderen fort zu einem anderen hin; Zug ist die (Bewegung) von einem anderen fort zu sich selbst oder einem anderen hin, wenn die Bewegung [des Ziehenden] schneller ist als die, die das Zusammenhängende von einander trennen will; auf die Weise wird der andere Gegenstand ja mitgezogen. – Nun könnte es wohl scheinen, es gebe »Zug« irgendwie noch in anderer Weise: Holz »zieht an« das Feuer, freilich nicht in diesem Sinne. – Das aber macht keinen Unterschied, ob der ziehende Gegenstand bei seinem Ziehen selbst bewegt oder in Ruhe ist; einmal zieht er doch (das Gezogene) dahin, wo er ist, das andere Mal, wo er
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war. – Unmöglich ist es aber, entweder von sich fort zu einem anderen hin oder von einem anderen fort zu sich selbst hin Bewegung zu verursachen, ohne (mit dem zu Bewegenden) in Berührung zu sein; mithin ist einsichtig: Bei einem ortsbewegten Gegenstand und seinem Beweger gibt es nichts, das dazwischen wäre. Aber auch nicht zwischen dem, was seine Eigenschaft verändert, und dem, das diese Veränderung hervorruft. Das ist klar aus Heranführung (mittels Beobachtung): In allen (Fällen) tritt eben ein, daß beieinander sind das letzte Verändernde und das erste Veränderte. 〈Vorausgesetzt ist dabei von uns: Was Eigenschaften verändert, tut dies, indem es im Bereich der sogenannten »Einwirkungseigenschaften« Einwirkung erfährt.〉 Jeder Körper unterscheidet sich doch von einem (anderen) Körper durch eine größere oder geringere Zahl wahrnehmbarer (Eigenschaften) oder dadurch, daß er dieselben in stärkerem oder geringerem Maß besitzt. Nun aber verändert doch ein Gegenstand, wenn er das gerade tut, seine Eigenschaften unter Einwirkung dieser Genannten; das sind ja doch Zustände der zugrundeliegenden Eigenschaft: vom Sich-Erwärmenden, Süßerwerdenden, Sich-Verdichtenden, Trocknenden oder Weißwerdenden sagen wir doch, es verändere Eigenschaften, wobei wir das in gleicher Weise von Unbelebtem wie von Belebtem sagen, und bei Belebtem wieder (sagen wir es) von den Teilen, die keine Sinneswahrnehmung haben, und von diesen Wahrnehmungen selbst. Es erfahren ja wohl auch die Wahrnehmungssinne eine Eigenschaftsveränderung; tatsächlich stattfindende Wahrnehmung ist eine Veränderung durch den Körper, wobei der Wahrnehmungssinn eine Einwirkung erfährt. Welche Möglichkeiten das Unbelebte zur Eigenschaftsveränderung hat, die hat auch das Belebte, dagegen (umgekehrt), welche das Belebte hat, die hat das Unbelebte nicht alle, – in Hinsicht auf Sinneswahrnehmung erfährt es solche Veränderung ja nicht. Und, dem einen bleibt es verborgen, dem anderen nicht verborgen, wenn es Einwirkung erfährt. Allerdings steht dem nicht im Wege, daß es auch dem Belebten verborgen bleiben kann, wenn nämlich die Verände-
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rung nicht im Bereich der Wahrnehmungssinne eintritt. Wenn nun also der Gegenstand, der Eigenschaften verändert, dies tut unter Einwirkung sinnlich wahrnehmbarer (Eigenschaften), so ist bei allem diesen einleuchtend, daß letztes Veränderndes und erstes Verändertes beieinander sind: Mit dem (letzten Verändernden) bildet einen Zusammenhang die Luft, mit dieser wieder der (beeinflußte) Körper; und wieder, die Farbe (bildet einen Zusammenhang) mit dem Licht, das Licht mit dem Sehwerkzeug; auf gleiche Weise verhält es sich mit Hören und Riechen: Das unmittelbar Verändernde am Veränderten ist die Luft; und beim Schmecken ähnlich: In unmittelbarer Nachbarschaft zum Geschmackswerkzeug ist der Saft. Genauso ist das aber auch bei den unbelebten und wahrnehmungslosen (Körpern). Folglich wird nichts inmitten sein zwischen dem, was diese Eigenschaftsveränderung erfährt, und dem, das sie bewirkt. Aber auch nicht zwischen dem Vermehrten und dem Vermehrenden: das, was unmittelbar vermehrt, tut dies doch, indem es (zu der schon vorhandenen Masse) hinzutritt, so daß es ein Ganzes wird; und andrerseits schwindet das, was dies eben tut, dadurch, daß etwas aus dem Bestand dieses Schwindenden sich davonmacht. Es muß damit das Vermehrende und das Vermindernde einen Zusammenhang bilden (mit dem je Dazugehörenden), bei Zusammenhängendem liegt aber nichts dazwischen. Somit ist einleuchtend: Zwischen Verändertem und Veränderndem, (dies) unmittelbar und als Letztes am Veränderten (genommen), liegt nichts in der Mitte. 3. Daß alles, was seine Eigenschaften ändert, dies tut infolge von sinnlich wahrnehmbaren (Eigenschaften) und daß allein bei solchen Gegenständen Eigenschaftsveränderung vorkommt, von denen man sagt, daß sie an sich und unmittelbar Einwirkung erfahren von sinnlich Wahrnehmbaren, das muß man aus folgenden (Erwägungen) ersehen: Unter den anderen (Möglichkeiten) möchte man ja besonders annehmen, daß an Gestaltung und Formen oder Zuständen und deren jeweiligem
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Ansichnehmen oder Verlust die Eigenschaftsveränderung begegnet; das ist jedoch in beiden Fällen nicht so. (1) Bei Gestaltetem oder Durchgegliedertem, wenn es zur Vollendung gelangt ist, sagen wir nicht das aus, woraus es ist – z. B. »das Standbild ist Erz«, oder »die Kerze ist Wachs«, oder »die Liege ist Holz« –, sondern wir bilden vom Ursprungswort abgeleitete Formen: »ehern«, »wächsern«, »hölzern«. Was dagegen Einwirkung erfährt und Eigenschaften verändert, das sprechen wir so an: »flüssig«, »warm«, »hart« nennen wir das Erz und das Wachs, – und nicht allein so, sondern auch (umgekehrt), was da »flüssig« ist oder »warm«, nennen wir »Erz« (usw.) – indem wir den Stoff wie gleichbedeutend mit der Eigenschaft, die er an sich genommen hat, ansprechen. Wenn folglich das Entstandene, an dem die Gestaltung (verwirklicht) ist, nicht von der Gestalt und Form ausgesagt wird, dagegen von den Einwirkungen und Eigenschaftsveränderungen wohl, so ist einsichtig, daß Entstehensvorgänge keine Vorgänge der Veränderung von Eigenschaften sind. Außerdem erschiene es auch unsinnig, so zu reden: Da verändere ein Mensch (bei seiner Entstehung) nur Eigenschaften, oder ein Haus oder irgend etwas anderes von dem, was geworden ist. Dagegen, für das Entstehen eines jeden ist vielleicht doch wohl die eigenschaftliche Veränderung von etwas notwendig, z. B. des Stoffs, der sich (dabei) verdichtet oder lockert oder erwärmt oder abkühlt; allerdings (gilt) nicht (der Satz): »Das Entstehende verändert (nur) seine Eigenschaften«, und auch nicht: »Ihr Entstehen ist (nichts anderes als) Eigenschaftsveränderung«. (2) Aber auch die Zustandsbefindlichkeiten – weder die des Körpers noch die der Seele – sind keine Eigenschaftsveränderungen. Die einen sind doch Vollkommenheiten, die anderen Unzulänglichkeiten unter diesen Zuständen; es ist aber weder (erreichte) Vollkommenheit noch Unzulänglichkeit eine eigenschaftliche Veränderung, vielmehr ist die Vollkommenheit eine Art Ans-Ende-Kommen – wenn doch (etwas) seine vollkommene Erfüllung erreicht hat, dann nennt man es »vollendet«: dann ist es in besonderer Weise der Naturbestimmung gemäß, so wie etwa ein vollendeter Kreis (dann vorliegt), wenn
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er »am meisten Kreis«, d. h. der beste, geworden ist –; die Unzulänglichkeit ist eine Verderbnis davon, ein Herausgeraten. So wie wir nun die Vollendung des Hauses auch nicht »Eigenschaftsveränderung« nennen – es wäre ja eigenartig, wenn First und Dachziegel eine Eigenschaftsveränderung (sein sollten), oder wenn ein Haus, dem gerade First und Dachziegel aufgesetzt werden, Eigenschaften veränderte und nicht (vielmehr ganz einfach) fertig würde –: ganz genau so (verhält es sich) auch mit den Vollkommenheiten und Unzulänglichkeiten und den (Gegenständen), die sie haben oder erlangen: Das eine sind Vollendungen, das andere Vorgänge des Herausgeratens, also (sind es) keine Eigenschaftsveränderungen. Weiter sagen wir auch: Alle Vollkommenheiten finden sich im (Bereich des) »Sich-so-und-so-zu-etwas-Verhaltens«. Die (guten Zustände) des Körpers, wie Gesundheit und Wohlbefinden, setzen wir an als passende Mischung von warmen und kalten (Bestandteilen), entweder in ihrem inneren Verhältnis zu einander oder im Verhältnis zur umgebenden Außenwelt; ähnlich (ist es mit) Schönheit, Stärke und den übrigen Vollkommenheiten und Unzulänglichkeiten: Jede findet sich im Bereich des »Sich-so-und-so-zu-etwas-Verhaltens«, und sie setzt den, der sie besitzt, in einen guten oder schlechten Zustand hinsichtlich der ihm wesensmäßigen Erfahrungsmöglichkeiten; (als) »wesensgemäß« (verstehe ich solche), unter deren Einwirkung es ihm naturgegeben ist, zu entstehen oder unterzugehen. Da nun (diese Verhältnisse) »zu etwas« weder selbst Eigenschaftsveränderungen sind, noch es von ihnen Eigenschaftsveränderungen oder Entstehen oder ganz allgemein Wandel gibt, so liegt auf der Hand, daß weder die Zustände noch das Ablegen oder Annehmen von solchen Zuständen Eigenschaftsveränderungen sind, dagegen ist es wohl notwendig, daß bei ihrem Entstehen und Untergang irgendwelche (Dinge) sich eigenschaftlich ändern – so wie (beim Entstehen oder Untergehen) von Form und Gestalt auch –, z. B. Warmes und Kaltes oder Trockenes und Feuchtes oder auch (die Stoffe), an denen sie unmittelbar vorkommen. Eine jede Unzulänglichkeit oder Vollkommenheit wird doch im Bereich der (Einwirkun-
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gen) ausgesagt, unter deren Einfluß es dem, das sie an sich hat, naturgegeben ist, Eigenschaften zu ändern: Vollkommenheit macht (ihren Träger) entweder der Einwirkung unzugänglich oder nur in der und der Richtung beeinflußbar, Unzulänglichkeit dagegen macht ihn beeinflußbar oder im gegenteiligen Sinne der Einwirkung unzugänglich. Ähnlich (verhält es sich auch) mit den Zustandsbefindlichkeiten der Seele: Auch sie (liegen) alle im Sich-so-und-so-zu-etwas-Verhalten, und die Vollkommenheiten sind ein Zum-ZielKommen, die Unzulänglichkeiten ein Daraus-Herausgeraten. Und weiter, die Vollkommenheit stellt her einen guten Zustand im Hinblick auf die wesensgemäßen Einwirkungen, die Unzulänglichkeiten einen schlechten. Folglich werden auch sie keine Eigenschaftsveränderung sein, also auch nicht das Ablegen oder Annehmen von ihnen. Wenn sie entstehen, so muß notwendig der wahrnehmende Teil (der Seele) sich eigenschaftlich verändern; er wird das aber tun unter Einwirkung sinnlich wahrnehmbarer (Eigenschaften). Jede sittliche Vollkommenheit (bleibt) ja (zurückbezogen) auf körperliche Freuden- und Trauerzustände, und diese liegen entweder im Gerade-Tun oder im Sich-Erinnern oder im Etwas-Erwarten. Die im Gerade-Tun (liegenden) beziehen sich (ohne Weiteres) auf Wahrnehmung, also werden sie auch durch Einwirkung von etwas Wahrnehmbarem in Bewegung gesetzt; die in der Erinnerung und der Erwartung (liegenden) sind (Abkömmlinge) von dieser: Entweder freut man sich in Erinnerung an Empfindungen, die man erfahren hat, oder in Erwartung von Dingen, die bevorstehen. Also gilt notwendig: Diese ganze Art von Freude entsteht infolge der Einwirkung sinnlich wahrnehmbarer (Eindrücke). Wenn nun in Verbindung mit dem Eintreten von Lust und Trauer auch Unzulänglichkeit und Vollkommenheit eintritt – an die sind sie doch gebunden –, (wenn weiter) die Lust- und Unlustzustände an Eigenschaftsveränderungen des Wahrnehmungsvermögens hängen, so ist offenkundig: Ihr Verlust oder Erwerb hängt notwendig zusammen mit der eigenschaftlichen Veränderung von etwas. Also: Ihr Entstehen
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(erfolgt) zwar in Verbindung mit Eigenschaftsveränderung, sie selbst sind aber keine Änderungen von Eigenschaften. Nun aber, auch die Zustandsbefindlichkeiten des denkenden Teils (der Seele) sind keine Änderungen von Eigenschaften, und es gibt von ihnen auch kein Entstehen; in ganz besonderer Weise sagen wir »Wissen-habend« aus (als) im Bereich des Sich-so-und-so-zu-etwas-Verhaltens (vorkommend). – Außerdem liegt auch auf der Hand, daß es davon ein Entstehen nicht gibt: Etwas, das möglicherweise ein Wissen hat, wird zum (wirklich) Wissenden, ohne daß es dabei selbst eine Veränderung erfährt, sondern dadurch, daß etwas anderes zutrifft; wenn doch das Stückwerk der Einzelheiten gegeben ist, so begreift (das Denkvermögen) irgendwie aus diesem Stückwerk das Allgemeine. – Und wiederum, auch von der Anwendung und der Wirksamkeit (dieses Denkvermögens) gibt es kein Entstehen, außer wenn jemand meinen sollte, auch von Hinsehen und Anfassen gebe es eine Entstehung; das Anwenden und Tätigseinlassen (von Denken) ist dem ja ganz ähnlich. – Der Erwerb des Wissens von Anfang an ist kein Entstehen und auch keine Eigenschaftsveränderung; wir sprechen doch davon, daß durch Findung von Ruhe und Halt der Geist begreife und denke, es gibt aber keine »Entstehung zur Ruhe«, und überhaupt von keiner Form von Wandel, wie früher gesagt ist. – Weiter: Wie, wenn jemand aus Betrunkenheit, Schlaf oder krankheitsbedingtem Dämmerzustand in das jeweilige Gegenteil übergegangen ist, wir dann nicht sagen, jetzt sei er noch einmal ein kluger (Mensch) geworden – obwohl er doch zu der Zeit nicht in der Lage war, sein Wissen zu gebrauchen –, genau so auch (kann von Entstehen nicht die Rede sein), wenn er von Anfang an diesen Zustand sich aneignet; dadurch, daß die Seele von der natürlichen Verwirrtheit aus auf festem Boden Fuß faßt, wird etwas erst besonnen und klug. Das ist auch der Grund, weshalb kleine Kinder weder (die Wirklichkeit) voll einsehen können noch nach Maßgabe ihrer Wahrnehmung ähnlich wie die Älteren beurteilen können: da ist noch viel Durcheinander und Bewegungsfluß. Sie bekommt Boden unter die Füße und findet zu ruhiger Festigkeit einigen (Auf-
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gaben) gegenüber infolge ihrer eigenen Naturveranlagung, anderen gegenüber unter Einwirkung von anderem, in beiden Fällen aber, indem sich einige Körperverhältnisse den Eigenschaften nach ändern, so wie bei Anwendung und Tätigkeit (des Denkens) auch, wenn (jemand) nüchtern geworden oder aufgewacht ist. – Einleuchtend ist also aus dem Gesagten: Das Anderswerden oder die Veränderung von Eigenschaften findet statt im Bereich des sinnlich Wahrnehmbaren und in dem Teil der Seele, der das Vermögen zu sinnlicher Wahrnehmung hat, – bei anderem (gibt es das alles) nicht, außer nur in nebenbei zutreffender Bedeutung. 4. Es könnte jemand die Streitfrage aufwerfen: Ist jede Form von Veränderung mit jeder in ein Vergleichsverhältnis zu bringen oder nicht? Wenn also jede (mit jeder) vergleichbar ist und wenn (z. B.) »gleichschnell« das ist, »was in gleicher Zeit über gleiche Entfernung sich bewegt«, dann wird es dahin kommen, daß eine kreisförmige (Bewegung) gleich sein kann mit einer geraden, oder auch größer oder kleiner. Weiter sind dann auch eine Eigenschaftsveränderung und eine Ortsbewegung gleich, wenn in gleicher Zeit der eine Gegenstand Eigenschaften verändert hat, der andere (so und so weit) fortgekommen ist. Somit wäre also gleich ein Vorgang mit einer Streckenlänge. Aber das geht doch nicht! – Also etwa dagegen: Wenn (etwas) in gleicher (Zeit) über gleiche (Strecke) sich bewegt hat, dann ist es gleich schnell, hingegen, ein Vorgang kann mit einer Streckenlänge nicht gleich sein, folglich kann Eigenschaftsveränderung nicht gleichgroß sein wie Ortsbewegung und auch nicht kleiner (oder größer), folglich ist eben nicht jede (Veränderung mit jeder) vergleichbar? – Beim Kreis aber und bei der Geraden – wie soll da etwas zusammenkommen? Es wäre ja doch unsinnig, wenn das nicht gehen sollte: Dies bewegt sich im Kreis in vergleichbarer Weise wie das auf einer Geraden, – sondern stattdessen (immer) gleich notwendig »entweder schneller oder langsamer« (zu setzen wäre), als ob es mit dem einen nur bergauf, dem anderen bergab ginge. Und es macht für die Erklärung auch
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keinen Unterschied, wenn jemand sagt, hier bestehe gleich die Notwendigkeit schnellerer oder langsamerer Bewegung: dann wird eine kreisförmige (Bewegung) größer oder kleiner sein als eine gerade, folglich (muß es) auch eine gleiche (geben können). Wenn einmal (Gegenstand 1) in der Zeit A die (Strecke) B durchlaufen hat, (Gegenstand 2 in gleicher Zeit) Strecke C, dann muß ja wohl (– Gegenstand 1 ist als schneller angenommen als Gegenstand 2 –) B größer sein als C; so war doch »schneller« bestimmt. Folglich, auch wenn (Gegenstand 1) in kleinerer (Zeit) gleiche (Strecke macht), ist er der schnellere; dann wird es also auch ein bestimmtes Stück der (Zeit) A geben, in dem (Gegenstand 1) von der Kreisbahn B eine Strecke durchläuft, die gleichgroß ist wie (die gerade Strecke) C, für die (Gegenstand 2) die ganze (Zeit) A benötigt. – Aber: Wenn die (so) vergleichbar sind, dann ergibt sich doch das eben Gesagte, daß eine Gerade mit einem Kreis gleich wäre. Aber sie sind eben doch nicht vergleichbar, somit auch nicht die Bewegungen (auf ihnen), stattdessen (gilt): Was nicht in das gleiche Begriffsfeld gehört, das ist alles unvergleichbar. Beispiel: Wieso kann nicht durch Vergleich entschieden werden (die Frage) »Was ist ›schärfer‹, der Schreibstift, der Wein oder der hohe Ton?« –: weil das eine Ähnlichkeit der Worte ist, (deshalb) sind sie nicht vergleichbar. Dagegen, der Oberton kann mit seinem Nachbarton verglichen werden, weil bei beiden das Wort »scharf« den gleichen Sinn hat. Bedeutet dann also »schnell« hier nicht das gleiche wie da, und noch viel weniger bei Eigenschaftsveränderung im Vergleich mit Ortsbewegung? – Oder ist erstens schon dies nicht richtig, daß (Dinge, bei denen) keine zufällige Wortähnlichkeit (vorliegt), miteinander vergleichbar (sein sollen)? Das Wort »viel« bedeutet doch das gleiche in »viel Wasser« und »viel Luft«, und doch sind (diese Mengen) nicht vergleichbar. Wenn es da nicht so ist, so meint doch »doppelt« (immer) das gleiche – nämlich das Verhältnis »zwei zu eins« –, und auch (so ins Verhältnis gesetzte Mengen) sind nicht vergleichbar. – Oder gilt etwa hier wie dort die gleiche Erklärung? Und enthält doch auch »viel« solche zufällige Wortähnlichkeit. Ja, bei einigen (Begriffen) sind sogar
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die erklärenden Bestimmungen voller bloßer Wortähnlichkeit, z. B. wenn jemand »viel« so ausführen wollte: »eine bestimmte Anzahl und noch was dazu«, – »bestimmte Anzahl« ist doch (je) etwas anderes! Auch »gleich« ist so ein Wort mit zufälligen Ähnlichkeiten, und »eins«, wenn’s geht, ist das schon von Anfang an; wenn aber dieses, so auch »zwei«, denn wieso soll das eine vergleichbar sein, das andere nicht, wenn es doch ein Ding war? – Oder (ist die Unvergleichbarkeit darin begründet), daß (diese Verhältnisse) an einem je verschiedenen unmittelbaren Aufnehmenden (begegnen)? Pferd und Hund sind vergleichbar (hinsichtlich der Frage), welches von beiden weißer ist – das »unmittelbare Woran« (von Farbe) ist ja hier das gleiche, nämlich die Körperoberfläche –, und bezüglich von Größe ist es genauso. Wasser und Stimme (sind) aber nicht (vergleichbar); (da begegnen die Eigenschaften) ja an einem je anderen. – Oder liegt etwa nicht auf der Hand, daß das so viel heißt wie Alles-eins-machen und nur immer sagen, jedes komme eben stets an je anderem vor, und dann würden »gleich«, »süß« und »weiß« das gleiche sein, nur eben je anders an je anderem (vorkommend)? – Schließlich: die Fähigkeit aufzunehmen hat nicht Beliebiges 〈von Beliebigem〉, sondern nur ein ganz Bestimmtes von einem ganz Bestimmten, (nämlich) das Unmittelbare. – Aber müssen etwa Dinge, die vergleichbar sein sollen, nicht nur die Voraussetzung mitbringen, keine bloße Wortähnlichkeit an sich zu haben, sondern daß sie auch keinen (Art-)Unterschied aufweisen, sowohl das »was« (der Aussage betreffend) als auch das »woran«? Ich nenne z. B. »Farbe«: das hat so eine Trennung an sich; also ergibt sich, daß nach diesem Gesichtspunkt nicht verglichen werden kann – z. B.: »Ist dies in stärkerem Maße gefärbt (als das)«, dies bezogen nicht auf eine bestimmte Farbe, sondern bloß auf »Farbe« –, dagegen, nach dem Gesichtspunkt »weiß« (ginge das wohl). So (wäre es dann) auch bei Veränderung: Gleichschnell (wäre etwas mit etwas anderem) dadurch, daß es in gleicher Zeit über so und so viel gleiche (Strecke) sich bewegt; wenn denn also ein Gegen-
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stand in diesem Stück seiner Erstreckung sich eigenschaftlich verändert hat, ein anderer aber (genauso weit) fortgekommen ist, ist dann also diese Eigenschaftsveränderung gleich(-groß) und gleichschnell wie die Ortsbewegung? Das wäre doch unsinnig. Ursache (davon ist eben), daß »Veränderung« Arten in sich enthält, somit (würde folgen): Wenn das, was in gleicher Zeit über gleiche Erstreckung sich bewegt hat, gleichschnell ist, so muß es auch eine geradlinige (Bewegung) geben, die gleich ist mit einer kreisförmigen. – Liegt der Grund (dafür, daß es das nicht gibt,) etwa darin, daß »Ortsbewegung« eine Gattung oder daß »Linie« eine Gattung ist? Die Zeit war ja doch dieselbe, wenn aber (dies, – nämlich die Bewegungsbahnen) der Art nach anderes ist, so unterscheidet sich auch jenes (die Bewegungen) der Art nach; hat doch auch »Ortsbewegung« Arten an sich, wenn jenes »Worauf-es-sich-bewegt« Arten hat, – manchmal sogar, wenn das »womit« dies ist, Beispiel: Sind es die Füße, so »Gehen«, sind es die Flügel, so »Fliegen«; oder ist es doch nicht so, sondern nur nach den Raumformen findet Ortsbewegung ihre Unterschiede? – Somit wären die in gleicher (Zeit) um dieselbe Erstreckung bewegten Gegenstände gleichschnell, wobei »dasselbe« Unterschiedslosigkeit sowohl der (Raum-)Form wie auch der Bewegung(sart) nach meint. Also muß man das untersuchen: Welches ist der Unterschied im Veränderungsbegriff? – Und es meint diese Erörterung Folgendes: »Gattung« ist nicht eine bestimmte Einheit, sondern daneben ist auch immer noch ein Vielheit verborgen, und von den bloßen Wortähnlichkeiten sind die einen ganz fernliegend, andere haben durchaus eine gewisse Verwandtschaft, wieder andere liegen nach Gattung oder Entsprechung ganz nahe, daher sie gar keine Wortähnlichkeiten zu sein scheinen, obwohl sie es doch sind. – Wann also ist die Art nun verschieden: Wenn ein Selbiges an Verschiedenem, oder wenn Verschiedenes an Verschiedenem (vorkommt)? Und welches soll die Abgrenzung sein? Oder mit Hilfe wovon können wir unterscheiden, ob »weiß« und »süß« dasselbe (der Art nach) oder unterschieden sind, –
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(entweder so,) daß sie (nur) an Verschiedenem je als anderes auftauchen oder daß sie ganz und gar nicht dasselbe sind? Was nun die Eigenschaftsveränderung betrifft, (ist zu fragen:) Wie kann hier eine gleichschnell wie eine andere sein? Ist nun also »Gesundwerden« (eine Form von) Eigenschaftsverändern, so kann es wohl sein, daß einer schnell, ein anderer langsam geheilt wird, und auch, daß einige gleichzeitig (gesunden), so daß es da also wohl gleichschnelle Eigenschaftsveränderung geben wird: in gleicher Zeit doch sind da Eigenschaften verändert worden. Aber was denn wurde da verändert? Der Ausdruck »gleich(groß)« ist hier ja nicht die angemessene Aussage, sondern wie »Größengleichheit« ins Begriffsfeld des »so-und-soviel« gehört, so (ist) hier »Gleichartigkeit« (angemessen). Dann soll aber »gleichschnell« sein: »Was in gleicher Zeit hinsichtlich der gleichen (Eigenschaft) sich wandelt«. – Muß man nun das, woraus die einwirkende Veränderung vorgeht, oder die verändernde Einwirkung (selbst) vergleichen? Weil hier (in dem genannten Bespiel) also »Gesundheit« mit sich selbst (art)gleich ist, kann man annehmen, daß sie weder mehr noch weniger, sondern in gleicher Weise zutrifft. Wenn dagegen die einwirkende Veränderung je verschieden ist – Beispiel: Sowohl, was weiß wird, wie auch, was gesund wird, ändert sich eigenschaftlich –, bei denen ist nichts dasselbe oder gleich oder ähnlich, wie denn schon die Arten von »Eigenschaftsveränderung« das bewirken, und sie ist nicht eine Einheit, so wie ja auch die Ortsveränderung nicht. Also muß man festhalten: Wie viele Arten von Eigenschaftsveränderung sind es, wie viele von Ortsveränderung? – Wenn nun also das, was sich da verändert, der Art nach sich unterscheidet, (bezogen auf Gegenstände,) an denen die Veränderungen unmittelbar stattfinden, und nicht in nebenbei zutreffender Bedeutung, so werden auch die Veränderungen (selbst) der Art nach sich unterscheiden; wenn es der Gattung nach ist, so der Gattung nach, wenn der Zahl nach, so der Zahl nach. – Aber muß man nun auf die bewirkte Veränderung schauen, ob sie die gleiche ist oder ähnlich, wenn die Eigenschaftsverän-
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derungen gleichschnell sein sollen, oder auf den Gegenstand, der da Eigenschaften ändert, z. B. ob an dem (schon) so und so viel weißgeworden ist, an dem anderen (erst) so und so viel? Oder etwa auf beide, und sie (die Eigenschaftsveränderung) ist dieselbe oder verschieden in Bezug auf die bewirkte Veränderung, wie diese selbig (mit sich) ist 〈oder nicht〉, dagegen gleich oder ungleich (an Zahl) ist sie, wenn jener (Gegenstand, der sich ändert) 〈gleich oder〉 ungleich ist? – Und für Entstehen und Untergehen muß man das gleiche durchprüfen: Wie kann Werden gleichschnell stattfinden? Wenn in gleicher Zeit ein (mit sich) Selbiges und nicht weiter Teilbares (entsteht), z. B. »Mensch«, aber nicht: »Lebewesen«. Schneller (verglichen mit anderem Werden, ist es dann), wenn in gleicher (Zeit) »Verschiedenes« (entsteht), – wir haben doch kein bestimmtes (Gegensatz)paar, dessen eine Seite »Verschiedenheit« wäre, so wie es »Ähnlichkeit – Unähnlichkeit« gibt – oder, wenn (wirklich) Zahl das Wesen ist, (wenn) größere oder geringere gleichartige Zahl (entsteht); aber hier hat das Gemeinsame keine Bezeichnung, und jedes Einzelne auch nicht, so wie »mehr« eine Einwirkung (kennzeichnet), »darüber-hinausragend« etwas Längeres, »so-und-so-viel« ein (zahlenmäßig) Größeres.
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5. Da nun das, was da in Bewegung setzt, immer etwas bewegt und in einem bestimmten (Zeitstück) und bis da und da hin – mit »in einem Bestimmten« meine ich: »in der Zeit«, und mit »bis da und da hin« (meine ich:) »so und so groß ist die Strecke«; denn (das Bewegende) bewegt und hat gleichzeitig auch immer schon bewegt, sodaß ein bestimmtes So-und-so-viel dasein wird, was schon an Bewegung stattgefunden hat, und auch ein »In-so-und-so-viel-(Zeit)« – (so gilt:) Wenn denn also A der bewegende Gegenstand ist und B der bewegte, die Erstreckung, über die die Bewegung stattgefunden hat, C, das »in-wieviel« – die Zeit – D, dann wird also in der gleichen Zeit die gleiche Antriebskraft, nämlich A, das halbe B um die doppelte Entfernung von C bewegen, dagegen die (einfache) Strecke C in der Hälfte von D. So wird sich das ja entsprechen. –
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Und wenn der gleiche Antrieb (A) den gleichen Gegenstand (B) in dieser bestimmten Zeit (D) über diese bestimmte Strecke (C) bewegt, und (wenn er) die halbe Strecke in der halben (Zeit schafft), dann wird auch der halbe Antrieb den halben Gegenstand in gleicher Zeit über gleiche Strecke bringen. Z.B. von der Antriebskraft A sei die Hälfte E, und von B die Hälfte sei F: dann verhalten sich ja gleich und entsprechend Kraft zu Last, somit werden sie in gleicher Zeit gleiche Strecke an Bewegung zustande bringen. – Und wenn E das F in D über C bewegt, so ergibt sich nicht mit Notwendigkeit, daß in gleicher Zeit das E das Doppelte von F über die halbe Strecke von C bewegt; wenn also A das B in (Zeit) D über soviel (Strecke) bewegt wie C, so wird die Hälfte von A – nämlich E – das B durchaus nicht in der Zeit D, und auch nicht in irgendeinem bestimmten Teil von D, über irgendeinen Teil von C, der zum ganzen C in einem Entsprechungsverhältnis steht, so wie A zu E, bewegen: überhaupt, wenn’s sich so ergibt, wird es gar keine Bewegung zustandebringen. Man darf nicht einfach so schließen: »Wenn die ganze Kraft (den Gegenstand in so und so viel Zeit) so und so weit bewegt hat, dann wird die halbe (ihn) so und so weit in so und so viel (Zeit) bewegen«! Dann könnte ja ein einziger Mann das Schiff bewegen, wenn man nämlich die Kraft der Schiffsschlepper aufteilt auf ihre Zahl und die Strecke, über die sie es alle zusammen bewegt haben. Deswegen ist Zenons Rede nicht richtig, wonach jedes beliebige Hirsekorn (beim Zu-Boden-Fallen) ein Geräusch machen müsse; es hindert doch nichts (anzunehmen), daß (das Einzelkorn) in keiner Zeit die Luft(menge) in Bewegung bringt, die beim Fall der ganze Scheffel bewegt hat. Und also auch (umgekehrt), (d. h. wenn es im Verband fällt,) setzt es nicht genau so viele Luftteile in Bewegung, wie es von dem (Luft)ganzen bewegen würde, wenn dies (einzelne Korn) für sich wäre (, sondern wohl mehr); es ist ja nichts weiter, nur der Möglichkeit nach im ganzen (Scheffel). Sind die 〈bewegenden Körper〉 dagegen zwei und bewegt jeder von ihnen je einen Gegenstand über so und so viel Strecke in so und so viel Zeit, dann werden sie auch, wenn man ihre
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Antriebskräfte zusammensetzt, die Zusammensetzung der Lasten über gleiche Strecke in gleicher Zeit bewegen; das entspricht sich ja. Ist es so nun auch bei Eigenschaftsveränderung und bei Vergrößerung? Etwas ist das Vermehrende, etwas auch das Vermehrte, in so und so viel Zeit und so und so weit läßt das eine anwachsen und wächst das andere an. Und mit dem, was Eigenschaftsveränderung hervorruft, und dem, was sie durchmacht, ist es genauso: Etwas ist es, das sich da verändert hat, und so und so weit hinsichtlich »mehr« und »weniger« (ist es dabei gekommen), und dies in so und so viel Zeit, und in doppelter (Zeit) um das Doppelte, und auch doppelt so viel in doppelter (Zeit); (entsprechend:) Der halbe (Gegenstand verändert sich) in halber Zeit – oder (der ganze) in halber (Zeit) um die Hälfte oder (der halbe) in gleicher Zeit um das Doppelte. – Wenn aber das die Eigenschafts- oder Größenveränderung Auslösende in so und so viel Zeit so und so viel Veränderung hervorruft, so ist es durchaus nicht notwendig, daß die Hälfte davon in der halben (Zeit Entsprechendes bewirkt), oder auch daß es in halber (Zeit) die Hälfte (der Veränderung bewirkt), sondern, wenn es sich eben ergibt, bringt es (auch einmal) keine Eigenschafts- oder Größenveränderung zustande, – sondern (es ist so) wie bei der Last auch.
BUCH VIII Achtes Buch
1. Ist Veränderung einmal entstanden, (etwas) das es vorher nicht gab, und geht sie auch wieder unter, in dem Sinn, daß dann nichts mehr sich verändert, oder ist sie weder entstanden und geht auch nicht unter, sondern es gab sie immer, und immer wird sie sein, und dies trifft ohne Tod und Ende dem Seienden zu, indem es gewissermaßen für alles, was von Natur aus besteht, eine Form von Leben bedeutet? Es gebe Veränderung, lehren alle, die etwas »Über Natur« vortragen, dadurch daß sie Welten schaffen und ihnen ihre ganze Denkanstrengung um »Werden und Vergehen« kreist, was es doch unmöglich geben kann, wenn Veränderung nicht ist. Aber diejenigen, die da sagen, es gebe unendlich viele Welten, und von diesen Welten seien die einen im Entstehen, die anderen im Untergang begriffen, diese sagen (damit doch), daß Veränderung immer ist – notwendig muß doch deren Entstehen und Untergehen mit Veränderung an ihnen verbunden sein –; die anderen dagegen, die von einer einzigen Welt (sprechen), mit entweder ewigem oder nicht ewigem Bestand, sie machen auch bezüglich von Veränderung, die entsprechende Grundannahme. Wenn es denn möglich sein soll, daß irgendwann einmal sich nichts bewegt, so kann dies nicht anders als auf (folgende) zwei Weisen geschehen: Entweder wie Anaxagoras sagt – der lehrt doch, alles sei beisammen gewesen und habe ruhig dagelegen die unendliche Zeit lang, und dann habe der Geist Bewegung hereingebracht und habe (die Stoffe) ausgesondert –; oder wie Empedokles, (der lehrt), in einem Teil (des Weltverlaufs) herrsche Bewegung und dann wieder Ruhe, und zwar Bewegung dann, wenn die Liebe aus Vielem das Eine macht, oder der Zank Vieles aus Einem, Ruhe dagegen herrsche in den Zeiträumen dazwischen; er sagt:
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»So, indem nun Eines aus Vielem gelernt hat zu wachsen und auch wieder das Eine zergeht und Mehr draus sich bildet, werden sie denn, und nicht ist ihnen standhaft das Leben; aber indem doch dies fortwährend wechselnd niemalen aufhört, sind sie denn immer, unbewegt im Kreise.« Daß er mit »indem dies wechselnd ...« das Von-hierhinnach-dorthin meint, muß man ja wohl annehmen. Es ist also hierüber eine Prüfung anzustellen, wie es sich denn damit verhält. Es trägt ja nicht nur zur Denkanstrengung »Über Natur« bei, die Wahrheit zu sehen, sondern auch zur wissenschaftlichen Bemühung um den allerersten Grund. Fangen wir zuerst an mit den von uns früher in den (Vorlesungen) »Über Natur« getroffenen Bestimmungen; wir sagen also: Veränderung ist Tätigkeit des Veränderbaren, insofern es veränderbar ist. Dann müssen also notwendig vorhanden sein die Sachen, die da sich hinsichtlich jeder Veränderungsart verändern können. Und ganz abgesehen von der Begriffsbestimmung von »Veränderung«, so wird doch wohl jeder der Notwendigkeit (des folgenden Satzes) zustimmen: Es verändert sich wirklich nur, was die Möglichkeit sich zu verändern an sich hat, gemäß einer jeden Veränderungsart, z. B. es ändert Eigenschaften, was eigenschaftsveränderbar ist, es wird fortgetragen, was hinsichtlich des Ortes wechselfähig ist, also muß (etwas) zuerst brennbar sein, bevor es dann brennt, und (ein anderes) muß brandgefährlich sein, bevor es (anderes) in Brand setzt. So müssen also auch diese (Anlagen) entweder entstanden sein, wobei sie eben einmal auch nicht waren, oder sie müssen immer sein. Wenn nun von diesem Veränderbaren ein jedes erst (so)geworden ist, dann muß vor dem angenommenen ein anderer Wandel und Wechsel stattgefunden haben, demgemäß das Veränderbare oder das Veränderungsfähige (erst zu diesem) wurde. Wenn sie dagegen als Seiende immer schon dawaren, wobei es dann Veränderung nicht gibt, so erscheint das schon vom Au-
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genblick der Kenntnisnahme an unsinnig, indessen muß sich dieser Eindruck, wenn man die Sache weiterführt, noch verstärken: Wenn unter Voraussetzung dessen, daß es veränderbare (Gegenstände) gibt und andrerseits veränderungsfähige, es einmal ein bestimmtes unmittelbar Veränderung Anstoßendes und (somit auch) ein in Veränderung Gesetztes geben soll, zu anderem Zeitpunkt aber nichts derartiges, sondern dann soll (alles) ruhen, so ist doch notwendig, daß sich eben dies zuvor wandelt: da war doch auch irgendetwas Ursache der Ruhe, – Zum-Stillstand-Kommen ist doch ein Fortnehmen von Bewegung. Also wird es vor dem »ersten« Wandel einen noch früheren Wandel geben. Die einen (Gegenstände) bringen nur in einer Richtung Veränderung hervor, andere (bewirken) auch entgegengesetzte Veränderungen, z. B. Feuer wärmt, kühlt aber nicht, Wissen dagegen scheint von Gegensätzlichem nur ein einziges zu sein. Nun scheint es auch dort etwas Gleichlaufendes zu geben: Kaltes wärmt, sozusagen umgebogen und fortgegangen, so wie auch ein Kundiger freiwillig falsch handeln mag, wenn er sein Wissen verkehrt herum gebraucht. Aber nun, alles, was in der Lage ist, Wirkung zu tun oder zu erfahren oder zu verändern, und anderes (in der Lage) verändert zu werden, das ist nicht in jedem Falle mit dieser Möglichkeit versehen, sondern nur, wenn es sich so und so verhält und einander nahekommt. Folglich, wenn sie sich nahegekommen sind, dann setzt (das eine) in Bewegung, das andere wird in Veränderung gesetzt, und zwar genau dann, wenn es wirklich zutrifft, daß das eine veränderungsfähig, das andere veränderbar war. Wenn folgich nicht immer Bewegung war, so ist klar, daß (die möglichen Beteiligten) sich nicht so zu einander verhielten, daß sie die Möglichkeit hatten, das eine, sich zu verändern, das andere, Veränderungen anzustoßen, sondern es mußte (mindestens) eines von ihnen einen Wandel vollziehen. Denn bei Gegenständen im Aussagenbereich des »bezogen-auf-etwas« muß soch solches eintreten (wenn Veränderung möglich sein soll), z. B. wenn etwas, das nicht doppelt war, nun doppelt ist, dann muß sich wandeln, wenn schon nicht beide (Beteiligten), so
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doch eines von ihnen. Es wird also ein (noch) früherer Wandel vor dem »ersten« liegen. Außerdem, »früher« und »später«, wie soll es das geben können, wenn es Zeit nicht gibt? Und erst (wie soll) Zeit (möglich sein), wenn es Veränderung nicht gibt? Wenn denn Zeit ist »Zahl von Veränderung« oder »bestimmte Veränderung«, dann muß, wenn Zeit immer ist, auch Veränderung immerwährend sein. Aber bezüglich der Zeit zeigen sich, außer einem einzigen, offensichtlich alle (Denker) einmütig: Sie sagen, daß sie ungeworden sei. Gerade mittels dessen weist Demokrit nach, daß unmöglich alles entstanden sein kann; die Zeit eben sei ungeworden. Platon ist der einzige, der sie erzeugt: Zugleich mit dem Himmel (sei) sie, der Himmel aber sei entstanden, sagt er. – Wenn nun unmöglich ist, daß sein könnte oder gedacht werden könnte eine Zeit ohne »Jetzt«, das Jetzt aber ist eine bestimmte Mitte, die zugleich sowohl Anfang wie Ende hat – Anfang der Zeit, die noch sein wird, Ende der vorbeigegangenen –: so muß es notwendig immer Zeit geben. Der hinterste Augenblick des als letzten angenommenen Zeitstücks wird sich in irgendeinem der Jetzte befinden – etwas anderes neben dem Jetzt kann man in der Zeit gar nicht greifen –, womit also, da das Jetzt ein Anfang und ein Ende ist, sich die Notwendigkeit ergibt, daß auf beiden Seiten davon immer Zeit sein muß. Aber wenn doch Zeit, so liegt die Notwendigkeit auf der Hand, daß es auch Veränderung gibt, da Zeit doch ein bestimmter Vorgang an der Veränderung ist. Dieselbe Erklärung (gilt) auch bezüglich (der Behauptung), daß die Veränderung unvergänglich ist: So wie es sich doch bei der Annahme, Veränderung sei entstanden, ergeben hat, daß dann vor dem »ersten« Wandel immer noch ein früherer liegen muß, entsprechend (wird es hier geben) einen, der später ist als der »letzte«. Es ist ja durchaus nicht gleichzeitig, daß Sich-Veränderndes und Veränderbares aufhören (das zu sein, was sie sind), z. B. »brennend« und »brennbar« – es kann doch etwas brennbar sein, das nicht brennt – und (auf der anderen Seite) »veränderungsfähig« und »verändernd« auch nicht. Und etwas, das (dies Gefüge) vernichten könnte, müßte dann, wenn
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es seine Arbeit getan hat, selbst vernichtet werden; und das Vernichtende dessen wieder zu einem späteren Zeitpunkt, – Vernichtung ist doch auch eine Form von Wandel. Wenn denn dies unmöglich ist, so ist klar: Es gibt immerwährend Veränderung; dagegen (gilt) nicht: Mal war sie, mal nicht. Und so zu reden, das sieht eher aus wie Dichtung! Ähnlich ist es auch mit der Rede, so sei es »naturgewachsen«, und eben das müsse man für den Anfangsgrund nehmen, was Empedokles ja offensichtlich gemeint hat (mit der Rede), daß den Dingen für einen Teil (der Zeit) aus Notwendigkeit das Herrschen und Verändern von Liebe und Zank geschehe, in der Zeit dazwischen aber hätten sie Ruhe. Vielleicht würden auch die, die einen einzigen Anfang setzen wie Anaxagoras, so sprechen. Dagegen: Nichts von dem, was von Natur aus besteht und sich naturgemäß verhält, ist ordnungslos; Natur ist für alles gerade die Ursache von Ordnung. Unendliches aber hat zu Unendlichem kein vernünftiges Verhältnis; jede Ordnung ist aber so ein Verhältnis. Daß nun unendliche Zeit lang Ruhe geherrscht haben soll – und dann irgendwann mal Bewegung eingetreten ist und es dazu keinerlei Unterscheidung gibt, warum gerade zu dem Zeitpunkt eher als zu einem früheren, und daß das auch keinerlei Ordnung hält: das ist nicht mehr »Werk der Natur«. Entweder doch verhält sich der Naturgegenstand schlicht so, und nicht mal so, mal anders – z. B. wird Feuer von Natur aus nach oben getragen, und nicht mal ja, mal nicht –, oder es hat doch das nicht so Einfache ein vernünftiges Verhältnis. Deswegen ist es (immer noch) besser, (zu sprechen) wie Empedokles, und wenn sonst noch jemand gesagt hat, es verhalte sich so: In einem Teil (der Zeit) sei das All in Ruhe, und dann wieder gerate es in Bewegung; es ist doch immerhin schon eine Art Ordnung, die dergleichen hält. – Aber wer das sagt, darf das nicht einfach nur behaupten, sondern man muß auch den Grund dafür angeben, und nicht bloß etwas hinstellen oder einen unvernünftigen Grund-Satz fordern, sondern entweder muß man Erfahrungsbelege oder Vernunftbeweise anführen; denn das Zugrundegelegte sind ja keine Ursachen, und »Liebe-Sein« oder »Haß-Sein«, das war
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doch nicht dies (– den Übergang von Ruhe zu Bewegung in der Welt zu erklären –), sondern ihr (Wesen) ist es, zusammenzuführen, seines, zu entzweien. Wenn er dann auch noch bestimmen muß das »In-einem-Teil-(der-Zeit-so«, »In-einemanderen-anders«), dann müßte er darüber genauso sprechen, wie (er sagt:) Es gibt etwas, das Menschen zusammenführt, die Liebe, und: Feinde meiden einander. Das, so setzt er voraus, sei auch in dem (Welt)ganzen so: bei einigen (Wesen) zeigt es ja so die Erscheinung. Auch das »gleiche Zeiträume lang« bedarf irgendeiner Erklärung. Dazu allgemein: Dafürzuhalten, das sei ein hinreichender Anfangsgrund: »Wenn etwas immer so ist oder geschieht«, das ist nicht richtig angenommen, – worauf freilich Demokrit die Ursachen im Naturbereich zurückführt: So ist es auch im Früheren geschehen ...! Von dem »immer« hält er es nicht für richtig, einen Anfang zu suchen, womit er bei bestimmten (Gegenständen) ja recht hat; daß das aber über alle gelten soll, ist nicht richtig behauptet: das Dreieck hat immer seine Winkel gleich zwei Rechten, und trotzdem gibt es zu dieser unvergänglichen Tatsache eine bestimmte, von ihr verschiedene Ursache. Von den Uranfängen freilich, die ewig bestehen, gibt es keinen von ihnen verschiedenen Grund mehr. – Darüber, daß keine Zeit war noch sein wird, in der es verändernde Bewegung nicht gab oder geben wird, sei so viel gesagt. 2. Die gegenteiligen Behauptungen dazu sind nicht schwer zu lösen. Es könnte, geht man von folgenden Erwägungen aus, doch möglich scheinen, daß Veränderung da ist, während sie irgendwann einmal überhaupt nicht war: Erstens, kein Wandel ist immerwährend. Jeder Wandel ist doch naturgemäß von der Art »von etwas fort zu etwas hin«, also muß es notwendig von jedem Wandel eine Begrenzung geben, die Gegensätze, innerhalb deren er sich abspielt; ins Unendliche dagegen verändert sich nichts. – Zweitens, wir haben vor Augen, daß es möglich ist, daß etwas, das weder in Bewegung begriffen ist noch in sich sebst irgendeinen Bewegungsantrieb hat, dennoch in Bewegung gebracht werden kann, wie es z. B. bei leblosen
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(Gegenständen der Fall ist), bei denen weder irgend ein Teil noch das Ganze in Bewegung war, sondern das ruhte und wird nun irgendwann einmal bewegt; dagegen müßte es doch eigentlich sein, daß sich das entweder immer bewegt oder nie, wenn es doch das »Es entsteht Bewegung, während sie vorher nicht war« nicht gibt. In ganz besonderer Weise sei derartiges bei belebten (Wesen) offenkundig: Manchmal, wenn in uns gar kein Bewegungsdrang vorhanden ist, sondern wir Ruhe halten, gehen wir doch irgendwann über zu Bewegung, und es entsteht in uns aus uns selbst der Anfang zu Bewegung, auch wenn von außen uns nichts in Bewegung setzt. Derartiges bekommen wir bei Unbelebtem nicht zu sehen, sondern es setzt sie je ein von ihnen verschiedenes Äußeres in Bewegung; von Lebewesen dagegen sagen wir: Es bewegt sich selbst. Folglich, wenn es denn zu einer Zeit gänzlich ruht, so wird ja wohl in einem Unbewegten Bewegung entstehen, aus ihm selbst und nicht von außen. Wenn das aber an einem Lebewesen geschehen kann, was hindert dann (die Annahme), daß das gleiche sich ereignen kann auch bezüglich des Alls? Wenn es doch in der »kleinen Ordnung« geschieht, so auch in der großen; und wenn in der geordneten Welt, dann auch in der grenzenlosen Unbestimmtheit, wenn es denn möglich ist, daß die Grenzenlosigkeit als ganze sich bewegt oder ruht. Was also die erstgenannte Annahme angeht, wonach eine mit sich selbst gleiche, zahlenmäßig einheitliche Veränderung, die sich von einem Gegensatz zum anderen bewegt, nicht immer währen kann, so ist das ganz recht gesprochen. Das ist vielleicht sogar notwendig, wenn es wirklich möglich ist, daß die Veränderung eines und desselben (Gegenstands) nicht immer eine und dieselbe ist; ich meine beispielsweise, ob der Ton von dieser einen Saite (je) einer und derselbe ist oder immer ein anderer, wobei angenommen wird, daß sie gleiche Spannung hat und gleich geschlagen wird. Dennoch, wie sich das auch verhalten mag, es hindert nichts (die Annahme), daß irgendeine (Bewegung), dadurch daß sie zusammenhängend ist, dieselbe und immerwährend ist. Klar wird das noch mehr aus späteren Ausführungen werden.
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(Die andere Annahme,) daß etwas in Bewegung gesetzt wird, was nicht in Bewegung war, ist nicht unsinnig, wenn einmal ein von außen In-Bewegung-Setzendes da ist, ein andermal nicht. Wie das allerdings sein könnte, ist zu fragen, – ich meine es so: Wie kann ein und derselbe Gegenstand von einem (anderen) mit sich selbigen Gegenstand, der die Fähigkeit hat, (den ersten) zu verändern, mal in Bewegung gebracht werden, ein andermal nicht? Wer so spricht, wirft ja keine andere Schwierigkeit auf als diese: Wieso ist nicht immer und ewig ein Teil des Seienden in Ruhe, der andere in Bewegung? Am meisten scheint wohl die dritte (Annahme) an Schwierigkeit zu enthalten, daß Bewegung in etwas auftritt, in dem sie früher nicht vorhanden war, – was eben bei den belebten (Wesen) sich ereignet: Eben noch in Ruhe, fängt (so eines) gleich danach zu laufen an, ohne daß irgendein Äußeres es dazu angetrieben hat, so scheint es. Das ist aber ein Irrtum. Wir sehen ja doch, daß irgendeiner der dem Lebewesen von Natur mitgegebenen (Körperteile) in ihm immer in Veränderung sich befindet; von dessen Bewegung aber ist nicht das Wesen selbst die Ursache, sondern doch wohl die es umgebende (Umwelt). Daß es selbst sich selbst in Bewegung setzt, sagen wir nicht von jeder Form von Veränderung, sondern nur von der bezüglich des Ortes. Es hindert also nichts (anzunehmen), mehr noch, es ist vielleicht sogar notwendig, daß im Körper viele Veränderungen ausgelöst werden durch die Umgebung, von denen dann einige Denken oder Begehren in Bewegung setzen, die dann nunmehr das ganze Lebewesen zu einer Handlung veranlassen, wie es beim Schlaf sich ja so ereignet: Da ist zwar kein Bewegungsanstoß auf Grund von Wahrnehmung vorhanden, dennoch ist irgendeiner da, und die Wesen wachen wieder auf. – Aber auch diesbezüglich wird sich Klarheit ergeben aus dem Folgenden. 3. Anfang der Untersuchung ist der gleiche wie auch bei der genannten Schwierigkeit: Aus welchem Grund ist einiges dessen, was ist, einmal in verändernder Bewegung begriffen, ein andermal ruht es wieder? Notwendig muß doch (dies gelten): Entweder (1) ist alles immer in Ruhe, oder (2) alles immer in
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Bewegung, oder (3) ein Teil davon ist in Veränderung, der andere ruht; und dabei wieder (wäre zu unterscheiden:) Entweder (3a) das Bewegte bewegt sich immer und das Ruhende ruht, oder (3b) alles hat von Natur mitbekommen, über gleiche (Zeiträume) sich zu verändern und zu ruhen, oder (3c) das noch übrige Dritte: Es ist ja möglich, daß einiges unter dem, was da ist, immer unverändert ist, anderes immer in Veränderung, wieder anderes an beidem teilnimmt. Das eben ist es, was wir zu vertreten haben. Das enthält nämlich die Lösung aller aufgeworfenen Fragen, und es ist für uns der Zielpunkt dieser ganzen Anstrengung. (1) Die Behauptung »Alles ruht« und die Suche nach einer Erklärung dafür, indem man alle Wahrnehmung fahren läßt, das ist eine Art Gehirnerweichung und eine Unklarheit über ein bestimmtes Ganzes, nicht bloß bezüglich eines Teils. Und das (richtet sich) nicht nur gegen den Natur-Wissenschaftler, sondern so ziemlich gegen alle Wissenschaften und alle Weltansichten, weil sie doch alle mit Veränderung arbeiten. – Außerdem, was die Einwendungen bezüglich der Grund-Sätze angeht, (so gilt): Wie sie bei Untersuchungen über die mathematischen Gegenstände belanglos für sind für den Mathematiker, ähnlich auch bei den übrigen (Wissensgebieten), so (sind die Einwendungen) bezüglich des jetzt Behandelten (belanglos) für den Natur-Wissenschaftler; Grundannahme ist doch: Natur ist Grundanfang von Veränderung. (2) Nächstdem ist auch die Behauptung »Alles ist in Bewegung« zwar eine Fehlaussage, ist jedoch weniger fachfremd als sie; es war doch »Natur« in den (Ausführungen) »Über Natur« gesetzt als Grundanfang, wie von Bewegung so auch von Ruhe, doch ist das Natürliche die Bewegung. Und so gibt es Leute, die behaupten, von allem, was es gibt, sei nicht das eine in Bewegung, das andere nicht, sondern alles und immer, nur sei dies unserem Wahrnehmungsvermögen verborgen. Ihnen, obwohl sie keine Bestimmungen darüber treffen, welche Art von Veränderung sie meinen oder (vielleicht) alle zusammen, ist nicht schwer entgegenzutreten: (a) Weder Wachsen noch Schwinden ist in einem fort möglich, sondern es gibt auch
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den Mittelzustand. Diese Begründung ist ähnlich wie die von dem Sachverhalt, daß der Tropfen (den Stein) abnutzt, und von dem, daß (aus Ritzen) herauswachsende Pflanzen Steine spalten; da (gilt) ja nicht: »Wenn der Tropfen (in so und so viel Zeit) so und so viel (aus dem Stein) herausgeschlagen oder weggenommen hat, dann wird er vorher in der halben Zeit die Hälfte davon geschafft haben müssen«, sondern, wie beim Schiffsschleppen, so und so viele Tropfen schaffen so und so viel Veränderung, aber ein Teil von ihnen schafft in keiner Zeit so viel. Es läßt sich zwar das Weggenommene in mehr (Stücke) teilen, aber von denen ist keines für sich bewegt worden, sondern sie alle zugleich. Somit liegt auf der Hand: Es ist nicht notwendig, daß immer (noch) etwas (Kleineres) abgehen können muß, weil das Schwinden ins Unendliche geteilt werden kann, sondern es kann je ein ganzes (Stück) abgehen. (b) Ähnlich ist es auch mit jeder Art von Eigenschaftsveränderung: Es ist nicht so, daß, wenn das Sich-Verändernde ins Unendliche teilbar ist, deswegen auch die Eigenschaftsveränderung (selbst dies sein muß), sondern oft erfolgt sie in einem geschlossenen Vorgang, wie etwa das Gefrieren. Weiter, wenn ein Wesen krank gewesen ist, so muß notwendig eine Zeit vergangen sein, in der es gesundet ist, und dieser Wandel kann nicht in einer (ausdehnungslosen) Zeitgrenze stattfinden; notwendig (bleibt) jedoch, daß er zu »Gesundheit« übergeht, und zu nichts anderem: also, zu behaupten, da änderten sich Eigenschaften immerfort in einem Zuge, das heißt doch nur zu sehr, sich mit Offenkundigem auf einen Streit einzulassen. Eigenschaftsveränderung (geht) ja (immer) bis zum Gegensatz: der Stein aber wird weder härter noch weicher. (c) Was die Ortsbewegung angeht, so wäre es schon erstaunlich, wenn (unseren Sinnen) verborgen geblieben sein sollte, ob der Stein fällt oder (ruhig an seiner Stelle) auf der Erde bleibt. Außerdem, Erde und jeder der übrigen (einfachen Körper) bleiben aus Notwendigkeit an ihren angestammten Orten, bewegen sich nur unter Gewaltanwendung aus ihnen heraus; wenn denn nun einiges von ihnen an seinem angestammten
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Ort sich befindet, so ist ja wohl (der Schluß) notwendig, daß eben nicht alles hinsichtlich des Ortes in Bewegung ist. Daß also (beides) unmöglich ist, entweder daß alles immer in Bewegung ist, oder daß alles immer ruht, darauf dürfte man sich nach diesen Überlegungen und anderen derart wohl verlassen können. – Aber doch auch das ist nicht möglich, (3a), daß die einen Dinge immer ruhten, die anderen immer in Veränderung wären, dagegen einmal in Ruhe ein andermal in Bewegung sei nichts. Man muß dagegenstellen: Das ist unmöglich, wie bei den früher genannten (Möglichkeiten), so auch hier – wir sehen doch mit Augen, daß die genannten Übergänge an Gegenständen, die dabei dieselben bleiben, vorkommen –, und außerdem kämpft mit Offenkundigem, wer das bestreitet: es würde dann weder Wachsen geben noch Bewegung unter äußerer Einwirkung, wenn nicht etwas, das zuerst in Ruhe war, entgegen seiner Natur in Bewegung versetzt werden kann. So hebt diese Rede Werden und Vergehen auf. Dagegen sind doch so ziemlich alle der Meinung, daß auch »Verändertwerden« das Entstehen und Vergehen von etwas ist: wozu es sich doch wandelt, das entsteht, oder (auch) das »an dem«; woraus es aber sich wandelt, das vergeht, oder das »von hier fort«. Somit ist klar: Einiges ist (zeitweise) in Bewegung, anderes ruht zeitweise. Was die Grundsatzforderung angeht, (3b), daß alles zur einen Zeit in Ruhe sei, zu anderer in Bewegung, so muß das nunmehr verknüpft werden mit den alten Reden. Den Anfang müssen wir aber wieder nehmen bei dem gerade eben Festgelegten, es ist derselbe, den wir früher schon machten: Entweder ist alles in Ruhe, oder alles ist in Bewegung, oder einiges von dem, was es gibt, ruht, das andere verändert sich. Und wenn einiges in Ruhe, anderes in Veränderung ist, so (ergibt sich) notwendig: Entweder ist alles zu einer Zeit in Ruhe, zu anderer in Bewegung, 〈oder der eine Teil davon ist immer in Ruhe, der andere immer in Veränderung〉, oder aber ein Teil davon ist immer in Ruhe, ein anderer immer in Bewegung, ein dritter aber ruhe einmal und sei ein andermal in Veränderung.
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Daß also nicht möglich ist, daß alles in Ruhe wäre, dies ist früher schon gesagt, und wir wollen es jezt nochmal wiederholen: Wenn es sich wirklich wahrheitsgemäß so verhalten sollte, wie irgendwelche (Leute) behaupten, daß das »Seiende« »unendlich und unveränderlich« wäre, so scheint es doch schon einmal durchaus nicht so nach Maßgabe der Wahrnehmung, stattdessen (zeigt sie), daß vieles aus der Vielzahl des Seienden sich verändert. Wenn es das also wirklich gibt, »trügerischer Schein«, oder überhaupt »Schein«, so ist auch Veränderung, auch wenn es Einbildung wäre, auch wenn es mal so mal anders scheint; Einbildung und Schein scheinen doch selbst irgendwelche Veränderungen zu sein. Hierüber überhaupt Untersuchungen anzustellen und nach Erklärung zu suchen von Dingen, für die wir Besseres haben als Erklärung zu brauchen, das heißt ein schlechtes Urteil haben über »besser« und »schwächer«, über »glaubhaft« und »nicht-glaubhaft« und über »Anfangsgrund« und »Nicht-Grund«. – In gleicher Weise unmöglich sind auch die Behauptungen, »alles ist in Bewegung« und »ein Teil ist immer in Veränderung, ein Teil immer in Ruhe«. Gegen alles dies reicht doch eine einzige Beglaubigung aus: Wir sehen doch mit Augen, daß ein Teil der Dinge bald in Veränderung ist, ein andermal ruht. – Somit ist einleuchtend: Gleich unmöglich ist das »alles ruht« und das »alles verändert sich fortlaufend«, ebenso wie auch das »einiges ist immer in Bewegung, das andere ruht immer«. So bleibt übrig zu betrachten, ob alles von der Art ist, (zu einer Zeit) sich zu verändern und (zu einer anderen) zu ruhen, oder zwar einiges so bestimmt ist, anderes dagegen immer ruht, wieder anderes sich immer bewegt: dies werden wir zu zeigen haben. 4. Von den Dingen also, die Veränderung bewirken, und denen, die zu Veränderung gebracht werden, tun die einen dies in nebenbei zutreffender Bedeutung, die anderen im eigentlichen Sinn; nebenbei zutreffend z. B. die, bei denen es dadurch erfolgt, daß sie an Veränderndem der Sichveränderndem vorkommen, oder daß es über einen Teil (von ihnen vermittelt wird); im eigentlichen Sinn dagegen die, bei denen es nicht da-
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durch erfolgt, daß sie an Veränderndem oder Sichveränderndem nur vorkommen, und auch nicht dadurch, daß nur ein Teil von ihnen Veränderung hervorruft: oder durchmacht. Von denen (wieder), die das alles im eigentlichen Sinn an sich haben, (bringen) die einen (es) aus sich selbst (hervor), die anderen (erfahren es) durch von ihnen Unterschiedenes, und die einen von Natur aus, die anderen durch äußere Gewalt, also entgegen der Natur: Was doch selbst von sich selbst den Anstoß zur Veränderung erhält, das bewegt sich von Natur aus, z. B. jedes Lebewesen – es wird doch in Bewegung versetzt das Lebewesen selbst durch sich selbst, die Wesen aber, deren Veränderungsanstoß in ihnen selbst liegt, von denen sagen wir doch, daß sie sich von Natur aus bewegen; daher setzt das Lebewesen als Ganzes von Natur aus selbst sich selbst in Bewegung, der Körper (allein) allerdings kann sowohl von Natur aus wie auch der Natur zuwider bewegt werden: es macht ja einen Unterschied, was für eine Art von Veränderung er da gerade durchmacht und aus was für Grundstoff er je besteht –; und was von anderem in Veränderung gesetzt wird, davon bewegen sich die einen Dinge auf Grund von Natur, die anderen der Natur zuwider, für dies Letztere z. B.: Wenn Erdartiges nach oben oder Feuer nach unten (bewegt wird); außerdem werden auch oft die Glieder von Lebewesen der Natur zuwider bewegt, entgegen der Anlage und Weise ihrer (natürlichen) Bewegung. Und besonders ist das »Von-etwas-Verändertwerden« des Veränderten deutlich an dem, was der Natur zuwider verändert wird, weil hier doch klar ist, daß es von anderem in Bewegung gebracht wird. Nächst den naturwidrig bewegten Dingen (folgen) unter den naturgemäß bewegten die, welche selbst von sich selbst (in Bewegung gebracht werden), z. B. die Lebewesen; hier ist ja nicht das unklar, ob sie von etwas in Bewegung gebracht werden, sondern (nur), wie man innerhalb von ihm auseinandernehmen muß, was »bewegend« ist und was «bewegt«; es scheint doch wie bei den Schiffen und dem nicht von Natur zusammengebauten (Gerät) so auch bei den Lebewesen (zu sein): Da sind getrennt Bewegendes und Bewegtes, und auf
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diese Weise scheint dann das Ganze aus sich selbst sich selbst zu betreiben. Am meisten umstritten ist das, was noch übrig ist von der genannten abschließenden Einteilung: Von dem, was durch anderes in Bewegung gebracht wird, setzten wir doch, werde ein Teil der Natur zuwider bewegt, bleibt also noch dagegenzusetzen: »der andere Teil mit der Natur in Einklang«. Diese Dinge sind es, die die Schwierigkeit bereiten können, ob sie von etwas bewegt werden, z. B. das Leichte und das Schwere: Solche Dinge werden zu den gegenüberliegenden Orten durch gewaltsame Fremdeinwirkung hinbewegt, zu ihren angestammten aber – das Leichte aufwärts, das Schwere abwärts – von Natur aus; das »von etwas« liegt dabei nicht mehr auf der Hand, wie (es der Fall ist), wenn sie ihrer Natur zuwider bewegt werden. Und zu sagen, (sie bewegten sich) selbst durch sich selbst, das geht nicht; Eigenschaft von Lebendigem ist dies doch und Eigentümlichkeit belebter Wesen; und dann müßten sie ja auch selbst sich selbst zum Stillstand bringen können – ich meine z. B.: Ist etwas sich selbst Ursache seines Gehens, so auch (Ursache) seines Nicht-Gehens –, mit der Folge: Wenn das Hochsteigen bei ihm selbst, dem Feuer, läge, dann klarerweise bei ihm auch das »hinunter«. Es wäre aber unvernünftig, daß nur eine einzige Bewegung von ihm selbst auf den Weg gebracht würde, wenn sie denn doch selbst sich selbst in Bewegung bringen sollten. Außerdem, wie soll es gehen, daß etwas Zusammenhängendes und zur Einheit Verwachsenes selbst sich selbst in Bewegung bringen sollte? Insofern es doch eins ist und nicht bloß gemäß Berührung zusammenhängend, insofern ist es einer Einwirkung zugänglich; insofern es dagegen getrennt ist, ist ein Stück von ihm naturbeschaffen zum Tun, das andere zum Erfahren. Also nichts davon bewegt aus sich selbst heraus sich selbst – sie sind ja gewachsene Einheiten – und überhaupt nichts Zusammenhängendes, man müßte denn schon in einem jeden ein »Bewegendes« absetzen gegen ein »Bewegtes«, so wie wir es bei den leblosen Gegenständen sehen, wenn etwas Belebtes sie zur Bewegung bringt; vielmehr ergibt sich, daß
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auch diese Körper immer von irgend etwas zur Bewegung gebracht werden. Das dürfte deutlich werden, wenn wir die Ursachen einteilen; man kann doch auch auf Seiten der in Bewegung setzenden Dinge die besagten (Unterschiede) greifen: Die einen unter ihnen sind der Natur zuwider bewegungserzeugend, z. B. ist der Hebel nicht in Richtung der Natur ein Beweger der Last; die anderen im Sinne der Natur, z. B. kann das tatsächlich und wirklich Warme Veränderung hervorrufen an einem der Möglichkeit nach Warmen. Ähnlich ist es auch bei allen anderen derartigen Dingen. Und ebenso »veränderbar auf Grund von Natur« ist alles, was der Möglichkeit nach »so-und-sobeschaffen« oder »so-und-so-groß« oder »dort-und-dort« ist, wenn es den Ausgangspunkt zur entsprechenden Wandlung in sich selbst hat, und nicht bloß in nebenbei zutreffendem Sinn – es ist ja wohl ein und derselbe Gegenstand sowohl »von der und der Art« und »so und so groß«, nur trifft je eines dem anderen nur nebenbei zu und liegt (dann) nicht unvermittelt vor –. Feuer also und Erde werden in Bewegung gesetzt von etwas, auf Grund äußerer Gewaltanwendung (ist das dann der Fall), wenn (dies) ihrer Natur entgegen (erfolgt), auf Veranlassung ihrer Natur aber, wenn sie auf dem Wege sind zu ihrer Verwirklichung, – dessen, was sie der Möglichkeit nach schon sind. Da nun das »der Möglichkeit nach« in mehreren Bedeutungen ausgesprochen wird, so ist eben dies die Ursache dafür, daß nicht in Erscheinung tritt, von was die derartigen (Körper) in Bewegung gesetzt werden, z. B. Feuer aufwärts, Erde abwärts. Es ist aber eben »der Möglichkeit nach« ein Lernender in anderer Weise wissend als einer, der (Wissen) schon hat, es aber gerade einmal nicht anwendet. Immer dann, wenn ein Wirkfähiges und ein Beeinflußbares beieinander sind, wird ein Mögliches zur Wirklichkeit, – z. B. ein Lernender wird aus etwas, das er der Möglichkeit nach ist, zu einem davon verschiedenen »der-Möglichkeit-nach«: wer Wissen schon hat, aber es gerade einmal nicht zur Forschung anwendet, ist irgendwie doch auch »der Möglichkeit nach wissend«, nur freilich nicht in dem Sinn, (wie er es war) vor dem Gelernthaben; sobald er es
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dann in dem Sinne hat, ist er als Wissenschaftler tätig, wenn ihn daran nichts hindert, oder (verstünde man dies anders), so wäre er im dazu widersprüchlichen Zustand, nämlich in dem des Nicht-Wissens. Ähnlich verhält sich das auch bei den Naturdingen: Ein Kaltes ist der Möglichkeit nach warm, und sobald es dann den Wandel hinter sich hat, nunmehr Feuer (geworden), dann setzt es (anderes) in Brand, wenn nicht etwas hindernd dazwischentritt. Ähnlich verhält es sich auch mit »schwer« und »leicht«: Leichtes wird aus Schwerem, z. B. aus Wasser Luft – das war es doch zuerst der Möglichkeit nach –, und schon ist es leicht, und es wird sogleich (als solches) in Tätigkeit sein, wenn nichts es daran hindert. Die Wirklichkeit des Leichten ist ein Dort-und-dort-Sein, nämlich oben; es wird aber daran gehindert, wenn es an dem entgegengesetzten Ort sich befindet. Und das verhält sich ähnlich auch bei »so-undso-viel« und »so-und-so-beschaffen«. Gleichwohl steht doch eben dies in Frage: Aus welchem Grund bewegen sich denn das Leichte und das Schwere zu ihrem eigenen Ort hin? Ursache davon ist: Das »dort-und-dorthin« ist ihnen naturgegeben, und das eben heißt ihr Leicht-und Schwer-Sein, wobei das eine durch das »aufwärts«, das andere durch »abwärts» bestimmt ist. »Der Möglichkeit nach leicht« oder »schwer« gibt es auf vielerlei Weisen, wie gesagt: Handelt es sich um Wasser, so ist es in einem bestimmten Sinn »der Möglichkeit nach leicht«, und ist es Luft, so kann es dies »der Möglichkeit nach« gelegentlich immer noch sein – es ist ja möglich, daß es aus einem Hinderungsgrund sich nicht oben befindet –, jedoch wenn das, was es hindert, beseitigt ist, tritt das »in Wirklichkeit« ein, und sie steigt immer höher. – In ähnlicher Weise geht auch das »so-und-so-beschaffen« zum In-Wirklichkeit-Sein über: Der Wissenschaftler arbeitet sogleich an seinen Gedanken weiter, wenn ihn daran nichts hindert. Und auch das »So-und-so-groß« erstreckt sich (wirklich), wenn nichts es daran hindert. – Derjenige, der das Widerstand Leistende und Hinderliche in Bewegung setzt, ist in einem Sinn der Beweger, in anderem auch wieder nicht, z. B. einer, der einen Stützpfeiler wegzieht, oder einer, der den Stein vom
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Schlauch im Wasser wegnimmt; in nebenbei zutreffendem Sinn setzt er (alles Folgende) ja in Bewegung, so wie auch der (von der Wand) zurückspringende Ball nicht von der Wand die Bewegung erhalten hatte, sondern von dem, der ihn warf. Daß also keiner von diesen (Körpern) selbst sich selbst in Bewegung setzt, ist klar; freilich besitzen sie einen Ausgangspunkt von Bewegung, nur nicht im Sinne von »In-BewegungBringen« oder »Tun«, sondern in dem von »An-sich-Erfahren«. Wenn denn nun alles Bewegte entweder auf Grund von Natur sich bewegt oder seiner Natur zuwider und auf Grund von Gewalteinwirkung, und wenn das gewaltsam und naturwidrig (Bewegte) alles von etwas, und zwar von ihm Verschiedenen, (in Bewegung gesetzt wird), andrerseits von dem naturgemäß (Bewegten) der eine Teil, der von sich selbst bewegt wird, durch etwas in Bewegung gesetzt wird, und der andere, der nicht von sich selbst (bewegt wird), auch, wie Leichtes und Schweres – entweder doch von dem, was »leicht« und »schwer« hervorgebracht oder hergestellt hat, oder von einem, der das im Wege Stehende, Hinderliche beseitigt hat – (so ist nach allem denn klar): Alles, was sich bewegt, wird wohl von etwas bewegt werden. 5. Das jedoch in zweifacher Weise: Entweder (erfolgt der ursprüngliche Bewegungsanstoß) nicht von dem (unmittelbar) Bewegenden selbst, sondern durch ein davon Verschiedenes, welches (seinerseits) das Bewegende (erst) bewegt, oder (er erfolgt) durch es; und das (liegt) dann entweder unmittelbar hinter dem letzten (Stück der Gegenstandsreihe) oder über mehrere (Zwischenstücke vermittelt), Beispiel: Der Stock bewegt den Stein, wird (selbst) bewegt von der Hand, die ihrerseits bewegt wird von dem Menschen, dieser dann (tut das) nicht mehr auf Grund davon, daß er von anderem bewegt würde. Von beiden sagen wir also: »es setzt in Bewegung«, sowohl von dem Letzten wie von dem Ersten (in der Reihe) der Bewegenden, aber in höherem Maße (gilt es) vom Ersten; denn es setzt das Letzte in Bewegung, aber nicht umgekehrt, und ohne das Erste wird das Letzte keine Bewegung weitergeben, wohl aber
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jenes ohne dieses, so wie im Bespiel der Stock keine Bewegung mitteilen wird, wenn der Mensch ihm nicht Bewegung mitgibt. Wenn denn also notwendig gilt: Alles Bewegte wird von etwas in Bewegung gesetzt, und dies ist entweder (selbst) von anderem in Bewegung gesetzt oder nicht, und wenn von einem anderen, so muß es notwendig ein Erstes Bewegendes geben, das nicht von anderem (Bewegung erhält), wenn aber das Erste von der Art ist, dann ist kein anderes notwendig – es kann ja unmöglich damit ins Unendliche fortgehen: »bewegend und selbst von anderem bewegt ...«; bei unendlichen (Reihen) gibt es ja kein Erstes –: wenn also alles Bewegte von etwas bewegt wird, das erste Bewegende zwar selbst auch in Bewegung ist, jedoch nicht unter Einwirkung eines anderen, so ist notwendig: Es selbst wird von sich selbst in Bewegung gebracht. Man kann auch noch auf folgende Weise eben den gleichen Gedanken entwickeln: Alles, was Bewegung weitergibt, bewegt etwas und (tut es) durch etwas. Entweder gibt doch das Bewegende Bewegung weiter durch sich selbst oder durch anderes (vermittelt), Beispiel: Der Mensch entweder selbst oder mit Hilfe des Stocks, und: Der Wind hat umgeworfen, entweder selbst oder über den Stein, den er gestoßen hat. Unmöglich ist nun aber, daß das »Womit-es-bewegt« Bewegung hervorrufen könnte ohne ein solches, das selbst durch sich selbst Bewegung erzeugt, sondern wenn einerseits es durch sich selbst Bewegung weitergibt, dann besteht keine Notwendigkeit, daß ein davon verschiedenes »Womit-es-bewegt« dasein müßte, wenn andrerseits das »Womit-es-bewegt« (von ihm) verschieden ist, dann gibt es auch etwas, was Bewegung mitteilt nicht durch etwas, sondern durch sich selbst – oder das geht ins Unendliche fort. Wenn also etwas Bewegung weitergibt, das selbst bewegt ist, so muß da notwendig ein Halt sein und nicht ein Fortgang ins Unendliche: wenn doch der Stock Bewegung weitergibt, dadurch daß er selbst von der Hand bewegt wird, so ist es die Hand, die den Stock bewegt; wenn aber dann mit ihrer Hilfe ein anderes (Wesen) Bewegung weitergibt, so ist es eben ein von ihr Verschiedenes, das sie bewegt. Jedesmal wenn also ein je anderes mit Hilfe von etwas Bewegung weitergibt, muß es notwendig
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vorher geben ein Durch-sich-selbst-Bewegendes. Wenn nun das einerseits in Bewegung ist, andrerseits jedoch kein anderes (da ist), welches es in Bewegung setzt, so ist notwendig, daß es selbst sich selbst in Bewegung setzt. Also (ergibt sich) auch nach dieser Herleitung: Entweder wird ein Bewegtes sogleich von etwas in Bewegung gesetzt, das sich selbst bewegt, oder man kann über kurz oder lang zu einem solchen gelangen. Zusätzlich zu dem Vorgetragenen wird auch bei folgender Betrachtung sich genau das gleiche ergeben: Wenn ein jedes Bewegte von etwas bewegt wird, das selbst in Bewegung ist, dann trifft dieser Sachverhalt an den Dingen zu entweder in nebenbei zutreffender Bedeutung, so daß etwas zwar in Bewegung setzt, wobei es selbst in Bewegung ist, allerdings nicht auf Grund dessen, daß es selbst in Bewegung ist, oder (es trifft) nicht (so zu), sondern im eigentlichen Sinne. Erstens: Wenn (das Verhältnis) also in nebenbei zutreffender Bedeutung (vorliegt), dann ist »Bewegendes« durchaus nicht notwendig verbunden mit eigenem In-Bewegung-Sein. Ist das so, dann ist klar, daß dann gelegentlich auch einmal nichts unter dem, was ist, in Bewegung sein kann; »nebenbei zutreffend« ist eben gerade nicht »notwendig«, sondern etwas, das auch einmal nicht sein kann. Wenn wir nun (als wirklich) setzen, was (nur) sein kann, so wird sich daraus zwar nichts Unmögliches ergeben, vielleicht aber etwas Falsches. Aber (der Satz) »Bewegung gibt es nicht« ist eine Unmöglichkeit; es ist ja früher nachgewiesen, daß es Bewegung immer geben muß. – Und ganz vernünftig hat sich das so ergeben: Da muß es drei Dinge geben, Bewegtes, Bewegendes und das »womites-bewegt«; davon muß das Bewegte in Bewegung sein, in Bewegung setzen muß es aber nicht; das »womit-es-bewegt« muß sowohl bewegen als auch (selbst) in Bewegung sein – dieses wandelt sich ja dadurch mit, daß es bei dem Bewegten ist und im selben Aussagenbereich wie es; klar ist das bei Dingen, die sich im Raum bewegen: Sie müssen bis zu einem bestimmten (Zeitpunkt) miteinander in Berührung sein –; das Bewegende hingegen, in dem Sinn verstanden, daß es nicht ein »womit-essich-bewegt« ist, ist (selbst) unbeweglich. –
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Da wir vor Augen haben (1) das lezte (Stück der Bewegungskette), das bewegt werden kann, aber keinen Anfang von Bewegung (in sich) hat, und (2) eines, das sich zwar bewegt, nicht jedoch durch Einwirkung eines anderen, sondern durch sich selbst, so ist es vernünftig – um nicht zu sagen: notwendig –, daß es auch das Dritte (dazu) gibt, das Bewegung verursacht, selbst unbeweglich bleibend. Und so spricht Anaxagoras ganz richtig, wenn er sagt, der Geist sei keinem Leiden und keiner Mischung zugänglich, wenn er ihn doch zum Ursprung der (Welt)bewegung macht; denn so allein könnte er ja die Bewegung hervorrufen, selbst unbeweglich, und könnte (den Gang der Dinge) beherrschen, indem er sich selbst da nicht einmischt. Aber nun (zweitens), wenn es nicht in nebenbei zutreffender Bedeutung, sondern aus Notwendigkeit selbst in Bewegung ist, dies Bewegende, und wenn es nicht in Bewegung wäre, könnte es auch nicht Bewegung weitergeben, dann (gilt) für das Bewegende, sofern es auch selbst bewegt wird, mit Notwendigkeit: Entweder ist es in einer Veränderung entsprechend derselben Art von Veränderung (, die es hervorruft), oder (es verändert sich) in anderer Art. Ich meine damit: Entweder muß das Wärmende auch selbst warm werden, das Gesundmachende gesunden und das Dahintragende fortgetragen werden, oder das Gesundmachende wird fortgetragen, das Dahintragende wird vergrößert (usw.). Aber dies ist offenkundig unmöglich; man muß nur bis zu den nicht weiter teilbaren (Begriffen) einteilen und dann Aussagen machen wie: »Wenn jemand Geometrie lehrt, so wird derselbe auch in Geometrie belehrt«, oder: »Wenn jemand (etwas) wirft, so wird er selbst auf gleiche Art geworfen«; oder so zwar nicht, vielmehr eine Gattung nach der anderen, etwa: »Das Forttragende wird vergrößert; das, was dies wachsen läßt, wird selbst von anderem in seiner Eigenschaft verändert; das, was diese Eigenschaftsveränderung hervorruft, wird nach wieder einer anderen Art verändert«. Aber hier muß es ein Halt! geben: die Arten von Veränderung sind begrenzt. Nun aber wieder umzubiegen und zu behaupten: »Das, was Eigenschaftsveränderung hervorruft, wird fortge-
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tragen«, das heißt dasselbe tun, wie wenn man gleich sagte: »Das Dahintragende wird fortgetragen« und: »Das Lehrende wird belehrt«, – klar ist doch daß alles, was in Veränderung ist, dazu angestoßen wird auch von weiter vorn (in der Reihe liegendem) Bewegenden, und zwar in stärkerem Maße von dem, was (in der Reihe) der Bewegenden früher voraus liegt. Aber das ist ja (alles) unmöglich: dann käme ja heraus, daß, wer lehrt, lernt, wovon doch das eine heißen muß: »Wissen nicht haben«, das andere: »Wissen haben«. Noch mehr unbegreiflich als dies ist es, daß sich dann ergibt: Alles, was Veränderung hervorrufen kann, unterliegt auch möglicher Veränderung, wenn doch alles Bewegte von etwas in Bewegung gesetzt wird, das selbst bewegt ist. Dann muß es veränderbar sein in dem Sinne, wie wenn jemand sagte: »Alles, was heilen kann, ist auch heilbar« und: »Alles, was ein Haus bauen kann, ist selbst baubar«, entweder unmittelbar oder über mehreres (vermittelt); ich meine damit etwa: Wenn zwar alles, was Veränderung hervorrufen kann, (selbst) durch anderes veränderbar ist, so ist es doch nicht veränderbar hinsichtlich der Veränderungsart, die es an seinem Nachbarding hervorruft, sondern hinsichtlich einer anderen, z. B. das, was heilen kann, wäre lernbar; aber wenn diese (Reihe) dann fortgesetzt wird, wird man einmal auf dieselbe Art kommen, so wie wir früher schon sagten. Also, das eine davon ist unmöglich, das andere an den Haaren herbeigezogen; widersinnig ist doch die Vorstellung: »Aus Notwendigkeit« müsse das, was Eigenschaftsveränderung stiften kann, (selbst) vermehrbar sein. – Nicht notwendig also (ist die Annahme), Bewegtes werde immer in Bewegung gesetzt durch anderes, und dies selbst werde wieder bewegt (... usw.); da gibt es also einen Halt. Hier wird entweder das erste Bewegende von einem Ruhenden zur Bewegung angestoßen werden, oder es wird selber sich selbst in Bewegung setzen. Nun aber, wenn es denn nötig sein sollte, (die Frage) zu untersuchen, ob Ursache und Anfang aller Veränderung etwas ist, das selber sich selbst in Bewegung setzt, oder etwas, das von anderem in Bewegung gesetzt wird, so würde ja wohl jeder
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jenes (Erste) setzen; denn was an und für sich ist, ist immer im vorrangigen Sinn Ursache, verglichen mit solchem, was selbst nur in Bezogenheit auf anderes besteht. Also müssen wir, indem wir einen anderen Ausgangspunkt nehmen, dies untersuchen: Wenn etwas selber sich selbst in Bewegung versetzt, wie tut er das und auf welche Weise? Also: Jedes in Bewegung Befindliche muß teilbar sein in immer wieder Teilbares. Dies ist ja früher nachgewiesen in den allgemeinen (Ausführungen) »Über Natur«, daß alles im unmittelbaren Sinn Bewegte zusammenhängend ist. Somit ist es also unmöglich, daß etwas, das sich selbst in Bewegung setzt, dies in Hinsicht auf seine volle Ganzheit tut; sonst würde es ja als Ganzes fortgetragen, und es würde dieselbe Ortsbewegung auch anstoßen, wo es doch eines ist und der Art nach unteilbar, und es würde Eigenschaftsveränderung erleiden und auslösen, so daß es zugleich lehren und lernen und heilen und hinsichtlich desselben Gesundheitszustandes auch geheilt werden würde. Weiter, es ist festgestellt, daß verändert wird nur ein Veränderbares; dies ist der Möglichkeit nach in Veränderung, nicht in Wirklichkeit, das »möglich« geht aber zum »wirklich« hin, und es ist Veränderung »die noch nicht zu Ende gekommene Ziel-Tätigkeit eines Veränderbaren«. Dagegen, das Veränderung-Anstoßende ist schon in Tätigkeit, z. B. wärmt Warmes, und überhaupt, es bringt hervor das, was die Form schon hat. Das hätte zur Folge, daß ein und derselbe Gegenstand in derselben Beziehung »warm« und »nicht-warm« sein müßte. Ähnlich auch bei jedem anderen (Veränderungsablauf), soweit das die Veränderung Anstoßende die gleichnamige Bestimmung an sich haben muß. Also: Von dem, was selber sich selbst in Bewegung setzt, setzt ein Stück Veränderung in Gang, das andere von ihm wird in Bewegung gebracht. Daß es aber ein selber sich selbst Bewegendes nicht in dem Sinne geben kann, daß jedes seiner beiden (Stücke) vom je anderen in Bewegung versetzt würde, ist aus Folgendem einsichtig: Weder wird dann ein (wirklich) erstes Bewegendes sein, wenn doch jedes der beiden (Stücke) selbst sich selbst in Bewe-
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gung setzen wird – das (in der Anstoßreihe) weiter vorn Liegende ist ursächlicher für das Ablaufen der Bewegung als das Sich-Anschließende, und es setzt in stärkerem Maße in Bewegung; »In-Bewegung-Setzen« war doch zweifach (verstanden), einmal, daß (der Gegenstand), selbst durch ein anderes in Bewegung gebracht, (dies tut), zum anderen, daß (er es) aus sich heraus (tut); was dann weiter weg vom (letzten) Bewegten liegt, ist näher am Ausgangspunkt als etwas, das (in dieser Reihe) dazwischen liegt –. Des weiteren ist es nicht notwendig, daß ein Bewegendes (selbst) in Bewegung ist, es sei denn unter Einwirkung seiner selbst; nur in nebenbei zutreffender Bedeutung übt also das andere eine Gegenwirkung aus. Ich habe nun angenommen die Möglichkeit, daß es keine Bewegung hervorruft; dann ist also das eine bewegt, das Bewegende dagegen unterliegt keiner Bewegung. – Weiter, es ist nicht notwendig, daß das Bewegende eine Gegenbewegung erfährt, sondern entweder muß etwas (selbst) Unbewegtes die Bewegung erzeugen, oder es muß ein selbst durch sich selbst Bewegtes sein (, das dies tut), wenn denn Bewegung immer sein muß. – Weiter, es würde in der Art von Veränderung, die es in Bewegung setzt, auch selbst verändert werden, dann würde also ein Wärmendes (dabei selbst) erwärmt. Aber auch das geht nicht, daß von dem, was im eigentlichen Sinn selber sich selbst in Bewegung setzt, entweder ein Teil oder mehrere, jeder für sich selber sich in Bewegung bringt: wenn doch das Ganze selbst durch sich selbst in Bewegung ist, so wird es doch entweder durch irgendeins von seinen (Stücken) in Bewegung gesetzt oder als Ganzes von sich als Ganzem. Soll nun die Selbstbewegung dadurch zustande kommen, daß irgendein Teil in Bewegung ist, so wäre doch eben dieser das unmittelbar Erste, das selber sich selbst bewegt – wenn man ihn nämlich abtrennt, so wird er selber sich selbst bewegen, das Ganze dann aber nicht mehr; hingegen, wird das Ganze von sich selbst als Ganzem in Bewegung gebracht, dann bewegen diese (– die Teile –) sich selber auf Grund von sich selbst ja wohl nur in nebenbei zutreffender Weise. Ist dies
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also keine notwendige (Annahme), so sei eben angenommen: Sie bewegen sich nicht infolge von sich selbst. Von dem ganzen Ding also wird das eine Teilstück Bewegung erzeugen, selbst unbeweglich bleibend, das andere wird Bewegung mitgeteilt bekommen. Nur so ist es möglich, daß etwas selbstbeweglich ist. – Außerdem, wenn dies ganze Wesen selber sich selbst bewegt, so wird ein Stück von ihm Bewegung erzeugen, das andere wird in Bewegung sein. Also: Wesen AB wird sowohl durch sich selbst in Bewegung gesetzt werden wie auch (bloß) durch A. Da nun Bewegung weitergibt (a) etwas, das durch anderes (schon) in Bewegung gesetzt ist, (b) etwas, das selbst unbeweglich ist, und da beim Ablauf seiner Bewegung (a’) das eine Bewegung auch weitergibt, (b’) das andere aber an kein weiteres mehr, so ist notwendig: Etwas, das selbst sich selbst in Bewegung setzt, muß bestehen aus einem Stück, das unbeweglich ist aber Bewegung mitteilt, und aus noch einem, das in Bewegung ist aber nicht notwendig auch Bewegung weitergeben muß, sondern (dies nur tut), wie es sich eben ergibt. Es sei also einmal A »bewegend-und-unbewegt«, B sei »bewegtvon-A-und-C-bewegend«, dies sei »bewegt-von-B-und-nichtsweiter-bewegend«. Wenn man schon auch (in Wirklichkeit) über mehr (Zwischenglieder) erst zu C kommen wird, so soll es hier über ein einziges gehen. Das ganze ABC bewegt also selbst sich selbst. Wenn ich jetzt aber C wegnehme, so wird AB immer noch selbst sich selber bewegen, A bewegend, B bewegt; C dagegen wird nicht selber sich selbst bewegen und wird überhaupt nicht in Bewegung sein. Aber auch BC wird nicht selber sich selbst bewegen, ohne A; denn B gibt Bewegung doch nur weiter, dadurch daß es selbst von anderem zu Bewegung angestoßen wird, nicht auf Grund von Bewegung eines seiner eigenen Teile. Also nur AB allein bewegt selber sich selbst. Also notwendig: Ein Sich-selbst-Bewegendes muß enthalten ein »Bewegend-aber-unbeweglich« und ein »Bewegtaber-nicht-notwendig-bewegend«, wobei diese entweder einander wechselseitig berühren oder doch das eine an das andere (grenzt). Wenn das Bewegende zusammenhängend ist – das
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Bewegte muß dies ja sein –, so wird jedes mit jedem in Berührung stehen. – Somit ist klar: Das Ganze setzt selber sich selber in Bewegung nicht dadurch, daß ein Teil von ihm nicht derart ist, sich selbst zu bewegen, sondern (nur) als Ganzes bewegt es selber sich selbst, wobei es bewegt und bewegend dadurch ist, daß eins seiner Stücke das bewegende, eins das bewegte ist. Nicht das Ganze teilt doch Bewegung mit, und nicht das Ganze wird in Bewegung gesetzt, sondern es bewegt nur das A (allein), und es wird bewegt das B allein. [Das C von A nicht mehr; denn das ist unmöglich.] Eine Schwierigkeit bringt folgende Frage mit sich: Wenn jemand (etwas) von A wegnimmt, sofern dies Bewegend-Unbewegliche zusammenhängend ist, oder von dem Bewegten B, wird dann der Rest von A noch Bewegung hervorrufen oder der von B noch sich bewegen? Wenn das denn so wäre, dann wäre das Wesen AB nicht im ersten, unmittelbaren Sinn durch sich selbst bewegt; denn nach einer Wegnahme von AB würde das restliche AB sich (immer noch) selbst bewegen. – Oder (ist es so): Was die Möglichkeit angeht, so besteht kein Hindernis, daß beide (Stücke) oder doch wenigstens das eine davon, das Bewegte, teilbar sind, in tatsächlicher Wirklichkeit aber sind sie unteilbar? Wenn sie dann geteilt würden, wären sie nicht mehr von der Art, die gleiche Naturanlage zu haben. Es bestünde also kein Hinderungsgrund, daß diese (Anlage) ihnen, als nur der Möglichkeit nach teilbaren, im vollen Sinn eignet. – Somit ist aus alledem einleuchtend: Es gibt ein im strengen Sinn »Unbewegt-Bewegendes«. Denn, einerlei ob (die Reihe von) Bewegtem, das von etwas bewegt ist, gleich zum Stillstand kommt bei einem unbewegten ersten (Stück), oder ob (sie hinausläuft) auf ein Bewegtes zwar, das aber selbst sich selbst in Bewegung setzt und auch zum Halten bringt, in beiden Fällen ergibt sich: Für alles, was da in bewegter Veränderung ist, gibt es ein ureigentlich Unbewegt-Bewegendes. 6. Da aber verändernde Bewegung immer sein muß und nie aufhören darf, so muß es notwendig geben etwas Immerwährendes, das als erstes die Bewegung anstößt, einerlei ob dies
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eines ist oder mehrere. Und dies Erste Bewegende (ist) unbewegt. (Der Gedanke,) daß ein jedes dieser Unbewegten, aber Bewegenden immerwährend sei, spielt für die gegewärtige Untersuchung keine Rolle. Daß jedoch dies Unbewegte etwas sein muß, das zwar selbst außerhalb jedes Wandels steht, sowohl im unmittelbaren Sinn wie in nebenbei zutreffendem, andrerseits doch an anderem Bewegung hervorruft, das wird klar, wenn man die Sache so ins Auge faßt: Es sei einmal, wenn jemand so will, bei einigen (Dingen) möglich, bald zu sein oder nicht zu sein ohne Entstehen und Untergang – vielleicht ist es ja sogar notwendig, wenn etwas Teilloses einmal ist, ein andermal nicht ist, daß alles derartige ohne Sich-Wandeln einmal ist, ein andermal nicht ist; und von den unbeweglichen, aber Bewegung gebenden Anfängen mögen einige einmal sein, ein andermal nicht sein: als möglich soll auch das gelten. Jedoch nicht möglich ist es, daß dies alle wären; es ist ja klar, daß alles, was selber sich selbst bewegt, (in sich) eine Ursache (dafür) hat, mal zu sein, ein andermal nicht zu sein. Alles, was also selber sich selbst bewegt, muß notwendig Ausdehnungsgröße haben, wenn doch nichts, was teillos ist, sich bewegen kann; dagegen für das Bewegende ergibt sich dazu keine Notwendigkeit aus dem Gesagten. Davon nun, daß da Dinge entstehen, andere wieder zugrunde gehen, und daß dies andauernd so währt, kann von den zwar unbewegten, aber nicht immerwährenden (Anfangsgründen) keiner die Ursache sein, und auch nicht davon, daß von den Dingen wieder die und von diesen wieder andere (Ursachen sind); denn von dem »immer« und »andauernd« ist weder eine einzelne von ihnen noch sind sie alle zusammen Ursache. Daß es sich doch so verhält, ist immerwährend und aus Notwendigkeit so, das »Alles-zusammen« (dieses Veränderungsablaufs) ist (eine) unendliche (Reihe), und nicht etwa alles gleichzeitig. Es ist somit klar: Wenn auch zu unzähligen Malen manches von dem, was unbewegt ist aber Bewegung erzeugt, und vieles von dem, was da selber sich selbst bewegt, zugrundegehen und anderes durch Entstehen wieder dazukommen mag, und mag dann dies, selber unbewegt, das in
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Bewegung versetzen und das dann wieder ein anderes: nichtsdestoweniger gibt es etwas, das (dies alles) umfaßt, und das (ist zu setzen als unterschieden) neben das einzelne, es ist Ursache davon, daß die einen Dinge sind, die anderen nicht, und (Ursache) des fortlaufenden Wandels. Und das ist Ursache für diese, diese sind dann für alles Übrige Ursache seiner Veränderung. Wenn doch nun Veränderung immerwährend ist, so wird immerwährend auch das erste Bewegende sein, wenn es eines ist; sind es aber mehr, nun, so gibt es eben eine Mehrzahl von Immerwährenden. Eines jedoch eher als viele und (, wenn schon viele, so) eine begrenzte Anzahl (eher) als unendlich viele, das muß man meinen. Wenn sich doch (am Ende) das gleiche ergibt, muß man (zu Anfang) stets Begrenztes eher annehmen; bei Naturgegenständen muß ja »,begrenzt« und »besser«, wenn das nur möglich ist, eher vorliegen. Hinreichend ist aber schon ein einziges, welches als erstes unter den Unveränderlichen, immerwährend in seinem Sein, Anfang der Veränderung für alles Übrige ist. Offenkundig wird auch aus Folgendem, daß das erste Bewegende ein Eines und Immerwährendes sein muß: Nachgewiesen ist doch, daß es immer Veränderung geben muß: ist sie aber immer, so muß sie auch zusammenhängend sein, das »immer« (schließt doch) »zusammenhängend« (ein); dagegen das »in Reihe folgend« ist nicht zusammenhängend. Aber nun, wenn schon zusammenhängend, so ist sie eine Einheit. Eine einheitliche Veränderung ist aber die von einem einzigen Veränderten unter Einwirkung eines einzigen Verändernden; wenn doch ein Anderes und wieder Anderes die Bewegung anstößt, so wird der ganze Ablauf nicht zusammenhängend sein, sondern (nur) in Reihe nacheinander. Hieraus also darf man sich Zuversicht holen, daß es ein erstes Bewegendes gibt, und erneut auch daraus, daß man auf die Anfänge (dieser Untersuchung) hinschaut: Daß es im Bereich des Seienden einige Dinge gibt, die bald in Veränderung sind, bald in Ruhe, ist offenkundig; und eben aus diesem Grund ist klargeworden, daß weder (gilt): »Alles ist in Veränderung«, noch: »Alles steht still«, noch: »Ein Teil ruht immer, der an-
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dere ist immer in Veränderung«; was eben beides tut und Möglichkeit hat zu Veränderung und Stillstand, gibt in dieser Sache die Richtung an. Während derlei Sachen allen klar sind, wir dagegen auch von jeder der zwei (anderen Möglichkeiten) das Wesen zeigen wollen, (nämlich) daß einiges immer unveränderlich ist, anderes stets in Veränderung, so machen wir uns daran und setzen: Alles Bewegte wird von etwas bewegt, und das ist (selbst) entweder unbeweglich oder in Bewegung, und wenn bewegt, dann entweder von sich selbst oder immer von einem anderen; und so sind wir denn bis zu der Annahme vorangekommen: Von Dingen aus dem Bereich der Veränderung ist der Anfangsgrund (auch) aus dem Bereich der Veränderung, und zwar hier etwas, das selber sich selbst in Bewegung setzt, von allem überhaupt (ist Ursache) das der Veränderung nicht Zugängliche; wir haben aber ganz offenkundig vor Augen, daß es derlei gibt, was selber sich selbst in Bewegung bringt, z. B. die Gattung der beseelten und belebten Wesen; diese haben auch den Anschein geboten, ob es nicht doch etwa möglich ist, daß Bewegung (in etwas) hineinkommen kann, die ganz und gar nicht da war, weil wir doch so etwas bei ihnen sich ereignen sehen – zu irgendeiner Zeit sind sie bewegungslos, und dann wieder bewegen sie sich, den Eindruck hat man doch –; dies dagegen muß man festhalten, daß sie nur in einer einzigen Veränderungsart sich selbst in Bewegung setzen, und auch das nicht im eigentlichen Sinne: nicht aus ihm kommt die Ursache, sondern es stecken andere natürliche Veränderungen in den Lebewesen, die sie nicht auf Grund von sich selbst durchmachen, z. B. Wachsen, Schrumpfen, Atmen; die gehen an einem jeden Lebewesen vor sich, auch wenn es ruht und die von ihm selbst ausgehende Bewegung gerade nicht macht. Davon ist Ursache die Umgebung und vieles, was da (an Stoffen) hineingeht, z. B. für einiges die Nahrung: Während sie verdaut wird, schlafen sie, ist sie dagegen in ihre Bestandteile zerlegt, wachen sie auf und setzen sich selbst in Bewegung, womit also der erste Anfang davon von außen kommt; deswegen bewegen sie sich nicht immer fortlaufend infolge von sich selbst; ein Anderes (als sie) ist doch das Bewegungstiftende, welches selbst
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in Bewegung ist und sich wandelt gegenüber einem jeden der Dinge, die sich selbst bewegen. Bei diesen allen ist das erste Bewegende in Bewegung und die Ursache davon, daß es selbst sich selbst unter seinem eigenen Einfluß bewegt, allerdings nur in nebenbei zutreffender Bedeutung: Es ist der Körper, der den Ort wechselt, folglich auch das, was in dem Körper ist und mit (ihm als) Hebelwerkzeug sich selbst bewegt. Auf Grund dessen kann man sich überzeugen: Wenn (der Anfangsgrund) etwas ist von dem, was zwar unbewegt ist, jedoch auch sich selbst in nebenbei zutreffender Bedeutung in Bewegung setzt, dann ist es unmöglich, fortlaufende Bewegung in Gang zu halten. Wenn es denn also Bewegung in fortlaufender Weise geben muß, so muß das erste Bewegende etwas auch nebenbei zutreffend Unbewegtes sein, wenn doch, wie wir ja sagten, unter allen seienden (Dingen) gewissermaßen pausenlose und unsterbliche Veränderung sein und die Gesamtheit dessen, was ist, in sich selber und in dem Selben bleiben können soll. Wenn nämlich der Uranfang an seiner Stelle bleibt, so muß auch die ganze Welt bleiben, da sie doch zusammenhängenden Anschluß hat zum Anfangsgrund. Es ist aber durchaus nicht dasselbe, was das »Nebenbei-zutreffend-Bewegtwerden« angeht (, ob man dazusetzt:) »durch sich selbst« oder: »durch ein anderes«: das »durch ein anderes« trifft auch zu auf einige Veränderungsauslöser unter den (Körpern) am Himmel, solche, die eine Mehrzahl von Ortsbewegungen machen, das andere dagegen gibt es nur bei den vergänglichen Dingen. Nun aber, wenn denn etwas Derartiges immer ist, etwas, das zwar anderes in Bewegung setzt, selbst aber unbewegt und immerwährend ist, dann muß auch das, was unmittelbar von ihm in Bewegung gesetzt wird, immerwährend sein. Das ist klar schon auf Grund der Tatsache, daß es anders Werden, Vergehen und Wechsel für alles übrige nicht gibt, wenn nicht ein (selbst) Bewegtes hier die Bewegung in Gang hält; das Unbewegte wird doch immer nur auf die gleiche Weise eine einzige Form von Bewegung anstoßen, da es ja selbst keinerlei Wandel zeigt im Hinblick auf das in Bewegung Gesetzte. Etwas dagegen, das in Bewegung gesetzt ist von etwas, das zwar selbst
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in Bewegung ist, seinerseits aber von dem Unbewegten in Bewegung gebracht ist, das kann, dadurch daß es sich anders und wieder anders zu den Dingen verhält, Ursache verschiedener Veränderungsarten sein, mehr noch, weil es an entgegengesetzten Orten ist oder gegensätzliche Formen annimmt, wird es jedes der übrigen Dinge auch in gegensätzlicher Weise zu Bewegung veranlassen und bald zu Ruhe, bald zu Bewegung. Somit ist denn aus dem Gesagten auch das durchsichtig geworden, was wir zu Anfang als schwierige Frage aufgeworfen haben, warum denn wohl nicht entweder alles in Veränderung ist oder alles in Ruhe oder ein Teil immer in Veränderung der andere immer in Ruhe, sondern einige Dinge bald (in Veränderung), bald (in Ruhe) sich befinden. Davon ist die Ursache doch jetzt klar, nämlich: Die einen Dinge werden in Veränderung gebracht von dem unbewegten Immerwährenden, deswegen sind sie auch immer in Bewegung, die anderen Dinge (werden in Veränderung gebracht) von etwas, das selbst schon Veränderung und Wandel an sich hat, so daß also auch sie notwendig sich wandeln. Das Unbewegte aber, wie gesagt, kann dadurch, daß es einfach und genau so und an der gleichen Stelle beharrt, nur eine einzige und einfache Bewegung hervorrufen. 7. Indessen, nehmen wir wieder einen anderen Ausgangspunkt, so wird darüber noch mehr Klarheit sein. Es sind also zu untersuchen (die Fragen), (1) ob es eine zusammenhängende Bewegung geben kann oder nicht, (2) wenn das möglich ist, welche das ist, (3) welche die erste (aller) Bewegungsarten ist. Klar ist doch dies: Wenn Bewegung immer sein muß, diese (eine gesuchte Form) aber die erste und zusammenhängend ist, dann ist es diese Bewegungsform, welche das Erste Bewegende in Bewegung setzt, und von ihr gilt dann mit Notwendigkeit: Sie ist eine einzige und (immer) dieselbe und in fortlaufendem Zusammenhang und ursprünglich. Da es nun drei Veränderungsarten sind, nämlich hinsichtlich Größe, Sinnes-
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eigenschaft und Ort, welche (letztere) wir »Fahren« nennen; so muß (eben) diese die ursprüngliche Form sein. (Beweisen wir das:) Unmöglich kann Wachstum sein, wenn nicht Eigenschaftsveränderung vorher vorgelegen hat; was da wächst, tut dies in einem Sinn durch (ihm) Ähnliches, in einem anderen durch Unähnliches: »Nahrung« wird doch genannt ein dem Gegenüberstehenden Gegenüberstehendes; es wird aber in den Körper einbezogen alles (nur in der Form), daß es einem Ähnlichen ähnlich wird; es muß also dieser Wandel ins Gegenteil eine Eigenschaftsveränderung sein. Aber nun, wenn da (etwas) die Eigenschaften ändert, so muß es etwas geben, das dies verursacht und aus einem »der Möglichkeit nach Warmen« ein »wirklich Warmes« macht. Nun ist aber klar, daß das, was da Veränderung verursacht, sich nicht immer gleich verhält, sondern mal näher, ein andermal weiter weg von dem ist, was sich da eigenschaftlich ändert. Das kann aber ohne Ortsbewegung nicht zutreffen. Also: Wenn es immer Veränderung geben muß, so muß auch Ortsbewegung immer die ursprüngliche Bewegungsart sein, und innerhalb dieser Art wieder, wenn es in ihr eine ursprüngliche und eine (andere) nachgeordnete Form (geben sollte), die entsprechende ursprüngliche. Weiter: Anfang aller Einwirkung auf Sinneseigenschaften sind Verdichtung und Lockerung; auch »schwer«, »leicht«, »weich«, »hart«, »warm« und »kalt« sind doch anscheinend gewisse Zustände von Verdichtung und Auflockerung. Verdichtung und Lockerung (ihrerseits) sind ein Vermischen und Entmischen, wonach man von Werden und Untergang der seienden Dinge redet. Was sich nun aber zusammenmischt und wieder entmischt, das muß einen Ortswechsel vornehmen. – Aber ja auch bei dem, was da wächst und schwindet, macht die Größe eine Ortsveränderung durch. Weiter: Auch wenn man es von Folgendem aus betrachtet, wird deutlich werden, daß Ortsbewegung die ursprüngliche ist. Nun ist der Ausdruck »ursprünglich«, wie in Verbindung mit anderen (Worten), so auch in Verbindung mit »Veränderung« ja wohl mehrdeutig: »Vorrangig« (in diesem Sinne) wird
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genannt (1) das, ohne dessen Vorhandensein auch das übrige nicht wäre, es aber ohne das übrige (kann sehr wohl sein), (2) das der Zeit nach Frühere, (3) das dem Wesen nach (Vorrangige). Also (1), da Veränderung fortlaufend sein muß, dies Fortlaufend-Sein aber erfüllt wird entweder durch die zusammenhängende Veränderung oder durch die in Reihe folgende, in stärkerem Maße aber durch die zusammenhängende, und da es besser ist, daß zusammenhängende als daß (nur) in Reihe folgende (Veränderung) ist, und da wir weiter von dem Besseren immer unterstellen, daß in der Natur es vorliegt, wenn das möglich ist, und da nun aber möglich ist, daß es zusammenhängende (Veränderung) gibt – nachgewiesen wird das später, jetzt sei dies einmal vorausgesetzt –, und weil das keine andere sein kann als die Ortsbewegung: deshalb muß (in diesem Sinne) Ortsbewegung die ursprüngliche sein. Es besteht ja keinerlei Notwendigkeit dafür, daß etwas, das den Ort verändert, auch wachsen oder Eigenschaften ändern oder sogar entstehen oder untergehen müßte. (Umgekehrt) dagegen kann von diesen (Arten) keine sein, wenn die zusammenhängende (Art) nicht ist, die das Erste Bewegende in Gang hält. Weiter, (2) der Zeit nach (muß sie auch) die erste (sein). Den immerwährenden (Dingen) allein ist es möglich, diese (Form von Bewegung) zu vollziehen. Dagegen bei einem beliebigen Einzelnen der Wesen, die Entstehen an sich haben, muß die Ortsbewegung die letzte sein unter den Veränderungsarten (, die sie durchmachen): Nach dem Entstehen (kommt) als erstes Eigenschaftsveränderung und Wachstum, die Fortbewegung ist dann die Bewegungsform der schon voll entwickelten Wesen. Aber hier mußte ja ein anderes (Wesen), das Ortsbewegung vollziehen konnte, schon früher da sein, das für das da Entstehende die Ursache seines Entstehens ist, ohne dabei selbst zu entstehen, z. B. das Zeugende (Ursache) des Gezeugten, wohingegen es doch scheinen möchte, als ob das Entstehen die ursprüngliche Veränderungsform wäre aus dem Grunde, weil doch das Ding als erstes einmal entstanden sein muß. Bei jedem beliebigen Einzelnen unter dem, was da Entstehung hat,
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ist das schon so, aber es mußte ja vorher ein bestimmtes Anderes aus dem Bereich dessen, was entsteht, sich bewegen, das selbst schon war und nicht mehr wurde, und wieder ein Anderes früher als es (usw.). Da somit Entstehen unmöglich die erste (Veränderungsform) sein kann – dann wäre ja alles, was der Bewegung unterliegt, vergänglich –, so ist klar, daß auch keine der darauf folgenden Veränderungsformen vorrangig (vor der Ortsbewegung) sein kann; mit »darauffolgend« meine ich: Wachsen, sodann Eigenschaftsveränderung, Schwinden, Untergang; alle die sind ja später als das Entstehen, also, wenn nicht einmal Entstehen vor der Ortsbewegung kommt, so schon gar keine der übrigen Arten von Wandel. (3) Ganz allgemein erscheint das Werdende als ein Unvollkommenes, das noch auf seinen Anfang hin unterwegs ist, mithin ist das dem Ins-Sein-Treten nach Spätere das der Natur nach Frühere. Als Letztes aber kommt die (Fähigkeit zur) Ortsbewegung allen Wesen, die im Werden stehen, zu. Also sind die völlig Unbeweglichen unter den lebenden Wesen dies infolge eines Mangels, z. B. die Pflanzen und viele Tiergattungen; den weiter Entwickelten steht (die Ortsbeweglichkeit) dann zur Verfügung. Wenn daher Ortsbeweglichkeit in höherem Maße eignet den Wesen, die in höherem Maße ihre Naturbestimmung ergriffen haben, dann ist ja wohl auch diese Bewegungsform die erste unter allen anderen dem Wesen nach, und zwar erstens aus diesem (genannten) Grund, aber auch deswegen, weil unter allen Veränderungsarten am wenigsten durch die Fortbewegung das, was sie durchläuft, aus seiner Wesensbestimmtheit heraustritt: nach ihr als einziger wandelt sich nichts in seinem Sein, so wie an dem, was Eigenschaften ändert, das »so-und-so-beschaffen« sich wandelt und an dem, was wächst oder schwindet, das »so-und-so-groß«. – Ganz besonders klar ist aber, daß das selber sich selbst Bewegende in besonders eigentümlicher Weise ebendiese (Veränderungsform) weitergibt, die Ortsbewegung. Und gerade von diesem sagen wir doch, es sei aller Dinge Anfang, die sich da verändern und Veränderung weitergeben, und es sei das Erste für alles in Veränderung Befindliche, – das selbst sich selbst Bewegende.
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Daß also von allen Formen von Veränderung die Ortsbewegung die ursprüngliche ist, ist sonach einsichtig. Welche (Art der) Ortsbewegung aber die erste ist, ist nun aufzuzeigen. Zugleich wird auch das jetzt und früher Zugrundegelegte, nämlich daß es wirklich eine zusammenhängende und immerwährende Form von Bewegung geben kann, im selben Durchgang einsichtig werden. Daß von den übrigen Veränderungsarten keine einen fortlaufenden Zusammenhang bilden kann, ist aus Folgendem einsichtig: Alle verlaufen sie von Entgegengesetztem zu Entgegengesetztem, diese Veränderungen und Wandlungen, z. B. sind für Entstehen und Untergang das »seiend« und »nichtseiend« die Grenzen, für Eigenschaftsveränderung sind es die gegeneinander stehenden Zustände, für Wachsen und Schwinden »Größe« und »Kleinheit« oder (genauer) »Erreichen der Endgröße« oder »Unvollständigkeit«; nun sind aber Veränderungen zu Gegenteiligem (selbst) gegensätzlich. Etwas, das nun aber nicht immer diese Veränderungsform durchläuft, aber auch vor ihr schon war, das muß vor ihr eben in Ruhe gewesen sein. Einsichtig ist dabei, daß es das Gegenteil sein muß, in dem das, was sich da wandeln soll, geruht hat. Ähnlich ist es auch bei den Weisen von Umschlag: Es stehen einander gegenüber »Untergang« und »Entstehen«, einfach genommen, und auch beides in jedem Einzelfall. Wenn folglich unmöglich (etwas) gleichzeitig entgegengesetzte Wandlungsformen vollziehen kann, so wird der Wandel nicht zusammenhängend sein, sondern zwischen seinen Abschnitten wird Zeit liegen. Es macht ja keinen Unterschied, ob sie entgegengesetzt oder nicht entgegengesetzt sind, diese durch ausschließenden Widerspruch bestimmten Wandlungsformen, wenn es nur unmöglich ist, daß sie gleichzeitig bei demselben Gegenstand Vorkommen können – dies bringt ja für die Beweisführung keinerlei Nutzen –, und auch (ist es) nicht (von Belang), wenn (der Gegenstand) auf der Seite des ausschließenden Widerspruchs nicht ruhen müßte, und auch nicht, wenn der Wandel dem Ruhezustand nicht entgegengesetzt wäre – »nichtseiend« ist ja wohl kaum als Ruhezustand zu begreifen, Untergang
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aber führt zu »nichtseiend« –, (wichtig ist) allein, wenn nur dazwischen eine Zeit auftritt; denn so bildet der Wandel keinen fortlaufenden Zusammenhang. Auch in den vorigen (Fällen) war nicht die Gegensätzlichkeit brauchbar (zum Beweis), sondern die Tatsache, daß (die verschiedenen Abschnitte) nicht gleichzeitig vorliegen konnten. Man darf sich aber dadurch nicht verwirren lassen, daß eine und die dieselbe Bestimmung mehreren (anderen) entgegengesetzt ist, z. B. »Veränderung« sowohl gegenüber »Stillstand« wie auch gegenüber »Veränderung in Gegenrichtung«, sondern man soll sich nur daran halten, daß (1) irgendwie zu »Veränderung« und zu »Ruhe« der Gegensatz ist: »Veränderung in Gegenrichtung«, so wie »gleich« und »angemessen« (in Gegensatz stehen) zu »darüber hinaus« und »dahinter zurückbleibend«, und (2) daß weder entgegengesetzte Veränderungsnoch Wandlungsvorgänge gleichzeitig (an einem Gegenstand) vorliegen können. Weiter, bei Entstehen und Untergang erschiene es ja wohl ganz und gar unsinnig, wenn etwas gerade Entstandenes sogleich wieder untergegangen sein müßte und gar keine Zeit zum Bestehen hätte. Folglich dürfte man (entsprechende) Sicherheit auch bei den anderen (Veränderungsformen) gewinnen; es ist ja (nur) natürlich, daß es sich bei allem ähnlich verhält. 8. Daß es eine unendlich fortdauernde (Bewegungsform) wirklich geben kann, die einheitlich ist und immer fortlaufend – und das ist die Form des Kreises –, das wollen wir jetzt vortragen. Alles, was sich fortbewegt, läuft dabei entweder im Kreis oder auf einer Geraden oder auf einer (aus beiden) gemischten (Bahn), folglich, wenn von denen nicht die eine oder andere zusammenhängend ist, so kann auch die aus beiden zusammengesetzte es nicht sein. Daß nun etwas, das eine gerade und (somit) begrenzte Strecke durchläuft, nicht fortlaufend sich dahinbewegt, ist klar: es muß ja umbiegen; was aber auf gerader Strecke wendet, das macht entgegengesetzte Bewegungen; und im Ortsbereich ist entgegengesetzt die Aufwärtsbewegung der
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nach unten, die Vorwärtsbewegung der nach hinten und die nach links der nach rechts; das sind eben die Ortsgegensätze. Was eine einheitliche und zusammenhängende Bewegung ist, ist früher bestimmt worden: Es ist die eines (Gegenstandes) in einer (zusammenhängenden) Zeit in einem Bereich, der bezüglich der Art keinen Unterschied hat – es waren ja drei (Beteiligte), das, was sich da verändert, Beispiel: »Mensch« oder »Gott«, das »wann«, ausgedrückt in Zeit, und als drittes das »worin«, d. h. Ort, Zustand, Form oder Größe –. Gegenteiliges unterscheidet sich nun aber der Art nach und ist nicht eines, und die genannten Unterschiede sind die von »Ort«. Ein Anzeichen dafür, daß Bewegung von A nach B der von B nach A entgegengesetzt ist, findet sich darin, daß sie einander zu Stillstand und Aufhören bringen, wenn sie gleichzeitig stattfinden; und auf dem Kreis ist das genauso, z. B. (Bewegung) von A zu B (entgegengesetzt) der von A zu C – die bringen sich zum Stillstand, auch wenn sie zusammenhängend wären und kein Wendevorgang stattfindet, auf Grund dessen daß Gegenteiliges sich gegenseitig vernichtet und hemmt –; dagegen, Bewegung zur Seite ist der nach oben nicht (entgegengesetzt). Ganz besonders augenscheinlich wird es, daß eine Bewegung auf einer Geraden unmöglich einen fortlaufenden Zusammenhang bilden kann, (wenn man sich klarmacht,) daß etwas, das wendet, notwendig (einmal) zum Stillstand kommen muß, und das nicht nur auf der Geraden, sondern auch wenn (der Gegenstand) einen Kreis macht; die beiden Ausdrücke »Kreisen« und »einen Kreis machen« besagen ja durchaus nicht dasselbe: Im einen Fall kann man den Vorgang der Bewegung verknüpfen, im anderen kann der Gegenstand, wenn er an dieselbe Stelle kommt, von der er aufgebrochen war, (dort) wieder umkehren. – Daß hier die Notwendigkeit eines Haltmachens eintritt, davon liegt die feste Überzeugung nicht bloß bei der Wahrnehmung, sondern auch bei vernünftiger Herleitung. Ausgangspunkt ist folgender: Drei (Stücke) gibt es doch (an einem Bewegungsverlauf), Anfang, Mitte, Ende, und dabei stellt die Mitte gegenüber den beiden anderen beides dar, und der Zahl nach ist sie eins, dem Begriff nach je-
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doch zwei. Außerdem, ein anderes ist das »nach Möglichkeit« und das »in Wirklichkeit«, also ist bei einer Geraden von allen (Punkten) innerhalb der Eckpunkte jede beliebige Marke der Möglichkeit nach eine Mitte, in Wirklichkeit ist sie es nicht, wenn nicht an dieser Stelle (der Gegenstand) seine Bahn teilt, anhält und wieder mit der Bewegung anfängt; so wird dann die Mitte zu einem Anfang und einem Ende, Anfang der folgenden (Bewegung), Ende ihres ersten (Abschnitts) – ich meine beispielsweise, wenn das fortbewegte A bei B haltmacht und dann wieder in Richtung C weiterfährt –; sobald jedoch (der Gegenstand) sich in fortlaufendem Zusammenhang weiterbewegt, dann kann dieses A bei der Marke B weder von sich feststellen, es sei da angekommen, noch es sei von dort losgegangen, sondern nur, es befinde sich (da) im »Jetzt«, aber in keinem Zeitabschnitt, außer in dem (Zeit)ganzen, dessen (jeweilige) Teilung das »Jetzt« ist. – Wenn aber jemand ansetzen wollte, es sei da angekommen und sei da auch wieder abgegangen, so wird das doch fortbewegte A (dort) je einen Halt machen; es ist ja unmöglich, daß A gleichzeitig bei B ankommen und von ihm schon wieder losgehen könnte; also zu einer anderen und je anderen Zeitmarke (muß beides geschehen sein); also wird das Dazwischenliegende ein Zeitstück sein; somit wird A bei B zur Ruhe kommen. Entsprechend auch bei allen anderen Marken, es ist ja bei allen die gleiche Herleitung. Wenn also das fortbewegte A das in der Mitte angesetzte B sowohl als Ende wie als Anfang benutzt, dann muß es da haltmachen, weil es doch eine Zweiheit herstellt, so wie wenn es auch denken könnte. – Von der Anfangsmarke A ist (der Gegenstand) losgegangen, bei C ist er angekommen, wenn er da ans Ende gelangt ist und stillsteht. Also muß man genau das auch gegenüber der Schwierigkeit Vorbringen, – denn es ergibt sich ja folgende Schwierigkeit: Wenn die (Ausdehnung) E der (Ausdehnung) F als gleich angesetzt ist und der (Gegenstand) A in fortlaufender Weise von dem Außenpunkt (von E) zu (dem anderen Eckpunkt von E) C fährt und zugleich aber auch A an der Marke B »ist«, und wenn auch (Gegenstand) D von dem Außenpunkt von F los-
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fährt zum (anderen Außenpunkt) G, und zwar gleichmäßig und mit gleicher Geschwindigkeit wie A, dann wird D vorher bei G ankommen als A bei C; denn was vorher losgefahren und abgegangen ist, das muß auch früher ankommen. Denn das A ist ja nicht zur gleichen Zeit bei B angekommen und auch davon wieder losgegangen, deshalb eben verspätet es sich. Wäre das ja gleichzeitig möglich, so würde es sich nicht verspäten, stattdessen muß es jedoch (da) zum Stillstand kommen. Man darf also nicht die Behauptung setzen: »Zu der Zeit, da A bei B angekommen ist, genau gleichzeitig dazu bewegt sich D von dem Außenpunkt von F weiter fort”, – wenn doch A (zu einer Zeit) bei B angekommen ist, dann gibt es auch sein Losfahren (von da zu einer bestimmten Zeit), und beides ist nicht gleichzeitig –, vielmehr war es (in B) nur in einem Zeitschnitt, nicht in einem Zeitabschnitt. Hier in diesem Fall kann man also unmöglich so sagen, bei der fortlaufenden (Bewegung). Dagegen, bei der Bewegung mit Wendepunkt muß man es genau so sagen: Wenn doch (ein Gegenstand) G in Richtung D sich bewegt, dort wendet und nun wieder nach unten fährt, so hat er den Spitzenpunkt D als Ende und als Anfang benutzt, eine Marke wie zwei; deshalb muß er da zum Stillstand gekommen sein. Und es ist durchaus nicht gleichzeitig, daß er bei D angekommen ist und von da wieder losgefahren ist; denn sonst wäre er ja da, und gleichzeitig wäre er (da) wieder nicht, im gleichen »Jetzt«. Nun also, die alte Lösung darf man hier nicht vortragen: es geht zu sagen, daß G bei D in einem Zeitschnitt ist, und »es ist da angekommen« oder »es ist da losgefahren« treffe gar nicht zu. Es muß ja doch (das G) an ein Ende kommen, das es wirklich gibt, nicht bloß der Möglichkeit nach. Die (Punkte) in der Mitte sind zwar nur der Möglichkeit nach, diesen aber gibt es wirklich, und Ende ist er, von unten (betrachtet), Anfang, von oben; also ist er das auch für die entsprechenden Bewegungen. Es muß also (ein Gegenstand), der auf geradliniger (Bahn) wendet, zum Stillstand kommen. Also kann keine fortlaufende Bewegung auf der Geraden immerwährend sein.
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Auf gleiche Weise muß man auch denen entgegentreten, die die (berüchtigten) Fragen nach Zenons Vortrag stellen [und fordern:] Wenn (ein Gegenstand) immer erst die Hälfte (der geraden Strecke) durchlaufen muß, diese (Halbstücke) aber unendlich viele sind, so (sei es doch wohl) unmöglich, das Unendliche durchzugehen; oder, wie gewisse Leute denselben Gedanken in eine andere Frage fassen und fordern: Schon mit der Bewegung durch die Hälfte (der Strecke) müßte man doch vorher bereits gemäß dem jeweils einzeln zurückgelegten Halben davon zählen können, so daß also, wenn es die ganze (Hälfte) durchlaufen hat, sich ergibt, daß man schon eine unendliche Zahl gezählt haben müßte; das ist jedoch nach allgemeiner Übereinstimmung unmöglich. In den ersten Untersuchungen „Über Veränderung” haben wir eine Lösung gefunden dadurch, daß die Zeit unendlich viele (Jetztpunkte) in sich enthält. Dann ist es ja gar nichts Unsinniges, wenn in »unendlicher« Zeit jemand »Unendliches« durchgeht: in ganz gleicherweise kommt »unendlich« an Erstreckung vor wie an Zeit. Aber, diese Lösung reicht zwar für den Fragesteller aus – es wurde doch gefragt, ob es möglich ist, in begrenzter (Zeit) Unendliches zu durchlaufen oder zu zählen –, hingegen für die Wahrheit der Sache reicht sie nicht. Wenn nämlich jemand das mit der Erstreckung wegläßt und die Fragerei auch, ob es denn möglich ist, in begrenzter Zeit Unendliches zu durchlaufen, sondern das nun für die Zeit selbst wissen will – die Zeit hat ja unendlich viele Teilungen –, dann wird diese Lösung nicht mehr ausreichend sein, sondern man muß das Tatsächliche vortragen, was wir in der soeben angestellten Untersuchung denn auch getan haben. (Also nochmals:) Wenn jemand eine zusammenhängende (Linie) in zwei Halbstücke teilt, so benutzt der die eine Marke wie zwei, er macht sie nämlich zu Anfang und Ende. So macht es der, der (nur) zählt, wie auch der, der (wirklich) in Halbstücke teilt. Nimmt man aber so auseinander, so sind weder die Linie noch die Bewegung (auf ihr) noch zusammenhängend; fortlaufende Bewegung steht doch in Verbindung mit zusammenhängender (Erstreckung), in so einem Zusammenhängenden sind zwar
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unendlich viele Halbstücke enthalten, nur nicht in Wirklichkeit, sondern bloß der Möglichkeit nach. Wenn er das nun wirklich tut, schafft er keineswegs zusammenhängende (Bewegung), sondern er wird sie zum Halten bringen, wie es denn bei einem, der die Halbstücke (auch noch) zählt, offenkundig wird, daß dies eintritt: Die eine Marke muß er notwendig als zwei zählen, von einem Halbstück wird sie das Ende sein, vom anderen der Anfang, wenn er (eben) nicht die zusammenhängende (Bewegung) als eine zählt, sondern als zwei Hälften. – Gegenüber dem, der fragt, ob es denn möglich ist, Unendliches durchzugehen entweder bei Zeit oder bei Erstreckung, muß man also sagen: In einem Sinne ja, im anderen jedoch nicht. Was in tatsächlicher Wirklichkeit (unendlich) ist, geht nicht, was es bloß der Möglichkeit nach ist, geht wohl. Wer eine fortlaufende Bewegung macht, hat nebenbei auch Unendliches durchlaufen, im eigentlichen Sinne aber nicht. Es trifft der Linie doch nur nebenbei zu, unendlich viele Halbstücke zu sein, ihr wesentliches Sein ist ganz etwas anderes. Klar ist aber auch: Wenn man die Marke, die das »früher« und »später« der Zeit trennt, nicht je zum Späteren der Sache nach setzt, so wird gleichzeitig dasselbe (Ding) »seiend« und »nichtseiend« sein, und zu einem Zeitpunkt, wo es »geworden« ist, »nichtseiend«. Die Marke ist zwar beiden (Stücken) gemeinsam, dem früheren und dem späteren, und ist eines und dasselbe der Zahl nach, nur dem Begriff nach ist sie nicht dasselbe – sie ist ja des einen Stückes Ende, des anderen Anfang –; der Sache nach jedoch gehört sie immer zum folgenden Zustand. (Es sei angesetzt) eine Zeit ACB, eine Sache D. Die (sei) in der Zeit A »weiß«, in der Zeit B »nicht-weiß«; im (Punkt) C wäre sie dann also »weiß« und »nicht-weiß«; in jedem beliebigen Punkt von A war es doch wahr, sie als »weiß« anzusprechen, wenn sie doch über diesen ganzen Zeitabschnitt eben weiß war, und in B (gilt das entsprechende für) »nicht-weiß«; C aber kommt an beiden vor. Man darf also nicht zugeben: »Über den ganzen« (Zeitabschnitt A), sondern (muß einschränken): »Außer dem letzten Jetzt, auf dem C liegt«; das gehört schon zum Späteren. Und wenn in dem ganzen A »nicht-weiß« schon
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im Entstehen war und »weiß« im Untergang begriffen, so ist in C eben das eine mit Werden, das andere mit Untergang fertig. Also an diesem Punkt zu allererst ist es richtig zu sagen »weiß« oder »nicht-weiß« oder (man hat diese Folgen): Zu der Zeit, da es mit Werden fertig ist, ist es nicht, und zu der Zeit, da es untergegangen ist, ist es, oder es muß gleichzeitig weiß und nicht-weiß sein, und allgemein seiend und nichtseiend. – Wenn nun etwas, das vorher (als) »nichtseiend« (bestimmt) ist, zu »seiend« notwendig werden muß, und solange es wird, (noch) nicht ist, so ist es nicht möglich, die Zeit in unteilbare Zeitstücke auseinanderzunehmen: Wenn in (der Zeit) A der (Gegenstand) D »weiß« wurde und er dann damit fertig ist und das gleichzeitig auch ist in einem anderen, unteilbaren Zeitstück, das jedoch sich anschließt, es sei B – wenn er in A wurde, war er nicht, in B dagegen ist er –, dann muß es doch irgendwie ein Werden dazwischen geben, somit auch eine Zeit, in der dies stattfand. Diejenigen, die nicht von »unteilbaren« (Einheiten) reden, werden ja auch durchaus nicht das Gleiche sagen, sondern (sie werden sagen): »Von eben der Zeit, in der er entstand, dies zu Ende brachte und nun ist, an ihrer äußersten Marke, an die sich nichts anschließt oder in Reihe folgt«; die unteilbaren Zeitstücke sind aber so etwas in Reihe Folgendes. Einsichtig ist: Wenn (der Gegenstand) in dem ganzen Zeitabschnitt A wurde, so ist die Zeit, in der er damit zu Ende gekommen ist unter Einschluß seines Werdens, nicht länger als die ganze Zeit, in der er nur wurde. Die als sachverwandt zu wertenden Überlegungen, auf Grund deren man wohl Sicherheit gewinnen kann, sind diese und entsprechende derart. Wenn man dagegen rein begrifflich die Sache ansieht, wird man aus Folgendem wohl auch den Eindruck gewinnen, daß sich genau das Gleiche ergibt: Alles, was sich da fortlaufend bewegt, war – wenn es nicht von irgendetwas aus der Bahn gestoßen wird – schon früher auf dem Weg zu dem Ziel, bei dem es dann am Ende seiner Fahrt auch ankommt; z. B., ist (ein Gegenstand) nach B gelangt, so war er (vorher) auf dem Weg dahin, und das nicht erst seit der Zeit, wo er (dem B) nahe war, sondern sogleich
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schon, als er mit der Bewegung anfing; denn warum sollte das jetzt gerade mehr der Fall sein als vorher? Gleiches gilt für alle anderen (Bahnpunkte). Also angenommen, ein von A fort fahrender Gegenstand soll, sobald er bei C angelangt ist, wieder nach A kommen, und das in fortlaufender Bewegung; dann wird er also zu der Zeit, wo er von A wegfährt hin zu C, auch die Bewegung von C nach A (schon) ausführen, somit gleichzeitig gegenläufige (Bewegungen), – denn gegenläufig sind sie doch auf der Geraden. Zugleich (ergibt sich auch): Er wechselt fort von einer Stelle, wo er gar nicht ist. Wenn das nun nicht geht, so muß er bei C anhalten. Somit ist das nicht eine einheitliche Bewegung, denn eine durch einen Halt auseinandergenommene (Bewegung) ist nicht einheitlich. Weiter ergibt sich auch aus Folgendem Einsicht, was mehr allgemein für jede Form von Veränderung gilt: Wenn alles, was sich da verändert, eine der genannten Arten von Veränderung durchmacht und entsprechend einen der entgegengesetzten Ruhezustände erfährt – es gab doch keine andere Art neben diesen –, und wenn weiter etwas, das diese eine Veränderungsart nicht immer durchläuft – ich rede von solchen, die verschieden der Art nach sind, und nicht von dem Fall, daß es nur ein Teilstück eines Veränderungsganzen ist –, notwendig früher den entsprechend entgegengesetzten Ruhezustand einnehmen muß – Ruhe ist doch (nur) Wegnahme von Veränderung –: wenn nun also die Bewegungen auf der Geraden einander entgegengesetzt sind und es nicht möglich ist, gleichzeitig entgegengesetzte Bewegungen auszuführen, dann wird ja wohl ein Gegenstand, der von A nach C fährt, nicht gleichzeitig auch von C nach A fahren können. Da (der Gegenstand) nicht gleichzeitig (hin und her) sich bewegen kann, er aber doch diese Bewegung (zurück zu A) ausführt, muß er vorher bei C zum Stillstand gekommen sein; das war doch die entgegengesetzte Ruhe zur Bewegung von C fort. Klar ist somit aus dem Gesagten: Diese Bewegung bildet keinen fortlaufenden Zusammenhang. Noch auch folgende Begründung, die mehr sachverwandt ist als das Gesagte: Es ist doch zur gleichen Zeit, daß »nicht-
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weiß« vergangen ist und »weiß« entstanden. Wenn sie nun fortlaufend erfolgt, die Veränderung zu »weiß« hin und von »weiß« wieder fort, und (diese Bestimmung) nicht eine bestimmte Zeit lang bleibt, (dann ergibt das folgenden Unsinn:) Gleichzeitig ist »nicht-weiß« vergangen, »weiß« entstanden und auch »nicht-weiß« entstanden; diese drei fielen dann ja in die gleiche Zeit. Weiter, (es gilt) nicht: »Wenn Zeit zusammenhängend, dann auch Bewegung«, sondern sie stellt nur eine Reihenfolge dar. Wie sollte denn auch der Außenpunkt von Gegensätzen der gleiche sein, z. B. von »Weiße« und »Schwärze«? Dagegen, die (Bewegung) auf dem (Kreis)umlauf muß sein einheitlich und zusammenhängend. Hier ergibt sich ja nichts Unmögliches: Der sich von A fortbewegende Gegenstand wird sich gleichzeitig auch auf A zubewegen, nach einer und derselben Strebung – wohin er (zum Schluß) ja kommen wird, dahin bewegt er sich auch (seit Anfang) –, aber nicht wird er gleichzeitig gegenläufige oder entgegengesetzte Bewegungen ausführen; (es gilt) doch nicht (einfach): »Jede (Bewegung) da und da hin ist der von dort weg gegenläufig oder entgegengesetzt«, sondern gegenläufig ist die (hin und her) auf der Geraden – bei ihr gibt es doch Ortsgegensätze, z. B. die (Endpunkte) auf dem Durchmesser: die sind am weitesten von einander entfernt –, entgegengesetzt ist Bewegung (einer anderen) auf der gleichen Raumerstreckung. Es besteht also kein Hinderungsgrund dafür, daß (Kreisbewegung) zusammenhängend sich vollzieht und zu keiner Zeit aussetzt; denn Bewegung im Kreis läuft vom gleichen (Punkt) zum gleichen (Punkt), dagegen die auf der Geraden (geht) von diesem einen zu einem anderen; und die (Bewegung) auf dem Kreis (verläuft) nie innerhalb der derselben (Außenpunkte), die auf der Geraden dagegen tut das oft. Die Bewegung also, die immer in anderem und wieder anderem (Raumstück) verläuft, kann sich in fortlaufendem Zusammenhang vollziehen, die dagegen vielmals innerhalb derselben (Eckpunkte hin und her) kann das nicht; sie müßte sonst ja gleichzeitig entgegengesetzte (Verläufe) machen. Also auch auf dem Halbkreis oder sonst einem Umlauf ist es keinesfalls
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möglich, daß (etwas) sich fortlaufend bewegt; da müßte es ja oftmals die gleichen Bewegungen (hintereinander) ausführen und gegenläufige Wenden vollziehen; ist doch dabei nicht dem Anfang das Ende angeknüpft. Die Kreis(bewegung) dagegen verknüpft (beides), und sie ist die einzige vollkommene. Einsichtig wird aus dieser Einteilung dies: Auch die übrigen Arten von Veränderung können keinen fortlaufenden Zusammenhang bilden. Bei ihnen allen ergibt sich doch, daß dieselben (Veränderungswege) vielmal durchlaufen werden, z. B. bei Eigenschaftsveränderung die Mittelzustände, bei der (Veränderung) des »so-und-so-viel« die im Verlauf vorkommenden Größen, und bei Entstehen und Untergang (ist es) genauso; es macht ja gar keinen Unterschied, wenige oder viele (solcher Zwischenstufen) zu machen, in denen sich Wandel vollzieht, und auch nicht, mittenzwischen noch eins zu setzen oder wegzunehmen: in beiden Fällen ergibt sich ja, daß dieselben (Stufen) oftmals durchlaufen werden. Klar ist somit hieraus auch: Die »Naturlehrer« sprechen nicht angemessen, die da sagen, alles Wahrnehmbare sei immer in Veränderung. Es muß dabei doch eine dieser Veränderungsarten durchmachen und besonders – nach ihnen – Eigenschaften ändern; sie reden ja von »Immer-im-Fluß-Sein« und »Schwinden«, und auch noch Entstehen und Untergang sprechen sie als Eigenschaftsveränderung an. Diese Rede hier ging aber ganz allgemein um jede Form von Veränderung und brachte vor, daß nach gar keiner Form von Veränderung sich (etwas) fortlaufend bewegen kann, außer der (Bewegung) im Kreis, somit auch nicht im Bereich von Eigenschaftsveränderung oder Wachstum. – Darüber, daß mithin keine Form von Wandel unendlich oder in fortlaufendem Zusammenhang sein kann, ausgenommen die Bahn auf dem Kreis, sei von uns so viel vorgetragen. 9. Daß von den Ortsbewegungen die Kreisbewegung die ursprüngliche ist, ist klar. Jede Fortbewegung, wie wir ja auch früher schon sagten, läuft entweder auf einem Kreis oder auf einer Geraden, oder (sie ist) daraus zusammengesetzt. Die
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beiden erstgenannten müssen dieser vorhergehen, aus ihnen besteht sie doch. Der (Bewegung) auf der Geraden (geht wieder voran) die im Kreis; einfach ist sie doch und in höherem Maße vollkommen. Ins Unendliche kann man ja nicht auf einer Geraden fahren – ein in diesem Sinn Unendliches gibt es doch nicht, und zugleich, auch wenn es das gäbe, bewegte sich nichts: es geschieht nicht das Unmögliche, eine unendliche (Gerade) zu Ende zu durchlaufen, ist aber unmöglich –; andrerseits, Bewegung auf der begrenzten Geraden, die dann wendet, ist zusammengesetzt und (eigentlich) zwei Bewegungen; wendet sie dagegen nicht, so ist sie unvollkommen und vergänglich. Nun geht aber nach Natur, Begriff und Zeit das Vollkommene dem Unvollkommenen vorher, vor dem Vergänglichen das Unvergängliche. Außerdem ist auch vorrangig (die Bewegungsform), die immerwährend sein kann, vor der, die das nicht kann. Die (Bewegung) im Kreis kann eben nun immerwährend sein, von den anderen Formen kann dies weder die Fortbewegung noch irgendeine andere; da muß doch ein Stillstand eintreten, wenn aber Stillstand (da ist), ist die Bewegung untergegangen. Durchaus vernünftig hat sich das ergeben, daß die (Bewegung) im Kreis einheitlich ist und fortlaufend, und nicht die auf der Geraden: bei der auf der Geraden, sind Anfang, Ende und Mitte genau bestimmt, und sie hat alles in sich selbst, so daß es (einen Punkt) gibt, von wo aus der bewegte Gegenstand beginnt und wo er aufhört – an den Enden kommt doch alles je zum Stillstand, einerlei ob es das »Woher«(-Ende) ist oder das »Wo«(-Ende) –, dagegen, bei der im Kreis herumführenden (Bewegung sind diese Punkte) unbestimmt; warum sollte denn irgend ein Grenzpunkt unter allen auf der Linie besonders hervorgehoben sein? In gleicher Weise ist doch jeder sowohl Anfang als Mitte und auch Ende, womit (der Gegenstand) einerseits immer am Anfang und am Ende ist, andrerseits auch nie. Aus diesem Grund eben bewegt sich einerseits und ruht auch in gewissem Sinn die Kugel; sie hat ja den gleichen Ort inne. Ursache davon ist, daß alles dies auf ihren Mittelpunkt neben-
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bei zutrifft: Sowohl Anfang wie Mitte dieser Raumgröße, und Ende auch, ist er; und das hat zur Folge: Weil dieser (Punkt) außerhalb der Umlaufbahn liegt, so gibt es (auf ihr) nichts, wo das Bewegte zum Stillstand kommen kann, als hätte es (eine bestimmte Strecke) durchlaufen – immer wird es doch um die Mitte herumgeführt, aber nicht zu einem Endpunkt hin –; weil nun aber dieser (Punkt) an seiner Stelle bleibt, so ruht einerseits in einem bestimmten Sinn das Ganze immer, andrerseits ist es auch fortlaufend in Bewegung. Hier ergibt sich auf Gegenseitigkeit: Weil der Umlauf Maß der Bewegungen ist, muß er das Ursprüngliche sein – alles wird ja durch das Erstmaß gemessen –, und (umgekehrt) weil er das Ursprüngliche ist, ist er Maß der übrigen (Bewegungen). Weiter, auch gleichmäßig kann sein allein die Bewegung im Kreis; die (Gegenstände, die sich) auf der Geraden (bewegen), tun dies in ungleichmäßiger Geschwindigkeit vom Anfang aus zum Ende hin; alle (Körper) kommen ja, je weiter sie vom (natürlichen Ort) des ruhenden Körpers entfernt sind, in umso schnellere Bewegung. Allein der (Bewegung) im Kreis eignet von Natur weder Anfang noch Ende an ihr selbst, sondern (dies liegt) außerhalb (von ihr). – Daß die Bewegung im Ortsbereich die ursprüngliche Form von Veränderung ist, bezeugen alle, die sich über Veränderung Gedanken gemacht haben; ihre Ursprünge leiten sie ja zurück auf (Gegenstände), die diese Form von Bewegung vollziehen. Entmischung und Mischung sind doch Bewegungen im Raum, ebenso setzen aber in Bewegung »Liebe« und »Zank«: das eine scheidet, das andere mischt von ihnen. Und von seinem »Geist« sagt Anaxagoras, er scheide auseinander, dieser erste Bewegungsgeber. Ähnlich (machen es) auch die, welche eine derartige Ursache durchaus nicht anerkennen, stattdessen behaupten, Bewegung ergebe sich auf Grund des Leeren: auch sie sagen, daß das wirkliche Naturding die Ortsbewegung vollziehe – Bewegung infolge von Leere ist doch Fortbewegung und gewissermaßen ortsbezogen –, von den anderen (Bewegungsformen) komme keine den ersten (Körpern) zu, sondern nur den aus ihnen (zusammengesetzten), meinen sie; da wach-
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se etwas und schwinde und ändere Eigenschaften auf Grund davon, daß die unteilbaren Körper sich zusammenmischen und wieder auseinanderscheiden, sagen sie. Genauso auch die, welche durch Verdichtung und Lockerung das Werden und Vergehen zurichten: mit Vermischung und Entmischung ordnen sie das durch. Noch (sind) neben diesen die (da), welche die »Seele« zur Ursache der Bewegung machen: Das »selbst sich selbst Bewegende« sei Ursprung, sagen sie, aller bewegten Gegenstände. Nun setzt aber das Lebewesen und alles, was da beseelt ist, eben die Ortsbewegung an sich in Gang. Und im eigentlichen Wortsinn reden wir von Be-»Weg«-ung nur bei dem, was sich im Raum bewegt; wenn dagegen etwas an der gleichen Stelle stillsteht und wächst oder schwindet oder gerade dabei ist, Eigenschaften zu ändern, dann reden wir von »Bewegung in bestimmter Hinsicht«, nicht einfach so von Bewegung. – Daß also (1) immer Veränderung war und sein wird alle Zeit, und welches der Ursprung der immerwährenden Bewegung ist, außerdem, welches die erste Bewegungsform ist und welche Art von Bewegung allein immerwährend sein kann, und schließlich, daß das erste Bewegende (selbst) unbewegt –: ist darüber ist nun gesprochen. 10. Daß (2) dies teillos sein muß und keine Ausdehnungsgröße haben kann, wollen wir nun ausführen, nachdem wir zuerst einmal über das, was dem vorauszusetzen ist, Bestimmungen getroffen haben. (1) Eines davon ist: Nichts Begrenztes kann über unendliche Zeit Bewegung in Gang setzen oder halten. Drei (daran Beteiligte) sind es doch: Was Bewegung abgibt, was sich bewegt, als drittes das »worin«, die Zeit. Diese sind entweder alle unbegrenzt oder alle begrenzt oder einige (dies oder das), z. B. zwei (dies) oder nur eines (und umgekehrt). Es sei also A das Bewegunggebende, das Bewegte B, unendlich: Zeit C. Es soll nun D von B einen Teil bewegen, E; das kann ja wohl nicht eine Zeit, gleich C, dauern; in mehr (Zeit wird) doch das Größere (bewegt). Also ist die Zeit F nicht unendlich; und so werde ich, in-
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dem ich zu D Hinzufügungen mache, das A aufbrauchen, und (mit Hinzufügungen) zu E das B; die Zeit aber kann ich nicht aufbrauchen, indem ich immer ein gleiches Stück wegnehme, sie ist ja unendlich. Somit wird also das ganze A das gesamte B bewegen in einem begrenzten Zeitabschnitt von C. Es ist also nicht möglich, daß etwas unter Einwirkung eines Begrenzten eine unendliche Bewegung ausführen könnte. Daß es also nicht möglich ist, daß ein Begrenztes über unendliche Zeit hin Bewegung mitteilen könnte, ist einsichtig; daß aber auch (2) ganz allgemein nicht möglich ist, daß in einer begrenzten Größe unbegrenzt viel Wirkungskraft steckt, ist aus Folgendem klar: Es sei je die stärkere Kraft, die gleiche Wirkung in geringerer Zeit schafft, etwa wenn sie wärmt oder süßt oder wirft oder überhaupt eben verändert; dann muß also unter Einwirkung dieses begrenzten (Gegenstandes), der aber unendlich viel Kraft haben soll, etwas eine bestimmte Wirkung erfahren, und zwar eine größere als unter Einwirkung eines anderen (Gegenstandes); in jedem Falle größer ist doch die unendliche (Kraft). Nun aber kann es dann (für diesen Verlauf) gar keine Zeitdauer mehr geben: Wenn doch einmal die Zeit A die sein soll, in welcher diese unendliche Stärke erwärmt oder vorwärtsgestoßen hat, in (der Zeit) AB aber soll eine begrenzte dies geschafft haben, dann brauche ich diese begrenzte (Kraft) nur immer durch Hinzunahme einer weiteren je begrenzten zu vergrößern, und dann komme ich irgendwann einmal zu dem Maß, das in (Zeit) A die Wirkung geschafft hat. Indem ich zu Begrenztem jeweils Hinzufügungen mache, werde ich jedes fest bestimmte Maß überschreiten können, und indem ich wegnehme, schaffe ich entsprechend Mangel. Es gibt dann also eine begrenzte (Kraft), die in gleicher Zeit (genausoviel) Veränderung schafft wie die unbegrenzte, und das geht nicht. Also kann nichts Begrenztes unbegrenzte Kraft haben. Also (kann) auch nicht (3) in Unbegrenztem begrenzte (Kraft sein). Nun ist es zwar möglich, daß in kleinerer Größe mehr Kraft steckt, aber noch eher doch (ist) in größerer mehr. Es sei also (Größe) AB unbegrenzt; dann hat BC eine be-
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stimmte Kraft, die in einer bestimmten Zeit den Gegenstand D verändert hat, diese Zeit sei EF. Wenn ich nun von BC das Doppelte nehme, so wird es in der Hälfte der Zeit EF – dies Verhältnis sei einmal angesetzt –, also in FH, die Veränderung schaffen. Wenn ich nun immer weiter so vorgehe, werde ich das AB niemals durchlaufen, von der gegebenen Zeit aber werde ich immer weniger in der Hand haben. Somit wird die Kraft unbegrenzt sein. Sie übertrifft ja jede begrenzte Kraft, wenn denn von jeder begrenzten Kraft auch die zugehörige Zeit begrenzt sein muß – wenn doch eine so und so große (Kraft) in so und so viel Zeit (etwas Bestimmtes bewegt), dann wird eine größere es in einer geringeren, aber doch genau bestimmten Zeit schaffen, gemäß der Wechselseitigkeit der Entsprechung –; »unbegrenzt« aber (kann) jede Kraft (nur in dem Sinne sein), wie auch Menge und Größe, die jedes bestimmte Maß überschreitet. Man kann dies aber auch so zeigen: Wir werden uns irgendeine Kraft nehmen, die der Gattung nach dieselbe ist wie die in der unbegrenzten Größe, die soll aber in einer begrenzten Größe stecken, und die wird dann die in der unbegrenzten (Größe) vorhandene begrenzte Kraft ausmessen. Daß also nicht sein kann unbegrenzte Kraft in begrenzter Größe und auch nicht in unbegrenzter (Größe) begrenzte (Kraft), ist aus diesem klar. Hinsichtlich der Gegenstände aber, die sich fortbewegen, ist es sinnvoll, zunächst einmal eine bestimmte Schwierigkeit durchzugehen: Wenn alles, was sich da bewegt, bewegt wird von etwas, soweit es nicht selber sich selbst in Bewegung setzt, wie kann es dann sein, daß einige Gegenstände sich fortlaufend weiterbewegen, obwohl doch das Bewegunggebende mit ihnen nicht mehr in Berührung ist, z B. geworfene Gegenstände? Wenn dagegen (eingewandt wird:) Der Bewegungsgeber setzt ja gleichzeitig noch etwas anderes in Bewegung, Beispiel hier: Die Luft, die (selbst) in Bewegung gesetzt wird und diese weitergibt, so (erscheint es) doch genauso unmöglich, daß sich die nun bewegen sollte, wenn das erste (Bewegunggebende) mit ihr nicht in Berührung ist und ihr nicht weiter Bewegung
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mitteilt; stattdessen müßten alle Beteiligten gleichzeitig sich bewegen und auch zur Ruhe gekommen sein, wenn das erste Bewegunggebende eben dies tut, auch dann, wenn es, so wie der Magnetstein, das zum Bewegung-Weitergeben fähig macht, was es in Bewegung gesetzt hat. Es ist also einerseits notwendig, dies festzustellen: In der Tat macht das erste Bewegunggebende (andere Körper) zum Weitergeben von Bewegung fähig, diese seien Luft oder Wasser oder ein anderer derartiger Körper, dessen Natur es ist, Bewegung weiterzugeben und mitgeteilt zu bekommen. Dagegen jedoch, es ist nicht gleichzeitig, daß (so ein Körper) damit aufhört, Bewegung weiterzugeben und selbst in Bewegung zu sein, sondern mit der Eigenbewegung (hört er) wohl gleichzeitig damit (auf), daß der Bewegende eben damit aufhört, hingegen Bewegung weitergebend ist er immer noch. Deswegen eben setzt er noch anderes Weitere in Bewegung, das sich an ihn anschließt; und bei dem gilt wieder das gleiche Verhältnis (usw.). Dies kommt aber zu einem Ende, wenn die Bewegungskraft, die dem Folgenden mitgeteilt wird, immer geringer wird. Am Schluß tritt Stillstand ein, wenn das vorletzte Stück (das letzte) nicht mehr zum Bewegung-Weitergebenden (machen kann), sondern nur noch zum Bewegten. Diese (beiden) müssen gleichzeitig zum Stillstand übergehen, das eine mit seinem In-Bewegung-Setzen, das andere mit seinem In-Bewegung-Sein, und somit auch diese ganze Bewegung. Dieser Bewegungsverlauf kommt vor bei solchen Gegenständen, denen es gegeben ist, einmal sich zu bewegen, ein andermal stillzustehen, und er ist nicht zusammenhängend, sondern das scheint nur so: er besteht aus einander folgenden oder sich berührenden (Teilstücken); hier ist das Bewegunggebende ja nicht eines, sondern es ist eine Reihe sich aneinander anschließender (Körper). Aus diesem Grund eben entsteht derartige Bewegung – manche sagen, das sei »wechselseitige Umstellung« – (besonders) in Luft und Wasser. Es ist jedoch unmöglich, das Vorgetragene anders zu lösen, außer auf die genannte Weise. Die »Wechselumstellung« dagegen macht, daß alles (in dieser Reihe) gleichzeitig in Bewegung ist und
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Bewegung weitergibt, also gilt das auch für das Zur-RuheKommen; dagegen erscheint doch vor unseren Augen ein bestimmtes Einzelnes, das sich fortlaufend in Bewegung befindet. Durch wessen Einwirkung denn? Doch wohl nicht unter der des (immer) gleichen (Bewegers). Da nun unter dem, was es gibt, fortlaufende Veränderung Notwendigkeit ist, diese (Veränderung) aber ist einheitlich, – und da weiter diese einheitliche (Veränderung) einerseits die einer bestimmten Raumgröße sein muß – es kann sich ja ein Größenloses nicht bewegen – andrerseits die einer einzigen Einheit unter Einwirkung eines Einzigen – sonst ist sie ja nicht zusammenhängend, sondern nur ein Verlauf schließt sich an einen anderen an, und sie ist auseinandergeteilt –: wenn es also ein einziges ist, das ihr Bewegung mitteilt, so gibt es ihr Bewegung entweder als selbst in Bewegung befindlich oder als unveränderlich seiend. Nimmt man es also als bewegt an, so wird nachfolgen müssen, daß es auch selbst dem Wandel unterliegt, zugleich muß es auch von etwas in Bewegung gesetzt werden (usw.), sodaß man Einhalt gebieten und zu (der Auffassung) kommen wird: Bewegung unter Einwirkung eines Unbewegten. Ein solches muß sich ja nicht mitwandeln, sondern es wird, erstens, immer in der Lage sein, Bewegung mitzuteilen – mühelos ist es ja, so Bewegung abzugeben –, zweitens ist auch diese Art Bewegung gleichmäßig, entweder ausschließlich sie oder doch sie am meisten; denn was ihr Anstoß gibt, hat keinerlei Wandel an sich. Es darf aber auch das Bewegte im Verhältnis zu ihm keinerlei Wandel haben, damit die Bewegung gleichartig bleibt. So ist also Notwendigkeit: Entweder in der Mitte oder auf der Kreislinie ist (das Bewegende); das sind doch hier die Ursprünge (von allem). Nun aber bewegt sich doch am schnellsten das, was dem Bewegunggebenden am nächsten ist; von der Art ist die Bewegung auf der Kreisbahn. Dort also (sitzt) das Bewegunggebende. Es hat aber eine Schwierigkeit (die Frage): Kann etwas Bewegtes fortlaufend Bewegung mitteilen, – aber nicht so wie etwas, das stößt, wieder und wieder, das (nur) durch Nacheinander fortlaufend ist? (Antwort:) Entweder muß es hier selbst
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immer stoßen oder ziehen oder beides, oder (es tut dies) ein von ihm Verschiedenes, wobei eines dies vom anderen übernimmt, wie es vor langem über die geworfenen (Gegenstände) gesagt war, wo auf Grund der Teilbarkeit der Luft immer wieder ein anderes Stück in Bewegung gerät und Bewegung weitergibt. In beiden Fällen jedoch kann dies nicht ein einheitlicher Bewegungsverlauf sein, sondern nur eine Folge (von Verläufen). Einzig und allein ist also zusammenhängend (die Bewegung), welche durch das Unbewegte in Gang gesetzt und gehalten wird: immer sich gleich verhaltend wird es sich auch gegenüber dem Bewegten gleich verhalten und (so) fortlaufend. Nachdem dies alles bestimmt ist, ist einsichtig: Unmöglich kann das erste Bewegende und Unbewegte irgendeine Ausdehnungsgröße besitzen. Wenn es nämlich (solche) Größe hätte, dann müßte es entweder begrenzt sein oder unbegrenzt. Nun, daß eine unbegrenzte Ausdehnungsgröße nicht sein kann, das ist früher gezeigt in den Untersuchungen »Über Natur«. Daß andererseits eine begrenzte (Größe) unmöglich unendliche Kraft besitzen kann und daß unmöglich von einem Begrenzten etwas über unendliche Zeit bewegt werden kann, das ist gerade gerade eben gezeigt. Das erste Bewegende setzt aber nun doch immerwährende Bewegung in Gang und (erhält sie) über eine unendliche Zeit. Somit ist einsichtig: Nicht auseinandernehmbar ist es, teillos und hat keine Ausdehnungsgröße.
ARISTOTELES Über die Seele
I Erstes Buch
1. Da wir das Wissen für eines der schönen und edlen Dinge halten – und zwar ein (Wissen) mehr als das andere, sei es der Genauigkeit nach oder sei es, weil es bessere und staunenswertere Dinge betrifft –, so dürften wir aus diesen beiden Gründen die Lehre von der Seele wohl mit Recht unter die ersten (Wissensgebiete) setzen. Auch scheint die Kenntnis von ihr zur Wahrheit insgesamt Großes beizutragen, am meisten jedoch in Bezug auf die Natur; denn sie ist wie ein Prinzip für die Lebewesen. Wir stellen uns die Aufgabe, ihre Natur und Substanz zu betrachten und zu erkennen, ferner alle ihre hinzukommenden Eigenschaften. Davon scheinen die einen der Seele eigentümliche Widerfahrnisse zu sein, die anderen aber durch sie auch den Lebewesen zuzukommen. Es gehört in jeder Beziehung jedenfalls zu den schwierigsten Aufgaben, etwas Verlässliches über sie in Erfahrung zu bringen. Denn da sich die Frage auch für vieles andere stellt – ich meine die nach der Substanz und dem Was-es-ist –, könnte man vielleicht der Meinung sein, dass es eine einzige Methode für alles gibt, von dem wir die Substanz erkennen wollen, ebenso wie es auch für die eigentümlichen hinzukommenden Eigenschaften den Beweis gibt, so dass man diese Methode zu suchen hätte. Wenn es aber nicht eine einzige und gemeinsame Methode für das Wases-ist gibt, so wird es noch schwerer, sich damit zu beschäftigen: Man wird dann nämlich für jedes Einzelgebiet herauszufinden haben, welches die (richtige) Weise ist. Wenn es aber klar ist, ob es ein Beweis oder eine Einteilung oder auch irgendeine andere Methode ist, bleiben immer noch viele Schwierigkeiten und Zweifel, von wo die Forschung ihren Ausgang nehmen muss. Denn unterschiedliche Dinge haben unterschiedliche Prinzipien, ganz so wie bei Zahlen und Flächen. Zunächst ist es wohl notwendig zu unterscheiden, in welche der Gattungen sie gehört und was sie ist – damit meine ich, ob sie ein Dies
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und eine Substanz ist oder eine Qualität oder eine Quantität oder auch eine andere der unterschiedenen Kategorien; ferner, ob sie zu dem gehört, was dem Vermögen nach existiert, oder eher eine Art von Vollendung ist; dies macht nämlich keinen geringen Unterschied. Zu prüfen ist auch, ob sie teilbar oder ungeteilt ist und ob jede Seele homogen ist oder nicht; wenn sie aber nicht homogen ist, (ist zu prüfen,) ob sie sich der Art oder der Gattung nach unterscheidet. Denn diejenigen, die sich jetzt zur Seele äußern und forschen, scheinen ausschließlich die menschliche Seele zu untersuchen; man muss sich aber vorsehen, damit einem nicht entgeht, ob der Begriff der Seele einheitlich ist, so wie der des Lebewesens, oder ob er jeweils ein anderer ist – z. B. von Pferd, Hund, Mensch oder Gott – und das allgemeine Lebewesen entweder gar nichts oder nachgeordnet ist, und ebenso, wie wenn etwas anderes Gemeinsames ausgesagt würde. Ferner, wenn es nicht viele Seelen gibt, sondern Teile: Soll zuerst die ganze Seele untersucht werden oder die Teile? Aber auch bei diesen ist schwer zu unterscheiden, welche von Natur voneinander verschieden sind und ob zuerst die Teile untersucht werden müssen oder deren Leistungen, z. B. das Denken oder die Vernunft und das Wahrnehmen oder das Wahrnehmungsvermögen; und ebenso auch bei den anderen (Teilen). Wenn aber die Leistungen zuerst kommen, dürfte man wiederum in die Schwierigkeit geraten, ob zuerst deren Gegenstände zu untersuchen sind, etwa der Wahrnehmungsgegenstand vor dem Wahrnehmungsvermögen und der Denkgegenstand vor der Vernunft. Es scheint aber nicht nur nützlich zu sein, das Was-es-ist erkannt zu haben, um die Ursachen der den Substanzen hinzukommenden Eigenschaften zu erkennen – wie in der Mathematik, was das Gerade und das Krumme ist oder was Linie und Oberfläche sind, um zu erkennen, wie vielen rechten Winkeln die Winkel des Dreiecks gleich sind –, sondern auch die Eigenschaften tragen umgekehrt einen großen Teil dazu bei, Wissen über das Was-es-ist zu erlangen: Denn wenn wir die Eigenschaften, so wie sie erscheinen, erklären können, entweder alle oder die meisten, dann werden wir auch am besten über die Substanz sprechen können; denn das Prin-
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zip allen Beweises ist das Was-es-ist, so dass alle Definitionen, aus denen sich kein Erkennen der Eigenschaften ergibt und die es nicht wenigstens erleichtern, Vermutungen über sie anzustellen, offenbar alle in dialektischer Weise dahingesagt und leer sind. Eine Schwierigkeit bereiten auch die Widerfahrnisse der Seele, nämlich ob sie alle mit ihrem Träger gemeinsam sind oder ob es auch ein (Widerfahrnis) gibt, das der Seele als solcher eigentümlich ist. Denn dies herauszufinden ist zwar notwendig, aber nicht leicht. Von den meisten (Widerfahrnissen) scheint sie keines ohne den Körper zu erleiden oder hervorzubringen, z. B. zürnen, mutig sein, begehren und überhaupt wahrnehmen. Am ehesten scheint noch das Denken (der Seele) eigentümlich zu sein; wenn aber auch dies eine Art Vorstellung oder nicht ohne Vorstellung ist, so könnte auch dies nicht ohne Körper sein. Wenn also irgendeine der Leistungen oder Widerfahrnisse der Seele (ihr) eigentümlich ist, dann könnte sie wohl (vom Körper) abgetrennt werden. Wenn es aber nichts für sie Eigentümliches gibt, dürfte sie wohl auch nicht abtrennbar sein, sondern es wird sich so wie bei dem Geraden verhalten: Diesem kommen, insofern es gerade ist, viele Eigenschaften zu, z. B. die eherne Kugel an einem Punkt zu berühren, jedoch wird es sie bestimmt nicht so als abgetrenntes Gerades berühren; es ist nämlich nicht abtrennbar, da es immer mit einem Körper verbunden ist. Es scheinen aber auch die Widerfahrnisse der Seele alle mit dem Körper verbunden zu sein, Zorn, Sanftmut, Furcht, Mitleid, Zuversicht, ferner Freude und das Lieben und Hassen. Denn gleichzeitig mit diesen erleidet der Körper etwas. Dies zeigt sich daran, dass sich zuweilen schlimme Erlebnisse deutlich sichtbar zutragen und man sich nicht erzürnt oder in Furcht gerät, während man andererseits manchmal von kleinen und unbedeutenden (Erlebnissen) bewegt wird, wenn der Körper in Aufregung und in der Verfassung ist, wie wenn man zürnt. Und noch deutlicher ist dies: Wenn nämlich gar nichts Furchterregendes da ist, geraten sie manchmal in die Widerfahrnisse desjenigen, der sich fürchtet. Wenn sich dies so verhält, ist klar, dass die Wider-
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fahrnisse (der Seele) in Materie befindliche Begriffe sind. Daher sind ihre Definitionen von solcher Art wie »Das Zürnen ist eine Art von Bewegung des so-und-so beschaffenen Körpers – oder Körperteils oder Vermögens – aufgrund dieser bestimmten Ursache um dieses bestimmten Zweckes willen«. Und deswegen ist es bereits Aufgabe eines Naturphilosophen, die Seele zu betrachten, (und zwar) entweder jede Seele oder die so beschaffene. Der Naturphilosoph und der Dialektiker würden diese (Widerfahrnisse) aber auf jeweils unterschiedliche Weise definieren, z. B. was der Zorn ist: der eine nämlich als Streben nach Vergeltung oder etwas von dieser Art, der andere dagegen als Sieden des Blutes und des Warmen in der Herzgegend. Von diesen nennt der eine die Materie und der andere die Form, d. h. den Begriff. Denn dieser Begriff ist von der Sache, und es ist notwendig, dass er sich in einer Materie von ganz bestimmter Beschaffenheit befindet, wenn er existieren soll. In der gleichen Weise ist der eine Begriff eines Hauses von folgender Art: »Bedeckung, die geeignet ist, Schaden durch Wind, Regen und Hitze zu verhindern«; der andere dagegen wird sagen, es seien Steine, Ziegel und Holz; und wieder ein anderer (wird sagen), dass es die Form in diesen (Materialien) um dieser bestimmten Zwecke willen ist. Welcher von diesen ist also der Naturphilosoph? Ist es der, der sich mit der Materie befasst, aber den Begriff nicht kennt, oder der, der sich nur mit dem Begriff befasst? Oder ist es eher der, der sich mit dem aus beiden Zusammengesetzten befasst? Wer aber sind dann jene beiden? Oder gibt es niemand (anderen), der sich mit den nicht abtrennbaren Eigenschaften der Materie, und nicht insofern sie abtrennbar sind, befasst, sondern der Naturphilosoph befasst sich mit allem, was Leistungen und Widerfahrnisse des so-und-so bestimmten Körpers und der so-und-so bestimmten Materie sind? Mit allen (Eigenschaften) dagegen, sofern sie nicht auf diese Weise beschaffen sind, (beschäftigt sich) ein anderer, mit einigen der Sachverständige, wenn es sich ergeben sollte, etwa ein Architekt oder Arzt; und mit den (Eigenschaften), die zwar nicht abtrennbar sind, doch nicht, insofern sie Eigenschaften eines so-und-so bestimmten Kör-
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pers sind und aus Abstraktion (gewonnen werden), befasst sich der Mathematiker; und insofern sie abgetrennt sind, der Erste Philosoph. Doch wir müssen zum Ausgangspunkt unseres Argumentes zurückkommen. Wir hatten gesagt, dass die Widerfahrnisse der Seele von der natürlichen Materie der Lebewesen nicht abtrennbar sind, insofern sie als solche vorkommen: als Zorn und Furcht und nicht so wie Linie und Oberfläche. 2. Bei unserer Untersuchung der Seele ist es notwendig, gleichzeitig mit dem Durchgang durch die Schwierigkeiten, die es im Voranschreiten zu bewältigen gilt, die Meinungen der Vorgänger mit hinzuzuziehen, soweit sie sich über sie geäußert haben, damit wir übernehmen, was davon zutrifft, und vermeiden, was nicht zutrifft. Zu Anfang der Untersuchung nehmen wir uns das vor, was der Seele von Natur hauptsächlich zuzukommen scheint. Das Beseelte scheint sich vom Unbeseelten also hauptsächlich durch zweierlei zu unterscheiden: durch Bewegung und durch das Wahrnehmen. Und so sind von den älteren (Philosophen) im Wesentlichen eben diese zwei Positionen hinsichtlich der Seele auf uns gekommen. So behaupten einige, die Seele sei hauptsächlich und primär das Bewegende; und da sie glaubten, dass das, was selbst nicht bewegt ist, anderes nicht bewegen kann, nahmen sie an, dass die Seele eines von den bewegten Dingen sei. Daher kommt es, dass Demokrit behauptet, sie sei eine Art Feuer und warm. Formen und Atome gebe es nämlich unendlich viele, wobei er die kugelförmigen darunter Feuer und Seele nennt – so wie die sogenannten Sonnenstäubchen in der Luft, die in den durch die Fenster einfallenden Sonnenstrahlen sichtbar werden –, und die Gesamtmasse da raus nennt er Elemente der gesamten Natur, und ähnlich auch Leukipp; und die kugelförmigen unter ihnen (nennt er deswegen) Seele, weil die derartig beschaffenen Gestalten am besten durch alles hindurchdringen und das Übrige in Bewegung setzen könnten, da sie selbst ja auch bewegt seien; beide sind ja der Annahme, die Seele sei das, was den Lebewesen ihre Bewegung verschafft. Deswegen sei die Atmung auch Kriterium des Lebendig-Seins. Dem Umstand, dass die Umgebung
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die Körper zusammendrückt und (dabei) diejenigen Formen herauspresst, die den Lebewesen dadurch ihre Bewegung verschaffen, dass sie auch selber nie stillstehen, werde nämlich dadurch abgeholfen, dass beim Atmen andere und gleichartige (Formen) von außen hereinkämen; diese verhinderten es auch, dass die im Lebewesen befindlichen (Formen, Atome) abgestoßen werden, indem sie das Zusammendrückende und Verdichtende (aus der Umgebung) abwehrten. Und Lebewesen seien lebendig, solange sie fähig seien, dies zu tun. Der Lehre der Pythagoreer scheint aber derselbe Gedanke zugrunde zu liegen. Denn einige von ihnen sagten, die Sonnenstäubchen in der Luft seien Seele, andere dagegen, sie sei das, was diese (Sonnenstäubchen) bewege. Hierüber ist gesagt worden, weshalb sie sich ständig zu bewegen scheinen, auch dann, wenn völlige Windstille herrscht. Bei allen denen aber, die behaupten, die Seele sei das sich selbst Bewegende, läuft es auf dasselbe hinaus. Sie scheinen nämlich alle angenommen zu haben, dass die Bewegung das der Seele im höchsten Grad Eigentümliche sei und alles andere durch die Seele, diese aber von sich selbst bewegt werde, weil man nichts Bewegendes sehen kann, was nicht auch selbst bewegt ist. Ebenso behauptet auch Anaxagoras, die Seele sei das Bewegende, und wenn sonst noch wer gesagt hat, dass die Vernunft das All in Bewegung setzt; allerdings (behauptet er es) nicht auf ganz dieselbe Weise wie Demokrit. Dieser nämlich (sagt), Seele und Vernunft seien schlicht dasselbe; denn das Wahre sei das, was erscheint, weswegen Homer treffend gedichtet habe, dass »Hektor anders denkend am Boden liegt«. Er betrachtet die Vernunft damit nicht als ein bestimmtes Vermögen zur Wahrheit, sondern behauptet, Seele und Vernunft seien dasselbe. Anaxagoras äußert sich diesbezüglich weniger deutlich: Denn zwar sagt er an vielen Stellen, die Vernunft sei die Ursache des Guten und Richtigen, doch woanders (sagt er), sie sei die Seele, weil sie in allen Lebewesen vorhanden sei, in großen und kleinen wie auch in edlen und weniger geschätzten. Doch die im Sinne des Denkens ausgesagte Vernunft scheint jedenfalls nicht allen Lebewesen in gleicher Weise zuzukommen,
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sondern nicht einmal allen Menschen. Alle diejenigen also, die dem Umstand besondere Beachtung geschenkt haben, dass das Beseelte bewegt ist, nahmen an, die Seele sei das, was vornehmlich Bewegung verursacht. Alle diejenigen dagegen, die dem Erkennen und Wahrnehmen der seienden Dinge (besondere Beachtung geschenkt haben), behaupteten, die Seele sei die Prinzipien, wobei die einen mehrere (Prinzipien) annahmen, die anderen aber, die nur eines (annahmen), (behaupteten, die Seele sei) dieses. So behauptet Empedokles zwar, sie bestehe aus allen Elementen, aber auch, dass jedes einzelne davon Seele sei. Dabei drückt er sich folgendermaßen aus: Denn mit Erde erblicken wir Erde, Wasser mit Wasser Mit Äther den himmlischen Äther, indes mit Feuer verderbliches Feuer Mit Liebe aber Liebe, und den Hader mit schmählichem Hader Auf dieselbe Weise lässt auch Platon im Timaios die Seele aus den Elementen bestehen. Gleiches werde nämlich durch Gleiches erkannt und die Dinge bestünden aus den Prinzipien. Ebenso verfuhr er auch in der Über Philosophie genannten Vorlesung, wo er das »Lebewesen-Selbst« aus der Idee des Einen selbst und der ersten Länge und Breite und Tiefe bestehen ließ und die übrigen Dinge auf ähnliche Art und Weise. Dann aber auch anders: Vernunft sei das Eine und Wissen die Zwei – denn es richtet sich auf einfache Weise auf eine Sache –, die Zahl der Oberfläche aber sei Meinung und Wahrnehmung die (Zahl) des Festkörpers. Zwar sind die Zahlen als die Ideen selbst und die Prinzipien bezeichnet worden, doch sie bestehen aus den Elementen, und die Dinge werden teils durch Vernunft beurteilt, teils durch Wissen, teils durch Meinung, teils durch Wahrnehmung, Ideen aber seien diese Zahlen der Dinge. Da die Seele sowohl beweglich zu sein schien als auch zum Erkennen fähig, haben einige sie so aus beidem zusammengeflochten und erklärt, die Seele sei sich selbst bewegende Zahl. Hinsichtlich Art und Anzahl der Prinzipien unterscheiden sich diejenigen, die sie körperlich sein lassen, am meisten von denen, die
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sie unkörperlich (sein lassen), und von diesen beiden wiederum (unterscheiden sich) diejenigen, die (beides) mischten und Prinzipien vertraten, die von beiden stammen. Sie sind aber auch uneins hinsichtlich der Menge (der angenommenen Prinzipien). Teils sagen sie, es sei eines, teils mehrere. Und dementsprechend erklären sie sich auch zur Seele: Sie waren nämlich auch der Ansicht, dass das von Natur zum Bewegen Fähige seiner Natur nach zu den ersten (Prinzipien gehört), und dies nicht ohne guten Grund. Von daher schien einigen (die Seele) Feuer zu sein, denn dies ist das feinteiligste und unkörperlichste unter den Elementen, außerdem wird es bewegt und bewegt die anderen Dinge auf primäre Weise. Demokrit hat sich auch detaillierter dazu geäußert und dargelegt, weshalb dies beides zutreffe: Seele und Vernunft seien nämlich dasselbe, und dies sei einer von den ursprünglichen und unteilbaren Körpern, der durch Feinteiligkeit und seine Gestalt zum Bewegen fähig sei. Unter den Gestalten aber, sagt er, sei die kugelförmige die am leichtesten bewegliche; und von solcher Beschaffenheit seien die Vernunft und das Feuer. Anaxagoras scheint Seele und Vernunft dagegen zwar als verschieden zu bezeichnen, wie wir auch schon vorher gesagt haben, doch er bedient sich beider als einer einzigen Natur, nur dass er die Vernunft am meisten von allen als Prinzip ansetzt: So sagt er zum Beispiel, dass sie als einzige unter den seienden Dingen einfach und unvermischt sei und rein. Auch spricht er beides, das Erkennen wie das Bewegen, demselben Prinzip zu, wenn er sagt, die Vernunft habe das All in Bewegung gesetzt. Es scheint auch Thales, soweit dies überliefert ist, die Seele als etwas zum Bewegen Fähiges aufgefasst zu haben, wenn er denn wirklich gesagt hat, der Magnetstein hätte Seele, weil er das Eisen bewegt. Diogenes dagegen (behauptete), so wie einige andere auch, (die Seele sei) Luft, da er glaubte, sie sei das Feinteiligste von allem und Prinzip; und durch sie würde die Seele erkennen und bewegen. Insofern sie (die Luft) erstes sei und die übrigen (Dinge) aus ihr bestünden, würde sie erkennen; und insofern sie am feinsten sei, sei sie fähig zu bewegen. Auch Heraklit behauptet, das Prinzip sei Seele, wenn es denn der aufsteigende Dunst ist,
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aus dem die anderen Dinge zusammengesetzt sind; auch sei sie am unkörperlichsten und ständig im Fluss, und das Bewegte werde durch Bewegtes e rkannt. Dass die Dinge aber in Bewegung seien, glaubte sowohl er als auch die Masse (der Menschen). Ganz ähnlich wie diese scheint auch Alkmaion über die Seele gedacht zu haben. Er sagt nämlich, sie sei unsterblich, weil sie den Unsterblichen gleiche, was ihr deswegen zukomme, weil sie immer in Bewegung sei. Denn alles Göttliche sei auch immer kontinuierlich in Bewegung, Mond, Sonne, die Sterne und der ganze Himmel. Von den plumperen (Denkern) haben sich einige auch für das Wasser ausgesprochen, so wie Hippon. Sie scheinen durch die Beobachtung zu ihrer Überzeugung gelangt zu sein, dass der Samen bei allen feucht ist. Und damit widerlegt er die-jenigen, die behaupten, die Seele sei Blut, weil der Same kein Blut ist; bei diesem (Samen) aber handle es sich um die erste Seele. Andere, wie Kritias, sagten, sie sei Blut, in der Annahme, dass das Wahrnehmen der Seele am eigentümlichsten sei und ihr dies aufgrund der Natur des Blutes zukomme. Für jedes Element hat sich ein Vertreter gefunden, außer für die Erde; für die hat sich keiner erklärt, es sei denn, wenn wer gesagt hat, sie bestehe aus allen Elementen, bzw. sei alle (Elemente). Es definieren also sozusagen alle die Seele durch drei (Merkmale): durch Bewegung, Wahrnehmung und durch das Unkörperliche, und ein jedes davon führt sich auf die Prinzipien zurück. Deswegen machen auch diejenigen, die sie durch das Erkennen definieren, entweder ein Element aus ihr oder lassen sie aus den Elementen bestehen, und dabei ähneln sie sich sehr in ihren Behauptungen, bis auf einen. Denn sie sagen, Gleiches werde durch Gleiches erkannt. Und da die Seele ja alles erkennt, lassen sie sie aus allen Prinzipien bestehen. Alle die nun, welche nur eine Ursache und ein Element behaupten, setzen auch die Seele als eines, z. B. Feuer oder Luft. Und die, welche behaupten, es gäbe mehrere Prinzipien, lassen auch die Seele aus mehreren bestehen. Einzig Anaxagoras sagt, die Vernunft werde nicht affiziert und habe mit keinem der anderen Dinge irgendetwas gemein. Doch auf welche Weise sie erkennen soll, wenn sie auf diese Weise
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beschaffen ist, und aus welchem Grund, hat er weder gesagt, noch ist es aus dem, was er gesagt hat, ersichtlich. Alle diejenigen aber, die Gegensätze zu den Prinzipien zählen, setzen auch die Seele aus den Gegenteilen zusammen. Und diejenigen, welche nur das eine der Gegenteile (zum Prinzip machen), z. B. das Warme oder Kalte oder etwas anderes von der Art, setzten ebenso auch die Seele als eines davon an. Deswegen halten sie sich auch an die Etymologie: So sagen diejenigen, die behaupten, sie sei das Warme, dass aufgrund dessen auch das Lebendig-Sein so benannt sei; die anderen, (die sagen, die Seele sei) das Kalte, (sagen, dass) sie aufgrund des Einatmens und der Abkühlung Seele genannt werde. Dies sind also die Überlieferungen über die Seele und die Gründe, aufgrund derer (die Vorgänger) sich auf diese Weise geäußert haben.
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3. Zuerst ist die Untersuchung über die Bewegung zu führen. Denn vielleicht ist es nicht nur falsch, dass ihre Substanz von der Art ist, wie diejenigen behaupten, die sagen, die Seele sei das sich selbst Bewegende bzw. das, was fähig ist, (sich selbst) zu bewegen, sondern vielmehr ein Ding der Unmöglichkeit, dass ihr Bewegung zukommt. Dass es nun nicht notwendig ist, dass das Bewegende auch selber bewegt ist, ist vorher gesagt worden. Es kann aber alles auf zweifache Weise bewegt werden, nämlich entweder infolge eines anderen oder infolge seiner selbst. Infolge eines anderen (bewegt) nennen wir alles das, was dadurch bewegt wird, dass es sich in einem Bewegten befindet, wie z. B. Schiffer. Denn sie werden nicht auf gleiche Weise bewegt wie das Schiff. Dieses wird nämlich infolge seiner selbst bewegt und jene dadurch, dass sie sich in einem Bewegten befinden. Klar wird dies bei ihren (Körper-)Teilen: Die Bewegung nämlich, die den Füßen eigentümlich ist, ist das Gehen und eben diese (Bewegung ist) auch Menschen (eigentümlich) –, sie kommt den Schiffern zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht zu. Da das Bewegtsein also auf zweifache Weise ausgesagt wird, untersuchen wir nun bei der Seele, ob sie infolge ihrer selbst bewegt wird und an Bewegung teilhat. Da es aber vier (Arten von) Bewegungen gibt, Ortsbewegung, qualitative Ver-
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änderung, Schwinden und Wachstum, dürfte (die Seele) wohl entweder in einer oder in mehreren oder in allen diesen (Bewegungsarten) bewegt werden. Und wenn sie nicht akzidentell bewegt wird, dürfte ihr von Natur aus Bewegung zukommen. Wenn aber dies, dann (kommt ihr) auch Ort (zu), denn alle besagten Bewegungen finden an einem Ort statt. Und wenn es die Substanz der Seele ist, sich selbst zu bewegen, so wird ihr das Bewegtsein nicht akzidentell zukommen, so wie dem Weißen oder drei Ellen Langen – denn auch diese werden bewegt, aber akzidentell; das nämlich, dem sie zukommen, wird bewegt, der Körper. Deswegen haben sie auch keinen Ort, die Seele dagegen wird einen (Ort) haben, so sie denn wirklich von Natur aus an Bewegung teilhat. Ferner: Wenn sie von Natur aus bewegt wird, dann könnte sie auch durch Gewalt bewegt werden, und wenn durch Gewalt, dann auch von Natur aus. Und auf die gleiche Weise verhält es sich beim Ruhen. Denn wohin sie von Natur aus bewegt wird, dort ruht sie auch von Natur aus; und wohin sie durch Gewalt bewegt wird, dort wird sie auch durch Gewalt ruhen. Doch welche gewaltsamen Bewegungen und Ruhezustände der Seele es geben soll, ist nicht einmal dann leicht anzugeben, wenn man es erdichten wollte. Ferner: Wenn sie sich aufwärts bewegt, wird sie Feuer sein, und wenn abwärts, Erde, weil eben diese Bewegungen zu diesen Körpern gehören. Und das Gleiche gilt auch für die (Bewegungen und Körper) dazwischen. Außerdem: Da sie offenbar den Körper bewegt, ist es folgerichtig (anzunehmen), dass sie die Bewegungen bewirkt, in denen sie auch selber bewegt wird. Und wenn dies, dann ist es auch wahr, wenn man umgekehrt sagt, dass die Seele in derselben (Bewegung) bewegt wird, in der auch der Körper bewegt wird. Der Körper wird aber durch Ortsbewegung bewegt, so dass auch die Seele sich dem Körper entsprechend verändern dürfte, indem sie sich entweder als ganze oder stückweise verändert. Und wenn das möglich ist, dann wäre es auch möglich, dass sie aus (dem Körper) herausgeht und wieder (in ihn) zurückkehrt. Die Folge davon wäre aber das Wiederauferstehen der gestorbenen Lebewesen. Auch könnte sie durch e twas anderes in die ihr akzidentelle Bewe-
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gung versetzt werden; das Lebewesen könnte ja gewaltsam gestoßen werden. Es darf aber nicht sein, dass dasjenige, welches das durch sich selber Bewegtsein in seiner Substanz hat, von einem anderen bewegt wird, es sei denn auf akzidentelle Weise, so wie auch nicht (sein darf, dass) das an sich Gute bzw. durch sich selbst (Gute) durch ein anderes oder um eines anderen Zweckes willen (besteht). Am ehesten könnte man noch sagen, dass die Seele von den Gegenständen der Wahrnehmung bewegt wird, so sie denn bewegt wird. Indessen: Selbst wenn sie sich selbst bewegt, so würde sie doch auch bewegt werden, so dass – wenn jede Bewegung ein Heraustreten des Bewegten ist, insofern es bewegt wird – auch die Seele aus ihrer Substanz heraustreten würde, so sie sich nicht akzidentell selbst bewegt, sondern die Bewegung ihrer Substanz an sich zukommt. Einige behaupten sogar, die Seele bewege den Körper, in dem sie sich befindet, so wie sie selbst bewegt wird, z. B. Demokrit, der sich damit ganz ähnlich äußert wie der Komödiendichter Philippos: Der nämlich sagt, Daidalos hätte seine hölzerne Aphrodite dadurch beweglich gemacht, dass er ihr Quecksilber eingoss. Ähnliches sagt auch Demokrit: Denn er behauptet, dass die unteilbaren Kugeln dadurch, dass sie von Natur aus niemals stehen bleiben, den ganzen Körper mitziehen und in Bewegung setzen. Wir dagegen werden fragen, ob eben dies auch Stillstand verursacht; aber wie es dies herbeiführen soll, ist schwer oder vielmehr unmöglich anzugeben. Und überhaupt scheint die Seele das Lebewesen nicht auf diese Weise zu bewegen, sondern durch eine Art Entschluss und Gedanke. Auf dieselbe Weise gibt aber auch der Timaios eine naturphilosophische Erklärung dafür, dass die Seele den Körper bewegt: Dadurch, dass sie bewegt sei, setze sie auch den Körper in Bewegung, weil sie mit ihm verflochten sei. Nachdem er sie nämlich aus den Elementen zusammengesetzt und gemäß den harmonischen Zahlen aufgeteilt hat, damit sie eine angeborene Wahrnehmung von Harmonie besitzt und das All sich in übereinstimmenden Bewegungen fortbewegt, hat er ihre gerade Verlaufsrichtung zu einem Kreis umgebogen; und nachdem er den einen (Kreis) in zwei Kreise aufgeteilt und
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an zwei Stellen wieder zusammengefügt hatte, teilte er den einen davon wieder in sieben Kreise, unter der Voraussetzung, die Umläufe des Himmels seien die Bewegungen der Seele. Nun ist es erstens nicht richtig zu sagen, die Seele sei (etwas) Ausgedehntes; denn offenbar will er, dass die (Bewegung) des Alls von der gleichen Beschaffenheit ist wie die sogenannte Vernunft es ist – denn es kann ja gewiss weder die wahrnehmende, noch kann es die begehrende (Seele) sein; deren Bewegung ist nämlich kein Kreislauf. – Die Vernunft aber ist einheitlich und kontinuierlich so wie auch das Denken. Das Denken aber ist die Gedanken. Und diese sind eins durch ihre Abfolge, wie Zahl und nicht wie das Ausgedehnte. Und deswegen ist auch die Vernunft nicht auf diese Weise kontinuierlich, sondern entweder ist sie ohne Teile oder nicht auf die Weise kontinuierlich, wie etwas Ausgedehntes es ist. Wie sollte sie denn auch als Ausgedehntes mit irgendeinem der Teile ihrer selbst denken? »Teile« aber (kann man verstehen) entweder im Sinne von Ausdehnung oder im Sinne von Punkt – falls man auch dies Teil nennen soll. Wenn nun aber im Sinne von Punkt, und diese unbegrenzt viele sind, ist klar, dass sie niemals (den Kreis) durchschreiten wird. Wenn aber im Sinne von Ausdehnung, so wird sie oft bzw. unendlich viele Male dasselbe denken. Es ist aber offenbar auch möglich, etwas nur einmal zu denken. Und wenn es ausreicht, (das zu Erkennende) mit einem beliebigen ihrer Teile zu berühren, warum muss sie sich dann im Kreis fortbewegen oder auch überhaupt Ausdehnung haben? Und wenn es zum Denken notwendig ist, dass man (das zu Erkennende) mit dem ganzen Kreis berührt, was ist dann die Berührung mit den Teilen? Ferner: Wie soll sie das Teilbare mit einem Unteilbaren bzw. das Unteilbare mit einem Teilbaren denken? Es ist aber notwendig, dass die Vernunft dieser Kreis ist, denn die Bewegung der Vernunft ist das Denken und die des Kreises ist der Umlauf. Wenn das Denken nun Umlauf ist; dann dürfte die Vernunft wohl der Kreis sein, dem ein solcher Umlauf zukommt. Was aber wird sie dann immer denken? Sie muss dies ja, wenn der Umlauf wirklich ewig ist. Nun gibt es für die praktischen Gedanken Grenzen; sie sind näm-
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lich alle um eines anderen willen, während die theoretischen ebenso definiert werden wie die Erklärungen. Alle Erklärung aber ist entweder Definition oder Beweis. Nun geht der Beweis von einem Anfang aus und hat gewissermaßen die Deduktion bzw. die Konklusion als Ende –wenn sie aber nicht ans Ende kommen, kehren sie trotzdem nicht wieder zum Anfang zurück. Sie schreiten in gerader Richtung voran und nehmen dabei immer einen Mittel- und Außenterm hinzu – der Umlauf hingegen kehrt wieder zum Anfang zurück. Die Definitionen sind aber alle begrenzt. Außerdem: Wenn der gleiche Umlauf viele Male erfolgt, so wird (die Vernunft) viele Male dasselbe denken müssen. Ferner: Das Denken ähnelt eher einem Stillstand und Anhalten als einer Bewegung, und auf gleiche Weise auch die Deduktion. Überdies ist das, was nicht leicht, sondern gewaltsam ist, auch sicherlich kein seliger Zustand; wenn die Bewegung aber nicht seine Substanz ist, so dürfte es (das Denken) wohl gegen seine Natur bewegt werden. Auch ist es mühsam, mit dem Körper vermischt zu sein, wenn man sich nicht von ihm ablösen kann, und außerdem etwas, was man vermeiden sollte, wenn es für die Vernunft wirklich besser ist, nicht mit dem Körper verbunden zu sein, wie man es zu sagen pflegt und auch von vielen angenommen wird. Unklar ist auch die Ursache für die Kreisbewegung des Himmels; denn weder ist die Substanz der Seele Ursache der Kreisbewegung – sie wird vielmehr akzidentell auf diese Weise bewegt –, noch ist der Körper Ursache, sondern die Seele eher für den Körper. Indessen wird nicht einmal gesagt, warum es besser ist. Dabei wäre es doch erforderlich gewesen, dass der Gott die Seele deswegen im Kreis bewegt sein lässt, weil das Bewegtsein für sie besser ist, als stehen zu bleiben, und zwar auf diese Weise bewegt zu sein, nicht auf andere Weise. Da diese Betrachtung aber eher in ein anderes Themengebiet gehört, wollen wir sie für jetzt beiseite lassen. Folgende Abwegigkeit aber ergibt sich für sowohl diese Lehre als auch die meisten anderen, die von der Seele handeln: Sie setzen die Seele nämlich in einen Körper und verbinden sie mit ihm, ganz ohne hinzubestimmt zu haben, aus welcher Ursache und auf welche Weise der Kör-
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per dabei verfasst ist. Gleichwohl dürfte dies wohl notwendig scheinen. Es ist ja aufgrund ihrer Gemeinschaft, dass das eine wirkt und das andere leidet und dass das eine bewegt wird und das andere in Bewegung setzt, und davon kommt keines beliebigen miteinander in Relation stehenden Dingen zu. Sie aber nehmen es nur in Angriff anzugeben, welche Art von Ding die Seele ist, während sie hinsichtlich des Körpers, der sie aufnehmen soll, keine weiteren Bestimmungen treffen, so als wäre es möglich, dass eine beliebige Seele in einen beliebigen Körper eintaucht, wie in den pythagoreischen Mythen. Es scheint ja jedes Ding seine eigentümliche Form und Gestalt zu haben. Sie aber reden ganz so, wie wenn jemand behauptete, die Baukunst tauche in Flöten ein; doch die Kunst muss ihre Werkzeuge gebrauchen und die Seele ihren Körper. 4. Auch eine andere Ansicht über die Seele ist überliefert, die für viele nicht weniger glaubwürdig ist als irgendeine von den bereits besprochenen und die auch in den öffentlichen Dis kussionen gleichsam zur Rechenschaft gezogen worden ist. Sie sagen nämlich, sie sei eine Art von Harmonie. Denn die Harmonie sei Mischung und Zusammensetzung von Gegenteiligem und der Körper sei auch aus Gegenteiligem zusammengesetzt. Nun ist die Harmonie zwar in der Tat ein Verhältnis der vermischten Teile bzw. deren Zusammensetzung, die Seele kann aber keines von beiden sein. Ferner: Zu bewegen ist nicht Eigenschaft von Harmonie, der Seele dagegen sprechen dies alle sozusagen in höchstem Maße zu, und es passt auch besser, Harmonie von der Gesundheit und von den körperlichen Tugenden insgesamt auszusagen als von der Seele. Am deutlichsten (würde dies), wenn man versuchte, die Leistungen und Affektionen der Seele durch eine Art Harmonie zu erklären; es nämlich schwer miteinander zusammenpasst. Ferner: Wenn wir »Harmonie« sagen, haben wir zweierlei im Blick: zum einen, im eigentlichen Sinne, die Zusammensetzung von Dingen mit Ausdehnung, die Bewegung und Position haben, und zwar dann, wenn sie sich so zusammenfügen, dass sie nichts Gleichartiges mehr in sich aufnehmen können; und zum anderen, da-
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von abgeleitet, auch die Proportion der vermischten Teile. Allerdings ist (in Bezug auf die Seele) keine von beiden Aussageweisen plausibel. Die (Auffassung, die Seele sei die) Zusammensetzung der Teile des Körpers, ist allzu leicht zu widerlegen: Es gibt nämlich viele verschiedene Zusammensetzungen der Teile und auch viele verschiedene Weisen (sie zusammenzusetzen); von was oder auf welche Weise soll man nun annehmen, dass die Vernunft eine Zusammensetzung sein soll, oder auch das Wahrnehmungs- oder Strebevermögen? Und ebenso abwegig ist (die Auffassung), die Seele sei ein Verhältnis der Mischung. Die Mischung der Elemente hat ja nicht das gleiche Verhältnis, je nachdem, ob es Fleisch ist oder Knochen. Es würde sich also ergeben, dass es viele Seelen gibt, die zudem über den ganzen Körper verteilt sind, wenn denn wirklich alle (Körper) aus den vermischten Elementen bestehen und das Verhältnis der Mischung Harmonie und Seele ist. Hierzu könnte man freilich auch von Empedokles eine Erklärung fordern: Er behauptet nämlich, jeder (Körperteil) bestehe durch ein bestimmtes Verhältnis (der Elemente). Ist die Seele nun das Verhältnis oder eher etwas anderes, was in die Körperteile hineinkommt? Ferner: Ist die Liebe Ursache für jede beliebige Mischung oder (nur) für die, die dem Verhältnis entspricht? Und ist sie selbst das Verhältnis oder etwas anderes neben dem Verhältnis? Solche Schwierigkeiten sind also mit diesen Auffassungen verbunden. Wenn die Seele aber etwas anderes als die Mischung ist, warum gehen dann das, was es heißt, Fleisch zu sein, und die übrigen Teile des Lebewesens gleichzeitig zugrunde? Außerdem: Wenn nicht jeder Körperteil eine Seele hat und die Seele nicht das Verhältnis der Mischung ist, was ist es, das zugrunde geht, wenn die Seele abgeschieden ist? Dass die Seele also keine Harmonie sein noch sich im Kreis herumdrehen kann, ist aus dem Gesagten klar. Dass sie akzidentell bewegt wird, ist jedoch möglich, wie wir gesagt haben, und auch dass sie sich (akzidentell) selbst in Bewegung setzt, etwa indem das bewegt wird, worin sie sich befindet und dies (wiederum) von der Seele bewegt wird. Auf andere Weise ist es nicht möglich, dass sie dem Orte nach bewegt wird. Mit mehr
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Recht könnte man bei ihr zweifeln, ob sie nicht bewegt sei, wenn man Folgendes in den Blick nimmt: Wir pflegen ja zu sagen, dass die Seele Schmerz leidet, sich freut, kühn ist, sich fürchtet, ferner zürnt, wahrnimmt und denkt; und dies scheinen alles Bewegungen zu sein. Von daher könnte man glauben, dass sie bewegt sei. Das ist aber nicht notwendig. Wenn das Schmerz-Leiden oder Sich-Freuen oder das diskursive Denken nämlich auch noch so sehr Bewegungen sind und jedes einzelne davon auch ein B ewegt-Werden ist, das Bewegt-Werden aber von der Seele ausgeht, wie etwa das Sich-Erzürnen oder Sich-Fürchten das auf diese bestimmte Weise Bewegt-Werden des Herzens ist – das diskursive Denken ist vielleicht auch so etwas oder etwas anderes –, und diese teils dadurch zustande kommen, dass sich etwas dem Orte nach bewegt, teils aber durch qualitative Veränderung – welche (Teile) dies sind und auf welche Weise (sie bewegt werden), ist eine andere Frage – : Doch zu sagen, die Seele erzürne sich, ist so, wie wenn man sagte, die Seele webe ein Tuch oder baue ein Haus. Vielleicht ist es nämlich besser, nicht zu sagen, die Seele habe Mitleid oder lerne oder denke diskursiv, sondern der Mensch durch die Seele. Dies aber nicht so, als wäre die Bewegung in ihr, sondern so, dass sie mal bis zu ihr hin und mal von ihr ausgeht, z. B. dass die Wahrnehmung von diesen bestimmten Gegenständen hier ausgeht und die Wiedererinnerung von ihr aus zu den Bewegungen und Stillständen in den Wahrnehmungsorganen geht. – Die Vernunft scheint aber als eine bestimmte Art von Substanz hineinzukommen und nicht zugrunde zu gehen. Sie würde sonst ja am ehesten durch Altersschwäche zugrunde gehen. Nun ereignet sich aber wohl genau dasselbe wie bei den Sinnesorganen: Wenn ein alter Mann nämlich ein gleich gutes Auge erhielte, so würde er so sehen können wie ein Jüngling. Das Alter besteht folglich nicht darin, dass die Seele etwas erlitten hat, sondern das, in dem sie sich befindet, ganz so wie bei Rausch und Krankheit. Und so lässt auch das Denken im Sinne der theoretischen Betrachtung nach, wenn etwas anderes innen zugrunde geht, es selbst aber wird nicht affiziert. Und diskursiv zu denken und zu lieben oder zu hassen sind nicht Affektionen
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von jenem (Denken), sondern von diesem bestimmten Einzelnen, das es besitzt, und zwar insofern es jenes besitzt. Deswegen erinnert es sich nicht und liebt auch nicht, wenn dieses (bestimmte Einzelne) zugrunde geht; denn es gehörte nicht zu ihm, sondern zu dem Gemeinsamen (aus Seele und Körper), das umgekommen ist. Die Vernunft dürfte aber wohl etwas Göttlicheres und unaffiziert sein. Dass es also nicht möglich ist, dass die Seele bewegt wird, ist hieraus klar. Und wenn sie überhaupt nicht bewegt werden kann, dann offenbar auch nicht von sich selbst. Von dem, was dazu gesagt wurde, ist es aber bei Weitem am unsinnigsten, zu behaupten, die Seele sei eine Zahl, die sich selbst bewegt. Für diejenigen, die dies tun, ergeben sich nämlich als erste diejenigen Unmöglichkeiten, die sich aus der Annahme herleiten, die Seele sei bewegt, dann aber auch spezielle aus der Behauptung, sie sei eine Zahl: Wie soll man sich denn eine bewegte Einheit denken, und (bewegt) von wem, und wie, da sie doch ohne Teile und innere Unterschiede ist? Wenn sie nämlich zum Bewegen fähig und auch bewegbar sein soll, muss sie in sich unterschieden sein. Ferner: Da sie behaupten, die bewegte Linie bringe die Oberfläche hervor, der (bewegte) Punkt aber die Linie, so werden auch die Bewegungen der Einheiten Linien sein; denn der Punkt ist eine Einheit, die eine Position hat. Die Zahl der Seele befindet sich dann bereits an einem Ort und hat eine Position. Ferner: Wenn man von einer Zahl eine Zahl oder Einheit subtrahiert, bleibt eine andere Zahl übrig; aber die Gewächse und auch viele Tiere bleiben lebendig, wenn sie zerschnitten sind, und scheinen der Art nach dieselbe Seele zu haben. Es dürfte (in dieser Hinsicht) aber wohl keinen Unterschied machen, ob man von Einheiten oder von kleinen Körperchen redet. Denn selbst bei den Kügelchen des Demokrit, wenn sie zu Punkten würden und nur ihre Quantität bliebe, würde darin etwas sein, was teils das Bewegende und teils das Bewegte ist, so wie im Kontinuierlichen. Denn was wir gesagt haben, ergibt sich nicht dadurch, dass ein Unterschied in Größe oder Kleinheit vorliegt, sondern dadurch, dass es ein Quantum ist; und deswegen muss es notwendig etwas geben, das die Einheiten in Bewegung setzt. Und
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wenn das Bewegende im Lebewesen die Seele ist, so auch in der Zahl, so dass die Seele nicht das Bewegende und das Bewegte, sondern nur das Bewegende ist. Wie kann sie dann aber noch Einheit sein? Ihr muss in Bezug auf die anderen (Einheiten) ja ein Unterschied zukommen. Was aber sollte der Unterschied eines einheitlichen Punktes sein, außer (seiner) Position? Wenn nun die Einheiten und die Punkte im Körper (von ihr) verschieden sind, so werden die Einheiten an demselben (Ort) sein; denn die Einheit wird den Ort eines Punktes einnehmen. Indessen: Wenn zwei (Einheiten) sich am gleichen Ort befinden, was hindert, dass es auch unendlich viele sind? Denn die Dinge, deren Ort unteilbar ist, sind es auch selbst. Wenn die im Körper befindlichen Punkte aber die Zahl der Seele sind bzw. wenn die Anzahl der im Körper befindlichen Punkte die Seele ist, warum haben dann nicht alle Körper eine Seele? Denn Punkte scheinen in allen (Körpern) vorzukommen, und zwar unendlich viele. Ferner: Wie können die Punkte von den Körpern getrennt und abgelöst werden, wenn schon die Linien nicht in Punkte geteilt werden können? 5. Es ergibt sich aber, wie wir gesagt haben, einerseits, dass (die Theorie der Seele als Zahl, die sich selbst bewegt) dasselbe behauptet wie diejenigen, welche die Seele als einen feinteiligen Körper ansehen, andererseits hat es mit der Weise, in der Demokrit behauptet, dass die Bewegung von der Seele ausgeht, seine eigene Abwegigkeit. Denn wenn die Seele in jedem wahrnehmenden Körper ist, dann ist es notwendig, dass zwei Körper an demselben Ort sind, wenn die Seele eine Art Körper ist. Und für diejenigen, die behaupten (die Seele) sei eine Zahl, (ergibt sich,) dass in dem einen Punkt viele Punkte sind oder jeder Körper eine Seele hat, wenn nicht eine davon verschiedene Zahl hineinkommt, und zwar eine, die von den in den Körpern befindlichen Punkten verschieden ist. Auch ergibt sich, dass das Lebewesen von der Zahl bewegt wird, ganz so wie wir auch gesagt haben, dass Demokrit es in Bewegung setzt. Denn was für einen Unterschied macht es, ob man sagt, es seien kleine Kugeln oder große Einheiten oder
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schlicht Einheiten, die sich bewegen? Auf beide Weisen ist ja notwendig, das Lebewesen dadurch in Bewegung zu setzen, dass diese (Kugeln oder Einheiten) bewegt werden. Dies und vieles andere Derartige ergibt sich also für diejenigen, die Bewegung und Zahl in dasselbe zusammenflechten. Denn es ist nicht nur unmöglich, dass dergleichen eine Definition der Seele ist, sondern auch, dass es eine hinzukommende Eigenschaft (der Seele) ist. Dies würde deutlich, wenn man es unternähme, aus dieser Annahme die Affektionen und Leistungen der Seele herzuleiten, z. B. Überlegungen, Wahrnehmungen, Lust- und Leidempfindungen und alles, was sonst von dieser Art ist. Denn wie wir vorher gesagt haben: Aus diesen (Annahmen) ist es nicht einmal leicht, Vermutungen anzustellen.
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Es gibt drei auf uns gekommene Weisen, deren gemäß die Seele definiert wird: Die einen erklärten, sie sei das, was vornehmlich Bewegung verursacht, weil es sich selber bewegt, die anderen, sie sei der feinteiligste Körper bzw. das, was im Vergleich zu den anderen am unkörperlichsten ist. Welche Schwierigkeiten und auch Widersprüchlichkeiten diese (Definitionsweisen) aber mit sich bringen, sind wir so ungefähr durchgegangen. Es bleibt aber noch zu untersuchen, wie die Behauptung gemeint ist, die Seele bestehe aus den Elementen. Denn sie behaupten dies zwar, damit sie (die Seele) die Dinge wahrnehmen und ein jedes Ding erkennen kann, doch es ergeben sich notwendig viele und auch unmögliche Konsequenzen für diese Annahme. Sie behaupten nämlich, sie erkenne mit dem Gleichen das Gleiche, so als ob sie behaupteten, die Seele sei die Dinge (selbst). Es gibt aber nicht nur diese (Elemente), sondern auch viele andere und der Zahl nach wohl eher unbegrenzt viele Dinge, die aus ihnen zusammengesetzt sind. Nun sei zugestanden, die Seele könne das, woraus ein jedes Ding besteht, erkennen und wahrnehmen. Aber womit wird sie das Ganze erkennen bzw. wahrnehmen? Zum Beispiel was Gott ist oder Mensch, Fleisch oder Knochen und ebenso auch sonst irgendeines von den zusammengesetzten Dingen? Denn bei jedem dieser Dinge verhalten sich die Elemente nicht auf beliebige Weise, sondern stehen in einem
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gewissen Verhältnis und sind in bestimmter Weise zusammengesetzt, ganz so wie es auch Empedokles vom Knochen sagt: Die willfährige Erde in breitbrüst’gen Schmelztiegeln Nahm von den acht Teilen zwei des nüchternen Schimmers, Des Hephaist aber vier; und die weißen Knochen entstanden. Es nützt also nichts, dass die Elemente in der Seele sind, wenn nicht auch die Verhältnisse darin sein werden und die (Weise ihrer) Zusammensetzung; ein jedes Element wird nämlich das (ihm) Gleiche erkennen, den Knochen oder den Menschen dagegen keines, wenn nicht auch diese sich in ihr befinden. Dass das aber unmöglich ist, braucht man nicht eigens zu sagen. Wer wird sich ernsthaft fragen, ob der Stein oder der Mensch in der Seele ist? Desgleichen auch das Gute und das NichtGute. Und ebenso auch bei den übrigen Dingen. Ferner: Da »seiend« vielfach ausgesagt wird – denn einerseits bedeutet es ein Dies, andererseits Quantität oder Qualität oder auch eine andere der Kategorien, wie wir sie unterschieden haben –, wird die Seele aus ihnen allen bestehen oder nicht? Es scheint aber keine für alle gemeinsamen Elemente zu geben. Besteht sie also nur aus dem, woraus die Substanz besteht? Wie erkennt sie dann auch jedes der übrigen? Oder werden sie behaupten, dass es für jede Gattung des Seienden besondere Elemente und Prinzipien gibt, aus denen die Seele zusammengesetzt ist? Also wird sie Quantität, Qualität und Substanz sein. Aber es ist unmöglich, dass aus den Elementen der Quantität eine Substanz bestehen soll und nicht eine Quantität. Für diejenigen, die behaupten, die Seele bestehe aus allen (Elementen), ergeben sich also diese und auch andere derartige Konsequenzen. Auch ist es abwegig zu behaupten, dass das Gleiche durch das Gleiche zwar nicht affiziert werde, das Gleiche das Gleiche aber wahrnehme und mit dem Gleichen das Gleiche erkenne. Doch sie behaupten, das Wahrnehmen sei eine Art Affiziert- und Bewegtwerden und ebenso auch das Denken und Erkennen. Das gerade Gesagte bezeugt, dass es viele Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten mit sich bringt, so wie Empedokles zu be-
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haupten, dass die Dinge jeweils durch die körperlichen Elemente erkannt werden, und zwar in Beziehung auf das (jeweils) Gleichartige: So scheint alles, was in den Körpern der Lebewesen ganz zur Erde gehört, z. B. Knochen, Sehnen und Haare, überhaupt nichts wahrzunehmen und folglich auch nicht das Gleichartige. freilich müsste es dies. Außerdem würde jedem der Prinzipien mehr Unkenntnis als Einsicht zukommen. Denn jedes (Element) wird zwar jeweils eines erkennen, vieles aber wird es nicht erkennen. nämlich alles andere. Auch ergibt sich – für Empedokles wenigstens –, dass der Gott am unverständigsten ist, weil er als einziger eines der Elemente, nämlich den Streit, nicht erkennt; die Sterblichen dagegen (erkennen es) alle, jedes Ding besteht ja aus allen (Elementen). Und überhaupt, aus welchem Grund haben nicht alle Dinge eine Seele, da doch alles entweder Element ist oder aus einem Element besteht oder aus vielen oder allen? Es ist (dann) ja notwendig, dass sie eines oder einige oder alle Dinge erkennen. Auch dürfte man wohl darüber in Schwierigkeiten geraten, was es denn sein soll, das die Elemente zur Einheit macht. Denn sie gleichen jedenfalls der Materie. Entscheidend aber ist jenes, das sie zusammenhält, was immer dies auch ist; und dass es etwas geben soll, das stärker ist als die Seele und sie beherrschend, ist unmöglich. Noch unmöglicher ist dies aber bei der Vernunft. Es macht nämlich guten Sinn, dass sie Vorrang vor allem und von Natur aus entscheidende Autorität hat. Sie dagegen behaupten, dass die Elemente die primären unter den seienden Dingen seien. Alle jedoch – und zwar sowohl diejenigen, die deswegen, weil sie die Dinge erkennt und wahrnimmt, behaupten, die Seele bestehe aus den Elementen, als auch diejenigen, die behaupten, sie sei das am meisten zum Bewegen Fähige – sprechen nicht über jede (Art von) Seele. Denn nicht alles, was wahrnehmend ist, ist bewegungsfähig, einige Lebewesen scheinen nämlich ortsgebunden zu sein, und doch scheint jedenfalls die Seele das Lebewesen nur in diese (Orts-) Bewegung zu versetzen – und ebenso auch alle diejenigen, welche die Vernunft und das Wahrnehmungsvermögen aus den Elementen bestehen lassen. Die Gewächse scheinen ja leben-
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dig zu sein, obwohl sie weder an Ortsbewegung noch an Wahrnehmung teilhaben, und viele Lebewesen scheinen kein Denken zu haben. Wenn man aber auch dies zugestehen und die Vernunft als einen bestimmten Teil der Seele ansetzen wollte und ebenso auch das Wahrnehmungsvermögen, so würden sie auch dann nicht allgemein über jede (Art von) Seele sprechen und auch nicht über irgendeine (Seele) als Ganze. – Dies gilt aber auch für die Erzählung in den sogenannten orphischen Liedern: Sie besagt nämlich, die Seele werde von den Winden getragen und komme beim Einatmen aus dem All (in den Körper) hinein. Dies kann ja bei den Gewächsen nicht passieren und auch bei einigen Lebewesen nicht, so sie denn nicht alle atmen. Aber dies entging denen, die dieser Meinung waren. Und wenn man die Seele schon aus den Elementen bestehen lassen soll, so muss es nicht aus allen sein. Es reicht nämlich, dass ein Glied des Gegensatzpaares sowohl sich selber als auch sein Gegenüberliegendes unterscheidet. Denn mit dem Geraden erkennen wir sowohl es selbst als auch das Krumme. Unterscheidende Instanz für beide ist der Richtscheit, das Krumme dagegen ist dies weder für sich selbst noch für das Gerade. Manche sagen aber auch, die Seele sei in dem All vermischt, weshalb vielleicht auch Thales glaubte, alles sei voller Götter. Aber damit gibt es einige Schwierigkeiten: Denn aus welchem Grund bringt die Seele, wenn sie in der Luft oder im Feuer ist, kein Lebewesen hervor, dagegen aber in den vermischten (Elementen), und dies, obwohl sie in jenen (unvermischten Elementen) besser zu sein scheint. – Man könnte aber auch der Frage nachgehen, warum die in der Luft befindliche Seele besser und unsterblicher ist als die in den Lebewesen. In beiden Fällen aber ergibt sich Abwegiges und Widersinniges: Denn zu behaupten, das Feuer oder die Luft sei ein Lebewesen, ist gar zu gewagt, und auch zu bestreiten, es seien Lebewesen, obwohl sich eine Seele in ihnen befindet, ist abwegig. Sie scheinen aber zu der Auffassung gelangt zu sein, die Seele befinde sich in diesen (Elementen), weil das Ganze mit seinen Teilen homogen ist. Es ist daher notwendig für sie zu sagen, dass auch die Seele homogen mit ihren Teilen ist, falls die Lebewesen dadurch
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beseelt werden, dass sie etwas von ihrer Umgebung empfangen. Wenn aber die abgetrennte Portion Luft (im Lebewesen) homogen ist und die Seele inhomogen, ist klar, dass ein Teil von ihr vorhanden sein wird, ein anderer aber nicht vorhanden sein wird. Also ist notwendig, dass sie entweder homogen ist oder sich nicht in jedem Teil des Alls befindet. Aus dem Gesagten ist also klar, dass weder das Erkennen der Seele dadurch zukommt, dass sie aus den Elementen besteht, noch die Behauptung zutreffend oder wahr ist, dass sie sich bewegt. Da das Erkennen zur Seele gehört und das Wahrnehmen und das Meinen, ferner das Begehren und Wünschen und insgesamt die Strebungen und den Lebewesen auch die Orts bewegung durch die Seele zuteil wird, außerdem Wachstum, Blüte und Schwinden, (fragt sich), ob dies jeweils der gesamten Seele zukommt und wir (also) mit der ganzen Seele denken und wahrnehmen, uns bewegen und auch alles andere jeweils tun und erleiden oder mit jeweils anderen Teilen anderes? Und so auch das Lebendig-Sein, ob es sich in einem bestimmten (Teil) davon befindet oder auch in mehreren oder allen oder noch etwas anderes Ursache dafür ist? Einige behaupten in der Tat, dass sie geteilt sei und dass sie mit einem Teil denke und mit einem anderen (Teil) begehre. Was hält dann aber die Seele zusammen, wenn sie von Natur geteilt ist? Der Körper wird es ja gewiss nicht sein; es scheint nämlich eher im Gegenteil die Seele den Körper zusammenzuhalten. So verweht und verfault er z. B., wenn die Seele ihn verlassen hat. Wenn denn also etwas anderes sie zu einer macht, so dürfte wohl dieses am ehesten Seele sein. Doch man wird dann wieder bei diesem nachforschen müssen, ob es eines ist oder vielteilig. Denn wenn es eines ist, warum ist nicht gleich auch die Seele eines? Wenn es aber geteilt ist, so wird wieder die Frage sein, was es ist, das dieses zusammenhält, und so geht es weiter ins Unendliche. Man könnte hinsichtlich ihrer Teile auch darüber in Schwierigkeiten geraten, welches Vermögen sie jeweils im Körper haben. Wenn nämlich die gesamte Seele den ganzen Körper zusammenhält, dann wird es auch jedem Teil (der Seele) zukommen, einen Teil des Körpers zusammenzuhalten. Das scheint aber ein Ding
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der Unmöglichkeit. Es ist nämlich schwer, sich auch nur auszudenken, welchen Körperteil die Vernunft zusammenhalten soll bzw. auf welche Weise. Aber auch die Gewächse scheinen (weiter) lebendig zu sein, wenn sie durchschnitten wurden, und manche von den Insekten, was nahelegt, dass sie der Art nach dieselbe Seele haben, wenn schon nicht der Zahl nach. Denn jeder ihrer Teile verfügt über Wahrnehmung und bewegt sich für eine gewisse Zeit dem Orte nach. Wenn sie aber nicht lange am Leben bleiben, so ist dies nicht befremdlich; sie haben ja keine Organe, um ihre Natur zu bewahren. Es befinden sich aber um nichts weniger in jedem einzelnen der (durchschnittenen Körper-)Teile alle Seelenteile und sind miteinander und mit der ganzen Seele homogen: miteinander, da sie nicht (voneinander) abtrennbar sind und mit der ganzen Seele, da sie teilbar ist. Es scheint aber auch das Prinzip in den Gewächsen eine Art Seele zu sein. Dieses ist nämlich das einzige, an dem Lebewesen und Gewächse gemeinsam Anteil haben, und es lässt es sich zwar vom wahrnehmungsmäßigen Prinzip abtrennen, doch nichts hat Wahrnehmung ohne es.
II Zweites Buch
1. Das, was von den früheren (Philosophen) über die Seele auf uns gekommen ist, soll damit besprochen sein. Wir wollen aber gleichsam wieder wie von vorn beginnen, indem wir versuchen, durch Einteilung zu bestimmen, was die Seele ist, d. h. was wohl ihr gemeinsamster Begriff sein dürfte. Also: Eine bestimmte Gattung des Seienden nennen wir Substanz, und davon ist das eine, was für sich genommen kein bestimmtes Dies ist, (Substanz) im Sinne von Materie, ein anderes aber, dem gemäß bereits ein bestimmtes Dies ausgesagt wird, Gestalt und Form, und ein Drittes ist das aus diesen Zusammengesetzte. Materie aber ist Vermögen, Form dagegen Vollendung, und dies auf zweifache Weise: einerseits wie das Wissen, andererseits wie das Betrachten. Substanzen scheinen aber in erster Linie die Körper zu sein und darunter vor allem die natürlichen. Denn diese sind Prinzipien der anderen. Von den natürlichen Körpern haben die einen Leben und andere nicht. Leben aber nennen wir: Ernährung durch sich selbst sowie Wachstum und Schwinden. Daher dürfte jeder natürliche Körper, der am Leben teilhat, Substanz sein, und zwar Substanz im Sinne der zusammengesetzten (Substanz). Da er aber auch ein solcher Körper ist – nämlich einer, der Leben hat –, dürfte der Körper wohl nicht Seele sein. Denn der Körper gehört nicht zu dem, was von einem Zugrundeliegenden ausgesagt wird, sondern ist vielmehr wie Zugrundeliegendes und Materie. Es ist also notwendig, dass die Seele Substanz im Sinne der Form eines natürlichen Körpers ist, der dem Vermögen nach Leben hat. Die Substanz ist aber Vollendung. Also (ist die Seele) Vollendung eines solchen Körpers. Diese wird aber auf zwei Weisen ausgesagt, einerseits wie Wissen, andererseits wie das Betrachten. Nun ist klar, dass sie wie Wissen (ausgesagt wird). Denn im Vorhandensein der Seele sind sowohl Schlaf als auch Wachen inbegriffen, und das Wachen ist dem Betrachten analog und der
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Schlaf dem Zustand, in dem man (Wissen) hat und (es) nicht aktiv ist. Der Entstehung nach ist bei demselben (Menschen) das Wissen aber früher (als das Betrachten). Deswegen ist die Seele die erste Vollendung eines natürlichen Körpers, der dem Vermögen nach Leben hat. Ein solcher (Körper) dürfte der werkzeughafte sein. Werkzeuge sind auch die Teile der Gewächse, aber ganz einfache, z. B. ist das Blatt die Bedeckung der Fruchthülse und die Fruchthülse (Bedeckung) der Frucht, und die Wurzeln entsprechen dem Mund; denn beide ziehen die Nahrung ein. Wenn daher etwas Gemeinsames für jede Seele gesagt werden soll, so dürfte sie die erste Vollendung eines natürlichen werkzeughaften Körpers sein. Deswegen muss man auch nicht untersuchen, ob die Seele und der Körper eins sind, so wie auch nicht beim Wachs und seiner Form, noch insgesamt bei der Materie eines jeden Dinges und dem, dessen Materie sie ist. Denn das Eins und das Sein, obgleich vielfach (ausgesagt), ist im eigentlichen Sinne die Vollendung. Im Allgemeinen ist nun gesagt, was die Seele ist, nämlich Substanz im Sinne des Begriffs. Dies ist das Was-es-hieß-dies-zu-sein für einen solchen bestimmten Körper, ganz so wie wenn ein Werkzeug, z. B. ein Beil, ein natürlicher Körper wäre. Denn dann wäre das Beil-Sein seine Substanz, und dies (wäre) auch seine Seele, und getrennt von ihr wäre er kein Beil mehr, außer dem Namen nach. So aber ist es ein Beil. Freilich ist die Seele nicht das Was-es-hieß-dies-zu-sein und der Begriff eines solchen Körpers, sondern eines ganz bestimmten natürlichen Körpers, der das Prinzip von Bewegung und Stillstand in sich selber hat. Man soll das Gesagte auch mit Blick auf die Teile betrachten. Wenn nämlich das Auge das Lebewesen wäre, so wäre seine Seele die Sehkraft; denn diese ist die Substanz des Auges im Sinne des Begriffs. Und das Auge ist die Materie der Sehkraft, die, wenn diese (Sehkraft) ausbleibt, kein Auge mehr ist, außer dem Namen nach, so wie das steinerne und das gemalte. Man soll daher das, was für den Teil gilt, auf den ganzen lebenden Körper anwenden. Denn so wie der Teil sich zum Teil verhält, so verhält sich analog die gesamte Wahrnehmung zu dem gesamten wahrnehmungsfähigen Körper, insofern er ein solcher
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ist. Es ist aber nicht der (Körper), der seine Seele verloren hat, der dem Vermögen nach lebendig ist, sondern der, der sie besitzt. Der Same aber und die Frucht ist dem Vermögen nach der auf diese Weise bestimmte Körper. So wie nämlich das Zerteilen und das Sehen, so ist auch das Wachen Vollendung, und so wie die Sehkraft und das Vermögen des Werkzeugs, (so) ist die Seele (Vollendung), und der Körper ist das dem Vermögen nach Seiende. Aber so wie das Auge der Augapfel und die Sehkraft ist, so ist auch dort die Seele und der Körper das Lebewesen. Dass nun die Seele nicht vom Körper zu trennen ist oder, wenn sie von Natur teilbar ist, gewisse Teile von ihr, ist klar. Die Vollendung einiger ihrer Teile ist nämlich die von den (Körper-)Teilen selbst. Allerdings spricht bei einigen (Seelenteilen) nichts dagegen, (dass sie vom Körper abtrennbar sind,) weil sie nicht Vollendungen eines Körpers sind. Noch aber ist unklar, ob die Seele auf solche Weise Vollendung des Körpers ist, wie ein Seemann (die Vollendung) eines Schiffes ist. Im Umriss soll die Seele damit skizzenhaft eingeteilt sein. 2. Da das Deutliche und dem Begriff nach Bekanntere aus dem hervorgeht, was zwar undeutlich, aber anschaulicher ist, soll (die Untersuchung) über die Seele auf folgende Weise erneut angegangen werden. Die definitorische Bestimmung soll nämlich nicht nur das Dass aufzeigen, so wie die meisten Definitionen es tun, sondern es soll auch die Ursache darin enthalten sein und sichtbar werden. Derzeit sind die begrifflichen Bestimmungen der Definitionen aber so wie Konklusionen aus Schlüssen: Zum Beispiel: Was ist die Quadratur? Ein gleichseitiges Viereck (zu konstruieren), das die gleiche Fläche hat wie ein ungleichseitiges. Eine solche Definition gibt eine begriffliche Bestimmung der Konklusion; wer dagegen sagt, dass die Quadratur ein Auffinden einer mittleren Proportionalen ist, der nennt die Ursache des Sachverhaltes. Wir sagen also, und machen damit den Anfang der Untersuchung, dass das Beseelte von dem Unbeseelten durch das Lebendig-Sein unterschieden ist. »Lebendig-Sein« wird aber auf vielfache Weise ausgesagt, und wir sagen auch dann, wenn nur eines davon darin vor-
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kommt, es sei lebendig, z. B. Vernunft, Wahrnehmung, Ortsbewegung und Stillstand, ferner Nahrungsaufnahme, Schwinden und Wachstum. Deswegen scheinen auch alle Gewächse lebendig zu sein. Offenbar haben sie in sich selbst nämlich ein Vermögen und ein solches Prinzip, aufgrund dessen sie in die entgegengesetzten Richtungen wachsen und schwinden. Alles, was aufwächst und lebt, wächst ja nicht nach oben, ohne nach unten zu wachsen, sondern gleichmäßig in beide Richtungen und nach allen Seiten, und zwar fortwährend, solange es in der Lage ist, Nahrung aufzunehmen. Und es ist zwar möglich, dieses (Vermögen) von den anderen abzutrennen, jedoch die anderen von ihm (abzutrennen), ist bei den sterblichen (Lebewesen) unmöglich. Das zeigt sich bei den Gewächsen. Ihnen kommt nämlich kein anderes Vermögen der Seele zu. Lebendig zu sein kommt also allem, was belebt ist, durch dieses Prinzip zu; Lebewesen (zu sein) aber zuerst durch die Wahrnehmung. Denn auch von denen, die sich nicht bewegen und nicht den Ort wechseln, jedoch Wahrnehmung haben, sagen wir, es sind Lebewesen, und nicht nur, dass sie leben. Und als erste Wahrnehmung kommt allen (Lebewesen) der Tastsinn zu. So wie das Ernährungsvermögen aber vom Tastsinn und jeder Wahrnehmung abgetrennt werden kann, so der Tastsinn von den anderen Wahrnehmungsvermögen. Ernährungsvermögen dagegen nennen wir den so beschaffenen Teil der Seele, an dem auch die Gewächse teilhaben. Die Lebewesen haben aber offensichtlich alle die Tastwahrnehmung. Aus welcher Ursache dieses beides der Fall ist, werden wir später sagen. Für jetzt soll nur soviel gesagt sein, dass die Seele Prinzip dieser genannten (Tätigkeiten) ist und durch diese definiert ist als Ernährungsvermögen, Wahrnehmungsvermögen, Denkvermögen oder, (Orts-) Bewegung. Ob aber jedes einzelne davon Seele ist oder Teil der Seele, und wenn es Teil ist, ob es auf solche Weise (Teil ist), dass er nur dem Begriff nach abtrennbar ist oder auch dem Orte nach, ist bei einigen von ihnen nicht schwer zu sehen, bei manchen bereitet es aber Schwierigkeiten. Denn so wie bei den Gewächsen manche offenbar lebendig sind, wenn sie durchschnitten und voneinander abgetrennt werden – so als wäre
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die in ihnen befindliche Seele zwar der Vollendung nach in jedem Gewächs eine einzige, dem Vermögen nach jedoch von mehreren (Gewächsen) –, so sehen wir, dass dies offensichtlich auch in Betreff eines anderen Unterschieds der Seele der Fall ist, (nämlich) bei den Insekten, wenn sie entzweigeschnitten werden. Jeder der beiden Teile hat nämlich Wahrnehmung und Ortsbewegung; wenn aber Wahrnehmung, dann auch Vorstellung und Strebung. Denn wo es Wahrnehmung gibt, dort gibt es auch Schmerz und Lust. Und wo es diese gibt, gibt es notwendig auch Begierde. Über die Vernunft und das Vermögen der theoretischen Betrachtung ist noch nichts klar, es scheint aber eine andere Gattung von Seele zu sein, und diese allein scheint abgetrennt werden zu können, so wie das Ewige vom Vergänglichen. Daraus ist aber klar, dass die übrigen Teile der Seele nicht in der Weise, wie manche sagen, abtrennbar sind. Dass sie aber dem Begriff nach andere sind, ist offensichtlich. Denn das, was es heißt, fähig zum Wahrnehmen zu sein, ist verschieden von dem, was es heißt, fähig zum Meinen zu sein, wenn denn das Wahrnehmen vom Meinen (verschieden ist). Ebenso verhält es sich auch bei jedem der übrigen genannten (Vermögen). Ferner kommen einigen Lebewesen diese alle zu, manchen aber nur einige davon und anderen (kommt) nur eines (zu) – und dies erzeugt Verschiedenheit unter den Lebewesen. Aus welchem Grund, soll später untersucht werden. Ähnliches ergibt sich auch für die (Arten der) Wahrnehmungen: Manche besitzen alle, manche einige, andere als einzige die notwendigste, die Tastwahrnehmung. Da das, wodurch wir lebendig sind und wahrnehmen, auf zweifache Weise ausgesagt wird, so wie auch das, wodurch wir wissen – wir meinen damit nämlich zum einen die Wissenschaft und zum anderen die Seele, weil wir von beiden von ihnen sagen, dass wir durch sie wissen –, ebenso (meint) das, wodurch wir gesund sind, zum einen: durch die Gesundheit, zum anderen aber: durch einen bestimmten Teil des Körpers oder auch: durch den ganzen. Davon aber ist die Wissenschaft und die Gesundheit, Gestalt, bestimmte Form und Begriff und wie die Wirklichkeit dessen, das fähig ist, sie aufzunehmen, und zwar zum einen für das, was fähig ist (et-
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was) zu wissen, und zum anderen für das, was fähig ist gesund zu sein – die Wirklichkeit dessen, das fähig ist zu bewirken, scheint sich ja in dem zu vollziehen, was affiziert und in einen Zustand versetzt wird. Die Seele ist aber das, wodurch wir primär lebendig sind und wahrnehmen und denken – sie dürfte folglich eine Art Begriff und Form sein, nicht aber Materie und das Zugrundeliegende. Da, wie wir gesagt haben, die Substanz auf dreifache Weise ausgesagt wird, nämlich erstens als Form, zweitens als Materie und drittens als das aus beiden Zusammengesetzte, wovon die Materie Vermögen und die Form Vollendung ist, (und) da das aus beiden Zusammengesetzte Beseeltes ist, ist nicht der Körper die Vollendung der Seele, sondern sie ist (die Vollendung) eines bestimmten Körpers. Und deswegen liegen diejenigen richtig, die meinen, die Seele existiere weder ohne Körper noch sei sie ein bestimmter Körper; denn sie ist kein Körper, sondern etwas des Körpers, und deswegen kommt sie im Körper vor, und zwar in einem Körper von bestimmter Beschaffenheit. Und nicht so wie die früheren Philosophen sie in einen Körper einfügten, ohne zusätzlich zu bestimmen, in welchen und von welcher Beschaffenheit, obgleich es nicht einmal den Anschein hat, dass jedes Beliebige Beliebiges aufnimmt. So aber ergibt es Sinn: Denn die Vollendung eines jeden Dinges kommt von Natur aus in das dem Vermögen nach Vorhandene und die ihr geeignete Materie hinein. Dass die Seele also eine Art von Vollendung und Begriff dessen ist, das ein Vermögen hat, ein solches zu sein, ist hieraus klar.
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3. Von den erwähnten Vermögen der Seele kommen, wie gesagt, einigen (lebendigen Dingen) alle zu, anderen einige von ihnen, einigen aber nur eines. Vermögen nannten wir: Ernährungsvermögen, Strebevermögen, Wahrnehmungsvermögen, Vermögen zur Ortsbewegung und Denkvermögen. Den Gewächsen kommt nur das Ernährungsvermögen zu, anderen aber dieses und das Wahrnehmungsvermögen. Wenn aber das Wahrnehmungsvermögen, dann auch das Strebevermögen; denn Strebung ist Begierde, Mut und Wunsch, und alle Lebewesen haben zumindest eine der Wahrnehmungen, den Tast-
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sinn. Wem aber die Wahrnehmung zukommt, dem kommt sowohl Lust als auch Leid und der Gegenstand der Lust und der Gegenstand des Leids zu, wem aber diese, dem kommt auch Begierde zu; denn diese ist die Strebung nach dem Lustvollen. Ferner haben sie eine Wahrnehmung der Nahrung; der Tastsinn ist nämlich die Wahrnehmung der Nahrung. Denn alles Lebendige ernährt sich durch Trockenes und Feuchtes und Warmes und Kaltes, und deren Wahrnehmung ist der Tastsinn. Den übrigen Wahrnehmungsgegenständen ist (die Nahrung) dagegen akzidentell. Denn weder Schall noch Farbe noch Geruch tragen etwas zur Ernährung bei, und der Geschmack ist einer von den Tastgegenständen. Hunger und Durst sind Begierden, und zwar der Hunger nach Trockenem und Warmem und der Durst nach Kaltem und Feuchtem. Und der Geschmack ist gewissermaßen eine Versüßung davon. Dar über soll später genauer gesprochen werden, für jetzt sei nur soviel gesagt, dass den Lebewesen, die den Tastsinn besitzen, auch Strebung zukommt. Hinsichtlich der Vorstellung ist es unklar; sie soll später untersucht werden. Einigen kommt außerdem noch das Vermögen zur Ortsbewegung zu, anderen auch das Denkvermögen und Vernunft, wie den Menschen, und falls es noch anderes Derartiges oder Würdigeres gibt. Es ist also klar, dass der Begriff der Seele und (der) der Figur auf die gleiche Weise einheitlich sein dürften. Denn weder gibt es dort eine Figur neben dem Dreieck und den sich anschließenden (Figuren), noch gibt es hier eine Seele neben den genannten (Vermögen). Es könnte wohl auch für die Figuren ein gemeinsamer Begriff gegeben werden, der zwar auf alle passt, jedoch keiner Figur eigentümlich sein wird. Auf gleiche Weise verhält es sich auch bei den erwähnten Seelen. Deswegen ist es lächerlich, einen solchen gemeinsamen Begriff zu suchen, sowohl hier als auch in anderen Fällen, der ein keinem der existierenden Dinge eigentümlicher Begriff ist und auch nicht der zugehörigen und unteilbaren Art entsprechen wird, und dabei auf einen solchen (eigentümlichen Begriff) zu verzichten. Bei der Seele verhält es sich ganz ähnlich wie bei den Figuren: In der nachfolgenden ist nämlich dem Vermögen nach immer die vor-
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hergehende enthalten, sowohl bei den Figuren als auch beim Beseelten, wie im Viereck ein Dreieck und im Wahrnehmungsvermögen das Ernährungsvermögen. Man muss daher im Einzelnen untersuchen, was die Seele jedes einzelnen ist, etwa was die des Gewächses und was die des Menschen oder Tieres ist. Und man muss untersuchen, aus welchem Grund sie auf diese Weise eine Reihe bilden: Denn ohne das Ernährungsvermögen gibt es kein Wahrnehmungsvermögen. Bei den Gewächsen jedoch trennt sich das Ernährungsvermögen von dem Wahrnehmungsvermögen. Umgekehrt aber kommt keine der übrigen Wahrnehmungen ohne das Tastvermögen vor, Tastsinn jedoch kommt ohne die anderen vor. Es haben nämlich viele Lebewesen weder Gesichtssinn noch Gehör noch eine Wahrnehmung von Geruch. Und von den zur Wahrnehmung fähigen Lebewesen haben einige das Vermögen zur Ortsbewegung, andere aber nicht. Als Letztes und auch in geringster Zahl (haben Lebewesen) Überlegung und Denken. Denn denjenigen sterblichen (Lebewesen), denen Überlegung zukommt, kommen auch alle übrigen (Vermögen) zu, von denjenigen dagegen, die jedes von diesen haben, kommt nicht allen Überlegung zu, sondern einigen nicht einmal Vorstellung, während andere allein mit dieser leben. Von der theoretischen Vernunft soll an anderer Stelle gehandelt werden. Dass also der Begriff von jedem einzelnen dieser (Vermögen) auch für die Seele (insgesamt) der geeignetste ist, ist klar. 4. Es ist notwendig, dass derjenige, der über diese (Seelenvermögen) Untersuchungen anstellen will, von jedem einzelnen von ihnen herausfindet, was es ist, und dann auf diese Weise bei den anschließenden und den übrigen weiterforscht. Wenn es aber nötig ist anzugeben, was jedes einzelne von ihnen ist, etwa was das Denkvermögen ist oder das Wahrnehmungsvermögen oder das Ernährungsvermögen, so ist vorher noch anzugeben, was das Denken und was das Wahrnehmen ist. Denn die Wirklichkeiten und Tätigkeiten sind dem Begriff nach früher als die Vermögen. Wenn sich dies aber so verhält und man noch vor diesen deren Gegenstände betrachtet haben muss, so soll
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man diese aus demselben Grund vorher eingeteilt haben, wie Nahrung, Wahrnehmungsgegenstand und Denkgegenstand. Folglich ist zuerst über N ahrung und Zeugung zu sprechen. Die ernährende Seele kommt nämlich auch den anderen zu und ist das erste und gemeinsamste Vermögen der Seele, kraft dessen allen (lebendigen Wesen) das Lebendig-Sein zukommt. Die Leistungen dieses Vermögens sind zu zeugen und Nahrung zu gebrauchen. Denn für alle lebendigen Wesen, die vollendet und nicht verstümmelt sind oder spontan entstehen, ist es die natürlichste ihrer Leistungen, ein anderes hervorzubringen, das so ist wie es selbst – ein Lebewesen ein Lebewesen, ein Gewächs ein Gewächs –, damit sie am Ewigen und am Göttlichen teilhaben, soweit es ihnen möglich ist. Denn alle (lebendigen Wesen) streben nach jenem (Göttlichen), und um seinetwillen tun sie alles, was sie von Natur aus tun. Das Worum-willen bedeutet aber zweierlei: zum einen das Um-wessen-willen, zum anderen das Wofür. Da nun (die lebendigen Wesen) nicht in der Lage sind, mit dem Ewigen und Göttlichen in kontinuierlicher Gemeinschaft zu sein, weil nichts Vergängliches es vermag, als der Zahl nach eines und dasselbe fortzubestehen, geht ein jedes soweit mit ihm eine Gemeinschaft ein, wie es dazu in der Lage ist, an ihm teilzuhaben, das eine mehr, das andere weniger. Und nicht es selbst besteht fort, sondern eines so wie es selbst, zwar nicht der Zahl nach eines, aber der Art nach eines. Die Seele ist Ursache und Prinzip des lebendigen Körpers. Diese werden jedoch auf vielfache Weise ausgesagt. Und ebenso ist die Seele gemäß dreier der unterschiedenen Weisen Ursache: Sie ist das Woher der Bewegung, das Worum-willen, und auch als die Substanz der beseelten Körper ist die Seele Ursache. Dass sie es also als Substanz ist, ist klar. Denn für alle Dinge ist die Ursache ihres Seins ihre Substanz. Und für die lebendigen Dinge ist das Sein das Lebendig-Sein, Ursache und Prinzip hiervon ist aber die Seele. Ferner ist die Vollendung der Begriff des dem Vermögen nach Seienden. Und es ist klar, dass die Seele auch als Worum-willen Ursache ist. Denn so wie die Vernunft um eines bestimmten (Zweckes) willen hervorbringt, auf dieselbe Weise (tut dies) auch die Natur, und dies ist
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bei ihr Zweck. Ein solcher (Zweck) aber ist bei den Lebewesen die Seele, und zwar von Natur aus. Denn alle natürlichen Körper sind Werkzeuge ihrer Seele. Und so wie die (Körper) der Lebewesen, so auch die der Gewächse, da sie ja um der Seele willen existieren. Das Worum-willen bedeutet aber zweierlei, einmal das Um-wessen-willen, einmal das Wofür. Indessen ist auch das, woher die Ortsbewegung zuerst stammt, Seele, doch kommt dieses Vermögen nicht allem Lebendigen zu. Es gibt aber auch qualitative Veränderung und Wachstum gemäß der Seele. Denn die Wahrnehmung scheint eine Art qualitative Veränderung zu sein, und nichts, das nicht an der Seele teilhat, nimmt wahr. Εbenso verhält es sich auch bei Wachstum und Schwinden; denn weder schwindet noch wächst irgendetwas auf natürliche Weise, wenn es sich nicht ernährt, und es nährt sich nichts, was nicht Gemeinschaft mit dem Leben hat. Empedokles hat es aber nicht richtig getroffen, als er hinzufügte, dass bei den Gewächsen das Wachstum durch Wurzelbildung nach unten erfolgt, weil die Erde sich von Natur in diese Richtung bewegt, und nach oben, weil es beim Feuer in die entsprechende Richtung geht. Denn auch das »nach oben« und »nach unten« fasst er nicht richtig auf, weil »nach oben« und »nach unten« nicht für alle (lebendigen Wesen) dasselbe bedeutet wie für das All, sondern so wie der Kopf der Lebewesen, so sind die Wurzeln der Gewächse, wenn die Werkzeuge anhand ihrer Leistungen als verschieden und identisch bezeichnet werden sollen. Außerdem: Was ist es, was das Feuer und die Erde, die sich in die entgegengesetzten Richtungen bewegen, zusammenhält? Sie (die Gewächse) würden ja auseinander gerissen werden, wenn es nicht etwas gäbe, das dies verhindert; wenn es das aber gibt, dann ist dies die Seele und die Ursache des Wachsens und Ernährens. Manche sind der Meinung, die Natur des Feuers sei ohne weitere Qualifikation Ursache der Ernährung und des Wachstums; und in der Tat erweist es sich als der einzige unter den Körpern bzw. den Elementen, der sich ernährt und wächst. Daher könnte man auch bei den Gewächsen und bei den Lebewesen annehmen, dass dieses (Feuer) es sei, das dies bewerkstelligt. Doch es ist (bloß) irgendwie Mitursa-
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che. und ganz bestimmt nicht Ursache ohne weitere Qualifikation, sondern (dies ist) vielmehr die Seele. Das Wachstum des Feuers geht nämlich ins Unendliche, solange das Brennbare vorhanden ist; die von Natur zusammengesetzten Dinge haben dagegen alle eine Grenze und eine Proportion von Größe und Wachstum. Dies gehört zur Seele und nicht zum Feuer und eher zum Begriff als zur Materie. Da dasselbe Vermögen der Seele zur Ernährung und zur Zeugung fähig ist, ist es notwendig, auch zuerst über Nahrung unsere Bestimmungen zu treffen; es wird nämlich durch diese Leistung von den anderen Vermögen abgegrenzt. Es scheint aber das Entgegengesetzte für das Entgegengesetzte die Nahrung zu sein, doch nicht jedes für jedes, sondern alles Entgegengesetzte, welches nicht nur gegenseitiges Entstehen auseinander hat, sondern auch Wachstum. Es entstehen nämlich viele Dinge wechselseitig auseinander, aber nicht alle sind Quantitäten, wie z. B. Gesundes aus Krankem. Doch scheinen auch diese nicht auf dieselbe Weise wechselseitig füreinander Nahrung zu sein, sondern das Wasser ist zwar Nahrung für das Feuer, das Feuer nährt jedoch das Wasser nicht. Allerdings scheinen bei den einfachen Körpern diese noch am ehesten teils Nahrung und teils Ernährtes zu sein. Dies bereitet aber eine Schwierigkeit: Denn die einen sagen, Gleiches ernähre sich durch Gleiches, so wie es auch (durch Gleiches) wachse, den anderen aber scheint, so wie wir gesagt haben, umgekehrt das Entgegengesetzte sich durch das Entgegengesetzte zu ernähren, da Gleiches von Gleichem nicht affizierbar sei, die Nahrung aber einen Umschlag bewirke und verdaut werde und der Umschlag für alle Dinge in den entgegengesetzten Zustand bzw. in den dazwischenliegenden verlaufe. Ferner erleidet die Nahrung etwas von dem, was sich ernährt, dieses aber nicht von der Nahrung, so wie auch der Zimmermann nichts von dem Holz erleidet, sondern dieses von ihm. Der Zimmermann geht lediglich von Untätigkeit in Tätigkeit über. Es macht aber einen Unterschied, ob die Nahrung das erste oder das letzte ist, das (dem Körper) zugeführt wird. Wenn sie aber beides ist, jedoch einmal als unverdaute und einmal als
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verdaute, dann dürfte es wohl auf beiderlei Weisen möglich sein, (von Nahrung) zu sprechen. Insofern sie nämlich unverdaut ist, nährt sich das Entgegengesetzte durch das Entgegengesetzte, insofern sie aber verdaut ist, das Gleiche durch das Gleiche, so dass klar ist, dass beide auf gewisse Weise recht haben und nicht recht haben. Da sich aber nichts ernährt, was nicht am Leben teilhat, dürfte der beseelte Körper das SichErnährende sein, insofern er beseelt ist, so dass auch die Nahrung im Verhältnis auf ein Beseeltes ist, und zwar nicht auf akzidentelle Weise. Nahrung zu sein und Wachstum bewirken zu können aber sind verschieden. Denn insofern das Beseelte eine bestimmte Quantität ist, ist es (das Zugeführte) fähig, Wachstum zu bewirken, insofern es (das Beseelte) aber ein bestimmtes Dieses und Substanz ist, ist es (das Zugeführte) Nahrung. Es (das Beseelte) bewahrt nämlich seine Substanz und besteht so lange, wie es sich ernährt; und es ist auch fähig, Zeugung zu bewirken, nicht vom Sich-Ernährenden, sondern von einem, das so ist wie das Sich-Ernährende; seine eigene Substanz existiert ja bereits, und nichts erzeugt sich selbst, sondern erhält sich (nur). Folglich ist das derartige Prinzip der Seele ein Vermögen, das seinen Besitzer erhält, insofern er ein solcher ist. Die Nahrung aber stellt das für das Wirklich-Sein Erforderliche bereit. Deswegen kann man ohne Nahrung nicht existieren. Da es aber dreierlei gibt, das Sich-Ernährende, das, wodurch es sich ernährt, und das Nährende, so ist das Nährende die erste Seele, das Sich-Ernährende der sie besitzende Körper und das, wodurch er sich ernährt, die Nahrung. Und da es gerechtfertigt ist, alle Dinge von ihrem Zweck her zu benennen, es aber Zweck ist, etwas zu zeugen, das so ist wie man selbst, dürfte die erste Seele wohl befähigen, etwas zu zeugen, das so ist wie man selbst. »Wodurch es sich ernährt« meint aber zweierlei – so wie »wodurch er steuert« sowohl die Hand als auch das Ruder meint –, nämlich einmal das bewegte Bewegende und einmal nur das Bewegende. Es ist aber notwendig, dass alle Nahrung verdaut werden kann, und die Verdauung wird durch Wärme bewerkstelligt. Deswegen hat alles Beseelte Wärme. Im Umriss ist also gesagt, was Nahrung ist, später aber
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soll in den dazu gehörigen Abhandlungen ausführlich darüber gesprochen werden. 5. Nachdem wir dies abgehandelt haben, wollen wir in gemeinsamer Weise über die Wahrnehmung insgesamt sprechen. Die Wahrnehmung findet im Bewegtwerden und Erleiden statt, wie gesagt wurde; sie scheint nämlich eine Art qualitativer Veränderung zu sein. Einige aber behaupten auch, dass das Gleiche durch das Gleiche affiziert werde. Inwieweit dies möglich oder unmöglich ist, haben wir in den allgemeinen Darlegungen über das Wirken und Leiden gesagt. Es bereitet aber eine Schwierigkeit, warum nicht auch eine Wahrnehmung der Wahrnehmungen selbst zustande kommt und warum diese ohne die Außendinge keine Wahrnehmung bewirken, obwohl doch Feuer und Erde und die anderen Elemente in ihnen sind, welches die Gegenstände der Wahrnehmung an sich sind bzw. diesen akzidentell zukommen. Es ist also klar, dass das Wahrnehmungsvermögen nicht der Wirklichkeit, sondern nur dem Vermögen nach da ist; deswegen (nimmt es nicht wahr), so wie auch das Brennbare nicht (schon) selber an sich brennt ohne das, was es in Brand setzen kann. Es würde sich dann nämlich selber in Brand setzen und bedürfte nicht des der Vollendung nach seienden Feuers. Da wir das Wahrnehmen zweifach aussagen – denn wir sagen, dass auch das dem Vermögen nach Hörende und Sehende höre und sehe, und zwar sowohl wenn es gerade schläft als auch wenn es bereits wirklich tätig ist –, so dürfte wohl auch die Wahrnehmung zweifach ausgesagt werden: einmal als dem Vermögen und das andere Mal als der Wirklichkeit nach. Und ebenso ist auch der Gegenstand der Wahrnehmung teils dem Vermögen nach und teils der Wirklichkeit nach seiend. Nun wollen wir zuerst unter der Voraussetzung sprechen, dass das Leiden, d. h. das Bewegt-Werden, und das Wirklich-Sein dasselbe seien. Denn auch die Bewegung ist eine Art Wirklichkeit, freilich eine unvollkommene, wie bereits an anderer Stelle gesagt worden ist. Und alles leidet und wird bewegt von dem Bewirkenden und der Wirklichkeit nach Seienden. Deswegen ist es einerseits möglich, dass es von dem
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Gleichen erleidet, andererseits aber auch von dem Ungleichen, wie wir bemerkt haben; denn es erleidet zwar das Ungleiche, doch wenn es einmal erlitten hat, ist es ein Gleiches. Es muss aber auch bei Vermögen und Vollendung differenziert werden; denn im Augenblick sprechen wir über sie in undifferenzierter Weise. Es gibt nämlich etwas Wissendes teils auf solche Weise, wie wir einen Menschen wissend nennen, weil der Mensch zu den wissenden (Lebewesen) gehört und denen, die Wissen haben, und teils so, wie wir schon den wissend nennen, der im Besitz des Schriftwissens ist. Denn sie beide sind nicht auf dieselbe Weise vermögend, sondern der eine (ist es), weil seine Gattung so beschaffen ist und seine Materie, der andere dagegen, weil er dann, wenn er es wünscht, betrachten kann, wenn nichts Äußeres ihn hindert. Noch ein weiterer ist der, der bereits betrachtend ist, indem er der Vollendung nach ist und dieses bestimmte A im eigentlichen Sinn weiß. Nun sind die ersteren beiden zwar dem Vermögen nach Wissende, doch der eine (weiß erst dann der Vollendung nach), wenn er sich durch Lernen verändert hat und häufig aus einem entgegengesetzten Zustand umgeschlagen ist, der andere dagegen dann, wenn er aus dem Besitz der Wahrnehmung und des Schriftwissens, doch ohne sie wirklich auszuüben, auf andere Weise in das Wirklich-Sein umschlägt. Und auch das Erleiden ist nichts Einfaches, vielmehr ist es zum einen eine Art von Zerstörung durch das Entgegengesetzte und zum anderen eher ein Bewahren des dem Vermögen nach Seienden durch das der Vollendung nach Seiende und dessen, was ihm auf solche Weise gleich ist, wie ein Vermögen sich zur Vollendung verhält. Denn indem es betrachtet, entsteht das, was das Wissen hat, was entweder keine Veränderung ist – denn der Fortschritt geht hin zu ihm selbst und in eine Vollendung –, oder es ist eine andere Gattung von Veränderung. Deswegen trifft es nicht zu, zu sagen, dass das Denkende, wenn es denkt, sich verändere, so wie auch nicht der Hausbauer, wenn er ein Haus baut. Das also, was beim Denkenden und Erkennenden aus dem dem Vermögen nach Seienden in die Vollendung überführt, ist nicht Unterricht, sondern sollte mit Recht eine andere Bezeichnung erhalten. Wer aber
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als dem Vermögen nach seiender lernt und Wissen erwirbt, und zwar von dem, der es der Wirklichkeit nach ist und die Fähigkeit hat zu unterrichten, von dem soll entweder gar nicht gesagt werden, dass er erleidet [wie gesagt wurde], oder es gibt zwei Weisen der Veränderung, nämlich einerseits den Umschlag in die privativen Zustände, andererseits den hin zum Haben und zur Natur. Der erste Umschlag des Wahrnehmungsvermögens jedoch erfolgt von dem Erzeuger, und wenn man geboren wird, verhält sich das Wahrnehmen bereits so wie das Wissen. Und das wirkliche (Wahrnehmen) wird ebenso ausgesagt wie das Betrachten; es ist aber verschieden, weil bei Ersterem das, was die Wirklichkeit bewirkt, von außen kommt, nämlich der sichtbare und der hörbare Gegenstand, und ebenso auch die übrigen Wahrnehmungsgegenstände. Ursache dafür ist, dass die wirkliche Wahrnehmung sich auf Einzeldinge bezieht, das Wissen dagegen auf Allgemeines und dies befindet sich in gewisser Weise in der Seele selbst. Deswegen steht es zwar in der Macht (des Denkenden) zu denken, wann immer er will; wahrzunehmen aber steht nicht in seiner Macht; denn es ist notwendig, dass der wahrnehmbare Gegenstand vorliegt. Ebenso verhält sich dies auch mit den Wissenschaften von den wahrnehmbaren Dingen, und zwar aus demselben Grund, weil die wahrnehmbaren Gegenstände zu den Einzel- und Außendingen gehören. Aber hierüber ausführlich zu sprechen wird später wieder Gelegenheit sein. Für jetzt sei soviel gesagt, dass das dem Vermögen nach Ausgesagte nichts Einfaches ist, sondern teils so (ausgesagt wird), wie wenn wir sagen würden, dass ein Knabe das Vermögen hat, Feldherr zu sein, und teils so wie bei einem, der das passende Alter erreicht hat; (und) auf diese Weise verhält es sich bei dem Wahrnehmungsvermögen. Da es für den Unterschied zwischen ihnen keine Bezeichnung gibt, hinsichtlich ihrer aber bereits bestimmt worden ist, dass sie verschieden sind und auf welche Weise sie verschieden sind, ist es notwendig, »Erleiden« und »Veränderung« als geltende Bezeichnungen zu benutzen. Das Wahrnehmungsvermögen ist, wie gesagt, dem Vermögen nach so, wie der Wahrnehmungsgegenstand bereits der Vollendung nach ist. Also erleidet es,
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während es nicht gleich ist, nachdem es aber erlitten hat, ist es angeglichen und wie jenes. 6. Es muss entsprechend jeder einzelnen Wahrnehmungsgattung zuerst über die Wahrnehmungsgegenstände gesprochen werden. »Wahrnehmungsgegenstand« wird aber auf dreifache Weise ausgesagt. Von zweien davon sagen wir, dass sie an sich, und von dem einen, dass er akzidentell wahrgenommen wird. Der eine von den zweien ist für jede einzelne Wahrnehmungsgattung eigentümlich, der andere allen gemeinsam. Unter »eigentümlich« verstehe ich, was durch eine andere Wahrnehmungsgattung nicht wahrgenommen werden kann und worüber man sich nicht täuschen kann, z. B. das Sehen einer Farbe, das Hören eines Schalls und das Schmecken eines Geschmacks; der Tastsinn dagegen umfasst mehrere Unterschiede. Aber doch unterscheidet jede einzelne (Wahrnehmungsgattung) betreffs dieser (eigentümlichen Wahrnehmungsgegenstände), und sie täuscht sich nicht, dass (sie) eine Farbe (sieht), noch dass (sie) einen Schall (hört), sondern was das Farbige ist oder wo bzw. was das ist, was den Schall erzeugt, oder wo. Die (Wahrnehmungsgegenstände) von dieser Art werden also als für jede einzelne (Wahrnehmungsgattung) eigentümliche bezeichnet, als gemeinsame dagegen (werden be zeichnet): Bewegung, Ruhe, Anzahl, Gestalt und Ausdehnung, weil was derartig ist, keiner einzigen (Wahrnehmungsgattung) eigentümlich, sondern allen gemeinsam ist. Denn sowohl für den Tastsinn gibt es eine wahrnehmbare Bewegung als auch für das Sehen. Akzidenteller Wahrnehmungsgegenstand aber wird genannt, wenn z. B. das Weiße der Sohn des Diares sein sollte; es wird nämlich akzidentell wahrgenommen, weil dies dem Weißen akzidentell ist, als wessen (weiß) es wahrgenommen wird. Deswegen erleidet (die Wahrnehmung) auch nichts von dem wahrnehmbaren Gegenstand, insofern er ein solcher ist. Von den an sich wahrnehmbaren Gegenständen sind die eigentümlichen die im vornehmlichen Sinn wahrnehmbaren und die, auf welche die Substanz jeder einzelnen Wahrnehmungsgattung von Natur ausgerichtet ist.
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7. Also: Worauf sich das Sehen bezieht, dies ist sichtbar. Sichtbar ist Farbe und das, was sich zwar dem Begriff nach angeben lässt, aber ohne Namen ist. Was wir meinen, wird am besten im weiteren Fortgang deutlich. Das Sichtbare ist nämlich Farbe. Diese aber ist das, was sich auf dem an sich Sichtbaren befindet; »an sich« aber nicht dem Begriff nach, sondern als das, was in sich selbst die Ursache dafür hat, sichtbar zu sein. Jede Farbe ist fähig, das der Wirklichkeit nach Durchsichtige in Bewegung zu setzen; und dies ist auch ihre Natur. Deswegen ist sie ohne Licht nicht sichtbar, sondern durchweg jede Farbe wird im Licht gesehen. Daher muss zuerst über das Licht gesagt werden, was es ist. Also: Es gibt etwas Durchsichtiges. »Durchsichtig« nenne ich das, was zwar sichtbar, nicht aber an sich sichtbar im einfachen Sinn ist, sondern aufgrund einer fremden Farbe. Von dieser Art sind Luft, Wasser und viele Festkörper. Denn weder insofern sie Wasser noch insofern sie Luft sind, sind sie durchsichtig, sondern weil sie eine bestimmte Natur in sich haben, die in diesen beiden, und auch in dem ewigen himmlischen Körper, dieselbe ist. Und Licht ist dessen Wirklichkeit: des Durchsichtigen als Durchsichtigen. Dem Vermögen nach aber befindet sich dort, worin dieses ist, auch die Dunkelheit. Das Licht ist wie die Farbe des Durchsichtigen, wenn es der Vollendung nach durchsichtig ist, sei es durch Feuer oder durch etwas von der Art wie der himmlische Körper. Denn auch diesem kommt etwas zu, was (damit) ein und dasselbe ist. Was also das Durchsichtige ist und was das Licht ist, ist gesagt: nämlich dass es weder Feuer noch überhaupt Körper, noch Ausströmung irgendeines Körpers ist – denn auch so wäre es eine Art Körper –, sondern die Anwesenheit von Feuer oder etwas Derartigem im Durchsichtigen. Es ist nämlich nicht möglich, dass zwei Körper zugleich an derselben Stelle sind, und das Licht scheint der Dunkelheit entgegengesetzt zu sein. Dunkelheit ist aber die Privation des derartigen Zustands aus dem Durchsichtigen, so dass dann auch klar ist, dass dessen Anwesenheit das Licht ist. Und Empedokles, und wenn sich sonst jemand auf diese Weise geäußert hat, liegt falsch (mit der Behauptung), das Licht bewege sich fort und er-
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strecke sich zuweilen zwischen der Erde und ihrer Umgebung, jedoch ohne dass wir es bemerkten. Dies widerspricht nämlich sowohl der Evidenz der Vernunft als auch den Phänomenen: Denn auf eine kleine Entfernung könnte es uns zwar verborgen bleiben, doch dass es vom äußersten Osten bis zum äußersten Westen verborgen bleiben soll, ist zu viel verlangt. Fähig, Farbe aufzunehmen, ist das Farblose, und (fähig), Schall (aufzunehmen), ist das, was ohne Schall ist. Farblos ist aber das Durchsichtige und das Unsichtbare oder das nur mit Mühe Gesehene, wie es z.B das Dunkle zu sein scheint. Und von dieser Beschaffenheit ist das Durchsichtige, aber nicht, wenn es der Vollendung nach, sondern wenn es dem Vermögen nach durchsichtig ist. Denn dieselbe Natur ist zu einer Zeit Dunkelheit und zu eine anderen Zeit Licht. Aber nicht alles Sichtbare ist im Licht (sichtbar), sondern nur die jedem einzelnen Ding eigene Farbe. Einiges nämlich wird zwar im Licht nicht gesehen, bewirkt jedoch im Dunkeln Wahrnehmung, z. B. das, was feuerartig und leuchtend erscheint und für das es keinen gemeinsamen Namen gibt, wie etwa Pilz und Horn sowie Köpfe, Schuppen und Augen von Fischen, aber von keinem dieser Dinge wird die eigene Farbe gesehen. Aus welchem Grund sie (überhaupt) zu sehen sind, ist ein anderes Thema. Für jetzt ist so viel klar, dass das, was im Licht gesehen wird, Farbe ist, weswegen sie ohne Licht auch nicht gesehen werden kann. Denn dies war es, was es für die Farbe hieß zu sein: fähig zu sein, das der Wirklichkeit nach Durchsichtige zu bewegen. Die Vollendung des Durchsichtigen aber ist Licht. Dafür gibt es ein deutliches Zeichen: Wenn man nämlich das, was Farbe hat, direkt auf das Auge legt, wird man es nicht sehen, sondern die Farbe bewegt das Durchsichtige, z. B. die Luft, und von dieser, da sie unmittelbar an sie anschließt, wird das Sinnesorgan bewegt. Demokrit liegt nämlich falsch, wenn er glaubt, dass, wenn das Dazwischenliegende leer wäre, sogar genau gesehen werden könnte, ob eine Ameise am Himmel wäre. Denn dies ist unmöglich. Das Sehen kommt ja dadurch zustande, dass das Wahrnehmungsvermögen etwas erleidet. Nun ist es aber unmöglich, dass es von der gesehenen Farbe selbst erleidet. Es bleibt daher, dass es von
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dem Dazwischenliegenden (erleidet), so dass es notwendig etwas gibt, was dazwischen liegt. Wenn es aber leer wäre, dann sähe man nicht genau, sondern überhaupt nichts. Aus welcher Ursache die Farbe also n otwendig im Licht gesehen wird, ist gesagt worden. Feuer dagegen sieht man in beidem, sowohl in der Dunkelheit als auch im Licht, und dies aus Notwendigkeit, weil das Durchsichtige durch es durchsichtig wird. Dasselbe gilt auch für Schall und Geruch. Denn keines von diesen bewirkt die Wahrnehmung, indem es selbst das Sinnesorgan berührt, sondern von Geruch und Schall wird das Dazwischenliegende bewegt und von diesem das jeweilige Sinnesorgan. Doch wenn man das Schallende oder Riechende direkt auf das Sinnesorgan legt, wird es keinerlei Wahrnehmung bewirken. Beim Tast- und Geschmackssinn verhält es sich ähnlich, doch hat es nicht den Anschein; aus welchem Grund, wird später deutlich werden. Das Dazwischenliegende für Schall ist Luft, und für Geruch ist es ohne Namen. Es gibt nämlich eine bestimmte gemeinsame Eigenschaft bei Luft und Wasser, die in diesen beiden vorkommt – so wie das Durchsichtige für Farbe, so auch für das, was Geruch hat. Es scheinen nämlich auch die im Wasser lebenden Lebewesen Geruchswahrnehmung zu haben. Aber der Mensch und alle atmenden Landlebewesen können nicht riechen, wenn sie nicht einatmen. Die Ursache davon wird später angegeben werden. 8. Jetzt wollen wir zuerst Schall und Gehör bestimmen. Der Schall ist von zweierlei Art: Einerseits nämlich ist er etwas der Wirklichkeit nach, andererseits dem Vermögen nach. Wir sagen ja von einigen Dingen, dass sie keinen Schall erzeugen, z. B. von Schwamm und Wolle; von anderen dagegen (sagen wir), dass sie dies tun, z. B. von Erz und allem, was fest und glatt ist, weil es vermögend ist zu erschallen, und das heißt, in dem, was sich zwischen ihm und dem Hörorgan befindet, einen wirklichen Schall zu erzeugen. Der Schall der Wirklichkeit nach entsteht aber immer (als Schall) von etwas, an etwas und in etwas; denn ein Schlag ist es, der ihn hervorbringt. Deswegen ist es unmöglich, dass Schall entsteht, wenn nur eines vorhanden ist.
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Schlagendes und Geschlagenes sind nämlich verschieden. Folglich erschallt das, was Schall bewirkt, an etwas. Ein Schlag aber entsteht nicht ohne Ortsbewegung. Wie wir schon gesagt haben: Der Schall ist kein (Aufeinander-)Schlag von beliebigen Gegenständen. Wolle erzeugt ja keinen Schall, wenn sie angeschlagen wird, sondern Erz und alles, was glatt und hohl ist. Das Erz (erzeugt Schall), weil es glatt ist, und Hohlkörper bringen durch Rückbrechung nach dem ersten viele Schläge hervor, da das, was in Bewegung gesetzt worden ist, nicht entweichen kann. Ferner kann man in der Luft hören und auch im Wasser, allerdings in geringerem Maße. Aber weder die Luft noch das Wasser sind ausschlaggebend für den Schall, sondern es muss ein Schlag von Festkörpern gegeneinander und auch gegen die Luft stattfinden. Und dies passiert, wenn die Luft, nachdem sie geschlagen wurde, (in diesem Zustand) verharrt und sich nicht zerstreut. Deswegen erschallt sie immer dann, wenn sie schnell und heftig geschlagen wird. Die Bewegung des Schlagenden muss nämlich der Zerstreuung der Luft zuvorkommen, so wie wenn man einen Sandhaufen bzw. einen sich schnell bewegenden Sandwirbel schlagen würde. Und ein Echo entsteht dann, wenn eine einheitlich gewordene Luftmasse durch das Gefäß, das sie umgrenzt und ihr Zerstreutwerden verhindert, wieder abgestoßen wird, so wie ein Ball. Es scheint aber immer ein Echo zu entstehen, allerdings kein deutliches, da sich beim Schall ja das gleiche ereignet wie bei dem Licht. Denn auch das Licht wird immer reflektiert – sonst gäbe es ja nicht überall Licht, sondern nur Dunkelheit außerhalb von dem, was direkt von der Sonne beschienen wird –, es wird aber nicht so reflektiert wie vom Wasser oder Erz oder einem anderen glatten Körper, so dass es einen Schatten wirft, durch den wir das Licht begrenzen. Mit Recht sagt man, dass das Leere für das Hören ausschlaggebend ist. Denn die Luft scheint leer zu sein, und sie ist es, die das Hören bewirkt, wenn sie als kontinuierliche und einheitliche bewegt wird. Dadurch jedoch, dass sie leicht zerfällt, erschallt sie nicht, wenn das Angeschlagene nicht glatt ist. Aber wenn dies der Fall ist, wird sie aufgrund der Oberfläche gleichzeitig zu einer Einheit; denn die Oberfläche des Glatten
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ist einheitlich. Schallerzeugend ist also das, was fähig ist, eine einheitliche Luftmasse in Kontinuität bis zum Gehör zu bewegen. Das Gehör ist aber von Natur mit Luft zusammengewachsen. Und aufgrund der Tatsache, dass es sich in Luft befindet, wird, wenn die äußere (Luft) bewegt wird, die innere (Luft) bewegt. Deswegen hört das Lebewesen nicht überall, und die Luft kommt auch nicht überall hindurch, weil der (Körper-) Teil, der bewegt werden soll und beseelt ist, nicht überall Luft hat. Und die Luft selbst ist ja ohne Schall, weil sie sich leicht zerstreut. Wenn sie aber gehindert wird sich zu zerstreuen, ist ihre Bewegung Schall. Die Luft in den Ohren ist dafür eingebaut, unbewegt zu sein, damit alle Unterschiede ihrer Bewegung deutlich wahrgenommen werden. Und deswegen hören wir auch im Wasser, weil es nicht bis zu der (mit dem Gehör) zusammengewachsenen Luft selbst hineinkommt, ja nicht einmal in das Ohr hinein, wegen seiner Windungen. Wenn dies aber passiert, hört man nicht. Und auch dann nicht, wenn das Trommelfell verletzt wird, so wie die Hornhaut auf dem Augeninneren, wenn sie verletzt wird. Es ist aber ein Indiz dafür, ob man hören kann oder nicht, ob das Ohr immer widerhallt so wie das Horn. Die Luft in den Ohren wird nämlich immer in einer gewissen ihr eigenen Bewegung bewegt; der Schall dagegen ist fremd, d. h. (dem Ohr) nicht eigen. Deswegen sagen sie auch, man höre durch das Leere und Widerhallende, weil wir mit dem hören, was die Luft umgrenzt hält. Erschallt das Angeschlagene oder Schlagende? Vielleicht auch beide, aber auf unterschiedliche Weise; der Schall ist nämlich eine Bewegung dessen, was das Vermögen hat, auf die Weise bewegt zu werden, in welcher die von den glatten (Oberflächen) abprallenden (Gegenstände) bewegt werden, wenn jemand sie anschlägt. Allerdings erschallt, wie gesagt, nicht alles Angeschlagene und Schlagende, z. B. wenn eine Nadel eine Nadel schlägt, sondern das Angeschlagene muss eben sein, so dass die Luft als versammelte abprallt und erschüttert wird. Die Unterschiede des Erschallenden werden aber durch den wirklichen Schall aufgezeigt. Denn so wie ohne Licht die Farben nicht gesehen werden, so auch nicht ohne Schall das Hohe
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und das Tiefe. Diese (Bezeichnungen) aber werden als Metapher vom Tastbaren übernommen: Das Hohe bewegt die Wahrnehmung nämlich in kurzer Zeit stark und das Tiefe in langer Zeit schwach. Es ist daher nicht das Hohe schnell und das Tiefe langsam, sondern die derartige Bewegung des einen entsteht durch die Schnelligkeit und die des anderen durch Langsamkeit. Und es scheint sich analog zum Spitzen und Stumpfen beim Tastsinn zu verhalten: Das Spitze sticht nämlich gleichsam, während das Stumpfe gleichsam stößt, weil das eine kurz und das andere lang bewegt; daher ergibt sich, dass das eine langsam und das andere schnell ist. Über den Schall soll die Einteilung hiermit nun vorgenommen sein. Die Stimme ist aber ein gewisser Schall eines Beseelten. Denn keines der unbeseelten Dinge hat Stimme, sondern man sagt von ihnen nur im Sinn der Ähnlichkeit, dass sie Stimme haben, z. B. eine Flöte und Lyra und alles andere Unbeseelte, das Tonlänge, Stimmung und -Farbe hat, weil es scheint, dass auch die Stimme diese (Eigenschaften) hat. Viele der Lebewesen haben keine Stimme, z. B. die blutlosen, und unter den blutführenden die Fische. Und dies aus gutem Grund, so der Schall denn eine gewisse Bewegung der Luft ist. Die jedoch, von denen es heißt, sie hätten Stimme, wie z. B. die in dem (Fluss) Acheloos, erzeugen Schall durch ihre Kiemen oder etwas anderes Derartiges, die Stimme aber ist Schall eines Lebewesens, und zwar nicht durch einen beliebigen (Körper-)Teil. Da aber alles dadurch erschallt, dass etwas schlägt, und zwar (gegen) etwas und in etwas, und dies Luft ist, so dürften aus gutem Grund wohl nur die (Lebewesen) Stimme haben, die Luft aufnehmen. Nun verwendet die Natur die eingeatmete Luft für zwei Leistungen: So wie sie auch die Zunge sowohl für das Schmecken als auch für den sprachlichen Ausdruck (verwendet) – wovon das Schmecken (für das Überleben) notwendig ist, weswegen es auch mehreren (Arten von Lebewesen) zukommt, der sprachliche Ausdruck dagegen um des guten (Lebens) willen besteht –, so (verwendet die Natur auch) den Atem sowohl für die innere Wärme, als etwas Notwendiges – der Grund dafür wird woanders genannt werden – als auch für die Stimme, damit das
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gute (Leben) stattfindet. Das Organ für die Atmung ist der Kehlkopf. Und der Zweck, um dessen willen dieser Körperteil existiert, ist die Lunge. Denn dieser Körperteil ermöglicht, dass die Landlebewesen viel mehr Wärme haben als die anderen. Aber auch die Gegend um das Herz bedarf der Atmung, und zwar an erster Stelle. Deswegen ist es notwendig, dass Luft durch das Einatmen hineinkommt. Folglich ist Stimme das Anschlagen der eingeatmeten Luft von der in diesen Körperteilen befindlichen Seele gegen die sogenannte Luftröhre. Denn nicht jeder Schall eines Lebewesens ist Stimme, wie wir schon gesagt haben – es ist ja auch möglich, mit der Zunge Schall zu erzeugen und auch so wie die Hustenden –, sondern das Schlagende muss sowohl beseelt als auch mit einer bestimmten Vorstellung versehen sein, da die Stimme ja ein zum Bezeichnen geeigneter Schall ist. Und es ist auch nicht (der Schall) der eingeatmeten Luft, so wie das Husten, sondern mit dieser (eingeatmeten Luft) schlägt es die Luft in der Luftröhre gegen eben diese. Ein Indiz dafür ist, dass man keine Stimme hat, während man einatmet, und auch nicht, während man ausatmet, sondern nur während man (die Luft) anhält. Mit ihr setzt derjenige, der die Luft anhält, nämlich die (Stimm-)Bewegung in Gang. Damit ist auch klar, warum die Fische stimmlos sind: Sie haben ja keine Kehle. Und diesen Körperteil haben sie deshalb nicht, weil sie die Luft nicht aufnehmen und auch nicht atmen. Aus welchem Grund, ist ein anderes Thema. 9. Bei dem Geruchssinn und dem Riechbaren fällt die Einteilung weniger leicht als bei den (bisher) besprochenen (Wahrnehmungsgattungen und ihren Gegenständen). Es ist nämlich nicht so klar wie beim Schall oder der Farbe, von welcher Beschaffenheit der Geruch ist. Ursache dafür ist, dass diese Wahrnehmung bei uns nicht genau, sondern schwächer als bei vielen Lebewesen ausgebildet ist. Der Mensch kann nämlich nur schlecht riechen, und er nimmt auch keinen riechbaren Gegenstand wahr, ohne das Unangenehme oder das Angenehme (dabei zu empfinden), da sein Sinnesorgan nicht genau ist. Und es ist wahrscheinlich, dass auch die Tiere mit starren Augen
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auf diese Weise die Farben wahrnehmen und ihnen die Farbunterschiede nicht deutlich sind, bis auf das, was zu fürchten und was nicht zu fürchten ist; und so (nimmt) das Menschengeschlecht auch die Gerüche (wahr). Es scheint sich nämlich (der Geruchssinn) analog zum Geschmackssinn zu verhalten, und die Arten der Geschmäcker (verhalten) sich ähnlich denen des Geruchs, doch unser Geschmackssinn ist genauer, weil es sich dabei um eine Art Tastsinn handelt und diese Wahrnehmung beim Menschen am genauesten ist. Denn zwar bleibt (der Mensch) bei den anderen (Wahrnehmungen) hinter vielen Lebewesen zurück, beim Tastsinn ist er den anderen jedoch an Genauigkeit um vieles voraus. Deswegen ist er auch das klügste unter den Lebewesen. Ein Indiz dafür ist, dass man bei den Menschen anhand dieses und keines anderen Sinnesorgans Begabte und Unbegabte (unterscheiden kann): Die mit festem Fleisch sind nämlich unbegabt in Bezug auf das Denken und die mit weichem Fleisch begabt. Es ist mit den Gerüchen aber so wie mit dem Geschmack, der teils süß, teils bitter ist. Allerdings haben einige Dinge analogen Geruch und Geschmack – ich meine z. B. süßen Geruch und süßen Geschmack –, bei anderen aber ist das Gegenteil der Fall. Ebenso gibt es auch scharfen und sauren und pikanten und fettigen Geruch. Aber, wie wir gesagt haben, deswegen, weil die Gerüche nicht stark voneinander unterschieden sind so wie die Geschmäcker, haben sie von diesen ihre Bezeichnungen nach Ähnlichkeit der Gegenstände erhalten: der süße (Geruch) vom Krokus und Honig und der scharfe vom Thymian und derartigen Sachen. Und auf die gleiche Weise auch bei den anderen. So wie das Gehör und jede Wahrnehmungsgattung teils für das Hörbare und NichtHörbare, teils für das Sichtbare und Nicht-Sichtbare zuständig ist, so ist auch der Geruchssinn für das Riechbare und NichtRiechbare zuständig. Nicht-riechbar ist aber einerseits das, was überhaupt unmöglich Geruch haben kann, und andererseits das, was einen schwachen oder schlechten (Geruch) hat. In gleicher Weise spricht man auch vom Nicht-Schmeckbaren. Auch der Geruchssinn erfolgt durch das Dazwischenliegende, wie Luft oder Wasser; denn auch die Wasserlebewesen schei-
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nen Geruch wahrzunehmen, blutführende und blutlose gleichermaßen, so wie auch die in der Luft. Denn auch von diesen nähern sich einige ihrer Nahrung von Weitem, nachdem sie sie gewittert haben. Deswegen scheint es auch schwer erklärlich, dass zwar alle (Lebewesen) gleichermaßen riechen können, der Mensch jedoch nur beim Einatmen, beim Ausatmen dagegen nicht, sondern vielmehr, wenn er ausatmet oder den Atem anhält, nicht riecht, und zwar weder von Weitem noch von Nahem, selbst dann nicht, wenn (der riechende Gegenstand) in die Nase gesteckt wird. Dass der direkt auf das Sinnesorgan gelegte Gegenstand nicht wahrnehmbar ist, ist zwar allen Lebewesen gemeinsam, doch dass ohne Einatmen keine Wahrnehmung stattfindet, ist den Menschen eigentümlich; dies wird klar, wenn wir die Probe machen. Folglich hätten die blutlosen (Lebewesen), da sie ja nicht einatmen, noch eine andere Wahrnehmung neben den bereits erwähnten. Aber dies ist unmöglich, so sie denn Geruch wahrnehmen. Denn das Riechen ist die Wahrnehmung des Riechbaren, sowohl des Übelriechenden als auch des Wohlriechenden. Ferner zeigt sich, dass sie von denselben heftigen Gerüchen zugrunde gehen wie auch der Mensch, z. B. von Erdpech, Schwefel und dergleichen. Also ist es zwar notwendig, dass sie riechen, nicht aber dadurch, dass sie einatmen. Und bei den Menschen scheint sich dieses Sinnesorgan im Vergleich zu dem der anderen Lebewesen auf die Weise zu unterscheiden, wie die (menschlichen) Augen sich von denen der Lebewesen mit starren Augen (unterscheiden); erstere haben ihre Lider nämlich als einen Verschluss und wie eine Hülse, so dass sie nicht sehen können, wenn sie diese nicht bewegen und hochziehen, doch die Lebewesen mit starren Augen haben nichts dergleichen, sondern sehen unmittelbar, was sich im Durchsichtigen zuträgt. Auf die Weise also ist bei den einen das Geruchsorgan unbedeckt, wie das Auge, bei denen aber, die Luft aufnehmen, hat es eine Bedeckung, die beim Einatmen geöffnet wird, wenn sich die Äderchen und Gänge erweitern. Deswegen können die Lebewesen mit Atmung im Feuchten auch nicht riechen. Sie müssen ja einatmen, um zu riechen, und dies im Feuchten zu tun ist unmöglich. Der Ge-
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ruch ist von dem, was trocken ist, so wie der Geschmack von dem ist, was feucht ist, und das Geruchsorgan ist dem Vermögen nach auf diese Weise beschaffen. 10. Das Schmeckbare ist etwas Tastbares. Und dies ist auch die Ursache dafür, dass es nicht durch das Dazwischenliegende als ein zu einem anderen gehöriger Körper wahrnehmbar ist. Es ist es nämlich auch nicht für den Tastsinn. Und der Körper, in dem sich der Geschmack befindet, der schmeckbare Gegenstand, befindet sich im Feuchten wie in einer Materie; und dieses (Feuchte) ist etwas Tastbares. Deswegen würden wir auch dann, wenn wir im Wasser wären, das Süße wahrnehmen, wenn es vorher hineingeworfen worden wäre; unsere Wahrnehmung würde dann aber nicht durch das Dazwischenliegende stattfinden, sondern dadurch, dass es mit dem Feuchten vermischt wäre, ganz wie bei einem Getränk. Die Farbe wird aber nicht auf diese Weise durch ihr Vermischt-Sein wahrgenommen und auch nicht durch ihre Ausströmungen. Es gibt (beim Geschmackssinn) also kein Dazwischenliegendes. Und so wie Farbe das Sichtbare ist, so ist der Geschmack das Schmeckbare. Nichts aber bewirkt eine Wahrnehmung von Geschmack ohne Feuchtigkeit, sondern es hat entweder der Wirklichkeit oder dem Vermögen nach Feuchtigkeit, so wie das Salzige. Dies löst sich (im Wasser) nämlich leicht auf und verschmilzt leicht mit der Zunge. Und so wie der Gesichtssinn sowohl für das Sichtbare als auch für das Unsichtbare zuständig ist – denn die Dunkelheit ist unsichtbar, aber auch diese unterscheidet der Gesichtssinn –, ferner für das, was zu hell ist – denn auch dieses ist unsichtbar, jedoch auf eine andere Weise als die Dunkelheit –, so ist auch das Gehör sowohl für Schall als auch für Stille (zuständig), von denen das eine hörbar und das andere unhörbar ist, und auch für den lauten Schall, so wie auch das Sehen für das Helle (zuständig ist). Denn so wie der leise Schall unhörbar ist, so auf gewisse Weise auch der laute und gewaltsame. »Unsichtbar« aber wird teils schlechthin ausgesagt, so wie auch in anderen Bereichen »unmöglich« (ausgesagt wird), teils aber auch, wenn etwas, obwohl es von Natur darauf aus-
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gerichtet ist, es dies nicht hat bzw. in schlechter Weise hat, so wie das Fußlose und das Kernlose. Auf diese Weise ist offenbar auch der Geschmackssinn sowohl für das Schmeckbare als auch für das Nicht-Schmeckbare zuständig, und dies ist das, was einen geringen oder schlechten Geschmack hat bzw. fähig ist, den Geschmackssinn zu verderben. Ausgangspunkt (der Geschmäcker) scheint aber das Trinkbare und Nicht-Trinkbare zu sein, es gibt nämlich ein Schmecken von jedem von beiden, doch (das Schmecken) des einen ist schlecht und verderblich für den Geschmackssinn, das des anderen dagegen ist naturgemäß. Das Trinkbare ist dem Tastsinn und Geschmackssinn gemeinsam. Und da das Schmeckbare feucht ist, ist notwendig auch das für es zuständige Sinnesorgan weder der Vollendung nach feucht, noch ist es unvermögend, befeuchtet zu werden. Denn der Geschmackssinn erleidet etwas von dem Schmeckbaren, insofern es schmeckbar ist. Es ist also notwendig, dass das zum Schmecken fähige Organ, als eines, welches zwar das Vermögen hat, feucht zu werden, ohne Schaden zu nehmen, jedoch nicht (bereits) feucht ist, feucht gemacht wird. Dies zeigt sich daran, dass die Zunge weder dann wahrnimmt, wenn sie ausgetrocknet ist, noch wenn sie zu feucht ist. Sie wird nämlich durch Kontakt mit dem unmittelbar nächsten Feuchten (feucht), so wie wenn man einen starken Geschmack geschmeckt hat und dann einen anderen schmeckt und so wie den Kranken alles bitter erscheint, weil sie mit ihrer Zunge wahrnehmen, die voll von solcher (bitteren) Feuchtigkeit ist. Bei den Arten des Geschmacks sind aber, so wie auch bei den Farben, die entgegengesetzten einfache, das Süße und das Bittere, und an das eine schließen sich das Fette, an das andere (sc. das Bittere) das Salzige an. Zwischen diesen befinden sich das Scharfe und das Saure und das Herbe und Pikante. Dies scheinen nämlich in etwa die Unterschiede bei den Geschmäckern zu sein, so dass das Vermögen zu schmecken dem Vermögen nach von solcher Beschaffenheit ist (wie diese Unterschiede) und schmeckbar dasjenige ist, was dessen Vollendung bewirken kann.
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11. Und für das Tastbare und den Tastsinn gilt dasselbe. Wenn der Tastsinn nämlich nicht eine Wahrnehmung ist, sondern mehrere, ist notwendig, dass auch die tastbaren Wahrnehmungsgegenstände mehrere sind. Es bereitet aber eine Schwierigkeit, ob es mehrere (Wahrnehmungen) sind oder eine und auch, was das Wahrnehmungsorgan des Tastvermögens ist, ob es das Fleisch und bei den anderen (Lebewesen) das Entsprechende ist oder nicht oder ob dies (das Fleisch) nur das Dazwischenliegende, das primäre Wahrnehmungsorgan aber etwas anderes, im Inneren (des Körpers Befindliches) ist. Denn es scheint jede Wahrnehmung für ein einziges Gegensatzpaar zuständig zu sein, z. B. das Sehen für Helles und Dunkles, das Gehör für Hohes und Tiefes und der Geschmack für Bitteres und Süßes, im Tastbaren dagegen sind viele Gegensatzpaare enthalten: warm – kalt, trocken – feucht, hart – weich und alles andere Derartige. Es bedeutet aber eine gewisse Milderung jedenfalls dieser Schwierigkeit, dass es auch bei den anderen Wahrnehmungen mehrere Gegensatzpaare gibt: z. B. (gibt es) bei der Stimme nicht nur Höhe und Tiefe, sondern auch das Laute und Leise und Glätte und Rauheit der Stimme und anderes Derartiges. Und auch bei der Farbe gibt es andere derartige Unterschiede. Aber was – so wie für das Gehör der Schall – das eine Zugrundeliegende für den Tastsinn ist, ist nicht klar. Hinsichtlich der Frage, ob das Wahrnehmungsorgan sich im Inneren befindet oder nicht, sondern es unmittelbar das Fleisch ist, scheint der Umstand, dass die Wahrnehmung gleichzeitig mit der Berührung stattfindet, kein Indiz zu sein. Denn auch wenn man jetzt eine künstliche Haut um das Fleisch spannte, würde sie ebenso die Wahrnehmung unmittelbar bei der Berührung anzeigen; und doch ist klar, dass sich das Wahrnehmungsorgan nicht darin befindet. Und wenn sie noch (mit dem Fleisch) zusammenwüchse, würde die Wahrnehmung noch schneller hindurchgelangen. Deswegen scheint der Teil unseres Körpers, der so beschaffen ist, sich so zu verhalten, wie wenn die Luft rings um uns herumgewachsen wäre. Denn dann würden wir gewiss meinen, mit einem einzelnen (Organ) sowohl Schall als auch Farbe als auch Geruch wahrzunehmen
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und dass Sehen, Gehör und Geruchssinn eine einzige Wahrnehmungsgattung wären. Nun ist aber dadurch, dass das, wodurch uns die Bewegungen erreichen, (jeweils voneinander) abgetrennt ist, offensichtlich, dass die besagten Wahrnehmungsorgane verschieden sind. Aber beim Tastsinn ist dies nun unklar. Denn aus Luft oder Wasser kann der beseelte Körper unmöglich zusammengesetzt sein; denn es muss etwas Festes da sein. Bleibt also, dass er aus Erde und diesen (Luft und Wasser) gemischt ist, wie es das Fleisch und sein Analogon tendenziell sind. Es folgt, dass notwendig der Körper auch das angewachsene Dazwischenliegende des Tastvermögens ist, durch das die Wahrnehmungen – die mehrere sind – erfolgen. Dass es aber mehrere sind, zeigt die Tastwahrnehmung bei der Zunge. Sie nimmt nämlich mit dem gleichen Körperteil alle tastbaren Qualitäten und auch den Geschmack wahr. Wenn nun auch das übrige Fleisch Geschmack wahrnehmen könnte, würde es den Anschein haben, dass das Schmecken und das Tasten ein und dieselbe Wahrnehmung wären. Nun sind es aber zwei, weil sich nicht von dem einen auf das andere schließen lässt. Man könnte aber folgende Schwierigkeit aufwerfen: Wenn jeder Körper Tiefe hat – dies ist die dritte Dimension – und es nicht möglich ist, dass zwei Körper einander berühren, zwischen denen ein (weiterer) Körper liegt, und wenn es das Feuchte nicht ohne Körper gibt und das Nasse auch nicht, sondern es notwendig Wasser ist bzw. hat und wenn außerdem das, was einander im Wasser berührt, da die Oberflächen nicht trocken sind, notwendig Wasser zwischen sich hat, womit seine Ränder bedeckt sind; wenn dies wahr ist, dann ist es unmöglich, dass ein (Körper) den anderen im Wasser berührt, und ebenso auch in der Luft. Denn die Luft verhält sich zu dem, was sich in ihr befindet, wie das Wasser zu dem, was sich im Wasser befindet, doch bleibt uns dies eher verborgen, so wie es auch den Tieren im Wasser verborgen bleibt, wenn Nasses sich mit Nassem berührt. (Die Schwierigkeit besteht dann darin,) ob die Wahrnehmung also von allen Gegenständen auf gleiche Weise erfolgt oder bei unterschiedlichen Gegenständen auf unterschiedliche Weise, so wie jetzt das Schmecken und das Ta-
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sten durch das (unmittelbare) Berühren, die anderen aber von ferne erfolgen. Doch so ist es nicht, sondern wir nehmen auch das Harte und Weiche durch anderes wahr, so wie auch das Erschallende und das Sichtbare und das Riechbare, allerdings das eine von W eitem und das andere von Nahem. Deswegen bleibt es (das Dazwischenliegende) verborgen, da wir eben alles durch das Dazwischenliegende wahrnehmen, doch bei diesen (Tastgegenständen) bleibt es verborgen. Gleichwohl, so wie wir auch schon vorher gesagt haben, selbst wenn wir alle tastbaren Gegenstände durch eine Haut wahrnähmen und es uns verborgen bliebe, dass sie uns (von den Gegenständen) trennt, so würden wir uns ebenso verhalten wie jetzt im Wasser oder in der Luft; denn wir sind jetzt der Meinung, sie selbst zu berühren, und dass nichts dazwischen liegt. Allerdings unterscheidet sich das Tastbare vom Sichtbaren und von dem, was fähig ist, Schall zu erzeugen, weil wir diese dadurch wahrnehmen, dass das Dazwischenliegende etwas in uns bewirkt, während wir bei den tastbaren Gegenständen nicht durch das Dazwischenliegende, sondern zusammen mit dem Dazwischenliegenden (etwas erleiden), wie einer, der durch seinen Schild getroffen wird. Der Schild schlägt ihn nämlich nicht als einer, der bereits getroffen wurde, sondern beide werden gleichzeitig geschlagen. Überhaupt scheinen sich das Fleisch und die Zunge zu ihrem Wahrnehmungsorgan genau so zu verhalten, wie die Luft und das Wasser sich zum Gesichtssinn, Gehör und Geruchssinn verhalten. Denn weder hier noch dort kommt es zur Wahrnehmung, wenn das Wahrnehmungsorgan selbst berührt wird, z. B. wenn man einen weißen Körper auf das Äußere des Auges legt. Dadurch ist auch klar, dass das Wahrnehmungsvermögen des Tastbaren sich im Inneren befindet. Denn so dürfte sich ereignen, was sich auch bei den anderen (Wahrnehmungen ereignet): Was auf das Wahrnehmungsorgan gelegt wird, wird nämlich nicht wahrgenommen, was dagegen auf das Fleisch gelegt wird, wird wahrgenommen. Folglich ist das Dazwischenliegende des Tastbaren das Fleisch. Nun sind tastbar die Unterschiede des Körpers, insofern er Körper ist. Mit den Unterschieden meine ich die, welche die Elemente definieren, (näm-
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lich) warm – kalt, trocken – feucht, über die wir vorher in der Abhandlung über die Elemente gesprochen haben. Das Wahrnehmungsorgan für diese (tastbaren Qualitäten) ist das tastfähige (Organ). Und das, worin als Erstem der sogenannte Tastsinn als Wahrnehmung vorkommt, ist der Körperteil, der dem Vermögen nach von dieser Beschaffenheit ist. Das Wahrnehmen ist nämlich eine Art Erleiden. Folglich macht der bewirkende (Gegenstand) den (Körperteil), der dem Vermögen nach (ist wie er), der Wirklichkeit nach wie sich selbst. Deswegen nehmen wir das gleichermaßen Warme und Kalte oder Harte und Weiche nicht wahr, sondern die Überschreitungen, da die Wahrnehmung wie eine Art Mitte des Gegensatzes in den wahrnehmbaren Gegenständen ist. Deswegen unterscheidet sie auch die wahrnehmbaren Gegenstände; denn das Mittlere ist fähig zu unterscheiden. Es wird nämlich relativ zu jedem von beiden zu dem jeweils anderen Extrem. Und so wie das, was in der Lage sein soll, hell und dunkel wahrzunehmen, der Wirklichkeit nach keines von beiden sein darf, dem Vermögen nach aber beides – und entsprechend auch bei den anderen (Wahrnehmungsgattungen) –, so darf es auch beim Tastsinn weder warm noch kalt sein. Ferner: So wie das Sehen auf gewisse Weise für das Sichtbare und Unsichtbare zuständig war und ebenso auch die übrigen Gegensätze (jeweils eine für sie zuständige Wahrnehmungsgattung haben), so ist auch der Tastsinn für das Tastbare und Nicht-Tastbare zuständig; nicht-tastbar aber ist sowohl das, was einen sehr geringen Unterschied des Tastbaren aufweist, wie etwa die Luft, als auch die Überschreitungen des Tastbaren, wie das, was (die Wahrnehmung) zerstört. Nun ist im Umriss über jede einzelne Wahrnehmungsgattung gesprochen worden. 12. Es muss allgemein für alle Wahrnehmung festgehalten werden, dass die Wahrnehmung das ist, was die wahrnehmbaren Formen ohne die Materie aufzunehmen fähig ist, so wie das Wachs das Siegelzeichen des Ringes ohne das Eisen und das Gold aufnimmt und das goldene bzw. eherne Siegelzeichen erfasst, jedoch nicht insofern es Gold oder Erz ist. Ebenso erlei-
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det auch die Wahrnehmung eines jeden von dem, das Farbe oder Geschmack oder Schall hat, aber nicht insofern jedes (als eines von diesen) bezeichnet wird, sondern insofern es von einer bestimmten Beschaffenheit ist und der Proportion gemäß. Wahrnehmungsorgan aber ist primär das, in dem sich ein solches Vermögen befindet. Nun ist es zwar dasselbe, aber dem Sein nach verschieden. Denn das Wahrgenommene dürfte zwar wohl ein Ausgedehntes sein, jedoch ist weder das, was es heißt, wahrnehmungsfähig zu sein, noch die Wahrnehmung etwas Ausgedehntes, sondern eine bestimmte Proportion und Vermögen von jenem (Organ). Hieraus wird auch klar, warum das Übermaß der wahrnehmbaren Gegenstände die Wahrnehmungsorgane zerstört. Wenn die Bewegung nämlich stärker ist als das Wahrnehmungsorgan, wird die Proportion aufgelöst – hierin aber bestand die Wahrnehmung –, so wie auch der Zusammenklang und die (richtige) Spannung, wenn die Saiten zu heftig angeschlagen werden. Auch (wird klar,) warum die Gewächse nicht wahrnehmen, obwohl sie einen seelischen Teil haben und auch etwas von den tastbaren Gegenständen erleiden; sie werden ja auch kalt und warm. Ursache dafür ist nämlich, dass sie keine (zur Wahrnehmung befähigende) Mitte haben und auch kein solches Prinzip, das in der Lage ist, die Formen des Wahrnehmbaren aufzunehmen, sondern sie erleiden zusammen mit der Materie. Man könnte aber die Schwierigkeit aufwerfen, ob das, was nicht fähig ist zu riechen, vom Geruch etwas erleiden könnte bzw. das, was nicht fähig ist zu sehen, von der Farbe, und ebenso auch bei den anderen. Wenn aber das, was man riechen kann, Geruch ist, (und) der Geruch, wenn er überhaupt etwas bewirkt, das Riechen bewirkt, so ist nichts von dem, was nicht fähig ist zu riechen, in der Lage, etwas vom Geruch zu erleiden. Dasselbe gilt auch für die anderen (Wahrnehmungsgattungen) und sogar für die, die dazu fähig sind (wahrzunehmen), außer insofern ein jedes fähig ist wahrzunehmen. Dies wird aber zugleich mit Folgendem klar: Denn weder Licht noch Dunkelheit, noch Schall oder Geruch bewirken irgendetwas in Bezug auf die Körper, sondern die (Körper), in denen sie sich befinden, so wie die mit
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Donner verbundene Luft das Holz spaltet. Aber die tastbaren Gegenstände und die Gerüche wirken (auf die Körper ein). Denn wenn nicht, wovon würde sonst das Unbeseelte erleiden und verändert werden? Wirken also auch jene (nicht tastbaren Wahrnehmungsgegenstände auf die Körper) ein bzw. ist nicht vielleicht jeder Körper fähig, etwas vom Geruch und Schall zu erleiden, und die (Körper), die es erleiden, sind (lediglich) unbestimmt und unbeständig wie Luft? Sie riecht nämlich, so als hätte sie etwas erlitten. Was also ist das Riechen über das Erleiden von etwas hinaus? Oder ist etwa das Riechen ein Wahrnehmen, die Luft dagegen wird, wenn sie schnell affiziert worden ist, wahrnehmbar?
III Drittes Buch
1. Davon, dass es keine andere Wahrnehmungsgattung neben den fünf gibt – unter diesen verstehe ich aber Gesichtssinn, Gehör, Geruchssinn, Geschmackssinn und Tastsinn –, kann man sich aus Folgendem überzeugen: Wenn wir nämlich von allem, wovon Tastsinn die Wahrnehmung ist, schon jetzt eine Wahrnehmung haben – denn alle Eigenschaften des tastbaren Gegenstandes, insofern sie tastbar sind, sind für uns durch den Tastsinn wahrnehmbar –, ist es auch notwendig, dass uns, falls uns eine Wahrnehmungsgattung fehlt, auch ein Wahrnehmungsorgan fehlt. Und alles, was wir dadurch wahrnehmen, dass wir es selbst berühren, ist durch den Tastsinn wahrnehmbar, den wir ja besitzen; all das dagegen, was wir durch ein Dazwischenliegendes (wahrnehmen) und nicht durch direkte Berührung, ist durch die einfachen (Körper wahrnehmbar), ich meine aber z. B. durch Wasser und Luft. Es verhält sich aber so, dass wenn durch einen (einfachen Körper) mehrere der Gattung nach voneinander verschiedene Gegenstände wahrnehmbar sind, notwendig derjenige, der ein so beschaffenes Wahrnehmungsorgan hat, fähig ist, beide wahrzunehmen – wenn z. B. das Wahrnehmungsorgan aus Luft besteht, dann ist die Luft auch (das Dazwischenliegende) des Schalls und der Farbe –, wenn dagegen mehrere (einfache Körper) demselben (Wahrnehmungsgegenstand zukommen), wie etwa der Farbe sowohl Luft als auch Wasser – sie sind nämlich beide durchsichtig –, dann wird auch derjenige, der nur einen von ihnen (als Beschaffenheit seines Wahrnehmungsorgans) hat, den durch beide (Körper wahrnehmbaren Gegenstand) wahrnehmen. Wahrnehmungsorgane aber bestehen nur aus diesen zweien unter den einfachen Körpern, aus Luft und Wasser – die Pupille nämlich besteht aus Wasser, das Hörorgan aus Luft, und das Geruchsorgan besteht aus einem von beiden –, das Feuer aber kommt keinem zu bzw. ist allen gemeinsam, denn ohne
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Wärme ist nichts fähig wahrzunehmen; Erde dagegen kommt entweder keinem zu bzw. ist noch am ehesten speziell mit dem Tastsinn vermischt. Deswegen dürfte wohl übrig bleiben, dass es kein Wahrnehmungsorgan außer den aus Wasser und Luft (bestehenden) gibt; und diese besitzen einige Lebewesen jetzt auch. Es werden also alle Wahrnehmungsgattungen von den (Lebewesen) besessen, sofern sie weder unvollkommen noch verstümmelt sind; denn offenbar hat auch der Maulwurf unter der Haut Augen. Folglich dürfte, wenn es keinen anderen (einfachen) Körper gibt und keine Affektion, die keinem der hiesigen Körper zukommt, auch keine Wahrnehmungsgattung fehlen. Allerdings kann es auch kein eigentümliches Wahrnehmungsorgan für die gemeinsamen Wahrnehmungsgegenstände geben, die wir durch jede einzelne Wahrnehmungsgattung auf akzidentelle Weise wahrnehmen, wie Bewegung, Stillstand, Gestalt, Ausdehnung, Anzahl und Einheit; denn diese nehmen wir alle durch Bewegung wahr – z. B. Ausdehnung durch Bewegung und folglich auch Gestalt, denn die Gestalt ist eine Art von Ausdehnung, das Ruhende aber durch das Nichtbewegtsein und die Anzahl durch die Negation der Kontinuität – und durch die eigentümlichen Wahrnehmungsgegenstände; denn jede Wahrnehmungsgattung nimmt einen (von diesen) wahr. Folglich ist klar, dass es unmöglich von irgendeinem dieser (gemeinsamen Wahrnehmungsgegenstände) eine eigentümliche Wahrnehmung gibt, z. B. von Bewegung; dies wäre nämlich so, wie wenn wir jetzt durch den Sehsinn das Süße wahrnehmen würden. Dies ist aber nur deswegen möglich, weil es sich trifft, dass wir von beiden eine (jeweils eigene) Wahrnehmung haben, wodurch wir sie auch, wenn sie zusammenfallen, zugleich erkennen. Wäre dem nicht so, würden wir (die gemeinsamen Wahrnehmungsgegenstände) gar nicht, außer auf akzidentelle Weise wahrnehmen, so wie wir den Sohn des Kleon nicht deswegen wahrnehmen, weil er der Sohn des Kleon ist, sondern weil er weiß ist; und diesem (Weißen) kommt es akzidentell zu, Sohn des Kleon zu sein. Von den gemeinsamen Wahrnehmungsgegenständen haben wir jedoch bereits eine gemeinsame Wahrnehmung, die nicht akzidentell ist; es handelt sich bei ih-
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nen also nicht um eigentümliche Wahrnehmungsgegenstände, denn (sonst) würden wir auf keine andere Weise wahrnehmen als so, wie gesagt wurde, dass wir den Sohn des Kleon sehen. Die (verschiedenen) Wahrnehmungsgattungen nehmen die eigentümlichen Gegenstände der jeweils anderen auf akzidentelle Weise wahr, d. h. nicht insofern sie es jeweils sind, sondern insofern sie eine (Wahrnehmung) sind, wenn die Wahrnehmung zugleich stattfindet und denselben (Gegenstand) betrifft, z. B. (die Wahrnehmung), dass die Galle bitter und gelb ist; denn es kommt jedenfalls keiner anderen (als der akzidentellen Wahrnehmung) zu, zu sagen, dass beide eines sind; deswegen kann sie sich auch täuschen und glaubt, wenn es gelb ist, sei es Galle. Man könnte aber untersuchen, weshalb wir mehrere Wahrnehmungsgattungen haben und nicht eine einzige. Ist es etwa, damit uns die begleitenden und gemeinsamen Wahrnehmungsgegenstände, wie Bewegung, Ausdehnung und Anzahl, weniger entgehen? Wenn es nämlich nur den Sehsinn gäbe und dieser auf Weißes ausgerichtet wäre, dann würden sie (die gemeinsamen Wahrnehmungsgegenstände) uns eher entgehen und alles würde uns dasselbe zu sein scheinen, weil Farbe und Ausdehnung zugleich miteinander einhergingen. Da die gemeinsamen (Wahrnehmungsgegenstände) nun aber auch in e inem anderen Wahrnehmungsgegenstand vorkommen, wird klar, dass jedes davon etwas anderes ist. 2. Da wir wahrnehmen, dass wir sehen und hören, ist es notwendig, dass man entweder mit dem Gesichtssinn wahrnimmt, dass man sieht, oder mit einem anderen. Aber dann wird sich die gleiche (Wahrnehmung) sowohl auf den Gesichtssinn als auch auf die zugrundeliegende Farbe beziehen, so dass sich entweder zwei (Wahrnehmungen) auf denselben Gegenstand beziehen werden oder sie sich auf sich selbst. Ferner aber wird sich, wenn es auch eine andere Wahrnehmung geben sollte, die sich auf das Sehen bezieht, entweder ein unendlicher Regress ergeben, oder irgendeine (Wahrnehmung) wird sich auf sich selbst beziehen. Man wird dies daher bei der ersten anzusetzen haben. Dies hat aber eine Schwierig-
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keit: Wenn nämlich »mit dem Gesichtssinn wahrnehmen« sehen bedeutet und Farbe oder das, was sie (die Farbe) hat, gesehen wird, dann wird, wenn man das Sehende sieht, das ursprünglich Sehende auch Farbe haben. Es ist also klar, dass »mit dem Gesichtssinn wahrnehmen« nicht (bloß) eine Bedeutung hat. Denn auch dann, wenn wir nicht sehen, unterscheiden wir mit dem Gesichtssinn die Dunkelheit vom Licht, allerdings nicht auf dieselbe Weise. Außerdem ist auch das Sehende auf gewisse Weise gefärbt. Jedes Wahrnehmungsorgan ist nämlich fähig, den Wahrnehmungsgegenstand ohne seine Materie aufzunehmen. Deswegen bleiben auch, nachdem die Wahrnehmungsgegenstände nicht mehr da sind, Wahrnehmungen, bzw. Vorstellungen, in den Wahrnehmungsorganen. Die Wirklichkeit des Wahrnehmungsgegenstandes und der Wahrnehmung ist ein und dieselbe, das Sein ist für sie aber nicht dasselbe. Ich meine z. B. den wirklichen Schall und das wirkliche Gehör. Es ist nämlich möglich, dass derjenige, der Gehör hat, nicht hört, und auch das, was Schall erzeugen kann, erschallt nicht immer. Wenn aber das, was hören kann, wirklich (hört) und das, was Schall erzeugen kann, (wirklich) Schall erzeugt, dann entstehen gleichzeitig das wirkliche Gehör und der wirkliche Schall, von denen man das eine »Hörung« und das andere »Schallung« nennen könnte. Wenn daher die Bewegung, d. h. sowohl das Bewirken als auch das Leiden, in dem sind, was hervorgebracht wird, dann sind notwendig auch der Schall und das wirkliche Gehör in dem, was dem Vermögen nach (Schall und Gehör) ist. Denn die Wirklichkeit desjenigen, das bewirken und bewegen kann, entsteht im Leidenden. Deswegen ist es nicht notwendig, dass das Bewegende bewegt wird. Also ist die Wirklichkeit dessen, was vermögend ist, Schall zu erzeugen, Schall bzw. »Schallung« und Gehör bzw. »Hörung« die Wirklichkeit dessen, was vermögend ist zu hören. Denn »Gehör« meint zweierlei und »Schall« meint zweierlei. Und das Gleiche gilt auch für die anderen Wahrnehmungsgattungen und Wahrnehmungsgegenstände. So nämlich wie das Wirken und das Leiden im Leidenden, nicht aber im Wirkenden sind, so ist auch die Wirklichkeit des wahrnehmbaren Gegenstan-
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des und die des Wahrnehmungsvermögens in dem Wahrnehmungsvermögen. Aber in einigen Fällen haben wir dafür eine Bezeichnung, z. B. bei der »Schallung« und der »Hörung«, in anderen Fällen dagegen ist eines von beiden ohne Namen: So wird die Wirklichkeit des Gesichtssinns »Sehung« genannt, die der Farbe dagegen ist ohne Namen, und »Schmeckung« ist die (Wirklichkeit) des Vermögens zu schmecken, während die des Geschmackes ohne Namen ist. Da die Wirklichkeit des Wahrnehmungsgegenstandes und des Wahrnehmungsvermögens eine einzige, aber dem Sein nach verschieden ist, ist es notwendig, dass die auf diese Weise (d. h. der Wirklichkeit nach) ausgesagten Gehör und Schall und so auch Geschmack und Schmecken gleichzeitig zugrunde gehen und erhalten bleiben. Und ebenso auch die Übrigen. Doch bei dem, was dem Vermögen nach ausgesagt wird, ist dies nicht notwendig. Hierin lagen die früheren Naturphilosophen allerdings falsch, da sie glaubten, ohne Sehen gebe es weder weiß noch schwarz und auch nicht Geschmack ohne Schmecken. Denn einesteils lagen sie richtig, andernteils aber nicht richtig. Da die Wahrnehmung und der wahrnehmbare Gegenstand nämlich zweifach ausgesagt werden, einerseits dem Vermögen und andererseits der Wirklichkeit nach, trifft das Gesagte bei Letzterem zu, bei dem anderen aber trifft es nicht zu. Aber jene haben sich in einfacher Weise über Dinge geäußert, die auf nicht einfache Weise ausgesagt werden. Wenn Zusammenstimmen also eine Art von Stimme ist und die Stimme und Gehör auf gewisse Weise eines und dasselbe, auf gewisse Weise auch nicht eines ist, das Zusammenstimmen aber eine Proportion ist, dann ist notwendig, dass auch das Gehör eine Art von Proportion ist. Und deswegen verdirbt auch jedes Übermäßige, sei es das Hohe oder das Tiefe, das Gehör. Und ebenso wird bei den (übermäßigen) Geschmäckern der Geschmackssinn (verdorben) und bei Farben (verdirbt) das allzu Helle oder Dunkle den Gesichtssinn und beim Geruchssinn der heftige Geruch, sowohl der (übermäßig) süße als auch der (übermäßig) bittere, da die Wahrnehmung eine Art von Proportion ist. Deswegen ist es auch angenehm, wenn (Wahr-
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nehmungsgegenstände), die rein und unvermischt sind, in eine Proportion gebracht werden, z. B. das Hohe oder Süße oder Salzige, dann nämlich sind sie angenehm. Überhaupt ist das Gemischte in höherem Maße Zusammenklang als das Hohe oder das Tiefe [und für den Tastsinn das Erwärmte oder Gekühlte]. Die Wahrnehmung ist aber die Proportion; übermäßige (Wahrnehmungsgegenstände) dagegen bereiten Schmerzen oder Verderben. Nun bezieht sich jede Wahrnehmungsgattung auf den ihr zugrundeliegenden Wahrnehmungsgegenstand, befindet sich im Wahrnehmungsorgan, insofern es Wahrnehmungsorgan ist, und unterscheidet die Unterschiede ihres zugrundeliegenden Wahrnehmungsgegenstandes, z. B. der Gesichtssinn weiß und schwarz, der Geschmackssinn süß und bitter. Und ebenso verhält sich dies auch bei den anderen (Wahrnehmungsgattungen). Da wir aber das Weiße und das Süße und jeden wahrnehmbaren Gegenstand von jedem (anderen) unterscheiden, nehmen wir auch mit irgendetwas wahr, dass sie sich unterscheiden. Offenbar notwendig durch Wahrnehmung; es sind ja wahrnehmbare Gegenstände. Hierdurch wird auch klar, weswegen das Fleisch nicht das äußerste Wahrnehmungsorgan ist; denn dann wäre es notwendig, dass (das unterscheidende Organ), wenn es sich selbst berührt, das Unterscheidende unterscheidet. Und offenbar ist es auch nicht möglich, mit (voneinander) getrennten (Vermögen) zu unterscheiden, dass das Süße vom Weißen verschieden ist, sondern beides muss einem Einzigen klar sein. Denn andernfalls müsste dann, wenn ich das eine und du das andere wahrnähmest, klar sein, dass es voneinander Verschiedenes ist; doch es muss das Eine sagen, dass sie verschieden sind, das Süße ist ja vom Weißen verschieden. Ein und dasselbe also sagt es. Daher: So wie es es sagt, so denkt es es auch und nimmt es wahr. Dass es also nicht möglich ist, die getrennten Gegenstände mit getrennten (Vermögen voneinander) zu unterscheiden, ist klar; dass (dies) aber auch nicht zu einer getrennten Zeit (möglich ist), ergibt sich aus Folgendem: So nämlich, wie es dasselbe ist, welches das Gute und das Schlechte als verschieden aussagt, so sagt es (damit)
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von dem einen auch aus, wann es von dem anderen verschieden ist, wobei das »wann« nicht akzidentell ist. Ich meine aber so, wie ich jetzt sage, dass es verschieden ist, nicht jedoch, dass es jetzt verschieden ist, sondern sowohl jetzt als auch, dass es jetzt ist, also zugleich. Folglich ist es ungetrennt und zu einer ungetrennten Zeit. Indessen: Dass dasselbe zugleich auf entgegengesetzte Weise bewegt wird, insofern es ungeteilt ist und in ungeteilter Zeit, ist unmöglich. Denn, wenn es süß ist, bewegt es die Wahrnehmung bzw. das Denken in dieser bestimmten Weise, das Bittere in entgegengesetzter und das Weiße in anderer Weise. Ist das Unterscheidende also zugleich zwar der Zahl nach ungeteilt und ungetrennt, dem Sein nach aber getrennt? Es gibt daher eine Weise, in der das Geteilte die geteilten (Wahrnehmungsgegenstände) wahrnimmt, es gibt aber auch eine Weise, in der es ungeteilt ist. Denn dem Sein nach ist es geteilt, dem Ort und der Zahl nach jedoch ungeteilt. Oder ist dies nicht möglich? Denn das Selbe und Ungeteilte ist zwar dem Vermögen nach Entgegengesetztes, nicht jedoch dem Sein nach, sondern es ist durch sein Wirklich-Sein geteilt, und es ist nicht möglich, gleichzeitig (der Wirklichkeit nach) hell und dunkel zu sein, und folglich auch nicht, deren Formen zu erleiden, wenn die Wahrnehmung und das Denken denn von dieser Art sind – es sei denn in der Weise, in der das, was manche den Punkt nennen, der, insofern er einer oder zwei (ist), auch teilbar ist. Insofern es also ungeteilt ist, ist das Unterscheidende eines und zugleich, insofern es aber geteilt ist, gebraucht es denselben Punkt zugleich in zweifacher Weise; insofern es nun die Grenze als zwei gebraucht, unterscheidet es zwei, und zwar abgetrennte (Gegenstände) mit einem auf gewisse Weise abgetrennten (Vermögen); insofern es aber eines ist (gebraucht es die Grenze) als eines und zugleich. Das Prinzip, aufgrund dessen wir sagen, dass das Lebewesen wahrnehmungsfähig ist, soll also in dieser Weise behandelt sein. 3. Da sie die Seele aber hauptsächlich durch zwei Unterschiede bestimmen, nämlich sowohl durch Ortsbewegung als auch durch Denken und Unterscheiden im Sinne von Wahrneh-
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men, scheint auch das Denken bzw. das Einsehen so wie eine Art Wahrnehmen zu sein. Bei diesen beiden unterscheidet die Seele nämlich etwas und erkennt etwas vom Seienden. Und auch die Alten behaupten ja, dass Einsehen und Wahrnehmen dasselbe seien, so wie auch Empedokles gesagt hat: »Mit Bezug auf das, was zugegen ist, erwächst den Menschen der Verstand«, und an anderer Stelle: »weshalb ihnen die Einsicht immer andere Dinge bereitstellt«, und dasselbe will auch das homerische Wort »denn so beschaffen ist die Vernunft« (sagen); sie nehmen nämlich alle an, dass das Denken körperlich sei so wie das Wahrnehmen und dass man das Gleiche durch das Gleiche wahrnehme und einsehe, wie wir auch am Anfang unserer Untersuchung dargelegt haben. Freilich hätten sie zugleich auch über die Täuschung sprechen müssen; denn sie ist den Lebewesen in höherem Maße eigentümlich und die Seele bringt darin mehr Zeit zu. Deswegen ist es notwendig, dass entweder, so wie manche es behaupten, alle Erscheinungen wahr sind oder Täuschung die Berührung des Ungleichen ist; denn dies ist dem »das Gleiche durch das Gleiche erkennen« entgegengesetzt. Und es scheint sowohl dieselbe Täuschung als auch dasselbe Wissen für jeweils Entgegen-gesetztes zuständig zu sein. Dass nun Wahrnehmen und Einsehen nicht dasselbe sind, ist offensichtlich. Denn an dem einen haben alle Lebewesen teil, an dem anderen wenige. Aber auch das Denken, in dem es »richtig« und »nicht-richtig« gibt – wobei Einsicht, Wissen und wahre Meinung »richtig« sind, »nicht-richtig« aber die jeweiligen Gegenteile –, auch dies ist nicht dasselbe wie das Wahrnehmen; denn die Wahrnehmung der eigentümlichen (Wahrnehmungsgegenstände) ist immer wahr und kommt auch allen Lebewesen zu, diskursiv denken dagegen kann man auch auf falsche Weise, und es kommt keinem (Lebewesen) zu, dem nicht auch Vernunft zukommt. Vorstellung ist nämlich sowohl von Wahrnehmung als auch von diskursivem Denken verschieden, und sie selbst entsteht nicht ohne Wahrnehmung, und ohne sie gibt es auch keine Annahme. Dass Vorstellung und Annahme aber nicht dasselbe sind, ist offensichtlich; denn dieses Widerfahrnis liegt bei uns, sooft wir es wollen, es han-
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delt sich dabei nämlich um ein Vor-die-Augen-Stellen, so wie es diejenigen tun, die ihr Gedächtnis üben und Bilder memorieren – eine Meinung zu haben liegt dagegen nicht bei uns: Denn man trifft dabei notwendig entweder das Falsche oder das Wahre. Ferner: Wenn wir etwas Schreckliches oder Fürchterliches meinen, empfinden wir sofort mit, und ebenso bei etwas Ermutigendem. Bei der Vorstellung dagegen verhalten wir uns so, wie wenn wir das Schreckliche oder Ermutigende in einer Zeichnung betrachten. Es gibt aber auch Unterschiede bei der Annahme selbst: Wissen, Meinung, vernünftige Einsicht und deren Gegenteile, über deren Unterschied eine andere Untersuchung handeln soll. Was aber das Denken betrifft, da es vom Wahrnehmen verschieden ist und teils Vorstellung zu sein scheint und teils Annahme, müssen wir, nachdem wir über die Vorstellung gehandelt haben, so auch über das andere (Denken) sprechen. Wenn die Vorstellung also das ist, gemäß dem wir sagen, dass uns ein bestimmter Vorstellungsgehalt entsteht, und zwar ohne es metaphorisch zu meinen: Ist sie eines von den Vermögen oder Zuständen, gemäß derer wir unterscheiden und Wahres oder Falsches erfassen? Solche (Vermögen und Zustände) sind aber Wahrnehmung, Meinung, Wissen und Vernunft. Dass sie also keine Wahrnehmung ist, wird aus Folgendem klar: Wahrnehmung gibt es nämlich entweder als Vermögen oder als Wirklichkeit, z. B. als Sehsinn und als Sehen; man stellt sich aber etwas vor, auch wenn keines von diesen vorliegt, wie etwa das im Schlaf (Vorgestellte). Außerdem ist Wahrnehmung immer gegenwärtig, Vorstellung aber nicht. Und wenn sie mit der wirklichen Wahrnehmung identisch wäre, könnte allen Tieren Vorstellung zukommen; dies scheint aber nicht der Fall, z. B. bei Ameise, Biene oder Wurm. Sodann sind die Wahrnehmungen immer wahr, die meisten Vorstellungen aber stellen sich als falsch heraus. Ferner sagen wir auch nicht, wenn wir unsere Wahrnehmungs-tätigkeit genau auf das Wahrgenommene richten, dass uns dies ein Mensch zu sein scheint, sondern eher dann, wenn wir nicht klar wahrnehmen, [dann ist es wahr oder falsch]. Und, wie wir vorher gesagt haben, uns erscheinen auch bei geschlossenen Augen Vorstellungsbilder.
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Indessen wird sie auch keiner von den Zuständen sein, die, wie Wissen oder Vernunft, immer wahr sind. Denn es gibt auch falsche Vorstellung. Es bleibt also zu sehen, ob sie Meinung ist; denn es gibt sowohl wahre als auch falsche Meinung. Aber auf Meinung folgt Überzeugung – denn es kann unmöglich jemand, der eine Meinung hat, von dem, was er meint, nicht überzeugt sein –, aber keinem der Tiere kommt Überzeugung zu, Vorstellung hingegen findet sich bei vielen. Ferner folgt auf jede Meinung Überzeugung, auf Überzeugung das Überzeugtsein und auf Überzeugtsein Vernunft. Von den Tieren kommt dagegen einigen Vorstellung zu, nicht aber Vernunft. Es ist also klar, dass Vorstellung weder Meinung mit Wahrnehmung noch (Meinung) durch Wahrnehmung, noch Verknüpfung von Meinung und Wahrnehmung sein dürfte. Aus diesen Gründen ist auch klar, dass die Meinung sich auf keinen anderen Gegenstand bezieht, sondern sie bezieht sich auf das, worauf sich auch die Wahrnehmung bezieht. Ich meine aber so, dass die Verknüpfung aus der Meinung, die sich auf das Weiße bezieht, und der Wahrnehmung (des Weißen) Vorstellung (des Weißen) ist; denn sie besteht sicherlich nicht aus der Meinung von dem Guten und der Wahrnehmung des Weißen. Dass einem etwas der Fall zu sein scheint, soll (dieser Auffassung zufolge) also heißen, dass man genau das meint, was man – nichtakzidentell – wahrnimmt. Es scheint aber doch auch Falsches, wovon man gleichzeitig eine wahre Annahme hat, z. B. scheint die Sonne einen Fuß groß zu sein, man hat aber die Überzeugung, dass sie größer ist als die bewohnte Erde. Es ergibt sich also, dass man (dieser Auffassung zufolge) entweder die eigene wahre Meinung, die man hatte, aufgegeben hat, obwohl der Sachverhalt fortbesteht und man ihn weder vergessen noch seine Überzeugung geändert hat, oder, wenn man sie noch hat, notwendig dieselbe (Meinung) wahr und falsch ist. Doch sie wird immer dann falsch geworden sein, wenn der Sachverhalt sich unbemerkt verändert hat. Also ist die Vorstellung weder einer der genannten (Zustände), noch ist sie aus diesen zusammengesetzt.
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Da aber, wenn dieses hier bewegt worden ist, etwas anderes davon bewegt werden kann und die Vorstellung eine Art von Bewegung zu sein und auch nicht ohne Wahrnehmung vorzukommen scheint, sondern bei denen, die wahrnehmen, und auch von dem (zu sein scheint), von dem es Wahrnehmung gibt; und da ferner eine Bewegung durch die Wirklichkeit der Wahrnehmung entstehen kann und diese notwendig der Wahrnehmung gleich ist, (deswegen) dürfte diese Bewegung weder ohne Wahrnehmung möglich sein noch auch (Lebendigem) ohne Wahrnehmung zukommen; und das, was über sie verfügt, tut und leidet ihr entsprechend vieles, und sie kann sowohl wahr als auch falsch sein. Dies aber ergibt sich aufgrund von Folgendem: Die Wahrnehmung von den eigentümlichen (Wahrnehmungsgegenständen) ist wahr oder hat den geringsten Anteil am Falschen. Zweitens (die Wahrnehmung) von dem, was diesen akzidentell zukommt; und hier ist es bereits möglich, sich zu täuschen; denn darin, dass es weiß ist, täuscht sie sich nicht, aber ob dieses oder ein anderes das Weiße ist, darin täuscht sie sich. Und drittens (die Wahrnehmung) von den gemeinsamen und auf die akzidentellen Wahrnehmungsgegenstände [zu denen die eigentümlichen gehören] folgenden Wahrnehmungsgegenständen; ich meine z. B. Bewegung und Ausdehnung, die zu den Wahrnehmungsgegenständen hinzukommen und in Bezug auf die man sich gemäß der Wahrnehmung bereits im höchsten Maße täuschen kann. Die Bewegung, die durch die Wirklichkeit der Wahrnehmung entsteht, wird, je nachdem von welcher dieser drei Wahrnehmungen sie herrührt, [von der Wahrnehmung] verschieden sein. Und zwar wird die erste dann, wenn die Wahrnehmung gegenwärtig ist, wahr sein, die anderen dagegen können sowohl in An- als auch in Abwesenheit (der Wahrnehmung) falsch sein, und zwar besonders dann, wenn der Wahrnehmungsgegenstand weit entfernt ist. Wenn also nichts anderes die besagten (Eigenschaften) hat als Vorstellung und dies das ist, was gesagt wurde, dann dürfte die Vorstellung eine durch die wirkliche Wahrnehmung entstehende Bewegung sein. Und da der Gesichtssinn im höchsten Grade Wahrnehmung ist, hat sie (die phantasia) ihren
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Namen vom Licht (phaos) erhalten, weil es ohne Licht nicht möglich ist zu sehen. Und weil (die Vorstellungen) bleiben und den Wahrnehmungen gleichen, handeln die Lebewesen vielfach nach ihnen; die einen, weil sie keine Vernunft haben, wie die Tiere, die anderen, weil ihre Vernunft zuweilen durch Leidenschaft oder Krankheiten oder Schlaf verdeckt wird, wie die Menschen. Über die Vorstellung, was sie ist und wodurch sie ist, sei also soweit gesprochen. 4. Bei dem Teil der Seele, mit dem die Seele erkennt und einsieht – unabhängig davon, ob er abtrennbar oder nicht der Größe nach, sondern dem Begriff nach abtrennbar ist –, ist zu untersuchen, welchen (spezifischen) Unterschied er aufweist und wie das Denken eigentlich zustande kommt. Also: Wenn das Denken so wie das Wahrnehmen ist, dürfte es entweder ein Erleiden durch den denkbaren Gegenstand sein oder etwas anderes Derartiges. Unaffizierbar muss es also sein, jedoch fähig, die Form aufzunehmen und dem Vermögen nach von ihrer Beschaffenheit, aber nicht diese (Form selbst); und ebenso wie das Wahrnehmungsvermögen sich zu den wahrnehmbaren Gegenständen verhält, so muss sich die Vernunft zu den denkbaren Gegenständen verhalten. Also ist sie notwendigerweise, da sie alles denkt, unvermischt, so wie Anaxagoras sagt: »damit sie herrsche«, und das heißt, damit sie erkenne; denn das Fremde, das dazwischen erscheint, hindert und steht im Weg. Daher besitzt sie auch keine Natur, außer diese, dass sie vermögend ist. Also ist die sogenannte Vernunft der Seele – unter Vernunft verstehe ich das, womit die Seele diskursiv denkt und Annahmen macht – der Wirklichkeit nach keines von den seienden Dingen, bevor sie nicht denkt. Deswegen macht es auch keinen guten Sinn, dass sie mit dem Körper vermischt ist; denn dann würde sie eine bestimmte Beschaffenheit annehmen, wäre kalt oder warm, oder es müsste auch irgendein Organ (für sie) geben so wie für das Wahrnehmungsvermögen. Nun ist dies aber nicht der Fall. Und also haben diejenigen Recht, die sagen, die Seele sei der Ort der Formen, abgesehen davon, dass es nicht die ganze Seele ist, sondern nur die
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denkfähige und dass sie nicht der Vollendung nach, sondern dem Vermögen nach die Formen ist. Dass die Unaffizierbarkeit des Wahrnehmungsvermögens und des Denkvermögens nicht gleich sind, wird bei den Wahrnehmungsorganen und der Wahrnehmung offenkundig. Denn die Wahrnehmung vermag unmittelbar nach dem heftig (einwirkenden) Wahrnehmungsgegenstand nicht wahrzunehmen, z. B. Schall unmittelbar nach überlautem Schall, noch (vermag sie) unmittelbar nach heftigen Farb- oder Geruchseindrücken zu sehen oder zu riechen; die Vernunft dagegen, wenn sie etwas in hohem Maße Denkbares gedacht hat, denkt die geringeren Gegenstände nicht in geringerem Maße, sondern sogar intensiver. Das Wahrnehmungsvermögen ist nämlich nicht ohne Körper, sie (die Vernunft) dagegen ist abtrennbar. Und sobald sie auf die Weise zu jedem einzelnen (Denkgegenstand) wird, wie es von dem wirklich Wissenden ausgesagt wird – dies aber tritt ein, wenn er durch sich selbst tätig sein kann –, so ist sie zwar auch dann noch auf gewisse Weise dem Vermögen nach, allerdings nicht auf dieselbe Weise wie vor dem Lernen oder Herausfinden. Und dann vermag sie auch sich selbst zu denken. Da die Ausdehnung etwas anderes ist als das, (was es heißt,) Ausdehnung zu sein, und Wasser als das, (was es heißt,) Wasser zu sein – so aber auch bei vielem anderen, nicht jedoch bei allem, denn bei manchem ist es dasselbe –, so unterscheidet man das, (was es heißt,) Fleisch zu sein, und das Fleisch mit einem anderen (Vermögen) oder einem (Vermögen), das sich anders verhält. Denn das Fleisch existiert nicht ohne seine Materie, sondern ist, so wie das Stupsnasige, diese bestimmte (Form) in dieser bestimmten (Materie). Nun unterscheidet man mit dem Wahrnehmungsvermögen das Warme und das Kalte – d. h. das, wovon das Fleisch eine bestimmte Proportion ist – ; mit einem anderen (Vermögen) aber, das entweder abtrennbar ist oder sich so verhält, wie die geknickte (Linie) zu sich selbst, wenn sie ausgestreckt wird, unterscheidet man das, (was es heißt,) Fleisch zu sein. Bei den Gegenständen wiederum, die in Abstraktion existieren, verhält sich das Gerade so wie das Stupsnasige; denn es ist mit einem Kontinuum verbunden. Das aber,
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was es heißt, dies zu sein – wenn das, (was es heißt,) gerade zu sein und das Gerade verschieden sind –, ist ein anderes: Es sei nämlich (definiert als) Zweiheit. Also unterscheidet man es mit einem anderen (Vermögen) oder einem (Vermögen), das sich anders verhält. Und überhaupt: So wie die Sachen von ihrer Materie abtrennbar sind, so auch das, was die Vernunft angeht. Man könnte aber folgende Schwierigkeiten aufwerfen: Wenn die Vernunft einfach ist und unaffizierbar und mit nichts irgendetwas gemeinsam hat, wie Anaxagoras sagt, auf welche Weise wird sie denken, wenn das Denken eine Art Erleiden ist? Denn insofern beiden etwas Gemeinsames zukommt, scheint das eine zu wirken und das andere zu erleiden. Ferner aber, ob sie auch selber Gegenstand des Denkens ist: Denn entweder wird dann den übrigen Dingen Vernunft zukommen, wenn sie nicht kraft eines anderen Gegenstand des Denkens ist und alles, was Gegenstand des Denkens ist, der Art nach eines ist, oder sie wird etwas Beigemischtes haben, was sie so wie das Übrige zu einem Gegenstand des Denkens macht. Oder ist mit Bezug auf das Erleiden infolge von etwas Gemeinsamem vorher festgestellt worden, dass die Vernunft auf gewisse Weise dem Vermögen nach die Denkgegenstände ist, jedoch der Vollendung nach nichts, bevor sie nicht denkt? Es muss aber so sein wie bei einer Schreibtafel, in die nichts der Vollendung nach eingeschrieben ist. Genau dies ist bei der Vernunft der Fall. Und sie ist selber Gegenstand des Denkens, ganz so wie die (anderen) Denkgegenstände. Bei dem, was ohne Materie ist, ist das Denkende und das Gedachte nämlich dasselbe, weil das betrachtende Wissen und der Gegenstand, der auf diese Weise gewusst wird, dasselbe sind. Die Ursache dafür, dass es nicht immer denkt, muss aber noch untersucht werden. Bei den Dingen dagegen, die Materie haben, ist jedes dem Vermögen nach ein Gegenstand des Denkens. Folglich wird ihnen zwar nicht Vernunft zukommen – die Vernunft ist ja ein auf derartige Dinge bezogenes materieloses Vermögen –, doch ihr wird es zukommen, Gegenstand des Denkens zu sein.
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5. Da aber, so wie es in der gesamten Natur etwas gibt, was Materie für jede Gattung ist – dies ist das, was alle jene Dinge dem Vermögen nach ist –, ein anderes aber die Ursache und Wirkendes ist, indem es alles bewirkt, wie die Kunst sich zu ihrem Material verhält, ist notwendig, dass es diese Unterschiede auch in der Seele gibt; und die eine Vernunft ist von solcher Beschaffenheit, indem sie alles wird, und die andere, indem sie alles bewirkt, wie eine Art Zustand, so wie das Licht. Denn auf gewisse Weise macht auch das Licht die dem Vermögen nach seienden Farben zu Farben der Wirklichkeit nach. Und diese Vernunft ist abgetrennt, unaffiziert und unvermischt, da sie ihrer Substanz nach Wirklichkeit ist; das Wirkende ist nämlich immer ehrwürdiger als das Leidende und das Prinzip (ehrwürdiger) als die Materie. Das wirkliche Wissen ist dasselbe wie sein Gegenstand, doch im Einzelnen ist das dem Vermögen nach seiende Wissen der Zeit nach früher, insgesamt aber nicht einmal der Zeit nach. Im Gegenteil: Es ist nicht so, dass sie (die bewirkende Vernunft) zu einer Zeit denkt und zu einer anderen Zeit nicht denkt. Wenn sie abgetrennt ist, ist sie nur das, was sie eigentlich ist, und nur dieses ist unsterblich und ewig. – Doch wir erinnern uns nicht, weil dieses unaffiziert, die affizierbare Vernunft aber vergänglich ist – und ohne dieses denkt nichts. 6. Nun gehört das Denken von ungeteilten Gegenständen in den Bereich, in dem es das Falsche nicht gibt. Wo es aber sowohl das Falsche gibt als auch das Wahre, handelt es sich bereits um eine Zusammensetzung von Gedanken, die so sind wie eines. Ganz so wie Empedokles sagte: »Wo die Köpfe von vielen halslos entsprossen« und darauf durch die Liebe zusammengesetzt werden, so werden auch diese (Gedanken), die getrennt gewesen waren, zusammengesetzt, z. B. das Inkommensurable und die Diagonale. Und bei (Gedanken) von Gewesenem oder Zukünftigem denkt man die Zeit hinzu und setzt sie zusammen. Denn das Falsche liegt immer in einer Zusammensetzung: Und auch dann, wenn man das Weiße (als)nicht weiß (denkt), hat man das Nicht-Weiße hinzugesetzt. Man kann aber
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auch alles als Trennung bezeichnen. Nun ist aber jedenfalls das Falsche oder Wahre nicht nur (darin), dass Kleon weiß ist, sondern auch (darin), dass er es war oder sein wird. Das aber, was es jeweils zu einem macht, dies ist die Vernunft. Da »ungeteilt« zweifach ausgesagt wird, entweder dem Vermögen oder der Wirklichkeit nach, hindert nichts, das Ungeteilte zu denken, wenn man die Länge denkt – denn der Wirklichkeit nach ist sie ungeteilt – und auch in einer ungeteilten Zeit; denn die Zeit ist auf gleiche Weise geteilt und ungeteilt wie die Länge. Es ist also nicht möglich anzugeben, was man in jeder der beiden Hälften dachte; dies ist nämlich nicht möglich, wenn sie nicht (tatsächlich) geteilt wurde, außer dem Vermögen nach. Wenn man jede einzelne der Hälften getrennt denkt, teilt man zugleich auch die Zeit: Dann sind es aber gleichsam (zwei) Längen. Wenn man sie aber als aus beiden (bestehend denkt), dann denkt man sie auch in der Zeit, die beiden zukommt. Und wenn man etwas (denkt), was nicht quantitativ ungeteilt ist, aber der Form nach, so denkt man es in einer ungeteilten Zeit und mit einem ungeteilten (Vermögen) der Seele. Auf akzidentelle Weise aber und nicht insofern es jene (zwei Hälften) sind, ist das geteilt, womit man denkt, und die Zeit, in der (man denkt) [ sondern (man denkt sie) insofern sie ungeteilt sind ]. Denn auch in diesen befindet sich etwas Ungeteiltes, das aber vielleicht nicht getrennt ist und das die Zeit zu einer macht und die Länge. Und dies befindet sich auf gleiche Weise in jeder kontinuierlichen Zeit und Länge. Der (geometrische) Punkt und jeder Einteilungspunkt und das auf diese Weise Ungeteilte werden so verdeutlicht wie die Privation. Und die gleiche Erklärung gilt bei den Übrigen, z. B. wie man das Schlechte erkennt oder das Schwarze; denn man erkennt es auf gewisse Weise durch sein Gegenteil. Das Erkennende muss es (das Gegenteil) aber dem Vermögen nach sein, und es muss ihm innewohnen. Wenn einer der Ursachen jedoch nichts entgegengesetzt ist, erkennt (das Erkennende) sich selbst und ist wirklich und getrennt. Das Sagen ist aber ein etwas von etwas (Sagen), so wie bei der Affirmation, und es ist in jedem Fall wahr oder falsch, die Vernunft dagegen ist dies nicht in jedem
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Fall, sondern die, die sich auf das Was-es-ist im Sinn des Wases-hieß-dies-zu-sein bezieht, ist (immer) wahr und (sagt) nicht etwas von etwas; sondern so wie das Sehen des eigentümlichen Wahrnehmungsgegenstandes (immer) wahr ist, es aber nicht immer wahr ist, ob das Weiße ein Mensch ist oder nicht, so verhält es sich bei allem, was keine Materie hat. 7. Das wirkliche Wissen ist dasselbe wie sein Gegenstand, doch im Einzelnen ist das dem Vermögen nach seiende Wissen der Zeit nach früher, insgesamt aber nicht einmal der Zeit nach. Denn alles, was entsteht, ist aus einem in Vollendung Seienden. Offenbar macht der wahrnehmbare Gegenstand das Wahrnehmungsvermögen aus einem dem Vermögen nach Seienden zu einem der Wirklichkeit nach. Er erleidet nämlich nichts und wird auch nicht verändert. Deswegen ist dies eine andere Art von Bewegung; die Bewegung ist nämlich die Wirklichkeit des Unvollkommenen, doch die einfache Wirklichkeit, die des Vollendeten, ist eine andere. Nun ist das Wahrnehmen dem bloßen Sagen und Denken gleich; wenn es aber lustvoll oder schmerzhaft ist, verfolgt oder meidet (die Seele), so als würde sie bejahen oder verneinen. Und das Lust- und Leidempfinden besteht in dem Tätigsein mit der wahrnehmungsfähigen Mitte in Bezug auf das Gute oder Schlechte, insofern sie Derartige sind. Und das Meiden und die Strebung sind dasselbe, wenn sie der Wirklichkeit nach sind, und auch das Strebevermögen und Meidevermögen sind nicht verschieden, weder voneinander noch vom Wahrnehmungsvermögen, sondern dem Sein nach anders. Der zum Denken fähigen Seele kommen die Vorstellungsgehalte wie Wahrnehmungsgehalte zu; und wann immer es gut oder schlecht ist, bejaht oder verneint sie und meidet oder verfolgt. Deswegen denkt die Seele niemals ohne Vorstellungsgehalt. – So aber wie die Luft die Pupille in diese bestimmte Beschaffenheit versetzt hat und diese ein anderes, auf dieselbe Weise (versetzt sie) auch das Gehör (in eine bestimmte Beschaffenheit und das Gehör wiederum ein anderes), doch das Äußerste ist eines, d. h. eine Mitte, aber ihrem Sein nach ist es mehrere. Zwar ist auch schon früher gesagt worden,
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womit man beurteilt, worin Süßes und Warmes sich unterscheiden, es soll aber auch noch auf folgende Weise gesagt werden: Es ist nämlich ein bestimmtes Eines, das so ist wie die Grenze. Und diese (verschiedenen Sinne), da sie der Analogie nach und numerisch eins sind, verhalten sich zu jedem von beiden so, wie jene (Süßes und Warmes) sich zueinander verhalten. Denn was macht es für einen Unterschied, zu fragen, wie (die Seele) unterscheidet, was verschiedenen (Wahrnehmungs-)Gattungen angehört oder was (innerhalb einer Wahrnehmungsgattung) entgegengesetzt ist, so wie weiß und schwarz? Es soll also, so wie das Weiße A sich zum Schwarzen B verhält, C sich zu D verhalten [so wie jene sich zueinander]; folglich auch bei Vertauschung der Glieder. Wenn daher C D einem zukommt, wird es sich auch so verhalten wie A B, die zwar ein- und dasselbe, dem Sein nach aber nicht dasselbe sind – und auch jenes (C A) auf dieselbe Weise. Dasselbe Verhältnis läge aber auch dann vor, wenn A das Süße wäre und B das Weiße. – Nun denkt das Denkvermögen die Formen in den Vorstellungsgehalten; und so wie ihm in jenen (Formen) das zu Suchende und zu Meidende bestimmt ist, so setzt es sich auch ohne Wahrnehmung, wenn es bei den Vorstellungsgehalten ist, in Bewegung. Wenn man z. B. die Fackel wahrgenommen hat, (nämlich) dass es Feuer ist, erkennt man mithilfe der gemeinsamen (Wahrnehmung), indem man es (das Feuer) in Bewegung sieht, dass es die Ankunft der Feinde meldet. Und wenn man mit den Vorstellungsgehalten bzw. Gedanken in der Seele überlegt, so als würde man sehen, kalkuliert man und wägt das Künftige gegen das Gegenwärtige ab. Und wenn man feststellt, dass dort das Lustvolle oder Schmerzhafte ist, dann meidet oder verfolgt man hier, und so überhaupt beim Handeln. Auch das, was ohne Handeln ist, das Wahre und das Falsche, ist in derselben Gattung wie das Gute und das Schlechte. Es unterscheidet sich allerdings durch das schlechthin (wahr oder falsch) und für jemanden (gut oder schlecht sein). Das, was in Abstraktion ausgesagt wird, denkt man so, wie wenn man das Stupsnasige (denkt), das man zwar, insofern es stupsnasig ist, nicht auf abgetrennte Weise (denken kann); wenn man es aber der Wirk-
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lichkeit nach dächte, insofern es konkav ist, dann würde man es ohne das Fleisch denken, in dem das Konkave sich befindet. Auf diese Weise denkt man die mathematischen Gegenstände, obwohl sie nicht abgetrennt sind, als ob sie abgetrennt wären, wann immer man sie denkt. Und überhaupt ist die Vernunft, die der Wirklichkeit nach ist, (dasselbe wie) ihre Gegenstände. Ob sie aber eines der abgetrennten Dinge denken kann, ohne selbst von Ausdehnung abgetrennt zu sein, oder nicht, ist später zu untersuchen. 8. Nun aber wollen wir, indem wir das über die Seele Gesagte zusammenfassen, wiederum sagen, dass die Seele in gewisser Weise alles Seiende ist. Denn das Seiende ist entweder Wahrnehmungs- oder Denkgegenstand, und das Wissen ist in gewisser Weise die Wissensgegenstände, die Wahrnehmung aber die Wahrnehmungsgegenstände. Es ist aber zu untersuchen, auf welche Weise dies der Fall ist. Nun werden das Wissen und die Wahrnehmung in ihre jeweiligen Gegenstände aufgeteilt, die dem Vermögen nach in die dem Vermögen nach, die der Vollendung nach in die der Vollendung nach. Das Wahrnehmungsvermögen und das Wissensvermögen der Seele sind der Möglichkeit nach ihre Gegenstände: dieses der Wissensgegenstand, jenes der Wahrnehmungsgegenstand. Es ist aber notwendig, dass sie entweder (die Gegenstände) selbst sind oder deren Formen. Die Dinge selbst sind sie offenbar nicht. Der Stein ist ja nicht in der Seele, sondern dessen Form; daher ist die Seele wie die Hand. Die Hand ist nämlich Werkzeug (für den Gebrauch) von Werkzeugen, und so ist auch die Vernunft Form von Formen und auch die Wahrnehmung ist Form von Wahrnehmungsgegenständen. Da aber nicht ein einziger Gegenstand, wie es scheint, neben den wahrnehmbaren Größen und getrennt (von ihnen) existiert, sind die Denkgegenstände in den wahrnehmbaren Formen, (und zwar) sowohl das, was in Abstraktion ausgesagt wird, als auch alle Zustände und Eigenschaften der wahrnehmbaren Dinge. Und aus diesem Grund könnte man auch nicht, ohne irgendetwas wahrgenommen zu haben, irgendetwas lernen oder verstehen; und wann immer
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man (theoretisch) betrachtet, ist es notwendig, zugleich eine Vorstellung zu betrachten. Die Vorstellungsgehalte sind nämlich wie Wahrnehmungsgehalte, nur ohne Materie. Die Vorstellung ist aber von Bejahung und Verneinung verschieden. Das Wahre oder Falsche ist nämlich eine Verknüpfung von Gedanken. Doch wodurch unterscheiden sich die ersten Gedanken davon, Vorstellungsgehalte zu sein? Oder sind etwa auch die anderen (Gedanken) keine Vorstellungsgehalte, sondern lediglich nicht ohne Vorstellungsgehalte?
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9. Da die Seele der Lebewesen entsprechend zweier Vermögen bestimmt wird, nämlich einerseits durch das Vermögen zu unterscheiden, welches die Leistung des Denkens und der Wahrnehmung ist, und ferner auch dadurch, die Ortsbewegung zu vollziehen, und da Wahrnehmung und Vernunft so weit behandelt sein sollen, so ist die Untersuchung über das Bewegende zu führen, nämlich welches (Vermögen) der Seele es ist, ob es sich dabei um einen bestimmten Teil von ihr handelt, der entweder der Größe nach oder dem Begriff nach abtrennbar ist, oder um die Seele als ganze, und wenn es ein bestimmter Teil ist, ob er ein eigenständiger neben den für gewöhnlich genannten und bereits besprochenen ist oder ein bestimmter von diesen. Es ergibt sich aber sofort die Schwierigkeit, in welchem Sinne von Seelenteilen gesprochen werden kann und auch von wie vielen. Auf gewisse Weise scheinen es nämlich unendlich viele zu sein und nicht nur diejenigen, die manche behaupten, wenn sie in ihren Einteilungen den zur Überlegung Fähigen, den Muthaften und den Begehrenden unterscheiden, andere dagegen den Vernünftigen und den Unvernünftigen; denn entsprechend der Unterschiede, durch welche sie sie trennen, stellt sich heraus, dass es auch andere Teile gibt, die sich mehr voneinander unterscheiden als diese und über die gerade gesprochen worden ist, (nämlich) das Ernährungsvermögen, welches sowohl den Gewächsen zukommt als auch allen Lebewesen, und das Wahrnehmungsvermögen, welches man wohl leichthin weder als unvernünftig noch als vernünftig ansetzen dürfte. Ferner das Vorstellungsvermögen, das sich zwar dem Sein nach
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von allen unterscheidet, doch bei dem es große Schwierigkeiten bereitet (herauszufinden), mit welchem von diesen es identisch oder von welchen es verschieden ist, wenn man denn abgetrennte Teile der Seele ansetzen will. Und darüber hinaus das Strebevermögen, welches doch wohl dem Begriff als auch dem Vermögen nach von allen verschieden zu sein scheint. Und es ist in der Tat abwegig, dieses abzutrennen. Denn im vernünftigen (Seelenteil) entsteht das Wünschen und im unvernünftigen die Begierde und der Mut, und wenn die Seele aus (diesen) dreien besteht, so würde es in jedem einzelnen eine Strebung geben. Und so auch das, wovon jetzt die Rede ist: Was ist es, was das Lebewesen dem Ort nach in Bewegung setzt? Denn es dürfte wohl scheinen, dass die Bewegung des Wachsens und Schwindens, da sie allen zukommt, (auch) von dem (Seelenteil) bewegt wird, der allen zukommt, nämlich dem zur Erzeugung und Ernährung Fähigen. Über das Ein- und Ausatmen wie auch das Schlafen und Wachen ist die Untersuchung später zu führen, denn auch diese bieten viele Schwierigkeiten. Doch betreffs der Ortsbewegung ist zu untersuchen, was das Bewegende ist, das das Lebewesen in Fortbewegung versetzt. Dass es nicht das nährende Vermögen ist, ist klar. Denn diese Bewegung findet immer um eines bestimmten Zweckes willen statt und ist auch mit Vorstellung oder Strebung verbunden; denn nichts bewegt sich, was nicht strebend oder meidend ist, außer durch Gewalt. Ferner wären dann auch die Gewächse zur Bewegung fähig und sie hätten dann auch einen Körperteil als Organ für diese Bewegung. Ebenso ist es auch nicht das Wahrnehmungsvermögen. Es gibt nämlich viele Lebewesen, die zwar über Wahrnehmung verfügen, jedoch dauernd ortsgebunden und gänzlich unbewegt sind. Wenn die Natur nun nichts umsonst hervorbringt und auch nicht etwas von dem auslässt, was notwendig ist, außer bei denen, die verstümmelt und unvollendet sind, besagte Lebewesen aber vollendet und nicht verstümmelt sind – dass sie fähig zur Zeugung sind und eine Phase der Blüte und des Schwindens haben, ist ein Zeichen dafür –, ergibt sich, dass sie dann auch die entsprechenden Körperteile als Organe für die Fortbewegung haben müssten.
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Indessen ist auch der vernünftige (Seelenteil) und das, was man die Vernunft nennt, nicht der Beweger. Denn die theoretische Vernunft denkt nichts, was Gegenstand einer Handlung wäre, und sie sagt auch nichts über das, was zu meiden und zu verfolgen ist, die Bewegung dagegen gehört stets entweder zu jemandem, der etwas meidet, oder zu jemandem, der etwas verfolgt. Aber nicht einmal dann, wenn sie etwas Derartiges betrachtet, befiehlt sie schon, es zu erstreben oder zu meiden, z. B. denkt sie häufig etwas Fürchterliches oder Lustbereitendes, befiehlt aber nicht, in Furcht zu geraten, doch das Herz wird bewegt und, wenn es Lust bereitet, ein anderer Körperteil. Ferner, selbst dann, wenn die Vernunft etwas anordnet und das Denken sagt, (man solle) etwas vermeiden oder verfolgen, kommt keine Bewegung zustande, sondern man handelt gemäß seiner Begierde, z. B. beim Unbeherrschten. Und überhaupt sehen wir, dass derjenige, der im Besitz der Heilkunst ist, nicht (immer) heilt, da etwas anderes für das wissensgemäße Herstellen ausschlaggebend ist, nicht aber das Wissen. Allerdings ist nicht einmal die Strebung ausschlaggebend für diese Bewegung. Denn die Selbstbeherrschten, obwohl sie strebend und begehrend sind, tun nicht das, worauf sich ihre Strebung richtet, sondern folgen der Vernunft. 10. Es scheint aber doch, dass diese zwei die bewegenden sind, entweder Strebung oder Vernunft, falls man die Vorstellung als eine Art Denken ansetzt; – denn viele folgen trotz ihres Wissens den Vorstellungen, und bei den anderen Lebewesen gibt es weder Denken noch Überlegung, sondern nur Vorstellung. – Also sind diese beiden fähig, Ortsbewegung zu bewirken, Vernunft und Strebung: Vernunft, wenn sie um eines bestimmten Zweckes willen überlegt, d. h. die handelnde; sie unterscheidet sich nämlich von der betrachtenden durch ihren Zweck. Und auch jede Strebung besteht um eines bestimmten Zweckes willen; denn das, worauf sich die Strebung bezieht, dies ist Ausgangspunkt der handelnden Vernunft; und das letzte (in der vernünftigen Überlegung) ist Ausgangspunkt der Handlung. Folglich scheinen diese zwei mit gutem Grund die Bewe-
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genden zu sein: Strebung und praktisches Denken; denn der Gegenstand der Strebung bewegt, und aufgrund seiner bewegt das Denken, weil sein Ausgangspunkt der erstrebte Gegenstand ist. Und auch die Vorstellung, wenn sie bewegt, bewegt nicht ohne Strebung. Also ist eines das Bewegende, und zwar das Strebevermögen. Wenn nämlich zwei bewegen würden, Vernunft und Strebung, so würden sie auf eine gemeinsame Art bewegen. Nun bewegt die Vernunft aber offenbar nicht ohne Strebung – das Wünschen ist nämlich eine Strebung, und wenn man sich aufgrund der Überlegung bewegt, so bewegt man sich auch aufgrund des Wünschens –, doch die Strebung bewegt auch gegen die Überlegung, die Begierde ist nämlich eine Strebung. Freilich ist alle Vernunft(-erkenntnis) richtig, aber Strebung und Vorstellung sind sowohl richtig als auch nicht richtig. Deswegen bewegt jedes Mal der Gegenstand der Strebung, aber dieser ist entweder das Gute oder das, was das Gute zu sein scheint; allerdings nicht jedes, sondern das Gute, das Gegenstand einer Handlung ist. Gegenstand einer Handlung aber ist das, was sich auch anders verhalten kann. Dass es also das so beschaffene Seelenvermögen ist, das bewegt, die sogenannte Strebung, ist klar. Für diejenigen aber, welche die Teile der Seele einteilen, wenn sie sie nach den Vermögen einteilen und trennen, werden es sehr viele: Ernährungsvermögen, Wahrnehmungsvermögen, Denkvermögen, Beratungsvermögen, ferner Strebevermögen; denn diese unterscheiden sich mehr voneinander als Begehrvermögen und Mutvermögen. Da es aber vorkommt, dass Strebungen einander entgegengesetzt sind – dies passiert dann, wenn die Vernunft und die Begierden einander entgegengesetzt sind, und kommt bei den (Lebewesen) vor, die eine Wahrnehmung von Zeit haben: auf der einen Seite befiehlt die Vernunft nämlich, aufgrund des Zukünftigen zu widerstehen, und auf der anderen Seite die Begierde aufgrund des Gegenwärtigen, das gegenwärtig Lustvolle scheint nämlich auch schlechthin lustvoll und gut schlechthin zu sein, weil man das Zukünftige nicht sieht –, deswegen dürfte das Bewegende wohl der Art nach eines sein, nämlich das Strebevermögen, insofern es zur Strebung fähig ist. Das erste von al-
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len ist aber der Gegenstand der Strebung, denn dieser bewegt als Unbewegter, indem er gedacht oder vorgestellt wird, doch der Zahl nach gibt es mehrere Beweger. Da es aber dreierlei (Faktoren in der Bewegung) gibt – zum einen das Bewegende, zweitens das, womit es bewegt, ferner drittens das Bewegte, und (da) das Bewegende zweierlei meint, nämlich einerseits das Unbewegte und andererseits das Bewegende und Bewegte, (deswegen) ist das Unbewegte der Gegenstand der Handlung und das Bewegende und Bewegte ist das, was fähig ist zu streben – denn das Strebende bewegt sich, insofern es strebt, und die wirkliche Strebung ist eine Art von Bewegung, – und das Bewegte (ist) das Lebewesen. Und das Werkzeug, mit dem die Strebung bewegt, dies ist vollends körperlich und deswegen im Rahmen der für Körper und Seele gemeinsamen Leistungen zu betrachten. Um es für jetzt aber der Hauptsache nach zu sagen: Das werkzeughaft Bewegende findet sich dort, wo Ausgangspunkt und Ende dasselbe sind, wie beim Knochengelenk. Denn dort sind das Konvexe und Konkave einmal Ende und einmal Ausgangspunkt – deswegen ruht das eine und das andere bewegt sich –, da sie dem Begriff nach verschieden, jedoch der Größe nach untrennbar sind. Es bewegt sich nämlich alles durch Stoß und Zug, weswegen – so wie beim Rad – etwas feststehen und von dort aus die Bewegung in Gang setzen muss. Überhaupt also ist das Lebewesen, wie gesagt, eben insofern es zur Strebung fähig ist, auch fähig, sich selbst zu bewegen; »zur Strebung fähig« aber nicht ohne Vorstellung. Und alle Vorstellung ist entweder vernünftig oder wahrnehmungsmäßig. An Letzterer haben nun auch die übrigen Lebewesen teil.
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11. Es muss aber auch bei den unvollkommenen (Lebewesen), denen nur der Tastsinn als Wahrnehmung zukommt, untersucht werden, was das Bewegende ist und ob es möglich ist, dass ihnen Vorstellung zukommt oder nicht, und Begierde. Denn offensichtlich befinden sich Schmerz und Lust in ihnen, und wenn diese, dann notwendig auch Begierde. Aber wie sollte wohl Vorstellung in ihnen sein? Etwa so, wie sie sich auch auf unbestimmte Weise bewegen, so sind diese zwar in ihnen,
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jedoch auf unbestimmte Weise in ihnen? Die wahrnehmungsmäßige Vorstellung kommt, wie gesagt, auch bei den anderen Lebewesen vor, die beratungsmäßige dagegen bei denjenigen, die vernünftig sind. Denn (sich zu fragen), ob man dieses oder jenes tun soll, ist bereits eine Leistung der Überlegung. Und es ist notwendig, dass sie mit einem misst; Sie sucht nämlich das Größere. Folglich ist sie fähig, aus mehreren Vorstellungsgehalten einen zu machen. Dies ist auch die Ursache dafür, dass (die anderen Lebewesen) keine Meinung zu haben scheinen, weil sie (nämlich) nicht die aus einer vergleichenden Überlegung hervorgegangene (Vorstellung) haben, diese aber jene (wahrnehmungsmäßige Vorstellung hat). Deswegen hat die Strebung nicht die Fähigkeit zur Beratschlagung. Manchmal jedoch obsiegt sie und bewegt das Wünschen, manchmal (bewegt) aber auch umgekehrt dieses jene, so wie ein Ball, die (eine) Strebung die (andere) Strebung, wann immer Unbeherrschtheit vorliegt. Von Natur aber ist stets die höhere die herrschendere und bewegt, so dass sich bereits drei Ortsbewegungen vollziehen. Die Wissensfähigkeit aber bewegt sich nicht, sondern steht fest. Da aber die eine Annahme allgemein und erklärend ist und die andere auf Einzelnes bezogen ist – die eine sagt nämlich, dass ein solcher (Mensch) etwas Derartiges tun soll, die andere, dass dieses Bestimmte hier nun also Derartiges ist und auch ich ein solcher bin –, bewegt also entweder diese Meinung und nicht die allgemeine, oder beide bewegen, aber die eine bleibt eher in Ruhe und die andere nicht. 12. Alles, was lebendig ist und eine Seele hat, hat notwendig eine ernährende Seele, und zwar von Geburt bis zum Tod. Denn was entstanden ist, hat notwendig Wachstum und Blüte und Schwinden, und diese sind ohne Ernährung unmöglich. Also ist das Ernährungsvermögen notwendig in allem vorhanden, was wächst und schwindet. Wahrnehmung ist dagegen nicht notwendig in allem Lebendigen vorhanden. Denn weder können diejenigen, deren Körper einfach ist, sie besitzen [noch ist es möglich, dass es ohne sie irgendein Lebewesen gibt], noch alles dasjenige, was nicht fähig ist, die Formen ohne ihre Ma-
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terie aufzunehmen. Das Lebewesen besitzt aber notwendig Wahrnehmung, wenn die Natur nichts umsonst hervorbringt. Denn alles, was von Natur aus besteht, gibt es um eines Zweckes willen bzw. ist Begleiterscheinung von dem, was um eines Zweckes willen existiert. Nun würde jeder fortbewegungsfähige Körper dann, wenn er keine Wahrnehmung besäße, zugrunde gehen und nicht ans Ziel kommen, worin das Werk der Natur besteht – denn wie könnte er sich ernähren? Den ortsgebundenen (Lebewesen) kommt die Nahrung ja von dort zu, wo sie angewachsen sind. Dass aber ein Körper, der nicht ortsgebunden, jedoch entstanden ist, zwar Seele bzw. unterscheidungsfähige Vernunft hat, aber keine Wahrnehmung, ist nicht möglich [ indessen, nicht einmal einer, der unentstanden ist ]. Denn warum sollte er sie nicht besitzen? Entweder nämlich, weil es für die Seele besser ist oder für den Körper. Nun ist aber beides nicht der Fall. Denn die Seele wird nicht in höherem Grad denken und auch der Körper wird dadurch nichts in höherem Grade sein. Also hat kein Körper, der nicht ortsgebunden ist, eine Seele ohne Wahrnehmung. Indessen, wenn er einmal Wahrnehmung hat, muss der Körper entweder einfach sein oder gemischt. Einfach kann er aber nicht sein. Denn dann wird er keinen Tastsinn haben, es ist jedoch notwendig, diesen zu besitzen. Dies wird klar aus Folgendem: Da das Lebewesen nämlich ein beseelter Körper ist und jeder Körper tastbar, tastbar aber das ist, was durch den Tastsinn wahrnehmbar ist, dann ist notwendig, dass auch der Körper des Lebewesens tastfähig ist, wenn das Lebewesen sich erhalten soll. Denn bei den anderen Wahrnehmungen, wie Riechen, Sehen und Hören, findet die Wahrnehmung durch andere Körper statt; wenn man dagegen (direkt mit den Dingen) in Berührung kommt, ohne eine Wahrnehmung davon zu haben, wird man nicht das eine meiden und das andere ergreifen können. Und wenn dies der Fall ist, wird es unmöglich sein, dass das Lebewesen sich erhält. Deswegen ist auch das Schmecken so wie eine Art Tasten. Es bezieht sich nämlich auf Nahrung, und die Nahrung ist der tastbare Körper. Schall, Farbe und Geruch dagegen ernähren nicht und bewirken auch kein Wachsen und Schwinden. Da-
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her ist das Schmecken notwendig eine Art von Tasten, da es die Wahrnehmung vom Tastbaren und Nährenden ist. Diese also sind für das Lebewesen notwendig, und es ist offensichtlich, dass das Lebewesen ohne den Tastsinn nicht existieren kann. Die anderen (Wahrnehmungsgattungen) gibt es um des guten (Lebens) willen, und sie kommen auch nicht einer beliebigen Gattung von Lebewesen zu, sondern ganz bestimmten, z. B. dem, das fähig zur Fortbewegung ist, notwendig zu. Wenn es sich nämlich erhalten soll, darf es nicht erst durch direkte Berührung wahrnehmen, sondern auch von Weitem. Dies dürfte aber dann der Fall sein, wenn es fähig ist, durch das Dazwischenliegende wahrzunehmen, d. h. dadurch, dass das Dazwischenliegende vom Wahrnehmungsgegenstand affiziert und bewegt wird und das Lebewesen vom Dazwischenliegenden. Denn so wie das, was Ortsbewegung auslöst, bis zu einem gewissen Punkt einen Umschlag bewirkt, und das, was stößt, bewirkt, dass (wiederum) etwas anderes stößt und die Bewegung sich durch ein Mittleres (fortsetzt), und zwar so, dass das Erste bewegt und stößt, ohne selbst gestoßen zu werden, das Letzte aber nur gestoßen wird, ohne weiter zu stoßen, während das Mittlere beides tut und es viele Mittelglieder gibt: so ist es auch bei der qualitativen Veränderung, außer dass (das Bewegende) verändert und dabei am selben Ort bleibt, so wie, wenn man (etwas) in Wachs hineintauchte, das Wachs so weit bewegt würde, wie man getaucht hat, ein Stein aber (wird so) gar nicht (bewegt), Wasser dagegen über eine sehr weite Distanz; am weitesten reicht aber die Bewegung, d. h. das Wirken und Leiden der Luft, solange sie stillsteht und einheitlich ist. Des wegen ist es auch bei der Spiegelung besser, nicht anzunehmen, dass der Sehstrahl heraustritt und dann zurückgespiegelt wird, sondern, dass die Luft von der Gestalt und Farbe affiziert wird, solange sie einheitlich ist. Auf einer glatten Fläche ist sie einheitlich, und deswegen setzt sie dann wiederum das Sehorgan in Bewegung, so wie wenn das Siegelzeichen im Wachs bis zum Ende durchgegeben würde.
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13. Dass der Körper des Lebewesens aber nicht einfach sein kann, ich meine z. B. (nur) aus Feuer oder Luft, ist offensichtlich. Denn ohne Tastsinn kann man keine andere Wahrnehmung haben. Nämlich jeder beseelte Körper ist fähig zu tasten, wie bereits gesagt wurde. Die anderen (Elemente) außer der Erde könnten zwar zu Wahrnehmungsorganen werden, doch sie alle bewirken die Wahrnehmung dadurch, dass sie durch einen anderen Körper hindurch wahrgenommen werden, und zwar durch die dazwischenliegenden. Das Tasten dagegen besteht darin, sie (die tastbaren Gegenstände) selbst zu berühren, und von daher hat es auch diesen Namen. Freilich nehmen auch die anderen Wahrnehmungsorgane durch Berührung wahr, jedoch durch einen anderen Körper. Nur das Tasten scheint es durch sich selbst zu tun. Von daher dürfte der Körper des Lebewesens wohl aus keinem der Elemente bestehen, die von der Beschaffenheit sind (wie die anderen Wahrnehmungsorgane). Allerdings wird er auch nicht aus Erde bestehen. Denn der Tastsinn ist wie eine Mitte für alle Tastgegenstände, und sein Wahrnehmungsorgan ist nicht nur fähig, alle Unterschiede der Erde aufzunehmen, sondern auch die des Warmen und Kalten und aller anderen Tastgegenstände. Und daher nehmen wir auch nicht mit den Knochen und den Haaren und den derartigen Körperteilen wahr, weil sie aus Erde sind, und auch die Gewächse besitzen deswegen keine Wahrnehmung, weil sie aus Erde bestehen. Ohne Tastsinn kann es aber keine andere Wahrnehmung geben, und dieses Wahrnehmungsorgan besteht weder (allein) aus Erde noch (nur) aus irgendeinem anderen Element. Es ist also offensichtlich, dass die Lebewesen notwendig nur beim Verlust dieser Wahrnehmung sterben. Es ist nämlich weder möglich, sie zu besitzen, ohne Lebewesen zu sein, noch ist es notwendig, eine andere (Wahrnehmung) zu besitzen außer dieser, um Lebewesen zu sein. Darum zerstören die anderen Wahrnehmungsgegenstände durch ihr Übermaß auch nicht das Lebewesen, wie z. B. Farbe oder Schall oder Geruch, sondern lediglich die jeweiligen Wahrnehmungsorgane – es sei denn auf akzidentelle Weise, wenn z. B. neben dem Schall noch ein Stoß eintritt oder ein Schlag und wenn
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durch Sichtbares und Riechbares noch anderes in Bewegung gesetzt wird, das dann durch die Berührung zerstört; und auch der Geschmack kann auf diese Weise vernichten, sofern er zugleich zum Berühren fähig ist. – Das Übermaß des Tastbaren dagegen, etwa vom Warmen oder Kalten oder Harten, zerstört das Lebewesen. Bei jedem Wahrnehmungsgegenstand vernichtet nämlich ein Übermaß das Wahrnehmungsorgan, und folglich vernichtet auch der tastbare Gegenstand die Tastwahrnehmung; durch diese ist aber das Lebendigsein definiert. Denn es ist bewiesen, dass es ohne Tastsinn unmöglich ist, Lebewesen zu sein. Deswegen zerstört das Übermaß der Tastgegenstände als einziges nicht nur das Wahrnehmungsorgan, sondern auch das Lebewesen, weil es diese (Wahrnehmung) als einzige notwendig besitzen muss. Die anderen Wahrnehmungsgattungen hat das Lebewesen, wie gesagt, nicht um des (Über-)Lebens willen, sondern um des guten (Lebens) willen: Das Sehen (hat es), weil es in Luft und Wasser lebt und damit es sehen kann und insgesamt, weil es im Durchsichtigen lebt, Geschmack aber (hat es) wegen des Lustvollen und Schmerzlichen, damit es dies an der Nahrung wahrnimmt, es begehrt und sich in Bewegung setzt; und Hören (hat es), damit ihm etwas bezeichnet wird, und eine Zunge, damit es einem anderen etwas bezeichnen kann.
Zu diesem Band
Der vorliegende Band enthält die aristotelische Physik und die Schrift Über die Seele (De anima). Die Physik erschien 1987 und 1988 in zwei Halbbänden mit den Bandnummern 380 und 381 der Philosophischen Bibliothek, übersetzt von Hans Günter Zekl. An- und Abführungszeichen (einfache und doppelte) werden in der Physik sowohl für Zitate als auch für Hervorhebungen verwendet; sie sind, ebenso wie Kursivierungen und manche Absatzgliederungen, Stilmittel der Übersetzung und finden sich nicht sämtlich im griechischen Originaltext. Ergänzungen von Wörtern, die nicht ausdrücklich im griechischen Text stehen, sind in runde Klammern eingeschlossen. Über die Seele wurde von Klaus Corcilius übersetzt und erschien zuerst 2017 als Band 681 der Philosophischen Bibliothek. Auch hier sind Ergänzungen, die nicht ausdrücklich im griechischen Text stehen, jedoch zum Verständnis mitzudenken sind, in runde Klammern ( ) eingeschlossen. Um ein leichtes und schnelles Auffinden gesuchter Textstellen zu ermöglichen, wird jeweils am Seitenrand die Paginierung der Gesamtausgabe der überlieferten Werke Aristoteles’ von Immanuel Bekker (Berlin 1831–1870) mitgeführt, nach der üblicherweise zitiert wird.