Personen und „persona“ in den Epigrammen Martials 3515131280, 9783515131285

Walter Kißel untersucht zwei bisher nur unzureichend geprüfte Axiome der aktuellen Martialphilologie: Erstens sollen die

117 68 2MB

German Pages 233 [238] Year 2021

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Martials Personen – Individuen, Typen oder Schemen?
A. Problemstellung, Ziel der Arbeit
B. Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?
I. Personen aus dem Umfeld Martials
II. (Nur-) Adressaten
III. Empfänger einer poetischen Würdigung
IV. Randfiguren aus dem städtischen Umfeld
V. Sklaven
VI. Sonstige
VII. Auswertung von Katalog 1–7
C. Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?
I. Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte
II. Auswertung von Katalog 8
D. Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise?
I. Die zweifelhaften Grundlagen der Decknamentheorie
II. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Pseudonymen?
E. Konsequenzen für die Martialphilologie
Martials persona – fiktive Rolle oder authentisches Ich?
A. Ausgangsposition und Gegenstand der Untersuchung
B. Die materiellen Lebensverhältnisse Martials
I. Martial als pauper eques
II. Wohnsituation und Liegenschaften
III. Finanzielle Situation und Geldbedarf
IV. Austausch von Geschenken
V. Die ‚Mantelgedichte
VI. Bewirtungen
VII. Martials Klientenstatus
C. Weitere Eckpunkte von Martials Vita
I. Martial und Domitian
II. Martial als Anwalt?
III. Martial als Ehemann?
D. Konsequenzen für die Martialphilologie
Gedichte, die zu einer Neubewertung Anlaß geben
Literaturverzeichnis
Recommend Papers

Personen und „persona“ in den Epigrammen Martials
 3515131280, 9783515131285

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Walter Kißel

Personen und persona in den Epigrammen Martials

Klassische Philologie Franz Steiner Verlag

Palingenesia | 132

Palingenesia Schriftenreihe für Klassische Altertumswissenschaft Begründet von Rudolf Stark Herausgegeben von Christoph Schubert Band 132

Personen und persona in den Epigrammen Martials Walter Kißel

Franz Steiner Verlag

Coverabbildung: Phönix aus einem byzantinischen Mosaik aus Antiochia am Orontes, jetzt im Louvre (Paris) © akg-images / Erich Lessing Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2022 Layout, Satz und Herstellung durch den Verlag Druck: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-13128-5 (Print) ISBN 978-3-515-13136-0 (E-Book)

Inhalt Einleitung

7

Martials Personen – Individuen, Typen oder Schemen? A.

Problemstellung, Ziel der Arbeit

B. I

11

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme? Personen aus dem Umfeld Martials Katalog 1: Angehörige der Oberschicht Katalog 2: Freunde und Vertraute aus dem ‚Mittelstand‘ II (Nur-) Adressaten Katalog 3 III Empfänger einer poetischen Würdigung Katalog 4 IV Randfiguren aus dem städtischen Umfeld Katalog 5 V Sklaven Katalog 6 VI Sonstige Katalog 7 VII Auswertung von Katalog 1–7

15 15 17 34 57 58 63 64 67 67 72 72 75 76 76

C. I

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen? Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte Katalog 8 Auswertung von Katalog 8

80 80 84 121

Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise? Die zweifelhaften Grundlagen der Decknamentheorie 1. Allgemeine Überlegungen 2. Der Befund der Gedichte

123 123 123 124

II D. I

6

Inhalt

II

Anhaltspunkte für das Vorliegen von Pseudonymen? 1. Der Nachweis sprechender Namen 2. Martials dichterisches Programm 3. Der Einfluß literarischer Tradition

131 131 141 149

E.

Konsequenzen für die Martialphilologie

152

Martials persona – fiktive Rolle oder authentisches Ich? A.

Ausgangsposition und Gegenstand der Untersuchung

157

B. I II III IV V VI VII

Die materiellen Lebensverhältnisse Martials Martial als pauper eques Wohnsituation und Liegenschaften Finanzielle Situation und Geldbedarf Austausch von Geschenken Die ‚Mantelgedichte‘ Bewirtungen Martials Klientenstatus

165 165 168 170 173 178 179 181

C. I II III

Weitere Eckpunkte von Martials Vita Martial und Domitian Martial als Anwalt? Martial als Ehemann?

186 186 193 195

D.

Konsequenzen für die Martialphilologie

203

Gedichte, die zu einer Neubewertung Anlaß geben

206

Literaturverzeichnis

207

Einleitung Die mehrfach von Martial bekundete Absicht, „das wirkliche Leben und den Menschen als Individuum literarisch darzustellen“1, ist von seiten der Philologen lange Zeit zum Programm einer nachgerade dokumentarischen Nähe verkürzt worden mit der Folge, daß sich in erster Linie Forscher zur römischen Sittengeschichte für den Autor interessierten Erst allmählich begann man, das Verhältnis zwischen Gedicht und Realität differenzierter zu sehen und Martials Wirklichkeit immer mehr als eine konstruierte Wirklichkeit zu begreifen: Die lebenden Zielscheiben seiner Spottgedichte (hinfort verkürzend ‚Opfer‘ genannt) wurden genauso wie die auf sie bezogenen Aussagen als Erfindung verdächtigt; zumindest jedoch sollte ihre Identität durch den Einsatz von Decknamen unkenntlich gemacht sein Und entsprechend ließ sich dann auch Martials ‚Ich‘ als beliebig austauschbare Chiffre verstehen, die – vielleicht nur am Rande auf den Dichter bezogen – in erster Linie dazu dienen sollte, einzelnen Geschehenssequenzen eine größere Unmittelbarkeit und damit auch Lebendigkeit zu verleihen Damit jedoch würde der Epigrammatiker ungeachtet seiner programmatisch zu verstehenden Erklärungen gänzlich andere Wege beschreiten als sein von ihm als Vorbild geschätzter Vorgänger Catull: Hatte dieser doch weder bei seinen Angriffen noch bei seiner Selbstdarstellung Bedenken getragen, sich klar und ohne irgendeine Form der Maskierung zu äußern 2 Selbstredend ist es vorstellbar, daß Martial hier eine Neuausrichtung seiner Epigramme vornimmt; erstaunlicherweise ist diese jedoch von der Forschung überwiegend nur postuliert und höchstens ansatzweise oder aber gar nicht durch eine wie immer geartete Beweisführung abgesichert worden Diesem Manko sucht die vorliegende Arbeit abzuhelfen: Gleichgültig, ob sie neue Erkenntnisse hervorbringt oder altbekannte Überzeugungen bestätigt – im Ergebnis sollte sie geeignet sein, die Interpretation der Martialgedichte auf eine sicherere Grundlage zu stellen

1 2

M von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur, Bd 2, Bern 1992, 826 Der Name Lesbia (offenbar auf der Basis von c 51 gewählt, wo Catull in der Nachfolge Sapphos sein ‚Mädchen von Lesbos‘ besungen hatte) ist durch Galanterie, nicht durch eine Verschleierungsabsicht motiviert: Noch Apuleius (apol 10,2) ist die Identität der Dame wohlvertraut

Martials Personen – Individuen, Typen oder Schemen?

A Problemstellung, Ziel der Arbeit Die Notwendigkeit einer eigenen Untersuchung über Martials Umgang mit Personen bzw deren Namen mag sich dem Betrachter nicht ohne weiteres erschließen, herrscht doch über die Eckpunkte seiner diesbezüglichen Gepflogenheiten in der Forschung seit Jahrzehnten Einvernehmen Die entscheidende Aussage über die Namengebung in den Skoptika hatte schon Ludwig Friedländer in der Einleitung zu seinem wegweisenden Kommentar getroffen: Obwohl M wahrscheinlich immer wirkliche, und zwar lebende Repräsentanten der von ihm verspotteten und gerügten Laster und Thorheiten im Auge hatte, hat er sie doch, seinen wiederholten Versicherungen gemäss (…), nie mit ihren wirklichen, sondern stets mit erdichteten oder willkürlich beigelegten Namen genannt; und da ihm für die Wahl solcher Namen vorzugsweise das Bedürfniss des Verses oder der Wohlklang, nur sehr selten die Bedeutung massgebend war, hat er auch unbedenklich dieselben Namen zur Bezeichnung der verschiedensten Personen und Typen gebraucht Nur äusserst wenige Namen bezeichnen immer dieselbe Person oder Gattung (oder nahverwandte Gattungen), und diese kommen meist in Epigrammen ein und desselben Buches vor, welche also – als Variation desselben Themas – gleichzeitig verfasst sein werden (Friedländer comm 1, 21 f )

Und auch für die Abgrenzung dieses Personenkreises von den zweifelsfrei realen und mit Klarnamen benannten Freunden und Mäzenen des Dichters3 hat sich die Martialforschung auf einen Konsens geeinigt, der sich nicht zuletzt durch seine simple Praktikabilität empfahl: I take it that the figures of skoptic pieces are … unreal, because M says so … However, the fact that he has to say so more than once (…), shows that not everyone chose to believe him Where there is an addressee mentioned in a skoptic epigram, I take it that this is part

3

Gänzlich abwegig die Vorstellung von BALLAND (2010), auch mit Zuneigung behandelte Personen seien von Martial mit Decknamen bedacht worden: So identifiziert er etwa Faustinus (Mart passim) mit Q Petillius Cerialis (cos III ord 83), Clemens (X 93) mit dessen älterem, Rufus (IX 39) dessen jüngerem Sohn und sucht hinter L Iulius (I 107) wie auch Iulius Cerialis (XI 52) den Konsular L Iulius Ursus (cos suff 84)

12

Problemstellung, Ziel der Arbeit

of the system of benefaction or patronage, and that such a person, provided that the barb is not directed at him, is real (…) In many other epigrams the reality of people is undoubted (…) But there are difficulties, and places where there is room for serious doubt: at 11 24, for example, the humour would not be offensive to Labullus if M knew him well and he sympathised with the poet’s attitude on benefaction; then again, 11 27 is rather obscene, yet there is good reason to think that the person addressed was one of M ’s closest friends (…) (The criterion of how well M knew addressees is often important from this point of view, and not easily accessable (sic!)) But these exceptions do not invalidate a general rule of thumb (Kay comm , 78 zu XI 7,1)

Beide Stellungnahmen können sich schließlich sogar auf eine Erklärung aus des Dichters Programmepistel berufen: Spero me secutum in libellis meis tale temperamentum, ut de illis queri non possit quisquis de se bene senserit, cum salva infimarum quoque personarum reverentia ludant; quae adeo antiquis auctoribus defuit ut nominibus non tantum veris abusi sint sed et magnis (Mart I epist  1–5)

Auffällig sind jedoch die Kautelen, welche die solcherart definierten Gesetzlichkeiten offenbar erfordern: Wie von Interpretenseite selber eingeräumt, sind manche Namenswiederholungen eben doch auf personelle Identität der Namensträger (auch über Buchgrenzen hinweg) zurückzuführen; und an der Scharfzüngigkeit des römischen Humors muß eine schlüssige Trennung zwischen den Adressaten positiv, wertfrei oder negativ formulierter Gedichte letztlich scheitern Nicht einmal Martial selbst liefert die nötige Klarheit: Wenn er sich an der zitierten Stelle wirklich zur Vermeidung von vera nomina äußert4, bleibt letztlich offen, ob er damit die echten Namen meint, lebende Personen also unter Pseudonym auftreten läßt, oder ob er reale Zeitgenossen überhaupt ausblendet und mit erfundenen Gestalten vorliebnimmt 5 Auf jeden Fall würde er seinen Leser zu unerquicklichen Gedankenoperationen zwingen, müßte sich dieser doch in jedem Gedicht aufs neue darüber klarwerden, ob er eine Namenswiederholung als sinnstiftend erkennen oder aber als irrelevant ignorieren und einen bestimmten Namen auf einen Freund des Dichters oder aber ein erfundenes bzw durch Pseudonym geschütztes Individuum beziehen soll Vor diesem Hintergrund scheint es dann doch sinnvoll, das Personaltableau der Martialepigramme einer substantiellen Prüfung zu unterziehen und dabei gerade die

4 5

Zu einer Neuinterpretation der Einleitungssequenz von Mart I vgl das Kapitel ‚Martials dichterisches Programm: Die Aussage der praefatio (I epist 1–9)‘ Unzulässig bleibt freilich eine Vermischung beider Deutungen: vgl Shackleton Bailey tr , Bd 3, 323: „We have Martial’s word for it in the prefatory letter to Book 1 and often elsewhere that in these [sc offensive bzw defamatory epigrams] he did not use real names nor aim at real people under pseudonyms “ Ähnlich Garmaise (2002), 55: „he claimed not to be satirizing real people, even under fictitious names “

Problemstellung, Ziel der Arbeit

13

bisher jenseits allen Zweifels verorteten Grundpfeiler der Martialphilologie prüfend in den Blick zu nehmen Zuerst wird zu klären sein, in welchem Umfang und in welchem Kontext Martial reale und sicher – oder doch wahrscheinlich – mit Klarnamen bedachte Zeitgenossen in seinen Gedichten auftreten läßt; verspricht doch ein solches Vorgehen in mehrfacher Hinsicht einen Gewinn: 1

Eine schlüssige Typisierung des solcherart definierten Personenkreises erlaubt eine genauere Eingrenzung der Gedichte, in denen allenfalls mit Ausblendung der vera nomina zu rechnen ist

2

Eine detaillierte Durchsicht der über offensichtliche Klarnamenträger getroffenen Aussagen verhilft zu Indizien, um Gedichte mit gleichem Namensbestand, aber bis dato nicht eindeutig identifiziertem Personal gegebenenfalls den entsprechenden Namensvertretern aus dieser Personengruppe zuweisen und so die in den Indizes der Ausgaben und Kommentare zu beobachtenden Zuordnungsprobleme reduzieren zu können 6

3

Ein Blick auf die thematische Breite der auf einzelne Individuen bezogenen Gedichte liefert eine Vergleichsfolie, vor deren Hintergrund die Gleich- oder aber Andersartigkeit der Personencharakteristik in den Skoptika deutlicher hervortritt

Bei der hierauf aufbauenden Durchmusterung der Personenbehandlung in den Spottgedichten wird dann insbesondere folgenden Problemstellungen nachzugehen sein: 1

Ist der Einsatz mehrfach auftretender Namen tatsächlich nur auf Beliebigkeit zurückzuführen7, oder verfolgt die Namengebung nicht doch das Ziel der Individualisierung bestimmter, mit ausgeprägtem Charakter ausgestatteter Namensträger, was sich in Form der Gleichung ‚ein Name = eine Person‘ zusammenfassen ließe?8

2

Wird bei erfolgtem Nachweis in sich stimmiger Charaktere bei den ‚Opfern‘ die Unterscheidung zwischen ‚fictional character‘ (der Spottgedichte) und ‚real character‘9 nicht a priori gegenstandslos, so daß auch der ‚fictional character‘ letztlich der realen Welt zuzuordnen ist und vielleicht nicht einmal, was seinen Namen angeht, eine Sonderbehandlung – durch Pseudonyme – erfährt?

6 7

Hiervon kann natürlich auch die Erklärung einzelner Epigramme nachhaltig profitieren Eine derart willkürlich pseudonymisierte Figur bliebe damit letztlich ebenso anonym wie der Handlungsträger eines ‚Ein Mensch‘-Gedichtes von Eugen Roth Selbstredend kann ein Name dann auch im Einzelfall für eine genau umrissene Mehrzahl namensgleicher Personen stehen So noch die Kategorisierung in der jüngst erschienenen Martialprosopographie von Moreno Soldevila u a (2019)

8 9

14

Problemstellung, Ziel der Arbeit

Begründete Antworten zu diesen Themenkomplexen – gleichgültig, ob sie die bisherigen Positionen der Forschung im Ergebnis untermauern oder aber eine Neubewertung von Martials Namengebung notwendig machen – vermögen die Interpretation der Epigramme von manchen Unschärfen zu befreien10; doch haben Erkenntnisse über Martials Namenspraxis letztlich auch Konsequenzen für die weitergehende Beurteilung des Realitätsbezugs bzw Wahrheitsgehalts der Martialgedichte überhaupt: Inwieweit gehen die Handlungen resp die Verhaltensweisen, die Martial seinen – realen oder fiktiven – Akteuren zuschreibt, ihrerseits auf Beobachtung oder aber Imagination zurück? Und schließlich kann von dieser Seite aus sogar die eher apodiktisch geführte Debatte über Möglichkeiten und Grenzen einer biographischen Ausdeutung von Martials Ichaussagen neue Impulse erfahren: Wird man doch nicht fehlgehen, diesen Ichaussagen keinen wesentlich anderen Realitätsgehalt beizumessen als den Mitteilungen über seine ‚Opfer‘ Unter dem Strich mag es dann vielleicht doch nicht abwegig scheinen, dem Komplex der Namengebung in Martials Epigrammen eine eigene Monographie zu widmen

10

Dies gilt v a für die in der Übersicht von S 206 aufgelisteten Epigramme

B Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme? I. Personen aus dem Umfeld Martials Bei der für den Anfang ins Auge gefaßten Durchmusterung und Präsentation der – positiv konnotierten oder wertfrei aufgeführten – Klarnamenträger galt es zunächst, den Blick auf die Menschen aus Martials Umgebung zu richten, die besondere Aufmerksamkeit oder gar Zuneigung von seiten des Dichters erfahren Beim Versuch einer Untergliederung des Materials erwies sich die anfangs erwogene Scheidung der beiden Hauptgruppen in patroni und amici, d h nach Maßgabe des subjektiven Verhältnisses zwischen Martial und seinem Gegenüber, als impraktikabel, da das Begriffsfeld der amicitia – wie sonst zahlreich zu belegen – auch bei ihm sowohl den Bereich der Freundschaft im engeren Sinne wie den der Klientel abdeckt und die Grenzen zudem fließend sind:11 Natürlich kann zwischen Martial und einem Patron auch ein Gefühl herzlicher Verbundenheit bestehen (dies betrifft etwa das Verhältnis zu Faustinus und Arruntius Stella), und andererseits sucht mancher sodalis seiner gesellschaftlichen Stellung (und seinem Ego?) aufzuhelfen, indem er den Dichter in die Position eines Klienten herabdrückt (z B II 55 Sextus); zudem suggerieren die einschlägigen Ausdrucksformen mitunter menschliche Nähe, wo nur ein impliziter Appell bzw Wunschdenken auf seiten des Klienten und urbane Höflichkeit auf seiten des Patrons vorliegen Sinnvoller erschien daher eine Anordnung, welche auf der gesellschaftlichen Stellung der betreffenden Individuen und damit einem objektiven Kriterium basiert:12

11

12

Zu amicitia und Klientel sowie zur – umstrittenen – Sonderstellung des Dichters qua Klient vgl White (1972, 1975, 1978), Saller (1982), Garrido-Hory (1985a), Konstan (1995, 1997), Nauta (2002a), 10–34 und Bianconi (2005) Zur Unmöglichkeit einer gesicherten Unterscheidung im Falle Martials vgl auch Kleijwegt (1998) Die folgende Gliederung deckt sich nur partiell mit Vallats (2008a) Einteilung von Martials Kontaktpersonen nach ‚cercles‘ (1 les intimes; 2 les amis (non intimes) et les patrons; 3 la société flavienne; 4 l’empereur et ses proches; die Termini nach 611 f , die Präsentation des Materials 29–127)

16

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

1

Angehörige der Oberschicht, mithin der – finanziell wohlsituierten – Prominenz des politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und höfischen (kurz: öffentlichen) Lebens, gleichgültig, ob der Dichter mit diesen Personen in einer wie immer gearteten Beziehung steht, eine solche – mit schmeichelnden Worten – zu begründen sucht oder nur aus der Ferne seine Ehrerbietung bezeugt und manchmal sogar seine innere Reserve zum Ausdruck bingt In der Mehrheit der Fälle ist dieser Personenkreis auch andernorts – in literarischen oder epigraphischen Quellen – prosopographisch faßbar 13

2

Angehörige des ‚Mittelstandes‘, einfache Bürger oder Freigelassene, mit denen Martial gewissermaßen auf Augenhöhe verkehrt und die dabei wohlwollende (oder doch zumindest nicht abwertende) Erwähnung finden In diese Gruppe wurden fast durchweg nur die Personen aufgenommen, die Martial selbst durch Begriffe wie amicus und sodalis oder aber ein Nähe signalisierendes Possessivum (meus, noster)14 als Vertraute kennzeichnet15; denn zöge man den Ton eines Gedichtes als ergänzendes Kriterium heran, ließe sich die Gefahr einer Fehldeutung und damit eines Zirkelschlusses (freundlich scheinende Erwähnung → Freund → freundlich gemeinte Erwähnung) kaum vermeiden 16

Im einzelnen sind die innerhalb dieser beiden Kataloge alphabetisch angeordneten Lemmata17 wie folgt aufgebaut: – – –

Name in der bei Martial belegten Form; wofern vorhanden, anderweitige Bezeugung in knapper Auswahl18; Aussagen zur Person, wie sie den Martialgedichten zu entnehmen sind

13

Wo sich Martial nicht eindeutig äußert, sind alle Versuche einer sicheren Identifizierung von vornherein zum Scheitern verurteilt Zu beachten ist, daß das Pronomen noster im Gegensatz zu meus zuweilen auch eine ironische Distanzierung signalisieren kann (vgl VI 26,1 Sotades noster) Der Einfachheit halber sind Personen, deren Verhältnis zu Martial in erster Linie erotisch/sexuell geprägt ist (Hetären, Lustknaben), durchweg erst in die Rubrik ‚Opfer‘ (Kat 8) eingereiht Zudem ist die Grenze zwischen gutmütigem Frotzeln und aggressivem Spott für den heutigen Leser nicht mehr überall zweifelsfrei zu bestimmen; läuft doch der römische Humor dem guten Geschmack wie auch weitherziger Toleranz nach modernem Empfinden häufiger zuwider Innerhalb der Gruppe ‚Oberschicht‘ bilden die Mitglieder der Hofgesellschaft, die für Martial im wesentlichen nur als ‚broker‘ Bedeutung besaßen (vgl hierzu Nauta 2002a, 341–349), eine eigene Untergruppe am Ende; die regierenden Kaiser und ihre Familienangehörigen haben gar keine Berücksichtigung gefunden (zum Verhältnis Martial – Domitian vgl jedoch das einschlägige Kapitel) Es war hier weder beabsichtigt, in größerem Umfang einschlägige Testimonien zu sammeln und so gewissermaßen die Artikel von RE und PIR zu reproduzieren; noch war an die Abfassung einer Prosopographia Martialiana gedacht: Eine solche steht ja dem interessierten Benutzer mittlerweile in Gestalt des ähnlich wie die folgenden Kataloge aufgebauten Werkes von Moreno Soldevila u a (2019) zur Verfügung

14 15 16 17

18

Personen aus dem Umfeld Martials

17

Katalog 1: Angehörige der Oberschicht M. Antonius Primus (so nur X 32; IX 99: M A ; X 23: A P ; X 73 nur andeutungsweise M 19; herausragender Vertreter der flavischen Partei im Bürgerkrieg: vgl Tac hist II 86; III 1020; Suet Vit 18): Freund (X 73,1 facundus amicus; vgl auch IX 99,6) und Wohltäter Martials, hält sich im Alter wieder in seiner Heimatstadt Tolosa auf Als begeisterter Martialleser bekommt er dort dessen IX Buch zugesandt (IX 99); er selbst läßt dem Dichter – offenbar im Gegenzug – eine qualitätvolle Toga zukommen (X 73) 21 Als Musterbeispiel für ein erfülltes Leben gewürdigt (X 23; wohl aus Anlaß seines Geburtstags), bleibt er Martial in Gestalt seines – von diesem verehrten – Porträts auf Dauer gegenwärtig (X 32) [L ] Antonius Saturninus (vgl Suet Dom 6 f ; Dio Xiph LXVII 11,1; Ps Aur Vict epit 11,9): nach Niederwerfung des von ihm als Statthalter Obergermaniens angezettelten Aufstandes wegen seines Verrats gebrandmarkt (IV 11; vgl auch IX 84,1 f ) 22 Apollinaris: s Domitius Apollinaris Aretulla (Ara-) wird in der Hoffnung auf baldige Rückkehr ihres Bruders aus der Verbannung bestärkt (VIII 32) 23 Atticus: als Angehöriger einer facunda gens bzw ingens domus und damit doch wohl als Nachfahre des Cicerovertrauten T Pomponius Atticus eingeführt24 und als jugend-

19 20 21

22 23 24

Da sich das Wort primus nicht ohne weiteres als Cognomen zu erkennen gibt, wird es von Martial nur in Kombination mit anderen Namensbestandteilen eingesetzt ((M ) Antonius P ) oder aber ganz gemieden (M Antonius) Zum Taciteischen Bild des A P vgl Treu (1948) und Ash (1999) Hier wird der Vollname als bekannt vorausgesetzt, um vor dem Hintergrund der Vornamensgleichheit von Beschenktem (M Valerius Martialis) und Schenkendem (M Antonius Primus) den besonderen Wert der Gabe herauszustellen Der alternative Vorschlag, durch Übernahme der singulären Lesart severe in v  2 (It : severa cett ) das Personaltableau des Gedichtes zu modifizieren und den Martialfreund Severus (vgl Kat 2 s v ) als Togaspender zu gewinnen (Shackleton Bailey ed ), hat dagegen als verfehlt zu gelten: Das Epigramm berichtet von der Gabe des Freundes (v  1), um sich erst v  7 diesem selber zuzuwenden (a te); die vorzeitige Anrede des Severus (für den im übrigen nicht einmal das Praenomen Marcus belegt ist!) müßte diesen Aufbau empfindlich stören Ansonsten ist der Rückbezug des Gedichtes auf IX 99 durch die Wiederaufnahme von IX 99,6 (der liber als pignus amicitiae) in X 73,1 f gesichert; zudem erhalten beide dona, wie von Henriksén comm  2, 129 Anm  2 richtig gesehen, erst durch die Person des Spenders ihren eigentlichen Wert (vgl IX 99,7 f und X 73,7 f ; weitere Bezüge bei Nauta 2002a, 82 Anm  158) Zu seinem Werdegang vgl Syme (1978) Sucht man eine konkrete Absicht hinter dem Gedicht, so geht es Martial wohl weniger darum, „durch das Epigramm … zu einer Begnadigung durch Domitian bei(zu)tragen“ (Barié/Schindler tr , 1312), als sich der Dankbarkeit der seelisch aufgerichteten Adressatin zu versichern Anders, jedoch rein spekulativ, Balland (1998), 60–63

18

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

licher Freund der Philosophie und praktizierender Anhänger des nationalrömischen Laufsports belobigt (VII 32 mit v  1 f ) 25 Vgl auch Kat 3a s v Avitus: s Stertinius Avitus Blaesus: s [Atedius] Melior Celer: ehemals legatus Aug. pr. pr. von Martials Heimatprovinz Hispania Citerior (Tarraconensis); der Dichter erweist ihm auf indirektem Wege seine Reverenz und sucht ihn durch Vermittlung von Pompeius Auctus für seine Dichtung zu gewinnen (VII 52) 26 Curvii fratres (V 28,3) [Cn Domitius Afer Titius Marcellus Curvius] Lucanus und [Cn Domitius Afer Titius Marcellus Curvius] Tullus (vgl Plin epist VIII 18; CIL XI 3042; zu ihrem cursus honorum CIL XI 5210 und 5211: letztere Inschrift verstümmelt): Besitzer eines gemeinsamen Landgutes, auf dem auch Martials Freund Canius Rufus verkehrt (III 20,17); ein Beispiel herausragender brüderlicher pietas (V  28,3) und als solches gepriesen (I 36; neuerlich IX 51 aus Anlaß des Todes von Lucanus) Vgl auch Kat 3a s v Lucanus [L ] Domitius Apollinaris (X 12: D 27; sonst: A ; vgl auch Plin epist II 9; V 6 (tit ); IX 13,13: cos des (97); CIG III 1, 4236: legatus Aug.pr.pr. von Lykien)28: Gönner, mit dem Martial offenbar vertrauten Umgang pflegt (VII 26,1 und 10 meus; 89,2 noster; Martial unter A s Freunden: X 12,9) Als doctus, exactus, eruditus, candidus und benignus hofiert, wird A als kritischer Leser und wohlwollender Werber für Martials Gedichte geschätzt (IV 86 mit v  3 ff ; VII 26), ferner mit Rosen beschenkt (VII 89) 29 Seine politisch-gesellschaftlichen Verpflichtungen finden nur indirekt Erwähnung: Anläßlich von A s Abreise in die Sommerferien wünscht der Dichter seinen urbano … colla per­ usta iugo gute Erholung (X 12 mit v  6); und den Preis des Städtchens Formiae verbindet er mit der Klage, A s dortiges Landgut müsse den Besuch seines vielbeschäftigten Besitzers nur allzu lange entbehren (X 30) Vgl auch Kat 3a s v Apollinaris

25 26 27

28 29

In II 7 ist der Name zu Unrecht in den Text eingedrungen: vgl Kat 8 s v Attalus Dagegen war ein als Plagiator verdächtigter Zeitgenosse gleichen Namens als Hörer gerade zurückgewiesen worden (I 63) Die singuläre Anrede Domiti (v  3) ist durch die metrischen Zwänge des Hexameters veranlaßt; ersatzweise ist hier in unmittelbarer Nachbarschaft auf das Cognomen des Adressaten angespielt: Apollineas Vercellas / … petis (v  1 f ) Ansonsten läßt sich in Gestalt des Motivs ‚quälende Arbeitsüberlastung in Rom‘ auch eine thematische Klammer zwischen X 12 und dem unzweifelhaften Apollinarisgedicht X 30 benennen Zu Leben und Karriere des D A vgl Syme (1991) sowie Mratschek (2018), zur chronologischen wie inhaltlichen Vereinbarkeit der Martialepigramme mit den bekannten Daten seiner Laufbahn Nauta (2005), 222–227 Den Anlaß soll nach Syme (1991), 593 die Heirat des A mit Valeria Vettilla geboten haben (vgl v  4 sic te semper amet Venus)

Personen aus dem Umfeld Martials

19

[Claudius] Etruscus (vgl Stat silv I 5; III 3) kann mit seinem riesigen Vermögen herrliche Thermen finanzieren (VI 42; ebenso Stat silv I 5; Sidon carm 22 epist 6), erhält seinen verbannten Vater – einen in kaiserlichem Dienst zum Ritter aufgestiegenen li­ bertus30 – durch Begnadigung zurück (VI 83)31, verliert ihn jedoch alsbald durch Tod (ein diesbezügliches Grabepigramm VII 40; eine consolatio Stat silv III 3) Wahrscheinlich sind Martials Epigramme (ebenso wie die Statiusgedichte) von dem um gesellschaftliche Anerkennung bemühten Ritter und Freigelassenensohn aus konkretem Anlaß bestellt: „On the theory that he yearned for perfect respectability, he will have wanted to enlist a publicist“ (White 1975, 276) Faustinus: trotz seines Reichtums eher Freund als Patron des Dichters (IV 10,3 carus amicus; VII 80,5 Martial sein amicus)32, wahrscheinlich Vater des Marcellinus (VII 80) 33 Selber als Dichter tätig, wird er von Martial zur Veröffentlichung seiner Werke ermuntert (I 25), als Empfänger und vindex des eigenen (dritten) libellus erkoren (III 2), durch die ‚Übersendung des neuen [vierten] Buches mit der Lizenz zum Streichen‘34 geehrt (IV 10), an einem Gespräch über die Voraussetzungen bleibenden Dichterruhms beteiligt (VI 61(60)), als Schwurzeuge für die Harmlosigkeit der Epigramme in Anspruch genommen (VII 12) und um Weiterleitung des jüngsten (siebten) Gedichtbuches an Marcellinus gebeten (VII 80) Ansonsten tritt er nur als Besitzer reicher Güter und Villen in Erscheinung: In Martials insgesamt längstem Gedicht wird seine villa Baiana beschrieben und gewürdigt (III 58 mit v  1 vor dem Hintergrund von III  47); doch stehen ihm für ein Leben in Muße auch Landsitze in Tibur (IV 57; V 71; VII 80,12), Trebula (V 71) und Anxur (X 51) zur Verfügung, ferner ein Stadthaus in Rom, das er während lästiger Aufenthalte in der urbs benutzt (X 51; dort wohl auch die III 25 erwähnten heißen Thermen) Vgl auch Kat  3a s v Flaccus: wohlhabender Freund (VII 87,1 meus) und Gönner (entsprechend VIII 55(56) Adressat von Gedanken zum erwünschten Umfang einer Dichterförderung), dessen Reichtum letztlich schon aus dem Besitz eines exotischen Haustiers (VII 87,1 laga­ lopex)35 deutlich wird Martial sehnt seine Rückkunft von einer (in offizieller Mission unternommenen?) Zypernreise herbei (VIII 45,7 f ) und bittet Aphrodite um seine glückliche Heimkehr (IX 90), wird von ihm zusammen mit Iulius Martialis in seine

30 31 32 33 34 35

Über ihn Weaver (1965) Er selbst scheint v  8 zufolge den Vater in die Verbannung begleitet zu haben Durch III 58,1 wird F vielleicht als gemeinsamer Freund von Martial und Bassus kenntlich Zum Referat zweifelhafter Identifikationsversuche vgl Nauta (2002a), 67 Anm  96; am ehesten könnte noch Cn Minicius Faustinus (cos suff 91) als Kandidat in Frage kommen So die Gedichtüberschrift bei Barié/Schindler tr , 259 Was immer dies sein mag Daß gerade F ein als auritus gekennzeichnetes Tier sein eigen nennt, mag mit Augenzwinkern gesagt sein (Sergi 1988, 138 ff mit weiteren, jedoch durchweg verfehlten Assoziationen)

20

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Villa nach Baiae eingeladen (XI 80)36, kann jedoch seinerseits nur mit einer bescheidenen cena (X 48 F unter anderen Freunden als Gast) und entsprechenden Gaben aufwarten: Angesichts der vielen aus Anlaß der lux propinquorum zu beschenkenden amici muß sich Martial auch im Falle von F ein Präsent versagen (IX 55); und wenn er die Vorzüge billiger Becher im Vergleich zu dem von F üblicherweise bezogenen Kristallgeschirr herausstellt (XII 74), will er für ein diesbezügliches Geschenk von seiner Seite einen – wenn auch kleinen – Eigenwert reklamieren Verfehlt die übliche Vorstellung, bei dem dichtenden Paduaner von I 61 und 76 handele es sich nicht um diesen betuchten Freund, sondern um einen armen Poeten: I 61 wird dieser genau wie IX 55 mit Martials – ebenfalls aus Patavium stammendem – Freund und Dichterkollegen Stella in einem Atemzug genannt, und I 76 betont die besondere Beziehung zu F mit Worten, die sich eher an einen Mäzen als an einen darbenden Leidensgenossen richten (v  1 o mihi curarum pretium non vile mearum) Das Gedicht wendet sich demzufolge nicht als guter Rat an einen Betroffenen (‚Laß das Dichten besser sein!‘)37, sondern führt F die prekären Lebensumstände eines Poeten vor Augen (v  3 f sinngemäß: ‚Wenn du [= man] nach Besitz strebst, laß das Dichten besser sein!‘); v  13 nostra ist auf Martial und seine anonymen Mitdichter zu beziehen, der Text im Ergebnis nicht als Ausdruck gemeinsamer Resignation, sondern  – wie auch VIII 55(56) an das gleiche Gegenüber – als indirekter Appell an großzügige Förderung zu lesen 38 Vgl auch Kat  3a s v [Sex Iulius] Frontinus (Vf der Strategemata und der De aquis urbis Romae libri; vgl Plin epist IV 8,3; Tac Agr  17,3; hist IV 39; CIL VI 2222: cos III (ord ) 100): Martial nennt ihn zuerst nur im Kontext einer Zeitangabe (X 48,19 f ), widmet ihm dann aber mit X 58 ein Epigramm, das an eine Zeit gemeinsamen Dichtens in der Abgeschiedenheit von Anxur erinnert und gleichzeitig „dem Patron die treue Ergebenheit seines Klienten zwar zusichert [vgl v  14 et non officiosus amo], ihn aber zugleich auch indirekt um Verständnis für eine mögliche Vernachlässigung der alltäglichen Pflichten bittet“

36 37

38

Vgl Kat 2 s v Iulius Martialis Schon I 59 scheint sich Martial bei Flaccus in Baiae aufzuhalten Wenig attraktiv auch die Deutung von Puelma (1995), derzufolge Martial sein Gegenüber im eigenen Interesse zu vermehrtem Gelderwerb anhalten würde: „Martial rät ihm [= Flaccus] davon ab, seine Zeit weiterhin an die brotlose Kunst der Poesie zu verschwenden, anstatt sie seinen nego­ tia voll zu widmen, die allein handfesten Gewinn eintragen; nur letzteres liegt ja im Interesse des Klienten, der als einkommensarmer Berufsdichter auf die guten materiellen, nicht auf die zweifelhaften poetischen Gaben seines Gönners angewiesen ist“ (437) Ähnlich auch Sergi (1988), 133 ff , die als Grundtenor aller an F gerichteten Gedichte Ironie ausmacht und in I 76 entsprechend das poetische Talent des F in Frage gestellt sieht (‚Trage lieber zur Unterstützung derer bei, die wirklich etwas vom Dichten verstehen!‘) In jüngeren Arbeiten hat die Vorstellung, die Flaccusepigramme beträfen insgesamt ein einziges Individuum, auch sonst Anhänger gefunden, ohne daß dabei auch die Deutung der Einzelgedichte durchgehend zu überzeugen vermöchte: vgl Howell comm (zu B I), 242; Pitcher (1984a) und Sergi (1988)

Personen aus dem Umfeld Martials

21

(Faust, in: Damschen/Heil comm , 222) 39 Als Patron von Martial spielt F wohl die gleiche Rolle wie Plinius (vgl s v ) Fuscus: Gerichtsredner und reicher Grundbesitzer (VII 28) 40 Martial wirbt um seine Freundschaft (I 54 mit v  1 si quid, Fusce, vacas adhuc amari …) und äußert die bescheidene ‚Bitte um ein kompetentes Urteil über die Epigramme‘41 (VII 28) Ianthis: eigentlich Violentilla (vgl Stat silv I 2), Ehefrau von Martials Patron Stella (vgl s v ), in den Epigrammen regelmäßig in – vermeintlich – etymologisierender Übersetzung I genannt 42 Neben dem Gedicht auf ihre Hochzeit (VI 21) nur noch in zwei Epigrammen über eine in Stellas Garten befindliche Quelle präsent (VII 15; 50; zum gleichen fons wohl auch VI 47 und XII 2(3),13 f )43 sowie als trauernde Besitzerin einer verstorbenen Haustaube erwähnt (VII 14,5 f ) Instanius44 Rufus (VIII 73 und XII 98 nur I ) unterscheidet sich, was seinen literarischen Geschmack angeht, deutlich von seinem gestrengen Schwiegervater: Martials Epigramme sind für diesen ungeeignet (VII 68), er selbst jedoch als Leser von prickelnd-aufreizender Dichtung nachgerade prädestiniert (XII 95) Als patronus schenkt er M eine kostbare, von diesem ausführlich gewürdigte Trinkschale (VIII 50(51)), wird aber augenzwinkernd um noch elementarere Gaben angegangen (VIII 73: ‚Schenke mir zur Inspiration jemanden zum Liebhaben!‘) 45 Ein letztes, von hymnischer Feierlichkeit getragenes Gedicht heißt ihn als neuen Statthalter der Baetica (101/102) willkommen (XII 98) C. Iulius Proculus (I 70 nur P ): Empfänger von Martials Buch, das, mit einer genauen Wegbeschreibung zu I s excelsa domus ausgestattet, nach seiner Ankunft den Dichter

39

40 41 42 43 44 45

Die von White (1975), 295 Anm  41 gegen Sex Iulius Frontinus als Empfänger von X 58 ins Feld geführten Gründe (u a die fehlende Erwähnung von F s Schriftstellerei) sind bedenkenswert, keinesfalls jedoch zwingend: Auch [Remmius] Palaemon tritt II 86 nur als Dichter, nicht als Verfasser einer Ars in Erscheinung Versteht man XII 8,1 f mit Kappelmacher (1916), 183 als „Achtungszitat“ aus Frontin aq  88,1, dürfte ein gutes Verhältnis zwischen Martial und dem Konsular als erwiesen gelten Vielleicht der Vater des Plin epist VI 26,1 erwähnten [Cn Pedanius] Fuscus Salinator (so A N Sherwin-White, The Letters of Pliny (comm ), Oxford 1966, 386 z St ), jedenfalls nicht der VI 76 mit einem Grabepigramm geehrte Prätorianerpräfekt gleichen Namens Dies der Gedichttitel bei Barié/Schindler tr , 473 Der Name dürfte eher von violentus als von viola abzuleiten sein; Stella selbst hatte seine Frau in Elegien als Asteris besungen (vgl Stat silv I 2,197 ff ) Hierzu vgl Merli (2013) Daß Martial die Quelle aus eigener Anschauung kennt, berechtigt nicht zu der von Szelest (1986), 2580 vorgetragenen Schlußfolgerung: „Der Epigrammatiker wohnte sogar einige Zeit in dessen [= Stellas] Hause “ In den Ausgaben üblicherweise Instantius oder Istantius; doch ist die Namensform I durch inschriftliche Belege gesichert (Merli 1996, 211 f ) So die Gedichtüberschrift bei Barié/Schindler tr , 585; nach Fusi (2014/15), 70 f hätte Martial hier konkret Cestus, den Mundschenk seines Patrons (vgl VIII 50(51)) im Auge

22

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

als säumigen salutator zu entschuldigen hat (I 70 mit v  12 und 18); seine Genesung von schwerer Krankheit begeht Martial mit einem Freudenfest (XI 36) 46 Zum Verhältnis Martial – Proculus wohl zutreffend Kay comm , 149: „The formal tone of both poems suggests that M was not particularly close to him, as does the fact that M does not address him elsewhere “47 Laetorius gehört zu den wenigen Mitgliedern der senatorischen Oberschicht, die von seiten des Dichters eine deutliche Zurückweisung erfahren:48 Als – wohl eher unbedeutender – Senator antichambriert er bei den Mächtigen, um es doch noch zum Konsul oder Provinzstatthalter zu bringen; daß er Martial die gleichen Dienste abverlangt, um ihn dann mit einem Abendessen abzuspeisen, kann der Dichter aus der Ferne seines spanischen Alterssitzes risikolos mit trotziger Verweigerung quittieren (XII 29(26)) Licinianus: Freund und Dichter aus Bilbilis (I 61,11 f ), kehrt in die Heimat zurück (I 49) 49 Denkbar ist Identität mit dem IV 55 angesprochenen Lucius:50 Beide sind spanischer Herkunft und genießen als Poeten besonderen Ruhm: vgl I 49,1 f vir Celtiberis non tacende gentibus / nostraeque laus Hispaniae und IV 55,1 gloria temporum tuorum; der Wechsel vom Cognomen zum Vornamen wäre dann durch metrischen Zwang zu erklären 51 [L ] Licinius Sura (I 49; VI 64 nur S ; vgl Plin epist IV 30; VII 27; Dio Xiph LXVIII 15,3; CIL VI 2185: cos II (ord ) 102; CIL VI 31 142b: cos III (ord ) 107):52 Als – mit Licinianus verwandter  – Landsmann aus der Hispania Tarraconensis (I 49,40) und als willkommener Leser beiläufig unter den proceres urbisque forique (VI 64,9 und 13) genannt, wird er erst VII 47 anläßlich seiner Wiedergenesung von schwerer Krankheit mit einem eigenen Gedicht geehrt und dabei vollmundig mit doctorum Licini cele­

46 47 48 49

50 51 52

Die Nennung des kompletten Namens C Iulius Proculus ist hier durch Martials Absicht motiviert, auf diesen – Buchstabe für Buchstabe – zu trinken Friedländer comm 1, 210 denkt bei P an den CIL II 2349 genannten Namensträger; anders Kay comm , a a O Daher PIR2 L 65 als „persona ficta“ geführt Aus den Angaben von I 49 ist für L senatorische Herkunft (v  31 f ), eine Tätigkeit als Gerichtsredner (v  35) und Verwandtschaft mit Licinius Sura (v  40) zu erschließen; doch ergeben sich hieraus keine Indizien, ihn mit dem in Ungnade gefallenen Senator Valerius L (Friedländer comm 1, 193 f ), mit dem praefectus fabrum C Iulius Seneca L (Abascal 2011) oder gar mit Licinius Mucianus (Estefanía 1988) zu identifizieren: Mit letzterem verbinden ihn weder Name noch Zeitstellung L müßte sich dann neuerlich in Rom aufhalten oder aber in Abwesenheit mit einem Gedicht bedacht worden sein Die dreifache Kürze in Lĭcĭnĭanus ist zwar in die jambischen Verse von I 49 und 61, nicht jedoch in die Elfsilbler von IV 55 zu integrieren Zu seinem weiteren Werdegang vgl C P Jones (1970) und Barnes (1976)

Personen aus dem Umfeld Martials

23

berrime Sura virorum (v  1) angeredet53; doch scheint Martial seinem Gegenüber auch dadurch nicht nähergekommen zu sein Lucanus: s Curvii fratres Macer: Das Cognomen M tragen bei Martial mehrere senatorische Amtsträger, die durch die genaue Bezeichnung ihrer Tätigkeitsbereiche für die Zeitgenossen zweifelsfrei zu identifizieren waren:54 1 ein curator viae Appiae, der sich, wie schon früher, Martials Gedichte als Saturnalienpräsent wünscht (X 18(17)) 2 ein legatus Aug. pr. pr. Dalmatiens, der anläßlich seines Abgangs in die Provinz von seinem – seinerseits nach Spanien aufbrechenden – Freund Martial verabschiedet und als Gegenstand wie Empfänger künftiger Gedichte in Aussicht genommen wird (X 78) Der Hinweis auf seine herausragende Pflichttreue (v  2 rara fides amorque recti) legt nahe, ihn mit dem V 28,5 als Muster an probitas aufgeführten M zu identifizieren 3 ein eher beiläufig als Vorgänger des Instanius Rufus genannter Prokonsul der Baetica (XII 98,7; Amtszeit also wohl 100/101) Angesichts der dürftigen Faktenlage müssen Versuche einer prosopographischen Konkretisierung Spekulation bleiben55; doch erlauben Martials eigene Aussagen, den Kreis der von ihm benannten Individuen etwas enger zu ziehen: Da der curator viae Appiae wie auch der Statthalter Dalmatiens nicht nur im selben Buch, sondern gleichermaßen als vertraute Freunde und treue Leser angesprochen werden, dürfte es sich um die gleiche Person handeln56; von dieser zu unterscheiden wäre der Statthalter der Baetica, der nur pflichtschuldige, von keiner persönlichen Regung bestimmte Erwähnung findet Marcella: Wohltäterin (domina XII 31,7) Martials in seiner spanischen Heimat, für ihre Lebensart gepriesen (XII 21) und vom dankbaren Dichter für die Überlassung eines Landguts geehrt (XII 31)

53 54

55

56

Entsprechend ist seine  – von Balland (2010), 37 f vorgeschlagene  – Identifikation mit dem schon in Buch IV als gloria temporum tuorum apostrophierten Lucius (IV 55 mit v  1; vgl s v Licinianus) als unwahrscheinlich zu erachten In ein ganz anderes soziales Umfeld gehört der M von VIII 5; zur Erklärung dieses Gedichtes vgl Barié/Schindler tr , 1306: „Durch seine Freigebigkeit [sc gegenüber Mädchen] hat Macer wohl mit seinem Vermögen gleichzeitig den Ritterstand verloren, der ihn zum Tragen des goldenen Ringes berechtigt hatte “ Friedländer comm 2, 268 denkt beim Statthalter der Baetica versuchsweise an Q Baebius M (cos suff 103), den nachmaligen praefectus urbi; nach PIR2 M 12 wäre auch die cura viae Appiae, nach Barié/Schindler tr , 1373 die Verwaltung Dalmatiens seiner Laufbahn zuzuordnen; vgl indes B W Jones (1976) und Eck (1979), 80 mit Anm  249 So auch Friedländer comm 1, 404 und Sullivan (1991), 49 Da zudem X 18(17) der ersten, X 78 der zweiten Auflage von Buch X angehört (vgl Nauta 2005, 220), lassen sich die genannten Aufgaben auch zeitlich problemlos im cursus honorum desselben Amtsträgers verankern

24

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Marcellinus: jugendlicher Sohn eines Freundes (Martial als sein vetus … patrius­ que … amicus VI 25,3)57, dessen Werdegang sich in Martials Gedichten spiegelt: Der Epigrammatiker gratuliert ihm zur Bartweihe (III 6), warnt ihn als jungen Soldaten vor Leichtsinn (VI 25), läßt ihm seine Gedichte ins Heerlager nach Dakien zugehen (VII 80) und kommentiert seine Versetzung in die Kaukasusregion aus der Sicht des mythologisch versierten Literaten (IX 45) Maximus: s Vibius Maximus [Atedius] Melior (vgl Stat silv II praef ; II 1; 3; 4): Als lautus und nitidus charakterisiert (IV 54,8), richtet er gern besuchte cenae aus (II 69,7 f ); zudem erhält er Gedichte auf seinen verstorbenen delicatus Glaucias (VI 28 und 29; ebenso Stat silv II 1) und erfährt Anerkennung für seine pietas gegenüber Blaesus, einem verstorbenen Freund (VIII 38; vgl Stat silv II 1,189–207; 3,75 ff ) 58 „The details Martial mentions imply that he was in close touch with his patron’s household (…), but he never uses endearments or familiar expressions that convey a feeling of friendship“ (White 1975, 273) Munatius Gallus: nicht näher zu bestimmendes Mitglied der dem Beamtenadel angehörenden Familie der Munatii59, anläßlich der noblen Verheiratung seiner Tochter mit Segenswünschen bedacht und um die Protektion von Martials libelli gebeten (X 33) Anscheinend sucht Martial nach dem Tod Domitians, neue Patrone auf sich aufmerksam zu machen (vgl auch zu Plinius) [M Cocceius] Nerva: der nachmalige Kaiser (für die Zeit vor seiner Regierung vgl Tac ann XV 72; Dio Xiph LXVII 15,5 f ; CIL VI 1984: cos I (ord ) 71; VI 621: cos II (ord ) 90) V 28,4 und VIII 70,1 als Muster von quies genannt, hält er mit seinem poetischen Talent aus Bescheidenheit hinter dem Berg (VIII 70), bekommt jedoch als trefflicher Leser und Kritiker Martials Gedichte zugesandt (IX 26) Spätere Epigramme (XI 2;4;5;7; XII 6; vgl auch XII 11) beziehen sich bereits auf seine Regierungszeit [T Flavius] Norbanus (vgl Ps Aur Vict epit  11,10; Dio Xiph LXVII 15,2: praef. praet ): als Unterdrücker des Saturninus-Aufstandes gewürdigt und als vetus amicus nach längerer Abwesenheit in Rätien mit den mittlerweile entstandenen Martialgedichten beschenkt (IX 84 mit v  7) 60 57 58 59 60

Der Vater dürfte in dem VII 80 als Übermittler von Martials libellus genannten Faustinus zu suchen sein (vgl s v ) Aus den Martialgedichten selbst wird der junge Mann nicht als Angehöriger der Oberschicht kenntlich Friedländer comm 2, 20 denkt hier an den Plin epist II 20,7 f erwähnten Velleius Blaesus Von E Groag, RE XVI 1 (1933), 538–541 s v Munatius 21 mit dem gleichnamigen Statthalter von Numidia (CIL VIII 2355; 10 667) identifiziert; daß Friedländer comm 2,126 dafür dessen Vater ins Spiel bringt, ist einer Überinterpretation von v  2 (M G als „ein alter Mann“) geschuldet Zu seinem Werdegang vgl Winkler (1973) und Eck-Pangerl (2007); daß B W Jones (1974) eine Mitwirkung des N bei der Niederschlagung des Saturninus-Aufstandes bestreitet, liefert keinen ausreichenden Grund, an diesen Eckdaten zu zweifeln

Personen aus dem Umfeld Martials

25

[A Cornelius] Palma [Frontonianus] (vgl Dio Xiph LXVIII 14,5: Statthalter Syriens; LXIX 2,5; Hist Aug Hadr 4,3; CIL VI 2186: cos II (ord ) 109): erfährt – in Dankesworte an den Kaiser gekleidet – eine kurze Würdigung als legatus Aug.pr.pr der Hispania Tarraconensis (XII 9) Paulus: Das Signalement des mit Martial befreundeten Senators P 61 wird im wesentlichen von folgenden Faktoren bestimmt: – seiner Stellung als hoher staatlicher Würdenträger: Nach VIII 33 hat er als Prätor aufwendige Spiele gegeben62; nach X 10 ist abzusehen, daß er als Konsul laurigeris … fascibus (v  1) das neue Jahr eröffnet – seiner Tätigkeit als Anwalt: In dieser Funktion wünscht ihm Martial (aus Anlaß der Saturnalien) eine gute Zeit, erbittet aber auch Fürsprache für seine Dichtung (VII 72) oder referiert seinen spitzfindigen Sachverstand in Eigentumsfragen (II 20; vgl VI 12) – seinem Sinn für Humor: Daß ihm ioci im Blut liegen (V 28,6), bezeugen seine Selbstrechtfertigung für den Umgang mit fremden Gedichten (II 20) wie auch sein pfiffiger Plan, Martial eine meretrix auszuspannen (IV 17) 63 – seiner Aufgabe als Martials patronus, über deren Wahrnehmung sich der Dichter jedoch mit den Jahren zunehmend enttäuscht, ja verbittert äußert: Selber bei anderen magni amici antichambrierend, ist er für den Epigrammatiker nicht erreichbar (V 22) und untergräbt letztlich dessen Stellung als Klient (X 10); daß er als Geschenkgeber knausert (VIII 33)64 oder Unpäßlichkeit vorschützt, um Martial nicht empfangen zu müssen (IX 85), wird von diesem eher verdrossen kommentiert Und noch im Epigramm XII 69, das P inmitten zweifelhafter Freunde verortet, scheint Martial aus der sicheren Entfernung Spaniens seinem langjährig unterdrückten Ärger Luft gemacht zu haben 65 Ungeachtet seiner Prominenz ist eine Identifikation des Namensträgers bis dato nicht gelungen: Da sich in den Konsularfasten flavischer Zeit wie auch der unmittelbaren Folgejahre kein P findet, könnte der Empfänger von X 10 vor seinem dort erwarteten

61 62

63 64 65

Der Dichter stellt sich zumindest vor, P nenne ihn meus … Martialis (VII 72,16) Dies setzt voraus, daß sich v   3 tibi als Dativus auctoris auf P als spielleitenden Prätor bezieht; das de praetoricia folium … corona (v  1) gehört indes nicht in diesen Kontext, sondern muß mit Schöffel comm , 304 als „ein verkürzter Vergleich in den folgenden Katalog“ der das Geschenk charakterisierenden Nichtigkeiten integriert werden Dieses Vorhaben wird allerdings durch das Gedicht selbst geschickt unterlaufen (vgl Cameron 1983) Das Epigramm weist zwar einen ähnlichen Inhalt wie XI 18 auf, ist jedoch nicht von dem dort vorherrschenden Humor geprägt Die genaue Stoßrichtung dieses Gedichtes bleibt unklar: Housman (1907), 263 hatte es als seriöses Freundeselogium eingestuft; vermutlich hat Martial jedoch für den Politiker P nicht anders als für den Kunstliebhaber (VII 72,4 f noch als solcher ernst genommen) hier nur noch Spott übrig: Seine Freunde sind ebenso ‚echt‘ wie seine Antiken!

26

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Amtsantritt als consul ordinarius verstorben sein66; wahrscheinlich aber wurde  – auf Betreiben seiner ‚archetypi amici‘?  – nach Domitians Ermordung seine Designation zum Konsul widerrufen Die Vermutung, Martials Paulusgedichte seien auf mehrere Personen zu verteilen, unter denen der Staatsbeamte mit Velius P , dem IX 31 unter dem Namen Velius(!) auftretenden Prokonsul von Bithynien, oder mit Sergius P zu identifizieren sei67, stellt jedenfalls keine Lösung dar Vgl auch Kat 3a s v [C ] Plinius [Caecilius Secundus] (Vf des Briefcorpus und des Panegyricus; vgl Plin paneg 90,3: cos suff 100; Macr Sat V 1,7; Sidon epist IX 1,1): Zusammen mit einer ergebenen Grußadresse68 läßt der Dichter dem facundus P eines seiner Epigrammbücher als Geschenk zugehen (X 20(19) mit v  3), welches – wohl a priori auf den Dank des kultivierten Empfängers berechnet – Martial tatsächlich noch ein viaticum für die Rückkehr nach Spanien einträgt (Plin epist III 21,269 in einer Würdigung70 aus Anlaß von Martials Tod) Wenn sich ein Patronatsverhältnis Martial – Plinius – ebenso wie im Fall von Frontin und Munatius Gallus – erst für Buch X belegen läßt, könnte dies dafür sprechen, daß Martial durch die Ermordung Domitians genötigt war, den Kreis seiner Förderer neu abzustecken (Moreno Soldevila 2017, 268 ff ) Martials sodalis Caecilius Secundus (vgl Kat 2 s v ) ist, wie VII 84 eindeutig zeigt, nicht mit P identisch Polla [Argentaria] (vgl Stat silv II 7; Sidon carm   23,165 f ; epist II 10,6): Witwe Lucans, erhält – offenbar auf Bestellung – Gedichte zu dessen Geburtstag (VII 21–2371; ebenso Stat silv II 7); als regina angesprochen, wird sie X 64 um gnädige Aufnahme von Martials Gedichten gebeten „When Martial styles Polla his regina, it is reasonable to conclude that she is not a familiar friend, but someone whom he is still struggling to impress“ (White 1975, 285) 72 Zu der gleichnamigen Hetäre vgl Kat 8 s v

66 67 68 69

70 71 72

So die Vermutung von B W Jones (1982) Für Velius P plädiert PIR2 P 182, für Sergius P JONES a a O Auf deren Ausgestaltung hat der Dichter nicht viel Mühe verwandt: Letztlich reproduziert er das Motiv von I 70 Daß Plinius von viaticum spricht, verweist auf Martials alsbald erfolgte Heimkehr nach Spanien (‚habe ich ihm ein Ehrensalär mit auf den Weg gegeben‘), nicht auf dessen Mittellosigkeit (‚habe ich ihm das für die Heimreise nötige Geld gespendet‘), sieht sich der Dichter – nach Veräußerung des Nomentanums – doch offenbar in der Lage, in Spanien nötigenfalls einen Ruhesitz finanzieren zu können (X 104,11–15) An diesem Ziel ist mit Adamik (1976) und Pitcher (1999) festzuhalten: Von einer Verächtlichmachung des Epigrammatikers, mit dem Plinius ja durch amicitia verbunden sein will (a a O ), kann dort nicht die Rede sein Vgl hierzu Buchheit (1961) Durch eine Verspottung Lucans, wie sie Lorenz (2010), 422–428, bes 428 für X 64,6 in Erwägung zieht, wäre dieses Ziel wohl kaum zu erreichen gewesen: In dem zitierten Vers aus Lucans Epigrammen darf die 1 Ps Sgl nicht in eine Selbstaussage des Dichters verwandelt werden

Personen aus dem Umfeld Martials

27

Ponticus: Mit einer Mischung aus Angst und Rücksichtslosigkeit, Feigheit und Grausamkeit stellt P das Musterbeispiel eines schwachen Menschen dar:73 Anläßlich der unbarmherzigen Hinrichtung eines Sklaven treibt ihn die Sorge, dieser könne noch Geheimnisse seines dominus ausplaudern (II 82)74; als amicus (= Patron; II 32,7) besitzt er weder das Stehvermögen, die Interessen seines Klienten Martial gegenüber einflußreichen Dritten wirksam zu vertreten (II 32)75, noch ist er davon abzubringen, bei den die Geld-sportula ersetzenden Bewirtungen zweierlei Speisen und Getränke auftischen zu lassen (III 60; IV 85) Von Schmeichlern bleibt er allemal umworben: IX 19 preist man sein Bad, V 63 Martial selbst – in ironischer Brechung – sein literarisches Talent Abschließend zieht P auch wegen seiner Neigung zu masturbieren, massive Vorwürfe auf sich: istud quod digitis … perdis, homo est (IX 41 mit v  10) 76 Priscus: s Terentius Priscus Proculus: s C Iulius Proculus Quintianus: amicus dives (V 18,9), vom Dichter um Unterstützung gegen einen bislang von Q geförderten, jedoch als Martialplagiator auftretenden Poetaster ersucht (I 52) Um dem Verdacht zu entgehen, er wolle seinem Gönner eine teure Gegengabe

73 74

75

76

Vgl auch Tanner (1986), 2672: „Ponticus is cruel, vain, mean and self-centred, deceiving his guests and also getting the cheapest sexual satisfaction by masturbating, while using his wealth and legal skill for his own benefit alone “ Dies die Deutung Martials; wahrscheinlich war es dem dominus eher darum zu tun, den todgeweihten Sklaven an unheilbringenden Verwünschungen zu hindern Daß das Gedicht auf sexuelle Verfehlungen hinweisen soll (nach Wenzel 2011, 396 wird P „als der fellator seines eigenen Sklaven demaskiert“, und auch Greenwood 1998b, 242 sieht in lingua ein „sexual innuendo“), ist durch nichts gerechtfertigt Um nicht von der Stoßrichtung gegen den uncouragierten Patron abzulenken, scheint Martial in II 32 sonst nur noch Typennamen (‚ein Mensch wie … ‘) mit Bezug auf verstorbene Prominente verwendet zu haben: Patrobas („familiäre Form von Patrobius“: Friedländer comm 1, 254), für einen libertus Caesaris (v  4) gebraucht, ist erkennbar auf den gleichnamigen Freigelassenen Neros gemünzt (zu diesem vgl Tac hist I 49; Suet Galba 20; Dio Xiph LXII 3,1), Licinus auch sonst regelmäßig mit dem ebenso reichen wie mächtigen Freigelassenen des Augustus (Caesars?) assoziiert (neben Mart VIII 3,5 f noch Sen epist  119,9; 120,19; Pers 2,36; Iuv  1,108 f ; 14, 305 f ) und Laronia, da sonst nur noch Iuv  2,36; 65 belegt, angesichts von Juvenals bekannter Strategie, primär Verstorbene aufs Korn zu nehmen (Iuv  1,170 f ) wohl „ebenfalls mit Erinnerung an eine bekannte Person der früheren, etwa Neronischen Zeit“ (Friedländer comm 1, 255) gesagt Einleuchtend daher Friedländer ebd 254 zu Balbus: „vielleicht dachte M an den Günstling Caesars Cornelius Balbus“; Schlußfolgerungen für die Zeitstellung des Gedichtes (ebd 255: „vermuthlich ist also das Epigramm nicht allzulange nach 68 verfasst“) sind aus den verwendeten Namen allerdings nicht abzuleiten Da von Martial eher unsympathisch dargestellt und zudem anderweitig nicht zu belegen, wird P , wiewohl der Oberschicht angehörend, von den Interpreten nur unter Vorbehalt als ‚real character‘ eingestuft

28

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

abnötigen, schenkt ihm der Epigrammatiker aus Anlaß der Saturnalien nur die eigenen libelli (V 18) 77 [M Aquilius] Regulus (vgl auch Tac hist IV 42: Bruder des Vipstanus Messalla und berüchtigter Ankläger; Plin epist I 5; II 20: seine Charakterlosigkeit; IV 2;7: Tod seines Sohnes; VI 2: Nachruf): Empfänger (I 111: liber78; II 93: Buch II) und begeisterter Leser (IV 64,11) von Martials Werken; eher beiläufig als erfolgreicher Anwalt (II 74,2 f ; IV 16,6), begnadeter Redner (V 28,6) und Schriftsteller (V 63,4) in Szene gesetzt, hauptsächlich jedoch als Beinahopfer einer einstürzenden Säulenhalle zum Zeugen göttlicher Fürsorge verklärt (I 12; 82)79 und als Vater eines kleinen Sohnes mit guten Wünschen für dessen Zukunft als kongenialer Redner versehen (VI 38)80, wird er zuletzt auch direkt mit der materiellen Situation des Dichters konfrontiert: Dieser sieht sich genötigt, die von R erhaltenen Geschenke zu verkaufen (VII 16) und auch seine eigenen Präsente für den Mäzen als nicht unbeträchtlichen Ausgabenposten in Erinnerung zu rufen (VII 31) Wenn R in späteren Gedichten keine Erwähnung mehr findet, könnte dies von der Vergeblichkeit dieser doch recht unverblümten Hinweise bzw einer daraus resultierenden Verstimmung des Empfängers zeugen 81 Vgl auch Kat 3a s v [Claudius] Restitutus (vgl auch Plin epist III 9,16; VI 17): Anwalt; aus Anlaß seines Geburtstags wünscht ihm Martial viele Geschenke und verehrt ihm seinerseits ein Gedicht (X 87) [Ti Catius Asconius] Silius [Italicus] (Anwalt und Politiker, cos ord 68, Epiker, Vf der Punica: vgl Plin epist III 7): Martial sucht den großen Literaten als Leser der Epigramme zu gewinnen (IV 14) und registriert voller Stolz, daß sie Aufnahme in seine Bibliothek gefunden haben (VI 64,10); er würdigt mit schmeichlerischen Worten seine Lebensleistung im allgemeinen (VII 63) und seine kongeniale Cicero- bzw Vergilnachfolge im besonderen (XI 48; 50(49); wohl auch XII 67), gratuliert ihm zum Konsulat seines älteren Sohnes (VIII 66)82 und formuliert einen ‚Trostversuch‘83 zum Tod seines Zweitgeborenen Severus (IX 86; der Sachverhalt auch Plin epist III 7,2)

77 78 79 80 81 82 83

Howell comm (zu B V), 95 denkt hier an den Plin epist IX 9 als verstorben betrauerten Pompeius Q Wiewohl nicht ausdrücklich gesagt, handelt es sich bei dem hier genannten Buchgeschenk sicher um Martialepigramme Vor diesem Hintergrund dürfte der Hinweis auf seine Frömmigkeit in I 111 zu sehen sein Daß Barié/Schindler tr im Personenindex 1499 neben VI 38 auch VI 64; VII 16; 31 auf diesen Sohn beziehen, ist einem redaktionellen Versehen zuzuschreiben Daneben hält Howell comm (zu B V), 86 noch eine weitere Erklärung für möglich: „because Regulus was too unpopular with Martial’s other senatorial friends “ Silius Decianus, der Fasti Ostienses InscrIt 13,1 p 194 f aufgeführte Suffektkonsul des Jahres 94 So in der Gedichtüberschrift bei Barié/Schindler tr , 663

Personen aus dem Umfeld Martials

29

[L Arruntius] Stella (vgl Stat silv I 2; Sidon carm 9,267; CIL VI 1492: cos suff Okt Dez 101): Aus der Gegend von Padua gebürtiger (I 61,3 f ) Freund und Gönner (mehrfach als meus vereinnahmt: I 7,1 und 4; V 11,2; 12,7; VI 47,1; VII 14,5; XII 2(3),10) Erst in den späteren Gedichten auch in seiner öffentlichen Funktion als Amtsträger gewürdigt (VIII 78 gibt er als Prätor anläßlich von Domitians Sarmatensieg prächtige Spiele; IX  42 wird sein Konsulat herbeigewünscht; XII 2(3) ist dieses erreicht), tritt S bei Martial sonst durchgehend als Privatmann in Erscheinung: Groß ist sein Interesse für Martials Gedichte (I 44 nimmt wohl auf eine kritische Äußerung von S Bezug), und noch aus Spanien wird ihm das neueste Martialbuch übersandt, verbunden mit der Erwartung, er werde für dessen weitere Verbreitung sorgen (XII 2(3)) Sein eigenes Talent als Elegiker ist herausragend (I 784 und VII 14,5 f mit Bezug auf ein Gedicht [Gedichte?] über eine [verstorbene] Taube; IV 6; V 11; IX 89; vgl auch seine Charakteristik als vates VI 21,1)85; seine Freigebigkeit erweist sich als eindrucksvoll (VII 36: S stiftet Ziegel für die Reparatur von Martials Haus), seine Gastlichkeit als von Opulenz bestimmt (XI 52,15) Am bemerkenswertesten sind jedoch die Freiheiten, die sich Martial gegenüber dem sozial weit Höherstehenden herausnehmen kann: Er verzichtet auf (verpflichtende) Geschenke für den Freund (V 59; IX 55) oder quittiert dessen Gaben mit augenzwinkernd vorgetragenen Mehrforderungen (VII 36: warme Kleidung; entsprechend auch I 44: Auftischen eines Hasen), amüsiert sich über seine Leidenschaft für Fingerringe (V 11; 12)86, unterlegt das Hochzeitsgedicht für S und dessen Braut Violentilla (bei M : Ianthis; vgl s v ) mit launigem Witz (VI 2187; anders das seriöse Epithalamium Stat a a O ) oder lädt das Gegenüber zu einer einfachen cena im Kreis seiner sodales (X 48) Offenbar herrscht zwischen Martial und S jenseits aller gesellschaftlichen Schranken ein Verhältnis ungezwungener Vertrautheit, wozu das gemeinsame Interesse an Dichtung beigetragen haben mag [L ] Stertinius Avitus (so nur IX epist 88, sonst A ; vgl CIL XIV 245: cos suff Mai– Aug 92): Förderer Martials, postiert, selber als sublimi pectore vates charakterisiert,

84

85 86 87 88

Stella übertrifft sogar Catull Dem von der Forschung gern in dieses Epigramm hineingelesenen Penisscherz (vgl etwa Holzberg 2002, 75 und das Kat 8 s v Dindymus Gesagte; die umfängliche Literatur zu diesem Themenkomplex bei Lorenz fb , 2003, 223 und 255) fehlen letztlich alle Voraussetzungen: Wäre Stella doch sonst nicht nur durch ein überdimensioniertes Glied (I 7), sondern – im Widerspruch hierzu und nach eigenem Eingeständnis! – auch durch Impotenz (VII 14) gekennzeichnet Zur unverfänglichen Nebeneinanderstellung von passerculi und columbuli als Gegenstand von leichter Dichtung (oder Synonym für eine solche?) vgl auch Plin epist IX 25,3 Die Adjektive disertus (V 59,2) und facundus (XII 2(3),11) stellen vielleicht seiner Redefähigkeit ein gutes Zeugnis aus, können aber durchaus ebenfalls sein literarisches Wirken betreffen Eine ähnliche Beobachtung gibt Martial XI 59 Anlaß für Spott Zu diesem Gedicht vgl P Watson (1999) Hier ist Martial erkennbar darauf bedacht, die eindeutige Identifikation seines Gönners zu gewährleisten: de quo scribendum tibi [= Toranio] putavi, ne ignorares Avitus iste quis vocaretur; im folgenden Epigramm ist dieser wieder nur als A präsent Der Versuch einer prosopographischen Annäherung bei Hernández González (2008)

30

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

in seiner Bibliothek ein Bildnis des Dichters, für das dieser seinerseits ein Epigramm ersinnt (IX epist mit v  1); noch im letzten Buch erträumt sich Martial vertrauliche Gespräche mit ihm (XII 24,9) Vgl auch Kat 3a s v Avitus Sura: s Licinius Sura Terentius Priscus (so nur VIII 45 und XII 3(4) in Gedichten von hymnischer Feierlichkeit, sonst P ; der Adressat von Plutarchs Schrift De defectu oraculorum, mor p 409– 438): langjähriger spanischer Freund und Förderer des Dichters, der einige Zeit nach Martial ebenfalls nach Bilbilis zurückkehrt (XII epist ; 62) und folgerichtig gerade im letzten Epigrammbuch besondere Aufmerksamkeit erfährt: Ihm ist das Buch selbst zugeeignet (XII epist mit einer Entschuldigung für dessen langes Ausbleiben); und in der Folge werden seine Verdienste als Martials Mäzen gewürdigt (XII 3(4)), sein Interesse am Weidwerk zur Sprache gebracht (XII 1 mit Ratschlägen zur Verbindung von Jagd und Martiallektüre; XII 14 als Ausdruck freundschaftlicher Sorge, P könne einen Jagdunfall erleiden) und das erste Saturnalienfest nach seiner freudig begrüßten Heimkehr mit Segenswünschen begleitet (XII 62) 89 Früheren Epigrammen zufolge ist auch P selbst als Dichter tätig: Nach IX 77 arbeitet er über das beste Gastmahl; nach VII 46 verlassen von Martial herbeigewünschte Geschenke sein Haus erst nach Fertigstellung eines Begleitgedichtes 90 Er erweist sich sowohl als treues alter ego des verstorbenen Saloninus (VI 18) wie auch als Mensch von gesundem Urteil, der sich den Heiratswünschen einer hochgestellten Dame von zweifelhaftem Ruf zu erwehren weiß (IX 10(5))91; und auch schon in Rom hatte das Wiedersehen mit dem Freund – nach einer von diesem unternommenen Sizilienreise – Anlaß zur Freude geboten (VIII 45) Auf die gleiche Person sind – richtig verstanden – auch I 112 und II 41 zu beziehen: I 112 besagt – vielleicht gerade in augenzwinkernder Mehrdeutigkeit formuliert – genau das Gegenteil dessen, was schon Friedländer comm 1, 232 zur Deutung angeführt hat („M erklärt, sich überzeugt zu haben, dass der von ihm als Patron erwählte Priscus (…) die vorausgesetzten Eigenschaften nicht besitze, entsagt daher seinem Dienst und entzieht ihm die ehrende Anrede, die der Patron von dem Clienten beanspruchte“) und was der Dichter II 68 (an Olus) tatsächlich anspricht: Martials formale Aufkündigung seiner Klientenstellung soll eben nicht die Trennung von P , sondern

89

90 91

Die von Friedländer comm 2, 253 und Immisch (1911), 501 f vertretene und in der Folge von Stein, RE V A 1 (1934), 667 f s v Terentius 63 zementierte Ansicht, in diesem Gedicht sei von P Vater und Sohn die Rede, folglich eine Aufteilung der unter dem Namen P laufenden Martialgedichte auf zwei verschiedene Personen vorzunehmen, beruht auf einem Mißverständnis von v  7 f Verfehlt SZELEST (1996), 98: „Priscus … ist der poetischen Fähigkeiten dermaßen bar, daß er sogar ein kurzes Epigramm zu verfassen nicht imstande ist “ Anscheinend zieht P die Lehren aus der VIII 12 an ihn als Adressaten gerichteten Überlegung

Personen aus dem Umfeld Martials

31

den Beginn eines neuen, von amicitia geprägten Verhältnisses besiegeln92; die v  2 für die Zukunft vorgesehene Anrede (iam mihi Priscus eris) wird ja ab hier tatsächlich alle Priscusgedichte bestimmen Und entsprechend dokumentiert der II 41,10 en passant erfolgte Verweis auf P s Empfindlichkeit in Sachen Togafältelung die gleiche Vertrautheit im persönlichen Umgang, wie sie Martial auch gegenüber seinen Freunden Stella und Rufus und deren Übertreibungen in Schmuckgebrauch und Bartpflege an den Tag legt (V 11 und 12; VIII 52) Vgl auch Kat 3a s v Priscus Torquatus: ehemaliger Konsul und steinreicher Gutsbesitzer, für den kleinen Mann laut Martial Quell unerschöpflichen Neides (X 79) 93 Tullus: s Curvii fratres Velius begleitet Domitian in den Sarmatenkrieg (IX 31) 94 Venuleius soll – durch Vermittlung eines Dritten – als geneigter Leser von Martials libelli gewonnen werden (IV 82) 95 Vibius Maximus (so nur XI 106; sonst M ; vgl Stat silv IV 7; Plin epist III 2 tit 96; CIL XVI 38: Militärdiplom aus der Provinz Dalmatien; CIL III 14 1482 (nom eras ): praefectus Aegypti)97: Durch die Formulierung tuo Catullo als gebürtiger Veroneser oder doch zumindest Catullverehrer kenntlich98 und entsprechend in einem aus catullischen Hendekasyllaben bestehenden Gedicht vorgestellt (I 7 mit v  4)99, erscheint M als unerfreulicher Patron, dem der Dichter vorübergehend sogar die Gefolgschaft aufkündigt oder zumindest aufzukündigen droht (II 18): Letzten Endes führt er die gleiche Klientenexistenz wie Martial (II 18), ja schlimmer noch, ist er doch trotz ge-

92 93 94

95 96 97 98 99

So auch  – zögernd  – Bowie comm , 15 sowie Balland (2010), 17 und Larash (2010), 50 Anm  14  – Den umgekehrten Weg beschreitet Martial in II 55: Vis te, Sexte, coli: volebam amare./ Parendum est tibi: quod iubes, colere./ Sed si te colo, Sexte, non amabo. PIR2 T 295 versuchsweise mit Nonius Calpurnius Torquatus Asprenas (cos 94 und 128) identifiziert Von Giese (1872), 34 und Friedländer comm 2, 66 mit V Paulus, dem Plin epist X 58,3 und X 60 erwähnten Ex-Statthalter von Bithynien, identifiziert; die neuere Sekundärliteratur rechnet dagegen eher mit V Rufus, einem Prokurator von Pannonien und Dalmatien: vgl Henriksén comm 1, 165 f und PIR2 V 348 mit Strobel (1986); eher zögernd Kennedy (1983) Mit Giese (1872) und Friedländer comm 1, 380 mag an L Venuleius Montanus Apronianus (cos suff 92) zu denken sein Genau genommen, ist der volle Name hier nicht im Brieftitel selbst, sondern nur in indice Π (so der textkritische Apparat von Mynors, ed Ox ) überliefert Die vorgenannten Belege betreffen möglicherweise verschiedene Persönlichkeiten gleichen Namens: Versuche einer Abgrenzung bei Syme (1957) und – besser begründet – White (1973); für W Ensslin, RE VIII A 2 (1958), 1975 ff s v Vibius 40 stellt sich M als einheitliche Person dar Für die Herkunftsangabe spricht, daß auch Plinius seinen Briefadressaten Maximus für Verona vereinnahmt: gladiatorium munus Veronensibus nostris promisisti (epist VI 34 tit mit § 1) Auch die übrigen an M als ‚isolated vocative‘ gerichteten Gedichte (I 69; V 70; X 77) sind mehrheitlich im Versmaß des Phalaeceus gehalten

32

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

genteiliger Lippenbekenntnisse (vis fieri liber?)100 bereit, für materielle Vorteile seine innere Freiheit zu opfern (II 53 mit v  1)101; aufgrund seiner eigenen Besuchspflichten wie auch der Vielzahl seiner Wohnsitze ist er für Martial ohnedies kaum zu erreichen (II 18; VII 73) 102 Daß er sich als Redner trotz Heiserkeit nicht zum Schweigen bringen läßt (III 18)103, bleibt demgegenüber von minderer Bedeutung Wenn Martial Jahre später einem  – in aller Förmlichkeit mit vollem Namen genannten – V M (in amtlicher Funktion?) einen letzten, eher kühlen Gruß zukommen läßt (XI 106), wendet er sich an die gleiche Person:104 Neuerlich in Elfsilblern verfaßt, nimmt auch dieses Gedicht auf die Unzugänglichkeit des Adressaten Bezug (v  2 f oc­ cupatus / …es); offenbar ist die Entfremdung zwischen Martial und M nicht behoben worden Vgl auch Kat  3a s v Maximus [Novius] Vindex (vgl Stat silv IV 6): reicher Kunstkenner, durch das Epitheton doc­ tus (IX 43,14) wohl auch als Literat gekennzeichnet 105 Öffnet sein Haus für Martial – wie auch für Statius  – anscheinend nur, um eine von ihm erworbene Statuette des Herakles Epitrapezios würdigen zu lassen (IX 43 und 44106; Stat a a O ) Daß er mit dem verstorbenen Vestinus befreundet war, erhellt aus Stat silv IV 6,93 ff : Wo Martial des Toten gedenkt (IV 73), bleibt die Beziehung unerwähnt; „he [= Martial] did not consider him important enough to be approached as a possible patron“ (Henriksén comm 1, 206)

100 Diese gewissermaßen als Reaktion auf die II 18 erhobenen Vorwürfe zu denken 101 Wenn Martial in diesem Gedicht über ‚Freiheit in der Beschränkung‘ (so der Gedichttitel bei Barié/Schindler tr , 157) wahre Bedürfnislosigkeit an sich selbst exemplifiziert (vgl bes v  6 [sc liber eris] contentus nostra si potes esse toga), bezeugt dies auf seiten von M keineswegs einen vergleichbaren sozialen Status: Als Klient höheren Standes kann er durchaus auch seine politische Karriere verfolgt haben (vgl entsprechend XII 29(26)) 102 Nach Richardson (1980), 55 f und Sposi (1997), 25 f nähme dieses Gedicht auf insgesamt sieben Häuser Bezug Eher wird man jedoch mit Rodríguez-Almeida 2014 (‚Illustrazioni‘ Fig 34) auf drei Baulichkeiten schließen dürfen 103 Hier stellt sich Martial, als nehme er eine formelhaft geäußerte captatio benevolentiae für bare Münze 104 So auch – zurückhaltend – Friedländer comm 1,170 und 512, Syme (1957), 485 f oder Ensslin (s o Anm  97), 1977; ablehnend White (1973), 300 Anm  16 105 Nach Balland (1998), 44 ff könnte es sich bei V um einen Sohn des Tac ann XV 71 genannten Senecafreundes Novius Priscus handeln 106 Schneider (2001b) kann in v  6 Λυσίππου lego, Phidiae putavi einen Namenswitz wahrscheinlich machen: Die zierliche Figur erweckt den Eindruck, als sei sie von einem „sparsamen Anwender materieller Ressourcen“ (716) geschaffen (Phidias zu φειδóς, φείδομαι; eine ähnliche Pointe bei Athen Deipnosoph XIII 585 f ); davon unberührt bleibt jedoch die Absicht, „la massima lode“ für „un insuperabile grado di perfezione“ (M Salanitro 2000, 273) auszudrücken Keinesfalls konnte es Martial darum gehen, ernstliche Zweifel an der Echtheit der Statuette zu äußern (so Henry 1948) oder sich selbst in Kunstfragen als tumben Ignoranten hinzustellen (Neger 2014, 327: „Martial here self-deprecatingly presents his poetic persona as a beholder of a piece of art who is not able to identify the artist from the character of the statuette“): Andernfalls hätte ja ein Preisgedicht aus seiner Feder für V jeden Wert verloren

Personen aus dem Umfeld Martials

33

Anhang Burrus: s Parthenius Crispinus (vgl Iuv  1,26–29; 4,1–33; 108 f ): ägyptischer Dandy und Günstling Domitians in unbekannter Position107; soll Martial dem Kaiser empfehlen (VII 99) und wird durch einen Dieb um einen seiner  – auch Iuv   1,27 erwähnten  – prächtigen Mäntel gebracht (VIII 48) 108 [Flavius] Earinus (vgl Stat silv III 4; Dio Xiph LXVII 2,3; Sidon carm  22 epist 6): verschnittener Mundschenk Domitians, anläßlich seiner Lockenweihe mit einem – erbetenen (Stat silv III praef 17–21) – Gedichtzyklus geehrt (IX 11; 12(13); 13(12); 16; 17; 36; zum gleichen Thema Stat a a O ), der in seiner Ausführung erkennbar auf Domitian als Leser abzielt 109 Entellus (vgl Dio Xiph LXVII 15,1; CIL XV 7282): Domitians a libellis, für die gläsernen Gewächshäuser in seinen Gärten bewundert (VIII 68) 110 Euphemus: Domitians tricliniarcha, um Weitergabe von Martials ioci an den Kaiser gebeten (IV 8) Parthenius (vgl auch Suet Dom  16; Dio Xiph LXVII 15,1; Tert apol  35,9; Eutr  8,1): kaiserlicher Kämmerer111 und – selbst als Poet dilettierender (XI 1,6; XII 11,1–4; vgl auch V 6,2; VIII 28,1; IX 49,3 f )  – Freund des Epigrammatikers (VIII 28,1 facundus amicus; XII 11,1 noster) Von diesem mit einem Geburtstagsgedicht auf seinen kleinen Sohn Burrus geehrt (IV 45; dieser noch einmal erwähnt V 6,6) und als einflußreiche Persönlichkeit eingestuft (IV 78,8 im Munde eines Wichtigtuers), wird er auch als Leser (XI  1)112 und als Überbringer von Martials Epigrammen (V 6 an Domitian; XII 11 an Nerva) angesprochen Wenn Martial den Preis einer von P geschenkten Toga anstimmt, gleichzeitig aber unverblümt auf die Schäbigkeit seines Mantels hinweist (VIII 28) und bald darauf auch die zwischenzeitliche Abnutzung der Toga selbst freiweg zur Sprache bringt (IX 49), dürfte dies von einem mehr als nur förmlichen Umgang mit P zeugen

107 Versuche einer Klärung bei White (1974a), McDermott (1978) und Baldwin (1979) 108 Verfehlt die auf dieses Gedicht bezogenen Spekulationen von Schöffel comm , 410 ff 109 Für eine historische Auswertung der Earinusgedichte von Martial und Statius vgl Henriksén (1997) 110 Thematisch vergleichbar, doch mit gänzlich anderem Tenor, kann VIII 14 nicht an den gleichen Adressaten gerichtet sein 111 In der Position des cubicularius offenbar auch von Nerva übernommen 112 Daß Martial hier daran zweifelt, P könne die nötige Muße für eine Gedichtlektüre aufbringen, ist wohl mit dessen Belastung durch den jüngst erfolgten Regimewechsel zu erklären

34

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Sextus: Domitians Sekretär a studiis (a bibliothecis?), als Palatinae cultor facunde Mi­ nervae umschmeichelt und um Einstellung der Martialgedichte in die kaiserliche Bibliothek gebeten (V 5 mit v  1) 113 Für Martials sodalis S vgl Kat 2 s v   ––— Als ausländischer Würdenträger erscheint schließlich noch Degis (vgl Dio Xiph LXVII 7,2 f : dort Diegis genannt)114, der Bruder des Dakerkönigs Decebalus, den Martial als Sprachrohr einer unmittelbar an die Adresse Domitians gerichteten Schmeichelei instrumentalisiert: Soll er doch – Martial zufolge – als Führer einer Gesandtschaft an den Kaiser von dessen Majestät überwältigt gewesen sein (V 3) Katalog 2: Freunde und Vertraute aus dem ‚Mittelstand‘ Aelianus schenkt Martial einen Reisewagen (XII 24)115; zuvor war er nur als Gewährsmann für ein als unfreiwilliges Geständnis endendes Gespräch in Erscheinung getreten (XI 40) Aemilianus erregt durch den Homerischen Namen, den er – nach Il I 465 – seinem Koch gegeben hat, die Heiterkeit des Epigrammatikers (I 50); die Harmlosigkeit des Scherzes spricht für eine gewisse Vertrautheit zwischen Martial und seinem Gegenüber Vgl auch Kat 3b s v Aper: In Martials Berichten über seinen Freund (XII 30,2 amicus) A scheint sich ein recht tragisches Geschick zu spiegeln 116 Eben noch so knapp bei Kasse, daß er nur eine jämmerliche Hütte als Domizil erwerben (XI 34) und auch sonst keinen Aufwand treiben kann (im Rückblick: XII 70), erschießt er aus Versehen seine dotata uxor117, was Martial angesichts des solchermaßen anfallenden Erbes noch mit forcierter Hei-

113

114 115 116 117

Zwischen dem – nur dieses eine Mal genannten! – Höfling und Martial dürfte kein Vertrauensverhältnis bestanden haben, das die Anrede mit dem Vornamen rechtfertigen würde: Entsprechend könnte S hier auch als Cognomen fungieren (Kajanto 1965, 174 beziffert die Zahl einschlägiger CIL-Belege auf 115); vielleicht standen einer Nennung von Nomen bzw Cognomen aber auch metrische Gründe entgegen (Colombo 2013, 152): Vassileiou 1983 identifiziert ihn vor diesem Hintergrund – wenig überzeugend – mit dem Rhetor Sex Iulius Gabinianus Martial vermeidet hier mit Bedacht eine Synizese: vgl entsprechend IV 78 Sigerus statt ­ius Anders vielleicht als die der Gedichtaussage zugrunde liegende Gegenwart ist das Ereignis selbst noch vor Martials Rückkehr nach Spanien anzusetzen: Gehört doch A , wie sein Auftreten in XI 40 dokumentiert, zum stadtrömischen Bekanntenkreis des Dichters Die folgende Rekonstruktion des Geschehens basiert auf der Annahme, daß X 16(15) erst in die 2  Auflage von Buch X Eingang fand, der darin berichtete Unfall also zeitlich nach den Beobachtungen von XI 34 anzusetzen ist Als mordender Mitgiftjäger hätte sich A einer weniger offensichtlichen Methode bedient

Personen aus dem Umfeld Martials

35

terkeit kommentieren zu dürfen glaubt (X 16(15) mit v  2) Daß sich A  – am ehesten doch unter dem Eindruck dieses Unglücks – alsbald zum Trinker wandelt (XII 30: ein Augenblick der Nüchternheit118; XII 70), führt Martial allerdings (aus Rücksicht? aus Unverständnis?) auf andere Ursachen zurück:119 Für ihn stehen eine weitere Erbschaft (von einem reichen Onkel) und der daraus resultierende Übermut des Hinterbliebenen im Vordergrund (XII 70) 120 Auf die Phase von A s ursprünglicher Armut nimmt ein früheres Gedicht (VI 77) Bezug, das den Namen nur uneinheitlich überliefert (v  5 aper β : afer γ)121, jedoch nicht minder von Martials Fürsorge für seinen ebenso armen wie unklugen Freund Zeugnis gibt: Der noch jugendliche A bewegt sich dort – zwecks Tarnung seiner Mittellosigkeit – in einer Staatssänfte durch die Stadt, worauf ihm der Dichter nicht mit Hohn und Spott begegnet, sondern nachgerade väterlich den Kopf zurechtsetzt VII 59 ist schließlich nicht von A , sondern einem wirklichen Eber die Rede Apollodotus: Rhetor, für eifrige Bemühungen um Besserung seines Namensgedächtnisses belächelt (V 21; erste Fortschitte: V 54); angesichts der Umschreibung seines Namens durch meus rhetor (V 54,1)122 gleichwohl dem Freundeskreis des Epigrammatikers zuzurechnen Arcanus: amicus des Dichters; für ein Jahr zum Duumvirn in Narbo berufen, bekommt Martials jüngsten libellus mit auf die Reise (VIII 72 mit v  8) 123 Auctus: s Pompeius Auctus

M Salanitro (1990) hat ihre These, siccus sobrius (v  1) sei hier im übertragenen Sinne als ‚knauserig‘ zu verstehen, ohne Kenntnis von XII 70 formuliert; vgl auch das erstaunliche Urteil von Ganter (2015), 226 Anm  90 („12,30 kritisiert unengagierte Empfehlungspraxis“) und die Fehleinschätzung von R Hofmann (1956/57), 435: „Bei Sklaven hatte er [= Martial] nichts dagegen, wenn sie abstinent waren, aber ein Freund – nein, der mußte mithalten“ (ebenso Bowie comm , 153: A als „unconvivial“) Wäre es denn vorstellbar, daß A im Abstand weniger Gedichte sowohl als Asket (XII 30) wie als Trunkenbold (XII 70) kritisiert wird? 119 In die Wirkmacht aufwühlender Emotionen scheint sich der Dichter auch sonst nicht recht einfühlen zu können (vgl s v Calenus) 120 Denkbar ist natürlich auch, daß A (aufgrund der besonderen Umstände?) gar nicht in den Genuß der anfallenden dos kommen konnte, er also tatsächlich jetzt erst ein Vermögen erbt 121 Vor diesem Hintergrund läßt sich – rein spekulativ – auch die Vermutung wagen, in dem X 16(15) berichteten Fall habe sich in Wirklichkeit gar nicht Aper, sondern vielmehr Afer schuldig gemacht (vgl Kat 8 s v ) 122 Möglicherweise soll die Periphrase witzig suggerieren, daß auch Martial im Augenblick nicht auf den Namen seines Gegenübers kommt 123 Wenn Martial von der Stadt als docti Narbo Paterna Votieni (v  5) schwärmt, bezieht er sich damit am ehesten auf Votiënus Montanus, einen „geschätzte(n) Redner zur Zeit des Tiberius“ (Schöffel comm , 606; ebenso Papenhoff, RE IX A 1 (1961), 924 s v ), kaum, wie Friedländer comm 2, 42 annimmt, auf dessen – nirgendwo sonst belegten – Sohn (Enkel? anderweitigen Verwandten?) 118

36

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Aulus Pudens (so VII 97 und – durch mehrere Verse getrennt – VI 58; dagegen VIII 63 A ; ansonsten P ): vertrauter Freund (IV 13; VII 97; VIII 63 meus)124 und Militär, wie Caesius Sabinus aus dem umbrischen Sassina stammend (VII 97; XIII 69) 125 Martial gratuliert ihm zur Hochzeit mit Claudia Peregrina126 (IV 13) und wünscht dem als Zenturio in Pannonien Weilenden eine gute Heimkehr (VI 58; vgl auch XIII 69) Ansonsten wird er als Liebhaber von Dichtung (VIII 63) und schönen Knaben (I 31; V 48; VIII 63; vgl auch XIII 69), als Anwärter auf den Primipilat (I 31) bzw realiter beförderter primipilus (VI 58)127 und als interessierter Martialleser (VII 11 ‚Wunsch nach einer [vom Vf ] autorisierten Buchausgabe‘)128 kenntlich Vgl auch Kat  3b s v Bassus: amicus (V 53,1), an dessen Adresse der Dichter auch ein offenes Wort richten kann: Einem eher kritischen Urteil über seine mythologische Dichtung (V 53) steht ein teilnehmendes Grabepigramm auf ein von B betrauertes Kind gegenüber (VII 96: Urbicus) 129 Ansonsten ist sein Bild jedoch durchgehend von prekären Einkünften bestimmt:130 Sein kleines Landgut wirft kaum Erträge ab, so daß er Fleisch und Gemüse zukaufen muß (III 47; 58) Durch prächtige lacernae sucht er sich als Ritter zu erweisen (V 23), ohne diese Mäntel auch nur bezahlen zu können (VIII 10) Und auch sein Interesse an alten Frauen, ursprünglich noch als sexuelle Marotte interpretiert (III 76), dürfte angesichts der konkreten Umstände (zahlreiche Witwenbesuche, bei denen – der nur kärglich entlohnte – Martial als Begleiter eingespannt wird: I  100)131 anders motiviert sein 132 Als er seine finanzielle Lage schließlich durch Heirat mit einer puella … dives, nobilis, erudita, casta mehr als nur gesichert hat, die solcherart gewonnene Mitgift jedoch zur Finanzierung von Lustknaben verwendet, sieht sich der Dichter veranlaßt, ihm energisch ins Gewissen zu reden (XII 97 mit v  1 ff )

124 Aus VIII 63, zusammen mit VII 29 gelesen, wird auch eine Verbindung zu Voconius Victor deutlich 125 Nach Susini (1980) könnte er dort zur Familie der Appaei gehört haben 126 Anders als von Kurmally (1971), 94–97 und Vallat (2008a), 55 postuliert, ist deren Identität mit Claudia Rufina (XI 53; vgl Kat 4a) auszuschließen 127 Dieses Avancement spiegelt sich auch in einem Geschehen aus A s privatem Umfeld: Sein amor Encolpus hatte den Aufstieg seines Herrn durch das Gelöbnis eines Haaropfers zu fördern gesucht (I 31) und dieses aus gegebenem Anlaß auch erfüllt (V 48; für eine ausführliche Diskussion des Sachverhalts vgl Citroni 1982) Die Vermutung, Encolpus schneide sich die Haare ab, weil er mittlerweile selbst zum Mann geworden ist (Eden 2001b, 583), wird nicht zuletzt durch V 48,7 f widerlegt 128 So die Gedichtüberschrift bei Barié/Schindler tr , 459 129 Nach Henriksén (2006), 360 geht aus dem Stichwort genus (v  2) hervor, daß Martial hier keinen Sklaven, sondern einen Sohn des B bedichtet 130 Der goldene Nachttopf, den ihm ein Zweig der Überlieferung zuschreibt (I 37,2 basse α : bassa βγ), liegt erkennbar außerhalb seiner finanziellen Möglichkeiten (vgl Kat 8 s v Bassa) 131 Vgl auch das Kapitel ‚Martials Klientenstatus‘ 132 Wiewohl von Martial (aus Rücksicht?) nicht thematisiert, ist das wahre Motiv des B unschwer zu erkennen: „un homme troussant les riches veuves pour mieux les détrousser“ (Duret 1986, 3214)

Personen aus dem Umfeld Martials

37

Cadilla (Ga-, Gla-) und Cronius erscheinen neben anderen Freunden und Bekannten Martials als Besitzer eines Lieblingstiers (VII 87,4 und 7) Caecilianus:133 Trotz zuweilen eher kritischer Kommentare noch als Freund des Dichters einzuordnen (IV 15,5 amicus; VII 59,1 noster) In seinem Falle unterscheidet Martial selbst zwei Lebensabschnitte (IV 51): eine Zeit der Großspurigkeit bei gleichzeitiger Armut (v  1) und eine spätere Periode des Geizes postquam bis decies tribuit dea caeca sinumque / ruperunt nummi (v  3 f ); und tatsächlich scheinen die Gedichte vor und nach IV 51 Finanzsituation und Charakterzuschnitt der Zielperson im genannten Sinne wiederzugeben: Den Aussagen der frühen Gedichtbücher zufolge stopft sich C als gieriger Gast die Taschen voll (II 37), kann sich das Holz für seine Thermenheizung nicht leisten (II 78) und muß Martial um leihweise Überlassung von 1000 Sesterzen und Geschirr bitten (IV 15; abschlägig beschieden); in späteren Jahren wird er seinerseits von Martial um 100 000(!) Sesterzen angegangen (VI 5; verbunden mit der treuherzigen Zusicherung, eine Rückgabe nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen), geriert sich als pa­ tronus des Dichters (VI 88) und zeigt sich als knausriger Hausherr (VII 59) Indes weist sein Wesen auch deutliche Konstanten auf: Bei seinen Auftritten als Gast/Gastgeber kommt eine unsozial-egoistische Ader zum Vorschein (I 20; II 37; VII 59134; VIII 67; u a Monophagie bzw ungleiche Bewirtung)135; und als Poet bzw Ideengeber für Gedichte erscheint er eher matt (II 71; XI 42, doch wohl vor dem Hintergrund des vorausgehenden Epigramms) Als Redner erklärt ihn Martial für langatmig (VI 35), als Sittenkritiker für scheinheilig (IX 70)136; schon in I 65 und 73 verbreitet er sich über die grammatische Besserwisserei von C bzw die sorgfältige Abschirmung von dessen Ehefrau, um dieses Verhalten sekundär in ebenso mutwilliger wie scharfzüngiger Assoziation zu kompromittierendem Verhalten (als pathicus resp leno maritus) in Beziehung zu setzen Caecilius Secundus (5,80 nur S ): carus sodalis des Dichters (VII 84,5) Der disertus bzw doctus S wird – gemeinsam mit Severus (vgl s v ) – als kritischer Leser und Korrektor der Martialepigramme ins Auge gefaßt (V 80,6 f und 13 f ) und sogar im Feldlager an der Donau mit dem neuesten Epigrammbuch und – vorerst nur angekündigt – einem Porträt des Dichters bedacht (VII 84) Für einen anderen Zeitgenossen namens C vgl Kat 8 s v 133 134 135

136

Die Namensvarianten der Hss (Maec­, Laet-) dürfen auf sich beruhen: vgl hierzu Moreno Soldevila 2004b (ihr Argument: die gedankliche Einheit der – wie sie glaubt, unter einem Pseudonym laufenden – Caecilianusgedichte) Das hier beobachtete Verhalten ist auch Iuv  1,140 f kritisiert Nichtsdestoweniger wird er von Martial mehrfach als Gast empfangen: vgl II 37,11 (‚Für morgen bist du gerade nicht eingeladen, brauchst also nicht schon heute für Eßbares zu sorgen‘) und VIII 67 (C trotz verfrühter Ankunft willkommen) Den letzteren Besuch glaubt Spaeth (1927) auf den 3 Mai 93 datieren zu können Wenn Henriksén comm 2, 80 in IX 70 nicht einen sittlich angreifbaren Moralprediger, sondern einen gedankenlosen Ciceroimitator erkennen will, dessen Verfehlung darin besteht, die Herrlichkeit von Domitians Regierung nicht erkannt zu haben, ist v  9 f nicht hinreichend beachtet

38

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Caesius Sabinus (so nur – aus gegebenem Anlaß – VII 97; sonst S ; CIL XI 6492 – aus Sassina – nennt einen Mann dieses Namens): wohlhabender Freund (IX 60,5 noster), wie Aulus Pudens aus dem umbrischen Sassina stammend (VII 97,1 ff ), erscheint als Empfänger, Leser und Verbreiter von Martials Dichtung (VII 97137; XI 17), stiftet in seiner Heimatstadt ein Nymphentempelchen, dem wiederum Martial seine Epigramme als Weihegabe zukommen läßt (IX 58)138, und wird vom Dichter mit einem Blütenkranz beschenkt (IX 60) 139 Vgl auch Kat 3b s v Sabinus Caesonia: s Rufus Calenus: Nachdem er durch mehrere Erbschaften binnen kurzer Zeit ein Vermögen gewonnen hat, tritt C gegenüber seinen amici und veteres sodales, darunter Martial, plötzlich als Knauserer auf (I 99 mit v  4 und 14) 140 Angesichts der Seltenheit des Namens141 liegt es nahe, diesen C mit dem liebenden Gatten der Dichterin Sulpicia zu identifizieren (X 38 Gratulation zu ‚fünfzehn glückliche(n) Ehejahre(n)‘142; vgl auch X 35 sowie Sidon carm 9,261 f und Schol Vallae Iuv  6,537): In der Zusammenschau der Gedichte könnte dieser gerade durch die Heirat und folgende Ehe mit einer leidenschaftlich geliebten Frau das Interesse an seinen Freunden vorübergehend verloren haben143; in X 38 steht Martial (seinem alten Freund?) C jedenfalls näher als der Dichterin Camonius Rufus (IX 74 und 76 nur C ): jugendlicher Freund und Leser des Dichters (VI 85,2 amicus; IX 76,1 meus) aus Bononia (VI 85,5), verstirbt in Kappadokien (VI 85); seinem Vater bleibt nur ein Porträt aus Kindertagen (IX 74; 76)

137

Lediglich hier, wo der Dichter sein Buch auf die Reise schickt und daher unmißverständlich über den Zielort und die Person des Empfängers ins Bild setzen muß, nennt er den Freund auch mit Familiennamen 138 In witzigem Understatement sieht Martial seine Gedichte abschließend schon im Wasser landen (v  7 f ) 139 IV 37,3 ist wohl nicht von Sabinus (γ), sondern Sabellus (β) die Rede (vgl Kat 8 s v ); und auch der VII 55 erwähnte Caesius ist von C S fernzuhalten 140 Es besteht kein Anlaß, in diesem Gedicht mit Flores Militello (2019), 213 die Rollen von „Parasiten [Martial] und Erbschleicher [Calenus]“ vertreten zu sehen 141 Kajanto (1965), 191 kennt nur 11 Belege 142 So der Gedichttitel bei Barié/Schindler tr , 713 Den Schluß des Epigramms (v  12 ff ) dagegen auf das Ableben Sulpicias zu beziehen (Parker 1992/93, 94 f ; anders denkt Richlin 1992/93a, 128 an eine Scheidung), besteht kein Anlaß: Die Versgruppe bildet ein erkennbares Gegenstück zu X 35,19 ff ea nec Tonantis uxor / nec Bacchi nec Apollinis puella / erepto sibi viveret Caleno (Mattiacci 1999, 222 f ) Mit dem Tod der Dichterin rechnet auch Duret (1986), 3218 ff , der jedoch überdies – vor dem Hintergrund des Gedichtes kaum nachvollziehbar – C für eine von Sulpicia nach den Vorgaben von Domitians Ehegesetzgebung gestaltete Kunstfigur erachtet Immerhin mag Martial den C seines Epigramms um Züge bereichert haben, die diesen auch in den Sulpiciagedichten kennzeichnen 143 Mit seiner materialistischen Erklärung von I 99 würde Martial dann ebenso fehlgehen wie im Falle der Trunksucht seines Freundes Aper (vgl s v )

Personen aus dem Umfeld Martials

39

Candidus: Martials Beziehung zu diesem selbsternannten Patron ist offenbar nachhaltig gestört: Der Dichter klagt, trotz seiner Loyalität als vetus fidusque sodalis werde er von C ohne Unterstützung gelassen und ausschließlich mit großsprecherischen Phrasen abgespeist (II 24144; 43 mit v  15); und C will Martial unter Hinweis auf ihre amicitia zu strapaziösen Klientendiensten verpflichten, denen sich der Epigrammatiker seinerseits möglichst zu entziehen sucht (III 46 mit v  11) Seine Reichtümer behält C voll Stolz für sich; allein den Besitz seiner Frau hat er mit vielen gemein (III 26)145, darunter einem cunnilingus (XII 38) Canius Rufus (so nur III 20 in einem als feierlicher Musenanruf konzipierten Gedicht; sonst C ): Freund (III 20,1 meus) und Dichter aus Gades (I 61,9) Als vielseitiger Literat gewürdigt (III 20), für seine Wohllaunigkeit (III 20; so wohl auch I 69)146 und seine Erzählfreude (III 64) geneckt147, wird er auch mit einer durch ein Porträt veranlaßten Würdigung seiner gelehrten Braut Theophila beschenkt (VII 69) 148 Als Liebhaber eines tristis Aethiops (VII 82,2: ein schwarzer Sklave, an dem C hängt wie andere Menschen an ihrem Haustier)149 und als Gast einer cena unter engen Freunden (X 48) findet er jeweils neben anderen Erwähnung 150 Carus: Dichterkollege, als Sieger im Albanischen Agon von Domitian mit dem Pal­ ladium decus beschenkt (IX 23 mit v  2; 24), was C selbst wie auch Martial zu einer

144 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß in II 24 der gedankliche Konnex zwischen Gedichtanfang (Bekenntnis zur Freundschaft in der Not) und v  7 (mecum eris ergo miser) eine dialogische Inszenierung erfordert: Die hochtönenden Worte von v  1–4 sind nicht Martial, sondern dem bramabarsierenden C zuzuweisen (so zuletzt wieder Fusi 2012, 241–249) 145 Vgl III 26,1 praedia solus habes … als Wiederaufnahme von II 24,8 felix … solus eris 146 Hier stehen sich am ehesten „eine grinsende Panstatue“ und C „mit seinem stets lachenden Gesicht“ (Barié/Schindler tr , 1169) gegenüber 147 Zu Recht wendet sich Bruyn (1977) gegen die Annahme, III 20 und 64 seien als Kritik an C zu verstehen 148 Gedichte zu einem Bildnis finden sich noch I 1; VII 44; 45 und IX 28; 76 Die These von Holzberg (2006), Theophila führe eine rein literarische Existenz, nämlich als puella docta eines von C verfaßten Elegienkranzes (v  1 tibi als Dativus auctoris!), wird dem Signalement der Frau nicht gerecht (vgl bes v  9 f ); dagegen könnte die geheimnisvolle Pantaenis (v  7, wohl eine Schülerin Sapphos) tatsächlich Gegenstand eines Caniusgedichtes gewesen sein (so schon Friedländer comm 1, 509) 149 Daß sich der lustige C gerade an einem tristis Aethiops erfreut, mag eine beabsichtigte Pointe darstellen: vgl Sergi (1988), 136 f , die auch die Etymologie des Namens Canius (‚weißhaarig‘) in diesem Zusammenhang als komikstiftend ansieht  – Nur der Kuriosität halber sei erwähnt, daß Galán Vioque comm , 467, einer Vermutung von F Socas Gavilán folgend, den Aethiops zu einem Fisch machen will (einzige Belegstelle für einen offenbar menschengroßen(!) Fisch dieses Namens ist Agatharch De mari Erythraeo 109 Müller, GGM 1,193) 150 Anstatt dem Gedanken näherzutreten, daß Martials Leserschaft C wie auch die Panstatue von I 69 kennen und so die Pointe des Gedichtes ohne ihre Auflösung in III 20 verstehen könnte, konstruiert Lorenz (2006a) auf der Basis von Martials Aussage zu C s Heimatstadt (iocosae … Gades: I 61,9) das ebenso phantasievolle wie abwegige Psychogramm eines sexuell unersättlichen Aufschneiders, der auch als Dichter nicht über nugae-Niveau hinauskommt, mit der Tribade(!) Theophila verkehrt und sich einen tristis Aethiops als erotischen Gespielen(!) hält

40

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Schmeichelei an die Adresse des Kaisers nutzen Der Tod eines gewissen C (X 77) kann (aber muß nicht) die gleiche Person betreffen; XII 25,5 ist dagegen von dem Denunzianten [Mettius] C die Rede Friedländers Vorschlag (comm 2, 79), durch Rückgriff auf eine singuläre Textvariante C als Adressaten des auf die Caristia (cara cognatio) bezogenen Gedichtes IX 54 zu gewinnen (v  5 care T : cara βγ), vermag nicht zu überzeugen: Außer am Gedichtanfang151 und den seltenen Fällen einer Namenswiederholung (II 63,3; VIII 50(51),19) bzw einer versfüllenden Namensreihe (X 48,5) verwendet Martial den Vokativ eines Eigennamens an erster Stelle des Hexameters nur noch XI 36,5, wo es darum geht, einen säumigen Sklaven aufzuscheuchen: Hypne, quid exspectas, piger? Besser überliefert ist der Name in VII 74 (v  7 caro β : carpo γ); doch dürfte dort ein kontextevozierter Lesefehler vorliegen: cum coniuge caro Castricus: wohlsituierter Freund und Dichter (VI 68,6), der es sich – anders als Martial – leisten kann, in Baiae (in der eigenen Villa?) zu kuren (VI 43); auch was den Wert seiner Geschenke und die Qualität seiner Gedichte angeht, muß sich Martial geschlagen geben (VII 42) Empfänger eines Trauergedichtes auf seinen eben in Baiae ertrunkenen puer Eutychus (VI 68) Vgl auch Kat 3b s v Cerialis: s Iulius Cerialis Cerrinius: vetus amicus des Dichters, verzichtet zum Vorteil Martials auf Veröffentlichung der eigenen Epigramme (VIII 18 mit v  3) 152 Chaerestratus gehört mangels Vermögen nicht auf die Ritterbänke; doch nützt Martial das Motiv hier einmal nicht zum Spott, sondern zu einem Aufruf, für den Mittellosen zu spenden (V 25):153 Offenbar liegt ihm C und dessen Los am Herzen Classicus führt ein  – mit wohlfeilen Erklärungen bemänteltes  – Parasitendasein (II 69); in Martials Versuch, ihn durch Appell an seine Ehre davon abzubringen (v  8 si vir es, ecce, nega), wird durchaus ernstliches Bemühen (um einen Freund?) erkennbar Vgl auch Kat 3b s v Claudia Peregrina: s Aulus Pudens Clemens: s Sabina

151 152 153

Die Belege sind I 26; 88; II 3; 29; 42; III 63; IV 38; V 5; 30; 69; VI 25; VII 23; 29; 32; VIII 73; 77; IX 65; 72; X 26; 44; XI 37 (jeweils Personennamen); VII 93; VIII 21; IX 101 (andere) Plausibel hierzu die Vermutung von Duret (1986), 3228: „Probablement, c’est là une élégante excuse que l’épigrammatiste lui fournit pour le justifier de n’avoir pas fait éditer des vers anodins “ Plinius stellt einem Freund den fehlenden Betrag zur Verfügung (epist I 19); anderen wird dieses Glück nicht zuteil (Mart IV 67)

Personen aus dem Umfeld Martials

41

Collinus: Dichterkollege, verdienter Sieger im Kapitolinischen Agon, von Martial zu bewußtem Lebensgenuß angehalten (IV 54) 154 Vgl auch Kat  3b s v Cordus: Freund (V 23,8 meus) und wohlwollender Kritiker, im Scherz mit einem ‚Du kannst mich mal…‘ abgetan (III 83 mit v  2) Arm und hoffnungslos verliebt (III 15), verfügt er nicht einmal über den Ritterzensus (V 23,7 f ), leistet sich aber den Luxus erlesener Mäntel (II 57,4; V 23,7 f ; 26 mit dem Versuch, den über die Aussage von II 57 verärgerten Freund milde zu stimmen) 155 Cornelius: wohlmeinender Freund und Kritiker, vor dem sich Martial wegen der Eigenart seiner Gedichte rechtfertigt (I 35) Cosconia: s Urbicus Cronius: s Cadilla Decianus: Freund (D. meus) und stoischer Philosoph aus dem spanischen Emerita (I 61,10), auch als causidicus tätig (II 5) 156 Im ersten Buch von Martials Ansichten über den wahren Stoiker in Kenntnis gesetzt (I 8) und mit einem allseitigen ‚Elogium auf einen Freund von Format‘157 (I 39) gewürdigt, wird D in der Folge mit der launig formulierten, Deciano suo zugeeigneten Widmung des zweiten Buches geehrt (II epist ), dort aber nur noch für seine Unerreichbarkeit (Unzugänglichkeit?) kritisiert (II 5) Daß der raros inter numerandus amicos (I 39,1)158 danach keine Spuren mehr im Martialtext hinterlassen hat, scheint für seinen Tod oder aber eine anhaltende – auf Enttäuschung basierende? – Entfremdung mit dem Autor zu sprechen 159 Vgl auch Kat  3b s v Dexter: Freund (VII 27,3 meus) und begeisterter Wildschweinjäger: Dem Dichter schenkt er ein selbstgeschossenes Tier, das jedoch dessen Küche überfordert (VII 27); seinem von einem Eber getöteten Jagdhund widmet Martial eine Grabinschrift (XI 69) Fabianus: Ihn kennt Martial als vir bonus et pauper linguaque et pectore verus, der sich in Rom kaum Möglichkeiten für ein auskömmliches Dasein erschließen kann (IV 5 mit v   1), dem Dichter jedoch auch nach Jahrzehnten der amicitia immer noch die

154 155 156 157 158 159

Anders, als Mratschek-Halfmann (1993), 340 annimmt, wird C v   7 f nicht „sicher etwas überschwenglich als divitior Crispo“ gekennzeichnet Da C in Martials Gedichten hinfort keine Erwähnung mehr findet, könnte dieses Bemühen vergeblich gewesen sein Trotz der anderslautenden Vermutung von Stein, RE IV 2 (1901), 2270 sicher nicht mit L Silius Decianus (cos suff 94) zu identifizieren; ebenso unbrauchbar, weil gleichermaßen inhaltsleer wie fehlerhaft, Blanco Freijeiro (1988) So die Gedichtüberschrift bei Barié/Schindler tr , 59 Vgl auch II 5,1 f ne valeam, si non totis, Deciane, diebus / et tecum totis noctibus esse velim Sullivan (1991), 16 f rechnet damit, D könne bei Domitian in Ungnade gefallen sein; versteht man I 8 als beschwörenden Appell, könnte es Martial bewußt gewesen sein, daß der Philosoph aufgrund seiner Intransigenz in Gefahr schwebte

42

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

beschwerlichen Dienste eines tiro abverlangt (III 36) 160 Im späteren Alter ist er mit einem – für ihn als bekennenden derisor … hirnearum besonders peinlichen – Bruchleiden geschlagen (XII 83 mit v  1) Daß F mit Martial langjährigen Umgang pflegt (III 36,7 f )161, nach IV 5,2 quid tibi vis urbem qui, Fabiane, petis? jedoch erst neu in Rom Fuß zu fassen sucht, spricht nur auf den ersten Blick gegen die Identität der beiden Namensträger: F kann, durch die Abschaffung der sportula in Bedrängnis geraten, wie Martial die Hauptstadt verlassen haben, um nach Wiederherstellung des status quo ante ebenfalls die Rückkehr in Erwägung zu ziehen Vgl auch Kat 3b s v Fabullinus: Freund (noster)162, wird, wie Martial mit Bedauern feststellt, immer wieder Opfer seiner Gutmütigkeit (XII 51 mit v  1) Fabullus wird zwar nirgends amicus genannt, steht aber offenbar auf gutem Fuß mit dem Dichter: Hat er Martial doch verschiedentlich zu Gast und wird von diesem mit Nachsicht behandelt Als Gastgeber zeigt sich F bemüht, aber auch überfordert: Er kümmert sich um bestes Salböl, vergißt darüber jedoch die Speisen (III 12)163, und bei der Zusammenstellung der Gästeliste fehlt ihm das nötige Fingerspitzengefühl (XI 35) Wenn er sich als Ehemann einer formosa, pudica puella um das ius trium liberorum bemüht (IX 66 mit v  1), muß er sich mangelndes Selbstvertrauen vorhalten lassen Vgl auch Kat 3b s v Daß einzelne Zweige der Hss -Tradition F auch im Epigramm IV 87 eine Rolle zuweisen (v  1 catulle α [im Lemma allerdings ad fabullum] : fabulle βγ), ist wohl durch spätantike Textverwilderung zu erklären: Die Formulierung kongruiert mit dem unzweifelhaften Catullusgedicht VI 69 (vgl v  1 tua Bassa, Catulle neben IV 87,1); und auch die brutale Direktheit der Aussage wäre im Umgang mit F ohne Beispiel Flavus: Freund Martials (noster), soll sein X Gedichtbuch in die spanische Heimat bringen und dem Dichter dort einen Ruhesitz besorgen (X 104 mit v  1 und 12) Gaius: vetus sodalis (II 30,3), der, wiewohl begütert, nur mit wohlfeilen Ratschlägen (II 30) und leeren Versprechungen (X 17(16)) aufwartet, faktisch aber keine Unter-

160 Eine ähnliche Konstellation ist im Falle des Sextus zu beobachten: Auch dieser sucht in Rom als pauper über die Runden zu kommen (III 38), geriert sich aber Martial gegenüber mit Nachdruck als patronus (II 55) 161 Wenn der Dichter, wiewohl erst im Jahr 64 nach Rom gekommen (vgl hierzu X 103; 104; XII 34), zur Zeit der Publikation von Buch III (88/89) übertreibend von 30 Jahren amicitia mit F spricht, geht es ihm darum, die Zumutung, der er in diesem Verhältnis ausgesetzt ist, besonders eindringlich herauszustellen (ebenso IV 40,5; vgl umgekehrt XII 18,16 die Abrundung der Dauer seines Romaufenthalts) 162 Vielleicht also gemeinsamer Freund von Martial und dem Adressaten Aulus Pudens 163 Nach Friedländer comm 1, 289 hätte Martial hier den Namen in Anlehnung an Catull 13 fingiert

Personen aus dem Umfeld Martials

43

stützung bietet 164 V 14 und wohl auch IX 92 steht der Name dagegen stellvertretend für einen beliebigen Anonymus (‚Herr xy‘) Gallus: Unter diesem Allerweltscognomen165 kennt Martial zwei verschiedene Parteien:166 1 Einerseits sucht er den belastenden Ansprüchen eines gesellschaftlich wohl nicht weiter herausragenden, von ihm jedoch als Patron anerkannten Zeitgenossen zu entgehen, indem er entweder scherzhaft sein Buch zur salutatio schickt (I 108) bzw seine Erschöpfung ausmalt (X 56)167 oder im Ernst die Entbehrlichkeit seiner labores vorrechnet (X 82) Mit Martial teilt dieser G auch seinen weiteren Bekanntenkreis (VII 55; u a Chrestus) sowie ein – im konkreten Fall eher fehlgeleitetes – poetisches Talent (XII 47(46)); Martials Gastfreundlichkeit erwidert er aber nicht (III 27) 168 2 Auf der anderen Seite stehen bissige Bemerkungen über einen weiteren Namensträger, der entsprechend der Rubrik ‚Opfer‘ (Kat 8) zuzuordnen war Hilarus: Caeretani cultor ditissimus agri (VI 73 mit v   3) 169 Gerade dieser Reichtum dürfte Martial Anlaß gegeben haben, mit dem vorliegenden Gedicht das Interesse des Grundbesitzers auf sich zu lenken Iulius Cerialis (X 48 nur C ): Freund und auf den Spuren Vergils wandelnder Dichter (XI 52 mit v  17 f ); gern gesehener Gast bei einer cena unter Freunden (X 48), XI 52 auch allein eingeladen 170 Iulius Martialis (so nur IV 64 und VII 17; dagegen I 15; III 5; IX 97; XII 34: I ; V 20; VI 1; X 47; XI 80: M ): seit Anbeginn von Martials Aufenthalt in Rom einer seiner ältesten und engsten Freunde, möglicherweise im Ölhandel tätig 171 Ungeachtet der von

164 Auf die Nennung des Vornamens beschränkt sich Martial wohl deshalb, weil sich der Freund mit seinen übrigen Namensbestandteilen nicht in den daktylischen Vers integrieren ließ 165 Kajanto (1965) zählt 236 CIL-Belege 166 Bei dem X 33 voller Ehrerbietung angesprochenen Munatius Gallus handelt es sich noch einmal um eine weitere Person (vgl Kat 1 s v ) 167 Schneider (2003) hat hier die Kontextualisierung des Arztmotivs völlig verkannt; vgl  743: „Bis hin zu Bagatellen fordert Gallus die Dienstbeflissenheit seines Klienten, ihn zum Arzt zu begleiten, ein “ 168 Daß G einmal eine transtiberina domus sein eigen nennt (I 108,2), einmal auf dem Aventin anzutreffen ist (X 56,2), steht einer Identifikation der beiden Hausbesitzer nicht im Wege: Wohnungswechsel oder eine Mehrzahl von Wohnsitzen (vgl VII 73 über Vibius Maximus) kommen als Erklärung in Frage 169 PIR2 H 180 irrtümlich mit dem dispensator von v  2 identifiziert 170 Der C genannte Adressat von Plin epist II 19 ist eher mit Velius Cerialis (ebd IV 21) zu identifizieren 171 Rodríguez-Almeida (1982/83b) ordnet ihm den in Lausanne gefundenen Scherben einer Ölamphore zu

44

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Gedicht zu Gedicht variierenden Namengebung172 wird die personelle Identität von Iulius / Martialis / Iulius Martialis durch signifikante Übereinstimmungen zwischen den einzelnen Epigrammen erwiesen: – In immer neuen Formulierungen versichert ihn Martial seiner tiefen und bleibenden Zuneigung: I 15,1 o mihi post nullos … memorande sodales; III 5,4 assiduum nomen in ore meo; V 20,1 care M ; VI 1,2 in primis mihi care M ; X 47,2 iucundissime M 173; das Epigramm XII 34 (ein Abschiedsgedicht?) blickt auf 34 Jahre (64–98) einer Freundschaft durch Höhen und Tiefen zurück – Mehrfach übersendet ihm der Dichter seine libri: Dies betrifft Buch III (III 5: mit wärmsten Empfehlungen), VI (VI 1: zur Überarbeitung) und – in eigenhändig korrigierter Fassung – I–VII (VII 17: für die Bibliothek seines Landgutes) – Auch die Themen der einschlägigen Gedichte weisen erkennbare Äquivalenzen auf: M hält seinen Freund zum bewußten Lebensgenuß an (I 15), malt sich ein sorgenfreies, zusammen mit dem amicus verbrachtes Leben aus (V 20) und trägt ihm die eigenen Glücksvorstellungen vor (X 47); die Erwartung eines gemeinsamen Aufenthaltes in Baiae erfüllt ihn mit jubelnder Freude (XI 80) 174 – Schließlich ist Martial auch mit dem privaten Umfeld seines gastlichen Gegenübers wohlvertraut: Er weiß um seine Ehefrau und kennt seine Stadtwohnung (an der Via Tecta: III 5) ebenso wie sein Landgut (an den Hängen des Ianicu-

172 173 174

Diese erfolgt aus metrischen Gründen, ist doch das Cognomen im elegischen Distichon nicht unterzubringen Analog die Anrede carissime I. in IX 97,1, wo I M als Adressat von Martials Abrechnung mit einem Neider in Erscheinung tritt Der nicht einfach zu erschließende Gedichtinhalt ist durch Mißverständnisse innerhalb der Sekundärliteratur zusätzlich verdunkelt worden: 1 Am Anfang steht die – vollauf befriedigende – Erklärung von Friedländer comm 2,204 (zu v  5 Martialem): „M ’s Freund Iulius Martialis (…), von dem Flaccus ihm geschrieben hatte, dass er ihn [gemeint ist: Flaccus den Iulius Martialis] in Bajae erwarte, indem er vielleicht den Dichter zugleich einlud und die Annehmlichkeiten des Aufenthaltes rühmte Das vorliegende Gedicht ist die Antwort M ’s “ Daß diese Antwort, anders als von Sergi (1988), 132 Anm  10 behauptet, nicht auf eine Ablehnung der Einladung hinausläuft, ist dem Text mit hinlänglicher Sicherheit zu entnehmen 2 Aufgrund von Friedländers unklarer Formulierung an zentraler Stelle fehlgedeutet (als habe Iulius Martialis den Dichter erwartet) und daher in ihrer Aussage nachgerade auf den Kopf gestellt, hat diese – nunmehr ihres Sinnes beraubte – Interpretation bis in neuere Zeit die Gedichterklärung bestimmt: vgl  – mit inakzeptablen Prämissen – Lieben, RE X 1 (1918), 673 s v Iulius 343: „… lädt er [= I M ] … durch Vermittlung des Flaccus den Dichter ein, ihn in Baiae zu besuchen“; Kay comm , 236: „Friedlaender thinks Flaccus has written to the poet telling him that Martialis is waiting for him in Baiae “ 3 In Konkurrenz hierzu hat W M Lindsay (1903b), 49 Anm  1 eine weitere Deutung entworfen, die Barié/Schindler tr , 1401 wie folgt referieren: „Flaccus, ein reicher Freund Martials, … hat Martial nach Bajae eingeladen, und der Dichter legt dem Gastgeber nahe, auch seinen, Martials engsten Freund Julius Martialis bei der Einladung nicht zu vergessen “ Indes müßte die Aussage von v  5 sed Martialem malo, Flacce, quam Baias einigermaßen frostig wirken, wenn dem Dichter nicht schon zuvor ein Zusammentreffen mit I M in Aussicht gestellt worden wäre

Personen aus dem Umfeld Martials

45

lum:175 IV 64 mit ausführlicher Beschreibung) incl Bibliothek (VII 17) aus eigener Anschauung 176 Vgl auch Kat  3b s v Iulius Eine Identifikation des I 107 ebenso herzlich angesprochenen Adressaten L Iulius mit I M (so etwa Barié/Schindler tr , 1176; vgl I 107,1 wie IX 97,1 die Anrede carissime Iuli) ist denkbar, sofern man v  3 otia da nobis (als Vorbedingung qualitätvoller Poesie) nicht als direkten Appell an einen neu zu gewinnenden Mäzen, sondern im Sinne einer kondizionalen Protasis (‚wenn man mir Muße gibt‘), versteht Iustinus: Freund, der Martial, im Unterschied zu früher, aus Anlaß seines Geburtstags nicht zusammen mit zahllosen anderen Gästen zur cena bittet, sondern zu einer Nachfeier am Folgetag einlädt (XI 65) Anders als üblicherweise erklärt, ist dieses Arrangement nicht als Zurücksetzung gedacht177 (und vom Dichter auch nicht als solche empfunden), werden die postera … sollemnia (v  5) doch „evidentemente per pochi intimi“ (M Salanitro 2007b, 503) ausgerichtet Iuvatus: in Spanien lebender Freund, mit dem sich unter vier Augen angenehm plaudern läßt (XII 24,4 f ) [D Iunius] Iuvenalis (der Satiriker: vgl Amm XXVIII 4,14; Lyd mag I 41; Rut Nam I 603 f ): Freund des Dichters (VII 24,1 meus), dem sich dieser auch durch einen Verleumder nicht entfremden läßt (VII 24); bekommt aus Anlaß der Saturnalien Nüsse geschenkt (VII 91) und wird noch aus der Behaglichkeit des fernen Spaniens unter Augenzwinkern wegen seines mühseligen Klientendaseins bedauert (XII 18) 178

175 176

177

178

Genauer ist das Gut nach Bruni (1949) und Scamuzzi (1965) auf dem Monte Mario zu lokalisieren Daß der Name Ianiculum in den Tagen Martials auch die benachbarten Höhen miteinschloß, hatte schon Elter (1891), 114 f gezeigt Der Hinweis auf den bescheidenen Umfang dieses Besitzes (vgl IV 64,1 und 36 iugera pauca sowie v  31) wie auch die Gedanken von V 20 hätten Puelma davor warnen sollen, I M zu Martials reichen Gönnern zu rechnen (1995, 434; 440; 443 f ; ebenso Holzberg 2002, 81 und Nobili 2008, der IV 64 und VII 17 zu Auftragsarbeiten für einen Patron erklärt) Wenn sich Martial in den Pena­ tes / … facti modo divitis Molorchi glaubt (IV 64,29 f ), so evoziert er die Gastfreundschaft des aus der Heraklessage bekannten Tagelöhners Molorchus unter Ausschaltung des Mißverständnisses, er wolle auch auf dessen ärmliche Verhältnisse abheben: Eminenten Reichtum des I M kann die Stelle nicht belegen Daß sich Martial unter vielen ihm fremden Mitgästen unwohl fühlte, war gerade kurz zuvor (XI 35) deutlich geworden Barié/Schindler tr mißverstehen den Schlußvers sescentis hodie, cras mihi natus eris als Angriff des beleidigten, weil nicht zur Hauptfeier eingeladenen Dichters: „für mich bist du heute noch gar nicht geboren und insofern ein Nichts, da ich nicht eingeladen bin“ (1398 zu v  6); eine wirkliche Zurücksetzung erfährt der Dichter in vergleichbarer Situation VII 86 Die Vorstellung, der scherzhafte Hinweis auf I s päderastische Neigungen (XII 18,22 f ) sei als boshafte Spitze gedacht, geht an der Sache vorbei: Martial selbst hat sich ja hinreichend oft zu den gleichen Vorlieben bekannt  – Im übrigen sind auch die Indizien, mit deren Hilfe Pasoli (1974) und Kelly (2018) das Gedicht als „Martial’s imitation of Juvenal“ (Kelly, 178) erweisen möchten, nicht aussagekräftig genug, um zu einer Neudatierung von Juvenals erster Satire Anlaß zu geben

46

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Lausus: Freund und Besitzer einer sprechenden Elster (VII 87,6) Als ehrlicher Kritiker äußert er sich differenziert zur Qualität der Martialepigramme (VII 81), bezeugt aber gleichzeitig ihre große Wertschätzung in der Narbonnensis (VII 88) Liber: kein „dem Dichter befreundeter Faustkämpfer“ (Friedländer comm  2,45), sondern ein Zirkusrennfahrer179, wird, als amicorum dulcissima cura tuorum apostrophiert, zu bewußtem Lebensgenuß angehalten (VIII 77 mit v  1)180 und vermittels eines launigen Namenswitzes um ein Weinpräsent angegangen (IX 72) Lupus: Die Tatsache, daß sich der Dichter mit L durch amicitia verbunden weiß (IX 2,1) und ihn zusammen mit seinem engsten Freundeskreis zum fröhlichen Mahl einlädt (X 48,6), darf auch bei der Interpretation eher scharfzüngig anmutender Lupusepigramme nicht einfach unterschlagen werden 181 Mit seiner ‚Karriere-Empfehlung‘182 für den Sohn des L ironisiert Martial die leidige Rentabilität bildungsferner Berufe (V 56 mit v  7 si versus facit, abdices poetam); sein Versuch, das Gegenüber seelisch aufzurichten, indem er ihm nicht nur sein objektives Wohlergehen in Erinnerung ruft183, sondern überdies ein Lächeln abringt (VI 79), zeugt von psychologischem Feingefühl Nur beiläufig tritt L in Erscheinung, wenn ihn der Stadtklatsch als Schuldner handelt (VII 10,7) oder ein gemeinsamer Bekannter Geschenke mit ihm austauscht (VII 55,4) Bemerkenswert scheint auf jeden Fall sein Sinn für Humor: Hier ist wohl der Grund zu suchen, warum seine Teilnahme einem Essen mit Freunden besonderen Reiz verleiht (X 48,6: ‚L kommt auch!‘)184; und entsprechend spielen Martial und er sich auch manchen Streich, was besonders in dem von Übermut bestimmten XI Epigrammbuch zutage tritt: L hat dem Dichter – nach dessen ebenso theatralischem wie unernstem Lamento zu urteilen  – ein handtuchgroßes praedium geschenkt (XI 18)185; zum AusSo zuerst Housman (1907), 248: Das Adjektiv Amyclaeus (IX 72,1) könnte zwar sowohl auf den Faustkämpfer Pollux wie den Pferdebändiger Castor verweisen (vgl Ov her  8,71 Castori Amyclaeo et Amyclaeo Polluci); quatis … verbera (v  2) ist jedoch eindeutig auf Peitschenschläge zu beziehen (vgl Culex 218 f ) 180 Dies doch wohl mit Blick auf seinen gefährlichen Beruf 181 Zum umgekehrten Versuch, auch den Gedichten mit eindeutig freundlicher Aussage eine negative Seite abzugewinnen, vgl unten Anm  184. 182 So Barié/Schindler tr , 363 als Titel des Gedichtes 183 Nicht anders argumentiert etwa auch Horaz epist I 4 gegenüber seinem Freund Tibull 184 Gegenteilig die Erklärung von White (1975), 271 Anm  14: „… receives a rather backhanded invitation “ – Ganz haltlos die Annahme von Balland (1998), 46–49, in dem genannten Vers werde spielerisch (7 Buchstaben Praenomen, 6 Buchstaben Gentiliz, 5 Buchstaben Cognomen) auf P Iulius Lupus, den Suffektkonsul von 98, verwiesen 185 Vgl dagegen die ernstliche Verstimmung Martials gegenüber Paulus in VIII 33  – Im übrigen liegt ein vergleichbarer Sachverhalt wie XI 18 auch Hor epod 3 zugrunde: Aus Spaß hat Maecenas seinem Freund ein unsägliches Knoblauchgericht servieren lassen; und dieser revanchiert sich für die ‚Zumutung‘ mit einem ebenso unernsten Fluchgedicht (vgl auch Catull 14 mit der Androhung von ‚Rache‘geschenken für eine nachgerade gewissenlose Gabe sowie Stat silv IV 9 hendecasyllabi iocosi ad Plotium Grypum) Abwegig dagegen die Mutmaßungen von Holzberg (2002), welche die Aussage des Textes in ihr Gegenteil verkehren sollen: „Außerdem darf man argwöhnen, daß 179

Personen aus dem Umfeld Martials

47

gleich läßt ihn dieser dann als Erbschleicher dastehen (XI 55) 186 Und auch die mehr als überspannte Klage über die Zurücksetzung aller Freunde zum Vorteil einer domina/ moecha/puella (IX 2) zeugt ebenso wenig von einer ernsten Verstimmung auf seiten Martials wie die Behauptung, die fällige Zinsleistung für ein von L gewährtes Darlehen erzwinge den Abschluß des aktuellen Gedichtbuches (XI 108) Vgl auch Kat  3b s v M(a)evius: ein Römer und iucundus, probus, innocens amicus, leidet aufgrund seiner Tätigkeit als Dichter materielle Not (X 76 mit v  5); seine altersbedingten Potenzprobleme quittiert Martial nicht mit hämischem Spott, sondern einem scherzhaft-konstruktiven Hinweis auf mögliche Abhilfe (XI 46) Mancinus enttäuscht als geiziger Gastgeber (I 43); dabei prahlt er vor seinen sodales (darunter Martial) mit hohen Einkünften (IV 61 mit v  13)187, wird aber von anderer Seite selber als hochverschuldet denunziert (IV 37,1) Möglicherweise liefern diese Facetten insgesamt das Bild eines weniger vermögenden Mannes, der seine Verhältnisse durch Protzerei zu bemänteln sucht Manius: in terris quo non est alter Hiberis / dulcior et vero dignus amore magis (= Bilbilis) wohnender Freund, auf den sich Martial angesichts seiner Rückkehr nach Spanien freut (X 13(20) mit v  5 f ) Manlius: Jugendfreund Martials, als Grundbesitzer im spanischen Vativesca lebend und nur beiläufig erwähnt (IV 55,26) Marius: VII 87 unter den haustierliebenden Freunden Martials figurierend (v  5)188, erfährt er in allen auf ihn bezogenen Gedichten wohlwollende Erwähnung, führt er doch ein tadelsfreies Leben in eher einfachen Verhältnissen: Den Verkauf eines Grundstücks sieht er durch die Tölpelhaftigkeit des praeco durchkreuzt (I 85), seine körperliche Unversehrtheit durch einen widerlichen Stinker (doch wohl: ‚Stänkerer‘) beeinträchtigt (III 28)189; und als Erblasser vermacht er ein kleines Legat, ohne durch

186

187 188 189

das praedium, wenn es zur Abfassung eines ungewöhnlich langen Epigramms inspirieren kann, doch nicht allzu klein ist“ (106) Hier gefällt sich Martial darin, das gewissermaßen als Gesetz formulierte Erbschleicherverhalten ars est captandi quod nolis velle videri (v  3) mutwillig auf eine arglos geäußerte Bemerkung des L anzuwenden (vgl auch s v Urbicus) Entsprechend muß Martial sein – eher windiges – Gedankenkonstrukt eigens erläutern Die Gedichtüberschrift bei Barié/Schindler tr (299: ‚Von einem, der mit Kapitaleinkünften renommiert und nichts herausrückt‘) fußt in ihrer zweiten Hälfte auf einer entsprechenden Deutung von v  15 f Aus dem Kreis der Genannten kann allein für Cronius (v  4), Cadilla (v  7) und Telesilla(? v  8) mangels weiterer Belege keine nähere Aussage über ihr Verhältnis zu Martial getroffen werden Der Terminus ‚Stänkerer‘ nach Barié/Schindler tr , 201; die faktische Grundlage für Martials ‚Diagnose‘ kann in einer Ohrenerkrankung des Marius, aber auch in Nestors Mundgeruch zu suchen sein

48

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Geschenke im Vorfeld dazu bestimmt worden zu sein (II 76) 190 Ebenso zu bewerten ist das regelmäßig mißverstandene Epigramm X 19(18), das sich erstaunt über den Zulauf äußert, den M trotz seiner Mittellosigkeit (v  2 nec habet) erfährt: turba tamen non dest sterilem quae curet amicum (v  3) Nicht obwohl, sondern weil Marius als sterilis bekannt ist (nicht – wie Iuv  12,96 f  – ‚unergiebig‘191, sondern – wie Mart IX 7(8),8 u ö oder Iuv  5,140 – ‚unfruchtbar‘, d h ‚kinderlos‘192), wird er nachgerade reflexhaft von Menschen heimgesucht, die sich – auch bei einem Habenichts! – als Erben in Stellung bringen wollen: eheu! quam fatuae sunt tibi, Roma, togae! (v  4)193 Maro(n): wohlhabender und dabei gastlicher (XI 34) amicus (IV 80,2), der sich beim Deklamieren auch durch Fieberschübe nicht beirren läßt (IV 80)194 und im übrigen erstaunlich gut bestückt ist (IX 33) 195 Auch in seiner Eigenschaft als Freund muß er sich launige Bemerkungen des Dichters gefallen lassen: Wenn er diesem materielle Zuwendungen erst für den Zeitpunkt seines Ablebens in Aussicht stellt, provoziert er einschlägige Wünsche des an Gaben im Hier und Jetzt interessierten Epigrammatikers (XI 67); und wenn er einen kranken senex amicus durch ein großherziges Genesungsgelübde aufzurichten sucht196, wird ihm unterstellt, die unerwartete Notwendigkeit seiner Einlösung bringe ihn in Verlegenheit (XII 90 mit v  1) Marrius aus Atina, quietae cultor et comes vitae, übernimmt Martials Nomentanergut (X 92 mit v  1 f ) Martialis: s Iulius Martialis Maternus: Landsmann und vetus sodalis des Dichters, als Rechtsgelehrter in Rom wirkend, von Martial vor seiner Rückkehr nach Spanien noch einmal auf seinem am Meer gelegenen Laurentinum besucht und für sein Hierbleiben bedauert (X 37 mit v  3) Vgl auch Kat 3b s v

190 Angesichts fortdauernder Gesundheit des Erblassers kann argenti libras Marius tibi quinque reliquit (v  1) nicht auf den Eintritt des Erbfalls (‚hinterließ‘), sondern nur auf die testamentarische Verfügung selbst (‚vermachte‘) zu beziehen sein (zu dieser Wortbedeutung von relinquere vgl etwa Cod Iust VI 37,11 filia legatorum non habet actionem, si ea, quae ei testamento reliquit pater, vivus postea in dotem dedit); Martial ist mithin als Zeuge bei der Siegelung des Testamentes zu denken 191 So in der Übersetzung von Barié/Schindler tr , 697 192 Zutreffend Vellardi comm , 239 f 193 Ganter (2015), 223 erklärt den Zustrom an Klienten irrigerweise damit, „daß sie ihn [= den mittellosen Marius] … nicht in der Hoffnung auf materielle Vergütung, sondern in der Hoffnung auf Protektion aufsuchten “ Eine solche könnte der arme Mann gar nicht gewähren 194 Das Gedicht spiegelt die Besorgnis Martials: vgl Eden (2001b), 582 195 Die Situation ist Petron 92,8 f vergleichbar Abwegig dagegen Heil (2013), der das Gedicht auf eine recitatio beziehen will (115): „‚der Schwanz Vergils‘(!) = Texte Vergils, in denen obszönes Vokabular vorkommt“ (Hervorhebung W K ) 196 Dies der Grund, warum das votum von M clare (v  1) abgelegt wird; daß er hier als Erbschleicher agierte (Kuppe 1972, 131), ist dem Text nicht zu entnehmen

Personen aus dem Umfeld Martials

49

Matho: ebenso häufiger wie gern gesehener Gast auf Martials Tiburtinum, das er schließlich käuflich erwirbt (IV 79) 197 Sein Durchschnittsgeschmack in Sachen Dichtung (Poesie hat gleichmäßig hübsch zu sein: VII 90 mit X 46) wird ohne weitere Häme korrigiert198, sein Dasein als Klient auf Augenhöhe mit Rat und Tat gestärkt (VIII 42 selbstironisch formuliertes Angebot199, XI 68 Ermutigung zu selbstbewußtem Auftreten) Erkenntnisse über sein kostspieliges Sexleben (VII 10,3 centenis futuit Ma­ tho milibus) gehen schließlich nur auf das hohle Gerede eines Wichtigtuers zurück 200 Vgl auch Kat  3b s v Munna wird mit – eher gutmütigem – Spott bedacht, dabei aber doch zu den amici gezählt (X 36,3): In der irrigen, durch Mißverstehen eines Astrologenspruchs geschürten Annahme seines baldigen Ablebens hat er binnen kurzem sein väterliches Erbe durchgebracht (IX 82) und muß nun in der Provinz ein kümmerliches Dasein als Schullehrer fristen (X 60) Doch läßt er es sich nicht nehmen, seine stadtrömischen Freunde von Massilia aus mit teurem – aber unbekömmlichem – Wein zu beschenken (X 36)201; und diese würden – wie v  7 f vorsichtig andeuten – seinen persönlichen Besuch begrüßen Nasidianus ängstigt den Dichter, indem er fortwährend von dessen schlimmem Schicksal träumt (VII 54), wird aber trotzdem nicht als hysterischer Wichtigtuer beiseite geschoben: Da Martial seinen Schreckensmeldungen immer wieder Gehör schenkte, scheint er sie doch ernst genommen, N entsprechend als besorgten Freund eingestuft zu haben Nepos: In Rom wie in Nomentum Nachbar des Dichters (VI 27), Vater einer Tochter (ebd ), als Weinkenner ausgewiesen (XIII 124) Wird zum Genuß seines Weinvorrates und damit des Lebens aufgefordert (VI 27)202 und mit anderen Freunden zu einer cena ohne Umstände eingeladen (X 48)

197

198 199 200

201 202

Vgl das Kapitel ‚Wohnsituation und Liegenschaften‘ Zu Recht bringt Scamuzzi (1966), 169 f den Grundgedanken des Gedichtes mit der Herzlichkeit südländischer Gastfreundschaft in Verbindung (‚mi casa es tu casa‘; vgl V 62,1 iure tuo nostris maneas licet hospes in hortis oder IV 64,25–28), stellt jedoch fälschlich die Tatsache des Verkaufs an sich in Abrede; abfällige Urteile über M (Giese 1872, 23: ‚hospes molestus‘; Grewing comm , 240: „parasitärer ‚Dauergast‘“ ; Nauta 2002a, 51: „an importunate guest“) gehen an der Aussage des Gedichtes vorbei Die abschätzig-kritische Stoßrichtung des oftmals verglichenen Epigramms II 7 fehlt in X 46 Vgl auch das Kapitel ‚Martials Klientenstatus‘ Unfundiert bleibt nach dem Gesagten das von Galán Vioque comm , 96 formulierte Entwicklungsmodell, wonach M „first in a friendly way (cf  4 79, 6 33 [dort als Adressat für Stadtklatsch]) but then in a hostile tone (apart from this example [= VII 10], cf  7 90, 8 42, 10 46 and 11 68)“ genannt sein soll Da M offenbar die Kosten trägt, hätte ihn R Hofmann (1956/57), 435 nicht als „Händler“ einstufen dürfen Zur Pointe des Schlußverses vgl das Kapitel ‚Martial als Ehemann?‘ Die Aussage des Gedichtes aktualisiert die XIII 126 formulierte Lebensregel; ein situativer Kontext, wie ihn H Walter (1995) spekulativ entwirft, spielt dagegen keine Rolle

50

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Novius: Nachbar und gerngesehener sodalis, aufgrund seiner Geschäftigkeit für den Dichter kaum je erreichbar (I 86 mit v  5), an Feiertagen aber doch für eine Partie Schach (will heißen: den ludus latrunculorum) mit Paulus und Publius zu haben (VII 72,7 f ) Numa: Als Epigrammatiker profitiert Martial von N s spitzer Zunge (X 52); die Aussicht auf einen Erbteil bleibt ihm indes durch dessen unerwartet robuste Gesundheit verwehrt (X 97) Q. Ovidius (VII 44; 45 O ; dagegen VII 93; IX 53; XIII 119 – dort durch den Zusammenhang jeweils leicht zu identifizieren – Q ): Freund (VII 93,3 meus; IX 52,6 amicus) und Nachbar von Martials Nomentanum (VII 93; X 44,3), als Winzer tätig (XIII 119) Ein Muster unbeirrbarer Freundestreue, begleitete er noch unter Nero seinen (und Senecas) Freund Caesonius Maximus in die Verbannung (VII 44; 45)203; sein wiederholtes Fernsein (VII 93 weilt er in Narnia, X 44 bricht er – neuerlich als Begleiter eines Freundes – gar nach Britannien auf) bedenkt Martial mit anhaltenden Klagen, seinen Geburtstag dagegen mit Glückwünschen voller Zuneigung (IX 52) und einem launigen Scherzgedicht (IX 53) 204 Vgl auch Kat  3b s v Ovidius Paetus: Freund Martials (V 37,18 meus)205, dessen Seelenstärke im Trauerfall der durch das Hinscheiden der kleinen Erotion aufgewühlte Dichter nicht recht ernst nehmen kann, hat ihn das Ableben seiner Frau doch schließlich zum Millionär gemacht (V 37) 206 Als Geldgeber eher zögerlich, muß er die für Martial bereitgestellten Kleinbeträge ohnedies regelmäßig abschreiben (VI 30; XI 76) Und als er den Dichter zu einer cena abholen läßt, macht ihm die Saumseligkeit der von ihm zur Verfügung gestellten Zugtiere einen Strich durch die Rechnung (XI 79)

203 Nur in diesen beiden Gedichten, die darauf abzielen, das nomen des O zu verewigen (VII 44,7 si victura meis mandantur nomina chartis; 45,6 o nullis, Ovidi, tacende linguis), nennt Martial den Freund mit Familiennamen 204 Penetrant das Bestreben von Kleijwegt (1998), O und seine Beziehung zu Martial in ein schiefes Licht zu rücken; vgl  269 (zu VII 44; 45): „Ovidius’ act is an example of mock heroics“; 271 (zu IX 53): „the rejection [sc seines Geburtstagsgeschenks] must be interpreted as a social humiliation“; 272: „Ovidius’ self-sacrificing attitude … is also slightly ridiculed in 10 44 … Ovidius represents the worst kind of patron/friend “ 205 Durch den humorigen Gedichtschluß wird das freundschaftliche Possessivum durchaus nicht ironisch entwertet 206 Mit der Aussage ‚Dein Verlust ist im Vergleich zu meinem nur halb so schlimm‘ beweist P keineswegs besondere Herzlosigkeit; vielmehr bedient er sich einer gängigen Argumentationsform der consolatio: Dabei soll der Trauernde durch die Vergegenwärtigung einer noch größeren Leiderfahrung zur Überwindung eigenen Schmerzes finden können

Personen aus dem Umfeld Martials

51

Paulinus wird im Vorübergehen als pfeilschneller Läufer gewürdigt (II 14,3 f )207; hernach muß sein Name noch für einen harmlosen Kalauer herhalten (III 78) 208 Nichts hindert daran, zwischen ihm und dem Dichter ein Verhältnis ungezwungener Kameraderie anzunehmen Pollio: prominenter Kitharöde (IV 61,9), Freund des Canius Rufus und Besitzer eines hübschen Landgutes (III 20,18)209, läßt sich beim gemeinsamen Zechen mit Martial zu Versprechungen hinreißen, die er nüchtern nicht mehr einlöst (XII 12) 210 Polycharmus: Zu einem Schuldenerlaß bereit, wird er auf eine noch generösere Alternative hingewiesen (VIII 37); ansonsten macht er durch seine Marotten auf sich aufmerksam: Sein Insistieren auf Genesungsgeschenken bei gleichzeitig labiler Gesundheit treibt seine Freunde (darunter Martial) in den Ruin (XII 56 mit v  2 f ); und seine Gepflogenheiten nach vollzogenem Beischlaf geben Anlaß zu einer nachgerade akademischen, höchstens augenzwinkernd mit einem Verdachtsmoment spielenden Frage (IX 69) Pompeius Auctus (so nur VII 51211; VII 52: A ): „Rechtsexperte und Bewunderer von Martials Dichtung“ (Barié/Schindler tr , 1294), trägt voller Eifer zu deren Verbreitung bei (VII 51; 52) Vgl auch Kat  3b s v Auctus Postumus: Der P der Bücher IV–VI steht in einem Nahverhältnis zu Martial, das bereits 30 Jahre andauert:212 Wiewohl zu Anfang nur über ein Rittervermögen verfügend und so für Klienten nicht sonderlich attraktiv, war er vom Dichter als Patron erwählt und seitdem treu begleitet worden 213 Jetzt ist er arriviert (plenus honorum, largus opum), vernachlässigt dabei jedoch seinen Gefolgsmann (IV 40 mit v  7 f ), der sich nun nicht mehr neu orientieren kann (v  9 serum est alium mihi quaerere regem), doch

207 Hier könnte allerdings auch eine Übertreibung vorliegen: „The hyperbole Achilleos pedes is Selius’ rather than Martial’s“ (Williams comm , 70) 208 Die aus der Zusammenschau von II 14 und III 78 gewonnene These von Prior (1996), bei P müsse auf Inkontinenz geschlossen werden (129 f : „The only running Paulinus does is the mad dash for the facilities“), findet im Text nicht den geringsten Anhaltspunkt 209 Vgl auch Iuv  6,387 f ; zu seinen beneidenswerten Vermögensverhältnissen 7,175 ff 210 Die Aussage von XII 12 ist nicht wirklich schroff gemeint: In anderem Zusammenhang plädiert Martial ja selbst dafür, die Worte eines Betrunkenen nicht auf die Goldwaage zu legen (I 27) Jedenfalls besteht kein Anlaß, mit Lambertz, RE XXI 2 (1952), 1414 s v Pollio 5 den Musiker von einem „wortbrüchige(n) Trinker“ gleichen Namens zu unterscheiden 211 Hier mit vollem Namen und üblichem Aufenthaltsort genannt, um seine Identifizierung durch einen Dritten sicherzustellen 212 Zu der nach oben gerundeten Zahl vgl s v Fabianus 213 Vielleicht sucht das Gedicht die Tatsache zu kaschieren, daß sich Martial nicht ganz so freiwillig und erst, als Seneca in Ungnade gefallen war, auf P als Patron besonnen hatte Im Ansatz schon abwegig Kleijwegt (1998), 265 zu IV 40,4 pauper eras et eques, sed mihi consul eras: „the flattering remark that the poet preferred to see him as a consul(!) while he was only an equestrian is a direct condemnation of the client’s lack of social knowledge“ (Hervorhebung W K )

52

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

angesichts der zu erwartenden Kleinstbeträge die Klientenpflichten leichten Herzens für längere Zeit ausgesetzt hat (IV 26) 214 Diese Vorhaltungen nimmt sich P offenbar zu Herzen: Im folgenden wird Martial dann doch mit ingentia … dona bedacht; zwar sieht er seine Dankbarkeit jetzt durch die Ruhmredigkeit des Gebers belastet, doch bleibt er ihm angesichts seiner großen Verdienste (quae mihi praestiteris, memini sem­ perque tenebo) in Treue verbunden (V 52 mit v  1 und 7): Der zermürbenden Routine in P s Alltag sucht er durch einen Aufruf zum bewußten Leben zu begegnen (V 58); und wenn er ihn als Patron/Anwalt vor Gericht in Anspruch nimmt, ist dieser mit nachgerade überbordendem Eifer und bombastischer Rhetorik bei der Sache (VI 19) 215 Verschieden von diesem P ist der nervtötende Müßiggänger des II Buches: s Kat  8 s v Procillus: Zechkumpan des Dichters, eher scherzhaft als unerwarteter, weil nur im Suff eingeladener Besucher gescholten (I 27) und zu grundloser Eifersucht genötigt (I 115) Der unernste Charakter der Ausführungen wird im einen Falle durch Einbezug eines griechischen Sprichworts, „dessen Sinn ist, daß Aeusserungen Berauschter, die für diese üble Folgen haben können, vergessen werden sollen“216, im anderen durch die vom Dichter selbst vorgenommene ‚Entwarnung‘ dokumentiert Publius: amicus des Dichters (II 57,3 meus)217, als Freund erlesener Mäntel (ebd ) und als Brettspieler (VII 72,7f: mit Novius und Paulus) nur beiläufig erwähnt; ausführlichere Behandlung erfahren sein Faible für ein Schoßhündchen (I 109; vgl noch VII 87,3) und der eifersüchtige Argwohn, mit dem er Martials Blick auf seinen hübschen Mundschenk verfolgt (X 98) 218 Für Identifikationsversuche bietet sich kein Anhaltspunkt 219 Pudens: s Aulus Pudens 214 Daß Martial toto … anno (v  1) durch Abwesenheit glänzte, dürfte mit seinem Ausweichen in die Gallia Cisalpina zusammenhängen: „se Marziale vi si fosse trattenuto per non più di un paio di mesi, avrebbe rinviato la pubblicazione [von Buch III: vgl III 1] al momento del rientro a Roma (Citroni 1987, 138) 215 Mit der Scharfzüngigkeit dieses Epigramms könnte Martial den Bogen allerdings überspannt haben, bricht hier doch die Reihe der Postumusgedichte unvermittelt ab 216 Friedländer comm 1, 182; die einschlägige Erklärung Plut Symp 1 (mor 612d) 217 Die Beschränkung auf das Praenomen dürfte hier am ehesten dazu dienen, die Verwechslung mit einem weiteren amicus gleichen Namens/Beinamens auszuschließen oder aber einen metrisch unbrauchbaren Namen zu umgehen Howell comm (zu B I), 333 vermutet „a sign of familiarity“, doch sprechen weder Zahl noch Inhalt der auf P bezogenen Gedichte für eine besondere Nähe zu Martial 218 Verfehlt M Salanitro (2012), die ihre Interpretation des Gedichtes auf der Gleichung mores (v  12) = ‚Hang zur Päderastie‘ aufbaut und hos ministros (ebd ) auf das ungepflegte Personal von v  8 ff bezieht 219 Rein spekulativ das Gedankengebäude von Balland (1998), 53–59, der P (außer in X 98) durch seinen Lebensstil als Aristokraten, durch seine Unreife als Jugendlichen gekennzeichnet sieht und vor diesem Hintergrund mit dem späteren Kaiser Hadrian (P Aelius Hadrianus) identifizieren will

Personen aus dem Umfeld Martials

53

Quintus: s Q Ovidius Rabirius: Architekt und „Freund Martials“220, für seine Leistung als Baumeister gepriesen (VII 56) und mit einem Grabepigramm für seine verstorbenen Eltern bedacht (X 71) Romulus: Freund aus Vienna; trotz eines Weingeschenks für Martial (XIII 107) nicht notwendigerweise als „Winzer“ (Barié/Schindler tr , 1500) zu identifizieren: vgl das analoge Präsent von Munna X 36 Rufus: vertrauter Freund und Förderer221 (IX 39,3 meus, hier in einem Geburtstagsgedicht für seine Frau Caesonia222; vgl auch I 106,2, dort sinngemäß als unus ex sodalibus registriert), der in folgenden Kontexten auftritt: – Verliebtheit von R : Der Freund – noch unvermählt – ist heillos in eine Dame namens Naevia verschossen; diese treibt jedoch nur ihr Spiel mit ihm (I 68223; 106) – Verbreitung von Martials Gedichten: Sie sollen R durch Boten zugehen (III 100), von diesem einem weiteren Interessenten empfohlen (IV 82) oder einer bestimmten Leserin vorenthalten werden (III 97) – augenzwinkernde Bitte um weitere Unterstützung: II 48 stellt Martial eine ‚bescheidene Wunschliste‘ zusammen, VI 82 erfolgt ‚ein Wink mit dem Zaunpfahl‘224 betr eines Mantels; und IX 88 deutet Martial sein Verhältnis zu R (= Klient – Patron) launig in die Konstellation Erblasser – Erbschleicher um: Sein Gegenüber müsse ihn besser mit Geschenken eindecken, um sich seine Gewogenheit zu erhalten! – eher unspezifische Scherze: III 94 äußert sich über R als ‚grausamen Gastgeber‘225, formuliert jedoch keine Kritik, sondern amüsiert sich über ein Verhalten, das Martial VIII 23 auch selber praktiziert; und VIII 52 belächelt R s von Eitelkeit bestimmte Bartpflege226, wie schon der Senator Stella für seinen Umgang mit Ringen belächelt worden war (V 11; 12) Vgl auch Kat  3b s v 220 So Fabricius, RE I A 1 (1914), 23 s v Rabirius 3 221 Das Cognomen R findet sich in Martials Bekanntenkreis recht häufig; doch sind seine Träger in den Epigrammen klar voneinander geschieden: Camonius R , Canius R , Instanius R , Iulius R , Safronius R werden entweder mit vollem Namen oder nur mit ihrem nomen gentile genannt; und in XII 52 ist der Name mit einem klärenden Zusatz versehen (v  3 tuus, Sempronia, Rufus) Ohne Ergänzung steht das Cognomen mithin für ein weiteres Individuum; Versuche der Forschung, dieses mit dem einen oder anderen der vorgenannten Namensvettern  – vorzugsweise Canius und Instanius R  – zu verquicken, sind damit gegenstandslos 222 AGOSTI (2006) will diese als Tochter des VII 44 und 45 genannten Senecafreundes Caesonius Maximus und Ehefrau des Instanius Rufus identifizieren 223 Zur Erklärung dieses Gedichtes vgl das Kat 8 s v Naevia Gesagte 224 So jeweils im Gedichttitel bei BARIÉ/SCHINDLER tr , 155 und 441 225 Dies der Gedichttitel bei Barié/Schindler tr , 247 226 v  8 ist wohl – ebenso wie VII 83,2 – mit Eden (1990), 163 f expungit zu lesen Wie auch sonst, ist Giese (1872), 29 hier ebenso schnell wie grundlos mit dem Stichwort ‚impurus‘ bei der Hand

54

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Sabina: Bewohnerin von Ateste, bekommt durch Clemens (ihren Mann?) Martials neuestes Gedichtbuch überbracht (X 93) 227 Sabinus: s Caesius Sabinus Safronius Rufus (XI 103 nur S ): Mensch von erlesener animi probitas orisque und infolgedessen übergroßer Scheu vor allem Geschlechtlichen (XI 103 mit v  1) 228 Vorausgesetzt ist diese Wesensart bereits IV 71, wo er als Adressat in ein Gespräch über weibliche castitas einbezogen wird (vgl Kat  3b s v ) Secundus: s Caecilius Secundus Severus: Freund (V 80,12 meus; VII 38,1 noster) und Dichter (XI 57,1 doctus), läßt sich zu Martials Bedauern bei der kritischen Lektüre seiner Epigramme allzu viel Zeit (II 6; V 80), empfängt von ihm aber kleine Präsente (VII 49) oder eine in Versen abgefaßte Einladung zum Essen (XI 57); außerdem findet er als Besitzer zweier körperlich monströser Sklaven Erwähnung (VII 38) 229 Vgl auch Kat  3b s v Sextus: faenerator und  – wie als bekannt vorausgesetzt  – vetus sodalis Martials (II 44,3 f ; vgl VII 86,5), hat mittlerweile selbst mit Geldsorgen zu kämpfen: Schulden bei Martial kann er nicht begleichen (II 3), mit einem creditor will er sich auf einen zweifelhaften Prozeß einlassen (II 13), und drohenden Darlehenswünschen von seiten des Epigrammatikers sucht er schon im Vorfeld Einhalt zu tun (II 44); umgekehrt trachtet er danach, diese bescheidenen Lebensumstände durch forsches Auftreten zu kompensieren: Daß er anstelle der von Martial gewünschten Freundschaft auf einem Patronatsverhältnis besteht, registriert der Dichter mit Enttäuschung (II 55)230, daß er mit seinen Erfolgen bei der Damenwelt prahlt, trägt ihm einen rüden Kommentar

227 Zur versuchsweisen Identifikation der beiden Genannten mit L Cassidius Clemens und seiner – angeheirateten – Verwandten Postumulena Sabina (beide in flavischer Zeit für die Gegend von Ateste belegt) vgl Buchi (2001) 228 Daß Ravenna (2013/14) in dem Gedicht von einem os impurum (v  1) und einem Seitensprung der Ehefrau (v  2) lesen will, ist ebenso wenig zu begründen wie die Vermutung von La Penna (1992)2000,96: „…fa sospettare l’impotenza “ 229 Giese (1872), 30 denkt hier – durchaus ansprechend – an den auch mit Statius befreundeten Dichter Septimius S (Stat silv IV praef ; IV 5); irrig dagegen Friedländer comm  1, 241 (zu II 6): „Wahrscheinlich Silius Severus, Sohn des Dichters Silius Italicus“: Der Siliussohn, der IX 86 als verstorben präsentiert wird, XI 57 also nicht mehr eingeladen werden könnte, wird von Martial ausdrücklich als solcher gekennzeichnet und damit von seinem Freund unterschieden (vgl IX 86,1 f festinata sui gemeret quod fata Severi / Silius); das einschlägige Trauergedicht erscheint nicht als Dokument innerer Verbundenheit mit dem Toten, sondern ausschließlich als Verbeugung vor Silius Nachgerade rätselhaft schließlich die Gliederung des Lemmas ‚Severus‘ bei Barié/Schindler tr , 1502: ‚Dichter und Freund Martials‘ (XI 57) – ‚anderer Freund Martials(?)‘(II 6; V 80; VII 38; 49) – ‚andere Person oder der gleiche‘ (V 11; VI 8; VII 34; 79; VIII 61) 230 Wenn Richlin (1992/93b), 537 Anm   34 dieses Gedicht auf einen von Martial umworbenen „beautiful boy“ bezieht, kann dies nur befremden

Personen aus dem Umfeld Martials

55

über sein Aussehen ein (II 87: ‚Froschgesicht‘) 231 Auch die späteren Gedichte zeugen mehrheitlich von eher einfachen Verhältnissen: Seinen Plänen, als pauper in Rom ein Auskommen zu finden, werden vom Dichter wenig Chancen eingeräumt (III 38) Bei Bewirtungen sieht sich der Klient Martial zurückgesetzt (IV 68), bei einer Geburtstagseinladung, weil materiell nicht von Nutzen, gänzlich übergangen (VII 86)232; und auch mit allfälligen Geschenken verfährt S zunehmend sparsam (X 57) Gleichwohl unterstützt ihn Martial in einem – verlorenen – Prozeß (VIII 17)233; von der forcierten Dunkelheit seiner Gedichte distanziert sich der Epigrammatiker, ohne sie zu verspotten (X 21) Vgl auch Kat  3b s v Von diesem S zu unterscheiden ist Domitians gleichnamiger Sekretär a studiis (V 5; vgl Kat 1 Anhang) Sparsus: als „Freund Martials“ (Barié/Schindler tr , 1502) und Besitzer eines mit allen Annehmlichkeiten ausgestatteten Anwesens verständnisvoller Zuhörer von Martials Klagen über die Nöte des Stadtlebens (XII 57) 234 Telesilla: s Kat 8 s v Telesina/-silla Telesinus: vermögender Freund und Geldgeber Martials, der sich selbst als magnus amicus brüstet (III 41(40) mit v  3), gegenüber seinem vetus sodalis jedoch, wie dieser voller Enttäuschung konstatiert, kleinlich auf Sicherheitsleistung besteht (XII 25 mit v  3) In VI 50 wird im Rückblick „die Art und Weise entblößt, wie Telesinus zu Geld gekommen ist“ (Grewing comm , 345), indem er sich nämlich um die Gunst von cinaedi bemühte 235 Terentianus: Freund, Kohortenpräfekt im ägyptischen Syene (I 86,6 f ) Theophila: s Canius Rufus 231 232

So der Gedichttitel bei Barié/Schindler tr , 177 Hier baut Martial seinem Gegenüber eine goldene Brücke, diese Mißachtung als Versehen abzutun, kann er doch seinen vocator bestrafen (v   11), weil dieser „angeblich die Einladung nicht überbracht hat“ (Barié/Schindler tr , 1302) 233 Für die übliche Einstufung des Epigramms als Rollengedicht besteht kein Anlaß, ist sein Inhalt doch unschwer mit Martials Biographie zu vereinbaren: vgl das Kapitel ‚Martial als Anwalt?‘ Daß dem Dichter angesichts des Prozesses die Schamröte ins Gesicht steigt, rührt im übrigen nicht von der Peinlichkeit des verhandelten Gegenstandes (Schöffel comm , 209: „Der Sprecher … [muß] ob des angetragenen Falles rot geworden sein, etwa weil peinliche oder diskreditierende Fakten inbegriffen waren, die anzusprechen nicht nur dem eigenen Ruf, sondern auch dem Klienten geschadet hätte“), sondern seiner eigenen, freimütig eingeräumten Unfähigkeit als Anwalt (so anscheinend nur Craig 1912, 28: „ ‚Sextus, you promised me two thousand sesterces for pleading your case Why have you sent only a thousand?’ ‚Your plea was worthless,‘ you reply, ‚and you ruined my case ‘ ‚You owe me that much more, Sextus, because I endured the shame of failure‘ “) 234 Giese (1872), 31 und Friedländer comm  2, 248 denken ebenso wie Pitcher (1984b) an den Pliniusfreund Iulius S (Plin epist IV 5 tit ; VIII 3) 235 Gerade als Martials vetus sodalis dürfte er, anders als von Mratschek-Halfmann (1993), 352 angenommen, nicht mit C Luccius Telesinus (cos 66; CIL VI 8639; XI 395) zu identifizieren sein

56

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Titus tritt in Sachen Vermögensbildung als Ratgeber des Epigrammatikers auf (I 17); beruflich (VII 10,7: Wucherer?) ist er dafür nachgerade prädestiniert Vgl auch Kat  3b sv Toranius wird zu einer parva cenula eingeladen (V 78 mit v  22) und – nunmehr in der Fremde lebend – IX epist als mi Torani, frater carissime mit einem erklärenden Hinweis auf die Identität des im nachfolgenden epigramma, quod extra ordinem paginarum est genannten Stertinius Avitus bedacht Zur abschließenden Aufforderung para hospiti­ um (ebd ) vgl Friedländer comm  2, 50: „Vielleicht war er ein Spanier, und M trug sich schon damals mit dem Gedanken an die Heimkehr “ Unicus: Verwandter Martials in Spanien, stellt als Dichter von Liebeselegien sein Licht unter den Scheffel, um nicht dem eigenen Bruder den Rang abzulaufen (XII 44) Bowie comm , 214 f vertritt überzeugend die These, bei diesem frater (= ‚Vetter‘) könne es sich um Martial selbst gehandelt haben Urbicus interessiert sich für Martials Epigramme, mag (kann?) jedoch kein Geld für deren Kauf ausgeben und wird entsprechend auf die Möglichkeit verwiesen, sich bei dem gemeinsamen Freund und ‚wandelnden Martialtext‘ Pompeius Auctus einzuladen (VII 51) 236 Wenn ihn Martial angesichts seiner kinderlosen Ehe mit Cosconia vor einem Erbschleicher warnt und ihn auffordert, diesem ein Schnippchen zu schlagen (XI 55), muß dies als Scherzgedicht verstanden werden: U selber hat nach dem Gesagten wohl nicht allzu viel zu vererben; und der angebliche captator Lupus (vgl s v ) ist nicht nur wohlhabend, sondern gleichermaßen mit Martial wie mit U befreundet (vgl XI 55,7), seine harmlose Äußerung hortatur fieri te …, Urbice, patrem (v  1; möglicherweise ein Segenswunsch) nachgerade gewaltsam als verdächtig mißdeutet Den gleichen Namen trägt der als Kleinkind verstorbene Sohn des Bassus (VII 96; vgl Kat 4c) Varro: ein ebenso geschätzter wie vielseitiger Dichterkollege, erhält aus Anlaß der Saturnalien Martials Epigramme übereignet (V 30) Victor: s Voconius Victor Voconius Victor (XI 78 nur Vi ): Freund und Dichter, Knabenliebhaber (VII 29), muß sich anläßlich seiner Hochzeit neu orientieren und dabei – wie Martial launig rät – die Hilfe einer Suburana magistra in Anspruch nehmen (XI 78 mit v  11) 237 –––––

236 Im Falle von weniger vertrauten Interessenten trägt Martial keine Bedenken, stattdessen auf den Buchhandel zu verweisen: vgl I 117 237 Identität mit dem Apul apol 11 genannten Dichter und Hadrianfreund Vo (BALLAND 1998, 50) ist vorstellbar

(Nur-) Adressaten

57

Zu diesem Kreis der im weitesten Sinne als Bezugspersonen des Dichters einzuordnenden Individuen gesellen sich weitere Personengruppen, die mit Sicherheit oder zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit dem real existierenden und mit Klarnamen versehenen Personal der Epigramme angehören: Letztlich wird man hierzu alle Individuen zählen dürfen, deren Pseudonymisierung bzw Fiktionalisierung objektiv nicht geboten war und gegebenenfalls sogar die Aussagekraft der einzelnen Gedichte geschmälert hätte Wie im folgenden auszuführen, scheint diese Bedingung auf ganz verschiedenen Ebenen erfüllt; die Präsentation des entsprechend nach Kategorien untergliederten Belegmaterials folgt, soweit möglich und sinnvoll, dem vorstehend für Martials Patrone und Freunde praktizierten Ordnungsschema II. (Nur-) Adressaten Hier sind die Fälle zu nennen, in denen Martial seine Gedichte mit einem Adressaten versieht, „der jedoch nicht ‚Thema‘ ist“ (Grewing comm , 173), sondern ausschließlich als eine Art Gesprächspartner für den Dichter fungiert und überwiegend dem Kreis der vorgenannten Freunde und Gönner entnommen wird 238 Gründe für eine solche Inszenierung mit einem ‚isolated vocative‘ (der Terminus nach Nauta 2002a, 46) sind in mehrerlei Hinsicht vorstellbar: – Martial will Freunden und Vertrauten – nicht anders als Horaz oder Plinius den Adressaten ihrer Texte – ehrende Erwähnung zuteil werden lassen – Er würdigt ein Individuum, das ihn „zu dem Epigramm veranlaßt haben mag oder einen mittelbaren Bezug zum Thema hat“ (Grewing a a O ), indem es etwa besonderes Interesse an diesem Gegenstand oder aber besonderen Sachverstand für dessen Beurteilung mitbringt 239 – Er sucht damit – vor allem im Kontext von Stadtklatsch – die Vertraulichkeit eines Vieraugengesprächs zu suggerieren – Mit der solcherart vollzogenen Dialogisierung konnte er auch leicht zur Verlebendigung eines Gedichtes beitragen, besonders wenn das Gegenüber nicht auf die reine Zuhörerfunktion beschränkt blieb, sondern als Fragensteller bzw Stichwortgeber in die Gedankenführung einbezogen wurde Keines dieser Motive konnte den Dichter veranlassen, die  – ohnehin nur fakultativ erfolgende – Nennung eines Adressaten durch Namensverschlüsselung oder gar völ-

238 Zum folgenden vgl besonders Cartault (1903) 239 Charakter und Fähigkeiten des Betreffenden stehen dabei häufig in direktem Gegensatz zum Auftreten der im jeweiligen Gedicht inkriminierten Person; dem Adressaten kommt in diesem Fall eine Kontrastfunktion zu

58

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

lige Erfindung der betreffenden Person ihrer natürlichen Grundlage zu berauben240; der Leser seinerseits hätte weder einen Anlaß noch auch nur die Möglichkeit gehabt, die Identität eines solchen Adressaten mit einem aus anderen Gedichten bekannten patronus/amicus gleichen Namens in Frage zu stellen Eine Übersicht über die bei Martial zu belegenden ‚isolated vocatives‘, verbunden mit Überlegungen zur Adressatenwahl in den jeweiligen Gedichten, ergibt folgendes Bild: Katalog 3 a) Namen von Angehörigen der Oberschicht (Domitius) Apollinaris: XI 15 (zum Saturnaliencharakter von Martials Epigrammen); als Kenner und Liebhaber von Martials Dichtung Atticus: IX 99; wohl als gemeinsamer Freund von Martial und Antonius Primus (Stertinius) Avitus: I 16 (über die Qualität von Martials Gedichtbuch); VI 84; X 96241; 102 (hier als begabter Dichter gegen einen Plagiator in Stellung gebracht); XII 75; als Vertrauter Faustinus: I 114; III 39; 47; V 32; 36; VI 7; 53; VIII 41; teilweise mit Bezug auf seinen reichen Grundbesitz In VIII 41 (Ausdruck der Enttäuschung angesichts ausbleibender Saturnaliengeschenke des Athenagoras) pflegt die Mehrheit der Interpreten seit Friedländer comm 2, 22 F nicht auf die Rolle des stummen Adressaten zu beschränken, sondern ihm v   1 f als eigenen Gesprächsbeitrag zuzuschreiben242; doch passen die Einlassungen dieses Distichons weder zur sozialen Stellung von F 243 noch zur Gesprächssituation selbst: Oder warum sollte erst F den Dichter über die für dessen Frustration verantwortlichen Umstände informieren müssen? In Wahrheit liegt ein Monolog vor, dessen Gedankenführung bereits auf B IX vorausweist: ‚A ist in

240 Dies gilt selbstredend auch für die Fälle, in denen ein Name überhaupt nur als ‚isolated vocative‘ zu belegen ist Übervorsichtig das Urteil von Nauta (2002a), 46, der hier eine Aussage über Realität oder aber Fiktionalität für unmöglich hält; ganz abwegig Giegengack (1969), 151–170, wonach in den – von ihr als fiktiv identifizierten – Adressatennamen (frei nach Friedländer) reine Versatzstücke vorliegen, deren Auswahl allein durch die metrischen Erfordernisse der zu füllenden Versstelle bestimmt würde 241 Die generalisierende Aufforderung am Gedichtende (v  13 f ) darf nicht mit Grewing comm , 542 („10,96 scheint ein Klient gemeint“) oder Henriksén comm 1, 52 als unmittelbare Vereinnahmung des Adressaten mißverstanden werden 242 So zuletzt Schöffel comm , 367 f ; v  1 nobis wäre entsprechend auf F und Martial zu beziehen 243 „Jedenfalls dürfte ein Mann, der Villen in Baiae und Tibur besaß, kaum wirklich auf Saturnaliengeschenke angewiesen sein“ (Schöffel comm , 367, der den merkwürdigen Befund dann jedoch als „humorvolle Übersteigerung“ (ebd ) rechtfertigt)

(Nur-) Adressaten

59

Trauer (v  1); ob er wirklich trauert, wird sich zeigen (v  3)‘244 – und IX 95 belehrt den Leser dann in der Tat eines besseren Flaccus: I 57; 59245; 98; IV 42; 49; VII 82; IX 33; XI 27; 95; 98; 100; 101; vorzugsweise in Gedichten über Martials Idealvorstellung von erotisch anziehenden Knaben und Mädchen oder die Beschaffenheit männlicher Sexualorgane, aber auch als Bewohner von Baiae, als Martialleser und als Gegner der verbreiteten Kußmanie Lucanus (einer der Curvii fratres): VIII 75; als Adressat einer Anekdote möglicherweise deshalb angesprochen, weil „Martial hauptsächlich über Lucanus … Zugang zur Patronage der Brüder gewinnen wollte“ (Schöffel comm , 624) (Vibius) Maximus: I 7 (hier als Catulliebhaber  – oder als gebürtiger Veroneser?  – adressiert); 69; V 70246; X 77; Gedichte unspezifischen Inhalts Paulus: V 4; VI 12 (hier wegen seines juristischen Sachverstandes bemüht) (Terentius) Priscus: VIII 12; X 3; XII 92247; als Gesprächspartner für ganz persönliche Fragen Regulus: V 10; 21; in seiner Eigenschaft als talentierter Dichter und Redner b) Namen von amici, sodales aus dem ‚Mittelstand‘ Aemilianus: V 81; Lebensweisheit 248 (Pompeius) Auctus: IX 21; XII 13; unspezifisch 249

244 Die Nebeneinanderstellung von nobis (v   1) und videbo (v   3), jeweils auf die Person des Dichters bezogen, kann nicht weiter befremden: In Äußerungen über sich selbst wechselt Martial auch sonst nach Belieben von der 1 Ps Pl zur 1 Ps Sgl : vgl etwa XI 18,1 f. Donasti, Lupe, rus sub urbe nobis;/ sed rus est mihi maius in fenestra (ebenfalls seine Ernüchterung als Geschenkeempfänger betreffend) 245 Sergi (1988), 131 f will hier im Adressaten einen geizigen, von Martial implizit geschmähten Patron erkennen 246 Von Mratschek-Halfmann (1993), 349 ist die Rolle des M in diesem Gedicht völlig mißverstanden: „Reicher patronus, der es sich leisten konnte, einem Sklaven (…) bei seiner Freilassung 10 Mio HS zu schenken “ 247 Zu diesem Gedicht ganz irrig R Hofmann (1956/57), 442, wonach Martial erklären würde: ‚Ich bin selbst ebenso weit von Reichtum und Macht entfernt wie du vom Mut eines Löwen ‘ 248 A selbst ist von der generalisierenden Aussage semper pauper eris, si pauper es (v  1) nicht betroffen; verfehlt Marina Castillo, in: Moreno Soldevila u a (2019), 18: „Martial says that the pau­ per Aemilianus will never enjoy prosperity “ 249 Recht naiv die Begründung von Galán Vioque comm , 311, warum bei dem Martialfreund (P ) A (VII 51/52) und dem Adressaten von IX 21/XII 13 wohl mit verschiedenen Trägern des Namens zu rechnen sei: „… since in the last two epigrams there is no reference to literary matters, … but to a more pragmatic individual “ Grundfalsch die Gleichsetzung von Adressat und Handlungsträ-

60

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Aulus Pudens (IV 29 P 250, sonst A genannt): IV 29; V 28; VI 54; 78; VII 14; IX 81; XI 38251; XII 51; u a Überlegungen zur Publikumsresonanz der Martialgedichte und Einsichten in den menschlichen Charakter Castricus: VII 4; 37; gerade im VII Buch als Wohltäter geehrt (VII 42) 252 Classicus: II 86; XII 47(46); Aussagen über Dichter und Dichtung Collinus: IV 20; unspezifischer Inhalt, doch ist C eben im IV Buch Gegenstand eines Gedichtes (IV 54) Decianus: I 24 (Sottise gegen einen unmoralischen Heuchler); Stoiker, als moralische Autorität angesprochen Fabianus: IV 24; Stoßseufzer über die leidige Ehefrau Fabullus: V 35; VI 72; XII 20; 22; 85253; Stadtklatsch Versorgt F den Dichter noch in Spanien mit einschlägigen Nachrichten? Iulius (Martialis): IX 97; vielleicht auch I 107; als Freund Lupus: X 40; XI 88; über Beziehungsprobleme des Dichters und sexuelle Nöte eines Dritten Maternus: I 96254; II 74; zumindest im letzteren Gedicht wohl als Anwalt (im Unterschied zu einem hochstaplerischen Kollegen) ins Spiel gebracht Matho: VI 33; Stadtklatsch (Q ) Ovidius: I 105; IX 98; als Experte in Sachen Weinbau

ger, wie sie Mratschek-Halfmann (1993), 351 zu XII 13 vornimmt: „Streit mit seinen Klienten bewahrt den reichen Mann [= A !] davor, ihnen Geschenke machen zu müssen “ 250 Und zwar in der Junktur care P (v  1): Die Verwendung des Namens Aulus wäre hier aus metrischen Gründen nicht möglich gewesen 251 Der varia lectio Aucte (v  1: γ) steht hier das Lemma ad Aulum gegenüber 252 XII 28(29), 1 hat Lindsay (ed ) den Namen nur exempli gratia in den Text gesetzt 253 Anders als XI 30 (an Zoïlus) ist das Gedicht nicht als Beleidigung und anschließende ‚Retourkutsche‘ des Dichters gestaltet 254 Abenteuerlich hier der interpretatorische Mißgriff von Giegengack (1969), 76 f : Hiernach soll noster M (v  2) einen sprechenden Namen tragen („a kinship name, but it may imply effeminacy“) und mit dem im Gedicht denunzierten vir mollis identisch sein, excidit mihi nomen (v   14) entsprechend nicht durch ‚der Name ist mir entfallen‘, sondern ‚der Name ist mir (gerade) herausgerutscht‘ wiedergegeben werden Vallat (2008a), 517 bleibt zwar bei zwei Personen, glaubt aber, Martial habe einen für den fellator passenden Namen „selon un principe … que nous rapprochons de l’hypallage“ auf den Adressaten übertragen

(Nur-) Adressaten

61

Rufus: II 11; 29; 84; III 82; IV 13; V 51; 72; VI 89; in Gedichten, die zwecks Mitteilung einer besonderen Erkenntnis (auch von Klatsch) an einen Vertrauten gerichtet sind Ein thematisches Schwergewicht ist nicht auszumachen 255 (Caesius) Sabinus: XI 8; in einem vertraulichen Gespräch über Martials Lieblingsknaben Safronius Rufus: IV 71; als Mann von herausragender pudicitia Severus: V 11; VI 8; VII 34; 79; VIII 61; unspezifisch, aber zweimal mit Bezug auf – den gemeinsam verachteten? – Charinus (VII 34; VIII 61) Sextus: V 38; als Kenner prekärer Vermögensverhältnisse 256 Titus: VII 59; als gemeinsamer Bekannter von Martial und noster … Caecilianus (v  1) c) Namen von fachlichen Koryphäen ohne persönliche Beziehung zum Dichter Cosmus: IV 53; Salbenhändler (vgl Kat 5), als Fachmann für kultivierte Körperpflege d) Namen ausschließlich als ‚isolated vocative‘ greifbar Über die Gründe von Martials Adressatenwahl sind hier natürlich nur Spekulationen möglich Aefulanus (Aescu-): VI 74 Atilius: IX 85; wie auch Martial Klient des Paulus?257 Caedicianus: I 118; VIII 52; X 32; 84; zum Teil in Gedichten über (gemeinsame?) Freunde Cassianus: III 64; am ehesten als gemeinsamer Freund von Martial und Canius Rufus Catianus: VI 46; als Anhänger der blauen Rennfahrerpartei? Creticus: VII 90; als Freund der Poesie?

255 Cartault (1903), 111 will hier durch Ausschlußverfahren Canius Rufus als Adressaten ermitteln 256 Eine Identifikation dieses S mit dem V 5 angeredeten Hofbeamten gleichen Namens (so Nauta 2002a, 343 Anm  65) wird weder durch den Inhalt des Gedichtes noch durch die ganz unpersönliche Beziehung zwischen Martial und dem a studiis nahegelegt Im übrigen tritt das Hofpersonal auch sonst nirgends im ‚isolated vocative‘ in Erscheinung 257 Von Friedländer comm 2, 95 versuchsweise mit dem Plin epist I 9,8; II 14,2 und VI 8 genannten Atilius (Crescens) identifiziert

62

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Fronto: I 55 Als clarum militiae … togaeque decus (v  2) und als Freund Martials apostrophiert (dieser sieht sich v  1 als tuus Marcus), erscheint er als Vertrauter, dem der Dichter seine Wünsche für ein glückliches Leben offenbart 258 Marcianus: VI 70; Adressat eines Gedichtes über den Wert der Gesundheit, vielleicht als Leidensgenosse des chronisch kränkelnden Epigrammatikers 259 Marullinus: IV 70 Papirianus: VIII 81 Pastor: IX 22; der Plin epist I 18,3 genannte Iunius P ?260 Wohl kaum mit einer adressatenbezogenen Spitze bedacht261; positioniert doch Martial seinen genau spezifizierten Wunsch nach Reichtum (v  15 f ) bereits an dieser Stelle gegen die im weiteren Verlauf des Buches kritisierten Ausflüchte des Gellius (IX 46) Potitus: X 70 Der doctus P (v  2) wird auf Nachfrage über die Ursache von Martials geringer Gedichtproduktion belehrt Da das Epigramm nicht nur um Verständnis für dessen Lage, sondern – implizit – auch für eine allfällige Entlastung zu werben scheint, könnte der Adressat unter den Wohltätern des Dichters zu suchen sein Quintilianus: II 90 An ihn als Vf der Institutio oratoria und Erzieher der römischen Jugend richtet Martial Gedanken über ein sich im Heute erfüllendes Lebensglück Ansprechend die Vermutung, das Gedicht sei als Rechtfertigung gegen zuvor erhobene Vorhaltungen Q s zu denken 262 Rusticus: VIII 23; allem Anschein nach nicht mit dem IX 30 als verstorben aufgeführten Konsular Antistius Rusticus (vgl Kat 4c) gleichzusetzen: Dieser figuriert (ebenso wie – ohne Namensnennung – IV 75) nur als Objekt der von Martial bewunderten Gattenliebe seiner Ehefrau Nigrina (vgl Kat 4a); für persönlichen, ja vertrauten Umgang mit dem Dichter, wie ihn VIII 23 voraussetzt, fehlen alle Anzeichen ––––– Etwas anders verhält sich die Sache natürlich dort, wo Martial boshaft auf ein ‚Spezialistentum‘ anspielt, das seinen Vertreter in ein schiefes Licht rückt Zwar muß auch dann die Identifizierbarkeit des Betreffenden gewährleistet sein, läßt sich doch andernfalls die spezifische Pointe des Gedichtes kaum oder gar nicht erschließen; doch 258 Zu verschiedenen Identifikationsvorschlägen vgl Friedländer comm 1, 200 Den gleichen Namen tragen auch Martials Vater (V 34) und ein stoischer Philosoph (XIV 106) 259 In diesem Sinne Grewing comm , 450 260 So schon Giese (1872), 25 261 Barié/Schindler tr , 1333: „Vermutlich entschuldigte Pastor (…) seine Knausrigkeit mit seiner Bautätigkeit “ 262 So Kappelmacher (1922/23)

Empfänger einer poetischen Würdigung

63

könnte sich Martial hier – traditioneller Interpretenansicht zufolge – zur Verwendung von Decknamen veranlaßt gesehen haben e) ‚isolated vocatives‘ mit erkennbarem Seitenhieb auf die Namensträger Ammianus: II 17; nach II 4 an einer ‚ödipale(n) Mutter-Sohn-Beziehung‘263 beteiligt „Vermuthlich verkehrte der Ammianus (…) Genannte in jener tonstrina, und M will sagen, man wisse wohl, wozu“ (Friedländer comm 1, 249) Callistratus: IX 95b; ein pathicus Gallus: III 92 (gedankliche Fortführung von II 56); ein Hahnrei Gargilianus(?): III 30; vielleicht als Reicher mit den Nöten des kleinen Mannes in Rom konfrontiert Gaurus: IV 67; ein reicher Geizkragen 264 Marianus: II 31 (mit der Frage nach der Qualität einer  – von Martial als Dauergast aufgesuchten! – Dirne); ein Naivling? III. Empfänger einer poetischen Würdigung Hierzu zählen alle Fälle, in denen einer Einzelperson, sei es aus gegebenem Anlaß, sei es ohne einen solchen, eine besondere Ehrung zuteil wird: Denn wollte man hier mit einer Fiktionalisierung von Namen oder Person rechnen, würden die einschlägigen Texte ihrer inhaltlichen Aussage beraubt und zu rhetorischen Fingerübungen herabgestuft, die allein dazu dienen könnten, die poetischen Fertigkeiten ihres Vf zu demonstrieren Worte der Anerkennung findet Martial a) in generellen Lobreden auf Charakter oder Fähigkeiten des betreffenden Individuums; b) in Gratulationsgedichten aus besonderem Anlaß; c) in allen von Hochachtung oder gar Zuneigung getragenen Stellungnahmen anläßlich eines Todesfalls265, wofür die Formen der kurzen Erwähnung, des einfa263 Dies die Gedichtüberschrift bei Barié/Schindler tr , 123 264 Zur Diskussion der hierfür erforderlichen Textgestalt (v  1 Gaure) vgl Kat 8 s v 265 Die zynischen Grabepigramme auf die alte Dirne Philaenis (IX 29) und auf die geile Vettel Plutia und ihren kahlköpfigen Ehemann Melanthion (X 67) sind hier also ebenso fernzuhalten wie das ironische Beileidsepigramm für Saleianus, den Witwer der superreichen Secundilla (II 65); der unernste Epitaph X 63 verzichtet von vornherein auf eine Namensnennung

64

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

chen Berichtes, des Epikedions, des Trostgedichtes oder des Grabepigramms in Frage kommen 266 Für die hier anzusiedelnden Epigramme hat dann zu gelten, daß auch Existenz und Namen der an dem Freudentag teilhabenden Freunde und Familienangehörigen bzw der trauernden Hinterbliebenen als gesichert gelten dürfen 267 Katalog 4 a) Allgemeine Würdigung Agathinus: IX 38; Jongleur oder Akrobat 268 Bruttianus: IV 23; Verfasser griechischer Epigramme Capitolinus: X 101; „Spaßmacher unter Trajan“ 269 Carpophorus: spect 15; 23; 27; Tierkämpfer Claudia Rufina: XI 53; vorbildliche matrona Hermes: V 24270; Gladiator Latinus (vgl Iuv  1,36; 6,44; schol Iuv  4,53; Suet Dom  15,3): IX 28271; Schauspieler (vgl auch Kat  5i) [Scaevus] Memor: XI 9 (vgl auch XI 10); Tragiker, Bruder des Turnus (vgl s v ) und Sieger im Kapitolinischen Agon [Mummia] Nigrina (CIL VI 27 881 zusammen mit ihrem Ehemann Antistius Rusticus [vgl unten Punkt c] in einer Grabinschrift für ihre Sklavin genannt:): IV 75; IX 30; Beispiel bemerkenswerter Gattenliebe Sulpicia (vgl schol Vallae Iuv  6,537; Auson Cento nupt p 153,6 f G = p 218,10 Pe ; Sidon carm  9,261 f ): X 35; Dichterin von Liebespoesie und liebende Ehefrau des Calenus (vgl Kat 2 s v ) 266 Zögernd, aber zutreffend Henriksén (2006), 349 Anm  1: „Even though I can offer no cogent proof, I am inclined to say that this individual [= der gewürdigte Tote] must be real and not fictitious “ 267 In der folgenden Übersicht sind nur die Personen aufgeführt, die nicht schon in die Kataloge 1 und 2 Aufnahme gefunden haben 268 Im letzteren Sinne Slater (2002) 269 Barié/Schindler tr , 1477 270 Das Gedicht ist als Parodie einer Götteraretalogie gestaltet 271 Das Epigramm gibt sich als Beischrift zu einem Bildnis; es besteht jedoch kein zwingender Anlaß, das Gedicht mit Henriksén comm 1, 150 in einem Epitaph zu lokalisieren Völlig rätselhaft Szelest (1963c), 212: „an einer anderen Stelle sagt er [= Martial] von sich selbst ‚… Latinus ille ego sum ‘“

Empfänger einer poetischen Würdigung

65

Turnus (vgl schol Vallae Iuv  1,20; Lyd mag I 41; Sidon carm 9,266; Rut Nam I 603 f ): XI 10; Satiriker, liebevoller Bruder des Memor (vgl auch Kat  5a) b) Gratulationsgedichte aus besonderem Anlaß Caesonia, Frau des Rufus: IX 39; zum Geburtstag Carpus und Norbana: VII 74; zum Hochzeitstag 272 c) Gedichte zum ehrenden Andenken Verstorbener Alcimus: I 88; jugendlicher Sklave Martials 273 [L ] Antistius Rusticus: IX 30; Gatte der Nigrina (vgl oben Punkt a) 274 Antulla: I 114; 116; Tochter des Faenius Telesphorus 275 Aquinus und Fabricius: I 93; zwei eng befreundete Centurionen Canace: XI 91; Tochter der Aeolis (vgl Kat 6 s v ), offenbar am Wasserkrebs (Noma) zugrunde gegangen 276 Carus: X 77; unbescholtener Bürger Demetrius: I 101; Freigelassener und Sekretär Martials Erotion: V 34; 37277; X 61; kindliche Sklavin Martials Eutychus: VI 68; ertrunkener Sklave des Castricus Fabricius: s Aquinus 272 Friedländer comm 1, 512 entscheidet sich für die alternativ überlieferte Namensform Carus (carpo γ : caro β) und vermutet Identität mit dem IX 23 und 24 genannten Dichter 273 Nicht identisch mit seinem V 64 genannten Namensvetter (vgl Kat 6 s v ) 274 Einen Überblick über die Karriere des als Provinzstatthalter in Kappadokien verstorbenen Konsulars gibt Syme (1983) 275 Dieser wird als Nachbar des in Tibur begüterten Martialfreundes Faustinus eingeführt (I 114) und könnte daher mit dem CIL XIV 3762 (Fundort: ‚ex agro Tiburtino‘) genannten F T identisch sein 276 Ihren Namen verdankt die Sklavin Canace einer Spielerei: Ihr dominus gefiel sich darin, das Kind der Aeolis (‚Aeolierin‘) nach der sagenhaften Tochter des Aeolus (vgl Ov her  11,5) zu benennen 277 Eine Einzelinterpretation dieser beiden Gedichte dürfte folgenden von der Forschung weitestgehend akzeptierten Befund erbringen: – E war die Lieblingssklavin des Dichters (anders Bell 1984/85, der mit einer unehelichen Tochter rechnet); – ihrer kindlichen Unschuld gehörte seine ganze Zuneigung (anders P Watson 1992, die Martials Interesse an dem Mädchen erotisch-sexuellen Charakter beimißt); – Martial empfiehlt sie seinen verstorbenen Eltern Fronto und Flaccilla als patroni in der Unterwelt (anders Mantke 1967/68, der die Eltern der Erotion selbst genannt sehen möchte)

66

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Festus: I 78; durch Selbstmord endender Freund Domitians 278 [Cornelius] Fuscus (vgl Iuv  4,111 f ; Suet Dom  6,1; Tac hist II 86; III 12; IV 4): VI 76; Prätorianerpräfekt, gegen die Daker gefallen Glaucia(s): VI 28; 29 (zu seinem Tod auch Stat silv II 1); Freigelassener des Atedius Melior Pantagathus: VI 52; junger Barbiersklave Paris (vgl Iuv  6,87; 7,87–90; Suet Dom  3,1; 10,1): XI 13279; Pantomime Rufus: XII 52; Anwalt und Dichter, Entführer der Sempronia 280 Saloninus: VI 18; Freund und Landsmann des Terentius Priscus 281 [Flavius] Scorpus (vgl CIL VI 10 048; 10 052; seine Darstellung ebd  8628): X 50; 53282; Rennfahrer (vgl auch Kat  5 m) Severus (vgl Plin epist III 7,2): IX 86; jüngerer Sohn des Silius Italicus Urbicus: VII 96; puer des Bassus Varus: X 26; in Ägypten ertrunkener Centurio Vestinus (vgl Stat silv IV 6,93 ff ): IV 73; reicher Freund des Novius Vindex ––––– der Vater des [Claudius] Etruscus: VII 40 die Eltern des Architekten Rabirius: X 71 Lydia: XI 69; Jagdhund des Dexter

278 Friedländer comm 1, 214 denkt hier überzeugend an C Calpetanus Rantius Quirinalis Valerius Festus, zusammen mit Domitian cos (suff ) 71 279 Zur formalen Interpretation des (im Auftrag der Kaiserinwitwe Domitia geschaffenen?) Grabepigramms vgl Weinreich (1940/41) 280 Zum jüngsten Versuch, die verwickelte Personenkonstellation des Gedichtes zu entwirren, vgl Schmitz (2005), wonach hier von der Entführung durch den späteren Ehemann die Rede sein dürfte Originell die – im übrigen schon von Duret (1986), 3227 vertretene – Ansicht von Eden (2001a), 320 f , die ganze Entführungsgeschichte sei nicht als reales Geschehen, sondern als Gegenstand einer von Rufus konzipierten elegischen Dichtung zu betrachten, dieser werde also von einer Figur eigener Erfindung(!) betrauert Damit der antike Leser das Gedicht als leichtes Lesevergnügen und nicht als mühselige Denksportaufgabe wahrnehmen konnte, müssen ihm der Sachverhalt selbst wie auch die Namen der beteiligten Akteure auf jeden Fall vertraut gewesen sein 281 Nach Friedländer comm 1, 438 möglicherweise auch ein Verwandter 282 Da S nach XI 1,15 f noch lebt, müssen die Gedichte der 2 Auflage des X Buches angehören Zu ihrer Einzelinterpretation vgl CIAPPI (2001) und TAFARO (2016), zur Person des S SYME (1977)

Randfiguren aus dem städtischen Umfeld

67

IV. Randfiguren aus dem städtischen Umfeld Offenbar real und mit Klarnamen versehen sind fürderhin Personen, die nur en passant Erwähnung finden, also weder Inhalt noch Pointe eines Gedichtes bestimmen, beim Leser jedoch als bestens bekannt gelten dürfen und so den Realitätsbezug des jeweiligen Gedichtes schärfer zu konturieren vermögen Hierzu gehören – zeitgenössische Vertreter verschiedener Berufsgruppen; – Individuen, denen durch ihre gesellschaftliche Stellung, ihre Eigenarten oder ihr Auftreten eine gewisse, vielleicht auch nur auf ein kleineres Umfeld ausstrahlende Prominenz zukommt Katalog 5 Angehörige verschiedener Berufsgruppen a) Literaten (Dichter, Schriftsteller) Apollodorus: I 61; aus Ägypten Calvinus: VII 90; Dichter minderen Talentes Mussetius (Musaeus?): XII 95; Vf pornographischer Gedichte [Q Remmius] Palaemon (vgl Quint inst I 4,20; Suet gramm   23; Iuv   6,452): II 86; Dichter mit Breitenwirkung 283 Turnus: VII 97; Satiriker (vgl auch Kat 4a s v ) b) Grammatiker, Philologen, Rhetoriklehrer Claranus (vgl Porph Hor sat II 3,83; Auson epist 10,27 (p 230) G = 13,27 (p 244) Pe ): X 21 Modestus: X 21 284 [M Valerius] Probus (vgl Gell I 15,18; Macr Sat V 22,9): III 2 Tutilius (vgl Quint inst III 1,21): V 56

283 Seine Tätigkeit als grammaticus findet bei Martial keine Erwähnung 284 Von Giese (1872), 19 versuchsweise mit Iulius M (vgl Suet gramm   20), von Friedländer comm 2, 120 mit Aufidius M (vgl Plut quaest conv II 1,5, p 632 A) gleichgesetzt

68

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

c) Buchhändler Atrectus: I 117; mit genauer Adressenangabe Q Pollius Valerianus: I 113 Secundus, libertus docti Lucensis: I 2; mit genauen Angaben zu Person und Adresse Tryphon (auch Verleger Quintilians: vgl Quint epist ad Tryph  1): IV 72; XIII 3 d) Anwälte Atestinus und Civis: III 38; dem Adressaten als verstorben, aber bekannt in Erinnerung gerufen (v  5 f utrumque noras) e) Händler und Fabrikanten beliebter (Luxus-)Artikel Capellius: XI 31; Delikatessen(?) Cosmus (vgl Iuv  8,86 mit schol ): I 87; III 55; IX 26; XI 8; 18; 49(50); XII 65; XIV 59; 110; 146 sowie III 82; XI 15; XII 55; Parfümeriewaren (vgl auch Kat  3c) Gratius: IV 39; Silbergeschirr Niceros (vgl Sidon carm  9,323): XII 65 sowie VI 55; X 38; Parfümeriewaren Septicius: IV 88; VIII 71; Silbergeschirr Vitellius: II 6; XIV 8; 9; Schreibtafeln f) Bankiers / Wucherer Cinnamus: IX 92; Cladus (-ius?): II 57; Faventinus und Fuficulenus (Fusi-): II 74; Philetus: II 44; Phoebus: II 44; IX 92285; Secundus: II 44; VII 92

285 Vgl auch Kat 8 s v

Randfiguren aus dem städtischen Umfeld

69

g) Ärzte286 Alcon: VI 70; XI 84; Cascellius: X 56; Criton: XI 60; Dasius287: VI 70; Eros: X 56288; Fannius: X 56289; Heras: VI 78; Hermes: X 56; Hippocrates: IX 94290; Hygia: XI 60; Hyginus: X 56; Paccius: XIV 78291; Symmachus: VI 70; VII 18 292 h) Künstler, Artisten Canus (vgl Suet Galba 12,3): IV 5; X 3; Flötenspieler 293 Glaphyrus (vgl Iuv  6,76 f ; identisch mit dem CIL VI 10 120 genannten citharoedus?): IV 5; Musiker Masclion: V 12; Jongleur i) Schauspieler Latinus: I 4; II 72; III 86; V 61; XIII 2; vgl auch Kat 4a s v Panniculus: II 72; III 86; V 61 Thymele (vgl Iuv  1,36; 6,66; 8,197): I 4 j) Theaterdiener (dissignatores) Leïtus: V 8; 14; 25; 35; Oceanus: III 95; V 23; 27; VI 9 k) Sportler [T Flavius] Artemidorus (vgl IG XIV 746): VI 77; Athlet Athas: IV 19; Läufer Ladas (vgl Iuv  13,96 f ): II 86; X 100; Läufer

286 287 288 289 290 291 292 293

Cinnamus (VI 64) ist aus dieser Rubrik fernzuhalten (vgl Kat 8 s v ) Vgl auch unten Punkt n s v Vgl auch Kat 8 s v Nicht identisch mit dem törichten Selbstmörder von II 80 Der behandelnde Arzt Martials Der in tiberianischer Zeit lebende Arzt? Als Arzt Martials schon V 9 Gegenstand gutmütigen Spottes Nicht in Verbindung zu bringen mit dem verstorbenen Hungerleider gleichen Namens (I 80)

70

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Ninus (Li-): V 12; Kraftathlet Polyb(i)us: VII 72; Ballvirtuose l) Gladiatoren und Tierkämpfer Advolans und Helius: V 24; Myrinus: spect 20; XII 28(29); Priscus und Verus: spect 29; Triumphus: spect 20 m) Zirkusrennfahrer Incitatus: X 76; XI 1 Porphyrio(n): XIII 78 Scorpus: IV 67; V 25; X 74; XI 1; vgl schon Kat 4c s v Thallus (zusammen mit Scorpus auch CIL VI 10 048 genannt): IV 67 n) Betreiber von Badehäusern, Latrinen, Bordellen Dasius: II 52294; Didymus: XII 43; Faustus und Fortunatus: II 14; Gryllus und Lupus: I 59; II 14; Paterclius (Patro-): XII 77; Stephanus: XI 52; XIV 60; Summemmius: I 34 sowie III 82; XI 61; XII 32 o) Hetären/Dirnen Antiope: I 92; Hermione: III 11; Ias: I 34; Vetustina: II 28; Iustina, Laevia, Lycis295, Lyde und Ida: I 71: nach der Buchstabenzahl ihrer Namen ausgewählt, dadurch jedoch nicht als fiktiv erwiesen p) pueri meritorii(?) Amphion und Secundus: XII 75; Galaesus: XI 22; Labyrtas (Labycas): VII 87

294 Vielleicht eher Badediener; der Gedichtinhalt scheint auf eine Tätigkeit als Masseur hinzuweisen: „Er fordert … von Spatale mehr, weil er die dreifache Fläche zu bearbeiten hat“ (R Hofmann 1956/57, 438 Anm   16) Nimmt der balneator die Aufgaben eines mittelalterlichen Baders wahr, könnte D sogar mit dem ‚Arzt‘ von VI 70 zu identifizieren sein 295 Möglicherweise ist hier der Form lycas (γ : lycis β) als lectio difficilior der Vorzug zu geben: Zwar sind griechische Namen auf ­as fast durchweg männlichen Trägern zuzuordnen; doch kennt Martial auch die Hetäre Ias (I 34,7), und aus Poll onom V 47 ist Lycas als Name einer Hündin zu belegen (die Beobachtungen nach La Penna 1994, 15 ff )

Randfiguren aus dem städtischen Umfeld

71

Besonders profilierte Individuen Atlans: VI 77; Zwerg 296 Aufidius von Chios (vgl Iuv  9,25): V 61; „Rechtsgelehrter, der zugleich als Ehebrecher berüchtigt war“ (Friedländer comm 1, 419) Bucco: XI 76; stadtbekannter Schuldenmacher(?) [Mettius] Carus (vgl Tac Agr  45,1; Plin epist I 5,3 u ö ; Iuv  1,35 f ; Sidon epist V 7,3): XII 25; berüchtigter delator Charidemus: I 43; „wohl ein Verurteilter, der zur Strafe einem wilden Eber in der Arena vorgeworfen wurde“ (Barié/Schindler tr , 1163) Daphnis: III 5; Vorbesitzer eines bestimmten Hauses Eulogus: VI 8; wohlhabender Auktionator Fronto: XIV 106; „ein wegen seiner Armut und Bedürfnislosigkeit geschätzter (…) Stoiker“ (Barié/Schindler tr , 1450) Iulianus: III 25; Hitzefreund Massa: XII 28(29): Dieb 297 Metilius: IV 43; Giftmischer Pacorus (vgl Plin epist X 74,1): IX 35; König der Parther Philomelus: III 31; 93; IV 5; ebenso alt wie reich Pompulla: IV 61; eine Reiche? Alte? Mannstolle? Pontia (vgl Iuv  6,638–642): II 34; IV 43; Giftmischerin und Kindsmörderin 298 Sabella: II 41; übermäßig geschminkte Frau Sigerus (bei Dio Xiph LXVII 15,1 und Tert apol  35,9 -ius)299: IV 78; Kämmerer Domitians Spanius: II 41; Dandy mit kunstvoller Frisur 296 Nach M Salanitro (1996b) tatsächlich ein Riese; Iuv  8,32 muß sich nicht notwendigerweise auf das gleiche Individuum beziehen 297 Von der Forschung üblicherweise mit dem Tac Agr  45,1; Plin epist III 4,4 und Iuv  1,35 genannten Baebius Massa, einem de repetundis angeklagten Prokonsul der Baetica, identifiziert 298 Anders VI 75: Dort erscheint P als „Spitzname der Adressatin, der sie als Giftmischerin bloßstellen soll“ (Grewing comm , 487) 299 Auch in den Martialhandschriften schwankt die Form des Namens: sigerosque β : sigereosque γ

72

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Tettius Caballus: I 41; Hofnarr(?) unbekannter Lebenszeit 5,28 nennt Martial Curvii als Musterbeispiel für pietas, Nervae für quies, Rusones für comitas, Macri für probitas, Maurici für aequitas, Reguli für gute oratio und Pauli für ioci Unter diesen ist Ruso nicht mehr kenntlich300, Mauricus hingegen mit dem Senator Iunius Mauricus (Bruder des L Iulius Arulenus Rusticus) zu identifizieren, an dem auch sonst Mut und Charakter lobend hervorgehoben werden (vgl Plin epist I 5,16; IV 22; Plut Galba 8,8) Für die übrigen Namen vgl Kat  1 V. Sklaven Des weiteren sind diesem Personenkreis doch wohl auch die in den Martialgedichten genannten Sklaven zuzuordnen: Hier war die Verwendung von Klarnamen zwar nicht zwingend erforderlich, umgekehrt jedoch auch eine Namensverschlüsselung keineswegs geboten: Nach römischem Rechtsverständnis ohnehin den Sachen zuzurechnen und entsprechend ohne Anspruch auf irgendeine Art Persönlichkeitsschutz, spielen Sklaven bei Martial überdies eine vergleichsweise marginale, nirgends zur Polemik herausfordernde Rolle:301 Soweit nicht nur im Vorübergehen erwähnt, werden sie mehrheitlich als Objekte erotischen Interesses vorgeführt oder aber als Verstorbene betrauert In der nachfolgenden Übersicht sind die domini der einzelnen Sklaven, soweit bekannt, in Klammern zugesetzt; Gedichte auf den Tod von (Ex-)Sklaven (Alcimus, Canace, Demetrius, Erotion, Eutychus, Glaucias, Pantagathus) waren schon in Katalog 4c aufgenommen worden Katalog 6 Aeolis: XI 91; Mutter der Canace (vgl Kat  4c s v ) Alcimus (Martial): V 64,2 302 Alexis: VIII 63

300 Dem Barié/Schindler tr , 1249 genannten P Calvisius Ruso Iulius Frontinus (cos suff  79) treten weitere Anwärter zur Seite 301 Damit ist nicht a priori auszuschließen, daß ein Teil der Sklavenkomparserie auf Erfindung des Dichters zurückgeht 302 Hier ist davon auszugehen, daß Martial einen frisch erworbenen Sklaven neuerlich mit dem Namen des I 88 als verstorben betrauerten puer bedacht hat (Canobbio comm [zu B V], 497) Wenig ansprechend der Gedanke von Friedländer BPhW 9, 1889, 1207, der A von V 64 gehöre zu einem anderen Haushalt

Sklaven

73

Amazonicus (Flaccus): IV 42; die ‚Idealvorstellung von einem Lustknaben‘ 303 Argynnus (Stella): VII 15; hübscher Mundschenk 304 Asylus und Hiërus: IX 103; bildhübsches Zwillingspaar 305 Callistus (Martial): V 64,1; VIII 67,5 Catacissus (Calo-; Martial): IX 93 Cestus: junger, erotisch aufreizender Sklave, der wegen der Zudringlichkeiten eines Päderasten bei Martial Hilfe sucht (I 92), einen Lobpreis seiner Schönheit erfährt (VIII 46) und dem Dichter als Mundschenk aufwartet (VIII 50(51)) In der Forschung kontrovers diskutiert wird die Frage, ob es sich im I und im VIII Buch tatsächlich um die gleiche Person handelt und – wenn ja – ob C zum Hauspersonal des Dichters oder aber seines Gönners Instanius Rufus zu rechnen ist – Der als Identitätshindernis benannte Umstand, „daß der hübsche Cestus seit dem ersten Buch in etwa acht Jahre älter geworden sein dürfte und damit kaum mehr die in 8,46 genannten Eigenschaften erfüllen kann“ (Schöffel comm , 399 Anm  6), ist nicht stichhaltig: In I 92 begegnet der Junge unziemlichen Annäherungsversuchen noch mit hilflos-kindlichen Tränen (v  1); in VIII 46 ist er bereits als tener maritus (v  7) denkbar, hat also mittlerweile die Grenze zur Mannbarkeit erreicht – Für Martial als Besitzer des Sklaven lassen sich keine verläßlichen Hinweise namhaft machen: In I 92 deuten sowohl die Klagen des C wie auch die Reaktion des Dichters auf Martial als Fürsprech und Helfer, nicht jedoch als Eigentümer; das verwickelte Szenario von VIII 50(51) ist wegen v  17 f mit Friedländer comm 2, 28 in den Gemächern des Instanius Rufus zu lokalisieren: „Wie es scheint, erhielt M die Schale an der Tafel des Instantius(sic!) Rufus, wo Cestus aufwartete, zum Geschenk “306

303 So die Gedichtüberschrift bei Barié/Schindler tr , 283 Daß von A wehmütig in der Vergangenheit gesprochen wird (v  16 talis erat … noster Amazonicus), ist wohl nicht seinem Tod, sondern dem Eintritt seiner Mannbarkeit geschuldet 304 Seinen Namen könnte Stella, der Elegiker, aus Properzlektüre bezogen haben, wird A doch Prop III 7,21 f als Liebling Agamemnons genannt (der Gedanke bei La Penna 1994, 17 f ) 305 Durch CIL VI 280 werden die Brüder als Eigentum des späteren Prätorianerpräfekten Tib Claudius Livianus kenntlich (Hülsen 1889) Mag die Kombination der beiden Namen vielleicht auch nicht singulär sein, so ist doch der von Canobbio (2006) ins Spiel gebrachte Bezug des Gedichtes auf Sklaven Domitians (über die Gleichung Iuppiter ‚padre‘ : Castor/Pollux = Domitian ‚padrone‘ : Hiërus/Asylus; v  1 tibi zu similes: ‚dir [an Schönheit] ähnlich‘) definitiv auszuschließen: In einem von Kaiserpanegyrik überquellenden Buch kann sich die Erwähnung des dominus et deus nicht auf ein unscheinbares Personalpronomen beschränkt haben 306 Möglicherweise hat Martial bei dem VIII 73 an Instanius Rufus herangetragenen Wunsch da quod amem (v  4) gerade eine Übereignung von C im Auge gehabt (so Fusi 2014/15, 70 f )

74

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Condylus (Martial): spielt, noch ein Kind, bei Gastlichkeiten seines Herrn die Flöte (V 78,30) und beklagt sich später über sein Los als Sklave (IX 92) Für einen Bezug der beiden Epigramme auf verschiedene Namensträger läßt sich keine überzeugende Begründung beibringen: Der parvus C von V 78 kann fünf Jahre später zum adulescens herangewachsen sein; und IX 92,12 heißt Gaius … tuus nicht ‚dein Herr Gaius‘ (so etwa Henriksén comm 2, 137), sondern ‚der von dir zum Vergleich bemühte Gaius‘: Mit dem Sklaven eines anderen307 könnte Martial die berichtete Unterhaltung wohl gar nicht führen Cyrta(s): VI 39,17; morio Diadumenus (Martial): III 65; V 46; VI 34; junger Sklave, der den Dichter durch seine Küsse bezaubert Encolpus (Aulus Pudens): amor seines Herrn, gelobt für den Fall von dessen Beförderung zum primipilus ein Haaropfer (I 31 mit v  2), das er wenige Jahre später tatsächlich darbringt (V 48) 308 Hermeros (Cydas): X 83 309 Hiërus: s Asylus Hyacinthus (Martial?): VIII 63,2 310 Hylas (Euctus): XI 28 Die Junktur medici Eucti H nennt den Sklaven allerdings nicht mit Namen, sondern stellt ihn im Sinne eines Appellativums neben den mythischen Heraklesfreund: Wie dieser ist der Arztgehilfe nicht nur ausnehmend hübsch, sondern eben auch in der Funktion eines „right-hand man“ (Kay comm , 134) zu sehen 311 Hyllus (Afer): IX 25; wegen seiner Schönheit von seinem Herrn eifersüchtig gehütet Hypnus (Hym-; Martial): XI 36,5 f ; XII 75,2; an ersterer Stelle vielleicht als Schlafmütze (Hypne, quid exspectas, piger), an letzterer als mädchenhaft charakterisiert

307 R Hofmann (1956/57), 464 f rechnet mit einem „fremden Sklaven, der über sein hartes Schicksal jammert “ 308 Zum Detail vgl Kat 2 s v Aulus Pudens 309 Hier sind auch andere Erklärungen vorstellbar: vgl Fröhlich, in: Damschen/Heil comm , 297 Eden (1989), 123 f denkt an einen Gladiator mit kahlgeschorenem Kopf und Cydas als seinem lanista 310 Nostrum … Hyacinthum verweist möglicherweise nicht auf die Besitzerrechte, sondern die besondere Zuneigung Martials 311 Der pulcher H von III 19 (jugendliches Opfer eines Schlangenbisses) und der lippus H von VIII 9 (ein von Erblindung bedrohter Schuldner) sind allein schon durch ihre Attribute von dem medici Eucti H klar geschieden

Sonstige

75

Mistyllus (Aemilianus): I 50; von seinem dominus mit einem albernen (mangelnde Griechischkenntnisse verratenden?) Namen belegt Nasta (Lupercus): IX 87,4 f Plecusa/Phlegusa (Lalage): II 66 Polyphemus (Severus): VII 38; häßlicher (einäugiger?) Riese, trägt – ebenso wie seine Mitsklavin Scylla – seinen Namen zurecht 312 Scylla (Severus?): VII 38; s Polyphemus Spendophorus: reist als bezaubernder, durch seine Haarpracht auffallender (X 83,7 f ) armiger zusammen mit seinem Herrn nach Libyen (IX 56) 313 Theopompus: X 66; hübscher Junge, von seinem Herrn in die Küche gesteckt 314 Thestylus (Voconius Victor): tormentum dulce seines Herrn (VII 29 mit v  1), auch von Aulus Pudens geliebt (VIII 63,1) VI. Sonstige Zur Gruppe der Klarnamenträger dürften abschließend noch einige weitere Individuen gehören, für die Verschleierung ihrer Identität keinen Gewinn, vielleicht sogar eine Beeinträchtigung ihres Andenkens bedeutet hätte Dies betrifft einerseits Menschen, die sich durch ein erinnernswertes Vorkommnis als Gegenstand einer – wertungsfrei erzählten – Anekdote empfehlen konnten315, zum anderen Personen, die sich mit ihrem Schicksal als Aufhänger für weitergehende Überlegungen/Pointen eignen, in deren Kontext jedoch selber keine Rolle mehr spielen 316

312 313 314 315

316

Der mißlungene Versuch, dem Gedicht eine metapoetische Aussage abzutrotzen, bei Grewing (2010), 152 f Von Giese (1872), 32 trotz des Hinweises auf Libyen als ‚armiger Domitiani‘ identifiziert (ebenso noch Canobbio 2006, 90) Durch XII 64 könnte er möglicherweise als Sklave des Cinna kenntlich werden In einschlägigen Berichten ist Namensnennung keineswegs zwingend: vgl III 24 (peinliches Mißverständnis beim Opfer); IV 18 (Tod durch einen Eiszapfen); VIII 75 (eine verhängnisvolle Fußverletzung) Zu Martials ‚Epigrammen auf merkwürdige Vorfälle‘ vgl Szelest (1976), die hier – im Gegensatz zu griechischen Gedichten vergleichbaren Inhalts – ebenfalls mit den „Namen wirklicher Personen“ und damit einer „stärkeren Individualisierung“ bzw einem „höheren Grad an Realismus“ (257) rechnet Im Gegensatz zu den in Kat 5 aufgeführten Personen mit besonderem Profil handelt es sich hier um reine Statisten, deren Bekanntheit beim Leser nicht notwendigerweise vorausgesetzt zu werden braucht

76

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

Katalog 7 a) Zentrale Figuren einer Anekdote Caerellia (mater): IV 63; kommt vor Baiae durch Ertrinken zu Tode 317 Curiatius: IV 60; verstirbt in dem ‚Luftkurort‘ Tibur Horatius: IV 2; erfährt durch wundersamen Schneefall Weißfärbung seiner Toga (das gleiche Ereignis auch IV 3) Hylas: III 19; hübscher Knabe, wird unter besonderen Umständen Opfer eines Schlangenbisses Ladon: X 85; Ex-Kapitän, schafft sich einen originellen Hochwasserdamm Philostratus: XI 82; stürzt, bezecht, auf der Treppe seiner Mietwohnung Zu Achillas (III 91) vgl Kat 8 s v Die Anekdote von Diodorus und Philaenis (IX 40) wird man hier angesichts ihrer Schlüpfrigkeit nicht berücksichtigen wollen; doch mag das Sexualleben des Paars für „Greek inhabitants of Egypt“ (P A Watson 2005, 74) vorstellbar sein 318 b) Personen, die nur als Einstiegshilfe zu einem Thema hinführen Der Tod von Andragoras (VI 53), Carus (X 77) und dem einzigen Sohn des Salanus (VI 62) gibt Anlaß zu Ausfällen gegen Ärzte und Erbschleicher; ein Schuldenerlaß für Caietanus (VIII 37) bietet die Handhabe, den Edelmut seines Gläubigers zu relativieren VII. Auswertung von Katalog 1–7 Aus den bisherigen Ausführungen, die ja gewissermaßen als Vorstudien zur Untersuchung über Martials Namengebung in den Skoptika dienen sollten, sind folgende dem Fortgang der Überlegungen förderlichen Ergebnisse zu gewinnen: 1

Die Gruppe von Personen, für die Erfindung des Namens oder gar Fiktionalisierung letztlich ausscheiden, erweist sich als recht umfangreich Zwingend ist diese Annahme in allen Gedichten, die  – vorzugsweise gegenüber langjährigen oder

317 318

Für den differenzierenden Zusatz von mater vgl Kat 8 s v Beide Namen sind bei Martial noch ein weiteres Mal vertreten: vgl Kat 8 s v

Auswertung von Katalog 1–7

77

aber potentiellen Gönnern – Bewunderung oder Anteilnahme ausdrücken und damit unter anderem auch auf materielle Erkenntlichkeit spekulieren319, aber auch in solchen, die eine enge Vertrautheit mit – teilweise hochgestellten – Freunden dokumentieren In anderen Fällen bestand zumindest keine Veranlassung für ein Ausweichen auf Pseudonyme: Soweit die als ‚isolated vocatives‘ eingesetzten Namen noch aus weiteren Gedichten zu belegen sind, hat sie Martial nahezu durchgehend aus dem Personenkreis seiner Vertrauten bezogen; und wenn der Dichter durch beiläufige Nennung von bekannten Zeitgenossen an die Realitätserfahrung seiner Leser zu appellieren sucht, bleibt ebenfalls kein Raum für eine freie Namenwahl Auf die in den Gedichten mit Namen auftretenden Sklaven schließlich brauchte Martial angesichts ihrer gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit keinerlei Rücksicht zu nehmen; eine Erfindung einschlägiger Individuen als Staffage wäre hier allerdings nicht ausgeschlossen In Bezug auf die schärfer konturierten Personen der vorstehenden Kataloge bleibt sodann festzuhalten: 2

Wo sich der Dichter gegenüber Patronen und Freunden äußert, tritt die ganze Bandbreite einer im gesellschaftlichen Miteinander verwurzelten Kommunikation zutage; die Mannigfaltigkeit der behandelten Themen scheint nicht a priori auf personale Konstanz der beteiligten Personen zu verweisen (vgl etwa Flaccus, Instanius Rufus, Paulus, Stella, Bassus, Lupus, M(a)evius, Marius, Maro(n), Matho, Polycharmus, Rufus, Sextus)

3

Im Lauf der Jahre können die objektiven Verhältnisse, aber auch Martials subjektive Beziehung zu den Genannten einem Wandel unterliegen (vgl etwa Aper, Caecilianus oder Paulus, Terentius Priscus, Postumus); die Sicht des Dichters läßt sich solcherart nicht ohne weiteres auf einen einzigen Nenner bringen

Diese beiden Beobachtungen müssen davor warnen, Friedländers Beispiele von gleichen, doch in verschiedenem Kontext auftretenden Namen vorschnell als ausreichendes Argument für die Beliebigkeit von Martials Namenwahl anzusehen 4

319

Auch Personen, die als amici bzw sodales angesprochen oder durch ihren Steckbrief als Angehörige der Oberschicht ausgewiesen sind, erfahren unter besonderen Umständen Kritik oder Zurückweisung (vgl etwa Laetorius, Paulus, Ponticus, Vibius Maximus, Candidus, Gallus):320 Eine saubere Trennung zwischen

Der Klient Martial ist auf die wohlwollende Unterstützung begüterter Zeitgenossen angewiesen; doch ist durch diese Feststellung keineswegs impliziert, er habe seinen Adressaten einzelne Gedichte im engeren Sinne verkauft 320 Hiervon zu unterscheiden sind einfache Frotzeleien, wie sie etwa Stella wegen seiner Vorliebe für Fingerringe (V 11; 12) und Juvenal wegen seines Klientendaseins (X 18) erfahren

78

Die Klarnamen – Regel oder Ausnahme?

geschätzten und eher reserviert betrachteten Zeitgenossen (nach landläufiger Meinung also zwischen Klarnamen und Pseudonymen) wird durch den Befund nicht nahegelegt 5

Bei der Namensnennung verfährt Martial nach festen Regeln, die nicht zuletzt die problemlose Identifizierbarkeit der einzelnen Namensträger gewährleisten sollen In der Regel bedient er sich hierbei des Cognomens; wo dieses keine zwingende Zuordnung erlaubt, verwendet er alternativ das Nomen321 oder die Kombination von Nomen und Cognomen 322 So lassen sich Rusticus und Antistius Rusticus, Gallus und Munatius Gallus, Telesphorus und Faenius (Telesphorus), Caecilius und (Caecilius) Secundus, Caesius und (Caesius) Sabinus, Rufus und Camonius (Rufus), Canius (Rufus), Instanius (Rufus), Iulius Rufus, Safronius (Rufus), Claudia und Claudia Peregrina bzw Claudia Rufina klar voneinander scheiden 323 Ein Wechsel zwischen Nomen und Cognomen erfolgt höchstens mit Rücksicht auf das jeweils verwendete Metrum (bei Domitius Apollinaris, Iulius Martialis, Aulus Pudens); ein beliebiges, weil unbegründetes Jonglieren mit einzelnen Namensbestandteilen, wie es die Forschung zuweilen konstruiert324, ist nirgendwo zu erkennen

6

Stellen, die eine Übertragung bekannter Namen auf neue Personen zu signalisieren schienen, verloren bei näherem Zusehen ihre Aussagekraft (vgl Flaccus, Terentius Priscus)

321

So stand für Velius – gleichgültig ob mit V Paulus oder V Rufus zu identifizieren – das Cognomen nicht mehr als eindeutige Identifikationsgrundlage zur Verfügung  – Nennung des Nomens kann ansonsten natürlich auch dort erfolgen, wo der Genannte über gar kein Cognomen verfügt oder dieses sich metrisch nicht in den Vers integrieren ließ; im letzteren Fall konnte Martial auch auf das ansonsten für gute Freunde reservierte Praenomen ausweichen (vgl  – im einzelnen heute nicht mehr schlüssig auf Freundschaft oder aber Verlegenheit zurückzuführen – Gaius, Marcus, Publius, Quintus, Sextus, Titus) 322 Diese Doppelnamigkeit ersetzt das einfache Cognomen auch in den Gedichten, in denen erhöhte Anforderungen an eine sichere Identifikation zu stellen waren oder eine gewisse Förmlichkeit nottat; dies betrifft Caesius Sabinus, Iulius Cerialis, Pompeius Auctus, Stertinius Avitus, Terentius Priscus, Vibius Maximus und Voconius Victor 323 In den Fällen von Gallus, Macer, Polla, Postumus, Secundus und Severus verzichtet Martial auf eine weitere Differenzierung der Namen: Hier scheint ihm die Personencharakteristik in den Gedichten als Differenzierungsmerkmal zu genügen 324 Barié/Schindler tr , 1264 erwägen, den disertus Secundus (V 80 mit v  6 f ) wahlweise mit Caecilius Secundus (VII 84) oder dem facundus Plinius (X 20(19) mit v  3) gleichzusetzen; Balland (1998), 51 ff will aus Bruttianus (IV 23) und Cerrinius (VIII 18) einen Cerrinius Bruttianus zusammenfügen und diesen dann mit dem Hadrianfreund C Bruttius Praesens(!) identifizieren, Rodríguez Almeida (2014), 246 f in [Novius] Vindex (IX 43 und 44) Martials sodalis Novius (I 86; VII 72) erkennen, Tromaras (2004) aus dem Bereich der ‚Opfer‘ Spatale (II 52) und Caelia (IV 61 u ö ) gleichermaßen mit der CIL VI 20 940 genannten Caelia Spatale verbinden; und Velius Paulus soll teils als Velius (IX 31), teils als Paulus (X 10) auftreten können (PIR2 P 182)

Auswertung von Katalog 1–7

79

Mit diesen Erkenntnissen vor Augen, gilt es nun, auch den Kreis der von Martial verspotteten ‚Opfer‘ in den Blick zu nehmen und zu prüfen, ob der Dichter in diesem Bereich bei der Auswahl von Personen und Namen tatsächlich völlig andere Prinzipien verfolgt

C Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen? I. Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte Im Zusammenhang einer Beschäftigung mit den in Martials Skoptika auftretenden Personennamen gibt gerade die Vorstellung der von Friedländer postulierten Namensvergabe nach Gutdünken zu kritischen Reflexionen im Vorfeld Anlaß: Setzt sie doch beim schaffenden Dichter ein inkonsequentes, schwerlich begründbares und durch keinerlei Vorteil empfohlenes Vorgehen voraus: 1

Angesichts einer tendenziell unbegrenzten Menge von Namen – griechischer Individualnamen wie lateinischer Gentil- und Beinamen -, die dem Dichter ebenso wie die Möglichkeit, Namen ganz zu unterdrücken, nach Belieben zu Gebote stand, ist kein Grund erkennbar, warum Martial in einer Reihe von Fällen seiner Phantasie Zügel angelegt und zu einer faktisch unbegründeten Namenswiederholung gegriffen haben sollte, zumal diese – zumindest dann, wenn sie im Abstand nur weniger Jahre oder gar innerhalb des gleichen Buches erfolgte – auch für den Leser Signalwirkung entfalten, diesen also auf eine falsche Fährte locken mußte

2

Im Widerspruch zu Friedländers Generalregel finden sich Namenswiederholungen, die erkennbar auf gleichbleibender Identität der genannten Personen beruhen, über das gesamte Epigrammcorpus verstreut Dies gilt vor allem für die auf Zoïlus gemünzten Gedichte, die in den Büchern II–VI und XI–XII nachgerade zwei buchübergreifende Zyklen bilden; darüber hinaus konstatiert etwa Williams comm (zu B II), 8 auch in den Fällen von Galla, Philaenis, Phoebus, Cordus, Ponticus und Cosconius eine über die Jahre zu beobachtende personale Kontinuität; und Moreno Soldevila (2014) spricht Marianus, Cotilus, Ma-

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

81

rulla, Labulla, Cosconius, Sabellus, Phoebus und Lupercus eine einheitliche „caracterización“ (314) zu 325 3

Schließlich ist auch Friedländers eigenes Argument, wonach sich nämlich die von Martial unter einem einzigen Namen rubrizierten Daten nicht zu einem kohärenten Gesamtbild fügen, keineswegs schlüssig, läßt es sich doch ohne weiteres umkehren: Gerade wenn Martial unter den einzelnen Namen Gedichte mit verwandter Motivik versammelt und so die von Friedländer geforderte Einheitlichkeit geschaffen hätte, müßte daraus auf die persönlichkeitsunabhängige Verwendung von Typennamen (der Geizige, der Kahlkopf) geschlossen werden, während umgekehrt die vordergründige Uneinheitlichkeit der mit gleichem Namen bedachten Charaktere durch die Komplexität im Auftreten lebender Personen und damit durch die Aspektvielfalt lebensweltlicher Erfahrungen erklärt werden kann: Ein Individuum X mag eben einmal wegen seines Kahlkopfes, ein anderes Mal wegen seiner Raffgier oder seiner Freßsucht Spott auf sich ziehen

Nach dem Gesagten besteht kein Anlaß, für die Gesamtheit von Martials Schmähgedichten a priori an der Gültigkeit der Gleichung ‚ein Name = eine Person‘ zu zweifeln; vielmehr ist daraus das Postulat abzuleiten, diese Hypothese einmal für die Gesamtheit der mehrfach auftretenden ‚Opfer‘namen in praxi durchzuspielen, um dann aufgrund dieser Materialsammlung ein begründetes Urteil über ihre Berechtigung fällen zu können Ein positiver Nachweis dafür, daß sich der Epigrammatiker an den Grundsatz der individualisierenden Namengebung gehalten hätte, läßt sich freilich nicht führen; doch da sich ein solches Verfahren als das natürliche geradezu aufdrängt, die Beweislast entsprechend den Vertretern der Gegenposition aufzubürden ist, genügt es, die einschlägige Argumentation ex negativo zu führen: Wofern sich die These, ein von Martial benutzter Name sei nur mit der Vorstellung einer bestimmten Person verbunden, nicht zwingend falsifizieren läßt, darf diese für sich Gültigkeit beanspruchen und Eingang in die Interpretation der Epigramme finden Konkret gilt es mithin, eine nach dem Muster der zuvor unternommenen Katalogisierung von Patronen und Freunden konzipierte Übersicht über alle mehrfach genannten Personen von zweifelhaftem Renommee zu erstellen326 und dabei zu prüfen, ob sich die zu den einzelnen Namensträgern berichteten Fakten im Sinne einer potentiellen Vereinbarkeit zueinander in Be325

Diese Beobachtung läßt sich ihrerseits nur schwerlich mit der Fiktionalität der Namensträger vereinbaren; vgl das unkritische Referat von Russotti (2019), 287 und 288 (zu I 79 und II 7): „…è ben nota e riconosciuta, in Marziale, la tendenza a costruire dei piccoli ‚cicli‘ indirizzati contro alcuni personaggi fittizi dalle caratteristiche coerenti, disseminando i componimenti anche in raccolte differenti tra loro … il che rende possibile che Marziale abbia deciso di sviluppare, con la composizione di un epigramma inserito nella raccolta immediatamente successiva, il profilo del personaggio abbozzato in I 79 “ 326 Auch hier ist wieder daran zu erinnern, daß sich mancher der scheinbaren ‚Angriffe‘ für den Römer selbst eher als deftiger Scherz dargestellt haben mag, der folgende Katalog also auch Personen

82

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

ziehung setzen lassen 327 Im einzelnen müssen dabei folgende Unsicherheitsfaktoren in Rechnung gestellt werden: 1

Da Martial nirgendwo die Absicht verfolgt, Bausteine für eine repräsentative Kurzbiographie bzw eine erschöpfende Charakteranalyse bereitzustellen, kann und darf auch der Interpret eine solche nicht leisten wollen Was er aus den Gedichten ableiten kann, ist ausschließlich ein auf Momentaufnahmen basierendes Gedankenmodell, zu dem im einzelnen durchaus Alternativen vorstellbar sind

2

Gerade wenn man mit real existierenden Personen rechnet, können Martials Darstellung spezifische Eigenheiten der Betreffenden zugrunde liegen, die in dieser Darstellung selbst nicht weiter zum Tragen kommen: So hatte der Dichter seinen Freund Bassus für dessen sexuelles Interesse an alten Frauen verspottet (III 76) und die eigene Inanspruchnahme bei dessen Witwenbesuchen beklagt (IX 100); doch wird die aus diesen Gedichten abzuleitende Schlußfolgerung, daß nämlich der real existierende Bassus als Erbschleicher unterwegs war, nirgends ausgesprochen Der Interpret darf sich also durchaus legitimiert fühlen, Überlegungen zum lebensweltlichen Hintergrund der Epigramme anzustellen und so jenseits der vorliegenden Textnachrichten Möglichkeiten einer Verbindung auszuloten Dabei sollte er sich selbstredend hüten, allzu tief in den Bereich der Phantasie abzugleiten

3

Das aus Martials Angaben zu extrapolierende Signalement darf – pace Friedländer – ganz unterschiedliche Züge aufweisen (Geizhals, Kahlkopf, Trunkenbold); die Perspektive des Dichters kann dabei ebenso wechseln wie seine generelle Einstellung zu der behandelten Person Allein im Falle ihrer völligen Unvereinbarkeit sind Martials Mitteilungen geeignet, mehrere Träger des gleichen Namens zu belegen: Ein als junger Hungerleider vorgestelltes Individuum sollte nicht im Buch zuvor unter gleichem Namen als steinalter Geldsack in Erscheinung getreten sein

4

Vorsicht ist insbesondere bei widersprüchlichen Verdächtigungen im Bereich sexuellen Fehlverhaltens geboten: Verbinden sich hier doch substanzlose Gerüchte, mutwillige Mißdeutungen und stereotype Formen der Verunglimpfung leicht zu topischen Konstrukten, die nicht im einzelnen einem faktischen Hintergrund verpflichtet sind

umfaßt, zu denen Martial, ohne sie je amicus oder sodalis zu nennen, eine kumpelhafte Beziehung unterhalten haben könnte 327 Die folgenden Überlegungen gehen davon aus, daß sich auch dieser Personenkreis aus real existierenden Individuen zusammensetzt Die Berechtigung dieser Annahme wird sich passim aus dem Fortgang der Untersuchung ergeben; für den Augenblick mag der Hinweis genügen, daß Martial seine Freunde weder als Mitakteure (z B II 69 Melior) noch als Ohrenzeugen (etwa V 35 Fabullus) oder Gesprächspartner (XI 40 Aelianus) mit dem Handeln von Phantasiegestalten in Verbindung gebracht haben dürfte

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

5

83

Die Gedichte müssen das in ihnen behandelte Geschehen nicht notwendigerweise streng chronologisch abarbeiten Zwar sollte ein verstorbener Zeitgenosse nicht einige Bücher später als Gast eines Gelages wieder auftauchen; zu akzeptieren sind Verstöße gegen die Chronologie jedoch a) überall dort, wo Martial zu einem späteren Geschehen die Vorgeschichte nachliefert: III 82 nimmt er an einer cena bei Zoïlus teil, die schon II 19 im Rückblick als widerlich klassifiziert worden war; IV 79 verkauft er ein Landgut, bei dessen Erwerb (VI 5) und Ausstattung (V 62) er sich zuvor übernommen hatte b) mehrfach in Buch X, weist dieses doch neben den ursprünglichen Gedichten weitere, erst der – zeitlich nach Buch XI entstandenen – Zweitfassung des Buches (vgl X 2,1–5) zuzuordnende Epigramme auf: So hat Martial in X2 die Rückkehr nach Spanien fest im Blick (X 13(20); 37; 78; 96; 103; 104), während diese in XI noch nirgendwo in Erwägung gezogen wird 328 c) durchgehend in Buch XII, das offenbar aus ganz disparaten Teilen zusammengesetzt ist: Dort finden sich neben aktuellen, erst in der Gegenwart Spaniens verfaßten Gedichten (XII 1; 2(3); 5(2); 9; 14; 18; 21; 24(?); 31; 44; 60; 62; 63(?); 68; 98) Übernahmen aus einer vormals für Nerva zusammengestellten Anthologie (XII 4(5))329, in die ihrerseits Teile von B X und XI330 wie auch zusätzliche Gedichte eingeflossen waren (XII 5(2); 6,1–6; 11; 15; 28(29); 29(26); 36; 47(46))331, und schließlich bisher unveröffentlichte Epigramme, die in Rom situiert und doch wohl auch dort entstanden sind (besonders auffällig XII 25 mit Bezug auf Martials agellus, 29(26) über sein Klientendasein in Rom, 57 über sein geliebtes Nomentanum sowie 59 mit v  1 f tantum dat tibi Roma basiorum / post annos modo quindecim reverso) Ob sich dieses Mixtum compositum Martial selber verdankt (als Aufstockung einer aus Anlaß der Heimkehr von Terentius Priscus kurzfristig arrangierten adventoria: vgl XII epist  21 f )332 oder auf einen postumen Editor zurückgeht, welcher

328 Nach Vallat (2008b), 961 ff könnte das von Friedländer comm 2, 217 ans Ende von B XI gesetzte Epigramm spect 33 – gegen seine Überlieferung im schol Iuv  4,38 panegyrisch verstanden! – ein letztes Überbleibsel der getilgten Gedichte von X1 darstellen 329 Nerva selbst wie auch sein cubicularius Parthenius (XII 6 bzw  11) sind mittlerweile nicht mehr am Leben 330 Irrig hier Craca (2008b), 75 Anm  15, wonach nur B XI „oggetto di una rielaborazione dopo che Partenio … fu messo a morte nel 97“ geworden wäre 331 Der auf die Anthologie zurückgehende Textbestand wird hier versuchsweise mit den Textauslassungen der Handschriftenklasse γ in Verbindung gebracht (die gleiche Vermutung auch bei Lehmann 1931, 48–52 und Citroni (1988)1996, 50 Anm  52) 332 Nach eigenem Bekunden verfügt der Dichter allzumal auch über secreta … carmina et rudes curas (I 66,5)

84

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

den bis dato unpublizierten Nachlaß des Dichters sichtete333, muß letztlich offenbleiben 6

Sollten sich Indizien finden lassen, welche die Gültigkeit der Hypothese ‚ein Name = eine Person‘ widerraten, bleibt immer noch zu prüfen, ob wirklich im Sinne Friedländers mit der beliebigen Streuung eines Namens zu rechnen ist oder ob nicht vielmehr dessen bedachte Verwendung für eine überschaubare Anzahl klar unterscheidbarer Individuen konstatiert werden muß Eine solche Beobachtung wäre dann natürlich am ehesten in Verbindung mit den wirklichen Namen zu erklären und müßte als Argument für deren Verwendung herangezogen werden 334 Katalog 8

Achillas: Unter diesem Namen kennt Martial einen jugendlichen fugitivus (III 91 mit v  3), der den Mittelpunkt einer Anekdote bildet, sowie – nach landläufiger Interpretation – einen Faustkämpfer (πὺξ ἀγαθός: ‚stark mit der Faust‘), der durch finanzielle Zuwendungen der reichen Gabinia die Position eines ἱππόδαμος, d h eines Ritters (und Liebhabers der Dame) erreicht (VII 57 mit v  2) 335 Hält man auch ein syntaktisch schiefes Wortspiel für vorstellbar, ergibt sich indes eine weit raffiniertere Pointe, die zudem den Akteur von III 91 wieder ins Spiel bringt: Demzufolge würde Gabinia einen Burschen, der sich bisher von Männern hätte passiv gebrauchen lassen (πύξ als Nebenform von πυγή ‚Steiß‘; vgl den Aristot physiogn 6, 810b 1 belegten Akkusativ πῦγα), nunmehr für die aktive Rolle eines frauenbefriedigenden ‚Rossebändigers‘ in Anspruch nehmen 336 Da sich eine sexuelle Neuorientierung dieser Art am ehesten bei einem soeben mannbar gewordenen Jüngling vorstellen läßt, kommt der ohnehin als insignis forma nequitiaque charakterisierte Junge des früheren Gedichtes (dort v  4) dafür natürlich bestens in Frage: VII 57 würde demnach nicht von einem Ritter und ehemaligen Faustkämpfer, sondern einem libertus und ehemaligen puer delicatus handeln 337 333

So Lehmann (1931), 48–52; seine 14–32 argumentativ untermauerte Vermutung, die Bücher I– VII seien im Rahmen einer Gesamtausgabe (diese postuliert nach VII 17) von Martial selbst mit Zusatzgedichten versehen worden, dürfte dagegen keine Befürworter mehr finden 334 Im Kreis der mit Klarnamen genannten zeitgenössischen Prominenz sind solche Fälle personenübergreifender Gleichnamigkeit zweifelsfrei gegeben: Das Cognomen Macer etwa trägt nicht nur ein Kurator der Via Appia (X 18(17)) und Legat in Dalmatien (X 78), sondern auch ein Prokonsul der Provinz Baetica (XII 98) (und ein verarmter Ex-Ritter: VIII 5); Lucanus heißt der Dichter der Pharsalia (I 61 u ö ), aber auch der ältere der beiden Curvii fratres (I 36 u ö ), Celer ein legatus Aug. pr.pr der Hispania Citerior (VII 52) wie auch ein potentieller Plagiator (I 63) 335 Zur Gegenüberstellung des eques Castor und des Faustkämpfers Pollux vgl etwa Ov am 3,2,54 336 „Die ‚richtige‘ Frau konnte einen Cinaeden zum fututor machen“ (R Hofmann 1956/57, 444) 337 Abwegig dagegen Eden (1999), 580 f Daß A durch das Geld seiner Gönnerin evtl in die Lage versetzt wird, sich als Ritter zu gerieren (vgl Reinhold 1971, bes  285 ff ), bleibt indes nach wie vor denkbar

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

85

Aegle: Hetäre mit künstlichen Zähnen (I 72) 338 Seit neuestem bietet sie Oralverkehr (I 94), den sie in späteren Jahren sogar kostenlos ausübt, während sie sich Küsse teuer bezahlen läßt (XII 55); zu ihrem Leidwesen ist sie zeitweise mit impotenten Kunden geschlagen (XI 81) Aeschylus wird in vorsichtigen Andeutungen zum cunnilingus gestempelt: Er hat Wünsche, die über eine irrumatio hinausgehen (IX 4)339, und akzeptiert folgerichtig – anders als Martial – einschlägige Forderungen einer puella als Gegenleistung für ihre Dienste (IX 67): vgl v  7 f sed (sc puella) mihi pura (sc ore) fuit; tibi non erit, Aeschyle, si vis / accipere hoc munus condicione mala; bei Martial dagegen bleibt der Mund der puella sauber, da er sich auf die von ihr vorgebrachte condicio mala nicht einläßt 340 Afer tritt als Wichtigtuer auf, der sich mit seinen Außenständen (IV 37) und seinen Beziehungen (IV 78) brüstet Nach Rückkehr von einer Reise zeigt er sich dem Dichter gegenüber derart unzugänglich, daß dieser von weiteren Willkommensbesuchen absieht (IX 6(7)); als Gastgeber wacht er eifersüchtig über seinen Lieblingssklaven (IX 25) Mit einer unleidlichen (häßlichen?) Frau geschlagen (X 84)341, geht er schließlich – nach einer Scheidung? – mit einem Mann die Ehe ein (XII 42) Diese Mitteilungen über einen gutsituierten, schon in die Jahre gekommenen Zeitgenossen (IV 78,1 condita cum tibi sit iam sexagensima messis; v  10 spricht von einem ardalio senex) sind völlig unvereinbar mit den Ausführungen von VI 77 über einen bettelarmen, blutjungen Burschen namens A : Hier ist jedoch – wie in einem Zweig der Überlieferung noch kenntlich: vgl VI 77,5 aper β : afer γ – von Martials Freund Aper die Rede (vgl Kat 2 s v ) 342

338

In Zeiten mangelnder Mundhygiene geht Zahnverlust nicht notwendigerweise mit höherem Alter einher (vgl den XI 91 vorauszusetzenden Fall von Wangenbrand bei einem siebenjährigen Mädchen): A kann daher XI 81 v  2 durchaus noch als puella auftreten 339 Panciera (2001) bezieht v  4 tacet nicht auf die Hetäre, sondern auf A selbst: „ ‚He is silent‘ This could be interpreted primarily as an indication of Aeschylus’ shame, but it may also have a sexual meaning: he does not answer because his mouth is full“ (48; vergleichbar wäre die Pointe von III 96,3) Doch sollte das Gedicht wirklich eine Konversation während des von A vollzogenen Aktes zum Inhalt haben? 340 So die unter Einbezug von IX 4 gewonnene Erklärung des Gedichtes durch Henriksén comm  2,74 ff (nach Housman 1907, 247 f ) Verfehlt dagegen Obermayer (1998), 223 Anm  32 (auf S  224), der nicht A , sondern die puella als Opfer der condicio mala betrachtet: „Aeschylus … wird als impurus denunziert: Ihn zu fellieren habe Folgen (condicione mala): puella impura erit!“ 341 Bei der Frau, mit der A zu Tische liegt (v  2 accumbat cum qua … vides), kann es sich um die garstige Ehefrau selber oder aber um eine schöne Hetäre handeln: In beiden Fällen ist A s Weigerung, sich zur Ruhe zu begeben, leicht nachzuvollziehen 342 Will man sich eine solche Namensvertauschung versuchsweise auch für X 16(15) (aper codd ) vorstellen, ergibt sich eine ganz neue Faktenlage: Afer würde seine ungeliebte Frau (X 84) versehentlich zu Tode bringen (X 16(15)) und dadurch die Möglichkeit der Neuverehelichung mit einem Mann (XII 42) erhalten, Aper im Übermut angesichts eines durch Erbschaft gewonnenen Geldsegens zum Trinker werden (XII 70)

86

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

Alauda: ein Bekannter mit eher grobschlächtigen Umgangsformen und einer Ehefrau, die zu ihm paßt: Er wird von ihr für Techtelmechtel mit dem Dienstpersonal gescholten, sie von ihm im Gegenzug als Flittchen gleichen Kalibers eingestuft (XII 58)343; in Spanien braucht sich Martial aus Anlaß seines Geburtstags nicht mehr mit Gästen wie A zu belasten (XII 60) 344 Ammianus unterhält eine inzestuöse Beziehung zu seiner Mutter (II 4), was IV 70 als bekannt vorausgesetzt wird: Dort nimmt der Vater – vordem als Störenfried ins Grab gewünscht (v  3 f ) – in seinem Testament bittere Rache Vgl auch Kat  3e s v Apicius wird durch Gerüchte mit aktivem Oralverkehr in Verbindung gebracht (III 80), sonst nur noch als weitläufig Bekannter erwähnt (VII 55, 4 f ) Artemidorus: Mit ihm hat sich Martial einen Künstler als Gegenstand gutmütiger Neckerei erkoren: Ein Gemälde der Venus ist ihm wohl zu bieder geraten (V 40; vgl I 102); seine Vorliebe für dicke Mäntel evoziert ein Wortspiel (VIII 58; sagum: ‚Mantel‘ – Sagaris: Held der Vergilischen Aeneis), und seine unter materiellen Opfern erkaufte Beziehung zu einem Knaben (A. amat) liefert den Ausgangspunkt für Spott gegen einen Dritten (IX 21 mit v  4) Athenagoras: Der tristis A sendet VIII 41 zufolge keine Saturnaliengeschenke, „weil er Trauer [sc aufgrund eines Todesfalles] hat“ 345 Die bis dato unerklärliche Pointe von IX 95 ist dann angesichts der Aussage von IX 95b zumindest einzugrenzen: 1 Das Handeln von A ist dort als schwerwiegendes Fehlverhalten eingestuft (v  4 peccat) 346 2 Der Adressat des Gedichtes, Callistratus, wird in einem späteren Buch als pathi­ cus offenbar (XII 35), der keine Bedenken trägt, sich in der Rolle der Frau einem anderen Manne zu vermählen (XII 42) 343 Die in diesem Zusammenhang verwendeten Diminutive ancillariolus und lecticariola sprechen allerdings für einen eher scherzhaften Schlagabtausch 344 Aufgrund der Zusammenstellung mit Sabellus ist A , wiewohl erst im XII Buch genannt, Martials stadtrömischem Bekanntenkreis zuzuordnen Die Aussage des Gedichtes lautet mithin: ‚Hier in der Heimat kann ich meinen Geburtstag in Ruhe genießen und muß mich nicht mehr – wie in Rom – für alle möglichen Gäste (darunter S und A ) ins Zeug legen ‘ 345 Schöffel comm , 368 346 In den bisherigen Erklärungsversuchen bleibt dies fast durchweg unberücksichtigt: Dort wird damit gerechnet, daß A als frischgebackener Ehemann unter den Pantoffel gerät (Crusius 1906, Stowasser 1909, 150 f , Smyly 1947, Carrington 1954), zu Vermögen kommt (Schnur 1954/55, Pastor de Arozena 1991, 1992, 1994 und 2001) oder dieses verliert (L C Watson 1983, 258 ff ) oder einfach nur zu einer sexuellen Neuorientierung gezwungen ist (Pastor de Arozena 1993, 226: „since he before was pedicator, and now is fututor“) Konkurrierenden Interpretationen, die Alfius/Olfius eine eigene Existenz als Freund bzw scortum des A zuweisen (Mussehl 1923, Barwick 1932, 65, Henriksén comm  2,147 f , Vallat 2002 mit ausführlicher Würdigung der bisherigen Interpretationsansätze) wird a priori durch IX 95b der Boden entzogen: Steht dort doch allein A im Brennpunkt des Interesses

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

3

87

A selbst wird eben mit Callistratus und seinesgleichen auf eine Stufe gestellt (v  4 vester peccat Athenagoras)

Aus der Zusammenschau dieser Indizien läßt sich ableiten, daß auch A nur eine Art ‚uxor‘ ehelicht, mithin eine Männerhochzeit vollzieht (IX 95,2)347, und in deren Folge irgendeine Statusänderung – Wandel vom aktiven Beischläfer zum pathicus? Wechsel vom Vaginal- zum Analverkehr? aus Alpha wird jedenfalls Omega – erfährt (v  1) 348 Und in der Rückschau könnte sich der VIII 41 vorausgesetzte Todesfall als Heimgang von A s Ehefrau zu erkennen geben:349 Hätte er so doch die Unabhängigkeit gewonnen, seinen bisher eher verborgenen Neigungen freien Lauf zu lassen Eine Auswertung von IX 95b als angeblichem Zeugnis für Martials Verwendung von Pseudonymen erfolgt im Kapitel ‚Martials dichterisches Programm‘ Attalus: ein talentfreier Hansdampf in allen Gassen (I 79; II 7), u a auch als Anwalt tätig (I 79,1 semper agis causas et res agis, Attale, semper; II 7,1 declamas belle, causas agis, Attale, belle)350; entsprechend in kärglichen Verhältnissen lebend, verfügt er nur über eine abgetragene Toga (IV 34) Baccara: ein in Rom lebender Nordeuropäer (nach Schneidewins schlagender Konjektur zu XI 74,1 ein Raeter), fordert gerade durch seine Fremdheit zu Spott, ja Aggression heraus: Seine dicken Wollmäntel sind für mediterrane Verhältnisse viel zu warm (VI 59)351, seine sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten zudem eher begrenzt (VII 92)352; und zuletzt gibt noch seine Herkunft Anlaß für ein bissiges Wortspiel, wird ihn doch der von ihm konsultierte rivalis medicus vom Raetus zum Gallus werden lassen (XI 74 mit v  2)!

347 Bei Eden (1994) findet dieser Umstand anscheinend erstmals Berücksichtigung (Gieses Einstufung des A als ‚impurus‘ (1872,7) stellt nur eine Leerformel dar); die Junktur uxorem ducere (sc Gaium) soll dabei ebenso befremden bzw amüsieren wie andernorts (sc Gaius) nupsit (I 24,4; XII 42,1) Vgl auch Gedanken wie VIII 12,2 uxori nubere nolo meae oder X 69,2 hoc est uxorem ducere … virum 348 Den umgekehrten Verlauf einer sexuellen Neuorientierung hatte Martial VII 57 im Falle des Achillas konstatiert (vgl s v ) 349 Gerade dieser Schicksalsschlag soll ja, wie in v  3 an sit Athenagoras tristis, … videbo unterstellt, A keinen besonderen Kummer bereitet haben 350 Ein Teil der Überlieferung bezieht II 7 auf den VII 32 gewürdigten Martialfreund Atticus (v  1 at­ tale βγ : attice α; v  5 attale γ : attice αβ; dem Lemma von βγ zufolge richtet sich das Epigramm ad Attalum) Doch sind die Akteure von I 79 und II 7 – nicht zuletzt nach Ausweis der zuvor zitierten Verse – derart wesensverwandt, daß Fusis Plädoyer für Atticus (2017, 323 ff ) ins Leere läuft Zu Atticus vgl Kat 1 s v 351 Wenn er sich entsprechend kalte Tage herbeiwünscht, dann gewiß nicht, wie von den Interpreten regelmäßig konstatiert, um mit seiner Kleidung renommieren zu können: Seine gausapinae sind aus einfachem Wollstoff, nicht aus Luxuspelzen gearbeitet 352 Offenbar führt B fortwährend die angelernte Höflichkeitsfloskel si quid opus im Munde; sein auf wirkliche Hilfe – u a in Gestalt eines warmen Mantels! – angewiesenes Gegenüber reagiert darauf mit ohnmächtigem Ingrimm

88

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

Baeticus: ein Eunuch, verzehrt nur stark, ja faulig riechende Lebensmittel (III 77) und betätigt sich als cunnilingus (III 81) Wiewohl nirgendwo ausdrücklich festgehalten, erklären sich die beiden Aussagen gegenseitig; ist B doch offenbar darauf bedacht, seinen verräterischen Mundgeruch zu überdecken 353 Bassa: Gattin354 des Catullus (IV 87,1;355 VI 69,1), von Martial in mehrfacher Hinsicht mit Schmutz beworfen: Als praktizierende Tribade (I 90) steht sie ihrem Mann nur qua fellatrix zur Verfügung (VI 69)356; ansonsten verstört sie durch ihren Körpergeruch (IV 4 allseitig; IV 87 speziell durch Furzen)357, was sie jedoch nicht daran hindert, sich in der eitlen Pose der begehrenswerten Frau zu gefallen (V 45 mit v  1 dicis formonsam, dicis te, Bassa, puellam) 358 Wenn ihr auch ein goldener Nachttopf (I 37)359 und eine männerbezogene Spendierfreudigkeit zu eigen sind (IV 61,6 ff als – durch ihr Auftreten als Tribade widerlegte? – Behauptung eines Maulhelden), muß sie ein größeres Vermögen besitzen Bithynicus sucht durch Umwerben einer scheinbar todkranken Frau (II 26) und eines kinderlosen Alten (IX 8(9)) an Geld zu kommen, bleibt jedoch mit seinen Bemühungen ohne Erfolg360; Martial empfiehlt ihm stattdessen obscenos … curare cinaedos als sichersten Weg zu Reichtum (VI 50 mit v  3) 361 Auch später glaubt der Dichter, ihm noch ein wirklich scharfes Epigramm schuldig zu sein (XII 78) Caecilius: Als gemeinsamer Nenner in seinem Wesen erweist sich eine umfassende Stillosigkeit: Ungeachtet seiner Selbsteinschätzung hat er weder Sinn für geistreiche Scherze (I 41 mit v  1 urbanus tibi … videris) noch für die angemessene Ausrichtung

353 354 355 356 357 358 359

360 361

Nach Friedländer comm  1,323 „…für den übeln Geruch des Mundes einen entschuldigenden Grund anführen zu können “ Hier ist allerdings fälschlicherweise mit fellatio als einschlägigem vi­ tium gerechnet Daß Martial ursprünglich einmal ihre innere Verwandtschaft mit Lucretia und ihre Unzugänglichkeit gegenüber moechi bewunderte, weist sie schon I 90 als matrona aus Zur divergierenden Überlieferung des Männernamens in IV 87 vgl Kat 2 s v Fabullus Schlimmer noch: In die einschlägigen Aktivitäten soll auch ihre Tochter eingebunden sein! Bezieht man die beiden Gedichte unmittelbar aufeinander, liefert IV 87 die nachträgliche Erklärung für das IV 4 allein in seinen Dimensionen ausgemalte Phänomen In diesem Gedicht könnte auch von der Tochter die Rede sein Hier widersprechen sich die Hss (v  2 bassa βγ : basse α); vergleicht man die finanziellen Möglichkeiten der beiden Namensträger (zu Bassus vgl Kat 2 s v ), kommt aber wohl nur B als Besitzerin in Frage (vgl auch die Überlegung von Howell comm (zu B I), 188: „this form of extravagance seems to have been particularly associated with women“) Im einen Fall ist dies laut Martial aus den gegebenen Umständen zu prognostizieren, im anderen durch vollendete Tatsachen erwiesen In dem Imperativ conscius esto (v   5: „Dann sei dir bewußt“: Barié/Schindler tr , 417) sieht Grewing comm , 343 f fälschlich die Aufforderung, Mitwisser des Telesinus zu werden und entsprechend Schweigegeld zu kassieren Spätestens durch Martials Gedicht weiß ja doch schon alle Welt um das ‚Geheimnis‘!

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

89

einer cena (XI 31 mit v   20 hoc lautum vocat, hoc putat venustum)362; in seiner stolida procacitas (I 41,19) läßt er sich sogar hinreißen, in aller Öffentlichkeit Backpfeifen auszuteilen (deren er sich auch noch rühmt? II 72) 363 Mit Martials carus sodalis Caecilius Secundus (vgl Kat 2 s v ) hat C nichts zu schaffen Caelia: Reich und Männern gegenüber spendabel (IV 61,6 ff ), betrügt sie ihren Liebhaber Pannychus (vgl s v ) mit Eunuchen (VI 67)364 und Ausländern (VII 30) sonder Zahl; in der Öffentlichkeit der Thermen hält sie darauf, daß ihr Sklave ein Penisfutteral trägt, und muß sich dafür des Eigennutzes verdächtigen lassen (XI 75 mit v  7 f ) 365 Caerellia: C. pupa inszeniert sich lächerlicherweise als alte Frau (IV 20); ihre Mutter (mater C.)366 kommt bei einem Unfall ums Leben (IV 63) Calliodorus: Nur mit seinem Bruder zusammen knapp über den Ritterzensus verfügend (V 38), befremdet C durch seine „materialistische Einstellung – seine Unart, alles und jeden für käuflich oder verkäuflich zu halten“ (Fröhlich, in: Damschen/ Heil comm , 136): Freundschaft ist, wie er glaubt, für ein paar Almosen zu haben (X 11); und für ein Stück Ackerland gibt er ebenso einen Sklaven drein (IX 21)367 wie für ein luxuriöses Mahl (X 31) Seinem Gaumen bringt er jedoch noch andere Opfer: Um als Gast zu gefallen, dient er sich als boshaft lästernder scurra an, disqualifiziert sich jedoch allein schon durch seinen von sexueller Abartigkeit zeugenden Mundgeruch (VI 44) 368 Callistratus: Unermeßlicher Reichtum ist das einzige, was der Freigelassene C auf seinem Habenkonto verbuchen kann; und so vermag sich Martial im Vollgefühl der eigenen Bedeutung stolz über ihn zu erheben (V 13) Auch als pathicus369 (XII 35), der

362 Mit seinem Verhalten läßt er sich wohl nicht einfach auf die Rolle des ‚mean host‘ (Kay comm , 138) reduzieren 363 Vgl auch s v Postumus Die Annahme von Prinz (1929), 114 ff , v  8 quid quod habet testes? nehme hier in Analogie zu Petron 44,14 si nos coleos haberemus (testis also = ‚Hoden‘) auf das markant männliche Verhalten des C Bezug, wird dem Gedankengang des Schlußdistichons nicht gerecht 364 Zur unterschiedlichen Überlieferung des Frauennamens in diesem Gedicht vgl das s v Gellia Gesagte 365 Auf Frauen wie C ist letztlich schon Sen ira II 28,7 gemünzt: pudicitiam servulorum suorum attemptari non vult, qui non pepercit suae. 366 Durch den Zusatz mater ist diese ältere C deutlich von der jüngeren (doch wohl ihrer Tochter) geschieden; zur Formulierung vgl Aussagen wie Tac ann IV 53 Agrippina filia (die ‚jüngere A ‘) Verständnislos die Übersetzung von Barié/Schindler tr , 301: „Caerellia, eine Mutter“ 367 Das Gedicht handelt nicht notwendigerweise von einem Tauschgeschäft 368 Harmlosere Erklärungen sind nach v  5 at si ego non belle, sed vere dixero quiddam nicht mehr vorstellbar; C selbst lädt durch seinen Namen (Grewing comm , 316: ‚Gutriechender‘) gewissermaßen zur Pointe ein 369 Dies wäre er nach eigenem Bekunden; Martial traut ihm noch Schlimmeres zu

90

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

sich als Frau einem Manne vermählt (XII 42), und als Schmeichler ohne Charakter und Urteilsvermögen (XII 80) bleibt er dem Epigrammatiker suspekt Wenn Martial IX 95b ein zuvor von ihm verspottetes Individuum der gleichen Clique wie C zuordnet (v   4 vester peccat Athenagoras), hat er auch hier schon dessen sexuelle Devianz im Blick (vgl auch Kat 3e s v ) Cantharus: Daß er sich durch besonders ruppiges Auftreten zu profilieren sucht (IX 9(10)), mag als bewußte Verschleierungstaktik zu interpretieren sein; durch ungewöhnliche Diskretion im Bordell zieht er jedenfalls den Verdacht auf sich, als pathicus oder gar fellator/cunnilingus Befriedigung zu suchen (XI 45) 370 Carisianus entlarvt sich durch eine unvorsichtige Bemerkung selbst als pathicus (XI 88); dies scheint jedoch VI 24 noch keine Rolle gespielt zu haben: Dort geht der bierernste C „an den Saturnalien, wo jeder die Synthesis anlegt, in der Toga Das wird spaßig als Zeichen der größten Ausgelassenheit bezeichnet“ (Helm fb 1956, 309) 371 Cascellius erscheint als ‚ewiges Talent‘372, d h als Mann mit rednerischer Begabung (ingenium), der jedoch  – ungeachtet seines bereits fortgeschrittenen Alters von 60 Jahren – keinerlei Anstalten macht, sich das professionelle Instrumentarium der Redekunst (ars) zu eigen zu machen (VII 9)  – Bei dem beiläufig erwähnten Zahnarzt gleichen Namens (X 56) muß es sich um einen Verwandten handeln Catullus373 wird in zwei Gedichten mit entlarvenden Aussagen über das abstoßende Gebaren seiner Frau Bassa konfrontiert: Als Zeuge ihrer Furzerei (IV 87) ist er nur indirekt betroffen; doch wenn er sich nicht nur von Bassa selbst, sondern auch von deren Tochter orale Dienste leisten läßt (VI 69)374, ist auch sein eigenes Renommee in Mitleidenschaft gezogen Daß er dem Dichter (um dessen Wohlwollen zu gewinnen bzw zu sichern?) ein Erbteil in Aussicht stellt, stößt bei dieser Vorgeschichte verständlicherweise auf Unglauben (XII 73)

370 Anders der Konnex, den Moreno Soldevila (2015) zwischen den beiden Gedichten herstellt: „Martial advises Cantharus [in IX 9(10)] to stop criticizing people if he wants to receive dinner invitations, but also because he is the first person who should keep quiet about his vices“ (664) 371 Abwegig dagegen Grewing comm , 191 („So ist Carisianus … in Wirklichkeit vielleicht eine Frau, die die Ehe gebrochen hat … Gerade weil die Frau so lüstern ist und die Ehe gebrochen hat, muß sie die toga tragen und wird deshalb an den Saturnalien für einen verklemmten Mann gehalten, der nicht aus seiner Haut kann“) oder Schmieder (2005), der das saturnalienuntypische Auftreten in der seriösen Toga kurzerhand als Eingeständnis sexueller Verfügbarkeit deutet: „Ich gehöre nicht einem allein, jeder darf bei mir“ (408) 372 So die Gedichtüberschrift bei Barié/Schindler tr , 457 373 Zur Überlieferung des Namens C in IV 87 vgl Kat 2 s v Fabullus 374 Hier gerade nur angedeutet, wird der Sachverhalt vor dem Hintergrund von II 50 unmittelbar verständlich

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

91

Cerdo: neureicher Schuster, richtet in Bononia Gladiatorenspiele aus375 (III 16; 59), soll aber Martial seine diesbezüglichen Gedichte nicht verübeln (III 99) Charidemus wird mehrfach unziemlicher Kontakte mit Männern geziehen (VI 56; 81 als fellator; XI 87 – im Rückblick – als pedico)376; angesichts einschlägiger Interessen mag es ihm leichtfallen, den Ehebruch seiner Frau mit einem Arzt hinzunehmen (VI 31) 377 Erst nach einem Vermögensverlust im Alter entdeckt er für sich das weibliche Geschlecht (in Gestalt billig zu habender anus: XI 87 mit v  3; zum Gedanken vgl auch VI 33) Damit unvereinbar scheint das Personaltableau von XI 39, demzufolge ein junger Mann über die fortdauernde Bevormundung durch seinen ehemaligen paedagogus C Klage führt Indes paßt XI 39,8 vis cuncta licere tibi nahtlos zum libidinösen Lebenswandel des in Buch VI eingeführten C , und auch dort tritt in Gestalt der 1 Ps Sgl ausnahmslos der Dichter mit C in Kontakt (VI 56,3 mihi crede; VI 81,3 vellem) Dies vor Augen, gelangt man für XI 39 zu einem etwas anderen Szenario: Sprecher ist Martial, ein Mann mittleren Alters (das XI Buch erscheint im Jahr 96), der über vilicus (also ein Landgut!), dispensator, domus und Weinkeller verfügt (v  5 f und 14), Adressat sein – mit ihm nach Rom übergesiedelter – comes (v  2) C , der auch noch nach Jahrzehnten – wiewohl moralisch selber angreifbar (vgl  – im selben Buch! – XI 87) – seine einstige Rolle nicht abzulegen vermag Daß Martial als gestandener Mann auf seinen mittlerweile erfolgten Bartwuchs und seine nunmehr vorhandene Männlichkeit hinweist (v  3 f und 16, jeweils unter Verwendung des Adverbs iam), ist dann natürlich von Ironie getragen: ‚Wenn du es noch nicht bemerkt haben solltest: Ich bin schon erwachsen!‘378 Charinus: Ihm wird eine recht versatile, aber durchweg anrüchige Sexualität nachgesagt (I 77 und IV 39: cunnilingus/fellator; VI 37 und VII 34: pathicus/cinaedus) Ansonsten hat er es zu reichem Besitz gebracht379, mit dem er, ein typischer Emporkömmling, ungehemmt herumprotzt (IV 39 reliefierte Gefäße; VII 34 prachtvolle

375 376 377

378 379

Um hierfür qualifiziert zu sein, muß C zumindest über ein Rittervermögen verfügt haben: vgl Spaeth (1943/44) Auch sonst wirft Martial pedicones und pathici mehrfach in den gleichen Topf; zur Sache vgl Iuv  2,50 Hispo … morbo pallet utroque. Dieses Verhalten gibt Martial Gelegenheit zu einem maliziösen Kommentar, der in der Sekundärliteratur regelmäßig verzeichnet wird (vgl etwa Grewing comm , 231): vis sine febre mori (v  2) enthält keine Warnung angesichts sträflicher Kurzsichtigkeit (sine febre = ‚nicht durch eine natürliche Ursache, sondern durch Giftmord‘), sondern die Anerkennung schlauer Zurückhaltung (sine febre = ‚nicht durch einen als Fiebertod getarnten Giftmord‘) Daß hier der „zum Tode in der Arena Verurteilte“ (Barié/Schindler tr , 1478) gleichen Namens (I 43) fernzuhalten ist, bedarf keiner weiteren Begründung Grewing comm , 264 zufolge stünden die beiden Aussagen in einem direkten Kausalzusammenhang: „Die sexuellen Gedichte wiesen dann darauf hin, wie Charinus zu Geld gekommen ist “

92

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

Thermen380; XI 59 Fingerringe381) und erwartungsfrohe Erben wie Martial zum Narren hält (V 39)382; seinen Charakter prägen Mißgunst383 (VIII 61) und Eitelkeit (XII 89) Chione: Zuerst eher beiläufig als Dirne genannt (I 34,7; III 30,4; ihre Armut I 92,5 f ), wird sie als schön, aber – in gewollter Mißdeutung ihres Namens – als gefühlskalt charakterisiert (III 34384; XI 60): Sollen sich doch ihre Leistungen dem Hörensagen nach ausschließlich auf – hastig vollzogenen – Oralverkehr beschränken (angedeutet III 83; klar ausgesprochen III 87)385 Die Vorstellung, durch diese Indiskretion verletzt, könne sich C mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln rächen wollen (laedere et illa potest), erfüllt den Dichter mit gespielter Sorge (III 97 mit v  2): Dabei graust es ihn wohl nicht vor einem Kuß (Friedländer comm  1, 333) oder schmähenden Worten, sondern vor konkreteren Verwundungen (vgl Verdière 1969, 106: laedere = mordere fellando); könnte Martial doch nach III 30,4; 83 durchaus zu C s Kundenkreis gehören 386 Chloë: Daß C auf Martial keinerlei Reiz ausübt (III 53), ist vielleicht nur auf eine unbestimmte Aversion, nicht unbedingt auf das Fehlen körperlicher Vorzüge zurückzuführen: „This may indicate, that her face, neck, hands, legs, bosom, etc were generally appreciated by other men“ (Henriksén comm  1, 107 Anm  2) Letztlich erscheint sie als „femme fatale“387, die Männer in beachtlicher Zahl verschleißt und sich ihrer – wie Martial boshaft insinuiert – auch wieder zu entledigen weiß (IX 15), dabei aber (gleichzeitig?) Unsummen für einen jungen Liebhaber aufwendet (IV 28) Chrestus: Für den heutigen Leser wird der sittenstrenge C erst durch IX 27 als Heuchler und Penis-Fetischist entlarvt; Zeitgenossen dürften seine sexuelle Devianz jedoch schon in der noch eher unverfänglichen Aussage von VII 55 erkannt haben: Dort verleiht der Dichter seiner ‚Empörung über das Ausbleiben von Geschenken‘388 Aus380 Von Martial wird dieses öffentlich zugängliche Bad widerstrebend als großartig anerkannt 381 Zur Erklärung dieses Gedichts vgl Kay comm , 200: „he has no ring case because he has no intention of taking his rings off “ 382 Zum konkreten Sachverhalt vgl Verboven (2002), 198: „Charinus … changed his testament 30 times in a single year Each time his ‚friends‘ had to send him new gifts to thank him for his kindness in mentioning them in his will “ 383 Die Pointe von v  8 f beruht nicht darauf, daß Martial „hier über sein Nomentanum nicht gerade begeistert“ ist (BARIÉ/SCHINDLER tr , 1321; also: ‚C würde schön schauen, wenn er mit einem solchen Besitz geschlagen wäre!‘), sondern daß der Neider in Wirklichkeit reicher ist als Martial selbst, der Wunsch des Dichters, C möge in gleichen Verhältnissen leben wie er, mithin auf dessen Verarmung hinausläuft Schwach dagegen die von NOBILI (2005) erschlossene Pointe des Gedichtes: Demnach würde der Angegriffene Martial seinen Dichterruhm mißgönnen, zur Verschleierung aber Neid auf dessen Landgut vorschützen 384 Ergänzend wird ihr hier – im Widerspruch zu ihrem Namen – auch noch ein dunkler Teint zugeschrieben 385 In XI 60 spielt der einschlägige rumor keine Rolle mehr 386 Martial hat eingestandenermaßen ein Faible gerade für dunkelhäutige Frauen: vgl I 115 387 So HENRIKSÉN a a O , allerdings nur auf III 53 und IV 28 bezogen 388 Dies die Gedichtüberschrift bei Barié/Schindler tr , 493

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

93

druck; und in seinem Zorn faßt er eine Straf-irrumatio seines Gegenübers ins Auge Da dessen sexuelle Präferenzen389 die Befürchtung nähren, er könne die ihm zugedachte Buße genießen, sieht sich Martial indes zu einer Modifikation genötigt: Nicht er selbst mit seiner mentula proba et pusilla (v  6), sondern ein monströs bestückter Jude390 soll die Vollstreckung übernehmen (v  7 f ) Cinna: Sein Wesen ist durch die Diskrepanz zwischen prahlerischer Selbstinszenierung und materieller Dürftigkeit bestimmt Auf der einen Seite agiert er als notorischer Wichtigtuer bzw Geheimniskrämer (I 89) und renommiert mit geliehenem Geschirr (II 53,5); auf der anderen muß er sich an seiner Tafel so einschränken (V 76), daß ihm nur der offensive Umgang mit seiner Armut Reputation verschaffen kann: Er „spielt seine Armut bewußt aus, um als bescheiden auftretender Reicher eingeschätzt zu werden“ (VIII 19 mit Barié/Schindler tr , 1309) Entsprechend ist er in seinen Forderungen aufdringlich (III 61)391 und als Gast maßlos (XII 27(28)), möchte jedoch auf seine Umgebung wirken und von dieser geachtet werden (V 57 bei der Begrüßung; VII 33 in Sachen Fußbekleidung – jeweils ein Fehlschlag); den Bittsteller Martial (der ihn absichtlich in Verlegenheit bringt?) muß er indes hinhalten (VII 43) Als Dichter erfolglos (III 9), als Ehemann vielfach gehörnt (VI 39)392, als Anwalt überfordert

389 Diese bestimmen nicht notwendigerweise den Kreis der von ihm begünstigten Geschenkempfänger: Giese (1872) hätte die Betreffenden nicht durchgängig als ‚impurus‘ abstempeln sollen 390 Zu den Dimensionen eines einschlägigen Organs vgl VII 35,3 f Ob Martial seinen Sklaven dort als Juden offenbart (ablehnend Gilula 1987 und Cohen 1996) oder diesem nur „a mentula large enough to be worthy of a Jew“ (Cohen, 65) zuschreibt, ist für unseren Zusammenhang ohne Belang 391 In seiner nachgerade obsessiven Fixierung auf sexuelle Untertöne reduziert Obermayer (1998), 92 den Wortlaut des Gedichtes (Esse nihil dicis quidquid petis, improbe Cinna:/ si nil, Cinna, petis, nil tibi, Cinna, nego) auf die Aussage „Daß du mich in den Arsch und in den Mund ficken willst, das nennst du einen Klacks, Cinna, du Wüstling / Wenn das ‹wirklich› nur ein Klacks ist, Cinna, dann werde ich dir, Cinna, sogar den Schwanz lutschen “ 392 Die am Ehebruch von C s Ehefrau Marulla beteiligten Männer sind zwar weder amici noch vicini (v   3), rekrutieren sich aber nicht aus C s Hauspersonal noch notwendigerweise aus dem Sklavenstand: – C selbst ist nach Ausweis der auf ihn bezogenen Stellen nicht vermögend genug, um eine große familia mit Spezialsklaven unterhalten zu können – Die in Rede stehenden Kinder sind in grabatis tegetibusque (v  4) gezeugt und damit nicht in C s eigenem Haus, sondern in Hinterhöfen und Absteigen, in die Marulla ihren Beischläfern gefolgt ist – Ein für v   2 verschiedentlich konstatiertes Wortspiel, das den angeblich unfreien Status der Kinder verraten soll (non liberi = ‚Nicht-Kinder‘, aber auch ‚Nicht-Freie‘ = Sklaven; vgl zuletzt Grewing comm , 277 f ), erweist sich bei näherem Zusehen als Philologenkonstrukt: Außerwie uneheliche Kinder gleichgültig welcher Väter übernehmen in Rom grundsätzlich den Rechtsstatus der Mutter (vgl Gaius inst 1,80; 82 sowie Treggiari 1991, 317; Geschlechtsverkehr mit Sklaven fremder Herren volente domino [Gaius inst 1,84] steht hier nicht zur Debatte)

94

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

(VIII 7) und unempfänglich für die Schönheit eines Knaben (XII 64)393, erweist er sich auf ganzer Linie als Versager Cinnamus: ein durch Gunst seiner domina vom Freigelassenen zum Ritter avancierter Barbier394, der seine Herkunft durch Namensänderung in Cinna zu kaschieren trachtet (VI 17)395, wegen einer nicht näher bezeichneten Gesetzesübertretung (VII 64,4 cum fugeres tristia iura fori)396 jedoch zur Flucht nach Sizilien genötigt ist und dort wieder als tonsor Verwendung finden dürfte (VII 64) 397 Wenn sich allerdings Iuv  1,24 ff pa­ tricios omnis opibus cum provocet unus / quo tondente gravis iuveni mihi barba sonabat auf ebendiesen C bezieht, könnte dieser letztlich – was Martial, in seinen Erwartungen düpiert, weder hier noch später vermerkt – schadlos und ohne Vermögensverlust aus der Affäre hervorgegangen sein: Dann wiederum hindert nichts daran, ihm auch eine zweite Karriere als Wucherer (IX 92,7 f ) zuzutrauen Unter dem Namen C kennt Martial VI 64,26 auch einen „Chirurg(en), der Brandmale von Sklaven398 zu tilgen verstand“ (so die übliche Erklärung in der Formulierung von Barié/Schindler tr , 1278), doch dürften die Feinheiten des Wortlauts auch hier auf den tonsor verweisen: vgl X 56,6 tristia servorum stigmata delet Eros (von der Entfernung eines einschlägigen Males durch einen Arzt) neben VI 64,26 stigmata nec vafra delebit Cinnamus arte; C s besonderes Raffinement liegt eben darin, daß er den Makel durch eine geschickt geschnittene Frisur überdeckt399 – ein Vorgehen, für das

393 Wenn C den Burschen (den X 66 genannten Theopompus?) in die Küche steckt, fehlt ihm vielleicht auch nur das Geld für einen eigenen Koch Barié/Schindler tr , 1420 erklären den Sachverhalt mit C s hemmungsloser Verfressenheit (v  2 gulosus homo es: „Er denkt nur ans Essen“), Bowie comm gerade umgekehrt mit seinem Sinn für jugendliche Wohlgestalt (316: „Cinna has chosen his cook as would a connoisseur, not of food but of boys“; für gulosus im übertragenen Sinne vgl X 59,5 non opus est nobis nimium lectore guloso); dagegen resultiert die im Ansatz nachvollziehbare Interpretation von Obermayer (1998) (37: „Man enthält den lüsternen Gästen die ansehnlichsten pueri vor und setzt sie nicht bei Tisch, sondern in der Küche ein“) in einem recht grotesken Szenario: Demnach steht gulosus für „seine gefräßige Gier, die mentula des minister ‚außer Konkurrenz‘ fellieren zu können“ (39) 394 Genau genommen, verhilft die domina C natürlich nicht zum Standeswechsel, sondern nur zu dem einschlägigen Vermögen: vgl Cic Q Rosc 42 quem tu si ex censu spectas, eques R. est (zur Usurpation der Ritterstellung durch Freigelassene vgl Reinhold 1971, bes 285 ff ; bei Martial noch II 29; X 76,3) 395 Von Giese (1872), 11 wird dieser Sachverhalt irrigerweise umgekehrt 396 Ein Hinweis könnte in dem Stichwort fur (VI 17,4) verborgen sein (Grewing comm , 162) 397 Dies impliziert nicht Rückkehr zu seinem alten Beruf: Der frühere Barbier wird vielmehr, wie Schneider (2001a) schlagend dartut, als Schafscherer enden! 398 Die gründliche Untersuchung von C P Jones 1987 (zu unserer Stelle 153 f ) kommt allerdings zu dem Ergebnis, die Kennzeichnung von Sklaven durch stigmata sei nicht vermittels Brandmarken, sondern durch Tätowierung erfolgt 399 So etwa schon P Howell, CR 46, 1996, 37: „He might ‚delete‘ the marks by arranging a fringe “

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

95

sich Diphilus (PCG) fr 67(66),6 ff oder Liban or   25,21 (2,546 f F ) als literarische Zeugnisse anführen lassen 400 Claudia: Wiewohl von Martial neckisch kommentiert, entspricht ihre ungewöhnliche Größe (VIII 60) einer auch in Rom gängigen Vorstellung weiblicher Schönheit (vgl etwa Varro Men 432 amiculam … puram, putam, proceram, candidam, teneram, formosam, Catull   86 oder Ov am   3,3,8 longa decensque fuit: longa decensque manet); was wunder, daß die Hetäre bereits bei anderer Gelegenheit als Glanzlicht einer cena in Aussicht gestellt worden war (V 78,31) 401 Clytus: hübscher junger Bursche (vgl VIII 64), für den es ein leichtes ist, einer verheirateten Frau den Kopf zu verdrehen (IV 9) oder seiner Umgebung (darunter Martial) fortwährend Geschenke abzupressen (VIII 64) 402 Coracinus: IV 43 direkt als cunnilingus denunziert403 und durch seinen aufdringlichen Parfümgebrauch überdies als Stutzer kenntlich (VI 55) Wahrscheinlich besteht zwischen dieser „Parfümier-Wut“ (Grewing comm , 362) und den sexuellen Vorlieben des C ein Kausalnexus: „Als besonders anstößig gilt bekanntlich der üble Mundgeruch – ein Zeichen für oralen Geschlechtsverkehr“ (Grewing a a O ) Coranus: hat angeblich Schulden (IV 37,1 f ); möglicherweise sucht er deshalb durch Weinpanscherei (IX 98) zusätzliche Einnahmen zu generieren 404 Cosconius: erscheint II 77 und abermals III 69 als ignoranter Martialkritiker bzw Verfasser ebenso langer wie langweiliger Epigramme Cotilus: affektierter Stutzer, der durch seine ganze Lebenseinstellung (III 63), besonders aber durch seine Empfindlichkeiten bei der Körperhygiene (II 70) zum Spott herausfordert und sich nachsagen lassen muß, er sei als fellator bzw cunnilingus unterwegs 405 Cotta: Für seinen Dünkel (bellus homo et magnus vis idem … videri) hat Martial schon zu Beginn von Buch I einen Dämpfer parat (I 9 mit v   1); und seine Gewohnheit,

400 Für die Beseitigung von Sklaven-Tattoos durch Verdecken mittels Pflaster vgl II 29,9 f Daß C ebenso verfährt, mutmaßt Eden (1999), 580 401 Bei Claudia Peregrina (IV 13) und Claudia Rufina (XI 53) handelt es sich dagegen um gutbürgerliche Matronen 402 Nach v  16 ff droht der Dichter allerdings damit, diesem unhaltbaren Zustand ein Ende zu machen 403 Nach Tiozzo (1988) beruht die  – von ihr als willkürlich eingestufte  – Namengebung für den cunnilingus C auf der volkstümlichen Vorstellung, Rabenvögel vollzögen den Geschlechtsverkehr durch ‚Schnäbeln‘ (vgl hierzu XIV 74 sowie Plin nat X 32) 404 Henriksén comm 2, 158 hält ihn daher für einen ‚innkeeper‘ 405 Verfehlt die Annahme von Barié/Schindler tr , 1191; 1209, der Name sei von Martial seiner etymologischen Implikationen wegen gewählt worden (κωτíλος: ‚geschwätzig‘): C s frühester Auftritt im II Buch wird gerade nicht von besonderem Rededrang bestimmt

96

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

Tischgäste vorzugsweise im Bad zu rekrutieren, führt er maliziös auf ein Interesse an nackten Männerkörpern zurück (I 23): Will C diesem Verdacht entgehen, ist er also genötigt, künftig auch den – in C s Augen unansehnlichen? – Dichter auf die Gästeliste zu setzen 406 Einige Jahre später gehört Martial tatsächlich zu den Eingeladenen, bekommt vom stolzen Hausherrn allerdings nur zweitklassigen Wein (in einem goldenen Becher!) vorgesetzt (X 49); all sein Reichtum hindert diesen – einen Mann doch wohl in den besten Jahren – nicht daran, sich unglücklich in eine Hetäre zu verlieben (X 14(13) mit v  10 vis dicam male sit cur tibi, Cotta? bene est) 407 Durch ein letztes, in seiner Bedeutung nur schwer zu erschließendes Gedicht408 wird C wegen seines Eifers belächelt (X 88): „Alle Erlasse der Prätoren gehst du durch (vielleicht in seiner Eigenschaft als vor Gericht auftretender patronus), ja du läßt dir sogar noch die Entwürfe aushändigen (accipis et ceras, offenbar zum gleichen Zweck): Das nenne ich wahrlich Diensteifer!“409 Weitere Namensträger sind aufgrund ihres Alters (VI 70: ein 62jähriger Greis von robuster Natur als Kontrastfolie für Martials eigene labile Gesundheit) oder ihrer Mittellosigkeit (XII 87: einem als inops charakterisierten cena-Gast kommen angeblich zweimal die Sandalen abhanden) von dem genannten C fernzuhalten Crispus: Sein Wesen prägen Mißgunst und Geiz: Auch in seinem Testament denkt er nur an sich (V 32); und für Martial hat er – ungeachtet aller Freundschaftsbekundungen und Vertraulichkeiten (ungeniertes Furzen!) – weder ein Geschenk noch auch nur ein kleines Darlehen übrig (X 15(14)) Dama: Als Kurzform von Vollnamen mit erstem Bestandteil Damo­ (Demo­) erfreut sich D großer Beliebtheit bei der Namengebung für (griechische) Sklaven 410 Martial

406 Die Erkenntnis von v  4 iam scio me nudum displicuisse tibi dürfte Martial dabei kaum als traumatisch empfunden haben; nur Graça (2004), 130 sieht darin „um eco da melancolia do poeta (…), que imprime a sua tristeza na oclusão das vogais, guardando na lembrança o repúdio a que fora votado “ 407 Z St vgl Friedländer comm 2, 116: „Dir ist zu wohl, daher schaffst du dir selbst Leiden “ 408 Friedländer comm  2,158 spricht von einem „völlig unverständliche(n) Epigramm “ 409 So Lieben (1930), 458 f , der C s Fleiß durch das Ziel begründet sieht, „sich die Praxis der Rechtsprechung anzueignen“ (458; ebenso M Salanitro 1994, die in der Schlußpointe jedoch noch eine – zu der Anzüglichkeit von I 23 passende – Zweideutigkeit bzgl sexueller Dienstbarkeit versteckt sieht: vgl Sen contr IV praef 10) Dagegen stehen die eher hilflose Deutung des Distichons bei Barié/Schindler tr , 1375 („Der Witz liegt vielleicht in dem Kontrast zwischen den umfangreichen libelli, die der pragmaticus [= Rechtsberater] im Auftrag der Prätoren anfertigte, und den (leeren) Wachstäfelchen, die man ihm dafür schenkte“) und die völlig haltlosen Spekulationen von Hessen bei Damschen/Heil comm , 313 f 410 Vgl die Belege bei W Kissel, Aules Persius Flaccus, Satiren (comm ), Heidelberg 1990, 653 zu Pers 5,76–79

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

97

kennt einen ehebrechenden Bäcker dieses Namens (VI 39)411; XII 17,10 ist vom gleichen Individuum oder einem anderen armen Schlucker (D als Typenname?) die Rede Dento: Aus der Provinz nach Rom gereist, ist D hier über Jahre um sein materielles Fortkommen bemüht Martials freundliche Einladungen glaubt er dabei, captus … unctiore mensa, mittlerweile ausschlagen zu können (V 44 mit v  7)412; und während er um Bewilligung des Dreikinderprivilegs einkommt, hat seine rührige Ehefrau in der Heimat vielleicht schon für wirklichen Kindersegen gesorgt (VIII 31) 413 Diaulus: ist vom Beruf des Arztes zu dem des Leichenträgers gewechselt, ohne daß dies für ihn eine Umstellung bedeuten würde (I 30; 47) Didymus: Anders als in der Sekundärliteratur regelmäßig vorausgesetzt, braucht der einstmals schwerreiche D durch die Formulierung von III 31,6 plus habuit D. nicht notwendigerweise als verstorben gekennzeichnet zu sein: Da das Gedicht als Mahnung an einen tendenziell hoffärtigen Reichen gerichtet ist, dürfte Martial hier eher die Vorstellung von Schicksalsschlag und plötzlichem Besitzverlust evozieren wollen, so daß Identität des Genannten mit dem kaum noch über Ritterzensus verfügenden eviratus von V 41 naheliegt, mit dem Bordellbetreiber gleichen Namens (XII 43,3) zumindest nicht auszuschließen ist Dindymus: hübscher junger spado, der durch seine Sprödigkeit (V 83) wie durch seinen zarten Bartflaum (X 42)414 erotische Anziehungskraft auf Martial ausübt und sein Begehren weckt (XI 6415; XII 75), gleichzeitig aber – ungeachtet seines von ihm selbst

Die dort verwendete Junktur lippum … Damam (v  11) geht zwar ihrerseits auf Pers 5,76 f zurück, vermag jedoch nicht zu begründen, daß auch die Person selbst ihr Dasein einer literarischen Reminiszenz verdanken müßte 412 Morelli (2013) hat das Gedicht in mehrfacher Hinsicht überinterpretiert: Bei Martial und D handelt es sich nicht um „patronus ed amicus“ (63); und trotz der Berührungen mit V 83 ist D nicht als „amante infidele“ (69) gekennzeichnet 413 Um die einschlägigen libelli bis an den Hof gelangen zu lassen, ist D nicht einmal unbedingt auf Protektion angewiesen: vgl VIII 82,1 dante tibi turba querulos, Auguste, libellos Läßt man diesen Umstand außer acht, gehen die beiden Dento-Gedichte ihrer inneren Einheit verlustig: vgl Schöffel comm , 290: „Dort [= V 44] handelt es sich … um einen sozial niedrig gestellten Klienten, dem ein (für Mart 8,31 vorauszusetzender) Zugang zum Kaiser kaum zuzutrauen ist; eine gewollte Identität beider Charaktere ist daher unwahrscheinlich “ Ganz unbegründet auch Schöffels Einschätzung, wonach „der Sprecher … [in VIII 31] die Rolle eines um seine Pfründe besorgten Neiders“ vertritt (289) 414 Auch bei präpubertär verschnittenen Jungen ist ja mitunter ein feiner Bartwuchs anzutreffen: vgl Strümpell – Seyfarth, Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie der inneren Krankheiten, Berlin 31/321934, Bd 2, 275 (über in frühester Jugend kastrierte Knaben): „Die sekundären Geschlechtsmerkmale sind nur sehr mangelhaft ausgebildet, insbesondere sind Bartwuchs und Rumpfbehaarung äußerst spärlich “ 415 Der Vorschlag, passer hier metaphorisch im Sinne von mentula zu verstehen, ergäbe ein für den beteiligten Jungen nachgerade verstörendes Versprechen und bliebe auch nicht ohne – gänzlich indiskutable – Auswirkungen auf das Verständnis von IV 14,13 f und VII 14,3–6: „Martial seems to 411

98

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

eher verdrängten Handikaps (mollis Dindymus est, sed esse non vult: XII 75,4) – auch Frauen zu befriedigen sucht (VI 39,20 f ; XI 81) 416 Diodorus: ist von Hause aus ein geiziges Naturell zu eigen (I 98); nachgerade übertriebene Freigebigkeit legt er allerdings dort an den Tag, wo er seinen Aufstieg als reichgewordener Freigelassener vor der Gesellschaft zu dokumentieren vermag (X 27) Den gleichen Namen trägt ein ägyptischer Dichter, der auf dem Weg nach Rom Schiffbruch erleidet (IX 40; vgl Kat 7a) Eros: Als Arzt (X 56,6) wie auch schon als (unschuldiges?) Opfer des Stadtklatsches (VII 10,1) eher beiläufig genannt, zieht er wenige Gedichte nach seiner zweiten Erwähnung die ungeteilte Aufmerksamkeit des Epigrammatikers auf sich: Angesichts einer Fülle begehrenswerter Dinge vergießt er heiße Tränen, da es ihm seine materiellen Verhältnisse nicht erlauben, sich in wünschenswertem Umfang mit des Lebens Schönheit zu umgeben; würde er doch am liebsten das ganze „Luxuseinkaufsviertel“417 leerkaufen (X 80 mit v  3 f ) Euctus: Der vetulus E renommiert mit altem, wertvollem Silbergeschirr, um dann jungen, billigen Wein darin zu kredenzen (VIII 6 mit v  1) 418 Aus dem Gedicht selbst wird nicht hinreichend deutlich, was der Dichter hinter der evidenten Inkongruenz im Verhalten des Prahlers vermutet: Ist er als Gastgeber geizig, will er seine objektive Mittellosigkeit kaschieren, prunkt er mit Falsifikaten, oder fehlt ihm einfach nur jeder Sinn für das aptum?419 Wenn später ein medicus E beiläufig als Besitzer eines hübschen Hilfsassistenten in Erscheinung tritt (XI 28 mit v  1), könnte sich dies auf die gleiche Person beziehen, ist dort doch die Spezifikation des E als Arzt durch die Vorbereitung der Pointe motiviert und daher nicht notwendigerweise als Differenzierungssignal (der medicus im Unterschied zum vetulus) eingesetzt 420

416 417 418 419

420

be joking about sodomizing Silius Italicus, while Stella … has admitted publically his own impotence“ (Hooper 1985, 172; auf der gleichen Basis sieht Holzberg 1988, 31 in der abschließenden Aussage von I 7 eine Anspielung auf Stellas riesigen(!) Penis) Behält man dagegen v  12 f possum nil ego sobrius; bibenti / succurrent mihi quindecim poetae im Blick, besagt der Schlußvers donabo tibi Passerem Catulli (v  16) nichts anderes als ‚Dann (nämlich berauscht und von dir geküßt) kann ich dir Gedichte präsentieren wie Catull‘ (in diesem Sinne auch M Salanitro 2002, 571 ff ) Iuv  1,22 geht ein tener … spado sogar die Ehe ein Die Formulierung bei Barié/Schindler tr , 1374 In die Lemmata von αγ ist hier der Name des Martialfreundes (Pompeius) Auctus (entstellt: Autus) eingedrungen; zu diesem vgl Kat 2 s v Daß sich E überdies in seinen mythologischen Erklärungen als Ignorant zu erkennen geben soll, ist auch nach den Ausführungen von P Watson (1998) nicht nachzuvollziehen, war aber letztlich auch nicht zu erwarten: Seine vorzeitige Demaskierung wäre auf eine empfindliche Schwächung des Überraschungseffekts von v  16 hinausgelaufen Auch als Arzt kann E ein Vermögen erworben haben, das ihm eine Existenz als Antiquitätensammler erlaubte: vgl den Grabstein des medicus P Decimius Eros Merula, der in dem Landstädtchen Asisium praktizierte, als Wohltäter der Gemeinde wirkte und trotzdem noch riesige Summen hinterlassen konnte (CIL XI 5400)

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

99

Fabius: Der offenbar kinderlose und nicht übermäßig vermögende F 421 hat vor seinem Tod ein Testament verfaßt und dabei aus dem Kreis der um ihn buhlenden heredipe­ tae Labienus als Alleinerben eingesetzt (VII 66), Bithynicus dagegen nicht einmal mit einem Legat bedacht (IX 8(9)); und Martial ergeht sich nun über die paradoxen Folgen dieser Verfügung: Der Erbe sieht sich betrogen, hat er doch im Vorfeld einen weit höheren Betrag in den Erblasser investiert; der Übergangene indes mag frohlocken, da er sich in Zukunft kostenintensive Köderungsversuche sparen kann Mit dem Ableben des F selbst beschäftigt sich VIII 43, vordergründig in Form eines „Gedankenspiels“422 bzw einer Zukunftsvision, realiter aber wohl ex eventu unter dem Eindruck des zeitnahen Hinscheidens von F und seiner Ehefrau Chrestilla: Angesichts der für finstere Verdächtigungen Anlaß bietenden Vorgeschichte der Eheleute war auch hier ein makabres Szenario vorstellbar Fabulla ereilt mit den Jahren das Schicksal der alternden, ihrer Reize verlustig gehenden Frau Anfangs noch ein anerkannt schönes, wenngleich zu übermäßigem Selbstlob neigendes Mädchen (I 64 mit v  1 f bella es, novimus, et puella, verum est, / et dives, quis enim potest negare), das sich vor seinem Liebhaber ziert (IV 81; auch hier noch zu den puellae gerechnet), kann sie sich nach einigen Jahren nur noch im Umfeld alter und häßlicher Freundinnen behaupten (VIII 79 mit v  5 sic formosa, … sic puella es); ihr auffälliges Make-up (II 41,11 cretata noch ohne Wertung) muß schließlich dazu herhalten, ihre ästhetischen Defizite zu überschminken (VIII 33,17 crassior in facie vetulae stat creta Fabullae) In die Übergangszeit zwischen diesen beiden Altersstufen gehört die Information, F verleugne ihre Perücke (VI 12): Noch nicht wirklich dem „Bereich des vetula-Spottes“ (Grewing comm , 133) zuzurechnen, geht der Kommentar des Gedichtes nicht über einen harmlosen Scherz hinaus Fidentinus:423 sucht sich als Dichter zu etablieren, indem er Martials Epigramme als seine eigenen vorträgt (I 29; 38; 53; 72; wohl auch I 52; 66) Galla: Unter dem Namen G kennt Martial zwei verschiedene Damen, die er, mit augenscheinlich ungleicher Zuneigung bedacht, mehrfach auch im selben Buch auftreten läßt 1 Auf der einen Seite steht eine attraktive junge Hetäre, die ihm offenbar gefällt, sich seinen Wünschen aber voller Koketterie immer wieder entzieht (II 25; III 51; 54; 90; IV 38) Das Verhältnis dauert indes an: Aus Anlaß der gängigen Feste sendet man sich Geschenke (aus V 84 spricht Enttäuschung über deren Ausbleiben); und erst mit nachlassender Attraktivität der Geliebten empfindet Martial die Vorstellung körperlicher Nähe zunehmend als lästig: VII 18 konstatiert er ein

421 Von Schöffel comm , 374 wird er zu Unrecht „als geiziger Erblasser“ eingestuft 422 Schöffel a a O 423 Nach Walter comm , 83 ein sprechender Name: „Herr Ehrlichmann “

100

2

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

erstes vitium, IX 4 zeugt von innerer Distanz, und X 75 dokumentiert den völligen Preisverfall der einstmals Begehrten 424 Die letzten beiden Galla-Gedichte scheinen schließlich ein besonderes Ungemach zu offenbaren:425 Demzufolge tritt G , mittlerweile von dritter Seite geschwängert, mit einem kurzfristigen Heiratswunsch an den Dichter heran, wird von diesem jedoch unter fadenscheinigem Hinweis auf seine päderastischen Neigungen abgewiesen (XI 19)426; anderweitig doch noch vermählt und inzwischen Mutter geworden, kann G nichtsdestoweniger weder vir noch adulter zur Anerkennung der Vaterschaft bewegen (X 95) 427 Von ihr zu unterscheiden ist eine Alte cano … cunno / quem nec casta potest iam decuisse Venus428, die ohne Rücksicht auf ihre drei Söhne all ihre Mitgift an einen Gigolo verschwendet (II 34 mit v  3 f ), um den verstorbenen Gatten keine Träne weint (IV 58)429, auch von späteren Ehemännern, da auf den Typ cinaedus festgelegt, fortwährend enttäuscht wird (VII 58) und doch, mannstoll wie sie ist (IX 37), immer wieder heiratet – zuletzt möglicherweise einen Giftmischer (IX 78) 430

Gallicus: Seine „beflissene Selbstgerechtigkeit“ (Schöffel comm , 641) reizt Martial dazu, ihm die Wahrheit über seine Qualitäten als Dichter und Anwalt anzukündigen (VIII 76); daß er auch als Gastgeber enttäuscht, hatte er ihm schon vorher offenbart (VIII 22) 431 Gallus: Unter dem Namen G liefert Martial 1 bezeichnende Einblicke in die Familienverhältnisse eines – doch wohl subalternen – Staatsbeamten, der zeitweilig in Libyen Dienst tut: Seine Frau betrügt ihn mit Provinzialen (II 56) nicht anders als mit seinem eigenen Sohn (IV 16)432; die424 Mit X 75,14 dat gratis, ultro dat mihi Galla: nego formuliert der Dichter eine späte Rache für G s Verhalten III 54 Cum dare non possim quod poscis, Galla, rogantem,/ multo simplicius, Galla, negare potes 425 Der nachstehend rekonstruierte Ablauf der Ereignisse geht davon aus, daß X 95 erst der Zweitfassung des X Buches und damit einer späteren Zeitstufe als XI 19 angehört 426 So die Deutung von M Salanitro (2002), 573 f und Nobili (2002): Durch v   2 saepe soloe­ cismum mentula nostra facit nehme Martial für sich in Anspruch, Femininum und Maskulinum durcheinanderzubringen, d h auch mit pueri sexuell zu verkehren Denkbar indes auch die von Kay comm , 110 vorgetragene Erklärung: „M s ways in bed will not meet the demands of Galla’s expertise “ 427 In Martials Kommentar zu diesem Sachverhalt schwingt die Unterstellung (v  2 puto) mit, Galla habe beiden Männern nur als fellatrix zur Verfügung gestanden 428 Vgl entsprechend noch IX 37,7 te nulla movet cani reverentia cunni 429 Dieser Todesfall dürfte dem II 34 berichteten Geschehen bereits vorausgehen 430 Zur Zahl dieser Ehen vgl VII 58,1 iam sex aut septem nupsisti … cinaedis und IX 78,1 funera post septem … virorum 431 Als gemeinsamer Nenner der beiden Gedichte hätte mithin „il trompe les autres et lui-même“ (Balland 2010, 61) zu gelten 432 Ursprünglich nur Gegenstand eines Gerüchtes, wird dieses Verhältnis jetzt – nach dem Tode des älteren G  – zur Gewißheit Aus III 92, richtig verstanden, geht im übrigen hervor, daß G um die Promiskuität seiner Frau weiß und diese duldet

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

2

101

ser tritt seinerseits schon in blutjungen Jahren (levior … conchis … Cytheriacis) als Beischläfer einer famosa moecha in Erscheinung, dürfte aber  – so Martial  – auch der Rolle eines pathicus einiges abgewinnen können (II 47 mit v  1 f ) Vgl auch Kat 3e s v sowie das Kapitel ‚Martial als Ehemann?‘ Zu den augenzwinkernden Klagen über einen anspruchsvollen Patron gleichen Namens vgl Kat 1 s v

Gargilianus: In einem ersten Gedicht (III 30) erkundigt sich Martial, auf welcher Grundlage G nach Abschaffung der sportula in Rom sein Auskommen finden wolle, und spricht dabei die eigenen Erfahrungen an, die ihn zu seinem jüngst vollzogenen Weggang aus der Hauptstadt nötigten: Ihm sind durch Wegfall dieser Einnahmequelle (v  1; vgl III 7; 60) die Mittel für seine kärgliche Mietwohnung (v  3; vgl I 108,3 f ; 117,7) oder einen Besuch bei der Dirne Chione (v  4; vgl III 83; 97) verloren gegangen Die Antwort liefert G alsbald, bemüht er sich doch, durch munera … ingentia reiche Erblasser zu umgarnen, was Martial veranlaßt, ihn als sordidus und spurcus zu schelten und stattdessen auf sich selbst als möglichen Geschenkeempfänger hinzuweisen (IV 56 mit v  1 und 3) In späteren Jahren wird er noch für seine Hartnäckigkeit in einem langjährigen (Vermögens-?)Prozeß mit Kopfschütteln bedacht (VII 65) und für seinen ‚Betrug‘ beim Verkauf eines Sklaven mit Regreßforderungen konfrontiert (VIII 13)433; auch die von ihm betriebene Extremform der Haar- und Bartentfernung widerspricht jedem pudor (III 74) Der scheinbare Widerspruch zwischen der finanziell klammen Situation des G (III 30) und der Opulenz seiner Geschenke (IV 56) ist wohl dahingehend aufzulösen, daß Martial ein großsprecherisches Diktum seines Gegenübers zitierend aufgreift: „by writing munera ingentia he [= Martial] may be parodying Gargilianus‘ style and accusing him of arrogance“ (Moreno Soldevila comm , 401) 434 Garricus wird von Martial in Erwartung eines ihm zugesagten Erbteils u a mit Wildfleisch beschenkt, läßt ihm jedoch weder in diesem Zusammenhang eine Einladung zur cena (IX 48) noch aus Anlaß der Saturnalien ein Präsent in gewohntem Umfang (XI 105) zukommen 435

433 Dabei braucht er trotz Schöffel comm , 182 f nicht unbedingt einer Beschäftigung als mango nachgegangen zu sein Zur Qualität eines ‚echten‘ morio vgl XIV 210 434 G verhielte sich damit wie wohl auch Naevius (II 46; vgl s v ) Alternativ kommt auch eine andere Möglichkeit in Betracht: Demnach verfügt G tatsächlich über die Mittel, munera ingentia einzusetzen (IV 56), wird aber III 30 nicht als Betroffener befragt, sondern als eine Art Kummerkasten ins Vertrauen gezogen (‚versetze dich in meine Lage …‘), sein Name mithin als ‚isolated vocative‘ (vgl Kat  3e s v ) eingesetzt 435 Allein die Wiederkehr des Stichworts quadrans (IX 48,11; neuerlich XI 105,1) soll Martial nach Friedländer comm  1,23 Anm  1 auch zur arbiträren Wiederholung des Adressatennamens bewogen haben Eher ist hier jedoch auf bedachte, die Identität des Namensträgers voraussetzende Pointenbildung zu schließen: Großspurig hat G dem Dichter ehedem ein Viertel seiner gesamten

102

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

Gaurus wird schon im ersten auf ihn bezogenen Gedicht als unmäßiger Zecher, als dichtender Stümper und als fellator vorgeführt (II 89) Offenbar mehr als gutsituiert (VIII 27,1 locuples), verweigert er Martial doch als ein rechter Kleingeist jede Unterstützung (V 82) und ist im Alter von Erbschleichern umgeben (VIII 27); auch als Dichter bzw Möchtegernepiker bleibt er weiter unter Beschuß (IX 50) 436 Mit diesen Aussagen gänzlich unvereinbar erweist sich ein letztes Gedicht, wonach der pauper G. einen befreundeten Prätor um den Restbetrag bittet, der ihm noch zu einem Rittervermögen fehlt, dabei jedoch eine demütigende Zurückweisung erfährt (IV 67 mit v  1; zur Sache vgl auch V 25) Hier liegt jedoch allem Anschein nach eine spätantike Textverwilderung vor: Dem wohl authentischen Wortlaut zufolge ist G nicht Akteur, sondern Adressat des Gedichtes (v  1 gaure γ : gaurus αβ; vgl Kat  3e s v ), das ihn so mit einem Akt ähnlicher Rücksichtslosigkeit konfrontiert, wie er sie auch selber an den Tag legt (vgl V 82)437; die Textverderbnis hingegen dokumentiert das Bestreben eines Redaktors/Schreibers, dem ungenannten Opfer des Geschehens einen Namen zu geben 438 Soweit sich der sprachlich-stilistische Befund des Gedichtes durch die Annahme einer vokativischen Adressierung ändert, bietet Martial selbst die einschlägigen Parallelen: vgl IV 87; VI 51; VII 62; XI 27 (Vokative auf ­e am Ende des ersten Hexameters)439, IX 85 (Adressatenwechsel innerhalb eines Gedichtes) sowie X 10,11 quid faciet pauper cui non licet esse clienti? (Substantivierung von singularischem pauper) 440 Gellia ist durchweg darum bemüht, ihre Umgebung zu beeindrucken, muß es jedoch hinnehmen, daß Martial ihrer Selbstinszenierung von Fall zu Fall einen Dämpfer versetzt: Die Trauer um ihren verstorbenen Vater erweist sich bei näherem Zusehen als Heuchelei (I 33); und wenn sie mit ihrem Äußeren durch überstarken Parfümgebrauch (III 55), jungmädchenhaftes Gebaren (IV 20) und Perlenschmuck (VIII 81) Staat zu machen sucht, erklärt sie der Dichter – möglicherweise ebenso einseitig – für

436

437 438

439 440

Hinterlassenschaft in Aussicht gestellt; jetzt ist er gerade einmal zu einem Geschenk von einem Viertel der früheren Silbermenge bereit Martials Urteil über den Geizhals G (V 82,4 pusillus homo es) wird hier von diesem  – auf die Epigramme seines Gegenübers bezogen – kurzerhand retourniert: ingenium mihi [= Martiali] … probas … esse pusillum (IX 50,1)   – Friedländers These, Martial habe G als Pseudonym für seinen Konkurrenten Statius verwandt (comm 2,77 zu IX 50), dürfte – gerade auch vor dem Hintergrund des zuvor entworfenen Tableaus – keine Aktualität mehr besitzen (vgl auch Garthwaite 1998b, 167–170, der angesichts der Widerspruchsfreiheit des von Martial entworfenen Porträts immerhin „a real person behind the pseudonym“ (168) erkennt, sowie Ripoll 2002, 308 ff ) Entsprechend war er in Kat 3e aufzunehmen Weder der bemitleidenswerte pauper noch der rücksichtslose, durch cana amicitia (v  2) mit diesem verbundene Prätor treten ja aus dem Schatten der Anonymität hervor Ansonsten ist auch ein mechanisches Versehen denkbar, weist doch der Martialtext häufiger Korruptelen auf, „in which the termination of a word has been altered apparently in order to accord it with a neighbouring word“ (Ker 1950, 12) Einschlägige Belege aus Einzeldisticha sind hier nicht aufgeführt Vgl hierzu etwa auch Petron  48,5 pauper et dives inimici erant

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

103

alt (IV 20) und häßlich (V 29) 441 Daß sie es trotz ihrer – dünkelhaft ins Feld geführten – Herkunft aus senatorischer Familie nur zu einem wenig respektablen Ehemann gebracht hat (V 17), ist unrühmlich, daß sie (unzufrieden mit ihrem Los?) daneben noch ein eheähnliches Verhältnis mit einem Liebhaber unterhält, schlechterdings deplorabel (VI 90) 442 Gellius rechtfertigt seine Knausrigkeit gegenüber Freunden mit der Finanzierung fortwährender Umbauten (IX 46); dabei hat er durch die Heirat mit einer vermögenden Greisin sein Schäfchen schon längst ins trockene gebracht (IX 80) 443 Glycera: schöne, von Martial begehrte Hetäre (VI 40), die sich jedoch in späteren Jahren von einem anderen Mann als fellatrix gebrauchen läßt (XI 40) Hedylus steht als puer cinaedus (die Junktur IX 90,7) auch dem Dichter zur Verfügung (I 46)444; in späteren Jahren hat dieser jedoch nur noch Spott für seine Feigwarzen (IV 52)445, seine Armut und seinen abgewetzten Hintern (IX 57) übrig Wenn Martial in seinem frühesten Hedylusgedicht bekennt, den sexuellen Akt nur ohne Zeitdruck vollziehen zu können (v  4 Hedyle, si properas, dic mihi, ne properem), hat er ein witziges Wortspiel mit der Doppelbedeutung von properare (‚keine Zeit haben‘ – ‚es schneller angehen‘), nicht jedoch den „gemeinsame(n) Orgasmus, die gleichzeitige Ejakulation beider Partner“ (Obermayer 1998, 74) im Sinn446; kommt hier der Geschlechtsakt doch offenbar nicht im Rahmen einer partnerschaftlichen Beziehung, sondern durch Umgang mit einem sexuellen Dienstleister zustande 441 V 29 geben sich die ‚Freundlichkeiten‘, die G mit Martial austauscht, noch relativ deutlich als Frotzeleien zu erkennen: Sie begleitet das Geschenk eines Hasen mit der Bemerkung, durch dessen Verzehr könne Martial seinem Aussehen – wenigstens vorübergehend – etwas aufhelfen: formon­ sus septem, Marce, diebus eris v  2 (zum dahinterstehenden Volksglauben vgl Plin nat XXVIII 260); er nennt sie v  3 lux mea, um ihr im nächsten Vers seinerseits optische Qualitäten abzusprechen Erst später gewinnen Martials Äußerungen vielleicht eine gewisse Schärfe: G s Diktum, bei Verlust ihrer Perlen keinen Tag weiterleben zu wollen (VIII 81,8 f ), scheint er damit zu quittieren, daß er einen Räuber herbeisehnt (v  10 f ) Dies bleibt jedoch – von Barié/Schindler tr , 1327 geteilte – Vermutung; möglicherweise ist der Einschätzung von Schöffel comm , 676 beizupflichten, daß das Gedicht „im achten Buch das einzige Epigramm darstellt, dessen Pointe völlig unklar ist “ 442 Das unter uneinheitlicher Namensnennung überlieferte Epigramm VI 67 (caelia α : gellia γ : gelia β) ist auf Caelia zu beziehen (vgl s v ): Steht doch die Promiskuität der dort auftretenden Dame in direktem Widerspruch zu der – wenige Gedichte später – für Gellia bezeugten Konzentration auf einen einzigen moechus (VI 90) 443 Zu v  2 uxorem pascit (‚nährt sich von ihrem Vermögen‘) vgl Fusi 2012, 254–262; wenig attraktiv die Vorstellung von Henriksén comm  2, 105, hier handele es sich um eine sexuelle Metapher 444 Für eine konjekturale Änderung des einhellig überlieferten Vokativs Hedyle in einen Frauennamen (­i Bentley, zuletzt übernommen von Shackleton Bailey ed ) besteht kein wirklicher Anlaß (vgl auch Eden 1999, 578 f ) 445 Im einzelnen hat das Gedicht bis dato keine befriedigende Erklärung gefunden 446 Entsprechend ist v  1 propero und v  4 si properas trotz ERB (1981), 148 Anm  17 und OBERMAYER a a O nicht mit G VORBERG, Glossarium eroticum, Stuttgart 1932 (=Roma 1965), 529 („mir kommt es“) prägnant auf den sexuellen Höhepunkt zu beziehen

104

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

Hyllus: puer (II 60,1; IV 7,1), der sich offenbar nach seiner Karriere als sexuell vielbeanspruchter Männerschwarm zurücksehnt: Mittlerweile zwar auch als Ehebrecher tätig447, reizt es ihn doch immer noch, anal genommen zu werden (II 60); sein Verlangen nach einem gut bestückten Mann ist dabei so groß, daß er für eine pedicatio sogar selbst zu zahlen und dabei den letzten Heller auszugeben bereit ist (II 51) Erst mit der Zeit verweigert er unter Hinweis auf seine noch junge Männlichkeit dem Dichter die gewohnten Freuden (IV 7) Von diesem H klar durch die Besitzerangabe geschieden ist ein von seinem Herrn argwöhnisch bewachter Sklave gleichen Namens: tuum … Hyllum / …, Afer (IX 25 mit v  1 f ; vgl Kat 6 s v ) Labienus: Ungeachtet seiner Freundin (II 62,3) wird der frisurtechnisch erfindungsreiche Kahlkopf (V 49) mit aktivem wie passivem homosexuellem Analverkehr in Verbindung gebracht (II 62; XII 16; 33; in den beiden letzten Gedichten durch Grundstücksverkauf finanziert); daneben tritt Gier als sein bestimmender Charakterzug zutage: V 49 greift er bei einer öffentlichen Bewirtung dreimal zu; VII 66 hat er sich als Erbschleicher verspekuliert 448 Labulla: Tochter des Arztes Sota(s), tritt als treulose Ehefrau auf: Einmal verläßt sie ihren Mann wegen eines jungen Burschen (IV 9: Clytus); später hat sie subtilere Wege gefunden, auch in Gegenwart des einfältigen Gatten ihrem Liebhaber nahe zu sein (XII 93) 449 Labullus: Zeitraubende Klientendienste bei L sind Martials dichterischer Produktion abträglich (XI 24)450; dabei ist seine Freigebigkeit gegenüber einem amicus mit der früherer Patrone nicht zu vergleichen (XII 36 mit v  1)

447 Auch Juvenal kennt den Typ des praetextatus adulter (1,78) 448 „Labienus hatte dem Fabius zuvor Geschenke gemacht, deren Wert nach seiner Ansicht aber den Kapitalwert des ererbten Vermögens überstieg“ (Barié/Schindler tr , 1297) Wenn Shackleton Bailey tr 2, 131 und andere in VII 66 eine schlüpfrige Pointe erwägen (Barié/Schindler a a O als weitere Möglichkeit: „Labienus’ sexuelle Gefälligkeit war größer als daß man sie mit einer Erbschaft bezahlen könnte“), vernachlässigen sie Martials sonstige Aussagen über die beteiligten Personen: Der Erblasser Fabius tritt auch andernorts im Zusammenhang seines Testamentes (IX 8) oder als mehrfacher Witwer (VIII 43), nirgends jedoch als Männerfreund in Erscheinung; und nach XII 16 und 33 ist es gerade L , der für seine homosexuellen Neigungen beträchtliches Kapital einsetzt 449 Nur in ihrem Hyparchetypus γ weist die Martialüberlieferung jeweils den korrekten Frauennamen L aus; vgl dagegen IV 9,1 bulla β (ad fabullam in lemm γ); XII 93,2 fabulla β 450 Die varia lectio fa­ (v   4; 9: β) erledigt sich dadurch, daß im Falle des „similar benefactor of 12 36“ (Kay comm , 125) einheitliche Überlieferung des Namens vorliegt (vgl auch s v Labulla Anm  449)

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

105

Laecania schmückt sich mit künstlichen Zähnen (V 43); ihre demonstrativ zur Schau getragene Sittsamkeit (ins Bad darf ihr Sklave sie nur geschürzt begleiten) wird als Heuchelei einer auf ihren cunnus reduzierten Frau verdächtigt (VII 35 mit v  8) 451 Laelia legalisiert unter dem Zwang der Gesetze ihre außereheliche Beziehung zu Quintus (V 75) Wiewohl von einfachen Eltern stammend und im Vicus Patricius wohnend, legt sie ein unangemessen affektiertes Gehabe an den Tag, ohne dabei verführerisch zu sein (X 68): Ist sie doch durch schütteres Haar, fehlende Zähne und den Verlust eines Auges beeinträchtigt (XII 23) Laetinus: ein reicher Greis, der sich die Haare färbt (III 43) und ansonsten von chronischem Fieber befallen ist (XII 17) 452 Laurus: ein Mann fortgeschrittenen Alters, der nichts Rechtes mit sich anzufangen weiß: Die Entscheidung über eine Betätigung als causidicus oder rhetor schiebt er seit Jahren vor sich her (II 64); die Energie, die er in seiner Jugendzeit als Ballspieler an den Tag legte, ist lähmender Passivität gewichen (X 86) Leda: Unter dem in einschlägigen Kreisen sicher gern als nom de guerre geführten Namen sind Martial zwei Damen von zweifelhaftem Ruf geläufig: 1 eine bitterarme, schmutzige Bordellhure, die jeweils nur en passant Erwähnung findet (III 82,3; IV 4,9; XI 61,3 ff )453; 2 eine meretrix, für deren Freikauf 454ein ihr verfallener Galan sein gesamtes Vermögen aufwendet (II 63) und die auch nach ihrem Aufstieg zur Ehefrau mit Zustimmung des indulgenten (und impotenten) Gatten zu ihrem gewohnten Triebleben zurückkehrt (XI 71) 455 Lesbia: Hetäre, für die der Dichter augenscheinlich einiges Interesse aufbringt 456 Ihrem Hang zum Exhibitionismus sucht er (aus eigenem Interesse?) mit einem nicht als dura censura mißzuverstehenden Monitum zu begegnen (deprendi veto te … non futui: I 34 mit v  9 f ); ihre Reinlichkeit nach vollzogener fellatio findet seine ausdrückliche Zustimmung (II 50 mit v  1 quod fellas et aquam potas, nil … peccas) Ganz der

451 452 453 454 455 456

In v  7 f „a veiled accusation of lesbianism“ zu sehen (Galán Vioque comm , 247), ist schlechterdings abwegig Die von Schneider (2002) vorgeschlagene Textänderung in v  10 (cur statt vis) ist nicht erforderlich In v  4 wohl absichtsvoll obscena genannt und so von ihrer wenige Epigramme später auftretenden Namensschwester geschieden 100 000 Sesterzen entrichtet Milichus als Kaufpreis (die gleiche Summe kosten sonst pueri: vgl I 58,1 und XI 70,1), nicht einfach „to have sex with Leda in the via sacra (Piros 2019, 53 Anm  122) Vgl Kay comm , 223: „Here, since she is married, she is not so [sc a prostitute] in theory, but the name hints she is in practice “ Für die Einschätzung von P Watson (2005), 70 f mit Anm  38, L sei als matrona einzustufen, fehlen schlüssige Indizien: Furta und adulter (I 34,2 f ) brauchen nur auf „verstohlene Liebschaften“ (Friedländer comm 1, 185) mit diesem oder jenem Galan hinzuweisen

106

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

Charmeur, schenkt er ihr eine blonde Perücke (V 68)457, sieht seine Potenz allerdings durch ihr dominantes Wesen und ihre herrische Miene beeinträchtigt (facies imperiosa neben stare iubes semper nostrum tibi … penem: VI 23 mit v  1 und 4) 458 Erst mit den Jahren verliert sie offenbar an Attraktivität: Dann wird sie vom Epigrammatiker als alt (X 39) und dick wahrgenommen (XI 99)459 und mit dem Verdacht konfrontiert, sie müsse für den Vollzug des Geschlechtsverkehrs nunmehr sogar bezahlen (XI 62) Ligeia: uralte Kokotte, die sich immer noch die Schamhaare zupft (X 90 mit v  1), auf dem Kopf jedoch längst kein Eigenhaar mehr besitzt (XII 7) Ligurinus: als vir iustus, probus, innocens (III 44,18)460 und spendabler Gastgeber (III 45,3) anerkannt; nervtötend jedoch als Dichter, der die Menschheit im allgemeinen (III 44) und seine Gäste im besonderen (III 45) mit Lesungen aus seinen Werken heimsucht und solcherart schließlich Gefahr läuft, auch Martial zu vertreiben (III 50) Linus hat es, wiewohl auf dem Lande lebend, verstanden, ein mütterliches Millionenerbe durchzubringen (IV 66) Jetzt ist er zahlungsunfähig (I 75) und – zwecks Sondierung möglicher Darlehensquellen? – um Einsicht in anderer Leute Vermögensverhältnisse bemüht (II 38; von Martial brüsk abgewehrt) Von der Ehefrau als pathicus (II 54), vom Stadtklatsch als fellator verdächtigt (VII 10,1), ist er bei nachlassender Potenz am Ende tatsächlich auf seine Zunge angewiesen (XI 25); wenn sich Martial über seine winterlichen Küsse beklagt (VII 95), spielen derlei Implikationen indes ebenso wenig eine Rolle wie in XI 98 und im Hauptteil von XII 59 Der gleichnamige paedagogus der Postumilla ist, da perpetua fide probatus (XII 49 mit v  5), von diesem L fernzuhalten

457 Tendenziell zutreffend Obermayer (1998), 267 Anm  63: „Der Sprecher schickt Lesbia eine Haarlocke(!) aus Germanien, um ihr zu schmeicheln, um ihr zu zeigen, daß ihr eigenes blondes Haar wesentlich schöner sei“ (Hervorhebung W K ) Von textfernen Vorurteilen überlagert dagegen die Fehldeutungen von Prinz (1911), 57, Barié/Schindler tr , 1260 („Lesbia tat wahrscheinlich mit ihrem natürlichen Haar zu viel des guten, indem sie es exzessiv hellblond färbte Wie künstlich dies wirke, soll ihr die zugeschickte blonde Perücke verdeutlichen“) oder Canobbio comm (zu B V), 520 f , der L durch das Gedicht als kahlköpfig denunziert sieht 458 Befremdlicherweise wird L in der Sekundärliteratur fortwährend ein häßliches Gesicht angedichtet: Vgl Obermayer (1998), 266 zu v  4 te contra facies imperiosa tua est: „gegen dich spricht zwingend dein Gesicht … Das Gesicht Lesbias ist so unansehnlich, daß ein Koitus zwischen ihr und dem narrateur ausgeschlossen ist“; Barié/Schindler tr , 1269: „deine Häßlichkeit läßt kein Begehren aufkommen“; Shackleton Bailey tr 2, 17: facies imperiosa = „your ugliness“ Wie sollte dies möglich sein, da Martial doch erkennbar immer wieder (v  1 semper!) sexuellen Kontakt mit ihr sucht? 459 Die Annahme von Booth (1980), sedere (v  8) habe hier die obszöne Bedeutung ‚se prostituer‘, wird weder dem Kontext noch auch nur der Aufforderung des Schlußverses nec surgas … nec sedeas gerecht; vgl auch Saggese (1995), 53 f mit einer Erklärung, die diesem Schluß Rechnung trägt, inhaltlich aber auch nicht überzeugt: „il surgere richiama … l’alzarsi della meretrix (…) all’arrivo del cliente (…) ed il sedere allude al momento precedente, quando è in attesa davanti al prostibulum “ 460 Die fast gleichen Prädikate verwendet Martial X 76,5 für seinen Freund M(a)evius

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

107

Lupercus interessiert sich für die Martialgedichte nur, wenn er kein Geld dafür ausgeben muß (I 117); ansonsten amüsiert sich Martial über seinen horrenden Bartwuchs (VII 83)461 und über die Geschäftstüchtigkeit, mit der er sein poetisches Talent als Ghostwriter vermarktet (XII 47(46)); oder er sucht sich bei seinem Gegenüber als potentieller conviva ins Gespräch zu bringen (VI 51)462, trägt er doch in der Folge keine Bedenken, mit L  – in den eigenen vier Wänden – bis in die Nacht zu zechen (IX 87) 463 Daß L dem Versagen seiner mentula durch Finanzierung kostspieliger purae buccae abzuhelfen sucht, ist dem Dichter ein Wortspiel wert (III 75 mit v  5 und 8); und er hat auch die Folgen dieser Misere im Blick: L s Frau sucht anderwärts Befriedigung (VI 6: Paula), und L selbst kommt durch körperliche Unpäßlichkeit einer Favoritin (XI 40: Glycera) nicht durchgängig auf seine Kosten Von diesem Manne doch wohl mittleren Alters und eingeschränkter Potenz (tibi iam pridem mentula desit: III 75,1; vgl auch XI 40) ist ein als tener gekennzeichneter Gigolo fernzuhalten, der nur einmal – aus besonderem Anlaß – ins Visier des Dichters gerät: Als Martial davon erfährt, daß sich die glabraria Chloë durch ihren jugendlichen Liebhaber L in den finanziellen Ruin treiben läßt, kann er sich einen diesbezüglichen Namenswitz nicht versagen: nudam te statuet tuus Lupercus (IV 28 mit v  1 und v  7 f ) 464 Lycoris: Im Rückblick bekennt Martial, die Hetäre L habe in früheren Jahren zu seinen Favoritinnen gehört (VI 40) – und dies ungeachtet ihres bemerkenswert dunklen Teints465 (I 72,5 f wird dieser durch Schminke, IV 62 und VII 13 durch Aufenthalt in Tibur zu beheben gesucht) wie auch ihrer Sehschwäche (III 39; hier kommentiert Mar-

461 Wäre das Epigramm stattdessen gegen die Saumseligkeit des Barbiers Eutrapelus gerichtet, hätte Martial nicht speziell auf den Bart des L abgehoben 462 Grewing comm , 348 hat den zentralen Vers des Gedichtes grundlegend mißverstanden: „Lupercus speist stets ohne den Sprecher, und dies, obwohl er ihn immer wieder einlädt (V 3), d h : er weiß ganz genau, wann der Sprecher wegen anderweitiger Verpflichtungen nicht kommen kann “ 463 Die bei dieser Gelegenheit durch L erbetene Rechtshandlung wird von Martial als Störung empfunden und daher, nicht etwa aus Mißtrauen, auf den nächsten Tag verschoben; unrichtig Henriksén comm 2, 122 f oder Barié/Schindler tr , 1348 f : „Lupercus wollte wohl die Trunkenheit des Zechers ausnutzen … Im Rausch läßt sich dieser erst recht nicht auf Geschäfte ein, die er im nüchternen Zustand nicht gutheißen könnte “ Als Zeuge eine tabella manumissionis zu siegeln, stellt für den Ausführenden nichts Anstößiges dar 464 Friedländer comm 1, 350 liefert eine eher schiefe Erklärung der Pointe: „Dein Lupercus wird dich nackt hinstellen, während sonst die Luperci an den Lupercalia selbst nackt erschienen “ Entscheidend dagegen der Hinweis von Holleman (1976), wonach das Ritual der Luperci – zumindest in seinem Ursprung – mit weitgehender Entblößung der beiwohnenden Frauen einhergeht  – Wenn Moreno Soldevila comm , 247 f im Bestreben, auch diesen L mit dem schon älteren Namensvetter der übrigen Gedichte gleichzusetzen, tener (IV 28,1) als möglicherweise ironisch einstufen will, hat sie das Stichwort glabraria (v  7) aus den Augen verloren; im übrigen ist in Gestalt des Pliniusadressaten L (epist II 5; IX 26) mindestens noch ein weiterer Zeitgenosse dieses Namens belegt 465 Für diesen schwärmt Martial geradezu: vgl I 115

108

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

tial eine Liebelei der lusca L : v  2) 466 Auch als Auftraggeberin eines weniger gut gelungenen Venusgemäldes (I 102; zu diesem auch noch V 40) und als letzte Überlebende aus dem Kreis ihrer Freundinnen (IV 24) erfährt sie keine substantielle Abwertung 467 Lydia: Solange sie nur schweigt, ist die Dirne L  – mit Ausnahme ihres Gesichtes – ausgesprochen attraktiv (XI 102); und so hat sich auch Martial mit ihr eingelassen, um desillusioniert festzustellen, daß sie letztlich auch körperlich enttäuscht, da sie vor ihm offenbar schon einer Unzahl anderer Männer zur Verfügung stand (XI 21) In XI 69 trägt den Namen L auch ein Jagdhund Lygdus: Der Name L dürfte angesichts der mit ihm verbundenen Assoziation mädchenhaft schöner Blässe468 verschiedentlich für junge Eunuchen bzw Lustsklaven Verwendung gefunden haben (vgl Tac ann IV 10: der Lieblingseunuch des Tiberiussohnes Drusus) Entsprechend kennt auch Martial mehr als einen Namensträger aus diesem Personenkreis, nämlich 1 einen als Ehebrecher ausgewiesenen concubinus (VI 39,12 f mit Marulla), dessen anrüchiges Tun schließlich seine Legalisierung erfährt (VI 45 mit Laetoria)469; 2 einen vom Dichter selbst begehrten jungen Burschen, der sein Gegenüber jedoch versetzt (XI 73) und sich mit der Zeit vollkommen unzugänglich zeigt (XII 71) 470 Mamercus: Als Dichter ohne Talent (II 88), ist M auch wegen seiner boshaft-mißgünstigen Wesensart nur zu bedauern (V 28) Mamurra mimt auf seinen Einkaufstouren den schwerreichen Kenner, verfügt in Wirklichkeit jedoch weder über Geld noch Personal (IX 59)471; an Selbsterkenntnis, seinen spleenigen Charakter betreffend, ist ihm nicht gelegen (X 4)

466 Da ästhetisch anscheinend ohne Belang, ist das Adjektiv hier nicht auf den Verlust (VIII 59,1 f ), sondern – wie VI 78 oder VIII 9 – auf die Erblindung eines Auges bezogen 467 Anders als die Akteurin in vergleichbaren Texten wird L IV 24 weder zur vetula noch zur Giftmischerin oder zur „iettatrice“ (La Penna [1992]2000, 99) gestempelt; und die Ansicht von P  & L Watson (1996), 586 ff , Epigramm I 102 richte sich gezielt gegen L , denn diese habe als Venus dem Maler Modell gestanden und, da „distinctly unattractive“ (588), das zweifelhafte Ergebnis selber zu verantworten, wird weder dem Gedicht selbst noch Martials anderwärtigen Sympathiebezeugungen gerecht 468 λύγδος: eine Sorte parischen Marmors von schneeweißer Farbe; vgl im einzelnen Grewing comm , 140 f ; 282 469 Zutreffend also vielleicht die Aussage von Grewing comm , 317: „Laetoria … heiratet … mit Lygdus einen ihrer Sklaven, den sie vorher befreit haben muß “ 470 Der gleichnamige Viehhirte von XI 41 gehört in einen ganz anderen Zusammenhang: vgl das Kapitel ‚Der Einfluß literarischer Tradition‘ 471 Irrig Craig (1912), 15: „He [= Martial] shows us a millionaire, who, after spending hours in the inspection of rich furniture, vases, statues, and gems, ends the day by purchasing two cups for a penny and carrying them home himself “

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

109

Marianus ist hauptsächlich durch seine Naivität charakterisiert, spielt er doch sowohl als betrogener Ehemann (V 61) wie auch als Opfer eines Erbschleichers (VI 63) eine eher hilflose Rolle, in der er der Aufklärung von seiten des Epigrammatikers bedarf Vgl auch Kat 3e s v Marulla: Ehefrau des Cinna, hat Kinder von mehr als einem halben Dutzend Vätern (VI 39); ihr besonderes Interesse wie auch ihr Sachverstand für das Gewicht eines männlichen Gliedes (X 55) können daher nicht verwundern 472 Naevia findet Gefallen daran, ihre Geliebten zu manipulieren: Sie ziert sich, Rufus zu erhören (I 68473; 106), kokettiert mit dem Erbschleicher Bithynicus (II 26) – offenbar um ihn auszunehmen – und läßt sich auch von Martial umwerben (II 9) Und in diesen erotisch aufgeladenen Kontext gehört anscheinend auch das regelmäßig mißverstandene Epigramm III 13: N tritt hier nicht – wie auch sonst keine Frau bei Martial – als Gastgeberin einer cena auf474; vielmehr sitzt sie zuhause und hat eine ihrer Launen: Nichts will ihr munden, nicht einmal an einem gut abgehangenen Wildschweinbraten (plus quam putri (coni Heinsius; patri codd ) apro)475 findet sie Gefallen Die Schuld gibt sie ihrem Koch: accusas rumpisque cocum, tamquam omnia cruda / attulerit (v  3 f ); Martial hingegen, bislang als Liebhaber nicht zum Zuge gekommen, zeigt sich erbötig, hier in eigener Person Abhilfe zu schaffen: numquam sic ego crudus ero (v  4): „wenn du mich geniessest, wird die eigentliche Ursache deiner Appetitlosigkeit beseitigt, ich werde dir schmecken“ (Schuster 1926, 343) 476 Naevolus: Hinter seinem großsprecherischen Gehabe wird eine eher jämmerliche Erscheinung sichtbar: Seine Auftritte als Anwalt erschöpfen sich in der Verschleierung mangelnder Fähigkeiten (I 97); und ungeachtet der ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen kommt er nicht auf den Gedanken, einen frierenden Freund mit einem

472 Daß Giese (1872), 23 an der letzteren Stelle mit einem ‚scortum‘ rechnet, verkennt die bei Martial allgegenwärtige Libertinage 473 Die Erklärung des Szenarios in diesem Gedicht hat in jüngerer Zeit Rückschläge erlitten: vgl L C Watson (1983), 260–264 und Greenwood (1992) Wie schon Friedrich (1907), 366 f gesehen hat, zeigt Rufus seiner Freundin den fehlerhaft adressierten und daher nie an seinen(!) Vater abgeschickten Brief (haec), um sie zu rühren Da die puella jedoch anders reagiert als erhofft – ridet demisso Naevia voltu (v  7): ‚lacht sich heimlich ins Fäustchen‘ –, sieht sich Martial veranlaßt, eine Fortsetzung dieser Liaison zu widerraten: Naevia non una est: quid, vir inepte, furis? (v  8; überzeugend auch Morelli 2009) Nach II 9 und III 13 dürfte der Dichter dabei nicht zuletzt im eigenen Interesse gehandelt haben Dagegen wird die Wiedergabe von et ridet demisso Naevia voltu durch „and, although she was sad, laughs“ (P J Anderson 2011, 194; zur Erklärung: „describes some kind of depressed state“) weder dem Kontext des Epigramms noch dem Wesen der Akteurin gerecht 474 Vgl die Bedenken von Shackleton Bailey ed , 86 („femina apud Martialem convivio alibi nusquam praesidet“), die er – unter Zweifeln – durch die Konjektur Naevole zu beheben sucht 475 Zur Sache vgl Hor sat II 2,89 rancidum aprum antiqui laudabant 476 Die übliche Erklärung etwa bei Garthwaite (2006), 409: „The poet consoles himself with the thought that at least this way he will be spared indigestion “

110

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

Mantel auszustatten (II 46 mit v  1–6 als hyperbolischer – auf Prahlerei von N selbst basierender?477 – Bestandsaufnahme seines Textilfundus) Als pathicus läßt er sich von seinem puer nehmen (III 71; 95)478, wähnt sich dabei jedoch als etwas Besseres, was sich insbesondere beim hochmütigen Verweigern des Grußes zeigt (III 95; IV 83); in Augenblicken tiefer Depression legt er dagegen ein nachgerade devotes Verhalten an den Tag (IV 83) Nanneius: Der Unverfrorenheit in seinem sozialen wie moralischen Verhalten ist nur vorübergehend Erfolg beschieden: Sein Versuch, vor der Öffentlichkeit als Ritter aufzutreten, scheitert am Theateraufseher (V 14); seiner späteren Karriere als – impotenter? – cunnilingus kommt ein indecens morbus der Zunge in die Quere (XI 61 mit v  13) Nasica: Ihm sind in unserer Epigrammsammlung gerade einmal zwei Einzeldistichen gewidmet: Von Martial will er sich Einladungen zur cena erschleichen (II 79)479; seine Identität mit dem viele Bücher später als phreneticus in ärztlicher Behandlung befindlichen N (XI 28 mit v  1) läßt sich nur vermuten Nestor: wegen seiner Stänkereien (seines Mundgeruchs?) aufs Korn genommen (III 28) und als bettelarm verspottet (XI 32) Olus: Daß Martial dem eitlen O 480 (nach IV 36 färbt er sein Haar) mit einem stolzen Bekenntnis zur inneren Freiheit die Klientel aufkündigt (II 68), zeugt wohl nur vordergründig von der besonderen Seelengröße des Epigrammatikers: Früher mit reichem Landbesitz ausgestattet, ist sein Gegenüber nämlich jüngst verarmt (III 48) und damit als Patron aus dem Rennen Eifrig versucht er, seine Verhältnisse – die auch im familiären Bereich nicht zum besten stehen – durch Tratsch über andere zu bemänteln (VII 10); bei einer von ihm ausgerichteten cena müht er sich noch Jahre später, die Fortdauer seiner Mittellosigkeit zu kaschieren (X 54) 481 477 In Wirklichkeit verfügt N nicht einmal über den Ritterzensus (III 95,10) 478 Zu prior es (v  14) vgl Fernández Valverde (2001), 51–54 479 Von den beiden Lesarten me … vocasse (αβ) und me … vocatum (γ) in v  1 führt nur erstere zu einer wirklichen Pointe; vgl Gerlach (1911), 36: „neque Nasica invitat Martialem, sperans eum non venturum esse, sed fore, ut ipse ab eo invitetur“ (ebenso Prinz 1911, 40 Anm  3) 480 Was den Namen angeht, legt der Vergleich mit Claudius/Clodius, Plautus/Plotus, Paulla/Polla, Auricula/Oric(u)la (CIL XII 5686,652), Aurata/Orata (Fest p 182M ) nahe, ihn als vulgär lautende Nebenform des Vornamens Aulus zu identifizieren Von Martial möglicherweise ad hoc gebildet, um Verwechslungen mit seinem Freund Aulus (Pudens) zu vermeiden, dürfte sich die Form indes nicht allzu weit von der natürlichen Aussprache des Vornamens entfernt haben: vgl etwa CIG I 1,270, Z 5 Ὦλος Πόντιος Νυμφόδοτος oder CIL I2 1210, Z 4 Olus Granius Dagegen ist die Vorstellung, Ōlus sei als sprechender Name mit ŏlus ‚Gemüse‘ in Verbindung zu bringen (Barié/ Schindler tr , 1191: „Kohlkopf “), allein schon aufgrund der unterschiedlichen Quantitäten auszuschließen 481 Im einzelnen ist das Gedicht noch nicht überzeugend erklärt: PRINZ (1911), 48 Anm 2 vermutet, O habe seine Tische (mensae) mit Schutzhüllen verdeckt, um solcherart wertvolle Tischplatten vorzutäuschen; konnte Martial dann aber wirklich von mensae bonae sprechen?

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

111

Oppianus muß sich als notorischer Erbschleicher von jedem orbus auf den Plan gerufen fühlen (VI 62); und von Martials Krankenlager bleibt er wohl deshalb fern (VIII 25), weil es dort nichts zu holen gibt Dabei ist auch er selbst von eher schwächlicher Gesundheit: Mit der einschlägigen Blässe ausgestattet, glaubt er sich schon zum Dichter berufen (VII 4)!482 VI 42 ist O als wenig genußfähiger Zeitgenosse angesprochen, dem sich die Freuden eines luxuriösen Bades nicht erschließen wollen 483 Pannychus legt in Aussehen und Auftreten forcierte Männlichkeit an den Tag: Körperbehaarung und (Philosophen-)Bart läßt er sprießen (II 36; IX 47); und sein besonderes Interesse gilt Leibesertüchtigung und Muskelaufbau (VI 39,9: Stichwort palaestrita) 484 Seine Virilität spielt er auch gegenüber dem weiblichen Geschlecht aus: Mit einer mens volsa versehen (II 36,6: „verhurte und schamlose Gesinnung“)485, schwängert er auch einmal eine verheiratete Frau (VI 39,8 f ), während ihn seine eigene Freundin – zwecks Vermeidung von Schwangerschaften – vorzugsweise durch Eunuchen ersetzt (VI 67: Caelia) Auch dieser Ausbund an Potenz muß sich jedoch – wie alle pilosi – eine Vorliebe für passiven Analverkehr nachsagen lassen (IX 47) Beruflich als pragmaticus bei Gericht tätig, wendet er sich schließlich – als eine Art Aussteiger? – der Landwirtschaft zu und verlegt seinen Lebensmittelpunkt auf eine jämmerliche Klitsche (XII 72) Papylus: Folgt man Martials aliquid semper haeret-Strategie, hätte P seine bis dato vier Frauen in erster Linie geehelicht, um sich durch Einsatz von Gift in den Besitz ihres Vermögens zu bringen (IV 69); sexuell zumindest verfolgt er ganz andere Interessen: Noch im gleichen Buch wird er als – nach Abschluß des Aktes von Reue geplagter? das Ende des Genusses bedauernder? – pathicus vorgeführt (IV 48), andernorts auch als fellator (VII 94) mit eventuellem Hang (oder doch der Möglichkeit) zur oralen Selbstbefriedigung verdächtigt (VI 36) Hinter P s mangelnder Genußfähigkeit, wie sie VII 78 offenbart, wird wohl nicht nur „his lack of common sense“ (Galán Vioque comm , 437), sondern „seine Neigung zur Hochstapelei“ (Obermayer 1998, 175

482 Nach Sullivan (1979), 294 würde O als Poet von der wahren Ursache seiner ungesunden Gesichtsfarbe (fellatio/cunnilinctus: vgl I 77) abzulenken suchen 483 Vielleicht steht O s Kränklichkeit nicht nur VII 4 im Hintergrund: Sieht doch Martial der Notwendigkeit eigener Krankenbesuche bei O zuversichtlich entgegen (VIII 25); und „[i]n den Thermen des Etruscus könnte er sich erholen“ (Referat historischer Kommentare bei Grewing comm , 296 zu VI 42) 484 Das Substantiv impliziert hier keine professionelle Tätigkeit, sondern subsumiert P unter die Männer, denen es beliebt, palaestrice spatiari in xysto: … non sunt contenti quasi bona valetudine, sed vires, lacertos, sanguinem quaerunt, quandam etiam suavitatem coloris (so Cic opt gen 8, als Metapher gebraucht) 485 So Barié/Schindler tr , 1185  – Im übrigen äußert sich II 36 zur gesellschaftlich anerkannten Vorstellung zivilisierter Männlichkeit; abwegig dagegen die Erklärung von Obermayer (1998), 56, Martial teile „dem Adressaten mit, in welcher optischen Aufmachung er sich ihn als Partner wünscht “

112

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

Anm  144) sichtbar, die ihrerseits weniger darauf gerichtet sein dürfte, „in der Öffentlichkeit seine Bedürftigkeit zu verschleiern“ (Obermayer a a O ), als, unter Kennern „den Ruf eines Feinschmeckers (zu) erhalten“ (Barié/Schindler tr , 1300) 486 Paula ist fortwährend damit beschäftigt, neue Männer zu ehelichen und gleichzeitig nach Liebhabern Ausschau zu halten: I 74 legalisiert sie durch Heirat ein ehebrecherisches Verhältnis; VI 6 ist sie mit Lupercus verheiratet, aber mit einem ganzen Komödienensemble intim487; und nach XI 7,3 f hätte sie sich zu Lebzeiten Domitians durchaus mit dem Ruf einer kaiserlichen Mätresse brüsten können Vergebliche Heiratswünsche richtet sie an Priscus und Martial selbst (IX 10(5); X 8); und auch dem nächsten stupidus maritus setzt sie wieder Hörner auf (XI 7 mit v  1) Daß P trotz fortgeschrittenen Alters die Männer nicht ausgehen, hat sie ihrem nicht unbeträchtlichen Vermögen zu verdanken (vgl X 8) Philaenis: Diesen Namen trägt eine durch ihr Äußeres (u a einäugig: II 33488; IV 65; XII 22), ihren Körpergeruch (IX 62) und ihren Lebenswandel (Tribade: VII 67; 70) abstoßende Dirne489, die – zusätzlich noch als uralt490, stimmgewaltig, Hexe und Kupplerin charakterisiert  – IX 29 mit einem sarkastischen Nekrolog bedacht wird; ihre Widerwärtigkeit beschäftigt den Dichter noch über ihren Tod hinaus (XII 22 mit der buchtypischen Verwertung von Altmaterial) X 22 ist ihr Name allem Anschein nach erst durch eine Korruptel in den Text gelangt (vgl s v Philinus) Von ihr zu unterscheiden ist die gleichnamige puella simplex als Hauptfigur einer Anekdote (IX 40 mit v  4; Kat 7a) Phileros bestreitet seinen Lebensunterhalt mit dem Vermögen alternder Frauen: II 34 bringt er eine Witwe an den Bettelstab491; X 43 ist er selber zum siebten Mal Witwer (und damit Erbe) geworden

486 Die Interpretation von M Salanitro 2002, 569 f und neuerlich 2013, wonach mittis (v  4) nicht ‚du übersendest als Geschenk‘, sondern ‚du läßt in die Küche zurückgehen‘ heißen soll, wird durch den Zusammenhang nicht empfohlen 487 Parker (1994) zufolge wäre κωφòν πρόσωπον (v  2) als Hinweis auf cunnilinctus zu verstehen 488 Insgesamt evoziert ihr hier beschriebenes Aussehen (calva, rufa, lusca) „das Bild eines erigierten Penis“ (Barié/Schindler tr , 1184), das Martial jeden Gedanken an Küsse austreibt 489 Bei der Wahl ihres nom de guerre mag Martials Hure  – wie andere Berufskolleginnen vor oder nach ihr (vgl etwa AP V 130; 186; 202; Lucian dial het 6,1) – die gleichnamige Verfasserin eines pornographischen Handbuchs im Sinn gehabt haben (zu dieser vgl Vessey 1976); daß Martial selbst den Namen der Schriftstellerin auf seine P übertragen haben sollte, hat auch Burzacchini (1977) nicht überzeugend zu begründen vermocht (vgl auch das Kapitel ‚Die zweifelhaften Grundlagen der Decknamentheorie‘) 490 Letztlich dürfte P schon aus II 33,1 calva es als vetula zu erkennen sein 491 v  1 tota tibi dote redemptus kann sich neben v  5 nicht auf den Erwerb eines Sklaven beziehen: Galla hat sich einen Liebhaber ‚gekauft‘

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

113

Philinus sieht sich X 102 mit einem außerehelichen Kind beglückt Wenn sich Martial X 22 den Küssen einer in den Hss teils als Philaeni (αβ), teils als Philine (γ) angesprochenen Person zu entziehen sucht, ist der männlichen Namensform der Vorzug zu geben:492 Der – mittlerweile verstorbenen – Dirne Philaenis (vgl s v ) wurden – erotische – Küsse schon II 33 rundheraus und ohne Notwendigkeit eines Vorwandes verweigert; und Begrüßungsküsse des P dürften dem Dichter allein schon deswegen abominabel erscheinen, da sein X 102 gekennzeichnetes Sexleben (qui numquam futuit) auf einen praktizierenden fellator/cunnilingus schließen läßt Philomusus bringt als unbedarfter Verschwender sein väterliches Vermögen durch (III 10) und fristet nun sein Dasein damit, als naseweiser Schwätzer umherzustreifen (XI 63) und den Großen bei Tisch als Unterhalter zu dienen (VII 76; IX 35) Nur unter der Bedingung, seinen Erfindungs- und Mitteilungsdrang zu bändigen, ist er auch Martial als Gast genehm (IX 35,11 f ) Phoebus: Die auf P bezogenen Gedichte lassen sich folgenden zentralen Themenkreisen zuordnen: – Von Beruf ist er Wucherer (II 44,7 f ; IX 92,7)493; als solcher zählt er auch Martial zu seinen Kunden (VI 20; IX 102) – Sein Äußeres ist eher unattraktiv: Er verfügt über O-Beine (II 35) und einen Kahlkopf, den er auf unterschiedliche Weise zu kaschieren sucht (VI 57; XII 45) – Dessenungeachtet entfaltet er auf sexuellem Gebiet mannigfaltige Betriebsamkeit: Mit seinem (seinerseits mit Hilfe der mentula erworbenen) Reichtum kann er sich hübsche Knaben kaufen (I 58), denen er – wie Gerüchte besagen – nicht nur anal zur Verfügung steht (III 73) Daß sein Hintern in Mitleidenschaft gezogen ist, scheint jedenfalls nur vordergründig von Verstopfung herzurühren (III 89)494; und auch seine mentula erfreut sich bei Kinäden nach wie vor großer Beliebtheit (IX 63) 495

492 So anscheinend nur von Shackleton Bailey ed übernommen Das Lemma von γ liest seinerseits ad philenen; zutreffend jedoch Kassel 1966, 6 f : Der „Begrüßungskuß …, den sich Bekannte geben, wenn sie sich auf der Straße treffen, … ist eine Angelegenheit unter Männern “ 493 Der originelle Einfall von Biville (2002), Phoebus trete IX 92 – ebenso wie in I 31! – als Friseur (Cinnamus entsprechend als „éstheticien-parfumeur“: 55) in Erscheinung, läßt sowohl die übrigen Phoebusgedichte wie auch die besondere Aussage von IX 92 selbst außer acht: Der als Klient verstandene Durchschnittsrömer (Gaius) wird von seinen unspezifischen Schulden, nicht von den immensen Kosten seiner Körperpflege erdrückt! 494 Vgl ausführlicher Moreno Soldevila (2014), 316–319 495 Die letztgenannten Nachrichten besagen indes nicht, P friste sein Dasein als sexueller Dienstleister: I 58 zufolge gehört er zum „tipo di coloro che testamenta merentur noctibus“ (Citroni comm , 194 nach Iuv  1,37 f ); und in IX 63 erscheint er als Schwarm aller Kinäden, der keinen Abend ohne Einladung bleibt; mentula quem pascit (v  2) entpuppt sich solcherart als maliziöse Zuspitzung des wirklichen Sachverhalts

114

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

Phyllis: Unter diesem Namen figurieren bei Martial zwei verschiedene, durch ihr Signalement klar voneinander zu trennende Damen, von denen zumindest die eine als Gunstgewerblerin feststeht:496 1 eine vetula, die, um den Dichter in Stimmung zu bringen, mit Geld und Besitztümern um sich werfen müßte (XI 29 mit v  1); 2 eine als formosa beschriebene und von Martial offenbar begehrte Hetäre, die für den von ihr garantierten Lustgewinn nicht nur einen guten Preis verlangt (XII 65 mit v  1)497, sondern den Dichter nachgerade ausnimmt (XI 49(50)) Die Akteurin von X 81 dürfte angesichts ihrer Anziehungskraft, die ihr gleich zwei Kunden auf einmal beschert498, mit dieser begehrenswerten Namensträgerin zu identifizieren sein Picens: Zielscheibe zweier vereinzelter, fast benachbarter Gedichte; ihnen zufolge weder körperlich noch geistig auf der Höhe: Seine Zähne fallen aus (VIII 57), und seine überlangen Epigramme sind bar jeder Inspiration (VIII 62) Polla: Hetäre, mit der den Dichter über lange Zeit eine erotisch-sexuell grundierte Liaison verbindet: Er kennt ihre intimen Schönheitsmängel, hält sie jedoch für unerheblich (III 42) und wünscht sich noch nach Jahren angesichts eines eher förmlichen Blumenpräsents, sie möge doch seine Leidenschaft erwidern (XI 89 mit Kay comm , 249 f ) Erst gegen Ende von Martials Romaufenthalt hat sich die Dame – vom Dichter immer noch als mea P betrachtet – einem Rivalen zugewandt (X 40 mit v  2) und schließlich noch – anderweitig – verheiratet499; dabei führt sie eine sehr offene Ehe, in der sie ihren impotenten Gemahl (X 91: Almo) unter dem Pantoffel hält (X 69) 500

496 Auch Giese (1872), 26 unterscheidet zwischen einer ‚dives anus libidinosa‘ und einer ‚meretrix‘ 497 Verfehlt Barié/Schindler tr , 1421: „Mit ihrem unerwartet bescheidenen Wunsch will die ‚großzügige‘ Phyllis vielleicht auch zur Fortsetzung des Liebesspiels animieren – nach einem kräftigen Schluck “ Die Dame verlangt keinen Becher, sondern eine Amphore Wein (ebenso XI 49(50),7), was, die römischen Weinpreise zugrunde gelegt, einer exorbitant hohen Entlohnung von etwa 200–240 As entspricht (Stumpp 1998, 220 mit Anm  23; erwägenswert ihre Überlegung, wonach P zu den „gewohnheitsmäßige(n) Trinkerinnen“ (84) unter den Prostituierten gehörte); entsprechend vorsichtig äußert P ihren Wunsch (v  9 rogare coepit weist nach Bowie comm , 319 „a touch of coyness“ auf) 498 Die von Richlin (1983), 131 postulierte Pointe (als Übersetzung von v   3 f : „Phyllis promised she’d give herself equally to each,/ and she did: one raised her legs, the other her slip [i e , from behind]“) überfordert Körperbau und Gelenkigkeit der Hetäre; vielmehr ist von pes und tunica der beteiligten Männer die Rede: Der ins Auge gefaßte ‚Dreier‘ basiert – wie auch in AP XI 225 – auf der oralen wie analen Verfügbarkeit der Frau Skurril dagegen Barié/Schindler tr , 1374: „Der eine hob ihr die Beine hoch, der andere klaute ihr in der Zwischenzeit das Gewand “ 499 Non erat cinaedus (X 40,3 über den Liebhaber) und nec arrigit ipse (X 91,1 über den Gatten) kann sich nicht auf den gleichen Mann beziehen 500 X 40; 69; 91 wären entsprechend nach XI 89 zu datieren und damit erst der zweiten Auflage des X  Buches zuzuweisen

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

115

Mitten in den Pollagedichten des X Buches wendet sich Martial überraschend auch an seine Gönnerin Polla [Argentaria], die Witwe Lucans (X 64; s Kat 1 s v ) Polytimus: hübscher Bursche an der Schwelle zur Mannbarkeit: Schon läuft er den Mädchen nach (XII 75,1) und läßt sich von seinem Liebhaber – Martial – für seine sponsa die Locken abschneiden (XII 84) 501 Pontilianus: ein ebenso unhöflicher (V 66) wie – ungeachtet aller Bemühungen Martials – ungefälliger (XII 40) Zeitgenosse, von Martial auch als Dichter nicht geschätzt (VII 3; XII 40,1) Postumus: Im zweiten Buch kennt Martial einen schwatzhaft-aufdringlichen Flaneur dieses Namens (II 67), der v a durch seine unentwegte Küsserei verdrießt (II 10; 12; 21–23)502, aber auch sonst zu aggressivem Verhalten herausfordert: Muß er doch in aller Öffentlichkeit eine Ohrfeige einstecken (II 72) 503 Wenn sich der Dichter II 23 weigert, P s Identität preiszugeben, darf dies nicht als Beleg für Martials Rückgriff auf Pseudonyme herangezogen werden (vgl das Kapitel ‚Martials dichterisches Programm‘) 504 Ein ab Buch IV auftretender Namensvetter spielt in Martials Leben eine ganz andere Rolle und war im Rahmen dieser Untersuchung entsprechend als Freund des Dichters einzuordnen (vgl Kat 2 s v ) Quintus: Soweit nicht auf Martials Freund Ovidius bezogen (vgl Kat 2 s v ), dürfte auch das Pränomen Q durchgehend auf die gleiche Person gemünzt sein, wobei die rudimentäre Form der Namengebung in diesem Falle nicht Vertrautheit bekundet, sondern zur Vermeidung eines verwechslungsanfälligen (oder metrisch unbrauchbaren) Familien- bzw Beinamens dient:505 Liebe macht Q blind für den physischen Defekt seiner Freundin (III 8: Thais)506; ein weiteres Verhältnis legalisiert er später durch

501 502

503 504 505 506

Irreführend hier die Gedichtüberschrift bei Barié/Schindler tr , 911: ‚Worte eines Barbiers, der einen Kunden sämtlicher Locken beraubt ‘ Seine sorgfältige Mundpflege weist ihn überdies als effeminatus aus Der Einfall von Borgo (2005), durch das Austeilen von basia gebe sich P als ehemaliger delicatus des Dichters zu erkennen, ist ebenso absurd wie die Phantastereien von Sapsford (2009): „there is a possibility that Martial is stating his sexual preferences when it comes to Postumus – he would rather have Postumus masturbate him than endure his ‚kisses‘“ (49 Anm  24) Daß hier in os tibi percisum (v  3) eine obszöne Unterstellung formuliert sei (Joepgen 1967, 63 f : percidere = ‚geschlechtlich mißbrauchen‘; ebenso Panciera 2001, 43 f ), ist angesichts des Kontexts kategorisch auszuschließen In einem Zweig der Überlieferung ist der Name von den Kußgedichten aus auch in ein Nachbarepigramm eingedrungen (II 18,8 maxime αβ : postume γ); die Lesart mit Barwick (1932), 75 ff als Überbleibsel einer ersten Auflage zu erklären, besteht kein Anlaß Daß Q auch als Cognomen bezeugt ist (nach Kajanto 1965, 174 mit 194 inschriftlichen Belegen), spielt hier wohl keine Rolle Witzigerweise bildet dort gerade Martials Beschränkung auf den Vornamen die Grundlage für ein Mißverständnis: Das auf Q abzielende Gedicht bringt – zu Unrecht – ein anderer Quintus mit sich selbst in Zusammenhang (III 11)

116

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

die Ehe (V 75: Laelia) Als Kleingeist erweisen ihn sein Protzentum (III 62), aber ebenso sein Drängen, Martials Gedichte kostenfrei übereignet zu bekommen (IV 72); beim Eintreiben seiner Außenstände dürfte ihm ein Verlustgeschäft drohen (VIII 9) 507 Sabellus gehört zum Bekanntenkreis des Dichters, ohne jedoch von dessen Seite ein Übermaß an Zuneigung zu erfahren – Im Bewußtsein seines körperlichen Zaubers kultiviert S eine Eitelkeit, die bei dem Epigrammatiker nachgerade allergische Reaktionen hervorruft: Die besorgte Frage nach dem Aussehen seines culus beantwortet Martial gereizt (III 98)508; und noch die ‚wortspielartige Verwünschung (des) Schönlings‘509 von XII 39 ist am ehesten mit seinem Hang zu penetranter Selbstinszenierung in Verbindung zu bringen – Auch seine Erfolge als Anwalt erfüllen S mit unbändigem Stolz, den Martial angesichts der billigen Klientengeschenke mit Ironie quittiert (IV 46) – Seine finanzielle Situation scheint sich indes zu verschlechtern: So dürfte er bereits IV 37,3 als Schuldner genannt sein510; und angesichts mehrerer zum Nachteil seines Vermögens ausschlagender Unglücksfälle kann sich der praktizierende Päderast die teuren Knaben nicht mehr leisten, so daß er sich zu einer sexuellen Umorientierung genötigt sieht (VI 33; zum Gedanken vgl XI 87)

507 Daß dieses Gedicht stattdessen davon handelt, wie der Augenarzt Q angesichts eines fast schon blindkurierten Patienten um sein Honorar bangen muß (in diesem Sinne ausführlich Schöffel comm , 156–162), ist mit der absonderlichen Gutwilligkeit des Zahlungspflichtigen nicht zu vereinbaren  – Ergänzend macht Moreno Soldevila comm , 476 auf den spaßigen Umstand aufmerksam, daß Q fortwährend mit Einäugigen zu tun hat: Er liebt eine lusca (III 8), heiratet eine solche (V 75; diese erst XII 23 als einäugig erkennbar) und hat einen einschlägig Versehrten als Schuldner (VIII 9) 508 Martial präsentiert schon die Frage selbst in boshaft entstellter Form (v  1 sit culus tibi quam macer, requiris?): S möchte ja gerade hören, er habe einen besonders wohlgeformten Hintern Ganz abwegig hier Obermayer (1998), 182 f , der S als „zwanghaften pathicus“ und die Magerkeit seines Hinterns als „Resultat von Auszehrung und Abnutzung“ (182) entlarvt sehen will, sind doch entsprechende physische Konsequenzen weder realistisch noch aus literarischen Parallelen zu belegen: Wenn Obermayer das Martialgedicht „gedanklich in der Tradition von [Ps ]Aristot probl 4,26 (879b 9–11)“ situiert (182 Anm  172), übersieht er die Tatsache, daß dort von der unmittelbaren Reaktion des Körpers auf analen Geschlechtsverkehr, nicht von dessen Langzeitfolgen die Rede ist: Σημεῖον δ‘ ἐν τῇ συνουσίᾳ ἡ συναγωγὴ τοῦ τοιούτου τόπου καὶ ἡ σύντηξις τῶν περὶ τὴν ἕδραν Übermäßige Abnutzung könnte höchstens zu einem culus tritus (vgl etwa II 51,2) oder einem ausgeleierten Anus führen 509 So die Gedichtüberschrift bei Barié/Schindler tr , 877 510 Die Überlieferung ist hier uneinheitlich (sabellus β : sabinus γ); doch sollte – der ansonsten erst im VII Buch auftretende – Sabinus (vgl Kat 2 s v Caesius S ) weder als Martialfreund noch als gut situierter Bürger im Kreise der IV 37 versammelten Schuldner eine Rolle spielen dürfen Wahrscheinlich hat der Schreiber von γ, durch v  1 Mancinus und v  2 Albinus verführt, auch bei Sabinus (v  3) und Coracinus (v  1; so gegen das Versmaß!) die gleiche Endung im Ohr

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

– –

117

Als Dichter verfügt S nur im Kleinen über einiges Talent (VII 85)511, das zudem nach materiellen Vorteilen schielt (IX 19) und sich an pornographische Nichtigkeiten vergeudet (XII 43) Wenn Martial in der Ferne seiner spanischen Heimat erleichtert konstatiert, hier kein vorbereitungsintensives Geburtstagsmahl mehr ausrichten zu müssen, erinnert er sich an S als einen seiner früheren Gäste (XII 60)

Sabidius: Zu Martials eher unspezifischer Aversion gegen S (I 32)512 liefert III 17 eine denkbare Begründung, wird ihm doch dort sein Mundgeruch – und damit wohl auch ein Dasein als praktizierender fellator/cunnilingus – vorgehalten Santra: Koch maurischer Herkunft, der eine verheiratete Frau schwängert (VI 39,6 f ), in einer Dachkammer haust und als ebenso bedürftiger wie gieriger Teilnehmer einer recta cena auftritt (VII 20 mit v  2 und 20 f ) In Zusammenschau der beiden Epigramme muß es sich bei S um einen Mietkoch handeln, wie ihn die Komödie kennt 513 Selius: immer auf der Jagd nach einer Einladung zum Essen; selten nur läßt sich ein entnervter Gastgeber durch seine Schmeichelreden erweichen (II 27; vgl auch II 69,6), meist bleibt ihm der Erfolg versagt (II 11; 14) Sempronius Tucca (so VII 41; sonst: T ): Um sich eine aufwendige Imagepflege leisten zu können, muß T die ihm zur Verfügung stehenden Mittel gezielt einsetzen: Auf der einen Seite sucht er Einnahmen zu generieren bzw Ausgaben zu vermeiden (I 18 als Weinpanscher zum Nachteil seiner Gäste; IX 75 bei der Materialauswahl für ein privates Billig-balneum; XI 70 beim rücksichtslosen Verkauf junger Sklaven)514; auf der anderen Seite kann er dann luxuriöse Thermen stiften (IX 75)515 und eine nachgerade exhibitionistisch zu nennende Gourmandise finanzieren (XII 41) Literarisch positioniert er sich anfangs als Kritiker (VI 65), später jedoch als Rivale Martials (VII 77 durch den Handel mit dessen Werken, XII 94 mit eigenen Schöpfungen) Gerade die Attitüde des Weltmannes (mit übermäßigem Parfümverbrauch?) nimmt der Dichter

511 512

513

514 515

Hier wie auch XII 39 macht sich der spottende Dichter den Namen seines Gegenübers zunutze (Sabelle – belle) Die konkrete Aussage von nec possum dicere quare (v   1) muß offenbleiben: Ist sich der Dichter über die Ursachen seiner Antipathie noch nicht im klaren, oder scheut er sich davor, die Dinge beim Namen zu nennen? Vielleicht sagt er aber auch nur: ‚Mir fehlen die Worte‘ (in diesem Sinne Jocelyn 1981, 278) Für coquum conducere (coquus conductus) vgl Plaut Aul 280; Merc 697; Pseud 804; Caecil com (Chrysion) 22 f (=Gell VI(VII) 17,13); ähnlich Plaut Merc 579 c. arripere; Pseud 851 c. invenire Das Fehlen späterer Belege für diese Berufssparte ist nicht durch deren Aussterben, sondern durch das Ende der Komödie als Medium ihrer literarischen Inszenierung zu erklären v  2 zufolge scheint T diesen bisher in ihrer Funktion als Lustknaben geradezu hörig gewesen zu sein „for the public as a kind of show-piece“ (Henriksén comm 2, 93); deren Bau belastet ihn allerdings wohl bis an den Rand der Zahlungsunfähigkeit (v  10)

118

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

auch VII 41 aufs Korn, wo er den ‚großen Herrn‘ in gesuchter Förmlichkeit mit seinem vollen Namen anspricht 516 Sertorius: Sein hervorstechender Wesenszug ist es, alles anzufangen und nichts abzuschließen (III 79) Seine Betriebsamkeit läßt ihn auch nachts nicht ruhen (VII 10,5 in lucem cenat S ); daß er auch sexuell nicht zum Ende kommt (III 79), mag seine Betätigung als cunnilingus (II 84) erklären Sextilianus: Das Wesen des Ritters S wird von einer gewissen Maßlosigkeit bestimmt: Bei Gelegenheit einer Weinspende greift er besonders unverfroren zu (I 11; 26), tantus lautet seine – von Martial mit einem schlüpfrigen Kommentar bedachte – Lieblingsvokabel (VI 54); und seiner aktuellen domina legt er so großzügige Präsente zu Füßen, daß Martial darüber völlig zu kurz kommt (X 29) Sosibianus: Wiederholt macht sich Martial einen Spaß daraus, den biederen Anstand des S durch maliziöse Kommentare ins Zwielicht zu rücken: Seine Ehrerbietung für den Vater verkehrt sich dergestalt zum Eingeständnis unehelicher Geburt (I 81), sein – von geizigen divites geschätztes? – Geschäftsmodell Wohnung gegen Erbanwartschaft zur offen praktizierten Erbschleicherei (XI 83); und auch seine Bedenken, zu Lebzeiten die eigenen Gedichte zu publizieren, werden süffisant beiseite gewischt (IV 33) Telesina / Telesilla: Ob sich hinter diesen Namen tatsächlich zwei verschiedene Frauen verbergen, ist angesichts der verworrenen Überlieferung (II 49 ­sina codd ; VI 7 ­sina β : ­silla αγ; VII 87 ­silla β : -sina γ; XI 97 ­sina β : ­silla γ)517 aus heutiger Sicht nicht mehr sicher zu entscheiden Orientiert man sich jedoch an der Namensverteilung im Hyparchetypus β, läßt sich der folgenden Differenzierung immerhin eine gewisse Wahrscheinlichkeit zusprechen: 1 Auf der einen Seite steht Telesina, die nach II 49 bekanntermaßen mit Knaben Unzucht treibt und (nur) unter diesem Vorzeichen auch als Heiratskandidatin in Frage kommt, nach Erneuerung der Lex Iulia de adulteriis coercendis indes peinlich auf Legalisierung ihres jeweiligen Verhältnisses bedacht ist (VI 7)518 und für Martial erotisch keine Versuchung darstellt (XI 97)519, 2 auf der anderen Telesilla, die ihrer verstorbenen Nachtigall einen Grabhügel errichtet und entsprechend VII 87,8 unter Martials haustierliebenden Freunden genannt wird 516 517 518 519

Ähnlich wird Martial auch für seinen Patron Maximus aus gegebenem Anlaß einmal den vollen Namen Vibius Maximus verwenden (XI 106) Ein vergleichbarer Befund bietet sich III 93 vetustilla αβ : vetustina γ und IV 37 sabellus β : sabinus γ Über inflationäre Heiraten konnte sich ein sittenstrenger Römer schon in vordomitianischer Zeit ereifern: vgl Sen ben III 16,2 f Schief Holzberg (2002), 115: Martial „hat bei Telesilla nicht ‚gekonnt‘ und versucht das durch Potenzprahlerei zu kompensieren “ Eher lehnt es der Dichter doch schon im Vorfeld ab, mit T intim zu werden

Die wiederholt genannten ‚Opfer‘ skoptischer Gedichte

119

Telesphorus: vom Dichter umworbener puer delicatus (XI 26), mißfällt – ungeachtet seiner herrlichen Haarpracht (X 83,7 f ) – durch die Maßlosigkeit seiner Forderungen: Martial gedenkt, ihn um seinen Lohn zu prellen (XI 58) Telethusa: Bei Veräußerung und Rückkauf der T , wie sie VI 71 berichtet sind (v  6 vendidit ancillam, nunc redimit dominam), handelt es sich wohl nicht um ein – später rückabgewickeltes – Geschäft zwischen zwei Sklavenhaltern, sondern um einen – in epigrammatischer Zuspitzung wiedergegebenen – Sachverhalt höherer Komplexität: T s ehemaliger Herr verkauft sie an einen leno, um dann unversehens für die nunmehr zur lasziven Tänzerin ausgebildete meretrix zu entbrennen und sie in blinder Hörigkeit mit Geschenken zu überhäufen, die seinen Verkaufserlös um ein Mehrfaches übersteigen Vor diesem Hintergrund kann T auch bei einer von Martial besuchten cena als domina in Erscheinung treten (VIII 50(51), 23–26) 520 Thaïs: Dirne, abstoßend in ihren körperlichen Eigenheiten (III 8521; 11: einäugig; V 43: mit schwarzen Zähnen; VI 93: stinkend; XI 101: klapperdürr) wie in ihren Praktiken: Ist sie doch jedermann (IV 12) mit dem Mund gefällig (IV 12; 50; 84) Theodorus: als schlechter Dichter abqualifiziert (V 73) und mitsamt seinem Besitz verdientermaßen ins Feuer gewünscht (XI 93) Titius: Angebliche Schulden (IV 37,2) und Zugehörigkeit zu Martials Bekanntenkreis (VII 55,4 f ) führen zu seiner beiläufigen Erwähnung; erst XI 51 gewinnt er schärfere Konturen, verfügt er doch über eine columna exorbitanten Ausmaßes Tongilianus: Durch den Brand seines Hauses hat der reiche T seinen Wohlstand noch vermehrt (III 52) Der vor diesem Hintergrund geäußerte Verdacht, er könnte hier zum eigenen Vorteil etwas nachgeholfen haben (zum Gedanken vgl Iuv  3,220 ff ), bestimmt allem Anschein nach auch noch die Aussage von XII 88: Wenn Martial sein Gegenüber dort auf den nasus reduziert, so mag er damit auch ein überdimensioniertes Riechorgan im Blick haben; nicht zuletzt geht es aber darum, T als nasutus und damit als ‚raffiniert‘ und ‚gerissen‘ zu kennzeichnen Die Formulierung sed iam / nil praeter nasum Tongilianus habet dürfte dann auf einen mittlerweile erfolgten Bankrott des T anspielen 522 Tucca: s Sempronius Tucca 520 T heißt auch eine im Corpus Priapeorum auftretende circulatrix (Priap 19 mit v  1; 40); doch läßt sich daraus trotz G Salanitro (1973/74) nicht ableiten, Martial habe den Namen oder gar die Person selbst aus dieser Quelle bezogen (vgl auch das Kapitel ‚Die zweifelhaften Grundlagen der Decknamentheorie‘) 521 Hier dessenungeachtet von einem verblendeten Liebhaber begehrt 522 Zur Wortbedeutung vgl II 54,5 (über eine Ehefrau) nil nasutius hac maligniusque; zu positiv urteilen Barié/Schindler tr , 1424, wenn sie nasus durch „feine Nase, scharfes Urteil, Witz“ paraphrasieren

120

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

Umber: Anders als in früheren Zeiten der Armut geizt U in späteren Jahren mit seinen Saturnaliengeschenken (VII 53; XII 81); beiläufig wird er auch als mittelmäßiger Dichter kenntlich (VII 90,3 f ) Vacerra besitzt literarisch einen eher obsoleten Geschmack (VIII 69), zieht jedoch v a wegen seiner prekären Lebensverhältnisse die Aufmerksamkeit auf sich: Trotz seiner – durchaus anrüchigen – Umtriebigkeit (XI 66)523 fristet er ein Dasein als bettelarmer Hungerleider (XI 66: ohne Geld; XII 32: mit jämmerlichem Hausrat)524 und ist folglich dringend auf Einladungen zum Essen erpicht (XI 77) Sein Name wie auch die Frisur seiner Frau (XII 32,4) könnten auf keltische Abstammung hindeuten 525 Zoïlus: Als Emporkömmling, der schamlos mit seinem Besitz protzt (II 16: prachtvolle Decken; II 81: eine überdimensionierte Sänfte; III 82; V 79: Prunkentfaltung während der cena526; XI 37: ein kiloschwerer Fingerring), dabei jedoch, hoch verschuldet (II 58), vom Neid auf andere zerfressen wird (IV 77), erregt Z derart Martials Abscheu, daß dieser auf jede erdenkliche Weise die Schädigung seines Rufes betreibt: Einst ein Sklave und fugitivus (III 29; XI 37; 54) von unbekannten Eltern (XI 12), wird er noch als fellator bzw cunnilingus (II 42; III 82, 33; VI 91; XI 30527; 85) und als Dieb (XI 54) gebrandmarkt sowie als abstoßend häßlich (XII 54) und „lebender Leichnam“ (Barié/Schindler tr , 1193) verunglimpft (II 81); kurz: Er stellt den Inbegriff der Lasterhaftigkeit dar (XI 92 mit v  2 non vitiosus homo es …, sed vitium)

v  3 fellator dürfte allerdings mit M Salanitro (1991), 24 f im Sinne von dt ‚Arschkriecher‘ zu verstehen sein 524 Offenbar ist V samt Familie gerade aus seiner bisherigen Wohnung geworfen worden Seine Charakterisierung als ‚divitias simulans‘ (Giese 1872, 33) ist irrig 525 Vgl L C Watson (2004) 526 Als Teilnehmer eines noch nach Jahren als traumatisch erinnerten Banketts (III 82,22 nobis … ministrentur; v  31 hos … patimur … fastus; V 79,5 ego … qui tecum … ceno) hatte Martial die widerliche Ostentation des Z , aber auch seine schäbige, höchstens noch für Bettler akzeptable Behandlung der Gäste (II 19,3 f ) hautnah erfahren; man wird nicht fehlgehen, in diesem Erlebnis die Wurzel seiner grenzenlosen Abscheu gegen den Parvenu zu erkennen Die Übereinstimmungen, die Colton (1982), M Salanitro (1998b) und Fusi (2008) zwischen Martials Z und Petrons Trimalchio konstatieren, lassen möglicherweise den Schluß zu, der Epigrammatiker habe sich für einzelne Züge seines Malchio improbus (III 82,32) durch das Werk des elegantiae arbiter inspirieren lassen 527 Mit diesem Gedicht reagiert Martial auf eine Spitze des Z , die nicht zuletzt gegen ihn selbst gerichtet war 523

Auswertung von Katalog 8

121

II. Auswertung von Katalog 8 In einer zusammenfassenden Auswertung aller Belege für mehrfach gebrauchte ‚Opfer‘namen wäre nunmehr festzuhalten: 1

Mit einigen der Namen benennt Martial mehr als nur eine Person (Caerellia, Cotta, Galla, Leda, Linus, Lupercus, Lygdus, Phyllis): Die unterschiedlichen Namensträger sind indes durch spezifische Aussagen klar voneinander geschieden528, auch wenn es aus heutiger Sicht nicht mehr durchgehend möglich ist, jedes einzelne Gedicht zweifelsfrei dem einen oder anderen der in Frage kommenden Individuen zuzuordnen

2

Auffällig ist dabei das Wiederauftreten von Namen, die bereits im Kreis von Martials Freunden und Gönnern vertreten waren (Gallus, Polla, Postumus): Hier erlaubt die unterschiedliche Haltung, die der Dichter gegenüber den Namensträgern einnimmt, eine unstreitige Abgrenzung

3

In allen anderen Fällen (und dies ist die überwiegende Mehrzahl) läßt sich der Grundsatz ‚ein Name = eine Person‘ zumindest nicht falsifizieren: Spätestens nach Behebung einiger überlieferungstechnischer Unstimmigkeiten529 bleiben keine Widersprüche mehr zurück, die eine Einheit der Person kategorisch ausschließen könnten

4

Bei manchen der genannten Individuen ist die personale Konstanz durch die monothematische Ausrichtung der auf sie bezogenen Gedichte sogar unmittelbar augenfällig (Bithynicus, Cerdo, Diaulus, Dindymus, Fidentinus, Ligeia, Ligurinus, Polytimus, Postumus(2), Selius, Telesphorus, Thaïs, Theodorus, Zoïlus)

5

Ansonsten weist die inhaltliche Gestaltung der Gedichte die Grundzüge auf, die schon die Epigramme an/über Freunde und Gönner bestimmt hatten: Martial nimmt die Akteure in ganz verschiedenen Situationen wahr; die Buntheit der behandelten Motive spiegelt dabei die Vielfalt der Beobachtungen, die sich durch Blick auf ein im realen Leben agierendes Individuum gewinnen lassen Und auch in diesen Gedichten hat sich die Einstellung des Dichters zu manchem Zeitgenossen über die Jahre gewandelt: Besonders dort, wo er sich über physischen Reiz und erotische Anziehungskraft ausläßt, revidiert er im Laufe der Zeit manches Urteil (Fabulla, Galla(1), Hedylus, Lesbia, Lycoris)

528 Vgl etwa die Differenzierung zwischen Caerellia pupa (IV 20) und C. mater (IV 63) oder Phyllis vetula (XI 29) und P. formosa (XII 65) 529 Diese betreffen die Namen Afer, Gaurus und Philaenis/Philinus

122

Die ‚Opfer‘namen I – Leerstellen oder Individualnamen?

Gerade die Fälle augenscheinlicher Verhaltens- bzw Charakterkonstanz (s oben Punkt  4) geben nun allerdings Anlaß zu weiterreichenden Überlegungen Da bei manchen Namensträgern sogar Grundzüge einer mit ihnen verbundenen Geschichte sichtbar werden (Afer/Aper, Ammianus, Athenagoras, Galla(1), Philomusus)530, erweist sich allein die Vorstellung, Martial habe in seinen Gedichten erfundene Gestalten auftreten lassen, a priori als obsolet, der Dichter müßte denn seine Phantasiegeschöpfe als eine Art Dramenfiguren konzipiert und dabei die Absicht verfolgt haben, deren (erdachtes) Schicksal in Fortsetzungen über mehrere Bücher nachzuvollziehen 531 Doch mehr noch: Wenn der Dichter tatsächlich über weite Strecken (und zum Teil im Abstand mehrerer Bücher)532 gleiche (reale) Personen mit identischem Namen belegt, kann dann überhaupt noch die Vorstellung einer allgegenwärtigen Pseudonymisierung aufrechterhalten werden? Martial hätte sich die Mühe machen müssen, eine Codierungskartei anzulegen, um für jeden von ihm behandelten Zeitgenossen ad hoc das einmal gewählte Pseudonym neuerlich zur Verfügung zu haben; und sein Leser hätte sich – zuweilen eben nach Jahren – an einen früher gefallenen Namen und das unter diesem Namen entworfene Psychogramm erinnern müssen, um das erneute Auftreten des Namensträgers registrieren bzw ästimieren zu können Und auch dann wäre eine solche Identifikationsleistung nicht in jedem Fall mit einem wie immer gearteten Vorteil beim Verständnis des neuen Gedichtes verbunden gewesen Vor diesem Hintergrund muß sich die Frage stellen, ob nicht der Dichter wie bei seinen Freunden und Gönnern auch im Falle der von ihm eher distanziert bis ablehnend betrachteten ‚Opfer‘ kurzerhand deren Klarnamen gebraucht, so daß der Leser die Identifizierung der betreffenden Personen nicht aufgrund früherer Martiallektüre, sondern durch Bekanntschaft mit den realen, ihm auch namentlich vertrauten Zeitgenossen zu leisten vermag Die folgenden Kapitel sind dem Versuch gewidmet, hierauf eine Antwort zu finden

530 Die von Gaffney (1976), 79–98 (bes  93 Anm  55) konstatierten ‚episodic cycles‘ sind dagegen insgesamt wenig aussagekräftig 531 Vgl die abwegigen Ausführungen von Sapsford 2012 (angeführt unten Anm  537) oder Russotti 2019 (zit oben Anm  325) Zu dem potentiellen Einwand, Martial verdanke das Personal seiner Epigramme nicht nur der Beobachtung realer Zeitgenossen, sondern auch der Lektüre älterer Dichtung, vgl das Kapitel ‚Der Einfluß literarischer Tradition‘ 532 Für einschlägige Belege vgl das Kapitel ‚Die ‚Opfer‘namen II: Der Befund der Gedichte‘

D Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise? I. Die zweifelhaften Grundlagen der Decknamentheorie Bei näherem Zusehen läßt sich das von der Forschung unisono für Martial postulierte Verfahren, durch das Mittel verschleiernder Pseudonyme die Persönlichkeit der von ihm eher kritisch beleuchteten Zeitgenossen zu schützen, durch keinen schlüssigen Beweis erhärten, im Gegenteil: Alle Beobachtungen weisen darauf hin, daß Martial auch in diesem Fall die Klarnamen verwendet 1 Allgemeine Überlegungen Vor allem kann der Griff zum Pseudonym sein angebliches Hauptziel, den Schutz des Dichters vor jeder Art Vergeltung durch Mitbürger oder Obrigkeit, letztlich gar nicht erreichen: 1

Mitbürger Es ist hier daran zu erinnern, daß Martial keine Phantasienamen benutzt, sondern sich aus dem üblichen Namensfundus der Kaiserzeit bedient Zwar erlaubt es die Überlieferung nicht, einzelne Namen exakt für das Ende des 1  Jh in Rom zu belegen; dies rechtfertigt jedoch keinesfalls die umgekehrte Annahme, für all diese Namen habe in Martials Tagen ein Träger gefehlt, so daß der Dichter frei über sie verfügen konnte Damit hätte jedoch der Versuch, mit einem solchen Namen als Pseudonym die Identität eines Angegriffenen zu verschleiern, zur Bloßstellung unbeteiligter Dritter geführt533 und dem Epigrammatiker so erst recht das Odium der Öffentlichkeit eingetragen

533

Genau dies soll Martial im Falle des Athenagoras nach Interpretenmeinung eingeräumt haben: vgl das Kapitel ‚Martials dichterisches Programm‘

124 2

Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise?

Obrigkeit Üblicherweise rechnet die Forschung mit einer eher symbolischen Verschleierung, die für den Leser durchschaubar war534 und nur dazu dienen sollte, Martial juristisch vom Vorwurf der üblen Nachrede zu salvieren Indes vergißt man darüber nur zu leicht, daß die einschlägigen Maßnahmen Domitians gegen Schmähschriften (Suet Dom  8,3) auf einen Schutz der höheren Stände (primo­ res viri ac feminae) ausgelegt waren535, also eines Personenkreises, den Martial gerade nicht ins Visier genommen hatte Was hinsichtlich iniuria irgendeinem Klienten/Freigelassenen widerfuhr, war der Staatsführung dagegen gleichgültig; und die Vorstellung, auch ein Moment ironischer Distanzierung sei gegenüber einem Mitglied der Oberschicht undenkbar gewesen und erweise das solcherart gekennzeichnete Individuum notwendigerweise als fiktiv536, zeugt von einer gewissen Naivität auf Interpretenseite 2 Der Befund der Gedichte

Hier sind Argumente auf verschiedenen Ebenen namhaft zu machen, die durchweg auf eine Verwendung von Klarnamen für real existierende Personen hindeuten: 1

Mehrfach stößt der Leser auf Epigramme, die ihre Aussage und ihren lebensweltlichen Hintergrund nicht hinreichend preisgeben und sich auch durch Zuhilfenahme früherer Gedichte nicht adäquat entschlüsseln lassen 537 Auffälligstes Beispiel hierfür ist das Epigramm IX 95 mit seinem ‚Postscriptum‘ 95b, nach dessen Lektüre offenbleibt, was der verspottete Athenagoras denn nun verbrochen hat und inwiefern er zur gleichen ‚Mischpoke‘ wie der angeredete Callistratus gehören soll (v  6 vester peccat Athenagoras): Bisher war Athenagoras nur als Leidtragender in einem Trauerfall (VIII 41), der angeredete Callistratus hingegen als

534 Vgl etwa Grewing comm , 391 (zu VI 61(60),1): „Es ist wahrscheinlich, daß der (höchst seltene) Name [sc Pompullus] zwar fiktiv ist, jedoch Faustinus und der eingeweihte Leser sehr wohl wissen, auf wen hier gezielt wird “ 535 Das Gleiche darf für die Lex Cornelia de iniuriis angenommen werden; vgl deren Kommentierung durch Ulpian Dig XLVII 10,5,9 f 536 So Bianconi (2005), bes  71 537 Um diesem Umstand seine Aussagekraft zu nehmen, verfällt Sapsford (2012) auf eine ganz abenteuerliche Konstruktion: Martial habe bei seinen Epigrammbüchern ein quasi-episches, zwölf Bücher umfassendes Gesamtwerk im Auge; und mit jedem neuen Buch liefere er weitere Facetten, die es dem von ihm gewünschten rereader ermöglichten, dem bisher Erschienenen im Rückblick(!) neue Aspekte abzugewinnen: „Martial indicates that there are two readers of his work, the first-time reader, and the lector studiosus (1 1 4) In terms of reader-response, these are our naive and model readers, where the model reader is the rereader, not just of the individual books, but of the series as a whole By rereading the Epigrams, the reader is drawn further into the Martialverse, understanding in greater detail the way in which themes are used and are interconnected, and the way in which these themes create a kind of narrative“ (196) Wie die Vf in dann unter dieser Prämisse die Allgegenwart des Themas os impurum herbeiredet, ist schlechterdings obsessiv zu nennen

Die zweifelhaften Grundlagen der Decknamentheorie

125

neureicher Freigelassener (V 13) in Erscheinung getreten Daß das Gedicht aller Wahrscheinlichkeit nach in den Bereich des Kinädenspottes gehört538, läßt sich erst aufgrund des Epigramms XII 42 erschließen, demzufolge Callistratus mit einem anderen Mann die Ehe eingeht; dem zeitgenössischen Leser von IX 95 stand diese Verständnishilfe nicht zur Verfügung Um die Aussage des Gedichtes erfassen zu können, mußte er die von Martial genannten Personen somit in der Realität gekannt haben; die Namensnennung mußte entsprechend darauf abzielen, ihm deren sichere Identifizierung zu ermöglichen: Dies erfordert jedoch zwingend die Verwendung der Klarnamen; Pseudonyme hätten die Identität der Beteiligten ja gerade verschleiert Weitere Fälle, in denen interpretationsrelevante Details erst in einem späteren Gedicht mitgeteilt werden539, dem zeitgenössischen Leser also schon ohne Martiallektüre bekannt gewesen sein sollten, betreffen etwa – I 32: Martial hegt eine ganz unbestimmte Antipathie gegen Sabidius – III 17 dürfte den Grund dafür liefern – I 75: Linus ist nicht kreditwürdig – IV 66 zufolge hatte er das mütterliche Vermögen durchgebracht – IV 71: Safronius wird in ein Gespräch über weibliche castitas einbezogen – nach XI 103 ist er durch seinen eigenen Lebenswandel dafür prädestiniert – V 75: Nach der einäugigen Thaïs (III 8) hat Quintus Laelia zur Partnerin erkoren – erst XII 23 ist diese ebenfalls als einäugig zu erkennen – VII 55: Für Chrestus ist im Falle einer Straf-fellatio eine besonders stattliche mentula vorzusehen – durch IX 27 wird deutlich, daß ihm diese Strafe sonst Vergnügen bereiten könnte 2

Wie bereits angedeutet, kommt Martial auf manche Personen mit gleichem Namen und gleichem Persönlichkeitsprofil im Abstand mehrerer Bücher (und damit mehrerer Jahre) wieder zurück, zu einem Zeitpunkt also, da das frühere Gedicht dem Leser gar nicht mehr präsent gewesen sein dürfte und entsprechend aus der Wiederverwendung eines so lange aus dem Blickfeld geratenen Pseudonyms kein

538 Zu einem diesbezüglichen Erklärungsversuch für IX 95 vgl Kat 8 s v Athenagoras 539 Beispiele dafür, daß diese Details gänzlich fehlen, sind überhaupt Legion; vgl etwa II 74, wo sich Martial über den von Klientenscharen umlagerten Saufeius mokiert „The comparison to Regulus [in v  2] … may imply that he is a courtroom pleader aiming to give the impression of great success“ (Williams comm , 234) In die gleiche Richtung weisen auch die Adressierung des Epigramms an den – vergleichsweise weniger umschwärmten (v  4 invidere nolito) – Rechtsgelehrten Maternus und die mögliche Nachahmung des Gedichtmotivs bei Juvenal (7,141–145); doch kann diese Verbindung nur herstellen, wem der besagte Saufeius als Anwalt vor Augen steht Wenn Martial tatsächlich über Leser nicht nur in Rom (V 16,3; VI 60(61),1; 64,9; VII 97,11–14; IX 97,2; X 2,5 f ; XI 24,5–9; XII 2(3),15; 11,8), sondern toto in orbe verfügt (I 1,2; III 95,7 f ; V 13,3; 60,5; VI 82,4 ff ; VII 88,1–4; VIII 3,4–8; 61,3; IX 84,5 f ; X 9,3 f ; XI 3,1–5; zu VI 64,25 vgl Fabbrini 2002), bleibt diesem erweiterten Personenkreis mithin manche Pointe verborgen

126

Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise?

Mehrwert an Information oder Witz zu schöpfen gewesen wäre Allem Anschein nach werden Inhalt und Verständnis des späteren Epigramms dann nicht durch eine Anknüpfung an den älteren Text, sondern wieder durch seinen konkreten Realitätsbezug bestimmt: Der im Gedicht verwendete Name identifiziert seinen Träger als ein Individuum, das Autor wie Leser offenbar seit Jahren (unter diesem Namen) kennen und damit unmittelbar vor Augen haben: Caecilius maßt sich I 41 und dann erst wieder XI 31 an, über einen erlesenen Geschmack zu verfügen; Gallus erweist sich I 108 und X 56; 82 als strapaziöser Patron; der meretrix Leda ist ihr Liebhaber und späterer Ehemann in Hörigkeit verbunden (II 63 und XI 71); Laurus läßt sich im Leben einfach nur treiben (II 64 und X 86); Candidus muß seine Ehefrau mit anderen teilen (III 26 und XII 38); Phileros lebt von alten Frauen (II 34 und X 43); Labulla wird als treulose Ehefrau (IV 9 und XII 93), Theodorus als kümmerlicher Dichter (V 73 und XI 93), Crispus als eigennütziger Kleingeist kenntlich (V 32 und X 15(14)); die Auftritte der Hetäre Aegle beschränken sich auf die Bücher I und XI/XII; der betagte Laetinus und der raffgierige Tongilianus sind nach Buch III erst wieder in Buch XII mit einem Epigramm bedacht 540 3

Manche Gedichte wären bei Annahme eines identitätsverschleiernden Decknamens als fade und nachgerade hohl einzustufen Ob Martial im Epigramm I 32 („Ich mag dich nicht, Sabidius, aber ich kann nicht sagen warum:/ Nur das kann ich sagen: Ich mag dich nicht“)541 den Grund seiner Aversion verschweigt (v  1 nec possum dicere quare), weil er sich selber noch nicht darüber klar geworden ist oder weil er das Wesen des Sabidius als allzu abstoßend empfindet, läßt sich nicht leicht entscheiden: Biß erhält das Gedicht auf jeden Fall erst dadurch, daß das Lesepublikum diese Antipathie des Dichters teilt oder doch zumindest nachvollziehen kann, sich über die Identität des Sabidius also uneingeschränkt im klaren ist 542 Keinesfalls genügt es, das Gedicht nur als angebliche Nachgestaltung von Catull  85 legitimieren zu wollen

4

Ohne Bezug auf eine konkrete, identifizierbare Person wären manche Gedichte als ebenso simple wie witzlose Doubletten eines früheren Epigramms einzustufen: vgl V 73 und VII 3 (‚Ich schicke dir keine Gedichte, damit du mir nicht deine schickst‘); VII 35 und XI 75 (ostentativ sittsame Damen lassen sich von ihrem Sklaven nur geschürzt ins Bad begleiten); I 63 und VII 77 (Weigerung, die eigenen

540 Das Interesse des Bassus an alten Frauen (III 76 und IX 100) sei hier übergangen, da es sich bei dem Namensträger um einen Freund des Dichters und damit a priori um ein mit Klarnamen bezeichnetes Individuum handelt 541 Die Übersetzung nach Barié/Schindler tr , 55 542 Zur gleichen Kategorie zählen etwa auch IX 33 (‚Maron hat einen großen Schwanz‘), XII 30 (‚Aper ist nüchtern‘) und die Epigramme II 31 über Chrestina, II 38 an Linus, III 53 an Chloë, XII 73 an Catullus oder XII 78 an Bithynicus

Die zweifelhaften Grundlagen der Decknamentheorie

127

Gedichte zu kommunizieren und so einem Mißbrauch zugänglich zu machen); II 42 und II 70 (ein Hintern kann sauberer sein als der Kopf) 5

Oftmals führt Martial den entscheidenden Namen erst gegen Ende eines Gedichtes an (nur beispielshalber seien IV 4; 39; V 41; VI 19 oder VII 54 genannt) 543 Diese verzögerte Entlarvung erzeugt einen Überraschungseffekt, der durch einen Decknamen nicht zu erzielen gewesen wäre

6

In anderen Epigrammen fände sich der Witz gar nicht mehr in der abschließenden Pointe, sondern in den dieser Pointe zugrunde liegenden und erst sekundär aus dieser abzuleitenden Voraussetzungen; vgl etwa II 78 Aestivo serves ubi piscem tempore, quaeris?/ In thermis serva, Caeciliane, tuis Hier wäre aus dem Gedichtende zu erschließen, daß das durch Pseudonymisierung unkenntlich gemachte Individuum seine Thermen so spärlich heizt, „daß man sie als Kühlraum benutzen kann“ (Barié/Schindler tr , 1193) Unmittelbare Komik entfaltet der Pentameter jedoch erst dann, wenn ein klar identifizierbarer Zeitgenosse, Caecilianus mit Namen, allgemein für seine eiskalten Badeanlagen bekannt ist

7

Um den Namen eines Angegriffenen im Vers unterzubringen, nimmt Martial auch einen Spondiacus in Kauf (VI 94 Calpētanus); mit einem beliebigen Decknamen wäre der Rückgriff auf diese Sonderform des Hexameters leicht zu vermeiden gewesen 544

8

Mehrfach weisen die Epigramme überschießende Züge auf, die im Kontext der Gedichtaussage keine Funktion besitzen, als Teil einer poetischen Fiktion mithin nicht zu begründen sind:545 – Mamurianus besitzt nur noch ein Auge: fodiam digito qui superest oculum (I 92 mit v  12) 546 – Selius hat einen Hausstand mit Frau und zwei Söhnen: uterque natus vivit et precor vivat,/ salva est et uxor (II 11 mit v  7 f ) – Zugunsten ihres Liebhabers läßt Galla drei Söhne darben: tres pateris natos, Galla, perire fame (II 34 mit v  2)

543 Eine Sammlung einschlägiger Belege bei Grewing comm , 173 544 Martials Reflexionen über metrisch inkompatible Namen (IV 31 mit der Notlösung Hippodame; IX 11; 12(13); 13(12) über Earinus) können in diesem Zusammenhang nicht als Argument dienen, betreffen sie doch vom Dichter mit Hochachtung genannte (und daher von vornherein mit Klarnamen versehene) Individuen 545 L C Watson (2004), 312 Anm   1 (zu Vacerra) will diesen Sachverhalt auf literarische Technik reduzieren: Martial „creates fictitious or type-figures (…), and invests these with a wealth of circumstantial detail in order to sustain the illusion that he is treating living personages “ 546 Der auf den Verlust des einen Auges verweisende Zusatz qui superest macht es unmöglich, mit O’Connor (1990) oder Morelli (2017), 123 oculus als Metapher mit mentula gleichzusetzen und den Vers solcherart als Kastrationsdrohung zu verstehen; im Normalfall richtet sich die Drohung einer Blendung ganz natürlich gegen beide Augen (vgl III 92)

128

Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise?

9

Die Inszenierung der ‚Opfer‘ folgt den gleichen Mustern, wie sie aus dem Umgang mit Patronen und Freunden bekannt sind: Wie auch dort, lassen Namensähnlichkeiten mitunter auf ein  – nicht näher bestimmbares  – Verwandtschaftsverhältnis547 zwischen einzelnen Akteuren schließen548; wie auch dort, treten manche Zielscheiben von Martials Spott nur vorübergehend in Erscheinung oder geraten mit der Zeit völlig aus dem Blickfeld 549

10

Martial nennt die Opfer seines Spottes teilweise mit den Namen von historisch bedeutsamen Angehörigen der Oberschicht (Cinna, Cotta, Scaevola)550; zumindest im Falle von Macer ist deren Existenz auch für domitianische Zeit aus den Epigrammen selbst zu belegen (vgl den Statthalter von XII 98 und den befreundeten Senator von X 18(17); 78 neben dem Bankrotteur von VIII 5)

11

Auch sonst scheut Martial nicht davor zurück, eher abschätzig betrachtete Personen mit gleichem Namen wie geschätzte und entsprechend mit Klarnamen benannte Freunde oder Gönner zu versehen: Die Namensindizes der verschiedenen Ausgaben weisen fortwährend solche Namenskonvergenzen aus551; nachgerade verstörend wirkt etwa der Umstand, daß Martial seiner Wohltäterin Polla [Argentaria] im gleichen Buch ein leichtlebiges Frauenzimmer dieses Namens zugesellt (vgl X 64 und 40; 69; 91) Hätte der Dichter frei zwischen verschiedenen Pseudonymen wählen können, dürfte er kaum auf diese – Verwechslungen heraufbeschwörende – Taktlosigkeit verfallen sein; auch hier liegt die Erklärung näher, er sei durch die Vorgaben der wirklichen Namen gebunden gewesen 552

547 Zur Namensverwilderung in der römischen Kaiserzeit vgl Salway (1994) 548 Unbestreitbar war dieses bei Licinianus und Licinius Sura (I 49,40); jetzt lassen Namen wie Gargilius und Gargilianus, Marulla, Marullus und Marullinus, Saufeia und Saufeius, Telesilla, Telesina und Telesinus, Tongilius und Tongilianus ähnliche Schlußfolgerungen zu 549 Aus dem Kreis von Martials Bezugspersonen war Decianus nur in Buch I und II, Castricus in VI und VII aufgetaucht, Regulus mit Buch VII verschwunden Analog sind die Zoïlusgedichte schwerpunktmäßig auf die Bücher II und XI konzentriert; Naevia und Naevolus erscheinen nur in den ersten Büchern (I–III bzw IV), Oppianus und Fabius in der Werkmitte (Bücher VI–VIII bzw VII–IX), Vacerra und Labullus gegen Ende (Bücher VIII–XII bzw XI–XII), während etwa Caecilianus und Cinna den Epigrammatiker durch sein gesamtes Œuvre begleiten 550 Sich den Namen Cinna beizulegen, hält der Aufsteiger Cinnamus VI 17 für erstrebenswert; zu Cotta vgl Howell comm , 128 (zu I,9): „the name is … aristocratic“, zu Scaevola ebd 318 (zu I 103): „a distinguished cognomen “ 551 Vgl die entsprechenden Abschnitte bei Friedländer comm , Shackleton Bailey tr oder Barié/Schindler tr , die beim Versuch, einzelne Namen auf reale und fiktive Namensträger zu verteilen, zu ganz unterschiedlichen und regelmäßig recht zweifelhaften Ergebnissen gelangen 552 Erstaunlich die Schlußfolgerung, die dagegen Johannsen (2006), 145 aus der Konfrontation der beiden Pollae in Buch X zieht: „Es ist offensichtlich, daß Martial … ein subtiles Spiel mit der Anonymität eines Allerweltnamens und einer einzelnen prominenten Trägerin dieses Namens treibt und damit indirekt wiederum auf die Austauschbarkeit von Namen und die Entindividualisierung seiner Spottgedichte verweist “ Wie so oft in der Martialphilologie, wird auch hier der Begriff ‚Spiel‘ als Passe-partout mißbraucht

Die zweifelhaften Grundlagen der Decknamentheorie

129

12

In seltenen Fällen sind die Opfer Martials – unter gleichem Namen – auch aus anderen Quellen bekannt Möglicherweise gilt dies für Catulla (VIII 54(53) eine sittenlose Frau wie Iuv  2,49; 10,322), Hamillus (nach VII 62 besteigt er seine Sklaven, nach Iuv  10,224 seine Schüler)553 und den Ehebrecher Aufidius (vgl V 61,10 und Iuv  9,25), auf jeden Fall aber für Cerylus: Sueton berichtet (Vesp  23,1) von einem Freigelassenen dieses Namens, qui dives admodum ob subterfugiendum ius fisci ingenuum se et Lachetem mutato nomine coeperat ferre Eben vor diesem Hintergrund wird C zum Gegenstand von Martials Spott (I 67): Dieser läßt sich von dem Hochstapler allzu großen Freimut vorwerfen (v  1 liber homo es nimium), um dann in raffinierter Mehrdeutigkeit auf jeden Widerspruch zu verzichten 554

13

Verschiedentlich setzt sich Martial selbst mit Möglichkeiten und Nachteilen einer Namensnennung auseinander: Teils droht er mit einer solchen (V 33555; VI 64 ist das angekündigte ‚Rache‘epigramm offenbar mit Namensnennung verbunden), teils verweigert er sie (I 96; V 60; XI 8); und er ist sich bewußt, daß die in seinen Gedichten Genannten verärgert oder gar verletzt reagieren (III 97; 99) und seine spitze Feder fürchten (XII 61) 556 All diese Äußerungen würden bei Verwendung von Decknamen letztlich gegenstandslos Wo Martial wirklich – aus welchen Gründen auch immer – keine(n) Namen nennen möchte, greift er nicht zu Pseudonymen, sondern beläßt sein Gegenüber in völliger Anonymität; für eher kritisch bis abschätzig beurteilte, mitunter scharf attackierte Einzelpersonen, die er totschweigt, vgl I 24; 66; 96; II 29; 39; 57; 61; 76; 83; 85; III 7; 23; 37; 49; 85; 88; IV 21; 41; 53; 67557; 76; 88; V 27; 36; 51; 61; VI 8; 41; 64; 74; VII 14; 24; 25; 37; 71; 75; VIII 14; 34; 35; 47; 59; 74; IX 14; 73; 97; X 3; 5; 45; 100; XI 22; 44; 94; XII 37; 38; 46(47); 48; 50; 63; 86 558

553

Vgl Friedländer comm 1, 505: „Der seltene Name scheint beide Male derselbe, vermuthlich von beiden Dichtern von einem durch das Laster Berüchtigten entlehnt zu sein “ Panciera (2011) rechnet dagegen bei Martial mit einem „fictional character“ (54), bei Juvenal mit dessen Übernahme aus Martial 554 In te qui dicit, Ceryle, liber homo est (v  2) in letzter Konsequenz also nicht verallgemeinernd und im Hinblick auf innere Freiheit gesprochen („Wer sich gegen dich äußert, Cerylus, der ist ein freier Mensch“: Barié/Schindler tr , 81), sondern auf den Epigrammatiker selbst und dessen freie Geburt bezogen: ‚Der hier gegen dich spricht [= ich] ist [im Gegensatz zu dir] tatsächlich frei [geboren]‘ (so auch M Salanitro 1991, 4 ff ) 555 Diesem Gedicht zufolge muß Martial den Namen seines Gegners erst noch in Erfahrung bringen, bevor er seine Drohung in die Tat umsetzen kann 556 In III 11 bringt Martial ein Gegenüber in Verlegenheit, das sich allein aufgrund einer Namensgleichheit in einem Epigramm (III 8) wiederzufinden glaubte und nun tatsächlich seine ‚Enttarnung‘ erleben muß In III 97 (zu III 87) und IV 17 fürchtet er den Zorn eines ‚Opfers‘; und in III 99 (zu III 16; 59) sucht er – nicht anders als im Falle eines Freundes: vgl V 26 zu II 57 – dessen mögliche Verstimmung zu beheben 557 Hier ist die Kat 8 s v Gaurus vorgenommene Neuinterpretation vorausgesetzt 558 Diese Anonymisierung hindert Martial nicht daran, durch gezielt eingestreute Hinweise zuweilen doch noch eine Identifizierung der betreffenden Personen zu ermöglichen: III 88 handelt von

130

Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise?

14 Abschließend sei noch der Versuch referiert, aus der uneinheitlichen Überlieferung mancher Eigennamen einen indirekten Nachweis für Pseudonyme zu gewinnen (Russotti 2019, 251–291, bes 276–285) Demnach sollen Namensvarianten, soweit nicht auf einfache Kopierfehler559 oder aber Glossen zurückzuführen, vorzugsweise durch „auto-censura“ (367) Martials zu erklären sein: Gedichte, die er anläßlich einer „circolazione privata“ (291) noch unter Verwendung der Klarnamen (von Patronen) verbreitet habe, hätten zum Zweck der Buchedition mit einem Pseudonym versehen werden müssen; und so habe er II 18 Maximus (αβ) bzw XII 12 Pollio (αβ) durch Postumus (γ) und VI 88 Caecilianus (αγ) durch Sosibianus (β) ersetzt Warum aber Martial von den eher kritischen Epigrammen an/über Maximus und Caecilianus gerade nur ein einziges verschlüsselt und auch das harmlose Polliogedicht mit einem Decknamen ausgestattet haben sollte, ist nicht nachzuvollziehen; wenn er den Unwillen der Genannten fürchtete, hätte er ihre Namen auch im kleinen Kreis nicht preisgeben dürfen Russotti kann sich auch den umgekehrten Fall vorstellen (291 Anm  195: „che epigrammi nati anonimi – o, per meglio dire, ‚spersonalizzati‘ – siano stato fatti riformulati come attacchi a personaggi reali, e così fatti circolare“); dann aber lägen der Namensänderung doch wohl nur die unfundierten Spekulationen eines anonymen calumni­ ator zugrunde In ihrer Gesamtheit lassen die vorgenannten Beobachtungen nur den Schluß zu, Martial habe auch bei der namentlichen Vorstellung seiner ‚Opfer‘ nirgendwo deren Unkenntlichmachung durch Pseudonyme betrieben Dieser Erkenntnis stehen allerdings drei gravierende Hindernisse entgegen, die es vor einer möglichen Revision des bisherigen Forschungsstandes auszuräumen gilt: Eines davon liefert die Martialphilologie, die einen Großteil von Martials Namen als sprechend (und damit als Erfindung für den konkreten Zusammenhang) erkennen will, die anderen gewissermaßen der Dichter selbst, der mit verschiedenen Äußerungen eine systematische Namensverschleierung als programmatische Grundlage seines Schaffens herausgestellt und sein Personal überdies verschiedentlich der älteren Epigrammatik entlehnt haben soll Lassen sich diese Einwendungen nicht widerlegen, müßte sich jeder Zweifel an Martials Verschlüsselung der Opfernamen zwangsläufig erledigen

abartigen gemelli, VI 8 zwar von einem quidam senex, der sich dann aber als Schwiegervater des Auktionators Eulogus entpuppt, VIII 59 von einem einäugigen Kleptomanen; IX 73 besitzt ein Aufsteiger die Praenestina… defuncti rura patroni (v  3), XI 94 polemisiert gegen einen jüdischen, XII 63 gegen einen aus Corduba stammenden Dichter 559 Hierzu sind offenbar auch die Buchstabenvertauschungen in I 118 Caedicianus – Decilianus (β), IX 10 Priscus – Crispus (β) oder X 14 Cotta – Tucca (γ) zu zählen

Anhaltspunkte für das Vorliegen von Pseudonymen?

131

II. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Pseudonymen? 1 Der Nachweis sprechender Namen Die moderne Forschung rechnet nicht nur in Nachfolge Friedländers grundsätzlich mit Pseudonymen, sondern spitzt diesen Ansatz noch einmal zu: Hat sich doch gerade in jüngerer Zeit eine Art Konsens darüber gebildet, daß Martial bei der Festlegung der von ihm verwendeten Pseudonyme nicht einfach den Zufall walten läßt; vielmehr greife er gezielt auf Namen zurück, die als Typennamen oder aufgrund ihrer Bekanntheit aus Mythos, Geschichte, Literatur oder aber ihrer Etymologie und Lautung geeignet sind, beim Leser bestimmte Assoziationen hervorzurufen und so eine zusätzliche Konturierung von Funktion oder Charakter der auftretenden Personen zu erzeugen: Dieser Aspekt hat in mehreren Untersuchungen der letzten Jahre seinen Niederschlag gefunden560, die jedoch, wie im folgenden gezeigt werden soll, weder bei der Festlegung ihrer theoretischen Grundlagen noch bei der praktischen Umsetzung ihrer These wirklich zu überzeugen vermögen Die theoretischen Voraussetzungen 1

Wie längst gesehen, benennt Martial die Angehörigen bestimmter Berufsgruppen vorzugsweise mit Eigennamen, die auch sonst bei historisch oder literarisch belegten  – sei es realen, sei es fiktiven  – Vertretern dieser Gruppen auftreten oder als sprechende Namen auf diese verweisen Für eine solche Ausstattung mit Typennamen kommen insbesondere in Frage: Ärzte: Alcon, Euctus, Heras, Hermes, Hermocrates, Hippocrates, Hygia, Hyginus, Sota(s) Musiker: Canus, Crotus, Glaphyrus Rennfahrer: Incitatus Gladiatoren: Advolans, Helius, Hermes, Triumphus Dirnen/Hetären:561 Aegle, Antiope, Chione, Chloë, Glycera, Leda, Lesbia, Lycis, Lycisca, Lycoris, Lyde, Lyris, Philaenis, Phlogis, Phyllis, Thaïs

560 Giegengack (1969), Pavanello (1994), Grewing (1998b), 340–345, Vallat 2003 (inhaltsgleich mit Vallat 2006) sowie 2008a (mit reichhaltiger Bibliographie zu diesem Forschungszweig); einschlägig auch Kay comm 561 Eine Zusammenstellung diesbezüglicher Namen bei Schneider, RE VIII 2 (1913), 1331–1372, hier: 1362–1372 s v Hetairai; lateinische Belege für Martials Hetärennamen wären im einzelnen aus Catull , Verg ecl , Hor carm , Prop und Ov am beizubringen

132

Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise?

Pueri meritorii und Kastraten:562 Amphion, Clytus, Dindymus563, Glyptus, Hedylus, Lygdus, Polytimus, Telesphorus, Thelys andere: Ladas (II 86; X 100; ein Läufer), Eulogus (VI 8; ein praeco), Eutrapelus564 (VII 83; ein ‚gewandter‘ Barbier) Sklaven: Alcimus, Alexis, Callistus, Cyrta(s), Dama, Diadumenus, Encolpus, Erotion, Eutychus, Hyacinthus, Hylas, Pantagathus, Plecusa, Telethusa, Theopompus, Thestylus Hier ist jedoch daran zu erinnern, daß in einschlägigen Kreisen die Wahl von Traditionsnamen bzw noms parlants, welche die ausgeübte Profession verrieten, diesbezügliche Dienste bzw Fähigkeiten bekanntmachten oder  – im Falle von Hetären – die Trägerin zierten, gängige Praxis war565; und die Besitzer von Sklaven unterlagen ohnehin keinerlei Einschränkung, bei der Namengebung für ihr Eigentum dessen Aussehen und Funktion Rechnung zu tragen566 oder aber eigene Wunschvorstellungen und literarische Bildung, ja bloße Willkür sprechen zu lassen 567 Aussagekräftige Namen in diesem Bereich weisen also gerade nicht auf den Epigrammatiker als Namensschöpfer, sondern belegen bedachte Namenwahl als eine im realen Leben geübte Praxis 2

Der Hinweis auf ein entsprechendes Verfahren in der altlateinischen Komödie geht ebenfalls an der Sache vorbei a) Wenn Plautus zur Exposition seiner Charaktere sprechende Namen einsetzt568, kann er damit zwei Ziele verfolgen: – Der Name unterstreicht die Wesensart einer Person und präjudiziert so das von dieser zu erwartende Handeln: Entsprechend wird der Zuschauer auf das Geschehen eingestimmt, sein Verständnis der Handlung erleichtert

562 Dieser Personenkreis ist im einzelnen nicht schlüssig von Sklaven abzugrenzen 563 Der Name nach dem gleichnamigen Berg in Phrygien, einem Sitz des Kybelekultes (Hdt I 80) 564 Zum Namen vgl Cic fam VII 32,1 mit einem Namenswitz über Ciceros Freund P Volumnius Eutrapelus 565 Dies gilt etwa auch für Tänzer (Paris!) Daß sich Hetären bei Berufseintritt einen Künstlernamen zulegten, ist durch Plaut Poen  1139 f belegt 566 Vgl Domitians Euphemus Ähnlich wie Plecusa dürfte auch die – später aus dem Sklavenstand aufgestiegene – Acilia P (vgl CIL II 2016 = II2 5784 u ö ) eingesetzt worden sein 567 Dies gilt nicht zuletzt für mythologische Spielereien, wie sie in Argynnus, Atlans, Canace, Parthenopaeus, Polyphemus oder Scylla zum Ausdruck kommen, aber wohl auch für Nonsensbildungen wie Mistyllus Der Name Hypnus war vielleicht für eine Schlafmütze bestimmt 568 Zu diesen ausführlich Schmidt (1902), Mendelsohn (1907), Petrone (1988 und 1989) und López López (2003), eine Namensliste bei Ritschl (1877); zur Sache vgl Don Ter Ad  26 nomi­ na personarum, in comoediis dumtaxat, habere debent rationem et etymologiam. etenim absurdum est comicum, ‹cum› apte argumenta confingat, vel nomen personae incongruum dare vel officium, quod sit a nomine diversum Ähnlich verfährt der Roman (für Petron vgl Schmeling 1969), während schon im Falle von Terenz die Suche nach sprechenden Namen meist zu recht bemühten Spekulationen führt (vgl Austin 1922)

Anhaltspunkte für das Vorliegen von Pseudonymen?

133



Der Name widerspricht dem Auftreten der Person Aus dieser Divergenz gewinnt das einzelne Stück ein kontinuierliches Moment der Komik Beiden Intentionen kommt jedoch in den Martialepigrammen keine Bedeutung zu: Als handlungsbegleitendes Interpretament hat der Name keine Funktion, da das Epigramm – anders als die Komödie – das vom Publikum zu bewertende Geschehen auktorial, d h unmittelbar aus der Perspektive des Autors kommuniziert und damit keiner Unterstützung von anderer Seite bedarf Zudem wird das Wesen der entscheidenden Personen mit Vorliebe in einer überraschenden Schlußpointe offenbart: Die Verwendung sprechender Namen müßte diese Pointe in unliebsamer Weise unterlaufen b) Bei den Plautinischen Rollennamen handelt es sich mehrheitlich um Phantasieschöpfungen, die dem Zuschauer auch als solche kenntlich werden und ihn so von Anfang an für deren Aussagekraft sensibilisieren Im Unterschied dazu finden sich bei Martial durchweg gängige, fast ausnahmslos auch epigraphisch nachweisbare Namen569, die sich dem Leser nicht als inhaltlich bedeutsam zu erkennen geben Da Martial auch nirgends einen ausdrücklichen Hinweis auf ein durch sprechende Namen generiertes Verständnisplus formuliert, hätte sein Publikum über solche Zusatzinformationen – falls vorhanden – einfach hinweggelesen 570 3

Der griechisch-römische Namensfundus, aus dem sich Martial bedient, besteht fast durchgehend aus sprechenden Namen: Die griechischen Eigennamen basieren auf dem indogermanischen Namenssystem, das jeweils zwei sinntragende (in der Regel nominale) Glieder zu einer beliebig kombinierbaren Einheit verbindet (Demo-philos, Philo-demos: der ‚Volksfreund‘)571; die römischen Cognomina „were suggested by personal appearance, traits, defects, occupation, etc , and

569 Die wenigen Gegenbeispiele fallen nicht durch ihre Expressivität ins Auge, sind also offenbar nur durch Zufall ohne weitere Bezeugung geblieben: Nach Moreno Soldevila u a (2019) fehlen Belege für Baccara, Catacissus, Cyrtas, Dindymus, Lattara, Ligurra und Vacerra, während für Magulla, Malisianus und Maronilla immerhin Namen vom gleichen Wortstamm (Magullinus, Malisius, Maronia) nachgewiesen sind Der singuläre (weil falsch gebildete) Namen Calliodorus ist entweder durch metrischen Zwang oder als verballhornender Spitzname eines von Martial gewohnheitsmäßig gehänselten Individuums namens Cal(l)idorus (so der Name des adulescens im Pseudolus des Plautus) zu erklären (der ‚Wohlduftende‘? VI 44 könnte auf Mundgeruch angespielt sein) 570 Zur Illustration dieser Aussage sei die Beiziehung eines modernen Analogiefalls erlaubt: Anfang Dezember 2014 berichtete die Süddeutsche Zeitung von einem Prozeß, der den Mord von Friedrich W (Geretsried) an seiner Frau zu ahnden hatte (Online-Ausgabe vom 2 XII 14: https://www sueddeutsche de/muenchen/wolfratshausen/geretsriedmuenchen-geretsrieder-gesteht-verzweiflungstat-1 2247904, abgerufen am 5 X  2018) Kein Leser dieser Zeitung wäre auf den Gedanken gekommen, im Namen des Täters (Friedrich = ‚Friedensfürst‘) eine schicksalhafte Ironie zu erblicken; bei Vorliegen eines Kunstnamens (Friedensreich: der selbstgewählte Name des Avantgarde-Künstlers Hundertwasser) dürften sich dagegen solche Assoziationen fast von selbst eingestellt haben 571 Zum griechischen Namenssystem vgl E Fraenkel, RE XVI 2 (1935), 1611–1648 s v

134

Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise?

hence were in origin more or less of the character of nicknames “572 In der Regel kann man die Bedeutung dieser Namen mithin erklären; daraus darf jedoch nicht ohne weiteres abgeleitet werden, diese Bedeutung habe auch Martial zum Einsatz bestimmter Namen veranlaßt und sei von seinem Publikum entsprechend mitgehört worden: Mit der nötigen Phantasie wird es immer möglich sein, ein Martialgedicht mit dem Namen seiner Hauptperson – sei es durch Etymologie oder Gleichklang, per analogiam oder κατ‘ ἀντίφρασιν – in irgendeine Verbindung zu bringen Was auf den ersten Blick dem schöpferischen ingenium des Dichters zu entspringen scheint, ist dann in Wirklichkeit auf die überbordende Vorstellungskraft seiner Erklärer zu reduzieren So könnte gerade der Name Demophilus (bei Martial ohne Beleg) mühelos mit einem Verschwender, einem Kinäden, einem Charmeur oder deren Gegenteil in Beziehung gesetzt werden 573 Die praktische Durchführung Auch hier versagt die These, Martial habe sich gezielt konnotativ auffälliger Pseudonyme bedient, auf breiter Front574; sind doch die Resultate der einschlägigen Untersuchungen fast durchweg einer oder mehreren der nachstehenden Kategorien zuzuordnen 1

Die Interpreten arbeiten sich an der Erklärung von Namen ab, die erkennbar realen (sprich: historischen) Personen zugehören, für eine denkbare Fiktionalisierung mithin a priori gar nicht mehr in Frage kommen: Zu nennen wären etwa Probus (III 2,12), Atestinus und Civis (utrumque noras; III 38 mit v  5 f ), Euphemus (IV 8), Melior und Blaesus (VIII 38) 575

2

Die angebliche Konnotation ist nachgerade gewaltsam in den Namen hineingelesen So verweist angeblich Baccara auf bacchari, Carus auf κάρος (‚Erstarrung‘), Castricus auf castratus (Obermayer 1998, 47 Anm  122), Charopinus auf πεινάω (‚essen‘; Charopinus: „qui aime manger“: Vallat 2008a, 534), Fabius auf faba (‚Bohne‘), Gellia auf gelare, Laronia auf latro, Linus auf lingua (Kay comm , 127

572

McCartney (1918/19), 343 Zur Sache vgl Hug, RE III A 2 (1929), 1821–1840 s v Spitznamen mit einschlägigen Beispielen aus dem griechischen und lateinischen Sprachraum (1823–1829) 573 Mit der nötigen Entschiedenheit wendet sich auch Parker (2000) gegen die Sucht der modernen Interpreten, in jedem Eigennamen eine raffinierte Konnotation aufzuspüren: „Sometimes a name is just a name“ (457) 574 Die folgenden Beispiele sind, wofern nicht anders vermerkt, aus Giegengack (1969) oder Vallat (2008a) entnommen; ihre Zahl ließe sich noch beliebig vermehren 575 Zu letzterem  – auch aus Stat silv II 1 bekannt  – geradezu verstörend Giegengack, 71 f : B = ‚stammerer‘; Begründung: „… will have his name repeatedly remembered: Every year will witness the repetition of his name“ (auf der ihm zu Ehren abgehaltenen Jahrfeier!)

Anhaltspunkte für das Vorliegen von Pseudonymen?

135

zu XI 25), Munna auf munus, Natta auf nates, Ōlus auf ŏlus („Kohlkopf “: Barié/ Schindler tr , 1191), Phāsis auf φαίνω („tutta apparenza“: Canobbio comm (2002), 92), Saenia auf senex, Tucca auf tuccetum (Bowie comm , 204), Almo, Sagaris und Bithynicus schließlich auf Flüsse bzw eine Landschaft, die mit Kybele und dementsprechend mit verschnittenen Gallen zu assoziieren sein sollen Callistratus wird „als griechisch-lateinisches Kunstwort“ (καλλί-stratus) identifiziert und soll „einer, der sich für einen Schönen hinlegt“ bedeuten (Obermayer 1998,241 Anm  47), der Name Maximina „auf ihre Geburt vor Urzeiten verweis(en)“ (Schmitz 2011, 50) 3

Die angebliche Konnotation ihrerseits läßt sich nur höchst spekulativ zur Gedichtaussage in Beziehung setzen: Amoenus (XII 66): ‚pleasant‘ → ‚ostentatious‘: „has dressed up his domus to the point where its worth is misrepresented“ (Giegengack, 73) Bucco (XI 76): zu bucca → ‚garrulous‘: „a good name for someone not intending to repay a debt“ (Kay comm , 231) Fescennia (I 87): eine Trinkerin: „such behavior is reasonable in one who comes from the town where Fescennine verse originated“ (Giegengack, 104) Gellia (III 55): zu gelare → „la froideur … de la vieillesse et de la mort“ (Vallat 2008a, 480)576; G wegen ihres übergroßen Parfümgebrauchs als „un cadavre ambulant … quasi embaumée“ (ebd ) Glycera (XI 40): zu γλυκερός (‚süß‘): „renvoie … à son mal de dents“ (Vallat 2008a, 563) 577 Hormus (II 15): zu ὅρμος (‚Ankerplatz‘): „a port of rest for the wearied cup“ (Giegengack, 41) Iulianus (III 25): liebt als „homme de juillet“ (Vallat 2008a, 523) die Hitze Iustinus (XI 65): „The overtones of justice are not necessarily sarcastic, since J is going to the trouble of a repeat feast for Martial’s benefit“ (Kay comm , 211) Lattara (XI 47): zu latrare → Hund → lecken → cunnilingus:578 „Peut-être alors le nom L. se motive-t-il à partir de l’image sexuelle du chien“ (Vallat 2008a, 513) Procillus (I 115): zu procus (‚Freier‘)579 → frustrierter Freier → Rivale → Neider (Pavanello) Zoïlus: wegen des Homeromastix gleichen Namens (Kay comm , 93 zu XI 12)

576 Gellius trägt seinen Namen IX 80 entsprechend wegen seiner Heirat als „l’homme de la vieille“ (a a O ) 577 Daneben soll auch der „caractère complaisant du référent“ (a a O ) zum Ausdruck kommen 578 Auf kürzerem Wege zum gleichen Ergebnis kommt PAVANELLO, 166, der zum Namen das Verb λάπτω (‚bere leccando‘) assoziiert 579 Entsprechend soll der Name I 27 den Nebensinn ‚Schmarotzer‘ enthalten

136

Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise?

4

Die von der Forschung erschlossene Konnotation führt zu nichts anderem als einer faden Tautologie: Almo (X 91): ist impotent → der ‚Kastrat‘ (Pavanello; s oben Punkt 2) Cascellius (VII 9): ist 60 Jahre alt → zu cascus (‚alt‘) Coracinus (VI 55): casiaque cinnamoque / et nido niger alitis superbae (v  1 f ) → ‚young raven‘ = ‚black‘ (Giegengack, 85) Labulla (XII 93): küßt ihren Geliebten → die ‚Küsserin‘ (Pavanello; zu labia) Matronia580 (III 32): ist eine vetula → „implies kinship or family relationship, … implies age as well“ (Giegengack, 75) Philinus (X 102): hat keinen Verkehr mit seiner Frau → ist ihr nur ein φίλος Pompulla (IV 61,5): geizt nicht mit Geschenken → offenbart „ostentazione nel donare“ (Pavanello, 168; zu πέμπω) Procillus (I 115): invide! (v  1) → der ‚Neider‘ (Pavanello; s oben Punkt 3) Titus (XI 51): ist gut bestückt → „titus … désigne … le membre viril“ (Vallat 2008a, 519) Tongilianus (XII 88): habet nasum (v  1) → der ‚Scharfsinnige‘ (zu tongeo = scio) Vetustilla (III 93): ist eine vetula

5

Die angebliche Konnotation ist geeignet, die überraschende Schlußpointe zu zerstören: Euclides (V 35): am Ende durch einen Schlüssel als Sklave entlarvt ↔ bereits zu Anfang durch die – falsche – Etymologie seines Namens als „well-keyed“ (Giegengack, 39) kenntlich 581 Lattara (XI 47): am Gedichtschluß als cunnilingus enttarnt ↔ schon ganz zu Anfang als der ‚Lecker‘ vorgestellt (vgl oben Punkt 3)

6

In zahlreichen Fällen (wozu auch einige der vorgenannten zählen) soll sich die Aussagekraft eines Namens nur zuweilen zeigen, während der gleiche Name andernorts (eventuell sogar mehrfach und in früheren Büchern) als gänzlich bedeutungslos eingestuft wird 582

7

Verschiedentlich wird die angebliche Konnotation des Namens gar nicht als Konstante wahrgenommen, mit deren Hilfe sich ein Leser der Gedichtaussage versichern könnte; vielmehr verliert sich der Sinn des Namens unter der Feder des Interpreten in hermeneutisch unfruchtbarer Beliebigkeit, wobei die ‚message‘ des Epigramms ihrerseits als Wegweiser herangezogen wird

580 So nur in der Hs -Familie α; die Ausgaben lesen üblicherweise mit γ Matrinia (in β entstellt zu matria) 581 In Wirklichkeit ist die Wurzel des Wortes natürlich nicht in κλείς (‚Schlüssel‘), sondern in κλέος (‚Ruhm‘) zu suchen Wahrscheinlich wird der Leser hier jedoch durch die Pointe ex post darauf gestoßen, dem Namen eine andere Bedeutung beizulegen 582 Ohne Problembewußtsein FRIEDLÄNDER comm 1,21 Anm   1: „Manche Namen sind einmal als bezeichnende gebraucht, ein anderes Mal nicht “

Anhaltspunkte für das Vorliegen von Pseudonymen?

137

Acerra (I 28): zu acerra (‚Weihrauchkästchen‘) oder acer oder ἀκήρατος Aeschylus (IX 4): zu es culum583 oder *aesculum („petite monnaie“: Vallat 2008a, 581) Atestinus (III 38,5: ‚aus Atesta‘): „the one without a will“ (Giegengack, 88) oder zu attestor oder A-test-inus („l’avocat sans témoin: Vallat 2008a, 577) Caerellia: zu caeruleus (IV 63; denn die Mutter ertrinkt im Meer) oder cera (IV 20; denn die – ältliche? – Tochter soll eine gelbliche Gesichtsfarbe aufweisen) Cantharus (XII 35): ‚Mistkäfer‘ oder ‚Trinkbecher‘ oder ‚Hafen‘ (Obermayer 1998, 245 f ) Gargilius (III 96): zu gargio/garrulans („name of a babbler, of one whose tongue is uncontrolled“: Giegengack, 67) oder gargarizo (‚gurgeln‘; Pavanello) Laecania: zu λαικάζω (‚huren‘: VII 35) oder λευκός (V 43; Galán Vioque comm , 244) Lattara (XI 47): zu latere oder latrare Pannychus: lenkt den Blick auf „activités nocturnes“ (Vallat 2008a, 550), verweist jedoch in XII 72 (Pannyche, zu assoziieren: panice) auf Pan oder panīcum (‚Hafer‘) 584 Proculeia (X 41): zu Proculeius (dem Juristen) oder procul („she keeps her man at a certain distance“: Giegengack, 63) Syriscus (V 70): zu Syrus oder ὕρισκος (‚hand basket‘; „S ran about from establishment to establishment eating up his inheritance, collecting bits in his basket“: Giegengack, 75) 8

Die Erklärung berührt den Gedichtinhalt höchstens peripher oder unterlegt diesen mit einem rein spekulativen Subtext Euctus (XI 28): zu εὐκτός, „signifiant par hypallage“ (Vallat 2008a, 537): Ersehnt wird nämlich sein Gehilfe Fabius (IX 8(9)): zu faba (‚Bohne‘): nil tibi legavit Fabius (v  1); nil = ne hilum = „pas même une fève“ (Vallat 2008a, 505) Lalage (II 66): in Anlehnung an Prop IV 7,45, wo eine Sklavin zur Strafe an den Haaren aufgehängt wird: „Ces mêmes cheveux font le lien avec le personnage de Martial“ (Vallat 2008a, 382) Ligurinus (III 44; 45; 50): zu λιγύς (‚schrill‘; Pavanello): erhält eine unangenehme Stimme „digne de ses méchants vers“ (Vallat 2008a, 591) Ligurra (XII 61): zu ligurrio; bekommt „effeminacy“ (Giegengack, 87) attestiert Numa (X 97): ein Kranker, der dann doch nicht stirbt und Martial so um ein Erbe bringt Entsprechend soll sein Name hohes Alter (Pavanello) oder

583 So Killeen (1967); nach moderner Terminologie soll also auf rimming angespielt sein 584 Anders Giegengack, 84 zu XII 72: „it is probably meaningless “

138

Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise?

ein tadelnswertes Verhalten signalisieren: „The behavior of this Numa, who wrote Martial down as his heir and then got well, is certainly contrary to the behavior one would expect of a Numa, one who respected the sacredness of a religious contract“ (Giegengack, 109) 585 Rufus: hat mit Sardonyx, Purpur, Rotwein, also rotfarbenen Objekten zu tun 586 Umber (VII 53; XII 81): zu umbra; denn beide Gedichte betreffen die Saturnalien und damit die dunkle Jahreszeit Die potentiellen Eheleute Gemellus und Maronilla (I 10) sollen sich als Träger von colei und eine „amatrice de mâles“ (Vallat 2008a, 579) zu erkennen geben, die Grabgedichte I 114 und 116 durch die Namen der Beteiligten (Faenius zu fe­ num, Antulla zu ἄνθος) einen „caractère bucolique“ (Vallat 2008a, 523) annehmen, Erbe und Erblasser von VII 66 ein sexuelles Verhältnis unterhalten („le nom de Fabius évoque ses organes sexuels [wegen faba = testiculus!], et celui de Labie­ nus la bouche“: Vallat 2008a, 512), das zynische Grabepigramm X 67 durch die Namen der Verstorbenen (Plutia zu Pluto, Melanthion zu μέλας) einen düsteren Anstrich bekommen Zusammenfassend wird man festhalten dürfen: Auch bei wohlwollender Würdigung des Befundes ist die Interpretierbarkeit von Martials Personennamen fast regelmäßig von der Hand zu weisen; und wo nicht, läßt sich doch kaum überzeugend dartun, das zeitgenössische Lesepublikum habe diese allzu subtile Art der Aussage mühelos und ohne Unterweisung rezipieren können Martial selbst hat sich gegen eine intellektualistische Ausgestaltung von Epigrammen gewehrt; die Notwendigkeit einer Kommentierung bzw Dechiffrierung hätte er sicher weit von sich gewiesen: turpe est difficiles habere nugas / et stultus labor est ineptiarum (II 86,9 f ) 587 Der reale Befund Auch wenn man nach dem Gesagten zu dem Schluß kommen muß, daß der Forschungszweig ‚sprechende Namen bei Martial‘ weder theoretisch noch praktisch auf sicherem Boden angesiedelt ist, bleibt doch andererseits unbestritten, daß der Dichter von Fall zu Fall das Mittel des Namenswitzes zur Gestaltung einer überraschenden 585

Anders Vallat (2008a), 331 zum Wesen Numas in X 52: „il est … semblable au vieux roi Numa, parce qu’il a gardé des mœurs à l’antique, et ne comprend pas la décadence actuelle qui laisse les eunuques courir les rues de Rome “ 586 Demgemäß soll für Rufinus (III 31,5) folgendes gelten: „son nom a été choisi pour créer un reflet de couleur avec aurea au vers précédent“ (Vallat 2008a, 521) Der Sardonyx wird im übrigen regelmäßig nicht als rot, sondern als braunweiß beschrieben 587 Vgl auch X 21,5 f Ohne Verständnis für die Leichtigkeit der Gattung bleibt Vallat (2008a), 603: „Martial crypte ses noms, le lecteur doit les décrypter “

Anhaltspunkte für das Vorliegen von Pseudonymen?

139

Pointe oder zur witzigen Abrundung seiner Ausführungen heranzieht Im Unterschied zu den von Interpretenseite postulierten noms parlants bestimmt hier jedoch nicht der Handlungszusammenhang die Auswahl des Namens; vielmehr wird umgekehrt ein bereits vorausgesetzter Name mit einer launigen Assoziation verbunden, deren Entschlüsselung auch keiner gesuchten, mitunter kaum nachvollziehbaren Gedankenoperationen bedarf, sondern sich beim ersten Lesen von selber aufdrängt 1

Der Name liefert die Grundlage einer Pointe Argonautae: Kalauer aus nautae (‚Schiffer‘) und ἀργός (‚träge‘): III 67 Chione (zu χιών ‚Schnee‘; auf schneeweiße Haut bezogen): Die Hetäre ist zwar kalt wie Schnee, hat aber eine dunkle Haut (III 34)588; ein weiteres Mal wird sie, eiskalt wie sie ist, ihrer Kollegin Phlogis (‚Flamme‘) gegenübergestellt (XI 60) Eutrapelus (zu εὐτράπελος: ‚gewandt, geschickt‘): kann als Barbier nicht mit dem Bartwuchs des Lupercus Schritt halten (VII 83) Liber: sollte seine Geschenkkörbe um digna tuo … nomine munera ergänzen (IX 72 mit v  5) Myrtale (zu μύρτον ‚Myrtenbeere‘): bibit laurum (V 4 mit v  6) Olfius: Verballhornung des Gentilnamens Alfius (IX 95) Palinurus: Paulinus würde durch meiere … iterum (πάλιν οὐρεῖν) auf einem Schiff zum Palinurus (III 78; den Namen trägt der Steuermann des Aeneas: Verg Aen III 202 u ö ) Phidias (zu φειδός ‚sparsam, knauserig‘): als Schöpfer einer sehr kleinen Statuette vermutet (IX 43) Phoebus (zu Phoebus/Phoebe, den Göttern von Sonne und Mond): hat sichelförmige Beine (II 35) und – im Gegensatz zur Lockenpracht Apolls – einen kahlen Kopf (VI 57) Sabellus: Wortspiel mit bellus (VII 85; XII 39) Sagaris: passender Name für einen Freund dicker Mäntel (sagum): VIII 58; Namenspate ist wieder ein Begleiter des Aeneas: Verg Aen V 263; IX 575 Sota(s) (der ‚Heilsbringer‘): Seine Tochter benimmt sich ἀσώτως (‚zügellos‘): IV 9 Tettius Caballus: Caecilius ist kein Tettius, höchstens ein caballus (I 41) Zu Euclides vgl oben Anm 581

2

Der Name bietet den Anhaltspunkt für eine – meist augenzwinkernd formulierte – Gedankenverknüpfung Ob diese Verknüpfung vom Dichter wirklich beabsichtigt war, mag jedoch im einzelnen strittig sein Charidemus (‚Volksfreund‘): verhält sich iratus tamquam populo (VI 81 mit v  1)

588 Bemerkenswerterweise sucht Martial die Lektüre dieses Gedichtes durch Chione zu verhindern, da diese sich carmine laesa zu rächen droht (III 97 mit v  2): Offenbar hat der Dichter hier also keine Namensverschleierung vorgenommen

140

Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise?

Eutychus (= Felix): „destroyed in the bloom of his youth“ (Giegengack, 80): VI 68 Fidentinus (‚aus Fidentia‘): als Plagiator ironisch ‚Herr Ehrlichmann‘ (Walter comm , 83) genannt? (I 29; 38; 53; 72) Hermogenes (‚Hermessproß‘): unter zehnfacher Nennung des Namens als Dieb in Szene gesetzt (XII 28(29)) Hilarus: besitzt zu ihm passende iuga laeta (VI 73 mit v  4) Ianthis: Vor dem Hintergrund einer Scheinetymologie (Violentilla von viola = ἴον) bedichtet Martial Stellas Ehefrau V unter diesem Namen (VI 21; VII 14; 15; 50) Lupercus: verhält sich wie die Priester gleichen Namens (IV 28) Parthenius: stiftet Martial eine Toga auctoris nomine digna sui (IX 49 mit v  6) Paternus: huic semper vitio pater fuisti (XII 53 mit v  10) Paulus: schenkt ein Nichts (VIII 33) Postumus: verschiebt das Leben auf morgen (V 58); mit dem Namen verbindet sich die Erinnerung an Hor carm II 14,1 f eheu fugaces, Postume, Postume,/ labuntur anni (Friedländer comm 1, 418) 589 Theodorus: „god’s gift to poetry“ (Kay comm , 257): XI 93 Velox: „has not the patience for long poems“ (Giegengack, 53): I 110 Vetustilla: ist tatsächlich eine vetula (III 93) In all diesen Fällen stellt Martial sein ingenium unter Beweis, indem er ganz nach Ciceros Diktum etiam interpretatio nominis habet acumen (de orat II 257) einen real oder mythologisch vorgegebenen Namen pointiert mit der gedanklichen Aussage eines Epigramms in Verbindung bringt 590 Die Vorstellung, der Dichter habe umgekehrt eine Pointe im Auge gehabt und zu dieser sekundär einen einschlägigen Namen als Aufhänger konstruiert591, ist nachgerade abgeschmackt und mit dem Wesen geistvollen Dichtertums nicht zu vereinbaren 592 Anders gesagt: Ein Namenswitz funktioniert nur, wenn er auf dem realen Namen einer Person beruht; nur so läßt sich ja auch erklären, daß ein Name nach mehrfacher unspezifischer Nennung erst in einem späteren Martialgedicht unversehens mit Bedeutung aufgeladen wird

589 Komischer Rekurs auf einen literarischen Vorgänger ist auch VIII 54(53) zu konstatieren, wo Martial für die ebenso schöne wie sittenlose Catulla eine Catull-Reminiszenz (Catull  49,1–3) bereithält 590 Zu Namenswitzen vgl auch Quint inst VI 3,53–56, zur Verwendung einschlägiger Scherze im politischen Tageskampf der ausgehenden Republik Corbeill (1996), 57–98 Auch die Beispiele bei Aristot rhet II 1400b 16–25 und die Pointe von AP V 154(153) sowie Auson epigr 41 und 42 (p 84 f ) G = 57 und 58 (p 333) Pe beruhen auf einem als real vorauszusetzenden Namen 591 So erklärt die Fachliteratur etwa das Auftreten des Sota(s) in IV 9: „It is the Greek adverb ἀσώτως, which activates the noun Sotas“ (Vallat 2006, 126) 592 Auch in der Komödie mit ihren Kunstnamen ist Grundlage eines Namenswitzes eben der Name, zu dem sich erst sekundär eine wie immer geartete Assoziation gesellt; vgl etwa Plaut Bacch  240 opus est chryso Chrysalo; 362 facietque extemplo Crucisalum me ex Chrysalo; weitere Beispiele bei Fontaine (2010)

Anhaltspunkte für das Vorliegen von Pseudonymen?

141

2 Martials dichterisches Programm Unter den Stellen, an denen sich nach Ausweis der Sekundärliteratur Martial selber zur Verschlüsselung von Namen bekennen soll, findet sich nirgends eine eindeutige Aussage des Inhalts: ‚Die handelnden Personen sind durch Verwendung von Pseudonymen unkenntlich gemacht ‘ Vielmehr gehören die in diesem Kontext angeführten Belege einerseits zu – nachgerade programmatischen – Aussagen, in denen sich Martial allgemein über die von ihm als Epigrammatiker befolgten Prinzipien äußert, zum anderen in Gedichte, die im konkreten Fall die Identifikation einer Person bzw die Festlegung auf ihren wahren Namen verweigern Es ist nun zu prüfen, ob sich die einschlägigen Texte zuverlässig als Zeugnisse für eine vom Autor durchgeführte Namensverschleierung lesen lassen Die Aussage der praefatio (I epist. 1–9) Der von der Forschung unisono bemühte locus classicus zum Thema findet sich bereits in der Praefatio zum ersten Epigrammbuch (I epist  1–9): (I) Spero me secutum in libellis meis tale temperamentum, ut de illis queri non possit quisquis de se bene senserit, (II) cum salva infimarum quoque personarum reverentia ludant; (III) quae adeo antiquis auctoribus defuit, ut nominibus non tantum veris abusi sint sed et magnis. Mihi fama vilius constet et probetur in me novissimum ingenium. (IV) Absit a iocorum nostrorum simpli­ citate malignus interpres nec epigrammata mea scribat: improbe facit qui in alieno libro ingeniosus est Scheidet man die dort vorliegenden Gedankenschritte (I–IV) voneinander, so steht im Zentrum II die von Martial als eiserner Grundsatz aufgestellte Maxime, gegenüber jedermann, und sei er auch niederen Standes, reverentia (‚Respekt‘) wahren zu wollen Damit erfüllt der Dichter ein Postulat, wie es auch sonst für einen Menschen mit kultivierten Umgangsformen erhoben wird (vgl etwa Cic off I 99 adhibenda est … quaedam reverentia adversus homines, et optimi cuiusque et reliquorum) und wie es nach Juvenal sogar gegenüber Heranwachsenden Gültigkeit besitzt (Iuv  14,47 maxima de­ betur puero reverentia), das aber im Epigramm mit seiner gattungstypischen Scharfzüngigkeit593 üblicherweise kaum Berücksichtigung findet Dieser Grundsatzerklärung vorausgeschickt ist I eine Eingrenzung des Personenkreises, der sich dieser reverentia und der bereits eingangs zugesagten Zurückhaltung (temperamentum) erfreuen darf: Quisquis de se

593 Zum traditionellen Selbstverständnis der Epigrammdichtung vgl Mart II epist  6 f : epigrammata … contenta sunt sua, id est mala, lingua

142

Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise?

bene senserit, d h wer sich keiner Schuld bewußt ist, wird keinen Grund zur Klage haben 594 Dies impliziert jedoch im Gegenzug: Wer über kein reines Gewissen verfügt, darf sich nicht sicher sein, doch einmal Opfer von Martials spitzer Feder zu werden Die conscientia hat hier also nicht den gleichen Stellenwert wie in dem häufig verglichenen Passus Phaedr III prol 45–50:595 Dort treibt das Schuldgefühl manch einen dazu, sich – zu Unrecht – in den ganz allgemein gehaltenen Phaedrusfabeln wiederzufinden und entsprechend angegriffen zu fühlen; Martial hingegen schließt nicht aus, daß ein Zeitgenosse mit ‚Sündenregister‘ Anlaß haben wird, – zu Recht – über seine Behandlung in den Epigrammen Klage zu führen (queri) Damit deckt der Dichter letztlich die beiden Spielarten des Epigramms ab, die man als die mimisch-skoptische (Stichwort γελοῖον) und die jambisch-skoptische (ψόγος) zu unterscheiden pflegt:596 Die erstere macht den Löwenanteil der Gedichte aus und rückt auch in Martials poetologischer Programmatik ganz einseitig in den Vordergrund; die letztere, mit der Martial im „Ton der lauten öffentlichen reprehensio“ (U  Walter 1998, 229) gewissermaßen den Bereich der altitalischen occentatio vereinnahmt, wird, weil seltener realisiert und doch wohl auch weniger populär, schon in unserem Zusammenhang nur andeutungsweise gestreift und hinfort in grundsätzlichen Stellungnahmen überhaupt nicht mehr thematisiert 597 Im Fortgang des Textes distanziert sich Martial von Gepflogenheiten, die seinem Programm angewandter (wofern angebrachter) reverentia diametral zuwiderlaufen Dies betrifft zum einen III antiqui auctores, denen ihr rücksichtsloser Umgang mit nomina non tantum vera sed et magna vorzuhalten ist Diese Ungehörigkeit kann jedoch nicht einfach in der – als solche ja unverfänglichen – Nennung von Namen begründet sein; vielmehr müssen sich die Früheren vorwerfen lassen, die Namen ihrer Zeitgenossen mißbraucht

594 Mit anderen Worten: „no one will feel offended who does not deserve to feel so“ (Gaffney 1976, 16) Er wird also nicht wie der auditor, cui frigida mens est / criminibus erröten und von tacita culpa gequält werden (Iuv  1, 166 f ) P J Anderson (2011), 207 bezieht dagegen die Formulierung quisquis de se bene senserit vor dem Hintergrund von Sen const sap  10 f auf „the wise reader“, also den sapiens, der angesichts seiner animi magnitudo durch nichts aus der Fassung zu bringen ist; doch hätte ein solcher der kalmierenden Darlegungen des Programms letztlich überhaupt nicht bedurft Zum Gedanken ‚Wer ein gutes Gewissen hat, braucht nichts zu fürchten‘ vgl schon Hor sat I 4,67 f bene siquis / et vivat puris manibus, contemnat utrumque [= die professionellen Ankläger Sulcius und Caprius] 595 Et rapiet ad se quod erit commune omnium,/ stulte nudabit animi conscientiam./ Huic excusatum me velim nihilo minus:/ Neque enim notare singulos mens est mihi,/ verum ipsam vitam et mores hominum ostendere. 596 Vgl BRECHT (1930), 2 597 Negative Reaktionen einzelner Leser werden jedoch vom Dichter erwartet und auch gutgeheißen: vgl VI 60(61),3 f Ecce rubet quidam, pallet, stupet, oscitat, odit./ hoc volo: nunc nobis carmina nostra placent sowie V 33 (ein causidicus) oder XII 61 (Ligurra) Zur öffentlichen Schelte bei Martial vgl U WALTER (1998), allgemein VEYNE (1983 bzw 1995)

Anhaltspunkte für das Vorliegen von Pseudonymen?

143

und böswillig in den Schmutz gezogen zu haben 598 Ohne Martials temperamentum walten zu lassen, haben sie ein Verhalten an den Tag gelegt, wie es Martial noch seinen eigenen Rivalen zuschreibt und für sich selbst zu wiederholten Malen – jeweils ohne Einengung auf den Aspekt der Namensnennung – kategorisch ausschließt: Sie verfassen – zum Teil unter der Maske Martials – atro carmina quae madent veneno (VII 72,13), vernaculorum dicta, sordidum dentem,/ et foeda linguae probra circulatricis (X 3,1 f ) oder viridi tinctos aerugine versus (X 33,5), verschießen Lycambeo sanguine vergiftete Pfeile oder versprühen vipereum … virus (VII 12,6 f ), ja sie verletzen die Träger von stola und purpura ruchlos impio versu (X 5,1 f ; im Fortgang des Gedichtes werden solche Poeten verwünscht) Der Unterschied zwischen Martial und den Altvorderen liegt damit nicht in der Offenlegung von Identitäten (hie Pseudonyme, dort nomina vera), sondern in der Achtung der behandelten Personen (hie reverentia, dort Diffamierung) IV Abschließend wendet sich Martial gegen alle Versuche, ihn selbst mit fehlender reverentia in Verbindung zu bringen Mit Nachdruck besteht er auf der simplicitas, also der Harmlosigkeit bzw „Unverfänglichkeit seiner Gedichte“ (Johannsen 2006, 157), „insofern als alle Bosheit, die man eventuell aus den Epigrammen Martials herauslesen könnte, kategorisch auf die Einstellung des Rezipienten zurückgeführt wird“ (ebd 62), mithin auf den böswilligen Leser (dieser als malignus: IV 86,7; VII 26,9)599, der, von invidia und livor beseelt (VII 12,12; X 33,6), den Gedichten „intenciones difamatorias“ unterstellt600 bzw ihrem Verfasser das Wort im Munde herumdreht (für einen solchen Fall vgl VII 34) Im Ergebnis bekennt sich Martial zur iocorum nostrorum simplicitas (I epist 6 f ), zu carmina iocosa (I 35,10) und zum unschuldigen Scherz (ludimus innocui: VII 12,9)601, der, wenngleich er mica salis et amari fellis gutta (VII 25,3 f ) enthalten darf602, nicht im Sinn einer Invektive auf eine wirkliche Verletzung der auftretenden Personen abzielt 598 Das Verbum abuti ist hier prägnant zu verstehen (vgl Don Ter Phorm 413 utimur cum honore, abutimur cum iniuria); im ThLL wird unsere Stelle dagegen fälschlich als Beleg für die Bedeutungsgleichheit von abuti und uti geführt (I 240, 77 ff ; vgl die Definition Corp Gloss Lat V 3,2 abuti et bene uti est et male uti) Vgl auch unten Anm  603. 599 Die Junktur malignus interpres auf „a professional exegete“ = grammaticus einzugrenzen (P J ANDERSON 2011, 210), geht an der Sache vorbei: Da Martial gar nicht mit einer professionellen Auslegung seiner Gedichte rechnet (vgl X 21), hat er keine Veranlassung, in seinem einleitenden Programm speziell diesen Personenkreis als potentiell rufschädigend ins Spiel zu bringen 600 Dazu ausführlich LOPEZ-CAÑETE QUILES (2012), das Zitat 71 Im übrigen hätte ja gerade der regelmäßig postulierte Einsatz von Decknamen den Dichter allen maligni nachgerade ausgeliefert: Wären Pseudonyme doch eher noch als die Klarnamen von sozial niedrigstehenden Personen arglistigen Identifikationsversuchen ausgesetzt gewesen 601 Ähnlich I 4,7 innocui lusus (welche die censura – die Sitten, nicht die üble Nachrede betreffend – erlaubt) oder III 99,3 innocui sales; vgl auch VIII 3,19 tu Romano lepidos sale tinge libellos (Anweisung der Muse an den Dichter) An anderer Stelle verwendet Martial den Terminus lusus eher unspezifisch für (seine) Produkte der leichten Muse (vgl MUTH 1976 und SPISAK 1992, 8–61) 602 Nach X 9,2 ist Martial bekannt multo sale nec tamen protervo; von Plinius wird er als homo ingeniosus acutus acer, et qui plurimum in scribendo et salis haberet et fellis (epist III 21,1), von Sidonius Apollinaris als mordax sine fine (carm 9,268) charakterisiert

144

Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise?

(vgl V 15,2 queritur laesus carmine nemo meo; VII 12,3 f ut mea nec iuste quos odit pagina laesit / et mihi de nullo fama rubore placet603; X 3,9 procul a libellis nigra sit meis fama), sondern von der beim Gelage (II 1,9 f ; 6,7 f ; IV 8,7–11; V 16,9 f ; VII 51,11–14; 97,11; X 20,18–21), besonders aber im Umfeld der Saturnalien obwaltenden Ausgelassenheit getragen wird (XI 2; 6; 15) 604 Und diese Selbsteinschätzung durfte Martial getrost vertreten, überschreiten seine Epigramme doch tatsächlich kaum je die Grenzen des bekanntermaßen rüden römischen Witzes: Dieser gestaltet sich hinsichtlich körperlicher Anomalien und Gebrechen als nachgerade grausam; und auch im Bereich sexueller Anzüglichkeiten geht er weit über das von der Moderne tolerierte Maß hinaus605, so daß die Forschung Gefahr läuft, mit dem Urteil der Bosheit bzw Böswilligkeit vorschnell bei der Hand zu sein Meist dürfte sich das im Gedicht heimgesuchte Individuum (ohnehin gesellschaftlich unprofiliert und gewöhnlich nur mit dem konfrontiert, was der Stadtklatsch munkelte oder sogar alle Welt wußte bzw sich doch vorzustellen bereit war)606 mit seiner Rolle als Zielscheibe von Martials Witz wohl oder übel – zu603 Zu der Aussage queritur laesus carmine nemo meo (V 15,2) kann sich Martial eben deswegen bekennen, weil er alqm laedere und nomine alcs abuti (I epist 4 f ) letztlich als Synonyme verwendet 604 Vgl NAUTA (2002a), 166–189 Alternativ ruft Martial den Geist des Mimus (III 86; VIII epist 11 f ), der Floralia (I epist 14 f ; 35,8 f ) oder der ioci triumphales (I 4,3 f ; VII 8,7 f ) als Maßstab auf Durch ihre lasciva verborum veritas (I epist 9) bzw mimica verborum licentia (VIII epist 12 f ) sind die Epigramme natürlich dazu prädestiniert, um an den Saturnalien verschenkt und gelesen zu werden (IV 14; V 18; 30; X 18(17): von einem curator viae Appiae herbeigesehnt); CITRONI (1989), 214–225 kann für das eine oder andere Martialbuch sogar Publikation zur Zeit / aus Anlaß des Festes nachweisen: Mit Sicherheit gilt dies für B VII und XI, wahrscheinlich auch für B IV und V (vgl die am Buchschluß situierten Gedichte IV 88 und V 84), möglicherweise für B X (1 Aufl ) Und B XIII und XIV beziehen sich zumindest auf die – für die Saturnalien charakteristische – Sitte kleiner Geschenke (vgl XIII 1 und XIV 1; auf das Ende der Saturnalien verweist das – von FOWLER 1995, 55 f und GREWING 2010, 134–143 metapoetisch überfrachtete – Schlußgedicht XIV 223) Weniger überzeugt hingegen die Annahme von COLEMAN (2005), auch die Matronalia bildeten den Rahmen für die Publikation eines Martialbuches (des sechsten); Vf in selber räumt ein: „the hypothesis remains slender“ (31) 605 Es mag genügen, hier einerseits an die große Zahl der aus Spottnamen hervorgegangenen römischen Cognomina, zum anderen an die mehr als zotigen Gesänge der Soldaten beim Triumphzug (I 4,3 f ; vgl VII 8,7) zu erinnern NAUTA (2002a), 176 verweist auf „the ancient idea of humour, according to which the primary objects of laughter were moral failings and bodily defects, and joking was a more harmless variety of criticism“; als Beleg hierfür kann Cicero dienen, der de orat II 236 turpitudo et deformitas quaedam, 238 vitia, quae sunt in vita hominum und 239 deformitas et corporis vitia (ebenso 266) als Quelle der Heiterkeit benennt Eine Reihe von Belegen bietet CÈBE (1966), eine zusammenfassende Charakteristik von Martials Humor SULLIVAN (1987c), 190: „Martial makes large use of artistic, and therefore socially acceptable, forms of hyperbolic abuse and ironic invective, as well as those other linguistic devices that depend for their effect on incongruities or sudden surprise and unexpected, even horrific, conceptual or imagistic juxtapositions (aprosdokēta), which are, after all, the chief psychological mechanisms of most bawdy humour and obscene wit “ 606 Zur zentralen, den Gegebenheiten einer ‚face-to-face-society‘ entsprechenden Rolle von Klatsch und Tratsch bei Martial vgl GREENWOOD (1998a): Martial erscheint wahlweise als „slanderer, calumniator, detractor, manipulator, judge, censor of morals, exposer, condemner, avenger, and outer“ (309) Und manche Epigramme „are aimed at the most crying scandals of the town“ (CHANEY 1971/72, 24 zu VI 39; 71; VII 64)

Anhaltspunkte für das Vorliegen von Pseudonymen?

145

weilen wohl auch eher zähneknirschend  – abgefunden haben607; schließlich pflegte der Dichter mit vielen der von ihm aufs Korn Genommenen durchaus gesellschaftlichen Umgang: Quintus möchte seine Gedichte geschenkt bekommen (IV 72), Gellia, Athenagoras, Sextilianus und Garricus senden ihm üblicherweise (Saturnalien-) Geschenke (V 29; VIII 41; X 29; XI 105), wie er sie auch mit Chrestus austauscht (VII 55), mit Naevolus grüßt er sich (III 95), Postumus küßt ihn gar zur Begrüßung (II 10; 12; 21–23), Charmenion nennt ihn Bruder (X 65), Gallicus legt Wert auf sein Urteil (VIII 76), Oppianus besucht ihn auf dem Krankenlager (VIII 25), er seinerseits beehrt Afer mit Besuchen (IX 6(7)), Callistratus wünscht eine Auskunft zu einem Gedicht (IX 95b) und eröffnet ihm seine sexuellen Vorlieben (XII 35), Charinus stellt ihm ein Erbe in Aussicht (V 39), und Catullus setzt ihn wirklich zum Erben ein (XII 73), Gargilianus verkauft ihm einen Sklaven (VIII 13), Philomusus, Sabellus und Alauda sind – oder waren einmal – bei ihm zu Gast (IX 35 bzw XII 60), Dento wird zu Tisch geladen (V 44), er selbst zecht mit Lupercus (IX 87) und speist bei Ligurinus (III 45; 50), Papylus (IV 69), Gallicus (VIII 22), Afer (IX 25), Cotta (X 49; schon I 23 ins Auge gefaßt) und anfangs sogar bei Zoïlus (II 19 eine Würdigung ex eventu, III 82 die cena selbst; für Martials Anwesenheit vgl v  30 nos accubamus) 608 Bei nüchterner Betrachtung würde das von Martial formulierte Programm der salva reverentia mithin von vornherein keiner Absicherung mittels Eigennamenkodierung bedürfen; und in den eher seltenen Fällen, in denen der Dichter gegenüber wirklichen Übeltätern die überpersönliche Aufgabe einer reprehensio wahrnimmt, waren die Klarnamen ohnedies nicht zu vermeiden, wäre seine Anklage sonst doch einfach nur ins Leere gelaufen 609

607 Natürlich könnte Martial mit seinen Pointen auch einmal zu weit gegangen sein, mochten sich doch auch Freunde und Patrone mitunter brüskiert fühlen: Daß die Reihe der Postumus- und der Regulusgedichte jeweils mit einem grenzwertigen Epigramm abbricht (VI 19 bzw VII 16), dürfte auf die bleibende Verstimmung des Gegenübers zurückzuführen sein; und auch Cordus könnte Martials Humor übelgenommen haben (vgl V 26 vor dem Hintergrund von II 57 und V 23) 608 Dieser persönliche Verkehr muß der Realität entsprochen haben, würde doch die wahrheitswidrige Erfindung eines solchen Szenarios (Martial auf Du und Du mit beleidigten ‚Opfern‘) der Gestaltung und damit auch der Wirkung seiner Gedichte empfindlich Eintrag tun Martial wird von den verlachten Akteuren seiner Epigramme ebenso wenig geschnitten wie ein moderner Klatschkolumnist von den in seinen Berichten durchgehechelten Prominenten 609 U WALTER (1998), 229 begründet die Verwendung von Pseudonymen gerade dadurch, daß „fiktive und dabei redende Namen (es) … ermöglichten, … dem Hörer/Leser … nahezulegen, darüber nachzudenken, ob er nicht vielleicht selbst gemeint ist “ Doch wird die Angst vor öffentlicher Schadenfreude oder gar Verachtung natürlich auch durch die Kenntnisnahme identifizierbarer Analogiefälle wachgerufen (vgl das Vorgehen von Horazens Vater Hor sat I4, 103–129)

146

Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise?

Das Motto parcere personis, dicere de vitiis (X 33,10) Allgemeiner Auffassung gemäß enthält dieses von Martial nach eigenem Bekunden verfolgte Prinzip ebenfalls einen Hinweis auf die Verschlüsselung von Namen Doch auch hier will der Dichter bei näherem Zusehen auf etwas anderes hinaus In den Epigrammen III 16 und 59 hatte sich Martial darüber mokiert, daß ein sutor namens Cerdo in Bononia ein Gladiatorenspiel ausrichtete Für den Fall, daß Cerdo ihm diese Gedichte verübelte, schiebt Martial relativierende Einlassungen nach (III 99), in denen er auf die Harmlosigkeit seiner Scherze verweist (v  3 innocuos permitte sales) und den Schuster selbst ausdrücklich aus der Schußlinie nimmt (v  2 ars tua, non vita, est carmine laesa meo) Offenbar ist auch die Kritik an einem unzweideutig bestimmbaren Individuum610 mit dem Leitsatz parcere personis zu vereinbaren, wenn bzw insoweit der Epigrammatiker das von ihm kritisierte Fehlverhalten in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellt und nicht zu einer Invektive, also einem von persönlicher Feindschaft bzw Verleumdungen getragenen und auf Verletzung (laedere!) abzielenden Rundumschlag gegen das gescholtene Individuum ausholt611; für eine weitere Entschärfung durch Einsatz von Decknamen bestand dann kein Anlaß mehr Postumus (II 23) Nachdem Martial der Vorliebe eines gewissen Postumus für eklige Küsse einen ganzen Gedichtzyklus gewidmet hat (II 10; 12; 21; 22), weigert er sich abschließend, die Identität des Inkriminierten preiszugeben (non dicam, licet usque me rogetis,/ qui sit Postumus in meo libello,/ non dicam: II 23,1 ff ), da er sich vor dessen Rache durch noch mehr, noch nassere, noch unangenehmere Küsse fürchtet Indes dürften die als fragend gedachten Leser Martial nicht um die Nennung eines Klarnamens angehen (‚Wer verbirgt sich hinter dem Namen P ?‘), fehlt ihnen doch jede Vorinformation darüber, daß der Dichter mit seinen Personennamen eine Verschleierungsstrategie verfolgt Vielmehr ist das Interesse der Frager auf nähere Angaben zur Person des Postumus gerichtet (‚Um welchen P handelt es sich?‘)612, wird doch das nicht gerade seltene Cognomen auch im

610 Durch seinen Klarnamen und/oder durch sein ungewöhnliches Tun war Cerdo für sich und andere zweifelsfrei zu identifizieren: Gegenüber einem nicht weiter kenntlichen Anonymus hätte sich der Dichter nicht zu einer um Verständnis bemühten Erklärung veranlaßt gesehen 611 Vgl IV 43,2 f non sum tam temerarius nec audax / nec mendacia qui loquar libenter; scherzhaft verwahrt sich der Dichter in diesem Epigramm gegen Verleumdungsvorwürfe 612 Fragen nach diesem Muster finden sich etwa Pers 4,25 f nostin Vettidi praedia? – cuius?/ – dives arat …; Mart III 8,1 Thaida Quintus amat. – quam Thaida? – Thaida luscam; Auson epigr 73,3 ff (p 92) G = 77,3 ff (p 340 f ) Pe dic, quid erit Marcus … functus?/ …/ – quis Marcus? – feles … dictus; 117,1 (p 103) G = 108,1 (p 351) Pe Silvius hic Bonus est. – quis Silvius? – iste Britannus

Anhaltspunkte für das Vorliegen von Pseudonymen?

147

Umkreis Martials von mehreren Individuen geführt (vgl Kat 2 und 8), so daß die simple Namensnennung für eine sichere Identifikation des Betroffenen nicht ausreicht Athenagoras (IX 95b) Daß sich auch hier das Gegenüber – Callistratus – mit der ihm in den Mund gelegten Frage nomen Athenagorae quaeris, Callistrate, verum (v  1) nicht nach dem Klarnamen des Athenagoras erkundigt, wird allein schon aus der Reaktion des Epigrammatikers (si scio, dispeream, qui sit Athenagoras: v  2) deutlich: Da dieser über die privaten Verhältnisse und damit auch die Identität seines ‚Opfers‘ nach IX 95 bestens informiert ist, könnte er nur ‚ich sage den Namen nicht‘, keinesfalls jedoch ‚Ich schwöre: ich weiß ihn nicht‘ antworten 613 Im Kontext der Aussage von IX 95 muß daher die Frage nach dem verum nomen des Athenagoras614 auf die rätselhafte Alternative Albius – Olbius bezogen sein: Athenagoras hatte sich – so die Kat 8 s v Athenagoras mit aller Vorsicht erwogene Interpretation von IX 95 – einem Mann vermählt und im Rahmen seiner sexuellen Neuausrichtung eine spöttische Verballhornung seines Namens hinnehmen müssen Vor diesem Hintergrund erkundigt sich Callistratus – laut XII 35; 42 ein bekennender Männerfreund und als solcher persönlich am aktuellen Lebenswandel des Athenagoras interessiert –, ob man Albius Athenagoras jetzt tatsächlich Olbius (im Sinne von ‚Hinterlader‘ oder von ‚Hintermann‘ beim Analverkehr?) nennen könne Martials Antwort: ‚Weiß Gott, ich kann’s nicht sagen; doch egal: Auf jeden Fall gehört er (jetzt) zu eurer Clique ‘ Wenn sich so weder aus dem Epigrammcorpus in seiner Gesamtheit noch aus den im eigenen Namen formulierten Erklärungen seines Verfassers Indizien gewinnen ließen, welche eine Pseudonymisierung oder gar Erfindung der mit Spott bedachten Individuen belegen könnten, wandelt Martial offenbar auf den Spuren der früheren römischen Epigrammatiker (beweisbar für Catull) und Satiriker (Lucilius, Horaz, Juvenal), die auch dann, wenn sie sich bei der Nennung von Namen zu gewissen Ausweich-

V 33,1 f qui sit,/ nescio ist nicht vergleichbar: Dort kennt Martial den Namen des Schuldigen wirklich nicht und ist selber um Aufklärung bemüht; Athenagoras jedoch ist für Martial kein Fremder (vgl VIII 41) 614 Wenn man IX 95b, 1 nicht quaeris (α), sondern mit βγ credis liest, würde Callistratus den Namen des Athenagoras – zu Unrecht – für authentisch halten und daraus eine unzutreffende Identifizierung des Namensträgers ableiten Dann aber wäre die Klarstellung des Dichters auf eine ganz abwegige Aussage reduziert: ‚Wenn du mein Gedicht auf einen dir bekannten A beziehst, irrst du: Wenn ich A sage, meine ich eben nicht A , sondern einen Fremden, dem ich willkürlich den Namen A beilege‘ (in diesem Sinne etwa Henriksén comm 2, 149 f ) Martial hätte also in IX 95 (wie in seinen anderen, nicht mit ‚Gebrauchsanweisung‘ versehenen Gedichten) einfach so einen Unschuldigen ins Gerede gebracht, um sich dann nachträglich – im neunten(!) Buch und anhand eines Einzelfalls – gegen einen naiven Umgang mit den von ihm verwendeten falsa nomina zu verwahren 613

148

Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise?

strategien genötigt sahen615, höchstens zum auch von Martial angewandten Mittel der Anonymisierung616, nirgends jedoch nachweislich zu einer Identitätsverschleierung mittels Pseudonymen oder anderweitiger Fiktionalisierung ihre Zuflucht nahmen 617 Da sich also das Personal der sog skoptischen Epigramme nicht grundsätzlich von dem der an Patrone und Freunde gerichteten Gedichte zu unterscheiden scheint, sondern gleichfalls aus realen, mit Klarnamen ausgestatteten Individuen zusammengesetzt ist, bleibt folgerichtig zu fragen, ob sich beide Gedichtgruppen nicht auch hinsichtlich ihres Realitätsgehaltes gleichen: Liegt auch den Spottgedichten ein – wenn auch durch Übertreibung, Verzerrung, maliziöse Kommentierung entstellter – Faktenkern zugrunde? Hat Martial in dieser Hinsicht bei dem Senator Stella und dem Immigranten Baccara die gleichen Maßstäbe angelegt? Den bisher vorgetragenen Überlegungen zufolge wird man auch dies uneingeschränkt bejahen müssen: –

Die Vorstellung, der Dichter habe real existierende Zeitgenossen unter ihren wirklichen Namen auftreten lassen, diesen aber Verhaltensweisen und Handlungen zugeschrieben, die ausschließlich seiner Phantasie entsprangen, ist schlechterdings abwegig: Gerade wenn Teile der Leserschaft die Inkriminierten selber kannten, wäre eine solche Erfindung (um nicht zu sagen: Verleumdung) auf blankes Unverständnis gestoßen



Wenn Martial befürchtet, die fern von Rom entstandenen Gedichtbücher III und XII könnten einen allzu provinziellen Anstrich bekommen, mithin als liber Gallus (III 1,6) oder Hispanus (XII epist 26 f )618 erscheinen, aber dessenungeachtet in der Cispadana schwerpunktmäßig Personen und Geschehnisse aus diesem Landstrich in Szene setzt (vgl III 4; 16; 56; 57; 59; 67; 91; 93; 99: Ravenna, Bononia und Mutina; vgl noch IV 25: Preis von Altinum und Aquileja) und auch im fernen Spanien das fehlende materiarum ingenium (XII epist 11; Bowie comm , 22: „the quality of the subject matter“) der Hauptstadt nicht zu kompensieren vermag, bezieht er den der Lebensrealität verpflichteten Stoff seiner Epigramme (vgl

615

Lucilius tut sich bei der Namensnennung keinerlei Zwang an, Horaz nimmt – wie eben auch Martial  – nur noch Personen einfacher Herkunft ins Visier, Juvenal schließlich beschränkt sich auf Attacken gegen Verstorbene Catull hatte statt Klarnamen höchstens Kosenamen (Lesbia) und Spitznamen (Mentula) verwendet 616 Vgl Hor sat I 9,3 quidam notus mihi nomine tantum; für die einschlägigen Martialstellen vgl S 129. 617 Rudd (1960) rechnet bei Horaz mit ‚significant names‘ und ‚pseudonyms‘; doch nicht einmal für Canidia (nach Porph Hor epod   3,7 f = Gratidia) läßt sich hier über Vermutungen hinauskommen (warum sollte eine – mittels Pseudonym geschützte – Hexe durch Verfluchung des Dichters (epod 17) auf sich aufmerksam machen?) 618 Martials Wunsch, das XII Buch solle als liber Hispaniensis (= in Spanien abgefaßt), nicht jedoch als liber Hispanus (= genuin spanisch) wahrgenommen werden (a a O ), wird angesichts der komplexen Syntax dieser Stelle mitunter falsch, nämlich gerade gegenteilig verstanden: vgl etwa Lorenz (2002), 232, Craca (2008b), 87 oder Flores Militello (2019), 194 f Zu Recht setzt Johannsen (2006), 116 Anm  154 die Formulierung ne … mittamus … Hispanum mit ut … mittamus … Romanum/Latinum gleich

Anhaltspunkte für das Vorliegen von Pseudonymen?

149

VIII 3,20 bzw X 4,8 und 10) offenbar nicht durch Imagination, sondern durch Beobachtung seines aktuellen Umfeldes, mithin der Wirklichkeit, wie sie ihn realiter umgibt: Martials schöpferische Phantasie ist auf die Ausgestaltung, nicht auf die Erfindung seiner Motive gerichtet; wo die Vorgaben der Realität bereits jedem Anspruch genügen, braucht der Dichter selbst kaum noch etwas beizusteuern (vgl VIII epist 6 f über ein vom Thema ‚Domitian‘ bestimmtes Buch: minus ita­ que ingenio laborandum fuit, in cuius locum materia successerat) 619 Einschränkend wäre hier höchstens noch der Umstand zu vermerken, daß Martial mit dem Stoff mancher Gedichte (und damit auch dem einschlägigen Personal?) auf literarische Vorlagen zurückgreift, den unmittelbaren Realitätsbezug also zeitweilig außer Kraft gesetzt zu haben scheint Dieser Vorbehalt soll abschließend noch auf seine Berechtigung überprüft werden 3 Der Einfluß literarischer Tradition 1

Etliche Epigramme legen aufgrund ihrer Affinität zu Gedichten der Anthologia Palatina den Schluß nahe, daß der Dichter das in ihnen berichtete Geschehen nicht der Beobachtung seines Umfelds, sondern der Lektüre seiner Vorgänger verdankt620, wobei im einzelnen offenbleiben muß, ob der Römer eine konkrete Vorlage nachgestaltet oder ein verbreitetes Motiv aufgreift und um eine weitere Variante bereichert 621 Eine Durchsicht der zum Vergleich einladenden Gedichte zeigt jedoch, daß eine denkbare Rezeption griechischer Vorlagen durch Martial nirgends mit einer Übernahme der dort erscheinenden Namen einhergeht; vielmehr läßt unser Dichter andere Personen auftreten, die entweder nur in dem genannten Gedicht begegnen oder in weiteren – früheren oder späteren – Epigrammen wiederkehren Der Grund dafür liegt auf der Hand: Um dem zeitge-

619 Schon I epist 6 hatte Martial sein ingenium als novissimum unter den Scheffel gestellt, und in der zugespitzten Formulierung von XII epist 11 (zit oben) wird geradezu den materiae selbst das inge­ nium zugesprochen 620 Über Martial und die griechische Epigrammatik handeln Poeschel (1905), Pertsch (1911), Prinz (1911), Brecht (1930), Autore (1937), Kruuse (1941), Laurens (1965), Burnikel (1980) sowie Sullivan (1991), 78–114; weitere Literatur findet sich bei Neger (2014a), 332 Anm  25, eine Liste vergleichbarer Stellen bei Autore, 109–114 oder Sullivan, 322–327 621 Von den satirischen Epigrammen läßt Autore, 100 nur eine gute Handvoll als unmittelbare Imitation einer griechischen Vorlage gelten: II 37 (nach AP XI 205); III 23 (AP XI 11 und 207); VI 12 (AP XI 68); VI 19 (AP XI 141); VI (lies: V) 53 (AP XI 214); XI 101 (AP XI 110); XII 23 (AP XI 310) Zur Schwierigkeit der Abgrenzung wirklicher imitatio vgl Burnikel, 1–7 Im übrigen sind manche Übereinstimmungen wohl auch außerliterarisch, nämlich durch Abbildung von Standardsituationen des realen Alltags, zu erklären (Brecht, 102: „Für manche Motivverwandtschaft ist wohl das Leben die gemeinsame Quelle“; dies gilt v a für Ähnlichkeiten mit dem Mimus) Daß Martial auch im sprachlichen Bereich imitiert (vgl etwa die Junkturenliste bei Fletcher 1983), ist aus unserem Zusammenhang natürlich fernzuhalten

150

Die ‚Opfer‘namen II – Pseudonyme oder Identitätshinweise?

nössischen Publikum solche literarischen Übernahmen zu empfehlen, war Martial darauf verwiesen, diesen ein eigenes, seine individuelle Handschrift verratendes Gepräge zu verleihen Man hat das einschlägige Bestreben etwa in der Tendenz erkannt, den vorgegebenen Text durch Einführung eines Adressaten dialogisch zu inszenieren622; doch muß eben auch die Namengebung für die handelnden bzw inkriminierten Personen diesen Zweck erfüllt haben: Hier wäre die mechanische Einfügung neuer Pseudonyme einfach nur witzlos gewesen; Pfiff bekommen die Gedichte erst dadurch, daß Martial die ihm vorliegende Motivik physisch bzw charakterlich entsprechenden Zeitgenossen auf den Leib schreibt, mithin das Repertoire des griechischen Epigramms mit neuen, der Erlebniswelt seines Publikums (nicht zuletzt aus Martial selbst) vertrauten Personen so glaubwürdig durchspielt, daß die Fiktionalität des von ihm berichteten Sachverhalts völlig in den Hintergrund tritt 623 Der Leser amüsiert sich über diesen aktuellen Bezug624; ob er dabei der Illusion einer Tatsachenbehauptung erliegt (‚Ja, so ist X!‘) oder – als möglicher Kenner der griechischen Epigrammatik – nur die Suggestivität der Aussage bewundert (‚Das würde, weiß Gott, auch zu X passen!‘), bleibt dabei letztlich unerheblich: Entscheidend ist, daß Martials Version der einschlägigen Epigramme nur dann ihre Wirkung entfaltet, wenn sie mit wiedererkennbaren und entsprechend durch Klarnamen markierten Personen inszeniert wurde 2

Um einen wirklichen Sonderfall handelt es sich bei Gedichten, die Martial aus der literarischen Tradition bezieht, ohne eine Aktualisierung ins Hier und Jetzt vorzunehmen a) XI 41: der tödliche Unfall eines Schweinehirten Die durchweg der bukolischen Welt entnommenen Namen der beteiligten Personen (Amyntas, Lygdus, Iollas), der Handlungsrahmen (Kay comm , 158: „a pastoral scene“) und ein Ichsprecher ohne Rückhalt in Martials Biographie (ein Viehzüchter!) weisen das Gedicht als Umsetzung einer literarischen Vorlage aus (Friedländer comm 2, 188: „Vielleicht Uebersetzung eines griechischen Epigramms“), wobei dieser Vorgang – wie ebenfalls längst erkannt625 – im

622 „Martial’s way [sc for adopting a personal note] … is to introduce the name of a known friend into the structure of the epigram to give it a touch of cosy verisimilitude, while paying the patron a compliment“ (Sullivan, 89) 623 Ein bekanntes Beispiel für die Übertragung eines literarischen Stoffes in die Realität der Gegenwart bietet das Sapphogedicht Φαίνεταί μοι κῆνος (fr 2 Diehl = 31 Lobel-Page), das Catull (51) zur Wiedergabe seiner eigenen Gefühle für die Geliebte umwidmet 624 Die Tendenz zur Aktualisierung (und Konkretisierung) zeigt sich ja etwa auch in der Verwertung von Sen epist  95,43 amico aliquis aegro adsidet: probamus. At hoc hereditatis causa facit: vultur est, cadaver exspectat durch Epigramm VI 62 (Sullivan, 101 hätte dort nicht mit „a particular fictitious(!) individual“ [Hervorhebung W K ] rechnen sollen); ähnliche Anregungen könnte Martial auch von anderer Seite empfangen haben (zu Seneca pater und philosophus vgl Friedrich 1910) 625 Berends (1932), 54

Anhaltspunkte für das Vorliegen von Pseudonymen?

151

Folgegedicht vom Epigrammatiker selbst kritisch kommentiert und mit einem uninspirierten Ideengeber in Verbindung gebracht wird (XI 42,1 f Vivi­ da cum poscas epigrammata, mortua ponis / lemmata) b) IV 22: vergebliche Flucht einer Neuvermählten Auch hier legen der exotische Namen der Heldin (Cleopatra), das romantische, nicht zur üblichen Szenerie der Martialgedichte – die Großstadt Rom oder ein italisches Landgut  – passende Ambiente, die realitätsferne Handlung und das Auftreten eines erkennbar nicht auf Martial rückbezüglichen Ich-Sprechers Verarbeitung einer literarischen (griechischen) Vorlage nahe, und dies um so mehr, als Martial auch hier im unmittelbaren Anschluß ein Gedicht mit poetologischen Implikationen folgen läßt: Wenn er IV 23 den (griechisch schreibenden) Epigrammatiker Bruttianus als modernen Kallimachos würdigt und sich selbst (im Lateinischen) ein vergleichbares Talent wünscht, dürfte das Cleopatragedicht als lateinische Version eines Bruttianusepigramms und damit als Hommage an den geschätzten Kollegen entstanden sein 626 So sind es letztlich nur zwei dichterische Fingerübungen, in denen Martial von seinem selbstformulierten Programm der unmittelbaren Lebensnähe (vgl VIII 3,20 oder X 4,8 und 10) abweicht; ansonsten bestätigt sich der Gesamteindruck, den Otto Seel vor nunmehr 60 Jahren aus seiner Beschäftigung mit Martial gewann: „Hier ist wenig oder gar nichts dichterische Stilisierung, sondern alles ist pralles, direktes wirkliches Leben: Seine [= Martials] Freunde sind wirkliche Freunde, der Kaiser ist der Kaiser, die Anlässe sind echt, es besteht ja auch kein Grund, etwas daran zu modeln und zu ändern Natürlich Pointierungen, Überspitzungen, Regietricks: dies gewiß, aber die Vorgänge als solche sind vorgegeben, die Personen laufen auf den Gassen herum, waren bekannt, erkannten sich wieder, die Verfälschungen sind diejenigen des tatsächlichen oder vorgeblichen – und so neugeschaffenen – Klatsches, es bleibt Chronik, auch wenn es chronique scandaleuse ist“ (1961, 75)

626 Metapoetische Selbstkommentare formuliert Martial auch I 45; 110; III 83; VI 65; X 45 (jeweils zu dem vorausgehenden Gedicht)

E Konsequenzen für die Martialphilologie Inwiefern können nun die Ergebnisse der vorstehenden Untersuchung bei der künftigen Beschäftigung mit den Martialepigrammen von Nutzen sein? 1

Die kaum sinnvoll zu treffende Unterscheidung zwischen ‚Opfern‘, mit denen Martial teilweise sogar vertrauten Umgang pflegt, und Freunden/Patronen, die sich zuweilen ihrerseits den Frotzeleien oder gar der Kritik des Dichters ausgesetzt sehen, wird hinfällig:627 Sie alle werden von Martial gleichermaßen mit Klarnamen benannt und durch eine differenzierte Namengebung als Individuen faßbar; auch im Realitätsbezug der mit beiden Personengruppen verbundenen Aussagen trifft Martial keine Unterscheidung, die eine substantielle Andersartigkeit der jeweiligen Gedichte begründen könnte 628

2

Gerade der Nachweis des Prinzips ‚Ein Name – eine Person – ein identifizierbarer Zeitgenosse‘ hat wesentliche Folgen für die Interpretation: Die Wiederkehr von Namen als solche reicht nun nicht mehr ohne weiteres aus, um Zyklen, Reihen, Serien zu indizieren; ist sie doch durch die Bezugnahme auf bestimmte Einzelpersonen begründet, also nicht durch künstlerische Überlegungen, sondern durch sachliche Gegebenheiten diktiert 629

3

Einzelne Gedichte werden in ihrer Aussage besser oder überhaupt erst richtig verständlich: So konnte die brüske Aufkündigung eines Klientelverhältnisses ge-

627 Nur in wenigen Einzelfällen – etwa bei Flaccus – wurde diese Trennung in der Sekundärliteratur bereits früher aufgehoben 628 Vorsicht ist jedoch bei der Gleichsetzung von ‚Opfern‘ und historischen Personen der Vergangenheit geboten: Der Apicius von III 80 (und damit auch VII 55,4!) ist trotz Moreno Soldevila (2016) nicht mit dem längst verstorbenen Gourmet gleichen Namens zu identifizieren 629 Überhaupt hat ja die Suche nach Zyklen sowohl innerhalb einzelner Bücher wie auch über Buchgrenzen hinweg eher selten überzeugende Ergebnisse gezeitigt: Mehrfach behandelte Themen und insignifikante Wortwiederholungen können Verbindungen suggerieren, ohne daß diese auf beabsichtigte Konzeption zurückgehen müßten: vgl etwa Greenwood (1998c) und Lorenz (2004b) zum Thema ‚Wasserlandschaft‘ oder Sapsford (2012) zum – angeblich allgegenwärtigen – Thema ‚os impurum‘

Konsequenzen für die Martialphilologie

153

genüber einem gewissen Priscus (I 112) bei näherem Zusehen als warmherziges Bekenntnis zu einer neu begründeten Freundschaft mit Martials Patron Terentius Priscus entschlüsselt werden 4

Übergreifend ergibt sich die Berechtigung, bei der Gedichterklärung auch Erkenntnisse mitzuverwerten, die aus anderen Epigrammen mit gleichem Personal zu gewinnen sind, und dies im Gegensatz zu den üblichen Interpretationsregeln auch aus Texten, die – da später veröffentlicht – dem zeitgenössischen Publikum noch gar nicht zugänglich waren: Basiert dessen Vorverständnis doch zu einem guten Teil nicht auf früheren Leseerfahrungen, sondern auf persönlicher (oder durch Hörensagen vermittelter) Kenntnis der auftretenden Akteure: Callistratus wird erst XII 35; 42 als Homosexueller vorgestellt, muß jedoch schon IX 95b als solcher wahrgenommen worden sein

5

Kann man die letzten beiden Punkte uneingeschränkt als Gewinn für die Martialphilologie verbuchen, so ergeben sich auf der anderen Seite auch ganz neue – und durchaus gravierende  – Schwierigkeiten: Da der intendierte Martialleser mit seiner Personenkenntnis über Hintergrundinformationen verfügt, die ihm der Epigrammdichter nicht eigens ins Gedächtnis zu rufen brauchte, hat der Philologe hier in ganz unüblichem Maße mit Unbekannten zu rechnen, die er bei seiner Interpretation berücksichtigen müßte, aber natürlich nicht nach Belieben hinzuerfinden darf Mit der nötigen Vorsicht, wie sie etwa auch im Umgang mit fragmentarisch überlieferten Texten anzuwenden ist, sollte hier also vielleicht gerade bei Epigrammen, die einen eher schwachen Schluß aufzuweisen scheinen, nach möglichen Leerstellen gesucht werden, aus deren Beseitigung eine schärfere Pointierung der Gedichtaussage zu gewinnen wäre Hierbei kann es allerdings nicht darum gehen, sich für einzelne Epigramme spekulativ einen situativen Kontext auszumalen:630 Wo ein solcher dem Textverständnis nottut, wird er vom Dichter selbst geliefert (vgl z B II 72) Imaginiert werden dürfen/sollten indes die Eckpunkte, die dem Charakter bzw den Lebensumständen eines verlästerten Zeitgenossen zugrunde liegen könnten (hier ein Geizhals oder Lüstling, dort ein Bankrotteur oder cenipeta)

6

Die enge Verzahnung der Gedichte mit realem Geschehen mag zwar vordergründig als Phantasielosigkeit erscheinen, eröffnet aber in Wirklichkeit einen Blick auf die imponierenden Fähigkeiten des Autors:631 Zu einer – möglicherweise vorgefaßten – Pointe eine Geschichte zu erfinden, die in dieser Pointe dann ihre Auflösung erfährt, stellt keine besonderen Anforderungen an den Erzähler In der Beobachtung der Wirklichkeit jedoch deren erzählerisches Potential aufzuspüren

630 Unglaubwürdig etwa der Roman, den H Walter (1995) im Vorfeld von VI 27 ansiedeln möchte 631 Es wird zu prüfen sein, inwieweit diese Behauptung auch hinsichtlich Martials Umgang mit dem eigenen Ich ihre Gültigkeit behält

154

Konsequenzen für die Martialphilologie

und dieses in einer raffiniert angelegten Inszenierung oder durch einen scharfsinnigen Kommentar herauszuarbeiten, erfordert das Talent eines herausragenden Dichters ––––– Darf nach dem bisher Ausgeführten ein grundsätzlicher Realitätsbezug von Personen, Namen und Geschehen in Martials Epigrammen incl der Skoptika als gesichert gelten, so eröffnet sich gerade vor diesem Hintergrund ein weiterer, ganz neuer Fragenhorizont: Besitzen die einschlägigen Beobachtungen nämlich auch für die Person des Epigrammatikers selber Gültigkeit? Bietet Martial dort, wo er als Handelnder, Sinnender, Sprechender auftritt, einen Blick auf seine persönlichen Lebensumstände? Oder geht er ausgerechnet hier andere Wege, indem er sich nämlich durch eine persona vertreten läßt, die höchstens oberflächliche Berührungen mit der historischen Dichterpersönlichkeit aufweist und daher keine belastbaren Aussagen über deren biographischen Hintergrund zuläßt? Diesem Themenkomplex sei der zweite Hauptteil des vorliegenden Buches gewidmet

Martials persona  – fiktive Rolle oder authentisches Ich?

A Ausgangsposition und Gegenstand der Untersuchung Immer wieder hat sich die Martialphilologie mit der Frage auseinandergesetzt, ob und in welchem Umfang eine Verbindung zwischen dem Autor Martial und dem Ich seiner Gedichte besteht Während noch bis vor wenigen Jahrzehnten die Meinung vorherrschte, der Dichter dürfe beim Wort genommen und seine Aussagen biographisch genutzt werden, bewegt sich die Forschung mittlerweile in neuen Bahnen: Letztlich dem New Criticism der neueren Philologien verpflichtet, eliminiert sie den historischen Autor aus den Epigrammen und weist seine Aufgabe einem ‚dichterischen Ich‘ bzw einer persona zu, über deren Beziehung zum Verfasser des Textes keine tragfähige Aussage getroffen werden kann:632 Reflexe biographischer Realität sind den Gedichten demnach nur noch eingeschränkt und mit aller Vorsicht zu entnehmen Letztlich neigt der moderne Philologe dazu, den Terminus ‚Dichter-Ich‘ als Passe-partout zu benutzen, um sich so einer Antwort auf die Frage nach dem autobiographischen Hintergrund eines literarischen Textes a priori zu entziehen Bei neuzeitlichen Produktionen mag dies vielleicht sogar geboten sein: Angesichts der beliebig gestreuten Verbreitung von Literatur durch die Druckerpresse steht ja der Dichter seinem zeitgenössischen Leser nicht mehr als persönlich bekanntes und damit biographisch faßbares Individuum gegenüber, es sei denn, er habe auf anderen Kanälen  – freiwillig etwa durch Interviews, unfreiwillig durch die Tätigkeit von Paparazzi – einschlägige Fakten preisgegeben Inwieweit eine solche aus der Beschäftigung mit moderner Literatur gewonnene Herangehensweise für die Interpretation antiker Texte einen Gewinn darstellt, ist nicht leicht zu beurteilen: Vielleicht wird man für die verschiedenen Literaturgattungen unterschiedliche Antworten zu geben haben633; für Martial indes läßt sich – zumindest versuchsweise  – in Erwägung ziehen, der historische Autor befinde sich

632 Für eine biographische Auswertung der Martialgedichte vgl etwa F L Jones (1935) oder noch Allen u a (1970); symptomatisch für die jüngere Martialforschung das Urteil von Grewing (1998a),10: „eine heute immer noch anzutreffende, aber bekanntermaßen vollends sträfliche Methode “ 633 Vgl jedoch unten Anm  645

158

Ausgangsposition und Gegenstand der Untersuchung

so weit in Übereinstimmung mit seinem dichterischen Ich, daß einer biographischen Auswertung der Gedichte und einer Benennung dieses Ichs mit dem Namen Martial nichts Grundsätzliches im Wege steht Eingangs ist hier natürlich der Frage nachzugehen, ob die Antike – Literaten wie Leserschaft  – mit der Vorstellung einer autorunabhängigen Ich-persona überhaupt vertraut war Die erstmals von W S Anderson für die Juvenalische Satire entwickelte und im angloamerikanischen Sprachraum mittlerweile zum Rang einer communis opinio aufgestiegene These, wonach Dichter und Ichsprecher so weit auseinanderrücken, daß sie sogar in einen Gegensatz geraten können634, vermag sich als Analogie nur auf die englische Renaissance-Satire zu berufen635, die jedoch ihrerseits nur dort eine derart substantielle Ausgrenzung des ‚untrustworthy speaker‘ vornimmt, wo dieser – im Kontext eines Dramas636 – unter einem eigenen Rollennamen auftritt; ansonsten nimmt der Satiriker auch dort genau die ihm durch Gattungskonvention vorgegebene Position des strengen, auch unbequemen Mahners und Warners ein Und die Antike selbst hat nirgends eine eigene Theorie zur Sprecher-persona entwickelt:637 „Das einzige scheinbare Indiz eines Problembewusstseins ist der seit Catull oft variierte Topos Musa iocosa, vita pudica638; doch er entpuppt sich schnell als ein vom Dichter reflexartig gegen den Vorwurf der Unmoral eingesetztes Argument, das eng auf den sexuellen Bereich beschränkt bleibt und nie zu weiterführenden Schlüssen Anlass gibt“ (Korenjak 2003, 65 f ); und genauer besehen, wird in den einschlägigen Texten ohnedies eine Trennung zwischen Leben und Dichtung vorgenommen639 und gerade nicht „die Fiktionalität ihrer Sprecher“ (Lorenz 2002, 5) postuliert 640 Rückt man schließlich noch die dichterische Praxis ins Blickfeld, so sind auch dort einschlägige Vorstellungen nicht zu beobachten; und sie sind angesichts der Bedingungen, unter denen der antike 634 W S Anderson (1964) rechnet mit einem ‚untrustworthy speaker‘: Der indignatio-geleitete Satiriker macht sich durch sein hemmungsloses Wüten lächerlich und bewirkt beim Leser dadurch – willentlich – eine innere Ablehnung seiner Ausführungen bzw die daraus resultierende Bereitschaft, unabhängig von diesen zu eigenen Wahrheiten vorzustoßen Dahinter steht letztlich das Bemühen, den chauvinistischen, homophoben, misogynen Autor mit einer auf political correctness fixierten Gegenwart zu versöhnen 635 Hierfür stützt er sich auf A Kernan, The Cankered Muse Satire of the English Renaissance, New Haven 1959; kritisch hierzu W Kissel, Lustrum 55, 2013, 169 636 Durch das 1599 in England erlassene Druckverbot für Satiren sieht sich der Satiriker genötigt, seine Texte hilfsweise durch Vermittlung der Theaterbühne bekannt zu machen 637 Vgl hierzu Clay (1998) und Mayer (2003) 638 Die Belege finden sich Catull  16,5 f ; Ov trist I 9,59–62; II 353–356; III 2,6; Mart I 4,8; XI 15,13; Plin epist IV 14,4 f ; Apul apol 11 (Hadrian über den Dichter Voconius) und Auson Cento nupt p 153,3 f G = 218,8 Pe 639 „afstand tussen kunst en leven“ (Nauta 2002b, 370); „Scheidung von persönlichem Charakter und Werkcharakter“ (Janka 2014, 7) 640 Eher richtet sich die Stellungnahme gegen das Sen epist  114,1 zitierte Sprichwort talis hominibus fuit oratio qualis vita Merkwürdigerweise ignoriert die Forschung Mart IX 28,5 (auf ein Bildnis des Mimen Latinus) sed nihil a nostro sumpsit mea vita theatro, wo nun wirklich von einer (Theater-) Rolle die Rede ist

Ausgangsposition und Gegenstand der Untersuchung

159

Literaturbetrieb abläuft, auch nicht zu erwarten:641 Für die ersten Stadien des Publikations- bzw Rezeptionsprozesses – mündliche Verbreitung im Rahmen einer recitatio, „Weitergabe und Abschreiben im Freundes- und Bekanntenkreis“ (Korenjak, 62) – ist persönliche Begegnung des Publikums mit dem Autor bzw eine – wenn auch vielleicht nur rudimentäre  – Kenntnis seiner Lebensumstände vorauszusetzen Damit unterliegt aber jede Ichaussage eines Literaten direkter sozialer Kontrolle; stärkere Abweichungen von der Realität würden unmittelbar eine empfindliche Schmälerung seiner Glaubwürdigkeit herbeiführen Wo das Werk dann einen weiteren Leserkreis erreicht, bleibt dieser für Erkenntnisse über den Dichter mangels anderer Informationen ausschließlich auf den Text selbst verwiesen: Der Poet wird mithin bemüht sein, sein Bild dort genauso zu zeichnen, wie er von seinem Publikum realiter wahrgenommen werden möchte, und dies um so mehr, als der antike Leser ja bekanntermaßen dazu neigt, sogar in den Aussagen eines Epos, eines Dramas, eines bukolischen Gedichtes ganz unreflektiert die Person des Verfassers wiederzuerkennen Dieser Mechanismus von Selbstdarstellung bzw gesteuerter Fremdwahrnehmung wäre nur dann zu durchbrechen gewesen, wenn der Poet seine ‚Autobiographie‘ mit erkennbar unglaubwürdigen Details oder aber eklatanten Widersprüchen angereichert und so dem Bereich der Realität entzogen hätte Insoweit diese Signale fehlen, schließt es der ‚antike Biographismus‘642, dem der Autor ja selber zuarbeitet, schlechterdings aus, daß das unter dem Namen Martial auftretende Ich in den einschlägigen Aussagen der Epigramme für jemand anderen als den Dichter M Valerius Martialis stehen könnte 643 Ist die Vorstellung einer autorunabhängigen Ich-persona für die Antike solchermaßen zu verwerfen, bleibt die Frage, ob die in den einzelnen Gedichten zu beobachtenden Unterschiede in der Perspektivierung des Autor-Ichs im Falle Martials eine Größenordnung erreichen, die terminologisch besonderer Berücksichtigung bedarf Unbestreitbar unterliegt jede Form der Ich-Äußerung im Rahmen menschlicher Kommunikation einer Art von Inszenierung, die sich – bewußt oder unbewußt – an der gegebenen Situation und am anvisierten Zielpublikum orientiert und den Sprecher gewissermaßen in unterschiedlichen Rollen auftreten läßt:644 Ein Richter wird sich als Präsident seines Senats anders geben als beim Brötchenkauf oder beim Spiel mit seinem kleinen Enkel; und er wird sich auch in Berichten über die in diesen Zusam-

641 Die folgenden Ausführungen orientieren sich im wesentlichen an Korenjak (2003); zum römischen ‚I-poet‘ vgl noch Nauta (2002b) und Iddeng (2005) 642 So die Überschrift zu einem Kapitel Korenjaks (dieses 61–66) 643 Entsprechend lautet das Ergebnis von IDDENGs eingehender Studie über die antike Sprecherpersona (2005, 204): „When poets clearly give the I in the poems their own name, features and hallmarks, they did so, I believe, to be identified with it, which they evidently also were “ 644 Anders als im Begriff ‚Rollengedicht‘ impliziert der Terminus ‚Rolle‘ hier nicht die Übernahme einer fremden, vom Ich des jeweiligen Individuums zu unterscheidenden Identität, sondern – soziologisch verstanden – das kontextabhängige Ausspielen von diversen Facetten der eigenen Persönlichkeit

160

Ausgangsposition und Gegenstand der Untersuchung

menhängen eintretenden Ereignisse ganz unterschiedlich darstellen Plinius inszeniert sich bekanntlich nach Bedarf als liebender Ehemann, gefeierter Redner, versierter Politiker, mutiger Widerstandskämpfer, talentierter Dichter oder stolzer Villenbesitzer: Und doch wird man keine Bedenken tragen, in seinem Falle von Plinius, im vorgenannten vom Gerichtspräsidenten XY zu sprechen, ohne sich zu gezierten Umschreibungen wie ‚berichtendes/erzählendes Ich‘ genötigt zu sehen Und Gleiches darf analog auch für den Dichter gelten: Solange die verschiedenen Akzentuierungen des Autor-Ichs der Vorstellung seiner Einheitlichkeit nicht zwingend zuwiderlaufen, kann das Ich in einem Martialgedicht demzufolge ohne Einbuße an wissenschaftlicher Seriosität Martial genannt und mit den Lebensumständen des Dichters in Verbindung gebracht werden Als verbleibendes Hindernis auf dem Wege zu einer substantiellen biographischen Auswertung der Martialgedichte hätte schließlich noch der Umstand zu gelten, daß der Dichter die hinter seinem Werk stehende Realität in entscheidenden Punkten subjektiv eingefärbt bzw darstellerisch verfremdet haben dürfte Natürlich hat Martial sein eigenes Erleben einer wie immer gearteten Stilisierung unterzogen; doch ist diese Form der Überarbeitung ausnahmslos ebenfalls jeder Art zwischenmenschlicher Kommunikation zu eigen: Sämtliche Mitteilungen – und sei es der Bericht über einen Streit mit der Wohnungsnachbarin  – werden verkürzt, aufgebauscht, geschönt, verharmlost oder anderweitig hinsichtlich ihres Faktenkerns verdunkelt, vielleicht sogar überhaupt fingiert bzw erlogen, ohne daß man dafür ein erzählendes Ich bemühen müßte 645 Ob dieser Vorgang unabsichtlich geschieht (auch der gutwilligste Zeuge vor Gericht ist nicht vor Fehleinschätzungen der Wahrheit gefeit) oder zu einem bestimmten Zweck erfolgt (dann doch fast immer, um die Person des Erzählenden in einem helleren Licht erstrahlen zu lassen), ist dabei letzten Endes unerheblich: Wofern nicht mehrere unabhängige Zeugen zur Verfügung stehen, ist die objektive Wahrheit effektiv nie zu ergründen Bleibt der Wahrheitsbegriff in diesem Umfeld somit hermeneutisch unfruchtbar, ist damit doch nicht jede Aussage über die Zuverlässigkeit einer Information a priori ausgeschlossen Hierfür genügt es, diese Aussage, statt sie an den – unergründlichen – Intentionen des Sprechers zu messen, auf ihre Hörer-/Leser-Wirkung zu prüfen, d h nicht über ihre Wahrheit, sondern ihre Glaubhaftigkeit zu befinden Der Vorteil eines

645 Mit Nauta (2002b), 375 ff ist daran festzuhalten, daß auch ein Autor, der ihn betreffendes Geschehen fingiert oder konstruiert, dies im eigenen Namen tut und nicht ein fremdes Ich vorschützt: Das Taubenwunder (Hor carm III 4) oder die Begegnung mit der Muse (Mart VIII 3) will der Dichter selbst, nicht eine von ihm zu unterscheidende persona erlebt haben; es ist eben zu differenzieren zwischen „the fictional I and the biographical I with untrue statements“ (Slings 1990, 25) Vgl auch Merli (2006b), 332 Anm  11: „With ‚figure of the author‘ I mean the literary portrayal and textual constitution of Martial’s figure and identity: it is of course a construct, but is less rigid than the idea of mask (that is: of persona) and re-establishes a link between the author within the text and the author of the text “

Ausgangsposition und Gegenstand der Untersuchung

161

solchen Perspektivenwechsels dürfte am Beispiel panegyrischer Texte unmittelbar deutlich werden: Die beliebte Philologenfrage, ob ein römischer Dichter einen von ihm verfaßten Herrscherpreis wirklich ernst meint oder doch als heimlicher Regimegegner einzustufen ist, führt bekanntermaßen in die Aporie, ist doch dem Interpreten ein Blick in die Gedanken des Autors jenseits des von ihm publizierten Textes grundsätzlich und ausnahmslos verwehrt Wesentlich – und für den Philologen erreichbar – ist dagegen ein Urteil darüber, ob der Leser diese Panegyrik als aufrichtig geäußert wahrnehmen kann bzw soll 646 Stellt man sich auf diesen rezeptionsorientierten Standpunkt, wonach der Leser eines Textes für wahr hält (und halten muß), was ihm eine insgesamt vertrauenswürdige Person an glaubhaftem Geschehen präsentiert, so läßt sich unter Einbeziehung des Autors folgender Grundsatz formulieren: ‚Wahrheit ist, was der Leser nach dem Willen des Autors für wahr halten soll ‘ Um dieses Axiom außer Kraft zu setzen, bedürfte es also wieder einschlägiger Signale, d h der Dichter müßte durch erkennbare Widersprüche oder Übertreibungen die eigene Glaubwürdigkeit – und sei es auch nur spielerisch – untergraben 647 Unterbleiben solche Signale, findet er bei seinem zeitgenössischen Leser Glauben; und auch wir haben dann weder Anlaß noch Handhabe, Martial diesen von vornherein zu entziehen Entscheidend bleibt nach dem Gesagten also die Frage, ob sich in den Martialgedichten unvereinbare Aussagen namhaft machen lassen, die ihren lebensweltlichen Bezug schwächen oder aber gänzlich widerraten könnten Setzt sich „Martials Sprecher  … aus einer Vielzahl von Facetten zusammen, die kein realer Mensch in sich vereinen könnte“ (Lorenz 2002, 16) bzw erfolgt die „poetische Selbststilisierung des Ichs“ (Holzberg 1988, 11) nach Art einer Autofiktion, in einer Größenordnung also, die keinen sicheren Zugriff mehr auf die realen Verhältnisse erlaubt, müßte der Versuch, die Epigramme als biographische Zeugnisse auszuwerten, tatsächlich aufgegeben werden Sollte die Suche nach solchen Divergenzen und Unwahrscheinlichkeiten indes zu keinen überzeugenden Ergebnissen führen, während sich die aus den Gedichten gewonnenen Daten zu einem in sich stimmigen, realitätsnahen und auch glaubhaften Gesamtbild vereinigen lassen, darf das autobiographische Fundament der Epigramme als gesichert gelten: Die Beweislast für das Auftreten einer fiktionalen oder zumindest mit fiktionalen Elementen angereicherten persona liegt allzumal bei den Vertretern dieser These Resultiert hieraus also die Notwendigkeit einer Überprüfung von Martials Gedichten auf etwaige Unstimmigkeiten, so gilt es dabei doch, den Untersuchungsgegenstand

646 Und dies dürfte regelmäßig der Fall gewesen sein: Wäre ein Panegyricus durch Ironiesignale bzw unterschwellige Kritik als hohl zu entlarven gewesen, hätte der Verfasser nicht nur keinerlei Nutzen von seinen schmeichelnden Worten gehabt, sondern unter Umständen sogar mit schlimmen Folgen für die eigene Person rechnen müssen (vgl auch das Kapitel ‚Martial und Domitian‘) 647 Dies wäre das von Lukian in seinen Ἀληθῆ διηγήματα angewandte Verfahren

162

Ausgangsposition und Gegenstand der Untersuchung

eher restriktiv auf das objektive Faktengerüst hinter den Aussagen des Epigrammatikers einzugrenzen Auszuschließen sind hingegen alle Scheindivergenzen: –

Die subjektiven Stellungnahmen des Dichters sind naturnotwendig einer gewissen Variabilität unterworfen, die von ihm selbst nicht als Widerspruch wahrgenommen wird und nicht auf einen Rollenwechsel zurückzuführen ist So distanziert sich Martial von cenipetae (II 11; 14; 27; 53,3 f ; 69; IX 19; 35; XI 77; XII 82), ist jedoch auch selbst um Einladungen bemüht (II 18,1; XI 24,14 f ), nimmt Mitgiftjäger aufs Korn (I 10; II 26), zieht jedoch auch seinerseits den materiellen Gewinn einer Eheschließung in Betracht (X 8), verspottet Erbschleicher und ihre Opfer (IV 56; VI 62; 63; VII 66; VIII 27; IX 8(9); XI 44; 83), strebt jedoch auch in eigener Person nach dem Wohlwollen eines Erblassers (V 39; IX 48) 648 Im letzteren Falle heißt dies eben nicht, „(d)as Ich (nehme) … die Rolle, persona eines capta­ tor an“ (Schmitz 2011, 46); vielmehr urteilt der Dichter aus der Perspektive des Betroffenen eben anders als aus der Außensicht und sieht sich selbst als untadeliges Opfer von Erblassern, die ihn und seine Freundesgaben schamlos ausnutzen (zum Motiv von V 39 vgl das Kat 8 s v Charinus Gesagte sowie II 40, im weiteren Sinne auch VIII 64 und XII 56) 649



Einer wissenschaftlichen Bewertung entziehen sich auch alle Widersprüche, die erst der moderne Betrachter aufgrund seiner subjektiven Überzeugungen in die Texte hineinzulesen geneigt ist: Lorenz betrachtet die Sprecher-perso­ na nicht zuletzt dadurch als erwiesen, daß sich das dichterische Ich anders äußert, als er [=Lorenz] es für angemessen hält: Martials „Klagen über mangelnde Unterstützung“ müssen auf eine komische persona zurückgehen, denn sie „entsprach(en) … keinesfalls dem Ideal eines römischen vir, von dem ein würdevolles Auftreten ebenso erwartet wurde wie Selbstbeherrschung und Kontrolle über sein Leben“ (2002, 16 f ) 650

Als zielführend sind hingegen Sondierungen zu folgenden, weitgehend auf die materiellen Verhältnisse des Dichters bezogenen Themenkreisen anzusehen:651

648 Vgl auch XII 40 Fernzuhalten sind hier IX 88 und XI 55, wo die Konstellation Erblasser – Erbschleicher erkennbar auf einem Scherz beruht (vgl Kat 2 s v Rufus bzw Lupus) 649 Hier gilt uneingeschränkt das Diktum von Champlin (1991), 97: „Captatio lies in the eye of the beholder“; vgl auch Verboven (2002), 197 zum Thema Erbschleicherei: „Of course, much depended on interpretation “ 650 Ebenso subjektiv: „Der Umgang mit der sexuellen Thematik charakterisiert die persona ebenfalls als lächerliche Figur“ (ebd 21) bzw als „lächerlichen und scheinheiligen Moralisten“ (39) 651 Zu deren Auflistung incl einschlägiger, als widersprüchlich bewerteter Belege vgl Holzberg (1986), 206 mit Anm  41 und 42, (1988), 68 f und (2002), 14 sowie Puelma (1995), 447–453; allgemeine Überlegungen zu Martials persona bei Holzberg (2002), 13–18 und Lorenz (2002), 4–42

Ausgangsposition und Gegenstand der Untersuchung

163

1

Martial formuliere ‚Bettelepigramme‘652, gehöre jedoch der Steuerklasse der Ritter an, verfüge also über ein Mindestvermögen von 400 000 Sesterzen und sei überdies Nutznießer des Dreikinderprivilegs

2

In seinen Epigrammen besetze er gegensätzliche soziale Positionen: Häufig geriere er sich als armer Klient, der nur unter Schwierigkeiten sein Dasein friste; zuweilen empfange er jedoch Gäste, verleihe Geld, gebe sich als Patron und besitze Einfluß Daß Martial bei seiner Rollenwahl einseitig die Klientenperspektive bevorzuge, sei allein auf deren vielseitige Verwertbarkeit zurückzuführen 653

3

Manchmal trete der Dichter als Anwalt und als Ehemann auf; andernorts distanziere er sich von einer Anwaltstätigkeit und stelle sich als Junggesellen dar

Diese Punkte gilt es im folgenden genauer ins Visier zu nehmen und auf ihre Aussagekraft als Indiz für „Rollenlyrik“ (Holzberg 1988, 58 u ö ) oder Ähnliches654 zu prüfen Die unbezweifelbaren Eckpunkte von Martials Biographie  – sein Name, seine Tätigkeit als Dichter, seine Geburt in Bilbilis, seine Übersiedlung nach Rom, sein vorübergehender Aufenthalt im zispadanischen Gallien (Forum Cornelii), seine Rückkehr nach Spanien können dabei, da keiner Beweissicherung bedürftig, ganz unberücksichtigt bleiben 655 Zu untersuchen ist vielmehr: Hat der Dichter mit Geldnö652 Diese sind schon immer auf das Befremden der Interpreten gestoßen; vgl das gerade in seiner Übertreibung repräsentative Urteil von M Schanz – C Hosius, Geschichte der römischen Literatur, 2 Teil, München 1935, 555: „Die Schmeicheleien gegenüber Domitian, das fortwährende, in Variationen unerschöpfliche Betteln selbst um Rock und Mantel, um Ziegel und besonders um ein paar Heller und die Unterwürfigkeit gegen die vornehmen Herren (…) beleidigen uns oft “ In diesem Sinne noch Holzberg (2002), 23: „Die Figur des Hungerleiders, als die Martial mehrfach in seinen Epigrammen auftritt, …“ Gerade vor dem Hintergrund dieser – durchaus unberechtigten – Zuspitzung auf den um einige Groschen bettelnden Hungerleider konnte dann das perso­ na-Konzept als eine Art Ehrenrettung für den Dichter herangezogen werden 653 So Holzberg (1986), 206, (1988), 67 f , (2002), 78 Roman (2015), 450 rechnet dagegen mit einem Schutzmechanismus: „The poetics of self-deprecation [sc gegenüber Kaiser und Patronen] provide Flavian poets [= Martial und Statius] with a protective shelter behind which they are able to explore sometimes provocative and bold themes “ 654 Holzberg (2002) rechnet – wie mit ihm Lorenz (2002), bes  4–42 – mit einer absichtlich widersprüchlichen und dadurch auf Lächerlichkeit berechneten persona in einem künstlichen Ambiente: „Wie man sieht(!), ist es nicht die Realität des Lebens im Rom der frühen Kaiserzeit und ebensowenig die Realität der eigenen Lebenserfahrung, die Martial in seinen Epigrammen beschreibt, sondern eine fiktive Welt“ (15; Hervorhebung W K ); Rom soll sich entsprechend als „Textstadt“ (a a O ) erweisen Anders reduziert Becker (2008) Martials 1 Ps Sgl auf ein ‚epigrammatisches‘, allein durch seine „technische bzw textstrategische Funktion“ (284) bestimmtes Ich; ähnlich hatte schon Schuster (1930) ein „fingiertes Ich“ (222; ‚ich‘ = ‚einer‘) bei Martial als Mittel der Verlebendigung erkennen wollen 655 Relativierend allein Holzberg (2002), 15: „Gewiß, einen längeren Spanienaufenthalt des Dichters, der in seine letzten Lebensjahre fällt, sollte man wohl nicht in Zweifel ziehen Aber die ‚Heimkehr‘ kann(!) Fiktion sein, die dadurch bedingt sein könnte(!), daß Martial seine zwölf Epigram­ maton libri wie Vergil die Aeneis als ‚Dodekalog‘ komponierte und dabei dem letzten Buch die Aufgabe zuwies, vom ‚Nostos‘ des Protagonisten zu ‚erzählen‘“ (Hervorhebung W K ) Für den

164

Ausgangsposition und Gegenstand der Untersuchung

ten zu kämpfen, und wie versucht er, der einschlägigen Probleme Herr zu werden? Oder verfügt er durchaus auch selber über die Mittel, um ein auskömmliches Leben zu führen und sogar andere unterstützen zu können? Wie gestalten sich ferner seine Möglichkeiten, am sozialen Leben Roms teilzunehmen? Ist er auf die Bewirtung durch begüterte Freunde angewiesen, oder kann er auch selbst als Gastgeber in Erscheinung treten? Wird er durch die verbreitete Sitte, einander zu allen möglichen Gelegenheiten kleine oder größere Geschenke zukommen zu lassen, auf die Rolle des Nutznießers reduziert, oder kann er auch mit eigenen Geschenken aufwarten? Wie verhält es sich mit der Entgegennahme (und Übermittlung?) von – nach moderner Diktion – geldwerten Vorteilen, insbesondere hinsichtlich der fortwährend benötigten Kleidung? Und schließlich: Wie nimmt Martial das Klientelwesen in seiner Gesamtheit wahr? Sieht er sich nur in der Rolle des – bemitleidenswerten – Klienten, oder nimmt er mitunter auch die umgekehrte Perspektive, die der – ausgenützten? hartherzigen? – Patrone, ein? Bei der Auswertung der einzelnen Belege ist selbstredend auch hier – wie schon zuvor bei der Durchmusterung der bei Martial auftretenden ‚Opfer‘ – in Rechnung zu stellen, daß der Dichter nirgends die Absicht hat, seinem Publikum die Grundzüge einer in sich geschlossenen Gesamtbiographie zu liefern; vielmehr kommt er nur am Rande, zuweilen nachgerade beiläufig auf seine eigenen Lebensumstände zu sprechen, und vieles bleibt – da im Zusammenhang unwichtig oder dem Leser ohnehin schon bekannt  – einfach ungesagt Wenn sich seine Angaben nichtsdestoweniger widerspruchsfrei einem realistischen Szenario zuordnen lassen, darf die Annahme, Martial inszeniere sich in der Unverbindlichkeit von Rollengedichten, als widerlegt gelten

angeblichen Dodekalog (hierzu ebd 135–152), der „sogar zusammen herausgekommen sein“ könnte (151), will Holzberg (2004) sogar eine übergreifende Struktur gefunden haben Ähnliche Vorstellungen finden sich bei Sapsford (2012); vgl  9 Anm  1: „the twelve-book project which Martial set himself “ und das zu Anm 537 Gesagte

B Die materiellen Lebensverhältnisse Martials I. Martial als pauper eques Martial selbst bezeugt ausdrücklich seine Zugehörigkeit zum Ritterstand (III 95,9 f ; V 13,1 f ; 17,2; IX 49,4; XII 29(26),2)656, erklärt sich jedoch verschiedentlich – darunter einmal im gleichen Atemzug – für pauper (II 90,3 f ; IV 77,3 paupertas, veniam dabis, recede; VII 46,6; X 10,11; XII 57,3 f ; besonders aber V 13,1 f  – im Gegensatz zu einem reichen Freigelassenen – sum, fateor, semperque fui … pauper,/ sed non obscurus … eques), ohne dies als Widerspruch zu empfinden Zweifel am Realitätsbezug dieser Aussagen sind unbegründet: Ist doch vom gleichen Schicksal offenbar auch manch anderer betroffen So äußert sich Martial selbst über Postumus (IV 40,4 pauper eras et eques), Gellius weiß von einem hungerleidenden Ritter (Gell XI 7,3), und Juvenals Naevolus, ein verna eques657(Iuv  9,10), muß sich seinen Lebensunterhalt gar als Beischläfer verdienen 658 Möglich werden solche Fälle dadurch, daß sich der Ritterzensus von 400 000 Sesterzen nicht nach dem Barvermögen oder gar dem Einkommen659 bemißt, sondern das gesamte – bewegliche wie unbewegliche – Eigentum, also Grundstücke, Häuser, Sklaven, Vieh und anderen Besitz von Wert, miteinschließt 660 Martial jedoch verfügt 656 Seine Erhebung in den ordo equester dürfte mit der – als Lohn für seine Dichtung erfolgten? gleichzeitig mit dem Dreikinderrecht gewährten?  – Verleihung des Ehrenrangs eines Titulartribunen (III 95,9 f ) in Verbindung stehen  – einer Position, die der Dichter gerade im Theater stolz zur Schau stellen konnte (ebd ; zur Ehrung der Tribunen vgl Porph Hor epod  4,15 ex quattuordecim autem ordinibus, quos lege Roscia Otho tribunus plebis in theatro equestri ordini dedit, duo primi ordi­ nes tribuniciis vacabant) Wenn Martial es sich leisten kann, „(a)ls Ritter von Kaisers Gnaden, der nicht über den notwendigen Zensus verfügen musste“ (Ganter 2015, 209), trotzdem über Möchtegernritter ohne ausreichendes Vermögen zu spotten (vgl besonders V 38), ist ihm offenbar auch der nötige Besitz zu eigen; doch muß ihm dieser auf anderem Wege zugeflossen sein Erbschaft scheidet dabei aus: Von einer res … relicta kann Martial nach X 47,3 nur träumen 657 D h ein einheimischer, nicht mit Gesindel aus Kleinasien hereingeschneiter Ritter 658 Vgl seinen Stoßseufzer quando ego pauper ero? (Iuv  9,147) Auch wer über einen Besitz von 300 000 Sesterzen verfügt, hat im übrigen als pauper zu gelten (Mart IV 67,1–4) 659 Irrig schol Iuv  3,155 Othonis lex, in qua iussit eos, qui quadringentorum sestertiorum habent reditus, in numero equitum esse 660 Dieser Gesichtspunkt wird von Philologenseite häufig ignoriert, was dann zu gravierenden Fehleinschätzungen führt: So soll sich laut Holzberg (2002), 74–85 Martials ‚Betteldichtung‘ zwin-

166

Die materiellen Lebensverhältnisse Martials

1

offenbar schon früh – durch Schenkung?661 – über ein suburbanes Landgut mit Villa, für dessen Wert wohl mindestens 100 000 (Plin epist VI 3,1), eher aber 300 000 Sesterzen662 (Hor epist II 2,163 ff ) zu veranschlagen sind663;

2

später auch über ein Stadthaus in Rom, das zwar als klein beschrieben wird (IX 18,2; 97,7 f ), jedoch angesichts der Preislage für eine mehr als einfache domus (XII 66: 100 000 Sesterzen; ein besseres Domizil laut III 52: 200 000 Sesterzen) eher über 100 000 Sesterzen wert gewesen sein dürfte664;

3

über weiteren Besitz, so etwa ein Maultiergespann (VIII 61,7), v a aber Silbergeschirr und Sklaven 665

Mag so der Ritterzensus sogar übertroffen sein, bleibt dies für die Beurteilung von Martials wirklichen Lebensverhältnissen letztlich ohne Belang: Seinen Besitz hatte er teils durch Schenkung, teils wohl unter empfindlicher Schmälerung seiner finanziellen Mittel erworben666; aus dessen Verwertung war kein Gewinn zu ziehen667, und auch sonst flossen dem Dichter keine regelmäßigen Einkünfte zu: „Martial’s irregular

661 662 663 664 665

666

667

gend als fiktional erweisen; und White 1978 sowie 1993, bes  3–34 läßt sich durch den Ritterstatus vieler Dichter zu der Annahme verleiten, diese hätten in den Häusern der Großen keine materielle Förderung, sondern primär ideelle Unterstützung bei Schaffung und Verbreitung ihrer Gedichte gesucht (zur Richtigstellung im Falle Martials vgl Saller 1983) Erhellend dagegen Scamuzzi (1966), 175–180 (mit anderen Ausführungen, bes zu Martials Psyche und keltiberischer Mentalität, weniger ansprechend) und Tennant (2000); zur Situation minderbegüterter Ritter allgemein Mratschek-Halfmann (1993), 140–146 Vgl nachstehend das Kapitel ‚Wohnsituation und Liegenschaften‘ So Scamuzzi, 176 „It [= das Nomentanum] is the possession which … perhaps allowed him to achieve the equestrian census“ (Saller 1983, 252) Scamuzzi, 175 f ; Sullivan (1991), 28 rechnet mit etwa 150 000 Sesterzen Sein Silbergeschirr erwähnt Martial II 44,1 f ; IV 15,3–6 (im Wert von 5000 Sesterzen); VIII 33,1 f ; 50(51); 71,1 f ; X 57,1; XI 11,1; und als Sklaven (und Freigelassene) dienen ihm im Lauf der Jahre Alcimus (I 88; V 64: wohl zwei verschiedene Namensträger), Callistus (V 64; VIII 67), Catacissus (IX 93), Condylus (V 78; IX 92), Demetrius (I 101), Diadumenus (III 65; V 46; VI 34), Erotion (V 34; 37; X 61), Hypnus (XI 36; XII 75), ein cocus (V 50,8; VII 27,7; VIII 23; I 50 ist wohl nicht von einem eigenen Koch die Rede: noch wohnt Martial in einer Etagenwohnung und hätte für einen cocus gar keine Verwendung), ein tonsor (VIII 52), ein verna (XII 29(26),11) sowie unbestimmte pueri/ servi/ministri/liberti: II 44,1; III 46,2; IV 10,3; 89,8; VII 27,7; 35,3 f ; VIII 13,1; 52,1–5; 63,1 f ; 67,5; IX 32,2; X 48,7 f ; 75,12; 92,5 f ; XI 8,12; 11,1; 63,2 f ; 94,5 f ; 108,3; XII 18 Im übrigen hat etwa auch der verspottete cenipeta Selius mehrere servi, einen colonus und einen vilicus zu eigen (II 11,8 f ) Sein Tiburtinum hat Martial durch Kauf, sein Nomentanum eher auf dem Wege der Zuwendung gewonnen, Tafelsilber und Sklaven teils angekauft (II 44,1 f ), teils geschenkt bekommen (für das Geschirr vgl nachstehend das Kapitel ‚Austausch von Geschenken‘; nach VIII 73 ist wohl auch der Transfer von Sklaven mittels Schenkung vorstellbar; vgl auch XIV 205) Das Landgut selber warf nichts ab; und um den Mindestbedarf für eine bescheidene Lebensführung zu erwirtschaften (nach Mart III 10 ist dieser auf 24 000 Sesterzen im Jahr zu veranschlagen; Naevolus wäre nach Iuv  9,140 f schon mit viginti milia fenus / pigneribus positis zuzüglich laufender Einnahmen zufrieden), müßten mindestens 200 000 Sesterzen für zinsbringende Anlagen zur Verfügung stehen

Martial als pauper eques

167

income would derive from imperial grants, patrons’ regular allowances (sportulae), inheritances, pecuniary gifts and loans, which were often forgiven (or forgotten), and useful or expensive presents, which could be easily converted into cash“ (Sullivan 1991, 4 Anm  9)668: So mochte Martial zwar über die Runden kommen – die Ernährung für ihn und seine Sklaven war ja im wesentlichen durch die Erträge des Landguts gesichert –, doch war er wohl öfter einmal mit temporären Geldnöten konfrontiert669; und gerade Sonderausgaben (etwa für Kleidung) waren ohne die Unterstützung wohlhabender Patrone kaum zu finanzieren 670 Schon der Dichter Horaz war Ritter (sat II 7,53 f ), besaß ein Stadthaus wie auch ein Landgut und konnte sich trotzdem – was Barmittel angeht – als pauper einstufen (epist II 2,12 meo sum pauper in aere; carm II 18,10 f )671; und in gleicher Lage ist offenbar auch Martial: Er fristet nicht das Dasein eines Hungerleiders (egenus); und anders als es ihm die Forschung immer wieder angedichtet hat672, bekennt er sich auch nicht zu einem solchen, sondern lebt als pauper in bescheidenen Verhältnissen, wie er sie selbst definiert (XI 32,8 non est paupertas … habere nihil)673 und letzten Endes auch akzeptiert 674 Sollte dieser Gesamteindruck seine Bestätigung in den einschlägigen Martialgedichten finden, das Ich dort also weder als bettelarmer Schlucker noch als gutsituierter Patron in Erscheinung treten, besteht begründeter Anlaß, was die Vermögensverhältnisse angeht, an der biographischen Aussagekraft der Epigramme festzuhalten

668 Die vorstehende Liste umfaßt letztlich die Gesamtheit der von seiten eines Patrons zu erwartenden Vorteile: „loans and debts, gifts, legacies, and property transactions“ (Saller 1982, 120) 669 Mit solchen hatten auch gutsituierte Römer von Zeit zu Zeit zu kämpfen: Plinius etwa greift dann auf das Geld seiner Schwiegermutter zurück (epist III 19,8), verfügt jedoch vorübergehend nicht über die Mittel, um Schreibpapier zu kaufen (epist VIII 15,2) 670 Soweit Martial selbst imstande ist, einen Sklaven oder Silbergeschirr zu erwerben, weckt er bei Geldverleihern die Sorge, er werde sie alsbald um ein Darlehen angehen müssen (II 44); und der Kauf eines Landguts bringt den Dichter tatsächlich in finanzielle Verlegenheit (VI 5) 671 Entsprechend kennt auch Cicero parad  50 einen pauper mit Immobilienbesitz: habuit enim aedicu­ las in Carinis et fundum in Labicano 672 Vgl oben Anm 652 673 Schon Friedrich (1907), 372 Anm  2 hatte zu Recht bemerkt, pauper entspreche nicht dem deutschen Adjektiv ‚arm‘, sondern es sei „an den breiten Mittelstand zu denken, der schliesslich etwas hat, aber rechnen muss“ (vgl Sen epist  87,40 (Antipater:) ego non video quid aliud sit paupertas quam parvi possessio oder Porph Hor epist II 2,199 paupertas … honestae parsimoniae nomen est et usurpatur in fortuna mediocri) Unangemessen dagegen Vogt (1990), 3: „Die Bezeichnung pauper ist jedoch sicherlich nicht ganz wörtlich zu verstehen; denn obwohl Martial nicht viel besaß, war er nie völlig mittellos “ Drückende Armut hatte Martial immer Anlaß für mitleidlosen Spott geboten: vgl I 92; XI 32; 56; 87; XII 32 674 Ein Ende dieser Armut wünscht er sich nur, um einen verhaßten Neider loszuwerden (IV 77): „Neidisch auf die Verbesserung der finanziellen Lage Martials, würde sich Zoïlus nach Meinung des Dichters eigentlich aufhängen müssen“ (Barié/Schindler tr , 1236)

168

Die materiellen Lebensverhältnisse Martials

II. Wohnsituation und Liegenschaften675 1

In frühen Jahren lebt Martial in einer über mehrere Treppen erreichbaren Mietwohnung an der dem Quirinal vorgelagerten Porticus Vipsania: vgl I 108,3 mea Vipsanas spectant cenacula laurus; 117,7 scalis habito tribus sed altis sowie I 86

2

Geraume Zeit später besitzt er ein bescheidenes Eigenheim (IX 18,5 und 97,8 domus) ohne Wasseranschluß (IX 18), aber mit kleinem Garten (XI 18,2), in der Umgebung des Quirinustempels (X 58,10; XI 1,9) und damit auf dem Quirinal gelegen 676 Wo Martial von einem Domizil neben dem Floratempel spricht (V 22,3 f ; VI 27,1 f ), wird nicht unmittelbar deutlich, ob er das Eigenheim oder die insu­ la-Wohnung meint:677 Da Flora- und Quirinustempel jedoch in nächster Nachbarschaft gelegen sind (Vitr VII 9,4) und Martial nach V 50,8 jetzt zudem über einen – in der Etagenwohnung kaum vorstellbaren – Koch verfügt, darf der Bezug auf die domus als gesichert gelten 678 Wenn der Dichter noch VII 92,5 f Probleme hat, für eine pensio aufzukommen (pensio te coram petitur clareque palamque;/ au­ dis et nescis, Baccara, quid sit opus), muß von einer auf den Hauskauf bezüglichen Ratenzahlung die Rede sein

3

Gleich zu Beginn seiner Dichterkarriere (und damit noch vor seinem Stadthaus) kann Martial ein kleines Landgut nebst Villa679 bei Nomentum sein eigen nennen: Schon XIII 42; 45; 119 stehen ihm dessen Erträge – Obst, Geflügel und Wein – zur Verfügung; Holz scheint dagegen Mangelware gewesen zu sein (XIII 15) Oft spricht der Dichter von seinem (Nomentanus) agellus (II 32,3; VII 31,8; 91,1; 93,5; X 92,13), seinem Nomentanum (IX 60,6), seinem suburbanus hortus (VII 49,1) o ä (II 38; VI 43,3 f ; VIII 61,6), der ihm u a Wein (I 105) und Vieh (VII 54), Nüsse (VII 91), Geflügel (IX 54,11) und unansehnliche Äpfel (X 94) in kleinen (VII 49; vgl auch VII 31,8 nil nostri, nisi me, ferunt agelli; X 58,9 dura suburbani … iugera … agri), doch für die Ausrichtung einer bescheidenen cena hinreichenden Mengen

675 Vgl hierzu Neumeister (1991), 39–45 676 Von Barié/Schindler tr wird dieses unzulässig mit der Mietwohnung vermengt: vgl   1178 zu I 117,6: „Martial hatte das Haus(!) dort gemietet“ (Hervorhebung W K ); auch Rodríguez Almeida (1995) rechnet nicht mit einem Umzug: Indes wird Martial doch kein mehrstöckiges insula-Haus als Domizil erworben haben! 677 Die V 22,3 ebenfalls genannte pila Tiburtina ist nur aus diesem Gedicht bekannt und trägt daher nichts zur näheren Lokalisierung bei; auch Rodríguez Almeida (1986), 50 ff kann hier nur mit Vermutungen aufwarten 678 Hierzu paßt die ansprechende Überlegung von Allen u a (1969/70), 349: „It appears that he [= Martial] gave up his apartment [aus Anlaß seines zeitweisen Ausweichens in das zispadane Gallien, wie es Buch III voraussetzt] and, on his return bought a domus “ Mutmaßungen über die nähere Lage des Hauses bei Hülsen (1891), 120 ff 679 Die casa bzw villa des Nomentanums wird VI 43,4 und VII 36 eigens genannt

Wohnsituation und Liegenschaften

169

(X 48) einbringt 680 Das Gut stellt zwar keinen großartigen Besitz dar, und das Haus selber ist reparaturbedürftig (VII 36 bekommt es ein neues Dach); doch schätzt der Dichter das Nomentanum durch die Jahre als Ort der Entspannung und Erholung (IX 97,7 rus mihi dulce sub urbe est; XII 57) Hier läßt er auch ein Grabmal für das kleine Sklavenmädchen Erotion (X 61) und ein Tempelchen für die jungfräuliche Diana (X 92,8) errichten a) sein Erwerb Hierüber finden sich keinerlei Angaben in den Gedichten; am wahrscheinlichsten jedoch liegt – wie schon von L Friedländer anhand attraktiver Indizien dargelegt681 – eine (testamentarische?) Schenkung durch den – als Patron Martials zu denkenden – Philosophen Seneca vor Vor diesem Hintergrund ließe sich v a die Lage in Nomentum gut erklären: Seneca hatte dort Landbesitz mit reichen Weinpflanzungen (Sen epist   104,1 & 6; 110,1; nat III 7,1; Colum III 3,3; Plin nat XIV 51); und Martials Gutsnachbar (VII 93; X 44) Q Ovidius, selber auch Weinbauer (XIII 119), steht durch seine aufopferungsvolle Freundschaft mit dem Senecavertrauten Caesonius Maximus ebenfalls in enger Verbindung zu den Annaei (VII 44; 45), dürfte seinen – im Vergleich zu Martials Nomentanum umfänglicheren und daher kommerziell nutzbaren – Besitz mithin auch am ehesten einer Schenkung von deren Seite zu verdanken haben Als reicher Spanier stellte Seneca für den armen Neuankömmling ohnedies die erste Anlaufstelle in Rom dar682; daß ihn der Dichter zwar – neben Calpurnius Piso und anderen – als Muster eines idealen Patrons würdigt (IV 40; XII 36), aber – anders als gegenüber Marcella (XII 31) – kein Wort über ein geschenktes Gut verliert683, ist zwanglos durch Senecas schon Jahrzehnte zuvor erfolgten Tod zu erklären b) sein Verkauf Martials Rückkehr nach Spanien macht eine Veräußerung des Gutes notwendig: Diese ist X 61 angedacht und X 92 realiter vollzogen: Der Besitz wird von Marrius übernommen 684 4

Im vierten (und nur im vierten) Buch finden sich mehrere Gedichte, die einen Aufenthalt in Tibur und eine gewisse Vertrautheit mit den dortigen Verhältnissen

680 Vorausgesetzt ist das Nomentanum noch VI 27, VIII 40 und X 44 681 Friedländer comm 1, 227 (zu I 105) 682 Zwar hätten Senecas Lebensumstände im Jahr 64 nach Sánchez Vendramini (2007) eine Unterstützung des Neubürgers gar nicht mehr erlaubt; doch mag der Philosoph auch in dieser Zeit weit weniger gefährdet gewesen sein, als es Tacitus glauben machen will: vgl Roper (1979) 683 Dies hatte Kleijwegt (1999) – neben der angeblich fiktionalen Grundierung von IV 40 und der vergleichsweise schwachen Ponderierung der Senecagestalt in XII 36 – als Hauptargument gegen Senecaische Provenienz des Nomentanums ins Feld geführt; nichts davon ist wirklich stichhaltig 684 Dies hindert Martial nicht daran, sich das Nomentanum noch XII 57 als Ort wohliger Ruhe und XII 25 als Objekt der Begierde eines Darlehensgebers ins Gedächtnis zurückzurufen

170

Die materiellen Lebensverhältnisse Martials

signalisieren (IV 57; 60; 62); hier ersteht Martial offenbar ein – von ihm IV 79,1 Tiburtinum genanntes – Landgut, das er jedoch bald wieder abstößt 685 a) sein Verkauf Dieser erfolgt nach IV 79686 an Matho b) sein Erwerb Im Nachhinein scheint sich Martial noch auf Umstände zu besinnen, die mit Kauf und Besitz der Liegenschaft in Zusammenhang stehen:687 Durch den Kauf selbst ist er in Geldschwierigkeiten geraten (VI 5); und für die Einrichtung des Hauses fehlten sodann alle Mittel (V 62):688 Anscheinend hat sich der Dichter finanziell übernommen und diesen Fehler durch alsbaldige Wiederveräußerung zu korrigieren gesucht 5

Ein drittes, nur XI 18 augenzwinkernd charakterisiertes Landgut (eher: Grundstück) ist vom Nomentanum durch seine Winzigkeit, vom Tiburtinum durch die Umstände seines Erwerbs (Schenkung durch Lupus) zu unterscheiden 689 Die Übereignung selbst liegt bei Abfassung des Gedichtes vielleicht schon einige Zeit zurück (vgl v  26 quo tempore praedium dedisti) und ist am ehesten durch einen Schabernack zu erklären 690

6

Ein viertes – letztes – Landgut wird Martial in der alten Heimat durch seine spanische Wohltäterin Marcella zuteil (XII 31)

Im Ergebnis fehlen auch zu diesem Gesichtspunkt Unstimmigkeiten und Widersprüche, welche eine Fiktionalität der die Gedichte tragenden Aussagen indizieren könnten III. Finanzielle Situation und Geldbedarf Wie zuvor im Kapitel ‚Martial als pauper eques‘ erläutert, erfüllen Martials Besitzverhältnisse zwar die Voraussetzungen des Ritterzensus, erlauben deswegen aber noch lange nicht die Schlußfolgerung, der Dichter sei auch finanziell gut abgesichert gewesen Die einschlägigen Stellen sprechen vielmehr eine andere Sprache:

685 Abwegig die Ansicht von Scamuzzi (1966), 169–172, das Tiburtinum sei mit dem Nomentanum identisch (so schon Kuthan 1932), die Mitteilung von IV 79 entsprechend nicht von einem wirklichen Verkauf gesagt, sondern uneigentlich auf die Umschreibung des Gastgebermottos ‚Lei ha preso possesso di casa Sua‘: 170) zu reduzieren 686 Wie von Lorenz (2004b), 273 richtig beobachtet, verabschiedet Martial mit diesem Gedicht das Thema ‚Tibur‘ in Buch IV 687 Daß hier die Chronologie der Ereignisse umgestoßen ist, braucht nach dem oben S 83 Gesagten nicht weiter zu erstaunen 688 Die ‚Bitte an einen Gast, den Hausrat selber mitzubringen‘ (so die Gedichtüberschrift bei Barié/ Schindler tr , 369), richtet sich wohl in der Tat eher an einen Besucher als an einen Mäzen 689 BARIÉ/SCHINDLER tr rechnen entsprechend mit einer „poetischen Fiktion“ (1386 zu XI 18,1) 690 Vgl das in Kat 2 s v Lupus Gesagte

Finanzielle Situation und Geldbedarf

171

1

Martial verfügt augenblicklich nicht über die benötigten Barmittel: VII 16,1 aera domi non sunt; entsprechend erwägt er den Verkauf von Geschenken VII 92,5 pensio … petitur XI 108,3 Lupus usuram puerique diaria poscunt XIII 3,6 si tibi tam rarus quam mihi nummus erit 691

2

Folgerichtig sucht er um finanzielle Zuwendungen nach Die einschlägigen Bitten stehen dabei nicht im Zentrum der jeweiligen Gedichte: Vielmehr werden sie entweder im Zusammenhang ihrer Ablehnung bzw Erfüllung erwähnt (s Punkt 3 und 4) oder aber augenzwinkernd verklausuliert, etwa durch einen ‚Wink mit dem Zaunpfahl‘ (IV 37; 56; 61; V 16,11 f ; VII 16) oder durch die Selbstinszenierung Martials als ungeduldiger Erbe (IX 48; XI 67; XII 40); auch eine Bitte an den Kaiser um pauca … milia (VI 10 mit v  1) wird als Gebet an Juppiter vorgetragen

3

Bei seinen Sondierungen stößt Martial auf Schwierigkeiten: II 30 Der felixque vetusque sodalis (v  3) Gaius verweigert ein Darlehen von 20 000 Sesterzen II 44 Der vetus sodalis (v  4) Sextus sperrt sich schon im Vorfeld gegen mögliche Kreditwünsche IV 76 Martials Bitte um 12 000 Sesterzen wird nur zur Hälfte erfüllt; künftig wird der Dichter dieses Verhalten von vornherein mit einkalkulieren V 82 Gaurus verspricht 200 000 Sesterzen, kann aber (angeblich?) nicht einmal 10 000 Sesterzen aufbringen VI 10 Der Kaiser hat ein Bittgesuch – einstweilen, wie Martial suggeriert – abschlägig beschieden Der Dichter läßt sich von Minerva Mut zusprechen: ‚quae nondum data sunt, stulte, negata putas?‘ (v  12) VI 20 Phoebus zögert mit der Auszahlung eines Darlehens in Höhe von 100 000 Sesterzen VII 43 Cinna hält den Bittsteller hin VII 92 Baccara hilft nur mit Worten IX 46 Gellius reagiert auf Geldbitten eines amicus (Martial?) mit Ausflüchten X 15(14) Crispus weigert sich, 5000 Sesterzen als Darlehen zu gewähren XII 25 Telesinus will Geld nur gegen Sicherheiten zur Verfügung stellen

691 Wenn sich Martial außerstande sieht, 100 000 Sesterzen für einen Sklaven auszugeben (I 58,1 f ), legt er nur Selbstverständliches dar: Schon ein Bruchteil dieser Summe überstiege seine Möglichkeiten beträchtlich

172

Die materiellen Lebensverhältnisse Martials

4

In anderen Fällen ist Martial jedoch auch erfolgreich: III 41 Telesinus hat ihm 150 000 Sesterzen geliehen; Martial sagt die Rück(40) gabe zu IV 76 Ein anonym bleibendes Gegenüber zahlt ihm 50 % der erbetenen 12 000 Sesterzen aus IX 102 Phoebus erläßt dem Dichter Schulden in Höhe von 400 000 Sesterzen; dieser möchte lieber noch weitere 100 000 Sesterzen geliehen bekommen VI 5; 30; Martial will die Rückzahlung eines Darlehens schuldig bleiben (VI 5: XI 76 100 000 Sesterzen von Caecilianus; VI 30 und XI 76: 6000 bzw  10 000 Sesterzen von Paetus)

5

Die gegenteilige Sachlage: Martial hat Außenstände bzw wird um Darlehen angegangen: II 3 Gegenüber Sextus verzichtet Martial auf die Rückgabe eines ungenannten Betrages IV 15 Caecilianus bittet (für eine Woche!) um 1000 Sesterzen; Martial hat die Summe nicht zur Verfügung 692

Eine Auswertung dieser Stellen ergibt folgenden Befund: –

Martial bemüht sich nirgends um Minimalbeträge, die der Existenzsicherung von Tag zu Tag dienen könnten Bei Freunden wird er vielmehr wegen mittlerer, bei einem Wucherer wie Phoebus sogar wegen hoher Summen vorstellig; gegenüber einem Gönner erlaubt er sich höchstens Andeutungen



Soweit erkennbar, beziehen sich die einschlägigen Gedichte durchweg auf Darlehen, die als solche auf Rückzahlung gewährt werden, also zur Behebung einer vorübergehenden Geldknappheit gedacht sind693; daß Martial seine Rückzahlungen mitunter keck verweigert, steht auf einem anderen Blatt Ausschließlich der Kaiser wird um ein wirkliches Geldgeschenk angegangen; konkrete Wünsche an einen Mitbürger, wie sie IV 67 von anderer Seite vorgetragen werden (ein Anonymus bittet einen befreundeten Prätor – vergeblich – um die Zuwendung von 100 000 Sesterzen), finden sich unter Martials Namen nicht



Kurzzeitig können sich auch sodales mit kleineren Summen gegenseitig aushelfen Als potentieller Geldgeber sieht sich Martial ausschließlich mit solchen

692 I 75 tritt Martial entgegen der Behauptung von Holzberg (1986), 206 Anm  42 nicht als Geldverleiher, sondern als Kommentator auf 693 Wenn Calliodorus einem Freund 5000 Sesterzen schenkt (X 11,5), ist damit nicht notwendigerweise Martial selbst gemeint

Austausch von Geschenken

173

Wünschen konfrontiert, die den Möglichkeiten eines pauper Rechnung tragen, ihn selbst aber im Einzelfall doch überfordern IV. Austausch von Geschenken Eine wichtige Rolle im sozialen Miteinander Roms wie in den Epigrammen Martials spielen auch Geschenke aller Art 694 Hierzu gehören die – eher kleinen, bisweilen nachgerade symbolischen – Gaben, die man sich anläßlich von Festtagen – öffentlichen wie den Saturnalia695 oder privaten wie dem Geburtstag696 – gegenseitig zukommen ließ, vor allem aber Geschenke der Reichen an ihre weniger bemittelten Landsleute, in der Regel also der Patrone an ihre Klienten Als Kompensation für deren treue Dienste oder anderweitige Vorleistungen überlassen, erfüllen sie letztlich die Funktion angewandter Daseinsfürsorge: Nur durch diese Umverteilung im Kleinen war die auskömmliche Existenz der Klienten und damit letztlich das Funktionieren des römischen Gesellschaftssystems insgesamt zu gewährleisten 697 Der Klient wiederum mochte sich nicht nur mit seinen Diensten, sondern auch mit einer kleinen Gabe revanchieren, diese vielleicht sogar gezielt einsetzen, um so eine vielfach größere Gegenleistung abzurufen (vgl VIII 38,1 ff ); wofern diese dann wider Erwarten ausblieb698, hatte er Anlaß zu gerechter Empörung 1

Martial als Bittsteller: Nur an die Adresse des Kaisers richtet Martial regelrechte Bittgesuche, die ausschließlich das Ziel einer Bewilligung verfolgen699; das Objekt des Sehnens bleibt dabei bis auf II 91, VI 10 und IX 18 ungenannt

694 Vgl Augello (1965; für unsere Fragestellung wenig ergiebig) 695 Für die in diesem Zusammenhang vorstellbaren Geschenke hatte Martial die distichischen Beischriften der Bücher XIII und XIV (Xenia und Apophoreta) entworfen 696 Manch einer mag hier auch die Gelegenheit gesehen haben, sich Geschenke zu erschleichen: Clytus feiert seinen Geburtstag achtmal im Jahr (VIII 64); Polycharmus verlangt fast jeden Monat soteria (XII 56) 697 „…questa pratica del donare … a Roma avesse spesso il peso di una compensazione sociale, di un ristoro equilibratore alla piuttosto disordinata distribuzione dei beni tra le varie classi: in una parola, a Roma il dono rappresenta non solo un aspetto del costume, ma anche una necessità, o almeno, un fenomeno delle condizioni sociali ed economiche del mondo romano“ (Augello, 339) 698 Fehlender Dank, wie ihn Seneca De beneficiis immer wieder brandmarkt, mußte ja dem Ruf des Reichen abträglich sein 699 Eine Ausnahme bildet höchstens V 25, wo Martial durch einen Spendenaufruf Chaerestratus zum Ritterzensus verhelfen will (das Scheitern einer ähnlichen Bitte hatte er schon IV 67 zu beklagen gehabt); demütige Bitten an die Großen mochten zwar nötig sein (XI 68,1 parva rogas magnos; sed non dant haec quoque magni), werden von Martial selbst jedoch nicht geäußert; seine Aufforderung an den Mäzen Instanius da quod amem (VIII 73,4) ist nicht materiell grundiert

174

Die materiellen Lebensverhältnisse Martials

II 91 IV 27 VI 10 VI 87 VII 60 VIII 24 IX 18 XII 15

Bitte um Gewährung des Dreikinderprivilegs (92 diesbezüglicher Dank) Frühere Gunstbeweise, die der Kaiser Martial für seine Dichtung hat zukommen lassen700, soll er nun mehren, um einen Neider zu quälen Vgl oben Kapitel ‚Finanzielle Situation und Geldbedarf ‘ Bitte um quae volo, si merui (v  2) Für Martials Bitten ist nicht Juppiter, sondern der Kaiser zuständig Erneute Bitte; ihre Nichterfüllung scheint sich abzuzeichnen Martial bittet um das Privileg, für sein Stadthaus die öffentliche Wasserzufuhr anzapfen zu dürfen 701 Im Rückblick wird Domitian als knickerig gescholten (v  10 omnes cum Iove pauperes eramus)

In manchen Gedichten tritt Martial als Fürsprech für einen größeren Personenkreis auf: Gegenüber Domitian verwendet er sich V 19 für die Klienten und VIII 82 für die Dichter (v   5 fer vates, Auguste, tuos), X 34 appelliert er als Klient an das Wohlwollen des neuen Kaisers Trajan; XII 6,9 ff sieht er unter Nerva goldene Zeiten anbrechen: largiri, praestare, breves extendere census / et dare quae faciles vix tribuere dei,/ nunc licet et fas est Das Fehlen einschlägiger Dankgedichte kann – wenn auch nicht zwingend – die Vergeblichkeit von Martials Bemühungen auf breiter Front indizieren 702 2

Martial äußert sich voll Zufriedenheit/Freude/Dankbarkeit über erhaltene Geschenke oder sieht diesen mit freudiger Erwartung entgegen:703 VII 36 Stella hat Dachziegel für Martials Landhaus gestiftet; dieser schließt augenzwinkernd einen weiteren Wunsch an: Stella, tegis villam, non tegis agricolam? (v  6)704 VII 46 Martial ermuntert Terentius Priscus, mit der Übersendung eines munus nicht zu warten, bis ihm ein vollendetes Begleitgedicht gelungen ist (v  6 pauperibus munera πεζά dato)

700 Dedisti / non alius poterat quae dare dona mihi (v  3 f ) kann sich, genau besehen, nur auf die Gewährung des Dreikinderprivilegs beziehen (vgl III 95,5 f ); doch mag Martial auch finanzieller Anerkennung teilhaftig geworden sein 701 Mit Henriksén comm 1, 114 und gegen Friedländer comm 2, 59 ist die Bitte wirklich nur auf Martials domus urbana, nicht jedoch auch auf sein Landgut zu beziehen 702 So Szelest (1974a), 106 703 An den mit * bezeichneten Stellen kommt Martial ausdrücklich auf Geschenke aus Anlaß der Saturnalien zu sprechen 704 Zwischen den Zeilen hatte auch VII 16 die witzige Bitte um mehr gestanden: Der abgebrannte Dichter fragt an, ob Regulus seine eigenen Geschenke zurückkaufen möchte

Austausch von Geschenken

VIII 50 (51) X 24,3 XII 24 XII 31

175

Martial würdigt eine von Instanius Rufus erhaltene ziselierte Silberschale Martial bekommt Geburtstagsgeschenke Von Aelianus hat der Dichter einen Reisewagen erhalten Marcella hat ihm ein Landgut übereignet

Vgl auch die Dankgedichte für eine Toga (s das Kapitel ‚Die Mantelgedichte‘) sowie VII 27: Dexter hat dem Dichter einen frisch gejagten Eber zukommen lassen; in Ermangelung einer geeigneten Küche sieht sich dieser jedoch zur Rückgabe der praeda … invidiosa (v  4) genötigt 3

Martial erhält Geschenke nicht im erwarteten Umfang; seine Unzufriedenheit äußert er jeweils eher scherzhaft:705 VII 53* Umber sollte ihm statt einer Menge Krimskrams706 lieber ein bißchen Silbergeschirr schenken VIII 71* Die Geschenke des Postumianus werden jedes Jahr weniger: quattuor ad libras (sc argenti), Postumiane, redi (v  12) 707 IX 72 Seines Namens eingedenk, sollte Liber in seinem Präsentkorb auch Wein berücksichtigen X 57 Statt dem üblichen Pfund Silber schickt Sextus jetzt ein halbes Pfund – Pfeffer XI 89 Polla schickt intactae coronae; Martial würde vexatae rosae vorziehen XI 105 Ähnlich wie Sextus handelt auch Garricus: Aus einem Pfund Silber ist ein Viertelpfund geworden; Martial reklamiert saltem semissem, Gar­ rice, solve mihi (v  2) XII 36 Labullus nimmt als Gönner nur den Rang eines optimus malorum (v  7) ein 708 XII 81* Umber schickt keine alicula mehr, sondern nur noch eine alica

4

Das Ausbleiben von Geschenken quittiert Martial mit Enttäuschung, für die er mitunter auch deutlichere Worte findet Seine Klage gilt

705 Bei XI 18 (an Lupus) handelt es sich um ein Scherzgedicht im engeren Sinne, das nicht in diesen Kontext gehört; VI 75 wird ein Geschenk als vergiftet verdächtigt 706 Diesen hatte Umber selber zuvor als Geschenk erhalten; zur Weitergabe geringgeschätzter Saturnaliengeschenke vgl XIV 72 707 Wenn Martial hier den Wert von Silbergeschirr nach Gewicht bemißt, nimmt er die in Rom übliche Perspektive ein 708 Bei dem v  1 genannten amicus muß es sich nicht notwendigerweise um Martial selber handeln

176

Die materiellen Lebensverhältnisse Martials



– – –



5

Großsprechern, die sich als Freunde gerieren, aber nichts von ihrem Besitz abgeben (II 24; 43 Candidus; IV 37 Afer; 61 Mancinus; VII 92 Baccara; X 15(14) Crispus; 17(16) Gaius; XII 12 Pollio, welcher im Rausch alles Mögliche zusagt, aber – nüchtern geworden – nichts hält) ebenso reichen wie geizigen Patronen (IV 40 Postumus; VIII 33* mit v  25 f Paulus, der ein besseres Nichts schenkt) Menschen, die – statt Martial bzw ihre Freunde zu beschenken – ihr Geld dazu benutzen, eine amica zu beglücken (IX 2 Lupus; X 29* Sextilianus) Zeitgenossen, die nicht daran denken, gewisse Vorleistungen des Dichters zu vergelten: Hierzu gehören kleinere Geschenke (IV 88* an einen Anonymus; VII 55 an Chrestus), lobende Erwähnung in einem Gedicht (V 36) oder selbstverleugnerisches Wohlverhalten (XII 40 an Pontilianus) Galla (V 84*), die der Dichter dafür an den Matronalia leer ausgehen läßt, und Athenagoras (VIII 41*), den man jedoch wegen eines Trauerfalls entschuldigen muß

Martial als Geschenkegeber Hier nutzt Martial in vollem Umfang die Möglichkeiten, die ihm als Dichter zu Gebote stehen Die Widmung wie auch die Übersendung eines Gedichtes, aber auch ganzer oder mehrerer Gedichtbücher709, die – teils auf Bestellung erfolgte – Abfassung eines einzelnen Epigramms aus besonderem Anlaß (Geburtstag, Hochzeit, Trauerfall, Genesung u ä ), ja letztlich jedes mit der ehrenden Erwähnung eines Namens verbundene Gedicht ist als Geschenk zu verstehen710, für das der Dichter dann auch eine Kompensation erwarten darf:711 So reagiert Antonius Primus auf die Übersendung eines Buches (IX 99) mit einer hübschen Toga (X 73), Plinius auf ein Buch incl Begleitgedicht (X 20(19)) mit einem Geldgeschenk (Plin epist III 21,2); über das Ausbleiben eines ‚Lohns‘ zeigt sich der Dichter empört: Laudatus nostro quidam … libello / dissimulat, quasi nil de­ beat: imposuit (V 36)712; Garricus wird von Martial u a mit einem Eber beschenkt und tischt diesen auf, ohne den Spender dazuzubitten (IX 48) Ansonsten liefert der eigene Garten kleine Geschenke:

709 Hier ist es dem Epigrammatiker auch darum zu tun, Patrone für den Schutz und die Verbreitung seiner libelli zu gewinnen (vgl etwa III 2,2) 710 Gaudet honorato sed multus nomine lector,/ cui victura meo munere fama datur (V 15,3 f ) Vgl White (1974b) mit zahlreichen Stellenangaben (zu deren Auflistung vgl auch Citroni [1988]1996, 55 Anm   56); seine These, Martial habe an Förderer vorab auch Teilsammlungen versandt (vgl White 1974b und 1996, die Gegenposition bei Fowler 1995 und Nauta 2002a, 105–120, eine vermittelnde Stellungnahme bei Citroni, 54–64, ein Überblick bei Russotti 2019, 11–31), bleibt hiervon unberührt 711 Vergleichbares Verhalten bei anderen ist Martial durchaus eine spitze Bemerkung wert: vgl IX 19 an Sabellus 712 Dissimulat scheint anzudeuten, daß Martial den Betreffenden auf seine Dankespflicht schon einmal eigens hingewiesen hat

Austausch von Geschenken

VII 49 VII 91*

177

Eier und Früchte für Severus; Nüsse für Juvenal; zudem Eiswasser (II 85*), Geflügel (IX 54), Obst (XIII 42*) und Wein (XIII 119*)

Anderes ist auf dem Markt zu besorgen; darunter fallen angesichts der Ärmlichkeit von Martials Grundstück z T auch Lebensmittel: I 111 Weihrauch für Regulus; IV 19* eine Wolldecke; IV 88* ein parvum munus (v  1) für einen undankbaren Anonymus; V 59 Tongeschirr für Stella; V 68 eine blonde Perücke für Lesbia; VII 31 Geflügel, Feigen, Zicklein, Oliven und Kohl für Regulus713; VII 89 ein Blütenkranz für Apollinaris; IX 60 das Gleiche für Sabinus; X 94 Äpfel für einen Anonymus Verschiedentlich kommt Martial eigens auf seine fehlenden Mittel zu sprechen Bescheidene oder gar ausbleibende Geschenke begründet er scherzhaft mit Rücksichtnahme auf den Empfänger: Er schenkt nur sein Buch bzw billiges Tongeschirr, um sein Gegenüber zu keiner teuren Gegengabe zu verpflichten (V 18* Quintianus; 59 Stella; vgl auch XII 74 Flaccus) oder beantwortet dessen Schenkverbot mit einem eigennützigen Gegenvorschlag (IX 53 tu mihi, Quinte, dato) Ähnlich argumentiert Martial IX 55: Stella und Flaccus kommen nicht in den Besitz der ursprünglich für sie vorgesehenen Drosseln, um nicht die große Menge der Unbeschenkten zu verstimmen Wenn sich der Dichter Reichtum wünscht, dann ut donem … et aedificem (IX 22,16)714; daß ihn seine finanzielle Situation an großzügigen Geschenken hindert, identifiziert er als möglichen Grund seiner gesellschaftlichen Zurücksetzung (VII 86) Im Ergebnis zeigt sich: Wirkliche ‚Bettelgedichte‘ richtet Martial nur an die Adresse des Kaisers; Wünsche an patroni oder amici werden höchstens durch die Blume vorgetragen Insgeheim hegt der Dichter jedoch eine entschiedene, durch den Mechanismus des do ut des-Prinzips legitimierte Erwartungshaltung, die ihm seine Kommentare voller Freude, Amüsement, Kritik, Enttäuschung oder Verbitterung eingibt Wenn er auf eigene Geschenke zu sprechen kommt, wahrt er durchweg den Rahmen seiner Möglichkeiten: Nirgendwo schlüpft er in die Rolle eines gutsituierten patronus, der

713 Hier resümiert Martial offenbar die bei mehreren Gelegenheiten übersandten Geschenke 714 D h gleichzeitig schenken und bauen zu können Den Hintergrund bildet die Tatsache, daß manch einer seinen Geiz durch Hinweis auf Baukosten zu bemänteln sucht (IX 46)

178

Die materiellen Lebensverhältnisse Martials

das Dasein seiner Umgebung durch Freigebigkeit erleichtert oder durch Geiz beeinträchtigt 715 V. Die ‚Mantelgedichte‘716 1

Die Besuchspflichten eines Klienten gehen mit dem frühzeitigen Verschleiß der dabei getragenen Togen einher (X 96,11; XIV 125)717; durch die Martial zur Verfügung stehenden Mittel läßt sich der Bedarf daher nur mit Mühe decken: trita  … nobis togula est vilisque vetusque (IX 100,5): Soweit selbst gekauft, muß der Dichter sein Ausgehgewand bis zur Fadenscheinigkeit auftragen (II 53,6; 58; III 36,9); ansonsten besitzt er noch einen einfachen Wollmantel (sagum: VI 11,8) oder – nach eigener Aussage Los eines in Rom lebenden Dichters – eine gelida lacerna (III 38,9 f )

2

Entsprechend sieht sich Martial veranlaßt, verschiedenen Freunden und Gönnern  – witzig verklausuliert  – Bitten um ein Kleidungsstück vorzutragen: Von Rufus wünscht er sich einen Mantel (VI 82), von Stella etwas zum Anziehen (VII 36), von Parthenius einen Mantel bzw eine Toga (VIII 28; IX 49), von einem Anonymus eine Toga (II 85,4)

3

Einschlägige Geschenke werden vom Dichter enthusiastisch begrüßt: VIII 28 würdigt eine von Parthenius, X 73 eine von Antonius Primus gespendete Toga

4

Über unzureichende bzw ausbleibende Kleiderspenden führt der Dichter Klage, so II 43,3–8 gegenüber Candidus, 46 Naevolus718, X 15(14),7 Crispus, 29,3 f Sextilianus, XII 36 Labullus719, 81 Umber; diese kann nachgerade in Aggression umschlagen: vgl VII 92 mit v  9 f gegenüber Baccara

Nach Ausweis der Gedichte bemüht sich Martial nirgends um einfache Gewänder, um seine Blöße zu bedecken, sondern ausschließlich um die durch erhöhte Ansprüche an Menge und Qualität ins Gewicht fallende Ausgehkleidung, wie er sie für die form715

716 717 718 719

Auch IV 46 übernimmt Martial nicht die Perspektive eines bemitleidenswerten patronus, der sich mit den armseligen Saturnaliengeschenken seiner Klienten zufriedengeben muß; vielmehr spottet er über die Renommiersucht eines Anwalts, der anhand solcher Gaben seinen überragenden Erfolg bemißt Der Terminus nach Latzke (1970), die allerdings gerade nur eine Belegstellensammlung bietet und daher zu dieser Untersuchung nichts weiter beitragen kann Binnen Jahresfrist ist eine als gratum … munus (VIII 28 mit v  1) gewürdigte neue Toga für den Träger kaum noch zumutbar: nunc anus et tremulo vix accipienda tribuli (IX 49,7) Hier läßt es Martial offen, ob er sich in der Person des vernachlässigten succinctus amicus (v  7) selber betroffen sieht Auch hier trifft es – ebenso wie X 11,6 – einen amicus (v  1), den Martial nicht ausdrücklich mit sich selbst identifiziert

Bewirtungen

179

vollendete Erledigung der morgendlichen salutationes benötigte und seiner gesellschaftlichen Stellung als eques angemessen glaubte Als Dichter ohne geregeltes Einkommen mußten ihn die einschlägigen Kosten belasten, ja überfordern, das Eintreffen oder aber Ausbleiben entsprechender Sachspenden mit Erleichterung bzw Unwillen erfüllen Martial selbst tritt nur als Empfänger, nirgends jedoch als Spender eines Kleidungsstücks in Erscheinung Und so spricht der einheitliche Tenor der ‚Mantelgedichte‘ zwar nicht für existentielle Not720, aber für ein ernstzunehmendes Anliegen des Dichters VI. Bewirtungen Auch hier finden sich verschiedene Gelegenheiten, die in den Martialgedichten nicht strikt auseinandergehalten werden Zur Alltagsroutine gehört die Speisung der Klienten durch ihre Patrone: Die Klienten sind durch ihre Gefolgschaftspflichten, angefangen bei der morgendlichen salutatio, daran gehindert, sich anderweitig um eine Mahlzeit zu kümmern, und der Patron hat ein Interesse daran, seine Klienten zu versorgen und so weiter an sich zu binden (hierzu vgl IX 14 und XII 48,15 f ) 721 Um Aufwand und Kosten zu sparen, wird zwar die einschlägige cena (recta) häufig durch einen kleinen Geldbetrag, die sportula, ersetzt; doch bleibt die Sitte als solche bestehen, zumal Domitian die sportula vorübergehend ihrerseits untersagt zu haben scheint 722 Auch der Dichter nimmt qua Klient an diesen Speisungen teil; doch bittet man ihn auch zu Festmählern, die etwa im Kontext einer Geburtstagsfeier oder auch nur zur Ostentation des eigenen Reichtums abgehalten werden Und schließlich findet man ihn auch bei anlaßlos ausgerichteten Mahlzeiten im kleinen Kreis, die, zumindest wenn sie Freunde und Vertraute zusammenbringen, keinen anderen Zweck als den ungezwungener Geselligkeit verfolgen 1

Als Gast klagt Martial über geizige Gastgeber, die ihren Gästen nur Speisen/Weine zweiter Wahl oder aber gar nichts vorsetzen:723 I 18 (Tucca); 20 (Caecilianus);

720 So im Titel von Betten (1976) 721 Auch das Moment der Selbstinszenierung inmitten eines kleinen Hofstaats (III 82) dürfte für den Patron eine Rolle gespielt haben 722 Zu belegen ist dies durch III 7; 14; 30; 60; die in diesem Zusammenhang häufig angeführte Stelle Suet Dom  7,1 sportulas publicas sustulit revocata rectarum cenarum consuetudine bezieht sich dagegen auf – wohl analog gehandhabte – Beschränkungen im Bereich der epula publica (die nötige Klarheit schafft hier letztlich erst Vössing 2010) Ziel des Kaisers dürfte die Reduzierung der Klientenzahl pro Patron bzw die Verringerung von dessen Möglichkeiten der Selbstdarstellung gewesen sein; Martial wird dadurch zu einem vorübergehenden Rückzug aus Rom veranlaßt (vgl III 1) 723 IX 85 sieht sich Martial in seiner Hoffnung auf ein Essen durch Unwohlsein des Patrons (Paulus) getäuscht; III 13 ist ganz anders zu verstehen (vgl Kat 8 s v Naevia)

180

Die materiellen Lebensverhältnisse Martials

43 (Mancinus); 99 (Calenus)724; III 12 (Fabullus); 49 (anonym); 60 (Ponticus); 82 (Zoïlus)725; IV 68 (Sextus); 85 (Ponticus); VI 11 (Marcus); VII 48 (Annius); VIII 22 (Gallicus)726; 42 (Matho); IX 2 (Lupus); X 49 (Cotta); XI 31 (Caecilius) 2

Martial spekuliert auf eine Einladung zur cena: I 44 bei Stella; VI 51 bei Lupercus; wohl auch I 23 bei Cotta

3

Er äußert sich voller Befriedigung angesichts einer reichhaltigen cena; eventuelle Beeinträchtigungen gründen auf außergastronomischen Faktoren: II 37 Lukulentes Mahl; doch ein gieriger Gast (Caecilianus) fällt aus der Rolle727 (das gleiche Motiv auch VII 20: Santra) III 17 Eine Torte wird durch den Atem des Sabidius verdorben III 45; 50 Die prächtige cena des Ligurinus leidet unter der Rezitierwut des Gastgebers Überhaupt werden Martial nach eigener Darstellung häufig Einladungen zuteil (IX 97,10 quod convivia frequens [sc sum], rumpitur [sc quidam] / invidia)728, die durchaus auch ehrenden Charakter aufweisen (XI 65: Iustinus bittet allein Martial zu einer Nachfeier seines Geburtstags)729; wo ihm eine cena allzu aufwendig oder aber zu anonym erscheint, kann er sich ein Fernbleiben erlauben (XII 48 mit v  15 gegenüber einem cenarum … magister bzw XI 35 gegenüber Fabullus) Die Realität des Alltags fällt dann allerdings weniger rosig aus: Mit Blick auf seine Verpflegung sieht sich der Dichter genötigt, die strapaziösen Pflichten des Klienten auf sich zu nehmen (XI 24,14 f sic fit,/ cum cenare domi poeta non vult) und sich als Mahlzeitenjäger zu betätigen (II 18,1 capto tuam, pudet heu, sed capto, Maxime, cenam) 730

724 725 726 727

Bei ihm zeigt sich der Geiz erst, seitdem er zu unerwartetem Reichtum gelangt ist Im Rückblick hatte Martial dessen cena schon II 19 als Glücksfall höchstens für Bettler dargestellt Hier wird dem Gast zumindest nicht das Versprochene geboten Das Gedicht wird von Holzberg (1986), 206 Anm  42 falsch eingeordnet: Martial ist nicht Gastgeber, sondern – beobachtender – Gast unter vielen (v  9 nos accumbimus otiosa turba); wenn er den Raffzahn zur Rückgabe der eingepackten Komestibilien auffordert und dies in dem pointierten Schlußvers durch cras te, Caeciliane, non vocavi (v  11) begründet, so verweist er damit auf die bescheidenen Verhältnisse seines eigenen Haushalts: ‚Für morgen habe ich dich nicht zu mir eingeladen (Vergangenheitstempus!); also mußt du heute nicht schon sammeln, was du morgen als Speise mitbringen könntest‘ (themenverwandt ist etwa Catull  13 oder die Aussage Mart V 78,2 [im Zusammenhang einer Einladung an Toranius] potes esurire mecum) 728 Vgl etwa noch VII 79; IX 25; X 98 729 Für die Interpretation des Gedichtes vgl Kat 2 s v Iustinus 730 Dies hindert ihn nicht daran, bei Bedarf über das Gros der cenipetae die Nase zu rümpfen (II 11; 14; 27 Selius, 69 Classicus, XII 82 Menogenes) und sich selbst als Lehrmeister in Sachen innerer Freiheit zu gerieren: liber eris, cenare foris si, Maxime, nolis (II 53,3)

Martials Klientenstatus

4

181

Martial tritt auch seinerseits als Gastgeber auf: Wie alle anderen Römer ißt er nicht gern allein731; und da er über einen eigenen Hausstand verfügt, kann er sich, wofern er nicht selber aushäusig ißt, problemlos liebe Tischgäste in die eigenen vier Wände holen (II 79) Geboten wird dabei nur ein kärgliches, im wesentlichen wohl aus Erträgen des eigenen Landguts bestrittenes Mahl (V 78,2 potes esurire mecum; v  22 parva est cenula; X 48,13 una ponetur cenula mensa; XI 52,2 conditio est melior si tibi nulla, veni)732; bei Martial verkehren I 27 Procillus (Einladung nur im Suff ausgesprochen!), III 27 Gallus, IV 79 Matho, V 44 Dento733, 50 Charopinus, 78 Toranius, VIII 23 Rusticus, 67 Caecilianus, IX 35 Philomusus, XI 52 Iulius Cerialis, XI 57 Severus und X 48 die Freunde Stella, Nepos, Canius, Cerialis, Flaccus und Lupus 734

Zusammenfassend läßt sich sagen: Mit Ausnahme von XI 65 wird Martial nirgends zweifelsfrei als Einzelgast sichtbar; vielmehr findet er sich jeweils inmitten einer größeren Schar von Gästen, die häufig – vor allem dort, wo über ungleiche Bewirtung Klage geführt wird – als Klienten an der Tafel ihres patronus zu identifizieren sein dürften Umgekehrt betreffen Martials eigene Einladungen – wieder mit einer Ausnahme (X 48) – ausschließlich Einzelpersonen, die einer bescheidenen cenula teilhaftig werden; man darf spekulieren, ob der Sonderfall von X 48 auf ein Abschiedsessen verweist, bei dem Martial vor seiner Abreise nach Spanien noch ein letztes Mal seine vertrauten Freunde um sich schart 735 Schon eine oberflächliche Würdigung der einschlägigen Stellen zeigt demnach, daß sich Martial als Gast und als Gastgeber in ganz unterschiedlichen Szenarien bewegt, die jedoch ihrerseits ausnahmslos durch seinen Status als pauper eques gekennzeichnet sind VII. Martials Klientenstatus Nur noch summarisch sei hier auf die zahlreichen Gedichte hingewiesen, in denen Martial das jämmerliche Klientendasein generell (vgl etwa III 30; 38; IV 5; IX 92; gepaart mit Spott I 80; XII 18,1–6) oder mit Bezug auf die eigene Situation in den Blick nimmt 736 Vor allem die zeitliche wie auch physische Beanspruchung durch frühmorVgl XI 35,4 solus ceno … non libenter; nur für den Notfall gilt nunc conviva est comissatorque libellus (V 16,9) 732 Vgl auch oben Anm 727 sowie XII 48,17 f me meus ad subitas invitet amicus ofellas:/ haec mihi quam possum reddere cena placet 733 Captus … unctiore mensa (v  7), ignoriert dieser die Einladung 734 In der Rückschau wird auch an Sabellus und Alauda als frühere Gäste (eines Geburtstagsmahls) gedacht (XII 60) 735 In Rom scheint er immerhin auch seinen Geburtstag mit Gästen gefeiert zu haben (vgl Anm  734) 736 Für eine Auswahl signifikanter Stellen zu Martials Klientendasein vgl F L Jones (1935); als zeitgenössische Parallelen sind Juvenals 1 , 3 und 5 Satire aufschlußreich 731

182

Die materiellen Lebensverhältnisse Martials

gendliche salutatio737 und anschließende Gefolgschaftsdienste, die nicht zuletzt sein Dichten erschweren, ja ganz unmöglich machen, liefert immer wieder Stoff für Kommentare, die teils von Humor getragen sind738, teils aber auch wirkliche Verbitterung verraten (vgl besonders I 55,5 f ; 70,16 ff ; 108; III 36,1–6; 46; V 22; IX 100; X 56; 58,6–14; 70; 74; 82; XI 24; XII 29(26); 68; ohne ausdrücklichen Bezug auf Martial selbst IV 8,1; VII 39,1–4; XIV 125) Die als Äquivalent gebotene sportula739 ist kümmerlich (I 59; IV 26; IX 100; X 70,13 f ; 74,2 ff ; 75,11 sportula … arida) und schnell verweigert (VI 88); vorübergehend wird sie durch kaiserliches Edikt untersagt (III 7; 14; 30; 60)740, ihre Abschaffung quittiert Martial mit der Forderung nach einem Klientengehalt (III 7,6 iam salarium dandum est)741 und seinem vorübergehenden Rückzug aus Rom (III 4,6 non poterat [sc Martialis] vanae taedia ferre togae) 742 Auf die an ihre Stelle gesetzte obligate cena (III 60,1 cum vocer ad cenam non iam venalis ut ante) kann natürlich immer nur ein Teil der Klientenschar hoffen, und die Patrone reagieren umgehend mit anderweitigen Sparmaßnahmen (ungleiche Bewirtung in Gedichten des III Buches: III 12; 13; 49; 60; 82743; die Gegenposition Martials III 60,10 sportula quod non est prosit: edamus idem) Überhaupt stellt ja Geiz die hervorstechendste Eigenschaft der divites dar (V 19,7–14, bes 8 colit ingratas pauper amicitias; XI 68; durch Ausflüchte und vorgeschützten Unwillen notdürftig bemäntelt: IX 46 bzw III 37; XII 13)744; daneben sind 737 Zu deren ‚Realia‘ vgl Goldbeck (2010), 59–187 mit oftmaligem Bezug auf die Aussagen Martials 738 Dies darf nicht zu der Annahme verleiten, daß er „in seiner Rolle als Klient meist sehr lächerlich erscheint“ (Holzberg 2002, 75) 739 Zu dieser vgl Vössing (2010) 740 Dies offenbar nur für kurze Zeit: IV 26 ist die sportula wieder vorausgesetzt 741 Das Anspruchsdenken einer Schicht von  – aus moderner Sicht  – schmarotzenden Nichtstuern mag auf den ersten Blick befremden, wird aber etwa von Juvenals Umbricius (sat 3) nicht minder nachdrücklich vertreten 742 Vgl das analoge Verhalten eines esuritor (III 14 mit v  1) sowie Gedichte mit dem Motiv ‚Unmöglichkeit, in Rom zu leben‘: III 30; 38; IV 5  – Mißlungen die Interpretation von Gómez Pallarès (2001), wonach Martial im Schlußsatz von III 4 (v  7 f poeta / exierat: veniet, cum citharoedus erit) seine Rückkehr von einem Gattungswechsel abhängig macht (poeta: Epigrammatiker; citharoedus: Lyriker) Vielmehr trägt er sich mit dem Gedanken, ins Fach eines Vielverdieners (Musiker!) zu wechseln 743 Zur Sache vgl etwa Iuv  5 oder Plin epist II 6 Das Thema beschäftigt Martial auch sonst: vgl I 18; 20; 43; IV 68; 85; VI 11; VII 48; IX 2; X 49; doch sträubt er sich auch nicht, wenn er einmal zu den bevorzugten Gästen gehört: XII 27(28) spricht er nicht als Gastgeber (so Nauta 2002a, 174 Anm  95), sondern als höher geschätzter Mitgast 744 Zu Stellen für Knauserei bei Bewirtung und (Kleidungs-)Geschenken vgl die vorstehenden Kapitel; von diesem Verhalten ist Martial als armer, weil ohne feste Einkünfte lebender Dichter natürlich besonders betroffen: Zum Dichten als brotloser Kunst äußert er sich (meist auf sich selbst bezogen) I 76; III 38,7–10; V 16; 56,7; IX 73,7–10; X 76; XI 3; zur Suche nach einem Mäzen I 107; VIII 55(56); 73; XI 3; XII 3(4) (in der Person des Terentius Priscus erfüllt) Auch wenn das Motiv der Dichterarmut in der römischen Literatur häufig erscheint (an kaiserzeitlichen Stellen vgl Pers chol  8–14 und v a Iuv  7), sollte man den Gedanken nicht einfach als topisch abtun, sondern sich bewußt machen, daß der Alltag römischer Dichter – soweit diese nicht der Oberschicht angehörten – tatsächlich gleichbleibend von Mittelknappheit geprägt war; Martials resignierte Erkenntnis semper pauper eris, si pauper es (V 81,1) beruht auf eigener Erfahrung

Martials Klientenstatus

183

Rücksichtslosigkeit (V 22 mit v  13 semper inhumanos habet745 officiosus amicos?)746 und feiger Opportunismus (II 32) zu beobachten Partielle Bekenntnisse zu innerer Freiheit (II 53) und Ansätze zur Aufkündigung eines Klientelverhältnisses (II 18; 32; vollzogen II 68)747 bringen keine wirkliche Entlastung: Erst sieht sich Martial zum temporären Ausweichen nach Forum Cornelii genötigt; schließlich kehrt er sogar endgültig nach Spanien zurück, wo sich colere reges (vgl X 96,13) erübrigt 748 Nirgends inszeniert sich Martial dagegen als reicher, von Klientenscharen umlagerter Angehöriger der Oberschicht: –

Wenn er sich voller Stolz zugute hält, beim Kaiser für zahlreiche Mitmenschen (Landsleute?) das Bürgerrecht erwirkt zu haben (III 95,11 f ), läßt er unerwähnt, daß ihm dies natürlich nur durch Vermittlung seiner einflußreichen Freunde aus dem Senatsadel gelingen konnte



Die Prozeßführung für seinen sodalis Sextus (VIII 17) hat er nicht als Patron für einen Klienten, sondern als – zu entlohnender – causidicus für einen Mandanten wahrgenommen 749



Wenn er bestrebt ist, ein Gegenüber (Matho) mit einem kleinen Geldbetrag zu ködern (VIII 42), so spricht hier nicht ein „patronus, der einem prospektiven Klienten seine (Regel-)Sportel durch eine Umrechnung des Wertes in Realien schmackhaft zu machen versucht“ (Schöffel comm , 371), sondern er offeriert eine Einmalzahlung: Nur dann vermag ja die besagte Umrechnung (‚Du kannst noch monatelang von dem Geld profitieren!‘) ihre argumentative Wirkung zu entfalten Vorausgesetzt ist eine Situation wie in IX 100: Ein Freund soll für irgendeine Gefälligkeit (als Begleiter?) zur Verfügung stehen; als Vergütung seiner Dienste (bzw als Ausgleich für die ihm so entgehende Klienten-sportula) wird

745 Gärtner (2007), 244 konjiziert adit 746 Hierzu zählt Martial den Umstand, daß sich manche Patrone selber zur salutatio aufmachen (II 18 Maximus, V 22; X 10 Paulus, XII 29(26) Laetorius), so für ihn unerreichbar sind oder gar eine Konkurrenz darstellen (X 10,11 quid faciet pauper cui non licet esse clienti? zur Sache vgl Iuv  1,99 ff ; 117–120) Offenbar sieht sich der Dichter durch Mitglieder der Oberschicht einem „Verdrängungswettbewerb“ (Ganter 2015, 204) ausgesetzt, wobei deren Bestrebungen natürlich in eine andere Richtung weisen als die des pauper cliens: „Senators and knights – even when in economic difficulties – were not interested in the daily dole, … but in the more irregular and more substantial gifts that patrons might bestow on those who paid court to them“ (Nauta 2002a, 57), also etwa an Ämtern oder nennenswerten Erbschaften 747 I 112 an Priscus ist nur im Wortlaut, nicht aber seinem Inhalt nach vergleichbar (vgl Kat 1 s v Terentius Priscus) 748 Nicht von ungefähr finden sich ja gerade in den Büchern III und X in dichter Folge Epigramme, welche die Schattenseiten des Klientendaseins ausleuchten Überall wird Martials persönliche Betroffenheit deutlich; nirgendwo übernimmt er die abgeklärte Rolle „as a social guide or conscience“ (Spisak 2007, Rückentext) mit gesellschaftsstabilisierender Zielsetzung 749 Vgl das Kapitel ‚Martial als Anwalt?‘

184

Die materiellen Lebensverhältnisse Martials

ihm dann eine geringe Summe (hier in Höhe der üblichen sportula von 100 Quadranten = etwa 1 1/2 Denare; IX 100: 3 Denare) in Aussicht gestellt 750 –

Zurück in Spanien, sucht sich Martial einer Vereinnahmung als Patron zu entziehen (XII 68 mit v  1 matutine cliens, urbis mihi causa relictae)751 Die Erwartungen seiner Landsleute hatten sich jedoch nicht auf materielle Unterstützung von seiten eines begüterten Mitbürgers, sondern auf seinen rechtskundigen Rat gerichtet: In Rom nur ein kleines Licht, wird er von den Provinzialen seiner Heimat als weltläufiger Herr wahrgenommen und entsprechend konsultiert 752

Im Ergebnis fügen sich mithin die Gedichte, die über die Bedingungen von Martials Dasein informieren, zu einem kohärenten Bild, das seiner gesellschaftlichen Stellung entspricht Schon wo er sich zu den traditionellen Grundlagen des sozialen Miteinanders äußerte, die Ausrichtung von Gastmählern, die Überlassung von Geschenken, die Gewährung von Darlehen in den Blick nahm, war er allzumal in der Position des amicus inferior anzutreffen Und dieser Eindruck bleibt auch dort bestimmend, wo Martial – wenn auch vielleicht nur en passant – seine Lebensumstände im größeren Rahmen thematisiert: Als pauper eques ohne feste Einkünfte ist er gezwungen, die strapaziösen Pflichten eines Klienten auf sich zu nehmen, um so der einen oder anderen Zuwendung oder Erbanwartschaft von seiten seiner Patrone teilhaftig zu werden Auch als Dichter findet er lange keinen Mäzen, der ihm erlauben würde, ein sorgenfreies Leben zu führen; vielmehr ist er darauf angewiesen, sich für die Produkte seines dichterischen Schaffens (einzelne Gedichte, ganze Gedichtbücher) um eine Anerkennung zu bemühen, die letztlich auch materiell zu Buche schlägt Gedichtinterpretationen, die im Widerspruch zu diesen Aussagen zu stehen schienen, waren durchweg auf Mißverständnisse und Fehlschlüsse zurückzuführen ––––– Neben diesen materiellen Determinanten im engeren Sinne lassen sich den Martialgedichten jedoch noch andere Daten entnehmen, die eine biographische Auswertung nahelegen, für das soziale Profil des Dichters jedoch weiters keine Bedeutung mehr haben Nichtsdestoweniger verdienen sie Beachtung: Sollten sich nämlich in einem

750 Zur Sache vgl Duncan-Jones (2008), 142 Anm  18: „The granting of sportulae to social equals was more akin to exchange of loans within the same group, and presumably advertised social cohesiveness rather than dependency “ 751 Die Formulierung ist darauf berechnet, Martials Situation in Rom und in Spanien gleichermaßen abzudecken: Einst hatte er als matutinus cliens zu leiden; jetzt ist er selbst Opfer der matutini clientes, die ihm seinen Traum, endlich ausschlafen zu können (XII 18,13–16) gründlich zunichte machen 752 Vgl Ganter (2015), 228 Anm   100: „In Mart   12,68 ist der Sprecher seinen Verpflichtungen als Klient in Rom entkommen (…), sieht sich nun in Spanien allerdings als lokale Größe Aufforderungen ausgesetzt, als Gerichtspatron tätig zu werden “

Martials Klientenstatus

185

vielleicht nur als marginal erscheinenden Motivkomplex voller Ichaussagen Unstimmigkeiten oder Widersprüche aufdecken lassen, die einer biographischen Interpretation entgegenstehen, stünden Martials Selbstoffenbarungen insgesamt nicht mehr als wirkliche Lebenszeugnisse zur Verfügung Unter diesem Vorzeichen sind mithin auch das Verhältnis des Dichters zum Herrscher, sein (zeitweilig ausgeübter) Beruf sowie sein Familienstand als Untersuchungsobjekt gerechtfertigt

C Weitere Eckpunkte von Martials Vita I. Martial und Domitian Martials Verhältnis zum regierenden Kaiser Domitian hat in der Forschungsliteratur der letzten Jahrzehnte mehrfach Versuche einer Umwertung erfahren, die ihn im Ergebnis vom Odium des servilen „Speichelleckers“ (Holzberg 1986, 198) freisprechen könnten Um die Berechtigung der einzelnen Thesen zu prüfen, dürfte es sich empfehlen, die einzelnen Stadien seiner Annäherung an den Princeps in groben Zügen nachzuzeichnen 753 Im ersten Buch bemüht sich der Dichter, mögliche Vorbehalte bezüglich der von ihm ins Auge gefaßten Gattung auszuräumen und so gewissermaßen eine Schreiberlaubnis zu erwirken (I 4); die gnädige Duldung des Kaisers imaginiert er in Form eines mit vertraulicher Anrede und herrscherlichem Humor formulierten Aperçus (I 5) Während er sich hier noch bescheiden vorstellt, Domitian komme vielleicht per Zufall mit seinen Epigrammen in Berührung (I 4,1 contigeris nostros, Caesar, si forte libellos), setzt er im zweiten Buch erstmals zu einem noch eher verhaltenen Preis des Herrschers an (II 2), ruft ihm seine wohlwollende Aufnahme früherer Gedichte in Erinnerung (II 91,3 f si festinatis totiens tibi lecta libellis / detinuere oculos carmina nostra tuos)754 und bucht das auf Bitten gewährte Dreikinderrecht als kaiserlichen Lohn für seine Dichtung (II 92,2 Musarum pretium dedit mearum [sc solus qui poterat]) In Buch III läßt Martials Abwesenheit von Rom (III 1) keine Kontaktaufnahme mit dem Kaiser zu; in der Folge vollzieht sich jedoch ein Wandel: Die Bücher IV–IX setzen fast durchgehend mit einem (Preis-)Gedicht/Brief an/über den Herrscher ein (IV 1; V 1; VII 1; VIII epist ; IX 1) 755 753

Als Wegweiser für die folgenden Ausführungen konnten die Arbeiten von Citroni (1988)1996, Merli 1993 und Agosti 2003 herangezogen werden Daß bei Martials Kaisergedichten auch Wünsche/Vorgaben von seiten des Hofes eine Rolle gespielt haben dürften, hat Leberl (2004) in die Diskussion eingebracht 754 Damit bezieht er sich jedoch nicht auf sein bisher publiziertes Werk, sondern – ebenso wie I 101,1 f , wo er seinem Sekretär eine manus …/…nota…Caesaribus zuschreibt – auf dem Herrscher persönlich zugedachte Huldigungsgedichte (vgl das Kapitel ‚Martial als Ehemann?‘) 755 In VI 1 erfolgt diese Bezugnahme indirekt: Martial ersucht seinen Freund Iulius Martialis, das Buch durch allfällige Verbesserungen für eine Überreichung an Domitian vorzubereiten; diese

Martial und Domitian

187

In IV 8 wirkt Martial erstmals gezielt darauf hin, daß seine Epigramme – durch den Tafelmeister Euphemus bereitgehalten – dem Herrscher zur abendlichen Zerstreuung dienen 756 Buch V sodann wird als solches ausdrücklich Domitian gewidmet (V 1): Der Dichter möchte sich vorstellen, den Kaiser als Leser zu gewinnen (V 1,9 f ), und hat die inhaltliche Ausrichtung des Buches an diesen Umstand angepaßt (V 2 im Unterschied zu I 35 und III 69) So kann er den Sekretär a studiis (a bibliothecis?) darum bitten, sein Werk neben Catull, Albinovanus Pedo und Domitius Marsus in die kaiserliche Bibliothek einzustellen (V 5); seiner Einschätzung, der Princeps selbst werde bei Überreichen des Buches durch den Kammerherrn Parthenius757 spontan auf Lektüre dringen (V 6,18 f si novi dominum novem sororum,/ ultro purpureum petet libellum), dürfte indes eher eine „suggestive Funktion“ (Johannsen 2006, 200) zukommen 758 Seine Gedichte nehmen jetzt häufiger auf die Maßnahmen des Herrschers Bezug; dabei liegt der Schwerpunkt in Buch V auf der Erneuerung der Lex Roscia theatralis (V 8; 14; 23; 25; 27; 35; 38; 41), in Buch VI auf der Neubelebung der Lex Iulia de adulteriis coercendis (VI 2; 4; 7; 22; 45; 90; 91) Aus diesem Zuschnitt der Bücher und aus der Überzeugung, Domitian so für sich gewonnen zu haben, leitet Martial nunmehr die Erwartung ab, auch seine eigenen Interessen deutlicher artikulieren zu können: V 15; 16 bringen die materielle Unergiebigkeit seines Dichtens zur Sprache; V 19, bes 15–18 wendet sich im Interesse aller Klienten an den Kaiser als Retter; und VI 10759; 87 tritt er neuerlich als Bittsteller in Erscheinung In Buch VII wird eine Annäherung des Dichters an seinen Kaiser durch dessen Abwesenheit im Sarmatenkrieg verhindert: Martial muß sich damit bescheiden, die siegreiche Heimkehr des Herrschers herbeizusehnen (VII 1; 2; 5–8) mit der Aussicht, ihm dann durch Vermittlung des Höflings Crispinus seine Dichtung ans Herz legen zu können (VII 99) 760 Sieg und Rückkunft Domitians geben Martial dann erneut Anlaß zu einem speziellen ‚Domitianbuch‘: Buch VIII ist dem Kaiser gewidmet761 und entsprechend wieder von Frivolitäten freigehalten (VIII epist und VIII 1)762; seine Er-

756

757 758 759 760 761 762

Überreichung braucht jedoch durchaus nicht durch Iulius Martialis selbst zu erfolgen (anders etwa Craca comm (2018), 30) IV 27 zufolge hätte der Kaiser die Epigramme tatsächlich gelesen und Martial dafür entlohnt; doch wird dies durch Verwendung des Substantivs libelli (v  1) möglicherweise nur suggeriert: „libelli è termine generico e potrebbe referirsi ai componimenti inviati personalmente in raccolte informali“ (Citroni, 34; ebenso ja schon II 91,3 f ) Die gleiche Aufgabe nimmt Parthenius später auch gegenüber dem neuen Kaiser Nerva wahr (XII 11) Entsprechend äußert er auch im VI Buch die Zuversicht, für seine Verse die Aufmerksamkeit Domitians erlangen zu können (VI 1; 64,14 f ); allerdings wird nicht gesagt, daß Martial das Buch gezielt dem Kaiser zusendet Diesem Gedicht zufolge scheint ein einschlägiges Gesuch zuvor auf taube Ohren gestoßen zu sein VII 12,1 f ist wieder mit dem Kaiser als geneigtem Leser gerechnet Für die Einhändigung des Buches wird jetzt nicht mehr ausdrücklich die Vermittlung eines kaiserlichen Freigelassenen in Anspruch genommen Erst nach Domitians Ermordung wird  – in Buch XI  – die grenzenlose Freiheit der Saturnalien neuerlich bestimmend

188

Weitere Eckpunkte von Martials Vita

folge und die einschlägigen Feiern bzw Spiele prägen die Thematik des Buches in weiten Teilen (VIII 2; 4; 8; 11; 15; 21; 26; 30; 49(50); 53(55); 56(54); 65; 78; 80) und geben Anlaß, den Gottkaiser mit unermüdlichen Lobeshymnen zu überschütten; auch Buch IX weist – wiewohl nicht dezidiert dem Kaiser gewidmet – letztlich den gleichen Charakter auf Und wieder sieht sich Martial durch seine Ergebenheit legitimiert, die Gewährung von Vergünstigungen zu erbitten (VIII 24; im Namen aller Poeten VIII 82763; ein konkretes Gesuch IX 18) Damit jedoch hat das Verhältnis Martial – Domitian seine letzte Phase erreicht: Im X Buch sind nach Ermordung des Kaisers alle Spuren einer Domitianverehrung getilgt In der Gesamtschau nimmt Martials Annäherung an den Princeps einen nahezu geradlinigen Verlauf, der allein durch die räumliche Trennung der Beteiligten in B III und VII eine zeitweilige Unterbrechung erfährt, aber auch neue Impulse erhält 764 Dabei ist der Dichter zielstrebig und mit der Zeit nachgerade verbissen darum bemüht, die Gunst des Herrschers zu gewinnen: Ob ihn – seltene – Zeichen kaiserlicher Huld oder aber gerade deren Ausbleiben dazu bewegen, seine Bemühungen zu intensivieren, muß letztlich offenbleiben Jedenfalls unternimmt er es nur dort, wo er mit seinen – privat übermittelten oder aber in den Epigrammbüchern publizierten – Domitiangedichten gewissermaßen in Vorleistung gegangen ist, dem Herrscher Wünsche nach materieller Kompensation vorzutragen; doch gelingt es ihm allem Anschein nach nicht, wie Puelma (1995), 447 meinte, „schliesslich in den engeren Kreis des Kaiserhofes ein(zu)dringen“: –

Nennenswerte Gunstbeweise des Herrschers sind eher spärlich zu finden: IV 27,3 f kann Martial nur auf die schon II 92 publik gemachte Erneuerung des Dreikinderprivilegs verweisen 765 Die III 95,11 f erwähnten Bürgerrechtsverleihungen für Bekannte hat er sicherlich durch Einschaltung seiner senatorischen Freunde erwirkt; der Name Martials dürfte dabei in Anwesenheit des Princeps überhaupt nicht gefallen sein



Bittgesuchen an den Kaiser wird nirgendwo entsprochen: VI 10 bleibt ein solches unbewilligt; VIII 24 wird mit einer Ablehnung gerechnet Einer Petition, die öffentliche Wasserleitung anzapfen zu dürfen (IX 18), ist wohl – anders als im Falle von Statius (vgl silv III 1,61–64) – ebenfalls kein Erfolg beschieden 766

763 Bezeichnenderweise tritt Martial gerade in den Domitian zugeeigneten Büchern nach außen hin als Anwalt überpersönlicher Anliegen auf (V 19; VIII 82) 764 In seiner eingehenden Untersuchung hat Leberl 2004 (dort v a   328–339) Martials Domitianpanegyrik überzeugend in die drei Entwicklungsstadien ‚vereinzelt‘ (B I–III), ‚unkonventionell‘ (B IV–VII) und ‚übersteigert‘ (B VIII–IX) geschieden 765 Vgl hierzu das Kapitel ‚Martial als Ehemann?‘ 766 Das Fehlen eines einschlägigen Dankgedichtes kann wohl nicht zwingend, aber doch wahrscheinlich mit Szelest (1974a), 106 als Indiz für die Vergeblichkeit von Martials Eingabe betrachtet werden Oder könnte sich eine – nachträglich getilgte – Danksagung in der Erstauflage des X Buches

Martial und Domitian



189

Überdies fehlt jedes Zeugnis für eine persönliche Begegnung mit dem Herrscher, die der Dichter sicher mit allen Zeichen tiefer Ergriffenheit in seinen Versen verewigt hätte (vgl V 3 für den Daker Degis) Zusammen mit omnis eques … popu­ lusque patresque nimmt Martial zwar nach Beendigung des Sarmatenkrieges an einem öffentlichen Festmahl teil (VIII 49(50) mit v  7); eine Einladung zu Domitians Tafel kann er sich jedoch – wieder im Unterschied zu Statius: vgl silv IV 2,63–67 – nur erträumen (IX 91) Domitians angeblicher Kommentar zu seiner Dichtung (I 5) „is of course no more than a fictive pun on Martial’s part“ (Iddeng 2005, 202); und die freundliche Kenntnisnahme seiner Verse (IV 27,3; VI 64,14 f ) wie auch eines Bittgesuchs (V 19,17 f ; VI 10,6) kann Martial – soweit nicht einfach nur imaginiert – durch die von ihm als Vermittler eingeschalteten Hofbeamten (IV 8 Euphemus, V 5 Sextus, V 6 Parthenius) erfahren haben 767

Angesichts dieser Faktengrundlage sind alle Versuche, den an Domitian gerichteten oder – direkt wie indirekt – auf diesen bezogenen Gedichten eine Aussage abzugewinnen, die Martials Panegyrik ihre angebliche Würdelosigkeit nimmt und ihrem Verfasser innere Unabhängigkeit zuerkennt, eher reserviert zu betrachten: 1

Martials Domitiangedichte sollen unterschwellig Kritik am Kaiser und seinen Maßnahmen zum Inhalt haben:768 Seine Sittengesetzgebung wird als wirkungslos, der Herrscher selbst als unmoralisch, sein Kastrationsverbot vor dem Hintergrund der Earinusgedichte als heuchlerisch denunziert Eine Widerlegung der einzelnen Punkte braucht hier nicht noch einmal vorgenommen zu werden769; es

befunden haben? – Weitergehende Erklärungen für ein mögliches Scheitern Martials sind ohne wirkliche Substanz: Szelest vermutet, Martial habe durch Vorwitz und Ungeschick ungewollt das Mißfallen des Herrschers erregt (1974a und 1986, dort 2569–2576: ‚Martial und der Kaiserhof ‘); W Hofmann (1983) wertet die „Aufdringlichkeit der Schmeichelei“ selber schon in B I als „eine peinliche Entgleisung“ (241), die der Kaiser übelgenommen haben könnte Iuv  4,69 ff (über Domitian) illi / surgebant cristae: nihil est quod credere de se / non possit cum laudatur dis aequa potestas hätte hier eines besseren belehren können 767 Obwohl Martial die kaiserlichen liberti über Jahre hofiert, scheint ihm – von Parthenius einmal abgesehen – nicht einmal dieser Personenkreis besonders entgegengekommen zu sein: vgl COLOMBO 2013 768 Vgl Holzberg 1986 und 1988, 74–85 sowie Garthwaite 1978, 1990 und 1993; für einen Forschungsüberblick vgl Lorenz (2002), 45–50, für eine substantielle Diskussion Nauta (2002a), 412–440 (‚Subversion or support?‘) 769 Garthwaite, der den Preis der kaiserlichen Sittengesetzgebung in Buch VI und IX jeweils durch Nachbargedichte(!) bzw durch Verweis auf einschlägige Verstöße konterkariert sah (1990 und 1993), wird überzeugend von M Johnson (1997) widerlegt; allein die befremdliche Vorstellung einer intermittierenden Domitiankritik (in B VI und IX, dagegen unverdächtiger Domitianpreis in B VIII) nimmt der These ihre Glaubwürdigkeit Ansonsten sprechen die forcierten Spekulationen, mit denen Garthwaite und Holzberg (1988) „unterschwellige Prinzipatskritik“ (84) auf einer „zweiten Bedeutungsebene“ (77) „im Schutze eines ausgeklügelten Verschleierungsapparates“ (85) zu untermauern suchen, unmittelbar für sich; vernünftige Gegengründe formulieren Klug (1995), 70 f und Julhe (2015), 15–21; Holzberg (2002) hat seinen eigenen Interpretationsansatz

190

Weitere Eckpunkte von Martials Vita

genügt, sich die generelle Widersinnigkeit der These vor Augen zu halten: Bestand doch für Martial weder aufgrund seiner sozialen Stellung noch seiner persönlichen Interessen die geringste Veranlassung, mit der in höheren Kreisen der Gesellschaft verbreiteten Aversion gegen den Kaiser zu sympathisieren, sich solcherart als Sprachrohr der Opposition zu empfehlen und so letztlich der eigenen Existenz ihre Grundlage zu entziehen:770 Schließlich wären noch so raffinierte Spitzen, wie sie die moderne Forschung zu entdecken glaubt771, auch den Zeitgenossen nicht verborgen geblieben772 und hätten Martial den Verlust nicht nur der kaiserlichen Gunst, sondern auch des Wohlwollens all seiner – ihrerseits auf die Huld des Herrschers angewiesenen – Patrone eingetragen Wenn der heutige Leser dazu neigt, Martials Kaiserpanegyrik für übersteigert zu erachten und aus dieser Perspektive auf eine Ironisierung der einschlägigen Texte zu schließen773, mag ihn der Blick auf das Kaiserlob anderer Autoren ernüchtern: Auch der keineswegs ironieverdächtige Panegyricus des Plinius ist von überbordender Servilität gekennzeichnet 774 2

770 771

772

773

774 775

Den Domitiangedichten wird tiefere Seriosität abgesprochen, sollen sie doch von einer epigrammtypischen Komik durchzogen sein:775 Martial stellt „den

verworfen Gegen das ausufernde Bestreben, römische Dichter der Kaiserzeit als Regimekritiker zu adeln (so bei Ahl 1984), wendet sich ansonsten Römer (1994); dessenungeachtet bleibt Martial für Dion (2009) und Wolff (2009) der ‚poète irrévérencieux‘ Auch als es nach Domitians Ermordung von Vorteil gewesen wäre, unternimmt es Martial im übrigen nicht – anders als etwa Plinius -, sich ex post als Oppositionellen zu stilisieren Vgl Holzberg (1988), 75: „Es gab ja auch die Methode der Verschleierung des eigentlich Gemeinten, bei der man hinter Äußerungen einer prokaiserlichen Gesinnung Systemkritik dadurch versteckte, daß man sie durch Doppeldeutigkeiten und raffinierte Plazierung in einem unverdächtigen Kontext bis zur Unkenntlichkeit tarnte “ Was sollte denn eine Kritik bezwecken, die nicht mehr zu erkennen war und dann erst durch den modernen Philologen aufgedeckt werden kann? Sollte es Martial nur darum gegangen sein, „à préserver son estime à ses propres yeux, et aux yeux d’un petit cercle d’admirateurs avertis“ (Wolff 2009, 275)? Die verbreitete Annahme, der wache Leser habe solche Signale entschlüsseln können, während der Kaiser und seine Entourage durchweg mit Blindheit geschlagen waren, ist ebenso naiv wie die Vorstellung, durch eine raffiniert mehrdeutige Formulierung habe sich der Dichter vor unangenehmen Konsequenzen zu schützen vermocht: Oder hätte sich der Sophist Maternus, den Domitian hinrichten ließ, ὅτι κατὰ τυράννων εἶπέ τι ἀσκῶν (Dio Xiph LXVII 12,5), etwa dadurch vor dem Zorn des Gottkaisers retten können, daß er (wahrheitsgemäß?) vorbrachte, er habe nicht auf diesen abgezielt? (Vgl auch die ähnlich gelagerten Fälle des Hermogenes und des Helvidius Priscus Suet Dom  10,1 und 4) Daß sich neuzeitliche Zensurbehörden mit entsprechendem Geschick überlisten lassen, steht auf einem ganz anderen Blatt W Hofmann (1983) konstatiert eine Entwicklung hin zu den Büchern VIII und IX mit einer „hohle(n), geradezu kultische(n) Verehrung des Kaisers“ (246), um diese dann zur „Kaiserhuldigung … als offene(r) Heuchelei“ (ebd ) zu verkürzen; vgl entsprechend Herrera Zapién (1984), 79: „adulaciones, muchas de las cuales suenan irónicamente desmesuradas“ (79) So zu Recht Sullivan (1991), 128 Vgl Holzberg (2002) mit dem in der Zweitauflage der von ihm verfaßten Bücher vorherrschenden Perspektivenwechsel sowie Lorenz (2002)

Martial und Domitian

191

Herrscher als fiktive Figur auf die Bühne seiner witzigen und obszönen Poesie“ (Holzberg 2002, 67); der Dichter, der sich selbst als naive bzw lächerliche per­ sona inszeniert, entschließt sich zur „Verwandlung des historischen Kaisers in einen fiktionalisierten Domitian, der epigrammatischen Maßstäben entspricht“ (Lorenz 2002, 118 f ), bzw zur „bisweilen frechen Epigrammatisierung Domitians“ (ebd 208) Doch weder die These einer „Fiktionalisierung der Sprecherund der Kaiser-personae“ (ebd 249) noch die auf nahezu alle Domitiangedichte aufgepfropfte Erkenntnis, wonach „Martial eine naive Figur ist, die eine komische Panegyrik vorträgt“ (ebd   142 zu IV 11)776, werden dem Textbefund wirklich gerecht: Einschlägige Interpretationen sind von einer bemerkenswerten Gewaltsamkeit bestimmt777; und die zahlreichen Epigramme, die Domitian auf dem Umweg über andere Personen huldigen (vgl etwa IX 23 und 24 an Carus), finden in diesem Gedankengebäude ebenso wenig eine angemessene Würdigung wie die für die These unbrauchbaren Domitiangedichte selbst Da Martial in seine Sammlung auch sonst Stücke aufnimmt, die ohne Augenzwinkern formuliert sind (so etwa die Lob- und Trauergedichte)778, läßt sich auch der Gattungszwang nicht als Grund benennen, warum ihm die Integration panegyrischer Gedichte in sein Epigrammcorpus eine Grundhaltung witziger – oder doch eher alberner – Respektlosigkeit abgenötigt haben müßte 779 Gerade die Kaiserpanegyrik sollte primär auf ihren Sitz im Leben bezogen, mithin als Hofpoesie und nicht als abgehobenes Literatenspiel wahrgenommen werden 780

776 Vgl auch 50: „Die für uns maßgebliche Perspektive der naiven persona macht auch die Kaiser zu komischen Figuren in komödienhaften Szenen, und die persona bewertet die Kaiser gemäß ihrer eigenen von sexueller und materieller Gier bestimmten Weltsicht“; oder 250: „Wahrscheinlich haben auch die principes über die humorvolle Panegyrik gelacht, die ihnen von der komischen Figur Martial angeboten wurde “ Die Vorstellung, der Beherrscher des Imperium Romanum habe sich über die platten Vertraulichkeiten eines als Kasper auftretenden Klientendichters amüsiert, mag dann doch eher in Erstaunen setzen 777 Vgl die von Holzberg (2002), 63–74 und Lorenz (2002), passim angeführten Belege Um gerade nur ein Beispiel zu nennen: In VIII 21 (Martial sehnt die Ankunft des Kaisers herbei) assoziiert Holzberg (2002), 71 f in Zuspitzung von L Watson (1998): „eine bestimmte Tradition des erotischen Sprechens…: diejenige des Tageliedes“ (bes Ov am I 13) und schließt daraus: „Die literarische Anspielung versetzt Domitian in die Rolle eines von Martial sexuell begehrten Mannes “ 778 Auch der Ernst der letzteren soll Lorenz (2009) zufolge durch benachbarte Spottgedichte relativiert und dadurch als literarischer Kunstgriff kenntlich werden (378: Martial „kann … das Thema ‚Trauer‘ offensichtlich auch im Sinne der literarischen Attraktivität seiner Bücher instrumentalisieren“) Daß manche der einschlägigen Gedichte tatsächlich ironisch-parodisch getönt sein können (Canobbio 1997), kann hier nicht als Argument dienen 779 Für eine adäquate, ohne die Vorstellung einer Fiktionalisierung von Dichter-Ich und Kaiser auskommende Würdigung des gattungstypischen Humors vgl Leberl (2004) und Julhe (2015); die Auseinandersetzung mit Holzberg (2002) und Lorenz (2002) führt Leberl, 354–357 780 Die unterschiedliche Tonlage der Martialgedichte gilt es letztlich als gattungskonform zu akzeptieren: Es besteht kein Anlaß, sie als bewußt eingesetzte, zur Markierung eines vergifteten Herrscherlobes dienende Dissonanz zu überhöhen, noch sie als Ausdruck allgegenwärtiger, durch die

192 3

Weitere Eckpunkte von Martials Vita

Den Domitiangedichten wird – jenseits ihrer unmittelbaren Zielsetzung – eine überpersönliche Aussage im Sinne einer „normative pressure“ unterlegt:781 „The poet offers his and his readership’s legitimation of the emperor’s role in the Roman political system; in exchange the emperor is expected to fulfill the public conception of the emperor as presented in the poems“ (Spisak 1999, 83) 782 Auch dort, wo Martial wirklich einmal Erwartungen der Gesellschaft an den Kaiser heranträgt (V 19), kann er jedoch sein Eigeninteresse nicht verleugnen (vgl das kecke Eingeständnis im Schlußvers v  18 utile … nobis do tibi consilium)783; und seine persönlichen, d h in der ersten Person an den Herrscher gerichteten Gedichte784 dokumentieren das intensive Bemühen des Epigrammatikers, das kaiserliche Wohlwollen zu erringen und aus diesem persönliche Vorteile zu ziehen Weder Martials gesellschaftliche Stellung noch der Tenor seiner Gedichte, an denen man allzumal gerade ihre Unterwürfigkeit kritisieren zu müssen glaubte, erlauben es, ihn „as a mediator or broker in the legitimation process that was ongoing between the emperor and the social community“ (Spisak 2007, 68) zu sehen und ihm als zentrales Darstellungsziel „a belief in and glorification of the Roman political system“ (Spisak 1999, 82) zuzuschreiben

Unter dem Strich huldigt Martial dem Kaiser wenn auch vielleicht mit eher mäßigem Erfolg, so doch in einer Sprache, wie sie bereits eine Generation zuvor bei Angehörigen der Oberschicht zur Anwendung kam (vgl das Neroelogium Sen apocol  4,1 und das – oftmals als ironisch verdächtigte – Pharsaliaproöm Lucan I 33–66) und wie sie im Umgang mit einem dominus et deus – zumindest aus seinem Blickwinkel und angesichts der von ihm verfolgten Interessen  – letztlich alternativlos war Das diesbezügliche Unbehagen heutiger Interpreten resultiert aus einer modernen Sicht, die sich

Begegnung von lächerlicher Dichter-persona und epigrammatisiertem Kaiser hervorgerufener Drolligkeit abzutun 781 Spisak 1999 (das Zitat 79) und 2007; Deutungen „as self-serving flattery, as literal truth, or as ironic and subversive“ (1999, 83) will Vf ihre Berechtigung im Einzelfall jedoch nicht absprechen 782 Analog unterlegt Spisak 1998 und 2007 auch solchen Epigrammen eine erzieherische Absicht, in denen sich Martial gegenüber seinen Mitbürgern über – ausbleibende wie eintreffende – Geschenke äußert: „[T]he gift-giving poems are sophisticated moral dialogues on trust and friendship, not pleas for support, as they usually are taken“ (1998, 243) „With his policing of the ethic of amicitia Martial both describes and prescribes normative behavior for his readership, the landed classes“ (254) In gleicher Weise will auch Gold (2003) in den Martialgedichten „a philosophy of giving“ (612) bzw die Abbildung einer „gift-exchange relationship“ (606) erkennen Für die solcherart interpretierten Gedichte stellt die Reduktion ihrer Aussagen auf generelle Lehren keinen wirklichen Gewinn dar: vgl Spisak (1998), 252 zu X 15(14): „… is Martial here soliciting money and gifts, or rather is he instructing his readers on behavior proper to a friend?“ 783 Der Dichter versteht es nicht nur gegenüber Domitian (vgl VI 10), sondern auch gegenüber sonstigen Förderern, durch die Veröffentlichung einschlägiger Texte mit sanftem Druck auf die gewünschte Unterstützung hinzuarbeiten: vgl etwa VII 16; 36 784 Daß Agosti (2003) gerade diesen Epigrammen besonderes Augenmerk widmete, hat Entscheidendes zur Klärung des Verhältnisses Martial – Domitian beigetragen

Martial als Anwalt?

193

weigert, die andersartigen Gegebenheiten einer ihr fremden Epoche zeit- und gesellschaftsadäquat zu beurteilen; die abschätzige Sichtweise von Martial als Speichellecker ist nicht durch ahistorische Uminterpretation seiner Epigramme, sondern durch deren Würdigung als zeitgebundener Texte zu überwinden II. Martial als Anwalt? Für die verschiedentlich geäußerte Vermutung, Martial habe sich während seiner frühen Jahre in Rom als Anwalt durchgeschlagen, läßt sich keine belastbare Aussage des Inhalts ‚Ich habe mich (in meiner Jugend? ohne Erfolg?) auch als Anwalt betätigt‘ beibringen; und selbstverständlich sind auch die Stellen, an denen er sich in verschiedenster Weise über die Tätigkeit des Rechtsbeistandes äußert785, in dieser Hinsicht ohne Beweiskraft Nichtsdestoweniger fehlt es nicht an Texten, die eine solche Annahme zumindest begünstigen 1

I 17 erhält Martial von dem Wucherer Titus den Rat, als Anwalt könne er reich werden (v  1 f actitare causas / … magna res est), und antwortet diesem mit einer sprichwortartigen Sentenz: res magna est … quam facit colonus (v  3: „what makes a fine farm [i e magna res], is a good farmer“)786, um dadurch sein eigenes, am ehesten doch in der Praxis erfahrenes Ungenügen in diesem Metier zu bekunden: „Advocacy is … a great affair – if the advocate is on top of his job “787 Als ihm der gleiche Rat II 30 von einem felixque vetusque sodalis (v   3: Gaius) noch einmal gegeben wird (v  5 dives eris, si causas egeris), reagiert er eher gereizt und verzichtet auf eine inhaltliche Bewertung Allein der Ratschlag als solcher dürfte indes voraussetzen, daß ihm sein Empfänger, guten Willen vorausgesetzt, realiter Folge leisten könnte

2

Im Dialog mit einem Gegenüber (Sextus), das in Rom sein Auskommen finden will, diskutiert Martial III 38 die gegebenen Möglichkeiten – v  3–6 Anwaltstätigkeit, v  7–10 Dichterdasein, v  11 f Umgang mit einflußreichen Gönnern –, um sie

785 Als Charakteristika des Advokatendaseins thematisiert Martial mehr als spärliche Einkünfte (I 98; IV 46; VI 8; XII 72; XIV 219) und einen vergleichsweise strapaziösen Alltag (I 49,35; IV 8,2); andererseits ermutigt er jedoch auch zu diesem Beruf (II 64) und räumt die Möglichkeit ein, als Anwalt Reichtum zu erlangen: I 76,12 f (im Unterschied zum Los des Dichters); VIII 16; IX 68,5 f (vgl hierzu Iuv  7,125–128) 786 Die Wiedergabe zusammen mit der schlagend richtigen Erklärung bei Housman (1907), 232 Völlig mißverstanden ist die Aussage des Gedichtes bei Allen u a (1970), 348 („He tells Titus that he would sooner be a farmer than a lawyer“) oder Barié/Schindler tr , 47 (‚Versteckte Bettelei um ein bäuerliches Anwesen‘) 787 Shackleton Bailey (1978), 274 unter Hinweis auf die Notwendigkeit, diese Aussage durch eine Konjektur (v  3 lies: cum statt quam) zu stützen; für absolut gebrauchtes facere verweist er etwa auf Ov ars III 57 dum facit ingenium, petite hinc praecepta

194

Weitere Eckpunkte von Martials Vita

alle als aussichtslos zu verwerfen Am wahrscheinlichsten rekapituliert hier Martial die von ihm selbst bis dato ohne Erfolg erprobten – und für den Augenblick wieder aufgegebenen  – Wege; fällt doch gerade in diese Zeit sein resignativer Rückzug nach Forum Cornelii (III 4,4) 788 3

V 16 konfrontiert Martial sein – selbstgewähltes – karges Dichterdasein mit denkbaren Einnahmen si …/ sollicitis … velim vendere verba reis (v  5 f ) und sieht sich durch das Unverständnis des Interlocutors faktisch in Richtung einer Anwaltstätigkeit gedrängt: dissimulas? facies me, puto, causidicum (v  14) VIII 17 beklagt der Sprecher nach einem für Martials vetus sodalis (II 44,4) Sextus geführten – und durch eigene Unfähigkeit verlorenen!789 – Prozeß, um das vereinbarte Salär gebracht worden zu sein; und im spanischen Ruhestand weist Martial das Ansuchen von Klienten, sich ihrer Prozesse anzunehmen, unter Hinweis auf Unlust und Unvermögen zurück: non sum ego causidicus nec amaris litibus aptus (XII 68,3)

4

Wo Martial seinem Traum von einem glücklichen Dasein Gestalt verleiht, äußert er mehrfach den Wunsch, von Prozessen verschont zu bleiben: vgl II 90,9 f (an die Adresse Quintilians gerichtet) sit mihi verna satur, sit non doctissima coniunx,/ sit nox cum somno, sit sine lite dies sowie V 20,5 ff (über ein freudvolles, aber offensichtlich nicht realisierbares Leben zusammen mit seinem Freund Iulius Martialis) nec nos atria nec domos potentum / nec litis tetricas forumque triste / nossemus nec imagines superbas; noch X 47,5 gehört lis numquam zum festen Inventar seiner Glücksvorstellungen

In der Zusammenschau ergeben die Stellungnahmen dieser Gedichte eine plausible Indizienkette: Gerade zu Anfang seiner Dichterkarriere sieht sich Martial mehrfach zur Aufnahme (oder Fortsetzung) einer Advokatentätigkeit aufgefordert; vormals hat er sich darin versucht790, dabei jedoch nur mäßige Erfolge erzielt Entsprechend wünscht er  – zum Poeten avanciert  – einschlägige Zumutungen fürderhin von sich abzuwehren, ohne dabei durchgängig Gehör zu finden: Wo er für einen Freund die Prozeßführung übernimmt, muß er dann aber tatsächlich eine Niederlage hinnehmen und bestätigt so die eigene Selbsteinschätzung Der Sache nach deckt sich dieses Ergebnis weitestgehend mit dem Bild, das schon O Ribbeck Ende des 19 Jahrhunderts von dem causidicus Martial entworfen hatte: „Unbemittelt wie er war ergriff er auf Zureden von Freunden um des Erwerbes willen zunächst das Geschäft eines Rechtsanwaltes (…), aber er fühlte nicht den geringsten 788 Ferner könnte auch XI 30 das Stichwort causidicus auf den Dichter gemünzt sein: Zoïlus verunglimpft Anwälte und Poeten (= Menschen wie Martial?) als Mundstinker; prompt erfolgt Martials Retourkutsche: Ein fellator (= Zoïlus) stinkt noch viel mehr! 789 Zu dieser Erklärung vgl Kat 2 s v Sextus Die in dem Gedicht vorherrschende Selbstironie erweist die Identität von Ich-Sprecher und Dichter 790 Immerhin hat er nach IX 73,7 f eine einschlägige Ausbildung in der Rhetorenschule erfahren

Martial als Ehemann?

195

inneren Beruf dazu und hat es jedenfalls so lässig und verdrossen betrieben, daß nichts dabei herauskam Vergebens hat u a Quintilian … den Landsmann, als er schon lange kein Jüngling mehr war, zu größerem Eifer ermahnt (…) So oft er auch in späteren Jahren sich sein bescheidenes Lebensideal ausmalt, nie vergißt er hervorzuheben, daß er von Rechtshändeln unbehelligt zu sein wünsche Dennoch fehlt es nicht an Spuren, daß er dauernd eine gewisse Praxis als Advokat geübt hat “791 „Offenbar spricht er aus eigener Erfahrung, wenn er einem Ankömmling erklärt, daß er in Rom weder als Anwalt noch als Dichter noch als Client auf sichere Versorgung hoffen dürfe “792 III. Martial als Ehemann? Auf der Suche nach Indizien, die Martials Personenstand belegen könnten793, wird der Philologe mit durchaus widersprüchlichen Zeugnissen konfrontiert Für die Existenz einer Ehefrau scheinen zu sprechen: III 92 Wunsch der uxor, ihren Liebhaber akzeptiert zu sehen; IV 24 Wunschtraum Martials, auf das Ableben seiner uxor gerichtet; XI 43 vergebliche Versuche der uxor, sich in Konkurrenz zu Martials puer zu behaupten; XI 104 ultimative Aufforderung an die uxor, Martials sinnliche Freuden zu tolerieren Als Junggeselle tritt der Dichter dagegen in mehreren Epigrammen auf, in denen er sich jeweils einer Ehe verweigert: II 49 (mit Telesina); VIII 12 (mit einer reichen Frau); X 8 (Paula); XI 19 (Galla); XI 23 (sehr ausführlich: Sila) Dazu kommen Gedichte, die entweder beide Aussagen zulassen oder von unserer Fragestellung völlig ferngehalten werden müssen: II 90,9 mihi … sit non doctissima coniunx Hier ist nicht zu entscheiden, ob eine vorhandene oder aber eine gedachte Ehefrau charakterisiert wird II 92,3 valebis uxor „Lebe wohl, Ehefrau“ (Barié/Schindler, tr  181), als Konsequenz des Dreikinderprivilegs794 formuliert  – weil Martial nun nicht mehr heiraten muß? oder weil er seine bisherige Frau in die Wüste schicken kann?

791

O Ribbeck, Geschichte der römischen Dichtung, Bd 3: Dichtung der Kaiserherrschaft, Stuttgart 1892, 252 792 Ebd  270 793 Vgl Scamuzzi (1966), 180–187; Ascher (1977); Schnur (1979); Sullivan (1978/79); P Watson (2003) und Becker (2008) Die folgenden Ausführungen orientieren sich in erster Linie an Watson 794 S die nachstehenden Darlegungen zur Sache

196

Weitere Eckpunkte von Martials Vita

III 33

Martials ‚erotische Rangordnung‘795 ist thematisch nicht mit der Ehefrage zu verbinden IV 22 Das ‚Ich‘ als Ehemann(?) Cleopatras – Das Epigramm reproduziert eine hellenistische Vorlage796; die 1 Ps Sgl kann von vornherein nicht auf Martial bezogen werden V 17,2 noster eques („ein Ritter wie unsereiner“: Barié/Schindler tr , 335) wird von Gellia als armselige Partie eingestuft, ohne daß die konkrete Verfügbarkeit Martials als Heiratskandidat zu folgern wäre VII 95,7 f  / eine (nicht: meine!) liebevolle Ehefrau (mit Tochter) bzw grausame XI 84,15 uxor scheidet als – theoretisch denkbare – Akteurin einer uxor-typischen Handlung (Küssen, Kratzen) aus X 47,10 non tristis torus et tamen pudicus gehört zu einem glücklichen Leben, wie es der Freund Iulius Martialis wohl tatsächlich führt; ein wie immer gearteter Bezug auf den Sprecher ist im Text nicht angelegt Angesichts des divergierenden Befundes und der nicht a priori von der Hand zu weisenden Möglichkeit der Existenz von Rollengedichten wird man die vorgenannten Epigramme nicht als Ausgangspunkt für eine Untersuchung zum Thema ‚Martial: ma­ ritus oder caelebs‘ wählen dürfen, jedoch auch nicht ausschließen, daß sie sekundär als Stütze einer anderweitig gewonnenen Erkenntnis Verwendung finden könnten Für eine solche Erkenntnis jedoch läßt sich am ehesten die unbestreitbare Verleihung des Dreikinderprivilegs an Martial heranziehen 797 Dieses Dreikinderrecht798, das dem begünstigten Personenkreis neben anderen Vorteilen nicht zuletzt eine erbrechtliche Besserstellung gewährte799, war von Augustus als bevölkerungspolitische Maßnahme zur Steigerung der Geburtenrate eingeführt worden Spätere Kaiser behielten sich eine Verleihung ehrenhalber vor800, praktizierten diese jedoch eher spärlich (Plin epist II 13,8; X 95)801 und suchten auch einem Miß-

795 Dies die Gedichtüberschrift bei Barié/Schindler tr , 203 796 S das Kapitel ‚Der Einfluß literarischer Tradition‘ 797 Am nachdrücklichsten haben sich Scamuzzi und Watson für eine Verwertung des ius trium liberorum als Argumentationsgrundlage ausgesprochen 798 Hierzu vgl  – ebenso vorzüglich wie aktuell – Armani (2018) mit Sammlung aller einschlägigen Stellen, ferner Jörs (1882), 59–63 und Steinwenter, RE X 2 (1919), 1281–1284 s v Ius liberorum; speziell zu Martial (jedoch veraltet) Prinz 1931 und Daube (1976)1991 799 Neben der Ehre (zum Stolz des Dichters vgl III 95,5 f und IX 97,5 f ) dürfte dieser Aspekt für Martial die größte Bedeutung gehabt haben; Gedanken an eine Erbschaft bestimmen ja etwa V 39; IX 48; X 97; XI 67; XII 40; 73 800 Für sich selbst führte Caligula einen entsprechenden Senatsbeschluß herbei (Dio Cass LIX 15,1); und auch schon Livia hatte diese Ehrung erfahren (ebd LV 2,5 ff ) 801 Als konkrete Nutznießer sind literarisch neben Martial nur Iulius Menecrates (Stat silv IV 8,20 ff ), Voconius Romanus (Plin epist II 13,8), der jüngere Plinius (Plin epist X 2) und Sueton (Plin epist X 94 und 95) belegt

Martial als Ehemann?

197

brauch des Privilegs, z B durch alsbaldige Scheidung, nach Möglichkeit zu begegnen: Galba verlieh das Dreikinderrecht überhaupt nur auf Zeit (Suet Galba 14,3) 802 Martial selbst war die Ehre nicht erst durch Domitian, sondern schon durch dessen Vorgänger zuteil geworden (vgl III 95,5 f Caesar uterque / natorum … dedit iura paterna tri­ um; ebenso IX 97,5 f ); die ursprüngliche Verleihung dürfte als Anerkennung für den Liber spectaculorum, seine Preisdichtung „auf die von Titus bei der Einweihung des Flavischen Amphitheaters im J  80 n Chr veranstalteten Schauspiele“ (Friedländer comm 1, 134), erfolgt sein803, ohne daß sich daraus Rückschlüsse auf seinen seinerzeitigen Familienstand ziehen ließen In seinem an die Adresse Domitians gerichteten Bittgesuch um Erneuerung dieses Privilegs (II 91) greift Martial dann allerdings auf das zentrale Argument zurück, das auch sonst einschlägige Texte  – ob für den Antragsteller selbst oder aber einen Protegé formuliert – zu bestimmen pflegt:804 Neben dem Themenkreis ‚Würdigkeit‘ bzw ‚Verdienste‘ war hier nämlich ausdrücklich auf die unverschuldete und trotz längerer bzw mehrfacher Ehe fortbestehende Kinderlosigkeit abzuheben (v  5 f quod fortuna vetat fieri permitte videri,/ natorum genitor credar ut esse trium; analog Plin epist X 94,2 quod … fortunae malignitas denegavit wie auch epist X 2,2) 805 Eine mit dieser Begründung vorgetragene Bitte ist jedoch nur aus der Feder eines – schon längere Zeit? – verheirateten Mannes denkbar 806 Mithin war Martial zur Zeit der Abfassung von II 91 und dem folgenden Dankgedicht II 92 verheiratet und durfte auch in der unmittelbaren Folgezeit seine Bereitschaft, Nachwuchs zu generieren, nicht durch eine mutwillige Scheidung aufkündigen: Sein Ausruf valebis uxor (II 92,3) ist entsprechend als Scherz, die einschlägige Begründung (v  4 non debet domini perire munus) als gewollt komische Scheinlogik einzustufen 807 Es bleibt nun allerdings zu fragen, in welchen zeitlichen Rahmen Antrags- und Dankgedicht einzuordnen sind Nach einhelliger Forschermeinung spiegeln die

802 Vgl auch A N Sherwin-White, The Letters of Pliny (comm ), Oxford 1966, 691 (zur Plin epist X 95 angedeuteten Verleihungspraxis Trajans): „Perhaps the grant was limited in time, … or revocable if the holder omitted certain opportunities, e g of remarriage on the death or divorce of a wife “ 803 Dies die übliche Erklärung; die in jüngster Zeit gegen eine solche Kontextualisierung erhobenen Bedenken (vgl Lorenz 2002, 57 ff ; Buttrey 2007; ein erster Hinweis schon bei Blanchet 1941) sind wohl dahingehend aufzulösen, daß in das Corpus der Einweihungsgedichte auch spätere Epigramme eingeflossen sind (Coleman comm , p  XLV–LXIV; Russotti 2019, 114–125) 804 Zu solchen Gesuchen vgl noch VIII 31; von Protektion berichten Plin epist II 13,8; X 2,1; 94 805 So kann Martial einem anderen Bewerber um das ius trium liberorum vorhalten, er habe die Möglichkeit der Kinderzeugung durch räumliche Trennung von der Ehefrau (VIII 31) oder „before testing the fertility of his marriage“ (Watson, 46 zu IX 66) a priori vereitelt 806 Vgl Watson, 42 f (zu II 91,5 f ): „This can only refer to an infertile marriage (or marriages), not to the state of a bachelor: a Roman man who was still a caelebs in middle age would have remained so by choice, not bad luck “ Die solcherart zu belegende Ehe sieht Watson selbst erstaunlicherweise gerade und nur für die Zeit der Erstbewilligung des Dreikinderrechts durch Titus als gegeben an 807 In seriösen Äußerungen wird das Privileg gerade als Ansporn betrachtet, sich verstärkt um eigene Kinder zu bemühen (Plin epist X 2,2)

198

Weitere Eckpunkte von Martials Vita

Epigramme die Situation in den ersten Wochen nach Domitians Thronbesteigung (14 IX 81):808 Da der Kaiser, wie seit Titus üblich, alle Privilegien seiner Vorgänger ungebeten durch Sammeledikt erneuerte (Suet Tit  8,1; für Domitian: Dio Xiph LXVII 2,1), müßte Martial mit seiner Eingabe dem globalen Erlaß des Kaisers zuvorgekommen sein (Prinz 1931, 153; Daube (1976)1991, 1323); wenn er noch Jahre später809 die Umstände vom Herbst 81 vergegenwärtigt, mochte ihm daran gelegen sein, um seines persönlichen Renommees willen als persönliche Ehrung auszugeben, „what was in reality just an en bloc concession“ (Daube a a O ) Genauer besehen, kann diese Erklärung jedoch nicht zutreffen, bringt Martial doch zur Begründung seines Gesuchs neben schicksalsgewollter Kinderlosigkeit auch seine vom Kaiser geschätzte Dichtung vor (II 91,3 f si festinatis totiens tibi lecta libellis / detinuere oculos carmina nostra tuos) 810 Da Martial jedoch bis dato keine lange Publikationsliste aufweisen kann, muß sich totiens auf eine Mehrzahl von – heute nicht mehr faßbaren – Grußadressen, Huldigungs- und Preisgedichten beziehen811, die dem Herrscher nach seinem Regierungsantritt812 persönlich zugegangen waren 813 Daraus ergibt sich für die Interpretation von II 91 eine ganz neue Sachlage: –

Die dem Kaiser totiens zugedachten Verse können nicht innerhalb weniger Tage oder Wochen abgefaßt worden sein; für ihre – jeweils durch einen besonderen Anlaß motivierte – Entstehung sind vielmehr Monate oder gar Jahre anzusetzen Damit rückt die situative Veranlassung des Gedichtes in die zeitliche Nähe seiner Veröffentlichung814, und seine Sonderstellung als Rückschau auf ein längst vergangenes Ereignis wird hinfällig

808 Natürlich muß dieser situative Zusammenhang nicht notwendigerweise mit der Entstehungszeit der Gedichte übereinstimmen 809 Die Veröffentlichung des zweiten Epigrammbuches ist wohl auf Ende 86 zu datieren: vgl Friedländer comm 1, 52 ff sowie Citroni (1989), 222 f 810 Im Dankgedicht wird das Privileg sogar ausschließlich als Musarum pretium … mearum eingestuft (II 92,2) 811 Xenia und Apophoreta können in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen 812 Es ist wohl schwerlich vorstellbar, Martial habe sich der Gunst des Prinzen bereits vor seiner Thronbesteigung totiens versichern wollen 813 Citroni (1988)1996, 9–13; Nauta (2002a), 365–374 Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, wieso Martial seinem verstorbenen Sekretär in einem Nachruf eine manus …/…nota…Caesaribus zuschreiben kann (I 101,1 f ) Daß sich Martial im übrigen schon vor der Publikation von B I auch im Kreis seiner Freunde durch zahlreiche Gedichte einen Namen gemacht hatte (vgl II 6 und Citroni, 13–17), wird daran deutlich, daß er sich in seinem ersten Epigrammbuch nachdrücklich mit Plagiatoren auseinandersetzen muß (I 29; 38; 52; 53; 66; 72) und sich schon eine gewisse Berühmtheit zuschreiben kann: Mag auch I 1 auf eine Zufügung aus späteren Jahren zurückgehen (Lehmann 1931, 14), so zeugt doch auch die Verfügbarkeit seiner iuvenilia, quas nec ipse iam novi (I 113 mit v  2) von einer gewissen Bekanntheit 814 Vor Antrag wie Bewilligung muß eine längere Zeit dichterischer Bewährung ins Land gegangen sein; und bis zu ihrer Bekanntgabe in Epigrammform dürften noch einmal einige Monate verstrichen sein: Als Zeitfenster für das II 91 und 92 thematisierte Geschehen kommen damit etwa die Jahre 84/85 in Frage

Martial als Ehemann?



199

Wenn II 91 erst Jahre nach Domitians Regierungsantritt zu denken ist, kann der Antrag nicht auf eine Bestätigung des von Titus verliehenen Privilegs abzielen, sondern muß, wie es sein Wortlaut streng genommen nahelegt (v  5 f : zit oben), eine Neubewilligung im Auge haben Hieraus resultiert als unausweichliche Schlußfolgerung, daß Martial mit dem Herrscherwechsel des Jahres 81 seiner Vorrechte aus dem ius trium liberorum verlustig gegangen sein muß Über die Gründe für diesen von der Forschung bisher vernachlässigten Umstand815 läßt sich nur spekulieren: War das von den Kaisern nur sehr restriktiv verliehene Dreikinderprivileg von der routinemäßigen Bestätigung durch den neuen Princeps ausgenommen? Oder hatte der auf die cura morum fixierte Herrscher speziell Martial eine solche Bestätigung versagt, da dieser immer noch unverheiratet war und es folglich am guten Willen, Kinder zu zeugen, erkennbar fehlen ließ? Wenn ja, war dieses Manko spätestens bei Abfassung von II 91 behoben, Martials Familienstand als Ehemann zweifelsfreie Wirklichkeit

Der an Martials Biographie interessierte Leser dürfte sich nun die Frage stellen, ob die Gedichte auch Indizien zum Fortbestand der nunmehr erwiesenen Ehe und einem möglicherweise noch eintretenden Kindersegen zu liefern vermögen 1

2

815 816 817

In Sachen Ehe läßt sich erst für die letzten Bücher – wenn auch diesmal e silentio – wieder eine glaubwürdige Schlußfolgerung ziehen: Wenn Martial in seinen Überlegungen betreffs einer Rückkehr nach Spanien nirgendwo eine Ehefrau erwähnt und sich in Spanien selbst nicht von einer liebevollen uxor (zum Gedanken vgl etwa Hor epod  2,37–48), sondern von einer vilica umsorgen läßt (XII 18,19 ff )816, dürfte daraus abzulesen sein, daß Martials Ehe mittlerweile der Vergangenheit angehört; das Fehlen eines einschlägigen Grab- bzw Trauerepigramms läßt am ehesten eine Scheidung als Ursache vermuten Auf die Existenz eines oder mehrerer Kinder scheint höchstens eine von der Forschung zu Unrecht beiseite geschobene Äußerung in VI 27 hinzudeuten 817 Dort rät Martial seinem Freund und Nachbarn Nepos, sich nicht mit Rücksicht auf das spätere Erbe seiner Tochter jeden Lebensgenuß zu versagen, und schließt seine Argumentation mit dem Satz possunt et patres vivere, crede mihi (v  10) Die Beglaubigungsformel verweist offenbar auf persönliche Erfahrung – dies jedoch

Oder sollte schon Sherwin-White comm , 691 (zu Plin epist X 95: „Martial received the grant separately from Titus and Domitian“) so zu verstehen sein? Die früher vertretene Ansicht, Martial habe sich in Spanien mit seiner Wohltäterin Marcella (XII 21; 31) verehelicht, darf spätestens seit Sullivan (1978/79) als erledigt gelten Daß VII 95,7 f keinesfalls geeignet ist, für Martial eine Tochter zu bezeugen, wurde bereits oben dargelegt Die von Bell (1984/85) geäußerte Vermutung, Martials Zuneigung zu dem verstorbenen Mädchen Erotion (V 34; 37; X 61) erweise dieses als Tochter des Dichters, geht nicht über den Rang einer Spekulation hinaus; und X 65,11 ist filia wohl überhaupt nur als Korruptel in den Text gelangt

200

Weitere Eckpunkte von Martials Vita

sicher anders, als es der Wortlaut auf den ersten Blick suggeriert, und im Sinne einer bis dato unerkannt gebliebenen Pointe: Beruft sich der Dichter dort doch mit Augenzwinkern auf seine Stellung als pater trium liberorum, wie sie ihm die Verleihung des Dreikinderrechts zuerkannt hatte Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten: Einige Zeit vor Abfassung seines zweiten Epigrammbuchs muß Martial verheiratet gewesen sein; gegen Ende seines Romaufenthalts scheint er dagegen ehelos gelebt zu haben Wann dieser Zustand eintrat, ist zeitlich nicht exakt zu fixieren; Kinder sind ihm auch nach seiner Privilegierung als pater trium liberorum nicht beschieden gewesen In einem letzten Schritt wird nun zu fragen sein, ob bzw inwieweit die thematisch einschlägigen Martialgedichte, wie sie am Anfang dieses Kapitels angeführt wurden, in den solcherart festgelegten Rahmen integriert und damit als biographische Zeugnisse ernst genommen werden können 818 In den früheren, auf die Wiedergewährung des ius trium liberorum folgenden Zeitraum fallen zwei uxor-Gedichte (III 92; IV 24) sowie ein Epigramm, welches von der Ablehnung einer Heirat seinen Ausgang nimmt (II 49) Gerade dieses fällt jedoch als belastbares Zeugnis aus: Im Unterschied zu den späteren Eheverweigerungsgedichten ist es  – wie ansonsten auch III 8 oder III 15  – als Dialog zwischen zwei anonymen Unterrednern organisiert; und es ist ohne weiteres vorstellbar, daß der entscheidende Schlußsatz des nunmehr Ehewilligen nicht von Martial gesprochen wird, sondern – II 27; VI 61(60); IX 58 oder IX 89 vergleichbar – auf das Konto des Interlocutors geht Umgekehrt scheint die Gestaltung der beiden uxor-Gedichte die wirkliche Existenz einer Ehefrau zu verlangen: Die Präsentation des Gedankens, die ohne weiteres auch in der 3 Ps möglich gewesen wäre, mußte ihre Wirkung verlieren, wenn sich das römische Publikum, das über den Familienstand seines Dichters zweifellos im Bilde war, hier mit einer weder faktisch zutreffenden noch motivisch erforderlichen, im Ergebnis letztlich läppischen Inszenierung konfrontiert gesehen hätte Dies heißt jedoch selbstverständlich nicht, daß man die Aussage der Gedichte vordergründig beim Wort nehmen müßte: –

Der Auftritt Martials in IV 24 erfolgt „in the manner of contemporary comedians who refer to their mates in unflattering ways for the sake of amusement“ (Ascher, 442); das vorgeführte Ich ist weder rein biographisch (= der Mensch Martial) noch rein fiktional (= eine beliebige persona) zu fassen, sondern durch eine künstlerische Verfremdung der eigenen Realität bestimmt: Die Literaturwis-

818

Eine bunte Mischung von uxor- und caelebs-Gedichten würde man wohl nicht mit Bell (1984/85), 21 f als Beleg für mehrfache Scheidung und Wiederverheiratung ansehen, sondern als gewichtiges Argument für ihren fiktionalen, auf ein Rollenspiel verweisenden Charakter zu werten haben

Martial als Ehemann?

201

senschaft hat für dieses zwischen ‚biographical I‘ und ‚fictional I‘ zu lokalisierende Ich den Terminus ‚performer/entertainer I‘ gefunden 819 –

In III 92 ist die Aussage erst dann richtig zu erfassen, wenn man die Wahl des Adressaten (Gallus) und die Gestaltung des Pentameters (rhetorische Frage) angemessen berücksichtigt: In II 56 hatte der Dichter dem Beamten Gallus die ungezügelte Promiskuität seiner Frau vorgehalten; nun nimmt er dessen fortdauernde Indulgenz aufs Korn Wie nämlich sähe nach Martials Meinung eine angemessene Reaktion aus? ‚Wenn meine Frau mich drängt, auch nur einen einzigen Hausfreund zu dulden820, – kratze ich dem dann nicht die Augen aus?‘821

In die späteren Jahre der Ehelosigkeit gehören sodann mehrere Epigramme, in denen sich Martial als unwilliger Heiratskandidat zu erkennen gibt (VIII 12; X 8; XI 19; 23), aber auch zwei Gedichte, in denen neuerlich eine uxor des Sprechers figuriert (XI 43 und 104) 822 Läßt sich die erste Gedichtgruppe ohne weiteres in den zu erschließenden lebensweltlichen Rahmen einordnen (Martial neuerlich als Junggeselle, zudem als – wenn auch armer – Ritter und erfolgreicher Dichter823 eine nicht unattraktive Partie), so scheinen sich die letztgenannten Epigramme einer biographischen Vereinnahmung kategorisch zu widersetzen Indes weisen die beiden Stücke Besonderheiten auf, die sie von den uxor-Gedichten aus Martials früherer Schaffensperiode deutlich unterscheiden: Zum einen sind sie von einer Grobheit, die auch durch die Annahme eines ‚performer I‘ nicht mehr gedeckt ist; zum anderen äußern sie sich nicht in der 3 Ps über eine uxor, sondern wenden sich in direkter Apostrophe an eine solche Dies liefert jedoch den entscheidenden Fingerzeig für ein abschließendes Verständnis; sind die Gedichte doch als eine Art gedanklicher Fortsetzung des vorausgehenden Epigramms XI 23 konzipiert: Dort war in einer ebenso ausführlichen wie beleidigenden Auflistung eine heiratswillige Frau (Sila) mit allen möglichen Zumutungen überschüttet worden, 819

Die Begriffe nach Slings (1990), 12 Subjektiven Einwänden gegen ein solches Vorgehen (Sullivan 1978/79, 239: „…he is a Roman knight, …and he has a corresponding sense of his own dignity It is therefore extremely unlikely that Martial would write such gross or insulting epigrams to a wife“) wird man kein besonderes Gewicht beimessen 820 Diese hypothetische Ehefrau läßt also wieder keine Rückschlüsse auf Martials wirklichen Personenstand zu  – Zum Hauptsatz in der Rolle einer kondizionalen Protasis vgl Kühner-Stegmann II 2, 164 f 821 Ohne Berücksichtigung dieses Zusammenhangs läßt sich der Zusatz sed unum (v  1) nicht befriedigend deuten; wenig überzeugend der Erklärungsversuch von Barié/Schindler tr , 1214 f (vor dem Hintergrund von VI 90): „der Ehemann hätte für seine Frau lieber zahlreiche Liebhaber als dieses eheähnliche (und für ihn bedrohliche) Verhältnis zu einem einzigen Mann “ Zur möglichen Bestrafung von Ehebrechern vgl ansonsten II 47; 60; 83; III 85 (im vorliegenden Fall könnte sich v 2 huic allerdings auch auf die Ehefrau beziehen) 822 Lavigne (2008) beschäftigt sich vorwiegend mit diesen beiden Gedichten, bleibt aber für unsere Fragestellung ohne Belang 823 Immerhin kann er sich rühmen, von Passanten auf der Straße als Prominenter erkannt zu werden: vgl V 13,3; IX 97,3 f

202

Weitere Eckpunkte von Martials Vita

die sie bei einer Hochzeit mit Martial auf sich nehmen müßte: si potes ista pati, si nil perferre recusas,/ invenies [sc in me] qui te ducere, Sila, velit (v  15 f ) 824 In XI 43 und 104 sodann setzt der Dichter einer imaginären, nach dem Muster der gedemütigten Sila konzipierten uxor mit weiteren Schikanen zu825, indem er sie in direkter Konfrontation (Apostrophe!) mit radikalen – durchaus divergierenden – Männerphantasien bombardiert: XI 43 zieht der maritus den Umgang mit Knaben vor und verschmäht das Angebot der uxor, sich für eine pedicatio bereitzuhalten; XI 104 schilt er sie umgekehrt für eine diesbezügliche Weigerung (v  17 pedicare negas) und besteht auf einer lasziven Bettgenossin (v  22 Laida nocte volo) 826 Die ganze Gedichtfolge lebt davon, daß Martial den XI 16 programmatisch angekündigten „Saturnalian spirit of the 11th book“827 bis zur Neige auskostet Im Ergebnis lassen sich die verschiedenen Martialgedichte zum Thema Ehe durchaus in den aus anderen Indizien gewonnenen Bezugsrahmen einordnen: Zum Zeitpunkt seines Antrags auf Wiedergewährung des ius trium liberorum muß er mit, gegen Ende seines Romaufenthalts jedoch eher ohne Ehefrau gelebt haben; über die dazwischenliegenden Jahre läßt sich mangels einschlägiger Stellen keine belastbare Aussage treffen 828 Damit fehlt es jedoch an signifikanten Kriterien, die eine realitätsfreie per­ sona-Konzeption der uxor- bzw caelebs-Gedichte erweisen könnten: Nichts hindert daran, auch diese Texte als Reflex biographischer Realität zu verstehen

824 Überzeugend die mitzuhörende Ergänzung des letzten Verses durch M Salanitro (2011b), 310– 313 825 Die rücksichtslose Weiterführung der Gedanken von XI 23 könnte – biographisch interpretiert – darauf hindeuten, daß es Martial angesichts der Mehrzahl der an ihn herangetragenen Heiratswünsche darauf anlegt, das Thema ein für allemal von der Tagesordnung verschwinden zu lassen 826 Im übrigen macht er der uxor genau das zum Vorwurf, was er von der ehewilligen Sila seinerseits verlangt hatte: vgl XI 104,9 f neben XI 23,13 f 827 P Watson (2005), 70; zu B XI als ultimativem Saturnalienbuch vgl auch Scheidegger Lämmle (2013/14), 341–345 828 Martial selbst schweigt sich aus; und hilfsweise herangezogene Argumente besitzen keine wirkliche Beweiskraft: Der Ansicht von P Watson (2003), 46 f , die vergleichsweise große Zahl von Knabengedichten spreche gegen einen Fortbestand der Ehe, ist leicht entgegenzuhalten, daß Martial selbst Lustknaben und fides mariti durchaus für vereinbar hält (XII 96 mit v  1; vgl auch die Ko-Existenz von uxor und puer im Falle des Aulus Pudens: IV 13 bzw V 48) Das Gleiche scheint im übrigen auch für puellae zu gelten, mit denen Martial nicht nur in seinen Träumen Umgang pflegt: vgl  – mit abgestuftem Realitätsanspruch – I 57; 71; 115; II 9; 25; 31; III 32; 33; 51; 54; 72; 90; 96; 97; IV 17; 38; VI 40; VII 14; IX 32; X 40; 75; XI 27; 49(50); 89; 100; 104,8; XII 79; die Gegenposition XII 96

D Konsequenzen für die Martialphilologie Nachdem sich Martials Selbstaussagen so insgesamt als schlüssig erweisen und sich auch Angaben untergeordneter Bedeutung (Familienstand!) in ein stimmiges Gesamtbild fügen, während die angeblichen Widersprüche – der mittellose Klient als Ritter, Grundbesitzer, Geldverleiher, Gastgeber, Patron, Mann von Einfluß – durchweg auf vorschnelle Festlegungen oder gar elementare Mißverständnisse zurückzuführen waren, stellt sich abschließend die Frage nach den Konsequenzen dieser Erkenntnis: Was ist dadurch gewonnen, daß es gelungen ist, die autobiographischen Aussagen Martials als tendenziell wahr bzw auf einem wahren Kern beruhend zu erweisen und mögliche Stolpersteine auf dem Weg zu einer solchen Interpretation glaubhaft zu beseitigen? 1

Einen eher technischen Vorteil bietet der Umstand, daß der Martialphilologe in Arbeiten über seinen Dichter auf Hilfskonstruktionen in Form verklausulierter Bezeichnungen wie ‚Martial‘ in Anführungszeichen, ‚dichterisches‘ bzw ‚epigrammatisches Ich‘, ‚Ichsprecher‘, ‚narrateur‘ (Obermayer 1998), ‚poet-persona‘ (Spisak 2007), ‚Martial-Sprecher‘ (Flores Militello 2019) und dergleichen ebenso verzichten kann wie auf gewundene Methodenpräambeln nach dem Muster „It should be noted that any references to the poet Martial within this article refer to the poetic persona presented within the Epigrams, and make no assumptions on the personality or life of the ‚real‘ poet “829 Vielmehr darf er guten Gewissens von Martial sprechen: Mag dieser seine eigenen Auftritte auch zum Zweck der Leserlenkung mit Elementen einer Stilisierung versehen haben, so spricht er doch in der 1 Ps allemal über sich selbst Autor-Ich und dichterisches Ich sind nicht substantiell verschieden; Martials literarisches Programm eines ungefilterten Lebensbezugs (VIII 3,20; X 4,8 ff ) bleibt auch für ihn selber gültig 830

2

Historiker und Soziologen können für Untersuchungen über die Gesellschaft der Flavierzeit auf die Martialgedichte zurückgreifen, ohne sich von Philologenseite

829 Sapsford (2009), 47 Anm  16 als beliebig herausgegriffenes Beispiel 830 Zum gleichen Ergebnis kommt auch Nauta (2002a) nach ausführlicher Diskussion der Thematik (39–58: ‚„You“ and „I“ in Martial‘)

204

Konsequenzen für die Martialphilologie

ihre Naivität (Vernachlässigung des Autor-Ichs) vorhalten lassen zu müssen; die Fachvertreter selbst dürfen den Texten ohne Bedenken das Material für eine Martialbiographie entnehmen 3

„[A] correct assessment of Martial’s social position, his material resources, and his dependence on his patrons“ (Nauta 2002a, 48) verhilft dem Gedichtverständnis zu einer Tiefendimension, wie sie aus antiken Texten sonst selten bezogen werden kann Die biographische Interpretation antiker Literatur ist schließlich in erster Linie deswegen obsolet geworden, weil ihr das notwendige Daten- und Faktengerüst regelmäßig fehlt: Denn wo man aus einer einzelnen Textnotiz den lebensweltlichen Hintergrund erschließt und mit dessen Hilfe gerade diese Textnotiz erklärt, hat man natürlich nichts gewonnen, sondern sich gerade nur eines Zirkelschlusses schuldig gemacht Bei Martial liegen die Dinge jedoch anders: Zu jedem einzelnen Epigramm können Aussagen aus mehreren Gedichten, Gedichtbüchern, Jahren in Beziehung gesetzt werden, die als solche unabhängig und ohne unmittelbaren Bezug zu dem betreffenden Epigramm sehr wohl eine generelle Folie liefern können, um das einzelne Gedicht aus den Lebensumständen seines Verfassers verständlich werden zu lassen 831

4

Wie schon im Zusammenhang seiner ‚Opfer‘gedichte ist Martials unmittelbarer Rekurs auf die erlebte Wirklichkeit auch im Fall der auf ihn selbst bezüglichen Epigramme geeignet, die schöpferische Leistung ihres Verfassers in helles Licht zu rücken: Die Konzeption einer Geschichte mit beliebig austauschbarem Ich verlangt gerade nur ein wenig Phantasie; aber der Wirklichkeit der eigenen Existenz ihr erzählerisches Potential abzulauschen und dieses dann durch entsprechende Inszenierung für den Leser zu erschließen, bleibt dann doch dem Dichter von Rang vorbehalten

5

Letztlich kann dieses Ergebnis auch zu einer Art Ehrenrettung für den Menschen Martial beitragen Gerade in der Forschungsliteratur der letzten Jahre sind Tendenzen erkennbar, Martial auf den sich durch Widersprüche  – absichtsvoll  – selbst demontierenden scurra zu reduzieren und so seine Wahrnehmung als glaubwürdiges Individuum eigenes Rechtes zu unterlaufen 832 Bei Nachweis der

831

So wird man es ernst nehmen müssen, daß mehrere Gedichte des VI Buches gerade für die Zeit seiner Abfassung einen mehr als schlechten Gesundheitszustand des Dichters belegen (vgl VI 47; 58; 70; 86; ansprechend die Vermutung von Wolff 2009, 272 Anm  27, hier sei der Grund für die verzögerte Fertigstellung von B VII zu suchen) oder das Thema ‚Leben auf dem Land‘ in seinen verschiedenen Abstufungen die jeweiligen Lebensverhältnisse des Dichters spiegelt: „In Books 4–9 there is no room left for dreaming of a simple lifestyle in the country, and there is no prospect of forsaking Rome“ (Merli 2006b, 337), während in den Büchern III und X der Rückzug aus Rom eine zentrale Rolle spielt 832 Symptomatisch etwa Holzberg (2002), 103 (zu IX 27), wonach „der poeta in seiner Entrüstung ebenso als Witzfigur erscheint wie der Mann, über den er sich aufregt“; ähnlich erkennt Holz-

Konsequenzen für die Martialphilologie

205

biographischen Wahrhaftigkeit sind Martials Epigramme jedoch nicht auf das unverbindliche Spiel mit Wahrheit, Leser und literarischer Konvention einzuengen, sondern verraten das ernstzunehmende Bemühen ihres Verfassers, sich als kultivierter homme de lettres einen Platz im gesellschaftlichen Gefüge seiner Zeit zu erkämpfen 833 Im Grunde ist Fitzgerald (2007), 9 beizupflichten, der – wenn auch unter Annahme einer persona  – folgende Einschätzung formuliert: „Martial … adopts the persona of the struggling dependent not to give voice to the resentment of the unrewarded but to explore the art of survival “834

berg, 125 in I 1 und I 2 „die witzige Pose der komischen Figur, als die der Autor sich in seinem Werk präsentiert “ 833 Unter diesem zentralen Ziel fügen sich die verschiedenen Facetten von Martials Dichtung zu einem umfassenden Ganzen: Viele seiner Epigramme wollen geistvoll unterhalten (so weckte und bewahrte er das Interesse seiner Leser), viele den Erwartungen möglicher Förderer Rechnung tragen, andere den gesellschaftlichen und moralischen Comment in Erinnerung rufen, einige öffentlich anklagen, manche aber auch primär auf sich und seine Lebensumstände aufmerksam machen Keinem dieser Aspekte wird man einseitig den Primat zuerkennen dürfen 834 Es lohnt sich, die Martialepigramme einmal unter dem Gesichtspunkt der Selbstbehauptung (‚Ich bin auch wer!‘) zu lesen: Schon der Gruß im Vorübergehen konnte hier zum Problem werden (vgl III 95; IV 83; V 57; 66; VI 88)

Gedichte, die zu einer Neubewertung Anlaß geben I

II

37 vgl Kat  8 s v Bassa 61 Kat  1 s v Flaccus 67 Kap ‚Die zweifelhaften Grundlagen der Decknamentheorie: Der Befund derGedichte‘ 76 Kat  1 s v Flaccus 107 Kat  2 s v Iulius Martialis 112 Kat  1 s v Terentius Priscus 37 41 76 91

vgl Kap ‚Bewirtungen‘ Kat  1 s v Terentius Priscus Kat  2 s v Marius Kap ‚Martial als Ehemann?‘

III 13 vgl Kat  8 s v Naevia 31 Kat  8 s v Didymus 92 Kap ‚Martial als Ehemann?‘ IV 5 vgl Kat  2 s v Fabianus 63 Kat  8 s v Caerellia 67 Kat  8 s v Gaurus VI 27 31 64 71 77

vgl Kap ‚Martial als Ehemann?‘ Kat  8 s v Charidemus Kat  8 s v Cinnamus Kat  8 s v Telethusa Kat  2 s v Aper

VIII 17 41 42 60 61

vgl Kat  2 s v Sextus Kat  3a s v Faustinus Kap ‚Martials Klientenstatus‘ Kat  8 s v Claudia Kat  8 s v Charinus

IX 88 vgl Kat  2 s v Rufus 95 Kat  8 s v Athenagoras X

19(18) vgl Kat  2 s v Marius 81 Kat  8 s v Phyllis 96 Kat  3a s v Avitus

XI 18 23 39 55 65 80

vgl Kat  2 s v Lupus Kap ‚Martial als Ehemann?‘ Kat  8 s v Charidemus Kat  2 s v Lupus und Urbicus Kat  2 s v Iustinus Kat  2 s v Iulius Martialis

Literaturverzeichnis Forschungsberichte (fb.) R Helm, Nachaugusteische nichtchristliche Dichter: Martial, Lustrum 1, 1956, 299–318 & 2, 1957, 187–206; 304–305 (für die Jahre 1925–1942) U Carratello, Settant’anni di studi italiani su Valerio Marziale, Emerita 40, 1972, 177–204 G W M Harrison III, Martialis 1901–1970, Lustrum 18, 1975, 300–337; 352–355 C Salemme, Aporie e prospettive di una critica sociologica a Marziale, BStudLat 5, 1975, 274–292 W Schindler, Annäherungen an Martial in der Forschungsliteratur, AU 43 3, 2000, 52–59 S Lorenz, Martial 1970–2003, Lustrum 45, 2003, 167–277 & 48, 2006, 109–223; 233–247 J A Beltrán, A P Encuentra, G C Fontana, J J Iso, A I Magallón, R M Marina, Marco Valerio Marcial: Actualización científica y bibliográfica Tres décadas de estudios sobre Marcial (1971–2000), Zaragoza 2005

Ausgaben (ed.) M Val Martialis epigrammata recognovit brevique adnotatione critica instruxit W M Lindsay, Oxford 1903, Editio altera 1929 M Valerii Martialis epigrammaton libri, recognovit W Heraeus, Leipzig 1925, Editionem correctiorem curavit I Borovskij, Leipzig 1976 M Valerii Martialis Epigrammata post W Heraeum edidit D R Shackleton Bailey, Stuttgart 1990

Übersetzungen (tr.) Martial, Epigramme Ausgewählt, übersetzt und erläutert von H C Schnur, Stuttgart 1966 Martial, Epigrams, ed and transl by D R Shackleton Bailey, 3 Bde , Cambridge/Mass  1993 M Valerius Martialis, Epigramme, lateinisch-deutsch, hg und üb von P Barié und W Schindler, Düsseldorf 1999, 22002, 32013 (jeweils nur bibliographisch aktualisiert) M Valerius Martialis: Epigramme Lateinisch-deutsch Ausgewählt, übersetzt u herausgegeben von N Holzberg, Stuttgart 2008

208

Literaturverzeichnis

Kommentare (comm.) M Valerii Martialis Epigrammaton libri Mit erklärenden Anmerkungen von L Friedländer, 2 Bde , Leipzig 1886 (= Amsterdam 1961 und 1967) M Valerius Martialis Epigramme, ausgewählt, eingeleitet und kommentiert von U Walter, Paderborn 1996 Martial, Select Epigrams, edited by L & P Watson, Cambridge 2003 Liber spectaculorum: F Della Corte, „Gli spettacoli“ di Marziale tradotti e commentati, Genova 31986 M Valerii Martialis Liber spectaculorum Edited with Introduction, Translation and Commentary by K M Coleman, Oxford 2006 Buch 1: M Valerii Martialis Epigrammaton liber primus Introduzione, testo, apparato critico e commento a cura di M Citroni, Firenze 1975 P Howell, A Commentary on Book One of the Epigrams of Martial, London 1980 Buch 2: Martial, Epigrams, Book Two Edited with Introduction, Translation, and Commentary by C A Williams, Oxford 2004 Buch 3: M Valerii Martialis epigrammaton liber tertius Introduzione, edizione critica, traduzione e commento a cura di A Fusi, Hildesheim 2006 Buch 4: Martial, Book IV: A Commentary by R Moreno Soldevila, Leiden 2006 Buch 5: Martial: The Epigrams Book V Edited with an Introduction, Translation & Commentary by P Howell, Warminster 1995 M Valerii Martialis, Epigrammaton liber quintus Introduzione, edizione critica, traduzione e commento a cura di A Canobbio, Napoli 2011 A Canobbio, La Lex Roscia theatralis e Marziale: Il ciclo del libro V Introduzione, edizione critica, traduzione e commento, Como 2002 Buch 6: F Grewing, Martial, Buch VI Ein Kommentar, Göttingen 1997 Buch 7: Martial, Book VII A Commentary by G Galán Vioque Translated by J J Zoltowski, Leiden 2002

Sekundärliteratur

209

Buch 8: C Schöffel, Martial, Buch 8 Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar, Stuttgart 2002 Buch 9: Martial, Book IX A Commentary by C Henriksén, 2 Bde , Uppsala 1998–1999, 2Oxford 2012 Buch 10: G Damschen – A Heil (Hgg ), Marcus Valerius Martialis, Epigrammaton liber decimus Das zehnte Epigrammbuch Text, Übersetzung, Interpretationen Mit einer Einleitung, MartialBibliographie und einem rezeptionsgeschichtlichen Anhang, Frankfurt/M  2004 C Buongiovanni, Gli epigrammata longa del decimo libro di Marziale Introduzione, testo, traduzione e commento, Pisa 2012 S Vellardi, Hominem pagina nostra sapit Mart 10,1–4; 6–19; 21–30: introduzione, testo critico e commento, Diss Padova 2014 (URL: www paduaresearch cab unipd it/6882/1/vellardi_sara_ tesi pd) Buch 11: N M Kay, Martial Book XI A Commentary, London 1985 Buch 12: M N R Bowie, Martial Book XII – A Commentary, Diss Oxford 1988 (Mikrofilm) C Craca, Dalla Spagna Gli epigrammi 1–33 del XII libro di Marziale, Bari 2011 C Craca, Epigrammi del XII libro di Marziale Con un’appendice su Fedro Prefazione di G Solaro, Canterano 2018 (Auswahl aus ep 34–98) Buch 13: Martial Book XIII The Xenia Text with Introduction and Commentary by T J Leary, London 2001 Buch 14: Martial Book XIV The Apophoreta Text with Introduction and Commentary by T J Leary, London 1996

Sekundärliteratur Abascal, J M (2011): Licinianus (Marcial I 49 y 61), ¿C Iulius Seneca Licinianus (CIL II 6150)?, Hermes 139, 358–364 Adamik, T (1975a): Martial and the „vita beatior“, AUB(Class) 3, 55–64 — (1975b): The Function of Words of Greek Origin in the Poetry of Martial, AUB(Ling) 6, 169– 176 — (1976): Pliny and Martial (Epist 3,21), AUB(Class) 4, 63–72 — (1979): The System and Function of Attributes in Martial’s Epigrams, AUB(Class) 7, 71–85

210

Literaturverzeichnis

Agosti, M (2003): Marziale a Domiziano, Aufidus 17 (Nr 50–51), 67–90 — (2006): Instanio Rufo e Cesonio Massimo: una parentela ritrovata negli Epigrammaton libri di Marziale?, Paideia 61, 7–11 Ahl, F M (1984): The Rider and the Horse: Politics and Power in Roman Poetry from Horace to Statius, in: ANRW II 32 1, Berlin, 40–110 Allen, W , Jr u a (1969/70): Martial: Knight, Publisher, and Poet, CJ 65, 345–357 Anderson, P (J ) (2006): Martial 1 29: Appearance and Autorship, RhM 149, 119–122 — (2011): Absit malignus interpres: Martial’s Preface to Book One of the Epigrams and the Construction of Audience Response, in: D L Munteanu (Hg ), Emotion, Genre and Gender in Classical Antiquity, Bristol, 193–220 Anderson, W S (1964): Anger in Juvenal and Seneca, Univ of California Publ in Class Phil 19, 127–195 = ders , Essays on Roman Satire, Princeton 1982, 293–361 — (1970): Lascivia vs ira: Martial and Juvenal, CSCA 3, 1–34 = ders , Essays on Roman Satire, Princeton 1982, 362–395 André, J -M (2002): La culture philosophique de Martial, in: J Dion (Hg ), L’épigramme de l’Antiquité au XVIIe siècle ou Du Ciseau à la pointe, Nancy, 161–175 Argetsinger, K (1992): Birthday Rituals, Friends and Patrons in Roman Poetry and Cult, ClAnt 11, 175–193 Armani, S (2018): Ius liberorum: droit ou privilège?, Cahiers „Mondes Anciens“ 10 (URL: http://journals openedition org/mondesanciens/2052) Ascher, L (1976/77): Was Martial really Unmarried?, CW 70, 441–444 Ash, R (1999): Antonius Primus, in: ders , Ordering Anarchy Armies and Leaders in Tacitus’ Histories, London, 147–165 Augello, G (1965): Pratica e necessità del donare nella Roma di Marziale, ALGP 2, 339–351 — (1968/69): Roma e la vita romana testimoniata da Marziale, ALGP 5–6, 234–270 — (1972): Moda e vanità a Roma nella testimonianza di Marziale, in: Studi classici in onore di Q Cataudella, Catania, Bd 3, 371–390 Augenti, D (2017): Gente dell’ antica Roma Personaggi dagli Epigrammi di M Valerio Marziale, Roma Austin, J C (1922): The Significant Name in Terence, Urbana Autore, O (1937): Marziale e l’epigramma greco, Palermo Baker, R J (1996): Martial ‚Sells‘ a Villa: IV 64, PP 51, 33–45 Baldwin, B (1979): Juvenal’s Crispinus, AClass 22, 109–114 Balland, A (1998): Quelques relations aristocratiques de Martial, REA 100, 43–63 — (2010): Essai sur la société des épigrammes de Martial, Bordeaux — (2011): Epigrammatum lusus, REA 113, 469–487 Barbu, N I (1963): Les esclaves chez Martial et Juvénal, in: Acta Antiqua Philippopolitana Studia historica et philologica, Sofia, 67–74 Barié, P   – Schindler, W (1995): „Der Witz ist das Epigramm auf den Tod eines Gefühls“ Anziehungen und Abstoßungen bei Martial, AU 38 6, 53–68 Barnes, T D (1976): The Horoscope of Licinius Sura?, Phoenix 30, 76–79 Barrett, D S (1984): Martial, Jews, and Circumcision, LCM 9, 42–46 Barwick, K (1932): Zur Kompositionstechnik und Erklärung Martials, Philologus 87, 63–79 — (1958): Zyklen bei Martial und in den kleinen Gedichten des Catull, Philologus 102, 284–318 — (1959): Martial und die zeitgenössische Rhetorik, Ber Verh der Sächs Akad d Wiss Leipzig, Phil -hist Kl 104,1

Sekundärliteratur

211

Baumgart, J (1936): Die römischen Sklavennamen, Diss Breslau Beck, J -W (2002): Quid nobis cum epistula? Zum Anfang von Martials erstem Epigrammbuch, Nachrichten der Akad d Wiss Göttingen, Phil -hist Kl  2002,3 Becker, M (2008): „Ich will nicht die Frau meiner Frau sein“ Zur Funktion von Ich-Aussagen bei Martial, Philologus 152, 282–293 Bell, A A , Jr (1984/85): Martial’s Daughter?, CW 78, 21–24 Bellandi, F (1995): L’immagine di Mecenate protettore delle lettere nella poesia fra I e II sec D C , A&R 40, 78–101 Bellinger, A R (1927/28): Martial, the Suburbanite, CJ 23, 425–435 Berends, H (1932): Die Anordnung in Martials Gedichtbüchern I–XII, Diss Jena Best, E E , Jr (1968/69): Martial’s Readers in the Roman World, CJ 64, 208–212 Betten, A (1976): Lateinische Bettellyrik: Literarische Topik oder Ausdruck existentieller Not? Eine vergleichende Skizze über Martial und den Archipoeta, MLatJb 11, 143–150 Bianconi, C (2005): Il patrono come amicus e come dominus in Marziale, Maia 57, 65–93 — (2007): Ambiguità del linguaggio dell’ amicizia e del potere in Seneca e Marziale, in: A Bonadeo – E Romano (Hgg ), Dialogando con il passato Permanenze e innovazioni nella cultura latina di età flavia, Firenze, 124–135 Biville, F (2002): „Cinnam, Cinname, te iubes vocari“ (Martial 6,17) Barbarisme, bilinguisme, et anthroponymie, in: P Defosse (Hg ), Hommages à C Deroux, Bd 1: Poésie, Bruxelles, 54–64 Blanchet, A (1941): Le rhinocéros de l’empereur Domitien, RN 5 sér 5, 5–10 Blanco Freijeiro, A (1988): Deciano de Mérida, el amigo extremeño de Marcial, Anas 1, 11–17 Boehringer, S (2011): Le corps de Philaenis ou les ravages du sexe dans les Épigrammes de Martial, in: L Bodiou u a (Hgg ), Corps outragés, corps ravagés de l’Antiquité au Moyen Âge, Turnhout, 231–247 — (2014): What is Named by the Name „Philaenis“? Gender, Function and Authority of an Antonomastic Figure, in: M Masterson u a (Hgg ), Sex in Antiquity Exploring Gender and Sexuality in the Ancient World, Abingdon, 374–392 — (2018): Not a Freak but a Jack-in-the-Box: Philaenis in Martial, Epigram VII 67, Archimède 5, 83–94 Booth, A D (1979): The Schooling of Slaves in First-Century Rome, TAPhA 109, 11–19 — (1980): Sur les sens obscènes de sedere dans Martial 11 99, Glotta 58, 278–279 Borgo, A (2001): La praefatio del II libro di Marziale La brevitas principio di poetica, BStudLat 31, 497–506 — (2003): Retorica e poetica nei proemi di Marziale, Napoli — (2005): Il ciclo di Postumo nel libro secundo di Marziale, Napoli Brandão, J L Lopes (1997): Martial perante o público e os críticos: autodefesa do poeta, Humanitas 49, 177–195 — (1998a): Da quod amem Amor e amargor na poesia de Marcial, Lisboa — (1998b): Marcial e o amor da liberdade, Humanitas 50, 151–172 Brecht, F J (1930): Motiv- und Typengeschichte des griechischen Spottepigramms, Leipzig Brouwers, J H (1973/74): Martialis en het maecenaat, Hermeneus 45, 42–51 Bruni, F (1949): Su quale Gianicolo sorgeva la villa di Giulio Marziale?, Capitolium 24, 124–127 Bruyn, E B de (1977): Canius: lof of blaam?, Hermeneus 49, 291–292 Buchheit, V (1961): Martials Beitrag zum Geburtstag Lucans als Zyklus, Philologus 105, 90–96 — (1977): Catull, Vergil, Martial und Stella in Plinius Epist 9,25, SO 52, 83–87 Buchi, E (2001): Marziale (10 93 1–4), Clemens e Sabina di Ateste, in: S Bianchetti u a (Hgg ), ΠΟΙΚΙΛΜΑ Studi in onore di M R Cataudella, La Spezia, Bd 1, 219–239

212

Literaturverzeichnis

Buongiovanni, C (2009): Marziale, libro X Gli epigrammi 1 e 2 tra poesia, poetica e politica, Athenaeum 97, 507–526 — (2015): Dal parcere subiectis al parcere personis Marziale e una ripresa di Virgilio Aen VI 853, Maia 67, 76–85 — (2016): Nota di commento all’epigramma 10 4 di Marziale, Lexis 34, 307–328 Burnikel, W (1980): Untersuchungen zur Struktur des Witzepigramms bei Lukillios und Martial, Wiesbaden — (1990): Zur Bedeutung der Mündlichkeit in Martials Epigrammbüchern I–XII, in: G VogtSpira (Hg ), Strukturen der Mündlichkeit in der römischen Literatur, Tübingen, 221–233 Burriss, E E (1925/26): Martial and the Religion of his Day, CJ 21, 679–680 Burzacchini, G (1977): Filenide in Marziale, Sileno 3, 239–243 Buttrey, T V (2007): Domitian, the Rhinoceros, and the Date of Martial’s Liber De Spectaculis, JRS 97, 101–112 Byrne, S N (2004): Martial’s Fiction: Domitius Marsus and Maecenas, CQ 54, 255–265 Cameron, A (1983): Martial 4 17, CPh 78, 45–46 Canobbio, A (1994): Sulla cronologia del V libro di Marziale, Athenaeum 82, 540–550 — (1997): Parodia, arguzia e concettismo negli epigrammi funerari di Marziale, RPL 20, 61–81 — (2001): Epigramma e mimo: Il „teatro“ di Marziale, CGITA 14, 201–228 — (2005): Il libro VIII di Marziale e la ricerca di una identità augustea, in: F Gasti – G Mazzoli (Hgg ), Modelli letterari e ideologia nell’età flavia Atti della III Giornata ghisleriana di Filologia classica (Pavia, 30–31 ottobre 2003), Pisa, 127–162 — (2006): Il libro IX di Marziale e il dominus dei coppieri gemelli (lettura in chiave aulica dell’epigramma 103), Athenaeum 94, 65–94 — (2007): Dialogando col lettore Modulità comunicative nei finali dei libri di Marziale, in: A Bonadeo – E Romano (Hgg ), Dialogando con il passato Permanenze e innovazioni nella cultura latina di età flavia, Firenze, 207–231 — (2011): Parole grecche in Marziale: tipologie di utilizzo e tre problemi filologici (3,20,5; 3,77,10; 9,44,6), in: A Bonadeo u a (Hgg ), Filellenismo e identità romana in età flavia Atti della VIII Giornata ghisleriana di Filologia classica (Pavia, 10–11 novembre 2009), Pavia, 59–89 — (2014): Marcella altera Cynthia in Marziale 12,21, MD 73, 197–204 — (2017): Marziale, Stazio e i provvedimenti domizianei su castrazione e prostituzione infantile, Prometheus 43, 161–180 Carratello, U (1964): Marziale, Canio Rufo e Fedro, GIF 17, 122–148 — (1972): Un folle amore in Marziale … (Mart I 68), in: Studi classici in onore di Q Cataudella, Catania, Bd 3, 391–401 Carrington, A G (1954): The Alpha and the Omega: Martial IX 95, G&R 2 ser 1, 127–128 — (1960): Aspects of Martial’s Epigrams, Eton Cartault, A (1903): Sur un emploi particulier des noms propres dans les épigrammes de Martial, in: Mél G Boissier, Paris, 103–113 Castagnoli, F (1950): Roma nei versi di Marziale, Athenaeum 28, 67–78 Cèbe, J -P (1966): La caricature et la parodie dans le monde romain antique des origines à Juvénal, Paris Cecco, E E  – Mansilla, A M (1998): La clientela en la época de los Flavios según el testimonio de Marcial, REC 27, 23–55 — (2001): Vigencia de las críticas de Marcial y Juvenal a la consideración social del trabajo en su época, REC 30, 27–58

Sekundärliteratur

213

Champlin, G (1991): Final Judgments Duty and Emotion in Roman Wills, 200 B C -A D  250, Berkeley Chaney, V M (1971/72): Women, according to Martial, CB 48, 21–25 Ciappi, M (2001): Ille ego sum Scorpus Il ciclo funerario dell’auriga Scorpo in Marziale (X 50 e 53), Maia 53, 587–610 Citroni, M (1968): Motivi di polemica letteraria negli epigrammi di Marziale, DArch 2, 259–301 — (1969): La teoria lessinghiana dell’epigramma e le interpretazioni moderne di Marziale, Maia 21, 215–243 — (1970): Un proemio di Marziale (I,3), in: Studia Florentina A Ronconi oblata, Roma, 81–91 — (1982): La carriera del centurione A Pudens e il rango sociale dei primipilari Interpretazione di Marziale V 48 e VI 58,7–10, Maia 34, 247–257 — (1986): Le raccomandazioni del poeta: apostrofe al libro e contatto col destinatario, Maia 38, 111–146 — (1987): Marziale e i luoghi della Cispadana, in: Cispadana e letteratura antica Atti del Convegno di studi tenuto ad Imola nel maggio 1986, Bologna, 135–157 — (1988): Pubblicazione e dediche dei libri in Marziale, Maia 40, 3–39 = (con qualche ritocco e qualche aggiornamento) Pubblicazione e dediche dei libri in Marziale Gli epigrammi di fronte a imperatori, amici, lettori, in: Marco Valerio Marziale, Epigrammi, saggio introduttivo e introduzione di M C , traduzione di M Scàndola, note di E Merli, Milano 1996, Bd 1, 5–64 (hiernach zitiert) — (1989): Marziale e la letteratura per i Saturnali (poetica dell’intrattenimento e cronologia della pubblicazione dei libri), ICS 14, 201–226 — (1992): Letteratura per i Saturnali e poetica dell’intrattenimento, SIFC 3 ser 10, 425–447 — (1993): L’autobiografia nella satira e nell’epigramma latino, in: G Arrighetti – F Montanari (Hgg ), La componente autobiografica nella poesia greca e latina: fra realtà e artificio letterario, Atti del convegno Pisa 16–17 maggio 1991, Pisa, 275–292 — (2002): L’immagine della Spagna e l’autorappresentazione del poeta negli epigrammi di Marziale, in: G Urso (Hg ), Hispania terris omnibus felicior Premesse ed esiti di un processo di integrazione (Atti del convegno internazionale, Cividale del Friuli, 27–29 settembre 2001), Pisa, 281–301 — (2003): Marziale, Plinio il Giovane, e il problema dell’identità di genere dell’epigramma latino, in: F Bertini (Hg ), Giornate filologiche „Francesco Della Corte“ III, Genova, 7–29 = (franz ) Martial, Pline le jeune et l’identité du genre de l’épigramme latine, Dictynna 1, 2004, 125–153 (URL: http://journals openedition org/dictynna/172) — (2015): Edito e inedito, pubblico e privato: Marziale, Stazio e la circolazione dei testi scritti in età flavia, Segno e Testo 13, 89–123 Classen, C J (1985): Martial, Gymnasium 92, 329–349 = ders , Die Welt der Römer Studien zu ihrer Geschichte und Religion (Hg M Vielberg), Berlin 1993, 207–224 Clay, D (1998): The Theory of the Literary Persona in Antiquity, MD 40, 9–40 Cohen, S J D (1996): Did Martial Have a Circumcised Jewish Slave?, in: I M Gafni u a (Hgg ), The Jews in the Hellenistic-Roman World, Studies in Memory of M Stern, Jerusalem, 59*-66* Coleman, K M (1998): Martial Book 8 and the Politics of AD 93, PLLS 10, 337–357 — (2005): Martial, Book 6: a Gift for the Matronalia?, AClass 48, 23–35 Colin, J (1955): La „main“ d’Annaeus Serenus, ami de Sénèque (Martial, Epigr , VIII,81), Mnemosyne 8, 222–226

214

Literaturverzeichnis

Colombo, M (2013): I liberti imperiali negli Epigrammaton libri di Marco Valerio Marziale, WS  126, 145–176 Colton, R E (1982): Martial 3 82 and Petronius’ Cena Trimalchionis, RPL 5, 77–83 Corbeill, A (1996): Controlling Laughter Political Humor in the Late Roman Republic, Princeton Corral Varela, D (2017): Imagen de Sulpicia y polémica contra Ovidio en Marcial (10 35 y 10 38), Ágora 19, 181–199 Corsaro, F (1973): Il mondo del mito negli Epigrammaton libri di Marziale, SicGymn 26, 171–205 Cortés Tovar, R (2010): Lascivia y castae matronae en Marcial, in: J F González Castro u a (Hgg ), Perfiles de Grecia y Roma Actas del XII Congreso Español de Estudios Clásicos, Valencia, 22 al 26 de octubre de 2007, Bd 2, Madrid, 841–848 — (2013): Marcial y los griegos: una „visión del otro“ diferente de la de Juvenal, Emerita 81, 315– 340 Cowan, R (2015): How’s your Father? A Recurrent Bilingual Wordplay in Martial, CQ 65, 736–746 Craca, C (2004): Gli epigrammi proemiali del III libro di Marziale, Aufidus 18 (Nr 53–54), 213–240 — (2005): Donnine del III libro di Marziale, Aufidus 19 (Nr 56–57), 177–228 — (2008a): Nerva e Traiano nel XII libro di Marziale, AFLB 51, 161–183 — (2008b): L’epistola prefatoria del libro XII di Marziale, InvLuc 30, 73–89 — (2011/12): Marziale 12,38 e 39: ritratti di damerini, AFLB 54–55, 131–138 — (2012): Vera e falsa amicizia: Giulio Marziale e Callistrato nel XII libro di M Valerio Marziale, InvLuc 34, 89–98 Craig, V J (1912): Martial’s Wit and Humor, Diss Univ of Pennsylvania, Philadelphia Crusius, O (1906): Alphius – Olphius (Martial IX 95), Philologus 65, 159–160 Damon, C (1997): The Mask of the Parasite A Pathology of Roman Patronage, Ann Arbor (darin besonders 146–171: ‚Like Parcel, Parasite and Satyr?‘) Dams, P (1970): Dichtungskritik bei nachaugusteischen Dichtern, Diss Marburg Daube, D (1976): Martial Father of Three, AJAH 1, 145–147 = ders , Collected Studies in Roman Law (Hg D Cohen – D Simon), Frankfurt/M  1991, Bd 2, 1321–1323 (hiernach zitiert) Delarue, F (1976): Un ami méconnu de Stace: Vivius Maximus, SicGymn 29, 173–203 Deschamps, L (1981): L’influence de la diatribe dans l’œuvre de Martial, in: Atti del Congresso internazionale di Studi Vespasianei, Rieti, settembre 1979, Rieti, Bd 2, 353–368 — (1983): Il ritratto di Tito nell’opera di Marziale, in: Atti del Congresso internazionale di Studi Flaviani, Rieti, settembre 1981, Rieti, Bd 1, 69–84 Di Giovine, C (2002): Varianti e lingua di Marziale, Paideia 57, 123–140 — (2003): Marziale e i componimenti diffamatorii Tipologie e forme dell’autodifesa, BStudLat 33, 84–99 Di Meo, P (2017): Pantenide! Chi era costei? Una nota a Marziale 7,69, QUCC 117, 119–128 Dion, J (2009): L’irrévérence au risque de la mort: Martial face à Domitien, in: B Delignon – Y Roman (Hgg ), Le poète irrévérencieux Modèles hellénistiques et réalités romaines, Paris, 257–266 Dolderer, A (1933): Über Martials Epigramme auf Ärzte, Diss Tübingen Dominik, W J (2016): Epigram and Occasional Poetry: Social Life and Values in Martial’s Epi­ grams and Statius’ Silvae, in: A Zissos (Hg ), A Companion to the Flavian Age of Imperial Rome, Chichester, 412–433

Sekundärliteratur

215

Duckworth, G E (1952): The Nature of Roman Comedy A Study in Popular Entertainment, Princeton, 2Oklahoma 1994 (with a foreword and bibliographical appendix by R Hunter) Duncan-Jones, R P (2008): Payment of Dinner-Guests at Rome, Latomus 67, 138–148 Durand, R (1946): In Martialem, Latomus 5, 257–261 Duret, L (1977): Martial et la deuxième Épode d’Horace: Quelques réflexions sur l’imitation, REL 55, 173–192 — (1986): Dans l’ombre des plus grands: II Poètes et prosateurs mal connus de la latinité d’argent, in: ANRW II 32 5, Berlin, 3152–3346 Dyson, S L  – Prior, R E (1995): Horace, Martial, and Rome: Two Poetic Outsiders Read the Ancient City, Arethusa 28, 245–263 Eck, W (1979): Die staatliche Organisation Italiens in der hohen Kaiserzeit, München Eck, W  – Pangerl, A (2007): Titus Flavius Norbanus, praefectus praetorio Domitians, als Statthalter Rätiens in einem neuen Militärdiplom, ZPE 163, 239–251 Eden, P T (1988): Problems in Martial (1 49; 1 67; 11 21; 11 94), Mnemosyne 41, 118–121 — (1989): Problems in Martial (II) (1 17; 1 92; 1 100; 10 83), Mnemosyne 42, 119–124 — (1990): Problems in Martial (III) (1 12, 1 82; 1 44, 1 45; 1 102, 5 40; 7 83, 8 52), Mnemosyne 43, 160–164 — (1994): Martial 9 95 and the Cap that Fits, Mnemosyne 47, 685–688 — (1999): More Observations on Martial, Mnemosyne 52, 578–584 — (2001a): Five Problems in Martial (1 48 3–4; 4 52; 6 12; 9 61 15–18; 12 52), CQ 51, 319–321 — (2001b): Marginalia on Martial, Mnemosyne 54, 582–586 Edmunds, L (2015): Pliny the Younger on his Verse and Martial’s Non-Recognition of Pliny as a Poet, HSPh 108, 309–360 Edwards, C (1993): The Politics of Immorality in Ancient Rome, Cambridge Elmore, J (1911): Some Phases of Martial’s Literary Attitude, in: Matzke Memorial Volume, Stanford, 62–75 Elter, A (1891): Vaticanum, RhM 46, 112–138 Erb, G (1981): Zu Komposition und Aufbau im ersten Buch Martials, Diss Gießen 1980, Frankfurt/M Estefanía, D (1988): Sobre una posible identificación de Liciniano (Marcial I 49 y I 61) con C Licinio Muciano, Minerva 2, 279–285 Fabbrini, D (2002): Mart VI 64,25 toto orbe o tota urbe? Considerazioni sull’ambito di destinazione della poesia diffamatoria, Maia 54, 543–556 — (2005a): Scenografie del lusso conviviale: Petronio 47,8, Marziale 10,30,23 e una presunta funzione del nomenclator, MD 55, 213–227 — (2005b): Callimaco, SH 260A,8 e le sorti di Molorco in Marziale, IV 64 e Stazio, silvae III 1: il tema dell’ospitalità umile nella poesia celebrativa e d’occasione di età flavia, SIFC 4 ser 3, 195–222 Fabre, G (1994): Affranchis et esclaves impériaux sous Domitien, Pallas 40, 337–355 Fearnley, H (L ) (1998): Reading Martial’s Rome, Diss Univ of Southern California, Los Angeles — (2003:) Reading the Imperial Revolution: Martial, Epigrams 10, in: A J Boyle – W J Dominik (Hgg ), Flavian Rome Culture, Image, Text, Leiden, 613–635 Fernández Valverde, J (2001): Marcial: la precedencia, la lana lavada y el que (no) se mató, Faventia 23 2, 51–58 Fitzgerald, W (2007): Martial The World of the Epigram, Chicago

216

Literaturverzeichnis

— (2018): Pliny and Martial Dupes and Non-Dupes in the Early Empire, in: A König  – C Whitton (Hgg ), Roman Literature under Nerva, Trajan and Hadrian Literary Interactions, AD 96–138, Cambridge, 108–125 Fletcher, G B A (1983): On Martial, Latomus 42, 404–411 Flores Militello, V (2019): Tali dignus amico Die Darstellung des patronus­cliens-Verhältnisses bei Horaz, Martial und Juvenal, Tübingen Fontaine, M F (2010): Funny Words in Plautine Comedy, Oxford Fortuny Previ, F (1986): En torno al vocabulario erótico de Marcial, Myrtia 1, 1986, 73–91 & 3, 1988, 93–118 Fowler, D P (1995): Martial and the Book, Ramus 24, 31–58 = A J Boyle (Hg ), Roman Literature and Ideology II: Ramus Essays in honour of J P Sullivan, Bendigo, 199–226 Friedländer, L (1870): De personis quibusdam a Martiale commemoratis, Königsberg Friedrich, G (1907): Zu Martial, RhM 62, 366–379 — (1910): Zu Seneca und Martial, Hermes 45, 583–594 Fusi, A (2008): Marziale 3,82 e la Cena Trimalchionis, in: A M Morelli (Hg ), Epigramma longum: Da Marziale alla Tarda Antichità/From Martial to Late Antiquity Atti del Convegno internazionale Cassino, 29–31 maggio 2006, Cassino, Bd 1, 267–297 — (2011a): Sulla tradizione di Marziale, in: P Mastandrea – L Spinazzè (Hgg ), Nuovi archivi e mezzi d’analisi per i testi poetici I lavori del progetto Musisque Deoque, Venezia, 21–23 giugno 2010, Amsterdam, 123–136 — (2011b): Marziale e il fantasma di Scorpo Nota a 10 48 23, in: R Perrelli – P Mastandrea (Hgg ), Latinum est, et legitur… Prospettive, metodi, problemi dello studio dei testi latini Atti del Convegno Arcavacata di Rende 4–6 novembre 2009, Amsterdam, 261–280 — (2012): Note testuali ed esegetiche a Marziale (2,24; 4,42; 9,80; 10,35; 11,87), in: M Passalacqua u a (Hgg ), Venuste noster Scritti offerti a L Gamberale, Hildesheim, 241–280 — (2014/15): Una tendenziosa lezione di storia letteraria (su esegesi e testo di Marziale, VIII 73), Incontri di Filologia Classica 14, 59–89 — (2017): Nota al testo di Marziale 2 7, Lexis 35, 321–334 Gaffney, G E (1976): Mimic elements in Martial’s Epigrammaton Libri XII, Diss Vanderbilt Univ Nashville (TE) (Mikrofilm) Galán Rodríguez, M del P (1994): Marco Valerio Marcial: análisis de un diálogo fructífero, CFC(L) 7, 133–143 Galán Sánchez, P J (2017): La „dilogía“ en los Epigramas de Marcial, Ágora 19, 201–224 Ganter, A (2015): Was die römische Welt zusammenhält Patron-Klient-Verhältnisse zwischen Cicero und Cyprian, Berlin (bes  203–238: ‚Zwischen Senatoren und Plebs: Patron-Klient-Verhältnisse im Spiegel der Epigramme Martials und der Satiren Juvenals‘) Garmaise, M (2002): The Morio in Martial’s Epigrams, with Emphasis on 12 93, Scholia n s 11, 55–64 Garrido-Hory, M (1981a): Martial et l’esclavage, Paris — (1981b): La vision du dépendant chez Martial à travers les relations sexuelles, Index 10, 298–315 — (1984a): Martial Index thématique des références à l’esclavage et à la dépendance, Paris — (1984b): La femme chez Martial, in: Mél R Fietier, Paris, 301–311 — (1985a): Le statut de la clientèle chez Martial, DHA 11, 380–414 — (1985b): Enrichissement et affranchis privés chez Martial: pratiques et portraits, Index 13, 223–271

Sekundärliteratur

217

— (1994): L’empereur chez Martial: Dominus, Caesar, Deus, in: M M Mactoux  – E Geny (Hgg ), Mél P Lévêque, Bd 8: Religion, anthropologie et société, Paris, 235–257 — (1997): „Puer“ et „minister“ chez Martial et Juvénal, in: M Moggi – G Cordiano (Hgg ), Schiavi e dipendenti nell’ambito dell’ „oikos“ e della „familia“ Atti del XXII Colloquio GIREA Pontignano (Siena), 19–20 novembre 1995, Pisa, 307–327 — (1998): Recherches sur la dépendance chez Martial et Juvénal, Diss Besançon (URL: http:// www sudoc fr/049615610) — (1999): Femmes, femmes-esclaves et processus de feminisation dans les œuvres de Martial et de Juvénal, in: F Reduzzi Merola  – A Storchi Marino (Hgg ), Femmes-esclaves: Modèles d’interprétation anthropologique, économique, juridique Atti del XXI Colloquio internazionale GIREA Lacco Ameno – Ischia, 27–29 ottobre 1994, Napoli, 303–313 Garson, R W (1979): Martial on his Craft, Prudentia 11, 7–13 Garthwaite, J (1978): Domitian and the Court Poets Martial and Statius, Diss Cornell Univ Ithaca (NY) (Mikrofilm) — (1990): Martial, Book 6, on Domitian’s Moral Censorship, Prudentia 22 1, 13–22 — (1993): The Panegyrics of Domitian in Martial Book 9, Ramus 22, 78–102 — (1998a): Putting a Price on Praise: Martial’s Debate with Domitian in Book 5, in: F Grewing (1998a), 157–172 — (1998b): Patronage and Poetic Immortality in Martial, Book 9, Mnemosyne 51, 161–175 — (2001a): Theatre Sports and Martial’s Literary Programme in Epigrams, Book One, Antichthon 35, 70–83 — (2001b): Revaluating Epigrammatic Cycles in Martial Book 2, Ramus 30, 46–55 — (2006): The Context and Content of Martial, Book 3, in: C Deroux (Hg ), Studies in Latin Literature and Roman History 13, Bruxelles, 405–416 — (2009): Ludimus innocui: Interpreting Martial’s Imperial Epigrams, in: W J Dominik u a (Hgg ), Writing Politics in Imperial Rome, Leiden, 405–427 Gärtner, T (2007): Kritisch-exegetisches zu den Epigrammen Martials, Prometheus 33, 2007, 239–253 & 34, 2008, 53–64 — (2009): Nachlese zu Martial, Prometheus 35, 69–80 George, M (2008): The ‚Dark Side‘ of the Toga, in: J Edmondson – A Keith (Hgg ), Roman Dress and the Fabrics of Roman Culture, Toronto, 94–112 Gerlach, O (1911): De Martialis figurae ΑΠΡΟΣΔΟΚΗΤΟΝ quae vocatur usu, Diss Jena Gessler, J (1946): In Martialem, Latomus 5, 57–60 Giegengack, J M (1969): Significant Names in Martial, Diss Yale Univ , New Haven Giese, P (1872): De personis a Martiale commemoratis, Diss Greifswald Gilula, D (1987): Did Martial Have a Jewish Slave? (7 35), CQ 37, 532–533 Gold, B K (1987): Literary Patronage in Greece and Rome, Chapel Hill — (2003): Accipe divitias et vatum maximus esto: Money, Poetry, Mendicancy and Patronage in Martial, in: A J Boyle – W J Dominik (Hgg ), Flavian Rome Culture, Image, Text, Leiden, 591–612 Goldbeck, F (2010): Salutationes Die Morgenbegrüßungen in Rom in der Republik und der frühen Kaiserzeit, Berlin Gómez Pallarès, J (1995): Cuestiones en torno al otium en Marcial, RPL 18, 61–89 — (2001): A New Proposal on Martial 3,4, citharoedus, Athenaeum 89, 216–222 Görler, W (1986): Martials Reisegedicht für Licinianus (ep I,49), Eos 74, 309–323 Graça, I (2004): Marcial e os banhos em Roma, Humanitas 56, 117–136

218

Literaturverzeichnis

Greenwood, M A P (1992): Martial, Epigr I,lxviii,7–8: a New Interpretation, Latomus 51, 863– 867 — (1998a): Martial, Gossip, and the Language of Rumour, in: F Grewing (1998a), 278–314 — (1998b): Talking Flamingos and the Sins of the Tongue: The Ambiguous Use of lingua in Martial, CPh 93, 241–246 — (1998c): ‚Talking to Water‘: an Epigram-Cycle in Martial, Book 4 (4,18; 4,22; 4,63), RhM 141, 367–372 Grewing, F (1996): Möglichkeiten und Grenzen des Vergleichs: Martials Diadumenos und Catulls Lesbia, Hermes 124, 333–354 — (1998a): (Hg ), Toto notus in orbe Perspektiven der Martial-Interpretation, Stuttgart — (1998b): Etymologie und etymologische Wortspiele in den Epigrammen Martials, in: ders (1998a), 315–356 — (2010): Karneval in Rom: Metapoetische Quisquilien in Martials Epigrammen, WS 123, 131– 166 Grimal, P (1989): Martial et la pensée de Sénèque, ICS 14, 175–183 Hallett, J P (1989): Female Homoeroticism and the Denial of Roman Reality in Latin Literature, YJC 3 1, 209–227 = W R Dynes – S Donaldson (Hgg ), Homosexuality in the Ancient World, New York 1992, 179–197 = J P H  – M B Skinner (Hgg ), Roman Sexualities, Princeton (NJ) 1997, 255–273 — (1992/93): Martial’s Sulpicia and Propertius’ Cynthia, CW 86, 99–123 = M DeForest (Hg ), Woman’s Power, Man’s Game Essays on Classical Antiquity in honor of J K King, Wauconda Ill  1993, 322–353 Hardie, A (1983): Statius and the Silvae Poets, Patrons and Epideixis in the Graeco-Roman World, Liverpool (bes  2–72: ‚Poets and Patrons‘) Harrison, G W M (2001): Martial on Sportula and the Saturnalia, Mouseion 3 ser  1, 295–312 Hartmann, E (2009): „Euer Purpur hat unsere Togen aus dem Dienst entlassen“ – Zum Wandel des städtischen Klientelwesens im Rom der frühen Kaiserzeit, Millennium 6, 1–37 — (2012/13): Wealthy Women and Legacy Hunters in Late Imperial Rome, Annales HSS 67, 431–452 = (franz ) Femmes riches et captateurs d’héritage à Rome durant le Haut-Empire, ebd 605–628 Hayes, S A (2016): Martial the Book Poet: Contextu(r)alising the Flavian Poetry Book, Diss Exeter (URL: http://hdl handle net/10871/26157) Heil, A (2002): Bemerkungen zu Martial: 6,24 6,61 6,75 9,35 und 12,5, Philologus 146, 309–317 — (2013): Maronis mentula: Vergil als Priapeen-Dichter bei Martial (Mart 9,33), Philologus 157, 111–118 Heilmann, W (1984): „Wenn ich frei sein könnte für ein wirkliches Leben…“ Epikureisches bei Martial, A&A 30, 47–61 — (1998): Epigramme Martials über Leben und Tod, in: F Grewing (1998a), 205–219 Hejduk, J D (2010/11): Phthisical Intimacy: Martial 2 26, CJ 106, 223–227 Helm, R (1955): M Valerius Martialis, RE VIII A 1, Stuttgart 1955, 55–85 Hennig, J -L (2003): Martial, Paris Henriksén, C (1997): Earinus: an Imperial Eunuch in the Light of the Poems of Martial and Statius, Mnemosyne 50, 281–294 — (1998): Martial und Statius, in: F Grewing (1998a), 77–118 — (2006): Martial’s Modes of Mourning Sepulchral Epitaphs in the Epigrams, in: R R Nauta u a (Hgg ), Flavian Poetry, Leiden, 349–367

Sekundärliteratur

219

— (2018): Inside Epigram: Intratextuality in Martial’s Epigrams, Book 10, in: S Harrison u a (Hgg ), Intratextuality and Latin Literature, Berlin, 397–406 Henry, R M (1948): On Martial IX,44, Hermathena 71, 93–94 Hernández González, F (2008): Avitus, el amigo del poeta latino Marcial, Fortunatae 19, 27–39 Herrera Zapién, T (1984): Marcial, divinizador casi irónico de los Césares, Nova Tellus 2, 67–83 Hinds, S (2007): Martial’s Ovid / Ovid’s Martial, JRS 97, 113–154 Hofmann, R (1956/57): Aufgliederung der Themen Martials, Wiss Zs Leipzig, Ges u sprachwiss R  6, 433–474 Hofmann, W (1983): Martial und Domitian, Philologus 127, 238–246 Holleman, A W J (1976): Martial and a Lupercus at Work, Latomus 35, 861–865 Holzberg, N (1986): Neuansatz zu einer Martial-Interpretation, WJb 12, 197–215 — (1988): Martial, Heidelberg — (2002): Martial und das antike Epigramm, Darmstadt, 22012 (nur bibliographisch aktualisiert) — (2004): Illud quod medium est: Middles in Martial, in: S Kyriakidis  – D de Martino (Hgg ), Middles in Latin Poetry, Bari, 245–260 — (2004/05): Martial, the Book, and Ovid, Hermathena 177–178, 209–224 — (2006): Onomatopoetics: a Linear Reading of Martial 7 67–70, in: J Booth – R Maltby (Hgg ), What’s in a Name? The Significance of Proper Names in Classical Latin Literature, Swansea, 145–158 — (2007): Res est publica Caesar Ovid und Martial konstruieren ihre Kaiser, in: M Janka u a (Hgg ), Ovid Werk, Kultur, Wirkung, Darmstadt, 283–300 — (2011): Applaus für Maro Eine ‚augusteische‘ Interpretation von Mart 9,33, in: A Heil u a (Hgg ), Noctes Sinenses Festschr F -H Mutschler, Heidelberg, 68–73 Hooper, R W (1985): In Defence of Catullus’ Dirty Sparrow, G&R 2 ser 32, 1985, 162–178 Housman, A E (1907): Corrections and Explanations of Martial, JPh 30, 229–265 = The Classical Papers of A E H (Hgg J Diggle – F R D Goodyear), Cambridge 1972, Bd 2, 711–739 — (1919): Notes on Martial, CQ 13, 68–80 = The Classical Papers of A E H (Hgg J Diggle – F R D Goodyear), Cambridge 1972, Bd 3, 982–995 Howell, P (1998): Martial’s Return to Spain, in: F Grewing (1998a), 173–186 Hülsen, C (1889): Zu Martial, BPhW 22, 683–684 — (1891): Jahresbericht über neue Funde und Forschungen zur Topographie der Stadt Rom 1889–1890, MDAI(R) 6, 73–150 Iddeng, J W (2005): How Shall We Comprehend the Roman I-Poet? A Reassessment of the Persona-Theory, C&M 56, 185–205 — (2006): Publica aut peri! The Releasing and Distribution of Roman Books, SO 81, 58–84 Immisch, O (1911): Zu Martial, Hermes 46, 481–517 Janka, M (2014): Neue Wege und Perspektiven der Martialforschung, Gymnasium 121, 1–18 Jocelyn, H D (1981): Difficulties in Martial, Book I, PLLS 3, 277–284 — (1985): Charinus cunnilingus (Martial 1.77), LCM 10, 41–42 Joepgen, U (1967): Wortspiele bei Martial, Diss Bonn Johannsen, N (2006): Dichter über ihre Gedichte Die Prosavorreden in den „Epigrammaton libri“ Martials und in den „Silvae“ des Statius, Göttingen Johnson, M (1997): Martial and Domitian’s Moral Reforms, Prudentia 29 2, 24–70 Johnson, S (1953/54): The Obituary Epigrams of Martial, CJ 49, 265–272

220

Literaturverzeichnis

Jones, B W (1974): Martial’s Norbanus, PP 29, 189–191 — (1976): Dalmatia again, CPh 71, 256–257 — (1982): Martial’s Paullus, Latomus 41, 841–844 Jones, C P (1970): Sura and Senecio, JRS 60, 98–104 — (1987): Stigma: Tattooing and Branding in Graeco-Roman Antiquity, JRS 77, 139–155 Jones, F L (1934/35): Martial, the Client, CJ 30, 355–361 Jörs, P (1882): Über das Verhältnis der Lex Iulia de maritandis ordinibus zur Lex Papia Poppaea, Diss Bonn = T Spagnuolo Vigorita (Hg ), P J , „Iuliae rogationes“ Due studi sulla legislazione matrimoniale augustea, Napoli 1985, 2 Teil Julhe, J -C (2004): La „dot cécropienne“ de Théophila, ou le mariage de la philosophie et de la poésie dans l’épigramme (d’après Martial VII,69), Latomus 63, 124–136 — (2010): L’effigie de Martial dans la bibliothèque d’Avitus ou la consécration du poète dans la préface du livre IX des Épigrammes, Latomus 69, 77–98 — (2014): À propos des épigrammes de Martial dédiées à Domitien Une sacralisation du livre?, in: ders (Hg ), Pratiques latines de la dédicace Permanence et mutations, de l’Antiquité à la Renaissance, Paris, 303–325 — (2015): Le rire et le sourire de Domitien dans les Épigrammes de Martial, BStudLat 45, 1–22 Kajanto, I (1965): The Latin Cognomina, Commentationes Humanarum Litterarum 36 2, Helsinki Kaliwoda, U (1998): Die persönliche Religiosität Martials, GB 22, 197–210 Kamen, D (2011): Slave Agency and Resistance in Martial, in: R Alston u a (Hgg ), Reading Ancient Slavery, London, 192–203 Kappelmacher, A (1916): Frontin in Martials Epigrammen, WS 38, 181–185 — (1922/23): Martial und Quintilian, WS 43, 216–217 Kardos, M -J (2001a): L’Urbs de Martial Recherches topographiques et littéraires autour des Épigrammes V,20 et V,22, Latomus 60, 387–413 — (2001b): L’urbs dans les Épigrammes de Martial: poésie et réalité, REL 79, 201–214 — (2002): Quartiers et lieux de Rome dans les Épigrammes de Martial, BAGB, 119–135 Kassel, R (1966): Kritische und exegetische Kleinigkeiten II, RhM 109, 1–12 Kelly, G (2018): From Martial to Juvenal (Epigrams 12 18), in: A König – C Whitton (Hgg ), Roman Literature under Nerva, Trajan and Hadrian, Literary Interactions, AD 96–138, Cambridge, 160–179 Kennedy, D (1983): C Velius Rufus, Britannia 14, 183–196 Kenney, E J (1964): Erotion again, G&R 2 ser 11, 77–81 Ker, A (1950): Some Explanations and Emendations of Martial, CQ 44, 12–24 Killeen, J F (1967): Ad Martialis Epigr IX 67, Glotta 45, 233–234 Kleijwegt, M (1998): Extra fortunam est quidquid donatur amicis Martial on Friendship, in: F Grewing (1998a), 256–277 — (1999): A Question of Patronage: Seneca and Martial, AClass 42, 105–119 Klug, W (1995): Martial-Interpretationen, AU 38 6, 69–78 Kolendo, J (1981): L’esclavage et la vie sexuelle des hommes libres à Rome, Index 10, 288–297 Kolosova, O G (2000): Callaicum mandas siquid ad Oceanum… Zur Zeit und Ursache der Heimkehr Martials, Gerión 18, 323–341 Kondoyanni, H (1997): The Arrangement of the Epigrams in Martial’s Ninth Book, Sandalion 20, 79–86 Konstan, D (1995): Patrons and Friends, CPh 90, 328–342

Sekundärliteratur

221

— (1997): Friendship in the Classical World, Cambridge Korenjak, M (2003): Tityri sub persona Der antike Biographismus und die bukolische Tradition, A&A 49, 58–79 Krauss, F B (1944/45): The Motive of Martial’s Satire, CW 38, 18–20 Krenkel, W A (1978): Männliche Prostitution in der Antike, Altertum 24, 49–55 — (1979): Pueri meritorii, Wiss Zs Rostock, Ges u sprachwiss R 28, 179–189 = W R Dynes – S Donaldson (Hgg ), Homosexuality in the Ancient World, New York 1992, 269–279 — (1980): Fellatio and irrumatio, Wiss Zs Rostock, Ges u sprachwiss R  29, 77–88 = ders , Naturalia non turpia Sex and Gender in Ancient Greece and Rome Schriften zur antiken Kulturund Sexualwissenschaft (Hgg W Bernard – C Reitz), Hildesheim 2006, 22016, 205–231 — (1981): Tonguing, Wiss Zs Rostock, Ges u sprachwiss R  30, 37–54 = ders , Naturalia non turpia Sex and Gender in Ancient Greece and Rome Schriften zur antiken Kultur- und Sexualwissenschaft (Hgg W Bernard – C Reitz), Hildesheim 2006, 22016, 265–302 Kruuse, J (1941): L’originalité artistique de Martial Son style, sa composition, sa technique, C&M 4, 248–300 Kuhn, A B (2015): The Dynamics of Social Status and Prestige in Pliny, Juvenal and Martial, in: dies (Hg ), Social Status and Prestige in the Graeco-Roman World, Stuttgart, 9–28 Kuppe, E M W (1972): Sachwitz bei Martial, Diss Bonn Kurmally, M Y (1971): Martial’s Attitude towards Women, Diss The Ohio State Univ , Columbus (Mikrofilm) Kuthan, R (1932): Zu Martialis Epigramm IV 79, PhW 52, 782–783 LaFleur, R A (1974): Catullus and Catulla in Juvenal, RPh 48, 71–74 La Penna, A (1992a): La sublimazione estetica dell’eros in Marziale, in: La storia, la letteratura e l’arte a Roma da Tiberio a Domiziano Atti del Convegno (Mantova, Teatro Accademico, 4-5-6-7 ottobre 1990), Mantova, 311–382 = I cento volti dell’eros di Marziale, in: ders , Eros dai cento volti Modelli etici ed estetici nell’età dei Flavi, Venezia 2000, 67–133 (hiernach zitiert) — (1992b): L’oggetto come moltiplicatore delle immagini Uno studio su priamel e catalogo in Marziale, Maia 44, 7–44 — (1994): Due nomi propri in Marziale, Maia 46, 15–18 = ders , Eros dai cento volti Modelli etici ed estetici nell’età dei Flavi, Venezia 2000, 185–188 Larash, P (2010): Antulla’s Tomb and Martial’s: Poetic Closure in Book 1, ACD 46, 41–56 Latzke, T (1970): Der Topos Mantelgedicht, MLatJb 6, 109–131 Laurens, P (1965): Martial et l’épigramme grecque du Ier siècle après J -C , REL 43, 315–341 — (2001): Martial et Sénèque: affinités entre deux Latins d’Espagne, RELat 1, 77–92 Lavigne, D (2008): Embodied Poetics in Martial 11, TAPhA 138, 275–311 Leberl, J (2004): Domitian und die Dichter: Poesie als Medium der Herrschaftsdarstellung, Göttingen Lehmann, E (1931): Antike Martialausgaben, Diss Berlin Levi, M A (1989): I ceti dipendenti negli epigrammi di Marziale, Index 17, 225–230 Lieben, E (1930): Zu Martial, PhW 50, 458–462 Lindsay, H (2000): Food and Clothing in Martial, in: C Deroux (Hg ), Studies in Latin Literature and Roman History 10, Bruxelles, 318–327 Lindsay, W M (1903a): The Ancient Editions of Martial, Oxford — (1903b): Notes on the Text of Martial, CR 17, 48–52 Lloyd, L J (1953): Erotion: a Note on Martial, G&R 22, 39–41 López-Cañete Quiles, D (2012): Sobre Marcial, 1 praef. 1–3, CFC(L) 32, 67–87

222

Literaturverzeichnis

— (2013): A Pending Payment: On Martial 4 77, Hermes 141, 233–240 López López, M (2003): Interpretatio nominum y diversificación del concepto de ratio en Plauto, RELat 3, 29–44 Lorenz, S (2002): Erotik und Panegyrik Martials epigrammatische Kaiser, Tübingen — (2003): Martial, Herkules und Domitian: Büsten, Statuetten und Statuen im Epigrammaton liber nonus, Mnemosyne 56, 566–584 — (2004a): Nulla virtus dulcior esse potest ‚Mannestum‘ und ‚Männlichkeit‘ in der erotischen Kleindichtung, in: G Partoens u a (Hgg ), Virtutis imago: Studies on the Conceptualisation and Transformation of an Ancient Ideal, Louvain, 117–143 — (2004b): Waterscape with Black and White: Epigrams, Cycles, and Webs in Martial’s Epi­ grammaton liber quartus, AJPh 125, 255–278 — (2006a): Martial and the Writer Canius Rufus, in: R R Nauta u a (Hgg ), Flavian Poetry, Leiden, 315–328 — (2006b): Martials Toter Gallier (8,75), GB 25, 219–228 — (2009): Der „ernste“ Martial: Tod und Trauer in den Epigrammen, Gymnasium 116, 359–380 — (2010): Dichterzitate bei Martial, Latomus 69, 410–428 — (2014): Martial und Quintilian (Epigr 2,90), Gymnasium 121, 45–68 Lucas, H (1938): Martial’s Kalendae Nataliciae, CQ 32, 5–6 Lugli, G (1961): La Roma di Domiziano nei versi di Marziale e di Stazio, StudRom 9, 1–17 McCartney, E S (1918/19): Puns and Plays on Proper Names, CJ 14, 343–358 McDermott, W C (1978): Ecce iterum Crispinus, RSA 8, 117–122 McKeown, N (2007): Had They No Shame? Martial, Statius and Roman Sexual Attitudes towards Slave Children, in: S Crawford (Hg ), Children, Childhood and Society, Oxford, 57–62 MacMullen, R (1982): Roman Attitudes to Greek Love, Historia 31, 484–502 = W R Dynes – S Donaldson (Hgg ), Homosexuality in the Ancient World, New York 1992, 340–358 McNelis, C (2008): Ut sculptura poesis: Statius, Martial, and the Hercules Epitrapezios of Novius Vindex, AJPh 129, 255–276 Malnati, T P (1987/88): Juvenal and Martial on Social Mobility, CJ 83, 133–141 Maltby, R (2006): Proper-Names as a Linking Device in Martial, in: J Booth – R M (Hgg ), What’s in a Name? The Significance of Proper Names in Classical Latin Literature, Swansea, 159–167 — (2008): Verbal and Thematic Links between Poems and Books in Martial, PLLS 13, 255–268 Mans, M J (1994): Humour, Health and Disease in Martial, Akroterion 39, 105–120 Mantke, J (1967/68): Do We Know Martial’s Parents? (Mart V 34), Eos 57, 235–244 Marache, R (1961): La revendication sociale chez Martial et Juvénal, RCCM 3, 30–67 Marchesi, I (2013): Silenced Intertext: Pliny on Martial on Pliny (on Regulus), AJPh 134, 101–118 — (2015): The Unbalanced Dinner between Martial and Pliny One Topos in Two Genres, in: O Devillers (Hg ), Autour de Pline le Jeune En hommage à N Méthy, Bordeaux, 117–129 Marina Sáez, R M (1991): El tema simposíaco en la poesía latina, de Horacio a Marcial I: los elementos externos del simposio, Myrtia 6, 129–147 — (2015): La imagen de la mujer escritora en Marcial: un comentario del epigrama X 35, Faventia 37, 57–69 Marino, P A (1971/72): Women: Poorly Inferior or Richly Superior?, CB 48, 17–21 Marsilio, M S (2008): Mendicancy and Competition in Catullus 23 and Martial 12,32, Latomus 67, 918–930

Sekundärliteratur

223

Martin, A (1986): Princeps, dominus, dux Les dénominations impériales dans les poèmes de Martial, in: F Decreus – C Deroux (Hgg ), Hommages à J Veremans, Bruxelles, 201–207 Maselli, G (1994): Trasparenza bloccante: suggestioni intertestuali in Marziale 4,22, Aufidus 8 (Nr 24), 49–54 — (1995): Mobilità prospettica sulla villa del Ianiculum (Mart 4,64), Aufidus 9 (Nr 25), 49–64 Mattiacci, S (1999): Castos docet et pios amores, lusus, delicias facetiasque, ovvero la poesia d’amore secondo l’ ‚altra‘ Sulpicia, InvLuc 21, 215–241 — (2008): Fedro, Marziale e il nuovo impegno del lusus poetico, in: P Arduini u a (Hgg ), Studi offerti ad A Perutelli, Roma, Bd 2, 191–203 Mayer, R G (2003): Persona‹l› Problems The Literary Persona in Antiquity Revisited, MD 50, 55–80 Mendell, C W (1922): Martial and the Satiric Epigram, CPh 17, 1–20 Mendelsohn, C J (1907): Studies in the Word-Play in Plautus, Philadelphia Merli, E (1993): Ordinamento degli epigrammi e strategie cortigiane negli esordi dei Libri I–XII di Marziale, Maia 45, 229–256 — (1996): Note a Marziale (8,50; 10,7; 11,90; 13,118), MD 36, 211–223 — (1998): Epigrammzyklen und ‚serielle Lektüre‘ in den Büchern Martials Überlegungen und Beispiele, in: F Grewing (1998a), 139–156 — (2002): Zu Martial 5,35,4, Philologus 146, 379–382 — (2006a): Identity and Irony Martial’s Tenth Book, Horace, and the Tradition of Roman Satire, in: R R Nauta u a (Hgg ), Flavian Poetry, Leiden, 257–270 — (2006b): Martial between Rome and Bilbilis, in: R M Rosen  – I Sluiter (Hgg ), City, Countryside, and the Spatial Organization of Value in Classical Antiquity, Leiden, 327–347 — (2008): Cenabis belle Rappresentazione e struttura negli epigrammi di invito a cena di Marziale, in: A M Morelli (Hg ), Epigramma longum: Da Marziale alla Tarda Antichità / From Martial to Late Antiquity Atti del Convegno internazionale Cassino, 29–31 maggio 2006, Cassino, Bd 1, 299–326 — (2013): Il fons di Stella fra mitizzazione e realismo (Mart VI 47; VII 15 e 50; XII 2), Dictynna 10 (URL: http://dictynna revues org/1000) Merriam, C U (1990/91): The Other Sulpicia, CW 84, 303–305 Messer, W S (1940/41): Martial IX,15, CJ 36, 226–229 Mindt, N (2013a): Martials ‚epigrammatischer Kanon‘, München — (2013b): Griechische Autoren in den Epigrammen Martials, Millennium 10, 501–556 Mohler, S L (1925/26): Martial VI,24, CJ 21, 223–224 Morelli, A M (2005): Toto notus in orbe? The Epigrams of Martial and the Tradition of the Carmina Latina epigraphica, PLLS 12, 151–175 — (2009): Sighs of Lost Love: the Rufus Cycle in Martial (1 68 and 1 106), CPh 104, 34–49 — (2013): „sed ne respicis et fugis sequentem“: il parassita e l’ ‚entimema dell’innamoramento‘ in Mart V 44, Aevum 87, 55–71 — (2017): Catullus 23 and Martial An Epigrammatic Model and its ‚Refraction‘ throughout Martial’s libri, in: F Bessone  – M Fucecchi (Hgg ), The Literary Genres in the Flavian Age Canons, Transformations, Reception, Berlin, 117–135 Moreno Soldevila, R (2004a): Algunas apreciaciones sobre la estructura del libro IV de Marcial, Faventia 26 2, 99–109 — (2004b): Caecilianus en los Epigramas de Marcial (Nota a IV,15), Latomus 63, 384–387 — (2014): Ludicra Martialis (nota a Mart III 89 y XI 40), Emerita 82, 313–325 — (2015): A Bottle or a Beatle? Martial’s Cantharus, Mnemosyne 68, 661–665

224

Literaturverzeichnis

— (2016): ¿Histórico o fictício? Reflexiones sobre la catalogación de los personajes y la interpretación de algunos epigramas de Marcial, in: E Borrell Vidal – Ó de la Cruz Palma (Hgg ), Omnia mutantur Canvi, transformació i pervivència en la cultura clàssica, en les seves llengües i en el seu llegat, Bd 2, Barcelona, 293–299 — (2017): Retouching a Self-Portrait (or How to Adopt One’s Image in Times of Political Change): The Case of Martial in the Light of Pliny the Younger, in: C Rosillo-López (Hg ), Political Communication in the Roman World, Leiden, 253–278 Moreno Soldevila, R   – Marina Castillo, A   – Fernández Valverde, J (2019): A Prosopography to Martial’s Epigrams, Berlin Mratschek(-Halfmann), S (1993): Divites et praepotentes Reichtum und soziale Stellung in der Literatur der Prinzipatszeit, Stuttgart — (2018): Images of Domitius Apollinaris in Pliny and Martial Intertextual Discourses as Aspects of Self-Definition and Differentiation, in: A König – C Whitton (Hgg ), Roman Literature under Nerva, Trajan and Hadrian Literary Interactions, AD 96–138, Cambridge, 208–232 Mulligan, B (2012/13): Bad Scorpion: Cacemphaton and Poetics in Martial’s Ligurinus-Cycle, CW 106, 365–395 Mussehl, J (1923): Martial IX 95, Hermes 58, 238–239 Muth, R (1976): Martials Spiel mit dem ludus poeticus, in: A Morpurgo Davies – W Meid (Hgg ), Studies in Greek, Italic, and Indo-European Linguistics Offered to L R Palmer, Innsbruck, 199–207 Nadeau, Y (1984): Catullus’ Sparrow, Martial, Juvenal and Ovid, Latomus 43, 861–868 Nauta, R R (2002a): Poetry for Patrons Literary Communication in the Age of Domitian, Leiden — (2002b): ‚Lyrisch ik‘ en persona in de bestudering van de Romeinse poëzie, Lampas 35, 363– 386 — (2005): Die mächtigen Freunde des Spötters Martial und seine Patrone, in: W Eck – M Heil (Hgg ), Senatores populi Romani Realität und mediale Präsentation einer Führungsschicht Kolloquium der Prosopographia Imperii Romani vom 11 –13 Juni 2004, Stuttgart, 213–228 Neger, M (2012): Martials Dichtergedichte Das Epigramm als Medium der poetischen Selbstreflexion, Tübingen — (2014a): ‚Graece numquid‘ ait ‚poeta nescis?‘ Martial and the Greek Epigrammatic Tradition, in: A Augoustakis (Hg ), Flavian Poetry and its Greek Past, Leiden, 327–344 — (2014b): Ille ego sum nulli nugarum laude secundus Martials Strategien der Selbstkanonisierung, Gymnasium 121, 19–43 — (2015): Pliny’s Martial and Martial’s Pliny: the Intertextual Dialogue between the Letters and the Epigrams, in: O Devillers (Hg ), Autour de Pline le Jeune En hommage à N Méthy, Bordeaux, 131–144 Neumeister, C (1991): Das antike Rom Ein literarischer Stadtführer, München Nobili, M (2002): „Solecismi“ di Marziale: epigr. 11,19 e 5,38, in: E Lelli (Hg ), Arma virumque… Studi di poesia e storiografia in onore di L Canali, Pisa, 121–136 — (2004): Una visita interessata: Marziale 8,25, in: R Burri u a (Hgg ), Ad limina, II Incontro di studio tra i dottorandi e i giovani studiosi di Roma Istituto svizzero di Roma, Villa Maraini, febbraio-aprile 2003, Alessandria, 89–97 — (2005): Mule e volumi Su Marziale 8,61, ARF 7, 95–104 — (2008): Rus, seu potius domus Note critiche agli epigrammi di Marziale a Giulio Marziale (4,64; 7,17), in: A Morelli (Hg ), Epigramma longum: da Marziale alla Tarda Antichità /

Sekundärliteratur

225

From Martial to Late Antiquity Atti del Convegno internazionale Cassino, 29–31 maggio 2006, Cassino, Bd 1, 327–371 Nordh, A (1954): Historical Exempla in Martial, Eranos 52, 224–238 Notter, C (2011): Identité romaine et identité espagnole chez Martial, in: M Simon (Hg ), Identités romaines Conscience de soi et représentations de l’autre dans la Rome antique (IVe siècle av J -C -VIIIe siècle apr J -C ), Paris, 177–190 Obermayer, H P (1998): Martial und der Diskurs über männliche „Homosexualität“ in der Literatur der frühen Kaiserzeit, Tübingen O’Connor, E (1990): Mamurianus and Martial’s Revenge (Epigrams 1 92), CB 66, 93–95 — (1998): Martial and the Moral Jester: Priapic Motifs and the Restoration of Order in the Epigrams, in: F Grewing (1998a), 198–204 Pailler, J -M (1981): Martial et l’espace urbain, Pallas 28, 79–87 — (2002): …locus ille et hic amicus: de quelques envois de Martial aux villes et notables de la Gaule, Pallas 59 (Mél J Soubiran), 291–302 Panciera, M (D ) (2001): Sexual Practice and Invective in Martial and Pompeian Inscriptions, Diss Univ of North Carolina at Chapel Hill (NC) (Mikrofiche) — (2011): Hamillus/Sullimah: Sex, Fiction, and the Significance of Ananyms in Pompeii, CPh 106, 53–60 — (2012): Tacenda, Mnemosyne 65, 769–770 Parker, H (N ) (1992/93): Other Remarks on the Other Sulpicia, CW 86, 89–95 — (1994): Innocent on the Face of It: An Overlooked Obscenity in Martial (6 6), Mnemosyne 47, 380–383 — (2000): Flaccus, CQ 50, 455–462 Parroni, P (1979): Gli stulti parentes di Marziale e il prezzo di una vocazione (nota a Mart 9,73), in: Studi di poesia latina in onore di A Traglia, Roma, Bd 2, 833–839 — (1984): Nostalgia di Roma nell’ultimo Marziale, Vichiana 13, 126–134 Pasoli, E (1974): L’epigramma 12,18 di Marziale e la cronologia dell’attività poetica di Giovenale, in: L Barbesi (Hg ), Scritti in onore di C Vassalini, Verona, 345–355 = ders , Tre poeti latini espressionisti: Properzio, Persio, Giovenale, Roma 1982, 183–194 (hiernach zitiert) Pastor de Arozena, B (1991): Alphius – Olphius: Martialis IX 95, RCCM 33, 193–194 — (1992): Etymological Play on Alphius – Olphius (Martial 9 95), SyllClass 3, 81–84 — (1993): Martial 9 95, Eos 81, 223–226 — (1994): Marcial 9 95: un problema de crítica textual, PP 49, 427–433 — (2001): Lat Olphius = ὌΛΒΙΟΣ, Glotta 77, 219–220 Pavanello, R (1994): Nomi di persona allusivi in Marziale, Paideia 49, 161–178 Pertsch, E (1911): De Valerio Martiale Graecorum poetarum imitatore Adiecta est mantissa interpretationum, Diss Berlin Petrone, G (1988): Nomen/omen: poetica e funzione dei nomi (Plauto, Seneca, Petronio), MD 21–22, 33–70 — (1989): La funzione dei nomi dei personaggi nella commedia plautina e nella tragedia senecana, in: L De Finis (Hg ), Scena e spettacolo nell’ antichità Atti del Convegno internazionale di studio (Trento, 28–30 marzo 1988), Firenze, 233–252 Peyer, B  – Remund, H (1928): Medizinisches aus Martial Mit Ergänzungen aus Juvenal und einem naturgeschichtlichen Anhang, Zürich Piazzi, L (2004): Elementi diatribico-moralistici negli epigrammi di Marziale, A&R 49, 54–82

226

Literaturverzeichnis

Pimentel, M C de Castro-Maia de Sousa (1991): Marcial moralizado: o risco da literatura fragmentária, Euphrosyne 19, 109–120 — (1992): Marcial anacronizado: um cronista de hoje na Roma de ontem, Euphrosyne 20, 165– 186 — (1993): Quid petitur? Do sonho e do desencanto em Marcial, Euphrosyne 21, 249–261 — (2004): Política e história nos epigramas de Marcial, Humanitas 56, 13–31 Piros, E G (2019): Martial and the Poetics of Popular Consumption, Diss Univ of California, Los Angeles 2019 (URL: https://escholarship org/uc/item/3fw913sb) Pitcher, R A (1982): Passer Catulli: The Evidence of Martial, Antichthon 16, 97–103 — (1984a): Flaccus, Friend of Martial, Latomus 43, 414–423 — (1984b): A Prosopographical Note on Martial XII 57, Mnemosyne 37, 454–457 — (1990): The Emperor and his Virtues: the Qualities of Domitian, Antichthon 24, 86–95 — (1992): Martial V 78 31–32: a Note, Mnemosyne 45, 373–376 — (1993): The mollis vir in Martial, in: K Lee u a (Hgg ), Multarum artium scientia A ‚chose‘ for R G Tanner, Auckland, 59–67 — (1999): The Hole in the Hypothesis: Pliny and Martial Reconsidered, Mnemosyne 52, 554–561 Pizarro Sánchez, J (2009): Verano del 88: Marcial en Campania, in: P P Conde Parrado – I Velázquez (Hgg ), La Filología latina: mil años más, Madrid, Bd 1, 569–583 Plass, P (1985): An Aspect of Epigrammatic Wit in Martial and Tacitus, Arethusa 18, 187–210 Poeschel, H (1905): Typen aus der Anthologia Palatina und den Epigrammen Martials, Diss München Preston, K (1920): Martial and Formal Literary Criticism, CPh 15, 340–352 Prinz, K (1911): Martial und die griechische Epigrammatik, 1 Teil, Wien (mehr nicht erschienen) — (1929): Martialerklärungen II, WS 47, 109–116 — (1930): De Martialis Epigr IX 67, WS 48, 113–116 — (1931): Martials Dreikinderrecht, WS 49, 148–153 Prior, R E (1996): Going around Hungry: Topography and Poetics in Martial 2 14, AJPh 117, 121–141 Puelma, M (1995): Dichter und Gönner bei Martial, in: ders , Labor et lima Kleine Schriften und Nachträge, Basel, 415–466 Ravenna, G (2013/14): Per Marziale XI 103: tra sovrainterpretazione e ambiguità, Incontri di Filologia Classica 13, 195–215 Rawson, E (1987): Discrimina Ordinum The Lex Iulia Theatralis, PBSR 55, 83–114 = dies , Roman Culture and Society Collected Papers (Hg F Millar), Oxford 1991, 508–545 Reinhold, M (1971): Usurpation of Status and Status Symbols in the Roman Empire, Historia 20, 275–302 Renn, E (1888/89): Die griechischen Eigennamen bei Martial, Progr Landshut Richardson, L , Jr (1980): Two Topographical Notes, AJPh 101, 53–56 Richlin, A (1981): The Meaning of irrumare in Catullus and Martial, CPh 76, 40–46 — (1983): The Garden of Priapus: Sexuality and Aggression in Roman Humor, New Haven, 2New York 1992 — (1992/93a): Sulpicia the Satirist, CW 86, 125–140 — (1992/93b): Not before Homosexuality: The Materiality of the Cinaedus and the Roman Law against Love between Men, JHSex 3, 523–573 Ripoll, F (2002): Martial et Stace: un bilan de la question, BAGB, 303–323

Sekundärliteratur

227

Ritschl, F (1877): Quaestiones onomatologicae comicae, in: ders , Opuscula philologica, Bd 3, Leipzig (= Hildesheim 1978), 301–351 Robert, J -N (2004a): Société et cultus à l’époque de Martial, Humanitas 56, 49–68 — (2004b): Virtus Romana et taedium vitae Remarques sur l’évolution des mentalités et de la morale à l’époque de Martial, Humanitas 56, 69–86 Rodríguez-Almeida, E (1982/83a): Riflessi di Roma in due epigrammi di M Valerio Marziale, BCAR 88, 87–98 — (1982/83b): Nota su un nuovo mercator olearius del commercio betico, BCAR 88, 99–101 — (1985/86): Note di topografia romana: Cosmus myropola, il Vicus Unguentarius e i „penetralia Pallados nostrae“ (Mart , IV,53), RIASA 3 ser  8–9, 111–117 — (1986): Alcune notule sul Quirinale di epoca domizianea, BCAR 91, 49–60 — (1989): Due note marzialiane: i „balnea quattuor in campo“ e le „sellae Paterclianae“ subcapitoline, MEFRA 101, 243–254 — (1994): Marziale in marmo, MEFRA 106, 197–217 — (1995): Domus: M Valerius Martialis, in: E M Steinby (Hg ), Lexicon topographicum urbis Romae, Bd 2, Roma, 208–209 — (2014): Marziale e Roma Un poeta e la sua città Presentazione di F Zevi, Roma Rodriquez, M T (1981): Il linguaggio erotico di Marziale, Vichiana 10, 91–117 Roman, L (2001): The Representation of Literary Materiality in Martial’s Epigrams, JRS 91, 113–145 — (2010): Martial and the City of Rome, JRS 100, 88–117 — (2015): Statius and Martial: Post-vatic Self-fashioning in Flavian Rome, in: W J Dominik u a (Hgg ), Brill’s Companion to Statius, Leiden, 444–461 Romano, D (1987): Sic me iuvat vivere Genesi e significato di Marziale XII 18, in: S Boldrini (Hg ), Filologia e forme letterarie Studi offerti a F Della Corte, Urbino, Bd 4, 25–29 Römer, F (1994): Mode und Methode in der Deutung panegyrischer Dichtung der nachaugusteischen Zeit, Hermes 122, 95–113 Roper, T K (1979): Nero, Seneca and Tigellinus, Historia 28, 346–357 Rosati, G (2006): Luxury and Love: The Encomium as Aestheticisation of Power in Flavian Poetry, in: R R Nauta u a (Hgg ), Flavian Poetry, Leiden, 41–58 Rösler, W (1985): Persona reale o persona poetica? L’interpretazione dell’ ‚io‘ nella lirica greca arcaica, QUCC 19, 131–144 Rudd, N (1960): The Names in Horace’s Satires, CQ 54, 161–178 Ruiz, E (1980): El impacto del libro en Marcial, CTEER 14, 143–181 Russotti, A (2019): Ricerche sulla variantistica d’autore negli Epigrammaton libri di Marziale, Diss Bologna (URL: http://amsdottorato unibo it/9074/1/russotti_ambra_tesi pdf) Sage, E T (1919): The Publication of Martial’s Poems, TAPhA 50, 168–176 Saggese, P (1994): Lo scurra in Marziale, Maia 46, 53–59 — (1995): Nota a Mart VIII 46 e XI 99,5–6 (e un’appendice su alcune congetture umanistiche a Marziale), Maia 47, 45–56 Salanitro, G (1973/74): Teletusa e le danze di Cadice, Helikon 13–14, 492–498 Salanitro, M (1983): Sull’interpretazione di alcuni epigrammi di Marziale, C&S 86, 64–76 = dies (2011a), 9–28 — (1985/86): Un solecismo, la pietas di una figlia e un insopportabile baciatore in Marziale (V 38; VI 27; XI 98), AION 7–8, 109–119 = dies (2011a), 53–65 — (1987): Note a Marziale (V 32 e 40; X 21; XII 39), RPL 10, 305–312 = dies (2011a), 66–77

228

Literaturverzeichnis

— (1990): La moglie di Trimalchione e un amico di Marziale, A&R 35, 17–25 — (1991): Il sale romano degli epigrammi di Marziale, A&R 36, 1–25 = dies (2011a), 88–120 — (1991/92): Un’ espressione della lingua dell’uso e la vanità della toga in Marziale, InvLuc 13–14, 281–288 = dies (2011a), 121–128 — (1994): Officiosus in Petronio e in Marziale, RPL 17, 89–94 — (1996a): L’augurio di una lapide al viator (Mart VI 28), A&R 41, 9–15 = dies (2011a), 152–159 — (1996b): Un mulo inesistente e un morto vivente (Mart  6 77), RPL 19, 101–108 = dies (2011a), 142–151 — (1998a): Il genio di Marziale, Maia 50, 475–478 = dies (2011a), 160–165 — (1998b): Un’arguzia di Trimalchione (Petron Satyr  52 7), RPL 21, 155–162 — (2000): L’enfasi ingannevole di Marziale (X 89,1–2; IX 44,6), Maia 52, 271–273 = dies (2011a), 173–176 — (2002): Testo critico ed esegesi in Marziale, Maia 54, 557–576 = dies (2011a), 177–203 — (2003): Una statua assassina (Mart ,3,19), A&R 48, 78–80 = dies (2011a), 213–216 — (2005): Questioni marzialiane, A&R 50, 67–79 = dies (2011a), 221–237 — (2007a): Petronio e Marziale, Maia 59, 309–314 = Marziale e Petronio, in dies (2011a), 238–245 — (2007b): Versi controversi e versi ignorati in Marziale, Maia 59, 483–511 = dies (2011a), 246– 285 — (2011a): L’arguzia di Marziale, Urbino — (2011b): L’arguzia oscurata, in: dies (2011a), 286–315 — (2012): Un epigramma scommatico (Mart X 98), Maia 64, 330–333 — (2013): Un anfitrione particolare (Mart VII 78), Maia 65, 55–59 Salemme, C (1976): Marziale e la „poetica“ degli oggetti Struttura dell’epigramma di Marziale, Napoli — (1987): Alle origini della poesia di Marziale, Orpheus n s  8, 14–49 — (2005): Marziale e la poesia delle cose, Napoli Saller, R P (1982): Personal Patronage under the Early Empire, Cambridge — (1983): Martial on Patronage and Literature, CQ 33, 246–257 Salway, B (1994): What’s in a Name? A Survey of Roman Onomastic Practice from c 700 B C to A D 700, JRS 84, 124–145 Sánchez Vendramini, D N (2007): War Seneca Martials Gönner?, Historia 56, 37–45 Sapsford, F (M ) (2009): Linking the Epigrams with a Theme: The Example of Martial, Books Two and Three, Rosetta 6, 44–62 — (2012): The ‚Epic‘ of Martial, Diss Univ of Birmingham (URL: http://etheses bham ac uk/ id/eprint/3671) Scamuzzi, U (1965): M Valerio Marziale e la ‚villetta sul Gianicolo‘ oggetto dell’epigramma IV 64, RSC 13, 183–189 — (1966): Contributo ad una obiettiva conoscenza della vita e dell’opera di Marco Valerio Marziale, RSC 14, 149–207 Schäfer, E (1983): Martials machbares Lebensglück (Epigr 5,20 und 10,47), AU 26 3, 74–95 Scheidegger Lämmle, C (2013/14): Martial on Ovid on Ovid: Mart 11 104, The Remedia Amoris, and Saturnalian Poetics, CW 107, 319–345 SCHERF, J (1998): Zur Komposition von Martials Gedichtbüchern 1-12, in: F GREWING (1998a), 119–138 — (2001): Untersuchungen zur Buchgestaltung Martials, München Schmeling, G (1969): The Literary Use of Names in Petronius Satyricon, RSC 17, 5–10

Sekundärliteratur

229

Schmid, W (1984): Spätantike Textdepravationen in den Epigrammen Martials, in: ders , Ausgewählte philologische Schriften (Hg H Erbse – J Küppers), Berlin, 400–444 Schmidt, K (1902): Die griechischen Personennamen bei Plautus, Hermes 37, 173–211; 353–390; 608–626 Schmieder, C (2005): Zum Verständnis von Martial  6,24 Eine Interpretation, RhM 148, 406– 408 Schmitz, C (2005): Drei entführte Frauen und ein verlassener Entführer Martial, Epigramm 12,52, Gymnasium 112, 229–240 — (2011): Martial – ein Schulautor für alle Fälle, AU 54 6, 42–52 Schneider, W J (2000): Ein Sprachspiel Martials, Philologus 144, 339–353 — (2001a): Eines Tonsors Glanz und Elend Martials Vision vom Schicksal des Cinnamus, Hermes 129, 394–409 — (2001b): Phidiae putavi: Martial und der Hercules Epitrapezios des Novius Vindex, Mnemosyne 54, 697–720 — (2002): Laetinus’ Fieberkurve Zur Textüberlieferung von Martial 12,17,9/10, Arctos 36, 103– 106 — (2003): Martial 10 56: zur Gesundung von Texten und Menschen, Mnemosyne 56, 742–744 — (2004): Von Stirnen und Steinen tristia saxorum stigmata – eine Korruptel im Martial-Text?, ZPE 148, 163–164 Schnur, H C (1954/55): On a Crux in Martial (9 95), CW 48, 51 — (1978/79): Again „Was Martial really Married?“, CW 72, 98–99 Schuster, M (1924/25): Zur Erklärung und Komposition von Martial I 68, WS 44, 120–123 — (1926): Kritische und erklärende Beiträge zu Martial, RhM 75, 341–352 — (1927): Zur Erklärung von Martial XI 19, PhW 47, 601–603 — (1928): Ad Martialis epigr IX 67, RhM 77, 432 — (1930): Eine Eigentümlichkeit Martials, PhW 50, 219–222 Seel, O (1961): Ansatz zu einer Martial-Interpretation, A&A 10, 53–76 = G Pfohl (Hg ), Das Epigramm Zur Geschichte einer inschriftlichen und literarischen Gattung, Darmstadt 1969, 153–186 = (engl ) An Approach to Martial, in: J P Sullivan (Hg ), Martial, New York 1993, 180–202 Seo, J M (2009): Plagiarism and Poetic Identity in Martial, AJPh 130, 567–593 Sergi, E (1988): Cognomina e comico della retorica in Marziale: il ciclo di Flacco, AAPel 64, 129–142 Shackleton Bailey, D R (1978): Corrections and Explanations of Martial, CPh 73, 273–296 = ders , Selected Classical Papers, Ann Arbor 1997, 65–94 — (1989): More Corrections and Explanations of Martial, AJPh 110, 131–150 Siedschlag, E (1977): Zur Form von Martials Epigrammen, Diss Berlin Siems, K (1974): Aischrologia Das Sexuell-Häßliche im antiken Epigramm, Diss Göttingen Slater, W J (2002): Mime Problems: Cicero Ad Fam  7 1 and Martial 9 38, Phoenix 56, 315–329 Slings, S R (1990): The I in Personal Archaic Lyric; an Introduction, in: ders (Hg ), The Poet’s I in Archaic Greek Lyric, Amsterdam, 1–30 Smyly, J G (1947): Martial IX 95, Hermathena 70, 81–82 Socas, F (2006): Marcial y los extranjeros, Habis 37, 333–347 Spaeth, J W , Jr (1927): A Note on Martial viii 67, CPh 22, 103 — (1928/29): Martial Looks at his World, CJ 24, 361–373 — (1931/32): Martial and the Roman Crowd, CJ 27, 244–254 — (1943/44): Martial’s Equestrian Cobbler, CW 37, 171–172

230

Literaturverzeichnis

Sparagna, S (2010): L’occhio di Mamuriano (Mart I,92), GIF n s  1, 173–185 — (2014): Il XII libro di Marziale e la metapoetica dei luoghi, Biblioteca di Classico Contemporaneo 1, 4–15 (www classicocontemporaneo eu) — (2016): Il ‚ciclo‘ della clientela nel libro XII degli Epigrammi di Marziale (18,29[26],57,68), Eikasmos 27, 153–176 Spisak, A L (1992): Terms of Literary Comment in the Epigrams of Martial, Diss Loyola Univ Chicago (Mikrofilm) — (1994a): Martial’s Theatrum of Power Pornography, SyllClass 5, 79–89 — (1994b): Martial 6 61: Callimachean Poetics Revalued, TAPhA 124, 291–308 — (1997): Martial’s Special Relation with his Reader, in: C Deroux (Hg ), Studies in Latin Literature and Roman History 8, Bruxelles, 352–363 — (1998): Gift-Giving in Martial, in: F Grewing (1998a), 243–255 — (1999): Martial on Domitian: a Socio-Anthropological Perspective, CB 75, 69–83 — (2001/02): The Pastoral Ideal in Martial, Book 10, CW 95, 127–141 — (2007): Martial A Social Guide, London Sposi, F (1997): Archeologia e poesia in due epigrammi di Marziale (2,14; 7,73), A&R 42, 16–27 Starr, R J (1987): The Circulation of Literary Texts in the Roman World, CQ 37, 213–223 Stégen, G (1959): Vénus et Minerve, LEC 27, 28–30 Stowasser, J M (1909): Etymologica, WS 31, 145–152 Strobel, K (1986): Zur Rekonstruktion der Laufbahn des C Velius Rufus, ZPE 64, 265–286 Stumpp, B E (1998): Prostitution in der römischen Antike, Berlin Sullivan, J P (1978/79): Was Martial Really Married? A Reply, CW 72, 238–239 — (1979): Martial’s Sexual Attitudes, Philologus 123, 288–302 = W R Dynes – S Donaldson (Hgg ), Homosexuality in the Ancient World, New York 1992, 418–432 — (1987a): Martial’s Apologia pro opere suo, in: S Boldrini (Hg ), Filologia e forme letterarie Studi offerti a F Della Corte, Urbino, Bd 4, 31–42 — (1987b): Martial’s Satiric Epigrams, in: M Whitby u a (Hgg ), Homo Viator Classical Essays for J Bramble, Bristol, 259–265 — (1987c): The Social Structure of Martial’s Epigrams, in: Actas del simposio sobre Marco Valerio Marcial, poeta de Bilbilis y de Roma, Calatayud, IX–X–XI mayo 1986, Zaragoza, Bd 1, 183–198 — (1988): Martial, in: A J Boyle, The Imperial Muse: Ramus Essays on Roman Literature of the Empire To Juvenal through Ovid, Berwick (=Ramus 16, 1987), 177–191 — (1989): Martial’s „Witty Conceits“: Some Technical Observations, ICS 14, 185–199 — (1991): Martial: the Unexpected Classic A Literary and Historical Study, Cambridge Susini, G (1980): Pudentes Sarsinati, in: M Fontana – F P Rizzo (Hgg ), φιλίας χάριν Miscellanea di studi classici in onore di E Manni, Roma, Bd 6, 2061–2065 Syme, R (1957): C Vibius Maximus, Prefect of Egypt, Historia 6, 480–487 = ders , Roman Papers (Hg A R Birley), Bd 1, Oxford 1979, 353–360 — (1977): Scorpus the Charioteer, AJAH 2, 86–92 = ders , Roman Papers (Hg A R Birley), Bd 3, Oxford 1984, 1062–1069 — (1978): Antonius Saturninus, JRS 68, 12–21 = ders , Roman Papers (Hg A R Birley), Bd 3, Oxford 1984, 1070–1084 — (1983): Antistius Rusticus, a consular from Corduba, Historia 32, 359–374 = ders , Roman Papers (Hg A R Birley), Bd 4, Oxford 1988, 278–294 — (1991): Domitius Apollinaris, in: ders , Roman Papers (Hg A R Birley), Bd 7, Oxford 1991, 588–602

Sekundärliteratur

231

Szelest, H (1959): Martial und Silius Italicus, in: J Irmscher – K Kumaniecki (Hgg ), Aus der Altertumswissenschaftlichen Arbeit Volkspolens, Berlin, 73–80 — (1963a): Martials satirische Epigramme und Horaz, Altertum 9, 27–37 — (1963b): Martial und die römische Gesellschaft, Eos 53, 182–190 — (1963c): Rolle und Aufgaben des satirischen Epigramms bei Martial, Helikon 3, 209–218 — (1974a): Domitian und Martial, Eos 62, 105–114 — (1974b): Die Mythologie bei Martial, Eos 62, 297–310 — (1976): Martials Epigramme auf merkwürdige Vorfälle, Philologus 120, 251–257 — (1980): Ut faciam breviora mones epigrammata, Corde… Eine Martial-Studie, Philologus 124, 99–108 — (1981): Humor bei Martial, Eos 69, 293–301 — (1986): Martial – eigentlicher Schöpfer und hervorragendster Vertreter des römischen Epigramms, in: ANRW II 32 4, Berlin, 2563–2623 — (1996): Martials Spottepigramme Satirisches über Möchtegerndichter, Scheinheilige, Pfuscher, Neureiche und ewige Hungerleider, in: C Klodt (Hg ), Satura lanx Festschr für W A Krenkel, Hildesheim, 95–103 Tafaro, A (2016): Cross-references between Epitaphs and Funerary Epigrams: a Case-study of Scorpus the Charioteer in Martial 10 50–10 53, ARF 18, 61–76 Tanner, R G (1986): Levels of Intent in Martial, in: ANRW II 32 4, Berlin, 2624–2677 Tennant, P M W (2000): Poets and Poverty: the Case of Martial, AClass 43, 139–156 Thévenaz, O (2002): Flebilis lapis? Gli epigrammi funerari per Erotion in Marziale, MD 48, 167–191 Tiozzo, J (1988): Il nome Coracinus in Marziale, Paideia 43, 39–41 Tracy, V A (1980): Aut captantur aut captant, Latomus 39, 399–402 Treggiari, S (1991): Roman Marriage Iusti Coniuges from the Time of Cicero to the Time of Ulpian, Oxford Treu, M (1948): M Antonius Primus in der taciteischen Darstellung, WJA 3, 241–262 Tromaras, L (2004): Prosopographisches bei Martial (Caelia Spatale), WJb 28a, 119–124 Vallat, D (2002): Alfius  – Olfius: une difficulté onomastique chez Martial (9,95), RPh 76, 277–293 — (2003): Un cas d’onomastique bilingue: les anthroponymes grecs chez Martial, in: R Oniga (Hg ), Il plurilinguismo nella tradizione letteraria latina, Roma, 151–171 — (2005): Ambiguïté référentielle et stratégies courtisanes chez Martial, in: L Basset – F Biville (Hgg ), Les jeux et les ruses de l’ambiguïté volontaire dans les textes grecs et latins Actes de la Table Ronde organisée à la Faculté des Lettres de l’Université Lumière-Lyon 2 (23–24 novembre 2000), Lyon, 117–128 — (2006): Bilingual Plays on Proper Names in Martial, in: J Booth  – R Maltby (Hgg ), What’s in a Name? The Significance of Proper Names in Classical Latin Literature, Swansea, 121–143 — (2008a): Onomastique, culture et société dans les Épigrammes de Martial, Bruxelles — (2008b): Les épigrammes attribuées à Martial, Latomus 67, 949–976 Vassileiou, A (1983): Un confrère de Quintilien au Palatin?, in: Homm à J Cousin Rencontres avec l’antiquité classique, Paris, 215–223 Vedrenne, P (2010): Faustine, plena Bassus ibat in reda L’apostrophe latine du nom propre, Corela HS-8, 2010 (1–10) (URL: http://journals openedition org/corela/1826)

232

Literaturverzeichnis

Verboven, K (2002): The Economy of Friends Economic Aspects of Amicitia and Patronage in the Late Republic, Bruxelles Verdière, R (1969): Notes critiques sur Martial, ACD 5, 105–110 — (1988): Considérations sur trois poètes de la latinité d’argent: Iulius Cerialis – Turnus – Arruntius Stella, Eos 76, 315–323 Versnel, H S (1974): A Parody on Hymns in Martial V 24 and Some Trinitarian Problems, Mnemosyne 27, 365–405 Vessey, D W T (C ) (1974): Pliny, Martial and Silius Italicus, Hermes 102, 109–116 — (1976): Philaenis, RBPh 54, 78–83 Veyne, P (1983): Le folklore à Rome et les droits de la conscience publique sur la conduite individuelle, Latomus 42, 3–30 = Les droits de la conscience publique sur la conduite individuelle: un constat ethnologique, in: ders , La société romaine, Paris 1991, 57–87 = (deutsch) Die Rechte des öffentlichen Bewußtseins über das individuelle Verhalten: eine ethnologische Feststellung, in: ders , Die römische Gesellschaft, München 1995, 51–80 (hiernach zitiert) Vogt, S (1990): Poeta Gedanken zur Selbsteinschätzung des Dichters Martial V 13 im Vergleich mit einem weiteren lateinischen Dichter, Anregung 36, 2–12 Vössing, K (2010): Die sportulae, der Kaiser und das Klientelwesen in Rom, Latomus 69, 723–739 Walter, H (1995): Martial, Ep. 6 27, RPL 18, 91–100 Walter, U (1998): Soziale Normen in den Epigrammen Martials, in: F Grewing (1998a), 220–242 Ward Perkins, J B (1937): The Career of Sex Iulius Frontinus, CQ 31, 102–105 Waters, K H (1964): The Character of Domitian, Phoenix 18, 49–77 Watson, L (C ) (1983): Three Women in Martial, CQ 33, 258–264 — (1998): Martial 8 21, Literary lusus, and Imperial Panegyric, PLLS 10, 359–372 — (2004): Martial 12 32: an Indigent Immigrant?, Mnemosyne 57, 311–324 — (2006): The Unity of Martial’s Epigrams, in: R R Nauta u a (Hgg ), Flavian Poetry, Leiden, 271–284 Watson, P (A ) (1982): Martial’s Fascination with Lusci, G&R 2 ser 29, 71–76 — (1992): Erotion: puella delicata?, CQ 42, 253–268 — (1998): Ignorant Euctus: Wit and Literary Allusion in Martial 8 6, Mnemosyne 51, 30–40 — (1999): Martial on the Wedding of Stella and Violentilla, Latomus 58, 348–356 — (2002): The Originality of Martial’s Language, Glotta 78, 222–257 — (2003): Martial’s Marriage A New Approach, RhM 146, 38–48 — (2005): Non tristis torus et tamen pudicus: The Sexuality of the matrona in Martial, Mnemosyne 58, 62–87 — (2006): Contextualising Martial’s Metres, in: R R Nauta u a (Hgg ), Flavian Poetry, Leiden, 285–298 — (2009): Chione’s Bikini: Affectation or Normal Bathing Attire?, Antichthon 43, 137–144 Watson, P & L (1996): Two Problems in Martial, CQ 46, 586–591 Weaver, P R C (1965): The Father of Claudius Etruscus: Statius, Silvae 3 3, CQ 15, 145–154 Weinreich, O (1941): Martials Grabepigramm auf den Pantomimen Paris (XI 13), SHAW 1940/41, 1 Wenzel, M (2011): Da nützt kein Vertuschen, kein Verschweigen Zu Martial II 82, Hermes 139, 395–397 White, P (1972): Aspects of Non-Imperial Patronage in the Works of Martial and Statius, Diss Harvard Univ , Cambridge (Mass ) (Mikrofilm)

Sekundärliteratur

233

— (1973): Vibius Maximus, the Friend of Statius, Historia 22, 295–301 — (1974a): Ecce iterum Crispinus, AJPh 95, 377–382 — (1974b): The Presentation and Dedication of the Silvae and the Epigrams, JRS 64, 40–61 — (1975): The Friends of Martial, Statius, and Pliny, and the Dispersal of Patronage, HSPh 79, 265–300 — (1978): Amicitia and the Profession of Poetry in Early Imperial Rome, JRS 68, 74–92 — (1982): Positions for Poets in Early Imperial Rome, in: B K Gold (Hg ), Literary and Artistic Patronage in Ancient Rome, Austin, 50–66 — (1993): Promised Verse Poets in the Society of Augustan Rome, Cambridge — (1996): Martial and Pre-Publication Texts, EMC 40 = n s 15, 397–412 — (1998): Latin Poets and the Certamen Capitolinum, in: P Knox – C Foss (Hgg ), Style and Tradition Studies in honor of W Clausen, Stuttgart, 84–95 Williams, C A (1999): Roman Homosexuality Ideologies of Masculinity in Classical Antiquity, New York, 2Oxford 2010 (with a foreword by M Nussbaum) — (2002): Sit nequior omnibus libellis Text, Poet, and Reader in the Epigrams of Martial, Philologus 146, 150–171 Winkler, G (1973): Norbanus, ein bisher unbekannter Prokurator von Raetien, in: Akten des VI Internationalen Kongresses für Griechische und Lateinische Epigraphik München 1972, München, 495–498 Winterling, A (2008): Freundschaft und Klientel im kaiserzeitlichen Rom, Historia 57, 298– 316 Wolff, É (1997): Réalisme et poésie chez Martial, VL 148, 31–37 — (2008): Martial ou l’apogée de l’épigramme, Rennes (URL: http://books openedition org/ pur/39485) — (2009): Ambiguïtés de Martial, in: B Delignon  – Y Roman (Hgg ), Le poète irrévérencieux Modèles hellénistiques et réalités romaines, Paris, 267–275

pa l i ng e n e s i a Schriftenreihe für Klassische Altertumswissenschaft

Begründet von Rudolf Stark, herausgegeben von Christoph Schubert.

Franz Steiner Verlag

ISSN 0552–9638

99. Severin Koster Ciceros Rosciana Amerina Im Prosarhythmus rekonstruiert 2011. 178 S., geb. ISBN 978-3-515-09868-7 100. Theokritos Kouremenos Aristotle’s de Caelo Γ Introduction, Translation and Commentary 2013. 121 S., geb. ISBN 978-3-515-10336-7 101. Hendrik Obsieger Plutarch: De E apud Delphos / Über das Epsilon am Apolltempel in Delphi Einführung, Ausgabe und Kommentar 2013. 417 S., geb. ISBN 978-3-515-10606-1 102. Theokritos Kouremenos The Unity of Mathematics in Plato’s Republic 2015. 141 S. mit 8 Abb., geb. ISBN 978-3-515-11076-1 103. Stefan Freund / Meike Rühl / Christoph Schubert (Hg.) Von Zeitenwenden und Zeitenenden Reflexion und Konstruktion von Endzeiten und Epochenwenden im Spannungsfeld von Antike und Christentum 2015. 219 S., geb. ISBN 978-3-515-11174-4 104. Sonja Nadolny Die severischen Kaiserfrauen 2016. 257 S. mit 10 Abb., geb. ISBN 978-3-515-11311-3 105. Michael Müller Tod und Auferstehung Jesu Christi bei Iuvencus (IV 570–812) Untersuchungen zu Dichtkunst, Theologie und Zweck der Evangeliorum Libri Quattuor 2016. 413 S., geb. ISBN 978-3-515-11340-3 106. Hedwig Schmalzgruber Studien zum Bibelepos des sogenannten Cyprianus Gallus Mit einem Kommentar zu gen. 1–362

107.

108.

109.

110.

111.

112.

113.

2016. 601 S. mit 1 Abb. und 8 Tab., geb. ISBN 978-3-515-11596-4 Stefan Weise (Hg.) HELLENISTI! Altgriechisch als Literatursprache im neuzeitlichen Europa 2017. 389 S. mit 5 Abb., geb. ISBN 978-3-515-11622-0 Armin Eich / Stefan Freund / Meike Rühl / Christoph Schubert (Hg.) Das dritte Jahrhundert Kontinuitäten, Brüche, Übergänge 2017. 286 S. mit 30 Abb., geb. ISBN 978-3-515-11841-5 Antje Junghanß Zur Bedeutung von Wohltaten für das Gedeihen von Gemeinschaft Cicero, Seneca und Laktanz über beneficia 2017. 277 S., geb. ISBN 978-3-515-11857-6 Georgios P. Tsomis Quintus Smyrnaeus Kommentar zum siebten Buch der Posthomerica 2018. 456 S., geb. ISBN 978-3-515-11882-8 Silvio Bär Herakles im griechischen Epos Studien zur Narrativität und Poetizität eines Helden 2018. 184 S., geb. ISBN 978-3-515-12206-1 Christian Rivoletti / Stefan Seeber (Hg.) Heliodorus redivivus Vernetzung und interkultureller Kontext in der europäischen Aithiopika-Rezeption 2018. 229 S., geb. ISBN 978-3-515-12222-1 Friedrich Meins Paradigmatische Geschichte Wahrheit, Theorie und Methode in den Antiquitates Romanae des Dionysios von Halikarnassos 2019. 169 S., geb. ISBN 978-3-515-12250-4

114. Katharina Pohl Dracontius: De raptu Helenae Einleitung, Edition, Übersetzung und Kommentar 2019. 571 S. mit 14 Abb., geb. ISBN 978-3-515-12216-0 115. Gregor Bitto / Anna Ginestí Rosell (Hg.) Philologie auf zweiter Stufe Literarische Rezeptionen und Inszenierungen hellenistischer Gelehrsamkeit 2019. 280 S. mit 2 Abb., geb. ISBN 978-3-515-12357-0 116. Antje Junghanß / Bernhard Kaiser / Dennis Pausch (Hg.) Zeitmontagen Formen und Funktionen gezielter Anachronismen 2019. 235 S. mit 3 Abb., geb. ISBN 978-3-515-12366-2 117. Stefan Weise Der Arion des Lorenz Rhodoman Ein altgriechisches Epyllion der Renaissance 2019. 321 S., geb. ISBN 978-3-515-12412-6 118. Katharina Pohl Dichtung zwischen Römern und Vandalen Tradition, Transformation und Innovation in den Werken des Dracontius 2019. 302 S., geb. ISBN 978-3-515-12089-0 119. Bernd Bader Josephus Latinus: De Bello Iudaico Buch 1 Edition und Kommentar 2019. 256 S., geb. ISBN 978-3-515-12430-0 120. Marco Palone Le Etiopiche di Eliodoro Approcci narratologici e nuove prospettive 2020. 240 S., geb. ISBN 978-3-515-12612-0 121. Klaus Meister Studien zur griechischen Geschichtsschreibung Von der Klassik bis zur Spätantike 2020. 346 S., geb. ISBN 978-3-515-12591-8 122. Anne-Elisabeth Beron / Stefan Weise (Hg.) Hyblaea avena Theokrit in römischer Kaiserzeit und Früher Neuzeit

123.

124.

125.

126.

127.

128.

129.

130.

131.

2020. 216 S., geb. ISBN 978-3-515-12708-0 Donato De Gianni Iuvencus: Evangeliorum Liber Quartus Introduzione, testo criticamente riveduto, traduzione e commento 2020. 509 S., geb. ISBN 978-3-515-12844-5 Anne-Elisabeth Beron Calpurnius Siculus: Erste Ekloge Einleitung, Edition, Übersetzung und Kommentar 2021. 346 S. mit 12 Tab., geb. ISBN 978-3-515-12843-8 Bernhard Kaiser Streit und Kampf Die verbalen Angriffe gegen Sokrates in Platons Gorgias 2021. 256 S., geb. ISBN 978-3-515-12859-9 Gernot Michael Müller (Hg.) Figurengestaltung und Gesprächs­ interaktion im antiken Dialog 2021. 315 S., geb. ISBN 978-3-515-12906-0 Wolfgang Hübner Disiecti membra poetae Neue Spuren des astrologischen Lehrdichters Dorotheos von Sidon 2021. 115 S. mit 15 Abb., geb. ISBN 978-3-515-12924-4 Christopher Diez Ciceros emanzipatorische Leserführung Studien zum Verhältnis von dialogischrhetorischer Inszenierung und skeptischer Philosophie in De natura deorum 2021. 406 S. mit 1 Tab., geb. Bernd Lorenz (Hg.) Gregor von Nazianz: Threnos über die Leiden seiner Seele (Carmen II, 1, 45) 2021. 112 S., geb. ISBN 978-3-515-13035-6 Georgios P. Tsomis Das hellenistische Gedicht Megara Ein Kommentar 2022. 236 S., geb. ISBN 978-3-515-13108-7 Friedemann Drews Hermeneutik und kritische Bibelexegese in Augustins De Genesi ad litteram 2022. XIV, 390 S., geb. ISBN 978-3-515-13110-0

Walter Kißel untersucht zwei bisher nur unzureichend geprüfte Axiome der aktuellen Martialphilologie: Erstens sollen die Personen in Martials spöttischen Epigrammen unter beliebig austauschbaren Decknamen auftreten oder gar überhaupt nur erfunden sein. Aber verwendet Martial nicht vielleicht doch Klarnamen, die jeweils auf einen ganz bestimmten Zeitgenossen verweisen und letztlich dessen Identifikation durch den Leser erlauben? Zweitens sollen seine Ichaussagen einer persona zuzurechnen, die einschlägigen Epigramme

ISBN 978-3-515-13128-5

9 783515 131285

somit als Rollengedichte aufzufassen sein. Oder will der Dichter mit seinen autobiographischen Aussagen (auch als Ehemann oder Anwalt) nicht möglicherweise doch ernst genommen und als Individuum eigenen Rechtes anerkannt werden? Hinsichtlich dieser Fragen untersucht Kißel das Epigrammcorpus im Ganzen wie auch Martials programmatische Aussagen im Besonderen – und findet begründete und interpretationsrelevante Antworten, die auch zu einer Neubewertung einzelner Gedichte führen.

www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag