Pädagogische Berufe in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik [1 ed.] 9783428470525, 9783428070527

VorwortDer vorliegende Band vereinigt zehn Referate, die vom 13. bis 15. Oktober 1989 in Berlin auf der vierten Tagung d

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Pädagogische Berufe in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik [1 ed.]
 9783428470525, 9783428070527

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Pädagogische Berufe in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik

SCHRIFTENREIHE DER GESELLSCHAFT FÜR DEUTSCHLANDFORSCHUNG BAND 30

Fachgruppe Erziehungswissenschaft

Pädagogische Berufe in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik

Herausgegeben von

Siegfried Baske

Duncker & Humblot . Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Pädagogische Berufe in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik / hrsg. von Siegfried Baske. - Berlin: Duncker und Humblot, 1990. (Schriftenreihe der Gesellschaft. für Deutschlandforschung; Bd. 30: Fachgruppe Eniehungswissenschaft) ISBN 3-428-07052-6 NE: Baske, Siegfrled [Hrsg.]; Gesellschaft für Deutschlandforschung: Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung

Alle Rechte vorbehalten

© 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Volker Spiess, Berlin 30 Druck: Werner Hildebrand, Berlin .65 Printed in Germany ISSN 0935-5774 ISBN 3-428-07052-6

INHALT Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ludwig Liegle Vorschulpädagogische Berufe in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik. . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Herbert Stallmann Lehrer und Lehrerbildung in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR - Allgemeinbildende Schulen - . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

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Dieter Schulz Lehrerfortbildung in der Bundesrepublik Deutschland

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Friedrich Winterhager Lehrerweiterbildung in der DDR

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Hans Göring Der Ausbilder im berufsbildenden Sektor der Bundesrepublik Deutschland und der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Barbara von Pawel Die sonderpädagogischen Berufe in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

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Milan Bene~ Sozialpädagogische Berufe in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

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Gertrud Pfister Die Feminisierung pädagogischer Berufe in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

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Wolfgang Royl Die militärpädagogische Diktion in Ost und West - Offiziere als pädagogische Berufsrollenträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

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Hans-Joachim Fischer Auslandslehrer der Bundesrepublik Deutschland und der DDR

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Die Verfasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

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VORWORT Der vorliegende Band vereinigt zehn Referate, die vom 13. bis 15. Oktober 1989 in Berlin auf der vierten Tagung der Fachgruppe Erziehungswissenschaft der Gesellschaft für Deutschlandforschung vorgetragen und diskutiert wurden. Während die vorangegangenen Tagungen Fragen der Bildungsreform, der Schu1entwicklUng und der erziehungswissenschaftlichen Forschung behandelt hatten, waren diesmal pädagogische Berufe in beiden Teilen Deutschlands Gegenstand vergleichender Darstellungen und Analysen. Die erste Gruppe von Referaten war den Erziehern in den vorschu1ischen Einrichtungen sowie den Lehrern und Ausbildern in den allgemeinbildenden und den berufsbildenden Schulen einschließlich der sonderpädagogischen Berufe gewidmet. Besondere Beachtung fanden hierbei auch die Inhalte und Formen der Lehrerfortbildung. Einen zweiten Themenkomplex bildeten die sozialpädagogischen Berufe, ftir die in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR sehr unterschiedliche Ausbildungsproftle entwickelt wurden. Eine dritte Gruppe von Referaten behandelte ausgewählte Problemstellungen, wie die Feminisierung pädagogischer Berufe, die militärpädagogische Diktion in Ost und West und die Funktion der Lehrer, die im Ausland tätig sind. Die Tagung fand zu einem Zeitpunkt statt, als in der DDR die ersten Anzeichen der friedlichen Revolution deutlich sichtbar wurden, aber die Möglichkeiten der Begegnung noch so eingeschränkt waren, daß eine Beteiligung von DDR-Kollegen nicht realisiert werden konnte. Erst während der Drucklegung des Bandes wurden die Hindernisse überwunden, die einer gemeinsamen Diskussion jahrzehntelang im Wege standen. Die sich inzwischen abzeichnenden Tendenzen einer Vereinigung beider Teile Deutschlands werfen für den Bereich der Bildung und Erziehung neue Fragen, auch die nach gemeinsamen Lösungen, auf. Die Studien der Fachgruppe, die in der Vergangenheit bildungspolitische und pädagogische Sachverhalte in den getrennten Teilen Deutschlands untersuchten und sowohl Gemeinsamkeiten wie auch Unterschiede verdeutlichten, können eine Grundlage für die im Vereinigungsprozeß zu lösenden Probleme bilden. Siegfried Baske

Ludwig Liegle VORSCHULPÄDAGOGISCHE BERUFE IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND UND IN DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK Der Vergleich pädagogischer Berufe in den beiden deutschen Staaten kann die Darstellung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden in diesem Feld der Erziehungswirklichkeit zum Ziel haben, er kann sich aber auch, über eine solche Deskription hinaus, zum Ziel setzen, gemeinsame und unterschiedliche Bedingungen und Formen, Funktionen und Folgen der Verberuflichung von Erziehung zu analysieren; in diesem Falle geht es um die Gewinnung systematischer Erkenntnisse über den Untersuchungsgegenstand; die relevanten Phänomene und Entwicklungen in beiden deutschen Staaten werden dabei als eine quasi-experimentelle Situation der Geschichte ausgenützt, deren Analyse zu einem besseren Verständnis der gesellschaftlichen Bestimmtheit pädagogischer Berufe beitragen kann. Im folgenden, auf vorschulpädagogische Berufe bezogenen Beitrag, wird der Versuch unternommen, einem solchen systematischen Erkenntnisanspruch der Vergleichenden Erziehungswissenschaft ansatzweise gerecht zu werden.

L Erziehung als Beruf - einige allgemeine Vorbemerkungen

Die Verberuflichung der Erziehung ist als ein universaler Prozeß aufzufassen, der mit Differenzierungsprozessen in modernen bzw. sich moderniesierenden Gesellschaften zusammenhängt: Die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten, die Vorbereitung der jungen Generation auf den Eintritt ins Berufsleben und die Weitergabe von Kultur werden in modernen Gesellschaften zunehmend in pädagogischen Institutionen organisiert und von pädagogischen Berufen wahrgenommen. In den europäischen Nationalstaaten ist es bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts zur Einführung der allgemeinen Schulpflicht und zu staatlichen Regelungen der Ausbildung ftir pädagogische Berufe gekommen; in Deutschland ist diese Entwicklung in die Etablierung eines Berufsbeamtenturns der Lehrerschaft eingemündet. Im 20. Jahrhundert hat die Ausdifferenzierung des auf immer mehr Altersstufen ausgedehnten Bildungssystems auch zur Ausdifferenzierung pädagogischer Berufe und zu differenzierten Formen der Professionali-

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sierung geführt. In diesem Zusammenhang gilt für die vorschulische Erziehung, daß sie insbesondere seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in allen Industriegesellschaften in Ost und West zur ersten Stufe des allgemeinen Bildungssystems ausgebaut worden ist. Wenn einerseits die Entstehung und Entwicklung pädagogischer Berufe als Begleiterscheinung universaler Prozesse der Modernisierung gelten kann, so wird andererseits die konkrete Ausgestaltung pädagogischer Berufe, ebenso wie die Ausprägung des gesamten Bildungswesens, durch die spezifischen Systemmerkmale einer jeden Gesellschaft modifiziert. Am Beispiel der Vorschulerziehung bzw. vorschulpädagogischer Berufe lassen sich solche Modifikationen unter anderem an folgenden Aspekten festmachen: Trägerschaft (staatlich oder nicht staatlich), Organisation (z.B. ganztägige oder halbtägige öffnungszeiten) und Verwaltung (zentralistisch oder dezentral) der Einrichtungen; Zulassungskriterien, Dauer, Akademisierungsgrad und Inhalte der Ausbildung; Art der Richtlinien für die pädagogische Arbeit (z.B. geschlossene oder offene Curricula) und Ausgestaltung der Lerninhalte; Hierarchisierungsgrad im Verhältnis zwischen Leitungspersonal und Mitarbeitern (Mitarbeiterinnen) innerhalb der Einrichtungen; Ausmaß der pädagogischen Freiheit. Bei einem Vergleich (vorschul-)pädagogischer Berufe in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik ergibt sich eine besondere Konfiguration daraus, daß die beiden deutschen Staaten auf eine lange gemeinsame Geschichte zurückblicken, daß sie bis heute eine gemeinsame Sprache und Kultur haben, daß sie aber seit über 40 Jahren Repräsentanten extrem unterschiedlicher politischer und ökonomischer Systeme im Zeichen des Ost-West-Gegensatzes sind. Gerade das Zusammenspiel von gemeinsamen geschichtichen Traditionslinien mit unterschiedlichen Systemmerkmalen und Entwicklungslinien in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg läßt eine vergleichende Analyse der gesellschaftlichen Bestimmtheit pädagogischer Einrichtungen und Berufe am Beispiel der beiden deutschen Staaten als besonders fruchtbar erscheinen. Wenn hier, mit Blick auf die beiden deutschen Staaten von Systemunterschieden und vom Ost-West-Gegensatz die Rede ist, so sind die Entwicklungen seit dem 9. November 1989 noch nicht in die Betrachtung einbezogen. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß diese Entwicklungen, unter ganz anderen Vorzeichen, den großen Einfluß spezifischer gesellschaftlicher Systemmerkmale auf die konkrete Ausgestaltung pädagogischer Einrichtungen und Berufe belegen werden. Zu den schwierigen Fragen einer international vergleichenden Analyse pädagogischer Berufe gehört es, gesicherte Aussagen über das soziale Ansehen dieser Berufsgruppen und über die soziale Selbsteinschätzung ihrer Mitglieder zu machen. Im Hinblick auf vorschulpädagogische Berufe in beiden deutschen Staaten liegen zu dieser Frage meines Wissens keine empirischen Untersuchungen vor. Im Hinblick auf den Lehrerberuf gibt es im internationalen Rahmen

Vorschulpädagogische Berufe in der BRD und in der DDR

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Hinweise darauf, daß eine hohe soziale Fremd- und Selbsteinschätzung der Lehrer positiv korreliert mit unabhängiger berufsständischer Selbstorganisation (d.h. geringer externer Kontrolle von seiten staatlicher oder kirchlicher instanzen) und mit einem hohen Grad individueller Gestaltungsmöglichkeiten am AIbeitsplatz (bzw. einem geringen Grad von Bürokratisierung), außerdem aber mit einem Engagement der Lehrer für gesellschaftliche Veränderungen im Rahmen sozialer Bewegungen. Im Sinne dieser Kriterien hat zum Beispiel Zvi Lamm (1982) die Wandlungen im sozialen Status des Lehrers beim Übergang vom selbstverwalteten jüdischen Gemeinwesen Palästinas zum Staat Israel in der These zusammengefaßt: "Eine Berufung wurde zum Beruf." Gleichsam in umgekehrter Richtung - vom Beruf zur Berufung - scheint sich die Emanzipationsbewegung eines Teils der sowjetischen Lehrerschaft im Zeichen der Perestroika zu vollzienen (vgl. Glowka 1988). Die heutigen Industriegesellschaften gelten und verstehen sich selbst als Lern-, Bildungs- und Erziehungsgesellschaften. Diese Tatsache müßte eigentlich bedeuten, daß den auf Lernen, Bildung und Erziehung spezialisierten Berufen eine hervorgehobene Stellung im System der Berufe zukommt. Die Professionalisierung pädagogischer Tätigkeiten im allgemeinen und die zunehmende Akademisierung der Ausbildung der Lehrer aller Schulstufen im besonderen bestätigen diesen Zusammenhang. Indes wird die Entwicklung pädagogischer Berufe offensichtlich durch einige innere Widersprüche beeinflußt, die diesen Berufen eine ambivalente Stellung verschaffen. Einer dieser inneren Widersprüche besteht darin, daß Bildung und Erziehung menschliche Grundfunktionen darstellen, die durch Professionalisierung nicht einfach erledigt, erschöpft und vollendet sind, die durch Professionalisierung nicht nur gewinnen, sondern auch an Wirkungsmöglichkeiten verlieren können. In diesem Sinne hat Aloys Fischer festgestellt: "Die ewige naive Schar der Erzieher, die wir Eltern nennen, wird für ihre Aufgabe weder ausgelesen noch besonders vorgebildet, ist aber auf der anderen Seite durch die Inspirationen der liebe und Treue, der Hingabe und Geduld in der Wirksamkeit ihrer Arbeit allem kunstgerechten pädagogischen Professionalistenturn überlegen." (Fischer 1921/1950, S. 32)

Im Bereich der Vorschulerziehung kommt die damit angedeutete Ambivalenz professioneller pädagogischer Tätigkeiten deshalb besonders stark zur Geltung, weil es dabei neben der methodisch gesicherten Vermittlung von Fachwissen im Sinne von Unterricht vor allem um Pflege, Erziehung und ganzheitliche Förderung geht. Ein zweiter innerer Widerspruch, der für die Verbetuflichung pädagogischer Tätigkeiten kennzeichnend ist, liegt in der Ambivalenz des Verhältnisses professioneller AIbeit zur Organisation begründet: Einerseits schafft die Organisation allererst die Wirkungsmöglichkeit für professionelle Tatigkeit, andererseits schränkt die Organisation die notwendigen Mittel für erfolgreiche professio-

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nelles Handeln ein, und zwar zum Beispiel durch Reglementierung des Verhaltens ihrer Mitglieder, durch Zeitbegrenzungen und durch Raumfixierungen (vgl. Gassen/Schwander 1983, S. 422, im Anschluß an Eberhard Schorr). Ein dritter innerer Widerspruch inder Verberuflichung pädagogischer Tätigkeiten liegt darin, daß das berufsständische Ethos - die Verpflichtung auf die Belange der "Adressaten", also der Kinder und Jugendlichen (entsprechend dem berufsständischen Ethos der Ärzte mit seiner Verpflichtung auf die Belange der Patienten) - in einem Spannungsverhältnis zur professionellen, öffentlichen Erziehung als einer "Funktion der staatlich geformten Gesellschaft" (Fischer 1921/1950, S. 35) steht. Im Hinblick auf den folgenden Vergleich vorschulpädagogischer Berufe in beiden deutschen Staaten gehe ich einerseits davon aus, daß die aufgezeigten Ambivalenzen in der Stellung pädagogischer Berufe ebenso, wie die Tendenz zur Verberuflichung pädagogischer Tätigkeiten selbst, universal vorbereitet sind und daher in beiden deutschen Staaten zu beobachten sind. Andererseits will ich die Hypothese überprüfen, daß die Ambivalenzen (vorschul-)pädagogischer Berufe in der DDR besonders stark ausgebildet sind und eine besonders starke Belastung der Angehörigen dieser Berufe begründen. Für diese Hypothese lassen sich vor allem zwei Argumente ins Feld führen:

Erstens ist in der DDR die öffentliche (bzw. staatliche) und professionelle Organisation vorschulischer Erziehung - in Bezug auf den Erfassungsgrad aller Altersgruppen von 0-6 Jahren und in Bezug auf die Aufenthaltsdauer der Kinder in den entsprechenden Einrichtungen (ganztägige Erziehung) - weiter vorangetrieben worden als in allen anderen Gesellschaften einschließlich der Bundesrepublik. Damit wird der professionellen Vorschulerziehung einerseits eine außergewöhnlich große gesellschaftliche Bedeutung zuerkannt. Andererseits wird damit die private Erziehung (Familienerziehung) in außergewöhnlich starkem Maße in den Hintergrund gedrängt. Zweitens trifft für die professionelle Vorschulerziehung in der DDR zu, daß sie in besonderem Maße als eine "Funktion der staatlich geformten Gesellschaft" (A. Fischer) ausgestaltet worden ist, dadurch zum Beispiel, daß die Ziele, Inhalte und Methoden der Bildung und Erziehung zentral, einheitlich und detailliert vom Staat festgelegt und kontrolliert werden; daraus ergibt sich aber, daß flir eine unabhängige berufsständische Selbstorganisation und für individuelle Gestaltungsmöglichkeiten der beruflichen pädagogischen Arbeit wenig Raum bleibt. In den folgenden Thesen wird die vergleichende Darstellung und Analyse vorschulpädagogischer Berufe in beiden deutschen Staaten im allgemeine-n auf die Erziehung im Kindergarten (3-6jährige Kinder) beschränkt; in der Bundesrepublik nimmt die öffentliche Kleinkinderziehung (0-3jährige Kinder) eine derart marginale Stellung ein, daß die Einbeziehung der entsprechenden Berufsgruppen in den Vergleich nicht gerechtfertigt ist. - Auf die im literatur-

Vorschulpädagogische Berufe in der BRD und in der DDR

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verzeichnis zusammengestellte literatur wird im laufenden Text nur in besonderen Einzelfällen Bezug genommen.

IL Thesen zum Vergleich vorschulpädagogischer Berufe in der BRD und in der DDR

These 1 Es gibt eine vom Alter der educandi abhängige Hierarchie pädagogischer Berufe: Berufe im Bereich der Vorschulerziehung sind im Vergleich zu Berufen in den Bereichen Schule und Hochschule durch einen geringeren Grad der Professionalisierung gekennzeichnet. Im einzelnen lassen sich die Merkmale der Professionalisierung vorschulpädagogischer Berufe wie folgt kennzeichnen:

- Zulassungsvoraussetzungen für die Erstausbildung In der DDR wird der Abschluß der lOjährigen Oberschule vorausgesetzt; über die Zulassung entscheidet der Notendurchschnitt sowie das Ergebnis eines Bewerbungsgesprächs beim Rat des Kreises.

In der Bundesrepublik wird in der Regel der Abschluß der Mittleren Reife, in einigen Bundesländern alternativ dazu auch der Hauptschulabschluß mit anschließender 2jähriger Berufsfachschule (Berlin) oder 3jähriger Berufsausbildung (Baden-Württemberg) vorausgesetzt; über die Zulassung entscheidet der Notendurchschnitt, in einzelnen Fachschulen außerdem das Ergebnis einer Aufnahmeprüfung. - Akademisierungsgrad der Ausbildung In beiden deutschen Staaten ist die Ausbildung für vorschulpädagogische Berufe in Fachschulen angesiedelt, die nicht den Status wissenschaftlicher Hochschulen haben. - Dauer der Ausbildung Die Ausbildung für vorschulpädagogische Berufe dauert in der DDR durchgängig, in der Bundesrepublik in der Regel - mit länderspezifischen Abweichungen nach oben - 3 Jahre. In beiden deutschen Staaten umfaßt sie sowohl theoretische Fächer als auch angeleitete Praxis, und zwar in etwa im Verhältnis 2/3: 1/3. - Bezahlung der professionellen Arbeit Die Bezahlung für vorschulpädagogische Berufe liegt in beiden deutschen Staaten deutlich unterhalb der Bezahlung für pädagogische Berufe im übrigen Bildungssystem. Die Erzieherin in der DDR verdient etwa 150 bis 200 Mark weniger als die Grundschullehrerin. Die Erzieherin in der Bundesrepublik wird nach BAT VI -V, die Grundschullehrerin nach A 12 bezahlt.

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- Feminisierungsgrad In beiden deutschen Staaten arbeiten in der Vorschulerziehung zu 99 % Frauen. Unabhängig von der Erklärung und Bewertung dieser Tatsache bedeutet dies, daß es eine Nachfrage nach vorschulpädagogischen Berufen von seiten männlicher Bewerber faktisch nicht gibt. Die Merkmale der Professionalisierung vorschulpädagogischer Berufe zeigen in beiden deutschen Staaten eine große Ähnlichkeit in übereinstimmung mit These 1. Diese Ähnlichkeit hat mit längerfristigen Entwicklungslinien der gemeinsamen Geschichte zu tun; eine entsprechende Ausdifferenzierung und Hierarchisierung pädagogischer Berufe läßt sich im übrigen in den meisten Gesellschaften beobachten. Dennoch ist die Fortsetzung dieser Tradition im Falle der DDR deshalb nicht als selbstverständlich anzusehen, weil hier, wie die Erläuterungen zu den folgenden Thesen zeigen werden, die Vorschulerziehung eine außergewöhnlich starke Aufwertung erfahren hat und in besonders starkem Maße als erste Stufe des allgemeinen staatlichen Bildungssystems ausgebaut worden ist. These 2 Die öffentliche Erziehung und Bildung von Kindern im Vorschulalter, insbesondere aber im Kleinkindalter , steht - in stärkerem Maße als das übrige Bildungssystem - in einem engen, unter Umständen auch konfliktträchtigen Zusammenhang mit der "privaten" Erziehung in der Familie. Der bildungspolitische Stellenwert der pädagogischen Berufe im Vorschulbereich muß daher auch auf dem Hintergrund ordnungs- und familienpolitischer Zielsysteme analysiert werden.

In einer Gesellschaft wie der Bundesrepublik, die die öffentliche Kleinkindund Vorschulerziehung als ,,familienergänzendes" Angebot defIniert, ihre Politik in erster Unie an einer Unterstürzung der Familie als dem ersten und wichtigsten Träger der vorschulischen Erziehung ausrichtet und die Erwerbstätigkeit von Müttern mit Kindern im Vorschulalter eher duldet als fördert, wird der bildungspolitische Stellenwert der vorschulpädagogischen Berufe relativ gering sein. Dagegen wird der bildungspolitische Stellenwert dieser Berufe relativ hoch sein in einer Gesellschaft wie der DDR, die der Erwerbstätigkeit der Frauen, einschließlich der Mütter mit Kindern im Vorschulalter, und der gesellschaftlichen Erziehung der Vorschulkinder hohe Priorität zuschreibt. Die Berufserzieher(innen) erftillen hier eine doppelte Funktion/Leistung: sie ermöglichen den Müttern die Integration ins Beschäftigungssystem und sie ermöglichen eine gesellschaftliche/öffentliche (und das heißt im Falle der DDR auch: eine vom Staat als dem Träger der Vorschuleinrichtungen bestimmte und kontrollierte) Erziehung und Bildung der Kinder in ihrer als besonders sensibel, prägsam und prägend geltenden ersten Lebensphase .

Vorschulpädagogische Berufe in der BRD und in der DDR

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In der DDR hat es nicht, wie in der BWldesrepublik, ein Auf und Ab in der Entwicklung der VorschulerziehWlg gegeben, keine kontroverse Diskussion über ihren Stellenwert im Verhältnis zur FamilienerziehWlg, keine kontroverse Diskussion über ihre Stellung zwischen Bildungssystem und Jugendhilfesystem, keine Kontroversen über das Recht eines jeden Kindes auf einen Kindergartenplatz und über die Frage, wer die Folgekosten für die Verwirklichung dieses Rechtes zu tragen hat. Vielmehr stellt in der DDR die gesellschaftliche Erziehung im Vorschulalter die mit hoher Priorität bedachte erste Stufe des staatlichen Bildungssystems dar. Im Rahmen der allgemeinen Bildungspolitik, im Rahmen der staatlichen Bildungsadministration (Ministerium für Volksbildung) sowie im Rahmen der politisch gesteuerten pädagogischen Forschung (Akademie der Pädagogischen Wissenschaften) nimmt die Vorschulerziehung einen fest umschriebenen Platz ein.

Wie kommt der im Vergleich zur Bundesrepublik wesentlich höhere bildungspolitische Stellenwert der Vorschulerziehung in der DDR in der Berufsausbildung und in der professionellen Arbeit zum Ausdruck? - Ausbildung Es gibt in der DDR - im Gegensatz zur Bundesrepublik - eine eindeutige Professionalisierung für die Altersgruppen 3-6, also für den Kindergartenbereich; die Berufsausbildung wird in der DDR faktisch vom Staat finanziert, indem die Auszubildenden ein Stipendium von 200 Mark monatlich erhalten und in preisgünstigen Wohnheimen untergebracht werden. - Allgemeiner Erziehungsauftrag Die Fröbelsche Vorstellung vom Kindergarten als Mütterschule tritt in der DDR in Gestalt eines pädagogisch-politischen Erziehungs- und Bildungsauftrages des Kindergartens bzw. der Erzieherin nicht nur gegenüber dem Kind, sondern auch gegenüber den Eltern auf. - Zusammenarbeit zwischen Politik- Wissenschaft-Praxis Vertreterinnen der Praxis werden in der DDR in den bildungspolitischen und curricularen Planungsprozeß des Staates kontinuierlich und systematisch einbezogen: sie nehmen teil an den allgemeinen Pädagogischen Kongressen, an den spezielisierten, in großen Abständen stattfmdenden Konferenzen der Vorschulerziehung, an der Entwicklung der Erziehungs- und Bildungsprogramme für den Kindergarten. In der Bundesrepublik hat es eine derartige Einbeziehung der Praktiker in die Bildungsplanung nur im Rahmen des Erprobungsprogramms der Bund-länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung in den 70er Jahren gegeben. - Professionalisierungsgrad der im Vorschulbereich insgesamt Tätigen Im Jahre 1984 kamen in der DDR auf ca. 67000 Kindergärtnerinnen bzw. Leiterinnen ca. 21000 wenig qualifiZierte Erziehungshelferinnen (vgl. Waterkamp 1987, S. 95 ff.); im gleichen Jahr kamen in der Bundesrepublik auf ca.

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54000 Erzieherinnen und Sozialpädagoginnen ca. 36000 wenig qualifizierte Hilfskräfte (vgl. Deutsches Jugendinstitut 1986, S. 29 ff.). Es ergibt sich aus diesen Zahlen, daß der Anteil des wenig qualifizierten Personals in der DDR wesentlich niedriger ist als in der Bundesrepublik. These 3 Je mehr Geltung dem "Hänschen-Argument" zugesprochen wird, desto stärker ist die Tendenz, professionelle Erziehung bereits im vorschulischen Alter einsetzen zu lassen und an vorgegebenen Zielen auszurichten. Die Geltung des Hänschen-Arguments bezieht sich dabei nicht nur auf allgemeine anthropologische bzw. entwicklungs- und lern psychologische Maximen (vgl. z.B. kompensatorische Erziehungsprogramme in westlichen Gesellschaften). Es bezieht sich auch auf die Chancen, die spezifischen weltanschaulichen/ideologischen Zielsysteme im pädagogischen Prozeß - vermittelt durch die Angehörigen der pädagogischen Berufe - in der Generationenfolge reproduzieren zu können. In diesem zuletzt genannten Sinne gewinnen die vorschulpädagogischen Einrichtungen und Berufe in der DDR deshalb eine wesentlich größere Bedeutung als in der Bundesrepublik, weil das zu vermittelnde Zielsystem monistisch ist und von einem monistischen Staat geltend gemacht wird, der vom Erfolg bzw. Mißerfolg einer möglichst frühzeitigen zielsystemkonformen Erziehung und Bildung sein Fortbestehen gesichert bzw. gefährdet sieht. Das Hänschen-Argument ä la DDR-Pädagogik kommt besonders deutlich in dem folgenden Satz einer der ftihrenden Vorschulpädagoginnen zum Ausdruck: "Die Kindergärtnerin erreicht durch Fragen, Impulse, durch Aufforderungen zu verschiedenen Handlungen, daß bereits durch die gelenkte Wahrnehmung gesellschaftlicher Vorgänge eine zielgerichtete Analyse der Wirklichkeit erfolgt." (Wildauer 1979, S. 143) Die Geltung des Hänschen-Arguments ist selbstverständlich nicht nur in der DDR-Pädagogik zu beobachten; denn es handelt sich dabei um das pädagogische Argument par exellence. Die aus diesem Argument abgeleiteten Konsequenzen für professionelles Handeln fallen jedoch in der Vorschulerziehung in den beiden deutschen Staaten sehr unterschiedlich aus. In der DDR wird die Erzieherin dazu ausgebildet und dazu angehalten, die möglichst frühzeitige Vermittlung von wünschenswerten Wissensinhalten, Einstellungen und Verhaltensweisen im Rahmen eines gelenkten pädagogischen Prozesses in übereinstimmung mit dem außerordentlich detaillierten Erziehungs- und Bildungsprogramm (,,geschlossenes" Curriculum) zu gestalten. Es ist nicht ganz abwegig, in diesem Zusammenhang auf die Tatsache hinzuweisen, daß die Zulassung zur Erzieherinnen-Ausbildung in der DDR einen logopädischen Test umfaßt; geprüft werden dabei die Belastbarkeit der Stimmbän-

Vorschulpädagogische Berufe in der BRD und in der DDR

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der, aber auch sprachtechnische Fähigkeiten bzw. Defizite. In der Tat fUhrt die durch die Ausbildung und durch das Erziehungs- und Bildungsprogramm nahegelegte Gestaltung der pädagogischen Prozesse zu einer außerordentlich hohen Belastung der Stimmbänder der Erzieherin.

Es bleibt anzumerken, daß in der Vorschulpädagogik der DDR die Umsetzung des Hänschen-Arguments in ein verbal orientiertes und direktives erzieherisches Handeln als teilweise kontra-produktiv erkannt worden ist. Auf solche Erkenntnisse geht eine gewisse Neuorientierung der empfohlenen Erziehungsmethoden im 1985 veröffentlichten Programm der Erziehung und Bildung im Kindergarten zurück. Hier läßt sich eine Abkehr von rigiden Formen der "Führung" im pädagogischen Prozeß zugunsten der Förderung der geistigen und sozialen Selbsttätigkeit und Selbständigkeit der Kinder feststellen. In diesem Sinne soll die Erzieherin die Wißbegierde und schöpferischen Ideen der Kinder, ihre Bereitschaft und Fähigkeit zu selbständigen Problemlösungen im kognitiven und sozialen Bereich sowie den phantasievollen Umgang mit Spielmaterialien fördern (vgl. Launer 1985). Die zuletzt genannte Handlungsorientierung der Erzieherin kommt der in der Vorschulerziehung in der Bundesrepublik vertretenen Auffassung schon recht nahe; allerdings wird hier noch stärker die Förderung der im einzelnen Kind angelegten, endogenen Entwicklung, die Förderung der allgemeinen Lernfähigkeit ohne feste Bindung an vorgegebene Lernziele und Lerninhalte kognitiver, sozialer, insbesondere aber politischer Art ("offenes" Curriculum) sowie die Förderung der Selbsttätigkeit des Kindes betont; die systematische kognitive Frühförderung zum Beispiel, die im Zuge der Bildungsreform in Gestalt von Sprachmappen Eingang in viele Kindergärten gefunden hatte, ist heutzutage in der Bundesrepublik kaum mehr anzutreffen; das Freispiel, das hier einen beherrschenden Platz einnimmt, hat umgekehrt im Kindergartenalltag in der DDR einen äußerst geringen Stellenwert. These 4 Das je spezifische Verhältnis zwischen Politik und Erziehung ist folgenreich für das professionelle Selbstverständnis der in pädagogischen Berufen Tätigen. Versuche der politischen Instrumentalisierung der (vorschulischen) Erziehung, wie sie in der DDR systematisch unternommen werden, bringen die (vorschul-)pädagogischen Berufe bzw. die in ihnen Tätigen in ein Dilemma: sie sind der Zumutung ausgesetzt, profeSSionell etwas auch dann vermitteln zu sollen, wenn sie dies persönlich nicht vertreten können. Die Propagierung eines Pluralismus, wie in der Bundesrepublik, hat ihren eigenen ,,Preis": die gleiche Gültigkeit verschiedener Zielsysteme kann zur Gleichgültigkeit in Grundfragen beitragen; die konkurrierende Geltung un2 Baske

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terschiedlicher Orientierungsmuster kann Unsicherheit erzeugen; im Gefolge beider Tendenzen kann laissez-faire an die Stelle begründeter pädagogischer Konzepte treten. Die überaus starke politisch-ideologische Einflußnahme des Staates in der DDR auf die vorschulpädagogischen Berufe kommt beispielhaft in den folgenden Bereichen zum Ausdruck: - Zulassung zur Berufsausbildung überprüfung des vorbildlichen politischen Verhaltens im Rahmen des obligatorischen Aufnahmegespräches. - Inhaltliche Ausrichtung der Berufsausbildung Der Marxismus-Leninismus gilt als obligatorisches theoretisches Grundlagenfach; in die nach Inkrafttreten des neuen ,,Programms für die Bildungs- und Erziehungsarbeit im Kindergarten" (1985) neu ge faßte Ausbildungsverordnung ist neu aufgenommen worden das Lehrgebiet "Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung und der sozialistischen Revolution in der DDR". Dieses Lehrprogramm soll die Erzieherin befähigen, noch besser mit dem Fach "Bekanntmachen mit dem gesellschaftlichen Leben" umzugehen. Eine Auswertung der Ausbildung seit 1973 hatte gezeigt, daß diesem - für die sozialistische Erziehung im Kindergarten der DDR zentralen - Bereich die nötige Motivation fehlte.

Hier zeigt sich also das in These 4 behauptete Dilemma pädagogischer Berufe im Zeichen einer politischen Instrumentalisierung der Erziehung. - Inhaltliche Ausrichtung der professionellen Arbeit im Kindergarten Das Lehrgebiet ,,Bekanntmachen mit dem gesellschaftlichen Leben" zum Beispiel schreibt detailliert vor, welche Feste und Feiern der Arbeiterbewegung zu begehen sind, wann und wie des Staatsratsvorsitzenden zu gedenken ist usw.; die Verbundenheit mit dem Staat, seinen Organen und Repräsentanten ist als eindeutiges Ziel einer politischen Erziehung im Kindergarten der DDR vorgegeben und inhaltlich und methodisch genau vorgeschrieben; ähnliches gilt für die inhaltliche Lenkung von Rollenspielen.

Der für die Bundesrepublik reklamierte Pluralismus kommt in der Vorschulerziehung im Pluralismus der Träger und in der Beschränkung der staatlichen Steuerung auf den Erlaß von Rahmenrichtlinien für die Ausbildung und für die inhaltliche Arbeit im Kindergarten zum Ausdruck. Die politische Einflußnahme auf vorschulpädagogische Berufe beschränkt sich auf die überprüfung der Verfassungstreue derjenigen Erzieherinnen, die in kommunalen Einrichtungen angestellt werden. Bei den vorrangig vertretenen kirchlichen Trägem läßt sich eine Einflußnahme punktuell in Fragen der persönlichen Lebensführung der Erzieherin (z.B. Leben in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft) und in Fragen der Berücksichtigung religiöser Themen in der pädagogischen Arbeit feststellen. Die inhaltliche und methodische AUsrichtung und die Qualität der pädagogi-

Vorschulpädagogische Berufe in der BRD und in der DDR

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schen Arbeit eines Kindergartens hängt in der Bundesrepublik ganz überwiegend nicht von irgendwelchen übergeordneten Instanzen, sondern von dem jeweiligen Team ab. These 5 Merkmale der Professionalität (These 1), der öffentlichen Anerkennung (These 2 und 3) und der Wechselbeziehungen zwischen Politik und Erziehung (These 4) stellen Rahmenbedingungen für die subjektive Wahrnehmung, Ausftillung und Bewertung der Berufstätigkeit dar. Die subjektive Qualität der Berufstätigkeit be mißt sich an der Qualität dieser Merkmale, insbesondere aber an dem durch diese Merkmale beeinflußten Ausmaß der Selbständigkeit bzw. Abhängigkeit am Arbeitsplatz, in pädagogischen Berufen also vor allem am Ausmaß der pädagogischen Freiheit. Das Ausmaß der pädagogischen Freiheit ist abhängig - vom Grad der Verbindlichkeit allgemeiner normativer Vorgaben politischideologischer bzw. weltanschaulicher Art; vom Grad der Verbindlichkeit der curricularen Vorgaben; vom Hierarchisierungsgrad im Verhältnis zwischen Träger der Einrichtungen und einzelner Einrichtung; vom Hierarchisierungsgrad innerhalb der einzelnen Einrichtung (Regelung der Leitungsfunktionen). Im Bereich der Vorschulerziehung zeigen sich dabei - in noch stärkerem Maße als im übrigen Bildungssystem - erhebliche Unterschiede zwischen den beiden deutschen Staaten: Aufgrund des eindeutigen politisch-ideologischen Zielsystems, der Verbindlichkeit und Detailliertheit einheitlicher Erziehungsprogramme, der umfassenden Dienst- und Fachaufsicht staatlicher Behörden gegenüber den einzelnen Einrichtungen und der starken Hervorhebung der Leitungsfunktionen innerhalb der einzelnen Einrichtung ist das Ausmaß von Selbständigkeit, Eigenverantwortung und pädagogischer Freiheit in den vorschulpädagogischen Berufen in der DDR um vieles beschränkter als in der Bundesrepublik (plurale Trägerschaft und "offene" Curricula in der Vorschulerziehung).

Was die Rahmenbedingungen pädagogischer Freiheit betrifft, so sind die wichtigsten Informationen zum Grad der Verbindlichkeit sowohl allgemeiner normativer Vorgaben als auch spezifischer curricularer Vorgaben bereits erwähnt worden. Einer näheren Kennzeichnung bedürfen zwei weitere Punkte:

- Hierarchisierung im Verhältnis zwischen Träger und einzelner Einrichtung In der DDR gibt es eine klare hierarchische Gliederung der Planung, Verwaltung und Kontrolle; kennzeichnend ist außerdem die Verbindung von Dienst- und Fachaufsicht und die Verbindung von pädagogischen und politischen Aspekten der professionellen Arbeit. Unterhalb der Ebene des Ministe-

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riums ist das entscheidende Organ der Kreisschulrat bzw. die dort angesiedelte Referentin für Vorschulerziehung; sie ist verantwortlich für den Jahresarbeitsplan der Einrichtungen, hospitiert in Kindergärten und fUhrt die Dienstbesprechungen mit den Leiterinnen sowie deren Weiterbildung durch. Fachberaterinnen haben die Funktionen der Anleitung und Kontrolle der pädagogischen und politischen Arbeit in den Kindergruppen, soweit sie nicht von den leiterinnen wahrgenommen werden. Alle genannten Funktionsstellen können nur von Mitgliedern der SED wahrgenommen werden. In der Bundesrepublik liegt die Dienst- und Fachaufsicht bei den verschiedenen Trägern der Einrichtungen; die von den Trägern angestellten Fachberaterinnen haben eine überwiegend beratende Funktion, teilweise üben sie auch die Dienstaufsicht aus; für die pädagogische Arbeit in der Gruppe ist jede einzelne Gruppenleiterin verantwortlich, so daß es selbst in Kindergärten gleicher Trägerschaft unterschiedliche pädagogische Konzepte geben kann.

- Hierarchisierungsgrad innerhalb der einzelnen Einrichtung In der DDR kommt der Leiterin eines Kindergartens eine hervorgehobene Stellung zu: s',. ist die unmittelbare Dienstvorgesetzte der Erzieherinnen und des gesamten Personals der Einrichtung; sie hospitiert regelmäßig in den Gruppen, sie führt wöchentliche Arbeitsberatungen und 14tägliche pädagogische Beratungen durch und ist für die Einhaltung des Jahresarbeitsplans sowie für die Weiterbildung der Erzieherinnen verantwortlich. In der Bundesrepublik kommt der Leiterin eines Kindergartens keine hervorgehobene Stellung zu; sie übernimmt im wesentlichen organisatorische bzw. administrative Aufgaben.

Aus dieser Darstellung ergibt sich, daß die Erzieherin in der DDR unter Bedingungen einer ständigen und außerordentlich starken, von oben nach unten klar hierarchisierten, pädagogische wie politische Aspekte ihrer professionellen Arbeit umfassenden Kontrolle arbeitet. Pädagogische Freiheit beschränkt sich hier im wesentlichen darauf, wie die Erzieherin die einzelnen Sachgebiete im einzelnen gestaltet, zum Beispiel welche lieder und Reime sie aus dem ,,Programm der Erziehung und Bildung für den Kindergarten" auswählt.

/IL Schlußbemerkungen

Die Erläuterungen zu den Thesen haben zu einer Bestätigung der Ausgangshypothese geführt: Die allgemein zu beobachtenden Ambivalenzen in der Fremd- und Selbsteinschätzung pädagogischer Berufe sind in der DDR aufgrund spezifischer Systemmerkmale der Gesellschaft besonders stark ausgeprägt. Auf der einen Seite erfahren in der DDR die vorschulpädagogischen Einrichtungen und Berufe eine im Vergleich zur Bundesrepublik außerordentlich

Vorschulpädagogische Berufe in der BRD und in der DDR

21

positive und weitreichende gesellschaftliche Funktionszuschreibung. Auf der anderen Seite führen die Instrumentalisierung der Erziehung für Zwecke der Politik und die professionelle Entmündigung und Gängelung der Erzieher(innen) zu einer Situation, die für eine unabhängige berufsständische Selbstorganisation und für die individuelle Gestaltung professioneller Arbeit im Sinne pädagogischer Freiheit wenig Raum lassen. Es ist abschließend darauf hinzuweisen, daß aJl das, was im vorliegenden Beitrag über vorschulpädagogische Berufe in der DDR in der Gegenwartsform gesagt worden ist, mittlerweile in derVergangenheitsform gesagt werden müßte; die hier beschriebene Erziehungswirklichkeit gehört seit dem 9. November 1989 der Geschichte an. Die seitdem in der DDR unternommenen Schritte in die politische Freiheit werden auch der öffentlichen Erziehung im ganzen sowie der pädagogischen Freiheit im besonderen neue Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen. Es ist jedoch zum jetzigen Zeitpunkt zu früh, die Konturen dieser neu entstehenden Erziehungswirklichkeit zu erfassen.

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22

Ludwig Liegle

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Herbert Stallmann LEHRER UND LEHRERBILDUNG IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND UND IN DER DDR - ALLGEMEINBILDENDE SCHULEN L Lehrer und Lehrerbildung in der DDR 1. Der gesellschaftspolitische Auftrag des Lehrers Am Tag des Lehrers (12. Juni), der im Jahre 1989 den IX. Pädagogischen Kongreß einleitete, erklärte Erlch Honecker in einer Feierstunde: "Die Lehrerschaft hat die Geschichte unserer Republik, des ersten sozialistischen Staates der Arbeiter und Bauern auf deutschem Boden, maßgeblich mitgestaltet. Ohne ihr Wirken wäre das in vier Jahrzehnten Erreichte nicht denkbar .,,1 Anschließend zeichnete er eine Reihe von Pädagogen mit höchsten Orden und Ehrentiteln aus.

Dank und Anerkennung für die Lehrer sind die selbstsichere Bestätigung einer Politik, die von Beginn an den Lehrer für die ,,gesamte politische und weltanschauliche Entwicklung des deutschen Volkes" einzuspannen gedachte, wie Otto Grotewohl 1946 erklärte.2 Und daß diese Politik uneingeschränkte Fortsetzung fmden solle, machte Otto Reinhold zu Beginn des Jahres 1989 deutlich, als er feststellte, "daß Fragen der Bildung und Erziehung eine der wichtigsten Bedingungen für die Durchsetzung unserer Gesellschaftsstrategie in den 90er Jahren sind".3 Angesichts der Ereignisse vom Herbst 1989, die nicht zuletzt durch die Flucht gerade junger DDR-Bürger ausgelöst wurden, muß sich allerdings diese Bildungspolitik von ihren intimsten Parteigängern die Frage gefallen lassen, ob das gesamte Erziehungs- und Bildungssystem und somit vor allem die lehrerschaft nicht versagt habe.

1 Erich Honecker: Pädagogen schaffen mit am Fundament für eine glückliche Zukunft. In: Deutsche Lehrerzeitung, 36. Jg. (1989), Nr. 2S, S. 3. (Abgekürzte Zitierweise: DLZ 2S /

89, S. 3). 2 Zitiert nach: Gerda Opitz: Der Lehrer in der Gesellschaft, Berlin 1988, S, 72. 3 "Gesellschaftsstrategie und Erziehung. Bericht von der 7. Plenartagung der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften", In: DLZ 9/89, S. 10,

Herbert Stallmann

24

2. Lehrerausbildung in der DDR Das heutige allgemeinbildende Schulsystem der DDR - und nur von diesem, nicht vom berufsbildenden oder Sonderschulsektor soll hier die Rede sein kennt zwei Arten von Lehrern: den Unterstufenlehrer für die Klassen 1 bis 4 und den Diplomlehrer für die Klassen 5 bis 12. Beiden Gruppen sind eigene, deutlich voneinander abgehobene Ausbildungsgänge zugeordnet. Der Weg zum Unterstufenlehrer beginnt nach Abschluß der zehnklassigen Oberschule und fUhrt über ein vierjähriges Fachschul-Studium an einem der 29 Institute für Lehrerbildung. Die Diplomlehrer hingegen absolvieren nach dem Abitur ein fünfjähriges Hochschulstudium an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen, Künstlerischen Hochschulen oder an der Hochschule für Körperkultur und Sport. Die Ausbildung beider Gruppen endet mit dem Abschluß des Studiums; ein zusätzlicher Vorbereitungsdienst wie in der Bundesrepublik ist nicht vorgesehen. Man kennzeichnet deshalb die DDR-Lehrerbildung als "einphasig". Die Ausbildung zum Diplomlehrer ist recht breit ausgelegt (s. Tafel 1). Sie umfaßt neben dem Studium der beiden späteren Unterrichtsfächer auch noch die Fächer Marxismus-Leninismus, Pädagogik und Psychologie, Sport, Fremdsprache, Kulturästhetische Bildung und Erziehung, Sprecherziehung, Technik der Arbeit mit Unterrichtsmitteln, Gesundheitserziehung und die fachmethodische Ausbildung. Außerdem sind einige mehrwöchige Praktika und das große Schulpraktikum (27 Wochen im fünften Studienjahr) in das Studium einbezogen. (Die quantitativen Verteilungen sind der Tafel 1 zu entnehmen.) Die Mehrzahl der. Studenten studiert zwei Fächer. Beide sind - seit der Reform der Diplomlehrerausbildung im Jahre 1982 - gleichrangig, d.h. es gibt nicht mehr die Unterscheidung in Haupt- und Nebenfach. Die Fächer sind nicht frei wählbar, vielmehr sind Fächerkombinationen vorgegeben, und diese können nur an bestimmten Hochschulen studiert werden. Für einzelne Fächer existieren Sonderregelungen. So kann z.B. die Ausbildung in Musikerziehung und Körpererziehung als Ein-Fach-Studium angelegt sein, im Falle des Faches Polytechnik gibt es nur diese Möglichkeit. Eine Besonderheit stellt die Ausbildung zum Freundschaftspionierleiter , d.h; zum Leiter der Pionierorganisation einer Schule, dar. Diese spezielle Ausbildung wird mit dem Studium eines Unterrichtsfaches kombiniert. Die Ausbildung der Lehrer für die unteren Klassen umfaßt in jedem Fall die Fächer Deutsch und Mathematik. Zusätzlich ist ein drittes Fach aus der Gruppe Werken, Körpererziehung, Kunsterziehung, Musik, Schulgartenunterricht zu wählen. 4 Parallel dazu laufen erziehungswissenschaftliche Studien, die pädagogische, psychologische und schulpraktische Anteile umfasseil. Auch an den Instituten der Lehrerbildung gibt es die Ausbildung zum Freundschaftspionierleiter , die mit einem im Umfang reduzierten Lehrerstudium gekoppelt ist. 4

Dietmar Waterkarnp: Handbuch zum Bildungswesen der DDR, Berlin 1987, S. 383.

Lehrer und Lehrerbildung in der BRD und in der DDR

25

Tafel 1: Rahmenstudienplan (Mathematik/Physik)

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Quelle: "Diplomlehrer - Beruf und Berufung". Berlin 1987, Seite 1O.

Seit der Erneuerung der Unterstufenlehrerausbildung im Jahre 1978 ist diese durch Hereinnahme zusätzlicher Studieninhalte so angelegt, daß die lehrer auch in der Erziehungsarbeit im Schulhort eingesetzt werden können. Dafür ist die Ausbildung von Horterziehern "weitgehend eingestellt" worden. s Wenn man die beschriebenen Ausbildungsgänge für Unterstufenlehrer und Diplomlehrer miteinander vergleicht, gelangt man zu Ergebnissen, die etwa westdeutschen Studenten bei erstmaliger Beschäftigung mit diesem Thema S

a. a. 0., S. 384 f.

26

Herbert Stallrnann

geradezu unglaublich erscheinen. Welche Aspekte man auch herausgreift, seien es die Voraussetzungen oder die Inhalte, die Dauer oder die Institutionen des Studiums, in allen Punkten erweist sich eine grundlegende Unterschiedlichkeit, und das bei zwei Lehrergruppen, die an ein und derselben Schule unterrichten. Das erstaunlichste Faktum ist dabei die Festschreibung der Unterstufenlehrerausbildung auf Fachschulniveau. Das heißt, man hält fest an einer Ausbildung, die nicht einmal die Reifeprüfung als Eingangsvoraussetzung verlangt, und verweigert damit diesen Lehrern die seit über einhundert Jahren begehrte ,,Akademisierung". Dies ist um so erstaunlicher, als selbst in der Zeit des Nationalsozialismus - wenn auch nur kurzfristig - und dann wieder in den ersten Nachkriegsjahren mit Einrichtung der ,,Pädagogischen Fakultäten" die akademische Ausbildung aller Lehrer in der DDR prinzipiell durchgesetzt worden war, die allerdings Mitte der fünfziger Jahre wieder aufgegeben worden ist. In jüngster Zeit sind im Zusammenhang mit der Lehrerausbildung einige Neuerungen zu beobachten, die insbesondere auf die frühzeitige Gewinnung von Nachwuchskräften zielen. Vor allem ,,Klubs junger Pädagogen" erfreuen sich zunehmender Beachtung. Bei diesen handelt es sich um außerunterrichtliche Arbeitsgemeinschaften, in denen "die für einen Pädagogenberuf geeigneten Schüler ab Klasse 7" erfaßt und auf die Praxis vorbereitet werden. 6 Eine von Wissenschaftlern der Pädagogischen Hochschule Halle-Köthen kürzlich erarbeitete ,,Pädagogische Konzeption" legt den Klubs nahe, "die politisch-pädagogische Berufsmotivation" der Mitglieder zu festigen und ihren "Berufsw-unsch zu vertiefen".7 Diese Bemühungen stehen im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen zur überwindung des neuerlich aufgetretenen Lehrermangels. 3. "Ende des Lehrerrnangels" - überholt Anfang 1988 hat Gerlind Schrnidt eine informationsreiche Studie unter dem Titel ,,Ende des Lehrerrnangels in der DDR: bnplikationen für lehrerausbildung und Lehrertätigkeit"S vorgelegt, die, wie der Titel verrät, von der überwindung eines zuvor bestehenden Lehrerrnangels ausgeht. Nur ein halbes Jahr später, am 15. August 1988, hat das Ministerium flir Volksbildung der DDR eine "Direktive ... zur gezielten Auswahl und Vorbereitung von Bewerbern für ein Diplomlehrerstudium" verabschiedet (allerdings erst mit fast einjähriger Verspätung veröffentlicht), die darauf abzielt, einem neuerlichen Lehrermangel gegenzusteuern. 9 Offenbar haben sich die UnterrichtsausfaIle, von denen • "Nachwuchs braucht Atmosphäre". In: DLZ 2/89, S. 1. 7 "Schüler probieren sich als Lehrer aus. Zur Tätigkeit von Klubs junger Pädagogen an erweiterten Oberschulen". In: DLZ 33/89, S. 5. 8 Gerlind Schmidt: Ende des Lehrermangels in der DDR: Implikationen flir Lehrerausbildung und Lehrertätigkeit. In: Die Deutsche Schule, 1988, H. I, S. 47-61. 9 "Direktive des Ministeriums flir Volksbildung zur gezielten Auswahl und Vorbereitung von Bewerbern flir ein Diplomlehrerstudium vorn 15. August 1988". In: Verfligun-

Lehrer und Lehrerbildung in der BRD und in der DDR

27

auch in der "Deutschen Lehrerzeitung" zu lesen war, als so gravierend herausgestellt, daß trotz der insgesamt hinreichenden Zahl von Lehrern zusätzliche Anstrengungen unternommen werden müssen, damit den Schulen die in bestimmten Bereichen fehlenden Lehrkräfte zugewiesen werden können. Die genannte Direktive macht es allen an der Schule Beteiligten zur Pflicht, um ,,zielgerichtete Auswahl, Gewinnung und Vorbereitung des pädagogischen Berufsnachwuchses" bemüht zu sein. 10 Speziell und ausschließlich geht es um Diplomlehrer, nicht um Unterstufenlehrer, und unter diesen wiederum um die Vertreter ganz bestimmter Fächer und Fächerkombinationen.* Die Direktive ist bezogen auf die Fächerkombination Mathematik/Physik sowie auf Kombinationen mit Russisch, Poly technik, Musik, Kunsterziehung und Staatsbürgerkunde. Offenbar besteht in diesen Bereichen schon seit Jahren Mangel, der auch künftig nicht ausgeglichen zu werden verspricht, da die auf den prognostizierten Bedarf ausgerichteten entsprechenden Studienkapazitäten nicht ausgelastet sind'" Warum gerade die genannten Fächer betroffen sind, darüber kann man nur spekulieren, aber es ist nicht uninteressant, daß sich darunter eben die mit der stärksten politisch-ideologischen Relevanz befmden. Ein wichtiger Grund für starke Unterrichtsausfälle bei scheinbar hinreichender Personalausstattung ergibt sich aus dem großen Frauenanteil an der Lehrerschaft. Für 1970 hatte Gerlind Schrnidt einen Anteil von 58 Prozent mit deutlich steigender Tendenz in den Folgejahren errnittel;12 nach neuesten Angaben befinden sich "weit über 80 Prozent" Frauen unter den derzeitigen Lehramtsstudenten. 13 Insbesondere junge Frauen haben infolge Schwangerschaft und Kinderbetreuung größere Verhinderungszeiten, außerdem werden ihnen wegen der erhöhten Inanspruchnahme durch die Kinder sogenannte ,,Abminderungsstunden" und andere Entlastungen bei der Zumessung der Lehrverpflichtungen eingeräumt. Art und Umfang der in der genannten Direktive aufgelisteten Maßnahmen zur Behebung des Lehrermangels lassen auf besondere Dringlichkeit des Problems schließen. Folgendes wird in die Wege geleitet:

1. Um der Feminisierung im Lehrerberuf zu begegnen, sollen Jungen eine besondere Förderung erfahren.

* Professor Siegfried Baske hat mich freundlich erweise darauf hingewiesen, daß sich Mängel in der Lehrerversorgung vor allem auf Fächerkombinationen, weniger auf einzelne Fächer beziehen. gen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung. Berlin, 14. Juni 1989, Nr. 4, S.60-65. 10 a. a. 0., Präambel, Abs. 1. U "Diplomlehrer - Beruf und Berufung", Berlin 1987, S. 45. 12 Schmidt (Anm. 8), S. 51, Tabelle 3. 13 "Zahlen und Fakten zur Lehrerbildung". In: DLZ 23/89, S. 6.

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2. Um das Defizit in bestimmten Fächerkombinationen abzubauen, soll die schon seit einigen Jahren existierende "Vorkursausbildung"14 konsequent genutzt werden. Dabei handelt es sich um einjährige Kurse an Pädagogischen Hochschulen, in denen Absolventen der zehnklassigen Oberschule auf das Diplomlehrer-Studium einer ganz bestimmten Fächerkombination vorbereitet werden. Die Studienberechtigung erstreckt sich ausschließlich auf die gewählte Kombination. Somit handelt es sich hierbei um Vermittlung einer eng umgrenzten fachgebundenen Hochschulreife, die gegenüber der Schullaufbahn über die EOS oder die Abiturklassen der Berufsausbildung ein ganzes Jahr Zeitersparnis bedeutet. 3. Um das Problem des pädagogischen Nachwuchses frühzeitig und von Grund auf anzugehen, werden sämtliche Lehrer, Direktoren, Schulfunktionäre und die Vertreter der lehrerbildenden Universitäten und Hochschulen in die Verantwortung genommen. "Die Auswahl, Gewinnung und Vorbereitung geeigneter Schüler für ein Diplomlehrerstudium soll fester Bestandteil der Bildungs- und Erziehungsarbeit" werden. Und weiter heißt es in der Direktive: ,,Die zielgerichtete berufs- und studienorientierende* Arbeit mit den geeigneten Schülern und deren Eltern ist von der Klasse 7 an so zu gestalten, daß .... konkrete Kenntnisse und Vorstellungen über das Studium und den Beruf des Diplomlehrers sowie stabile Studien- bzw. Berufsmotive entwickelt werden".15 Angesichts dieser Zielstellung der Direktive muß offen bleiben, ob quantitative oder qualitative Aspekte im Vordergrund stehen. Allemal erscheint es jedoch problematisch, schon bei Schülern der 7. Klasse die Eignung für den Lehrerberuf feststellen zu wollen. Des weiteren ist zu fragen, ob die frühzeitige und ausschließliche Fixierung auf den Beruf des (Diplom-)Lehrers nicht auch eine Einengung des geistigen Horizonts der Schüler bewirkt. Auf jeden Fall ist eine stark dirigistische Ausrichtung der individuellen Berufs- und Lebensplanung auf die kollektiven Anforderungen hin zu konstatieren.

4. Tätigkeit des Lehrers Der Erziehungs- und Bildungsauftrag des Lehrers in der DDR ist sehr weit gefaßt. Er beschränkt sich nicht auf die Schularbeit, sondern erstreckt sich ausdrücklich auf Unterricht und außerunterrichtliche Tätigkeit. 16 Dazu zählt so-

* Im Gegensatz zum westdeutschen Sprachgebrauch, wo das Verb "sich orientieren" reflexiv verwandt wird, hat das transitive Verb "orientieren" in der DDR-Sprache einen unüberhörbar dirigistischen Akzent. Vgl. "Hochschulberufe", Teil 6, o. 0.,1982, S. 7 f. Direktive (Anm. 9), Ziffer 1.2. 16 "Verordnung über die Sicherung einer festen Ordnung an den allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen - Schulordnung - vom 29. November 1979", § 25. In: "Sozialistisches Bildungsrecht. Volksbildung. Allgemeine Bestimmungen". Berlin, 2. Auf!. 1988, S. 109-125, hier: S. 120. 14

15

Lehrer und Lehrerbildung in der BRD und in der DDR

29

wohl de Betreuung der Schüler in Arbeitsgemeinschaften, Ensembles, Sportgruppen und Klubs als auch in den organisierten, gemeinschaftlich verlebten Ferien. Damit wird der Forderung des Bildungsgesetzes von 1965 entsprochen, daß sich der Lehrer ,,in seiner gesellschaftlichen Tätigkeit außerhalb des Unterrichts ... vorwiegend Aufgaben der Erziehung und der Freizeitgestaltung der Jugend zuwenden"17 solle. Ferner ist der Lehrer, insbesondere in der Funktion des ,,Klassenleiters" (nicht Klassenlehrer), verpflichtet, die Zusammenarbeit mit den ,,gesellschaftlichen Kräften" zu suchen und zu pflegen. 18 Zu diesen zählen die Jugendorganisationen, Eltern und Elternvertretungen, Betriebe, Patenbrigaden, Jugendhilfe u.a. "Hauptaufgabe" aller Lehrer, von denen erwartet wird, daß sie ,,in ihrem gesellschaftlichen und persönlichen Leben der jungen Generation stets Vorbild" sind;9 ,)st die Erteilung eines wissenschaftlichen, parteilichen und lebensverbundenen Unterrichts" .20 Damit dieses geschehe, sind die Lehrer nachdrücklich aufgefordert, der Planung und Vorbereitung des Unterrichts ein Höchstmaß an Sorgfalt angedeihen zu lassen. Ferner werden die Lehrer für die ,)ehrplangerechte Ausstattung der Unterrichtsräume" , für die "pflegliche Behandlung der technischen Geräte und Unterrichtsmittel" , für "ordnungsgemäßen Zustand" der Unterrichtsräume und vieles andere mehr verantwortlich gemacht. 21 Die Vielfalt dieser und anderer Vorschriften, die einengend und bevormundend in sämtliche Bereiche der pädagogischen Praxis einwirken, haben offensichtlich die Kritik der Lehrer herausgefordert. Besonderen Unwillen haben die zentralen Anweisungen zu Bewertung und Zensierung hervorgerufen, und diese Kritik ist schon vor dem Aufbruch vom Herbst 1989 artikuliert worden. Der damalige Minister für Volksbildung, Frau Margot Honecker, sah sich deshalb in diesem Punkt zum Einlenken genötigt und versprach Revision, weil die bis dahin gültigen Regelungen ,,zu viel vorschreiben und damit die Verantwortung der Pädagogen nicht genügend berücksichtigen", wie sie selbst sagte. 22 Neben den detaillierten inhaltlichen Reglementierungen nehmen sich die äußeren Bedingungen, unter denen die pädagogische Arbeit steht, vergleichs17

"Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem vom 25. Februar 1965 ",

§ 25,2. In: Sozialistisches Bildungsrecht (Anm. 16), S. 20-44, hier: S. 30 f. '8 Schulordnung (Anm. 16), § 24. '9 "Verordnung über die Pflichten und Rechte der Lehrkräfte und Erzieher der Volksbildung und Berufsbildung - Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte - vom 29. November 1979", § 2,1. In: Sozialistisches Bildungsrecht (Anm. 16), S. 216-224, hier: S.216. 20 Schulordnung (Anm. 16), § 26,1. 2' a. a. 0., § 26,4-5.

22 Margot Honecker: Unser sozialistisches Bildungssystem - Wandlungen, Erfolge, neue Horizonte. Referat auf dem IX. Pädagogischen Kongreß vom 12. - 15. Juni 1989 in Berlin. In: DLZ 25/89, Dokumentation, S. 7-16.

30

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weise großzügig aus. Das Stundensoll ist - nach mehrfachen Kürzungen in der Vergangenheit - verglichen mit dem Deputat westdeutscher Lehrer niedrig, und auch die Klassengrößen sind angenehm begrenzt. Die Lehrverpflichtung beträgt 22 oder 23 Wochenstunden, je nachdem ob ein Lehrer überwiegend in den Klassen 1 bis 8 oder 9 bis 12 unterrichtet. Dazu gesellen sich im Bedarfsfall - auf besondere Anordnung des Direktors - zwei weitere, sogenannte "variable Pflichtstunden" , die aber extra bezahlt werden. Das zahlenmäßige Lehrer-Schüler-Verhältnis und damit auch die Größe der Klassen hat sich seit Jahrzehnten kontinuierlich verbessert. Die Zahl der Lehrer ist seit 1955 stetig gestiegen, die Schülerzahlen sind seit 1974 rückläufig. Die Zahl der Schüler pro vollbeschäftigte Lehrkraft ist von 24,9 (1955) auf 11,8 (1985) gesunken. 23 Lehrer der- DDR haben nur teilweise Anspruch auf die Schul- bzw. Schülerferien, dennoch haben sie sehr viel länger Urlaub als alle übrigen Beschäftigten (18 Tage wie alle, plus 5 Tage für Lehrer plus 20 Tage speziell für Lehrer zur geistigen und körperlichen Rekreation und ab 1989 zusätzlich 6 freie Samstage ).24 Trotzdem lassen die von Schönwälder diskutierten Erhebungen zur Arbeitsbelastung der Lehrer den Schluß zu, daß die Lehrer in der DDR selbst in der Schulzeit (unter Vernachlässigung der Ferienzeit) weniger arbeiten als der Durchschnitt der Beschäftigten.25 Aufgrund der häufigen und vielfältigen Kontakte sowohl mit den Schülern als auch mit den übrigen auf die Schule einwirkenden Kräften eröffnen sich dem Lehrer in der DDR ungleich größere Möglichkeiten der Einflußnahme auf die Schüler als seinem westdeutschen Kollegen, für den im Normalfall, die Schülerkontakte mit Schulschluß enden. Folglich kann man dem DDR-Lehrer ein höheres Maß an pädagogischer Verantwortung zuschreiben - im Erfolgswie im Versagensfalle. 5. Die Stellung des Lehrers in der Schule Die Schule, zwar als ,,gesellschaftliche Einrichtung" defmiert, die ,,konkret aber eine staatliche Anstalt ist", steht de facto unter dem ,,Monopolanspruch" der SED?6 In der hierarchischen Aufreihung der von Direktoren und Lehrern zu beachtenden Vorgaben rangieren Parteidokumente noch vor der Verfassung und den Gesetzen des Staates an erster Stelle. Die Schulordnung führt dazu aus: Schmidt (Anm. 8), S. 48, Tab. 1. Honecker (Anm. 22). 25 Hans-Georg Schönwälder: Erziehungswissenschaft und Lehreralltag in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik Deutschland. In: Siegfried Baske (Hrsg.): ErziehungswissenschaftJiche Disziplinen und Forschungsschwerpunkte in der DDR (Schriftenreihe der Gesellschaft ftir DeutschJandforschung. Bd. XIII. Fachgruppe Erziehungswissenschaft). Berlin 1986, S. 183-216, hier: S.210. 26 Oskar Anweiler: Schulpolitik und Schulsystem in der DDR, Opladen 1988, S. 136. 23

2.

31

Lehrer und Lehrerbildung in der BRD und in der DDR

"Der Direktor ist verpflichtet, seine Leitungstätigkeit auf der Grundlage der Beschlüsse der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, der Gesetze und anderen Rechtsvorschriften durchzuführen ... ,,27 Um ihren Fiihrungsanspruch in allen schulischen Belangen durchsetzen zu können, hat die SED an sämtlichen Schulen "organisatorische Stützpunkte"28 in Form der "Schulparteiorganisation" (SPO) eingerichtet. Zwar heißt es, der Direktor ,,stütze" sich auf die SPO, doch dürften die Rollen eher umgekehrt verteilt sein, wenn es an anderer Stelle heißt, die SPO ",hilft, die Pädagogen und Schüler zu aktivieren und übt zugleich eine strenge Kontrolle über die Durchführung gefaßter Beschlüsse aus' ".29 Auch die Gewerkschaft Unterricht und Erziehung, die an jeder Schule in Form der "Schulgewerkschaftsorganisation" (SGO) fest installiert ist und ebenfalls den Direktor stützen soll, steht unter dem Fiihrungsanspruch der SED und hat zuvörderst deren Richtlinien in der Schule umzusetzen. 30 Stellt man zudem in Rechnung, daß ein großer Prozentsatz der Lehrer und vor allem der Direktoren Mitglieder der SED sind, dann kann man den Umfang des Parteieinflusses auf die Schule annähernd ermessen. Doch damit nicht genug, denn Tafel 2: Schulverwaltung in der DDR Minister für Volksbildung

1

Bezirksschulrat

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28

BERATUNG

Schulordnung (Anm. 16), § 3,1. Anweiler (Anm. 26), S. 136. Zitiert nach: Anweiler (Anm. 26) S. 136. Anweiler (Anm. 26), S. 13 7 .

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noch weitere Behörden und Organisationen, die in die Schule hineinwirken, werden ebenfalls - zumindest mittelbar - von der SED dirigiert und verstärken deren Einfluß auf Schule und Lehrer. Das gesamte unterrichtliche und außerunterrichtliche Geschehen einer Schule ist in ein vielgliedriges Geflecht staatlicher und gesellschaftlicher Leitungs-, Beratungs- und Kontrollinstanzen eingelagert. Sie alle nehmen direkt oder mittelbar Einfluß auf den Lehrer. Wie in Tafel 2 verdeutlicht, ist der Direktor der Adressat für die von außen in die Schule hineinwirkenden Kräfte; dadurch erhält er eine extrem starke Position nach innen. Die Schule ist nicht wie in der Bundesrepublik nach dem Kollegialprinzip, sondern nach dem Prinzip der Direktorialverfassung organisiert. 31 Daraus folgt: Der Direktor leitet die Schule nach dem ,,Prinzip der Einzelleitung,,32 ; der Direktor ist "Dienstvorgesetzter" aller Lehrer und Mitarbeiter seiner Schule und mit weitreichenden Weisungskompetenzen diesen gegenüber ausgestattet 33 ; Lehrer und Lehrerkollektiv (,,Pädagogischer Rat") haben nur Beratungs-, keine Mitbestimmungsfunktion 34 • 6. Honorierung der Lehrertätigkeit Das Arbeitsrechtsverhältnis der DDR-Lehrer ist - anders als in der Bundesrepublik, wo Lehrer zumeist Lebenszeitbeamte sind, - durch einen Arbeitsvertrag begründet. 35 Die wichtigsten Entlohnungs- und Versorgungsmodalitäten sind in einem sogenannten ,,Rahmenkollektivvertrag über die Arbeitsund Lohnbedingungen für die Mitarbeiter in Einrichtungen der Volksbildung und kommunalen Einrichtungen der Berufsbildung" (vom 15.4.1983) geregelt. Der zur Zeit gültige Rahmenkollektivvertrag (RKV)36 baut auf einer früher (1978) getroffenen Vereinbarung gleichen Namens 37 auf und schreibt wichtige Grundsätze fort. Hinsichtlich der Besoldung gilt: 1. Die Zuordnung eines Lehrers (oder Erziehers) zu einer von vier Besoldungsgruppen bemißt sich nach der erworbenen "Qualifikation", d.h. nach Art und Umfang des Ausbildungsabschlusses: Unterstufenlehrer mit abgeschlosse-

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a. a. 0., S. 136. Schulordnung (Anm. 16), § 10,1. a. a. 0., § 13,1. a. a. 0., § 21,1. Arbeitsordnung (Anm. 19), § 6,1. "RKV noch gültig?" In: DLZ 30/89, S. 7. Vgl. "Bildung und Erziehung". Loseblattsammlung. K/VII/I, BI. 1 ff.

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ner Fachschulausbildung sind in Gruppe 3, Diplomlehrer mit abgeschlossener Hochschulausbildung in Gruppe 4 eingestuft. 2. Für die Eingruppierung ist es unerheblich, in welcher Klassenstufe der lehrer unterrichtet. Es zählt allein die Qualiflkation. 38 3. Die Besoldung ist altersabhängig, d.h. sie erhöht sich mit zunehmendem lebensalter, und zwar alle zwei Jahre über insgesamt 12 Steigerungsstufen bis zum Endbetrag in der jeweiligen Gruppe. Insoweit entspricht das Entlohnungssystem dem hergebrachten deutschen Berechtigungswesen und ist mit dem der Bundesrepublik durchaus vergleichbar. Eine Neuerung brachte die "Vereinbarung über die Erhöhung und leistungsorientierte Gestaltung der Gehälter" vom 21. April 1988, indem dem leistungsprinzip in der Entlohnung verstärkt Rechnung getragen werden sollte. Dieser schon seit Jahren bestehende Grundsatz wurde dahingehend präzisiert, daß ,'pädagogen, die sich in der Arbeit durch hervorragende Bildungs- und Erziehungsergebnisse auszeichnen und sich ständig dafür weiterbilden", vorzeitig in den Genuß der üblichen und - "bei weiterhin vorbildlichen Bildungs- und Erzeihungsergebnissen" - sogar in den Genuß zusätzlicher Steigerungsstufen gelangen. Entsprechend soll bei Nichterfüllung der Bildungs- und Erziehungsaufgaben die normale Steigerung ,,zeitweilig versagt" werden. 39 Problematisch ist bei dieser Neuorientierung allerdings die Deftnition und Fixierung der jeweils erbrachten (oder auch verfehlten) leistung. Die Festsetzung der zweijährigen Steigerungsstufen mit ganz bestimmten Steigerungssätzen hat in der Vergangenheit allerdings - aus der Sicht der Pädagogen - nicht nur positive Ergebnisse gezeitigt. Für die Jahre von 1959 bis 1981 hat Dietmar Waterkamp festgestellt, daß "die Einkommen der lehrer langsamer stiegen" als die durchschnittlichen Einkommen in der Volkswirtschaft. 40 Dem ist allerdings hinzuzufligen, daß die lehrer in puncto Altersversorgung besondere Vorzüge genießen. Wegen ihrer Zuordnung zur "Intelligenz" partizipieren sie seit Jahrzehnten an der ,,zusätzlichen Altersversorgung". 41 Die zusätzliche Altersversorgung beträgt 60 Prozent des zuletzt erzielten Bruttoverdienstes, höchstens 800 Mark monatlich. Sie kann zusammen mit der Rente aus der Sozialversicherung das Ruhestandseinkommen bis zur Höhe von 90 Prozent des letzten Nettolohnes anheben. 42 "Rahmenkollektivvertrag". In: DLZ 6/82, S. 11. F. Busse/R. Siebert: Zur leistungsorientierten Entlohnung der Pädagogen. In: DLZ 10/89, S. 11. 40 Waterkamp (Anm. 4), S. 404. 41 a.a. O. 42 "Verordnung über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen - Versorgungsordnung - vom 27. Mai 1976", §§ 3-5. In: Sozialistisches Bildungsrecht (Anm. 16), S. 240 f. ..

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Mit den erwähnten Besoldungs- und Versorgungsregelungen ist die Honorierung der Lehrer jedoch noch nicht vollständig umrissen. Es gibt weitere Regelungen, die, sei es direkt, sei es mittelbar, das Einkommen der Lehrer aufbessern: Am "Tag des Lehrers", am 12. Juni eines jeden Jahres, erhalten alle Lehrer eine fmanzielle Sonderzuwendung. Außerdem werden an diesem Tage verdiente Pädagogen und in der 'Schulverwaltung tätige Funktionäre öffentlich geehrt und ausgezeichnet, wobei diese Auszeichnungen zum Teil mit einem Ehrensold verbunden sind. Außer den für alle Werktätigen bestimmten Orden und Titeln (,,Karl-Marx-Orden", Ehrentitel ,,Held der Arbeit", Orden "Banner der Arbeit" u.a.) gibt es spezielle Auszeichnungen, die den Pädagogen allein vorbehalten sind: Ehrentitel "Verdienter Lehrer des Volkes", ,,Dr.-TheodorNeubauer-Medaille", ,,Pestalozzi-Medaille für treue Dienste". Der erstmals 1949 verliehene Ehrentitel "Verdienter Lehrer des Volkes", mit dem jährlich bis zu 40 Personen ausgezeichnet werden können, hat unter den Auszeichnungen für Pädagogen die höchste Reputation. Der Titel ist mit einer Prämie von 5 000 Mark verbunden. 43 Die "Dr.-Theodor-Neubauer-Medaille" wird in den Stufen Gold, Silber und Bronze sowohl an Einzelpersonen als auch an Pädagogenkollektive in zahlenmäßig detailliert limitierter Menge vergeben. Insgesamt können jährlich 650 Einzelpersonen und 265 Kollektive ausgezeichnet werden. Die Prämien belaufen sich je nach Stufe auf 500, 750 bzw. 1 000 Mark für Einzelpersonen und 2000, 3000 bzw. 4000 Mark für Kollektive. 44 Die ,'pestalozzi-Medaille für treue Dienste" wird für zehn-, zwanzig- oder dreißigjährige Dienstzeit in den Stufen Bronze, Silber, Gold verliehen. 45 Eine besondere Art der Würdigung stellen die Titularbeförderungen dar. 46 Für "ausgezeichnete Ergebnisse bei der Kommunistischen Bildung und Erziehung der Jugend, eine langjährige gute, erfolgreiche politische und fachlichmethodische Arbeit sowie aktive gesellschaftliche Tätigkeit" können die Titel "Oberlehrer", "Studienrat", "Oberstudienrat"47 und bei ,,hohen wissenschaftlichen Leistungen" der Professoren-Titel48 verliehen werden. Mit allen Titeln ist eine monatliche "Beförderungszulage" verbunden: 50 Mark für Oberlehrer, 100 Mark für Studienräte, 150 Mark für Oberstudienräte und 200 Mark für Professoren, was einer Einkommenserhöhung zwischen 5 und 20 Prozent 43 "Ordnung über die Verleihung des Ehrentitels ,Verdienter Lehrer des Volkes' vom 28 . Juni 1978". In: Sozialistisches Bildungsrecht (Anm. 16), S. 236 f. .. "Ordnung über die Verleihung der ,Dr.-Theodor-Neubauer-Medaille' vom 28. Juni 1978". In: Sozialistisches Bildungsrecht (Anm. 16), S. 237-239. 45 "Ordnung über die Verleihung der ,Pestalozzi-Medaille für treue Dienste' vom 28. Juni 1978". In: Sozialistisches Bildungsrecht (Anm. 16), S. 239. 46 "Anordnung über die Verleihung von Titeln an Lehrer - Beförderungsordnung vom 22. April 1986". In: Sozialistisches Bildungsrecht (Anm. 16), S. 234-236. 41 a. a. 0., § 4,1. 48 a. a. 0., § 2,2.

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entspricht. - Es verwundert nach alledem nicht, daß Lehrer der DDR zu ihrem Staat und ihrer Gesellschaft ein durchweg positiveres Verhältnis haben als die Durchschnittsbevölkerung.49 IL Lehrer und Lehrerausbildung in der Bundesrepublik Deutschland·

1. Der Lehrer als Berufsbeamter Der Deutsche Bildungsrat hat in seinem "Strukturplan" (1970), um die Weite und Vielfalt des Lehrer-Berufsfeldes abzustecken, eine Reihe von Tätigkeiten aufgelistet: Lehren, Erziehen, Beurteilen, Innovieren. 50 Dieser Katalog ist noch nicht vollständig. Es kommen weitere Aufgaben hinzu, die gerade für die Statusbestimmung des Lehrers bedeutsam sind: Prüfen, über Versetzungen entscheiden, Disziplin in der Schule halten u.a. All dies sind ,,hoheitsrechtliehe Befugnisse", die nach dem Grundgesetz (Art. 33 Abs. 4 GG) von Berufsbeamten wahrgenommen werden müssen. 51 Demzufolge sind Lehrer ,,in der Regel" Beamte. (In NRW zu 92 Prozent, nur 8 Prozent sind Angestellte 52 ). ,,Als Berufsbeamte stehen Lehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis";53 aus diesem leiten sich die Rechte und Pflichten des Lehrers her. Unter anderm folgt daraus, daß er ,,sich dem Dienstherrn mit seiner ganzen Persönlichkeit zur Verfügung stellt" und dem ganzen Volk, nicht nur einer Interessengruppe, Konfession oder Partei dient. 54 Der Lehrer muß gerecht und unpartelisch sein. Im Dienst soll er Vorbild sein und außerhalb des Dienstes sich ,,seiner besonderen Stellung und Verantwortung bewußt sein". "Der lehrer (darf) durch seinen Lebenswandel die Glaubwürdigkeit als Erzieher nicht aufs Spiel setzen" .55

* Herr Dr. Dieter SchuIz, Bochum, hat mir freundlicherweise das Manuskript seines Artikels "Lehrerbildung und Lehrerschaft in der Bundesrepublik Deutschland" zur Verfügung gestellt. Daflir danke ich ihm auch an dieser Stelle herzlich. 49 Ulrich Schneeberger: Pädagogisches Führungsverhalten und berufsrelevante Einstellungen von Oberstufenlehrern. In: Pädagogik, 32. Jg. (1977), Beiheft 1, S. 26-38, hier: S. 30 f. - Herbert Flach: Zum Entwicklungsstand und zur Vervollkommnung des pädagogischen Könnens der jungen Lehrer. In: Pädagogik, 33. Jg. (1978), Beiheft 3, S. 4-31, hier: S.8. 50 Deutscher Bildungsrat: Strukturplan für das Bildungswesen. Stuttgart 1970, S. 217. 51 Hans Heckel/Hermann Avenarius: Schulrechtskunde. Ein Handbuch flir Praxis, Rechtsprechung und Wissenschaft. Neuwied/Darmstadt, 6. Aufl. 1986, S. 206. 52 Dieter SchuIz: Lehrerbildung und Lehrerschaft in der Bundesrepublik Deutschland. In: Bundesministerium flir innerdeutsche Beziehungen (Hrsg.): Materialien zur Lage der Nation. Vergleich von Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR. Bonn 1990. 53 Heckel/Avenarius (Anm. 51), S. 206. 54 a. a. 0., S. 241. 55 a. a. 0., S. 253 f.



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Da der Lehrer sowohl dem öffentlichen Dienst zugehört als auch dem Schulrecht unterliegt, beides Rechtsgebiete, die in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen, sind Lehrer an öffentlichen Schulen Landesbedienstete, und die Lehrerausbildung fällt unter die Kulturautonomie der Länder. Gleichwohl gibt es länderübergreifende, bundeseinheitliche Regelungen, die sich vor allem auf die beamtenrechtliche Stellung sowie auf die Besoldungs- und Versorgungsordnung beziehen. 56 So sind Lehrer in das bundeseinheitlichehierarchische Schema der Laufbahngruppen entsprechend ihrer jeweiligen Ausbildung eingeordnet. Die Lehrer an Grund-, Haupt- und Sonderschulen zählen zur Laufbahngruppe "gehobener Dienst", Lehrer an Gymnasien und berufsbildenden Schulen zum ,,höheren Dienst". Die Bundesbesoldungsordnung differenziert entlang derselben linie, wobei allerdings als Ausnahme hervorzuheben ist, daß die Realschullehrer nicht wie die übrigen Lehrämter der Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes nach A 12, sondern wie der höhere Dienst nach A 13 besoldet werden. 57 2. Lehrerbildung in der Bundesrepublik Deutschland Die Lehrerbildung, zu der sowohl die Lehrerausbildung als auch die Fortund Weiterbildung zählt, ist in die Kulturhoheit der Länder gegeben. Dementsprechend ist die Lehrerbildung von den langjährig herrschenden politischen Mehrheitsverhältnissen in den einzelnen Bundesländern geprägt. Während in den zur Zeit und ehedem langfristig CDU-!CSU-regierten Ländern (BadenWürttemberg, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz bzw. Saarland und Schleswig-Holstein) die überkommene, an Schulformen ausgerichtete lehrerbildung fortgeftihrt wird, haben die SPD-regierten Länder (Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und z.T. Berlin) die Lehrerbildung auf die am Einheitsschulsystem orientierten Schulstufen umgestellt. Das geschah in der Absicht, in diesen Ländern mit Hilfe der "Stufenlehrer" ein gestuftes Schulsystem, d.h. die Gesamtschule, einzuftihren. Die Lehrerbildung sollte somit eine "Vorlaur'Funktion im Hinblick auf eine Veränderung des gesamten Schulsystems übernehmen. - Diese Vorgehensweise stellt eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Bildungspolitik dar, denn im Normalfall ist es umgekehrt so, daß sich die Lehrerbildung am bestehenden Schulsystem ausrichtet. Unabhängig von der konzeptionellen Gestaltung erfolgt in allen Bundesländern die Lehrerausbildung auf dem Niveau Wissenschaftlicher Hochschulen, zu denen neben den künstlerischen auch die in einigen Ländern noch bestehenden Pädagogischen Hochschulen zählen. Dementsprechend ist die Hochschulreife (Abitur) oder ein Äquivalent (Sonderreifeprüfung, Begabtenprüfung) unverzichtbare Eingangsvoraussetzung für alle Lehramtsstudiengänge. a. a. 0., S. 204 f. Bundesbesoldungsgesetz (Neufassung) vom 21.2.1989. In: Bundesgesetzblatt Teil I, 1989, Nr. 8 vom 28.2.1989, S. 261-323. 56 57

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In den Ländern mit schulformbezogener Ausbildung unterscheidet man folgende Lehrämter:

Lehramt an Grund- und/oder Hauptschulen Realschulen Gymnasien. Die zukünftigen Grund- und/oder Hauptschullehrer studieren an Universitäten oder Gesamthochschulen oder, wie in Baden-Württemberg, RheinIand-Pfalz und Schleswig-Holstein, an Pädagogischen Hochschulen. Das Studium dauert sechs, sieben oder acht Semester. Es urnfaßt neben einem breiten erziehungswissenschaftlichen Studium fachwissenschaftliche Studien in mindestens zwei Fächern. Für angehende Realschullehrer ist das Studium ähnlich wie das der Grundund Hauptschullehrer angelegt, wobei allerdings die fachwissenschaftlichen Studien von Beginn an auf zwei Unterrichtsfächer fixiert sind. Neben diesem grundständigen Studium gibt es in einigen Bundesländern auch noch die Möglichkeit, die Ausbildung zum Realschullehrer auf der Basis einer abgeschlossenen Grund- und Hauptschullehrerausbildung aufzubauen. Der zukünftige Gymnasiallehrer (Studienrat) absolviert ein mindestens achtsemestriges Studium an einer Universität oder Gesamthochschule. Das Studium, das in allen Bundesländern mindestens zwei Semester länger als das der Realschullehrer dauert, erstreckt sich im Normalfall auf zwei zukünftige Unterrichtsfächer. Einige Länder (so z. B. Bayern und Berlin) verlangen dabei "vertiefte" Studien in einem Fach. Der auf die Erziehungswissenschaften entfallende Studienanteil ist zumeist gering, in Baden-Württemberg entfällt er völlig. Stufenbezogene Lehrämter gibt es für die Lehrer der Primarstufe / Grundstufe - Sekundarstufe I (S I) / Mittelstufe - Sekundarstufe 11 (S 11) / Oberstufe. Diese Lehrämter sind entweder auf eine Stufe oder auf eine Kombination zweier Stufen bezogen. In Hamburg gibt es die Verbindung von Grund- und Mittelstufe, in Nordrhein-Westfalen die freiwillige Koppelung der beiden Sekundarstufen. Eine Besonderheit bietet das Land Bremen, das nur ein einziges Lehramt, das "Lehramt an Schulen" vorsieht - allerdings mit Schwerpunktsetzungen, die sich wiederum an den Stufen orientieren. In Berlin sind die Lehrämter ebenfalls am Stufenprinzip ausgerichtet; jedoch läßt das für die Oberstufe vorgesehene Lehramt "Studienrat" in der Bezeichnung wie in der inhaltlichen Gestaltung des Studiums (hoher fachwissenschaftlicher, geringer erziehungswissenschaftlicher Anteil) eine an der herkömmlichen Schulform Gymnasium orientierte Konzeption sichtbar werden. In Hessen kann man nur

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an einer Hochschule (Gesamthochschule Kassel) stufenbezogen studieren; die anderen Hochschulen bieten eine schulfonnbezogene Lehrerbildung an. Die Nomenklatur der Lehrämter und die im wesentlichen unangefochtene SitUation des Gymnasiums lassen in Hessen eine auf halbem Wege stehengebliebene Refonn in Richtung Gesamtschule erkennen. Inhaltlich unterscheidet sich die stufenbezogene Lehrerbildung von der schulfonnbezogenen vor allem durch eine stärkere Professionalisierung und durch eine Annäherung der verschiedenen Lehrämter. Dies konkretisiert sich in einer Ausweitung fachwissenschaftlicher Studienanteile im Studium der Primarstufen- und S I-Lehrer und in einer Vennehrung erziehungswissenschaftlicher und praxisbezogener Anteile im Studium der Lehrer für die Sekundarstufe 11. Beispielsweise sah das Lehrerausbildungsgesetz (LABG) NordrheinWestfalen von 1974 in seiner ersten Fassung eine Verzehnfachung (von vier auf vierzig Semesterwochenstunden) des erziehungswissenschaftlichen Stundenumfangs vor. Unter Einbeziehung aller Fonnen Schulpraktischer Studien macht das erziehungswissenschaftliche Studium in NRW ca. 25 Prozent des gesamten Studienvolumens der S lI-lehrer aus. Während das Studium, der erste Abschnitt bzw. die erste ,,Phase" der lehrerbildung, von Land zu Land zum Teil bedeutende Unterschiede aufweist, ist die zweite ,'phase", der Vorbereitungsdienst bzw. das Referendariat, durch weitgehende übereinstimmung im ganzen Bundesgebiet gekennzeichnet - unabhängig davon, ob es sich um schulfonn- oder schulstufenbezogene lehrerbildung handelt. Allein schon die Tatsache der allenthalben vorfmdbaren ,,lweiphasigkeit", d.h. der Koppelung von Studium und Vorbereitungsdienst, an deren Ende erst die QualifIkation zu einem Lehramt erworben wird, ist ein markantes Merkmal bundesdeutscher Lehrerbildung. Die Dauer der zweiten Phase, die zur Zeit je nach Land und Lehramt zwischen 18 und 24 Monaten schwartkt, wird ab 1990 für das Gymnasium bzw. Sekundarstufe 11 einheitlich 24 Monate umfassen. Auch die organisatorische Gestaltung ist weitgehend einheitlich geregelt: Mit der übernahme in den Vorbereitungsdienst wird der Referendar einem Studienseminar (in Berlin: Schulpraktisches Seminar) zugewiesen. Die dort tätigen Fachleiter, die für diese Aufgaben von einem Teil ihrer Unterrichtsverpflichtungen freigestellt sind, koordinieren, leiten und bewerten die schulpraktische Ausbildung der Referendare im Zusammenwirken mit den Mentoren der Ausbildungsschulen. Im Studienseminar wird zudem in didaktischen und fachmethodischen Veranstaltungen die berufstheoretische Kompetenz der angehenden Lehrer vertieft. Die zweite Phase endet mit der Zweiten Staatsprüfung, die im allgemeinen eine unterrichtsbezogene Hausarbeit, zwei Lehrproben und eine mündliche Prüfung umfaßt. Damit hat der Referendar die QualifIkation "Lehramt für .... " (Schulfonn oder Schulstufe ) erworben und seine im günstigsten Fall (für Grundschul- bzw. Primarstufenlehrer) mindestens ftinfjährige, für Gymnasial- bzw.

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S lI-lehrer eventuell sieben- oder achtjährige Ausbildung abgeschlossen. Seine dienstrechtliche Stellung als Gederzeit kündbarer) "Beamter auf Widerruf" endet hier. Im Normalfall wird er anschließend in das Beamtenverhältnis ,,auf Probe" übernommen. Nach einer mehrjährigen Anwartschaft, deren Dauer u. a. vom Ergebnis der Zweiten Staatsprüfung abhängt, erfolgt die übernahme als "Beamter auf Lebenszeit" . Versucht man ein Fazit der Lehrerbildung während der letzten anderthalb Jahrzehnte zu ziehen, dann sind zwei Aspekte hervorzuheben, die sich in ihren Auswirkungen ergänzt haben: die Hinwendung einiger Bundesländer zur stufenbezogenen Ausbildung und die ,,Professionalisierung" aller Lehramtsstudiengänge. Die Einführung der Stufenlehrämter hat - zumindest in der jungen Lehrergeneration - zum Abbau traditioneller Differenzen zwischen den verschiedenen Lehrämtern beigetragen. Auch die Flexibilität, d. h. Verwendbarkeit der Lehrer in unterschiedlichen Schulformen der Sekundarstufe I ist zweifellos erhöht worden. Hinsichtlich einer Umgestaltung des Schulwesens in Richtung Gesamtschule hat die Stufenlehrerausbildung jedoch offensichtlich nicht den erhofften Impuls ausgelöst. Ohne zusätzliche Maßnahmen wird man die Gesamtschule wohl kaum in größerer Zahl einführen können - wenn man sie denn überhaupt will. Im übrigen bleibt die Stufenlehrerausbildung insgesamt unausgeftillt, solange die alten Schulformen weiter bestehen. In NordrheinWestfalen hat sich dieser Widerspruch noch zusätzlich dadurch verschärft, daß die nachträglich eingeräumte Möglichkeit, die Lehrämter S I und S 11 zu koppeln, de facto zur Wiederbelebung des Gymnasiallehrers geführt hat, den man doch vor allem hatte abschaffen wollen. Die positiven Momente der veränderten Lehrerausbildung liegen denn auch gar nicht im Organisatorischen, sondern in der inhaltlichen Neuorientierung. Das Stufenlehrerprinzip postuliert die absolute Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit aller Lehrämter, und es verweist alle Betroffenen auf ihre zukünftige Tätigkeit als Lehrer. Anders als der Gymnasiallehrer, der fast ausschließlich fachwissenschaftlich ausgebildet wurde (und wird) und sich demzufolge weniger als Lehrer denn als Fachgelehrter verstand, wird der Lehrer flir die Sekundarstufe 11 wie alle übrigen Lehrer konsequent auf seine Aufgabe als Lehrer ausgerichtet, was sich besonders in der quantitativen Ausweitung des erziehungswissenschaftlichen Studienanteils und in der verstärkten Ausprägung schulpraktischer Studien manifestiert. Ausbildungsziel ist nicht mehr der Fachgelehrte, sondern der Fachmann flir Unterricht und Erziehung bzw. der Fachmann mit Vermittlungskompetenz. Die Vorteile dieser durch ,,Pädagogisierung" erzielten ,,Professionalisierung" wurden zeitweilig wegen der katastrophalen Einstellungschancen für Lehrer in Zweifel gezogen. Professionalisierung wurde als Einseitigkeit gedeutet, die einer flexiblen Verwendung auf dem Arbeitsmarkt entgegenstehe; statt dessen sollte

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durch Hereinnahme neuer Studienelemente und zusätzliche Abschlüsse (z. B. ,,Diplom sc. paed." in Schleswig-Holstein) sogenannte ,'polyvalenz" der QualifIkation erzielt und damit ein größeres Berufsfeld erschlossen werden. - Diesen Vorstellungen hängt man heute nicht mehr an. Vielmehr hat gerade die Professionalisierung neue Berufschancen in Wirtschaft und Industrie erschlossen, weil die Vermittlungskompetenzen sehr wohl auch im außerschulischen Bereich genutzt werden können.58 Hinsichtlich der zu Beginn der achtziger Jahre in den meisten Bundesländern vollzogenen Integration der Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten und Gesamthochschulen ist zu konstatieren, daß damit die seit Mitte des 19. Jahrhunderts geforderte ,,Akademisierung" der Ausbildung aller Lehrer verwirklicht worden ist. Sie wurde allerdings durch ,,Philologisierung" der Studiengänge für Grund- und Hauptschullehrer erkauft. Das heißt, die neuerliche Favorisierung der fachwissenschaftlichen Studien (entsprechend der traditionellen Philologenausbildung) erfolgte auf Kosten der erziehungswissenschaftlichen Studienanteile und zu Lasten des zuvor sehr viel stärkeren Praxisbezuges.s9 Diese Entwicklung wird von nicht wenigen bedauert, und es wird die Rückkehr der Grund- und Hauptschullehrerausbildung an eine neu zu belebende selbständige Pädagogische Hochschule erörtert. 60 3. Zum Problem der Lehrerarbeitslosigkeit Eine im Zusammenhang mit der Lehrerbildung besonders aktuelle Frage ist die nach den Einstellungschancen. Waren während der 60er und 70er Jahre noch besondere Aktionen zur Einrichtung eines verkürzten und erleichterten Zugangs zum Lehrerberuf unternommen worden (erinnert sei an ,,Mikätzchen" und "Girgensöhnchen" in NRW), so setzten schon mit Beginn der 70er Jahre die ersten, allerdings noch zögernden Bemühungen zur Bewältigung der Flut nachrückender Lehramtsbewerber ein. Das Kultusministerium von NordrheinWestfalen empfahl schon damals den Interessenten des Lehrerberufs, die Wahl der Studienfächer und des zukünftigen Lehramts auf den prognostizierten Bedarf hin zu orientieren, weil sich schon zu jener Zeit Einstellungsengpässe in bestimmten Schulformen und Fächerkombinationen abzuzeichnen begannen.61 58 Vgl. Rita Süßmuth (Hrsg.): Lehrerbildung und Entprofessionalisierung. Europäische Ansätze zu einem erweiterten Praxisverständnis. Köln/Wien 1984, S. 3. 59 Vgl. Christoph Führ: Schulen und Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland. Köln/Wien 1989 (Studien und Dokumentationen zur deutschen Bildungsgeschichte. Hrsg. von Wolfgang Mitter, Bd. 39), S. 182. 60 D. Neumann/J. Oelkers: Zurück zur alten Lehrerbildung? In: Helmut de Rudder (Hrsg.): Die Lehrerbildung zwischen Pädagogischer Hochschule und Universität. Probleme des Lehrerstudiums. Bad Heilbrunn 1982, S.145-161. - Vgl. auch Führ (Anm. 59), S.182. 61 "Die Entwicklung des Lehrerbedarfs in Nordrhein-Westfalen". Pressekonferenz mit Kultusminister Jürgen Girgensohn am 4.11.1974. In: Informationen des Kultusministeriums NRW, Düsseldorf.

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Die Ministerien der meisten Bundesländer haben jedoch ihre eigene Einstellungspraxis wenig oder gar nicht am spezifischen Bedarf ausgerichtet,62 so daß ab Mitte der 80er Jahre trotz der gewaltigen Zahl von ca. 54 000 (1986) nicht eingestellten Lehramtsbewerbern63 Disproportionen in der Versorgung der Schulen mit Lehrern eintraten. Gegenwärtig ist der Zugang zum Lehrerberuf fast gänzlich versperrt, dennoch zeichnen sich in einigen Schulformen und Fächern erhebliche Defizite ab. Die Zahl der Schü1er an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen der Bundesrepublik Deutschland weist von 1980 bis 1987 einen Rückgang um 21,02 Prozent auf (von 11,75 Mill. auf 9,28 Mill.).64 Die neuesten Zahlen für NRW bestätigen diese Entwicklung: Der Rückgang beträgt 21,59 Prozent (von 3,25 auf2,55 Mill. Schü1er, 1980 gegenüber 1989). Dementsprechend sind auch die Lehrerbedarfszahlen gesunken. Gleichwohl existiert zur Zeit in NRW ein Überhang an beschäftigten Lehrern. gegenüber dem Stellenbedarf von 23,16 Prozent (157790 gegenüber 128115).65 Diese Schere zwischen rückläufigen Schülerzahlen und fortbestehendem Lehrerüberhang könnte sich ftir das gesamte Schulwesen als hilfreich erweisen, wenn sie - wie in der DDR - ftir die Reduktion der Klassengrößen und für eine Arbeitszeitverkürzung der Lehrer genutzt würde. Genau dies hat der nordrhein-westfälische Kultusminister zu Beginn dieses Jahres in Aussicht gestellt, als er die Unterschiede in den Klassengrößen der Unter- und Mittelstufe abzubauen versprach, um "pädagogisch unvertretbar große Klassen und ökonomisch unvertretbar kleine Klassen" zu beseitigen. 66 Da hierbei aber im wesentlichen an Umschichtungen, nicht jedoch an Neueinstellungen gedacht ist, sollten an derartige Maßnahmen keine allzu hohen Erwartungen geknüpft werden. An dem tagtäglich hohen Stundenausfall, den es nach den Zahlen des Ministeriums eigentlich gar nicht geben dürfte, ändert dies nichts. Denn dafür ist nicht ein genereller, sondern ein ganz spezifischer Lehrermangel in bestimmten Fächern und Schulformen ausschlaggebend. Um der bestehenden und sich verschärfenden Fehlentwicklung in der Lehrerversorgung gegenzusteuern, führt das Kultusministerium von Nordrhein-Westfalen jährlich ein "Auswahlverfahren" zwecks Einstellung begrenzter Kontingente unter den Lehramtsbewerbern durch. Teilnehmen können daran Bewerber, die die vom Ministerium festgelegten "einstellungsrelevanten" Fächeroder Fachrichtungskombinationen vertreten. Dazu zählen in den allgemeinbilSchulz (Anm. 52). a. a. O. 64 a. a. O. 65 Kultusministerium NRW: Schuleckdaten 1989/90. Mitgeteilt durch Schreiben vorn 26.9.1989, Az. Z C 3 - 41 - % Nr. 494/89. 66 Kultursministerium NRW: Pressemitteilung vorn 3.2.1989. 62

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denden Schulen durchgängig Evangelische und Katholische Religionslehre, Mathematik, sämtliche naturwissenschaftlichen Fächer, Kunst- und Musikerziehung und die alten Sprachen, vor allem Griechisch. 67 Diese Situation weist Parallelen mit der DDR auf, insofern als auch dort in den Fächern Mathematik, Physik, Musik- und Kunsterziehung Mangel herrscht. (Vgl. Kap. 1.3.) Wie wenig allerdings von derartigen "Einstellungskorridoren" zu halten ist, wird bei Betrachtung der zahlenmäßigen Relationen deutlich: Zum Schuljahr 1989/90 sollten an sämtlichen 7 054 allgemeinbildenden, berufsbildenden und Sonderschulen des landes insgesamt nur 640 neue Lehrer eingestellt werden. Bezogen auf die Gesamtzahl beschäftigter Lehrer ist das weniger als ein halber Prozentpunkt. Erst für die Zeit ab Mitte der 90er Jahre, wenn ein Anstieg der Schülerzahlen und vermehrte Abgänge von Ruheständlern zu erwarten sind, werden bessere Einstellungschancen auf breiter Front in Aussicht gestellt. Sofern die landesregierung NRW an der bisherigen Einstellungspolitik - vornehmlich aus fmanziellen Erwägungen - festhält, bleiben außer den genannten noch weitere Probleme virulent: die zunehmende überalterung und die nicht an die allgemeine Entwicklung angepaßte Arbeitszeit der Lehrer. Wenn nicht noch während der 80er Jahre Einstellungskorridore für jährlich mindestens 2 200 neue Lehrer (für alle Schulformen in NRW) eingerichtet würden, so lautete eine Lehrerbedarfsprognose aus dem Jahre 1986, drohe eine starke überalterung vieler Kollegien, verbunden mit erheblichen Qualitätseinbußen. Außerdem würde die schon jetzt im Vergleich zum Durchschnitt der Beschäftigten übermäßige Arbeitsbelastung der Lehrer noch weiter zunehmen. 68 Da die in der Prognose für notwendig erachteten Einstellungen nicht erfolgt sind, muß man der weiteren Entwicklung mit Skepsis entgegensehen. 4. Arbeitszeit des Lehrers

Ein das Bild des Lehrers in der öffentlichkeit prägendes und oftmals unfreundlich kommentiertes Attribut sind die ,)angen Ferien". Dazu gesellt sich die Vorstellung von dem nur halbtägig arbeitenden Lehrer, der viel zu hoch bezahlt werde. - Derartige Auffassungen kann einiges entgegengehalten werden. Das Pflichtstundendeputat der Lehrer ist nach Schulformen gestaffelt. Grundschullehrer haben in allen Bundesländern 28 (in Bremen 27) Stunden Unterricht pro Woche zu erteilen. Haupt-, Real- und Sonderschullehrer bieten eine oder auch zwei Stunden weniger an. Die Gymnasiallehrer, deren Lehrverpflichtung nach Bekunden des Philologenverbandes seit 149 Jahren unverändert ist,69 unterrichten 23 oder 24 Wochenstunden. 67 "Einstellungen von Lehrerinnen und Lehrern zum Schuljahresbeginn 1989/90. Runderlaß des Kultusministers vom 2.3.1989". In: Gemeinsames Amtsblatt NRW 3/1989. 68 Klaus Klemm: Perspektiven des Lehramtsstudiums. Vortrag im Institut flir Pädagogik der Ruhr-Universität Bochum am 10.12.1986.

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Die Pflichtstunden machen aber nur einen Teil der Lehrerarbeitszeit aus. Ein großer Teil des tatsächlichen Zeitbudgets entflillt auf Unterrichtsvorbereitungen und Korrekturen. Außerdem ist der Lehrer zur Teilnahme an Konferenzen, Arbeitsgemeinschaften und Kontakten mit Eltern und Elternvertretungen u. a. verpflichtet. Die Gesamtbelastung soll der der übrigen Beamten entsprechen. 70 Entlastungen vom jeweiligen Deputat Werden für besondere Funktionen (z. B. Schulleitung, Verwaltung, Stufenkoordination) und bisweilen für fächerspezifische Belastungen (z. B. Oberstufenkorrekturen) gewährt. Außerdem gibt es für die über fünfzig Jahre alten Lehrer Altersabschläge. Grundsätzlich ist der Beamte verpflichtet, seine volle Arbeitszeit dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen. Aus besonderen Gründen kann dieser Grundsatz jedoch eingeschränkt werden, dann nämlich, wenn ein Lehrer/eine Lehrerin wegen Betreuung eines Kindes oder eines pflegebedürftigen Angehörigen eine Arbeitszeitermäßigung (oder Beurlaubung) beantragt. Diese Regelung, von der vor allem Frauen Gebrauch machen, ist allerdings zeitlich befristet.71 Neben diese familienpolitische Regelung ist neuerdings eine ,,arbeitsmarktpolitische Variante" getreten. 72 Um die begrenzte Zahl vorhandener Planstellen lür eine größere Zahl von Bewerbern nutzbar zu machen, können diese auf Antrag in ein befristetes Teilzeitbeschäftigungsverhältnis übernomme werden. Für viele Lehramtsanwärter ist dies die einzige Chance, überhaupt eine Beschäftigung als Lehrer zu fmden. Die vielzitierten langen Ferien gibt es für viele Lehrer nicht und darf es eigentlich für keinen Lehrer geben. Die Schulferien sind Ferien der Schüler, nicht. der Lehrer. Diese haben keinen höheren Urlaubsanspruch als andere Beamte. 73 Die Ferienzeit soll vielmehr auch für die Fortbildung und für Unterrichtsvorbereitungen genutzt werden. Allerdings scheint diese Bestimmung von etlichen Lehrern sehr großzügig ausgelegt zu werden. Dennoch lassen die vorliegenden Untersuchungen zur Arbeitszeit der Lehrer in der Bundesrepublik den Schluß zu, daß die Lehrer während der Schulmonate und wahrscheinlich sogar bezogen auf das ganze Jahr länger arbeiten als der Durchschnitt der übrigen Beschäftigten. 74 5. Die Stellung des Lehrers in der Schule Schulen unterliegen der "Schulaufsicht" des Staates. ,,In erster linie" ist darunter die "Fachaufsicht" zu verstehen, die sich in der "pädagogischen Be•• "Bundesweit nur 1 214 Lehrer an den Gymnasien eingestellt". In: Die Höhere Schule 11/1988, S. 287. •• Heckel/Avenarius (Anm. 51), S. 260 . •1 a. a. 0., S. 206 f. 72 a. a. 0., S. 207. '73 a. a. 0., S. 224. •• Schönwälder (Anm. 25), S. 201.

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treuung und Förderung der Schularbeit" äUßert. 75 Ferner übt der Staat die "Dienstaufsicht" über die Lehrer aus, die im wesentlichen auf die Pflichterfüllung des Lehrers gerichtet ist. 76 Die staatliche Fachaufsicht ist jedoch nicht unbeschränkt, sie fIndet vielmehr eine Begrenzung durch die "pädagogische Eigenverantwortung der Schule" und durch die "pädagogische Freiheit des Lehrers".77 Die pädagogische Freiheit sichert dem Lehrer einen "Gestaltungsraum eigenverantwortlicher Unterrichtung und Erziehung".78 Sie ist nicht so weit ge faßt wie die akademische Lehrfreiheit; der Lehrer ist zum Beispiel gehalten, staatliche Richtlinien, Lehrpläne und andere curriculare Anordnungen der Behörde zu beachten. Gleichwohl hat er in inhaltlicher und methodischer Hinsicht weitreichende Möglichkeiten eigener Unterrichtsgestaltung. Beispielsweise haben Lehrer unter den zugelassenen Lehrbüchern Auswahlfreiheit; ferner steht ihnen weitgehend die Bestimmung des Lektüre planes frei. Darüber hinaus, unabhängig von der pädagogischen Freiheit, genießt der Lehrer einen großen Freiraum in der Zensurengebung. Er ist nicht verpflichtet, Zeugnisnoten oder Versetzungsentscheide auf Anordnung der vorgesetzten Behörde zu ändern. 79 Aufgrund dieser Gegebenheiten erscheint es allemal angezeigt, daß sich Vertreter der Aufsichtsbehörde (z. B. der Schulrat) um eine vorwiegend auf Empfehlungen und Ratschläge beschränkte Einflußnahme bemühen und auf Anordnungen gegenüber den Lehrern verzichten.so In allen Bundesländern besteht offensichtlich Konsens darüber, daß die Fachaufsicht der Behörde nur im Fall rechtlicher oder sachlicher Bedenken die pädagogische Freiheit des Lehrers bzw. die pädagogische Eigenverantwortung der Schule einschränken sollte. 81 Auch innerhalb der Schule, sowohl gegenüber dem Schulleiter als auch gegenüber dem Kollegium genießt der Lehrer einen relativ großen, allerdings im Detail schwer defmierbaren Gestaltungsfreiraum. Da die Schulen nicht mehr nach dem Direktorialprinzip verfaßt sind, besitzt die Gesamtkonferenz der lehrer, die ja an der pädagogischen Freiheit teilhat, erhebliches Gewicht. ,,In allen Bundesländern gilt der Grundsatz, daß .... das gesamte Kollegium die Verantwortung fUr die Unterrichts- und Erziehungsarbeit in der Schule zumindest mitträgt."82 Der Schulleiter vertritt zwar die Schule nach außen, und er ist Vorsitzender der Gesamtkonferenz; aber sein Handlungsspielraum ist durch deren Votum eingeschränkt. Der Schulleiter ist Vorgesetzter der Lehrer und als sol75 76

77 78

79

80 81 82

Heckel/Avenarius (Anm. 51), S. 177 - im Original gesperrt gedruckt. a. a. 0., S. 179. a. a. 0., S. 178. a. a. 0., S. 234 - im Original gesperrt gedruckt. a. a. 0., S. 237. a. a. 0., S. 236 f. a. a, 0., S. 178. a. a. 0., S. 75.

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cher mit Weisungskompetenz ausgestattet, die es ihm erlaubt, z. B. kurzfristige Vertretungen anzuordnen oder Urlaub zu gewähren. Auch hat er die Befugnis, den noch nicht voll ausgebildeten Lehrern Anweisungen zu erteilen; aber er ist nicht berechtigt, in den Unterricht der voll ausgebildeten Lehrer einzugreifen.83 Im Sinne eines gedeihlichen Schullebens ist es daher geboten, daß sich alle Seiten einer "verständnisvollen, kompromißbereiten Haltung" befleißigen.84 6. Besoldung der Lehrer· Lehrer sind im allgemeinen Berufsbeamte (vgl. Kap. 11.1.); als solche haben sie Anspruch auf Besoldung und (Alters-)Versorgung und zusätzliche Bezüge im Falle besonderer Belastung (z.B. Beihilfe im Krankheitsfalle). Besoldung und Versorgung des Beamten gelten ,,nicht als Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste, sondern als Ausgleichsentschädigung dafür, daß er sich dem Dienstherrn mit seiner ganzen Persönlichkeit zur Verfügung stellt".85 Die Besoldung der Beamten ist bundeseinheitlich durch das Bundesbesoldungsgesetz geregelt. Dieses weist verschiedene Besoldungsordnungen (A, B, e, R) aus, die ihrerseits in Besoldungsgruppen (z.B. AI bis A 16) gegliedert sind. Die Gruppen sind wiederum in altersabhängige zweijährige Steigerungsstufen (,,Dienstaltersstufen") gestaffelt (Ausnahme: Besoldunsordnung B). Die Höhe der Bezüge eines Beamten bemißt sich somit nach der Dienstaltersstufe innerhalb seiner Besoldungsgruppe. Lehrer gehören zur Besoldungsordnung A, und zwar von A 12 bis A 16. Die Eingangsämter der Grund- und Hauptschullehrer sind in A 12, die aller übrigen Lehrer in A 13 eingestuft. Lehrer an Gymnasien und berufsbildenden Schulen erhalten anfänglich Bezüge nach A 13 plus Zulage. Durch Beförderung (s. Tafel 3) werden höhere Gruppierungen erreicht. Für die in einigen Bundesländern eingeführten Stufen-Lehrämter (vgl. Kap. 112.) enthält das Besoldungsgesetz länderspezifische (ursprünglich befristete, aber weiterhin gültige) Sonderbestimmungen, die die Besoldung der Stufenlehrer an die der entsprechenden Lehrer nach Schulformen anpassen.86 Anders als in der DDR, die für ihre Lehrer eine ganze Palette von materiellen und ideellen Auszeichnungen und Würdigungen bereithält (vgl. Kap. 1.6.), gibt es in der Bundesrepublik nur eine Möglichkeit, besondere Leistungen zu honorieren, die Beförderung. Die Möglichkeiten befördert zu werden sind be-

* Herrn RegAmtsrat Alfred Möller vom Kultusministerium NRW danke ich auch an dieser Stelle für wichtige Informationen zu diesem Abschnitt. 83 84 85

86

a. a. 0., S. 75 und 237. a. 0., S. 236. 3. a. 0., S. 241. Bundesbesoldungsgesetz (Anm. 57), § 77. 3.

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grenzt, und sie differieren nach Lehrämtern. Die größten Chancen, in ein anderes Amt mit einem höheren Endgrundgehalt (d.i. im wesentlichen "Beförderung") eingewiesen zu werden, bietet sich den Lehrern an Gymnasien und berufsbildenden Schulen (s. Tafel 3). Der Grund dafür ist in der Tatsache zu suchen, daß die dem ,,höheren Dienst" zugeordneten Gymnasiallehrer sich jahrzehntelang um Aufstiegschancen bemüht haben, wie sie für Beamte im höheren Verwaltungsdienst, an denen sich die Studienräte stets orientierten, traditionell gegeben waren. Tafel 3 informiert über die Beförderungsmöglichkeiten, die sich den verschiedenen Lehrämtern bieten. Tafel 3: Möslichkeiten der Beförderung von Lehrern

Grund- und Hauptschulen

Realschulen

Gymnasien und berufsbildende Schulen

Lehrer

Realschullehrer

Studienrat

Hauptlehrerl Konrektor

Realschulkonrektor

Oberstudienra t

Rektor

Realschulrektor

Studiendirektor Oberstudiendirektor

Quelle: Heckel!Avenarius: Schulrechtskunde. Ein Handbuch für Praxis, Rechtsprechung und Wissenschaft. Neuwied!Darmstadt, 6. Auf}. 1986, S. 213.

Beförderungen sind nicht zuletzt deswegen sehr begehrt, weil sie mit beträchtlichen Besoldungssteigerungen verbunden sind. Bei der Beförderung des Oberstudienrats zum Studiendirektor macht der Mehrbetrag ca. 15 Prozent des Grundgehalts aus. Die früher mögliche Regelbeförderung, die wie der Bewährungsaufstieg der Angestellten eine Höherstufung ohne Versetzung in ein anderes Amt bedeutete, ist inzwischen wie für alle übrigen Beamten so auch für die Lehrer abgeschafft worden. Angesichts des hohen überangebots an Lehrern bedarf es heute wieder besonderer Leistungen und zusätzlicher Begutachtungen, um befördert zu werden.

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Lehrer und Lehrerbildung in der BRD und in der DDR

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Dieter Schulz LEHRERFORTBILDUNG IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND L Zielsetzungen und Funktionen der Lehrer[ortbildung Die Lehrerbildung, die sowohl die Lehrerausbildung als auch die Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung urnfaßt, ist entsprechend der föderativen Struktur der Bundesrepublik Deutschland in Gesetzen und Verordnungen der elf Länder - wenn auch bei weitestgehend gleichen allgemeinen Zielsetzungen durchaus differenziert geregelt. Dieses trifft auch auf die Verpflichtung der Lehrer zu, an Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen teilzunehmen. Für den Fortgang der Darlegungen und für ein näherungsweise konturiertes Verständnis sind die Begriffe "Lehrerfortbildung" und "Lehrerweiterbildung" zu trennen, da sie auch in den Gesetzestexten der Länder nicht immer deutlich unterschieden werden: Unter Lehrerfortbildung werden alle die Maßnahmen verstanden, die jedem Lehrer den Anschluß an die wissenschaftliche Entwicklung in den von ihm studierten und unterrichteten Fächern ermöglichen, unter Einbeziehung gesellschaftlicher wie bildWlgspolitischer Veränderungen. Dabei gilt es vorrangig, ihn mit neuen pädagogischen, didaktischen und methodischen Erkenntnissen vertraut zu machen, oder kurz charakterisiert: Lehrerfortbildung dient der Qualiftkationserhaltung. Demgegenüber zielt die Lehrerweiterbildung auf die Vermittlung neuer bzw. zusätzlicher Qualifikationen entweder im Hinblick auf den Erwerb einer weiteren Lehrbefähigung oder auf den Aufstieg in ein höher dotiertes Lehramt. M.a.W.: Lehrerweiterbildung bedeutet Qualiftkationserweiterung. Daraus ergibt sich auch, daß Lehrerfortbildung tendenziell weniger straff organisiert oder auf einen prüfungsrelevanten Abschluß gerichtet ist als die Weiterbildung, die oft auf streng aufeinander bezogenen Kursen mit abschließender Prüfung aufgebaut ist. So kann man unter "Fortbildung" prinzipiell auch solche Aktivitäten verstehen, in denen sich Lehrer im Selbststudium oder mit Hilfe geeigneter Rundfunk- und Fernsehsendungen bilden. In der Regel wird die Lehrerfortbildung in besonders dafür eingerichteten Instituten durchgeflihrt, welche Programme aufstellen, aus denen die Lehrer individuell auswählen. Der Begriff "Weiterbildung" wird u. a. im Bereich der Universitäten und Hochschulen verwendet, wo er sich fast ausschließlich auf das "weiterbildende Stu4 Baske

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dium" richtet, mit Hilfe dessen Lehrer ein weiteres Fach studieren und damit eine weitere Lehrbefahigung erwerben können. Zur Zeit ist gerade diese Form der Weiterbildung in der Diskussion: angesichts begrenzter Mittel für die Neueinstellung von Lehrern versucht z. B. das Land Nordrhein-Westfalen, den fachbezogenen Lehrermangel in den Schulen dadurch zu verringern, daß praktizierenden Lehrern die Möglichkeit geboten wird, in stark verkürzten Ausbildungszeiten die volle Lehrbefahigung für ein drittes Fach zu erwerben (ca. 23 000 von 154000 Lehrern sind hiervon angesprochen; Stand: Oktober 1989) Auch wenn es im folgenden noch darzustellen sein wird, kann als länderübergreifender Konsens festgehalten werden, daß die Maßnahmen der Lehrerfort- und der Lehrerweiterbildung durchweg auf die Steigerung der Leistungsfahigkeit der Schulen abzielen.

IL Rechtliche Grundlagen

In allen Bundesländern ist für Lehrer eine Fortbildungspflicht durch Gesetz bzw. Rechtsverordnungen formuliert. Darin wird neben einer Grobzielangabe zur Lehrerfortbildung u. a. ausdrücklich die Verpflichtung zur Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen deftniert. So heißt es z.B. in Bayerns ,,lehrerbildungsgesetz" vom 29.9.1979, Art. 20, Abs. 2: "Die Lehrer sind verpflichtet, sich fortzubilden und an dienstlichen Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen". Das Land Nordrhein-Westfalen bestimmt und reklamiert detailliert Lehrerfortbildung im "Gesetz über die Ausbildung für Lehrämter an öffentlichen Schulen". Darin heißt es: "Die Verpflichtung des Lehrers zur Fortbildung umfaßt auch die Teilnahme an Veranstaltungen innerhalb unterrichtsfreier Zeiten". (LABG NW, § 21,2). (vgl. im Anhang: "Synopse der Rechtsgrundlagen zur Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland"). Der aufgezeigten Fortbildungsp/licht der Lehrer steht eine Fiirsorgep/licht des jeweiligen Dienstherm, d.h. des Kultusministers, gegenüber, kontinuierlich Fortbildungsveranstaltungen anzubieten. Infolgedessen gibt es in allen Ländern staatliche Akademien oder Institute der Lehrerfortbildung, die Seminare, Arbeitsgemeinschaften und Tagungen in unterschiedlichem zeitlichen Umfang anbieten. (vgl. im Anhang: "Verzeichnis der staatlichen Akademien und Institute der Lehrerfortbildung in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland")

IIL Fortbildungseinrichtungen, Programmviel[alt, Themenschwerpunkte

Neben den zentralen, regionalen und lokalen Einrichtungen der Länder, die den überwiegenden Teil der Fortbildungsmaßnahrnen bestreiten, gibt es auf

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regionaler und lokaler Ebene ein facettenreiches Angebot unterschiedlicher Träger: u. a. Kirchen, Lehrerverbände, Institute zur politischen Bildung, das Deutsche Institut für Fernstudien, Regionale Pädagogische Zentren, die Fernuniversität Hagen, das "British Council", "Arnerikahäuser", Wirtschaftsverbände, Sparkassen, Banken, Verlage, Hochschulen und Universitäten. Insgesamt unterbreiten in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland ca. 450 verschiedene Institutionen und Einrichtungen Fortbildunsgsangebote für Lehrer. (Kröll 1980, S. 227 f.) Die Programme der staatlichen Lehrerfortbildung in den Bundesländern weisen eine große Anzahl von Veranstaltungen aus, die es jedem Lehrer ermöglichen, sich in angemessenen Zeiträumen in seinen Fächern und facherübergreifend fortzubilden oder auch seine Qualifikationen zu erweitern. Im Vergleich zu der Fortbildungsarbeit der zurückliegenden Jahre fällt auf, wie stark die Kultusminister der Länder bemüht sind, über das Instrument Fortbildung die neueren Entwicklungen im Bereich Datenverarbeitung, Informatik, Computertechnik in die Schulen zu bringen. Besonders Baden-Württemberg und Bayern; aber auch Nordrhein-Westfalen und Hamburg haben diesen Bereich intensiv ausgebaut. Perspektivaussagen und bildungsprogrammatische Erklärungen deuten an, daß die Länder in diesem Bereich noch intensiver tätig werden, zumal auch im Vergleich zum westlichen Ausland, etwa Großbritannien und den USA, in den Schulen ein noch erheblicher Nachholbedarf besteht. Mittelbar werden diese Bestrebungen von der Industrie maßgeblich beeinflußt. Als weiterer, zunehmend akzentuierter Fortbildungsbereich zeichnet sich die Umwelterziehung ab. Besonders in den Fächern Biologie, Chemie, Geographie und Sachunterricht werden in allen Bundesländern vermehrt Veranstaltungen angeboten, seltener dagegen in den geisteswissenschaftlichen Fächern. Auch hier ist zu erwarten, daß dieser Fortbildungssektor in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden wird, insbesondere deswegen, weil die Umweltprobleme beständig zunehmen und eine weitere Sensibilisierung der Bevölkerung und der zukünftigen Generationen als unverzichtbar anzusehen ist. Neben den skizzierten Inhaltsbereichen Informatik und ökologie bemüht sich staatlich geleitete Lehrerfortbildung auch, aktuellen Anforderungen auf anderen Gebieten gerecht zu werden. So hat z. B. das Land Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren einen Schwerpunkt in der Fortbildung der Lehrer gesehen, die in Klassen mit einem großen Anteil an Kindern ausländischer Arbeitnehmer unterrichten. Bundesländer mit hohen Quoten an Deutschen, die aus osteuropäischen Staaten kommen (Aussiedler), wie z. B. in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen der Fall, haben begonnen, auch hierfür besondere Fortbildungsrnaßnahmen einzuleiten. Entsprechend erforderliche überlegungen und Fortbildungsveranstaltungen für die schulische Integration der zahlreichen Kinder übergesiedelter DDR-Bewohner sind anläßlich der ,,245. Plenarsitzung der Ständigen Konferenz der Kultusminister und -senatoren der Länder in der

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Bundesrepublik Deutschland" (5./6. Oktober 1989, Kiel) vorgeschlagen und erörtert worden. Aus den skizzierten Maßnahmen wird deutlich: "Lehrerfortbildung hat derzeit Konjunktur". (Edelhoff 1988, S. 9) Von ihr erwarten sich Politik, Bildungsverwaltung und Schuladrninistration eine möglichst rasche Anpassung des Systems an die neuen Anforderungen sowie an die jeweiligen allgemein- und arbeitsmarktpolitischen Absichten und Veränderungen; die öffentlichkeit und Abnehmer verlangen Modernität und ihre je spezielle Bedarfsdeckung, die Wissenschaft (die es in diesem abstrakten Singular nur in der kaum überschaubaren Heterogenität ihrer Vertreter gibt) erwartet Umsetzung und Wissenstransfer sowie Betätigungsfelder für wie auch immer motivierte Forschung. Kurzum: für alle Nöte, Probleme und Innovationen der Schule wird Lehrerfortbildung als (Heil-)Mittel oder "Transmissionsriemen" für neue Ideen und Erkenntnisse genannt: u.a. in Bezug auf neueTechnologien, informations- und kommunikationstechnische Grundbildung, Neuordnung der Berufsbilder, Aids, Drogen- und Jugendprobleme, neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Wissenstransfer , innere Schulreform und alternde Lehrerschaft. Und wenn Kultusadministrationen etwas "durchsetzen" wollen, gehen sie auf den Lehrer zu und denken über obligatorische Fortbildung nach. In der Tat erwarten auch Lehrer zunehmend Hilfestellung bei der Bewältigung täglicher Probleme (die steigende Frequentierung von Fortbildungsveranstaltungen darf hierfür als ein wichtiger Indikator verstanden werden) - nur die Schüler werden nicht gefragt. K. Nevermann (der bisherige Leiter des Landesinstituts für Schule und Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen) faßt die facettenreiche Anspruchserwartung ein wenig zynisch zusammen, indem er feststellt: ,,Die Lehrerfortbildung wird's schon richten"; er spricht in diesem Zusammenhang auch von der "Ornnipotenzerwartung an Lehrerfortbildung" bzw. von der Rolle des "Gesamtliberos" und des ,,Mädchens für alles". (Nevermann 1988, S. 31 ff.) Eine Polemisierung bezüglich der Anspruchserwartung löst aber nicht die aktuellen Fragen. Lehrerfortbildung ist in der Tat zum zentralen Medium Oder Problemlösung und Innovation im Schulwesen der Länder der Bundesrepublik Deutschland geworden. Die berechtigte Frage des "warum" beantwortet sich aus verschiedenen Positionen. So hat sie u. a. deshalb einen so hohen Stellenwert erhalten, weil der direkte Transfer von der Wissenschaft zur Schule, bedingt durch den Einstellungsstop, gestört bzwo unterbrochen ist (dieses gilt auch für die Verbindung zu den Einrichtungen der zweiten Ausbildungsphase!) weil neue Lehrpläne und Richtlinein ohne gezielte Vorbereitung der Lehrer nur wenig bewirken weil die Kollegien kollektiv älter werden, was nicht gerade die Mobilität und Innovationsbereitschaft fördert

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weil der fachspezifische Lehrermangel (begründet in opportunistischen allgemein-politischen und bildungspolitischen Entscheidungen) noch immer einen hohen Unterrichtsausfall verursacht weil es nicht gelungen ist, ein Beratungs- und Servicesystem neben der Schulaufsicht aufzubauen, das die mitunter hinderliche Kopplung zwischen Aufsicht und Beratung aufgegeben hätte.

Die Argumente, die die Notwendigkeit eines hochdifferenzierten Angebotes der Lehrerfortbildung begründen, ließen sich fast beliebig erweitern. Die Frage ist auch nicht, was alles angeboten werden sollte, sondern welche Prioritäten nach welchen Kriterien gesetzt werden sollten. Bei der bereits genannten großen Zahl der beteiligten Institutionen ist es besonders wichtig, auf die komplexen Dimensionen der erforderlichen Professionalität von Programmen, Methoden (inkl. Materialien) und Fortbildnern sowie deren Qualiftkationsproftl hinzuweisen. Bezüglich der abverlangten Effizienz für alle Maßnahmen der Lehrerfortbildung handelt es sich hier um einen besonders substantiellen Punkt.

IV, Ebenen der Lehrerfortbildung

In den meisten Ländern der Bundesrepublik Deutschland hat sich strukturell eine Kompromißlösung zwischen Zentralisierung und Regionalisierung ergeben, wobei die Unterschiede aufgrund der verschiedenen Größen der Länder beträchtlich sind. Der besonders vom Deutschen Bildungsrat geforderten Lokalisierung der Lehrerfortbildung in mehr oder minder autonomen Bildungseinrichtungen (= Regionale Pädagogische Zentren) scheint eine endgültige Absage erteilt worden zu sein. Eher ist zu erwarten, daß die Zentralisierung innerhalb eines Bundeslandes insbesondere durch Vorgabe und Konkretisierung von Richtlinien und Inhalten stärker durchgesetzt wird und Anregungen von einzelnen Lehrern oder Kollegien nur dann realisiert werden, wenn sie sich darin einfügen. In den Bundesländern lassen sich gegenwärtig fast durchgehend drei Ebenen der Lehrerfortbildung erkennen: zentrale Lehrerfortbildung, regionale Lehrerfortbildung und lokale Lehrerfortbildung. Wenn auch facettenreiche Nuancierungen in den einzelnen Bundesländern existieren, soll für die Grundstruktur und die jeweilige Zielsetzung exemplarisch auf den aktuellen Stand in Nordrhein-Westfalen verwiesen werden. (Unter dem Gesichtspunkt der Frage der Effizienz von Maßnahmen der Lehrerfortbildung wäre es zweifellos besonders interessant, auch auf die organisatorischen und inhaltlichen Darstellungsformen in anderen Ländern einzugehen. Das müßte in der Tat einmal in einer detaillierten Studie geleistet werden!)

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In Nordrhein-Westfalen wurde seit 1980 ein auf die Bedürfnisse eines großen Flächenstaates (ca. 154000 Lehrer) abgestimmtes kooperatives System der Lehrerfortbildung entwickelt, das auf das Lehrerausbildungsgesetz von 1974/ 1979 zurückgeht. Die Fortbildungsveranstaltungen werden in der Regel regional durch die fünf Regierungspräsidenten bzw. lokal durch die Schulämter durchgeführt. Dieses prinzipiell dezentrale System ist fortbildungsdidaktisch begründet und scheint ökonomisch vernünftig zu sein. (Zeit- und Kostenfaktor für die Teilnehmer) Das "Landesinstitut für Schule und Weiterbildung" in Soest gestaltet in diesem kooperativen System zentrale Fortbildungsmaßnahmen: Für landesweite Schwerpunktmaßnahmen entwickelt es Fortbildungskonzepte und Fortbildungsmaterialien mit Hilfe von Arbeitsgruppen aus Fachlehrern der Schulpraxis, die durch Mitarbeiter der Schulaufsicht und der Hochschulen unterstützt werden. (Gegenwärtig werden 32 Lehrerfortbildungsprojekte gestaltet, die in mehr als 90 Arbeitsgruppen unterschiedliche Dimensionen und Themen erarbeiten). Es qualifiziert Moderatoren für die Aufgabe, die entwickelten Konzepte in regionalen Arbeitsgruppen (also auf der Ebene der Regierungsbezirke) umzusetzen. Es begleitet die landesweiten Maßnahmen durch Veranstaltungen, die der praxisbegleitenden Fortbildung der Moderatoren und der Weiterentwicklung der Maßnahmen dienen. Es berät und wirkt auf Anforderungen mit bei der Gestaltung regionaler und lokaler Fortbildungsmaßnahmen. Es führt grundlegende Entwicklungsarbeiten zur Lehrerfortbildung durch. Es führt Fernstudienkurse durch. Diese dienen der Erweiterung der beruflichen Kompetenz von Lehrern oder vermitteln neue Fachqualifikationen. Einige Kurse bereiten auf eine Erweiterungsprüfung im erworbenen Lehramt an einem Staatlichen Prüfungsamt vor. Bei der Konzeptentwicklung und vor allem bei der Ausbildung und Betreuung der Moderatoren als Lehrerfortbildner orientiert sich das Landesinstitut an vier ,,fortbildungsdidaktischen Kriterien", die hier nur begrifflich genannt werden sollen: Problemorientierung, Praxisorientierung, Teilnehmerorientierung und Wissenschaftsorientierung. Es versteht sich als eine Einrichtung, in der ausschließlich benannte Multiplikatoren und Moderatoren geschult werden, daneben aber auch Schulleiter und Funktionsträger . Die Moderatoren werden vor allem in der regionalen lehrerfortbildung (dem sogenannten "Herzstück") als Leiter von Projekten eingesetzt, die über längere Zeit (1/2 bis 2 1/2 Jahre) durchgeführt werden (z. B. ,,Projektorientierter Unterricht", ,,neue Technologien" , "Fortbildung für Lehrer ausländischer Schüler").

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Neben diesen und anderen Projekten werden in der regionalen Lehrerfortbildung eine Fülle weiterer Fortbildungsveranstaltungen für die einzelnen Fächer und Fachbereiche angeboten, auch im Zusammenhang mit anderen Trägem. Dem Prinzip der Regionalität entsprechend, wird die Mehrzahl der Veranstaltungen an mehreren Standorten durchgeführt. Ergänzend zur zentralen und regionalen Lehrerfortbildung werden von Schulämtern weitere detaillierte Veranstaltungsangebote schulformgebunden und schulformübergreifend ausgewiesen, bei denen sich u. a. auch ortsansässige Hochschulen und Universitäten beteiligen.

V. Entwicklungstendenzen In jüngster Zeit zeichnet sich in den Schulen eine neue Form der Lehrerfortbildung ab, die ,,schulinterne Lehrerfortbildung". Lehrer aller Schulformen warten nicht mehr auf das (oft zufällig) passende Angebot staatlicher oder sonstiger Institute. Sie sind bemüht - besonders bei Erziehungsproblemen - in pädagogischen Gesamtkonferenzen, Klausurtagungen und Arbeitsgruppen konkret schulbezogene und schulinterne Fortbildung (mitunter in Eigenregie) zu gestalten. Hierzu werden auch Fachleute aus Hochschulen und Universitäten eingeladen, um pädagogische Theorien und Praxis handlungsbezogen zu durchdenken. Exemplarisch sei auf das Land Niedersachsen verwiesen, wo sich diese Fortbildungsform bereits in erstaunlichem Umfang etabliert hat (vgl. im Anhang die übersicht über die "Quantitative Entwicklung von Veranstaltungen der Lehrerfortbildung im Land Niedersachsen"). Jahr

Zahl der Schulen, die Tagungen durchgeführt haben

Zahl der Teilnehmer*

1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988

30 90 253 399 430 475 566 601

950 2000 6325 9975 10750 11 400 13 018 14424

* Die Teilnehmerzahl ist hochgerechnet: durchschnittliche Teilnehmerzahl mal Zahl der Veranstaltungen vor 1985: Teiinehmer{Veranstaltung; 1986: 24 Teiinehmer{Veranstaltung; 1987: 23 Teiinehmer{Veranstaltung; 1988: 24 Teiinehmer{Veranstaltung. Quelle: Niedersächsisches Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung. NU-Statistik 1988.

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Während das Angebot und die Teilnehmerzahlen zu Maßnahmen der ,,zentralen" und der ,,regionalen Lehrerfortbildung" stark rückläufig sind, zeigt sich im Bereich der ,,schulinternen Lehrerfortbildung" eine kontinuierlich wachsende Nachfrage. Im Detail wird dieses aus den absoluten Zahlen der Tabelle auf S. 55 besonders ersichtlich. Die Hinwendung zu Formen der ,,schulinternen Lehrerfortbildung" ist ein Trend, der sich in ähnlich signifikanter Weise in allen Bundesländern nachweisen läßt. So begrüßenswert es ist, daß damit dem Prinzip "Teilnehmerorientierung" besonders entsprochen werden kann, so bedürfen differenzierte inhaltliche Fragestellungen dieser Fortbildungsform noch bezüglich der erforderlichen "Theoriebildung" und der kritischen Beobachtung des möglichen "Selbstbefruchtungs-Effekts" ihrer Klärung.

" ... Die Lehrerfortbildung kann zum eigentlichen Motor der inneren Schulreform werden, wenn es ihr gelingt, die Teilnehmer einerseits so für die Leitidee der Reform zu gewinnen, daß sie in ihren jeweiligen Aufgabenbereichen als dynamische Vertreter der Reformziele wirken können, und wenn sie andererseits als Institution erscheint, die den Lehrern Rückhalt und Hilfe bei den Problemen der täglichen Arbeit bietet."

"Konzeption der Staatlichen Lehrerfortbildung in Baden-Württemberg" Bekanntmachung vom 26. März 1980 (ABI. S. 667)

BadenWürttemberg

Verbindlich vorgegebene Themenbereiche der Lehrerfortbildung sind: 1. Allgemeinpädagogik und schulpädagogische Fragestellungen 2. Fachdidaktische und fachmethodische Fragestellungen 3. Fachwissenschaftliche Fortbildung 4. Fortbildung auf dem Gebiete der Schulleitung und Schulverwaltung

Es wird hier auch unter Berufung auf § 59 Landeslaufbahnordnung darauf verwiesen, daß sich jeder Lehrer von sich aus ("auch selbständig"!) aufgrund seiner wissenschaftlichen Ausbildung fortbilden muß, damit er den steigenden Anforderungen des Amtes gewachsen ist.

Einzela ussagen

Rechtsgrundlagen

Land

1. Synopse der Rechtsgrundlagen zur l.ehrerfort- und l.ehrerweiterbildung in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland

Anhang

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Bayern

"Verordnung über die Laufbahnen der bayerischen Beamten (Laufbahnverordnung - LbV)" - Bek. v. 17. Juli 1980, geändert vom ... und vom 13. Dezember 1988 (GVBI. S. 456; ber. GVBI. 1989, s. 15)

"Bayerisches Lehrerbildungsgesetz (BayLBG") Ld.F.d.Bek. vom 29. Sept. 1977, geändert durch Gesetz vom 10. Aug. 1979 und durch Gesetz vom 24. Mai 1985 (GVBI. 1985, s. 120)

§ 55 hier vor allem Abs. 2: "Die Beamten sind verpflichtet, an Maßnahmen der Einführungs-, Anpassungs- und Förderungsfortbildung teilzunehmen. Sie sind außerdem verpflichtet, sich selbst fortzubilden, damit sie den Änderungen der Aufgaben und der Anforderungen gewachsen sind (An passungsfortbildung)" .

(3) Umfang und Inhalt regelt das Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Über den Umfang ist das Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen herbeizuführen.

(2) Die Lehrer sind verpflichtet, sich fortzubilden und an dienstlichen Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen. Für die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, die im dienstlichen Interesse liegen, können im notwendigen Umfang dienstliche Erleichterungen gewährt werden.

Art. 20: ,,(1) Die Fortbildung des Lehrers dient der Erhaltung der für die Ausübung des Lehramts erworbenen Fähigkeiten und deren Anpassung an die Entwicklung der Erkenntnisse der Wissenschaft bzw. der Wirtschafts- und Arbeitswelt. Sie ist durch Fortbildungseinrichtungen zu fördern.

Die regionale Lehrerfortbildung wird getragen von den Oberschulämtern oder den Staatlichen Schulämtern.

Die zentrale Lehrerfortbildungwird geleistet durch drei "Staatliche Akademien für Lehrerfortbildung" in Calw, Comburg und Donaueschingen sowie die "Staatl. Sportakademie für Lehrerfortbildung" in Ludwigsburg.

Es wird unterschieden: zentrale, regionale Lehrerfortbildung; Lehrerfortbildung an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen; Landesbildstellen; weitere Träger.

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"Lehrerbildungsgesetz (LBiG)" i. d. F. vom 15.12.1988 (GVB12322)

"Gesetz über die Ausbildung für das Lehramt an öffentlichen Schulen im Lande Bremen (Bremisches Lehrerausbildungsgesetz)" vom 2. Juli 1974

BeTlin

Bremen

§ 12 regelt die "Weiterbildung der Lehrer"

(5) Veranstaltungen für die Fortbildung der Lehrer zu organisieren ist insbesondere Aufgabe der Universität und des Wissenschaftlichen Instituts für Schulpraxis. "

(4) Für die Fortbildung der Lehrer im Rahmen organisierter Veranstaltungen kann Stundenbefreiung gewährt werden.

(3) Die Fortbildung ist Bestandteil der Berufstätigkeit der Lehrer. Jeder Lehrer ist zur Fortbildung verpflichtet.

(2) Die Fortbildung soll den Lehrer mit dem neuesten Stand der für die Berufspraxis erforderlichen Wissenschaften vertraut machen und ihn zur kritischen Reflexion und zur Verbesserung seiner Unterrichtsgestaltung befähigen.

der Sicherung der erworbenen Qualifikationen.

§ 11 ,,(1) Die wissenschaftliche Fortbildung der Lehrer dient

(5) Bei Beförderungen in Ämter des Schul- und Schulaufsichtsdienstes sind Zusatzqualifikationen zu berücksichtigen."

(2) Jeder Lehrer ist zur Fortbildung verpflichtet. Dazu gehört grundsätzlich die Pflicht zur Teilnahme an Veranstaltungen in der unterrichtsfreien Arbeitszeit. Jeder Lehrer hat seine Fortbildung so einzurichten, daß die ordnungsgemäße Erfüllung seiner sonstigen dienstlichen Pflichten dadurch nicht beeinträchtigt wird.

§ 15 a (Auszug): ,,(1) Die Fortbildung des Lehrers dient der Erhaltung der für die Ausübung seines Lehramtes erworbenen Fähigkeiten und deren Anpassung an die jeweiligen Anforderungen in seinem Lehramt. Sie ist durch die Einrichtung von Fortbildungsveranstaltungen zu fördern.

§ § 13 ff.: "Fortbildung und Weiterbildung"

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§ 2: "Der Bildungsauftrag der Schule erfordert fachliches Können und wissenschaftsorientierte Arbeitsweise, pädagogische Befähigung und psychologisches Einfühlungsvermögen." § 1: "In der Abschlußprüfung soll der Bewerber nachweisen, daß er an erweiternden Studien erfolgreich teilgenommen und seine bisher erworbenen Unterrichtsbefähigungen erweitert oder vertieft hat."

"Lehrerfortbildung hat die Aufgabe, das berufliche Können der "Lehrer kontinuierlich zu verbessern und zu erweitern. Hierbei setzt sie an den sich' wandelnden Aufgaben schulischer Bildung und Erziehung sowie den Unterrichtserfahrungen der Lehrer an und macht neue Erkenntnisse der Erziehungswissenschaften, der Fachwissenschaften und der Fachdidaktiken fUr die Unterrichtspraxis nutzbar. Damit leitet die Lehrerfortbildung einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung des Schulwesens." (Wiesbaden 1988; S. 406 ff. - hier: Auszug)

"Gesetz über das Lehramt an öffentlichen Schulen" i. d. F. vom 30. Mai 1969, zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. Juni 1983 (GVBl. S. 101)

"Allgemeine Dienstordnung für Schulleiter, Lehrer und Erzieher" vom 19. März 1981 (ABI. S. 199)

"Verordnung über die Abschlußprüfung fUr erweiternde Studien der Lehrer" vom 13. September 1983 (ABI. S. 810)

Hessendienst der Staatskanzlei (Hrsg.): "Hessen-ABC" - Ein Nachschlagewerk zur Hessischen Landespolitik

Hessen

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"Verordnung über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an Hamburger Schulen" vom 18. Mai 1982 (Hmb GVBI. 143)

Hamburg

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Niedersachsen

§ 41, 2 und 3: "Die Beamten sind verpflichtet, an der dienstlichen Fortbildung teilzunehmen und sich außerdem selbst fortzubilden, damit sie über die Anforderungen ihrer laufbahnen unterrichtet bleiben und steigenden Anforderungen ihres Amtes gewacll.sen sind.

"Niedersächsische Laufbahnverordnung (NLVO)" i. d. F. vom 28. Aug. 1984 (Nds. GVBl. S. 194)

Anm.: Es wird unterschieden in zentrale Lehrerfortbildung (Wochenkurse, Halbwochenkurse, Wochenendveranstaltungen1 regionale Lehrerfortbildung (mehrere nachmittägliche Arbeitssitzungen, die sich über ein Schulhalbjahr oder ein Schuljahr verteilen) und schulinterne Lehrerfortbildung (Schule plant und führt Fortbildung in eigener Verantwortung durch, in denen die Interessen der Lehrer und die jeweils besonderen Probleme der Schule berücksichtigt werden. Die Initiative dazu geht von der einzelnen Schule oder von benachbarten Schulen gemeinsam aus. Die Veranstaltungen finden in der Regel außerhalb der Unterrichtszeit nachmittags oder abends in schuleigenen Räumen statt).

Die Dienstvorgesetzten sollen die Fortbildung der Beamten durch geeignete Maßnahmen unterstützen."

§ 36,2: "Der Lehrer ist verpflichtet, sich zur Erhaltung der Unterrichtsbefähigung in der unterrichtsfreien Zeit fortzubilden. "

"Niedersächsisches Schulgesetz (NSch G)" Neufassung vom 6. Nov.1980 geändert durch Gesetze ... und vom 20. Dez. 1987 (Nds. GVBl. S. 241)

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NordrheinWestfalen

"Verordnung über die Laufbahnen der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen - LVO)" i. d. F. vom 15. Dez. 1988 (GV.NW 1989, S. 1)

"Gesetz über die Ausbildung flir Lehrämter an öffentlichen Schulen (Lehrerausbildungsgesetz - LABG)". Neufassung vom 28. August 1979, geändert durch Gesetz vom 26. Juni 1984 (GABl. NW S. 440)

(3) Beamten, die durch Fortbildung ihre fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten und dadurch ihre dienstlichen Leistungen erheblich gesteigert haben, ist nach Möglichkeit Gelegenheit zu geben, ihre Fachkenntnisse in höher bewerteten Dienstgeschäften anzuwenden ... "

(2) Die obersten Dienstbehörden fördern und regeln die dienstliche Fortbildung.

§ 48: ,,(1) Die Beamten sind verpflichtet sich fortzubilden, damit sie über die Anforderungen ihrer Laufbahn unterrichtet bleiben und auch steigenden Anforderungen ihres Amtes gewachsen sind.

(4) Zentrale Einrichtung des Landes flirdie Lehrerfortbildung, flir die Weiterbildung im Sinne des Weiterbildungsgesetzes und flir die Curriculumentwicklung ist ein Landesinstitut.Das Landesinstitut nimmt seine Aufgaben in Zusammenarbeit mit den Hochschulen, insbesondere der Fernuniversität, wahr."

(3) Fortbildungsveranstaltungen sind in der Regel regional durchzuflihren. Dies ist Aufgabe der Regierungspräsidenten in Zusammenarbeit mit den Hochschulen und in Abstimmung mit anderen Trägern der Lehrerfortbildung.

auch die Teilnahme an Veranstaltungen innerhalb unterrichtsfreier Zeiten.

(2) Die Verpflichtung des Lehrers zur Fortbildung umfaßt

§ 21: ,,(1) Maßnahmen der Fortbildung sollen den Lehrer in die Lage versetzen, den sich ändernden Anforderungen seines Amtes zu entsprechen.

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Saarlond

Rheinlond-Pfalz

§ 116: ,,(1) Die obersten Dienstbehörden sind verpflichtet, die Fortbildung zu fördern und zu regeln, damit die Beamten über die Anforderungen ihrer Laufbahn unterrichtet bleiben und steigenden Anforderungen ihres Amtes gewachsen sind,

"Landesverordnung über die Laufbahnen der Beamten des Landes RheinlandPfalz (Laufbahnverordnung - LaufVO)" vom 26. Juni 1971 i. d. F. vom 9. Juni 1988 (GVBl. S. 144)

"Saarländisches Lehrerbildungsgesetz", Gesetz Nr. 1084 vom 12. Juli 1918 (ABI. 'Saarland SS. 709 und 1045)

§ 64,1: "Der Beamte hat sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen. Er hat sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten. Innerhalb und außerhalb des Dienstes muß sein Verhalten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert."

"Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz (LBG)" - Neufassung vom 14. Juli 1970, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. März 1987 (GVBI. S. 77, 98)

§ 9: ,,(1) Die Fortbildung soll den Lehrer in die Lage versetzen, den sich ändernden Anforderungen seines Amtes zu entsprechen. Sie ist durch geeignete Fortbildungsmaßnahmen zu fördern.

(3) Beamte, die durch Fortbildung ihre fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nachweislich wesentlich gesteigert haben, sind zu fördern. Vor allem ist ihnen nach Möglichkeit Gelegenheit zu geben, ihre Fachkenntnisse in höher bewerteten Dienstgeschäften anzuwenden und hierbei ihre besondere fachliche Eignung nachzuweisen.

(2) Die Beamten sind verpflichtet, an den vom Dienstherrn angeordneten Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen und sich außerdem selbst fortzubilden.

§ 20,7: "Die hauptamtlichen und hauptberuflichen Lehrer sollen durch Fortbildung den Kontakt mit dem Entwicklungsstand der Wissenschaft und der für die Unterrichtstätigkeit wesentlichen Fachpraxis aufrechterhalten."

"Landesgesetz über die Schulen in Rheinland-Pfalz (Schuigesetz-SchulG)" vom 6. Nov. 1974 i. d. F. Vom 8. Juli 1985 (GVBI. S. 154)

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Schleswig-Holstein

§ 30: ,,(1) Die Lehrer sind verpflichtet sich fortzubilden, damit sie den Anforderungen ihres Amtes gewachsen bleiben.

"Landesverordnung über die Laufbahnen der Lehrer (SH. LLVO)" vom 18. Aug. 1977, geändert durch VO vom 19. Juli 1979 (GVBl.Schl.-H., S. 423)

(2) Die dienstliche Fortbildung wird vom Kultusminister geregelt und durch das Landesinstitut Schleswig-Holstein für Praxis und Theorie der Schule gefördert ... "

§ 3, 8e: "Dienstbefreiung zur Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen darf nur ausgesprochen werden, wenn der Träger der Veranstaltung das IPTS ist oder wenn das dringende dienstliche Interesse für die Teilnahme an dieser Veranstaltung vom IPTS aus fachlichen Gründen festgestellt ist. Das IPTS kann die Veranstalter ermächtigen, seine Entscheidungen auf den Einladungen mitzuteilen."

7. die Beratung des Ministers für Kultus, Bildung und Wissenschaft in Fragen der pädagogischen Innovation einschließlich der Entwicklung von Lehrplänen, Unterrichtsmaterialien und Unterrichtsmedien. "

Auszug: "Dem Landesinstitut für Pädagogik und Medien obliegen 6. Die Betreuung von Modellversuchen nach näherer Weisung des Ministers für Kultus, Bildung und Wissenschaft und

"Dienstordnung für Lehrer und Lehrerinnen an allen öffentlichen Schulen im Lande Schleswig-Holstein". Erl. vom 17. Febr. 1950 i. d. F. vom 5. Juli 1978 (NBl. KM. Schl.-H., S. 233)

"Satzung des Landesinstituts für Pädagogik und Medien" vom 27. März 1988 (GVBl. Saar 1988, S. 160)

(3) Umfang und Inhalt der Fortbildung regelt der Minister für Kultus, Bildung und Sport."

(2) Die Lehrer sind verpflichtet, sich fortzubilden und an Fortbildungsveranstaltungen auch innerhalb' unterrichtsfreier Zeit teilzunehmen.

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Lehrerfortbildung in der BRD

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2. Verzeichnis der staatlichen Akademien und Institute der Lehrerfortbildung in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland Baden-Württemberg

Staatliche Akademie für Lehrerfortbildung Schillerstr. 8 7260 Calw Staatliche Akademie für Lehrerfortbildung Comburg 7170 Schwäbisch Hall-Comburg Staatliche Akademie für Lehrerfortbildung Villinger Str. 33 7710 Donaueschingen Staatliche Sportakademie für Lehrerfortbildung Reuteallee 42 7140 Ludwigsburg Bayern

Akademie für Lehrerfortbildung Kardinal-von-Waldburg-Str. 6 8880 Dillingen a. d. Donau Institut für Lehrerfortbildung Kirchplatz 10 8096 Gars am Inn Institut für Lehrerfortbildung Neue Abtei 8807 Heilsbronn Seminar Bayern für Verkehrserziehung und Unfallverhütung 8802 Grafrath Anm.: Die Fortbildungsprogramme der Institute in Gars a. Inn, Heilsbronn und Grafrath werden durch die Akademie in Dillingen koordiniert und gemeinsam publiziert Berlin

Senator für Schulwesen, Berufsausbildung und Sport Bredtschneiderstr. 5 1000 Berlin 19 Anm.: In Zusammenarbeit mit 30 weiteren Institutionen, Akademien, Gremien und Verbänden werden Halbjahresprogramme erstellt.

66

Dieter Schulz

Bremen Wissenschaftliches Institut für Schulpraxis Am Weidendamm 20 2800 Bremen

Hamburg Institut für Lehrerfortbildung FeIix-Dahn-Str. 3 2000 Hamburg 6

Hessen Hessisches Institut für Lehrerfortbildung (HILF) Bodenstedtstr. 7 6200 Wiesbaden Sitz der Hauptverwaltung: Rheinhardswaldschule Kassel Rothwestener Str. 2-14 350 I Fuldatal I Anm.: Zentrale Lehrerfortbildung wird auch in den Zweigstellen in Frankfurt/ Main und in Weilburg durchgeführt. Für die Durchführung der "regionalen Lehrerfortbildung" verfügt das Institut über 13 Außenstellen, und zwar in Bad Hersfeld, Bad Wildungen, Bruchköbel, Frankfurt/M., Friedberg, Fulda, Groß-Gerau, Jugenheim, Kassel, Limburg, Marburg, Wetzlar, Wiesbaden.

Niedersa chsen Niedersächsisches Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung (NU) Keßlerstr. 52 3200 Hildesheim

Nordrhein- Westfalen Landesinstitut rur Schule und Weiterbildung Paradieser Weg 64 4770 Soest

Rheinland-Pfalz Staatliches Institut für Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung des Landes Rheinland-Pfalz - SIL Butenschönstr. I 6720 Speyer Anm.: In Rheinland-Pfalz gilt der Grundsatz des Gesetzgebers "Lehrerfortbildung in pluraler Trägerschaft". So existieren neben dem "Staat1. In-

Lehrerfortbildung in der BRD

67

stitut" 14 weitere Institute und Institutionen, die gehalten sind, ihre Programme inhaltlich und organisatorisch aufeinander abzustimmen: u.a. Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung Mainz - ILF Markt 19 6500 Mainz Erziehungswissenschaftliches Fort- und Weiterbildungsinstitut der Evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz - EFWI Luitpoldstr. 8 6740 Landau Saarland Landesinstitut für Pädagogik und Medien (LPM) Beethovenstr. 26 6602 Saarbrucken-Dudweiler Schleswig-Holstein Landesinstitut Schleswig-Holstein für Praxis und Theorie der Schule (IPTS) Schreberweg 5 2300 Kronshagen b. Kiel Anm.: Organisatorisch gliedert sich das IPTS in drei Bereiche: Verwaltung, Fachdezernate, Zentrale Lehrerfortbildung, Unterrichtsfachberatung 3 ZentralstelIen: für Information und Arbeitsplanung (Kiel); für Physik (Flensburg); Landesbildstelle (Kiel) 20 Seminare für die Berufseinführung und regionale Fortbildung der Lehrer

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Kurse

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1988

aKurse besaßen unterschiedliche Dauer. - bMehrfachnennungen enthalten. Quelle: Niedersächsisches Landesinstitut rur Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung; NU-Statistik 1985-1988.

Lehrer insgesamt:

Summe:

Schulinterne Lehrerfort bildung (Päd. Klausurtagungen)

Regionale Lehrerfortbildung (einschl. NLIProgramm) dazu: Neue Technolog.

Zentrale Lehrerfortbildung/Lehrerweiterbildung

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3. Quantitative Entwicklung von Veranstaltungen der Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung im Lande Niedersachasen (1985-1988)

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Lehrerfortbildung in der BRD

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Literatur Aregger, K. (Hrsg.): Lehrerfortbildung. Projektorientierte Konzepte und neue Bereiche. Weinheim/Basel1976. Böhmer, M.: Zentrale und dezentrale Lehrerfortbildung. Entwicklung, Strukturen und Innovationen. Weinheim/Basel 1983. Edelhoff, Ch.: Lehrerfortbildung im Schnittfeld der Interessen und Bedürfnisse. Instrument zur Veränderung der Schule oder Service-Einrichtung für Lehrer. In: Pädagogik 40 (1988) 6, S. 8-12. Fischer, D.: Institutionen der Lehrerfortbildung. Dokumentation zur Organisation und Struktur staatlicher und kirchlicher Lehrerfortbildung. In: Comenius-Institut Dokumentationen Nr. 7. Münster 1986. Heck/Schurig (Hrsg.): Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung. Theoretische Grundlagen und praktische Verwirklichung in Deutschland nach 1945. Darmstadt 1982. Holzapfel, G.: Professionalisierung und Weiterbildung bei Lehrern und Ausbildern. Wein heim/Basel 1975. Kröll, U. (Hrsg.): Institutionalisierte Lehrerfortbildung. Konzepte, Modelle und ihre Praxis. Weinheim/Basel 1980. Nevermann, K.: Omnipotenz-Erwartungen. Was Lehrer/innen und Lehrerfortbildner/innen alles können müssen. In: Pädagogik 40 (1988) 6, S. 30-34.

Friedrich Winterhager

LEHRERWEITERBILDUNG IN DER DDR

Wenn ich im folgenden einen überblick über die Lehrerfort- und -weiterbildung in der DDR seit ihrer Gründung geben möchte, so sei einschränkend vorausgeschickt, daß es in meinem Beitrag nur um die Weiterbildung für Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen gehen wird, da die Einbeziehung der Weiterbildung der Lehrer(innen) an beruflichen Schulen wegen des andersartigen ökonomischen Systems die Vergleichsmöglichkeit mit der Lehrerfortbildung in der BundesrepubIik Deutschland allzusehr einschränken würde. Beginnen möchte ich mit einem historischen Abriß über die Entwicklung der Lehrerfortbildung in der DDR, sodann werde ich über die heutige Struktur und Arbeitsweise der Lehrerweiterbildung in der DDR berichten, um dann zu einem Vergleich und zu dem Versuch einer Wertung zu gelangen. Die Veränderungen in der Schulpolitik der DDR seit Oktober 1989 sind hier allerdings noch nicht in die Erwägungen einbezogen worden. In tenninologischer Hinsicht möchte ich vorausschicken, daß die gesamte Lehrerfort- und -weiterbildung (also sowolrl die WeiterquaIifizierung im erlernten Fach als auch die Aneignung von neuen Fächern und QuaIiftkationen) in der DDR einheitlich als ,Weiterbildung' bezeichnet wird . . In den Jahren unmittelbar nach dem 8. Mai 1945 hatte die DDR bzw. die SBZ ihre Mühe vor allem auf die Heranbildung neuer Lehrkräfte aus allen Schichten der Bevölkerung verwandt, um so - unbelastet von den Schatten der nazistischen Vergangenheit - ein neues demokratisches Schulwesen zu schaffen. Die Weiterbildung der Lehrer war daher mit nur sekundärer Bedeutung und Priorität auf Kreisebene erfolgt, eine Weiterbildung unter der Leitung bewährter Altlehrer, die der Vervollständigung des Wissens und Könnens vor allem auf fachlichem Gebiet diente und weitgehend unter den Auspizien der aus den Zwanziger Jahren adaptierten Refonnpädagogik gestanden hatte.

Als Ausgangspunkt und Geburtsstunde der zentralen Lehrerweiterbildung in der DDR kann daher erst das Frühjahr 1951 angesehen werden. In dieser Zeit, am 19. Januar 1951, erschien nämlich die ,,Anweisung Nr. 82 für die Weiterbildung aller Lehrer, Kindergärtnerinnen und Heimerzieher" , die einen amtlichen Themenplan für die Weiterbildungsarbeit der kommenden anderthalb Jahre enthielt. Folgende Themen waren von ausgesuchten Weiterbildungslei-

72

Friedrich Winterhager

tern (,Kadern') unter Bezugnahme auf die Anwendung im Unterricht mit den Teilnehmern durchzunehmen: "Die Sowjet pädagogik als wissenschaftlichste, höchstentwickelte, zutiefst humanistische Pädagogik der dialektische Materialismus als Philosophie des Marxismus-Leninismus und Weltanschauung der Arbeiterklasse der dialektische Materialismus als methodologische Grundlage der Sowjetpädagogik die Partei als richtungsweisende Kraft und Führerin auf pädagogischem Gebiet Schule und Jugendorganisation in der Sowjetunion die Autorität und das persönliche Beispiel des sowjetischen Lehrers die Struktur der sowjetischen allgemeinbildenden Schule, ihre Ziele und ihr Bildungsgut Grundfragen der didaktischen Diskussion in der Sowjetunion Grundfragen des historischen Materialismus und der politischen Ökonomie die Organisation der Unterrichtsarbeit in der sowjetischen Schule".l

Diese Weiterbildung war ein Teil der damals einsetzenden sog. MakarenkoInitiative. Es handelt sich bei dieser Art von Weiterbildung um eine fast ausschließlich ideologische, am marxistisch-leninistischen Sowjetsystem ausgerichtete Schulung, die die Teilnehmer zwang, den Primat des Politischen über das Pädagogische zu rezipieren und in den Diskussionen jeweils zu akzeptieren, zu bejahen und zu begründen. 2 Im Jahre 1954 wurde in der "Verordnung zur Verbesserung der Arbeit der allgemeinbildenden Schule" vom 4.3.1954 die Errichtung eines Zentralinstituts für Lehrerweiterbildung beschlossen, das die Leitung des Weiterbildungswesens übernehmen und für dessen Ausgestaltung die erforderlichen Materialien vorbereiten sollte. Es wurde 1955 in Dresden errichtet und war gewissermaßen eine Vorläufereinrichtung für das 1962 in Ludwigsfelde bei Berlin eingerichtete Zentralinstitut für die Weiterbildung der Lehrer und Erzieher. Das Zentralinstitut für Lehrerweiterbildung hatte die Aufgabe, die Weiterbildung zu koordinieren und zu systematisieren, und arbeitete zu diesem Zweck Studienpläne, Richtlinien und Arbeitsanweisungen aus, die die fachliche und methodische Qualität der Weiterbildung erhöhen und auf eine breitere Basis stellen sollten. Für die Dozenten der Weiterbildung sowie für Schulräte, Direktoren und andere Leitungskader führte es Lehrgänge, wissenschaftliche Konferenzen, Vorlesungen, Seminare, Konsultationen und Exkursionen durch. Damals wurde eine Dreiteilung der Inhalte und Ziele der Lehrerweiterbildung vor1 Zit. nach: Emil Wendt: Die Entwicklung der Lehrerbildung in der sowjetischen Besatzungszone seit 1945. Bonn 1957, S. 21 f. 2 Vgl. Wendt, a. a. 0., S. 22.

Lehrerweiterbildung in der DDR

73

genommen, die - mit teilweise wechselnder Priorität - heute noch in der DDR Geltung hat. Die Weiterbildung aller Lehrer sollte nämlich 1. den ideologischpolitischen, 2. den fachlich-methodischen und 3. den pädagogisch-psychologischen Bereich umfassen. In organisatorischer Hinsicht wurden 1955 neben den weiterbestehenden Zentralkursen in jedem Kreis und in jedem Fach monatlich einmal tagende Weiterbildungszirkel eingerichtet, die der "Weiterbildung im Prozess der Arbeit" dienen sollten. Diese Zirkel förderten und fördern noch heute den gegenseitigen Erfahrungsaustausch durch Hospitationen und reihum organisierte pädagogische Lesungen. Die Zuteilung der jeweiligen Lehrer zu den Fachzirkeln wurde vom Schulleiter festgelegt. Die Fachzirkel hatten je nach Fach 6 bis 25 Teilnehmer. Ihre Arbeit wurde von nebenamtlichen Fachberatern begleitet und von Fachkommissionen angeleitet und beaufsichtigt. Dies wurde in der ,,Anweisung über die Weiterbildung der Lehrer an allgemeinbildenden Schulen" vom 3. Januar 1955 festgelegt. Zur organisatorischen Unterstützung dieser Arbeit wurden Kreis- und Bezirkskabinette für Lehrerweiterbildung eingerichtet, die heute noch bestehen. 3 Die Aufgaben der im April 1955 eingerichteten Bezirkskabinette (die m.W. zunächst nur als Pädagogische Bezirkskabinette, dann als Bezirkskabinette flir Weiterbildung bezeichnet wurden) bestanden nicht nur in der Förderung der in Zirkeln und Kursen durchgeführten Lehrerfortbildung, sondern auch in der regionalen Begleitung, Anleitung und Kontrolle des Fernstudiums, insbesondere flir diejenigen Lehrkräfte, die sich zu Mittelstufenlehrern weiterbildeten. Die Bezirkskabinette flir Weiterbildung unterstanden organisatorisch nicht dem Zentralinstitut flir Lehrerweiterbildung, sondern dem Deutschen Pädagogischen Zentralinstitut, einer dem Volksbildungsministerium unterstellten Behörde, waren also direkt in den Kontext der staatlichen Schulaufsicht integriert und eingebunden. Ende April 1956, als auch im kulturellen Leben der DDR eine gewisse liberalisierung zu verzeichnen war, wurde bei einer dreitägigen Konferenz in Dresden eine Reform der Lehrerweiterbildung erörtert und eingeleitet. Damals hieß es, die bisherige Weiterbildung der Lehrer sei zu starr und zu schematisch gewesen. Die Weiterbildung sollte fortan stärker dezentral und mehr nach den Wünschen und Anregungen der Lehrerschaft gestaltet werden. Hauptträger der Weiterbildung sollten fortan die Pädagogischen Kreiskabinette sein. Hauptamtlicher Direktor der pädagogischen Kreiskabinette sollte der jeweilige Kreisreferent flir Lehrerbildung werden, und die Themenfestlegung und Organisation der regionalen Lehrerfortbildung sollte den jeweiligen Kreisen überlassen werden. Dieser an sich nützliche und richtige Gedanke bedeutete freilich oftmals eine Überforderung der pädagogischen Kreiskabinette, der sie spätestens in 3

Vgl. ebenda, S. 41-43.

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Friedrich Winterhager

dem Augenblick, als auch polytechnische Elemente in die Lehrerbildung und das allgemeinbildende Schulwesen einbezogen wurden, nicht mehr vollständig gewachsen waren.4 Der Aufbau des einheitlichen polytechnischen Schulwesens in der DDR ab 1960 bedeutete mithin eine erneute Zentralisierung und Straf· fung des gesamten Schulwesens und damit auch der Lehreraus· und ·weiter· bildung. Im Jahre 1962 wurden das Zentralinstitut fur Lehrerweiterbildung unter der Bezeichnung ,,zentralinstitut für Weiterbildung der Lehrer, Erzieher und Schul· funktionäre" mit Sitz in Ludwigsfelde bei Berlin neu konstituiert. Seine Auf· gaben im System der Weiterbildung wurden in einem Statut festgelegt und um· fassen seitdem folgende Schwerpunkte: - "Die unmittelbare Qualiflzierung von Kadern, die auf dem Gebiet der Wei· terbildung tätig sind, von Schulfunktionären der Bezirke und Kreise und von Lehrern in zentralen Weiterbildungskursen - die Ausarbeitung von Studienplänen, Studienprogrammen und Studienrna· terialien als Grundlage für die Weiterbildung in den Bezirken und Kreisen - die inhaltliche und methodische Anleitung der Arbeit in den Weiterbildungs· einrichtungen der Bezirke - die Auswertung, Verallgemeinerung und Verbreitung der Unterrlchtserfah· rungen erfolgreicher Lehrer und Erzieher, der besten Methoden der Lei· tungstätigkeit sowie der Ergebnisse der pädagogischen Wissenschaft der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder die inhaltliche Koordinierung aller Fonnen der Weiterbildung der Lehrer und Erzieher - die Organisation und Lenkung internationaler Ferienkurse". 5 Mit der Gründung dieses Zentralinstituts wurde auch intendiert, den fach· wissenschaftlichen Gehalt - natürlich neben der politischen Schulungsarbeit zum obersten Kriterium der Lehrerweiterbildung zu erheben. In einem 1963 in der Zeitschrift PÄDAGOGIK erschienenen Aufsatz von Werner Kath hieß es damals:

"Wrr vertreten die Auffassung, daß im Zusammenhang mit einer gründli. chen und systematischen politischen Bildung die verstärkte fachwissenschaft· liche Qualiflzierung aller Lehrer und Erzieher in der nächsten Zeit im Mittel· punkt der Weiterbildung stehen sollte.,,6 Diese - für die bisherige Intention

4

Vgl. ebenda, S. 46.

Referiert bei: Werner Kath: Aufgaben des Zentra1instituts für Lehrerweiterbildung im System der QualiilZierung der Lehrer, Erzieher und Schulfunktionäre. In: Pädagogik 5

(DDR) 18 (1963), S. 467-470, hier S. 467. 6 Kath, a. a. 0., S. 468.

Lehrerweiterbildung in der DDR

7S

der Weiterbildung in der DDR eher untypische - Betonung des fachwissenschaftlichen Elements der Weiterbildung wurde in folgender Weise begründet: "Die Vorrangigkeit der fachlichen Weiterbildung der Lehrer, besonders in den mathematisch-naturwissenschaftlichen und ökonomisch-technischen Disziplinen, ergibt sich vor allem aus den grundlegenden Aufgaben unserer Volkswirtschaft in der Etappe des umfassenden Aufbaus des Sozialismus in der DDR ... Daraus ergibt sich als Folgerung, daß ein qualitativ hohes fachliches Wissen und Können des Pädagogen zu einer wichtigen Komponente für die politisch-ideologische Erziehung, für die Intensität und Effektivität des Lernens der Schüler, für die Entwicklung ihres Denk- und Erkenntnisvermögens, ihrer Wißbegierde und ihres Forschungsdranges und auch für die maximale Förderung von Begabungen und Talenten wird.'" Analog zu der Tatsache, daß im gesamten kulturellen und wirtschaftlichen Leben der DDR in den Jahren nach 1961 eine gewisse Konsolidierung eintrat, kann hier festgestellt werden, daß auch in der Weiterbildung der Lehrer stärker die fachliche Komponente als die politische Seite der Weiterbildungsarbeit betont wurde. Damals wurden ja auch Klassenkampf-Ideen zurückgestellt, man sprach eher von der "sozialistischen Menschengemeinschaft" in der "entwickelten sozialistischen Gesellschaft" (W. Ulbricht). Ausdruck für diese Stabilisierung des einheitlichen Schul- und Bildungswesens in der DDR ist auch in vielerlei Hinsicht das "Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem in der DDR" vom 25. Februar 1965, wo es in § 29 heißt: ,,(1) Die Weiterbildung ist so zu gestalten, daß die Lehrer und Erzieher neue Kenntnisse der Wissenschaften, der Methodik, der Pädagogik und der Psychologie grtindlich studieren können und beflihigt werden, das erworbene Wissen und Können schöpferisch anzuwenden. Sie ist nach den individuellen Voraussetzungen und wissenschaftlichen Interessen der Pädagogen zu differenzieren. (3) Die Weiterbildung muß den Lehrern und Erziehern unmittelbare Hilfe für die Verbesserung ihrer Arbeit geben. Alle Möglichkeiten, die das pädagogische und politische Leben an den Einrichtungen bieten, sind ftir die Weiterbildung, besonders für das Studium der Erfahrungen pädagogischer Neuerer, zu nutzen. Jede Bildungseinrichtung ist zugleich eine Stätte der Weiterbildung. Im Mittelpunkt der systematischen Weiterbildung steht die Aneignung der wissenschaftlichen Grundlagen des in den neuen Lehrplänen festgelegten Bildungsinhalts und der Erwerb von Kenntnissen in speziellen Wissensgebieten. Die Pädagogen sind in die Lösung wissenschaftlicher Aufgaben einzubeziehen und dabei in ihrer weiteren wissenschaftlichen Qualifizierung zu fördern. Es sind in 7

ebenda.

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stärkerem Maße Lehrer zur Promotion in pädagogischen Disziplinen und im Fach zu fördern."s Ich habe diesen 3. Absatz (des § 29) deshalb so extensiv zitiert, weil hier bereits die drei Wege, um nicht zu sagen: Schienen, der Weiterbildung in der DDR deutlich werden, auf denen sie seitdem organisatorisch verläuft: die schul· nahe Weiterbildung in Zirkeln (,jede ·Bildungseinrichtung ... zugleich eine Stätte der Weiterbildung"), die systematische Weiterbildung in Kursen und die individuelle Weiterbildung in der wissenschaftlichen Einzelqualifizierung, die im Fernstudium oder eben auch im Erwerb akademischer Grade und Quali. fIkationen geleistet werden kann. In einer speziellen "Direktive für die Weiterbildung der Lehrkräfte, Erzieher und Schulfunktionäre" vom 20. Juli 1965 hieß es erläuternd: "Das Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem stellt hohe Anforderungen an alle Lehrkräfte und Erzieher. Sie haben die Aufgabe, die her· anwachsende Generation zu befähigen, die sozialistische Gesellschaft zu gestal. ten, die technische Revolution zu meistem und an der Entwicklung der soziali· stischen Demokratie mitzuwirken. Die Lösung dieser Aufgabe erfordert politisch, fachlich und pädagogisch gut gebildete Lehrer und Erzieher, die der Jugend Vorbild und Beispiel sind, die ihre ganze Kraft auf eine qualifizierte Bildungs. und Erziehungsarbeit konzen· trieren und sich hierfür systematisch weiterbilden."g Der Lehrer sollte sich auch nach der Maßgabe dieser neuen, im Prinzip der· zeit noch gültigen Direktive also im politisch·ideologischen, im fachlichen und im pädagogisch·psychologischen Bereich weiterbilden, um sowohl mit dem wissenschaftlichen Fortschritt Schritt zu halten als auch die jeweilige Bildungs. arbeit der Partei und Regierung zu verstehen und im Unterrichtsalltag umset· zen zu können. 10 Die drei eben genannten Bereiche, durch deren Rezeption und Beherrschung der Lehrer zu einer adäquaten und systemgerechten Erfül· lung seiner Pflichten gelangen sollte, hatten und haben sich zu ergänzen und sind nach dem Willen der o.a. Direktive nicht getrennt von einander zu ver· stehen: "Durch die Einheit politischer, fachlicher und pädagogischer Weiterbildung entwickelt und festigt sich das sozialistische Bewußtsein der Pädagogen und bestimmt immer mehr ihr gesamtes Verhalten und ihre pädagogische Tätig· keit."l1 8 Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, 1965, vom 25.2.1965, Teil I, Nr. 6, S. 83-106, hier S. 95 (§ 29, Abs. 1 und 3). t Zitiert nach: Johannes Niermann: Lehrerweiterbildung in der DDR in den 60er und 70er Jahren. In: Pädagogik und Schule in Ost und West 35 (1987), S. 148-157, hier S. 148. 10 Vgl Niermann, a. a. 0., S. 149. 11 Zitiert nach Niermann, a. a. 0., S. 149 f.

Lehrerweiterbildung in der DDR

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In organisatorischer Hinsicht gliedert sich die Lehrerweiterbildung in der DDR, wie oben schon angedeutet, seit der Direktive von 1965 neben der Möglichkeit des Fernstudiums vor allem in ein sequentielles Kurssystem, das in den Ferien in Wochenkursen absolviert wird, und in die bereits von früher her bewährte Fachzirkelarbeit. Zum Kurssystem, das seit ca. 1970 besteht, ist folgendes zu bemerken: Die Teilnahme an diesen Kursen ist - außer für Teilnehmer an Fernlehrgängen Pflicht eines jeden Lehrers in der DDR. Er hat innerhalb eines bestimmten Zeitraums die Teilnahme an einem bestimmten Quantum von Weiterbildungskursen nachzuweisen. Ein Kurs dauert im allgemeinen 4 Wochen (mit Einschluß von Zeiten des Selbststudiums) und ist im Laufe des Jahres auf die verschiedenen Ferienzeiten verteilt. Auf einen Grundkurs folgt ein Fachkurs und/bzw. oder ein Spezialkurs. Diese Kurse fmden im Kreisbereich statt, wobei die Grundkurse und ihre Themen bis hin zur Referentenauswahl zentral geplant und gesteuert werden. Bei den Fachkursen geht man schrittweise von einer zentralen Steuerung zu einer bloßen zentralen Vorgabe der Rahmenthemen über. Die Spezialkurse werden von den Universitäten des jeweiligen Einzugsbereiches in eigener Regie vorbereitet und mit Unterstützung der Kreiskabinette für Weiterbildung durchgeführt. Sie enthalten einen fachdidaktischen Anteil, sind aber vor allem durch fachwissenschaftliche Referate geprägt. Allgemein kann man sagen, daß im Kurssystem die Vermittlung der Themen durch Vorlesungen, Seminare und übungen sowie durch Fachexkursionen und ggf. durch experimentelle Tätigkeiten erfolgt. Themenblöcke dieser Kurse können von den Teilnehmern in Sendungen des DDR-Bildungsfernsehens sowie in Fachzeitschriften, u. a. in speziellen Artikeln der Deutschen Lehrerzeitung (DLZ), verfolgt und vertiefend nachgelesen werden. Durch Erfahrungsaustausch und pädagogisch-politische Diskussionen wird in diesen Kursen, die vom Arbeitspensum und von der Stundenzahl her recht anspruchsvoll sind, eine kollektive Identität, ein Wir-Gefühl und gewissermaßen eine ,corporate identity' geschaffen, die zwar den Lehrer in eine emotional geprägte Gemeinschaft einbindet und ihm Geborgenheit gibt, ihn aber auch an der Ausprägung systemfremder eigener Gedanken, Vorstellungen und Pläne zu hindern vermag und auch wohl daran hindern soll.12 Außerdem wurde und wird die o. a. geführte Lehrerweiterbildung im Erfahrungsaustausch und in den Fachzirkeln als schulnahe Weiterbildung im Prozeß der Arbeit weiter fortgeführt. Die Weiterbildungsmöglichkeit im Fernstudium wird ebenfalls beibehalten, hat aber nicht mehr die große Bedeutung, die sie in den 50er und 60er Jahren hatte, unter anderem deswegen, weil aufgrund der verbesserten Lehrerausbil12

VgL Nierrnann, a. a 0., S. 154.

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dung, die praktisch alle heutigen Lehrkräfte durchlaufen haben, der Bedarf an dieser Art von Qualiftkationserweiterung in anderen Fächern und Stufen nicht mehr so groß ist wie in der Aufbauphase der 50er Jahre. So perfekt und bemüht die neuere Lehrerweiterbildung der DDR mit ihrem ausgebauten Kurssystem sein mag, so wird auch in den Äußerungen namhafter Mitarbeiter der Akademie der pädagogischen Wissenschaften zugegeben, daß dieses Kurssystem wiederum - wie frühere Formen der Lehrerweiterbildung zu starr und zu formalistisch geraten ist. So betonte neuerdings Helmut Stolz im Jahrbuch dieser Akademie 1988 in einem Artikel "Der Pädagoge und seine Weiterbildung" (l988, S. 290-3(0), daß man im Kurssystem, besonders in den Fachkursen mehr und mehr nur noch Rahrnenthemen, aber keine Einzelthemen mehr zentral vorgeben werde und daß die Qualität und Originalität der Spezialkurse weiter gefördert und erhöht werde. In keinem Kurs dürfe sich zwischen Dozent und absolvierendem Lehrer ein obrigkeitliches Lehrer-Schiller-Verhältnis breitmachen, sondern der teilnehmende Lehrer sei immer auch mitgestaltende Kraft der Weiterbildungskurse. Seine Erfahrungen, Anregungen, Bedenken und Einwände müßten jederzeit gehört und ernstgenommen werden. Lehrerweiterbildung müsse bei den Lehrerinnen und Lehrern ,ankommen' und diese Akzeptanz müsse durch ein attraktives Kursangebot und auch durch sorgfältige und interessante Kursplanung und -durchfiihrung erreicht werden. Der folgende Satz aus diesem Aufsatz könnte wörtlich auch in jedem westlichen Aufsatz über Lehrerfortbildung stehen: "Nicht nur die ständige Verbindung von Inhalt und Methoden ist die conditio sine qua non des ,Ankommens' von Weiterbildung, so sehr auch die Beachtung dieses methodologischen Grundsatzes ihre Wirkungen fördert, sondern vor allem auch der erlebte Erkenntnisgewinn, die Einsicht, daß die behandelten Inhalte, Zusammenhänge, Hintergründe und ähnliches erfolgreiche Lehrtätigkeit ermöglichen."13 Er geißelt in diesem Aufsatz nicht nur die bisherige banale Kurzschrlttigkeit, das ,kurzschlüssige' Schielen auf die Umsetzbarkeit im Unterricht, sondern fordert auch, die Ergebnisse wissenschaftlicher Diskussionen in die Kurse einzubringen und die Lehrer gewissermaßen mit dem Schlüsselwissen auszustatten, "das ihn in die Lage versetzt, selbständig und gemeinsam mit seinen Fachkollegen zu überlegen, was davon wie in seinem Unterricht einfließen und diesen bereichern kann" .14 Bei ihrem Referat auf dem IX. Pädagogischen Kongreß der DDR im Jahre 1989 forderte überdies die langjährige Volksbildungsministerin Margot Hon13 Helmut Stolz: Der Pädagoge und seine Weiterbildung. In: Jahrbuch 1988 der Akademie der pädagogischen Wissenschaften der DDR, S. 290-300, hier S. 292. 14 H. Stolz, a. a. 0., S. 293.

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ecker mehr Flexibilität und Offenheit in der Lehrerweiterbildung bei gleichzeitiger Beibehaltung der vom Staat vorgegebenen Rahmensetzungen. Hinsichtlich der Fachzirkelarbeit trat sieflir eine bessere theoretische Fundierung und eine stärkere Ausrichtung auf die praktischen Bedürfnisse der Lehrer ein. Was das Kurssystem anbelangte, übte sie Kritik an "überorganisiertheit" und "formaler Einordnung" und Abordnung zu Weiterbildungsveranstaltungen. Sie forderte in dieser Hinsicht eine stärkere Vielfalt der Lehrerweiterbildungsstrukturen, betonte aber auch, daß die Lehrerweiterbildung keine Ermessensfrage sein könne. 15 Es war ein weiter Weg, den die Lehrerweiterbildung der DDR von den am Sowjetsystem orientierten dogmatisch geprägten Themenvorgaben des Jahres 1951 bis hin zu diesem Erkenntnisgewinn der Jahre 1988 und 1989 gegangen ist, wobei die weitere Entwicklung nach der Wende noch gar nicht einmal abzusehen ist. Zusammenfassend könnte man darauf hinweisen, daß die Weiterbildung in der DDR im Gegensatz zur Weiterbildung und Fortbildung in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) stärker administrativ-organisatorisch durchstrukturiert ist und - jedenfalls bis zum Oktober 1989 - vom Primat des Politischen im marxistischen Sinne auszugehen hatte. Infolgedessen spielt dort auch die gegenseitige Motivation und Kontrolle eine größere Rolle, die bis in die Persönlichkeitsstrukturen der Lehrkraft Einfluß nehmen können. Es handelt sich gewissermaßen um eine Ambivalenz von Gängelung und Geborgenheit, mit der man die Situation und das Klima der Lehrerweiterbildung in der DDR kennzeichnen kann. 16 Immerhin gibt es aber auch Formen der Lehrerweiterbildung in der DDR, wie etwa der Erfahrungsaustausch in pädagogischen Lesungen und Fachzirkeln, der auch in der Lehrerfortbildungsarbeit der Bundesrepublik Deutschland Beachtung fmden könnte und teilweise auch gefunden hat.

Weiterführende westliche Literatur Anweiler, Oskar: Schulpolitik und Schulsystem in der DDR. Opladen 1988. Glaeßner, Gert-Joachim und Irmhild Rudolph: Macht durch Wissen. Zum Zusammenhang von Bildungspolitik, Bildungssystem und Kaderqualifizierung in der DDR. Eine politisch-soziologische Untersuchung. Opladen 1978. Niermann, Johannes: Lehrer in der DDR. Ausbildung, Tätigkeit, Weiterbildung und gesellschaftliche Stellung in Theorie und Praxis. Heidelberg 1973. 15 Vgl. Margot Honecker: Rede auf dem IX. Pädagogischen Kongreß der DDR. In: Dt. Lehrerzeitung (DDR), Beilage zur Nr. 25/89, 36. Jhg., S. 29. 16 Über die Lehrerfortbildung in der DDR gibt es eine recht interessante literarische Erzählung: Inge von Wangenheim: Weiterbildung. Halle (Mitteldeutscher Verlag) 1983.

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Voelmy, Willy: Polytechnischer Unterricht in der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule der DDR seit 1964. Frankfurt a.M./Bertin/Bonn/München 1969. Waterkamp, Dietmar: Handbuch zum Bildungswesen in der DDR. M. e. Vorwort von Oskar Anweiler. Berlin (West) 1987.

Hans Göring DER AUSBILDER IM BERUFSBILDENDEN SEKTOR DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND UND DER DDR L Vorbemerkungen 1. In der DDR gehört die gesamte Facharbeiterausbildung, also sowohl der berufstheoretische als auch der berufspraktische Unterricht zum Einheitlichen Sozialistischen Bildungssystem. Die Facharbeiterausbildung beruht demzufolge auch nur auf einer einheitlichen Rechtsgrundlage, nämlich dem Gesetz über das Einheitliche Sozialistische Bildungssystem der Deutschen Demokratischen Republik. In der Bundesrepublik Deutschland hingegen zählt bei der Facharbeiterausbildung nur der in der Berufsschule vermittelte Teil zum Bildungssystem, was eine Folge ihres bundesstaatlichen Staatsaufbaus und der im Grundgesetz vorgenommenen Kompetenzverteilung ist: Das Berufsbildungsgesetz der Bundesrepublik beruht auf fen Ziffern 11 und 12 des Art. 74 GG, d.h. es handelt sich um Recht der Wirtschaft und Arbeitsrecht, und es handelt sich dabei nicht um Bildungsrecht; Bildungsrecht ist weder in der Aufzählung des Art. 73 noch in der des Art 74 GG enthalten, und daher ist der Bund für Rechtsetzungen auf dem Gebiete des Bildungswesens nicht zuständig (vgl. Art. 70 GG). 2. Lernen in der beruflichen Bildung vollzieht sich in der DDR nach ihrem berufspädagogischen Verständnis als ein ,,geleiteter" Prozeß, Lehrtätigkeit in der Berufsausbildung wird als Form politischer Führung aufgefaßt. 1 In der Bundesrepublik hingegen steht die Selbständigkeit des Lernens hoch im Kurs. Trotz dieser grundlegenden Unterschiede gibt es aber in der beruflichen Bildung in der DDR und in der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf unser Thema auch Gemeinsamkeiten; zwei davon will ich ebenfalls voranstellen: 3. In beiden Teilen Deutschlands wird zwischen Ausbildungspersonal unterschieden, welches für die Ausbildung verantwortlich ist, sie organisiert und ihre Durchführung überwacht - nennen wir diese Gruppe einheitlich "Leitungspersonal" -, und denen, die den Lehrling tatsächlich unterweisen und anleiten, 1 So Manschatz, G.: Thesen zur methodologischen Prozeßgestaltung, Berlin (Ost) 1983, zitiert nach Klauser, Fritz: Methodologie der Gesetzeserkenntnis im Objektbereich der Unterrichtsmethodik ökonomischer Lehrgegenstände und ihre Umsetzung bei der Erforschung und Darstellung invarianter Zusammenhänge, in: Forschung der sozialistischen Berufsbildung 22 (1988), Heft 6, S. 245-250.

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d.h. die Ausbildung tatsächlich durchführen; letztere möchte ich als "Durchflihrungspersonal" bezeichnen. (Mit dem Wort "anleiten", das ich hier im Sinne eines "pädagogischen Führens" gebraucht habe, verknüpft man in der DDR Regelungen den Sinne des ,,Anweisens" im Rahmen eines über- und Unterordnungsverhältnisses. ) 4. Das Ausbildungspersonal für den berufspraktischen Unterricht/die betriebliche Ausbildung und das Lehrpersonal für den berufstheoretischen Unterricht/ die Berufsschullehrer sind grundsätzlich nicht austauschbar, d.h. es handelt sich um zwei nach QualifIkation und Aufgabenstellung getrennte Personengruppen. Im folgenden möchte ich mich nun zunächst den betrieblichen Lehrausbildern in der DDR zuwenden und mit der Gruppe beginnen, welche die Unterweisung und Anleitung der Lehrlinge tatsächlich vornimmt; im Anschluß daran werde ich über das Leitungspersonal in der DDR sprechen. Danach werde ich mich diesen beiden Personengruppen in der Bundesrepublik Deutschland zuwenden, ehe ich mit weiteren Ausführungen vergleichender Art mein Referat beende.

11 Lehr- und Ausbildungspersonal in der DDR

1. Ausbildungspersonal für den berufspraktischen Unterricht a) Personal für die Durchführung der berufspraktischen Ausbildung Die tatsächliche Ausbildung der Lehrlinge "am Arbeitsplatz" (wie wir sagen würden) wird in der DDR von sogenannten Lehrfacharbeitem durchgeführt. Sie gelten als nebenberufliche Lehrkräfte, was - wenn auch sprachlich nicht einwandfrei - zum Ausdruck bringen soll, neben ihrer üblichen Arbeitstätigkeit auch mit der Lehrlingsausbildung beschäftigt sind. Dem hohen Stellenwert, der in der DDR der Reproduktion der Arbeitskraft zukommt, wird die Bezeichnung "Neben-" für diesen Teil der Facharbeitertätigkeit des Lehrfacharbeiters nicht gerecht werden. Lehrfacharbeiter müssen - so sieht es die Anordnung über die gesellschaftliche Würdigung der Lehrfacharbeiter bzw. Lehrbeauftragten in der Berufsausbildung vom 31. März 1976 (GBl. I S. 199) vor - über eine Facharbeiterqualifikation verfügen, entsprechend dieser Qualifikation tätig sein, und sie wirken gleichzeitig bei Bildung und Erziehung der Lehrlinge mit; die Bezeichnung Lehrbeauftragter erfaßt einen entsprechenden Personenkreis, der sich vom Lehrfacharbeiter nur dadurch unterscheidet, daß er über eine höhere als die Facharbeiterqualifikation verfugt (also z. B. der Chemiker, der in einem Labor laboranten ausbildet). Der Terminus' ,,Mitwirken" deutet schon daraufhin, daß ihre Ausbildertätigkeit eine ausführende, keine planende, kontrollierende d.h. in

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keiner Weise leitende ist. Thre Ausbildertätigkeit gilt als gesellschaftliche Funktion im Rahmen ihrer Facharbeitertätigkeit und zieht keinerlei arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich. Sie ,,handeln im Auftrag ihres Leiters und des gesamten Arbeitskollektives, wenn sie bei den Lehrlingen qualifiziertes, verantwortungsbewußtes, schöpferisches Arbeiten und sozialistische Verhaltensweisen im beruflichen und gesellschaftlichen Leben entwickeln".2 Im einzelnen bestehen ihre Aufgaben inbezug auf die Ausbildung im engeren Sinne im Auswählen und übertragen ausbildungsgerechter Produktions- und Arbeitsaufgaben entsprechend den Zielen des Lehr- und Lemauftrages für den geplanten Ausbildungszeitraum auf den Lehrling, im - Vermitteln der dafür erforderlichen Arbeitstechniken, Arbeitserfahrungen und Kenntnisse, im - Vertrautmachen des Lehrlings mit den Qualitätsanforderungen und Zeitvorgaben im Bereich des Arbeitskollektives sowie in der - systematischen Heranftihrung des Lehrlings an die Facharbeiterleistung. 3

Eine besondere formale QualifIkation ist fiir Lehrfacharbeiter nicht vorgesehen. Erforderlich sind aber Berufs- und Lebenserfahrung, hohes berufliches Wissen und Können, Ergebenheit gegenüber der DDR, Treue zum Beruf und Verbundenheit zum Betrieb; ferner muß er in seiner Arbeit, im gesellschaftlichen und im persönlichen Leben Vorbild sein. Lehrbeauftragte können nur in ihrem Einverständnis in diese Funktion eingesetzt werden. Sie werden dafür vom Leiter ihres Arbeitskollektives vorgeschlagen. Ihre Einsetzung erfolgt durch den Betriebsleiter; sie bedarf der Zustimmung der Betriebsgewerkschaftsleitung und der FDJ-Grundorganisation. Die formale Einsetzung als Lehrfacharbeiter/ Lehrbeauftragter ist immer dann erforderlich, wenn die Funktion für längere Zeit, d.h. mindestens für die Dauer eines Jahres ausgeübt werden soll. Erst, wer sich längere Zeit (mindestens ein Jahr) durch gute Ergebnisse bei der Bildung und Erziehung der Lehrlinge bewährt und bewiesen hat, daß er den gesellschaftlichen Anforderungen entspricht, kann zum Lehrfacharbeiter bzw. Lehrbeauftragten ernannt werden. Die Ernennung bedarf der Zustimmung des Vorsitzenden der Betriebsgewerkschaftsleitung sowie des Sekretärs der FDJGrundorganisation und erfolgt unter Aushändigung einer Urkunde. Erst dieser Ernennungsakt schließt die Berechtigung ein, die Bezeichnung "Lehrfacharbeiter" bzw. "Lehrbeauftragter" zusätzlich zur Berufsbezeichnung zu führen.

2 Lebelt, J. und Viertel, G.: Aufgaben bei Ausbildung der Lehrlinge in sozialistischen Arbeitskollektiven, in: Berufsbildung 1974, S. 449 f. 3 Einen ausführlichen Katalog von Aufgaben und Tätigkeiten des Lehrfacharbeiters stellt Regine Fickert: Rolle der Lehrfacharbeiter bei der Einarbeitung der Lehrlinge am künftigen Arbeitsplatz, in: Berufsbildung 1980(8) S. 336-338 (337) zusammen.

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Wenn es auch in der Anordnung über die gesellschaftliche Würdigung der Lehrfacharbeiter bzw. Lehrbeauftragten in der Berufsausbildung ausdrücklich heißt (§ 4 Abs. 2 Satz 2), daß ihnen aus dieser Tätigkeit keine Nachteile erwachsen dürfen, scheint dieses "Amt" nicht sehr begehrt zu sein. b) Leitungspersonal in der berufspraktischen Unterweisung Meister (a) Meister außerhalb des Handwerks (d.h. nicht nur in der Industrie, sondern z. B. auch im Bau- und Verkehrswesen und im Handel - genaue Abgrenzung in § 1 der va über die Aus- und Weiterbildung der Meister vom 27.6.1973, GBI I S. 342) haben die Funktion von Leitern der Produktionskollektive, und sie "wirken" in dieser Funktion "an der Heranbildung des Facharbeiternachwuchses mit" (§ 2). Dies ist allerdings keine zentrale Aufgabe, sondern nur eine unter zahlreichen anderen, wenn man auch in der literatur die Auffassung vertreten fmdet, daß es sich - zumindest in bestimmten Bereichen - bewährt habe, den Meistem im Produktionskollektiv auch die Anleitung und Unterweisung der Lehrlinge zu übertragen, d.h. sie mit der Funktion des Lehrfacharbeiters bzw. Lehrbeauftragten zu betrauen. Auf jeden Fall obliegt dem Meister jedoch die Einführung des Lehrlings in das Kollektiv und seine Planaufgaben und anderes mehr, insbesondere die Kontrolle der Lehraufträge des Lehrfacharbeiters und die Beurteilung des Lehrlings inbezug auf seine Zeit im Arbeitskollektiv. 4 Die Meisterausbildung baut auf der FacharbeiterqualifIkation auf. Sie umfaßt drei Teile, nämlich - eine allgemeine Grundlagenbildung(bestehend aus "politischer" Bildung, Arbeitswissenschaft sowie Betriebswirtschaft), - spezielle, d.h. nach "zweigliehen" und technologischen Erfordernissen differenzierte Fachbildung und das Meisterpraktikum, welches eine auf den späteren Einsatz (d. h. das spätere Einsatzgebiet ) ausgerichtete Spezialisierung darstellt. Grundlagenbildung und spezielle Fachbildung fmden außerhalb der Arbeitszeit statt. Auch ftir den Eintritt in die Meisterausbildung sind nicht nur fachliche (Bewährung als Facharbeiter, Erbringen hoher Leistungen in diesem Beruf), sondern auch persönliche (hohes Ansehen im Kollektiv) und (vor allem) politische (Klassenbewußtsein ) Anforderungen Voraussetzung; insbesondere sollen daftir erfolgreiche Brigadiere, bewährte Rationalisatoren, Mitglieder von Neuererkollektiven, Träger staatlicher Auszeichnungren sowie Produktionsarbeiterinnen und gesellschaftlich aktive Jugendliche gewonnen werden. Sofern 4 vgl. hierzu Lebelt, J. und Viertel, G.: Aufgaben bei der Ausbildung der Lehrlinge in den sozialistischen Arbeitskollektiven, in: Berufsbildung 1974, Heft 10, S. 449-452.

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Facharbeiter nicht den Abschluß der 10. Klasse in bestimmten Fächern erreicht haben, sind sie in den der vorgesehenen Fachrichtung entsprechenden mathematisch-naturwissenschaftlichen Anforderungen gezielt auf die Meisterausbildung vorzubereiten. - Die Meisterausbildung erfolgt in insgesamt 137 Fachrichtungen (vgl. Erste Durchführungsbestimmung zur va über die Aus- und Weiterbildung der Meister - Systematik der Fachrichtungen der Meister - vom 9.4.1984, Gm. SDr. Nr. 758/1). Eine gesonderte Meisterprüfung gibt es nicht: die Leistungsbewertung erfolgt vielmehr in einer Art von "contröle contenu" anhand eines Leistungsnachweisbuches. Der erfolgreiche Abschluß der Meisterausbildung wird durch eine Urkunde dokumentiert, die aufgrund des Leistungsnachweisbuches ausgestellt wird. Außerdem wird über den Abschluß ein Protokoll angefertigt. Die Meisterqualiftkation kann auch ohne die ,,normale" Meisterausbildung Facharbeiterinnen über 45 und Facharbeitern über 50 Jahren zuerkannt werden, wenn sie mindestens 10 Jahre als Leiter eines Meisterbereichs tätig waren, sich regelmäßig weitergebildet und sich anderweitig in bestimmter Weise hervorgetan haben. Meistens stehen zwei Wege weiterer Aufstiegsfortbildung zu Lehrkräften für den berufspraktischen Unterricht offen: - einmal können sich in der Berufsausbildung bzw. im polytechnischen Unterricht tätige oder hierfür vorgesehene Meister mit Meisterabschluß durch Absolvieren eines berufspädagogischen Zusatzstudiums unter Verantwortung des "Instituts zur Ausbildung von Ingenieurpädagogen" in Karl-Marx-Stadt zum Lehrmeister in der Fachrichtung ihrer Meisterausbildung qualiftzieren, und zum anderen - übrigens in diesem Falle ebenso wie auch Facharbeiter durch Fachschulstudium zum "IngenieW'-" bzw. "Ökonompädagogen (Lehrkraft ftir den berufspraktischen Unten-icht)". Während der erstgenannte Weg in einer "Sackgasse" endet, kann der zweitgenannte bis zum Ausbildungsleiter führen.

(b) Die Ausbildung der Meister im Handwerk ist in besonderen Vorschriften geregelt, nämlich in der Anordnung (Nr. 1) über die Ausbildung der Meister des Handwerks vom 30.12.1974 (Gm. S. 173), die auch als Anlage das Verzeichnis der Getzt 77) Fachrichtungen (geändert durch Anordnung Nr. 2 vom 20. Juli 1979 - GBl. I S. 273) und die Bewertungsregeln für die Leistungen während der Ausbildung (geändert durch Anordnung Nr. 3 vom 29. September 1987GBl. S. 275) enthält. Diese Vorschriften regeln die Ausbildung der Meister im Handwerk im wesentlichen analog der voranstehend beschriebenen Ausbildung für die Meister außerhalb des Handwerks. 1m Katalog der Aufgaben, für die sie ausgebildet werden sollen, nimmt die Lehrlingsausbildung keinen höheren Stellenwert ein als außerhalb des Handwerks (" . . . an der Heranbildung des Facharbeiternachwuchses mitzuwirken ... ",vgI. § 2 der Anordnung von 1974). Wie

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bei den Meistem in der Industrie, im Verkehrs- und Bauwesen, im Handel usw. ist auch im Handwerk die formale Meisterprüfung durch eine "contröle contenu" während der Ausbildung ersetzt, und die Weiterbildungsmöglichkeiten des Handwerksmeisters sind dieselben wie die oben beschriebenen. Lehrmeister Die Lehrmeister sind die "eigentlichen" Vorgesetzten der Lehrfacharbeiter in ihrer Funktion als Ausbilder, wenn auch die Meister als Leiter der Arbeitskollektive, in denen Lehrlinge ausgebildet werden, nicht völlig außerhalb des ,,Ausbildungsstranges" stehen, denn sie "wirken" ja, wie wir festgestellt haben, bei der Facharbeiterausbildung ,,mit". Der Lehrmeister, wie er uns heute in der DDR gegenübertritt, hat eine längere Entwicklung durchlaufen, die sich sowohl auf seine Funktion als auch auf seine Ausbildung bezieht. Nachdem in der Lehrlingsausbildung eine Schwerpunktverschiebung in Richtung der Arbeitskollektive eingetreten war, die zu einer Stärkung der Stellung und Aufgaben der Lehrfacharbeiter geführt hatte, wurde das Wirken des Lehrmeisters auf das organisatorische Feld verlegt. Eine institutionalisierte Lehrmeisterausbildung gibt es erst seit Mitte der 50er Jahre. Noch nach der Anordnung über die Ausbildung von Meistem zu Lehrmeistern vom 26.9.1973 (GBl. I S. 486) handelt es sich um eine sechsmonatige, auf die MeisterqualifIkation aufbauende Zusatzbildung im Fernstudium auf den Lemgebieten Pädagogik, Psychologie und Didaktik. § 4 der Anordnung über die Ausbildung von Lehrkräften für den berufspraktischen Unterricht vom 23. August 1982 schränkt die Lehrmeisterausbildung dann auf ,,in der Berufsbildung bzw. im polytechnischen Unterricht tätige oder hierfür vorgesehene Meister mit Meisterabschluß" auf solche Fachrichtungen ein, für die es keine Fachschulausbildung für Ingenieurpädagogen bzw. Ökonompädagogen gab, sowie auf Meister, die das 40. Lebensjahr überschritten haben; gleichzeitig wurde die Dauer des (postgradualen Fern-)Studiums mit der Bezeichnung "Betriebspädagogik (berufspraktischer Unterricht)" auf 1 Jahr verlängert, dessen Abschluß zur Führung der Berufsbezeichnung "Lehrmeister" mit der Benennung der Fachrichtung der Meisterausbildung berechtigte. - Die neuesteÄnderung vom 22.7.1988 (Anordnung Nr. 2 über die Ausbildung von Lehrkräften für den berufspraktischen Unterricht, GBl. I S. 191) beseitigt vorgenannte Beschränkungen im Hinblick auf bestimmte Fachrichtungen sowie im Hinblick auf die Altersbegrenzung wieder. - Dieses berufspädagogische Zusatzstudium wird "unter Verantwortung" des Instituts zur Ausbildung von Ingenieurpädagogen ,Herman Dunker', Karl-Marx-Stadt, durchgeführt. Sein erfolgreicher Abschluß berechtigt - unverändert - zur Führung des Titels "Lehrmeister" unter Hinzusetzung der Fachrichtung der Meisterausbildung. Soweit die Lehrlingsausbildung in Arbeitskollektiven erfolgt, ist die Tätigkeit und AufgabensteIlung der Lehrmeister eine vorwiegend organisatorische.

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Sie sind ,,flir die Leitung, Planung und Organisation des berufspraktischen Unterrichts der Lehrlinge in den Produktions- ,und Arbeitskollektiven ... voll verantwortlich". Im Zentrum dieser Aufgabe steht die Auswahl der flir die Lehrlingsausbildung geeigneten Arbeitskollektive sowie die Ausarbeitung der "Durchlaufpläne" der Lehrlinge und die Formulierung der Lehraufträge flir die Arbeitskollektive in übereinstimmung mit den staatlichen Lehrplänen. Sie sind zur ständigen Zusammenarbeit mit den Lehrfacharbeitern verpflichtet, "vor allem in allen Fragen über das Vorgehen bei den Arbeitsunterweisungen, zur Bewertung und Beurteilung der Arbeitsleistung und des Verhaltens der Lehrlinge" und "die Beratung über die Entwicklung des Leistungsvermögens und der Leistungsbereitschaft der Lehrlinge". 5 Ein Lehrmeister hat während der Ausbildung in den Arbeitskollektiven im allgemeinen 20 bis 30 Lehrlinge (hauptamtlich) zu betreuen (in der Grundlagenbildung in Lehrlingskollektiven der Lehrwerkstätten können es mehr sein).6 Lehrobermeister Beim Vorhandensein von 7 Lehrmeistern wird ihnen ein Lehrobermeister übergeordnet (bei 14 zwei und dann je 13 ein weiterer). 7 Nach einem Rahrnenfunktionsplan sind ihm (vgl. Bekanntmachung über die Rahrnenfunktionspläne flir leitende Mitarbeiter an Einrichtungen der Berufsbildung vom 6.10.1980 - VuM Nr. 10, S. 141) die Lehrkräfte des berufspraktischen Unterrichts, die Arbeiter und technischen Angestellten des Lehrobermeisterbereichs sowie die Lehrlinge während ihrer praktischen Berufsausbildung im Lehrobermeisterbereich unterstellt, während er selbst dem Ausbildungsleiter bzw. dem Abteilungsleiter flir die praktische Berufsausbildung der Lehrlinge untersteht. Sein Verantwortungsbereich umfaßt die Leitung, Planung und Durchführung des Bildungsund Erziehungsprozesses im Lehrobermeisterbereich auf der Grundlage der Beschlüsse der Partei und der Regierung, der Gesetze und anderen Rechtsvorschriften, der staatlichen Lehrpläne und Normative usw. usw. und - natürlich der Weisungen seiner Vorgesetzten. Dabei spielen politisch-gesellschaftliche Aufgaben im ausführlichen und umfangreichen Aufgabenkatalog - wie nicht 5 vgl. Instruktion zur effektiveren Gestaltung des berufspraktischen Unterrichts vom 6. März 1972, VuM Nr. 7, S. 56; vgl. auch Bens, G.: Effektive Gestaltung der speziellen Ausbildung sichert das Erreichen der Facharbeiterausbildung, in: Berufsbildung 1974, Heft 6, S. 273-275. & vgl. Kommentar zu § 3 der Direktive über Frequenzen bei der Organisation des Unterrichts an Einrichtungen der Berufsausbildung vom 14.3.1974 - Direktive: VuM Nr. 5, S. 56; Kornrneritar: VuM Nr.7, S.100. 7 vgl. Direktive über die Beschäftigung von Mitarbeitern an Einrichtungen der Berufsbildung vom 14.3.1974 - VuM Nr. 5, S.47, Ber. Nr. 12, S. 152.

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anders zu erwarten - eine große Rolle. Als QualifIkationsmerkmale führt der Rahmenfunktionsplan ,,Pädagogischer Fachschulabschluß, Erfahrungen in der Leitungs- und Lehrtätigkeit, Befähigungsnachweis für den Gesundheits- und Arbeitsschutz sowie Brandschutz" auf. Abteilungsleiter, Ausbildungsleiter Abteilungsleiter für die berufspraktische Ausbildung und Ausbildungsleiter stellen endlich die ,,höchsten" Stufen in der Ausbildungshierarchie dar. Auch ihre Aufgaben sind in entsprechenden Rahmenfunktionsplänen sehr ins einzelne gehend beschrieben und festgelegt. Beide Funktionen erfordern einen pädagogischen Hochschul- oder Fachschulabschluß sowie Erfahrungen in der leitungs- und Lehrtätigkeit sowie die Befähigungsnachweise im Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz. Von besonderem Interesse für den Beobachter aus der Bundesrepublik dürfte lediglich noch sein, daß der Ausbildungsleiter nach seinem Funktionsplan außer vom Betriebsleiter ,,zusätzliche Anleitung" auch vom übergeordneten wirtschaftsleitenden Organ und durch die Abteilung Berufsausbildung und Berufsberatung des zuständigen Rates des Kreises erhält.

I/L Ausbildungspersonal in der Bundesrepublik

In der Bundesrepublik fmdet man in den Regelungen des Berufsbildungsgesetzes ebenfalls die mit der Ausbildung von Lehrlingen Befaßten in zwei Gruppen eingeteilt: Da gibt es zunächst - vgl. § 20 Abs. 1 BBiG - Personen, die einen Lehrling einstellen, d. h. diejenigen, die den Lehrvertrag unterzeichnen oder in deren Namen der Lehrvertrag abgeschlossen wird. In Großbetrieben wird dabei allerdings - im Sinne der Vorschrift folgend - nicht auf die oberste Spitze der Betriebshierarchie abzustellen sein, sondern auf den "Höchsten", der mit dem Lehrling noch in persönlichen Kontakt kommt. Das Berufsbildungsgesetz verlangt von dieser Personengruppe nur eine "persönliche Eignung" (die insbesondere bei Personen ausgeschlossen ist, die Kinder oder Jugendliche nicht beschäftigen dürfen oder die wiederholt oder schwer gegen das Berufsbildungsgesetz oder gegen aufgrund dieses Gesetzes erlassene Vorschriften verstoßen haben); die beschriebene Personengruppe benötigt darüber hinaus weder eine weitergehende fachliche, d.h. auf den Beruf, zu dem ausgebildet werden soll, bezogene, noch eine arbeits- oder berufspädagogische Eignung. Will diese Personengruppe allerdings selbst ausbilden, muß sie auch Über die fachliche und pädagogische Eignung verfügen. Die 2. Personengruppe erfaßt diejenigen, welche ausbilden; sie müssen persönlich, fachlich und pädagogisch geeignet sein. Unter diesen Personengruppen - und die genannten Eignungsanforderungen - fallen jedoch nicht

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Personen, die lediglich bei der Berufsausbildung "mithelfen" oder gelegentlich dabei ,,mitwirken", flir die Berufsausbildung keine Verantwortung tragen und weder über eine Planungs- noch eine Weisungskompetenz inbezug auf die Berufsausbildung verfügen; gleichwohl müsse auch sie persönlich geeignet sein. Die Unterscheidungsmerkmale der beiden sich aus dem Berufsbildungsgesetz ergebenden Personengruppen sind andere, als wir sie aus der DDR kennengelernt haben: während dort "Leitung" und "Durchführung" der Berufsausbildung die Kriterien sind, sind es in der Bundesrepublik einmal die arbeitsrechtlichen Beziehungen, das andere Mal die pädagogischen Beziehungen zum Lehrling. Die von der DDR her bekannte Institution des Lehrfacharbeiters hat in der Bundesrepublik wohl ein tatsächliches, jedoch kein rechtliches Pendant. Mögen insoweit die Regelungen über das betriebliche Ausbildungspersonal in der Bundesrepublik einfacher erscheinen, weil sie nicht so eine ausgefeilte Hierarchie vorsehen, wie in der DDR (wenn es auch derartige Hierarchien tatsächlich in Großbetrieben geben dürfte, allerdings ohne die formalen QualifIkationsanforderungen wie in der DDR), so wird die Situation ausgesprochen verworren, wenn wir nach den Antworten auf die Fragen nach (1) der fachlichen und (2) der berufs- und arbeitspädagogischen Eignung suchen. Damit werden sich die folgenden Ausführungen befassen. 1. Die Fachliche Eignung nach der BBiG in der Bundesrepublik Der Begriff der fachlichen Eignung bezieht sich auf alles, was Planung, Organisation und Durchführung der Ausbildung betrifft. Wenn das auch weiter reicht, als ein Berufsabschluß aufgrund des BBiG, so geht das Gesetz dennoch von dem Grundsatz aus, daß die "erforderlichen beruflichen Fertigkeiten und Kenntnisse", wie es in § 20 Abs. 3 Nr. 1 BBiG heißt, durch eine entsprechende Facharbeiterprüfung nachgewiesen sind. Selbst die Facharbeiterprüfung ist jedoch nicht zwingende Voraussetzung, denn infolge der negativen Formulierung des Gesetzestextes muß - abgesehen von offensichtlichen Fällen - das Fehlen der fachlichen Eignung nachgewiesen werden. Das ist aber nur der grundsätzliche Ausgangspunkt des Berufsbildungsgesetzes. Obwohl es häufIg als die große "Vereinheitlichungsmaßnahme" auf dem Gebiet der Berufsausbildung gefeiert wurde, gibt es zahlreiche Sonderregelungen flir einzelne Wirtschaftszweige und Berufsgruppen : Den größten Sonderbereich stellt das Handwerk dar. Hier wird die Befugnis zum Anleiten von Lehrlingen grundsätzlich durch das Ablegen der Meisterprüfung in dem entsprechenden Handwerk, in dem ausgebildet werden soll, erworben; außerdem ist ein Mindestalter von 24 Jahren erforderlich. Im Ausnahmefall kann die Befugnis allerdings auch aufgrund § 22 HwO erworben werden. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kann die Meisterprüfung durch eine Abschlußprüfung einer deutschen Technischen Hochschule oder einer öffent·

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lich anerkannten deutschen Ingenieurschule in der dem betreffenden Handwerk entsprechenden Fachrichtung ersetzt werden, wenn der Bewerber die Gesellenprüfung in dem konkreten Handwerk oder eine entsprechende Prüfung abgelegt hat oder in diesem Handwerk mindestens 4 Jahre praktisch tätig gewesen ist. Abs. 2 ermächtigt den Bundesminister für Wirtschaft, den vorgenannten Prüfungen weitere gleichzustellen; davon wurde jedoch bisher nicht Gebrauch gemacht. Auf weitere Ausnahmevorschriften in § 8 und § 22 Abs. 3 und 4 möchte ich nicht weiter eingehen. - Im grafischen Gewerbe ist die Ausbildungsmeisterprüfung oder die Meisterprüfung in einem entsprechenden Handwerk erforderlich(§ 77 BBiG). - In der landwirtschaft und in der ländlichen Hauswirtschaft ist entweder die landwirtschafts- bzw. Hauswirtschaftsmeisterprüfung oder entsprechender Hochschul- oder Ingenieurschulabschluß oder das Ablegen einer "anerkannten Prüfung" erforderlich und zusätzlich entsprechende bzw. angemessene Berufspraxis (§ 80 BBiG). - Die fachliche Eignung für die Ausbildung von Rechts- und Patentanwaltssowie von Notargehilfen erfordert die Zulassung zur Rechts- bzw. Patentanwaltschaft bzw. die Bestellung als Notar (§ 88 BBiG). Für die Ausbildung von Gehilfen in steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen erfordert die fachliche Eignung die Bestellung bzw. Anerkennung als Wirtschaftsprüfer, als vereidigter Buchprüfer, als Steuerberater oder als Steuerbevollmächtigter (§ 90 BBiG). Die Ausbildung als Arzt-, Zahnarzt- oder Apothekenhelfer setzt als fachliche Qualiflkation die entsprechende Approbation voraus (§ 92 BBiG). - In der städtischen Hauswirtschaft dürfen nur Hauswirtschaftsmeister ausbilden oder Personen mit dem Abschluß einer höheren Fachschule entsprechender Fachrichtung und angemessener Berufspraxis oder Personen, denen die fachliche Eignung widerruflich nach landesrecht zuerkannt wurde (§ 94 BBiG).

2. Die pädagogische Eignung in der Bundesrepublik Was nun die pädagogische Eignung der Ausbilder anbelangt, so sind hierfür für die Bereiche außerhalb des Handwerks die sog. Ausbilder-Eignungsverordnungen maßgeblich, von denen es inzwischen auch schon zahlreiche gibt. Die Mehrzahl der Verordnungen ergibt sich vor allem aus unterschiedlichen Zuständigkeiten für den Erlaß der Verordnungen, teilweise aber auch aus Schwierigkeiten bei der Einfiihrung: Die übergangsfristen für den Bereich der gewerblichen Wirtschaft wurden mehrfach verlängert.

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Bis jetzt wurden erlassen: - VO über berufs- und arbeitspädagogische Eignung für die Berufsausbildung in der gewerblichen Wirtschaft vorn 20.4.1972 (BGm. I S. 707) mit 4 Änderungsverordnungen - vorn 25.7.74 (BGBI. I S. 1571) mit Berichtigung vorn 11.9.1974 (BGBI. I S.2325), - vorn 21. 3.1977 (BGm. I S.498), - vorn 24. 6.1978 (BGm. I S.784), - vorn 3.10.1984 (BGm. I S. 1261) sowie durch die - AEVO Hauswirtschaft vorn 29.6.1978 (BGm. I S.976); - VO über berufs- und arbeitspädagogische Eignung für die Berufsausbildung in der Hauswirtschaft - Teilbereich städtische Hauswirtschaft - vorn 29.6. 1978 (BGm. I S. 976) mit 2 Änderungsverordnungen - vorn 10. 6.1983 (BGBI. I S. 964) und - vorn 10.12.1984 {BGm. I S.1517); - VO über berufs- und arbeitspädagogische Eignung für die Berufsausbildung in der Landwirtschaft vorn 5.4.1976 (BGBI. I S.923); - VO über berufs- und arbeitspädagogische Eignung für die Berufsausbildung durch Ausbilder in einern Bematenverhältnis zum Bund vorn 26.4.1977 (BGm. I S. 660), geändert durch - VO vorn 8.12.1982 (BGm. I S. 1623); - VO über berufs- und arbeitspädagogische Eignung für die Berufsausbildung durch Ausbilder in einern Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst vorn 16.7. 1976 (BGBI. I S. 1825), geändert durch - die AEVO Hauswirtschaft vorn 29.6.1978 (BGm. I S.978). Aufgrund dieser Verordnungen ist die pädagogische Eignung durch eine Prüfung über folgende Lemgebiete nachzuweisen: 1. Grundfragen der Berufsbildung (wird nur mündlich geprüft), 2. P1anung und Durchführung der Ausbildung, 3. Der Jugendliche in der Ausbildung und 4. Rechtsgrundlagen (Nr. 2 bis 4schriftllch und mündlich).

Im Handwerk umfaßt die Meisterprüfung ebenfalls diese Materie (vgl. VO über die gemeinsamen Anforderungen in der Meisterprüfung im Handwerk vorn 12.12.1972 BGBI. I S.2381).

IV. Übereinstimmung und Unterschiede (Zusammenfassende Thesen) Aufgrund meiner vorangegangenen Ausführungen lassen sich folgende Feststellungen hinsichtlich Übereinstimmungen und Unterschiede inbezug auf

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staatlicherseits vorgegebene Qualifikationsanforderungen sowie die Funktionen von betrieblichen Ausbildern in der DDR und in der Bundesrepublik Deutschland feststellen: 1. Politisierung In der DDR spielen politische Einstellung und gesellschaftliches Engagement des Ausbildungspersonals für den berufspraktischen Unterricht sowohl für die Personalauswahl als auch bei dessen Aufgaben und Funktionen eine beträchtliche, wenn nicht eine letztlich entscheidende Rolle. In der Bundesrepublik kommt es dagegen lediglich auf die persönliche, fachliche und pädagogische Eignung an. 2. liberalität Die Eignungsanforderungen für Lehrkräfte für den berufspraktischen Unterricht sehen in der DDR generell bestimmte formale QualifIkationen bzw. Abschlüsse vor, während dies in der Bundesrepublik nur hinsichtlich der pädagogischen Eignung der Fall ist; allerdings ist auch heute das Ablegen der Ausbildereignungs-Prüfung noch nicht durchgängige verbindliche Voraussetzung ohne Ausnahme. Was die fachliche Eignung angeht, so gilt in der Bundesrepublik - von offensichtlichen Fällen abgesehen - zunächst eine gesetzliche Vermutung für das Vorliegen der fachlichen Eignung, deren Fehlen ggf. von der zuständigen Stelle nachgewiesen werden muß. 3. Einheitlichkeit In der DDR gelten für alle Zweige der Wirtschaft einheitliche QualifIkationsanforderungen. In der Bundesrepublik ist die "Einheitlichkeit" auf Industrieund Handel beschränkt, darüber hinaus herrscht eine ziemliche Zersplitterung hinsichtlich der fachlichen Eignungsanforderungen: für das Handwerk, für das grafische Gewerbe, für Land- und Hauswirtschaft, für die Ausbildung von Gehilfen in rechts-, steuer- und wirtschasftsberatenden Berufen sowie von Arzt-, Zahnarzt- und Apothekenhelfern bestehen nicht nur in unterschiedlichen Vorschriften normierte, sondern auch hinsichtlich der QualifIkationsebenen höchst unterschiedliche Regelungen; teilweise muß sogar zur (akademischen) Berufsprüfung der formale Akt einer der Bestallung treten. 4. Hierarchisierung des Ausbildungspersonals Die Vorschriften der DDR sehen eine strenge Hierarchisierung des Ausbildungspersonals vor. Die Vorschriften der Bundesrepublik kennen lediglich eine Unterscheidung entsprechend dem Doppelcharakter des Ausbildungsvertrages als einerseits arbeitsrechtliches andererseits "pädagogisches" Verhältnis.

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5. Hierarchie der Qualiftkationsebenen Nach den Vorschriften in der DDR unterscheidet sich Leitungspersonal und Durchführungspersonal abgesehen von den Funktionen deutlich durch die Ebenen ihrer fachlichen Qualiftkation. In der Bundesrepublik fehlen derartige Unterscheidungen im Regelwerk über die Berufsausbildung. 6. Ausführungspersonal Während in der DDR auch die unterste Stufe des Ausbildungspersonals - der Lehrfacharbeiter bzw. Lehrbeauftragte - institutionalisiert ist, fmden sich in der Bundesrepublik für die entsprechende Personengruppe keine besonderen Vorschriften. Auch in der DDR muß der Lehrfacharbeiter bzw. Lehrbeauftragte über keinerlei formale pädagogische Qauliftkation verfügen. 7. Trennung von schulischem Lehr- und betrieblichem Ausbildungspersonal Obwohl in der DDR die Berufsschulen in aller Regel zum Betrieb gehören und sie dann sowohl den berufstheoretischen als auch den berufspraktischen Unterricht umfassen, unterscheidet sich auch hier die Ausbildung der Lehrer für den berufstheoretischen Unterricht von der Ausbildung des Personals des berufspraktischen Unterrichts wie in der Bundesrepublik Deutschland. 8. Strukturorientierung Während das DDR-Modell offensichtlich an großbetrieblichen Strukturen (Kombinate) orientiert ist, ist die Orientierung in der Bundesrepublik am Mittel- und Kleinbetrieb. 9. Professionalisierung Das Ausbildungspersonal ist in der DDR weit stärker professionalisiert als in der Bundesrepublik. 10. Relation Ausbilder: Lehrlinge (ohne Planungspersonal) Während in der Bundesrepublik etwa 4-3,6 Mio Personen (insgesamt 17% der Beschäftigten, im einzelnen 37% der Meister - im Handwerk sogar 67%und 17 % der Facharbeiter - 15 % in der Industrie und 23 % im Handwerk) direkt mit der Ausbildung und Unterweisung von ca. 1,8 Mio Lehrlingen befaßt sind, sind es in der DDR etwa 100000 Lehrfacharbeiter und 33000 Lehrmeister bei rund 450000 Lehrlingen. Daraus resultiert in der DDR ein Verhältnis von 1 (Ausbilder) : 3,4 (Lehrlinge), während es in der Bundesrepublik 2 : 1 beträgt.

Barbara von Pawel DIE SONDERPÄDAGOGISCHEN BERUFE IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND UND IN DER DDR Wenn Sonderpädagogen sich übergangen flihlen, werden sie aktiv. Im ersten Programm-Entwurf zu dieser Tagung war es der Fall, und ich flihlte mich motiviert einzugreifen. Dieses Minderheiten-Schicksal, vergessen zu werden, hat zur Folge, daß es zur Fragestellung meines Referates relativ wenig Material gibt. So vergleicht z. B. E. Schiele (1984) alle möglichen Lehrertypen aus Bundesrepublik und DDR, die Sonderpädagogen werden aber vergessen. Auch Rudolph und Husemann (1984) bringen allerhand Interessantes über "Hochschulpolitik zwischen Expansion und Restriktion" in den beiden Teilen Deutschlands, wobei allerdings Lehrerbildung insgesamt nur kurz, Sonderpädagogenausbildung überhaupt nicht erwähnt werden. Ein wenig Information lieferte der neue Studienführer DDR des Deutschen Akademischen Austauschdienstes von 1989. Meine Ausführungen stützen sich darüber hinaus auf amtliche und private Aussagen zum Sonderpädagogen des jeweils eigenen Bereichs. Es konnte nur eine einzige Vergleichsstudie zu dieser speziellen Fragestellung aufgefunden werden, u. z. die sehr gründliche Darstellung von Gerda Freiburg (1988). Ich gliedere mein Referat in drei Kapitel: Zunächst möchte ich skizzieren, welche sonderpädagogischen Berufe überhaupt in Ost- und Westdeutschland existieren. Dann werde ich zweitens ein paar Stichwörter zu Ausbildungsfragen anführen und schließlich drittens einige ausgewählte Probleme sonderpädagogischer Professionalisierung vergleichend in den Blick nehmen.

L Das Spektrum sonderpödagogischer Berufe In beiden Teilen Deutschlands zählen dazu: Erzieher (Vorschul- und Hort-/ Heimerzieher), Sozialpädagogen, Lehrer und Diplompädagogen. Der Pädagogik nahestehende Berufsgruppen, die in einigen speziellen Sonderschulen arbeiten, sind Krankengymnasten, Beschäftigungs- und Sprachtherapeuten bzw. Logopäden. In den hiesigen Berufsbildungs- und Berufsförderungswerken sowie in den vergleichbaren Einrichtungen in der DDR, in den Rehabilitationszentren für Berufsbildung, fmden sich noch vereinzelt Berufsschullehrer und Lehrmeister bzw. Lehrfacharbeiter und Werkmeister mit sonderpädagogischen Zusatzquali-

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flkationen. Vergessen werden sollte nicht Pflegepersonal, das angesichts schwerster Behinderungen immer auch pädagogische Funktionen ausübt. Im einzelnen regelt in der DDR die Sonderschulverordnung von 1984 (5. Durchführungsbestimmung zum Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungswesen - Sonderschulwesen - vom 9. Februar 1984) als derzeit aktuellste behördliche Verlautbarung das System der bestehenden Sonderschulen und den Arbeitsauftrag der dort tätigen Berufsgruppen. Demnach existieren Hilfsschulen, Schulen für Gehörlose, Schwerhörige, Blindenschulen, Sehschwachenschulen, Sprachbehindertenschulen , Körperbehindertenschulen, Ausgleichsklassen sowie Sonderschulen im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens. Diese werden von ca. 3 % aller Schüler besucht, sind durchweg Ganztagsschulen und in staatlicher Trägerschaft.

In der Bundesrepublik befmden sich ca. 5 % aller Schüler in ebenfalls 9 Sonderschultypen, den Schulen für Blinde, Gehörlose, Geistigbehinderte, Körperbehinderte, Lernbehinderte, Schwerhörige, Sehbehinderte, Sprachbehinderte und Verhaltensgestörte. Die offiziellen Grundlagen für dieses System stellen immer noch die Empfehlungen der Kultusrninisterkonferenz von 1972 und des Deutschen Bildungsrats von 1973 dar. Ein prozentual also kleineres, geringfügig unterschiedlich gegliedertes Sonderschulwesen in der DDR steht dem der Bundesrepublik gegenüber. Dieser niedrigere Sonderschüleranteil in der DDR erklärt sich einerseits durch den Wegfall einiger "guter" lernbehinderter Schüler, die die Polytechnische Oberschule (POS) anscheinend mittragen kann, wie auch andererseits der geistig- und schwerstmehrfachbehinderten Schüler. Aus der Gegenüberberstellung von Sonderschulverordnung und KMK- bzw. Bildungsratsempfehlung wurde noch nicht deutlich, daß durch den Bildungszentralismus natürlich mehr Übersichtlichkeit und eine straffere Planung erreicht werden als durch unser föderalistisches System. Dieser Sachverhalt drückt sich z. B. aus in einer konsequenteren Flächendeckung des SonderschuInetzes in der DDR und darin, daß nahezu alle speziellen Sonderschulen in Internatsform arbeiten (Blindenschulen, Schulen für Körperbehinderte etc.). Auch Früh- und Elementarerziehung sind in der DDR bereits stärker an die Spezialschulen angebunden als in der BRD. Der ausgeprägtere Elternwille verhindert in der Bundesrepublik die generelle Einführung des Ganztagsbetriebs in Sonderschulen. Ein Hinweis ist noch notwendig im Hinblick auf Schulen in privater Trägerschaft : Solche gibt es in der Bundesrepublik natürlich in allen Sonderschulbereichen (z. B. katholische Schule für Gesundheitsgeschädigte, heilpädagogische Vorschuleinrichtung nach Steiner etc.). In der DDR ist die private (meist kirchliche) Trägerschaft ausschließlich geistigbehinderten und schwerstmehrfachbehinderten Schülern vorbehalten.

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Ein weiterer für den Sonderpädagogen folgemeicher Unterschied der beiden Sonderschulsysteme ist die Ausstattung mit Richtlinien und Lehrplänen, die in der DDR nahezu komplett, in der Bundesrepublik bezüglich einiger Sonderschultypen so gut wie gar nicht vorhanden ist. Solche Lehrplanwerke sind immer Handreichung und Einengung zugleich, gestern sagte jemand: Hilfe und Gängelung zugleich. Die vorfmdbaren Berufsgruppen sind in den Teilen Deutschlands also nahezu identisch, wenn sie auch, wie zu zeigen sein wird, unterschiedlich ausgebildet sind und teilweise andere Alltagsprobleme haben dürften.

/1 Ausbildungsfragen

Bürli hat kürzlich (1989, S. 394) drei Entwicklungslinien hinsichtlich der heilpädagogischen Ausbildung der Lehrer Europas herausgestellt: In eine erste Kategorie ordnet er Länder, die Heil- oder Sonderpädagogik als integralen Teil der Lehrerbildung betrachten. In einer zweiten Kategorie befmden sich Länder, in denen innerhalb der Lehrergrundausbildung eine heilpädagogische Spezialisierung vorgesehen ist, die aus mindestens einem Jahr Vollzeitstudium besteht. Hier ordnet Bürli zurecht einige in der Bundesrepublik vorfmdbare grundständige Studiengänge ein (z. B. Bremen, Hamburg, Marburg). Die dritte Kategorie enthält Länder, die die sonderpädagogische Ausbildung der Lehrer in den Weiterbildungsbereich, zum Teil auch in den Fortbildungssektor situiert. Lehrdiplome und Unterrichtserfahrung werden vorausgesetzt. Für die Weiterbildung bestehen Vollzeit- und berufsbegleitende Varianten. Auch hier fmdet sich wieder die Bundesrepublik mit ihren Zusatz- oder Ergänzungsstudiengängen. Die DDR wurde von Bürli nicht eingeordnet, ist aber ähnlich wie die BRD in den Kategorien 2 und 3 vorfmdbar , denn auch dort gibt es grundständiges und postgraduales Studium. Der schon erwähnte DAAD-Studienflihrer weist für die DDR vier Studienstätten für Sonderpädagogen aus. Es sind dieses: 1. die Humboldt-Universität in Berlin, an der alle 9 sonderpädagogischen Fachrichtungen grundständig und postgradual studierbar sind; 2. die Wilhelm-Pieck-Universität Rostock mit grundständiger Hilfsschullehrerausbildung (5 Jahre); 3. die Pädagogische Hochschule Erich Weinert in Magdeburg mit grundständiger Hilfsschullehrerausbildung (3 +2 Jahre) sowie 4. die Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg mit postgradualer Hilfsschullehrerausbildung. In der BRD gibt es 16 Studienstätten an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen. Die Humboldt-Universität bietet Direkt- und Fernstudiengänge von 2-jähriger Dauer an. Hier liegt mir eine Studienordnung für Körperbehindertenpädagogik von 1987 vor, die analog auch für die übrigen studiertbaren Fachrichtungen gültig ist (Ministerrat 1987). Die Direktstudiengänge miinden 7 Baske

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ein in den Diplomerzieher (nur postgradual) und den Diplomsonderschullehrer für eine Fachrichtung. Mit Fernstudiengängen kann man Sondererzieher oder Sonderschullehrer werden. Alle vier Berufsgruppen erwerben mit diesen Studiengängen die QualifIkation für die Arbeit an dem jeweiligen Sonderschultyp. Nur Diplomerzieher oder -lehrer können jedoch über Weiterbildungsmaßnahmen in Funktionspositionen gelangen. Hier liegt also verglichen mit der westlichen DefInition des Diplompädagogen eine andere Regelung vor. Die Studienordnungen weisen auch tatäschlieh didaktische Schwerpunkte und Schulpraktika für den östlichen Diplompädagogen aus, was für den westlichen in der Regel nicht der Fall ist. Ein weiterer gravierender Unterschied in den sonderpädagogischen Ausbildungssystemen ist in der Möglichkeit des postgradualen Studiums für Sondererzieher in Berlin und Magdeburg zu sehen. Wo gibt es bei uns Erzieher an Universitäten? In der Bundesrepublik existieren lediglich in privatrechtlicher Trägerschaft dnzelne Schulen, die sogenannte Heilerzieher oder Heilerziehungspfleger ausoilden. Die westlichen Fernstudiengänge aus Hagen und Tübingen enthalten bislang noch wenig Sonderpädagogik und werden nicht annähernd so breit wie die der DDR wahrgenommen (40-50 % aller Sonderpädagogen absolvierten dort das Fernstudium). Hinsichtlich der Ausbildungsinhalte ist noch auffällig, daß in der DDR jeweils nur eine sonderpädagogische Fachrichtung studiert wird, in der BRD, wie auch in Teilen der für die DDR so vorbildlichen Sowjetunion, sind es jedoch zwei. Der DDR-Sonderpädagoge ist damit hoch spezialisiert, er ist aber auch noch weniger flexibel einsetzbar als der Kollege aus BRD oder SU (einiger Unionsstaaten ). Neben gesellschaftstheoretischen und allgemein-pädagogischen Ausbildungsanteilen nehmen medizinische und psychodiagnostische Studienanteile in der DDR breiten Raum ein. Auffällig und für uns vorbildlich ist die Betonung sprachtherapeutischer Teile in allen sonderpädagogischen Studienordnungen und ein hoher Praxisbezug. Dagegen fehlt jede Soziologie der Behinderten. Insgesamt sind die Studienordnungen von großer fachrichtungsspezifIscher Vollständigkeit. Ein großer Teil der Angebote, die in der Bundesrepublik fakultativ stattfmden, ist in der DDR obligatorisch (bei Körperbehindertenpädagogik z. B. Methodik der Wahrnehmungserziehung und Methodik der Selbstbedienung/ Selbsthilfetraining). Die Studiendauer beträgt in der DDR zwei bis fünf Jahre, bei wohlgemerkt einer studierten Fachrichtung, während sie in der BRD zwischen 1 1/2 und 4 1/2 Jahren schwankt. Damit ist der Diplomsonderpädagoge in der DDR deutlich gründlicher qualifIziert als der Sonderschullehrer in der BRD, auch wenn hier auf das Grundstudium noch ein Referendariat folgt. Auch Krankengymnasten sind in der DDR, wie überall sonst, breiter ausgebildet als bei uns. Einzigartig in der Bundesrepublik gibt es mit Krankengym-

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nast und Masseur zwei Berufe in diesem Bereich. Die Krankengymnastenausbildung in der DDR umfaßt auch die QualifIkation des medizinischen Bademeisters und Masseurs und dauert 5 Jahre gegenüber hier 3 Jahren.

IIL Ausgewählte Probleme sonderpädagogiseher Professionalisierung Als Resultat der hohen Spezialisierung während der Ausbildung, wie überhaupt des gesamten somatisch orientierten östlichen Ansatzes der Sonderpädagogik, wird eine hohe Defektorientierung von westlicher Seite kritisiert. Dieses würde auf die Praxis bezogen bedeuten, daß östliche Sonderpädagogen sehr isoliert an den Schwächen und Ausfällen des Schülers kompensatorisch arbeiten und dabei den ganzen Menschen und andere Ursachenkomplexe aus dem Blick verlören. Sicher ist dieses eine Gefahr, der aber durch die stark gegenläufige Perspektive, auch aus dem behinderten Kind eine sozialistische Persönlichkeit zu formen, gegengesteuert wird. Die hohe Spezialisierung bringt andererseits jedoch eine Reihe von Forschungsergebnissen mit hoher Praxisrelevanz hervor, z. B. über die Methodik des Handschreibens bei cerebral bewegungsgestörten Schülern, an die sich im Westen niemand mit einem ähnlichen akribischen Forschungsinteresse heranmachen würde. So hat Defektorientierung auch Vorteile. Ein weiterer Vorwurf aus westlicher Sicht lautet, daß das östliche pädagogische Teilsystem der Sonderschulen noch stärker separierte als das westliche, wo man seit Anfang der 70er Jahre die schulische Integration behinderter Kinder entdeckt hat. Die Zahlen sprechen gegen diesen Vorwurf (5 % Sonderschüler hier, 3 % in der DDR). Auch innerhalb der sogenannten speziellen Sonderschulen, z. B. in den Körperbehindertenschulen, ist der zahlenmäßige Beweis für mehr Separierung nicht zu erbringen; sowohl in der DDR als auch in der BRD besuchen faktisch ca. 0,35 % der Schüler Körperbehindertenschulen. Andererseits gibt es in der Bundesrepublik eine Reihe von Schulversuchen zur integration bzw. es laufen vielfältige Initiativen, die früher ungeregelte schulische Integration behinderter Kinder sorgfältiger pädagogisch zu begleiten. Auf diese Weise gelangen zunehmend Sonderpädagogen in allgemeine Schulen, sehen sich also mit einem völlig neuen Berufsbild konfrontiert oder ftihlen sich gar durch die Auflösung von Sonderschulen bedroht. Von ähnlichen Maßnahmen aus der DDR ist wenig bekannt. Der POS-Lehrer scheint dort einfach tragfähiger zu sein als der Grund-, Haupt- und Realschullehrer bei uns. Baudisch setzt sich im Januar 1989 mit westlichen Integrationsmodellen auseinander, jedoch nicht ohne, sie als Verschleierung der Klassenunterschiede zu kritisieren (1989, S. 5). Ein Problem beider Teile Deutschlands ist der Sonderschullehrermangel. So unterrichten noch überall in den Sonderschulen viele nicht speziell ausgebildete Pädagogen. Diese Frage scheint auch in der zur Weiterbildung wesentlich stär7*

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ker verpflichteten Pädagogenschaft der DDR und angesichts der Fernstudienangebote nicht besser lösbar zu sein als im Westen (Das Zentralinstitut flir Weiterbildung in der DDR in Ludwigsfelde bietet auch Weiterbildung flir Sonderpädagogen ). Ob sich bei etwa gleicher schulischer Integration die gesellschaftliche Integration behinderter Menschen in sozialistischen Systemen mit ihrem Recht auf Arbeit auch flir Behinderte günstiger darstellt, ist schwer nachweisbar. Auch in der DDR gibt es Aussonderung. Helwig (1980, S. 168) spricht von einer Grundhaltung des "sozialistischen Konformismus", der Abweichung hart sanktioniere. Ob damit auch der DDR-Sonderpädagoge, ähnlich wie sein westlicher Kollege, ein hilfloser Helfer sein kann, der zusammen mit der von ihm zu erziehenden Klientel Ausgliederungsmechanismen unterliegt, ist ebenso schwierig zu ermitteln. Es ist jedoch anzunehmen, daß in der DDR-Gesellschaft, allein durch die gleiche Tradition, ähnliche Mechanismen herrschen, wie in der BRD, wo Sonderschullehrer neben Ausgliederung, Verachtung und Vorurteil auch überhöhung, Verehrung und besondere Wertschätzung erfahren, wo also eine sehr zwiespältige Sicht sonderpädagogischer Berufe existiert.

Literatur Baudiseh, Winfried: Effektive Bedingungen und Wege für die Bildung und Erziehung physisch-psychisch geschädigter Kinder und Jugendlicher. In: Die Sonderschule 34. Jg. (1989), S. 1-9. Bürli, Alois: Europas Lehrer und ihre heilpädagogische Ausbildung. In: Z. Heilpäd. 40. Jg. (1989), S. 394-395. DAAD-Studienführer DDR, Bonn 1989. Dt. Bildungsrat. Empfehlungen der Bildungskommission: Zur pädagogischen Förderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder und Jugendlicher. Bonn/Bad Godesberg 1973. Freiberg, Gerda: Das Sonderschulwesen der Deutschen Demokratischen Republik. In: Novikov/Freiburg/Jehle: Entwicklungen im Sonderschulwesen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik. Köln/Wien 1988, S.32-143. Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik: Fünfte Durchführungsbestimmung zum Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem - Sonderschulwesen - vom 9. Februar 1984. Helwig, Gisela: Am Rande der Gesellschaft, Alte und Behinderte in beiden deutschen Staaten. Köln 1980. Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik/Ministerium für Volksbildung/Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen: Lehrprogramme für die Ausbildung von Diplomlehrern, Diplomerziehern und Diplomvorschulerziehern für Körperbehinderte (auf der Grundlage des Studienplanes vom 1.9.

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1985) und für die Ausbildung von Lehrern und Erziehern für Körperbehinderte (auf der Grundlage des Sonderstudienplanes vom 1.9.1985). Als verbindliche Lehrprogramme für die Ausbildung an Universitäten und Hochschulen der DDR bestätigt. Potsdam 1987. Rudolph, H./Husemann, R.: Hochschulpolitik zwischen Expansion und Restriktion. Ein Vergleich der Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik. Frankfurt a. Main/ New York 1984. Schiele, E.: Hochschulreform und Lehrerbildung in der DDR seit 1965. Berlin 1984. Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder, in der Bundesrepublik Deutschland: Empfehlung zur Ordnung des Sonderschulwesens. Nienburg 1972.

Milan BeneJ SOZIALPÄDAGOGISCHE BERUFE IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND UND IN DER DDR Die sozialpädagogischen Berufe in der DDR konzentrieren sich im Bereich der Jugendhilfe. Die Sozialpädagogik in der DDR könnte somit als Theorie und Praxis der erzieherische~~ Tätigkeit in den Einrichtungen der Jugendhilfe bezeichnet werden; in der DDR selbst wird folgerichtig von der ,,Pädagogik der Jugendhilfe und Heimerziehung" gesprochen. Noch in den siebziger Jahren deflnierte z. B. Mollenhauer die Sozialpädagogik als Synonym ftir die Theorie der Jugendhilfe. 1 Diese übereinstimmung könnte vortäuschen, daß die Sozialpädagogik der DDR und der Bundesrepublik Deutschland gleichermaßen die Tradition der Diskussion der 20er Jahre hochhalten, die schon einmal eine solche Deflnition hervorgebracht hat. Zu der deutschen Tradition gehört es, die Jugendhilfe als dritten pädagogischen Bereich neben Familie und Schule zu betrachten, d.h. die ursprüngliche Aufgabe, die Jugendftirsorge/Erziehungshi1fe um die Jugendpflege/Jugendarbeit oder auch um die Elementarerziehung zu erweitern. Dabei ftihlt sich die Sozialpädagogik zwar mehr oder weniger mit der Pädagogik verbunden, weiß jedoch, daß sie eine besondere Art der Eingliederungshi1fe bietet. Infolgedessen wird sie häuflg als Feuerwehr ftir Fälle mißverstanden, in denen die anderen Erziehungsträger versagt haben. Mithin wird sie oft als nachrangig behandelt. Vor dem Hintergrund der gemeinsamen Tradition können zwar einige Entwicklungsparallelen in der DDR und in der Bundesrepublik genannt werden: der nicht sehr hohe Stellenwert der Sozialpädagogik/ Jugendhilfe in der Bildungs-, Sozial-, Familien- oder Jugendpolitik, der jedoch in der DDR, wie Hoffmann in seiner grundlegenden Arbeit nachgewiesen hat, ausgesprochen niedrig ist. 2 Eine weitere Gemeinsamkeit wäre das ständige und wachsende Bemühen, die pädagogische Funktion der Jugendhilfe zu stärken. In beiden Staaten feststellbar ist eine Feminisierung des Berufs. Trotzdem sind die Unterschiede augenfalliger. Die Jugendhilfe in der DDR ist auf die ursprüngliche Aufgabe, die Jugendftirsorge/Erziehungshilfe, auf Jugendrechtsschutz und 1 B. Rohde: Sozialpädagogische Hochschulbildung. Eine vergleichende Untersuchung von Studiengängen an Fachschulen und wissenschaftlichen Hochschulen. Frankfurt/M., Bem, New York, Paris 1989, S. 8 f. 2 J. Hoffmann: Jugendhilfe in der DDR. Grundlagen, Funktionen und Strukturen. München 1981.

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Vormundschaftswesen reduziert; ihre Kompetenzen sind genau festgelegt. Sie liegt im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Volksbildung, die Arbeit von freien Trägem ist nicht vorgesehen. Die Jugendpflege/Jugendarbeit und die Elementarerziehung gehören ebensowenig zu ihren Tätigkeitsfeldern wie die Arbeit mit physisch-psychisch geschädigten Heranwachsenden, die im Aufgabenbereich des Sonderschulwesens angesiedelt ist. 3 Auch die Sozialarbeit im Sinne der Sozialfürsorge, die Arbeit mit alten Menschen u.ä. wird nicht als sozialpädagogische, sondern als Aufgabe des Gesundheits- und Sozialwesens betrachtet. In der Bundesrepublik kann seit den sechziger Jahren eine umgekehrte Entwicklung beobachtet werden. Der sozialpädagogische Bereich wurde stark ausgeweitet. Dabei verwischten sich teilweise die Grenzen zur Schule, zur kommunalen Verwaltung, zu psychologisch-therapeutischen Einrichtungen, zur Sozialarbeit usw; Es entstand eine Vielfalt an Berufsfeldern bei unterschiedlichen Arbeitgebern sowie an gesellschaftlichen Aufgaben und Konflikten, von denen manche in der DDR so überhaupt nicht vorkommen (Arbeitslosen-, Ausländer- oder Drogenarbeit, Selbsthilfeprojekte ). Dadurch bedingt ist jedoch auch eine gewisse Zersplitterung und Unüberschaubarkeit der sozialpädagogischen Praxis. Auch die Anzahl der Beschäftigten explodierte förmlich, sie stieg von 1970 bis 1987 etwa auf das Dreifache.4 Mit über 200000 sozialpädagogisch Tätigen handelt es sich um einen Masseilberuf. Ein direkter Vergleich mit der DDR ist wegen der anderen Berufsklassifizierung kaum möglich. Jedenfalls sind die Zahlen für die DDR viel niedriger: in den rund 500 Heimen mit über 30000 Plätzen arbeiten etwa 8 500 Pädagogen; in den Organen der Jugendhilfe sind nur ca. 1 500 hauptamtliche Mitarbeiter beschäftigt. s Die eng und genau umgrenzten beruflichen Einsatzmöglichkeiten bei nur einem Arbeitgeber in der DDR bedingen auch die geringe Anzahl der SOzialpädagogischen Berufe. Die zahlreichste Gruppe der hauptberuflich Beschäftigten im Bereich der Jugendhilfe sind die Heimerzieher. Sie werden an Fachschulen ausgebildet oder kommen aus anderen pädagogischen Berufen (Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen, Pionierleiter, Lehrer der Unterstufe). In diesem Falle müssen sie eine pädagogische Zusatzausbildung absolviert haben. 6 Die zweite Berufsgruppe sind die Jugendfürsorger , die überwiegend in den Referaten für Jugendhilfe arbeiten. Sie müssen ein postgraduales Studium absolviert haben. Zu diesem Studium werden erfahrene Praktiker mit abgeschlossener Fach- oder 3 Abgesehen von Kindern- und Jugendheimen für Hilfsschüler, denn die Hilfsschulen zählen zu den sonderpädagogischen Einrichtungen. 4 M. Windisch/N. Pasquay/D. Bubenheim: Beschäftigungssituation und -perspektiven von Sozialarbeitern/Sozialpädagogen. In: Neue Praxis, 1/1989, S. 38-54, S. 39. 5 Das Bildungswesen der Deutschen Demokratischen Republik. 3., bearbeitete Auflage, Berlin 1989, S. 84 f. 6 2. Anweisung über das Verfahren und die Bedingungen beim externen Erwerb des Hoch- bzw. Fachschulabschlusses als Lehrer und Erzieher durch pädagogisch Tätige im Bereich der Volksbildung vom 15.6.1988. In: Jugendhilfe, 27 (1989) 3, S. 77.

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Hochschulbildung delegiert? Das gleiche gilt für das zweijährige Sonderstudium der Diplom-Pädagogik in der Fachrichtung Jugendhilfe/Heimerziehung, in dem leitende Kader für die Jugendhilfe, aber auch Lehrkräfte und wissenschaftlicher Nachwuchs ausgebildet werden. 8 Die DDR praktiziert also das, was den Planem der Diplom-Studiengänge für Sozialpädagogik in der Bundesrepublik vorschwebte: Die leitenden, planenden, beratenden, lehrenden und forschenden Tätigkeiten sind Hochschulabsolventen vorbehalten. Für die Umsetzung sind die Fachschulabsolventen zuständig. Das Gelingen dieser Absicht ist in der DDR deswegen problemlos, weil zum Hochschulstudium nur ein kontrollierter Zugang besteht; es werden nur so viele leitende Kader ausgebildet wie der tatsächliche Bedarf ist. Gleichzeitig ist ihre Vertrautheit mit der täglichen praktischen Arbeit gewährleistet, die gerade im sozialpädagogischen Bereich unverzichtbar ist. Daneben arbeiten in der Jugendhilfe noch Diplom-Psychologen. 9 Die Mehrheit bilden ehrenamtliche Mitarbeiter (ca. 32000), was durchaus in der Tradition der Wohlfahrtspflege steht. Sie werden durch verschiedene Qualifizierungsmaßnahmen auf ihre Tätigkeit vorbereitet.

In der Bundesrepublik ist auch die Ausbildungssituation anders. Wir fmden drei unterschiedliche Ausbildungsniveaus, verschiedene Ausbildungsproftle, die durch gewisse Autonomie der Ausbildungsstätten, durch die teilweise fehlenden staatlichen Richtlinien für die Ausbildung sowie die abweichenden Anforderungen der einzelnen Anstellungsträger bedingt sind. Die folgende Darstellung wird sich auf die Heimerzieher-Ausbildung in der DDR konzentrieren. Dabei sollen die abweichenden und gemeinsamen Tendenzen mit der sozialpädagogischen Ausbildung in der Bundesrepublik herausgearbeitet werden, zumindest so weit es angesichts der gezeigten prinzipiellen Unterschiede möglich ist. Die Ausbildung zum Heimerzieher wurde in der DDR zum ersten Mal 1979 auf der Basis eigenständiger Lehrprogramme durchgeflihrt. 1o Vorher war sie an die Ausbidungsprograrnme für Unterstufenlehrer angelehnt. Hier sollen die im Jahr 1987/88 eingeflihrten neuen Studienpläne und Lehrprogramme vorgestellt werden. Die Notwendigkeit für diese Lehrpläne ergebe sich nach den Worten von Reiner Grafe, Abteilungsleiter im Ministerium für Volksbildung, nicht so sehr aus den neu gesammelten Erfahrungen und den neuen wissenschaftlichen , Anweisung Nr. 14/83 über das postgraduale Studium zur Qualif1Zierung von Jugendflirsorgern vom 1. November 1983. 8 Anweisung Nr. 9/88 zur Ausbildung von Diplompädagogen in der Spezialisierungsrichtung Jugendhilfe/Heimerziehung. In: Jugendhilfe, 26 (1988) 12, S. 349-350. • Vgl. Anlage zur Anordnung Nr. 5/86 des MinisteriUms für Volksbildung vom 30. Apri11986. In: Jugendhilfe, 27 (1989) 5, S. 131. 10 Was ist das Ziel, was sind die Inhalte der vierjährigen Ausbildung von Heimerziehern an den Instituten für Lehrerbildung? 1n: Jugendhilfe, 26 (1988) 1/2, S. 1-5. S. 1. Weiter zit. als Ziel.

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Erkenntnissen, sondern vielmehr aus den veränderten Rahmenbedingungen der Erziehung: ausschlaggebend seien die "wachsende(n) Ansprüche an die Bildung und Erziehung der jungen Generation".l1 Wie das gesamte Schulwesen müsse sich die Heimerziehung den gestiegenen Ansprüchen an das schulische und berufliche Lernen stellen und auch den Konsequenzen aus der tiefgreifenden Politisierung des Massenbewußtseins, die durch eine Konzentration und Konfrontation der weltanschaulichen Fragen begleitet werde (Mannschatz). Zu berücksichtigen seien aber ebenso die allgemeinen Lebensbedingungen der Heimbewohner, ihr erweiterter Erfahrungs- und Informationshorizont (durch Bildung, Massenmedien) und die vielfältigeren Kommunikationsformen. Dies sei eine Konsequenz der Öffnung der Heime, aber auch der - wünschenswertenKontakte und Ferienaufenthalte beispielsweise in Polen. 12 Die Direktausbildung fmdet an den Instituten für Lehrerbildung statt, die erworbenen Abschlüsse besitzen also ein Fachschulniveau. Formal und vorläufig könnte dieses Niveau so eingeschätzt werden: Der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit der Ausbildung und das Ziel, zur selbständigen und eigenverantwortlichen Tätigkeit zu befähigen, entsprechen dem einer Fachhochschule (FH) in der Bundesrepublik. Auch die Möglichkeit, an einer Hochschule weiterzustudieren und die Ausbildungslänge - nunmehr vier statt wie bisher drei Jahre bei 184 SWS lassen einen Vergleich mit der FH zu, an der in der Bundesrepublik Deutschland die SWS-Zahl zwischen 104 und 165 liegt (letzteres bei einphasiger Ausbildung in Bayern)P Die notwendige Vorbildung - bei den Studienanfängern handelt es sich im Regelfall um sechzehnjährige Abgänger der 10. Klasse der Oberschule, die im Unterschied zu den Bewerbern an der Mehrheit der anderen Fachschulen keine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen müssen -, die schulmäßige Organisation (Klassenverband, Versetzung, vollständige Regelung des Studienaufbaus), der Anspruch, neben dem theoretischen und praktischen Berufswissen auch Allgemeinbildung zu vermitteln und die Qualifikation der Lehrer, die zwar einen Hochschulabschluß, praktische Erfahrung sowie eine pädagogische Zusatzbildung besitzen müssen, jedoch keine wissenschaftliche Qualifikation in Form der Promotion, dies alles erinnert eher an Fachschulen oder die Vorgänger der FH, die Höheren Fachschulen. 14 Das Studium ist einphasig, das Studium und die Ausbildung (der Berufsabschluß) sind also identisch. Dies ist in der DDR freilich unproblematischer als in der BundesreZiel, S. l. n E. Mannschatz: Zukunftsorientierte Anforderungen und Bedingungen in der Lebensumwelt der Kinder - Konsequenzen fUr die Heimerziehung. In: Jugendhilfe, 25 (1987) 1/2, S. 10-16. S. 10 f. 13 Rohde, S. 363; ohne Praktika berechnet, fUr die DDR auch ohne die "Wahlfäeher", in denen die Lehrbefähigung für die Unterstufe erworben wird. D.h. die Wochenbelastung (23 Stunden) entspricht etwa der an den FH in der Bundesrepublik Deutschland (20-26 Stunden); mit den Wahlfächern erhöht sie sich aber auf 28-30. 14 Rohde, S. 22. 11

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publik, wo gerade die Arbeitgeber die zweiphasige Ausbildung fordern, um auf die Qualiftkationsvermittlung Einfluß zu nehmen. Einfacher deswegen, weil der Ausbildungs- und Anstellungsträger letztlich das Ministerium für Volksbildimg ist. Die Absolventen tragen die Berufsbezeichnung "Heimerzieher" , die Ausbildung befahigt zur Arbeit in normalen sowie in Spezialheimen der Jugendhilfe. Diese enge Ausrichtung bedeutet jedoch keinesfalls Einseitigkeit der Ausbildung. fure Breite ergibt sich vielmehr aus den Ausbildungszielen: der Absolvemt soll bereit und in der Lage sein, die Beschlüsse der Partei und der Regierung als Klassenauftrag zu erflillen; er soll auf die gesamte Erziehungs-, Bildungs- und Freizeitarbeit im Heim vorbereitet sein; er soll die Lehrbefähigung in einem Fach der Unterstufe erwerben. 15 Dementsprechend ist auch das System der Studienfächer konzipiert. Von den insgesamt zu absolvierenden 2 661 Unterrichtsstunden 16 entfallen etwa 14% auf gesellschaftlich-philosophische, besser gesagt ideologische Grundbildung (Marxismus-Leninismus, Geschichte der DDR), 31 % sind der Pädagogik, der PsycholOgie und der Entwicklungsphysiologie/Gesundheitserziehung vorbehalten. Der "Allgmeinbildung" der Studenten sind etwa 36% der Studienzeit gewidmet (Deutsche Sprache, literatur, Mathematik, Sprecherziehung, Russisch). Diese Allgemeinbildung soll die Studenten befahigen, den Heiminsassen bei Schulaufgaben oder -schwierigkeiten zu helfen. Sie wurde auch aufgenommen, weil die Absolventen die Hochschulreife erwerben. Obligatorische und wahlweise obligatorische Kurse 17 bereiten die Studenten auf die freizeitpädagogische Tätigkeit im Heim vor und sollen sie in die Lage versetzen, den Heiminsassen ,)ebenspraktische Kenntnisse zu verrnitteln,,18 (ca. 7% der Studienzeit). Der Rest (etwa 12%) ist dem Sport, der Arbeit mit audiovisuellen Medien, der politisch-pädagogischen Tätigkeit (z.B. als Helfer in der Pionierorganisation) und der Vorbereitung der Abschlußarbeit gewidmet. Darüber hinaus stehen noch zwischen 713 und 524 Stunden ftir eines der sogenannten Wahlfächer zur Verfügung, in dem der Absolvent die Lehrbefahigung ftir die Unterstufe erwirbt. Gerade der letztgenannte Bereich ist ftir eine sozialpädagogische Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland nicht typisch, zumindest nicht in diesem Umfang. Hier wird unter Wahlfach mehr die Vertie15 Studienplan für die Ausbildung von Heimerziehern an Instituten für Lehrerbildung. Berlin 1988, S. 5. Weiter zit. als Studienplan. 16 Ohne "Wahlfächer", in denen die Lehrbefähigung für die Unterstufe erworben wird, und ohne Praktika. Vgl. Studienplan. 17 Obligatorisch ist der Kurs Haushalt und Familie (Themen z. B. Vorbereitung auf die Partnerschaft, Übernahme und Ausgestaltung einer Wohnung). Von den folgenden Kursen müssen drei gewählt werden: Nutzung und Pflege der heimatlichen Natur (z.B. Haltung von Tieren im Heim); Technische Betätigung im Heim (z. B. Modellbau, Basteln); Musizierpraktische Tätigkeit; Bildnerisches Gestalten; Touristik und Wehrsport; Rettungsschwimmen; Szenisches Gestalten; Schach. Vgl. Rahmenprogramm für die Ausbildung von Heimerziehern in Kursen an Instituten für Lehrerbildung der DDR. Berlin 1988. Weiter zit. als Rahmenprogramm. 18 Rahmenprogramm, S. 5.

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fung in einen Studienschwerpunkt oder in Methodenlehre (Einzel- und Gruppenarbeit, Beratung, Planung)19 verstanden, obwohl an manchen Fachhochschulen auch Kurse aus dem Bereich Kunst, Bewegung und Sport, Musik, Spiel und Interaktion, Sprache und Literatur, technische Mittel oder auch Bildung und Erwachsenenbildung angeboten werden. 20 Die Aufnahme dieser Fächer ergibt sich aber folgerichtig aus der Spezialisierung auf Heimerziehung. Ein Bestandteil des Studiums ist auch ein umfangreiches Praktikumsprograrnm. 21 (Vgl. auch die Stundentafel im Anhang). Beendet wird das Studium durch eine wissenschaftliche Abschlußarbeit, Prüfungen in allen Fächern und eine heimpraktische Prüfung. Die neuen Lehrpläne unterscheiden sich nur in wenigen Inhalten von den vorherigen. Sie sollen Bewährtes weiterführen, jedoch auf einem höheren Niveau. Dazu zählt: eine "solidere" Vermittlung der neuesten theoretischen Grundlagen; verbesserte kommunistische Erziehung der Studenten; stärkere Orientierung des Studiums am Berufsbild des Heimerziehers; effektivere Theorie-PraxisBeziehung und die wesentlich ,,konkretere" Vermittlung der ,,fortgeschrittenen Erfahrungen der Heimpraxis" .22 Wie diese Zielsetzung umgesetzt wurde, das soll im folgenden am Beispiel der Lehrprogramme für Pädagogik und die Psychologie-Ausbildung dargestellt werden. Diese Fächer besitzen in dem gesamten Ausbildungsprograrnm einen besonders hohen Stellenwert; die Pädagogik, weil ihr Gegenstand "die entscheidenden Fragen der Befähigung künftiger Heimerzieher zur Erziehung und Umerziehung der ihnen anvertrauten Mädchen und Jungen" seien. 23 Dazu sei es auch notwendig, die Wechselbeziehung Individuum-Lebensbedingungen zu verstehen,24 um daraus eine Strategie für "optimale Persönlichkeitsentwicklung" abzuleiten. 25 Dieses Wissen vermittle die Psychologie. Die psychologische und pädagogische Ausbildung der künftigen Heimerzieher umfaßt alle grundlegenden Gebiete dieser Disziplinen. Die Lehrpläne sind also so aufgebaut wie die gängigen Lehrbücher: Die Themen sind Grundlagen der PädagOgik (insgesamt 51 Stunden), die Theorie der kommunistischen Erziehung, die eine dominante Stellung einnimmt (176), Didaktik (92), Geschichte der Erziehung (42) Rohde, S. 356 ff. Rohde, S. 228, 230 fo, 233, 356 ff. 21 Vgl. Studienplan. 22 Vgl. Ziel, S. 1 f., 5. 23 Grundrichtungen des neuen Lehrprogramms fUr die Pädagogik-Ausbildung von Heimerziehern. In: Jugendhilfe, 26 (1988) 7/8, S. 194-199. S. 194. Weiter zit. als Grundrichtungen. Vgl. auch Ziel, S. 4. 24 Lehrprogramm fUr die Ausbildung von Heimerziehern in Psychologie an Instituten fUr Lehrerbildung der DDR. Berlin 1987, S. 5. Weiter zit. als Lehrprogramm Psychologie. 25 T. Kreher/H. Nowak: Ausbildung in Psychologie - Beitrag zur Befähigung künftiger Heimerzieher. In: Jugendhilfe, 26 (1988) 7/8, S. 200-204. S. 200. Vgl. auch Ziel, S. 4. 19

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und das Bildungsrecht (29) im Falle der pädagogischen Ausbildung sowie Allgemeine und Persönlichkeitspsychologie (68), Entwicklungspsychologie (60), Diagnostische Tätigkeit im Heim (54) und mit dem größten Stundenanteil die Pädagogische Psychologie (153) im Psychologie-Kurs.26 Es fällt auf, daß die einzelnen Gebiete auf den ersten Blick mit der Heimerzieher-Praxis nur wenig zu tun haben. Dies ist durchaus so gewollt: die Programme sollen die spezifischen Fragen der Heimerziehung durchgehend im Zusammenhang der allgemeinen Erkenntnisse der Pädagogik und Psychologie behandeln, das allgemeine Wissen soll stufenweise konkretisiert und das Spezielle soll in das Allgemeine integriert werden. 27 Dadurch werde auch "die Praxisrelevanz grundlegender Kenntnisse vom pädagogischen Prozeß ftir die Studenten einsichtiger" .211 So sollen etwa die Rechtsvorschriften erst am Ende des Pädagogik-Kurses vermittelt werden, wenn die Studenten schon in die Problematik der Heimkinder Einblick erhalten haben und so den Sinn dieser Vorschriften besser verstehen können. 29 Insofern ist das Studium anders aufgebaut als an den bundesrepublikanischen Fachhochschulen und besonders als an den Hochschulen, wo dem mehr allgemein ausgerichteten Grundstudium meistens die vertiefende Beschäftigung in einem der Studienschwerpunte folgt. 30 Dabei ist das Verhältnis des Allgemeinen und des Spezifischen in den einzelnen Untergebieten durchaus unterschiedlich. Am wenigsten sind die spezifischen Inhalte in dem Abschnitt Geschichte der Pädagogik vertreten. In den "Grundlagen der Pädagogik", die vor allem mit der Bildungspolitik und der gesellschaftlichen Determiniertheit der Erziehung bekanntrnachen sollen, entfallen von den 51 Stunden auf die Charakterisierung der Jugendhilfe als Bestandteil der Bildungspolitik 15.31 Von den 92 Stunden ftir Didaktik sind 8 der Betreuung von Hausaufgaben im Heim und 18 der Freizeittätigkeit gewidmet. Das Bildungsrecht ist dagegen fast nur auf die Fragen der Jugendhilfe zugeschnitten. 32 Ein ähnliches Bild zeigt auch die Psychologieausbildung. 33 Den Autoren geht es,aber nicht nur um eine "einheitliche Linienftihrung im Fach",34 sondern auch um die Einordnung eines jeden Lehrgebiets in den Zusammenhang des Gesamtstudiums, um eine Gesamtlinienftihrung, etwa wie sie aus der Lehrplanarbeit ftir die polytechnische Oberschule bekannt ist?5 Das Ziel Vgl. Studienplan. Vgl. Ziel, S. 4; Grundrichtungen, S. 194 f. 28 Grundrichtungen, S. 195. 29 Grundrichtungen, S. 197. 30 Rohde, S. 354 ff. 31 Lehrprograrnm für die Ausbildung von Heimerziehem in Pädagogik an Instituten für Lehrerbildung der DDR. Berlin 1987, S. 5. Weiter zit. als Lehrprograrnm Pädagogik. 32 Vgl. Lehrprogramm Pädagogik. 33 Vgl. Lehrprogramm Psychologie. 34 Grundrichtungen, S. 197. 26

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ist, die einzelnen Ausbildungsbestandteile zu einem geschlossenen "Gesamtbild" zusammenzufligen.36 Hier handelt es sich zunächst um ein durchaus legitimes didaktisches Unterfangen, das auch in der bundesrepublikanischen Diskussion öfters angemahnt wird. Fraglich ist, ob dies durch eine inhaltliche Abstimmung erreichbar ist. Das Gesamtbild, das den Autoren der DDR-Programme vorschwebt, ist jedenfalls durch die linienflihrung allein nicht herstellbar . Es soll auch nicht nur auf diese Weise entstehen. Notwendig sei auch eine ideologisch-politische Geschlossenheit und eine einheitliche wissenschaftstheoretische Grundlage. Die Programme gehen von der Bildungspolitik der SED und von der Position des dialektischen und historischen Materialismus aus. 37 Ober die Realität und die fachwissenschaftlichen Meinungen außerhalb der DDR erfahren die Studenten recht wenig, das gilt auch in Bezug auf die anderen sozialistischen Staaten. Wo dies geschieht, da wird nach dem bekannten Schema der Auseinandersetzung mit nichtmarxistischen Auffassungen verfahren. Am ehesten geht noch der Abschnitt Geschichte der Erziehung auf Themen außerhalb der DDR ein. Aber auch hier auf konventionelle Art und Weise. Die gesamte Pädagogikgeschichte wird im Schnellgang abgehandelt, besondere Aufmerksamkeit erfahren dabei nur die Utopisten und Humanisten sowie die Reformpädagogen, die in ihrer zeitbedingten und bürgerlichen Beschränktheit insgesamt wohlwollend dargestellt werden. Die Klassiker des Marxismus und die Bildungspolitik der DKP erfreuen sich natürlich unbeschränkten Wohlwollens. Die gegenwartsbezogenen Inhalte konzentrieren sich vorwiegend auf die sog. imperialistische und konservative Politik der Bundesrepublik Deutschland, wobei der sozialreformistischen Phase der sechziger und siebziger Jahre mindestens einige positive Seiten abgewonnen werden. 38 Dadurch unterscheiden sich diese Programme von denen für die Ausbildung der Sonderschullehrer, die die sog. "Theorien spätbürgerlicher Behindertenpädagogik" wenn auch ablehnen, so doch mit einigem Respekt behandeln. 39 Es kann nicht überraschen, daß gerade hier ein großer Unterschied zu dem westdeutschen Studium liegt, wo zumindest an den staatlichen Hochschulen eine Bindung an irgendwelche übergreifenden Normen oder Ideologien prak35 K.-D. Zeißig: Erste Erfahrungen bei der Realisierung der neuen Lehrprogramme für die Ausbildung von Heimerziehern: In: Jugendhilfe, 26 (1988) 7/8, S. 204-207. S. 204. 36 Zeißig, S. 205. 37 Grundrichtungen, S. 194 f.; Lehrprogramm Pädagogik, S. 5. 38 Vgl. Lehrprogramm Pädagogik, Lehrgebiet "Geschichte der Erziehung". Auch in der "Erziehungstheorie" soll auf humanistische, revisionistische und imperialistische Pädagogik eingegangen werden; konkrete Inhalte werden aber nicht genannt. Gleiches gilt auch für das Lehrgebiet "Allgemeine und Persönlichkeitspsychologie" in dem PsychologieLehrprogramm. 3. Vgl. Pädagogik der Geschädigten zur Ausbildung in der Grundstudienrichtung Lehrer für Sonderschulen und -einrichtungen. 12. Lehrbrief. Auseinandersetzung mit den Theorien spätbÜlgerlicher Behindertenpädagogik in deutschsprachigen Ländern (BRD, Österreich und deutschsprachige Schweiz). Verfaßt von K.-D. Große. Dresden 1985.

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tisch nicht vorkommt. Wenn hier gesellschaftlich relevante Ziele genannt werden, dann handelt es sich um kritische Reflexion der gesellschaftlichen Ursachen und Bedingungen der sozialen Probleme, um Entwicklung von alternativen Ansätzen für die Praxis, um innovative Funktion der Sozialpädagogik oder um eimanzipatorische Arbeit im Interesse der Betroffenen. Freilich ist bei den kirchlichen Fachhochschulen für Sozialpädagogik/-arbeit, und sie stellen fast die Hälfte dieser Einrichtungen, eine Bindung an die Normen der christlichen Sozialethik u.ä. anzutreffen. Einen Stellenwert wie in der DDR erreicht diese Bindung aber keinesfalls. 40 Die Ideologie und die Bildungspolitik der SED bestimmen die einheitliche Ausrichtung der Lehrprogramme. Fachwissenschaftlich ist es der Tätigkeitsbegriff, der inhaltlich und strukturell den Aufbau der Programme bestimmt. Dies gilt für die Psychologie noch mehr als für die Pädagogik. In der Psychologie wird die Persönlichkeitsentwidclung konsequent aus dem gesellschaftlich determinierten Tätigkeitsprozeß abgeleitet. 41 Nun wird, wie in der sozialistischen Pädagogik und Psychologie üblich, die besondere Rolle der Lerntätigkeit hervorgehoben, die im Mittelpunkt des Studiums steht42 und die der pädagogischen Tätigkeit des Erziehers zugrundegelegt werden soll.43 Die besondere Stellung der Lerntätigkeit ergibt sich nahezu zwangsläufig aus der Annahme einer dominierenden Tätigkeit in einer bestimmten Entwicklungsphase, also der Lerntätigkeit im Schulalter. Hier muß aber bedacht werden, daß nicht alle Varianten der Tätigkeitstheorie von dieser Annahme ausgehen. Praktisch läßt sich die unterstellte Dominanz der Lerntätigkeit dadurch erklären, daß die meisten in ein Heim eingewiesenen Schüler erhebliche Lernrückstände haben und der direkten Lemhilfe durch die Heimerzieher bedürfen. 44 Schließlich kann darin ein Versuch gesehen werden, die EinfUhrung in die Kultur, die Vorbereitung auf das Leben unter den zunehmend komplizierten Bedingungen als wichtigste Integrationsmaßnahme anzusehen. Dies ist durchaus positiv; auf diesem Gebiet scheinen die Heime auch überzeugende Arbeit zu leisten. 45 Neben dem Lernen werden auch Spiel, Arbeit, gesellschaftlich-politische und Freizeittätigkeit behandelt. Tm Pädagogik-lehrgang wurde gleichfalls das "Tätigkeitskonzept konsequenter" als bisher durchgesetzt. 46 Den Ausgangspunkt bildet die gerichtete soziale Tätigkeit des Erziehers, der die Zöglinge beeinflusse, indem er die Qualität ihrer Lebenstätigkeit erzieherisch gestalte. 47 Rohde, S. 35lf. Lehrprogramm Psychologie, S. 6; Kreher /Nowak, S. 200 f. 42 T. Kreher/H. Nowak, S. 202. 43 Lehrprogramm Psychologie, S. 7. 44 M. Czepluch: Aktivitäten zur weitem Ausgestaltung der pädagogischen Arbeit in den Heimen. In: Jugendhilfe, 26 (1988) 7/8, S. 208-212. S. 210. 4' Czepluch, S. 210; H. Waldt: Komplexe staatliche Leitungstätigkeit weiter vervollkommnet. In: Jugendhilfe, 26 (1988) 3, S. 69-72. S. 70. 46 Grundrichtungen, S. 195. 40 41

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Dabei werde aber der "Dialektik von Persönlichkeits- und Kollektiventwicklung besondere Aufmerksamkeit gewidmet".48 Der pädagogische Prozeß im Heim wird so als Einheit von individuell und kollektiv bezogener pädagogischer Führungstätigkeit des Erziehers und der individuellen und kollektiven Tätigkeit der Zöglinge dargestellt. Hier sind wir bei der Frage, welche Rolle der Kommunikation/Interaktion für die Erziehung im Heim zugeschrieben wird. Denn das schulische oder schulmäßige Lernen, das als die führende Tätigkeit bezeichnet wird, ist ohne Frage eine individualisierte Tätigkeit. Die eigentlichen Passagen über die Kollektiverziehung sind eher zwiespältig. Einem mehr theoretisch ausgerichteten Teil "Dialektik von Persönlichkeits- und Kollektiventwicklung", der sich mit Fragen wie Gesamtkollektiv und Grundkollektiv, Traditionen und öffentliche Meinung oder mit Makarenkos Konzeption der Erziehung beschäftigt, folgt ein mehr praxisbezogener Abschnitt "Heimkollektive als sozialistische Lern-, Arbeits- und Lebensgemeinschaft". Hier geht es um das aktive Gestalten des Gemeinschaftslebens im Heim, wobei die pädagogische Führungstätigkeit des Erziehers einen Stellenwert einnimmt, den die vorherigen theoretischen Ausführungen nicht vermuten ließen. In den Psychologie-Lehrgang wurden ebenfalls "stärker als bisher sozial psychologische Sachverhalte aufgenommen".49 Die Kommunikation und ihre Bedeutung für die Entwicklung und Erziehung wird nicht geleugnet. Sie kommt aber nur als Bestandteil von organisierten Prozessen vor, nicht als Eigendynamik von selbstorganisierten Gruppenprozessen, das Planmäßige herrscht gegenüber dem Situativen vor. Als letztes Charakteristikum der Lehrpläne ist die ,,konsequentere Vorbereitung auf die alters- und entwicklungsgerechte Führung der Tätigkeit der Kinder und Jugendlichen von sechs bis achtzehn Jahren" zu nennen. so Diesem Wissen dient vor allem der Abschnitt "Entwicklungspsychologie", wobei vor dem durch Wygotski begründeten Theorem über die Zone der nächsten Entwicklung ausgegangen wird. Sl Der Tätigkeitsbegriff, der hier angewendet wird, verlangt im Falle der Erziehung nach einem Subjekt, das nicht nur in dem Erzieher gesehen werden kann. Dem Erzieher müsse "zutiefst bewußt werden, "daß die pädagogische Einwirkung nur als mindestens zweiseitige Einwirkung möglich ist: Aktiv handelt nicht nur der Erzieher, aktiv handelt auch das zu erziehende Kind, der Jugendliche".s2 Der in der Geschichte der Tätigkeitstheorie häufig vorgekommenen Vereinfachung, daß der Erzieher alleine das Subjekt der Erziehung sei, Grundrichtungen, S. 195. Vgl. auch Lehrprogramm Pädagogik. Grundrichtungen, S. 195. 49 Kreher/Nowak, S. 203. so Grundrichtungen, S. 195. 51 Kreher/Nowak, S. 202. S2 E. Kurka: Überlegungen zum Berufsethos des Heimerziehers. In: Jugendhilfe, 25 (1987) 5, S. 122-126. S. 122. 4' 411

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unterliegen die Autoren der Lehrprogramme nicht. 53 Dies gilt ausdrücklich auch für die UmerziehWlg, also die Arbeit mit Heranwachsenden mit normabweichendem Verhalten. Hier zeigt sich ein Unterschied zu Theorien der ideologisch-weltanschaulichen ErziehWlg, für die das gesellschaftliche Subjekt erst durch die Übernahme der sozialistischen Werte entsteht. Dies bleibt nicht ohne Konsequenzen für die BeStimmWlg der Ursachen Wld Bedingoogen des abweichenden Verhaltens. Der schwererziehbare oder leistungsgestörte Heiminsasse dürfe nicht als "bloßes Objekt von Einflüssen untersucht" werden, sein Verhalten sei keine ,,lineare Folge" äußerer Einflüsse: "Der Heranwachsende befmdet sich immer in einer aktiven WechselbeziehWlg mit der gegenständlichen Wirklichkeit Wld seinen Lebensbedingoogen. Das heißt: Er bringt seine eigenen Ziele und Absichten, seine Wünsche Wld HoffnWlgen in diesen Prozeß ein, und er fUhrt HandlWlgen aus, um seine Ziele zu realisieren."s4 Diese Sichtweise ist zWlächst ohne Zweifel richtig Wld zur BegründWlg des erzieherischen Handelns durchaus legitim. Und sie vermeidet die StilisieIWlg der Problemgruppen ausschließlich zu gesellschaftlichen Opfern. Sie ist indes gleichzeitig verlogen Wld kurzgreifend, weil die gesellschaftliche Realität in ihr zwar vorkommt, aber nicht als möglicher Grund für das abweichende Verhalten. Die sozialen Umstände, Wld damit sind nur die unmittelbaren Milieueinflüsse, insbesondere die Familie, die "Straße", weniger schon die Schule oder der Beruf gemeint, bewirkten in seltenen, Wlgiinstig gelagerten Lebenssituationen 55 einen ,,Konfliktkreislauf" Wld könnten so zu "Wlbewältigten Widersprüchen"56 im Bewußtsein des Einzelnen fUhren. Und gerade im Bewußtsein seien die eigentlichen Ursachen für das abweichende Verhalten zu suchen Wld dies sei auch der Ort, sie zu überwinden. Dadurch verstellt sich die HeimerziehWlg jegliche emanzipatorische Perspektive, nämlich auf konkrete Wld praktisch erfahrene gesellschaftliche Mißstände Wld ihre AuswirkWlgen auf Kinder Wld Jugendliche hinzuweisen. Hier ist ein Unterschied zur BehandIWlg dieser Fragen nicht nur in der BWldesrepublik Deutschland, sondern auch in der UdSSR Wld Polen oder sogar der CSSR, wo die gesellschaftlichen Bedingoogen nicht derart tabuisiert werden. Dies alles ist freilich nicht neu: die Programme folgen der offiziellen ErklärWlgsweise. 57 Es muß auch festgehalten werden, daß diese verkürzte UrsachenerklärWlg keine abwertende Sicht der Zöglinge bedingt, etwa nach dem Motto, sie seien an ihrem Schicksal selbst Lehrprograrnm Psychologie, S. 5. Kreher/Nowak, S. 201. 55 Kreher/Nowak, S. 200. 56 K. Wagenflihrer: Exogene und endogene Bedingungen psychosozialer Fehlentwicklungen bei Kindern und Jugendlichen. In: Jugendhilfe, 25 (1987) 9, S. 249-251. S. 249. 57 Hier muß angemerkt werden, daß auch in die Heimerzieherausbildung zum ersten Mal die Arbeit mit intellektuell geschädigten Kindern und Jugendlichen im Hilfsschulheim aufgenommen wurde (Ziel, S. 4). Ein Schwerpunkt des Studiums ist dies aber nicht, wie überhaupt die Beziehung zwischen Sonder- und "Sozial"-Pädagogik schwach entwickelt ist. 53

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schuld: die Heimerziehung gehe von dem Grundsatz aus, daß die Kinder keine Schwierigkeiten machen, sondern Schwierigkeiten haben. 58 Dieser Satz, der H. Nohl zugeschrieben werden müßte (aber nicht zugeschrieben wurde), bedeutet, daß der Heimerzieher nicht als Aufsichtsperson, sondern als Anwalt des Kindes, als älterer Freund und Mitglied des Kollektivs (Makarenko, Mannschatz) auftreten müsse. 59 Insgesamt soll den Heimerzieherstudenten ein optimistisches Bild über die Zöglinge und die Möglichkeiten, ihnen eine neue Lebensperspektive zu geben, vermittelt werden. Für die Arbeit als Heimerzieher ergibt sich aus der Tätigkeitstheorie folgendes Fazit: Die Störungen im Leistungsbereich oder im sozialen Verhalten werden - psychologisch - als Beeinträchtigung der Handlungsregulation erklärt. 60 Die "Störungen zu überwinden bedeutet in dieser Konzeption, psychische Voraussetzungen für die Selbstkontrolle, Selbstbewertung und die Selbsterziehung der Heranwachsenden zu schaffen".61 Dieser etwas tautologisch anmutenden Definition folgt eine explizite Tautologie bei der Bestimmung der Schwererziehbarkeit: sie sei herabgesetzte Ansprechbarkeit auf Erziehungseinflüsse. 62 Die Umerziehung bestehe darin, gesellschaftlich wertvolle Tätigkeit der Heranwachsenden zu veranlassen und organisieren. 63 Nun ist der Psychologie und Pädagogik in der DDR bekannt, daß die Tätigkeit an sich nicht bestimmte Persönlichkeitseigenschaften bewirken kann, sondern daß ihre Qualität entscheidend ist.64 Am besten hat es der Psychologe Schmidt ausgedrückt: die Tätigkeit sowie der Charakter der Anforderungen und der eingegangenen Beziehungen müßten eine subjektive Lebensqualität garantieren, nämlich eine gewisse Breite, Offenheit und Vielfältigkeit der Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten.65 Dies gilt selbstverständlich auch für die Erziehertätigkeit im Heim, die nicht durch Vorschriften alleine geregelt werden kann, sondern auch schöpferisch-selbständige Elemente beinhalten muß. 66 Hier scheint in der Heimpraxis noch einiges im argen zu liegen, die Versuchung, die Jugendlichen ständig zu lenken und zu beaufsichtigen,ist offensichtich ziemlich grOß.67 Dazu äußern sich die Programme aber nicht, hier steht die "wertvolle" Kurka, S. 124. Kurka, S. 122, 124 f.; Gröger/Schröder: Berufspraktische Ausbildung der Heimerzieherstudenten - wesentlicher Beitrag zur Entwicklung ihres pädagogischen Könnens. In: Jugendhilfe, 26 (1988) 1/2, S. 6-9. S. 8. 60 Lehrprogramm Psychologie, Abschnitt Pädagogische Psychologie. Handlungsregulation bedeutet die Steuerung der Tätigkeit durch psychische Prozesse, Eigenschaften und Zustände. 61 Kreher/Nowak, S. 203 f. 6. Lehrprogramm Psychologie, Abschnitt Pädagogische Psychologie. 03 Grundrichtungen, S. 196. 64 W. Topei: In der täglichen Arbeit den gewachsenen Ansprüchen gerecht werden. In: Jugendhilfe, 25 (1987) 4, S. 81-86. S. 83. os H.-D. Schmidt: Grundriß der Persönlichkeitspsychologie. Berlin 1982, S. 72 f. 00 Kurka, S. 122; Topei, S. 81. 58

59

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gesellschaftliche Tätigkeit im Vordergrund. Wenn schon die Reduzierung der Programme auf einen einzigen theoretischen Ansatz, die TätigkeitstheOrie, problematisch erscheinen muß, so gilt es flir die Tatsache, daß diese Theorie in einer rudimentären Form vorgetragen wird, um so mehr. Der Versuch, die Ausbildung um einen Begriff herum zu vereinheitlichen, bewirkt eine vereinfachte Darstellung der Wirklichkeit. Die Wissensvermittlung in der Ausbildung ist kein Selbstzweck, sie dient vielmehr der ,,Herausbildung des pädagogischen Könnens,,68 der künftigen Erzieher. Der Praxis-Bezug ist in der Tat groß und wird aufverschiedenen Wegen hergestellt. In erster linie gehe es darum, "ein für das praktische Handeln wirksames Theoriekonzept zu vermitteln".69 In diesem Zusammenhang wird vornehmlich auf die tätigkeitsorientierten Inhalte und auf die schon erwähnte stufenweise Konkretisierung des Wissens in Richtung der Heimpraxis hingewiesen. Eine praxisbezogene Theorievermittlung bedeute aber auch "das Aufgreifen der Erfahrungen der Studenten aus der praktisch-pädagogischen Tätigkeit, um sie theoretisch zu fundieren bzw. zur Veranschaulichung theoretischer Sachverhalte zu nutzen".70 Dieses Ziel soll vor allem durch die methodische Anlage des Unterrichts erreicht werden. Der Stoff soll in vier Formen dargeboten und erworben werden: in Vorlesungen, Seminaren, Übungen und durch Selbststudium. Gerade die kommunikativ aufgebauten Seminare und die praktischen Übungen dienten dazu, das wissenschaftliche Wissen zu konkretisieren und die Erfahrungen der Studenten aufzugreifen. Du quantitativer Anteil ist in den einzelnen Abschnitten unterschiedlich. In den mehr theoretisch ausgerichteten Stoffgebieten ist er eher klein oder nicht vorhanden. In den Abschnitten "Freizeittätigkeit" oder "Diagnostische Tätigkeit" beträgt er dagegen mehr als die Hälfte der Gesamtzeit. 71 Mit den Übungen sollen die bisher gemachten Erfahrungen positiv sein. Dies gilt flir die Seminare und die selbständige Arbeit der Studenten schon weniger. Der Versuch, fachschUlgemäße Lehrformen anzuwenden, die "über die Formen des Unterrichts an den Oberschulen hinausgehen", ohne dabei ,,formal hochschulmethodische Formen zu übernehmen" ,72 erweise sich als schwierig. Für die Seminare als ,,Höhepunkt" des Vermittlungs- und Aneignungsprozesses und für die selbständige Arbeit seien die Oberschulabsolventen nicht genug vorbereitet. 73 Deswegen wird die "Vorlesung" oder wohl zutreffender der Lehrervortrag als Hauptform des Wissenserwerbs favorisiert. 67

6'

69 70

71 72 73

Topei, S. 83; Czepluch, S. 211. Grundrichtungen, S. 198. Grundrichtungen, S. 198. Grundrichtungen, S. 198. Kreher/Nowak, S. 203. Zeißig, S. 206. Zeißig, S. 206 f.

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Auch in der methodischen Gestaltung erinnert das Studium an die hiesigen Fachhochschulen, an denen (im Unterschied zur Hochschule) Übungen als Mittel zum Erwerb von anwendungsorientiertem Wissen und zum Erlernen von Fertigkeiten häufig angeboten werden. Allerdings spielen an den FH die Vorlesungen eine geringere Rolle, die Seminare (Referate, Diskussionen) dagegen eine dominierende. 74 Der Hauptanteil an der berufspraktischen Ausbildung fällt aber den in das Studium kontinuierlich einbezogenen Praktika zu. Das neue Praktikumskonzept ist besser an der Praxis im Heim orientiert, inhaltlich anspruchsvoller und zeitlich umfangreicher. 7S Die Anzahl der Praktika ist durchaus der an den hiesigen Fachhochschulen vergleichbar, allerdings ohne die Berufspraktika. 76 Es erstreckt sich auf alle Tätigkeiten des Heimerziehers, auf die Schule und die wichtigsten Einrichtungen der Jugendhilfe und -arbeit. AnHinglich handelt es sich mehr um Hospitationen, Studium der Akten und Unterlagen oder Gespräche mit den Mentoren. Später kommt selbständige Arbeit mit Einzelnen und Gruppen sowie eigener Unterricht hinzu. Dabei wird darauf geachtet, daß die Tätigkeit zuerst konzeptionell begründet wird und daß dabei die theoretischen Kenntnisse angewendet werden. Die Arbeitsabläufe sollen gemeinsam mit dem Mentor und dann auch im Studium analysiert werden. 77 Um Praktika in Projektform handelt es sich dabei gleichwohl nicht, denn die Tätigkeiten Rohde, S. 368 f. Gröger/Schröder, S. 6. Zu dem Praktikumsprogramm gehört im Einzelnen: Politisch-pädagogische Tätigkeit (zweimal im Monat im 1. und 2. Semester). Sie wird vor allem im sozialistischen Jugendverband ausgeübt. EinjUhrungspraktikum im Heim (2 Wochen am Anfang des 2. Semesters). Es findet in einem Normalheim statt. Praktikum im Referat Jugendhilfe (3 Wochen am Ende des 3. Semesters). Praktikum in der Sommerferiengestaltung (Ende des 4. Semesters)_ Die Studenten arbeiten als Gruppenleiter in einem Ferienlager. Schulpraktische Übungen in Pädagogik und Psychologie (im 4. und 5. Semester). Diese werden in allen Stufen der Oberschule durchgefUhrt. Schulpraktische Übungen in der Methodik des Wahlfaches (vom 3. bis 7. Semester). Übungspraktikum im Heim (4 Wochen zu Beginn des 5. Semesters). Übungspraktikum in der Schule (2 Wochen Ende des 6. Semesters). Abschlußpraktikum in der Schule (4 Wochen am Ende des 7. Semesters). Hier unterrichten die Studenten in ihrem Wahlfach und nehmen an der Gestaltung der außerunterrichtlichen Tätigkeit teil. Eine unterrichtspraktische Prüfung schließt dieses Praktikum ab. Abschlußpraktikum im Heim (8. Semester, 8 Wochen). Es findet in Normal- oder Spezialheimen statt, möglichst in der künftigen Arbeitsstelle, und wird mit der Heimpraktischen Prüfung abgeschlossen. Vgl. Praktikumsprogramm fUr die Ausbildung von Heimerziehern. In: Jugendhilfe, 26 (1988) 1/2, S. 10-19 und S. 42. Weiter zit. als Praktikumsprogramm. Etwas abweichend sind die Angaben in: Studienplan. 7. Rohde, S. 265 ff., 370. 77 Dabei werden durchaus anspruchsvolle Ziele gestellt, die von den Studenten kaum in dieser Form zu erfüllen sind, etwa bei den "Schulpraktischen Übungen" im 4. und 5. Semester: ,,- Analyse der Führungstätigkeit des Pädagogen im Unterricht einer Klasse der Oberstufe hinsichtlich ihrer Wirkung auf die psychische Regulation der Lemtätigkeit bei den Schülern. - Beobachtet von Lern-, Spiel- oder gesellschaftlich-politischer Tätigkeit der Kinder einer Pioniergruppe des mittleren Schulalters mit dem Ziel, deren Potenzen für die Entwicklung von Motiven und Einstellungen zu erkennen sowie zu erfassen, wie der Pädagoge diesen Prozeß fUhrt ... ". Praktikumsprogramm, S. 13 f. 7. 75

Sozialpädagogische Berufe in der BRD und in der DDR

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sind in die Arbeitspläne der Einrichtungen eingebunden und lassen die Erprobung alternativer Formen in einer pädagogisch-didaktisch gestalteten Situation nicht zu. Abgeschlossen werden die Praktika durch eine heimpraktische Prüfung. 78 Auch eine unterrichtspraktische Prüfung im Wahlfach ist obligatorisch. Heinz Bach nennt sieben mögliche Tätigkeiten (Funktionsschwerpunkte ) der sozialpädagogischen Arbeit: 79 Verwaltung, Unterricht, Erziehung, spezielle Förderung ("Therapie"), Beratung, Diagnose, Öffentlichkeitsarbeit. Von diesen Tätigkeitsfeldern werden die Heimerzieherstudenten in der DDR - abgesehen von der Therapie, die wohl mit gutem Grund den Psychologen, Psychiatern und Medizinern vorbehalten bleibt - auf alle vorbereitet. Die Verwaltung (RechtskenntniSse ), Beratung, Diagnose und Öffentlichkeitsarbeit (im Sinne der Arbeit mit Eltern, mit der Schule, mit den Betrieben und Organen der Jugendhilfe) werden zwar abgedeckt, den Schwerpunkt bildet aber eindeutig die Erziehung und der Unterricht. Hier liegt eine Stärke der Lehrpläne: die Studenten sollen lernen, durch pädagogische Maßnahmen die soziale, schulische und berufliche Eingliederung voranzutreiben. Die Schwäche dieser Konzeption ergibt sich aus dem vorherrschenden Verständnis der Erziehungs- und Bildungsarbeit: sie wird nur als planmäßige Tätigkeit aufgefaßt, in der die staatlichen Normativa umgesetzt werden sollen. So werden die politischen, ökonomischen und sozial psychologischen Ursachen der Sozialisationsschwierigkeiten ausgeklammert und ihre kritische Bewertung unterbunden. Das Planmäßige als allein Erfolg versprechende Strategie äußert sich aber auch in dem traditionellen Fächerkanon, in dem Versuch, über die Studieninhalte die Einheitlichkeit der Ausbildung zu sichern, und in den Methoden des Studiums. Es fehlt die Vorbereitung auf offene, situationsgebundene und solidarische Teamarbeit, der Abbau der Autoritätsfixierung oder der administrativen Gläubigkeit. Wenn die Ausbildung als Spiegelbild der Praxis angesehen wird, dann zeigt ihre Verschulung die Angst vor allem Unkontrollierten in dieser Praxis. Das reglementierte Studium als erstes Stadium der beruflichen Sozialisation läßt vermuten, daß in der späteren Arbeit formales Handeln eine große Rolle spielt. Wir haben es hier mit einer Fachschulausbildung, nicht mit einem wissenschaftlichen Studium zu tun. Trotzdem ist es erstaunlich, wie undifferenziert in der Ausbildung auf Fragen eingegangen wird, die in der Bundesrepublik zum Kern des sozialpädagogischen Denkens gehören. Dazu zählt das Selbstverständnis der Pädagogik der Jugendhilfe als wissenschaftliche Disziplin, das kommentarlos von den Positionen der allgemeinen Erziehungstheorie abgeleitet wird. Die politische und pädagogische Funktion der Jugendhilfe und die berufliche Identität des Erziehers wird nicht hinterfragt. Die Lebenswelt der Klientel

Praktikumsprograrnm, S. 18. H. Bach: Sozialpädagogik und Sonderpädagogik. In: Handbuch zur Sozialarbeit! Sozialpädagogik. Darmstadt!Neuwied 1984, S. 1024. .8

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kommt auch nur vereinfacht vor, Impulse für die eigene Arbeit werden in ihr, sofern es sich nicht um Schule oder Betrieb handelt, nicht gesucht. Zum Schluß noch einige Anmerkungen zur Berufseinmiindung der Absolventen. Nach dem Studium droht dem Absolventen weder Arbeitslosigkeit noch ein nichtadäquater Einsatz. Und auch einen befristeten Vertrag muß er nur dann befürchten, wenn er eine Prüfung zu wiederholen hat. Vielmehr wird ihm im Regelfall nach den Plänen für Absolventeneinsatz, die gemeinsam vom Ministerium für Volksbildung und den örtlichen Organen für Volksbildung mit den Ausbildungseinrichtungen erarbeitet werden, eine Arbeit zugewiesen. Nach dem Arbeitseintritt wird er von einem Mentor politisch-fachlich betreut. über die ,,hervorragenden" Studenten, also solche, die etwa einen Fachschulpreis gewonnen haben oder eine Leitungsfunktion in der FDJ innehatten, sollen die Organe ftir Volksbildung informiert werden. Sie werden besonders gefördert. so Die Berufszufriedenheit soll hoch sein, was auch mit dem dominierenden Motiv für die Berufswahl erklärt wird: dem Interesse an der Arbeit mit gefährdeten Heranwachsenden bei 77%, wobei sich dieses Interesse vor allem während der Tätigkeit in der Jugendorganisation herausgebildet haben soll.sl Eine Weiterbildungsbereitschaft wird beim Heimerzieher vorausgesetzt. Zu den Maßnahmen gehört das Selbststudium und die sog. Weiterbildung im Prozeß der Arbeit. Die Weiterbildung in Kursen (Lehrgängen) wird zentral koordiniert.s2 Das Institut ftir Jugendhilfe in Falkensee funktioniert als zentrale Aus- und Weiterbildungsstätte für den gesamten Bereich der Jugendhilfe der DDR.s3 Die Themen sind politisch und schulpolitisch sowie vor allem metho80 Anweisung Nr. 12/84 über die Planung, Vorbereitung und Durchführung des Berufseinsatzes der Absolventen des Lehrer- und Erzieherstudiums von 16.4.1984. In: Sozialistisches Bildungsrecht. Volksbildung, Allgemeine Bestimmungen. Berlin 1988. 81 Vgl. Kurka, S. 123. Neben der eigenen Tätigkeit sollen an zweiter Stelle die Eltern die Berufswahl beeinflußt haben. Die Schule und die Berufsberatung spielen, wie üblich, nur eine untergeordnete Rolle. 82 Eine wichtige Aufgabe haben dabei die Bezirksfachkommisisonen Jugendhilfe und Heimerziehung (Referat für Jugendhilfe, Abteilung für Volksbildung beim Rat des Bezirks). Sie organisieren und koordinieren den Erfahrungsaustausch und andere Maßnahmen der sog. Weiterbildung im Prozeß der Arbeit; sie unterstützen die Bezirkskabinette für Unterricht und Weiterbildung bei der Veranstaltung von Weiterbildungskursen (in diesen Kabinetten ist auch ein Mitarbeiter für Jugendhilfe und Heimerziehung vertreten); sie organisieren Lesungen, erarbeiten Weiterbildungsmaterialien usw. Vgl. Anweisung Nr. 7/87 über die Bildung, Aufgaben und Arbeitsweise der Bezirksfachkommissionen Jugendhilfe und Heimerziehung. In: Jugendhilfe, 25 (1987) 11, S. 306-107. 83 Anweisung Nr. 5/88 über das Statut des Instituts für Jugendhilfe in Falkensee vom 4.4.1988. In: Jugendhilfe, 26 (1988) 11, S. 316-319. Es organisiert u.a. die zentralen Weiterbildungslehrgänge für Heimerzieher, bereitet die Kindergärtnerinnen auf den Einsatz im Heim vor und arbeitet Weiterbildungsmaterialien und Programme für die Bezirke aus. Das Institut qualifiziert die Pädagogen der Referate Jugendhilfe; beteiligt sich an der Qualifizierung von ehrenamtlichen Mitarbeitern der Jugendhilfe; veranstaltet postgraduales Studium mit Fachabschluß für Jugendfürsorger; veranstaltet zentrale Weiterbildung für Jugendfürsorger. Von ihm wird darüber hinaus die gesamte Forschung auf diesem Gebiet koordiniert.

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disch. Die Ausbildung der Jugendfürsorger und der Diplompädagogen in der Spezialisierung Jugendhilfe/Heimerziehung ist nur auf dem Wege der Weiterbildung möglich. 84 Auch die Weiterbildung ist also anders als in der Bundesrepublik ausgelegt. Hier wird zunehmend die Zusatzqualiftkation - Supervision, Beratung, Gesprächsführung, Therapie - gefragt und von den Arbeitgebern verlangt. Die Bezahlung eines Heimerziehers mit Fachschulbildung liegt zwischen 760 und 1175 M, wobei in Berlin generell mehr verdient wird. Hinzu kommen noch nach Dienstalter gestaffelte Zulagen (25 M nach 2, 405 nach 25 Jahren), Zulagen für Direktoren der Heime (200-250 M) oder für andere Leitungsfunktionen, zum Teil auch Erschwerniszulagen, Nachtschichtzuschläge oder Prämien.85

84 Anweisung Nr. 9/88 zur Ausbildung von Diplompädagogen in der Spezialisierungsrichtung Jugendhilfe/Heimerziehung. In: Jugendhilfe, 26 (1988) 12, S. 349-350. Das zweijährige Sonderstudium fmdet an der Sektion "F.A.W. Diesterweg" der Humboldt-Universität zu Berlin statt. Es handelt sich um ein Direktstudium, zu dem erfolgreiche Praktiker mit Hoch- oder Fachschulabschluß delegiert werden. Das Ziel des Studiums ist es, leitende Kader für die Referate und Heime der Jugendhilfe sowie für die Aus- und Weiterbildung und die Forschung zu qualifizieren. Im Anschluß an das Studium besteht die Möglichkeit zur Promotion. Das Angenehme an dem Studium ist zweifelsohne, daß die Studenten ein Stipendium in der Höhe des monatlichen Nettodurchschnittslohnes des letzten Jahres und dazu noch alle Ermäßigungen, die den Studenten zustehen, erhalten. 1988 wurden in diesem Wissenschaftsbereich 24 Diplomarbeiten verteidigt, wobei es sich zum Teil um Gruppenarbeiten handelt. as Vgl. Rahmenkollektivvertrag über die Arbeits- und Lohnbedingungen für die Mitarbeiter in Einrichtungen der Volksbildung und kommunalen Einrichtungen der Berufsbildung. Berlin 1983, §§ 6, 30, 36, 51, 52 und Anlagen 1 und 2. Zu diesem Vertrag gehören noch zwei Nachträge, die jedoch nicht zur Verfügung standen.

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Bene~

Anhang: Ausbildungsplan für Heimerzieherstudenten Fach Marxismus-Leninismus Geschichte der DDR Pädagogik davon: Grundlagen der Pädagogik Theorie der kommunistischen Erziehung Didaktik Geschichte der Erziehung Bildungsrecht Psychologie davon: Allgemeine und Persönlichkeitspsychologie Entwicklungspsychologie Diagnostische Tätigkeit Pädagogische Psychologie Entwicklungsphysiologie/Gesundheitserziehung Deutsche Sprache Literatur Mathematik Sprecherziehung Russisch Sport Arbeit mit audiovisuellen Mitteln Lehrerveranstaltungen zur Vorbereitung der Abschlußarbeit Politisch-pädagogische Tätigkeit Obligatorische Kurse davon: Haushalt/Familie Aus den folgenden Fächern muß der Student drei wählen: Nutzung und Pflege der heimatlichen Natur Technische Betätigung im Heim TouristikjWehrsport Rettungsschwimmen Musizieren Bildnerisches Gestalten Szenisches Gestalten Schach Stunden insgesamt (ohne Wahlfächer)

Semesterwochenstunden

Stunden insgesamt

22 6 27

285 96 390

3 12 6 4 2 23

51 176 92 42 29 335

4 4 4 11 6 15 17 21 2 10 16 1

68 60 54 153 92 217 231 318 32 158 224 17

3 2

13

43 32 192

4

54

3 3 3 3 3 3 3 3 184

46 46 46 46 46 46 46 46 2661

Sozialpädagogische Berufe in der BRD und in der DDR

Fach Wahlfächer (in einem dieser Fächer erwirbt der Student die Lehrbefähigung für die unteren Klassen der Oberschule): Sport Kunsterziehung Musikerziehung Werkunterricht

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Semesterwochenstunden

Stunden insgesamt

51

713 524

38

39 39

539 539

Quelle: Studienplan für die Ausbildung von Heimerziehern an Instituten für Lehrerbildung. Berlin 1987.

Gertrud Pfister DIE FEMINISIERUNG PÄDAGOGISCHER BERUFE IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND UND IN DER DDR Erst nach langem überlegen habe ich mich entschlossen, den Terminus Feminisierung zu verwenden, obwohl dies eine Distanzierung von den Traditionen dieses Begriffs notwendig macht. Unter Feminisierung soll hier - wertneutral - die Entwicklung bzw. Erhöhung des Frauenanteils in einem BerufsfeId verstanden werden, und es gibt keinen anderen Begriff, der den Prozeß der öffnung von Berufen für Frauen und die damit verbundenen Folgen so präzise erfassen kann. Es soll aber nicht verschwiegen werden, daß der Terminus Feminisierung oder, wie es vor dem 1. Weltkrieg hieß, Verweiblichung seit dem Ende des 19. Jahrhunderts von ,.Antifeministen" mißbraucht wurde. Sie bekämpften die Frauenerwerbstätigkeit mit Argumenten wie: ,)eder Fuß breit, den die Frau erobert, ist dem Manne geraubt,jede Erwerbsmögllchkeit, die sich ihr erschließt, beengt den Erwerbskreis des Mannes ... ,,1 L Zur geschlechtsspezifischen Segregierung des Arbeitsmarktes

Bedeutet Feminisierung nun wirklich die Verdrängung der Männer vom Arbeitsmarkt, wie es das zitierte Statement suggeriert? Willms konnte durch eine Reanalyse von Daten aus den Berufszählungen in Deutschland seit 1882 feststellen, daß davon keine Rede sein kann. Seit Beginn der Frauenerwerbstätigkeit im 19. Jahrhundert ist nämlich eine geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes nachzuweisen; d.h. erwerbstätige Männer und Frauen waren überwiegend in unterschiedlichen voneinander abgeschotteten Segmenten des Arbeitsmarktes tätig. Willms kommt zu folgendem Schluß: "Die Segregierung der Arbeit, als Trennung von ,weiblichen' und ,männlichen' Erwerbsbereichen, schränkt die direkte Konkurrenz der Geschlechter um Arbeitsplätze ein. Männer und Frauen konkurrieren weniger miteinander, als jeweils untereinander.,,2 Charakteristisch für Frauenarbeitsplätze und -erwerbsbereiche waren - und sind auch heute noch - ein relativ geringer Verdienst, schlechte Aufstiegschancen sowie Unsicherheit der Arbeitsplätze. 3 1 2

Mittenzwey 1909, S. 20. Willrns 1983, S. 108.

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Trotz des strukturellen Wandels des Arbeitsmarktes und der Integration von Frauen in neue Bereiche des Beschäftigungssystems hat sich insgesamt an der Situation der Frauenerwerbstätigkeit, die Willms als ,,Marginalität auf Dauer" charakterisiert, wenig geändert. In der Bundesrepublik sind auch heute noch "drei Viertel aller erwerbstätigen Frauen ... konzentriert auf nur 12 (von 100) Berufsgruppen, die (mit Ausnahme der Hilfsarbeiter) alle stark verweiblicht sind".4 Gelang es in der DDR, die für sich beanspruchte, die volle Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt verwirklicht zu haben,s die Trennung der Erwerbsbereiche von Männern und Frauen aufzuheben? Aus den statistischen Jahrbüchern der DDR ist zu entnehmen, daß sich trotz aller Bemühungen, den Frauenanteil in sogenannten Männerberufen zu steigern, wenig an der geschlechtsspezifischen Typisierung der Berufe geändert hat. Zwar hat sich der Frauenanteil in traditionell männlichen Berufsfeldern, wie z. B. im Bauwesen, zwischen 1970 und 1984, leicht von 13% auf 16% erhöht, dafür nahm aber auch die Feminisierung anderer Branchen, z. B. des Handels zu, und zwar zwischen 1970 und 1984 von 69 % auf 73 %. Frauen stellen auch im Gesundheitswesen (Frauenanteil von 86,1 %) und Sozialwesen (Frauenanteil von 94,2 %) die überwiegende Mehrheit der Erwerbstätigen. 6 In zahlreichen DDRPublikationen wurde zugegeben, daß "eine gewisse geschlechtstypische Arbeitsteilung in unserer Gesellschaft - sowohl innerhalb der Volkswirtschaft nach Bereichen, Berufen, Arbeitsplätzen und -funktionen als auch innerhalb der Familien sowie zWischen den beruflichen und häuslich-familiären Aufgaben" existierte. 7

IL Die historische Entwicklung des Frauenanteils in pädagogischen Berufen Während in manchen Branchen seit dem 19. Jahrhundert entweder fast ausschließlich Männer oder überproportional viele Frauen beschäftigt waren, veränderte sich in anderen Berufen die Männer-Frauen-Relation im Lauf der histo3 Dabei soll nicht übersehen werden, daß manche typische Männerberufe zu Frauenberufen wurden, wenn sich die Arbeitsbedingungen verschlechterten, vgl. z. B. Rabe-Kleberg 1987, S. 19. 4 Willms 1983, S. 108; vgl. auch Willms-Herget 1986; Statistisches Bundesamt 1987, S. 61 ff. S Berücksichtigt man nur die quantitative Seite der Frauenerwerbstätigkeit, so sind Frauen wirklich voll in die Arbeitswelt integriert. 1984 waren immerhin 91 % der arbeitsfähigen Frauen erwerbstätig; vgl. Bertram u.a. 1988,97. 6 Vgl. Grabley 1984; Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik 1988, S. 116; zur Situation der Frauen in der DDR vgl. auch Enders 1986; EndersfWeigandt 1986. 7 Bertram u.a. 1988, S. 99; vgl. auch ebd. S. 84.

Die Feminisierung pädagogischer Berufe in der BRD und in der DDR

125

rischen Entwicklung entscheidend. Allerdings verringerte sich nur in einer einzigen Branche, der Landwirtschaft, der Frauenanteil, in allen anderen nahm der Prozentsatz der weiblichen Erwerbstätigen manchmal stark, manchmal auch nur geringfügig zu. Einige Berufsbereiche entwickelten sich sogar von einer Männerdomäne zu einem Frauenbereich; dies gilt flir den Handel und vor allem auch flir das Bildungswesen, in dem eine starke Zunahme des Frauenanteils zwischen 1882 und 1970 zu verzeichnen ist. Nach der Zusammenstellung von Willms waren 1882 etwa 12 %,1895 dagegen schon rd. 37% der Erwerbstätigen im Bildungswesen weiblich; nach der Jahrhundertwende nahm der Frauenanteil allerdings wieder ab, um dann ab 1939 erneut steil anzusteigen (s. Tab. 1). Der Tabelle 1: Entwicklung der Frauenquote in ausgewählten Branchen

Landwirtschaft Berbau/Energie Bildungswesen

1882

1895

1907

1925

1939

1950

1970

18,7 3,4 12,4

36,3 2,7 36,8

40,8 1,9 32,4

38,4 1,3 31,8

36,6 2,7 33,7

34,2 3,1 40,9

24,1 7,2 53,7

Quelle: Willms 1983, 132.

Rückgang des Frauenanteils im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ist auf die Ausweitung des öffentlichen Schulsystems und die damit verbundene Verdrängung der privaten, mittleren und höheren Mädchenschulen, die Lehrerinnen zahlreiche Anstellungsmöglichkeiten boten, zurückzuftihren.8 Die anschließende Stagnation der Frauenquote steht mit der krisenhaften wirtschaftlichen Entwicklung, dem überangebot an Lehrern und später mit der frauenfeindlichen Arbeitsmarktpolitik der Nationalsozialisten in Zusammenhang. Der Feminisierungsprozeß des Lehrerberufes lief also alles andere als kontinuierlich ab. Innerhalb des Berufsfeldes "Bildung und Erziehung" muß allerdings noch einmal differenziert werden. Pädagogische Berufe im vor- und außerschulischen Bereich, wie die der Kindergärtnerin und Erzieherin, waren seit je her eine unbestrittene Domäne der Frauen. Anders das öffentliche Schulwesen, das sich von einer Hochburg der Männer zumindest partiell zu einer Frauendomäne wandelte. 1886 waren beispielsweise in Preußen nur etwa 10% der Lehrkräfte an den öffentlichen Volksschulen weiblich. Bis 1906 hatte sich der Frauenanteil dann auf 17%, 1921 auf 25 % erhöht.9 Der Etablierung des Berufes der Volksschullehrerin waren lange Kämpfe und Auseinandersetzungen vorausgegangen. Zwar griff man, als der Lehrerbedarf aufgrund der allgemeinen Schulpflicht gestiegen a Vgl. Küpper 1985; zur Geschichte des Lehrerinnenberufes vgl. auch Gahlings/ Moering 1961; Brehmer 1980 a. • Vgl. Küpper 1985, S. 37; Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, Jg. 26, Berlin 1907, S. 244; Jg. 48, 1929, S. 404.

Gertrud Pfister

126

war, und männliche Bewerber nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung standen, etwa seit Mitte des vorigen Jahrhunderts auf die ,,Arbeitskraftreserve" der Frauen zurück. lO Lehrerinnen waren aber in vieler Hinsicht - im Bereich der Ausbildung, Bezahlung und Einstellungsmöglichkeiten - gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt. Erst ab 1874 wurden beispielsweise allmählich die Prüfungsanforderungen an Lehrerinnen an das Niveau der männlichen lehrkräfte angeglichen; 1894 wurde die Oberlehrerinnenprüfung, 1905 die Zulassung zum Examen für das höhere Lehramt durchgesetzt. l l Eine entscheidende Diskriminierung der Lehrerinnen, das Lehrerinnen zölibat , wurde sogar erst nach dem 2. Weltkrieg endgültig ad acta gelegt. Das Eindringen der Frauen in die bislang männliche Domäne des Lehrens rief zahlreiche Gegner der Frauenemanzipation auf den Plan, die zu einem großen Teil aus standespolitischen Interessen den Einsatz von Frauen als lehrerinnen entweder ganz ablehnten oder zumindest auf bestimmte Bereiche, z. B. auf die Unterstufe oder den Handarbeitsunterricht, beschränken wollten. Eine besondere Schärfe nahmen die Auseinandersetzungen an, wenn es um die Forderung der bürgerlichen Frauenbewegung ging, "dem weiblichen Element eine größere Beteiligung an dem wissenschaftlichen Unterricht auf der Mittelund Oberstufe der öffentlichen höheren Mädchenschule" zu geben - so Helene Lange in der ,,gelben Broschüre" .12 In einer Zeit, in der die "überflillung des männlichen akademischen lehrberufs" selbst in der Tagespresse diskutiert wurde, riefen derartige Forderungen große Widerstände insbesondere von seiten der Gymnasiallehrer hervor. Als zentrales Argument wurde vorgebracht, daß Frauen den intellektuellen und physischen Anforderungen des Lehrerinnenberufes nicht gewachsen seien. Die Einstellung von Lehrerinnen habe, so die Argumentation eines preußischen Oberlehrers auf dem deutschen Lehrertag 1906, verheerende Folgen: "In der Verweiblichung des Lehrkörpers der Volksschule liegt eine Gefahr für die Entwicklung der Schule, für ihre Unabhängigkeit und für unser gesamtes Volkstum.,,!3 Insbesondere die Forderung, Gymnasiallehrerinnen auszubilden und zuzulassen, stieß auf Unverständnis und strikte Ablehnung. So meinte beispielsweise der preußische Kultusrninister Bosse 1898: "Die ganze Idee der Frauenbewegung, wonach die Frauen als Konkurrentinnen der Männer sich nach allen Seiten hin aufspielen, ist falsch. Meine Herren, stellen sie sich das bloß vor, daß wir Frauen als Philologinnen, wie sie es jetzt schon begehren, an den künftigen Mädchengymnasien ... anstellen würden ( ... ). Meine Herren, für die Einstel10 11

12 13

Gahlings/Moering 1961; Nave-Herz 1980; Küpper 1985. Ehrich/Vauth 1980, S. 91. Ehrich/Vauth 1980, S. 86; vgl. auch Klewitz 1989. Zinnecker 1980, S. 215.

Die Feminisierung pädagogischer Berufe in der BRD und in der DDR

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lung dieses Arnazonenkorps wird wohl einstweilen der Reichstag nicht zu haben sein ..... 14 Der Abwehrkampf der Lehrer gegen die weibliche Konkurrenz blieb allerdings erfolglos. Zahlreiche Faktoren flihrten schließlich zur - wenn auch halbherzigen - Akzeptanz der Lehrerinnen. Dabei spielten einerseits die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes, d.h. der zeitweise Mangel an Lehrkräften für die Volksschulen, der Lehrermangel während des Krieges sowie fmanzielle Erwägungen - Lehrerinnen waren billiger - eine Rolle. Andererseits vergrößerte sich auch das Angebot an Lehrerinnen, weil immer mehr bürgerliche Frauen diesen Beruf, der ein sicheres Auskommen vor der Ehe oder im Falle der Ehelosigkeit bot, ausüben wollten. III Die Feminisierung pädagogischer Berufe in der Bundesrepublik und in der DDR

Zwischen 1950 und 1980 verstärkte sich in der Bundesrepublik der Ferninisierungstrend an den allgemeinbildenden Schulen (ohne Schulkindergärten) kontinuierlich. Während 1960 etwa 38% der Lehrkräfte Frauen waren, unterrichteten 1970 schon mehr Lehrerinnen als Lehrer. Bis 1981 stieg der Frauenanteil nochmals auf über 55%. 1986 ging darm der Prozentsatz der weiblichen Lehrkräfte leicht zurück, und zwar aufrd. 54% (s. Tab. 2). Tabelle 2: Frauenanteil an allgemeinbildenden Schulen der Bundesrepublik Gesamt

GS/HS

RS

Gym

Ges

38,2 51,6 55,0 54,1

41,2 58,8 63,9 64,7

37,7 47,5 52,4 51,3

28,5 32,0 36,4 36,0

46,4 46,6

%

1960 1970 1980 1986

%

%

%

Quelle: Grund- und Strukturdaten 1987/88.

Obwohl aus der DDR kein lückenloses Datenmaterial vorliegt - die Angaben in den Statistischen Jahrbüchern der DDR sind nicht durchgehend nach Geschlecht differenziert - läßt sich eine ähnliche Tendenz feststellen. Auch dort vergrößerte sich der Frauenanteil an allgemeinbildenden Schulen stetig: von 54,5% Mitte der 60er Jahre auf über 80% im Jahr 1989 (s. Tab. 3).15 Ein 14 15

Zit. nach EhrichfVauth 1980, S. 91. Deutsche Lehrerzeitung 1. Juniausgabe 1989.

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Tabelle 3: Berufstätige in Einrichtungen des Bildungswesens 1987 inder DDR

Berufstätige 1000

Frauenanteil %

102,4

98,8

236,9 21,7

77,0 62,2

10,7

57,0

Einrichtungen der vorschulischen Erziehung Allgemeinbildende Schulen Fachschulen Einrichtungen der Erwachsenenbildung Quelle: Stat. Jahrbuch der DDR 1988, S. 238.

Vergleich zwischen beiden deutschen Staaten zeigt, daß der Feminisierungsprozeß in der DDR noch wesentlich weiter fortgeschritten war als in der Bundesrepublik. Der hohe Frauenanteil in pädagogischen Berufen ist aber keine deutsch-deutsche Besonderheit. Auch in den USA und der UdSSR sind männliche Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen eine kleine Minderheit. 16 Der scheinbar so eindeutige Befund der Feminisierung der Lehrerschaft oder der pädagogischen Berufe generell kann leicht zu Fehlschlüssen führen. Eine Aufschlüsselung der Quoten nach Schulstufen und Funktionsstellen läßt nämlich erkennen, daß nicht durchgehend von einer Feminisierung gesprochen werden kann, im Gegenteil, in manchen Bereichen sind Frauen sogar erheblich unterrepräsentiert. Wie in vielen anderen Branchen läßt sich auch innerhalb der pädagogischen Berufe eine geschlechtsspezifische vertikale Segregierung des Berufsfeldes nachweisen. Für die Bundesrepublik kann als Regel formuliert werden: je höher das Alter der zu erziehenden Kinder und Jugendlichen, desto höher ist auch die Besoldung der Lehrenden und desto geringer ist der Frauenanteil. 1986 stellten Frauen 93,5 % der in Schulkindergärten Beschäftigten, 64,7 % des Lehrpersonals an Grund- und Hauptschulen, 51,3% an Realschulen, 46,6% an Gesamtschulen und 36,0% an Gymnasien (Tab. 2). Betrachtet man ausschließlich die Grundschulen, was aufgrund der Datenlage nicht in allen Bundesländern möglich ist, so ergibt sich Z.B. in Schleswig Holstein (1983/84) ein Frauenanteil von 84,2 %, in Nordrhein-Westfalen von 81,0% und in Hessen von 79,6%.17 Dem hohen Anteil von Lehrerinnen, vor allem von Grundschullehrerinnen, steht ein geringer Prozentsatz von Frauen in der Schulleitung gegenüber: in 16 17

Zinnecker 1980, S. 207; Bratz 1989, S.14ff. Vgl. NaegelefWarm 1985, S. 165; Warm 1985.

Die Feminisierung pädagogischer Berufe in der BRD und in der DDR

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Nordrhein-Westfalen waren 1988 nur 29,2 % Schulleitungsstellen an Grundschulen von Frauen besetzt. An den Hauptschulen betrug der Frauenanteil unter den Schulleitern sogar nur 7,6% und an den Gymnasien 10,4%. In den anderen Bundesländern ist die Situation ganz ähnlich. 18 Berücksichtigt man noch eine weitere Ebene in der Hierarchie der Bildungsinstitutionen, die Hochschulen, so ist der Rückgang des Frauenanteils noch extremer: Frauen sind im sogenannten wissenschaftlichen Mittelbau zu etwa 18%, unter der Professorenschaft aber nur zu 5% vertreten. 19 Wie sieht es nun in der DDR aus? Die Zahlen des Statistischen Jahrbuchs der DDR lassen ebenfalls eine geschlechtsspezifische vertikale Segregierung des Bildungswesens erkennen: 1987 waren 89,8% der Beschäftigten an Einrichtungen der vorschulischen Erziehung weiblich; an den allgemeinbildenden Schulen betrug der Frauenanteil77% und an den Fachschulen 62,2% (s. Tab. 3). Die Struktur der Lehrerschaft an allgemeinbildenden Schulen müßte allerdings differenzierter analysiert werden, da dort Lehrkräfte mit unterschiedlicher Ausbildung und Entlohnung tätig sind: einerseits Lehrkräfte für die Unterstufe mit Fachschulausbildung und andererseits Diplomlehrer/innen mit Hochschulstudium. Es ist zu vermuten, daß der Frauenanteil unter den an den Instituten für Lehrerbildung Ausgebildeten höher ist als unter den Diplomlehrkräften. Auch bei dieser Frage ist man mit der schlechten Datenlage konfrontiert. In der literatur fmden sich immerhin einige Hinweise, die meine Annahme stützen. Berufstätige mit Fachschulabschluß im Bereich Kultur, Erziehungs- und Sportwissenschaften unter 30 Jahren waren schon 1971 zu 89,8 % weiblich (über 30 Jahren zu 80%).2° Dagegen betrug der Prozentsatz der Frauen im Pädagogikstudium an den Hochschulen 1980/81 ,,nur" 74,4%.21 Gut informiert sind wir über die Zahl der Schulleiterinnen, weil sie immer wieder unter den "Erfolgsmeldungen" in den DDR-Medien genannt wurde. Gemessen an der hohen Lehrerinnenquote waren Frauen unter den Schulleitern aber auch in der DDR erheblich unterrepräsentiert: 1971 betrug ihr Anteil 25%,1982 32%.22 Der Rückgang der Frauenquote setzte sich auch in der DDR an den Universitäten und Hochschulen fort: 1988 waren zwar 43% des wissenschaftlichen Fachpersonals an den Universitäten Frauen, aber nur 12% der Dozenten, 5% der Professoren und 2,6% der Rektoren, Prorektoren und Sektionsdirektoren.23 Warm 1985, S. 16; NaegelefWarrn 1985, S. 161; Lührig 1989, S. 21. Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauenstudien und Frauenforschung an der Freien Universität Ber1in: Informationsblatt. Extra 11, Berlin 1988, S. 34. 20 Menschik 1975, S. 40. 21 Husner 1985, S. 28. 22 Neues Deutschland vorn 8.3.1982. 23 IWE 156. Tagesdienst 1988, BI. 2. 11

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9 Baske

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Trotz des außerordentlich hohen Frauenanteils in pädagogischen Berufen fanden überproportional viele männliche Lehrkräfte in der DDR öffentliche Beachtung und soziale Anerkennung: So wurden beispielsweise 1987 fast ebenso viele Männer (47,5%) wie Frauen (52,5%) mit dem Titel "Verdienter Lehrer des Volkes" ausgezeichnet. 24

In beiden deutschen Staaten waren also trotz der unterschiedlichen Lage auf dem Arbeitsmarkt, d.h. trotz der Lehrerarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik und trotz des zumindest partiellen Lehrermangels in der DDR, ähnliche Tendenzen zu verzeichnen: Eine Feminisierung der vorschulischen Einrichtungen und der Grundschulen, eine Abnahme des Feminisierun~grades in Funktionsstellen sowie eine krasse Unterrepräsentation der Frauen an den Hochschulen und Universitäten. IV, Perspektiven

Die Erhöhung des Frauenanteils unter den Lehrkräften schien sich in der DDR ungebrochen fortzusetzen. Hinweise darauf gibt u.a. die Altersstruktur der männlichen und weiblichen Lehrkräfte. 1965 waren 39,9% der 55-6Ojährigen Lehrkräfte und 73,5 % der unter 25jährigen weiblich. 1970 hatte sich der Frauenanteil bei den 25jährigen auf 78% erhöht. Auch wenn aus späteren Jahren keine Altersangaben vorliegen, so ist doch mit Schmidt (1988) von einer Fortsetzung dieses Trends auszugehen. 25 Gestützt wird diese Annahme auch durch die Zahl der Pädagogik-Studierenden. In der Deutschen Lehrerzeitung vom Juni 1989 heißt es: "Gegenwärtig befmden sich über 40000 junge Leute, weit über 80% sind Mädchen, in einem Lehrer- oder Erzieherstudium.,,26

In der Bundesrepublik nahm zumindest bis 1986 der Frauenanteil unter den Studierenden für das Lehramt ebenfalls kontinuierlich zu - von 53,3% 1975 bis 61,5% 1986. Der Anteil der Frauen an den erfolgreichen Staatsexamenskandidaten stieg ebenfalls von 56,4% 1975 auf 62,9% 1985.27 Trotzdem ging der Frauenanteil unter den Lehrkräften in den letzten Jahren leicht zurück (s. Tab. 2).28 Es liegt nahe, diese Entwicklung mit der großen Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage in diesem Berufsfeld in Verbindung zu bringen. 1986 bewarben sich 61 395 Männer und Frauen nach abgeschlossenem Referendariat für den Schuldienst; nur 17,8 % waren erfolgreich. Leider liegt keine AufschlüsNeues Deutschland vom 13.6.1987. Schmidt 1988, S. 51. •• Deutsche Lehrerzeitung 1988, Nr. 23. 27 Grund- und Strukturdaten 1987/88, S. 144; 184 . •8 Vgl. für Baden-Württemberg die Analyse von Schmude 1988. '4 2S

Die Feminisierung pädagogischer Berufe in der BRD und in der DDR

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selung dieser Daten nach dem Geschlecht vor. Im gleichen Zeitraum meldeten sich 22 S86 Lehrerkräfte arbeitslos. Unter ihnen sind Frauen, auch auf die Quote der Staatsexamenskandidatinnen bezogen, mit 6S '" % überrepräsentiert. Allerdings müssen diese Angaben mit großer Vorsicht interpretiert werden, da in der Statistik nur die Arbeitslosen erfaßt werden, die beim Arbeitsamt gemeldet sind. Die Dunkelziffer ist hier bekanntermaßen sehr hoch. Trotzdem kann vermutet werden, daß, wenn die Stellen knapper werden, der Anteil an Lehrerinnen unter den Neueingestellten zurückgeht, obwohl er bezogen auf die Referendarinnenquote steigen müßte. 29 Als Ursachen für die überproportional hohe Lehrerinnenarbeitslosigkeit werden offiziell ungünstige Fächerverbindungen oder auch die fehlende regionale Flexibilität von Lehrerinnen genannt. Manche Lehrerinnen äußerten aber auch den Verdacht, daß eine Quotierung zugunsten von Männem und der ,,Kampf gegen das Doppelverdienertum" nicht auszuschließen sei. 30 Sollte die Einstellungsquote von Lehrerinnen weiter sinken, so würde das, wenn auch wegen der geringen Zahl der Eingestellten sehr langsam, zu einem Abbruch des über Jahrzehnte ungebrochenen Feminisierungsprozesses führen. Es ist aber auch zu berücksichtigen, daß sich aufgrund der stark verringerten Einstellungszahlen die Altersstruktur der Lehrkräfte verändert hat: die jüngsten Altersgruppen mit dem höchsten Frauenanteil waren von den verminderten Einstellungschancen am stärksten betroffen; die Altersgruppe ab 3S Jahren weist dagegen unter den vollbeschäftigten Lehrkräften einen deutlich geringeren Frauenanteil auf, weil viele Lehrerinnen sich nach einer Familiengründung beurlauben lassen oder auf Teilzeitstellen ausweichen. 31 Inwieweit sich der Rückgang der Feminisierung unter den veränderten demographischen Bedingungen der 90er Jahre fortsetzt, ist derzeit nicht abzusehen. Als erstes Fazit ist festzustellen: Trotz der unterschiedlichen politischen, ökonomischen und ideologischen Bedingungen entwickelte sich die Feminisierung von pädagogischen Berufen in beiden deutschen Staaten in ganz ähnlicher Weise. Die höhere Lehrerinnenquote an den Schulen der DDR dürfte mit der höheren Erwerbsquote der weiblichen Bevölkerung in Zusammenhang stehen. Interessanterweise schien der Lehrerinnenberuf trotz der unterschiedlichen Situation auf dem Arbeitsmarkt und trotz der unterschiedlichen Berufsperspektiven für Frauen in der Bundesrepublik und in der DDR gleichermaßen attraktiv zu sein - in beiden deutschen Staaten nahmen die Frauenquoten auch unter den Studierenden für das Lehramt zu.

NaegelefWarm 1985, S. 167. NaegelefWarm 1985, S. 167. 31 Vgl. Schmude 1988, der dies für die Grund- und Hauptschullehrkräfte in BadenWürttemberg aufgezeigt hat. Schmude weist auch darauf hin, daß der Frauenanteil unter den Lehrkräften in Städten wesentlich höher ist als auf dem Land. 29

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In der DDR verstärkt sich anscheinend die Ferninisierung aufgrund der immer noch angespannten Lage auf dem Lehrerarbeitsmarkt: der Bedarf an Lehrkräften war bis jetzt nur durch Frauen zu decken. In der Bundesrepublik hat sich dagegen in der Zeit der Lehrerarbeitslosigkeit der Frauenanteil in den Schulen trotz des hohen Prozentsatzes an Studentinnen für das Lehramt leicht verringert, der Feminisierungsprozeß scheint rückläufig zu sein.

V. Ursachen der geschlechtsspezijischen Segregation in pädagogischen Berufen Die geschlechtsspezifische Aufteilung des Arbeitsmarktes, d.h. die Konzentration von Männern und Frauen auf jeweils typische Berufsfelder und Positionen, läßt sich aus zwei Perspektiven, aus der Perspektive des Angebots und aus der Perspektive der Nachfrage nach Arbeitskräften betrachten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß Zugangsbarrieren für Frauen vor bestimmten als Männerberuf typisierten Tätigkeitsfeldern zur Konzentration weiblicher Erwerbstätiger in anderen Bereichen führen. Man muß also nicht nur die Feminisierung, sondem auch die Ausschließung von Frauen aus bzw. die Dominanz von Männern in Berufsfeldern, d.h. die Gesamtheit des Arbeits- und Berufssystems, analysieren. Wählt man einen nachfrageorientierten Erklärungsansatz, so ist es sinnvoll, zunächst von den pädagogischen Berufen zu abstrahieren und die Gesamtstruktur des Arbeitsmarktes in den Blick zu nehmen. Grundsätzlich wird dabei von einer Aufteilung des Arbeitsmarktes in einzelne Segmente und einer Unterscheidung zwischen Kernbereichen und Randbereichen ausgegangen. Arbeitskräfte im Kernbereich verfUgen über eine hohe Qualifikation und einen stabilen Status; in den Außenbereichen sind dagegen Arbeitskräfte mit niedriger Qualifikation und labilem Status beschäftigt. Die Segmentierung des Arbeitsmarktes führt einerseits zu unterschiedlichen Arbeitsbedingungen in den einzelnen Branchen, wobei die Branchen im Kernbereich von der Konjunktur weitgehend unabhängig stabile Beschäftigungsverhältnisse aufweisen. Eine Segmentierung fmdet sich andererseits aber auch innerhalb der einzelnen Branchen und Betriebe. 32 Nachfrageorientierte Erklärungsansätze gehen davon aus, daß Arbeitgeber nur in Arbeitskräfte im Kernbereich, u.a. in Form von Weiterbildungsangeboten, investieren. Hohe Investitionen lohnen sich aber nur, wenn es sich um Vollzeiterwerbstätige mit lebenslanger Berufsperspektive, d.h. Männer, handelt. Frauen sind nämlich bei Arbeitgebern und Vorgesetzten als potentiell instabile Arbeitskräfte stigmatisiert und gelten als ,Risiko', weil sie, zumindest zeitweise, der Familie Priorität einräumen könnten. Deshalb tendieren Arbeitgeber zu einer Marginalisierung der Frauenarbeitsplätze; d.h. Frauen werden 32

Vgl. z.B. Kreckel1983; Ostner 1984; Willrns-Herget 1985; Rabe-Kleberg 1987.

Die Feminisierung pädagogischer Berufe in der BRD und in der DDR

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Tätigkeiten zugewiesen, die keine hohen Qualiflkationen erfordern, damit sie jederzeit austauschbar sind. Weibliche Erwerbstätige werden zudem häufig dort eingesetzt, wo das "weibliche Arbeitsvermögen" gefragt ist. Da die Kompetenzen von Frauen im sozialen und affektiven Bereich nicht im Rahmen der betrieblichen Aus- und Weiterqualifizierung erworben werden, können die Arbeitgeber das "weibliche Arbeitsvermögen" ohne Investitionen und die damit verbundenen Risiken nutzen. 33 Eine nachfrage orientierte Erklärung der geschlechtsspezifischen Segregierung des Arbeitsmarktes kann zwar nur beschränkt auf pädagogische Berufe im öffentlichen Dienst übertragen werden, läßt aber dennoch einige wichtige Zusammenhänge erkennen. Zum einen sind die Barrieren, mit denen Frauen in anderen Berufsbereichen mit vergleichbarem Verdienst konfrontiert werden, für die Feminisierung bestimmter pädagogischer Berufsfelder mitverantwortlich. Zum anderen kann der Ansatz der Segmentation des Arbeitsmarktes sehr gut einige der Ursachen für die geringen Aufstiegschancen der Frauen auch in Schule und Hochschule aufdecken. Aufgrund der Stigmatisierung der Lehrerinnen als instabile Arbeitskräfte werden beispielsweise die Schulbehörden eher davon absehen, Frauen die Leitung einer Schule zu übertragen. Frauen befmden sich also auch in pädagogischen Berufen auf Positionen, wo sie relativ leicht ersetzbar sind. Auch in der DDR waren es die Frauen, die für Haushalt und Kindererziehung zuständig waren. So ergab beispielsweise eine Befragung in der DDR, daß 40% der Ehefrauen im 4. Ehejahr die Hausarbeit allein bewältigen müssen; 48 % erledigten 3/4 der im Haus anfallenden Arbeiten. Nur in 12% der Familien übernahm der Ehemann etwa die Hälfte der Haushaltstätigkeiten. 34 Zeitbudgetanalysen, die 1980 in Arbeiter- und Angestelltenhaushalten durchgeführt wurden, weisen in die gleiche Richtung: Frauen leisteten pro Woche etwa 12 Stunden mehr Hausarbeit als Männer .35 So mußten die Autoren der Studie ,'partnerschaft in Ehe und Familie" einräumen, daß sich Widersprüche zeigen ,,zwischen den Bedürfnissen und dem Anspruch der Frau an die Nutzung der Gleichberechtigung (z.B. bezüglich der Berufstätigkeit, gesellschaftlichem Engagement) und der Arbeitsteilung zwischen den Partnern".36 Auch in der DDR konnten sich also Frauen aufgrund der familiären Belastungen weniger als Männer beruflich engagieren. Da sie überdies aufgrund von Schwangerschaft, Babyjahr oder auch bei Krankheit der Kinder ausfallen konnten,3? waren dort Willrns-Herget 1985, S. 177 f.; vgl. auch Stach 1987, S. 52ff. Bertram u.a. 1988, S. 153. Über die Stichprobe und die Durchflihrung der Untersuchung liegen leider keine Angaben vor. 3. Bertram u.a. 1988, S. 113. 36 Kabat vel Job/Pinther 1988, S. 154. 37 Pfister 1987, S. 230. Bertram u.a. (1988, S. 101) stellten fest: "Gibt es mit den Kindern Probleme, wird gewöhnlich die Mutter zur Kasse gebeten ... " Außerdem meinten 33

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ebenfalls Vorbehalte gegen Frauen in I..eitungspositionen zu verzeichnen. Vorurteile in bezug auf die psychische und physische Eignung der Frauen für KadersteIlen waren in der DDR ebenfalls nicht ausgeräumt. Daß immer wieder zum Kampf gegen ,,noch vorhandene subjektive Auffassungen und Vorurteile" gegenüber Frauen in Führungspositionen aufgerufen werden mußte, spricht für sich. 38 Aktuelle Untersuchungen machten überdies deutlich, daß auch die wissenschaftliche Karriere von Frauen häufig an den großen ideologischen Vorbehalten der Vorgesetzten und der damit zusammenhängenden geringen Förderung der Nachwuchswissenschaftlerinnen scheiterte. 39 Die Berücksichtigung der historischen Entwicklung bietet weitere Hinweise auf die Ursachen der Feminisierung pädagogischen Berufsfelder . Die Tätigkeiten der Kindergärtnerin oder Horterzieherin waren ursprünglich Hausarbeit und wurden erst im 20. Jahrhundert aus dem privaten Haushalt in den Bereich der öffentlichkeit verlagert. In diesen hausarbeitsnahen Berufen waren seit je her Frauen tätig, deren "weibliches Arbeitsvermögen" , d.h. die Bereitschaft zum Pflegen und Erziehen, die Mädchen in Sozialisationsprozessen seit der frühen Kindheit vermittelt wird, eingesetzt und ausgenutzt wurde.40 Ein weiterer zentraler Faktor für die Feminisierung eines Berufes ist schließlich, wie schon erwähnt, das Angebot an Arbeitskräften, das vom Berufswahlverhalten beider Geschlechter beeinflußt wird. Mit anderen Worten: Frauen wählen anscheinend bestimmte Berufe, die für Männer nicht attraktiv sind, und umgekehrt. Es stellt sich nun die Frage, warum beispielsweise der Grundschullehrerinnenberufbei Frauen beliebt, für Männer dagegen weitgehend unakzeptabel ist. In der ausschließlich bundesrepublikanischen literatur zu diesem Thema werden folgende Faktoren diskutiert: 41 die Autoren, daß der notwendige Aufwand für Nahrung, Kleidung, Wohnung und Kindererziehung so hoch sei, daß berufliche Kraftanstrengungen nicht mehr möglich seien. 38 Pfister 1987,231; IWE 156. Tagesdienst 1988, BI. 2; vgl. auch Bertram u.a. 1988, S. 98 und Waltenberg in einem Inverview im Spectrum 20 (1989), S. li-IV. 39 Vgl. z.B. Waltenberg 1987. Ihre Untersuchungen über Nachwuchswissenschaftler/ innen ergab, daß Frauen weniger als Männer zu originellen und/oder prestigeträchtigen Aufgaben herangezogen wurden. Vgl. auch das von der Akademie der Wissenschaften der DDR herausgegebene Heft "Frauen in der Wissenschaft". Wissenschaftspotential-Kolloquium VII am 26. März 1987 in Berlin. Kolloquien Heft 60, Berlin 1987; Radtke 1988; Meyer 1989. 40 Es ist darauf hinzuweisen, daß sich keineswegs alle Frauenberufe aus einer Verlagerung von Hausarbeit entwickelten un daß keineswegs alle hausarbeitsnahen Tätigkeiten nach ihrer Verberuflichung quasi automatisch Frauenbranchen waren. Nicht selten standen Tätigkeiten wie z.B. Fürsorge und Armenpflege, die Frauen unbezahlt und ehrenamtlich verrichteten, als Beruf zunächst nur Männern offen, vgl. Rabe-Kleberg 1987, S. 43. 41 Die Mehrzahl der bundesdeutschen Untersuchungen zu den Berufwwahlmotiven von Studierenden für das Lehramt stammen aus den 60er und 70er Jahren. Eine Übersicht über die vorliegenden Befragungen zu den Berufswahlmotiven von Lehrkräften gibt Boßmann 1977, S. 570; vgl. auch Oesterreich 1987, S. 8.

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Dauer und Schwierigkeit der Berufsausbildung - Verdienst Aufstiegschancen Sozialer Status Berufsinhalte Vereinbarkeit von Beruf und Familie Berufsausbildung Abiturientinnen tendierten, zumindest in der Vergangenheit, eher als Abiturienten zu einer möglichst kurzen und finanziell erschwinglichen Ausbildung: es schien sich nicht zu lohnen, viel in die berufliche Karriere zu investieren, da sie die Berufstätigkeit häufig nur als übergangsphase vor der Ehe verstanden. Darin wurden die jungen Frauen auch durch ihre Umwelt bestärkt; für Eltern galt ebenfalls die Devise: "Sie heiratet ja doch ".42 So bot sich das sechssemestrige Studium an einer pädagogischen Hochschule als Ausweg an. Jede dritte der von Krecker Anfang der 70er Jahre befragten Lehrerinnen gab an, daß der Zeit- und Kostenfaktor bei der Berufswahl ausschlaggebend war.43 Neuere Untersuchungen lassen allerdings nur noch geringe geschlechtsspeziflSche Unterschiede bei der Gewichtung der Studiendauer erkennen. 44 Auch heute ist freilich bundesweit das Studium für das Lehramt für die Primarstufe bzw. Grundschule kürzer als das für das Lehramt an Gyrnnasien. 45 Ob die Kürze der Ausbildung auch in der DDR eine wichtige Rolle bei der Berufswahl spielte, ist den mir vorliegenden Quellen nicht zu entnehmen. Aufgrund der materiellen Absicherung der Studenten und Studentinnen durch ein umfassendes Stipendienwesen dürfte jedenfalls der Kostenfaktor des Studiums irrelevant gewesen sein. Der leichte Zugang - kein Numerus Uausus -, die Einschätzung des Lehramtsstudiums als relativ einfach, die vertraute Situation sowie die überschaubaren Leistungsanforderungen in Studium und Beruf wurden von bundesrepublikanischen Lehrerinnen als weitere Motive der Berufswahl genannt. Hier spielt das relativ geringe Selbstvertrauen vieler Mädchen und Frauen eine Rolle, das z.B. Horstkämper (1983) bei hessischen Schülerinnen nachgewiesen hat. Auch eine Befragung von Jugendlichen in der DDR weist in die gleiche Richtung. Trotz im Durchschnitt besserer naturwissenschaftlicher Leistungen schätzten sich die Mädchen als weniger befähigt ein als die befragten Jungen. 46 Da in Conradt/Heckmann-Janz 1985; vgl. auch Hanisch 1974, S. 35 ff. Krecker 1974, S. 30. Die Stichprobengröße betrug 894. 44 Vgl. Boßmann 1977, S. 561. Die von Oesterreich (1987, S. 12) 1978 Befragten nannten nur zu einem geringen Prozentsatz nicht sozial erwünschte Motive. 45 Von manchen Gruppen der Bevölkerung wird das Lehramtsstudium als relativ leicht eingeschätzt, vgl. Boos-Nünning 1979, S. 16. 46 Bruhm-Schlegel/Kabat vel Job 1984, S. 228. Inzwischen werden auch in der DDR 42

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der DDR die Ausbildung an den Instituten flir Lehrerbildung zur Kindergärtnerin oder Unterstufenlehrerin nur den Abschluß der lOjährigen Pflichtschule erforderte,könnte sie auch flir diejenigen jungen Frauen attraktiv gewesen sein, die mehr Vertrauen in ihre praktischen Fähigkeiten als in ihre wissenschaftlichen Kompetenzen setzen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Möglichkeit, eine EOS zu besuchen und anschließend zu studieren, von vielen Faktoren und nicht allein von der Entscheidung der Jugendlichen abhing. Studiendauer und Studienanforderungen sind ftir die Berufswahl junger Männer anscheinend nur in besonderen Fällen von Bedeutung. Männer wählen die Ausbildung zum GrundschuUehrer, wie allerdings schon etwas ältere Untersuchungen westdeutscher Bildungsforscher ergaben, vor allem dann, wenn sie sich aufgrund schlechter SchuUeistungen kein anderes Studium zutrauten oder wenn sie aus nichtakadernischen Elternhäusern stammten.47 Verdienst Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR haben bzw. hatten lehrerinnen aller Schulstufen ein ausreichendes Einkommen, das sich nicht von dem Gehalt der männlichen Lehrkräfte in der gleichen Position unterscheidet. Allerdings waren innerhalb des Berufsfeldes in beiden deutschen Staaten entscheidende Besoldungsunterschiede in Abhängigkeit von der Qualifikation und der ausgeübten Tätigkeit zu verzeichnen, wobei in der Bundesrepublik die Diskrepanzen in der Besoldung größer waren als in der DDR. 48 Unzweifelhaft ist das Einkommen bei beiden Geschlechtern ein wichtiger Faktor bei der Berufswahl. Es spielt aber bei Männern eine größere Rolle als bei Frauen, die den beruflichen Sozialkontakten und den inhaltlichen Tätigkeiten eine höhere Bedeutung beimessen. Dazu liegen konsistente Untersuchungsergebnisse aus der Bundesrepublik und der DDR vor. 49 Bruhm-Schlegel und Kabat vel Job stellten z.B. ftir die DDR-Jugendlichen fest: "Hinsichtlich der Faktoren, die wichtig ftir die Zufriedenheit und das Wohlflihlen Jugendlicher in Arbeit und Betrieb sind, bewerten weibliche Jugendliche die Bedeutung sozialer Beziehungen sehr viel höher, niedriger dagegen fmanzielle Aspekte sowie die individuelle Entwicklungsperspektive im Beruf."sO

biologistische Erklärungsansätze für die Geschlechtsunterschiede u.a. im naturwissenschaftlichen Bereich vorgetragen, vgl. Döring/Kauke 1989. 47 Zinnecker 1980, S. 213. 48 In der DDR lag 1982 das Einkommen einer Helferin ohne pädagogische Ausbildung bei 420 Mark und der Verdienst eines Lehrers mit Hochschulausbildung nach 25 Dienstjahren bei 1295 Mark. Leitende Tätigkeiten wurden mit einer Zulage bis zu 300 Mark monatlich honoriert, vgl. Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen 1985, S. 32. 49 Kraak/Nord-Rüdiger 1984; Stach 1987, S. 68 ff. 50 Bruhm-Schlegel/Kabat vel Job 1984, S. 228; vgl. auch Bertram u.a. 1988, S. 86.

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Hieraus kann man schließen, daß junge Frauen sich trotz der relativ schlechten Verdienstmöglichkeiten für den Beruf der Grundschul- bzw. Unterstufenlehrerin entscheiden, während junge Männer, die den ökonomischen Bedingungen mehr Gewicht beilegen, diesen Beruf meiden und eher die Studienrats- bzw. Diplomlehrerlaufbahn einschlagen. Dies bestätigt eine Untersuchung des bundesdeutschen Bildungsforschers Krecker, der (1974) feststellte, daß in den Statements der befragten Lehrerinnen "die von ihren männlichen Kollegen auf die vordersten Plätze gesetzten Monita der unbefriedigenden sozialen Stellung und des zu niedrigen Gehalts" fehlen. 51 Eine Ende der 70er Jahre durchgeführte empirische Untersuchung von Grund- und Hauptschullehrern weist in die gleiche Richtung: Lehrerinnen sind mit den Gratifikationen deutlich zufriedener als ihre Kollegen. 52 Aufstiegschancen Auch die relativ geringen Aufstiegschancen im Berufsfeld Grundschule 53 werden von Männern und Frauen unterschiedlich gewichtet. Frauen, die ohnehin - in beiden deutschen Staaten - weniger karriere orientiert sind als Männer, sind durchaus bereit, ihr ganzes Leben lang vor der Klasse zu stehen. Viele lehnen den Aufstieg in eine Verwaltungsposition sogar ab, weil sie den unmittelbaren Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen vorziehen. 54 Sotialer Status In der Bundesrepublik ist der sotiale Status des Lehrers bzw. der Lehrerin ambivalent: Inhaber traditioneller Akademikerberufe - Ärzte oder Juristen weisen den Gymnasiallehrern eine sotiale Position unterhalb ihrer eigenen zu und sprechen Grund- und Hauptschullehrkräften die akademischen Weihen ab.55 Nichtakademiker rechnen dagegen auch die Lehrkraft an der Volksschule zu den Angehörigen gehobener Schichten.56 Nach einer Untersuchung von Kleining/Moore rangierte übrigens der Beruf des Volksschullehrers auf Rang 29, der der Volksschullehrerin auf Rang 16 einer 70 Berufe umfassenden Berufsskala. 57

Das geringe Ansehen der Grundschullehrkräfte in Akademikerkreisen hat verschiedene Gründe: zum einen scheint die Lehrtätigkeit an der Grundschule wenig "Geheimwissen" - so Zinnecker (1980) - und einen geringen Grad an Krecker 1974, S. 43. Boos-Nünning 1979, S. 165. In der 1978 von Oesterreich (1987, S. 14) durchgeführten Befragung von Studierenden spielt die "gute Bezahlung" wie andere sozial nicht erwünschte Motive nur eine marginale Rolle. 53 Boos-Nünning 1979, S. 39 ff. 54 Vgl. z.B. Flake 1987; Lührig 1989. 55 Vgl. auch Knauf/Schüler 1985, S. 16-19. 5. Zinnecker 1980, S. 205 ff.; vgl. auch die Aufsätze in Lüdtke 1973. 57 Schmude 1988, S. 353. 51

52

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Professionalisierung yorauszusetzen. 58 Kindererziehung ist eine Aufgabe, die Mütter ohne Ausbildung und ohne Bezahlung jahrhundertelang erfWlt haben und noch erftillen. Auch Psychologen und Sozialwissenschaftler defmieren sich als Experte für Erziehung und machen den Lehrkräften ihr Kompetenzmonopol streitig. Zum anderen tragen die Interaktionspartner/innen der Lehrkräfte - Kinder und Jugendliche - nicht zur Anhebung ihres sozialen Ansehens bei, da der Umgang mit Kindern und Jugendlichen keine großen intellektuellen Qualitäten und Anstrengungen zu erfordern scheint. Das wenig positive Urteil üb~r Lehrkräfte in der Grundschule bleibt den Betroffenen, den Lehrerinnen, nicht verborgen. 1961 glaubte - so eine Befragung in Hessen - jede dritte Volksschullehrerin, daß ihr Beruf nicht voll akzeptiert werde. 59 Auch Studentinnen sind sich des geringen sozialen Ansehens bewußt, teilen bisweilen sogar die Mißachtung ihres gewählten Berufes. 1981 empfand Marianne Busse, die eine Untersuchung zu den Berufswahlmotiven von PH-Studentinnen durchflihrte, die ihr und anderen Studentinnen unterstellte ,,zweitklassigkeit" als ,,insgeheim berechtigt".60 Das relativ geringe soziale Prestige des Berufes, das von jungen Männern anscheinend noch negativer beurteilt wird als von jungen Frauen,61 schreckt eindeutig aufstiegsorientierte Abiturienten aus Akademikerfarnilien ab. Dagegen war der Volksschullehrerberuf, zumindest bis in die SOer und 60er Jahre, für Männer eine Plattform im sozialen Aufstiegsprozeß. Die soziale Zusammensetzung der Lehrer unterschied sich von daher auch grundlegend von der der lehrerinnen, die - nachweisbar bis in die 70er Jahre - aus privilegierteren Elternhäusern kamen als ihre Kollegen. 62 Die Attraktivität des Volksschullehrerberufes für Männer aus nichtakademischen Elternhäusern flihrte dann aber wieder dazu, daß männliche AngehÖrige aus Akademikerfamilien sich nur in Ausnahmefallen für diesen Beruf entschieden. In der DDR schien das soziale Ansehen des Lehrerberufs - zumindest auf dem Papier - größer zu sein als in der Bundesrepublik, da der Lehrer die Bildung und Erziehung der jungen Generation verantworten und damit die Zukunft der DDR garantieren sollte. Zeichen der öffentlichen Anerkennung waren die speziell für Pädagogen und Pädagoginnen geschaffenen Ehrungen und Auszeichnungen. 63 Auch in den DDR-Medien fanden Lehrer/innen große Beachtung. 64 Eine Umfrage unter Studierenden in der DDR, die allerdings schon Zinnecker 1980, S. 208. Gahlings/Moering 1961; vgl. auch Krecker 1974, S. 43 ff. 6. Busse 1985, S. 177. 6' Zinnecker 1980, S. 208. 62 Vgl. Krecker 1974, S. 44. 63 Vgl. z.B. Nierrnann 1973, S. 181 ff. 6. Neues Deutschland vom 11.4.1987. 51

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Ende der 60er Jahre durchgeführt wurde, ergab flir den Lehrer einen Mittelplatz in der Rangordnung der akademischen Berufe, was angesichts der öffentlich propagierten Bedeutung von Erziehung und Bildung als relativ niedrige Plazierung zu werten ist. 65 Überdies lassen sich Hinweise fmden, die gegen ein hohes gesellschaftliches Ansehen des Lehrerberufes sprechen. So heißt es beispielsweise in der Deutschen Lehrerzeitung 1988 in einem Bericht über fehlende Bewerber/innen flir das Diplomlehrerstudium: "Natürlich könnte jeder auch Argumente ins Feld führen, daß es gar nicht so einfach ist, in der Konkurrenz zu anderen Berufen eine solch hohe Zahl künftiger Lehrer zu sichern. Viele Berufe scheinen den Schülern attraktiver, sie kennen unterschiedliche finanzielle Möglichkeiten in einzelnen Bereichen der Volkswirtschaft, sie gehen nicht jeden Tag gern in die Schule und sehen oft nicht vor allem die Erfolgsseiten und die Schönheit dieses Berufes.,,66 Es ist zudem zu fragen, ob der hohe Frauenanteil in den unteren Schulstufen zur Abwertung des Berufsprestiges der Lehrerinnen beigetragen hat. Bertram wies jedenfalls daraufhin, daß typische Frauenberufe in der DDR ebenso wie im Westen wenig Prestige genießen. Symptomatisch ist das Statement eines 20jährigen Elektromonteurs: ,,All diese typischen Frauenberufe sind doch keine sehr hohe Leistung, nur die Fortsetzung von dem, was Frauen - ohne Ausbildung - schon immer im Hause gemacht haben. ,,67 Berufsinhalte Die Berufsinhalte, die Freude am Umgang mit Kindern und die Lust am Unterichten, wurden 1974 von Volksschullehrerinnen in Rheinland-Pfalz als wichtigstes Berufswahlmotiv genannt. 68 Auch in einer einige Jahre später durchgeführten Befragung in Sctüeswig-Holstein zeigte sich, daß der "Umgang mit Kindern" vor allem bei Frauen das zentrale Berufswahlmotiv war. 69 Busse stellte 1981 in der schon erwähnten Befragung ihrer Studienkolleginnen ebenfalls fest, daß die "liebe zu kleinen Kindern" flir die meisten eine zentrale Rolle spielte. Es müßte allerdings dabei untersucht werden, inwieweit die Antworten lediglich die ,,soziale Erwünschtheit" widerspiegeln. 70 Niermann 1973, S. 191. Deutsche Lehrerzeitung 1988,4. ApriIausgabe. 67 Bertram u.a. 1988, S. 87. 68 Krecker 1974. 69 Boßmann 1977, S. 561;568. 70 Das lassen auch die Aussagen der von Oesterreich (1987) 1978 befragten Studierenden flir das Lehramt vermuten. Gesellschaftlich nur wel1ig anerkannte Berufswahlmotive wurden sehr selten genannt. Bei dem Statement "Weil ich gerne mit Kindern und Jugendlichen zusammen bin" zeigten sich keine geschleChtsspezifischen Unterschiede. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die Stichprobe relativ klein (N=257) und die Befragung auf Berlin beschränkt war. Zudem ist zu bedenken, daß die männlichen Befragten (30%) 65

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Auch in der DDR konzentrierten sich die Berufswünsche der Mädchen in starkem Maße ab der 6. Klasse auf Berufe des Erziehens, Pflegens, auf Dienstleistungs- und Büroberufe, also auf Berufe, die durch den direkten Umgang mit Menschen zu kennzeichnen sind. 71 Eine Befragung von Schülern und Schülerinnen, die als besonders begabt für naturwissenschaftliche und technische Fächer eingeschätzt wurden, ergab ebenfalls große geschlechtsspezifische Unterschiede: Jungen strebten zu über 55%, Mädchen nur zu 17% technische oder technikwissenschaftliche Berufe an. 72 Diese "einseitige Bevorzugung ausgewählter Berufe ... , die oft den gesellschaftlichen Bedarf übersteigt",73 wurde negativ beurteilt und auf die geschlechtsspezifische Sozialisation im Elternhaus zurückgeführt. Das scheint zum Teil durchaus zuzutreffen, da in Befragungen ein starker Einfluß der Eltern auf die Berufswahlentscheidung nachgewiesen werden konnte. 74 Ebenso wurde festgestellt, daß die Eltern traditionellen geschlechtstypischen Berufsvorstellungen verpflichtet sind und sich überdies wesentlich mehr für die schulischen Erfolge ihrer Söhne als ihrer Töchter interessieren.75 Der Verweis auf die negativen Einflüsse von seiten der Eltern mag oberflächlich zutreffend sein, läßt allerdings tiefere Ursachen unberücksichtigt. Die Wirtschaft in der DDR war als duale Ökonomie zu charakterisieren, d.h. die Produktion basiert auf der Reproduktionsarbeit, die Frauen ohne Ausbildung und ohne Bezahlung verrichten. Daß Mädchen im Verlauf ihrer Sozialisation auf ihre zukünftigen Aufgaben als Hausfrauen und Mütter vorbereitet werden, ist also nicht ein Relikt der Vorkriegszeit, sondern von essentieller Bedeutung für die Gesellschaft. Während also Mädchen und Frauen den Beruf der Erzieherin und Grundschullehrerin attraktiv finden, weil er ihren Orientierungen und QualifIkationen entspricht, lehnen junge Männer diese Berufe als typisch weiblich ab und entscheiden sich, wenn überhaupt für einen pädagogischen Beruf, dann lieber für eine Stelle als Gymnasiallehrer, bei dem der Erziehungsaspekt hinter der Auf, gabe der Wissenschaftsvennittlung zurücktritt. Dies bestätigt auch folgende Äußerung eines Lehrers aus der Bundesrepublik: "Viele Kollegen, die sagen ganz banal, mit dem Kinderkram wollen sie nichts zu tun haben. Sie fmden es eben interessanter, auch von den Fächern her, ... nicht in der Grundschule, sondern in der Hauptschule oder im Gymnasium zu unterrichten."76 wie alle männlichen Lehramtskandidaten eine spezifische Auswahl pädagogisch Interessierter und keineswegs repräsentativ flir die männliche Studentenschaft waren. 71 Hille 1985, S. 124. 12 Meyer 1989, S. 13. 73 Bruhm-Schlegel/Kabat vel Job 1984, S. 226. 74 Kabat vel Job/Pinther 1981, S. 68. 7S Bruhm-Schlegel/Kabat vel Job 1984, S. 223.

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Ganz ähnlich äußerte sich ein Lehrer aus der DDR: "Ich gehe lieber in die oberen Klassen, weil ich ältere Schüler besser ansprechen kann als die Kleinen .. , Bei meiner Frau, sie ist ja selig in ihrem Beruf, steht mehr der Umgang mit dem Schüler im Vordergrund. Der gelingt ihr besser als mir ... Ich gebe das Fach ESP (EinfUhrung in die sozialistische Produktion, G.P.). Da wird vor allem technisches Faktenwissen verlangt."" Vereinbarkeit von Beruf und Familie Es wurde schon erwähnt, daß in beiden deutschen Staaten die Frauen für Haushalt und Kindererziehung zuständig waren bzw. sind. Bei der Berufswahl spielen deswegen auch überlegungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine entscheidende Rolle. Ich möchte hier nur eine Untersuchung aus der DDR anfUhren: Befragt nach den Motiven für den Wechsel des Arbeitsplatzes nannten Frauen in der DDR günstigere Arbeitszeitregelung, günstigeres SChichtsystem und Kinderbetreuungsmöglichkeiten wesentlich häufiger als Männer. 78 Befragungen von Lehrern und Lehrerinnen in der Bundesrepublik ergaben ebenfalls, daß die Verbindung von beruflichen und familiären Aufgaben bei den Frauen ein wichtiges Motiv für die Berufswahl war. 79 Von den akademischen Berufen scheint der Lehrerinnenberuf der einzige zu sein, der nicht eine ganztätige Anwesenheit am Arbeitsplatz erfordert. In der DDR konnten Lehrerinnen mit drei oder mehr Kindern überdies eine Stundenreduktion von 25 Stunden in den Klassen 1-8 auf23 Stunden wöchentlich beanspruchen. In der Bundesrepublik sind die Möglichkeiten der Arbeitszeitreduktion noch vielfältiger. Selbst eine längere Beurlaubung ist möglich, ohne daß der Arbeitsplatz verloren geht. Trotz der scheinbar günstigen Bedingungen für Frauen mit Kindern im Lehrerinnenberuf ist die Belastung durch Erwerbstätigkeit und Hausarbeit sehr hoch. Den Alltag der Lehrerin Hilde Brandler, tätig in einem kleinen Mecklenburger Ort, beschreibt Renate Feyl folgendermaßen: "Irgendwann zwischen Schulschluß und Sitzung, Arbeitsgemeinschaft und Abendbrot, zwischen Konferenzen und Familienpflichten bereitet sie sich auf den Unterricht vor. Dafür scheut sie keinen Fleiß, kein Wochenende und keinen Feiertag."so Diese Idealisierung der Selbstausbeutung war übrigens ein beliebtes Thema in der Fachliteratur der DDR, z.B. in der Deutschen Lehrerzeitung.

7. MilhofferfWilsoet 1985, S. 170. Auch die Befragung von Oestereich (1987, S. 26) ergab, daß die Vermittlung von Wissen als Berufswahlmotiv häufiger von männlichen als von weiblichen Lehramtsstudenten genannt wurde. 77 Zit. in Müller 1986, S. 145. 78 Bruhm"Schlegel/Kabat vel Job 1981. 79 Vgl. z. B. Oesterreich 1987, S. 27; vgl. auch Boßmann 1977 , S. 568. 80 Zit. in Helwig 1988, S. 166.

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Die Notwendigkeit, Familie und Beruf gleichermaßen gerecht zu werden, ist auch ein Grund für das relativ geringe Interesse der Frauen an einem beruflichen Aufstieg, z.B. an einer Schulleiterposition. Auch eine aktuelle Befragung von DDR-Hochschulabsolventinnen zeigte, daß vielen von ihnen die Familie wichtiger war als eine Karriere. S1 Daneben existierten aber durchaus auch Barrieren und Benachteiligung, die Vorurteile der Vorgesetzten usw., die den beruflichen Aufstieg von Lehrerinnen erschwerten. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Bevorzugung bestimmter pädagogischer Berufsfelder durch Frauen in der Bundesrepublik und in der DDR auf ganz ähnlichen Entscheidungskriterien basiert. Dabei ergänzen sich die "Liebe zum Kind", das sozialisationsbedingte "weibliche Arbeitsvermögen" , die Prioritätensetzung - Arbeitsinhalt vor Verdienst und Karriere - und die Möglichkeit, Beruf und Familie zu vereinbaren. Weiter ist zu vermuten, daß spezifisch weibliche Berufsdispositionen dazukommen wie ,,zweifel an der eigenen Kompetenz in anderen Berufsbereichen, Überbetonung des emotionalen Sicherheitsbedürfnisses, Rückgriff auf vertraute Lebenssituationen" sowie Betonung von Ehe und Familie als wichtiges Lebenszie1.82 Viele der Faktoren, die Grundschullehrerinnen positiv beurteilten oder zumindest in Kauf nahmen, bedingten gleichzeitig die geringe Attraktivität des Grundschullehrerberufs für Männer. Das Berufswahlverhalten von Männern und Frauen ist, daran soll hier noch einmal erinnert werden, die eine, die Nachfrage von seiten des Arbeitsmarktes die andere Seite der gleichen Medaille. Berufswahl basiert nämlich nicht nur auf Motivationen, sondern auch auf (antizipierten) Bedingungen und konkreten Optionen oder Verhinderungen. Verhalten und berufliche Umwelt beeinflussen sich dabei wechselseitig, wie besonders Rabe-Kleberg betont. Sie beschreibt die Berufswahl als ,,Prozeß der Auseinandersetzung, Aushandlung, Anpassung - sogar der Resignation und Reformulierung der eigenen Ausgangslage".83

VL Folgen der Feminisierung Seit dem Eindringen der Frauen in den Lehrerberuf fehlt es, wie schon erwähnt, nicht an Warnungen vor der Verweiblichung. In den 60er Jahren erlebte die Kritik an der Ferninisierung einen neuen Aufschwung. Während sich niemand über den hohen Frauenanteil unter den Verkäuferinnen oder Krankenschwestern beklagte, galt, so beispielsweise Combe (1973), die "weibliche Überbesetzung des Lehrerberufs" als ,,internationales Problem" .84 8. 82

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IWE 186. Tagesdienst 1984, Bi. 4. Busse 1985, S. 178. Rabe-Kleberg 1987, S. 109.

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Folgende Vorwürfe, die sich teilweise auch empirisch erhärten ließen, richteten die Bildungsforscher an die Adresse der Lehrerinnen: instabilere IdentifIkation mit dem Beruf, geringes standespolitisches Interesse und Engagement, Diskontinuität des Berufslebens u.a. durch Beurlaubungen aufgrund von Kindern. Ob deshalb das ,,relative Einkommen und das Sozialprestige des Lehrberufs" vermindert wurde, ist eine Vermutung, die nicht zu belegen ist. Es wäre zu fragen, ob sich bei einem größeren Männeranteil etwa die "Schmalspurausbildung" der Unterstufenlehrkräfte in der DDR abgeschafft worden wäre. Auffällig ist jedenfalls, daß die Unterstufenlehrerinnen seit 1978 auch in Vorschuleinrichtungen eingesetzt werden können, also als verschiebbares Reservepotential dienen.85 Bei derartigen Überlegungen muß aber unbedingt die Marginalisierung weiblicher Arbeitskräfte und die weibliche Normalbiographie berücksichtigt werden. Bei der Kritik an den Lehrerinnen wurde übersehen, daß hier Frauen am Maßstab ,,männlichen Arbeitsvermögens" gemessen wurden. Wie Beck-Gernsheim eindrucksvoll aufgezeigt hat, arbeiten Männer häufig in einundeinhalb Personenberufen: sie sind nicht nur auf die Freistellung von jeder Alltagsarbeit, vom Kochen bis zum Besuch des Elternabends, angewiesen, sondern benötigen auch noch ihre Ehepartnerin als Hilfskraft.86 Frauen, die eine berufliche Karriere und eine Familie anstreben, befmden sich dagegen in einem Dilemma, das häufig nur mit Abstrichen in beiden Bereichen zu bewältigen ist. Zu bedenken ist auch, daß nicht die Feminisierung eines Bereiches, sondern insgesamt die geschlechtsspezifische Segregierung des Arbeitsmarktes zu Benachteiligungen und Disparitäten führt. Seit einigen Jahren wurde in der Bundesrepbulik die Situation der lehrerinnen von einer anderen Richtung beleuchtet: Ausgangspunkt aktueller Untersuchungen, wie sie z.B. in dem von R. Valtin und U. Warm herausgegebenen Band "Frauen machen Schule" zusammengestellt sind,87 ist die Erkenntnis, daß lehrerinnen inner- und außerhalb des Unterrichts mit anderen Problemen konfrontiert werden als Lehrer, u.a. mit Disziplin- und Durchsetzungsproblemen, Schwierigkeiten mit Empathie und Distanz, Konflikten mit Müttern, usw. Offensichtlich steht die Lehrerin nicht nur im Spannungsfeld von Familie und Schule, sondern mehr noch als ihre männlichen Kollegen im Schnittpunkt diskrepanter Erwartungen. Eine weitere aktuelle Frage ist die nach den Folgen der Feminisierung für Schüler und Schülerinnen. Was bedeutet es für Kinder, im Kindergarten und Combe 1971, S. 74; Brehmer 1980 b, S. 197. Schmidt 1988, S.54. 86 Beck-Gernsheim 1980. 87 Viele Artikel, die sich bis in die 70er Jahre nicht mit dem Lehrer, sondern mit der "Lehrerin" beschäftigten, betonten "weibliche Wesensmerkmale" und standen in der Tradition der "geistigen Mütterlichkeit", z.B. Bogerts 1976. 84 85

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der Grundschule fast ausschließlich von Frauen betreut zu werden? Befragungen von Grundschulkindern, u.a. auch in einem von mir geleiteten Projekt, machten deutlich, daß sich Schülerinnen und Schüler auch männliche lehrkräfte wiinschen.88 Aufgrund der Feminisierung der Kindergärten und der Grundschule lernen Kinder, daß Erziehung und Betreuung von kleinen Kindern ausschließlich Frauensache ist, was wiederum die traditionellen Frauenbilder und Weiblichkeitsmythen verfestigen kann. 89 In der DDR war dagegen die Feminisierung von pädagogischen Berufsfeldern kein Thema, spezifische Schwierigkeiten von Frauen im Schuldienst wurden nirgends erwähnt. Schon der ausschließliche Gebrauch der maskulinen Form der Berufsbezeichnung läßt spezifische Probleme von Frauen im Lehrerberuf aus dem Blickfeld verschwinden. Das einzige Problem, das in der DDR im Zusammenhang mit dem Einsatz von Lehrerinnen angesprochen wurde, war der Stundenausfall wegen des Mutterschaftsurlaubs. 90 Aufgrund der Unterrichtsausfälle scheint seit 1979 eine Drosselung der Zulassung von Frauen und Mädchen zum Lehrerstudium beabsichtigt worden sein.91 Offensichtlich wurde auf dieses Regulativ verzichtet, vermutlich aufgrund des Mangels an männlichen Bewerbern. 1988 wurde dann in einer Direktive bestimmt, daß Jungen für den Lehrerberuf geworben und bei Interesse besonders gefördert werden sollten.92 Ob derartige Bemühungen Erfolg haben, ist derzeit nicht zu entscheiden. Ich vermute aber, daß es nicht genügen wird, die Männer-Frauen-Relation in einzelnen Berufen zu verändern, ohne insgesamt die geschlechtsspezifische Segregierung des Arbeitsmarktes aufzuheben. Dies wird aber nur dann möglich sein, wenn sich die familiäre geschlechtsspezifische Arbeitsteilung verändert.

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Wolfgang Royl

DIE MILIT ÄRP ÄDAGOGISCHE DIKTION IN OST UND WEST OFFIZIERE ALS PÄDAGOGISCHE BERUFSROLLENTRÄGER

L Der Beruf des Offiziers

Das Pädagogische an der Berufsrolle des Offiziers besteht darin, Soldaten zu fUhren, auszubilden und zu erziehen. Das gilt für Ost (Deutsche Demokratische Republik) und auch flir West (Bundesrepublik Deutschland). Der Offizier arbeitet in der Institution der Streitkräfte mit dem pädagogischen Auftrag, Wehrpflichtige in einem engumschriebenen Zeitraum zu lehren, wie sie ihrem Vaterland, dargestellt durch den Staat, mit der Waffe dienen können. Dies verlangt vom einzelnen, die Fähigkeit zu entwickeln, private Bedürfnisse zugunsten des sozialen Ganzen hintan zu setzen, militärfachliches Wissen zu erwerben und Loyalität gegenüber dem Staat zu entwickeln, der in der Pflicht steht, seinem Staatsvolk die Menschenrechte, in Sonderheit Rechtssicherheit und Freiheit zu sichern. Die Festlegung auf diese beiden Errungenschaften abendländischer Kultur nimmt den Soldaten in die Pflicht, nicht Diener eines Staates zu sein oder zu bleiben, der die Menschenrechte mißachtet. Unter dem Primat des politisch Verantwortbaren ist er andererseits verpflichtet, flir die territoriale Unversehrtheit des Staates seiner Zugehörigkeit mit der Waffe einzutreten. Solche oder . ähnliche Formulierungen beschreiben die moralische Bindung des Offiziers als Person an seine berufspädagogische Funktion. Sie wird von der Verfassung des jeweiligen Staates legitimiert und professionell durch Militärwissenschaft und militärische Ethik begründet. Bezugswissenschaft ist die Militärpädagogik, die Theorie und Praxis des pädagogischen Handelns in den Streitkräften zum Gegenstand hat. Für den Berufsoffizier ist Soldat-Sein eine Profession, ein Beruf sui generis, mit den daflir typischen Merkmalen: öffentliches Mandat, Monopolisierung des Verteidigungsauftrags, eigenständige Berufsausbildung und Bewerberauswahl, militärische Ehtik, Dienstleistungsorientierung sowie die militärische Expertise in Theorie und Praxis (vgl. Abraharnsson). Wenn es zu einer Weltfriedensordnung kommen soll, wird eine ihrer Voraussetzungen darin bestehen, international das Bewußtsein gemeinsamer Verantwortung flir Freiheit und Rechtssicherheit auf dem Wege der überzeugung zu vermitteln. Damit dieser überzeugungsprozeß ungestört stattfmden kann, bedarf es der militärischen Sicherung der territorialen Eigenständigkeit der Staa-

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Wolfgang Royl

ten, die diesen Bewußtseinsprozeß zulassen, gegenüber militärischen Eingriffen von außen. Der Soldat, der Freiheit und Rechtsstaatlichkeit verteidigen soll, muß für diese Art der abstrakten militärischen Zwecksetzung pädagogisch aufgeschlossen werden, zumal in pluralisti~,chen Gesellschaftsordnungen gegenläufige Werteinstellungen wegen der Freiheit der Meinungen zu tolerieren sind. Der mögliche Verlust der politischen Freiheit als Ernstsituation aber macht das Soldatische in der Demokratie zu einem existentiellen Anliegen. Militärpädagogik hat den Zweck, dieses Anliegen universalistisch zu vermitteln. Angesprochen ist in erster linie der Offizier, weil er Träger dieser Vermittlungsarbeit ist, indem er Rekruten führt, ausbildet und erzieht. Das gilt für jede Armee, die sich dem politischen Primat der Menschenrechte verpflichtet fühlt. Von interesse ist dabei, für welche Streitkräfte dies zutrifft.

IL Die militärpädagogische Fragestellung im Ost-West- Vergleich

Es wird davon ausgegangen, daß eine Wehrdienstzeit, so variabel ihre Dauer auch sei, nicht ohne militärpädagogische Wirkung bleibt. Damit wird nicht ausgeschlossen, daß militärpädagogische Intentionen, durch welche Einflüsse auch immer, konterkariert werden können und ihre pädagogischen Wirkungen deshalb kontingent sind. Die Wirkungen militärpädagogischen Handelns sind typisch für pädagogisches Handeln schlechthin, das keine gesicherten Erfolgsbestimmtheit für sich in Anspruch nehmen kann. Darauf ist besonders deswegen hinzuweisen, weil in der Ausbildung für pädagogische Berufe zwischen pädagogischem Handeln und seiner intendierten Wirkung unter der Hand vielfach die Option auf eine Kausalbeziehung gemacht wird, indem als Wirkung gutgemeinter pädagogischer Absichten und Verhaltensweisen pädagogische Erfolge im Sinne des Intendierten erwartet werden. Selbst das Wissen darüber, daß zwischen pädagogischer Handlung und pädagogischer Wirkung kein direkter Kausalzusammenhang zu entstehen braucht, sondern diese als möglich gedacht werden müßte, hindert meist nicht daran, von pädagogischen Mißerfolgen über die Maßen enttäuscht zu sein. Das Bewußtsein der Kontingenz geplanter pädagogischer Wirkungen hingegen scheint geeignet, eine erhöhte wissenschaftliche, aber auch praktische Wachsamkeit und Diagnoseleistung anzuregen, um diejenigen Einflüsse angemessen zu bewerten, die erwartungswidriges Verhalten erzeugt haben mögen. Kausalanalytisches Denken wird dabei zum Vehikel der Realitätsdeutung. Diese Realitätsdeutung sollte sich immer auf den Interaktionszusammenhang mit dem Wehrpflichtigen beziehen, kann doch nicht ausgeschlossen werden, daß militärpädagogisches Selbstverständnis ebenfalls kontingent ist. Die vielen Worte, die in der Bundeswehr über die Notwendigkeit von ,Innerer Führung' gemacht worden sind und gemacht werden, stehen keineswegs immer in positiver

Die militärpädagogische Diktion in Ost und West

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Korrelation zwn Führen, Ausbilden und Erziehen im militärischen Alltag, wie die kritischen Beispiele in den Jahresberichten des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (1987) und Meinungsbefragungen des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr Miinchen dokumentieren (Uppert et al. 1976). Ganz ähnlich, wenn auch nicht so öffentlich verlautbart, wird die Umsetzung der ,Uebe zum sozialistischen Vaterland, des Abwehrkampfes gegen den imperialistischen Klassenfeind und die unerschütterliche Treue zum sowjwtischen Brudervolk' nicht immer den militärpädagogischen Zielvorstellungen in Ost entsprechen. Die Existenz von sog. Bausoldaten, Wehrpflichtigen in Ost also, die den Dienst mit der Waffe ablehnen, die Forderung nach Einführung des Zivildienstes ftir Wehrdienstverweigerer in der DDR und nicht minder deutlich die versuchten und die geglückten Fluchtversuche von Bürgern der DDR, die zur Ableistung des Wehrdienstes anstanden, belegen dies ftir die Vergangenheit. Seit dem 9. November 1989, dem Tag der sichtbaren Selbstbefreiung von der Parteidiktatur der SED, ist davon auszugehen, daß sich auch eine Veränderung im Selbstverständnis der Nationalen Volksarmee (NYA) angebahnt hat. Ost und West standen sich bisher nicht darin nach, die militärpädagogische Konfliktlage im jeweils anderen Teil Deutschlands als typisch ftir die systembedingten Mißstände zu betrachten und das eigene System für das bessere zu halten. Erziehungswissenschaftlich entsteht durch einen in dieser Weise formulierten Widerspruch Erklärungsbedarf. Als Frage formuliert: Lassen sich ftir die Zeit vor dem Umgestaltungsprozeß in der DDR erziehungswissenschaftliche Kriterien daftir finden, ob die Militärpädagogik in West und in Ost ihrer pädagogischen Zweckbestimmung entsprochen hat? Lassen sich mögliche militärpädagogische Defizite bei der Vermittlung des Soldatischen in Ost und West benennen? Die möglichen Antworten auf beide Fragen setzen die erziehungswissenschaftliche Rekonstruktion der Militärpädagogik als einer spezifischen Bereichspädagogik der Streitkräfte voraus, wn die in der angetroffenen militärpädagogischen Diktion enthaltenen Ideologieanteile nach Möglichkeit herauszuflltern. Militärpädagogik als Bereichs- oder Institutionenpädagogik bezieht sich dabei auf das Ganze von Führung, Ausbildung und Erziehung in den Streitkräften. Sie macht Aussagen über die pädagogische Organisation des militärischen Alltags, das Selbstverständnis des militärischen Führers in seiner Vorbildfunktion und deren Verbindlichkeit, das Selbstverständnis des Wehrpflichtigen als einem, der seine Pflicht gegenüber Vaterland und Verfassung erfüllt, und über den curricularen Aufbau der militärischen Ausbildung, einschließlich ihrer Lernziele, Lehrinhalte und Methodikanwendungen.

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Wolfgang Royl

Nach Paschen (1979) ist das erziehungswissenschaftliche Rekonstruktionsinteresse an einer Pädagogik, hier der Militärpädagogik, auf deren Logik, Ethik und Empirie zu richten. Die Logik einer Pädagogik ist an der Syntax ihrer Elemente zu überprüfen. Zur Ethik einer Pädagogik, ihrer Semantik, gehören die zu vermittelnden moralischen Regeln und deren Verbindlichkeit. Die Empirie einer Pädagogik zu rekonstruieren hieße dann nachzuprüfen, ob sich im praktischen pädagogischen Handeln die Zweckbestimmung einer Pädagogik, ihre Logik und Ethik, verwirklichen läßt. Die Zweckbestimmung der Militärpädagogik ist die Rekonstruktion des Soldatischen. Diese Rekonstruktionssystematik läßt sich auf Militärzeitschriften anwenden, weil auf der dort angetroffenen Reflexionsebene der intendierte Zusammenhang zwischen Logik, Ethik und Empirie mehr oder weniger explizit wird. Er objektiviert sich dort als fixierte Kommunikation in Dokumenten, welche die offizielle geistige Verfassung des Militärs widerspiegeln.

HL Die Sprache als Träger militärpädagogischer Intentionen Offiziere sind von ihrer Profession her gehalten, Aussagen ohne Wenn und Aber zu machen. Diese, gelegentlich sehr stark übertrieben als ,naßforsch' kritisierte Gepflogenheit hat in ihrer positiven Ausprägung den Sinn, den eigenen Handlungswillen auf den angesprochenen Soldaten oder den geneigten Leser zu übertragen, um in diesem ein entsprechendes Handlungs- zumindest aber Reflexionsbedürfnis zu erzeugen. Ganz analog dazu enthält der militärische Schreibstil in der Regel prägnante, handlungsorientierte und daher programmatische Aussagen, die mit dem, was in den Streitkräften wirklich abläuft, nicht immer sehr viel gemein haben. Ähnlich veranschaulicht der Kliniker seinem Patienten, der zur Genesung ansteht, auch nicht die Risiken der Gesundung. Er beschreibt eher das Ziel, möglichst schnell wieder auf die Beine zu kommen. Genau so orientiert sich der militärische Führer an der Hoffnung auf Erfolg, auch wenn dies seiner Glaubwürdigkeit nicht immer gut tut. Sofern sich solche Aussagen auf den materiellen Kampfwert der Truppe beziehen, lassen sie sich gegenüber dem abgleichen, was durch Rüstungskontrolle und Manöverbeobachtung generell bekannt wird. Sofern Aussagen in Militärzeitschrift~n auf militärpädagogische Intentionen und militärpädagogisches Handeln bezugnehmen, wird man diese zu erziehungswissenschaftlichen Erkenntnissen in Beziehung setzen müssen, um ihre Realitätsnähe abzuschätzen. Aus diesem Grunde ist es angezeigt, pädagogische Aussagen in Militärzeitschriften zu untersuchen. Davon ist auch Rautenberg (1980) ausgegangen, wenn er anhand von Texten aus der Zeitschrift ,Armeerundschau' (DDR) Urteile über das innere Geflige der NVA fant.

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Als Datenbasis bot sich ihm dafür die Analyse der Frageecke: ,Was ist Sache?' an, in der Anfragen von NYA-Soldaten und die Antworten aus der Redaktion der Armeerundschau wiedergegeben wurden. Es konnte zwar nicht ausgeschlossen werden, daß solche Anfragen von der Redaktion fmgiert worden sind. Aber auch dann sind sie interpretationswürdig, zumal die ebenfalls in jedem Heft der Armeerundschau enthaltenen Ergebnisse der ,Aktuellen Umfrage' ein präsentes Meinungs- und Stimmungsbild referieren. Aus solchen Umfrageergebnissen, die zeigen, wo die Truppe der Schuh drückt, können Anfragen leicht abgeleitet werden, wenn sie sich zum Redaktionsschluß nicht spontan einstellen. Es wurden von Rautenberg 240 solcher Fragen und Antworten mit folgendem Ergebnis ausgewertet: 1. Die Anfrageanlässe werden u.a. dazu verwendet, den politisch-ideologischen Kontext mit ihrer Hilfe zu aktualisieren. 2. Es wird informiert, gelobt und getadelt. 3. Die Inhaltsebene wird mit der Beziehungsebene verschränkt, so daß Faktendarstellung und Geflihlswertigkeit eine Synthese eingehen, die erziehlich wirken soll. 4. "Diese Kommunikationsorgane der NY A, speziell die Truppenzeitschrift AR (Armeerundschau), wollen nicht unterhalten, auch informieren, hauptsächlich aber in bewußter und erklärter Absicht das Verhalten der Soldaten beeinflussen" (Rautenberg, S. 59). Damit ist die Sprache in dieser Rubrik der Armeerundschau als Träger militärpädagogischer Intentionen beschrieben. Rautenberg hat seine Untersuchung für die Jahrgänge 1970-79 der Armeerundschau (DDR) druchgeflihrt. Andrä (1978) hat eine repräsentative Inhaltsanalyse über Aussagen zur politischen Bildung für die Jahrgänge 1958-72 der ,Information für die Truppe', einer Zeitschrift der Bundeswehr, vorgelegt. Diese Analyse ist, von Andrä/Zelinka (1983) anschließend aufdie Jahrgänge 1973-80 derselben Zeitschrift ausgedehnt worden. Die Autoren stellen u.a. folgendes als Ergebnis heraus: 1. Deutlich wird die Absicht, zur Einsicht und Beteiligung im Sinne einer bejahenden Einstellung zum Staat zu erziehen. 2. Es fmdet eine weitgehend kritiklose Darstellung von Staat und Gesellschaft statt. 3. "Im Hinblick auf politische Realitäten, die durch Wertüberhöhung im Prinzip unantastbar geworden sind, ergeht der Aufruf an Pflichtgefühl und Verantwortungsbewußtsein des einzelnen ..." (S. 315). 4. Anstelle eigenständiger politischer Urteilsbildung werden vorgegebene Ansichten und Interpretationsmuster vermittelt (S. 316). 5. "Die Behandlung des Verhältnisses von Bundeswehr und Gesellschaft ist stark von einer überbetonung der militärischen Akzente geprägt" (S. 317).

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Wolfgang Royl

Obwohl Rautenberg und Andrä Beiträge aus militärischen Zeitschriften zweier Staaten mit zwei kontrovers aufeinander bezogenen Gesellschaftssystemen und Militärdoktrinen analysiert haben, kommen sie bei der kritischen Würdigung ihrer Untersuchungsergebnisse im Grundsatz zu ziemlich ähnlichen Urteilen_ Bei der Ansprache der Truppe in diesen Zeitschriften fehlt es ihnen an Aufklärung. Wo gesellschaftliche Konflikte bestehen wird geglättet, Integration vorgegeben, wo Distanz vorherrscht. Tugendforderungen unterliegen dem Ideologieverdach t. Die sozialwissenschaftlichen Analysen aus dem Bereich der Bundeswehr schreiben die Beanstandung dieser Rückständigkeit aber über Jahrzehnte fort, so daß der Verdacht aufkommen kann, es läge an den Urteilsprämissen, an der impliziten soziologischen Theorie des idealtypischen Sozialverhaltens, daß sich im Schrifttum der Armee in einer freiheitlich verfaßten Gesellschaft über Jahrzehnte hin das gleiche militärpädagogisch defizitäre Bild zeigt. Defizite werden bei der Vermittlung staatsbürgerlicher Thgenden sichtbar. Der Verfassungspatriotismus läßt zu wünschen übrig. Die Loyalität gegenüber den gewählten Repräsentanten des Staates und soldatische Identität bleiben unzureichend ausgeprägt. Die Gesellschaft formiert sich einfach nicht hinreichend. Solche Verhältnisse flir das Militär in Ost mögen wegen der Unzufriedenheit mit dem dortigen Gesellschaftssystem und trotz des Polit-Offiziers als Personalverstärkung verständlich sein. Was die Situation des Militärs in West betrifft, mögen die militärpädagogischen Defizite hingegen bedenklich stimmen. Wer die Verantwortung flir das militärpädagogische Handeln im Truppenalltag trägt und dort den Auftrag hat, das staatsbürgerliche Einmaleins des soldatischen Verhaltens zu vermitteln, sieht die Realität vor Ort in der Regel anders: Für die Vermittlung von Einsichten in gesellschaftliche Prozesse, flir Konfliktanalysen reicht die Zeit nicht. Kommunikative Diskurse über das angemessene Verhältnis individueller und sozialer Bedürfnisse scheitern vielfach an dem angetroffenen unzureichendenErkenntnisstand. Der Truppenoffizier ist militärfachlich ausgebildet und das akademische Studium seiner Wahl hat ihn in der Regel nicht flir die angewandte Didaktik und Methodik der staatsbürgerlichen Bildung qualifiziert. Das in den Verwendungslehrgängen daflir vermittelte Wissen reicht offenbar zur Vermittlung staatsbürgerlichen Wertbewußtseins an die Wehrpflichtigen nicht aus. Geschrieben aber liest sich vieles, was wertüberzeugend vorgetragen werden könnte, zu kurz und bündig, zu programmatisch, zu normativ und zu erfolgsgewiß. Schon allein die Diktionsroutinen erwecken Zweifel an der Stimmigkeit der Aussagen. Es fehlt das zögerliche "Ja-aber", die verbalisierte Rückversicherung, es gälte alles nur "unter sonst gleichen Umständen", -und die sind natürlich nie gleich. Der Konjunktiv wird zu selten verwendet, die Alternative nicht ambivalent genug ins Bewußtsein gerückt.

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Zurecht würden Militärs fragen, warum das große Nachdenken über die Bestimmung des Menschen im besonderen und die Gesellschaft im allgemeinen ausgerechnet im Grundwehrdienst angesiedelt werden muß, wo es in knapper Zeit darum geht, eine Reihe engumschriebener militärischer Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben, die der Sicherheit der Bundesrepublik und dem eigenen überleben im Gefecht dienen. Warum soll der Zugführer jetzt einen Befehl geben, um ihn im nächsten Augenblick zu problematisieren, dazu eine Gruppendiskussion anregen und über den weiteren Tagesablauf eine Mehrheitsentscheidung herbeizuführen? Mit dem Wissen, wie die Armee funktioniert und was, solange sie gebraucht wird, ihre Zielsetzung ist, könnte sich der volljährige, wahlberechtigte, strafmündige und selbstverantwortliche Wehrpflichtige selbst vertraut machen. Die Armee als Teil der Exekutive hat ihren legitimierten Platz im sozialen System und das nicht erst seit heute. Die Kritik an der militärpädagogischen Diktion in Ost und West läßt sich mit dieser Argumentation nicht widerlegen. Zu deutlich belegen die historischen Erfahrungen der Deutschen und die Informationen, die mit dem Sturz der Parteidiktaturen in Ost bekannt werden, daß der Machtmißbrauch ein anthropologisches Datum ist, dessen Auswirkungen um so größer sind, je mehr Macht in der Hand eines einzelnen oder einer Gruppe kumuliert. Die Zustimmung zum Staat und die Verinnerlichung staatstragender Werte muß deshalb von Generation zu Generation und vom Jugendalter zum Erwachsenenalter immer wieder aufs Neue reproduziert werden. Die Feststellung sozialwissenschaftlicher Untersuchungen, daß dieser Reproduktionsprozeß notleidend ist, daß alle möglichen Leute alles Mögliche falsch machen, bringt das Problem ins Bewußtsein, löst es aber nicht. Wie sonst könnte über Jahrzehnte hinweg, unter der Leitung militärischer Würdenträger, denen in heutiger Zeit Menschenverachtung und Böswilligkeit fremd sind, im militärischen Schrifttum als einem Indikator für militärisches Denken, so wenig Fortschritt zu diagnostizieren sein? In welch analoger Weise wird aber auch die Rigidität sozialwissenschaftlicher Analysen des militärischen Denkens dadurch sichtbar, daß Selbstzweifel am soziologistischen Menschenbilde als Interpretationsfolie nicht kritisch zum Gegenstand selbstreferentieller Reflexion werden? Es wird hier der Vorschlag gemacht, die militärpädagogische Diktion in Ost und West nach erziehungswissenschaftlichen Rekonstruktionskriterien zu ana· lysieren, um mögliche militärpädagogische Defizite zu erkennen. Weil für eine nach dem heutigen methodischen Stand der Textanalyse erforderliche Software noch nicht zur Verfügung stand und wegen der vergleichsweise geringen Anzahl der analysierten Textstücke die Stichprobenbedingungen statistisch nicht erfüllt werden konnten, wird die eigene Untersuchung mit dem gebotenen Hinweis auf ihre Vorläufigkeit vorgetragen.

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Wolfgang Royt

IV, Untersuchungsansatz Als Datenbasis ftir die Untersuchung der militärpädagogischen Diktion in Ost und West wird von militärpädagogischen Beiträgen in zwei militärfachlichen Zeitschriften ausgegangen. Es handelt sich dabei ftir Ost wn die Zeitschrift ,,Militärwesen" in West wn die Zeitschrift "Truppenpraxis" _ In beiden Zeitschriften kommen Theorieanteile relativ schwach zur Geltung, während die Bekenntnisse der Autoren und das, was den Leser praktisch überzeugen soll, in der Regel breiten Raum einnimmt. Der militärische Führer, auf den Ernstfall eingestellt und dann zuständig ftir eine bestimmte militärische Situation als Ganze, neigt dazu, seine Verantwortlichkeit auch außerhalb einer solchen Zwangslage in einer überzeugungsdiktion darzustellen. Es hat den Anschein, als ob Autoren, die über militärische Menschenflihrung schreiben, mit ihren Konnotationen sozusagen selbstwirksam über sich hinauswachsen (vgl. Steer 1989). Die ohne Zweifel auch vorhandene Fähigkeit zur kritischen Reflexion tritt vermutlich deswegen öffentlich nicht so sehr stark in Erscheinung, weil in der vermuteten Wirkung auf andere dadurch eine motivationale und willensmäßige Schwächung der militärischen Verteidigungsbereitschaft beftirchtet wird. Autoren in militärischen Fachzeitschriften, so gewinnt man den Eindruck, schreiben überzeugter als sie es in Wirklichkeit selbst sind. Einen solchen Eindruck machen auch Pfarrer und Lehrer, die ihre Selbstzweifel nicht so oft zu offenbaren pflegen, wie sie sie haben mögen, wn die von ihnen Abhängigen nicht in ihrem Selbstwerdungsprozeß negativ zu beeinflussen. Insofern steht der Offizier durch die vermutete Hypertrophie seiner überzeugungsoffenbarung nicht unbedingt außerhalb des Kreises vergleichbarer pädagogischer Berufsrollenträger, die sich ftir ihren Auftrag Selbstgewißheit selbst verschaffen mmsen. Die Tendenz zur überzeugungsoffenbarung wird für diese Untersuchung genutzt, um durch die Analyse von Zeitschriftenartikeln Unterschiede in den militärpädagogischen Intentionen in Ost und West aufzuzeigen. Die Zeitschriftenbeiträge werden als Dokwnente behandelt. Selbst dann, wenn sich jemand gegen seine innere überzeugung einen staatskonformen militärpädagogischen Beitrag abgerungen hat, oder wenn er Verhaltensleistungen beschreibt und fordert, die er selbst nicht erbringt, spricht aus ihm die Institution, der er dient. Das Wirkfeld, in dem der Autor lebt, überträgt sich auf ihn als Denken und schriftstellerisches Handeln. Wer um sich her nur von ,Innerer Führung' hört, schreibt schließlich in den Kategorien von Baudissin; wer ständig die Segnungen des Marxismus-Leninismus in den Ohren hat, schreibt in diesem Rhythmus. Insofern, so darf angenommen werden, repräsentieren Zeitschriftenbeiträge aus einer solch homogenen Autorengruppe, vornehmlich Offizieren, den jeweiligen Geist ihres Gesellschaftssystems, aber auch die Gemeinsamkeiten der Armee als kultureller Institution und sozialer Organisation. In

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gewisser Weise haben Offiziere in Ost und West die gleichen militärpädagogisehen Probleme. Sie wollen erreichen, daß ihre Soldaten zur Fahne stehen, als dem nicht-verbalen Zeichen, das die Souveränität des Staates symbolisiert, den es vor unbekannten Sicherheitspolitischen Risiken, aber auch vor bekannter militärischer Bedrohung zu schützen gilt. Solange davon ausgegangen werden kann, daß die Regierung eines Staates die Interessen des Volkes angemessen repräsentiert, solange ist die Treuepflicht des Soldaten zu diesem Staat und die allgemeine staatsbürgerliche Loyalität sowohl selbstverständlich als auch gerechtfertigt. Formen der Selbstgerechtigkeit, auch wenn sie zu partiellen Solidarisierungen fUhren, indem Wehrpflicht und Loyalität verweigert werden, können deshalb moralisch nur toleriert, aber nicht gebilligt werden. Die in unsere Analyse einbezogenen Artikel wurden der monatlich erscheinenden Zeitschrift ,,Militärwesen", herausgegeben vom Ministerium für nationale Verteidigung im Militärverlag der DDR, Berlin-Ost, entnommen, - für West aus der bis 1985 monatlich, dann alle zwei Monate erscheinenden Zeitschrift "Truppenpraxis", im Verlag Offene Worte, Bonn, herausgegeben in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Verteidigung. Beide Zeitschriften erschienen 1989 im 33. Jahrgang. Die ,Truppenpraxis' hat die Möglichkeit der größeren redaktionellen Eigenständigkeit, weil sie in einem privaten Verlag erscheint. 1. Hypothesengenerierung H 1 : In beiden Zeitschriften werden militärpädagogische Themen mit gleichen Anteilen dargestellt. H2 : Zwischen der militärpädagogischen Diktion in Ost und West bestehen erkennbare Unterschiede. H3 : Die Logik des militärpädagogischen Denkens ist unabhängig vom Gesellschaftssystem. H4 : Die Ethik des militärpädagogischen Denkens ist abhängig vom Gesellschaftssystem. Hs : Die Empirie des Militärpädagogischen wird nicht hinreichend abgebildet. H6 : Bei der Logik, Ethik und Empirie des militärpädagogischen Denkens fehlt das integrative Moment. 2. Methoden a) In einem ersten Schritt wurden aus den Jahrgängen 1968, 1978 und 1988 der beiden Zeitschriften alle militärpädagogisch relevanten Beiträge nach ihrem Titel herausgesucht.

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Das Problem bei solchen Themenvergleichen stellte sich in der Weise, daß übereinstimmende Auswahlkriterien gefunden werden müssen. Für die Untersuchung von Hypothese 1 war dies noch relativ einfach, weil in den überschriften der Artikel durch Wörter wie: Ausbildung, Erziehung, Innere Führung, pölitisch-ideologische Schulung, Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Leistungskontrolle diese als militärpädagogisch relevant erkannt werden konnten. Die Anzahl der Titel wurde nach dem Zufallsprinzip einmal in der Weise reduziert, daß nur diejenigen Beiträge in die weitere Auswahl einbezogen wurden, die von drei Kodierern übereinstimmend als militärpädagogisch relevant eingeschätzt worden waren. Aus diesen wurden durch Zufallswahl pro Jahrgang 3 Artikel ftir die Textanalyse ausgewählt. Von jedem dieser so bestimmten Beiträge wurden die ersten 24 Sätze nach 8 Kodierungskategorien analysiert. Dies waren:

(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8)

Aussagen zur Logik des Militärpädagogischen Aussagen zur Ethik des Militärpädagogischen Aussagen zur Empirie des Militärpädagogischen Feindbildaussagen Kontextaussagen (national) Kontextaussagen (international) Aussagen über Referenzbezüge Aussagen über das institutionelle Selbstverständis.

Sätze ohne militärpädagogische Relevanz wurden mit ,0' kodiert.

(1) ,Logik': Hierunter fallen alle Aussagen zur Theorie des Militärpädagogischen, zur Organisation des Ausbildungssystems und zur Methoden- und Inhaltslegitimation. (2) ,Ethik': Hierunter fallen alle Aussagen, die auf soldatische Pflichten, Tugenden, Charaktereigenschaften und das soldatische Wertbewußtsein abheben. (3) ,Empirie': Hierunter fallen alle Aussagen, die etwas über die Umsetzung von Lernzielen bekannt geben (Methodenanwendung), und Aussagen über Erfolge und Mißerfolge in der militärischen Ausbildung. Sie beziehen sich auf die gemachten militärpädagogischen Erfahrungen. (4) ,Feindbild': Aussagen über den Bedrohungsaspekt, den potentiellen Gegner allgemein, seine Aggressivität und andere ihm zugeschriebenen Eigenschaften.

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(5) Kontextaussagen (national): Die Bedeutung der Armee für den eigenen Staat, über die Integration der Armee in die Gesellschaft, nationale Sicherheit, Wehrbereitschaft, Urteile der Wehrpflichtigen und anderer gesellschaftlicher Gruppen über die militärische Ausbildung.

Tabelle 1 Auswertungsfor.ular Komrey,M.: Zur politisch-moralischen und psychologischen Vorbereitung im Führungsorgan einer Sicherungsbrigade. In: Militärwesen, 3~.Jg.(1988) S.78-81

o 1 2 3 4 5 678

1. Die politisch-moralische und psychologische Vorbereitung des Armeeangehörigen und militärischen Kollektive auf das Gefecht ist untrennbarer Bestandteil der politischen und der GefechtsaUSbildung insgesamt. 3. Die Spezifik der politisch-moralischen und psychologischen Vorbereitung (im weitern kurz pmpV) in einer Sicherungsbrigade ist schon aus dem Begriff "Sicherungsbrigade" ersichtlich. 4. Sicherungskräfte unterscheiden sich bezüglich der Vielfalt der Aufgaben sowie der Art und Weise ihrer Erfüllung - Minensuche und -vernichtung, U-Boot-Abwehr sowie Vorposten und Geleitdienst von anderen Truppenteilen und Einheiten der Volksmarine. 8. Voraussetzungen für eine hohe Wirksamkeit der pmpV ist nach unser~n Erfahrungen vor allem Klarheit über ihr Wesen, über die Einheit und Wechselwirkungen ihrer Seiten sowie über ihre Arten,Formen und Methoden. 10. Sind doch die marxistisch-leninistische Weltanschauung,die sozialistischen Grunddberzeugungen wie auch die Kenntnisse über das moderne Gefecht und realistische Vorstellungen über die Anforderu~ gen eines möglichen Krieges Grundlage dafür, den Verteidigungswillen der Armeeangehörigen auszuprägen und zu festigen. Hiufigkeiten

x

x x

x

x

x x

x x

x x x

o 1 234 5 6 7 8 1 4 2 301 101

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(6) Kontextaussagen (international): Aussagen über das Verhältnis der eigenen Armee zu den Verbündeten, über den Weltfrieden und die internationale Sicherheitspolitik.. (7) Referenzbezüge: Aussagen, in denen auf Parteifunktionäre, das Staatsoberhaupt, Minister, Parteitagsbeschlüsse, Gesetze, historische Personen und militärische Vorbilder Bezug genommen wird. (8)

Institutionelle Selbstinterpretation:

Aussagen, die den Sinn und Zweck des Offizierberufs beschreiben, Aussagen zum Selbstverständnis des Offizierkorps, der soldatischen Existenz, der Armee selbst. Was sind wir? Was wollen wir? Wie beschreiben wir unsere Identität? In einem Satz können mehrere Kodierungsbegriffe Anwendung fmden. b) Ein weiteres Verfahren, um die Diktionsunterschiede zu objektivieren, war der qualitative Vergleich der Paraphrasierungen. Es sollte damit geprüft werden, wie Autoren in Ost und West von der Möglichkeit Gebrauch machen, ihre wertende Emotionalität mit militärisch relevanten Sachverhalten zu verbinden. c) Zur Einzelsatzauswertung wurden die ersten 24 Sätze der ausgewählten Zeitschriftenbeiträge formulargerecht übertragen (Tab. 1).

Es wurden die Textstücke (immer die ersten 24 Sätze) folgender, zufallsausgewählten Beiträge kodiert:

Für die Kodierung verwendete Zeitschriftenartikel

Truppenpraxis (BRD)

Militärwesen (DDR)

l_2_.J_g_._(1_9_68_)______

L -_ _ _ _ _ _

~1 ~I

______

1_2_.J_g_._(1_9_68_)______

~

Stoppe, G.: Die wissenschaftliche Leitung des Erziehungsprozesses, S. 460472

Heuermann, W.: Leserbrief: Offizier und Bildung, S. 176.

Jähnke, G.: Leserbrief: Erfahrungen mit der sozialistischen Wehrerziehung in einer Betriebsberufsschule, S. 860-

Munz, E.: Sport als Erziehungsfaktor in der Ausbildung zum Offizier des Heeres, S. 513-515

Kubaseh, H.: Probleme der militärischen Berufsmotivation (I), S. 905921

Scherer, G.: Sport als Erziehungsfaktor in der Ausbildung zum Offizier des Heeres, 903-904

862

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~______2_2_.J_g_.(_1_9_78_)______~1 ~I

______

2_2_.J_g_._(1_9_78_)______

~

Machold, G./Kricheldorf, K.: Die bewußte Gestaltung des militärpädagogischen Prozesses durch den Kommandeur, S. 31-36

Roeske, H.R.: Einführung in die Grundsätze der lernzielorientierten Ausbildung, Teil 1, S. 565-567

Thamm, C.: Die Effektivität der Truppenführung erhöhen, S. 39-45

Dachs, G.: Einsatzausbildungsprogramm der Flotte, S. 910-912

Seidel, G./ Rieck, R.: Zu einigen aktuellen Aufgaben der sozialistischen Wehrerziehung an den Universitäten und Hochschulen der DDR, S. 71-74

Kobe, R.: Taktische Weiterbildung, S.945-950

~______3_2_.J_g_.(_1_9_88_)______~1 ~I Tobler, H.: Die Hilfe der Sowjetunion bei der Aus- und Weiterbildung von Kadern der NVA, S. 23-29 Kromrey, M.: Zur politisch-moralischen und psychologischen Vorbereitung im Führungsorgan einer Sicherungsbrigade, S. 78-81 Knauer, P.: Wissenschaftliche Beratung zur Führung der politischen Arbeit, S. 86-89.

______

3_2_.J_g_._(1_9_8_8)______

~

Glunz, H./Lauterer, F./Priebs, HJ.: Führungslehre Luftwaffe im GrundIehrgang der Fortbildungsstufe C, S.191-195 Rauer, U.: Gemütlich geht's nicht zu in Iseriohn, S. 531-534 Hoops, H.: Lernen - einfacher gemacht, S. 576-582.

V. Untersuchungsergebnisse 1. Wie stellt sich der militärpädagogische Anteil an den Zeitschriftenbeiträgen quantitativ dar? Tabelle 2 Militärpädagogische Beiträge im Verhältnis zu Beiträgen insgesamt Jahrgang

1978

1968 NI Nz

%

1988

NI Nz

%

NI Nz

%

Militärwesen

41

250 16

67 277

24

50 256' 20

Truppenpraxis

68

374 18

48 101

48

22 132

Nt N:

%

11 Baske

Anzahl der militärpädagogischen Beiträge Anzahl der Beiträge insgesamt Prozentanteil der militärpädagogischen Beiträge

16

162

Wolfgang Royl

2. Wie stellen sich die erkennbaren Unterschiede in der Diktion anhand der Paraphrasierungen dar? Tabelle 3 Paraphrasen aus: Charisius, A./Dobias, R.: Die Nato - Barriere gegen Entspannung, Sicherheit und Rüstungsbegrenzung. In: Militärwesen, 19. Jg. (1975), S. 46-54. Auswertung der ersten Seite:

Bewertung des Gegners

Selbstbewertung

"Heilige Allianz", aggressive, reaktionäre Ziele, antisozialistische Stoßrichtung, amerikanische Monopolbourgoisie, erlitt Fiasko, imperialistische Staaten, offene militärische Konfrontation (hätte gedroht), aggressives Wesen des Imperialismus, Potenzen der NATO zur militärischen Aggression, NATO in die Defensive gedrängt, verfolgt antisozialistische Politik, materielle Kriegsrüstung,

Revolutionäre Hauptströme, dynamisch sich entwickelnde Stärke der sozialistischen Staaten, historische Überlegenheit des Sozialismus Sozialismus in Europa nicht ausgelöscht, aktiv betriebene Friedenspolitik, politische Entspannung, internationales Kräfteverhältnis, zugunsten des Sozialismus verändert.

Tabelle 4 Kubis, H.: Deutsche Soldaten in der Allied Mobile Force. In: Truppenpraxis. Unser Beitrag zur "NATO-Feuerwehr". - 19. Jg. (1975), S. 486-488. Auswertung der selben Anzahl von Sätzen wie bei Charisius auf der ersten Seite.

Bewertung des Gegners

Selbstbewertung

internationale Streitfälle bewaffneter Angriff außerhalb der NATO stehender Staat, Krisengebiete des BÜDdnisbereichs, zum Warschauer Pakt zusammengeschlossene Staaten, Krisen denkbar,

friedliche Regelung, übergeordneter Gesichtspunkt, gegenseitiger Beistand, vertragsschließende Teile, wesentlicher Schritt (NATO-Beitritt), Gefühl des zuverlässigen Schutzes, beruhigender Schutz, militärischer Schirm, historische Chance an der Erhaltung des Friedens aktiv mitzuwirken.

163

Die militärpädagogische Diktion in Ost und West

3. Vergleich der militärpädagogischen Textstruktur Die Verbindung von qualitativer und quantitativer Textanalyse (Mayring 1988) fmdet im Grunde schon in dem Augenblick statt, in dem der Kodierer eine Aussage im Sinne des Kodierungsschliissels einschätzt. Dies gilt für die Klassifikation von Alltagsaussagen und fachwissenschaftlichen Aussagen allgemein, insbesondere aber bei der Anwendung von Rekonstruktionskriterien. Der hier vorgestellte Untersuchungsansatz ist am ehesten noch mit dem Vorgehen von Rautenberg (1980) vergleichbar, der aus der Interaktion zwischen Leser und Redaktion die pädagogische Realität des militärischen Alltags in der NYA zu rekonstruieren versucht. Der erziehungswissenschaftliche Rekonstruktionsansatz von Paschen (1979) gibt die Kategorien ,Logik, Ethik, Empirie' als Rekonstruktionsschemata vor. Die Aufgabe der Kodierer bestand darin, Textstücke danach zu beurteilen, welchem dieser Strukturelemente sie zuzuordnen seien. Dieses Vorgehen ist angezeigt, um zu einer Feststellung möglicher Defizite im logischen Aufbau, in der Werthaltigkeit und der Emprie einer Pädagogik zu gelangen. In Ergänzung sozialwissenschaftlich orientierter Textanalysen hebt ein erziehungswissenschaftlicher Ansatz direkt und nicht erst mittelbar auf die Rekonstruktion dessen ab, was eine Pädagogik an Systematik, Bedeutung und Praxisrelevanz zu leisten hätte. Die Kodierungsbegriffe: Kontext, Feindbild, Referenzen und Selbstverständnis haben die Funktion, den Rekonstruktionsprozeß der militärpädagogischen Diktion in den interdisziplinären Zusammenhang zu stellen, der sich durch das Militär als Institution, durch die praktische Politik und den Alltag in einer bestimmten Gesellschaftsordnung ergeben kann. Abbildung 1 Militärwesen

40

Truppenpraxis

35 30

...

25 ~

15 10 5

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Wolfgang Royl

164

Die Abb.l zeigt die Verteilung der gemittelten Kodierun~ergebnisse von drei Kodierern im Vergleich beider Zeitschriften für den Jahrgang 1978 der Zeitschriften Militärwesen (Ost) und Truppenpraxis (West). Tabelle 5 enthält die entsprechenden Mittelwerte für alle 3 Jahrgänge. Tabelle 5

Aussagenquantifizierung nach Kodierungskriterien, gemittelt (x) Jahrgang

1968

1978

1988

Kode 0 1 2 3 4 5 6 7 8 o 1 2 3 4 5 6 7 8 o 1 2 3 4 5 6 7 8 Mw 1432 13 17 0 4 0 2 2 9 362127 6 8 3 9 2 15251722289125 Tp 12 35 15 22 0 0 0 4 1 13 387 30 0 0 0 0 0 10 38 11 25 0 0 1 0 0 Kode = Kodierungsbegriffe, s. S. 9 f. Mw = Zeitschrift ,Militärwissenschaft' (DDR) Tp = Zeitschrift ,Truppenpraxis' (BRD)

VI Interpretation der Untersuchungsergebnisse

1. Militärpädagogische Anteile

Es wurde vermutet, daß die Anteile der militärpädagogischen Beiträge in beiden Zeitschriften gleich sind. Diese Hypothese kann nicht aufrecht erhalten werden. Die Anteile schwanken sowohl zwischen den drei ausgewählten Jahrgängen einer Zeitschrift als auch zwischen beiden Zeitschriften. Die Streubreite lag in der Zeitschrift ,Militärwesen' zwischen 16% und 20%, in der Zeitschrift ,Truppenpraxis' zwischen 16% und 48%. Dieser große Unterschied ist durch den Anstieg mi1itärpädagogischer Beiträge im Zeitschriftenjahrgang 1978 der Truppenpraxis bedingt. Um zu ermitteln, welche Prozentunterschiede überzufällig sind, wäre es angeraten, die Auszählung bei einer größeren Anzahl von Zeitschriftenjahrgängen durchzuführen. Daß der Militärpädagogik innerhalb der analysierten Zeitschriftenjahrgänge ein beachtliches Gewicht zukommt, - das gilt auch für Auszählungen in anderen miltärfachlichen Zeitschriften. Tabelle 6 zeigt, zu welchen Ergebnissen die textanalytischen Untersuchungen von Andrä (1978) und Andrä/Zelinka (1983) gekommen sind. Diese Prozentanteile belegen, daß mi1itärpädagogisch relevante Kategoriengruppen in der Zeitschrift "Information für die Truppe" zwischen 35% und 79% liegen. Ein Vergleich mit der sowjetischen Fachzeitschrift "Roter Stern" aus dem Jahr 1987/88 belegt, daß militärpädagogisch relevante Sachverhalte wie - Militärische Disziplin und Moral

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Die militärpädagogisehe Diktion in Ost und West Tabelle 6

1973-1980

1958-1972

Themengruppen Erziehung zu Werten

48%

67%

Erziehung zu Fertigkeiten

40%

79%

Erziehung zum Handeln

40%

60%

Erziehung zu Einstellungen

35%

52%

Tabelle 7

1987

1988 Military Subjeet

Nov Oet Sep Aug Jul Jun May Apr Mar Feb Ian Dec

Discipline/Morale Other Military Soviet History fWWII Training/Exercises Military Logistics Arms Control

48 48 16 15 13 15 11 14 10 06 02 02

44 19 10 12 10 05

36 17 19 12 12 04

39 47 16 04 14 13 18 16 06 13 07 07

51 49 07 06 25 16 07 19 05 07 05 03

47 05 19 16 07 06

34 47 41 11 04 03 26 21 14 15 18 20 06 04 06 08 06 16

- Ausbildung und Drill - Sowjetische Geschichte und der 11. Weltkrieg pro Monatsheft zusammen über 50% ausmachen (Tab. 7). Wenn auch die Feststellung, daß Militärpädagogik für das Militär von herausragender Bedeutung ist, trivial anmuten muß, so ist es doch außergewöhnlich, daß Militärpädagogik in der Systematik der Erziehungswissenschaft, selbst in deren Enzyklopädie von 1983, nicht aufgenommen worden ist. Themengruppen in der sowjetischen Militärzeitschrift ,Roter Stern' in Prozent (Quelle: Psychological Operations Devision Joint Chiefs of Staff, Washington D.C., USA). 2. Ost-West-Unterschiede Es entspricht der bis zur demokratischen Wende in der DDR praktizierten Haßerziehung gegen den potentiellen Gegener in Gestalt der Nato, der US-

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Streitkräfte und der Bundeswehr, daß die militärpädagogische Diktion in Ost von beachtlicher Schärfe ist. Die Autoren erreichen zwar nicht die Qualität des ehemaligen ,Schwarzen Kanals' im Fernsehen der DDR, aber sie pflegen doch so etwas wie einen counterphobischen Dauerton zu realisieren. Dies belegen insbesondere Autoren wie Charisius (s. Tab. 3), ehemals Angehöriger des Komitees Freies Deutschland, der seine Identität als Antifaschist und Parteigänger der KPDSU über das Ende des 2. Weltkrieges hinaus in Wort und Tat zu erhalten trachtete. Die innere Realität erweist sich bei Autoren mit diesem Schicksal stärker als die äußere. Das Bewußtsein einer imaginären Gefahr wird durch die Projektion möglicher militärischer Bedrohung durch den Westen penetrant gepflegt. "Auch der von diesem verbrecherischen System als Söldner abgerichtete Bundeswehrsoldat, der die Waffe gegen die souveräne Deutsche Demokratische Republik führt, ist unser Feind." Ein solcher Satz, wie er in der Inforrnationsschrift für den Wehrpflichtigen in der DDR (S. 47) zu lesen ist, auf die Soldaten der NYA umgemünzt, würde in einer Bundeswehrzeitschrift schwerlich abgedruckt werden. Das counterphobische Verhalten ist besonders zu Zeiten des Kalten Krieges ausgeprägt gewesen. Es nimmt nach 1975 ab, offenbar in Auswirkung der Schlußakte von Helsinki und der zunehmenden offiziellen Anerkennung der DDR durch die Bundesrepublik und das westliche Ausland. Die Autoren der ,Truppenpraxis' enthalten sich des aggressiven Schreibstils. Wenn sie auf Bedrohungsanalysen und die überlegenheit des Warschauer Pakts im Bereich der konventionellen Rüstung eingehen, dann argumentativ in Richtung des Ausgleichs militärischer Ungleichgewichte. Die Verbindung zu den USA als der westeuropäischen Schutzmacht wird betont. Auf Grund der objektiven historischen Fakten ist es verständlich, daß sich der aggressive Antifaschismus nicht als Identiflkationsfolie anbietet. Die Bundesrepublik und mit ihr die Bundeswehr haben mit der Integration in die nordatlantische Allianz wirtschaftliche und politische Sicherheiten gewonnen, die sich auch in der westlichen Lebensqualität sichtbar niedergeschlagen haben. Das westliche Sicherheitsbedürfnis ist im Grundsatz dadurch befriedigt, daß man sich den Ausgleich des Ungleichgewichts beim Wettrüsten eher leisten kann als der Ostblock. Das nimmt der militärpädagogischen Diktion West weitgehend den Anlaß, ein Feindbild und Haßgefühle gegen die im Warschauer Pakt verbündeten Staaten und deren Streitkräfte kompensatorisch aufzubauen. Das Ernstnehmen der individuellen Menschenrechte, die in der westlichen Welt den Vorrang vor ihrer kollektiven Deutung haben, würde sich mit Tiraden gegen die Rote Armee und die NYA auch nicht vertragen. Die persönliche Distanz zur Militärmacht in Ost äußert sich eher darin, daß man froh ist, nicht in deren direktem Einflußbereich zu leben.

Die militärpädagogische Diktion in Ost und West

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Für die WehrerziehWlg in den Schulen Wld vormilitärische Ausbildung in Sportorganisationen, wie sie quellenrnäßig belegt von Beobachtern der NYAbis zum politischen Umbruch in der DDR (1989) ausführlich beschrieben wird (vgl. Schirrmeister 1980), gäbe es in der Bundesrepublik keine erziehungswissenschaftliche Legitimation und auch keine politische Resonanz. Die Verhältnisse in einer westlichen Demokratie sind dafür kein Nährboden. In dem Maße, wie sich das politische Leben nWl in der DDR durch eine zu erwartende pluralistische GesellschaftsordnWlg wandelt, ist es sehr wahrscheinlich, daß sich dies auch bei der militärpädagogischen Diktion zeigt, deren sich die aus der NYA in die BWldeswehr übernommenen Offiziere bedienen werden. 3. Die Logik des Militärpädagogischen Pädagögische Elementarkomplexe Wld ihre Rangordnung erzeugen eine Struktur des Fachgebiets, an der sich die Logik Wld auch die Unlogik einer Fachdisziplin zeigen kann. Für die Militärpädagogik sind solche Teilzusammenhänge und ihre OrdnWlg benannt worden (RoyI1989): Freiheit - Demokratie - Vaterland Staat - Bündnis - Armee Soldat - Offizier - Vorschrift Führen - Ausbilden - Erziehen Gehorchen - Mitdenken - Verinnerlichen Auftrag - Waffe - Gefecht Der Elementarkomplex 2. Ordnung, auf die Bundesrepublik als Staat bezogen, würde diesen in Beziehung zur NATO Wld zur Bundeswehr setzen. Analog dazu ergibt sich militärpädagogische Logik aus dem Zusammenhang: Deutsche Demokratische Republik

W"",haue, Pakt

b

Nationrue Volk,annee

Die DDR gilt als souveräner Staat. Von daher ist sie bündnisfähig Wld berechtigt, Streitkräfte aufzustellen. Das Militärbündnis, das sie eingegangen ist, bindet sie an das Lager der Volksdemokratien. Die NYA ist als eine Armee im Bündnis in die Militärdoktrin der Sowjetunion integriert. Es wäre zu erwarten, daß zu den verbündeten Armeeangehörigen ein freWldschaftliches Verhältnis entwickelt wird, die Soldaten stolz auf ihren Staat sind und sich dadurch sicherer fühlen, daß sie im Verteidigungsfall nicht auf sich allein gestellt sind.

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Militärpädagogische Systematik muß so angelegt sein, daß sie von ihrer logik her übertragbar ist. Dies trifft hier zu. Der Rekonstruktionsprozeß ist nun darauf gerichtet, die Defizitanalyse durchzuführen, um zu prüfen, inwieweit der Sacherhalt, der sich in der Verbindung von drei Systemelementen militärpädagogischer Theorie darstellt, hinreichend universal strukturiert ist, seiner Zweckbestimmung im Sinne des Ursprünglichen entspricht oder gegebenenfalls zur Defizitkompensation Anlaß gibt. Was die Biindnissituation angeht, so hat interessanterweise Rautenberg (1980) aus der Textanalyse von Beiträgen, die in der Armeerundschau (DDR) veröffentlicht worden sind, auf folgende Schwierigkeit der NYA-Soldaten geschlossen: "Den Offizieren soll bewußt werden, daß die NY A eine internationalistische Armee ist, unbewußt soll sich in ihren Herzen und Köpfen Siegermentalität festsetzen" (S. 92). Das wird insofern ftir schwierig erachtet, weil die Rote Armee, die dafür das Vorbild ist, mit ihren Siegen über die deutschen Ostheere argumentiert. Der Prozeß des Umdenkens, der erforderlich wäre, um eine tragflihige Bewußtseinsstruktur für einen solchen Identitätstransfer zu erarbeiten, fmdet im analysierten NYA-Schrifttum keinen Niederschlag. Es bleibt bei Freundschaftsbeteuerungen, Ergebenheitsadressen und bei dem gemeinsamen Bezug auf die Wissenschaft des Marxismus-Leninismus. Den Vergleich mit den Entwicklungschancen, welche die westlichen Sieger und späteren Verbiindeten der Bundesrepublik geboten haben, um nutznießendes Mitglied in der NATO und in der EG zu werden, ist der DDR im Verhältnis zur Sowjetunion nicht vergönnt gewesen. Die Militärpädagogen der DDR haben versucht, gegen die historische und zeitgeschichtliche Realität ihres Staates zu ideologiekonformem Denken und Handeln zu erziehen. Die in der DDR stationierten Sowjetsoldaten haben, wie berichtet wird, weniger Kontakte zur Bevölkerung als die in der Bundesrepublik stationierten US-Soldaten. Zu Anfang des revolutionären Umbruchs im November 1989 wurde beftirchtet, daß die in der DDR stationierten Streitkräfte der Roten Armee zugunsten der SED-Regierung eingreifen wmden. Es wurde bis dahin auch angenommen, daß sich das SED-Regime nur ,mit Hilfe sowjetischer Bajonette' hat an der Macht halten können. Konkreter Anlaß zu dieser Vermutung war die Unterdrückung des Volksaufstands am 17. Juni 1953 und analog dazu die Intervention der Roten Armee in Ungarn (1956) und der Tschechoslowakei (1968). Die erlebte Ambivalenz der Roten Armee als ,Freund' und als ,Feind' unterbrechen den logischen Zusammenhang zwischen Staat, Biindnispartner und eigener Armee. Der logische Bruch der sich daraus fm das militärpädagogische Handeln in Ost ergibt, wird dadurch verstärkt, daß der militärpädagogische Elementarkomplex erster Ordnung: Freiheit, Volksdemokratie und Vaterland, ebenfalls Unlogik enthält. Die kollektiv interpretierte Freiheit wurde als faktische Unfreiheit individuell erlebt und die Volksdemokratie war in Wirklichkeit eine Parteidiktatur . Unter solchen Umständen wmde in jedem

Die militärpädagogische Diktion in Ost und West

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land die Glaubwürdigkeit militärischer Führung, Ausbildung und Erziehung notleiden. Was die Logik des Militärpädagogischen angeht, decken die DDRTexte ein deutliches pädagogisches Defizit auf. Auffälliges Merkmal der Militärpädagogik in Ost ist außerdem die Feindbildprojektion (vgl. Tab. 5). Sie ist auf die Bundeswehr, die NATO und vor allem auf die USA als Wirtschaftsrnacht gerichtet. Das wird durch die Bevorzugung des Begriffs ,Monopolkapitalismus' deutlich. Ausgelassen werden in dem analysierten Schrifttum (Ost) die army, die navy und die air force. Dabei läge es nahe, mit der Feindbildprojektion auf der Ebene der Streitkräfte zu bleiben, um die moralische Überlegenheit der Streitkräfte des Warschauer Pakts damit logisch zu begründen. Mit der Apostrophierung des westlichen Wirtschaftssystems als friedensbedrohend wird bei denen, die über eine solche Aussage anfangen nachzudenken, die indirekte Frage aufgeworden , wie es mit der militärischen Expansionspolitik der Sowjetunion bestellt ist. Es bietet sich das als Gegengewicht zur einseitigen Feindbildprojektion an, was man von West aus betrachtet, den Sowjet-Imperialismus nennt. Das ist zwar allgemein bekannt, wird aber in Ost verständlicherweise nicht thematisiert. Die unsymmetrische Bewertung beider Sachverhalte, die dem Soldaten der NYA zugemutet wird, stört die Integration der intendierten Wehrmotivation in den Aufbau seines Erkenntnissystems oder Weltbildes. Er wird genötigt, diese Unsicherheit zu überbrücken, indem er sie sich verschweigt oder sie verdrängt. Das gedankenlose Nachbeten vorgegebener Meinungen, das so selten nicht sein wird, hat wenig rückverstärkende Wirkung auf die Wehrmotivation. In den untersuchten Texten der ,Truppenpraxis' wird das Feindbild nicht weiter konkretisiert (vgl. Tab. 5). Das Verhältnis zur Schutzmacht USA fmdet eine anerkennende, aber dabei sehr sachliche Würdigung. Hymnische Redewendungen zum Zwecke der rhetorischen Übertreibung sind unüblich. Die mögliche Bedrohung durch die Streitkräfte des Ostblocks wird bedacht, aber nicht zur Erzeugung von Bedrohungsangst verwendet. Überlegungen, wodurch westliche Demokratie gefährdet sein könnte, bleiben unscharf. Curriculare Organisationsprobleme, militärtechnische Sachfragen, Auswirkungen der Wehrpflicht, auch des Wehrrechts und Anliegen der betriebsinternen Menschenftihrung sind die militärpädagogischen Themen. Selbst wenn darauf abgehoben wird, daß es in der soldatischen Ausbildung auch um affektive Lernziele ginge, bleibt das alles im Bereich des Sachlichen. Das marxistische Prinzip der Parteilichkeit und damit der Parteinahme gegen andere, fmdet keine Anwendung. Dadurch ergibt sich ein echter Unterschied bei der militärpädagogischen Diktion in Ost und West, der sich im Schreibstil der Autoren zeigt. In Würdigung dieses Unterschiedes liegt die auf die Logik des Militärpädagogischen bezogene Quintessenz nahe: Die ideologische Umleitung der individuellen Erkenntnisprozesse auf Kosten der politischen Sachlogik stört den logischen Zusammenhang der Pro-

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zesse von Führung, Erziehung und Bildung in den Streitkräften. Die von der Konsistenz der Persönlichkeit abhängige Wehrbereitschaft, verlangt nach dem Bemühen des Vorgesetzten um eine klare, auch Widersprüche aufzeigende Argumentation bei der Behandlung sicherheitspolitischer Sachfragen. Die untersuchten Textstücke, von denen einzelne Aussagen zur Logik des Militärpädagogischen in Ost und West als Beispiel ausgewählt worden sind, repräsentieren keine militärpädagogische Systematik. Der Feststellung dieses möglichen Defizits dient die vorgelegte Untersuchung. Die folgenden Aussagenbeispiele sollen dem Nachweis der Rekonstruktionskategorie und des möglichen militärpädagogischen Defizits dienen und nicht zum Autorenlob oder -tadel den Anlaß geben. Beispiele für Aussagen zur Logik des Militärpädagogischen : Logik-Ost

"Erfolgreiche Erziehung verlangt schöpferisches Wirken." (Stoppe) "Das erzieherische Geschehen ist planbar wie jede andere menschliche Tätigkeit." (Stoppe) "Will der Erzieher bei seinen Unterstellten ein bestimmtes Handeln und Verhalten erreichen, dann muß er bei ihnen entsprechende innere Triebkräfte (/Motive) herausbil