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German Pages 760 Year 2019
Benjamin Fellmann
PAL AIS DE TOKYO
Kunstpolitik und Ästhetik im 20. und 21. Jahrhundert
ST UDIEN AUS DEM WARBURG - HAUS , BAND 22
Herausgegeben von Uwe Fleckner Margit Kern Birgit Recki Cornelia Zumbusch
Benjamin Fellmann
PAL AIS DE TOKYO
Kunstpolitik und Ästhetik im 20. und 21. Jahrhundert
»Die Ausstellungen der Industrie als geheimes Konstruktionsschema der Museen – die Kunst: in die Vergangenheit projizierte Industrieerzeugnisse.« Walter Benjamin: Aufzeichnungen und Materialien zur Passagenarbeit, 1934–1935
INHALT
9
Vorwort
13
Seismograf, Prisma, Monument: Das Palais de Tokyo
49
Architektur als soziales Medium: Das Projekt eines Musée d’Art moderne im Kontext der Weltausstellung 1937
53
Kunstpolitik im Spiegel der Archive
68
Museumsinsel, Museum of Modern Art, Musée d’Art moderne: Nationale Kulturpolitik und internationaler Austausch
80
Vom Palast zur »Ausstellungsmaschine« I: Der internationale Kongress über die Architektur von Kunstmuseen
90
Das Musée du Luxembourg: Bescheidene Präsentation begehrter Produkte
96
»À la base de tout art, il y a un métier«: Wirtschaftspolitik und museologischer Modernismus, 1934–1939
103
»Éviter les excès d’un modernisme déjà démodé«: Architektur und künstlerische Ausstattung des Palais de Tokyo
131
Von Louis Hautecoeurs Entwurf zur öffentlichen Ausschreibung
136
Monumentalismus versus Modernität: Der Wettbewerb und die Rezeption des Siegerentwurfes
5 | Inhalt
179
Politische Ästhetik und Ausstellungsgeschichte: Die ersten Jahre des Palais de Tokyo als Musée national d’Art moderne
182
Ausstellungsgeschichte als Geschichte politisierter Ästhetik
191
Nationales Schaufenster: Die ersten Ausstellungen 1937
196
Die Gegenwart ausstellen: Ein »Musée d’Urbanisme«
199
Museen im Museum: Museografie-Ausstellungen und Vermittlungsdebatten
207
Die Wahrheit des Nachhalls: Walter Benjamin rezensiert eine Kritik der Museografie-Ausstellung
212
Die Präsentation der internationalen geistigen Zusammenarbeit
217
Die Ausstellung »Chefs-d’œuvre de l’Art français«
223
Monumentalismus in München, Palais in Paris: Der nationalsozialistische Pavillon und das Modell vom »Haus der Deutschen Kunst«
237
Eigenständig seit 1937: Der Ostflügel des Palais de Tokyo
240
1937–1940: Französische Reaktionen auf die Verwertungsaktion »Entartete Kunst« und Kontinuitäten in der Kunstpolitik
251
Unter deutscher Besatzung: Verfolgung Jean Cassous, provisorische Eröffnung 1942 und die Lagerung geraubter Klaviere und Flügel
293
Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen: Von der Nachkriegszeit zur Entstehung des Centre Pompidou
296
Von Benjamin zu Pontus Hultén: Institutionengeschichte als Ideengeschichte
310
Das Kunstmuseum als Raum der gesellschaftlichen Selbstfindung
314
»Art et Résistance«, französische Malerei in Deutschland und die UNESCO-Gründungsausstellung: Kunst als politischer Akt und Verständigung 1946
325
Wiederaneignung der Moderne und Schrecken der Konzentrationslager: Die Eröffnung des Musée national d’Art moderne 1947
338
Zwischen Vergangenheitsbewältigung und Kanonisierung der Moderne: Ausstellungen und Museumsbetrieb in den 1950er Jahren
345
»L’abandon radical du Musée comme ›Palais des Arts‹«: Die Idee eines neuen Museums des 20. Jahrhunderts
353
Möglichkeiten und Grenzen eines »imaginären Museums«, 1959–1969
367
Vom Palast zur »Ausstellungsmaschine« II: Das Palais de Tokyo und das Centre Pompidou
6 | Inhalt
374
Sturm auf »eine weitere Bastille«: Das Musée national d’Art moderne und die institutionelle Kritik der 1960er Jahre
383
Öffnungen in den 1960er Jahren: Institutionelle Impulse und der neue Blick aufs Publikum
393
Von der »Comédie Française des Arts Plastiques« zum »enthousiasme esthétique«: Das Palais de Tokyo im Projekt des Centre Pompidou
435
Das poröse Museum: Das Palais de Tokyo auf dem Weg ins neue Jahrtausend
440
Moderne als Bedingung, Porosität als Kriterium der Gegenwart
449
»Un Louvre didactique«: Das Musée d’Art et d’Essai 1977–1986 und die »Préfiguration d’Orsay«
457
»Une vitrine prestigieuse« für die ersten staatlichen Foto-Institutionen: Die Maison de la Photographie, 1984–1993
465
»Bildung durch Bilder«: Ein Bilder-Palast für Foto und Film mit Cinémathèque und FÉMIS, 1984–1998
479
Das Institut des Hautes Études en Arts Plastiques im Palais de Tokyo
486
Site de Création Contemporaine: Das Palais de Tokyo im neuen Jahrtausend
492
Die Schaffung des »Centre de la Jeune Création«, 1998–2002
498
Der Name als Programm: Die Konzeption des Palais de Tokyo
535
Von der Kunstpolitik zur »Politik der Kunst«: Das Palais de Tokyo und ästhetische Theorien der Gegenwart
540
Globale Vernetzung statt »White Cube«: Die Eröffnungsschau 2002
547
Der Code der Straße: Grundlegungen der relationalen Ästhetik in den Ausstellungen »No Man’s Time« und »Traffic«
552
Postproduction und Semionauten: Die Ausstellungen »Hardcore«, »Global Navigation System«, »Live« und »Playlist«, 2003–2004
565
Nachleben der Moderne und Altermodernität: Implizite ästhetische Theorie 2006–2011
579
»Intense Proximity«: Die Erweiterung des Palais de Tokyo und die Triennale 2012
587
Kritische Reflexionen der relationalen Ästhetik und des Palais de Tokyo
599
Relationale Ästhetik in Diskussionen des New Institutionalism und partizipativer Kunst
7 | Inhalt
INHALT 610
Jacques Rancières Kritik der relationalen Kunst im ästhetischen Regime der Gegenwart
620
Ästhetik der Politik und Utopie der Porosität: Rancière, Bourriaud und Benjamin
651
Monument der Moderne, Monument einer Ästhetik der Gegenwart
665
Anhang
666
Ausstellungen des MNAM im Palais de Tokyo 1944–1976
672 Ausstellungen des Palais de Tokyo 2002–2012 687
Bibliografie
688 Archivalien 701
Verzeichnis der Quellen- und Sekundärliteratur
741
Bildnachweis
743
Index
8 | Inhalt
VORWOR T
Das Palais de Tokyo in Paris ist heute eines der größten Kunstzentren Europas, aber auch ein vielschichtiges Monument, ein Seismograf der sozialen Stellung der zeitgenössischen Kunst in Gesellschaften des 20. und 21. Jahrhunderts. Seine Geschichte ist die einer Vielzahl von wegweisenden Institutionen, kulturpolitischen Vorhaben und Ausstellungen, geprägt von internationalem Austausch seit seiner Konzeption und in steter Wechselwirkung zu den großen politischen Umbrüchen der Zeit. Diese Geschichte ist zugleich eine der Kunstpolitik und des Nachdenkens über das Ausstellen und die gesellschaftliche Funktion von Gegenwartskunst. Die Ideengeschichte des Palais de Tokyo reicht über den Moment seiner eigentlichen Erbauung als erstes Museumsgebäude in Paris für die Sammlungen moderner Kunst des Staates und der Stadt anlässlich der Weltausstellung 1937 hinaus zurück ins ausgehende 19. Jahrhundert und spannt einen weiten Bogen über historische Entwicklungen bis in unsere Zeit: Von der Einrichtung des Musée national d’Art moderne, seinem Schicksal im Zweiten Weltkrieg und in den Jahren der Besatzungszeit, über den internationalen und wiedereinsetzenden deutsch-französischen Dialog in den Nachkriegsjahrzehnten, Reformbewegungen der 1960er Jahre und die Planung des Centre Pompidou, Nachfolgeinstitutionen wie das experimentelle Musée d’Art et d’Essai, das Institut des Hautes Études en Arts Plastiques und vielseitige institutionelle Ambitionen für ein staatliches Zentrum visueller Kultur für Foto und Film seit den 1980er Jahren, bis hin zum Schauplatz zeitgenössischer Kunsttheorie und Debatten um relationale Ästhetik und partizipative Kunst der Gegenwart. Als Ideengeschichte reicht sie damit über mehr als ein Jahrhundert hinweg in die jüngste Vergangenheit der Institution, die heute
9 | Vorwort
unter dem Namen Palais de Tokyo eines der international führenden Ausstellungshäuser ist. Diese wechselvollen Entwicklungen in ihrer Komplexität über mehrere Jahre hinweg in vielen Pariser Archiven und Bibliotheken nachzuvollziehen und dieses Buch zu schreiben wäre ohne die Hilfe zahlreicher Institutionen und Personen nicht möglich gewesen. Ich danke den Archives nationales, Pierrefitte-sur-Seine, für die Einsicht in zahllose Archive und die Erlaubnis, Abbildungen wiederzugeben, sowie besonders ihren Konservatoren und Mitarbeitern Pascal Riviale, Marine Zelverte, Geneviève Profit, Clothilde Roullier und Luc Requier für Hilfe und Orientierung bei den Recherchen und der Beschaffung von Abbildungen. Mein großer Dank gilt auch den Mitarbeitern der ehemaligen Archives des musées nationaux, Paris, deren Bestände seither aus dem Louvre in die Archives nationales überführt worden sind, insbesondere Alain Prévet. Im Palais de Tokyo gilt mein nachdrücklicher Dank Jean-Baptiste de Beauvais für seine hilfreiche Unterstützung dieses Forschungsprojekts, und Annabelle Türkis, Ariane Salas und Frédéric Grossi für ihre vielfältige Hilfe. An der Bibliothèque Kandinsky im Centre Pompidou danke ich besonders Didier Schulmann für seine stete Unterstützung und Fürsprache, Gespräche und Rat, und Mica Gherghescu. Den Herausgebern der Studien aus dem Warburg-Haus, seinen Direktoren Birgit Recki, Cornelia Zumbusch und Uwe Fleckner, sowie Katja Richter, Arielle Thürmel und Anja Weisenseel vom Verlag De Gruyter gilt mein Dank für ihr Interesse an dieser Arbeit und die Betreuung des Buches. Größter Dank gebührt der Hamburger Behörde für Wissenschaft und Forschung, die noch unter Senatorin Dorothee Stapelfeldt großzügig den Auf bau eines interdisziplinären Forums am Warburg-Haus und damit auch die vorliegende Publikation ermöglichte, und ihrer Nachfolgerin Senatorin Katharina Fegebank. Diese Arbeit ist die leicht modifizierte und gekürzte Fassung meiner Dissertation, die ich 2016 an der Universität Hamburg und der Université Paris 8 Vincennes-Saint-Denis eingereicht habe. Allergrößten Dank schulde ich an den Universitäten Hamburg und Paris 8 Uwe Fleckner und Catherine Perret für die Betreuung meiner Arbeit. Ihnen verdanke ich vorbehaltlose Unterstützung des Forschungsvorhabens vom ersten Schritt bis zur kritischen Begleitung der Entstehung dieses Buches, vor allem aber entscheidende akademische und persönliche Weichenstellungen. Mein großer Dank gilt Bénédicte Savoy, TU Berlin/Collège de France, als Président du jury und Gutachterin für die Université Paris 8 und Pascal Dubourg Glatigny, CNRS/Centre Alexandre Koyré, als zweitem Gutachter für die Université Paris 8. Zusammen mit Margit Kern und Petra Lange-Berndt, Universität Hamburg, und meinen beiden Doktoreltern bildeten sie die deutsch-französische Prüfungskommission. Gregor Wedekind, Universität Mainz, verfasste das Drittgutachten für die Universität Hamburg – ihnen allen sei herzlich gedankt. Gefördert wurde diese Arbeit in Paris und Hamburg durch die Studienstiftung des deutschen Volkes. Burkhard Meißner, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, danke ich für seine wichtige fachliche und persönliche Unterstützung als Vertrauensdozent.
10 | Vorwort
Ebenso gilt mein Dank Eva-Maria Seng, Universität Paderborn. Die Université francoallemande / Deutsch-Französische Hochschule DFH-UFA unterstützte die deutschfranzösische Promotion mit einer Cotutelle de thèse-Förderung. Die FAZIT-Stiftung und die Ecole Doctorale Esthétique Sciences et Technologies des Arts der Université Paris 8 ermöglichten mir Teilnahmen an zwei internationalen Konferenzen an der Pontifícia Universidade Católica do Rio de Janeiro mit wichtigen Anregungen für diese Arbeit. Für ihre Hilfe bei der Durchführung des binationalen Promotionsverfahrens danke ich in Paris Isabelle Ginot und ihren MitarbeiterInnen, besonders Hugues Rainvillé, und in Hamburg Zerrin Eren, Hanna Klimpe, Valérie Le Vot, Katrin Tautermann und Margot Zimmermann. Wertvollen Austausch, Verbindungen und Denkanstöße verdankt die Arbeit der zweiten Summer University der Bibliothèque Kandinsky am Centre Pompidou, den séminaires doctoraux der Ecole Doctorale Esthétique Sciences et Technologies des Arts der Université Paris 8, dem Netzwerk der European Summer School in Cultural Studies, besonders im Rahmen internationaler PhD-Seminare, und den Forschungskolloquien von Catherine Perret in Paris und Uwe Fleckner in Hamburg. Wichtige fachliche Hilfe und Unterstützung verdanke ich zudem Sarah Gensburger, CNRS, Institut des Sciences sociales du Politique, Florent Brayard, CNRS, Centre de recherches historiques EHESS, und Marie-Hélène Contal, Cité de l’architecture & du patrimoine. Für die Entstehung dieses Buches war die Hilfe vieler Personen maßgeblich, denen hiermit gedankt sein soll. In Paris danke ich insbesondere Maud Maffei für ihre Hilfe bei Fotografiekampagnen und fachliche Unterstützung, und Raphaël Denis für seine Hilfe bei der Einrichtung des Bildapparates. Mathias Zintler, Angela Mayer und Christine Wenona Hoffmann gilt mein tiefer Dank für intensives Lektorat und essentiellen gedanklichen Austausch. Alexander Meier-Dörzenbach danke ich für seinen laufenden akademischen Rat. Für die Bereitstellung von Abbildungen oder ihr Einverständnis zum Abdruck danke ich insbesondere Laëtitia Badaut Haussmann, Didier Barroso, Bernard Baudin, Marc Domage, Daniel Firman, Liam Gillick, Xavier Juillot, Anne Lacaton & Jean-Philippe Vassal, Jacques Lebar, Michael Lin, Frederic Louot, Nicolas Milhé, André Morin, Gianni Motti, Daniel Moulinet, Henrique Oliveira, Marjetica Potrcˇ , Navin Rawanchaikul sowie den Galerien Hauser & Wirth, kurimanzutto, Magazzino Arte Moderna und Millan. Hessam Noghrehchi, Ana Ferreira Adão, Daria Bardellotto, Gabriel Cabello Padial, Andreas Christopher Matt, Charlotte Potot, Ana Samardžija Scrivener und Elena Tolstichin gilt mein weiterer Dank für fachlichen und persönlichen Austausch im Gelingen dieser Arbeit.
11 | Vorwort
SEISMOGR AF, PRISMA , MONUMENT: DAS PAL AIS DE TOKYO Benjamin Fellmann
SEISMO DA S PAL
Walter Benjamin lebte seit 1933 in Paris im Exil, wo ab 1935 das Palais de Tokyo im Bau stand. Es wurde gebaut für das erste staatliche Museum moderner Kunst, Musée national d’Art moderne (MNAM), und ein städtisches Musée d’Art moderne de la Ville de Paris (MAM). Es ist der erste Pariser Neubau eines Museums für moderne Kunst. Im Ostflügel beherbergt das Ensemble bis heute das Museum der Stadt Paris. Der staatliche Westflügel, dem dieses Buch gilt, ist nach zahlreichen wechselnden Nutzungen heute unter dem Namen Palais de Tokyo einer der wichtigsten internationalen Ausstellungsorte für zeitgenössische Kunst. Das Palais de Tokyo entstand zu einer Zeit, in der Walter Benjamin in Paris an Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit schrieb, dem wohl meistzitierten kunstphilosophischen Text des 20. Jahrhunderts.1 Bis heute ist der Text ein Referenzwerk zur Stellung zeitgenössischer Kunst in der Gesellschaft und Stichwortgeber der zeitgenössischen Kunsttheorie. Das Palais de Tokyo ist seit der Jahrtausendwende ein zentraler Schauplatz ebendieser Kunsttheorie, die sich obendrein mehrheitlich immer wieder auf Benjamin bezieht. Sein Aufsatz erschien 1936 zunächst in einer französischen Übersetzung in der Zeitschrift des exilierten Frankfurter Instituts für Sozialforschung. Weniger beachtet wird der Stellenwert, den er darin der Architektur zuspricht. Sie gilt ihm als Beispiel für die zukünftige Entwicklung der Kunst in der Gesellschaft unter dem Einfluss der Massenmedien, da sie sich sowohl in der Wahrnehmung, als auch im sozialen Gebrauch rezipiert. Architektur und Kunst sind in Benjamins Vorstellung von einem sozialen Durchdringungsprozess aufs engste verknüpft, seit er
13 | Seismograf, Prisma, Monument: Das Palais de Tokyo
1 Blick in den Ehrenhof des Musée des Arts modernes von der Spitze des Westflügels, vorne Anna Quinquaud: La Mauritanienne, Dokumentationsfotografie, 1937, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
1924 in Neapel eine bauliche und soziale Porosität erlebte und sie im Jahr darauf im Städteportrait Neapel beschrieb. 2 In Paris wiederum war ein eigenes staatliches Museum für moderne Kunst schon lange gefordert worden, da das Musée du Luxembourg, das 1818 geschaffene erste Museum lebender Künstler überhaupt, aus allen Nähten platzte. Nach dem Ersten Weltkrieg, aber forciert ab Mitte der 1930er Jahre, wurde ein Neubau mit Blick auf die internationalen modernen Kunstmuseen, allen voran das 1935 eröffnete Gemeentemuseum in Den Haag, besonders vom Luxembourg-Kurator und ersten Direktor des MNAM, Louis Hautecoeur, vorangetrieben. Anlass und Mittel dazu ergaben sich aus dem 1932 gefassten Entschluss, 1937 in Paris eine Weltausstellung auszurichten (Abb. 1). Man könnte vermuten, dass Benjamin den Bau des Palais de Tokyo, an dem sich seine Interessenfelder trefflich studieren ließen, aufmerksam verfolgte. Zwar wird vorliegend erstmals eine indirekte Bezugnahme Benjamins auf eine der Eröffungsausstellungen nachgewiesen werden, jedoch ist eine direkte Befassung kaum ersichtlich. Benjamin war in Paris mit der Arbeit am Passagen-Projekt und materiellen Sorgen des Exils befasst. Vielleicht muss man aber gar nicht darauf verweisen, sondern nur den Blick auf das Palais
14 | Seismograf, Prisma, Monument: Das Palais de Tokyo
2 Henrique Oliveira: Baitagogo, 2013–2016, Installation, Palais de Tokyo
de Tokyo selbst richten: Eine Monumentalarchitektur der 1930er Jahre wie diese der jungen Architekten Jean-Claude Dondel (1904–1989) und André Aubert (1905–1987) steht in einem Widerspruch zu dem, was Benjamin vor Augen hatte, als er in Neapel Architektur das »bündigste Stück der Gemeinschaftsrhythmik« nannte. 3 Und doch prägen ähnliche Vorstellungen von urbanem Rhythmus und Einbindung der Architektur auch die Konzeption des Palais de Tokyo. Warum also entstand, als man auf der Höhe der technischen Entwicklungen der Moderne die Gelegenheit hatte, ein gänzlich neues Museum für zeitgenössische Kunst zu bauen, in Paris ausgerechnet ein toskanisch-dorisches Modell des neoklassizistischen Kunsttempels? Seine Architektur steht auch in einem Gegensatz zu der bestimmten Art und Weise, Kunst zu betrachten, für die das Palais de Tokyo heute steht: Gegründet von Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans, ist das Palais de Tokyo – Site de Création Contemporaine, das seit 2006 nur noch Palais de Tokyo heißt, seit 2002 eines der größten Ausstellungszentren Europas und zu kuratorischer Praxis und ästhetischer Theorie international eines der meistbeachteten. Nicolas Bourriaud legte seit Mitte der 1990er Jahre eine »relationale Ästhetik« vor für zeitgenössische Kunstwerke, die mit sozialen Beziehungen
15 | Seismograf, Prisma, Monument: Das Palais de Tokyo
operieren, sowie Theorien zur künstlerischen Produktion in der vernetzten Gegenwart und der Ästhetik der Globalisierung, die stark mit dem Palais de Tokyo assoziiert werden.4 Wie hat sich dieses Erbe der Moderne durch die Geschichte des Ausstellungsortes entwickelt und wie hat es sich schließlich auf die Schaffung eines Ausstellungszentrums ausgewirkt, das im 21. Jahrhundert die internationale Wahrnehmung zeitgenössischer Kunst entscheidend prägt? Das Palais de Tokyo stand im Zentrum politischer und öffentlicher Diskurse und internationalen Austauschs zur Stellung der modernen und zeitgenössischen Kunst in der Gesellschaft und verkörpert diese. Jüngste Forschung zu Museumsgeschichte betont die Notwendigkeit eines transnationalen Blicks, die sich vorliegend bestätigt. 5 Am Palais de Tokyo ist mit der französischen Kunst- und Kulturpolitik im 20. Jahrhundert im internationalen und europäischen Kontext sowie der damit verbundenen ästhetischen, kunsttheoretischen und museologischen Reflexionen nachzuvollziehen, wie sich die Auffassung der Stellung der zeitgenössischen Kunst in der Gesellschaft in einer zunehmend globalen Perspektive wandelt (Abb. 2). Unter kunstpolitischen Vorzeichen zeigt sich damit eine Kunstgeschichte in Institutionen, Ausstellungen und Sammlungen, aber auch eine Geschichte ästhetischer Theorie der Gegenwartskunst.
DAS PAL AIS DE TOKYO, EIN SEISMOGRAF DER KUNSTGESCHICHTE IM 20. UND 21. JAHRHUNDERT Das Palais de Tokyo ist von Anbeginn geprägt von einer Politik der Kunst in Hinblick auf soziale Öffentlichkeit und einem bis in die globale Perspektive hinausweisenden Blick. 1937 anlässlich der Exposition Internationale des Arts et Techniques dans la Vie Moderne eingeweiht, ist es neben dem umgebauten Palais de Chaillot eines der wenigen auf Dauer angelegten Gebäude dieser Weltausstellung. Als »Palais des Musées d’Art Moderne« sollte es fortan im Ostflügel das städtische MAM beherbergen, während der Westflügel mit der staatlichen Sammlung die offizielle Politik gegenüber der zeitgenössischen Kunst widerspiegelte. Diese war so wechselvoll wie die Nutzung des Palais de Tokyo im Westflügel, der das 1942 zwischen- und 1947 offiziell eröffnete MNAM beherbergte, das seit 1977 im Centre George Pompidou beheimatet ist, nach diesem bis 1986 das Musée d’Art et d’Essai, in dem Schüler der École du Louvre Ausstellungen mit Werken vor allem aus den Reserven des Louvre kuratierten und die Préfiguration des Musée d’Orsay, das CNP Centre national de la Photographie und 1984 bis 1993 die Mission pour le patrimoine photographique, 1988 bis 1990 kurz das IHEAP – Institut des Hautes Études en Arts Plastiques, sowie ab 1984 das Projekt eines Palais des Images für die staatlichen Aktivitäten im Bereich Fotografie und Film mit einer neu gegründeten Filmhochschule, der FÉMIS Fondation Européenne pour les Métiers de l’Image et du Son sowie der Cinémathèque und neuer Filmarchive, der Bibliothèque de
16 | Seismograf, Prisma, Monument: Das Palais de Tokyo
l’Image – Filmothèque BIFI. Dieses letzte Projekt durchlief zahlreiche Konfigurationen bis zum endgültigen Projekt eines Palais du Cinéma, das 1998 aber schließlich abgebrochen wurde. Seit 1998 plante man das 2002 eingeweihte Ausstellungszentrum für zeitgenössisches Schaffen Palais de Tokyo – Site de Création Contemporaine. Seine Gründungsdirektoren waren bis 2006 die einflussreichen Kritiker und Kuratoren Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans, danach leitete es Marc-Olivier Wahler bis 2011. Nach einer zweiten Renovierung und Erweiterung um bis dahin brach liegende Flächen wurde es 2012 unter dem neuen Direktor Jean de Loisy auf der nun vollen Fläche des Westflügels von 22.000 Quadratmetern neu eröffnet. Diese dynamische Geschichte weist das Palais de Tokyo als medienübergreifenden Schauplatz der Ausstellungsgeschichte unter dem Einfluss der Kulturpolitik, Kuratoren, Künstler und des Aufstiegs der massenmedialen Bildkultur aus. In Entsprechung zur Bedeutung einer der Welthauptstädte der Kunst ist es einer der zentralen weltöffentlichen Schauplätze an denen die Rolle zeitgenössischer Kunst in der Gesellschaft verhandelt wird. Damit ist es ebenso Schauplatz der Herausbildung ästhetischer Diskurse, in neuerer Zeit besonders über Beziehungen zwischen Institutionen, Werken und Gesellschaft seit Beginn der Globalisierung, womit sich die Frage nach der politischen Bedeutung von Kunst als sozialem Medium erneut stellt. Das Erkenntnisinteresse dieser ersten monografischen Untersuchung liegt daher in seiner Betrachtung als Monument im internationalen und europäischen Kontext, das über den ideengeschichtlichen Wandel der politischen Bedeutung moderner Kunst und interdisziplinäre ästhetische Diskurse im 20. und 21. Jahrhundert Auskunft gibt. Sie liefert neue Erkenntnisse zur französischen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Es werden konkrete Programme der verschiedenen Nutzungsperioden und Institutionen anhand von kulturpolitischen und institutionellen Archiven, zentralen Ausstellungen, Publikationen der Akteure und zeitgenössischer Kritik studiert sowie eine historiografische Betrachtung der damit verbundenen ästhetischen Reflexionen vorgelegt. Das Erkenntnisinteresse gilt zwei Gesichtspunkten: Erstens der Ideengeschichte eines Ausstellungsortes moderner und zeitgenössischer Kunst und Bildkultur, die sich in den zahlreichen Nutzungsprojekten des Westflügels des Palais de Tokyo äußert und vor allem Gegenstand von Politik ist. Von seiner Konstruktion zur Weltausstellung 1937 bis zur Wiedereröffnung des Palais de Tokyo Site de Création Contemporaine 2012 mit der Triennale Intense Proximity von Okwui Enwezor finden hier die staatliche Kulturpolitik und einflussreiche künstlerische Akteure Ausdruck. Dieser Fortgang kann als dynamische Ausstellungsgeschichte untersucht werden, die die Entwicklung eines Diskurses über Museen und Institutionen in Hinblick auf ihr Publikum und über Kunst in Hinblick auf ihre Bedeutung in der Gesellschaft prägt. Einen zweiten Gesichtspunkt stellt die Rolle des Palais de Tokyo als Monument des Denkens von Kunst in der Gesellschaft dar. In der historischen Betrachtung betrifft dies zwei Aspekte: Seine Verkörperung ästhetischer Reflexionen, die sich in seiner Nut-
17 | Das Palais de Tokyo, ein Seismograf der Kunstgeschichte im 20. und 21. Jahrhundert
zungsgeschichte zeigen, und daneben seine Rolle als architektonisches Monument der Moderne, das seit den 1980er Jahren ein Bezugspunkt in kulturpolitischen Programmen und ästhetischen Entwürfen wurde und neue Wertschätzung erfährt. In der zeitgenössischen Betrachtung betrifft es seinen Stellenwert als bekannter Bezugspunkt in internationalen Debatten über ästhetische Theorien der Gegenwartskunst im Zeitalter der Globalisierung. Diese gehen von den Modellen einer Ästhetik zeitgenössischer Kunst Nicolas Bourriauds seit Esthétique relationnelle 1998 aus, die die Produktion von sozialen Beziehungen von oder durch Werke theoretisierte. Sie wurden in der Forschung zur partizipativen Kunst und »New Institutionalism« sowie in Jacques Rancières Arbeiten zur Politik der Ästhetik kritisch hinterfragt.6 Die Hauptkritik an der relationalen Ästhetik hat ihre Ausgangslagen letztlich in einem erweiterten Problemkontext. Elisabeth Caillet und Catherine Perret formulierten ihn einleitend zu einer internationalen Seminarserie am Collège International de Philosophie in den Jahren 1999 bis 2001 über zeitgenössische Kunst und ihre Ausstellung: Muss, statt von der Konstitution eines demokratischen öffentlichen Raumes durch Technologien auszugehen und aus solchen seine Bedingungen abzuleiten, nicht vielmehr gefragt werden, wie öffentlicher Raum der Kunst selbst eingeschrieben ist und erst durch Ausstellungsdispositive interpretativ manifest wird? Ein sozialer Raum der Kunst führt nicht notwendigerweise zu gemeinschaftlichem Austausch: »Si les œuvres créent a priori les conditions d’un espace discursif commun, cet espace social n’en est pas pour autant réalisé en tant qu’espace d’une véritable conversation sociale.«7 Caillet und Perret verweisen auf die Bedeutung von Walter Benjamins Arbeit, der sich am Ausgangspunkt dieser Entwicklungen mit der Zukunft der Kunst in demokratischen Gesellschaften auseinandersetzte und ein Verständnis einführte, das in Ausstellungswerten auch die Grenzen individueller Identität, Mobilität und Veränderbarkeit mitbedenkt. Schon für Benjamin war, wie in solcher zeitgenössischer Ästhetik, die Kunst das Feld, auf dem neue subjektive Herausforderungen der zeitgenössischen Demokratie erprobt werden können. Der Mehrwert der Benjaminschen Perspektive liegt in ihrer politischen Sicht: »L’art pourrait être selon Benjamin ce champ expérimental où inventer à partir de nouvelles pratiques symboliques de l’image ces figures de la subjectivité que la démocratie contemporaine implique quand bien même elle l’ignore. Et l’intérêt de la réflexion benjaminienne est de poser d’emblée cette question sur le terrain politique, de concevoir cette démocratisation non pas comme un fait, un phénomène simplement sociologique mais comme une exigence politique, engageant un désir social.« 8 Die Ideengeschichte des Palais de Tokyo ist eine Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Ihr Bogen spannt sich vom ersten nationalen Museum moderner Kunst MNAM und internationalem Austausch in den Vorläuferorganisationen der späteren UNESCO im Umfeld des Völkerbundes, über den Bruch des Weltkrieges, der Besatzung und Ver-
18 | Seismograf, Prisma, Monument: Das Palais de Tokyo
folgung der jüdischen Bevölkerung Frankreichs, hin zur gesellschaftlichen Selbstfindung nach der Befreiung und der Wiederaufnahme eines europäischen Dialoges besonders im deutsch-französischen Verhältnis, den Entwicklungen der Protestbewegungen und Institutionenkritik der 1960er Jahre und der Entstehungsgeschichte des Centre Georges Pompidou, zur kulturpolitischen Institutionalisierung der neuen Massenmedien in den 1980er Jahren und schließlich der Selbstverortung staatlicher Förderung und der zeitgenössischen Kunst in einer vom Internet und der Globalisierung bestimmten Gegenwart. Leitfrage der gesamten Untersuchung ist die Wechselwirkung zwischen Kunst und Politik am Beispiel zentraler ästhetischer Implikationen der verschiedenen Nutzungsperioden. Welche soziale Bedeutung in der Gesellschaft, und damit politische, wird der zeitgenössischen Kunst zugeschrieben? Wie manifestiert sich diese im Palais de Tokyo? Welche Bilder von Kunst werden ausgestellt? Der Zeitraum reicht von den Ursprüngen in den 1920er und 1930er Jahren, die den Einfluss von staatlicher Wirtschaftspolitik und internationalem Austausch auf die Kulturpolitik und die Institution zeigen, zum ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, in dem Vernetzung und Globalisierung Kunstinstitutionen zwingen, im Prozess allgegenwärtiger sozialer und ökonomischer Durchdringung von Erfahrungsräumen eine sinnhafte Definition des Erlebens zeitgenössischer Kunst zu finden. Um einen Mindestabstand zum historischen Untersuchungsgegenstand zu wahren schließt die kulturpolitische historische Untersuchung mit der Konzentration auf die Schaffung des Palais de Tokyo – Site de Création Contemporaine in den Jahren 1998 bis 2002. Die Untersuchung der nachfolgenden Jahre aus kulturpolitischer Sicht wird daher explizit ausgeschlossen: Das Interesse gilt der Entwicklung vom ersten Museum moderner Kunst hin zu einem Zentrum des globalen Ausstellungsbetriebes über knapp ein Jahrhundert hinweg. Damit markieren Marc-Olivier Wahlers Amtszeit 2006–2011 und die Voreröffnung und Triennale im erweiteren Palais 2012 den Endpunkt der Untersuchung. Der Fokus liegt dort auf der Wechselwirkung von kuratorischer Praxis und ästhetischer Theorie der Gegenwartskunst sowie abschließend einem Überblick über das Palais de Tokyo als Gegenstand von Debatten zur relationalen Ästhetik. Die Darstellung gliedert sich chronologisch in fünf große Abschnitte. Der erste Teil behandelt die Enstehungsjahre des Palais de Tokyo ab den 1930er Jahren bis zum Bau von 1935 bis 1937. Der Fokus liegt auf der Architektur des Museumsbaus. Behandelt werden der Einfluss des internationalen Diskurses über Kunstmuseen in der Moderne auf die Planungen, besonders der internationale Museologie-Kongress in Madrid 1934, die Situation vom Musée du Luxembourg bis zur Konzeption des Palais de Tokyo, sowie die wirtschaftspolitischen Interessen im Umfeld der Weltausstellung, die sich mit dem Bau zu Zwecken einer Förderung des Berufsstandes der Künstler und einer konservativen Ankaufs- und Sammlungspolitik des Staates verbinden. Hier nimmt eine Konstante der gesamten Geschichte des Palais de Tokyo, der Konzeption des Centre Pompidou und der Schaffung des Site de Création Contemporaine
19 | Das Palais de Tokyo, ein Seismograf der Kunstgeschichte im 20. und 21. Jahrhundert
ihren Ausgang: Zu jeder Zeit wurde für neue Ausstellungsinstitutionen damit argumentiert, Paris benötige im internationalen Wettbewerb auch und gerade im Bereich der zeitgenössischen Kunst ein adäquates Schaufenster, das den Tourismus, die Künstler und die Demokratisierung des Zugangs zur Kunst fördern soll. Vor diesem Hintergrund untersucht werden die Rolle Louis Hautecoeurs, der bei der Planung als Modernisierer auftreten kann, der Wettbewerb und der Siegerentwurf, der fortan von allen Kuratoren des MNAM kritisiert werden sollte. Eingehend wird die künstlerische Ausstattung des Palais studiert, die dieses noch heute schmückt. So wird eine Diskrepanz deutlich zwischen einem neoklassizistisch-konservativen Entwurf und dem Umstand, dass das ganze Projekt öffentlich als hochmodern aufgefasst und gepriesen werden konnte. Dass tatsächlich moderne Architekten wie Mallet-Stevens und Corbusier aus dem Wettbewerb ausschieden, zeigt die konservativ akademistische Prägung der Kunstadministration der IIIème République. Der zweite Teil behandelt die allerersten Ausstellungen im Palais de Tokyo anlässlich der Weltausstellung und die Jahre der Einrichtung des MNAM im Palais de Tokyo bis in die Besatzungszeit. Hier zeigt sich die Funktion als nationales Schaufenster, in dem erstmals auch die neuen Wissenschaften Urbanismus und Museografie in Ausstellungen vorgestellt wurden, ebenso wie die Bedeutung des internationalen Austausches im Umfeld des Völkerbundes, dem im Palais de Tokyo 1937 sogar eine Ausstellung gewidmet wurde. Die Kontroversen um eine Modell-Schau van Goghs zeigen das Ringen um demokratische Konzeptionen des Zugangs zur modernen Kunst, den es für breite Bevölkerungsschichten zu öffnen gilt, aber auch die Problematik, pädagogische Vermittlungskonzepte zu finden, die nicht bevormunden. Mit der Einweihung des Palais de Tokyo 1937 kommt es zudem zu einer paradoxen historischen Parallelsituation. Denn im selben Jahr wird in München der erste nationalsozialistische Prestigebau, das »Haus der deutschen Kunst«, eingeweiht, dessen Modell das zentrale Ausstellungsstück im nationalsozialistischen Pavillon der Weltausstellung unweit des Palais de Tokyo ist. Gesondert wird daher auf das Verhältnis der Architektur des Palais de Tokyo zur Frage nach einer nationalsozialistischen Architektur im Unterschied zur internationalen monumentalen neoklassizistischen Architektur der 1930er Jahre eingegangen. Anschließend wird die Situation des MNAM im Krieg behandelt, wobei sich zeigt, dass dem Museum moderner Kunst die bedeutende Funktion eines Forums nationaler Identität zugeschrieben wird, die sich in der zeitweiligen Idee einer provisorischen Eröffnung des Museums während des Kriegsgeschehens äußert. Wichtige Forschungsergebnisse betreffen weiterhin das Verhältnis der französischen Kunstadministration zum »Dritten Reich« und während der Besatzungszeit. So erwog man in Paris, zur Schließung von Sammlungslücken für das MNAM auf der im Auftrag des »Dritten Reiches« 1939 in der Galerie Fischer in Luzern veranstalteten Auktion sogenannter »entarteter Kunst« einen Gauguin zu erwerben. Ebenso untersucht wird die Situation von Jean Cassou, designierter Nachfolger Louis Hautecoeurs, der von Vichy
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verfolgt und inhaftiert wurde: Ein Bekannter Walter Benjamins, erklärter Linker und später aktiver Widerstandskämpfer. Umfassend untersucht wird ebenfalls die Zweckentfremdung des Palais de Tokyo durch die nationalsozialistische »Möbel-Aktion« während der Besatzungszeit zur Lagerung geraubter Klaviere und Flügel aus jüdischem Besitz und die ungerührte Rezeption dieses Vorgangs in Museum und Verwaltung. Die Rolle des Palais de Tokyo als Raum der nationalen Selbstfindung nach der Befreiung wird zu Beginn des dritten Teils thematisiert. Er behandelt die Geschichte des MNAM im Palais de Tokyo bis zum Umzug ins Centre Pompidou 1977. Die erste Ausstellung im Palais de Tokyo nach der Befreiung war eine zu »Kunst und Widerstand«: Im selben Jahr wurde dort anlässlich der Gründung der UNESCO in Paris eine internationale Ausstellung moderner Kunst gezeigt, für die sogar die aus dem Exil zurückgekehrte Gisèle Freund den Beitrag Uruguays kuratierte. Am bedeutendsten aber erscheint in diesem Zusammenhang, dass der letzte Raum der ersten Dauerhängung des MNAM nach 1947 Kunst zeigte, die von den Gräuel der Konzentrationslager zeugte. Seine Existenz scheint danach in Vergessenheit geraten zu sein, weist aber die zentrale Rolle aus, die dem Palais de Tokyo als Ort politischer Bewusstseinsbildung zugewiesen wurde. Anschließend werden die Rolle des MNAM in den 1950er und 1960er Jahren als internationaler Botschafter der französischen Moderne beleuchtet, die Internationalisierung der Ausstellungsaktivitäten, sowie der Einfluss des »imaginären Museums« von André Malraux, Frankreichs erstem Kulturminister von 1959 bis 1969. Mit Blick auf die Rolle des MNAM in den deutsch-französischen Beziehungen der Nachkriegszeit, besonders personelle Kontinuitäten zur Besatzungszeit auf deutscher Seite, soll ein Beitrag zur Analyse des deutsch-französischen Kunst- und Kulturtransfers dieser Jahre geleistet werden, einem Forschungsgebiet, dem Martin Schieder in seinem Grundlagenwerk noch viel Forschungspotential attestiert. 9 Anhand der Entwicklung der Dauerund Wechselausstellungen wird weiterhin nachvollzogen, wie das MNAM ab Beginn der 1960er Jahre zum Gegenstand öffentlicher Kritik im Vorfeld der 1968er-Bewegung werden konnte, die ihm eine konservative Haltung und mangelnde Förderung der jungen zeitgenössischen Kunst vorwarfen. Eine Schlüsselrolle übernimmt dabei Pierre Restany. Aber auch der im MAM Paris gegründete experimentelle Ausstellungsraum ARC, die Biennale de Paris und das Centre National d’Art Contemporain CNAC tragen dazu bei, dass deutlich wird, wie sich das MNAM von der zeitgenössischen Kunst entfernt hat. Zugleich werden in derselben Zeit im Palais de Tokyo Entwürfe für eine neue Museumsinstitution ausgearbeitet, die ein entscheidender Ausgangspunkt für die späteren Planungen zum Centre Pompidou (»Beaubourg«) sind. Erstmals werden vorliegend die Planungsakten des Centre Pompidou ausführlich untersucht um zu zeigen, wie die Unzufriedenheit mit dem Palais de Tokyo in die Schaffung eines neuen nationalen Kulturzentrums mündete. Das Palais de Tokyo und sein Monumentalcharakter nehmen in den Projektplanungen zu Beaubourg exemplarischen Charakter ein. Während die Kritik am MNAM im Palais de Tokyo auf eine Demokratisierung des Zugangs zur zeitgenössi-
21 | Das Palais de Tokyo, ein Seismograf der Kunstgeschichte im 20. und 21. Jahrhundert
schen Kunst und ihrer Ausstellung zielt, wie sie zum selben Ort schon 1937 debattiert wurde, stellt sich aber die in Entsprechung zur Wirtschaftspolitik in den Pompidou-Jahren aufkommende Kulturindustrie als nicht minder problematisch heraus. Einige Schenkungen an das MNAM verblieben im Palais de Tokyo, als dieses 1977 ins Centre Pompidou umzog. Die Folgenutzung des Gebäudes bis zur Schaffung des Site de Création Contemporaine wird im vierten Abschnitt untersucht. Zunächst durch das Musée d’Art et d’Essai und die Préfiguration d’Orsay bis 1986 genutzt sowie ab 1984 durch die ersten staatlichen Fotografie-Institutionen, begann 1984 das Projekt der Einrichtung des Palais des Images, das vom Architekten Franck Hammoutène über die Phase zahlreicher Rekonfigurationen begleitet wurde, bis das Projekt als Palais du Cinéma 1998 auf Beschluss des Kulturministeriums aufgegeben wurde. Es werden die Projektphasen und die staatliche Bildpolitik und Ausstellungskonzepte identifiziert, die das Palais de Tokyo zu einem Ort der Bildung durch Bilder im Zeitalter der Massenmedien machen und für die Anerkennung des kulturellen Erbes von Foto und Film einstehen wollten. Daran schließt sich die erstmalige ausführliche Untersuchung der Schaffung des zeitgenössischen Ausstellungszentrum Palais de Tokyo an. Hier, besonders in der zurückhaltenden Umgestaltung durch die Architekten Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal und dem Konzept von Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans – nicht zuletzt der Entscheidung für den Namen »Palais de Tokyo« – , zeigt sich die einsetzende Wertschätzung für ein Monument der Moderne als Bezugspunkt von Ausstellungsformaten zeitgenössischer Kunst, die dem Einfluss des Internets und der Globalisierung Rechnung tragen. Der »White Cube« wird verabschiedet zugunsten eines frei konfigurierbaren Ausstellungsraumes vielseitiger Beziehungen. Ihre Fluchtpunkte sind die Moderne und die globale Gegenwart. Diese Bezugnahmen auf die Moderne werden im letzten Abschnitt der Arbeit aufgegriffen, wo die Beziehung der Ausstellungen im Palais de Tokyo zu ästhetischen Theorien Nicolas Bourriauds in den Blick rückt. Grundlagen der relationalen Ästhetik in Ausstellungsprojekten Bourriauds werden analysiert, bevor zentrale Ausstellungen von ihm und Sans sowie die Programme unter Marc-Olivier Wahler untersucht werden. Hier wird gezeigt, wie die Suche nach ästhetischen Entwürfen für die globalisierte Gegenwart mündet in das Denken einer Altermodernität, die titelgebend für die von Bourriaud kuratierten Tate Triennale 2009 ist und auch Okwui Enwezors Triennale Intense Proximity im Palais de Tokyo 2012 prägt. Abschließend wird ein Überblick über die Kritik an der relationalen Ästhetik gegeben und die Stellung des Palais de Tokyo in den Forschungsfeldern zum »New Institutionalism« und der partizipativen Kunst analysiert. Mit einer Gegenüberstellung der Verhandlung einer »Politik der Kunst« in der zeitgenössischen Ästhetik bei Jacques Rancière und Bourriaud und Walter Benjamins Verständnis von »Ästhetisierung der Politik« und sozialer Durchdringung wird gezeigt, dass der zeitgenössische Anspruch einer Theorie der gemeinschaftsstiftenden Funktion der Kunst an Benjamins Kriterien gemessen werden kann, die ihre Gültigkeit nicht verloren haben.
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EIN PRISMA KUNSTHISTORISCHER UND ÄSTHETISCHER FORSCHUNG: ZU ARBEITSFELDERN , FORSCHUNGSSTAND UND MATERIAL Diese erste zusammenhängende Untersuchung der Geschichte des Palais de Tokyo von seiner Entstehung bis zum zeitgenössischen Ausstellungszentrum erfasst seine Ideengeschichte, Ausstellungen und Ausstellungspolitik in der Wechselbeziehung zur kunsthistorischen Entwicklung, sowie die französische Kulturpolitik und ihre Kritik, die sich jeweils im Palais de Tokyo spiegeln oder daran entzünden. Dazu kommen ästhetische Programme und Theorien über die Funktion von Kunst, Museen und Ausstellungsorten in der Gesellschaft, die im Palais de Tokyo entwickelt werden, in seiner Ausstellungspraxis Gestalt annehmen oder es zum Gegenstand haben. Unter »Ästhetik« wird vorliegend im Sinne der Arbeiten Jacques Rancières zur historischen Genese eines »ästhetischen Regimes« der Neuzeit, die im letzten Teil selbst Gegenstand der Arbeit sind, die Wahrnehmung von Kunst und die philosophische und theoretische Reflexion der Voraussetzungen dieser Wahrnehmung und visueller Wahrnehmung im Allgemeinen verstanden.10 Ausgehend von seinen Arbeiten zur »Aufteilung des Sinnlichen« versteht Rancière sie als immanent politisch.11 Mit diesem Bewusstsein sollen unter Ästhetik in einem weiten Sinne in den ästhetischen Reflexionen und Programmen der Geschichte des Palais de Tokyo auch kunsttheoretische und museologische Reflexionen verstanden sein, die sich direkt oder indirekt mit der Wahrnehmung der Kunst oder visuellen Kultur befassen. Im Folgenden werden die Begriffe der »modernen Kunst« und der »zeitgenössischen Kunst« sowohl in den historischen Quellen wie in der Untersuchung häufig synonym gebraucht. Luc Alary hat zum ersten französischen Museum lebender Künstler im Palais du Luxembourg ab 1818 darauf hingewiesen, dass sich erst Ende des 19. Jahrhunderts mit Werken mehrerer verstorbener Künstler die Frage der Bezeichnung des Museums als Museum für »art vivant« oder »art de l’époque moderne« gestellt habe.12 »Modernität« setze als Begriff häufig eine ästhetische oder historische Definition voraus, während »art vivant« lebende Künstler meine. Entsprechend diesem Bewusstsein sollen die Begriffe verwendet werden. »Zeitgenössische Kunst« bezieht sich analog zu »art vivant« auf die zu einem historischen Zeitpunkt gegebene Kunstproduktion, während »moderne Kunst« entsprechend dem Untersuchungszeitraum im Wesentlichen die Kunst jener Epoche bezeichnet, die heute gemeinhin als klassische Moderne geläufig ist. Wo »modern« im Sinne von nicht-traditionell verwendet wird, wird es im jeweiligen Kontext verständlich sein. Die Arbeit ist interdisziplinär ausgerichtet, arbeitet jedoch in zwei Hauptdisziplinen: Kunstgeschichte und Ästhetik. In der kunsthistorischen Studie wird die Architektur, künstlerische Ausstattung und Geschichte des Palais de Tokyo in einem internationalen Kontext der Zeit untersucht. Dazu kommt die Untersuchung der Geschichte verschiedener Institutionen, die es belegten und aus ihm hervorgingen. Bis 1977 ist die Geschichte
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des Palais de Tokyo zugleich die des MNAM, die im ausstellungs-, sammlungs- und theoriegeschichtlichen Blick und mit einem Fokus auf die ästhetischen Reflexionen zentraler Akteure untersucht wird. Im museologischen Blick betrachtet werden auch die weiteren Ausstellungsinstitutionen und Museen. Die Forschungsergebnisse werden zudem kunsthistorischen und kunstkritischen Entwicklungen gegenübergestellt. Oftmals erst in einer solchen Gegenüberstellung wird der rote Faden eines Wandels der ästhetischen Auffassung der Stellung der Kunst in der Gesellschaft sichtbar. Ergänzt wird diese Untersuchung durch Betrachtungen der politischen und sozialen Geschichte Frankreichs. Der Untersuchungsgegenstand »Palais de Tokyo« ist komplex und umfangreich. Die Untersuchung muss sich auf zentrale Programme und Ausstellungsvorhaben konzentrieren. Sie will keine vollständige Ausstellungsgeschichte des Palais de Tokyo sein, genauso wenig wie sie den Anspruch erhebt, eine Sammlungsgeschichte des MNAM oder vollumfängliche Institutionengeschichten für jede der vielzähligen Körperschaften französischer Gegenwartskultur zu liefern, die das Gebäude im Laufe der Zeit belegten. Gleichwohl wird insbesondere für die Ausstellungen zur Weltausstellung 1937, die Phase des MNAM über die Kriegs- und Besatzungszeit hinweg, die Ausstellungen nach der Befreiung und jene Institutionen, die das Palais de Tokyo nach dem Auszug des MNAM 1977 nutzten, eine Fülle neuer Informationen präsentiert, mit der zu hoffen ist, dass diese erste historische Untersuchung auf breiter Materialbasis einen Grundstein für weitergehende Auseinandersetzungen legen möge. Das zweite Arbeitsfeld dieser Untersuchung ist Ästhetik. »Esthétique« ist in Frankreich stärker fachlich ausgeprägt als in Deutschland. Die Begegnung der Fächer ist nicht immer einfach, wie Andreas Beyer zu einer binationalen Sammlung historischer Texte schreibt, die am deutschen Forum für Kunstgeschichte Paris zum »Verhältnis von Kunstgeschichte und Kunstphilosophie und [...] deren Abgrenzungen und Synergien in historischer Perspektive wie zeitgenössischer Praxis« entstand. Das Spannungsfeld der historischen Dimension und Kategorien von Kunst einer-, und der Frage nach Begriffen von »Kunst« und ihren Voraussetzungen mit apriorischen Kategorien andererseits hat sich seit Beginn der Disziplin Kunstgeschichte aufgetan. Seither sind deren Diskurse immer auch mit jenen von Kunstkritik, Kunstphilosophie und Ästhetik verstrickt, wie Beyer bemerkt. Das Fach enthalte mit dem historischen »Kollektivsingular Kunst« eine ästhetische Grundfragestellung, aber ihr Blick auf einzelne Kunstwerke scheine »die Möglichkeit einer übergreifenden ästhetischen Theorie in Frage zu stellen«.13 Glücklicherweise muss eine solche vorliegend nicht entwickelt werden. Vielmehr zeigt sich die hier angesprochene Verbindung bei der Untersuchung des Palais de Tokyo ebenfalls schon historisch, wenn im Umfeld des Office International des Musées (OIM) in Paris in den 1930er Jahren das Verhältnis von Kunstkritik und Kunstgeschichte diskutiert wird ebenso wie Erwin Panofskys kunstwissenschaftlicher Ansatz der Ikonologie. Panofsky selbst sah Kunsttheorie – das Finden einer Terminologie für künstlerische Intentionen und »Verfahrensmöglichkeiten«, die Aufgabe,
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jene »›künstlerischen Probleme‹ zu formulieren und zu systematisieren«, die Form, Idee und Gehalt eines Kunstwerks berühren – und Ästhetik im Sinne von Kunstphilosophie von der Kunstgeschichte unterschieden, aber mit dieser in einer »organischen Situation« verbunden.14 Der Kunsthistoriker unterwerfe sein Material einer »rationalen archäologischen Analyse«, aber »er beschafft sich ein ›Material‹ mittels eines intuitiven ästhetischen Nachschaffens, wozu auch die Wahrnehmung und die Bewertung von ›Qualität‹ gehört«.15 Und die Kunsttheorie » – im Gegensatz zur Kunstphilosophie oder Ästhetik – wiederum verhält sich zur Kunstgeschichte, wie sich die Poetik und die Rhetorik zur Literaturgeschichte verhalten«. Da die Begriffe des Kunsthistorikers für die »Gegenstände seiner nachschaffenden Erfahrung« theoretische Konzepte implizieren, trage er stets auch zur Entwicklung der Kunsttheorie bei.16 Wie sich vorliegend bei der Untersuchung der Debatten um relationale Ästhetik zeigen wird, gehen Kunsttheorie der Begriffsterminologien und Ästhetik als Kunstphilosophie aber mitunter ineinander über. Daher muss von einem erweiterten »Ästhetik«-Begriff ausgegangen werden. Die enge interdisziplinäre Verbindung zeigt sich auch in der jüngsten Zeit im Palais de Tokyo in der Wechselwirkung kunsthistorischer und ästhetischer Entwicklungen. Statt Abgrenzungen vorzunehmen, wird vorliegend daher von einer natürlichen Ergänzung der Forschungsbereiche ausgegangen. Ein epistemologischer Rahmen lehnt sich an den ikonologischen Ansatz Panofskys in der Nachfolge zu Aby Warburg an.17 Seit der jüngeren Warburg-Renaissance gilt dieser nicht mehr als Gründungsvater einer streng philologischen Ikonografie, auf die eine Ikonologie auf baut, wie sie Panofsky systematisierte; damit konnte er »als Kronzeuge einer neuen Kulturwissenschaft entdeckt werden, in deren Zentrum gerade ikonische Motive stehen, die sich vom ikonografisch fest definierten Sujet (und damit vom Text) losgelöst haben«.18 Kritisiert wird, besonders in Frankreich und im angelsächsischen Raum, eine Engführung des Warburgschen Denkens durch Panofsky in ein lineares philologisches Modell. Besonders Georges DidiHuberman hat gegenüber der Warburg-Rezeption durch die Linse der Ikonologie die anthropologische Dimension von dessen Denken betont; Martin Warnke wies schon 1980 darauf hin, dass für Warburg Ikonologie nur eines von mehreren kunstwissenschaftlichen Mitteln sein konnte, und sich diese als verselbstständigte Methode oft von seinem Urbild entfernt habe.19 Vorliegend aber gilt es gar keiner Gleichsetzung von Warburg und Panofsky, sondern dass Panofskys ikonologischer Ansatz als Haupttendenz einer Kunstwissenschaft der Jahrhundertwende und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts steht, die, wie Danièle Cohn schreibt, »noch jetzt Anspruch auf exemplarische Geltung erheben und als Modell für ein gelungenes Gleichgewicht von Ästhetik und Kunstgeschichte gelten kann«. 20 Neben der kunsthistorischen wird ausgehend vom Material und der historischen Darstellung eine ästhetische Studie vorgenommen. Identifiziert und untersucht werden zunächst historiografisch einzelne ästhetische Reflexionen und Theorieentwürfe, die sich mit dem Palais de Tokyo verbinden. Diese Entwürfe und Reflexionen werden dar-
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über hinaus als ein Bildwerden ästhetischer Theorie aufgefasst. Eingeschrieben, prägen sie Konfigurationen des Palais de Tokyo als ausgestelltes »Bild« in späteren Vorstellungen oder nehmen selbst den Charakter ausgestellter Objekte an, wo bestimmte Bilder des Palais de Tokyo vermittelt werden sollen. Der stete Rückbezug der verschiedenen Vorhaben von Neulancierungen des Palais auf seine eigenen Vorgeschichten ist aufzuzeigen und damit, inwiefern das Palais de Tokyo als Seismograf der visuellen Kultur Auskunft gibt über den zunehmenden Einfluss sozialer und politischer Anliegen auf das Denken von Kunst, ihrer Ausstellung, und der Voraussetzungen ihrer Wahrnehmung in der Gesellschaft. Dieses Bildwerden der Ästhetik verleiht der Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz der Kunst und der Kunstkritik ihr Gewicht. 21 Vor allem aber auch der Frage der politischen Bedeutung künstlerischer Ausdrucksformen:22 Die ästhetischen Entwürfe einer Politik der Kunst im 21. Jahrhundert sind damit stets immer wieder auf ihre historischen Grundlagen zurückzuführen. An den entscheidenden Stellen geschieht dies in Vertiefungen. Dazu sind dem zweiten, dritten und vierten Abschnitt theoretische Reflexionen der Entwicklungsgeschichte des Palais de Tokyo vorangestellt. Der fünfte Abschnitt ist vollständig der Untersuchung des Wechselverhältnisses der ästhetischen Entwürfe Nicolas Bourriauds mit Ausstellungen und Programmen des Palais de Tokyo von 2002 bis 2011 gewidmet und Theorien, die in diesen Ausstellungen entwickelt werden. Erweitert wird die Untersuchung auf Bourriauds Tate Triennale 2009 Altermodern, sowie die Triennale 2012 im Palais de Tokyo Intense Proximity. Darauf folgt eine Untersuchung der zentralen Kritiken der relationalen Ästhetik. Die Arbeit basiert auf umfangreichem unveröffentlichtem Quellen- und Archivmaterial, das zu großen Teilen erstmals recherchiert und ausgewertet wurde. Aufgrund der Vielzahl der behandelten historischen Entwicklungen und Aspekte wird auf den Forschungsstand und sich daraus ergebende Desiderate zu Beginn der einzelnen Abschnitte der Arbeit eingegangen. 23 Es gibt bisher kaum einschlägige Forschungsliteratur. Hier sei nur ein kurzer Überblick über Publikationen gegeben, die sich dezidiert mit der Geschichte des Palais de Tokyo befassen. Sie werden an betreffender Stelle weiter erläutert. 1986 publizierte das Centre Georges Pompidou einen Führer von Catherine Lawless über die Geschichte des MNAM, der sich mit einem Schwerpunkt auf den Sammlungen freilich an ein breites Publikum richtet. Die Darstellung behandelt das Musée du Luxembourg von 1818 bis 1940 und die nichtfranzösischen »écoles étrangères« im Jeu de Paume von 1932 bis 1945 und geht dann über zum MNAM im Palais de Tokyo von 1947 bis 1976 und dem Centre Pompidou ab 1977. 24 Die Entstehung des MNAM wird ebenso ausgelassen wie die Besatzungszeit. Auch zieht die Studie keine Archivquellen heran. Eine Analyse der ersten Museen zeitgenössischer Kunst von 1800 bis 1930 hat J. Pedro Lorente vorgenommen mit einem Schwerpunkt auf dem Musée du Luxembourg, das nach zwei vorhergehenden Nutzungen als Gemäldegalerie alter Meister 1818 eröffnet wurde und politisch als Ausweis der Modernität der restaurierten BourbonenDynastie wirken sollte. Er analysiert, dass erste Museen zeitgenössischer Kunst in der
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räumlichen Verdichtung der Moderne und Rivalität der Hauptstädte als Ausweise nationalen Stolzes dienten und als Instrumente der Urbanisierung die Entwicklungen neuer Stadtgebiete für bürgerliche Mittelschichten begünstigten, wobei sie weniger Spiegel der Kunstproduktion als Mittel ihrer Anleitung waren. 25 Damit berührt seine Studie zwei zentrale Aspekte der Geschichte des Palais de Tokyo: Die Einbettung des Projekts eines staatlichen Museums moderner Kunst in einen urbanistischen Diskurs und die Situation als Nachfolger des Musée du Luxembourg, das 1879 durch den Senat, der das Gebäude ganz für sich reklamierte, aus dem gleichnamigen Palais in dessen Orangerie vertrieben wurde. Allerdings setzt Lorente seine Untersuchung nicht über das Musée du Luxembourg hinaus fort. Er missversteht das Palais de Tokyo als eine Umnutzung eines Pavillons der Weltausstellung und sieht mit der Schließung des Luxembourg 1938 ein Ende, wo sich eigentlich die spannende Entstehungsgeschichte des Palais de Tokyo als Transfer anschließt. 26 Die Genese des MNAM bis 1947 untersuchte Luc Alary in einer Dissertation, die nur schwer zugänglich ist. 27 Sie behandelt die Geschichte des Museums moderner Kunst von den Anfängen des Musée du Luxembourg 1818 bis zur institutionellen Festigung des MNAM mit der offiziellen Eröffnung im Jahr 1947 eher oberflächlich. Alary nennt selten konkrete Archivquellen und auch nur wenig Primär- und Sekundärliteratur. 28 Es fehlen wichtige Aspekte wie der Kontext der internationalen intellektuellen Kooperation bei der Planung des Museums oder die Nutzung als Lagerraum für geraubten jüdischen Hausrat und Klaviere durch die nationalsozialistische »Möbel-Aktion« während der Besatzung. Andere wichtige Abschnitte der Geschichte des Palais de Tokyo bis 1947 betrachtet er nur kursorisch, wie die Situation unmittelbar nach der Befreiung, als das nationale Museum moderner Kunst eine wichtige öffentliche Funktion der gesellschaftlichen Aufarbeitung übernahm. Es mag auch erstaunen, dass vorliegend erstmals die markanten Kunstwerke außen am Palais de Tokyo und ihre Ikonografie ausführlich analysiert werden. 29 2006 erschien in Italien ein Buch Paola Nicolins über das Palais de Tokyo – Site de Création Contemporaine, das leider für die Untersuchung keine Hilfe ist, da es keine Archivquellen heranzieht. 30 Eine Einführung in die Geschichte des Palais de Tokyo gibt eine Nummer des Magazins PALAIS des Ausstellungszentrums, die 2012 anlässlich der Neueröffnung erschien. 31 Die dortigen Beiträge stützen sich außer auf Ausstellungsfotografien nicht auf Archivquellen und behandeln die Entwicklung seit den 1980er Jahren in Interviews. Diese sind eine wichtige Quelle über Ansichten zentraler Akteure. Wichtige Überblickswerke stammen von Dominique Poulot und Gérard Monnier, enthalten als solche aber kaum Details zum Palais de Tokyo. Poulots Geschichte der französischen Museen erwähnt es nicht. Bis auf kurze Erwähnungen der Nachfolge des Musée du Luxembourg, der Ausstellungen 1937, der Dekoration und der Eröffnung 1947, finden die Entstehung des Palais de Tokyo, die weiteren dortigen Institutionen und die Vorgeschichte des Centre Pompidou auch bei Monnier keine Erwähnung. 32
27 | Ein Prisma kunsthistorischer und ästhetischer Forschung
Die Studien sind gleichwohl unverzichtbar zur Orientierung bei jeder Befassung mit der Geschichte der französischen Kunstinstitutionen. Daneben findet das Palais de Tokyo stärkere Erwähnung in Studien zu Kunst und Kulturpolitik während der IIIème République, zur Weltausstellung von 1937, architekturhistorischen Studien und der Kunstpolitik während der Besatzungszeit und unter Vichy, Studien zur französischen Kulturpolitik sowie etwa Veröffentlichungen der ehemaligen Direktoren des MNAM Louis Hautecoeur und Jean Cassou. 33 Die vorliegende Arbeit wertet erstmals umfangreich unveröffentlichtes Archivmaterial und Primärquellen aus. Analysiert wurden die Archive des Wirtschaftsministeriums und der ministerialen Kunstadministrationen, besonders die Archive des Directeur des Beaux-Arts und seiner Dienste, sowie die des seit 1959 bestehenden Kulturministeriums, zur Weltausstellung 1937, der Konzeption und dem Bau sowie der Ausstattung und Einrichtung des Palais de Tokyo, sowie in neuerer Zeit Akten aus den Kabinetten der Kulturminister Jack Lang, François Léotard, Catherine Trautmann und Catherine Tasca zu den Nutzungsprojekten im Palais de Tokyo von den 1980er Jahren bis in die 2000er Jahre. Dienste und Personen wie der ehemalige Premierminister Lionel Jospin und Catherine Trautmann gaben ihr Einverständnis zur Einsicht in eigentlich noch gesperrte Akten. Weiterhin ausgewertet wurden die Archive des Musée du Luxembourg, die Archive des MNAM bis zum Umzug ins Centre Pompidou 1977, die Akten in der zentralen Direction des musées nationaux, die nach 1945 als Direction des musées de France DMF und seit 2009 Service des musées de France firmiert, zu diesen beiden Museen sowie ergänzend Archivmaterial zu Ausstellungsprojekten unter ihrer Aufsicht. Hinzu kommen die Archive des Musée d’Art et d’Essai, die in einer Unterserie auch Archive zur Einrichtung der Maison de la Photographie mit dem Centre national de la Photographie enthalten, sowie die Planungsakten zum Centre Georges Pompidou, das 1977 eröffnet wurde. Zum Projekt des Palais des Images bis zum Palais du Cinéma 1984 bis 1998, in das auch die Gründung der Filmhochschule FÉMIS und der Filmarchive BIFI fallen, werden in erster Linie Archive der leitenden interministeriellen Mission und des Trägers sowie des federführenden Centre National de la Cinématographie CNC untersucht. 34 Das zeitgenössische Ausstellungszentrum Palais de Tokyo hat bisher keine Archive und wird solche eventuell in der Zukunft einrichten. 35 Zahlreiche publizierte und unveröffentlichte Primärquellen zentraler Akteure aus allen Perioden der Geschichte, etwa Louis Hautecoeur, Jean Cassou, André Malraux, Pontus Hultén und Nicolas Bourriaud, wurden ebenfalls studiert. Hinzu kommen Analysen von Kunstwerken und Ausstellungen, ikonografisches Material sowie historische Studien.
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DAS PAL AIS DE TOKYO AL S MONUMENT VON KUNST, POLITIK UND ÄSTHETIK: ZUM THEORETISCHEN RAHMEN MIT WARBURG UND BENJAMIN Das Palais de Tokyo markiert einen »Laborcharakter« von nationalem und internationalem Interesse, dessen Ideengeschichte diese qualitative Studie als eine Beziehung zwischen politischer und ästhetischer Reflexion und kultureller Produktion untersucht, die auf der Geschichte der Architektur, der zentralen Programme der Kulturpolitik und einflussreicher Ausstellungen gründet. Dieser Interessegegenstand wird entsprechend Walter Benjamins kritischem Verständnis einer Politik der Kunst und der Architektur als Medium sozialer Durchdringung und im Sinne der sozialgeschichtlich interessierten Kunstwissenschaft in der Tradition Aby Warburgs und Erwin Panofskys bestimmt. Das Projekt versteht sich im Sinne der soziologischen Architekturauffassung Walter Benjamins und der kunstwissenschaftlichen Arbeiten Aby Warburgs als Forschung zum architektonischen Ort als Gedächtnisspeicher. Uwe Fleckner hat aufgezeigt, wie Warburg unter dem Einfluss des französischen Soziologen Émile Durkheim sein begriffliches Instrumentarium zur Frage, »wie sich Wahrgenommenes der menschlichen Erinnerung einprägt« erweitert; seine Überlegungen zum in Kunstwerken eingeprägten »Leidschatz« menschlicher Erfahrung in der Moderne in der Theorie der mnemotechnischen Merkorte wurden zunächst von Pierre Nora zu einer Theorie der Gedächtnisorte ausgearbeitet. 36 Diese Forschung griffen Aleida und Jan Assmann in Deutschland auf und setzten sie ins Verhältnis von Massenmedien und sozialem Gedächtnis. 37 In Anlehnung an ihr Verständnis kann das Palais de Tokyo als »Monument«, Medium zweiten Grades, aufgefasst werden, das Medien ersten Grades, Materialisierungen des kulturellen Gedächtnisses, aktiviert und im kulturellen Gedächtnis einem Erinnerungswert zuführt. Keinesfalls aber weist Warburgs Verständnis des sozialen Gedächtnisses der Kunst auf ein kollektives Unbewusstes, wie Uwe Fleckner hervorhebt. Im individuellen und kollektiven Bildgedächtnis weisen Einschreibungen leidenschaftlicher Erfahrung als »Pathosformeln« auf einen aktiven Prozess in der Kunstgeschichte, da sie, wie Warburg einleitend zum Bilderatlas Mnemosyne schrieb, »als gedächtnisbewahrtes Erbgut überleben« und in der künstlerischen Arbeit wieder zu Tage treten. 38 Am Beispiel der Arbeiten von Sarkis hat Fleckner aufgezeigt, wie ein Werk, aber auch der »Ort künstlerischer Arbeit selbst zu einem Kraftwerk« werden kann, »das die Energie menschlicher Leidenschaft durch Erinnerungsarbeit in künstlerische Gestaltung transformiert«; dies macht umso deutlicher, dass seit der Moderne »an die Stelle einer authentischen Gedächtniskultur die historisierende Kultur der papiernen Gedächtnisse getreten ist – die Kultur der Archive, Inventare und Museen«. 39 Das Palais de Tokyo, für ein Museum gebaut, aber weit mehr als ein Museum, soll in dieser Perspektive als ein ebensolches »Kraftwerk« in den Blick genommen werden, als ein Ort künstlerischer Arbeit im weitesten Sinne der Arbeit an der Kunst und für
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sie. Begreift man es als Monument eines sozialen Gedächtnisses der Kunst, können auch Bilder, Vorstellungen und Ideen in den Blick genommen werden, die sich in seiner Geschichte in individuellen und kollektiven Gedächtnissen überliefert haben und bis heute überliefern. Dies betrifft unmittelbar den Zusammenhang von Institution, Kunst und Archiven der Überlieferung. Michel Foucault hat den imaginären Raum im 19. Jahrhundert als ein »fantastique singulièrement moderne« beschrieben, da sich in der Moderne das Imaginäre nicht mehr gegen Realität abgrenzt, sondern Fantasie aus der Welt des Traums in die verdinglichte Warenwelt überführt wird, wo sie überall verfügbaren Dokumenten entspringt: »Pour rêver, il ne faut pas fermer les yeux, il faut lire.« 40 Hal Foster hat dies in der Frage nach »archivischen Relationen« zwischen »l’art, le musée et d’autres forces telles que la reproduction mécanique à deux périodes différentes du modernisme« als erste »archivische Relation« zur Zeit Baudelaires und Manets beschrieben und auf eine zweite hingewiesen, die sich mit Benjamin, Panofsky und Malraux eröffne.41 Während Malraux’ Versuch einer »stilistischen globalen Kontinuität« eher »technokratisch« denn dialektisch ist, stehen Panofsky und Benjamin für zwei Pole, die in der archivischen Relation zwischen Museum, Kunst und modernen Reproduktionstechniken die Dialektik von Kunstgeschichte als Disziplin prägen: Panofsky für den Aspekt der »Wiederbelebung« der Artefakte der Vergangenheit, Benjamin für die »Verdinglichung«.42 Foster fragt sich, ob sich durch die Informatik eine dritte, neue Dialektik der Wahrnehmung ergibt. Er fragt, was es für Museen bedeutet, dass visuelle und mnemonische Erfahrung durch digitale Archive zunehmend getrennt voneinander erlebt werden und andererseits Museen überwiegend als Monumente per se: »Nous avons donc d’une part des archives sans musée et d’autre part un musée sans archives, c’est-à dire un musée en tant que monument en soi, mémorial ou attraction touristique.« 43 Falls es eine solche dritte archivische Relation geben sollte, wäre sie gegenwärtig vielleicht darin zu finden, dass das Verhältnis von Museen und Kunst nun durch ein Interesse an der Ausstellung archivischer Arbeit geprägt ist. Das Palais de Tokyo hingegen hat heute keine eigenen Archive, die seiner Vergangenheit sind zerstreut. Es wird als Monument wahrgenommen, während die Archive kaum mit dem Ausstellungsort in Verbindung gebracht werden – und seine archivische Relation zur Kunst im Dunkeln liegt. Wie aber soll über eine neue Dialektik der Wahrnehmung an solchen Orten nachzudenken sein ohne Kenntnis ihrer historischen Ausprägungen? Die Aufmerksamkeit muss daher der Entwicklung der modernen archivischen Relation des Palais de Tokyo zur Kunst unter dem Einfluss der Reproduktionstechniken und weiterer bestimmender Kräfte gelten. Als ein solcher monumentaler Gedächtnisspeicher ist es Teil jener von Uwe Fleckner genannten »Kultur der Archive, Inventare und Museen« der Moderne und wird in den 1980ern gar zum »Palast der Bilder«. Aber es ist auch ein nicht physisches Monument, das in bildlichen Vorstellungen Form annimmt, wofür immer wieder Archive aktualisiert und in Formen des kulturellen Gedächtnisses überführt wurden. Es in diesem Prozess wieder sichtbar zu machen kommt dem
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nahe, was Michel Foucault als die Analyse von Diskursen im Archiv der Regelwerke des Auftretens und Verschwindens von Aussagen in einer Kultur fasste, deren Tatbestände nicht als Artefakte des kulturellen Gedächtnisses, als »Dokumente«, sondern als »Monumente« zu verstehen sind, als Verkörperungen von Beziehungsgeflechten ihrer Existenzbedingungen in der Kultur.44 Es verwundert daher nicht, dass Foucault selbst, wie noch näher zu besehen sein wird, die Anschlussfähigkeit seines Vorgehens an die Ikonologie Erwin Panofskys sah. Als theoretische Formulierung der Methode einer interdisziplinär arbeitenden Kunstwissenschaft als Kulturwissenschaft erfuhr diese und insbesondere ihre Symbolforschung durch die spätere strukturalistische Betrachtungsweise Ergänzung.45 Sie behandelt auf einer historisch-philologischen Grundlage auch ästhetische Fragen, vor allem aber wird das Kunstwerk durch eine »fächerübergreifende Quellenuntersuchung bis in die Linie hinein deutbar als Ausdruck historischen Lebens«.46 Aby Warburg legte mit seiner Dissertation über Sandro Botticelli dazu die Grundlagen.47 So sieht Panofsky, über die methodischen Analogien zwischen der geisteswissenschaftlichen Überführung menschlicher Zeugnisse in einen Kulturkosmos und der Operation der Naturwissenschaften am Naturkosmos schreibend, ihre Arbeit als Untersuchung von Denkmälern und Dokumenten »im Lichte einer allgemeinen Konzeption von Geschichte«, die sich selbst nur auf deren Basis erstellen lässt. Dieses »Verhältnis zwischen Monumenten, Dokumenten und einer allgemeinen geschichtlichen Konzeption« bei Panofsky hat Ähnlichkeit mit Foucaults Archiv: Es ist ein »Sinn ergebendes System«, das »als in sich geschlossener, doch elastischer Organismus« wirkt.48 Eine solche Auffassung des Palais de Tokyo als Monument ist an Benjamins sozialanthropologisches Architekturinteresse anschlussfähig.49 Es soll keine theoretische expost-Interpretation der Geschichte des Palais de Tokyo vorgenommen werden. Vielmehr teilen die Architektur des Palais de Tokyo und Benjamins an der Architektur entwickelte Kritik der Stellung des Kunstwerks im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit eine historische Gegenwart. Wie Catherine Perret zeigt, hat jede Ausstellung selbst einen abstrakten Wert, noch vor dem Ausstellungswert der Werke. Sie ist, was Perret eine »form-art« nennt, ein diskursives Dispositiv, das in symbolischer Hinsicht ein gemeinschaftlicher Ort für eine kollektive Repräsentation ist. Sie ermöglicht eine Erzählung, die zu einem gegebenen Zeitpunkt als Bühne für widerstreitende Interpretationen dessen dient, was ideologisch »Geschichte« genannt wird: »Ce récit est la fiction qui articule le conflit d’interprétations que l’idéologie tâche à dissoudre sous le nom unique d’Histoire. Il est la fiction qui sert de scène imaginaire aux visions contradictoires de L’histoire au temps t. Par exemple la Révolution, la Guerre Froide, la Mondialisation ou [...] L’Art Contemporain.«50 Dies schafft für die Ausstellung eine Begriffsgrundlage die dem nahe kommt, was Panofsky mit Ernst Cassirers Symbol-Begriff als die »Grundeinstellung« einer Epoche aufsucht, worauf noch zurückzukommen sein wird. Materiell ist die Ausstellung aber auch immer
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abhängig von Produktionsstrukturen in einer Gesellschaft, die sich sedimentieren und durchdringen, wie sich in der »forme-art« der Ausstellung immer komplexere Modalitäten von Ausstellungswerten des Kunstwerks produzieren. 51 Gestützt auf Walter Benjamins Diagnose der Krise der Demokratien in den 1930er Jahren und gemessen an seiner Prognose einer Ästhetisierung der Politik als Vereinnahmung der visuellen Kultur durch die kapitalistischen Produktionsformen im Nachwort zum Kunstwerk-Aufsatz 1939 kann dieses theoretische Problem der »Politik der Kunst« in gesellschaftlichen Ausstellungsdispositiven als ein genuin modernes aufgefasst werden. 52 Mit Benjamin eröffnet sich auch eine Perspektive auf seine Untersuchung am historischen Gegenstand. Ausgehend von seinen Beobachtungen in Neapel rückte die Architektur als Träger einer Durchdringung von Kunst und Leben in Benjamins Werk zunehmend in den Fokus. Wo er in Neapel 1925 dem Haus als »Zelle der Stadtkultur« im »nordischen Sinn« eine Rezeption der fühlbaren und optischen Durchdringung von Architektur gegenüberstellt – »Porös wie dieses Gestein ist die Architektur« –, wendet er sich in der Folge der topografisch-kartografischen Durchdringung urbaner Strukturen sowohl in der Form seines experimentellen Aphorismen-Buches Einbahnstraße von 1928 als auch im Passagen-Projekt zu. 53 Ab Ende der 1920er Jahre verbinden sich im Werk Benjamins aber Gedanken einer Öffnung der architektonischen und gesellschaftlichen Lebensbereiche in der kapitalistischen Gesellschaft unter dem Einfluss der Massenmedien zum Gedanken ihres sozial revolutionären Potentials. Diesen verfolgt er bis in den Kunstwerk-Aufsatz, wo er Architektur als zentrales Beispiel eines Kunstwerks heranzieht, das kollektiv rezipiert wird, um die Veränderung der Rezeptionsgewohnheiten in der Moderne zu illustrieren. Sie rezipiert sich nicht in der Kontemplation, sondern »nach Anleitung der taktilen Rezeption, durch Gewöhnung« und daher sowohl »taktil und optisch«. Der »an der Architektur gebildeten Rezeption« schreibt er daher »in geschichtlichen Wendezeiten« sogar einen »kanonischen Wert« zu. 54 Benjamins Arbeit mit Zitaten im späten Passagen-Projekt lenkt unsere Aufmerksamkeit auf einen Raum, in dem die Theatralität von Repräsentation deutlich macht, dass sie immer auch Produktion ist, »ce lieu, autrement dit, où les images effectivement voient et donnent à voir«. 55 Diese Theatralität gilt auch für soziale Repräsentation, die Architektur zum Raum der Produktion sozialer Verbindungen werden lässt, wie Benjamin sie schon in Neapel fand, wo »die Straßendekoration mit der theatralischen enge Verwandtschaft« hat und »Bauten als Volksbühne« benutzt werden. 56 In Neapel prägte Benjamin die begrifflichen Konzepte der »Porosität« und »Durchdringung« zur sozialanthropologischen und wahrnehmungstheoretischen Kennzeichnung einer Verbindung von Architektur, sozialem Leben und Rezeptionsprozessen. Sie bilden die Grundlagen seiner Überlegungen zum Status des Kunstwerks im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit und der Stellung von Kunst in der Gesellschaft und der Herstellung von Gemeinschaft, die ihre gemeinsame Ausgangslage in seiner zent-
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ralen Auffassung der sozialen Rolle der Architektur haben. Aufgrund des Nachlebens des Kunstwerk-Aufsatzes über das 20. Jahrhundert hinweg und aufgrund der gemeinsamen historischen Ausgangslagen in der Moderne, als deren Zeitzeuge der Philosoph und Kritiker Benjamin zu selten gelesen wird, lassen sich fruchtbare Einsichten gewinnen, wenn sowohl solche Entwürfe als auch die Geschichte des Denkens einer Verbindung von Kunst und Leben in den Museums- und Institutionenprojekten der Geschichte des Palais de Tokyo an diesen weniger bekannten kategorialen ästhetischen Grundlagen gemessen werden. Museologische Gedanken zur Veränderung von Kult- und Ausstellungswert Louis Hautecoeurs in den 1930er Jahren, Pierre Restanys Kritik einer Entfernung der Institution vom Leben in den 1960er Jahren und das Verständnis der Bedürfnisse des Kollektivums in Jean Baudrillards Kritik des neuen Centre Pompidou in den 1970er Jahren werden so in einer historischen Entwicklung verständlich. In einem von Benjamin ausgehenden theoretischen Rahmen erfahren die bestimmenden grundlegenden ästhetischen Probleme gesondert Aufmerksamkeit: Im ersten Teil wird die spezifische Antimodernität eines Klassizismus in der Architektur des Palais de Tokyo betrachtet, der in einem modernistischen Diskurs verhandelt wird, sich aber von anderen modernen Verständnissen der Architektur und Reproduktionstechniken im Umfeld des Konstruktivismus und Bauhaus und in Frankreich eines Mallet-Stevens oder Corbusier unterscheidet, was besonders deutlich wird in der Gegenüberstellung mit Benjamins Lektüre von Sigfried Giedions Bauen in Frankreich. Bauen in Eisen. Bauen in Eisenbeton (1928). Im zweiten Teil rückt die Ausstellung als Medium politisierter Ästhetik in der Planungszeit des Palais de Tokyo in den 1930er Jahren in den Blick, als die westeuropäischen Demokratien in eine Krise eintraten und der Faschismus aufzog. Im dritten Teil wird gezeigt, wie sich ein Ideal der Durchdringung von Kunst und Leben aus der Moderne in der Nachkriegszeit des Palais de Tokyo fortführt bis zum Gründungsdirektor des MNAM in Beaubourg, Pontus Hultén, und der Planung des Centre Pompidou mit dem Ziel eines »neuen« Monumentalismus gegenüber jenem des Palais de Tokyo. Im vierten Teil erfährt das Auftreten eines Rückbezugs auf die Moderne in der Behandlung des Palais de Tokyo als historischem Monument in Projektentwürfen ab den 1980er Jahren besondere Berücksichtigung, in denen sich nach dem Bruch der Postmoderne zeigt, wie diese Geschichte zum ästhetischen und künstlerischen Material von institutionellen und individuellen Positionsbestimmungen in der globalisierten Gegenwart wird und in verschiedenen Programm- und Architekturkonzepten die Aktualität des modernen Ideals architektonisch-sozialer »Porosität« deutlich wird. Im fünften und letzten Teil der Untersuchung zeigen Bezüge auf die Geschichte des Palais de Tokyo in zeitgenössischen theoretischen Entwürfen einen Wunsch, wieder an die Moderne anzuschließen. Es steht in einer engen Wechselbeziehung zur Entwicklung einer Ausstellungspraxis, in deren Zentrum ab initio die Artikulation der sozialen und
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politischen Dimensionen von Ausstellungsarchitekturen steht. Die Berufung auf Walter Benjamin in Bourriauds relationaler Ästhetik, wie auch seine deutliche Ablehnung durch Bourriauds Kritiker Jacques Rancière verkennen aber sein Verständnis von »Aura«, gemeinschaftsstiftender Funktion der Kunst und Ästhetisierung der Politik. Benjamin wird im ersten, zweiten und dritten Teil dieser Geschichte des Palais de Tokyo auch als historischer Zeuge in Erscheinung treten. Drei konkrete Verbindungen lassen sich feststellen. In einer Präsentation von MoMA-Gründungsdirektor Alfred H. Barr über die allerersten Monate seines Hauses von 1931 mit der Bitte um Empfehlungsschreiben der Direction des Beaux-Arts zum Bau eines Museumsgebäudes wird die Bedeutung der Sammlung von Eduard Fuchs als Leihgeber deutlich; eines der eindringlichsten Portraits Fuchs’ verdankt sich Benjamin. Eine der allerletzten Arbeiten Benjamins vor seinem Tod 1940 war eine Rezension des Buches Le Regard (1939) von Georges Salles. Der Benjamin-Forschung ist bisher unbekannt, dass sich Benjamin maßgeblich auf eine Passage des Buches bezieht, die entgegen seiner Annahme nicht den Louvre, sondern Salles Erlebnis der Museografie-Ausstellung mit van Gogh im Palais de Tokyo 1937 zum Gegenstand hat. Und schließlich war Benjamin persönlich mit Louis Hautecoeurs Nachfolger Jean Cassou bekannt, der sich für seine Einbürgerung einsetzte. In Cassous Zeitschrift Europe hatte Benjamin schon 1938 eine Rezension einer Ausstellung Georges Salles publiziert. Cassou wiederum ist Benjamins Gedanken aus dem Kunstwerk-Aufsatz sehr nah, wenn er in der UNESCO-Zeitschrift Museum 1949 die Beziehung von Kunstmuseen und sozialem Leben reflektiert. Ob Cassou Benjamins Aufsatz kannte, ist nicht feststellbar. Wohl aber kann mindestens von einer Vermittlerrolle von André Malraux’ zweifelsohne von Benjamin inspiriertem Musée Imaginaire von 1947 ausgegangen werden. Malraux besaß ein Exemplar von Benjamins französischem Aufsatz mit persönlicher Widmung, das in der Bibliothèque Kandinsky im Centre Pompidou verwahrt wird.
IKONOLOGIEN EINES AUSSTELLUNGSORTES: ZUM EPISTEMOLOGISCHEN RAHMEN Aufgrund der Komplexität des Forschungsgegenstandes steht das oben beschriebene Vorgehen Methoden der Diskursanalyse, Geschichtswissenschaft und Kulturwissenschaft sowie der werkimmanenten Interpretation offen und wird, wo es sich nicht ohnehin um ästhetische Studien handelt, durch theoretische Impulse ergänzt. So werden etwa der Umgang mit Archivmaterial mit Michel Foucaults Verständnis des Archivs als Bedingungssystem der Institutionalisierung eines Diskurses am Beginn des ersten Teils reflektiert und museologische Entwürfe der 1930er Jahre seinen Studien zum Panoptikum gegenübergestellt. 57 Der dritte und vierte Abschnitt enthalten Gegenüberstellungen der Lektüre des Materials mit theoretischen Positionen in der
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Nachfolge der poststrukturalistischen Analyse, so zu Jean Baudrillards Kritik der Kulturindustrie, Analysen der kapitalistischen globalen Ordnung von Michael Hardt und Antonio Negri sowie Jonathan Crary, und Gilles Deleuzes Reflexion einer Kontrollgesellschaft, in der alle Lebensbereiche von ökonomischer Ordnung durchdrungen werden, die wiederum auf eine Vorlesung in der FÉMIS im Palais de Tokyo zurückgeht. 58 Einen übergeordneten epistemologischen Rahmen bildet ein Verständnis des Untersuchungsgegenstandes, das sich an jenes in der Ikonologie Erwin Panofskys anlehnt und als ein Ausgangspunkt eignet, der Komplexität des Gegenstandes in den Hauptarbeitsfeldern Kunstgeschichte und Ästhetik gerecht zu werden. Impulse der Visual Studies und Bildwissenschaften, die Bilder und ihre Kultur über Medien hinweg untersuchen, haben dazu geführt, dass ästhetische Fragestellungen auch in der Kunstgeschichte wieder an Aktualität gewinnen. 59 Die Reflexion der Marginalisierung der Kunstgeschichte im globalen Wissenschaftsbetrieb und »bildwissenschaftlichen Clustern« nach dem pictorial turn und dem iconic turn in Deutschland aufgrund ihrer »Zuständigkeit für das Ästhetische« und gegenüber der Hinwendung zu visuellen Praktiken in den Visual Studies mit der Frage, was ein Bild ist, bringt ihre historische Dimensionen als »kritische ins Spiel«: »Kunstgeschichte stellt die Kunst in die Diskursformationen des Visuellen und ihre Geschichte ein und reicht insofern nicht nur über die Kunst, sondern ein allgemein Visuelles hinaus.« 60 Mit Danièle Cohn ist daher die heutige Aktualität einer gegenseitigen Ergänzung von Kunstgeschichte und Ästhetik in den Vordergrund zu rücken, die diese Felder ab der Jahrhundertwende maßgeblich im Kreis um Aby Warburgs Hamburger Kulturwissenschaftliche Bibliothek fanden, wo sie eine »ideale Verbindung« eingingen, »emblematisch für jene Konfiguration, die sich Kunstwissenschaft nennt. Ästhetik und Kunstgeschichte entwickeln sich gemeinsam, was nicht heißt, dass sie einander homogen werden«.61 Daraus ging als meistrezipiertes Instrument die von Erwin Panofsky ausgearbeitete Ikonologie hervor. Sie wurde in Frankreich im Umfeld des Strukturalismus der 1960er und 1970er Jahre aufgenommen; vorliegend werden dazu besonders Foucaults erwähnte Rezeption und Pierre Bourdieus Arbeit mit Panofskys Ansatz in der einflussreichen soziologischen Studie L’Amour de l’Art. Les musées européens et leurs publics (1966, mit Alain Darbel) interessieren.62 Ikonologie erfährt in jüngerer Zeit in Fragen zur Bildkultur der Gegenwart wieder stärkere Aufmerksamkeit.63 Vorliegend soll sie der komplexen Untersuchung des Palais de Tokyo aber besonders aufgrund der Dualität der Arbeitsfelder, die sich auch im historischen und gegenwärtigen Gegenstand verschränken, ein erkenntniskritischer Rahmen sein. Auch wenn diese Untersuchung keine Bildstudie ist, teilt sie den Tatbestand der politischen Ikonografie, »die unmittelbare Verzahnung von politischer Wirklichkeit und visueller Vermittlung«.64 Das Erkenntnisinteresse der eher kunsthistorischen Bereiche der Untersuchung des Palais de Tokyo kann als ein ikonologisches erfasst werden.
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In seiner Untersuchung der Geschichte der französischen Kunstinstitutionen wie Museen, Kunstmarkt, Kunstbetrieb und Kritik hebt Gérard Monnier die Unmöglichkeit hervor, klar zu definieren, ob es sich um administrative, Sozial- oder Kunstgeschichte handelt.65 Diese Schwierigkeit trifft auch auf den Gegenstand Palais de Tokyo zu. Für die Untersuchung soll daher auch gelten, was Thomas W. Gaehtgens für seine historischen Studien zur Berliner Museumsinsel annahm, dass nämlich der Schwerpunkt nicht ausschließlich auf sammlungs- oder architekturgeschichtlichen Fragen liegen soll: »Museumsgeschichte wird vielmehr in einem weiteren kulturgeschichtlichen Rahmen begriffen.« 66 Daher positioniert sich die Untersuchung methodisch in der Folge der Argumentation Monniers oder Dominique Poulots, die Museumsgeschichte zuallererst als politisch-kulturelle Geistesgeschichte begreifen. Im Zentrum steht die historische Untersuchung des Verhältnisses von Politik, sozialer Organisation, künstlerischer Produktion und ihrer Sichtbarkeit in Ausstellungsproduktion. Das Erkenntnisinteresse deckt sich daher mit jenem, das Panofsky als das der Ikonologie ausgab, auch wenn er es für einzelne Kunstwerke formulierte. Es gilt, die sozialen, nationalen und ästhetischen Prinzipien offenzulegen, die sich im Palais de Tokyo, seinen Nutzungen und dem Bild, das sich von ihm in seiner Ideengeschichte gemacht wird, manifestieren. In Panofskys letztem Modell der ikonologischen Erfassung der Bedeutung eines Kunstwerks bewegen sich diese auf einer dritten Ebene der »eigentlichen Bedeutung«, die den Ebenen des primären Sujets des »sichtbaren Ereignisses«, der Form, und des sekundären Sujets der »verständlichen«, ikonografischen Bedeutung »zugrunde liegt und sie erklärt«: »Eigentliche Bedeutung oder Gehalt: Er wird erfaßt, indem man jene zugrunde liegenden Prinzipien ermittelt, die die Grundeinstellung einer Nation, einer Epoche, einer Klasse, einer religiösen oder philosophischen Überzeugung enthüllen, modifiziert durch eine Persönlichkeit und verdichtet in einem einzigen Werk. [...] Indem wir so reine Formen, Motive, Bilder, Anekdoten und Allegorien als Manifestationen zugrunde liegender Prinzipien auffassen, [...] beschäftigen wir uns mit dem Kunstwerk als Symptom von etwas anderem, das sich in einer unabsehbaren Vielfalt anderer Symptome artikuliert [...].« 67 Idee, Form und Gehalt bilden ein organisches Ganzes, wobei die interpretierbare Idee Information und Funktionen betrifft und damit genauso wie Form von Intentionen abhängt. Den Übergang eines Gegenstandes zum Kunstwerk zu bestimmen ist daher schwierig. »Eines allerdings ist sicher: Je mehr sich die Gewichte von ›Idee‹ und ›Form‹ einander und damit einem Gleichgewichtszustand nähern, um so beredter wird das Werk das offenbaren, was ›Gehalt‹ genannt wird. [...] Es handelt sich um die Grundhal-
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tung einer Nation, einer Epoche, einer Klasse, einer religiösen oder philosophischen Überzeugung – all das wird unbewußt von einer einzigen Person ausgewiesen und in einem einzigen Werk verdichtet.« 68 Ikonografie untersucht damit auf Basis einer ersten Ebene von Motiven auf einer zweiten Ebene deren Kombination zu Themen oder Konzepten. 69 Die ikonologische dritte Ebene sucht nun die Grundprinzipien dieser ikonografischen Manifestationen zu erfassen, und damit »interpretieren wir alle diese Elemente als etwas, das Ernst Cassirer ›symbolische‹ Werte genannt hat«: Die Ikonologie hat die »Entdeckung und die Interpretation dieser ›symbolischen‹ Werte« zum Gegenstand; sie können dem Künstler selbst unbekannt sein oder von seinen Intentionen abweichen.70 Die ikonologische Interpretationsleistung muss sich auf das stützen »was man eine Geschichte kultureller Symptome – oder ›Symbol‹ im Sinn Ernst Cassirers – ganz allgemein nennen könnte«. 71 Der 1933 emigrierte Hamburger Philosoph Cassirer hatte zwischen 1923 und 1929 in seiner dreibändigen Philosophie der symbolischen Formen vor dem Hintergrund der Suche nach einer Formenlehre für geisteswissenschaftliche Begriffs- und Urteilsbildung in Entsprechung zur naturwissenschaftlichen Lehre eine allgemeine Theorie der geistigen Ausdrucksformen vorgelegt, deren erster Band der Sprache, der zweite dem Mythos und der dritte einer Formenlehre des wissenschaftlichen Denkens gewidmet sind. 72 Cassirer entwickelt einen Symbolbegriff ausgehend vom naturwissenschaftlichen, mit dem die erkenntnistheoretische Abbildtheorie der wissenschaftlichen Grundbegriffe abgelöst wurde, und dem Dilemna, dass die Suche nach einheitlicher Logik durch die Ausdifferenzierung der Objekte in Disziplinen im Objektivierungsprozess selbst unmöglich wird. Er sucht zum Ausgang aus diesem ein Moment, das in jeder geistigen Grundform auftaucht aber in keiner in gleicher Gestalt, um den Zusammenhang zwischen Grundfunktionen von Sprache, Erkenntnis, Ästhetik und Religion herzustellen ohne ihre »unvergleichliche Eigenheit« zu verlieren. 73 Im Symbol findet er den »Akt der begrifflichen Bestimmung eines Inhalts«, der mit der Fixierung seines Zeichens in eins fällt und in allen »Grundformen geistigen Schaffens« auftritt. Hier findet sich auch der »Gehalt«, auf dessen Ausdruck Panofsky verweist: »Und damit ist in der Tat ein allumfassendes Medium gegeben, in welchem alle noch so verschiedenen geistigen Bildungen sich begegnen. Der Gehalt des Geistes erschließt sich nur in seiner Äußerung; die ideelle Form wird erkannt nur an und in dem Inbegriff der sinnlichen Zeichen, deren sie sich zu ihrem Ausdruck bedient.«74 Cassirer nähert sich hier Warburgs Theorie des Symbols, die, wie Cornelia Zumbusch aufgezeigt hat, auf seine Funktionsbestimmung als Prozess abzielt – nicht auf eine Bewegung von der Idee zum Bild, sondern vom sinnlichen Eindruck zum geistigen Zeichen; damit will er keine Inhaltsästhetik vor-künstlerischer »Gehalte«, »derzufolge sich der Künstler Bilder zur Veranschaulichung fertiger Gehalte sucht, sondern entwirft eine Formästhetik, die den Weg von der Wahrnehmung zum geformten Sym-
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bol beschreibt«. 75 Auch Cassirer geht davon aus, dass jeder geistigen Grundfunktion wie Kunst, Erkenntnis, Mythos oder Religion »eine ursprünglich-bildende, nicht bloß eine nachbildende Kraft innewohnt«. 76 Cassirer betrachtet Symbole daher als Ausdruck solchen »eigentümlichen ideellen Gehalts«, »sie sind die Wege, die der Geist in seiner Objektivierung, d.h. in seiner Selbstoffenbarung, verfolgt«. 77 Cassirer sucht in seiner Theorie daher nach einem systematischen Überblick »über die verschiedenen Arten dieser Art des Ausdrucks [...] eine Art Grammatik der symbolischen Funktion als solcher«, die sich in ihrem Abstellen auf das »Symbol«, Gehalt als Äußerung des Geistes, mit dem kunstwissenschaftlichen Erkenntnisinteresse trifft, das Panofsky methodisch modelliert, aber auch jenem der Ikonologie Warburgs: »Das System der mannigfachen Äußerungen des Geistes ist für uns nicht anders erfassbar als dadurch, daß wir die verschiedenen Richtungen seiner ursprünglichen Bildkraft verfolgen. In dieser erblicken wir im Reflex die Wesenheit des Geistes – denn diese kann sich für uns nur dadurch darstellen, dass sie sich in der Gestaltung des sinnlichen Materials betätigt.«78 Die Ikonologie Panofskys definiert damit Forschungsbereiche und ihr kunst- und kulturwissenschaftliches Instrumentarium. Als Theorie, die mit diesen Methoden aufgestellt wird, trifft sie Aussagen über einen Gegenstandsbereich, der Werkgruppen, Bilderklassen oder auch kunstgeschichtliche Perioden umfassen kann.79 Panofsky möchte »Ikonologie«, die Interpretationsarbeit auf Grundlage der Sammlung und Klassifizierung von Material auf Ebene der Ikonografie als methodisch offenen Anschluss an andere Methoden – »der historischen, der psychologischen, der kritischen, welcher auch immer« – verstanden wissen, die eingesetzt und kombiniert werden, um dem Gehalt eines Kunstwerks auf den Grund zu gehen. 80 In seiner berühmten »synoptischen Tabelle« über die drei Ebenen führt das Rüstzeug auf dem Weg zur Interpretation von der praktischen Erfahrung über die Kenntnis von Themen und Vorstellungen aus literarischen Quellen zu den »wesentlichen Tendenzen des menschlichen Geistes« in einer »synthetischen Intuition«. Ihre historischen Korrektivprinzipien sind die Einsicht in historische Bedingungen von formalen Ausdrücken, des Ausdrucks von Themen und Vorstellungen durch Gegenstände und Ereignisse sowie auf der dritten Ebene die »Geschichte kultureller Symptome oder ›Symbole‹ allgemein«, die Einsicht wie »wesentliche Tendenzen des menschlichen Geistes durch bestimmte Themen und Vorstellungen ausgedrückt wurden«. 81 Diese Ebenen sind aber stets im Forschungsprozess untrennbar verbunden. Das Vorgehen birgt, wo es von Form und Stil ausgeht, das Risiko, Texte oder Dokumentation einer Interpretation zu unterwerfen und die Gefahr eines Argumentationszirkels, worin Carlo Ginzburg eine eventuelle konstitutive Aporie aller Geschichtsschreibung erkennt. 82 Aber die Ikonologie hatte stets den Vorteil, dass sie keine Gegnerschaft zur Moderne »mitschleppte«, und dass sie »so etwas wie eine offene Struktur bildet, einen Rahmen, dessen Füllung den ästhetischen Bedingungen der jeweiligen Kunstepoche überlassen werden kann«. 83 Dies kommt der Vielschichtigkeit des Bildträgers Palais de Tokyo entgegen ebenso wie den vielfältigen Entwicklungen im 20. Jahrhundert.
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Klaus von Beyme hat zu einer politischen Architekturikonologie formuliert, dass Ikonologie jene Methode ist, »die politische Bedeutungen nicht nur assoziativ auf bereiten kann«. 84 Er weist auf Herausforderungen einer politischen Ikonologie der Architektur hin, die auch vorliegend zum Tragen kommen, auch wenn gar nicht auf eine Engführung von Architektur als Symbolträger abzustellen ist: In der klassischen Moderne wird der Bau zum Funktionsträger – »Politische Symbolik bleibt den Bauwerken aufgesetzt«. Die Problematik spitzt sich zu, da »politische Symbolik in der Moderne belastet ist« aufgrund eines »ubiquitären Faschismusverdachts«. 85 Darauf wird gesondert bei der Betrachtung des Palais de Tokyo und des »Haus der deutschen Kunst« einzugehen sein. Dazu kommt, dass in der modernen Demokratie politische Botschaften vielseitig sind, weshalb stets Vorsicht geboten ist: »Politische Botschaften sind umso verschlüsselter, je pluralistischer die Demokratie wurde. In einer Demokratie sind sie auch damit notwendigerweise widersprüchlich.« 86 Nun soll vorliegend nicht das Palais de Tokyo als ein Kunstwerk theoretisiert werden, um es »ikonologisch« zu interpretieren. Besonders in der Untersuchung sukzessiver Vorstellungen über die Gestaltung des Ausstellungsortes und -raumes verdeutlicht der epistemologische Rahmen aber, dass der politische Gehalt in einer ikonologischen Leitfrage nach »bewusster Wiederbelebung« statt bloßen »Fortlebens« von Symbolen liegt, und dass die Verknüpfung von Bedeutungen zu Formen über Schriftquellen erfolgt. 87 Solche offenbaren im Fall des Palais de Tokyo, wie sich Bilder vom Palais de Tokyo gemacht und weitergegeben werden, wie darin Motive kombiniert sind und schließlich, dass dies Prinzipien folgt, die Auskunft über historische Abschnitte geben. Es ist zu hoffen dass deutlich wird, wie sehr das Erkenntnisinteresse, das Panofsky für die Erfassung des Gehalts eines Kunstwerks oder einer Werkgruppe formuliert, auch das der vorliegenden Untersuchung betrifft. Sie gilt in gewisser Weise der Ikonologie eines Ortes, eines Ausstellungsortes. Es gilt auch vorliegend, »Prinzipien der Grundeinstellung Nation, einer Epoche, einer Klasse, einer religiösen oder philosophischen Überzeugung« (Panofsky) zu identifizieren, die sich im Bild des Palais de Tokyo, das durch die Geschichte bis heute als zeitgenössisches Ausstellungszentrum auf uns kommt, manifestieren, kurz: Seinen Wesenssinn zu erfassen. So werden »Grundeinstellungen« einer »Nation« sichtbar in Wirtschaftspolitik und internationalem Austausch Frankreichs in den 1930ern und nationaler Selbstfindung und internationalem Sendungsbewusstsein in der Nachkriegszeit, von »Epochen« im Wandel der Ausstellungspolitik zeitgenössischer Kunst in der Vorkriegs-,Vichy- und Nachkriegszeit über 1968 bis zum 21. Jahrhundert, von »Klassen« in Reflexionen des unterschiedlichen Zugangs sozialer Schichten zur Kunst vom Front Populaire über die 1960er Jahre bis zum Centre Pompidou und von »philosophischen Überzeugungen« in ästhetischen Programmen und Reflexionen der verschiedenen Nutzungsphasen, die sich im Palais de Tokyo »verdichten«. Seine Konfigurationen werden als Symptome lesbar, und das Erkenntnisinteresse setzt die Fähigkeit zur »synthetischen Intuition« voraus »die derjenigen eines Diagnostikers vergleichbar ist«. 88
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Die Untersuchung umfangreichen Materials hat die Ikonologie auch zum historischen Gegenstand, teilt aber neben ihrem Erkenntnisinteresse vor allem ihren interdisziplinären Gedanken: »Der Kunsthistoriker wird dasjenige, was seiner Meinung nach die eigentliche Bedeutung des Werkes oder der Werkgruppe ist, der er sein Augenmerk widmet, an dem zu messen haben, was seiner Meinung nach die eigentliche Bedeutung so vieler anderer, historisch auf jenes Werk oder jene Werkgruppe bezogener kultureller Dokumente ist, wie er nur bewältigen kann: von Dokumenten, die Zeugnis ablegen über die politischen, poetischen, religiösen, philosophischen und gesellschaftlichen Tendenzen der Person, der Epoche oder des Landes, die zur Debatte stehen. [...] Gerade bei der eigentlichen Bedeutung oder dem Gehalt treffen sich die verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen auf einer gemeinsamen Ebene, statt sich gegenseitig als Handlanger zu dienen.« 89 Mit diesem Leitgedanken nähert sich diese Untersuchung des Palais de Tokyo auch wieder einem ursprünglichen Verständnis Warburgs, in dem die Ikonologie »eine Art textkritisches Verfahren« ist, »das authentische Positionen, die durch eine interessierte Überlieferung verdeckt und verfälscht wurden, freilegt«. 90 Damit können, um es mit Walter Benjamin zu sagen, die politischen Tendenzen aus den Schichten einer Kunstentwicklung zu Tage treten: »Daß jedem Kunstwerk, jeder Kunstepoche politische Tendenzen innewohnen, ist – da sie ja historische Gebilde des Bewußtseins sind – eine Binsenwahrheit. Wie aber tiefere Schichten von Gestein nur an den Bruchstellen zutage treten, liegt auch die tiefe Formation ›Tendenz‹ nur an den Bruchstellen der Kunstgeschichte (und der Werke) frei vor Augen.« 91
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A N M ER K U NGEN 1 Walter Benjamin: L’œuvre d’art à l’ époque de sa reproduction mécanisée [1936], in: id.: Gesam-
melte Schriften, Bd. I.2 (hrsg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann Schweppenhäuser), Frankfurt am Main 1974, S. 709–739. Die letzte von Benjamin bearbeitete Fassung ist die sogenannte »finale« (»dritte«) von 1939: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, ibid., S. 471–508. Anmerkung zur Zitierweise: Schriften Benjamins werden, soweit nicht anders bezeichnet, im Folgenden nach der Ausgabenreihe der Gesammelten Schriften (Frankfurt am Main 1972–1999) und mit dem Kürzel GS, Band- und Seitenangabe zitiert. Literaturverweise werden vollständig bei der Erstnennung und danach mit Kurzangaben (Autor, Jahr, Seitenzahl) nachgewiesen. Kürzere Zitate aus französischen Dokumenten oder Literatur im Fließtext werden bisweilen zum besseren Verständnis vom Verfasser übersetzt. Hervorhebungen und Unterstreichungen in Zitaten werden übernommen und entsprechen, soweit nicht als solche des Verfassers ausgewiesen, den Quellen. Angaben von Archivquellen werden neben der Aktensignatur zum besseren Verständnis bei der ersten Nennung mit Bezeichnung des Dossiers und Unterdossiers ausgewiesen; bei Wiederholung wird gegebenenfalls ein Kurzausweis gewählt. 2 GS IV.1, S. 307–316. Vgl. Benjamin Fellmann: Durchdringung und Porosität: Walter Benjamins
Neapel. Von der Architekturwahrnehmung zur kunstkritischen Medientheorie, Berlin 2014.
3 GS IV.1, S. 309. 4 Nicolas Bourriaud: Esthétique relationnelle [1998], Dijon 2001; id.: Postproduction. La culture
comme scénario: comment l’art reprogramme le monde contemporain [2001–2004], Dijon 2009; id. (Hrsg.): Altermodern, Tate Triennial, London 2009; id.: Radicant. Pour une esthétique de la globalisation, Paris 2009.
5 Andrea Meyer u. Bénédicte Savoy: Towards a Transnational History of Museums. An Introduc-
tion, in: id. (Hrsg.): The museum is open: Towards a Transnational History of Museums, 1750–1940, Berlin 2014, S. 1–16. 6 Claire Bishop: Artificial Hells. Participatory Art and the Politics of Spectatorship, London u.
New York 2012; Claire Doherty (Hrsg.): Contemporary Art. From Studio to Situation, London 2004.
7 Elisabeth Caillet u. Catherine Perret: Avant-propos, in: id. (Hrsg.): L’Art contemporain et son
exposition (1), Paris 2002, S. 9–12, S. 12 f. Das Seminar fand seine Fortsetzung in einer internationalen Konferenz am Centre Georges Pompidou 2002, vgl. id. (Hrsg.): L’Art contemporain et son exposition (2), Paris 2007.
8 Caillet u. Perret 2002, S. 11. 9 Martin Schieder: Im Blick des Anderen. Die deutsch-französischen Kunstbeziehungen 1945–
1959, Berlin 2005.
10 Jacques Rancière: Malaise dans l’esthétique, Paris 2004. 11 Id.: Le spectateur emancipé, Paris 2008; id.: Le partage du sensible. Esthétique et politique, Paris
2000.
12 Luc Alary: L’art vivant avant l’art moderne. Le Musée du Luxembourg, premier essai de musé-
ographie pour »l’art vivant« en France, in: Revue d’ histoire moderne et contemporaine 2/1995, S. 219–239, S. 220, Fn. 4. 13 Andreas Beyer: Kunstgeschichte und Ästhetische Theorie – eine deutsch-französische Denkbewegung, in: id. et al.: Einleitung, in: Trivium 6/2010, S. 2–10, S. 2, in: http://trivium.revues. org/3647 (16. März 2015). 14 Erwin Panofsky (1975a): Einführung. Kunstgeschichte als geisteswissenschaftliche Disziplin [1940], in: id.: Sinn und Deutung in der bildenden Kunst, Köln 1975, S. 7–35, S. 25. 15 Ibid., S. 19.
41 | Anmerkungen
16 Ibid., S. 23. 17 Zur Ursprüngen der Ikonologie siehe: William Heckscher: Die Genesis der Ikonologie [1967],
in: Ekkehard Kaemmerling (Hrsg.): Ikonographie und Ikonologie. Theorien – Entwicklung – Probleme. Bildende Kunst als Zeichensystem 1, Köln 1979, S. 112–164; Carlo Ginzburg: Da A. Warburg a E. H. Gombrich. Note su un problema di metodo [1986], in: id.: Miti emblemi spie. Morfologia e storia, Turin 2015, S. 29–106; Thomas Hensel: Wie aus der Kunstgeschichte eine Bildwissenschaft wurde. Aby Warburgs Graphien, Berlin 2011. 18 Michael F. Zimmermann: Rezension von: Martin Schulz: Ordnungen der Bilder (München 2005), in: Sehepunkte 3/2007, in: http://www.sehepunkte.de/ 2007/03/11530.html (20. April 2016). Siehe zur jüngeren Entwicklung der Warburg-Rezeption und der Kritik der Überführung von Warburgs »anthropologischem Ansatz« in eine »vornehmlich an Texten ausgerichete Ikonologie« der Überblick bei Schulz: Ordnungen der Bilder. Eine Einführung in die Bildwissenschaft, München 22009, S. 42 ff., 60 ff. und zum Wiederaufgreifen von Panofsky ibid. S. 124 ff. Zur Entwicklung der Kritik am dreistufigen Sinnsystem und der Evolution des Modells selbst siehe Andreas Beyer: 78 Jahre danach – Bemerkungen zur Geistes-Gegenwart der Ikonologie, in: Horst Bredekamp, Michael Diers u. Charlotte Schoell-Glass (Hrsg.): Aby Warburg. Akten des internationalen Symposions Hamburg 1990, Weinheim 1991, S. 269–279 und besonders zur strukturalistischen Warburg-Rezeption und Panofskys Einfluss Margaret Iversen: Aby Warburg and the New Art History, ibid., S. 281–287. 19 Martin Warnke (1980a): Vier Stichworte: Ikonologie – Pathosformel – Polarität und Ausgleich –
Schlagbilder und Bilderfahrzeuge, in: Werner Hofmann, Georg Syamken u. id.: Die Menschenrechte des Auges. Über Aby Warburg, Frankfurt am Main 1980, S. 53–83, S. 61. Einen Überblick über Rezeptionslinien und Kritik an Panofsky bietet Christopher S. Wood: Aby Warburg, Homo victor, in: Journal of Art Historiography 11/2014, in: https://arthistoriography.files.wordpress. com/2014/11/wood.pdf (20. April 2016). Zur Kritik am »Schematismus« der Ikonologie besonders Georges Didi-Huberman: Devant l’image. Question posée aux fins d’une histoire de l’art, Paris 1990, S. 107–168. Didi-Huberman weist besonders auf das strukturalistische Interesse in Frankreich hin, das Panofsky stärker als den wahren Vater der Ikonologie Warburg, »le plus anthropologue des historiens de l’art« (id. 1990, S. 263) rezipierte, sowie das Übergehen Warburgs in den »disciplines ›pilotes‹ de la sociologie et de la sémiologie« bei Pierre Francastel und Émile Mâle, vgl. id: Préface. Savoir-Mouvement (L’ homme qui parlait aux papillons), in: Philippe-Alain Michaud: Aby Warburg et l’image en mouvement, Paris 1998, S. 7–22, S. 8, Fn. 4. Seine Kritik an Panofskys methodologischem Zirkel von Instrument und Objekt und der »synthetischen Intuition« erschien zuerst 1989 und ging der späteren Arbeit zu Warburg voraus, id.: Le parcours clos du danseur de corde ou l’ histoire de l’art dans les limites de sa simple raison, in: Les Cahiers du MNAM 30/1989, S. 41–58, S. 48, Fn. 22. Mit dem Ansatz, die »invention warburgienne« zu »›retravailler‹ dans son mouvement même« (id. 1998, S. 9) publizierte er L’image survivante. Histoire de l’art et temps des fantômes selon Aby Warburg, Paris 2002. Dort zum Einfluss von Ernst Gombrich und Erwin Panofsky auf das Warburgsche »Nachleben« S. 91–114; für Didi-Huberman wollte Panofsky nur die »signification«, Warburg hingegen die »›vie‹, cette ›force‹ ou ›puissance‹ (Kraft, Macht) impersonnelle« der Bilder verstehen (S. 103). Dagegen weisen die Herausgeber von Panofskys Aufsätzen darauf hin, dass schon die Vielseitigkeit von dessen Arbeiten es verbiete, ihn »zum Propagator eines methodologischen Programms zu machen«, vgl. Martin Warnke u. Karen Michels: Vorwort, in: Erwin Panofsky: Deutschsprachige Aufsätze (Hrsg. v. Karen Michels u. Martin Warnke), Bd. I, Berlin 1998, S. IX–XVII, S. XV. Zu Didi-Hubermans Kritik weist Martin Warnke pointiert darauf hin, dass man Panofskys »intuitive Synthese« im Zeitkontext als geläufige universitäre Praxis lesen muss, ferner auf den methodischen Pluralismus seiner Arbeiten und darauf, dass Panofsky von den ersten Entwürfen an Form, also ästhetische Fragen, als »aspects échappant à l’interprétation«, und damit ästhetisches Erleben vom Inhalt unterscheidet, vgl. Martin Warnke: L’ histoire de l’art en tant qu’art, in: Roland Recht, id., Georges Didi-Huberman u. Dieter Wuttke: Relire Panofsky, Paris 2008, S. 39–63, S. 59 ff. Für einen jüngsten Überblick siehe Dieter Wuttke: Panofskys Warburg – Warburgs Panofsky, in: Zeitschrift des Vereins für hamburgische Geschichte 101/2015, S. 87–113.
42 | Seismograf, Prisma, Monument: Das Palais de Tokyo
20 Danièle Cohn: Die Kunstwissenschaft: ein entscheidender Moment in der Geschichte der Ästhe-
tik, in: Beyer et al. 2010, S. 3. Für Warburg hat das Bild stets eine »unauflösliche Verflochtenheit mit der Gesamtkultur«, wie Edgar Wind zeigte; das »Sichwiedererinnern an vorgeprägte Formen«, und die Frage nach einer »reinen Kunstbetrachtung« ist nicht autonom von »Gesamtkultur« – das »künstlerische Sehen« muss im »Zusammenhang mit den übrigen Kulturfunktionen« gesehen werden, vgl. Edgar Wind: Warburgs Begriff der Kulturwissenschaft und seine Bedeutung für die Ästhetik [1931], in: Kaemmerling 1979, S. 165–184, S. 166, 170 f. 21 Daniel Birnbaum u. Isabelle Graw: Canvases and Careers Today. Criticism and its Markets, New
York u. Berlin 2008.
22 Zur Ikonografie politischer Überzeugungsmechanismen: Uwe Fleckner, Martin Warnke u.
Hendrik Ziegler: Vorwort, in: id. (Hrsg.): Handbuch der Politischen Ikonographie, Bd. I, München 2011, S. 7–13. 23 Zum Forschungsstand betreffend die Schaffung und Einrichtung des Palais de Tokyo als
MNAM siehe die Einleitung zum ersten Abschnitt, zu Forschungslücken zu seiner Nachkriegsgeschichte bis zum Umzug ins Centre Pompidou 1977 den Beginn des dritten Abschnitts und zum Zeitraum ab 1977 den Beginn des vierten. Zum zeitgenössischen Ausstellungszentrum Palais de Tokyo gibt es bisher kaum Forschungsliteratur und keine, die Archivmaterial heranzieht. 24 Catherine Lawless: Musée National d’Art Moderne. Historique et mode d’emploi, Paris 1986. 25 J. Pedro Lorente: Cathedrals of Urban Modernity. The first museums of contemporary art,
1800–1930, Aldershot 1998, S. 37 ff., 42 ff.; id.: Galleries of Modern Art in nineteenth-century Paris and London: Their Location and urban influence, in: Urban History 08/1995, S. 187–204.
26 Lorente 1998, S. 73 f. Zu Vorhaben der Umgestaltung und Versetzung des Musée du Luxem-
bourg zwischen 1848 und 1920 siehe Julien Bastoen: L’Art contre l’État?: la trajectoire architecturale du Musée du Luxembourg dans la construction de l’illégitimité de l’action artistique publique, 1848–1920, Dissertation, Université Paris-Est 2015, in: https://tel.archives-ouvertes.fr/ tel-01219438 (24. April 2017). 27 Luc Alary: De l’»Art Vivant« à l’»Art Moderne«: Genèse du Musée National d’Art Moderne,
Dissertation, Université de Paris I Panthéon-Sorbonne 1997.
28 Es fehlen differenzierte Angaben sowohl im Anmerkungsapparat, der nur wenige Quellen
ausweist, als auch im Qellenverzeichnis, das nur Aktenserien ausweist (ibid., S. 358 ff.): Aus den Archives Nationales F/12: 12114 –12160, 12161–12197, 12426–12427, 12702–12789, F/21: 3967–3987, 3988– 4522, 4715– 4918. Aus den Archives des musées nationaux: Serie 2HH. Vgl. dagegen die vorliegend untersuchten Quellen im Anhang. 29 Alary 1997, S. 189–196, beschränkt sich auf die Auswahlkommissionen und eine listenhafte
Werkdarstellung.
30 Paola Nicolin: Palais de Tokyo. Sito di creazione contemporanea, Mailand 2006. Ihr Buch kann daher weder die Entstehungsgeschichte des Gebäudes, noch des zeitgenössischen Ausstellungszentrums behandeln. 31 PALAIS 15, l’ histoire du Palais de Tokyo depuis 1937 (Hrsg. v. Jean de Loisy), Paris 2012. 32 Dominique Poulot: Une histoire des musées de France. XVIII e –XXe siècle [2005], Paris 2008;
Gérard Monnier: L’art et ses institutions en France. De la Révolution à nos jours [1995], Paris 2004.
33 Vgl. Marie-Claude Genet-Delacroix: Art et État sous la IIIe République. Le Système des Beaux-
Arts 1870–1940, Paris 1992; Pascal Ory: La Belle Illusion. Culture et Politique sous le signe du Front Populaire 1935–1938, Paris 1994; Bertrand Lemoine (Hrsg.): Paris 1937. Cinquentenaire de l’Exposition internationale des arts et des techniques dans la vie moderne, Ausstellungskatalog, Institut Français d’Architecture, Paris 1987; id. u. Philippe Rivoirard: Paris – L’Architecture des
43 | Anmerkungen
Années Trente, Lyon 1987; Laurence Bertrand Dorléac u. Jacqueline Munck (Hrsg.): L’Art en Guerre. France 1938–1947, Ausstellungskatalog, Musée d’Art moderne de la Ville, Paris 2012–2013; Laurence Bertrand Dorléac: L’Art de la Défaite 1940–1944 [1993], Paris 2010; id.: Les fausses continuités. L’ouverture du Musée d’art moderne en août 1942, in: Traverses 3/1992, manifester exposer, S. 78–89; Elizabeth Campbell Karlsgodt: Defending National Treasures. French Art and Heritage under Vichy, Stanford 2011; Michèle C. Cone: Artists under Vichy. A Case of Prejudice and Persecution, Princeton 1992; Jeanne Laurent: Arts et Pouvoirs en France de 1793 à 1981. Histoire d’une démission artistique, Saint-Etienne 1982; Rebecca J. DeRoo: The Museum Establishment and Contemporary Art. The Politics of Artistic Display in France after 1968, Cambridge 2006; Jean Cassou: Le Musée d’Art Moderne / The Musée d’Art Moderne, in: Museum. A quarterly review published by UNESCO, 1–2/1948, S. 45–51, 103 f.; id.: Situation de l’Art Moderne, Paris 1950; Louis Hautecoeur: Les Beaux-Arts en France. Passé et Avenir, Paris 1948. 34 Träger: Mission interministérielle de coordination des grandes opérations dite »mission des
grands travaux« und Groupement d’Intérêt Public pour le Cinéma (GIP; letzte Bezeichnung der früheren Association de Préfiguration pour l’Aménagement du Palais de Tokyo en Maison de l’Image et du Son AMIS).
35 Gespräch mit Jean-Baptiste de Beauvais, Directeur des relations extérieures des Palais de
Tokyo, 15. April 2016.
36 Uwe Fleckner: »Der Leidschatz der Menschheit wird humaner Besitz«. Sarkis, Warburg und das
soziale Gedächtnis der Kunst, in: id. (Hrsg.): Die Schatzkammern der Mnemosyne, Dresden 1995, S. 10–20, S. 15–19. Siehe Martin Warnke (1980b): »Der Leidschatz der Menschheit wird humaner Besitz«, in: Hofmann, Syamken u. id. 1980, S. 113–186. 37 Aleida u. Jan Assmann: Das Gestern im Heute. Medien und soziales Gedächtnis, in: Klaus Merten, Siegfried Schmidt u. Siegfried Weichschenberg (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien, Opladen 1994, S. 114 –140. 38 Aby Warburg: Einleitung zum Mnemosyne-Atlas [1929], in: id.: Der Bilderatlas Mnemosyne (Hrsg. v. Martin Warnke), Berlin 2000 (Gesammelte Schriften, Bd. II.1), S. 3–6, S. 3. 39 Fleckner 1995, S. 17, 20. 40 Michel Foucault: Préface: La Bibliothèque Fantastique [1964], in: Gustave Flaubert: La Tenta-
tion de Saint Antoine, Paris 1967, S. 7–33, S. 10.
41 Hal Foster: Mnémonique des musées, amnésies des archives, in: Jean Galard (Hrsg.): L’avenir des
musées, Paris 2001, S. 359–370.
42 Ibid., S. 363 u. 365. 43 Ibid., S. 367. 44 Michel Foucault: Sur l’archéologie des sciences. Réponse au Cercle d’ épistémologie [1968], in: id.: Dits et Écrits 1954–1988, 2 Bde. (hrsg. v. Daniel Defert u. François Ewald unter Mitarbeit v. Jacques Lagrange), Paris 1994, Bd. I: 1954–1969, Nr. 59, S. 696–730 (zuerst in: Cahiers pour l’analyse 9/1968, S. 9– 40). Dits et Écrits im Folgenden zitiert mit dem Kürzel DiE, Band- und Seiten-Angabe. 45 Vgl. Klaus von Beyme: Politische Ikonologie der Architektur, in: Hermann Hipp u. Ernst Seidl
(Hrsg.): Architektur als politische Kultur. Philosophia Practica, Berlin 1996, S. 19–34, S. 25. Zum Wandel der ikonologischen Symbolforschung bei Panofsky: Lorenz Dittmann: Zur Kritik der kunstwissenschaftlichen Symboltheorie, in: Kaemmerling 1979, S. 329–352. 46 Dieter Wuttke u. Peter Schmidt: Aby M. Warburg, in: Kindlers Neues Literatur Lexikon, Bd. 17,
München 1992, S. 416– 418, S. 417.
44 | Seismograf, Prisma, Monument: Das Palais de Tokyo
47 Aby Warburg: Sandro Botticellis »Geburt der Venus« und »Frühling« [1893], in: id.: Werke in
einem Band (hrsg. v. Martin Treml, Sigrid Weigel u. Perdita Ladwig), Frankfurt am Main 2010, S. 39–108. 48 Panofsky 1975a, S. 11 ff. u. 15. 49 Soziologische Diskurse der Moderne und Arbeiten wie jene Benjamins über Paris sind auch
für eine junge Architektursoziologie von Bedeutung, vgl. Heike Delitz: Architektur als Medium des Sozialen. Ein Vorschlag zur Neubegründung der Architektursoziologie, in: Sociologia Internationalis 1–2/2005, S. 1–23.
50 Catherine Perret: Malaise dans l’Exposition ou l’Exposition en Mal d’Histoire, in: id. u. Elisa-
beth Caillet (Hrsg.): L’Art contemporain et son Exposition (2), Paris 2007, S. 186–197, S. 188 f.
51 Ibid., S. 190. 52 Vgl. Catherine Perret: Walter Benjamin sans Destin, Brüssel 2007, S. 24 f. 53 GS IV.1, S. 309. 54 GS I.2, S. 504 f. 55 Perret 2007, S. 182 f. 56 GS IV.1, S. 310. 57 Michel Foucault: L’Archéologie du Savoir [1969], Paris 2008; id.: Surveiller et Punir. Naissance
de la prison [1975], Paris 2014.
58 Siehe Jean Baudrillard: L’Effet Beaubourg. Implosion et Dissuasion, Paris 1977; Michael Hardt u. Antonio Negri: Empire, Cambridge Mass. 2000; Jonathan Crary: 24/7: Late Capitalism and the Ends of Sleep. London u. New York 2013; Gilles Deleuze: Que’est-ce que l’acte de création?, FÉMIS, 17. März 1987, in: https://www.youtube.com/watch?v=2OyuMJMrCRw (28. Januar 2016); id.: Post-Scriptum sur les sociétés de contrôle, in: id.: Pourparlers (1972–1990), Paris 1990, S. 240–247. 59 Vgl. Beyer 2010. Siehe etwa W.J.T. Mitchell: What Is Visual Culture?, in: Irving Lavin (Hrsg.): Meaning in the Visual Arts: Views from the Outside. A Centennial Commemoration of Erwin Panofsky, Princeton 1995, S. 207–217; James Elkins: Visual Studies. A Skeptical Introduction, London u. New York 2003; Horst Bredekamp: Bildmedien, in: Hans Belting, Heinrich Dilly, Wolfgang Kemp, Willibald Sauerländer u. Martin Warnke (Hrsg.): Kunstgeschichte: Eine Einführung, Berlin 72008, S. 363–386; Hans Belting: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München 2001; Gottfried Boehm: Die Wiederkehr der Bilder, in: id. (Hrsg.): Was ist ein Bild?, München 1994, S. 11–38. Zu verschiedenen Ansätzen vgl. Daniel Hornuff: Bildwissenschaft im Widerstreit. Belting, Boehm, Bredekamp, Burda, München 2012. Während die Kunstgeschichte als Bildwissenschaft besonders nach 1933 Bilder auch außerhalb der Künste behandelt, wären Visual Studies mit Bredekamp auf den Punkt zu bringen als »everything that the narrowest definition of art history is not«. Vgl. Horst Bredekamp: A neglected tradition? Art History as Bildwissenschaft, in: Michael F. Zimmermann (Hrsg.): The Art Historian. National Traditions and Institutional Practices, New Haven u. London 2003, S. 147–159. 60 Susanne von Falkenhausen: Verzwickte Verwandtschaftsverhältnisse: Kunstgeschichte, Visual Culture, Bildwissenschaft, in: Philine Helas, Maren Polte, Claudia Rückert u. Bettina Uppenkamp (Hrsg.): BILD / GESCHICHTE. Festschrift für Horst Bredekamp, Berlin 2007, S. 3–13, S. 5 u. 12. 61 Cohn 2010, S. 6. 62 Zur soziologischen Rezeption Panofskys besonders bei Bourdieu vgl. Heinz Abels: »Die Zeit
wieder in Gang bringen«. Soziologische Anmerkungen zu einer unterstellten Wirkungsgeschichte der Ikonologie von Erwin Panofsky, in: Bruno Reudenbach (Hrsg.): Erwin Panofsky. Beiträge des Symposions Hamburg 1992, Berlin 1994, S. 213–228.
45 | Anmerkungen
63 Vgl. die Beiträge der internationalen Vorlesungsreihe an der Humboldt-Universität Berlin:
Gottfried Boehm u. Horst Bredekamp (Hrsg.): Ikonologie der Gegenwart, München 2009. 64 Fleckner, Warnke u. Ziegler 2011, S. 9. 65 Monnier 2004, S. 9.
66 Thomas W. Gaehtgens: Die Berliner Museumsinsel im deutschen Kaiserreich. Zur Kulturpolitik der Museen in der wilhelminischen Epoche, München 1992, S. 9. 67 Erwin Panofsky (1975b): Ikonographie und Ikonologie. Eine Einführung in die Kunst der Renais-
sance [1955], in: id.: Sinn und Deutung in der bildenden Kunst, Köln 1975, S. 36–67, S. 40 f. (Iconography and Iconology: An Introduction to the Study of Renaissance Art, in: id.: Meaning in the Visual Arts. Papers in and on Art History, Garden City New York 1955, S. 26– 41). 68 Panofsky 1975a, S. 18–19. Das »unbewußt« fällt in einer Wiederauflage fort, vgl. Ginzburg
1986, S. 57.
69 Panofsky 1975b, S. 39. 70 Ibid., S. 40– 41. 71 Ibid., S. 48. 72 Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen [1923–1929], Hamburg 2001, 3 Bde.
(Gesammelte Werke, Hamburger Ausgabe, hrsg. v. Birgit Recki, ECW 11–13), Bd. 11, Erster Teil. Die Sprache, VII f.
73 Ibid., S. 3–14. 74 Ibid., S. 16. 75 Cornelia Zumbusch: Wissenschaft in Bildern. Symbol und dialektisches Bild in Aby Warburgs
Mnemosyne-Atlas und Walter Benjamins Passagen-Werk, Berlin 2004, S. 238. Zumbuschs Darstellung der Entwicklung der Symbolphilosophie zeigt, wie Cassirers Symboldefinition sich anstrengt, Vorstellungen vom »religiös überhöhten poetischen« Symbol und das mathematischlogische Symbol in der Leibniz-Nachfolge zu vereinen (S. 16). Die Symbolauffassung hat ihre Voraussetzung im »Ausdruck«-Begriff, der den Zusammenhang von Form und Zeit herstellt und in der Nachfolge Wilhelm Diltheys und dessen hermeneutischer Trias von Erleben, Ausdruck und Verstehen weiterwirkt über Wölfflin, Riegl, Panof ksy bis zu Karl Mannheim und in der Moderne zum »Grundbegriff der Geisteswissenschaften« avancierte (S. 27), worunter auch die Rede von kulturellen Symptomen wie bei Panofsky fällt (zu Warburgs und Benjamins Ausdrucksbegriffen ibid., S. 129 ff. u. 166 ff.). 76 Cassirer 2001, S. 7. 77 Ibid., S. 7. 78 Ibid., S. 16 f., Zitat S. 19. 79 Ekkehard Kaemmerling: Die unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs »Ikonologie«, id. 1979,
S. 489– 495.
80 Panofsky 1975b, S. 41– 42. 81 Ibid., S. 50. 82 Ginzburg 1986, S. 57 f. 83 Johann Konrad Eberlein: Inhalt und Gehalt: Die ikonografisch-ikonologische Methode, in:
Belting, Dilly, Kemp, Sauerländer u. Warnke 2008, S. 175–197, S. 196 f. 84 Beyme 1996, S. 19.
46 | Seismograf, Prisma, Monument: Das Palais de Tokyo
85 Ibid., S. 19 u. 29 f. 86 Beyme 1996, S. 31. 87 Ibid., S. 23 u. 32. 88 Panofsky 1975b, S. 48. 89 Ibid., S. 48– 49. 90 Warnke 1980a, S. 58. 91 Walter Benjamin: Erwiderung an Oscar A. H. Schmitz, in: Die Literarische Welt, 11. März 1927,
S. 7–8.
47 | Anmerkungen
ARCHITEKTUR AL S SOZIALES MEDIUM ARCHITEKTUR AL S SOZIALES MEDIUM: DAS PROJEKT EINES MUSÉE D’ART MODERNE IM KONTE X T DER WELTAUSSTELLUNG 1937 Benjamin Fellmann
Das Palais de Tokyo entstand für das neue MNAM zur Pariser Weltausstellung von 1937, die damit einem alten Vorhaben neuen Anlass und Mittel gab. In der Organisation der Weltausstellung kristallisieren sich die wirtschafts- und kulturpolitischen Rahmenbedingungen, die dem Palais de Tokyo Gestalt verleihen. Die Weltausstellungen – oder kurz »Expos« – haben seit ihrem Aufkommen im 19. Jahrhundert entscheidende Veränderungen durchlaufen. Sie verloren ihre Vormachtstellung als Massenattraktion und entwickelten sich von generalistischen zu thematischen Schauen. Dieser Prozess wurde in den 1930er Jahren unter dem Einfluss der 1928 eingerichteten Behörde Bureau International des Expositions (BIE) eingeleitet, als ihr Rhythmus auf einen zweijährigen verdichtet wurde mit den Ausstellungen in Chicago 1933, Brüssel 1935, Paris 1937 und New York 1939. Die Weltausstellung in Paris 1937 weist aber noch alle Merkmale auf, die sich in den Industriegesellschaften des 19. Jahrhunderts mit dem Fokus auf zivilisatorischen Fortschritt in Wirtschaft, Arbeit und Bildung entwickelten. Bis dato ist eine Weltausstellung stets eine industrielle und wirtschaftliche Unternehmung; sie will Kenntnisse auf allen Wissensgebieten verwalten und vermitteln, trägt die Züge eines »Welttheaters« der Nationen, und ist ein Massenvergnügen für ein breites Publikum.1 Die neue Konvention von 1928 hat ihre Ursprünge in der Wiederaufnahme der internationalen Zusammenarbeit der nationalen Kommissionen für Weltausstellungen nach dem Ersten Weltkrieg mit einer Versammlung der früheren Fédération internationale des comités permanents d’Expositions in Paris im Oktober 1925, parallel zu den völkerrechtlichen Verhandlungen in Locarno. 2 In Locarno wurde
49 | Architektur als soziales Medium
auch Deutschlands Beitritt zum Völkerbund verabredet, der am 10. September 1926 erfolgte. Die Regelung von 1928 wollte den Rhythmus der Expos etwas verlangsamen und legte Kriterien und Klassen für »expositions générales«, die Erzeugnisse aus verschiedenen Produktionszweigen zeigten, oder »spécialisées«, die nur eine angewandte Technik präsentierten, fest sowie die Einrichtung des ständigen Bureau. Dieses BIE wurde auf Wunsch Frankreichs 1931 mit Maurice Issac als Leiter eröffnet. Eine Weltausstellung erster Klasse musste sich durch den Bau von Gebäuden und Pavillons und materiellen Aufwand auszeichnen und einen Abstand von zehn Jahren zu vorhergehenden halten; zwölf, wenn sie im selben Land stattfand. 3 Aus diesem Grund führte Frankreichs 1932 vorgebrachter Wunsch, 1937 eine Weltausstellung auszurichten, zu diplomatischen Verwerfungen, da sie als Expo erster Klasse zu nah an der von 1935 in Brüssel lag; besonders England kritisierte diese Pläne nach den vorangegangenen Ausstellungen in Paris, der Exposition internationale des Arts décoratifs et industriels 1925 und der Exposition coloniale internationale 1931. 4 Die Weltausstellung von 1937 mit ihren zahlreichen internationalen Pavillons fand schließlich offiziell als Weltausstellung zweiter Klasse mit allen Merkmalen der ersten Klasse statt. Es erstaunt, dass die erste systematische Vergleichsstudie zu jeder Weltausstellung zwar den »Clou ou réalisation architecturale« anführt, für die von 1937 aber nur das Palais de Chaillot, das das Palais du Trocadéro von 1878 ersetzte (Abb. 3). Das Palais de Tokyo fehlt, dabei handelt es sich um den zweiten großen Bau, der 1937 auf Dauer errichtet wurde. 5 Der Entstehungszeitraum des neuen MNAM zwischen 1934 und 1939 war bisher kaum Gegenstand historischer Studien. Im Geschichtsführer des MNAM/Centre Pompidou von 1986 wird die Entstehung des Palais de Tokyo mit Stichpunkten und drei reproduzierten Zeitungsartikeln kursorisch abgehandelt. 6 Die Untersuchung von Alary 1997 hat ihren Schwerpunkt auf den internen Entwicklungen des MNAM, das aus dem Musée du Luxembourg und Jeu de Paume hervorging. Vorliegend rücken auf Grundlage der Archive der französischen Kunstpolitik der nationale und internationale Kontext und der wirtschafts- und kulturpolitische Stellenwert der modernen Kunst im Projekt in den Blick. 7 Mit dem internationalen Museologie-Kongress in Madrid 1934 etwa wird zu sehen sein, dass der internationale Austausch in Organen des Völkerbundes die Überlegungen in diesen Jahren entscheidend intensivierte. 8 Das Palais de Tokyo nimmt sich gegenüber dem riesigen Palais de Chaillot zwar klein aus, ist aber in der Wahl des traditionell akademistischen Entwurfs der Architekten Dondel und Aubert, die für den Wettbewerb mit Dastugue und Viard firmierten, nicht weniger kritisiert worden als jener »neo-romanische« Monumentalbau der Architekten Carlu, Boileau und Azéma. An dessen Standort auf dem Chaillot-Hügel hatten Auguste und Gustave Perret ein Projekt mit zwölf Museen und einem Theater mit zehntausend Plätzen realisieren wollen, aber es wurde 1934 zurückgewiesen. Diese Entscheidung zu beklagen sei »heute die Regel«, stellte Pascal Ory schon Anfang der 1980er Jahre fest. 9
50 | Architektur als soziales Medium
3 Palais de Chaillot, Dokumentationsfotografie, 1937, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Aber auch am Palais de Tokyo spüre der Besucher nichts vom Geiste des nahen Théâtre des Champs-Élysées Auguste Perrets von 1913, das für Ory das erste moderne Gebäude der französischen Geschichte ist.10 Stattdessen spüre er den kalten Hauch der 1930er Jahre, »le vent glacé des années 1930 lui tomber sur les épaules, au droit des deux Palais de Tokyo«. Für Ory haben sich die Architekten und Bildhauer des Palais de Tokyo abgerackert, um einen der benachteiligsten Orte der Stadt zu schaffen, »échinés pour réaliser, ma foi, le lieu le plus déshérité de Paris«. Die Verlassenheit des künstlerisch »platten« und »frigiden« Ensembles neben dem Straßenverkehr ist ihm Grund zur Flucht.11 Tatsächlich ist die Architektur des Palais de Tokyo nüchtern und charakterisiert durch das Zusammenspiel des Dekors mit den räumlichen Massen. Bertrand Lemoine und Philippe Rivoirard ordnen es als typischen Entwurf in die Pariser Architektur der Jahre 1932 bis 1938 ein, die vor allem geprägt ist durch technologische Neuerungen wie Stahlbeton und eine Dominanz der mathematischen Beziehungen von Zahlen, Linien und Oberflächen.12 Sie folgt darin der rationalistischen Logik von Funktionalität, Standardisierung und Radikalität der Pioniere des Internationalen Stils der 1920er Jahre, Robert Mallet-
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Stevens und Le Corbusier, sowie Auguste Perret, die die Pariser Architektur vom Primat des style hausmannnien befreiten – hebt sich aber durch einen neuen Ästhetizismus von diesen ab, der vor allem mit Dekor, Schmiedeeisen und Glas in Fassaden eine Ergänzung durch das als »schön« Empfundene sucht.13 Man darf aber bezweifeln, ob dem Vorwort zur Studie Recht zu geben ist, das eine Kontinuität zwischen der Nachkriegsavantgarde und den Architekten des Palais de Chaillot und Palais de Tokyo herstellt. Denn das Projekt Perrets für Chaillot wurde abgelehnt und er beteiligte sich danach nicht am Wettbewerb für das Palais de Tokyo, und Le Corbusiers und Mallet-Stevens Entwürfe für das Palais de Tokyo schieden im Wettbewerb aus.14 Es geht über den Widerspruch zur Avantgarde hinweg, wenn es (richtigerweise) darauf hinweist, dass die Architekten dieser beiden Bauten dem Einflussbereich der traditionalistischen Académie und Rom-Preisträger entstammen.15 Diesem konformistischen Umfeld und seinem Einfluss in den Jurys zu den Bauten der Weltausstellung verdankt sich wohl die Bevorzugung der neoklassizistischen Entwürfe, über deren blockhafte Monumentalität weder die berühmten Messinginschriften mit Zitaten Paul Valérys an den Fassaden des Palais de Chaillot, noch die Fassadenreliefs und Skulpturen des Palais de Tokyo hinwegtäuschen können. 1987 fand im MAM Paris im Ostflügel des Palais de Tokyo eine Ausstellung anlässlich des fünfzigjährigen Jubiläums der Weltausstellung von 1937 statt. Der dazu von Bertrand Lemoine herausgegebene Sammelband ist die wohl umfassendste Studie über die Expo 1937 und ihren politischen Kontext.16 Neben Aufsätzen zu den Pavillons der Länder und Sektionen bietet er einen Überblick über die Generalplanungen, die Musées d’Art moderne und damit das Palais de Tokyo, den politischen Kontext der 1930er Jahre, das Verhältnis der seit 1936 regierenden linken Volksfront Front Populaire zur Weltausstellung sowie über die Architekten Auguste Perret, Robert Mallet-Stevens und Le Corbusier.17 Die avantgardistische Architektur der Zeit wie Corbusiers rationale, nüchterne Architektur konnte Sigfried Giedion seinerzeit bei der Betrachtung der neuen französischen Baukunst im Buch Bauen in Frankreich (1928) eine Begeisterung entlocken, die sich in zahlreichen Ausrufezeichen ausdrückt und die wiederum Walter Benjamin wohl aufgrund seines Interesses an der von Giedion konstatierten »Durchdringung« von Innen und Außen in den transparenten Entwürfen Corbusiers »elektrisierte«, die sich mit jener »Durchdringung« überschnitt, die er selbst als Kennzeichen der Herstellung sozialer Gemeinschaft durch die Architektur in Neapel 1924 erlebt hatte und als Motiv seiner kunsttheoretischen Überlegungen weiterverfolgte. Dagegen hat die Architektur des Palais de Tokyo bis heute kaum für Begeisterung gesorgt. Jeanne Laurent etwa schrieb gar in ihrer kritischen Analyse der französischen Kunstpolitik zum Palais de Tokyo nur kurz, wie für die Architektur, so sei wohl auch für Skulptur und Malerei das Ziel gewesen, die Besten auszuschließen.18 Die Ideengeschichte des Palais de Tokyo und die Hintergründe seiner Entstehung sind freilich vielschichtiger und seine Gestaltung mehr als bloßer Ausdruck eines Zeitgeschmacks. Es ist Monument nicht nur der unmittelbaren Entscheidungen der staat-
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lichen Kunstpolitik, sondern auch der Wirtschaftspolitik im Zusammenspiel mit allgemeineren kulturpolitischen Zielsetzungen und dem internationalen Austausch. Im Folgenden wird daher zunächst eine einführende Darstellung über die Geschichte der französischen Kunstverwaltung und den Umgang mit den herangezogenen Archivquellen gegeben, denn jedes französische Museum ist seit der Revolution eine dem Wesen nach politische Institution. Danach wird die Vorgeschichte des Baus behandelt. Sie ist bestimmt von einer internationalen Reflexion über das Museum in der Moderne im Kontext der aufkommenden Wissenschaften des Urbanismus und der Museologie. Dazu kommt als nationales Element der Wunsch nach einem Museum für moderne französische Kunst. Die Umsetzung der Planungen und der Bau werden in einem dritten Schritt analysiert, wobei zunächst eine Einordnung in den wirtschaftspolitischen Kontext der Weltausstellung vorgenommen wird. Danach werden der antimodernistische Modernismus der Architektur und künstlerischen Dekoration und die klassizierende Ikonografie der Kunstwerke analysiert. Die Vorgaben an die Architekten werden Louis Hautecoeurs ersten Planungen zum neuen Museumsgebäude gegenübergestellt, bevor näher auf den Wettbewerb und Siegerentwurf einzugehen sein wird. Dazu wird der Neoklassizismus des Entwurfs in den Kontext des Monumentalismus der europäischen Vorkriegszeit eingeordnet und seine unmittelbare Rezeption beleuchtet.
KUNSTPOLITIK IM SPIEGEL DER ARCHIVE Über Jahrzehnte hinweg war seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Schaffung eines französischen Museums moderner Kunst diskutiert worden. Die Frage, wie und weshalb es schließlich dazu kam, und welche Faktoren dabei eine Rolle spielten, kann nur mit Blick auf die Archive der staatlichen Kunst- und Kulturverwaltung beantwortet werden. Das Palais de Tokyo verdankt seine Entstehung zunächst dem engen Verhältnis Louis Hautecoeurs zur Direction des Beaux-Arts im Bildungsministerium. Hautecoeur war der letzte Kurator des Vorgängermuseums Musée du Luxembourg. Frühere Bestrebungen zur Realisierung eines gänzlich neuen Museums lebender französischer und internationaler Künstler waren von Léonce Bénédite (1895–1925), seit 1892 Kurator des Musée du Luxembourg, ausgegangen und mündeten in den 1913 vom französischen Parlament verhandelten Vorschlag, das Musée du Luxembourg im ehemaligen Seminar von SaintSulpice unterzubringen. Auf Bénédite geht auch der Vorschlag zurück, die Abgänge in den Louvre nach Schulen zu ordnen. Während im Ausland Museen zeitgenössischer Kunst mit einem festen historischen Ausgangspunkt existierten, war das Musée du Luxembourg immer ein »musée de passage«, aus dem die Werke nach einer festgelegten Zeit in den Louvre übergingen.19 Der Erste Weltkrieg unterbricht die Pläne für Saint-Sulpice. Das Projekt eines neuen Museums nimmt schließlich erst in den 1930er Jahren konkrete Formen an. Der Einfluss des Kurators und Kunsthistorikers Hautecoeur reicht
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dabei von den Anfängen des Entscheidungsprozesses im Jahr 1934 bis hin dazu, dass die Vorgaben zur Ausstellungsfläche an die Architekten auf den Quadratmeter genau seinen Projektentwürfen entsprachen. Wie und weshalb das Palais de Tokyo dann entstand, ist eine Frage politischer und administrativer Prozesse. Die Archive der Entscheidungsträger geben darüber Auskunft. Schon was in einer Akte archiviert wird, ist aber eine bewusste Entscheidung und muss als politische Geste verstanden werden, die determiniert, ob und wie Zusammenhänge der Nachwelt überliefert werden. Leitfrage der Untersuchung ist hier, welcher Standpunkt der zeitgenössischen Kunst in einer modernen Gesellschaft zugeschrieben wird. Wie ein Brennglas konzentriert die Entstehung des Palais de Tokyo solche Fragestellungen und wirft ihr Licht auf das moderne Kunstmuseum, mit dem sowohl ein politisch determinierter öffentlicher Raum, als auch der Raum der Konstitution einer politischen Öffentlichkeit entstehen. Insbesondere die beiden ersten Teile dieser Untersuchung über Ausgangslagen und Entstehung des Palais de Tokyo und die ersten hier gezeigten Ausstellungen, basieren daher auf der Analyse der in den Archiven der französischen Kulturpolitik verwahrten Dokumente. Einschlägige Sekundärliteratur erfuhr in einem zweiten Schritt Berücksichtigung. Das Material soll zuallererst für sich selbst sprechen und die Akteure, ihre politischen und kuratorischen Entscheidungsprozesse und wissenschaftlichen Reflexionen zu Wort kommen lassen. Die Rekonstruktion dieses Innenlebens zeigt die Kulturgeschichte des Palais de Tokyo als eine Kunstpolitik, die sich in Entscheidungsprozessen als Diskurs nachvollziehen lässt. In den Archives Nationaux (AN) finden sich die Akten der Organe der französischen Kulturpolitik aus verschiedenen Ministerien. 20 Die Archives des musées nationaux (AMN) verwahren die Archive des MNAM bis zu seinem Umzug ins neue Centre Pompidou im Jahr 1977, und das Archiv des ihm nachfolgenden Musée d’Art et d’Essai, das auch Akten zu den weiteren Institutionen im Palais de Tokyo beinhaltet. Die Betrachtung der Ausstellungstätigkeiten der Institutionen im Palais de Tokyo ab 1947 erfolgt mit einer Gewichtung auf diesen Archivbeständen, die 2014 und 2015 sukzessive an die Nationalarchive übergingen.
ARCHÄOLOGIE IM KULTURELLEN GEDÄCHTNIS Bevor auf die administrative Struktur der französischen Kunstpolitk einzugehen ist, gilt es, Grundsätzliches zum Herangehen an Archivmaterial festzuhalten. Jean Zay hat in seinem 1946 posthum publizierten Buch Souvenirs et Solitude eine Reflexion der innen- und außenpolitischen Rahmenbedingungen der Weltausstellung von 1937 vorgenommen, für die er als Kultusminister verantwortlich war. Mit Weitblick – wenngleich Untersuchungen wie die vorliegende den von ihm prognostizierten Zeitrahmen deutlich unterschreiten – hat er in einem Portrait ihres offenbar vorbildlich bescheide-
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nen Generalkommissars Edmond Labbé (1868–1944) ein zukünftiges »Ausgraben« der Weltausstellung aus Archiven vorhergesehen: »Il n’empêche que si, dans quelques siècles, un historien curieux exhume les archives de l’Exposition de Paris de 1937, à relever dans les journaux et les budgets de l’époque la trace des somptueuses réceptions qui furent données, des feux d’artifice, des banquets, des spectacles, des ballets […], il s’imaginera M. Léon Labbé [sic] sous les traits d’un nabab fastueux, de quelque prince de la mode aux mains pleins d’or, élégant, gracieux et mondain. Ainsi ce n’est pas toujours en nous-mêmes que l’éternité nous change.« 21 Wie die Person kann aber auch die historische Realität, die sich in der Zeit abbildet und mit Bildern auf ein Heute kommt, nur so gedacht werden, dass sie sich in Wahrnehmung konstituiert und diese vom Betrachterstandpunkt abhängig ist. Die Weltausstellung 1937 gibt davon ein gutes Beispiel, denn sie versammelte Präsentationen wie jene der noch freien spanischen Republik und des nationalsozialistischen Deutschland auf einem Ausstellungsgelände und konnte nicht über innen- und außenpolitische Konflikte in Frankreich und Europa hinwegtäuschen, so sehr man sich von ihr ein Zeichen des Friedens und der Völkerverständigung erhoffte. Dem zeitgenössischen Betrachter setzte sich ihr Panorama aus vielen Pluralitäten national-, kultur- und wirtschaftspolitischer Intentionen zusammen. Eine Produktion von Sinnzusammenhängen stellt stets mehr dar, als aus den Dokumenten ablesbar ist, die sie hinterlässt: Jede Arbeit am Archiv muss dieser fundamentalen Reflexion gewärtig sein, die Michel Foucault mit der Studie Les Mots et les Choses. Une Archéologie des Sciences Humaines 1966 in die Geistesgeschichte einführte. Sie stellte die erkenntnistheoretischen Grundlagen der Moderne den epochalen Wissensstrukturen der Renaissance und der Klassik gegenüber. Seine dort verfolgte Methode, die heute meist als Diskursanalyse bezeichnet wird, hat er »Archäologie« genannt und 1969 im nachträglich publizierten methodologischen Buch L’Archéologie du Savoir erläutert. Man kann mit dem archäologischen Verfahren nach einer dritten erkenntnistheoretischen Position zwischen systematischen Zeichentheorien und einer historischen Analyse von Bedeutungssystemen fragen. Sie stellt sich dann dar als potentielle Antwort auf die Hauptfrage aller historischen Erkenntnistheorie, wie sich Wissen über die Welt systematisch begründen lässt, wenn die Kategorien des Denkens selbst historischen Veränderungen unterliegen. 22 Hans-Georg Gadamer hat das Problem in einem schönen Bild an jener Aporie festgemacht, auf die Wissenschaft im Umgang mit zeitgenössischer Kunst trifft: »Jedermann kennt die eigentümliche Ohnmacht unseres Urteils dort, wo uns nicht der Abstand der Zeiten sichere Maßstäbe anvertraut hat. So ist das Urteil über
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gegenwärtige Kunst für das wissenschaftliche Bewußtsein von verzweifelter Unsicherheit. Offenbar sind es unkontrollierbare Vorurteile, unter denen wir an solche Schöpfungen herangehen, Voraussetzungen, die uns viel zu sehr einnehmen, als daß wir sie wissen könnten und die der zeitgenössischen Schöpfung eine Überresonanz zu verleihen vermögen, die ihrem wahren Gehalt, ihrer wahren Bedeutung nicht entspricht.« 23 Gadamer forderte daher eine Wirkungsgeschichte, ein historisches Denken, das die eigene Geschichtlichkeit mitdenkt: »Eine sachangemessene Hermeneutik hätte im Verstehen selbst die Wirklichkeit der Geschichte aufzuweisen.« 24 Solche Positionen kennzeichnen den linguistic turn der Kultur- und Geisteswissenschaften, in dem sich die Erkenntnistheorie im unübersichtlich gewordenen 20. Jahrhundert neu orientierte und der Sprache, als »umfassendes Zeichen- und Verweisungsgefüge«, als Vermittlerin zwischen Erkenntnishorizonten zuwandte. 25 Dirk Quadfliegs Einleitung in das Problem des »schematischen Gegensatz von System und Geschichte« verdeutlicht die Singularität des Foucaultschen Ansatzes sowohl gegenüber den Ansätzen der syntaktischen Logik mit einer mathematischen Logik nach Frege und Wittgenstein und strukturalen Linguistik nach Saussure, als auch gegenüber hermeneutischen Ansätzen, die eine historische Kontingenz verfolgen. Letztere berücksichtigen, wie Gadamer, dass ihre Erklärungsbegriffe und der betrachtete Bedeutungszusammenhang einander bedingen. Dazu jedoch ist entweder erneut das Konzept einer fortschreitenden Sinngeschichte unumgänglich, oder aber eine Beschränkung auf Vergleichsordnungen, wie in zahlreichen Ansätzen des Poststrukturalismus und der Postmoderne, die »partielle Bedeutungsverschiebungen und deren gesellschaftspolitische Folgen betrachten, ohne sie in eine lineare geschichtliche Entwicklung einzuordnen«. 26 Foucault jedoch untersucht die Voraussetzungen der Entstehung und Entwicklung komplexer Wissenssysteme im Diskurs, dem Zusammenhang von Sprache und Denken, und so die Herausbildung von Wahrheiten in historischen Denksystemen. 27 Die historischen Bedingungen, nach denen ein Objekt als Gegenstand eines Diskurses erscheinen kann, sind mannigfaltig und komplex, und nicht zu jeder Epoche kann von Allem gesprochen werden. Die diskursiven Verhältnisse determinieren das Beziehungsbündel, das der Diskurs nachvollziehen muss, um von Gegenständen sprechen, sie analysieren, klassifizieren und erläutern zu können. Diskurse sind damit als Praktiken zu behandeln, die systematisch den Gegenstand bilden, von dem sie sprechen. 28 Die »Archäologie« kann in diesem Sinne als deskriptive Analyse eines historischen Diskurses verstanden werden. Foucaults Diskursbegriff unterliegt einem fortschreitenden Wandel, besonders in seiner Hinwendung zum zentralen Begriff der Macht (pouvoir) im späteren Werk. Diskurse bilden die Voraussetzungen von Wissen und Wissenschaften, indem sie die Bedingungen eines Denkens in Sprache beinhalten. 29 In der Archäologie des Wissens
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bezeichnet der Diskurs eine Abfolge von Aussagen (énoncés), also Zeichenfolgen, die einem gleichen Formationssystem angehören. 30 In einer Antwort auf die Frage nach den methodischen Implikationen seiner Ansätze für Historiker präzisiert Foucault 1968, dass die systematische Anwendung des Konzepts der Diskontinuität auf die Arbeitsfelder der Ideengeschichte, der Geschichte des Denkens, der Wissenschafts- und Wissensgeschichte voraussetze, sich von kontinuitätsgebundenen Begriffen wie »Tradition«, »Einfluss«, »Entwicklung«, »Mentalität« oder »Geist« frei zu machen. 31 Ebenso müsse man sich vor Ausschnitts- und Gruppierungsformen hüten, die zur Gewohnheit wurden, da sie selbst immer reflexive Kategorien, Klassifizierungsprinzipien und normative Regeln darstellen, wie auch vor den nie abgeschlossenen Einheiten des Buches und des Werks. 32 Aussagen entstehen, existieren und verschwinden aus dem kulturellen Kontext. Sind Vorformen von Kontinuität erst einmal beiseite geschoben, zeige sich ein immenses, aber definierbares Gebiet, ein Bereich, der sich aus allen gesprochenen und geschriebenen Aussagen zusammensetzt. 33 Bevor man mit einer Wissenschaft, einem Roman, einer politischen Rede zu tun habe, sei die Gesamtheit der entstehenden Aussagen als Ereignisse im Raum des allgemeinen Diskurses zu beschreiben. Von der linguistischen Analyse unterscheide sich die Diskursanalyse daher einfach. Die Anzahl der Aussagen eines Diskurses ist potentiell unzählig, aber stets definiert, die Sprache hingegen eine definierte Anzahl von Regeln für eine unendliche Anzahl möglicher Leistungen. 34 Die zentrale Frage der Diskursbeschreibung ist daher eine fundamental andere als jene der Sprachanalyse, die danach fragt, nach welchen Regeln eine Aussage konstruiert sei, da sie untersucht, warum ausgerechnet diese Aussage, und keine andere, erschienen ist. 35 Auf die rhetorische Frage nach dem Sinn dieser Infragestellung aller gewohnter Einheiten antwortet Foucault sich selbst, dies erlaube, der einzelnen Aussage ihre Singularität als Ereignis, historischer Ausbruch, zurückzugeben, das mehr sei als eine linguistische Struktur oder Ausdruck einer tieferen Bedeutung; seine oftmals winzige Erscheinung stelle einen Einschnitt dar, den es sichtbar zu machen gilt. 36 Zu zeigen wäre die Gesamtheit der Bedingungen, die zu einem gegebenen Zeitpunkt in einer Gesellschaft das Erscheinen von Aussagen bestimmt, die Arten und Weisen, wie man sie gruppiert und zum Objekt sozialer Interaktionen macht, sie in Praktiken und Handlungen einbindet, sowie die Prinzipien ihrer Zirkulation, ihres Verbergens und Vergessens. 37 Kurz: die übergeordnete Sicht ist jene auf die Institutionalisierung der Aussagen. Hier führt Foucault das entsprechende Verständnis des Archivs ein. Es definiert sich nicht als Gesamtheit aller überlieferten Dokumente oder kultureller Artefakte, sondern als das Spiel der Regeln, nach denen Aussagen entstehen (Ereignisse) und existieren (Dinge). Die Tatbestände des Diskurses in der Gesamtheit des Archivs zu analysieren und ihre Existenzbedingungen nachzuvollziehen heißt für ihn, diese nicht als Spuren und Artefakte des kulturellen Gedächtnisses zu begreifen, nicht als Dokumente, sondern als Monumente. Nicht als Träger versteckter Sinnzusammenhänge, sondern als Verkör-
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perungen eines Beziehungsgeflechts, an dem sich die Bedingungen ihrer Existenz in der Kultur studieren lassen. 38 Das Archiv ist so verstanden keine denklogische Kategorie. Es ist ein System für die Bedingungen, dass Aussagen auf einem Feld gemacht werden können, es ist das System, in dem ein Diskurs institutionalisiert wird. Die methodologische Konsequenz aus diesem Archivverständnis ist keine leichte. Foucault selbst erläutert, dass es unmöglich ist, alle charakteristischen Relationen des Archivs zu beschreiben – man müsse daher einen provisorischen Ausschnitt (»une région initiale«) akzeptieren, den die Analyse nach der Definition der Relationen neu organisieren werde. Er empfiehlt die empirische Wahl eines Feldes mit zahlreichen, dichten und einfach zu beschreibenden Relationen, wie das der Wissenschaft, und genauer das der Humanwissenschaften, auf dem die wenig formalisierten Gruppen von Diskursen erlauben, die Entstehungsbedingungen von Aussagen zu studieren, und wo andererseits das Denken in subjektivierenden »anthropologischen Kategorien« wie dem sprechenden Individuum, dem Subjekt des Diskurses, dem Autor des Textes, vermieden werden kann, indem die Aussagen betrachtet werden, durch die diese Kategorien sich konstituierten. 39 Peter Bürger hat die Schwierigkeit eines Umgangs mit diesem Denken auf den Punkt gebracht, die sich aus der mit der Diskursanalyse verbundenen »Polemik gegen die Interpretation« ergibt, und daraus, dass eine Rekonstruktion des énoncé, der Aussage, entweder als individuelle sprachliche Äußerung hermeneutisch erfasst werden müsste, was Foucault ablehnt, oder den diskursiven Regeln nach in einem Code-Modell entschlüsselt werden muss – Foucault aber verknüpfe beide Sichtweisen.40 Sein Konzept erfasst eben auch die Strukturen, die in den einzelnen Schritten des hermeneutischen Verstehens wie der Horizontverschmelzung Gadamers vorausgesetzt werden.41 Aus Foucaults Archivbegriff ergibt sich eine mögliche methodische Implikation für ein epistemologisches ikonologisches Erkenntnisinteresse im Sinne von Erwin Panofsky und Aby Warburg. Foucault lehnt dessen Verwendung als Bezeichnung der Totalität aller bewahrten Texte einer Kultur und als Bezeichnung der Gesamtheit aller Spuren, die nach ihrem Untergang gerettet werden konnten, ab. Seine Formulierung der »traces qu’on a pu sauver de son désastre« verweist auf Artefakte der Zivilisation als Träger des kulturellen Gedächtnisses nach der Katastrophe.42 Der Archivbegriff Foucaults könnte damit auf den ersten Blick gegen eine kunsthistorische Methodologie gelesen werden, die ihren Gegenstand in der Nachfolge der Gedächtnistheorie Aby Warburgs bestimmt. Dessen Verständnis von antiken gestischen Bildformeln, die sich dem kollektiven Gedächtnis als Ausdrucksformen einprägen, steht dem Archivverständnis Foucaults jedoch nicht entgegen. In der Einleitung zum Bilderatlas beschreibt Warburg Pathosformeln als »Engramme leidenschaftlicher Erfahrung«, die »als gedächtnisbewahrtes Erbgut überleben und vorbildlich den Umriß bestimmen, den die Künstlerhand schafft, sobald Höchstwerte der Gebärdensprache durch Künstlerhand im Tageslicht der Gestaltung hervortreten wollen.« 43
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Das Bild wird in Warburgs Gedächtnistheorie zu einem Dokument in einem »Archiv menschlicher Passionserfahrung«, wie Uwe Fleckner ausführt; und die »Rolle des Historikers – und wir dürfen ergänzen: auch die des Künstlers – ist mithin als die eines Seismografen zu charakterisieren, dessen Aufgabe es ist, im Studium der Geschichte das Beben leidvoller Vergangenheit zu empfangen«.44 Warburgs Pathosformel und Foucaults énoncé sollen hier nicht miteinander verglichen werden. Nur so viel: Die Offenlegung von Pathosformeln und die ikonologische Studie mit Heranziehung umfassenden Quellenmaterials bedeuten gerade, ein System einer Institutionalisierung zu untersuchen, ein »Spiel der Regeln«, wie es Foucault als Archiv bezeichnet, und die Bedingungen zu untersuchen, die zum Auftauchen und Verschwinden von Bildlösungen führen. Foucault selbst lernte Erwin Panofskys Arbeit erst 1967 kennen, als er dessen in diesem Jahr ins Französische übersetzte Essais d’Iconologie und seine von Pierre Bourdieu übersetzten und mit einem Nachwort versehenen Studien in Architecture gothique et Pensée scolastique las, über die er einen Monat nach der Lektüre im Nouvel Observateur einen Zeitungsaufsatz schrieb.45 Er gibt sich als »panofskien néophyte, et bien sûr enthousiaste« zu erkennen und sagt voraus, ihr Nutzen werde sein, die Ikonologie in Frankreich zu etablieren.46 Als ein Beispiel für neue Impulse, die er selbst in diesen Texten gefunden habe, bezeichnet er die Analyse der Beziehungen zwischen dem Diskurs und dem Sichtbaren.47 Foucault sieht Panofskys Ikonologie demnach als das, was es ermöglicht, die komplexen Beziehungen zwischen dem Diskurs und dem »univers plastique« einer Gesellschaft zu untersuchen. Er spricht der visuellen Figur und sprachlichen Äußerung jeweils eigene Seinsmodi zu. Ikonologie tritt neben die Diskursanalyse: »Le discours et la figure ont chacun leur mode d’être; mais ils entretiennent des rapports complexes et enchevêtrés. C’est leur fonctionnement réciproque qu’il s’agit de décrire.« 48 Vorliegend soll aus diesem produktiven Archivbegriff nicht die Konsequenz erwachsen, eine wie auch immer ausgerichtete Diskursbeschreibung beispielsweise auf dem Feld der Museologie oder Kunstpolitik zu versuchen. Oder gar der Versuch, nach der Methode Foucaults zu arbeiten. Aber das kritische Bewusstsein für das an Panofskys Verständnis anschlussfähige Archiv als System der Institutionalisierung eines Diskurses soll deutlich machen, dass es sich bei den behandelten Dokumenten, die größtenteils der Kunstverwaltung und damit dem Feld der Politik entstammen, das mit dem Feld der Kunstgeschichte in Verbindung steht, um Monumente im Foucaultschen Sinne handelt, die Ausweis eines komplexen Beziehungsgeflechts sind. Dies meint mehr, als dass schon das Vorhandensein oder Fehlen eines Dokuments im Archiv eine Aussage darstellt, die es zum »Monument« macht. Ein Bewusstsein für Diskontinuitäten leitet die Untersuchung der Geschichte des Palais de Tokyo, da sich in den Brüchen das eigentliche Spiel der Aussagen in Diskursen zeigt. Diese Archive sind die Institutionalisierung eines Diskurses, der – dieses Gedankenspiel sei erlaubt – im Bau des Palais de Tokyo gewissermaßen eine tatsächliche, materielle, Institutionalisierung fand. Seine Untersuchung soll auch eine Archäologie, eine Analyse der Tatbestände der Diskurse sein. Sie ist nicht mög-
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lich, ohne die historischen Bedingungen ihrer Entstehung und ihre konstante Wechselwirkung einzubeziehen. Der folgende Überblick ist daher zugleich ein Überblick über die historische Entwicklung der französischen Kunstadministration. Die Geschichte ihrer Archivproduktion ist auch die der französischen Kunstpolitik seit der Revolution.
DER ZEITLICHE POLITISCHE HINTERGRUND IN FRANKREICH SEIT DEN 1930ER JAHREN Die Entstehung des Palais de Tokyo bis zur Neueröffnung des MNAM 1947 fällt in die Zeit dreier politisch höchst bewegter Phasen der Geschichte des französischen Staates. Die erste Entstehungszeit liegt in der IIIe République, deren Beginn und Ende zeitlich umrissen werden durch den 17. Februar 1871, Tag der Amtsübernahme des französischen Präsidenten Adolphe Thiers, und den 11. Juli 1940, als Präsident Albert Lebrun dem »Maréchal« Philippe Pétain offiziell die »fonctions de chef de l’État français« überließ.49 Die Bauphase nach dem offiziellen Architekturwettbewerb 1934 fällt in die Regierungszeit der linken Volkfsront. Pascal Orys monumentale Studie zur Kulturpolitik des Front Populaire von 1935 bis 1938 verweist auf die doppelte kulturelle Krise an ihrem Beginn: Den Siegeszug der Massenmedien seit 1930 mit ungeahnten Millionenauflagen einer neuen, stärker bebilderten und spektakulären Informations- Unterhaltungs- und Jugendpresse und dem seit 1929 endgültig eingeführten Tonfilm; sowie die ökonomische seit der internationalen Finanzkrise 1929, die sich verschlimmerte, da Einnahmen aus dem Tourismus empfindlich zurückgingen. 50 An die Dritte Republik schließt sich ab 1940 die Regierungszeit der zivilen und militärischen Kabinette Pétains im sogenannten »État français« an: Die französische Assemblée nationale überträgt Pétain am 10. Juli 1940 die »pleins pouvoirs«; das Regime hat seinen Sitz in Vichy bis August 1944. 51 Nach der Befreiung gab es bis 1946 Übergangsregierungen, gefolgt von der parlamentarischen IV. Republik von 1947 bis 1958. 52 Die für das MNAM im Palais de Tokyo entscheidende dritte Phase mit wichtigen kulturpolitischen Impulsen ist die seit der Annahme der neuen Verfassung per Referendum vom 4. Oktober 1958 bestehende V. Republik, mit de Gaulle als erstem Präsidenten von 1959 bis 1969. 53 André Malraux (1901–1976) wird die Leitung des neu geschaffenen Kulturministeriums übertragen (1959–1969). 54 Der Autor und Politiker Malraux ist als Kulturminister einflussreich, aber auch als Autor des erstmals 1947 publizierten imaginären Museums. 55 Georges Pompidou, Präsident von 1969 bis 1974, hingegen erklärt die Kulturpolitik zur Chefsache. 56 Die Einrichtung des Plateau Beaubourg mit dem 1969 beschlossenen und von Renzo Piano, Richard Rogers und Gianfranco Franchini erbauten und schließlich 1977 von Pompidous Nachfolger Valéry Giscard d’Estaing eröffneten Centre National d’art et de Culture Georges Pompidou kann als »Matrix einer vom Staatschef gewollten neuen französischen Kulturpolitik« gelesen werden. 57 Die präsi-
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diale Einbringung hält unter Giscard d’Estaing von 1974 bis 1981 an und findet in der Einrichtung des Musée Picasso im Hôtel Salé und seinem 1978 gefassten Beschluss zur Schaffung des Musée d’Orsay für die Kunst des 19. Jahrhunderts nach 1848 ihren Ausdruck. Das Musée d’Orsay wurde 1982 begonnen und 1986 von seinem Nachfolger Mitterand eröffnet. Allerdings folgt auf die Eröffnung des Centre Pompidou 1977 kein ambitioniertes Konzept für die Nachnutzung des Palais de Tokyo. 58 Die Amstzeit des Sozialisten François Mitterand von 1981 bis 1995 markiert einen Höhepunkt staatlicher Kulturarbeit nicht nur in den grands travaux; großen Einfluss hat Kulturminister Jack Lang, der in den 1980er Jahren im Palais de Tokyo das Projekt des Palais des Images lanciert. 59
DAS FRANZÖSISCHE KUNSTMUSEUM, EINE POLITISCHE INSTITUTION SEIT DER REVOLUTION Dominique Poulot hat aufgezeigt, dass das französische Museum seit Beginn des modernen Diskurses von einem klaren politischen Rahmen abhängig ist, der immer einer »Leidenschaft für das Gesetz« unterliege, einem Erbe der französischen Revolution.60 Zielte die Einrichtung des Louvre als öffentliches Museum mit den konfiszierten Gütern der Aristokratie auf ausländische Besucher und studierende Künstler wie auch Amateure, so knüpfte sie einerseits an das antike demokratische Ideal der schönen und praktischen Künste an, richtete sich andererseits aber auch gegen eine Kennerschaft der Kreise von Handel und Sammlern.61 Die Demokratisierung des Kunsterlebnisses und der Bildung zollt der politischen Wirkmacht kultureller Praxis Rechnung: »La Révolution n’a pas pour mission de créer une nouvelle culture, mais de reconnaître le rôle révolutionnaire de la culture.« 62 Mit der Revolution hatte in Frankreich ein komplexer Ausdifferenzierungsprozess der Verwaltung und Kulturpolitik eingesetzt, denn es entstanden zahlreiche Museen für Kunst, Naturwissenschaft und Technik. Sie waren ein zentrales Instrument der Dezentralisierung und Demokratisierung der Kultur.63 Mit der Revolution stellte sich die Frage nach dem Umgang mit den Kulturgütern Frankreichs. 64 Diese Evolution der staatlichen Kulturverwaltung hielt bis in die Dritte Republik hinein an.65 Die Eröffnung des ersten Museums lebender Künstler im Palais du Luxembourg 1818 mit 74 Gemälden, darunter, bis 1821, 17 alte Werke, zeigt wiederum sowohl eine Kontinuität zur an selber Stelle 1801 bis 1803 auf Wunsch des Senats eingerichteten Galerie, als auch zur noch älteren, schon 1796 formulierten Idee eines Musée Olympique de l’École vivante des Beaux-Arts; neben dem »Pantheon« der historischen Künstler im Louvre sollte es für Künstler der Gegenwart eine Ruhmeshalle sein und Europa das »Genie« der französischen Schule präsentieren.66 Das seit 1615 für Maria Medici erbaute Palais du Luxembourg war immer schon ein Ausstellungsort. Neben den 24 großformatigen Gemälden, die noch sie selbst bei Rubens für eine Galerie in Auftrag gegeben
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hatte, waren hier seit 1750 Teile der königlichen Sammlung öffentlich zugänglich, bis die Galerie 1780 schloß aufgrund des Umbaus für einen Einzug des Comte de Provence, später Ludwig XVIII. Die Eröffnung des Musée des Artistes vivants unter dessen Herrschaft 1818 ist dann vor allem eine logische Folge der nach 1815 notwendigen Restitution zahlreicher von Napoleon für den Louvre zusammengetragener Kunstwerke an die europäischen Mächte. Die napoleonischen Beutezüge hatten eine Debatte über versetzte Kunstgüter und den Umgang mit dem europäischen Kulturerbe ausgelöst, allen voran die nach dem Vertrag von Tolentino 1797 von Rom nach Paris verbrachten Kunstschätze.67 Quatremère de Quincy kritisierte mit den bekannten Lettres à [Francisco de] Miranda die Entnahme von Kunstwerken aus ihrem kulturhistorischen Kontext.68 Er kritisierte besonders die Politik des sogenannten »Rapatriement« von Kunstwerken aus ganz Europa durch die siegreichen republikanischen Truppen unter Bonaparte.69 Die Debatte wurde in ganz Europa geführt und fand bei so prominenten Autoren wie Schiller oder Stendhal Niederschlag. Nach dem Wiener Kongress setzte die Rückführung in Ursprungsländer ein. 70 Mit dem ersten Museum zeitgenössischer Künstler gab sich die restaurierte Bourbonen-Monarchie einen nationalen und modernen Anstrich und brach mit dem republikanischen Ideal der Antike.
QUELLEN IN DEN NATIONAL ARCHIVEN: AKTEN DES WIRTSCHAFTSUND KULTUSMINISTERIUMS Die Konsultation der Archive der staatlichen Kulturpolitik zur Geschichte des Palais de Tokyo ist von höherer Bedeutung etwa als öffentliche Primärquellen wie der zweibändige offizielle Katalog der Weltausstellung, oder der von Generalkommissar Edmond Labbé für das Ministère du Commerce et de l’Industrie herausgegebene Abschlussbericht in elf Bänden, der von 1938 bis 1940 erschien. 71 Die Archive des französischen Staates und seiner Ministerien und Organe für die Zeit nach der Revolution von 1789 bis heute sind seit 2013 beherbergt am neuen Standort der Archives nationales in Pierrefitte-surSeine (Saint Denis). 72 Die Bestände zur Kunstpolitik sind aufgrund ihrer unsystematischen Übergabe durch Verwaltungen inkohärent. Für die vorliegende Untersuchung relevant sind jene Serien, die den Bau des Palais de Tokyo, die Einrichtung des MNAM, die administrative Verwaltung und weitere Nutzungsprogramme betreffen. Die interessierenden Bestände finden sich in den Serien F/12. Commerce et industrie und F/21. Beaux-Arts. 73 Die Serie F/12 umfasst die Akten des Ministère du Commerce et de l’Industrie, dessen Außenhandelsdienst die wirtschaftspolitisch motivierte Ausrichtung der Weltausstellung 1937 unterstand und damit auch die Konzeption, Planung und der Bau des Palais de Tokyo. 74 Die Pariser Weltausstellungen waren aber ebenso Eckpfeiler der Kunstförderung, denn der Staat kaufte oder bestellte für sie Kunstwerke und gab die Ausstattung der Pavillons in Auftrag. Die Nationalarchive sind eine umfangreiche
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Quelle zur staatlichen Ankaufspolitik, in der die Weltausstellungen damit einen zentralen Platz einnehmen. 75 Bis zur Gründung des Kulturministeriums 1959 unterstand Kultur dem Ministère de l’Instruction publique. Seine Archive bilden die Unterserie F/17, jedoch wurden die »Beaux-Arts« betreffende Dossiers separat in der Unterserie F/21 klassifiziert, wo die Archive der verschiedenen Verwaltungen der »Beaux-Arts« seit Beginn des 19. Jahrhunderts versammelt sind. 76 Diese für kunsthistorische Recherchen zur Zeit nach 1789 wichtigste Quelle der Nationalarchive verfügt über keinen kohärenten Klassifizierungsplan. 77
DIE DIRECTION DES BEAUX-ARTS Die Verwaltung der »Beaux-Arts« unterlag im Second Empire dem Ministère de la Maison de l’Empereur, danach dem Innenministerium und ab 1870 einem Service des Beaux-Arts im 1832 gegründeten Ministère de l’Instruction publique. 78 In der Dritten Republik (1870–1940) wurde staatliche Kulturpolitik über die Direction des Beaux-Arts im Ministère de l’Instruction publique geführt. 79 Das Ministerium wird 1932 umbenannt in Ministère de l’Éducation nationale, als der frühere Ministre de l’Instruction publique et des Beaux-Arts (1926–1928) Édouard Herriot (1872–1957) vom linken Parti Radical kurzzeitig Regierungschef ist. 80 Unter »Beaux-Arts« sind die administrativen Bereiche der darstellenden Künste einerseits und der bildenden Kunst mit Museen und Monumenten andererseits zusammengefasst, wobei sich die »Aufteilung der schönen Künste« in verschiedenen Abteilungen, den »bureaux«, widerspiegelt. 81 In der Dritten Republik ist das Museum Instrument der staatlichen Kulturpolitik, die auf öffentlichen Wohlstand, eine Stärkung des als »französisch« empfundenen Kunstgeschmacks und eine Verankerung der Regierung zielt; vom linken Minister und früheren Professor für Kunstgeschichte Charles-Maurice Couÿba stammt die Losung: »L’art libre sous l’État protecteur.« 82 Er trat für eine Steigerung der staatlichen Ausgaben für die Künste und der Wirtschaftlichkeit der Museen ein, etwa die Einführung von Eintrittsgeldern für ausländische Besucher und eine Gebührenpflicht für Garderoben. 83 Besonders während der Erstarkung der administrativen Zentralisierung und der Exekutivgewalt nach dem Ersten Weltkrieg vervielfachten sich ministerielle Kommissionen. 84 Der Vorlauf des Neubaus für ein nationales Museum moderner Kunst fällt in die Amtszeit von drei Staatssekretären in Ministerrang, denen die Direction des Beaux-Arts unterstand. Edouard Herriots Nachfolger ist von 1928 bis 1930 André François-Poncet (1887–1978). 85 Ihm folgte Anatole de Monzie (1876–1947). Er war 1932 bis 1934 Ministre de l’Éducation nationale und setzte sich in dieser Eigenschaft vor allem für Bildungsgerechtigkeit ein. 86 Von 1934 bis 1936 gab es schnelle Wechsel im Amt, bis es Jean Zay (1904–1944) übernahm. Von 1936 bis zu seinem Eintritt in die Armee 1939 war er Ministre de l’Éducation nationale. Mitglied der radikal-sozialistischen Partei, zum Teil
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jüdischer Abstammung, setzte er nach der letzten Zusammenkunft des Parlaments in Bordeaux im Juni 1940, bei der ein Transfer der französischen Regierung nach Nordafrika erwogen wurde, mit anderen Parlamentariern an Bord der Massilia nach Marokko über, wo er im August 1940 unter dem Vorwand, »Flucht vor dem Feind« begangen zu haben, festgenommen wurde. Er wurde in Frankreich interniert und Opfer öffentlicher anti-jüdischer und anti-sozialistischer Kampagnen. Noch 1940 von einem Militärtribunal zur Verbannung verurteilt, wurde er ab Januar 1941 jedoch in Riom inhaftiert. Im Juni 1944 wurde er von drei Angehörigen der Milice, des Kampforgans des VichyRegimes gegen die Résistance, ermordet. 87 Im Bereich der Administration générale des Beaux-Arts sind die Archive der Direktoren und zum Teil der Staatssekretäre für das Palais de Tokyo von Interesse (es sind Akten aus dem Zeitraum von 1870 bis 1941 vorhanden). Von 1919 bis Ende 1932 war der Historiker Paul Léon (1874–1962) Directeur général des Beaux-Arts. Er wurde später beigeordneter Generalkommissar der Weltausstellung 1937. 88 Von 1932 bis 1934 hatte Émile Bollaert (1890–1978) den Posten inne. 89 Für die vorliegende Untersuchung sind besonders Akten aus den Amtszeiten Georges Huismans und Louis Hautecoeurs von Interesse. Georges Huisman (1889–1957) war Directeur général des Beaux-Arts von 1934 bis 1940 90; in seine Amtszeit fallen damit die Planungen zum neuen Musée d’Art moderne, der Bau des Palais de Tokyo und die Weltausstellung von 1937. Louis Hautecoeur (1884–1973) wiederum ist eine zentrale und problematische Figur der modernen französischen Kunstgeschichte. Als Historiker und Kunstkritiker war er sowohl akademisch als auch in der Verwaltung tätig und bekleidete wichtige Posten. 91 Daneben machte er als Kurator Karriere, zunächst von 1919 bis 1927 im Louvre und, als dessen letzter Kurator, am Musée du Luxembourg von 1927 bis 1937. Während der Expo 1937 war er Mitglied der Auswahlkommission für die Sektion Architektur und hielt als Directeur des Travaux d’art die Aufsicht über den Bau des Palais de Tokyo als neuem Musée d’Art moderne, dessen Direktor er von 1937 bis 1940 wurde. 92 In der Zeit des Vichy-Regimes von 1940 bis 1944 war er schließlich Directeur (Secrétaire générale) des Beaux-Arts im Ministère de l’Éducation nationale. Hautecoeurs politische Position zum Vichy-Regime ist schwer greif bar und oszilliert zwischen administrativer Effizienz, ästhetischem Konservatismus vor allem gegenüber ausländischer Kunst und dem (zurückhaltenden) Einsatz für seinen designierten Nachfolger am MNAM, den bekanntermaßen linken Jean Cassou. 93 Hautecoeur ist die zentrale Figur des internationalen Museografie-Kongresses in Madrid 1934 und treibende Kraft des Baus des Palais de Tokyo. Die zentrale Dienststelle der staatlichen Kunstpolitik innerhalb der Direction générale des Beaux-Arts ist das Bureau des Travaux d’art. Es geht zurück auf ein »bureau des beaux-arts« im Innenministerium aus dem Jahr VIII des Revolutionskalenders (1799– 1800) und erhält im Ministère de l’Instruction publique seinen Namen im Jahr 1882. Es unterliegt vielfältigen Veränderungen. Vor dem Ersten Weltkrieg sind hier die Divi-
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sion des services d’architectures und die Division de l’enseignement et des travaux d’arts zusammengefasst. Danach verschwinden die Unterteilungen und das Bureau untersteht direkt der mit der loi du 21 août 1919 wieder eingesetzten Direction des Beaux-Arts. Von 1934 bis 1936 trägt es die Bezeichnung Bureau des travaux d’art, musées, expositions, mobilier national et manufactures und behält seine Zuständigkeiten bis 1940. 94 Ab 1944 untersteht es der Direction des Arts plastiques in der neu gegründeten Direction générale des Arts et Lettres (DGAL). 1962 geht es schließlich im neuen Service de la création artistique auf. 95 Es ist besonders für Aufträge und Ankauf von Kunstwerken durch den Staat sowie Verteilung und Unterhalt dieser Kunstwerke zuständig. Einige seiner Depots verblieben bis 1991 im Palais de Tokyo. 96
DIE DIRECTION DES MUSÉES DE FRANCE UND QUELLEN IN DEN ARCHIVES DES MUSÉES NATIONAUX Die staatliche Museumsverwaltung wurde 1889 als Direction des musées nationaux gegründet und firmiert seit 2009 als Service des musées de France. Auch sie hat sich früh aus dem Innenministerium entwickelt. 97 Ab 1870 wurde die Verwaltung der nationalen und departementalen Museen im Bureau des Travaux d’art zusammengefasst und 1889 zusätzlich die im Louvre angesiedelte Direction des musées nationaux (DMN) gegründet. Ihr Direktor ist bis 1968 zugleich Direktor des Louvre. 1885–1896 wird die Réunion des musées nationaux (RMN) als ihre »Kasse« ins Leben gerufen. 98 1945 wird die DMN zur Direction des musées de France (DMF) und eine Unterdirektion der Direction générale des Arts et Lettres (DGAL) im Ministère de l’Instruction publique, ab 1959 im neuen Ministère de la Culture. 99 Seit der Verwaltungsreform 2009–2010 ist sie als Service des musées de France der neuen Direction générale des Patrimoines untergeordnet. Vorliegend ergibt sich daraus, dass neben den aus Ministerien stammenden Akten im Nationalarchiv der zweite für die Untersuchung zentrale Archivbestand in den Archives des musées nationaux (AMN) zu finden ist.100 Da es sich um nationale Institutionen handelt, finden sich hier, wie eingangs dargestellt, die Archive einzelner Museen wie Musée du Luxembourg und MNAM. Sowie daneben separat geführte Akten zum Projekt des Centre Pompidou und das Archiv des Musée d’Art et d’Essai (1977–1986), das auch über die Präsenz des Centre national de la Photographie und der Cinémathèque française im Palais de Tokyo und das abgebrochene kulturpolitische Großprojekt der Einrichtung einer »Maison des Images« in den 1980er und frühen 1990er Jahren informiert.101
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STAATLICHE ARCHITEKTURADMINISTRATION: BÂTIMENTS CIVIL S ET PAL AIS NATIONAUX Die Direction des Bâtiments civils et Palais nationaux als Verwaltung besonders der vormals königlichen und kaiserlichen Gebäude besteht im Kern seit 1793 neben der Verwaltung der Travaux publics, deren primäre Aufgabe die öffentliche Infrastruktur ist.102 Bâtiments civils unterstand zunächst ab 1870 dem Ministère des Travaux publics. 1882 ging die Zuständigkeit über an das Ministère de l’Instruction publique.103 Die vielfach veränderte Verwaltungseinheit bestand im Kern aus einem »Conseil« (Rat) und einem »Service«.104 Der Conseil des Bâtiments civils wurde im Jahr IV des Revolutionskalenders (1795–1796) nach dem Scheitern eines gemischten »Conseil des Travaux Publics« aus den drei Bereichen Minen, Brücken und öffentliche Gebäude mit der Aufgabe gegründet, Arbeiten an öffentlichen Gebäuden sowie »les questions d’alignement dans les villes« zu beaufsichtigen. Verschiedene Dekrete sollten ihm zu mehr Gewicht verhelfen, so etwa eines Jean Zays vom 17. Juni 1938, das seine Aufsichtsfunktion erweitert über »tous les travaux importants éxécutés avec les deniers de l’Etat soit directement, soit à l’aide de subventions«; 1945 wird er umgewandelt in den Conseil des Bâtiments de France, um ihm eine wichtigere Rolle beim Wiederauf bau Frankreichs zuzuweisen und schließlich zum Jahr 1970 abgeschafft.105 Demgegenüber verwaltet der Service des Bâtiments civils et Palais nationaux unmittelbar ihm unterstellte staatliche Gebäude und Monumente.106 1833 wird die Direction des bâtiments civils gegründet, die den Service und den Conseil vereint; in der Zweiten Republik 1848–1852 und nach 1870 fällt ihr auch die Verwaltung der nationalen Paläste zu.107 Unter der Dritten (1871–1940) und Vierten Republik (1947–1958) ist der Service des Bâtiments civils et des Palais nationaux ein Teil des Ministère de l’Instruction Publique (ab 1932 Éducation nationale).108 Von 1896 bis 1906 und erneut 1920 bis 1940 unterstand Bâtiments civils der Direction générale des Beaux-Arts. Unter dem Vichy-Regime erlangt der Dienst ab 1940 eine neue Bedeutung mit einer eigenständigen Direction des services de l’architecture. Ab 1945 fällt er als eine Unterdirektion an die Direction de l’architecture im Ministère de l’Éducation nationale.109 Auch im neuen Kulturministerium 1959 wird Bâtiments civils in die Direction de l’Architecture eingegliedert.
DIE VERWALTUNG DER BEAUX-ARTS IM VICHY-REGIME, 1940–1944 UND NACH DER BEFREIUNG Unter Vichy unterstand die Verwaltung der Beaux-Arts dem Secrétariat d’État à l’Éducation nationale et aux Beaux-Arts zunächst unter der Leitung von Jérôme Carcopino (1881–1970) und, ab April 1942, Abel Bonnard (1883–1968). Von Juli 1940 bis März 1944 war Louis Hautecoeur ihr Directeur des Beaux-Arts. Neue Unter-Struk-
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turen dienten der antisemitischen und gleichschalterischen Politik, beispielsweise etwa das Comité d’organisation des entreprises de spectacles (COES) oder das Comité d’organisation des industries du cinéma (COIC).110 Das Bureau des Travaux d’art ist in dieser Zeit Teil des Service de l’Enseignement, des Travaux d’art et des Spectacles unter der Leitung von Joseph Allirol. Im Juli 1942 ist dieser aufgebaut aus folgenden vier Diensten: Ein Bureau de l’Enseignement, des Manufactures et du Mobilier national, ein Bureau des Travaux d’art, Musées, Expositions unter der Leitung von Vincent Poli, ein Bureau de la Musique et des Spectacles und ein Service de l’Action artistique à l’étranger.111 Nach der Befreiuung Frankreichs 1944 wurden die services des Beaux-Arts auf zwei Generaldirektionen aufgeteilt. Eine ordonnance der vorläufigen Regierung der französischen Republik vom 20. November 1944 installierte im Ministère de l’Éducation nationale neben der eigenständigen Direction de l’architecture unter der Leitung des Chefarchitekten Robert Danis (1879–1949) eine Direction générale des Arts et Lettres (DGAL) unter der Leitung von Jacques Jaujard (1895–1967)112: Eine Direction des bibliothèques et de la lecture publique, eine Direction des archives de France, eine Direction des spectacles et de la musique, einen Service des lettres, die Direction des musées de France (DMF) und die Direction des Arts plastiques, deren Direktor Robert Rey (1888–1964) ist. Sie umfasst ein Bureau de l’enseignement, ein Bureau du mobilier national et des manufactures nationales sowie das Bureau des Travaux d’art. 1947 werden DGAL und Direction de l’architecture angebunden an das von Januar bis November 1947 kurz bestehende Ministère de la Jeunesse, des Arts et des Lettres. Zu 1948 ging die DGAL wieder an das Ministère de l’Éducation nationale über, die Direktionen der französischen Archive und der Bibliotheken wurden autonom.113
EIN EIGENES KULTURMINISTERIUM SEIT 1959 Mit Dekret vom 3. Februar 1959 wurde in der Fünften Republik das Ministère des Affaires Culturelles gegründet, mit André Malraux als erstem Kulturminister.114 Vom Ministère de l’Éducation nationale übernahm es die Aufgaben der DGAL und der Direction de l’architecture. Ab 1959 versammelt es drei Direktionen:115 Zunächst die DGAL;116 sie hat hier die vier Untersektionen der Sous-direction des spectacles et de la musique, der Direction des musées, des Service des enseignements, des Service des lettres und des Service de l’éducation populaire. Daneben existiert die Direction de l’architecture.117 Dritte Direktion des Ministeriums ist die der archives de France. Zu den drei Direktion kommen die drei Service de la jeunesse et du sport, das Centre National de la Cinématographie (CNC) und der Service d’Administration générale hinzu.118 Die DGAL wird 1969 aufgelöst und ihre Abteilungen eigenständig.119 Weitere Abteilungen für kulturelle Aktionsfelder werden in nachfolgenden Jahren gegründet: Direction du théâtre,
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de la musique et de l’action culturelle (1961), Service de la création artistique (1962) und Inventaire général des monuments artistiques de la France (1964), Service des fouilles et antiquités nationales (1964) sowie das Centre National d’Art Contemporain (CNAC, 1967). Letzteres hatte die Aufgabe, die Sammlung zeitgenössischer Kunst des Staates, den Fonds national d’art contemporain (FNAC), anzureichern. Das CNAC wurde 1977 in das neue Centre Pompidou integriert, worauf dessen Titel hinweist: Centre national d’art et de culture Georges-Pompidou. 1982 wurde das Centre National des Arts Plastiques (CNAP) gegründet. Es hat seinen Sitz in La Défense und verwaltet im Auftrag des Staates den FNAC. Das CNAP, das damit die Kernaufgaben des früheren Bureau des Travaux d’Art übernommen hat, verfügt über keine eigenen Räumlichkeiten und sieht sich einer dezidiert nicht-musealen Arbeit mit den Kunstwerken des Staates verpflichtet, die an Museen, Institutionen und öffentliche Einrichtungen verliehen und in Ausstellungskooperationen präsentiert werden.120 Es untersteht seit der Verwaltungsreform des Kulturministeriums 2010 der Direction générale de la création artistique, die aus der früheren Délégation aux Arts plastiques und der früheren Direction de la musique, de la danse, du théâtre et des spectacles gebildet wurde. Die Verwaltung der Museen unterliegt seit 2010 der zweiten Generaldirektion des Kulturministeriums, der Direction générale des patrimoines, die aus den früheren Direktionen der musées de France (DMF), der archives de France (DAF) und der Direction de l’architecture et du patrimoine (DAPA) gebildet wurde. Diese vier Aufgabenfelder sind nun je einem service zugeordnet. Weitere Kerndirektionen des Kulturministeriums sind seit 2010 ein Generalsekretariat, die Direction générale des médias et des industries culturelles und eine Délégation générale à la langue française et aux langues de France.121
MUSEUMSINSEL , MUSEUM OF MODERN AR T, MUSÉE D’AR T MODERNE: NATIONALE KULTURPOLITIK UND INTERNATIONALER AUSTAUSCH In der Planungsphase des Palais de Tokyo als neuem staatlichem Museum moderner Kunst zur Weltausstellung 1937 kam das Ansinnen der Stadt Paris hinzu, daneben ein eigenes neues Museum moderner Kunst zu bauen. In der Folge auf die Gründung des Völkerbundes wird in dieser Zeit der internationale Austausch forciert. Kunstmuseen als Orten der öffentlichen Bildung und der ästhetischen Reflexion wurde eine wichtige gesellschaftliche Funktion eingeräumt. Zugleich verlangte die steigende öffentliche Wahrnehmung der modernen Kunst nach eigenen museologischen Lösungen. Lebhaft tauschten sich Museen im Office Internationale des Musées (OIM), einer Unterorganisation des Institut de Coopération Intellectuelle (IICI), dem Vorläufer der UNESCO, über
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die Entstehung gänzlich neuer Museen in Europa und Amerika, ihre Konzeption und Funktion aus. Dieser internationale Diskurs hatte entscheidenden Einfluss auf die Konzeption des Palais de Tokyo. Paris war mit dem Musée du Luxembourg zum Geburtsort des ersten Museums zeitgenössischer Kunst geworden.122 Mehr noch als in einer international frequentierten Kunstszene sieht Pedro Lorente den Grund dafür in der starken französischen Kulturpolitik. Er bezieht sich dazu aus nicht weiter ausgeführten Gründen auf Walter Benjamins Beschreibung Paris, Capitale du XIXe siècle.123 Tatsächlich aber reicht Benjamins Analyse viel weiter über die staatliche Kunstpatronage hinaus. Im Passagen-Projekt erkennt er in Paris die besondere historische Konstellation von kunsthistorischer Entwicklung, kapitalistischer Produktion und staatlicher Politik, die sich besonders in den Weltausstellungen kristallisiert: »Die Weltausstellung von 1855 bringt zum ersten Mal eine Sonderschau ›Photographie‹. [...] Als der Impressionismus dem Kubismus weicht, hat die Malerei sich eine weitere Domäne geschaffen, in die ihr die Photographie vorerst nicht folgen kann. Die Photographie ihrerseits dehnt seit der Jahrhundertmitte den Kreis der Warenwirtschaft gewaltig aus [...] Weltausstellungen sind die Wallfahrtstätten zum Fetisch Ware. ›L’Europe s’est déplacé pour voir des marchandises‹, sagt Taine 1855.«124 Bis etwa 1929 war Benjamins Projekt ein Essay mit dem Titel Pariser Passagen. Eine dialektische Féerie, nahm aber bald die Form des neuen Versuchs an, mit dem Prinzip der Montage von »Material und Theorie, Zitat und Interpretation« historischen Materialismus »anschaulich« durchzuführen.125 Mit ihm wird deutlich, dass in Paris in den 1930er Jahren eine Konstellation aus künstlerischer Avantgarde, medientechnischem Fortschritt und Politik des 19. Jahrhunderts gleichsam hinter den sichtbaren Bildern der Gegenwart fortwirkt. Im Exposé der Passagen von 1935 heißt es über die Weltausstellungen: »Den Weltausstellungen gehen nationale Ausstellungen der Industrie vorher, von denen die erste 1798 auf dem Marsfelde stattfindet. Sie geht aus dem Wunsch hervor, ›die Arbeiterklassen zu amüsieren und wird für dieselben ein Fest der Emanzipation‹. Die Arbeiterschaft steht als Kunde im Vordergrund. Der Rahmen der Vergnügungsindustrie hat sich noch nicht gebildet. [...] Die Weltausstellungen verklären den Tauschwert der Waren. Sie schaffen einen Rahmen, in dem ihr Gebrauchswert zurücktritt. Sie eröffnen eine Phantasmagorie, in die der Mensch eintritt, um sich zerstreuen zu lassen. Die Vergnügungsindustrie erleichtert ihm das, indem sie ihn auf die Höhe der Ware hebt.«126
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Von den frühen Industrieschauen unterscheiden sich die Weltausstellungen zum Ende des 19. Jahrhunderts dadurch, dass nun nicht Arbeiter, sondern Konsumenten angesprochen werden. Der Mensch wird selbst zum Gegenstand der Warenwelt. Das Konvolut G seiner Aufzeichnungen und Materialien trägt den Titel »Ausstellungswesen, Reklame, Grandville« und enthält jenes Gedankenbild Benjamins, das die Auswirkungen dieses Zusammenspiels von Kunst- und Wirtschaftsgeschichte, Reproduktion und Warenwelt auf die frühen Museumsgründungen des 20. Jahrhunderts auf den Punkt zu bringen scheint:127 »Die Ausstellungen der Industrie als geheimes Konstruktionsschema der Museen – die Kunst: in die Vergangenheit projizierte Industrieerzeugnisse.«128 Das Notat folgt auf eines, in dem der Zusammenhang zwischen der ersten Londoner Weltausstellung 1855 und der anschließenden Gründung des South-Kensington-Museums hergestellt wird.129 In ihren Fluchtpunkt in der Gegenwart der Mitte der 1930er Jahre gesetzt, gewinnt Benjamins Diagnose der Weltausstellungen als »geheimes Konstruktionsschema der Museen« des 19. Jahrhunderts aber eine fast hellseherische Kraft. Exakt zur selben Zeit laufen 1935 die Vorbereitungen zur Expo 1937 und damit dem lange ersehnten Bau der neuen Museen moderner Kunst. Das Missfallen über das beengte Museum lebender Künstler im Musée du Luxembourg war schon lange groß. Die Sammlung des Museums wuchs beständig trotz Abgängen der Werke verstorbener Künstler in den Louvre, Leihgaben in Provinzmuseen und des Umstands, dass angekaufte Portraits und Historienbildern dem historischen Museum in Versailles zugingen. 1848 zählte die Sammlung 149 Gemälde, unter dem Second Empire schon über 200.130 Schon 1882 versprach der Ministre de l’Instruction Publique Jules Ferry einen Neubau, nachdem 1879 der Senat in das Palais du Luxembourg und das Museum eigentlich provisorisch in dessen Orangerie gezogen waren.131 Andererseits wurde zunehmend zu einer nationalen Angelegenheit, dass die Repräsentation der zeitgenössischen Kunstproduktion in Paris hinter anderen europäischen Metropolen zurückstand. 1925 fragte die Zeitschrift Art vivant bedeutende Intellektuelle, Künstler, Kritiker und Galeristen, darunter Alfred Flechtheim, Daniel-Henry Kahnweiler, Moïse Kisling, Francis Picabia, Ambroise Vollard und Berthe Weill, was sie von der Schaffung eines »Musée Français d’art moderne« hielten.132 Es handelt sich um einen Zwischenmoment nach dem Transfer der Sammlung ausländischer Kunst ins Jeu de Paume 1922 und vor der Verlegung des dann »historisch« gewordenen Legs Caillebotte in den Louvre 1927–1928.133 Yves Michaud weist darauf hin, dass nur einer der Befragten auf die Architektur eines solchen Museums einging und keiner die Trennung von ausländischer und französischer Kunst hinterfragte. Auch fehle jegliche Reflexion, was »moderne Kunst« eigentlich sei.134 1931 widmete sich eine 380 Seiten starke Nummer der Cahiers de la République des lettres, des sciences et des arts dem Monothema »Musées« mit Äußerungen von vierzig Beiträgern, darunter internationale wie der stellvertretende Direktor des Art Institute
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of Chicago Charles Fabens Kelley oder James Laver, Kurator am Victoria and Albert Museum.135 Sie bilden den Kontext für Beiträge über die Notwendigkeit eines neuen französischen Museums moderner Kunst136 oder seine mögliche Museografie, zu der sich Georges Wildenstein äußerte.137 Die Distanz des Luxembourg zur ersten Reihe der zeitgenössischen Kunstproduktion wurde immer offensichtlicher.138 »Peut-on dire que le Musée du Luxembourg soit digne de l’art français?«, fragt in einem Bericht über sein Haus 1931 der Kurator des Musée du Luxembourg, Louis Hautecoeur – und antwortet selbst: »Il nous semble qu’il y a une contradiction entre la richesse de notre art et la pauvreté de ce musée.«139 Damit bilden drei Faktoren den Hintergrund der in den 1930er Jahren forcierten Konstruktion eines neuen Museums moderner Kunst: Der internationale Austausch, die Zusammenarbeit von Museen im Geiste der Völkerverständigung und die Notwendigkeit eines angemessenen architektonischen Rahmens für nationale zeitgenössische Kunstproduktion. Sie zeigen, dass die Konzeption des Palais de Tokyo von Anfang an Ausweis eines internationalen Interesses und einer Orientierung an der Gegenwart ist. Als Museum zeitgenössischer Kunst soll es selbst zeitgenössisch sein. Die französische Direction des Beaux Arts beobachtete, wie im Folgenden zu sehen sein wird, den internationalen Diskurs über Museen und ihre Entwicklung aufmerksam, darunter die Eröffnung der Neubauten auf der Berliner Museumsinsel und die Gründung des New Yorker MoMA 1930. Über das Office International des Musées stand sie aber auch in einem internationalen intellektuellen Austausch, der bis zur kunstwissenschaftlichen Methodenreflexion und Diskussion von Erwin Panofskys Modell der Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst reicht. Die Frage des modernen Kunstmuseums teilt die Kennzeichen der »modernen« Kunstwissenschaft in der Verbindung von Kunst und übrigen Bereichen des Lebens. Bei der Entstehung neuer Museen zeitgenössischer Kunst in der Moderne sind urbanistische Planungen entscheidend.140 Stadterneuerung war besonders in Paris seit dem Second Empire eines der definitorischen Elemente von Modernität. Griselda Pollock verweist dazu auf T.J. Clarks Studie über die Darstellung der Konsumkultur in den Werken Manets und seiner Nachfolger, die zeigen, wie »Modernität« eine Frage der Repräsentation eines »neuen Paris«, geprägt von Freizeit, Konsum, Schauspiel und Geld wurde.141 Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich in allen westlichen Metropolen eine dezidiert urbanistische Diskussion und bildete den Hintergrund aktueller Museumsprojekte. Hinzu kommt die vom Völkerbund vorangetriebene Information über Museen und kunstwissenschaftliche Forschung und Methoden. Zeitgenössische Kunst tritt, wie zu zeigen sein wird, damit sowohl innenpolitisch, als auch im internationalen Austausch in den Vordergrund, wo sie in der kunsthistorischen Reflexion als Argument für neue Ansätze einer integrierenden Bildwissenschaft herangezogen wird. Sie zeigt sich als soziales Mittel, das Menschen und Nationen zusammenführen kann.
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MUSEUMSNEUBAUTEN AL S BESUCHERATTRAKTION: DAS VORBILD DER BERLINER MUSEUMSINSEL Die Attraktivität neuer Museumsbauten für eine Stadtentwicklung in der Moderne zeigte sich der französischen Kulturpolitik in den 1930er Jahren an konkreten Beispielen.142 Eines sind die drei neuen, 1930 eröffneten Flügel des heutigen Pergamon-Museums: Das sogenannte Deutsche Museum im Nordflügel, das nach einer Idee von Wilhelm von Bode die deutsche Kunst, vor allem Malerei und Skulptur, zusammenfassen sollte; das eigentliche Pergamon-Museum mit dem bekannten Altar; und das Vorderasiatische Museum aus vorderasiatischer Abteilung und islamischer Kunst im Südflügel, dessen Säle mit dem Ischtar-Tor und der Prozessionsstraße aus Babylon 1930 eröffnet wurden. In den 1920er Jahren hatten museografische Debatten um diese vor dem Ersten Weltkrieg begonnenen Museen Anlass zum scharf geführten »Berliner Museumskrieg« gegeben. Gegen von Bodes Willen, der Stilräume geplant hatte, setzten sich neutrale Museumsräume durch, wie sie der ausführende Architekt Ludwig Hoffmann forderte um ein konzentriertes Studium des einzelnen Kunstwerks zu erlauben.143 Thomas W. Gaehtgens weist darauf hin, dass der Konzeptionswandel einen Epochenbruch darstellt, »Ausdruck einer neuen, der neuen Sachlichkeit entsprechenden Kunstanschauung«.144 Auch zu einer Debatte über die museale Inszenierung von Kunstgeschichte gaben sie Anlass, als Oscar Wulff, Leiter der Abteilung altchristlicher Altertümer, von Bode 1927 scharf kritisierte und eine Vernachlässigung der Lehrsammlungen mit Gipsabgüssen anprangerte, wobei er sich auf das Pariser Musée de sculpture comparée im Palais du Trocadéro bezog, um zu zeigen, was er nicht wollte, nämlich eine Sammlung von Abgüssen, die weit entfernt von der Originalsammlung im Louvre stehe.145 Die Eröffnung der drei Neubauten auf der Museumsinsel sorgte für einen Besucheransturm. In Paris war man darüber gut informiert. Denn noch im selben Herbst 1930 gab Wilhelm Waetzoldt (1880–1945), Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin von 1927 bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933, einen Bericht mit dem Titel »Die Ausdruckskraft der Zahlen!« über die Entwicklung der Besucherzahlen und Mittel der Museumsinsel, von dem ein Protokoll des Sous-Secrétariat d’État des Beaux-Arts in französischer Sprache Auskunft gibt.146 Zusammen mit dem Alten Museum, dem Neuen Museum und dem Kaiser-Friedrich-Museum (heute BodeMuseum) seien die drei neuen Ausstellungshäuser die beliebtesten Museen Berlins und ihre Besucherzahlen hätten auch zwei Monate nach der Hundertjahrfeier nicht nachgelassen. Das führt er nicht auf ausländische Besucher zurück, sondern die Anziehungskraft der neu erbauten Gebäude; zwar müsse man in einer kosmopolitischen Metropole wie Berlin Neugier und Sensationslust differenziert sehen, aber eine Verdreifachung der Besucherzahlen von 55.000 im Oktober 1929 auf 182.000 ein Jahr später sei beachtlich.147
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Waetzoldt weist auf die große Nachfrage nach Führungen hin mit über 50 Vorträgen in Sälen des Museums in einem Vierteljahr, und die Verkaufszahlen der Publikationen, von denen über 35.000 Exemplare des Informationsblattes des Pergamon zu 50 Pfennig, 10.000 Exemplare des Albums des »Deutschen Museums« und über 25.000 Bände des offiziellen Führers durch die staatlichen Museen verkauft wurden.148 Gleichwohl fehlten Finanzmittel: Vergleiche man die Mittel für Unterhalt und Erweiterung der Sammlungen in den Vorkriegsjahren 1909 bis 1914 mit jenen der Jahre 1925 bis 1930, sei eine Minderung um 50 % festzustellen. Darüber hinaus seien auch die allgemeinen Subventionen des Staates seit 1913 um 22 % zurückgegangen; trotz der 500.000 Quadratmeter Neubau sei das Personal nur um einen Anteil von 3 % erhöht worden. Um die hohen Besucherzahlen zu halten wurde an einem der drei kostenpflichtigen Wocheneintrittstage der Betrag von 50 auf 20 Pfennig gesenkt.
BEISPIELE AMERIKANISCHER MUSEUMSWIRTSCHAFT: MOMA UND PORTL AND ART MUSEUM Finanzen waren auch in den 1930er Jahren ein international viel diskutierter Faktor der Einrichtung von Museen. Alfred H. Barr (1902–1981), der Gründungsdirektor des New Yorker Museum of Modern Art (MoMA), schrieb nach den ersten fünfzehn Monaten des experimentellen Betriebs seines Museums einen Brief an den damaligen französischen Directeur général des Beaux-Arts, Paul Léon, in dem er um ein Empfehlungsschreiben ersucht, das er zusammen mit solchen von wichtigen europäischen Museen – Louvre, Tate Gallery und Berliner Nationalgalerie – einer Bitte an die drei großen Stiftungen Carnegie, Harkness und Rockefeller um finanzielle Förderung für die Errichtung eines dauerhaften Ausstellungsgebäudes mit ausreichend Platz für eine Bestandssammlung beilegen wolle.149 Alfred Barr weist auf den unerwarteten Erfolg des neuen MoMA hin und erweist sich als geschickter Kommunikator, der sich um einen guten Kontakt zur französischen Direction des Beaux-Arts bemüht: »For the past fifteen months our Museum has been running as an experimental institution. The experiment has proven successful beyond all expectations. During the first year over two hundred thousand people attended seven important loan exhibitions. You have already received, I believe, catalogues of these exhibitions as well as of the Corot-Daumier exhibition.«150 Die Notwendigkeit eines eigenen Museums moderner Kunst für New York ergäbe sich aus dem Desinteresse des Metropolitan Museum. Barr orientiert sich explizit am Musée du Luxembourg, der Tate Gallery und der Nationalgalerie und bittet um Schützenhilfe: »We would appreciate especially some statement as to the advantage of main-
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taining a separate institution devoted to modern art. In New York we are much handicapped by the fact that there is only one art museum, the Metropolitan, and it has shown practically no interest in modern art.« Es macht nur Sinn, dass er sich an Paul Léon und die Direktoren der führenden europäischen Häuser wandte, denn das MoMA zeigte in seinen ersten beiden Saisons überwiegend Ausstellungen europäischer Künstler mit zahlreichen Werken aus europäischen Sammlungen. Seine Besucherzahlen der ersten Jahre zeigen, dass die mit Abstand bestbesuchten Ausstellungen jene der französischen Künstler und über Paris waren, und darüber hinaus sehr deutlich, wie sich ein Bewusstsein für die zeitgenössische amerikanische Kunst gerade erst auszubilden begann: Eine Ausstellung lebender amerikanischer Künstler folgt erst auf Platz vier.151 Als bisherige Leihgeber aus Frankreich nennt Barr auf einer beigelegten Liste dreizehn Sammlungen, darunter die Sammlungen Bernheim Jeune und jene des Modeschöpfers und bibliophilen Mäzens Jacques Doucet, aus Großbritannien fünf, darunter jene von Percy Moore Turner und Samuel Courtauld, aus Holland die Sammlung von van Goghs Neffen Vincent Willem, aus der Schweiz die Sammlung des deutschen G. F. Reber in Lausanne und aus Deutschland vier, wobei die Sammlung von Eduard Fuchs ins Auge springt.152 Über den marxistischen Publizisten, Sammler, Mäzen und Kulturwissenschaftler Fuchs (1870–1940)153 schrieb Walter Benjamin den Aufsatz Eduard Fuchs, der Sammler und der Historiker.154 Die auf Wunsch Max Horkheimers für die Zeitschrift für Sozialforschung verfasste Auftragsarbeit beschäftigte Benjamin seit 1934 mit Unterbrechungen. In seinem Pariser Exil, wohin er im Oktober 1933 von Ibiza kam, traf er Fuchs schon im November 1933, der Aufsatz wurde 1937 veröffentlicht.155 Fuchs und seine Methodik erlangten für Benjamin übergeordnete Bedeutung in einer Reflexion der Kulturgeschichte vom Materialismus her: »Die Zerschlagung der Vorstellung von einem Kontinuum der Kultur, die in dem Aufsatz über Fuchs postuliert wurde, muß erkenntnistheoretische Konsequenzen haben.«156 Fuchs nähme »an der Problematik teil, die von der Kulturgeschichte untrennbar ist«.157 Es ist die Frage, ob nach den technischen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts Einzeldisziplinen der Geisteswissenschaften gegenüber der Naturwissenschaft durch eine Kulturgeschichte ersetzt werden müssten. Benjamin verneint.158 Der Begriff der Kultur ist problematisch, weil er eine Abgeschlossenheit der Vergangenheit voraussetzt: »Sie erscheint verdinglicht. Ihre Geschichte wäre nichts als der Bodensatz, den die durch keinerlei echte, d.i. politische Erfahrung im Bewußtsein der Menschen aufgestöberten Denkwürdigkeiten gebildet haben.«159 An Fuchs macht Benjamin fest, wie dessen Sammlertätigkeit die Unzulänglichkeiten im kulturwissenschaftlichen Werk komplettieren könnte, aber auch das Paradoxon des gleichzeitigen großbürgerlichen Gestus, mit Reproduktionswerken der eigenen Sammlung reich zu werden. Fuchs, der eine gewaltige Sammlung von Karikaturen, erotischen Darstellungen und weiteren Kunstwerken, etwa Daumiers, zusammentrug, war auch in Frankreich bekannt, das ihm nach der nationalsozialistischen Machtergreifung und Beschlagnahmung seiner Sammlung zum Exil wurde.
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Benjamin zitiert die souveräne Stellung Fuchs’ auf dem Pariser Kunstmarkt: »Der Senior der Kunsthändler von Paris pflegte um die Jahrhundertwende von ihm zu sagen: ›C’est le Monsieur qui mange tout Paris‹.«160 Sein Aufsatz über Fuchs ist Anlass einer vielzitierten Reflexion über die Figur des Sammlers. Er enthält aber auch eine wichtige Analyse des öffentlichen Museums in einer Zeit, in der sich international die Museen moderner Kunst formieren. Sozial und wissenschaftlich fortschrittlicher, fehle dem Museum mitunter die Entdeckungskraft des Sammlers: »Wenn öffentliche Sammlungen sozial minder problematisch, wissenschaftlich nützlicher sein könnten als private, so entgeht ihnen doch deren größte Chance. Der Sammler hat in seiner Leidenschaft eine Wünschelrute, die ihn zum Finder von neuen Quellen macht. Das gilt von Fuchs, und darum mußte er sich im Gegensatz zu dem Geiste fühlen, der unter Wilhelm II. in den Museen herrschte. Sie hatten es auf die sogenannten Glanzstücke abgesehen.«161 Gerade in amerikanischen Museen hat sich seither, allen voran im Modellfall des in den 1930er Jahren aufgebauten New Yorker MoMA, diese Überlegung manifestiert in der Bedeutung privater Stiftungen und der Besetzung von Beiräten mit wichtigen Sammlern. Neben finanziellen Faktoren ist auch das Ziel einer engen Bindung zum Publikum dies- wie jenseits des Atlantiks treibend. Besonders die Suche nach Strategien, einem amerikanischen Publikum amerikanische Kunst zu präsentieren, zeigt, dass die kritische Distanz kuratierter Ausstellungen das Ergebnis eines graduellen Prozesses ist, wobei sie oft genug als eine »complex mixture of eliticism and canny borrowing from popular culture« erscheint, etwa wenn das MoMA während der Depression Settings verwendet, die an populäre Vorstellungen reicher Privatheime erinnern sollen.162 Der Wunsch nach einer gesellschaftlichen Einbindung von Institutionen äußert sich auch in kleinen Häusern. So beschreibt etwa der Architekt Pietro Belluschi in einem Erfahrungsbericht, den Louis Hautecoeur zur Vorbereitung der internationalen Konferenz über Kunstmuseen in Madrid 1934 erhielt, die finanziellen Herausforderungen beim Neubau des kleinen Museums der Portland Art Association in Portland, Oregon, auf einem Erdgeschoss einer früheren Schule zwischen 1930 und 1932.163 Das 1892 gegründete Portland Art Museum gilt heute als siebtältestes Museum der Vereinigten Staaten.164 Den längsten Teil seiner Ausführungen widmet er Zielen und Zwecken der zeitgenössischen Museen in der Moderne.165 Belluschi argumentiert, im Gegensatz zu Ländern mit einer langen künstlerischen Entwicklung stellten sich in Amerika aufgrund des Fehlens einer kunsthistorischen Entwicklungslinie spezifische Probleme. Er sieht in Amerika eine Kultur der Reproduktion und Kopie, und verwendet gar den Begriff »degenerations«, um das Verhältnis der amerikanischen Bildkultur zur älteren der restlichen Welt zu beschreiben.166 Für eine zeitgenössische, aktuelle, Funktion von Kunstmuseen in der amerika-
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nischen Gesellschaft müsse der treibende Gedanke daher sein, »the restoration of esthetic to its normal relation to the other human activities«.167 Er schlägt vor, Museen mit spärlichen Mitteln zu konzipieren, um mit Hilfe von Originalen und Reproduktionen Anschauung und kreatives Schaffen in Workshops Hand in Hand gehen zu lassen. Belluschis Ausführungen und Ideen zeigen den besonders nach der Erfahrung des Ersten Weltkrieges starken Wunsch einer Verbindung von Ästhetik und Praxis, von Kunst und Leben im Sinne sozialer Verständigung. Am damals kleinen Portland Art Museum drückt sich hier aus, was im Großen drei Jahre später zum titelgebenden Geist der internationalen Weltausstellung in Paris 1937 wurde. Es ist der Wunsch, dass aus der Verbindung von Kunst und Technik in einem lebendigen Prozess soziale Verständigung hervorgehen soll. Sowohl in Belluschis kleinem Bericht, als auch, wie noch deutlich werden wird, in Aufrufen und Katalogen des Weltausstellungskomitees, wird aber deutlich, dass dieser Wunsch geprägt ist vom Geist industrieller wirtschaftlicher Produktion. Das Kunstmuseum wird in der kapitalistischen Produktionslogik der Moderne als Ort des kreativen Schaffens im Hier und Jetzt gedacht und zeitgenössische Kunst an die wirtschaftliche Produktionslogik herangeführt. Von der Wirtschaftskrise der 1930er Jahre sind künstlerische unter den freien Berufen am stärksten betroffen. So analysiert Louis Hautecoeur noch 1935 in einem Referat über die Situation der Architekten, Bildhauer, Dekorationskünstler und Maler, zu dem ihn das Direktorium der Association Francaise pour le Progrès Social für ihre Studie La Crise et les professions libérales eingeladen hatte, die Verheerungen des Weltkrieges und den resultierenden Nationalismus als Gründe der Krise, die sich entscheidend auf Künstler auswirkten: »La crise actuelle a des causes générales qui ont été maintes fois énumérées: consommation durant la guerre de tout un capital d’économies séculaires; inquiétude politique et internationale; bouleversement économique dû au machinisme et aux formes nouvelles de l’industrie; surproduction universelle; instabilité des changes; étatisme; tarifs douaniers protecteurs et nationalisme économique. Ces faits ont pesé sur les artistes directement ou indirectement comme sur tous les autres travailleurs, mais chaque catégorie d’artistes a souffert de phénomènes qui lui sont particuliers.«168
DAS OFFICE INTERNATIONAL DES MUSÉES Der 1920 gegründete Völkerbund förderte die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Museen und Kunst im Office International des Musées (OIM). Es war eine Unterorganisation der Vorläuferorganisation der UNESCO, des Institut International de Coopération Intellectuelle (IICI), innerhalb der Société des Nations mit Sitz in Paris.169 Zunächst bestand seit 1922 ein von der Völkerbundversammlung gegründetes interna-
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tionales Komitee für intellektuelle Zusammenarbeit, dessen erste Präsidenten der Philosoph Henri Bergson, der niederländische Physiker Hendrik Antoon Lorentz und der Oxforder Philologe Gilbert Murray waren. Dem Komitee gehörten bedeutende Intellektuelle wie Marie Curie, Kristine Bonnevie und Jules Destrée an, sowie, nachdem er zunächst ausgeschlagen hatte, sich nach der Nominierung seines väterlichen Vorbilds Lorentz jedoch enthusiastisch zeigte, auch Albert Einstein.170 Das IICI wurde auf einen Vorschlag Frankreichs von 1924 hin gegründet, das dafür im Pariser Palais Royal Räumlichkeiten und ca. 80.000 Dollar (2 Millionen Francs) jährlich zur Verfügung stellte. Der zweite bedeutende Finanzgeber war Polen mit jährlich 4000 Dollar.171 Das 1926 eingeweihte IICI wurde von der Commission Internationale de la Coopération Intellectuelle und der Organisation de Coopération Intellectuelle (OCI) verwaltet. Seine Arbeit wurde im Juni 1940 unterbrochen. Ab 1946 ersetzte die UNESCO die OCI. Das OIM, 1926 auf Anregung von Henri Focillon gegründet, ist der Vorläufer des 1946 mit Hilfe der UNESCO gegründeten International Council of Museums (ICOM).172 Es erließ Empfehlungen zur Museumsarbeit, so etwa 1936 Regeln zur Sicherheit von Kunstwerken bei der Durchführung von internationalen Ausstellungen mit Leihgaben.173 Neben dem OIM bestand im IICI die Commission Internationale des Arts populaires. Um das Jahr 1934 wurde eine dritte Plattform aufgebaut, das Office International des Instituts d’Archéologie et d’Histoire de l’Art. Dessen prinzipielles Organ war ein dreimal jährlich erscheinender Bulletin, der Institute, Sammlungen und Forschungen vorstellte und von einem internationalen Direktionskomitee geleitet wurde.174 Die erste Ausgabe fasst die Ziele von Publikationen und Konferenzen der drei Initiativen zusammen als eine Möglichkeit sich auszutauschen, zu informieren und das internationale Forschungsfeld zu einen.175 Das OIM gab dazu noch die Zeitschrift Mouseion heraus, die bis 1946 bestand. Der Austausch verlief sehr international und auf der Höhe der Zeit.176
KUNST WISSENSCHAFTLICHE METHODENREFLEXION IM INTERNATIONALEN AUSTAUSCH Eines der Hauptanliegen des IICI war der vom OIM koordinierte museologische Austausch. Gesondert ist noch auf den bedeutenden internationalen Kongress in Madrid 1934 zurückzukommen. Daneben nahm aber auch die kunsthistorische Methodenreflexion einen prominenten Platz ein. Ab Mitte der 1930er Jahre wird eine internationale Diskussion über das Verhältnis zwischen Gegenstand und Methode der Kunstgeschichte geführt. Das Office International des Instituts d’Archéologie et d’Histoire de l’Art widmet Methodenbeiträgen eine eigene Rubrik, die zeigt, dass die Frage des Verhältnisses von Kunstkritik und Kunstgeschichte die Frage der Ausrichtung der KunstWissenschaft aufwirft.
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So erreichten Entwürfe einer Bildwissenschaft wie jener Erwin Panofskys, die in Reaktion auf Ansätze der Stilgeschichte der Wiener Schule um Alois Riegl und Franz Wickhoff formale und ästhetische Kriterien integrierend verbinden wollten, die Leser in internationalen Instituten. Die Debatte entzündete sich an Lionello Venturi, der ein »methodisches Chaos« in Instituten und Lehre konstatierte.177 Er kritisierte die Versuche der Distinktion zwischen Kunstgeschichte, Kunstkritik nach ästhetischen Kriterien, und Ästhetik als »Definition der Kunst im Universalen«, und sah als Hauptübel die Unterscheidung von Kunstgeschichte und Kunstkritik.178 Er bezog sich dabei auf Benedetto Croce, der argumentiert hatte, die Beurteilung eines Kunstwerks nur aus sich heraus sei so unmöglich wie jene aus dem bloßen historischen Zusammenhang: »Comprendere un’opera d’arte è comprendere il tutto nelle parti e le parti nel tutto [...] Questa soluzione stabilisce l’importanza dell’interpetrazione storica per la critica estetica; o, meglio, stabilisce che la vera interpretazione storica e la vera critica estetica coincidono.«179 Zum internationalen Kunstgeschichtskongress in Stockholm vom 4. bis 7. September 1933 hatte Venturi deshalb um Beiträge über den Status der Kunstkritik gebeten, aber nur wenige Antworten erhalten – eine Ausnahme bildete Henri Focillons Fondement philosophique et nécessité de la critique d’art, wie er 1935 zur Publikation seines Beitrages schreibt.180 In der Folgezeit arbeitete er seine Storia della Critica d’Arte aus, die zunächst 1936 in englischer Übersetzung erschien, gefolgt von der französischen Ausgabe 1938.181 Es entspann sich eine Debatte in zahlreichen Beiträgen im Bulletin de l’Office International des Instituts d’Archéologie et d’Histoire de l’Art. Das IICI lud den Kunstkritiker Émile Schaub-Koch ein, seine zuvor in der Zeitschrift L’Européen am 5. Juli 1935 publizierte Kritik von Venturis Aufsatz in Auseinandersetzung mit Focillons Standpunkt genauer darzulegen.182 Weitere Beiträge schlossen sich an. Venturis Lösungsvorschlag wurde als die Erarbeitung einer Geschichte der Kunstkritik verstanden, in der die »historische Interpretation« und »ästhetische Kritik« zusammenfielen.183 Allerdings forderte Venturi mehr, denn er begriff eine Bewusstmachung der historischen Genese der eigenen Disziplin in verschiedenen Ländern als notwendig zum Verständnis des einzelnen Werkes.184 Der Literatur zur Geschichte der Kunstkritik warf er vor, zu sehr auf soziale Aspekte der Kunst zu fokussieren, oder, etwa Julius Schlossers Kunstliteratur von 1924, die Gedanken zur Kunstkritik zugunsten der historischen Daten zu vernachlässigen. Vor dem Ende des 18. Jahrhunderts informiere Literatur dokumentarisch in Form von Künstlerleben oder Abhandlungen von Künstlern und trage wenig zur Theorie der Kunst bei. Danach erst nehme die Kritik eine doppelte Funktion ein, da sie sowohl Geschmack ausdrückt als auch zur aktuellen Kunsttheorie beitrage. Im 19. Jahrhundert hörten kunsthistorische Abhandlungen aber auf, eine kritische Definition einer historisch determinierten Kunst zu liefern. Neben den seit dem 18. Jahrhundert zunehmenden ästhetischen Systementwürfen und Kunstphilosophien gehe die Kunstkritik im Feld der Literatur, von Diderot bis zu Baudelaire und Zola, sowie im Journalismus auf, wobei er Künstlerschriften dazurechnet.185 Die historisch-kritischen Grundlagen
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erscheinen ihm wichtig, um in der kunsthistorischen Arbeit subjektive Fehlurteile zu vermeiden. Die Unterscheidung kulturell bedingter Prinzipien von überzeitlichen in der Geschichte von Kunsturteilen könne zur ästhetischen Theoriebildung beitragen: »Ainsi conçue, l’histoire de la critique est une critique de l’esthétique, dont l’importance peut être démontrée par des problèmes concrets.«186 Er geht so weit anzunehmen, dass die Geschichte der Kunstkritik nach dem historischen a priori der Ästhetik und ihrer Kategorien fragt, die der Historizität der Kultur unterliegen. Internationalität und Aktualität kennzeichnen diese Debatte, die zeigt, dass kunstwissenschaftliche Ansätze wie solche in der Nachfolge Aby Warburgs in der Methodendiskussion als integrative Lösungsansätze dringend gesucht waren. Vielleicht erklärt dieser Umstand zum Teil die große internationale Verbreitung von Erwin Panofskys Konzept der Ikonografie und Ikonologie im 20. Jahrhundert mit. Panofsky hatte sein Modell der Inhaltsdeutung von Kunstwerken nach einem vor der Kant-Gesellschaft in Kiel gehaltenen Vortrag von 1931 schriftlich erstmals 1932 im Aufsatz Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst in Logos niedergelegt mit den Stufen des »Phänomensinns«, des »Bedeutungssinns« und des »Dokumentsoder Wesenssinns«. Es erfuhr weite Verbreitung in der angelsächsischen Welt, als er es nach der Emigration 1934 in den USA als Einleitungskapitel zu den Studies in Iconology von 1939 überarbeitete.187 Darauf führt die Panofsky-Forschung dessen »internationale« Wirkmacht zurück.188 Allerdings gilt es vorliegend festzuhalten, dass eine internationale Rezeption und Reflexion von Panofskys Ansatz schon früher einsetzte: In den internationalen Organen des IICI. Venturis Gedanken aufnehmend konstatierte der schwedische Kunsthistoriker Gregor Paulsson dort für die Wissenschaft Kunstgeschichte einen »point critique, point où la recherche des voies à suivre et des buts à réaliser est de rigeur«.189 Paulssons Argumentation zeigt, dass der zeitgenössischen Kunst nun entscheidende Bedeutung zukommt. An ihr macht er nämlich die Dichotomie von formalen kunsthistorischen Kriterien und dem kunstkritischen Verständnis künstlerischer Werte fest. Die formalistische Kunstwissenschaft habe die Wissenschaft von der Kunst getrennt, obwohl die Kunstgeschichte in Deutschland noch kurz zuvor als Erbin der Geisteswissenschaften gehandelt worden sei.190 Der zeitgenössischen Kunst gegenüber sei die Kunstwissenschaft »widerspenstig«, denn im Gegensatz zum unveränderlichen Kunstwerk der Vergangenheit trage sie neben ästhetischen den Ausdruck kultureller Werte in sich. Er betont damit den politischen Gehalt: »L’art contemporain est, au contraire, devant nos yeux. La conception que nous en avons est également une attitude, peut-être seulement esthétique, pour la plupart d’entre nous, mais pour d’autres, elle représente une manière de considérer les valeurs culturelles dont l’art est une des expressions. Nos rapports avec l’art contemporain sont donc une sorte de parti pris politique.«191
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Für Kunstkritiker entspreche das Kunstwerk daher einem Element »kultureller Arbeit«, mal politisch-sozialer ausgerichtet wie bei Daumier oder als »phénomène de l’art pour l’art« wie der Kubismus, während es dem Historiker ein Element des »flux historique« sei.192 Diese letztere Reflexion des Betrachtungsraumes des Kunsthistorikers als eines raumzeitlich bestimmten historischen Konzepts im Vergleich mit den Naturwissenschaften war auch im kunstwissenschaftlichen Warburg-Umfeld zentral. So habilitierte etwa Panofskys früher Schüler Edgar Wind in Hamburg bei Cassirer mit der Schrift Das Experiment und die Metaphysik (1934).193 Auch Panofsky griff den Gedanken später in aller Klarheit auf, als er die Aufgabe der Geisteswissenschaften darin bestimmte, ruhende Zeugnisse, die aus dem »Strom der Zeit« auftauchen, zu beleben und ihre Entstehungsprozesse zu bestimmen.194 Die Stellung der zeitgenössischen Kunst liefert Paulsson demnach die nötigen Argumente, um der methodischen Unzulänglichkeit der formalistischen Kunstgeschichte eine Kunstwissenschaft gegenüberzustellen, die den zeitgenössischen kulturellen Entstehungskontext des Kunstwerks berücksichtigt. Es ist Panofskys Modell, das ihm hier den vielversprechenden Weg weist: »Pour l’Histoire de l’Art purement investigatrice et interprétative, les premières notions artistiques jouent un rôle beaucoup plus grand que nous ne le croyons habituellement. [...] On peut même aller jusqu’à affirmer qu’aucune description, même habituelle, d’une œuvre d’art n’est possible sans que l’on ait expliqué en même temps les principes de sa figuration; ainsi que l’a démontré d’une façon convaincante Edwin [sic] Panofsky (›Logos‹, fasc. 21, 1932).«195
VOM PAL A ST ZUR »AUSSTELLUNGSMA SCHINE« I: DER INTERNATIONALE KONGRESS ÜBER DIE ARCHITEKTUR VON KUNSTMUSEEN Ab Mitte der 1930er Jahre verstärkt die sozialistische Regierung des Front Populaire die Idee der Ausweitung der Bildungsmöglichkeiten in der Bevölkerung, womit auch für Museen pädagogische Aspekte an Gewicht gewinnen. Das ist aber um eine übereuropäische Perspektive zu erweitern. 1934 wurde vom OIM ein großer Kongress über die Konstruktion und Einrichtung von Museen in Madrid ausgerichtet, auf dem unter Beteiligung führender Institutionen und Personen aus zahlreichen Ländern Architektur und Einrichtung von Kunstmuseen im internationalen Vergleich studiert werden sollten. Der internationale Kongress in Madrid 1934 kann als Höhepunkt einer internationalen modernen museografischen Reflexion in der Zwischenkriegszeit angesehen werden. In Frankreich wurde die Teilnahme auf höchster Ebene vorbereitet. In der Zwischenkriegszeit gerieten Museen in einer »ersten museografischen Revolution« zunehmend
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als Erlebnis in den Blick.196 Der Kongress fällt nicht nur in die Zeit der schon seit längerem in Paris geführten Debatte um ein neues nationales Museum für zeitgenössische Kunst – ein solcher Neubau wäre das erste dezidiert als Museum konzipierte und gebaute Gebäude der Stadt – sondern auch direkt in die Planungsphase des späteren Palais de Tokyo:197 1934 wurde der öffentliche Architekturwettbewerb für die Sammlungen des Staates und der Stadt ausgeschrieben. Die zentrale Figur des Madrider Kongresses war Louis Hautecoeur, zu diesem Zeitpunkt Kurator des Musée du Luxembourg. Er hielt den ersten Bericht des Kongresses über das wichtigste Thema: Das architektonische Programm des (Kunst-)Museums und seine Prinzipien. Er entwickelt sie historisch und stellt die Frage, welche Aspekte die »ideale« Architektur eines Museums für Ausstellungen ausmachen. Damit zeigt sich, wie aktuell die Reflexion der Ansprüche an einen neuen Museumsbau zum Zeitpunkt der Planungen des Palais de Tokyo ist und welcher Stellenwert ihr – im internationalen Kontext – in der französischen Kulturpolitik eingeräumt wurde.
KONFERENZPROGRAMM UND INTERNATIONALE TEILNEHMERSCHAFT Mitte der 1930er Jahre bestand ein enger Austausch zwischen dem OIM im IICI in der Nummer 2, Rue de Montpensier – dem Palais Royal – und dem Büro des Directeur général des Beaux-Arts, Georges Huisman, in der Nummer 3, Rue de Valois. Die Direction des Beaux-Arts war direkter Adressat des OIM bei der Organisation der internationalen Expertenkonferenz in Madrid vom 28. Oktober bis 4. November 1934. Die Konferenz fällt in die Zeit der urbanistischen Erneuerungsbestrebungen in den großen europäischen Metropolen. Dem OIM-Kongress von 1934 kommt daher eine zentrale Bedeutung für das Projekt des Palais de Tokyo zu. Denn die mit dem Neubau befasste französische Kunstverwaltung steht durch die Vorbereitung des Kongresses in intensivem internationalen Austausch über die architektonischen und urbanistischen Aspekte für eine möglichst zeitgemäße Einrichtung von Kunstmuseen, die sich der technischen Errungenschaften ihrer Zeit bedient. In gewisser Weise nimmt der Kongress in der diskursiven Verbindung von Technik und Kunst schon die Doppelnatur der Weltausstellung von 1937 vorweg. Von der engen Einbindung der Direction des Beaux-Arts in die Organisation zeugt ein großes Akten-Konvolut in den Nationalarchiven.198 Schon mit einem Brief vom 27. März 1934 erhielt Georges Huisman vom Generalsekretär des OIM, Euripide Foundoukidis, eine detaillierte Übersicht über die einzelnen Sektionen der Konferenz und ihre Unterthemen, zu denen jeweils Referate geplant wurden, mit der Bitte um Durchsicht und einen Termin.199 Das Rundschreiben des OIM zum Kongress an die Verantwortlichen in den Museen bittet um Beispiele aus den eigenen Häusern, die möglichst mit Dokumentationen und Fotografien belegt werden sollten;
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diese sollten auch Teil einer museografischen Ausstellung während des Kongresses sein. 200 Das Konferenzprogramm war in zwei Sektionen geteilt. Sektion A sah allgemeine Berichte in insgesamt zwölf Untersektionen über technische Ansprüche an moderne museografische Praxis vor, 201 Sektion B Sachberichte in sechs weiteren Untersektionen zu den Problemen einzelner Sammlungstypen. 202 Das Informationsschreiben 36 des OIM beschreibt zusätzlich das Konzept der Ausstellung, die durch den stellvertretenden Direktor des Prado, Sánchez Cantón, organisiert werden sollte. Hier sollten besonders Pläne und Dokumentationsfotografien von der technischen und kuratorischen Einrichtung von Museen Reproduktionen alter Drucke, Grafiken und Aquarellen mit Innenansichten gegenübergestellt werden. 203 Ein kleines als »Katalog« gedrucktes Büchlein ohne Abbildungen listete die Illustrationen zu den Vorträgen. Aus dem kurzen Vorwort von Sánchez Cantón geht hervor, dass zusätzlich zu den Fotografien in drei Sälen eine Dokumentation von Material und Beispielpublikationen der beteiligten Museen bereitgestellt wurden. 204 Die lange Teilnehmerliste zeigt die Internationalität des Kongresses. 205 Aus jedem Land waren die Direktoren der wichtigsten Museen und Sammlungen und meist auch hochgestellte Personen des Kulturbetriebs vertreten. 206 Italien hatte die längste Liste von Delegierten, mit Vertretern der wichtigsten Institutionen und Verwaltungen aus Florenz, Rom, Neapel, Bologna, Mailand, Padua, Turin und Venedig. Der Völkerbund selbst wurde vertreten von Daniel de Montenach, Sekretär des IICI, und dem einflussreichen Kunsthistoriker Henri Focillon (1881–1943), Professor für Kunstgeschichte an der Sorbonne, der später Ende der 1930er Jahre Gastprofessor in Yale wurde. 207 Frankreich wiederum stellte in Madrid die zweitlängste Liste von Delegierten, angeführt vom Directeur général des Beaux-Arts Georges Huisman und Paul Léon, Directeur général honoraire des Beaux-Arts. 208 Die französischen Akten zum Kongress enthalten neben Louis Hautecoeurs eigenem Konferenzbeitrag auch ihm vorab zur Vorbereitung kommunizierte Berichte und Vorträge des Kongresses. 209
LOUIS HAUTECOEURS RAPPORT GÉNÉRAL: LE PROGRAMME ARCHITECTURAL DU MUSÉE Von besonderem Interesse ist Louis Hautecoeurs systematischer Rapport Général N° 1. Er zeigt, dass sich ein möglichst ideales Museum an den Bedürfnissen der Ausstellung ausrichtet. Seinem Vortrag kommt die Funktion eines einleitenden Überblicks zu, und sein Titel zeigt, dass unter den Herausforderungen einer modernen Museografie das architektonische Programm als zentral angesehen wurde. 210 Während seinerzeit in Paris noch alle Museen in umfunktionierten älteren Gebäuden untergebracht waren, ist Hautecoeur überzeugt, dass die Form dem Programm des Museums folgen muss, das sich aus der Konzeption der räumlichen Präsentation, der Verteilung der Exponate und
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der Besucherzirkulation bestimmt. 211 Er verweist auf die unterschiedlichen Bedürfnisse etwa eines ethnografischen oder kunsthandwerklichen Museums, die Interieurs rekonstruieren müssten, während archäologische Museen unterschiedliche Raumkapazitäten benötigten – hier zitiert er als Beispiel explizit das Berliner Pergamon-Museum. Hautecoeur unterscheidet zwischen einem eher historischen und einem eher künstlerischen Charakter, die ein eher dokumentarisches, respektive ästhetisches Interesse nach sich zögen. Im Kunstmuseum müsse der Architekt daher statt Serien Werke zur Geltung bringen. 212 Interessanterweise führt er die Differenzierung für ein Museum moderner Kunst fort, dessen Bedürfnisse einzigartig seien: »Un Musée d’art moderne a d’autres exigences qu’un Musée d’art ancien: il est animé d’un mouvement perpétuel; son aménagement doit faciliter le décrochage rapide des tableaux, le transport des statues et permettre même la modification de l’échelle des salles par des panneaux amovibles. Un Musée consacré à l’œuvre d’un seul artiste peut justifier une décoration appropriée qui ne serait pas opportune en un Musée où les œuvres d’époques diverses peuvent un jour changer de place. [...] Le mot ›Musée‹ ne doit donc pas nous cacher les multiples réalités qu’il peut désigner.« 213
DIE POL ARITÄT DES KUNST WERKS IM MUSEUM Hautecoeur nimmt schon vorweg, was 43 Jahre später, bei der Eröffnung des Musée d’Art Moderne im Centre Pompidou 1977, als modernster Ausweis der fortschrittlichen Konzeption galt, die konfigurierbaren Präsentationsräume dank frei beweglicher Wände. Er verweist auch auf die variierende kulturelle und gesellschaftliche Konzeption von Museen. Hautecoeur stellt dabei auf eine Unterscheidung der möglichen sozialen Bezugnahmen ab, die Walter Benjamin ungefähr zur selben Zeit in der Arbeit am Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit in der Unterscheidung des »Ausstellungswertes« vom viel ursprünglicheren »Kultwert« fasst – Hautecoeur spricht von »admiration du spectateur« gegenüber »rôle d’un ex-voto«. 214 Während Benjamin auf soziale und politische Funktionen verweist und die Architektur als Vergleichskunst heranzieht, betrachtet Hautecoeur aber die historische Entwicklungslinie verschiedener architektonischer Realitäten. An seiner Aufzählung von ex-voto-Funktion, Tempel und Schrein, den Malereien der Athener Stoa Poikile und der narrativen kirchlichen Ikonografie des Mittelalters fällt auf, dass es sich allesamt um verschiedene architektonische Formen handelt, die erst eine soziale Bezugnahme auf Kunstwerke ermöglichen, da sie zugleich Räume der Betrachtung und der kollektiven Interaktion sind. Er stellt seine Betrachtung des architektonischen Programms des Museums in die Tradition des griechischen μυσειον, des Musentempels und leitet von dort direkt über zum Aufkommen der neuzeitlichen Sammlungen und ihrer abgeschlossenen Räume.
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Damit macht er den Bruch zu den vorherigen öffentlichen Wirkungsstätten der Kunst deutlich. In der französisch-italienischen Entwicklungslinie sieht er zunehmend den Ausstellungswert hervortreten, zunächst als Studienmaterial bei der Ausbildung von Künstlern nach Maßgabe von Potentaten, von Lorenzo Medici bis zu Ludwig XIV. 215 Die architektonische Ordnung der ersten Museen, der Galerien, gehe auf die mittelalterliche »grande salle« zurück. Hautecoeur bezieht sich auf Sebastiano Serlio, den Autoren der zwischen 1537 und 1575 publizierten Sette libri dell’architettura, der den französischen Ursprung der Anordnung von Kunstwerken in Galerien nicht verhehle; seit Beginn des 16. Jahrhunderts seien Galerien mit Gemälden und Fresken geschmückt gewesen, wie jene des Château du Verger oder jene von François 1er in Fontainebleau, und Italien habe diesen Raumtyp übernommen. 216 Er führt den Palazzo Farnese und das Palais du Luxembourg an, und, als Beispiele der im 17. Jahrhundert zusätzlich mit wertvollen Möbeln geschmückten Galerien, die Galerie d’Apollon im Louvre, die Galerie des TuilerienPalastes und den Spiegelsaal von Versailles. Zusammen mit der 1750 von Ludwig XV. im Luxembourg für Künstler und Öffentlichkeit geöffneten Gemäldesammlung betrachtet er sie als die ersten Museen. 217 Für die zeitgenössische Frage nach einer adäquaten architektonischen Form relevant ist diese Entwicklung, da ihr Verlauf im 18. und 19. Jahrhundert maßgeblich die Prinzipien prägte, nach denen die seinerzeit bestehenden und in Frage gestellten Konzeptionen von Museen entstanden.
DAS MUSEUM IM 18. UND 19. JAHRHUNDERT: VOM ÄSTHETISCHEN ZUM DOKUMENTARISCHEN WERT Hautecoeur entwickelt die Frage nach dem idealen architektonischen Programm von Museen als Erbe der zwei bestimmenden Entwicklungsphasen im 18. und 19. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert entstanden die allerersten Museen – Hautecoeur verweist auf die Ausgrabungen in Rom, Herkulaneum und Pompeji, in deren Folge der König der zwei Sizilien die Funde im Palast in Portici ausstellen und Papst Pius VII. im Vatikan eigene Säle einrichten ließ, was Hautecoeur als das erste Mal ansieht, dass ein Gebäude gebaut wurde um nur Kunstwerke aufzunehmen. 218 Wo, wie in Paris im Palais du Luxembourg, die ersten Sammlungen öffentlich zugänglich gemacht wurden, diente dies häufig Künstlern zum Studium. Mit der Aufklärung und der Idee, dass das Volk in der Lage sei, sich ein Urteil zu bilden, wurden die königlichen Sammlungen zu den ersten Museen; im Louvre habe sich während der Revolution und des Empire eine doppelte Zielsetzung entwickelt, die einen bestimmten Geschmack erziehen wollte und ausländische Kunst zugänglich machen. 219 Diese Phase zu Beginn des 19. Jahrhunderts stehe jedoch noch stark unter dem Einfluss des ausgehenden 18. Jahrhunderts und seiner Zielsetzung von Modellen und Geschmacksmustern. Die zweite bestimmende Entwicklung im Verhältnis der sozia-
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len Bezugnahme auf das Kunstwerk in der historischen Entwicklung der Museen sieht Hautecoeur dann im 19. Jahrhundert mit der Romantik. Im allgemeinen Interesse am Objekt als Ausweis der kulturellen Vergangenheit trete neben ein Interesse an der »ästhetischen Qualität« das Interesse am dokumentarischen Charakter. 220 Damit tritt mit dem dokumentarischen Aspekt eine Qualität in den Problemzusammenhang des Ausstellungswertes, die die Polarität von ästhetischem Empfinden und Ausweis einer sozialen Wirklichkeit begründet, die ihn seither ausmacht. Hautecoeur nennt als historische Beispiele Alexandre Lenoirs Musée des monuments français und das erste, von König Louis-Philippe I. während der Julimonarchie in Versailles eingerichtete Historische Museum. 221 Diesen »historischen Geist« sieht er als den im 19. Jahrhundert determinierenden Faktor von Museen. 222 Hautecoeurs Vortrag auf dem Kongress in Madrid 1934 gibt damit ein umfassendes Bild davon, wie er sich eine zeitgemäße Variante vorstellte. Erstaunlicherweise sollte die Architektur des nur drei Jahre später fertiggestellten Palais de Tokyo als zu dominant und unter museografischen Gesichtspunkten unpraktisch empfunden werden. Gerade eine palastartige Architektur von Museen und ihre räumliche Überdimensionierung, wie im Palais de Tokyo, kritisiert Louis Hautecoeur aber in Madrid 1934. Er moniert monotone Ausstellungssäle ebenso wie eine überladene Innendekoration, wobei er sich auf Beispiele wie die Alte Pinakothek in München, das British Museum, das Ägyptische Museum in Kairo und immer wieder den Louvre bezieht. 223 Zu Recht hinterfrage man seit den 1880er Jahren ob Palastarchitektur, die mit Kolonnaden und Freitreppen noch unterstrichen werde, eine den Kunstwerken angemessene Präsentationsform sei. 224
DIE MUSEOGRAFISCHE ARBEIT MIT REPRODUKTIONEN Hautecoeur wirft damit zwei Problemfelder auf. Einmal das Verhältnis der Architektur zur Kunst im umfangreichen Dekor von Museen und Sälen des 19. Jahrhunderts, kurz: Ob das Museum also selbst ein Kunstwerk sein sollte. 225 Und zweitens widerstreitende Interessen, die sich aus dem öffentlichen Auftrag ergeben: Richtet es sich an Amateure oder Künstler, sollen ausgewählte Werke optimal präsentiert werden oder soll sich das Museum an Gelehrte richten und möglichst vollständige Serien anlegen? 226 In diesem Zusammenhang bringt Hautecoeur aktuelle mediale Entwicklungen ins Spiel. Er fragt, wie sich die Forschung anhand von Vergleichen und mit Reproduktionen auf die kuratorische Anordnung und damit letztlich die architektonische Konzeption auswirken könnte. »Le Musée a-t-il avant tout un rôle éducatif? Doit-il alors [...] insérer entre des tableaux originaux des reproductions d’œuvres appartenant à d’autres musées, entre les statues, des moulages?« 227 Zwar waren Mitte der 1930er Jahre alle größeren Museen mit Fotolaboren und Gipswerkstätten ausgestattet und gehörte die systematische Erfassung von Reproduktionen zum Standard, doch erscheint es fortschrittlich, (fotogra-
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fische) Reproduktionen, nicht Kopien, zwischen Werke zu hängen, um die Lehre zu stärken. 228 Damit aktualisiert die junge Fotografie eine alte Idee. So hatte schon Charles Blanc, von 1870 bis 1873 erster Directeur des Beaux-Arts der Dritten Republik, 1873 das kurzlebige Projekt eines universellen Museums verfolgt, indem er Gipsabgüsse und Kopien sammelte. 229 Ebenso dem didaktischen Gedanken des Gipsabgusses verpflichtet, jedoch, als Unternehmen der Historisierung der nationalen Geschichte mit der Gegenüberstellung antiker und ausländischer Skulptur, ungleich erfolgreicher, ist das vom Bildungsminister Jules Ferry 1879 nach Plänen Eugène Viollet-le-Ducs (1814–1879) lancierte Musée de Sculpture comparée. 230 Es wurde 1882 im Palais du Trocadéro eingerichtet und bestand seit 1937 im Nachfolgebau an selber Stelle, dem Palais de Chaillot, als Musée des Monuments français, dessen Sammlungen heute Teil der 2007 eröffneten Cité de l’architecture et du Patrimoine sind. 231 Es knüpfte an das seit 1791 von Alexandre Lenoir (1761–1839) eingerichtete und 1795 eröffnete Musée des Monuments Français an, das im ehemaligen Konvent der Petits-Augustins, der zunächst als Depot für beschlagnahmte Kunstwerke aus kirchlichem Besitz genutzt worden war, Skulpturen aus vormals kirchlichem und aristokratischem Besitz und Grabmäler zeigte und bis zur Auflösung 1816 unter den restaurierten Bourbonen bestand. 232 Hautecoeurs Betrachtung des Einsatzes fotografischer Reproduktionen ist noch stark geprägt von der kunsthistorischen Didaktik serieller und formaler Vergleichszusammenhänge. Sie hat ihren Vorläufer in der Arbeit mit Lehrsammlungen, die nicht nur in Frankreich etabliert war. Römische und griechische Plastik in den Abgusssammlungen der königlichen Museen zu Berlin umfassten »nicht weniger als 2271 Exponate« und waren etwa für den jungen Erwin Panofsky in seiner Berliner Schul- und Studienzeit ein wichtiges Betrachtungsobjekt. Als er 1919 über Michelangelo und Raffael zu arbeiten begann, »hatte er weder deren Skulpturen und Fresken in Rom und Florenz noch auch die Hauptwerke des Jacopo della Quercia, Donatello oder Luca Signorelli im Original gesehen«. 233 Doch war Hautecoeurs Idee der Arbeit mit fotografischen Reproduktionen noch nicht sehr alt, schon gar nicht der Gedanke ihres systematischen Einsatzes zu Präsentationszwecken. Erst fünf Jahre zuvor war Aby Warburg gestorben und hatte damit die Arbeit am bekannten Bilderatlas Mnemosyne unvollendet gelassen. Schon seit seinem Vortrag über Dürer und die italienische Antike auf einem Philologenkongress 1905 arbeitete er mit dem didaktischen Prinzip, »Reproduktionen der einschlägigen Kunstwerke zu erkenntnisstiftenden Tableaus« zusammenzustellen, das er ab 1925 in öffentlichen Vortragsausstellungen vervollkommnete; die »methodische Brisanz« liegt im Verfahren, Bilder »nicht nur als illustrative Belege eines einmal erkannten kulturgeschichtlichen Sachverhalts zu verwenden, sondern ihnen einen genuinen Anteil am Gang der Argumentation selbst einzuräumen«. 234 Warburg ist der einflussreichste Exponent einer Argumentationsform, die sich in den 1920er Jahren in der Wechselwirkung mit Fotogra-
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fie und Film manifestierte. 235 Wichtige Vorläufer waren große illustrierte philologische und kulturgeschichtliche Nachschlagewerke, die im 19. Jahrhundert Konjunktur hatten und häufig als »Atlas«, gar »Bilderatlas« firmierten. 236 Ohne inhärente Bildargumentation konnten sie ihm aber epistemologisch kaum Vorbild sein. Warburg steht vielmehr in Nachbarschaft zu darstellerischen Experimenten, die sich in Deutschland im Almanach Der Blaue Reiter (1912) von Kandinsky und Marc, in der von Alfred Flechtheims Berliner Galerie herausgegebenen Zeitschrift Der Querschnitt, aber besonders in Frankreich mit Le Corbusiers und Amédée Ozenfants L’Esprit nouveau (1920–1925), den surrealistischen Publikationen La Révolution surréaliste (1924–1929) und Minotaure (1933–1939) sowie mit Carl Einsteins Zeitschrift Documents (1929–1931) zeigen. 237 Seine Bilderreihen zielen darauf, an die Stelle eines »eher mechanischen kunsthistorischen Modells von Einflußbeziehungen« seine »umfassendere kulturpsychologische Theorie der Bildwanderung« zu stellen. 238 Das zeigt, wie die von Hautecoeur angedachte edukative Museografie mit Reproduktionen freilich dahinter zurückbliebe, wo der sie noch im Kontext des seriellen Vergleiches anspricht.
DIE REFLEXION DES BESUCHERSTROMS: VOM PATIO ZUM PANOPTIKUM Hautecoeur diskutiert auch den Besucherstrom und die Form der Ausstellungsräume. 239 Dieser Punkt zeigt das internationale Niveau der Diskussion, denn ein zentrales Beispiel ist hier das Philadelphia Museum of Art. Er widmet sich besonders zwei Ideen der Architekten Auguste Perret und Clarence Stein. Auguste Perret schlug eine Anordnung von Sälen mit Hauptwerken rund um einen Patio vor und daran anschließende zurückgesetzte »Studiengalerien«. Darin sieht Hautecoeur eine Möglichkeit für zwei Geschwindigkeiten des Besuchs. 240 Als zweiten Museumsplan diskutiert er einen von Clarence Stein (1882–1975), »qui rappelle celui de certaines prisons ou hôpitaux du XIXe siècle«. 241 Der eigne sich besonders für enge Museen, da er eine Platzierung der Administration im Zentrum vorsieht, von der Studiensäle strahlenförmig zu einem Zirkel von Sälen mit den Hauptwerken führten und die Überwachung erleichterten. Eine Anordnung, die bessere Überwachung der Kunstwerke ermöglicht, verschiebt in der Entwicklung des Museumsplans von der königlichen Schatzkammer und Galerie zum öffentlich zugänglichen Ausstellungsraum letztlich nur geringfügig eine Grundstruktur von wertvollem Objekt und überwachtem Besucher. Bei dieser Architekturform handelt es sich um nichts anderes als das Panoptikum, dessen historisches Aufkommen von Michel Foucault untersucht und als kennzeichnendes Prinzip der im 19. Jahrhundert vollzogenen Entwicklung der abendländischen Gesellschaften zur Disziplinargesellschaft erkannt wurde. 242 Jeremy Bentham formulierte Ende des 18. Jahrhunderts das Prinzip eines runden Gefängnisbaus mit mittigem Überwachungsturm, dessen von außen nach innen durchlaufende Zellen erlauben, von nur einem Mittelpunkt aus im
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Gegenlicht alle Gefangenen zu überwachen. Zentrales Prinzip ist dabei, dass diese wissen, dass sie überwacht werden können, aber nicht, ob sie tatsächlich beobachtet werden, was die Überwachung durch einen jeden zufällig Ausgewählten erlaubte. Es ist bemerkenswert, diese Idee hier Mitte der 1930er Jahre auf die Konzeption eines Museums angewandt diskutiert zu sehen. 243 Im Anklang des Panoptikums kristallisiert sich die Disziplinierung einer Wissensgesellschaft im 18. Jahrhundert, in der sich Wissensbildung und Machtsteigerung wechselseitig stärken. Foucault nennt Krankenhaus, Schule und Manufaktur als erste Institutionen, die seit dem Ende des 17. Jahrhunderts zu disziplinarisch geordneten Apparaten wurden. Objektivierende Mechanismen wurden Instrumente der Unterwerfung, und jede Machtsteigerung konnte zu neuen Erkenntnissen führen in der sich neu herausbildenden klinischen Medizin, der Psychiatrie, der Kinderpsychologie, der Psychopädagogie und der Rationalisierung der Arbeit. 244 Wann immer einer Vielzahl von Individuen eine Aufgabe oder Verhaltensweise auferlegt werden soll, bietet sich das panoptische Schema an, da es erlaubt, Wissens- und Machtverhältnisse exakt zu steuern. Damit wird es zu einem prinzipiell demokratisch kontrollierbaren disziplinarischen Dispositiv, das Körper individualisiert, auf die Macht ausgeübt wird: »Le panoptisme, c’est le principe général d’une nouvelle ›anatomie politique‹, dont l’objet et la fin ne sont pas le rapport de souveraineté mais les relations de discipline.« 245 Wenn Foucault auch nicht direkt auf das Museum zu sprechen kommt, so lassen einige begriffliche Anklänge an die Sprache der Ausstellung in seiner Analyse aber doch Rückschlüsse darauf zu, was das disziplinarische Dispositiv für ein Museum verhieße. Im Panoptikum wird die kollektive Masse (»la foule«) durch eine »Sammlung« (»collection«) von separaten Individualitäten ersetzt; das Interesse eines »Philosophen im Museum menschlicher Natur« ist eines unter vielen möglichen Motiven des Überwachenden: »l’appétit de savoir d’un philosophe qui veut parcourir ce muséum de la nature humaine [...].« Das Panoptikum erlaubte das Studium der Symptome Einzelner wie in der Klinik in einzelnen »tableaux«. 246 Das sich abzeichnende Bild wird klar: Wenn in den 1930er Jahren das Panoptikum als architektonische Grundform eines Museums moderner Kunst diskutiert wird, dann drückt es dem Wesen nach ein Verständnis des Museums als politisches Instrument aus und beerbt damit Technologieglauben und Rationalisierungen des 19. Jahrhunderts. Die Interessen des Besuchers sollen nicht im freien Rundgang ihre Gegenstände finden. Seine Bewegung wird in einem Umfeld studiert, in dem das staatliche Kunstmuseum ein Disziplinierungsinstrument ist. Sowohl die zeitgenössische Kunst wird im Museum beobachtbar und diszipliniert, wie auch der Amateur und Rezipient.
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SCHLUSSPL ÄDOYER FÜR EINE NÜCHTERNE AUSSTELLUNGSMASCHINE Hautecoeurs Vortrag zeigt das Spannungsfeld des modernen Museums zeitgenössischer Kunst. Am Beispiel der Dekorationsfrage führt er zum Ende seines Vortrages aus, dass sich stets die Frage stelle, ob es Ausdruck der künstlerischen Auffassung einer Zeit sein soll oder nicht sogar langfristig als nüchterne »Ausstellungsmaschine« konzipiert sein müsste: »L’architecte doit-il décorer le musée? Doit-il le concevoir comme une œuvre d’art indépendante de celles qu’il renferme ou bien comme une simple ›machine‹ à exposer des objets. [...] L’architecture d’un musée d’art moderne, c’est-à-dire d’un musée dont les collections d’art se renouvellent périodiquement doit se souvenir que le décor est la partie de l’édifice qui viellit le plus rapidement. [...] Il conviendrait donc de garder une grande sobriété.« 247 Die Anfänge der Museologie und die Forderung, es müsse genau auf die Erwartungen an seine Funktion antworten, sind nicht zufällig in den 1920er Jahren zu suchen, in denen der Stahlbeton dem architektonischen Rationalismus zum Siegeszug verhilft; Luc Benoist zitiert dazu Le Corbusier, der sagte, das Museum müsse eine Maschine sein, »une machine à conserver et à exposer les œuvres d’art«. 248 Hautecoeurs Empfehlung architektonischer Nüchternheit entspricht etwa dem seinerzeit gerade im Bau befindlichen neuen Stadtmuseum in Den Haag von Architekt Hendrik Petrus Berlage (1856–1934), das als modernster Museumsbau gelten konnte. Wie der Generaldirektor des Gemeentemuseum, Hendrik Enno van Gelder, in einem an Hautecoeur zur Vorbereitung des Vortrages in Madrid gerichteten Bericht über den Neubau schreibt, war größtmögliche Einfachheit eines der Konstruktionsprinzipien und nicht die Orientierung an Details der Sammlungen, die Gemälde, Kupferstichkabinett, kommunales historisches Museums, musikhistorische Sammlung, Kunsthandwerk und Medaillenkabinett umfassten: »L’architecte le Dr. Berlage a observé la simplicité la plus grande afin de faire ressortir les collections du fond architectural qu’il leur a donné.« 249 Louis Hautecoeur selbst nimmt mit der Empfehlung schon die monumental-nüchterne Gestalt des Palais de Tokyo von 1937 vorweg. Das Bild des Museums zeitgenössischer Kunst als »Ausstellungsmaschine«, das er zeichnet, findet aber auch Widerhall in der zeitgenössischen Neukonzeption des Palais de Tokyo ab den 2000er Jahren. Denn letztlich nimmt er die Idee eines Ausstellungshauses auf stets höchster Höhe seiner Zeit vorweg, das sich von der architektonischen Verkörperung der musealen Idee entfernt. Das entspricht einer industriellen Raumästhetik, die, wie zu sehen sein wird, im Konzept der Architekten Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal für das Palais de Tokyo – Site de Création Contemporaine im bewussten Offenlegen von Technik und sichtbaren Spuren vergangener Nutzungen aufgegriffen wurde.
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DA S MUSÉE DU LUXEMBOURG: BESCHEIDENE PR Ä SENTATION BEGEHR TER PRODUKTE Das Ausbleiben eines eigenen Museums für moderne Kunst in Paris wurde spätestens Anfang der 1920er Jahre in aller Deutlichkeit beklagt. Die provisorische Ergänzung des Musée du Luxembourg durch die Einrichtung des Jeu de Paume und der Orangerie in den Tuilerien für die Präsentation der Sammlung zeitgenössischer ausländischer Künstler gibt davon Zeugnis. Ein Briefentwurf der Direction des Beaux Arts vom 21. Oktober 1921 resümiert die zu diesem Zeitpunkt desolate Situation des Museums in der Orangerie des Luxembourg; es sei so klein, dass die Sammlungen im Turnus gezeigt werden müssten: »Le musée de l’art contemporain, provisoirement installé au Luxembourg, se trouve tellement à l’étroit dans ce pavillon à peine composé de 19 salles et d’une galerie qu’il est absolument impossible de présenter au public un ensemble des écoles françaises et étrangères. […] La conservation en est réduite à exposer ces collections par roulement, […] une manière fragmentaire peu conforme à l’intérêt des artistes, à l’éducation des visiteurs et au prestige d’une grande capitale.« 250 Die Interessen der Künstler als Aushängeschild der Hauptstadt stehen auf dem Spiel. Die immer wieder aus finanziellen Gründen hinausgeschobene Schaffung eines neuen Museums wird daher angemahnt. Da der Bau eines eigenen Museums zu teuer ist, wird die Umwandlung des Jeu de Paume im Garten der Tuilerien in einen zusätzlichen Annex des Musée National du Luxembourg vorgeschlagen. Damit zeigt sich, welche Besorgnis über den »facheux état des choses« dazu führte, dass die ausländische zeitgenössische Kunst ab 1922 im Jeu de Paume gezeigt wurde. 251 Ergänzend wird die Orangerie in den Tuilerien für ungefähr eine Million Francs zum Ausstellungsraum für ausländische Schulen ausgebaut und mit einer Glasdecke versehen; ein Ehrenplatz sei für die amerikanischen Künstler reserviert. Trotz dieser Maßnahmen hat sich auch knapp zehn Jahre später das Grundproblem kaum gebessert. Die Argumentationsmuster gleichen sich, wenn nun der Kurator Hautecoeur im Februar 1931 eine Bilanz des Musée du Luxembourg zieht und Frankreich einen »Widerspruch zwischen dem Reichtum unserer Kunst und der Armut dieses Museums« bescheinigt. Er verweist auf den Rückstand Frankreichs gegenüber Italien, England, Deutschland und Belgien. Er nennt die Galleria Nazionale, die Tate Gallery und die Berliner Museumsinsel und beklagt das demgegenüber »ärmliche« Pariser Museum. 252 Dabei habe Paris seit über hundert Jahren Rom als Zentrum der Kunst abgelöst mit zahlreichen Nationalitäten in den Akademien, er verweist auf die im Ausland gelesenen französischen Kunstzeitschriften und hebt die Bedeutung der Kunst als Exportgut hervor, da »es keinen Vergleich zwischen dem Selbstkostenpreis eines Gemäldes und
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4 Gemäldehängung im Musée du Luxembourg, Abbildung aus Jean Cassou: Le Musée national d’Art moderne, Auszug aus: Médecine de France (Panorama de la pensée médicale littéraire et artistique française) 65/1955
seinem Verkaufspreis gibt«. 253 Das Luxembourg sei da nur ein karges Schaufenster: »Or, que dirait-on d’un commerçant dont les produits recherchés dans tout le monde, seraient parcimonieusement montrés dans un vieux bâtiment ruineux. C’est pourtant là ce que fait l’Etat.« Der Bericht an die Entscheidungsträger in der französischen Kunstpolitik zeigt schon das später anlässlich der Konstruktion des Palais de Tokyo zentrale Argument, das eine Förderung der Ausstellung zeitgenössischer Kunst mit volkswirtschaftlichen Vorteilen verbindet. Dennoch zeigt Hautecoeur, dass für ihn die Sorge um Kunstwerke an erster Stelle steht. Das Musée du Luxembourg wurde 1879 in der Orangerie des Palais untergebracht. Es sei damals vereinbart gewesen, dass dies nur provisorisch sei. 254 1886 habe der Conservateur Étienne Arago einen Transfer des Museums verlangt; 1913 wurde entschieden, das Museum im ehemaligen Seminar von Saint-Sulpice unterzubringen, aber der einbrechende Krieg verhinderte dies; nun zeige sich, dass die nachträglich angefügten seitlichen Ausstellungssäle aus Holzfachwerk und Gips sehr feucht seien, der Skulpturensaal sei nicht gut für Ausstellungen geeignet und in den Sälen mit der Malerei seien die Bilder »zusammengepresst« (Abb. 4–5). Hautecoeur schwebt eine Vision ähnlich der »period rooms« im Metropolitan Museum in New York vor, um mit Möbeln, Malerei, Skulptur, Zeichnung und Kunstwerken den Zeitgeist wiederzugeben. Da zahlreiche Ausländer die Ausstellungen zeitgenössischer Kunst bei Händlern besuchten, aber misstrauisch seien, könne das Luxembourg ein »wertvolles Instrument der künstlerischen Propaganda« sein; zudem könnte es als Reservoir für künftige Übergänge in den Louvre große Sammlungen beherbergen und
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5 Skulpturensaal im Musée du Luxembourg, Abbildung aus Jean Cassou: Le Musée national d’Art moderne, Auszug aus: Médecine de France (Panorama de la pensée médicale littéraire et artistique française) 65/1955
Ort der Bildung für Künstler und Kunsthandwerker sein. Die nötigen Mittel wären im nationalen Erschließungsplan sinnvoll angelegt, um dieses »provisoire semi-séculaire« zu beenden. 255 Eine Rolle mag auch die Hoffnung auf eine Verbesserung der Ankaufsund Sammlungsmöglichkeiten spielen. Wie aus einem anderen Bericht Hautecoeurs hervorgeht, musste er, unabhängig davon, ob es sich um Ankaufsmittel der Musées nationaux oder der Direction des Beaux-Arts handelte, stets eine Vielzahl von Kommissionen berücksichtigen; die ihm selbst zur Verfügung stehenden Mittel fielen in kaum nennenswerter Höhe aus. Aus diesem Grund blickt er fast neidisch auf die Kuratoren anderer Museen und beklagt das für Gefälligkeiten anfällige Kommissionssystem mit dutzenden Personen, das ein gezieltes, kunsthistorisches Sammeln unmöglich mache. 256 Schon 1934 ist im Zuge der Vorbereitungen zur Weltausstellung 1937 das Projekt zu einem neuen Museumsbau endlich gediehen – es wurde nicht nur der Bau beschlossen, sondern auch eine Nutzung zu gleichen Teilen durch den französischen Staat und die Stadt Paris vereinbart. Für den Bau des neuen staatlichen Museums war zunächst
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6 Palais de Tokyo, Aufsichtsplan mit Aussparung des Geländes der polnischen Botschaft, Dokumentationsfotografie des Siegerentwurfs, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
das Gelände des Dépôt des Marbres in der Rue Berbier-du-Mets im 13. Arrondissement angedacht worden, bis das Gelände des militärischen Materiallagers Manutention Militaire am Quai de Tokio im 16. Arrondissement im Gebiet der Weltausstellung gewählt wurde. In dessen Süd-Ost-Ecke befand sich noch die polnische Botschaft, die später für den Bau des Palais de Tokyo gekauft und abgerissen wurde (Abb. 6). 257 Die Stadt Paris als finanzieller Hauptsponsor der Weltausstellung 1937 kaufte das Gelände der Manutention und verlangte nun, neben dem staatlichen Museum auch ein städtisches zu bauen. Sie hatte bis dahin seit der Weltausstellung von 1900 das Petit Palais als Museum der bildenden Künste nutzen können, wo aber aufgrund von Platzproblemen die Präsentation zeitgenössischer Malerei unmöglich war. 258 Im August 1934 sieht Louis Hautecoeur daher die Dimensionen seines Projekts für das neue Musée des Artistes Vivants in Gefahr. Denn die Stadt beharrt auf einer Verteilung der Ausstellungsfläche zu gleichen Teilen zwischen Staat und Stadt, noch bevor die von ihm als Mindestvorgaben eingereichten Anforderungen in einem öffentlichen
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Architekturwettbewerb formuliert sind. Ein ausführlicher Brief Hautecoeurs vom 13. August 1934 an den Chef des Service des Bâtiments civils dokumentiert die Zielsetzungen und Schwierigkeiten. Das Schreiben fällt in die Vorbereitungszeit des Museologie-Kongresses in Madrid und zeigt den Einfluss der Auseinandersetzung mit internationalen modernen Kunstmuseen. Dem Brief liegt eine handsignierte Kopie seines getippten Projet d’un nouveau »Musée des Artistes Vivants« bei, mit den Zielvorgaben des neuen Museums, in dem die Sammlungen aus der Orangerie des Palais du Luxembourg und dem Jeu de Paume endlich wieder zusammengeführt werden sollen. Er schreibt einleitend, dass Jacques Gréber, Chefarchitekt der Weltausstellung 1937, ihm mitgeteilt habe, die Stadt beharre auf ihrem Wunsch nach Gleichheit, weshalb er sein Projekt verkleinern müsse; er weist darauf hin, dass er seinem eigenen Stellvertreter Pierre Ladoué schon ein verkleinertes Projekt geschickt habe und beklagt, dass niemand im Vorfeld nach der Ausstellungsfläche gefragt habe, obwohl ja eigentlich drei Museen zusammengeführt werden müssten. 259 Es stelle sich somit die Frage, ob man das Museum der lebenden Künstler baue, »das diese seit Ludwig XVIII erwarten«, und zu dessen Bau sich der Senat verpflichtete, als er das Museum in die Orangerie des Luxembourg verlegte, oder ein kleines, reduziertes Museum. 260 Die Dimensionen seines Projekts seien schon wesentlich reduzierter als jene, die sein Vorgänger Léonce Bénédite seinerzeit im ehemaligen Seminar von SaintSulpice veranschlagte. Gegenwärtig nehme die Malerei im Luxembourg 500 Meter Wandfläche ein, wobei Bild an Bild in zwei Reihen hänge; um eine Reihe zu erreichen, seien 1000 Meter nötig, zur Entzerrung 1300 Meter. Einige wichtige Künstler seien mit nur einem Bild vertreten, andere beschwerten sich, nur mit »Briefmarken« vertreten zu sein. Hinzu käme, dass die Graveure und auch Architekten vertreten sein wollten, die Kunsthandwerker fühlten sich außer Acht gelassen und er erhalte unablässig Protestschreiben. Werde nur ein kleines staatliches Museum gebaut, brauche man das Jeu de Paume gar nicht erst mit umzuziehen. Dies hätte aber die paradoxe Folge, dass das staatliche Museum lebender Künstler auf zwei Museen aufgespalten wäre, während sich das städtische Museum gleich groß neben dem neuen staatlichen Bau erhebe. Aus seiner Sicht bleibe nur übrig, das nach den Gegebenheiten des halben Geländes mögliche Gebäude zu bauen, gegebenenfalls werde der Staat sich eben begnügen. Allerdings beklagt er, dass dann nicht mehr das museologische Konzept entscheidend wäre. Er verweist auf den Modellcharakter des neuen Gemeentemuseum Den Haag und der amerikanischen Museen, die er zu diesem Zeitpunkt in Vorbereitung auf Madrid studierte. Als schlechtes Beispiel gilt ihm das erst 1894 fertiggestellte Palais Galliera gegenüber dem Palais de Tokyo, 1879 in Auftrag gegeben von der namensgebenden Herzogin für ihre Kunstsammlung, die sie der Stadt schenken wollte. Für Hautecoeur ist die Vereinbarung zwischen dem Staat und der Stadt daher eine »Ursünde«. Das Gelände sei nicht groß genug für zwei Museen: »Le terrain était bon pour un musée, qu’il fut municipal ou national, mais non pas pour deux musées.« 261
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Dem Schreiben an den Chef des Service des Bâtiments civils liegt die erwähnte Aufstellung seines Projet d’un nouveau »Musée des Artistes Vivants« bei. 262 Die vierseitige grundlegende Beschreibung des Projekts von 1934 mit den Erfordernissen wird hier nach einer Version betrachtet, die er im November 1937 einem Bericht an den Minister mit seiner Sicht auf die Konstruktion des Palais de Tokyo beilegte. 263 Ein Museum müsse fünf Bereiche umfassen, A) Services, B) Gardiennage (Wachräume), C) Chaufferie (Heizung), D) Conservation und E) Ausstellungssäle. Hautecoeur unterteilt sein Projekt in einen ersten Teil »Section française«, in dem er die Erfordernisse für das Museum der lebenden französischen Künstler darlegt, und einen zweiten »Section étrangère«, für die Ausstellung ausländischer Künstler. Diese ist überschrieben mit dem unterstrichenen Satz »En cas de transport du Jeu de Paume«, bezieht sich also auf die im August 1934 dargelegte Möglichkeit, dass die Sammlung der nichtfranzösischen Künstler im Jeu de Paume verbleibt. Für den Fall ihres Umzugs sieht Hautecoeurs Projekt zwei Büros für einen Kurator und seinen Stellvertreter vor, eine Unterkunft für den Chef-Wachmann, und für Ausstellungssäle 3.000 Laufmeter Wandfläche für Malerei, für Skulptur eine Fläche von 2.000 Quadratmetern, und für Zeichnung und Grafik 500 Laufmeter Wand. 264 Die viel größere »Section française« sollte im Dienstbereich eine Anlieferungsund Zwischenlagerungshalle von 10 × 10 Metern aufweisen, deren Bodenhöhe auf die Ladefläche von Lastwagen abgestimmt sein sollte, und einen angrenzenden Saal für die Entgegennahme. Als Magazinfläche projektierte Hautecoeur drei Säle von ebenfalls 10 × 10 Metern, zwei Magazine für Malerei von 10 × 20 Metern mit Bilderlagern auf Rollen »wie im Louvre« und für Kunstobjekte ein Regal von 20 × 3 Metern. Hinzu kommen sollten ein Labor für die Untersuchung von Werken, ein Fotolabor und eine Garage. Neben Unterkünften, Büros, Küchen und Duschen für Wachmänner veranschlagt sein Entwurf für die Heizung einen Kohlenbunker für 100 Tonnen, einen Heizungs- und Klimatisierungsraum und Lagerfläche für Schlacken. Die Räume der Konservatoren und Kuratoren sollten über einen separaten Gebäudeeingang verfügen und waren für einen Chefkurator, zwei beigeordnete Conservateurs und drei Attachés ausgelegt. Angegliedert sein sollte ein Kupferstichkabinett für bis zu 10.000 Zeichnungen, etwa 100 Regalmeter. Die Zeichnungen und Grafiken sollten aufrecht in Kartons gelagert werden, und jedes Regalfach sollte 80 Zentimeter hoch, 50 breit und 60 Zentimeter tief sein; das Kupferstichkabinett sollte auch bis zu 4.000 Medaillen beherbergen können und über einen Reservesaal verfügen. Eine Bibliothek sollte bis zu 20.000 Bände fassen können. Hinzukommen sollten ein Wartesaal für Besucher der Kuratoren und ein Saal für Vereine, die am Musée du Luxembourg ihren Sitz hatten. 265 Für die Ausstellungsfläche der Section française wünschte sich Hautecoeur 3.000 Laufmeter Wandfläche für Malerei, 300 für Zeichnungen, 200 für Stiche, 500 für Architektur; für Skulpturen veranschlagte er eine Fläche von 3.000 Quadratmetern, und für Kunstobjete zehn Ausstellungssäle, davon zwei von 12 × 12 Metern und acht von 10 × 5 Metern. Ein eigener Saal für die Neuerwerbungen sollte über 60 Laufmeter Wand
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verfügen und über 200 Quadratmeter für Skulpturen. Für temporäre Ausstellungen veranschlagte er zehn Säle von durchschnittlich 10 × 10 Metern. Das Museum sollte darüber hinaus über einen Konferenzsaal für bis zu 400 Personen verfügen und einen von den Ausstellungssälen getrennten Verkaufs- und Garderobenraum. Die bedrängte Situation der modernen und zeitgenössischen Kunst im Musée du Luxembourg hätte so endlich ein Ende gefunden. Das von ihm projektierte Museum ist nicht nur auf der technischen Höhe der modernen Museen seiner Zeit, sondern nimmt in der Ausstattung mit Kupferstichkabinett, Bibliothek und der großen Ausstellungsfläche moderne und zeitgenössische Kunst als nationales Aushängeschild und als kunsthistorisches Studienobjekt ernst. Das Projekt zeigt die deutliche Orientierung am internationalen museografischen Standard, der ihm durch den Kongress in Madrid 1934 präsent ist; vor allem aber ergreift Hautecoeur die Gelegenheit, die lebenden Künstler in ein modernes Gebäude zu führen.
»À L A BA SE DE TOU T AR T, IL Y A UN MÉTIER«: WIR TSCHAF TSPOLITIK UND MUSEOLOGISCHER MODERNISMUS, 1934 –1939 Auf der Weltausstellung 1937 nimmt zeitgenössische Kunstproduktion einen besonderen Stellenwert ein, denn die Schau betont einerseits die Funktion der Kunst, die sich im technischen Fortschritt spiegelt. Ein neues Gebäude für ein Museum zeitgenössischer Kunst unterstützt andererseits den Anspruch, ein Fenster in die Zukunft zu öffnen. Ein Appel aux Exposants von 1934 beschreibt das Programm der Weltausstellung, das hier ganz wiedergegeben wird: »L’Exposition réunira les œuvres originales des artisans, des artistes, des industriels. Elle se propose d’être créatrice, éducatrice et même de provoquer des réalisations qui semblent à l’heure actuelle être du domaine de l’avenir. Elle s’efforcera de montrer que le souci d’art dans le détail de l’existence journalière peut procurer à chacun, quelle que soit sa condition sociale, une vie plus douce, qu’aucune incompatibilité n’existe entre le beau et l’utile, que l’art et les techniques doivent être indissolublement liés.« 266 Dieser Aufruf an die Ausstellenden wirbt mit einem »effort considérable« für den architektonischen Generalplan. 267 In diesen schreibt sich auch das Gebäude der neuen Museen ein. Die Expo will das Schöne mit dem Nützlichen verbinden und richtet sich an eine »riesige« Öffentlichkeit als Antwort auf die »gegenwärtigen Anliegen aller Nationen und aller sozialen Klassen«. Ihre 75 Classes verteilen sich auf 14 thematische Gruppen. 268 Der Appel richtet sich auch und gerade an Künstler und Kunsthandwerker. Er verspricht,
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die Weltausstellung werde einen sehr deutlichen künstlerischen Sinn haben, »un sens artistique très net«. Dieser soll sich darin artikulieren, dass den Künstlern »ökonomische und soziale Themen vorgeschlagen werden«. Eine solche ökonomisch-funktionale Leitlinie zeigt sich vor allem darin, dass die Organisatoren betonen (müssen), dass die Weltausstellung der Kunst in Frankreich nicht zum Nachteil gereichen werde: »Nous n’avons pas l’impression de desservir la cause de l’art français. Nous offrons à tous les talents créateurs un véritable bain de jouvence.« 269 In der Dritten Republik verlagerte sich der Einfluss des Staates immer mehr vom autoritativ-protektiven Verhältnis zu Künstlern zu einer Schwerpunktsetzung auf die Bereiche des nationalen Kulturerbes und der Bildung bei gleichzeitiger Ausdifferenzierung ihrer Verwaltung. Mit der Entwicklung des Kunstmarktes gewinnt zugleich eine ökonomische Figur des unabhängigen Künstlers als Produzent Kontur in zahlreichen Berufsverbänden. 270 Marie-Claude Genet-Delacroix hat anhand einer umfassenden Analyse der Haushaltspläne die Entwicklung in den drei zentralen Bereichen Bildung, Kulturerbe und Auftragsvergabe aufgezeigt: Während die Mittel für Bildung, Konservatorien, Theater und Museen seit den späten 1880er Jahren bis 1937 fast um die Hälfte zurückgehen, steigen umgekehrt proportional die Mittel für Kulturerbe und Denkmalschutz mit Schwankungen; die Mittel für staatliche Kunstankäufe gehen bis 1933 dramatisch zurück, und steigen erst unter dem Front Populaire wieder langsam, daneben gehen auch die Ausgaben für die staatlichen Manufakturen dramatisch zurück. 271 Kunst soll einen ökonomischen Sinn haben. Die Weltausstellung von 1937 soll ein Mittel sein, der Wirtschaftskrise zu begegnen, sie soll zur »Aufrichtung der nationalen Wirtschaft« beitragen, »gegen die Arbeitslosigkeit kämpfen« und einer »Vielzahl von Berufen, die die Krise hart getroffen hat«, Arbeit geben. 272 Sie solle die Qualitäten eben dieser Menschen ins Licht rücken; die Reihenfolge der Aufzählung im Appel zeigt, wie die im Titel der Weltausstellung genannten Künste zu verstehen sind, nämlich in erster Linie als funktionale, und erst zuletzt als ästhetisch-autonome: »Mettre en pleine lumière les qualités propres à nos ouvriers, à nos artisans, à nos techniciens, à nos artistes«. 273 Die Kunst selbst wird in den Dienst dieser Botschaft gestellt. Ein zentrales und aussagekräftiges Beispiel ist das farbige Titelbild des zweibändigen Besucherkatalogs der Weltausstellung 1937 (Abb. 7). Es zeigt zwei schmale Frauengestalten, die physisch identisch sind und nebeneinander den Betrachter anblicken; ihre Arme hängen leicht angespannt herab, während sie sich an einer Hand fassen. Sie haben dieselben kurz geschnittenen dunklen Haare. Sie tragen beide eine weiße, in Längsfalten fallende ärmellose Toga im griechischen Stil, die unterhalb der Brust hoch gegürtet ist. Sie unterscheiden sich in Details: Während die Dame zur linken ihr Kleid mit einem doppelten Band gegürtet hat, trägt die rechte ein einfaches. Das Kleid der linken ist ausgeschnitten, während jenes der rechten Dame hoch geschlossen ist. Ihre Gesichter zeigen keine Nasen, die Augen blicken den Betrachter direkt an. Auf Wangen und Lippen erscheint jeweils ein leichter rötlicher Schimmer. In der jeweils freien Hand tragen sie unterschiedliche Utensilien:
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7 Titelbild des Katalogs der Weltausstellung: Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, 2 Bde., Paris 1937
Die linke Dame hält ein als T geformtes Utensil und ein flaches Muster, an dem abgerundete Kanten und Aussparungen erkennbar sind. Hierbei handelt es sich offensichtlich um einen rechten Winkel und ein Kurvenlineal, wohl eine Burmester-Schablone. Die rechte hält eine Malpalette und mehrere Pinsel. Während im Vordergrund ein grüner Untergrund ein Viertel der Bildhöhe einnimmt, ist der Bildhintergrund mit einem sich von Weiß zu Grau graduell abdunkelnden Farbverlauf gestaltet. Eine dünne Linie trennt zuunterst einen schmalen horizontalen Streifen vom restlichen Hintergrund. Am linken Bildrand ist ein dunkelgrün gestalteter Umriss von Gebäuden zu sehen, hinter dem sich dunkelgrau die Silhouetten von Fabrikgebäuden mit langen Schornsteinen erheben, aus denen Rauch aufsteigt. Daneben sind zwei Dampfschiffe angedeutet. Am rechten Bildrand ist eine Gruppe von acht schematischen menschlichen Silhouetten zu sehen, die mit gespreizten Beinen ihre Arme über den Kopf ausstrecken und zur rechten Seite neigen. Weitere Gestalten nähern sich ihnen vom Wasser. Hinter ihnen erhebt sich grüne Vegetation. Noch weiter im Bildhintergrund sind zwei Segelschiffe angedeu-
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tet und zuhinterst eine Berglandschaft. Im oberen Drittel des Hintergrunds sind links drei Propeller-Flugzeuge dargestellt, ihnen gegenüber in der rechten Bildecke drei Vögel. Die Lichtquelle fällt mit dem Fluchtpunkt zwischen den Damen auf Höhe ihrer Beine zusammen. Das Titelbild des Katalogs ist demnach sehr schematisch aufgebaut. Die Damen erinnern mit ihrer Kleidung im griechischen Stil und den Utensilien, die klar als Attribute einerseits der technisch konstruierenden Zeichnung, andererseits der Malerei erkennbar sind, an griechische Musen, wenngleich keine der neun Musen der klassischen Überlieferung der technischen Konstruktion oder der Malerei zugeordnet ist. Diese »musischen« Frauengestalten verkörpern damit die zwei Komponenten des Titels der Weltausstellung von 1937, Künste und Techniken im modernen Leben. Das Bild des Pariser Art-DécoKünstlers André Edouard Marty (1882–1974) übersetzt ihn wörtlich. Künste und Techniken sind dargestellt als aus der Zeit überlieferte Formen der bildgebenden Gestaltung. Das »moderne Leben« ist im Bildhintergrund dargestellt. Auf der »technischen« Seite, mit dem Umriss der Stadt, Fabriken, qualmenden Schloten, Ozeandampfern und Flugzeugen. Auf der »künstlerischen« Seite mit Natur, Segelschiffen und der turnenden oder Übungen der Freikörperkultur ausführenden Gruppe von Menschen. Diese weisen auf die zahlreichen Strömungen in der Moderne, die gegenüber der Industrialisierung und Entindividualisierung in Städten eine körperliche und geistige »Erneuerung« des Menschen anstrebten. Als Beispiele mit internationaler Wirkung kommen etwa Gret Palucca, Mary Wigman oder der Monte Verità in den Sinn. 274 Das Titelbild des Katalogs macht damit deutlich, wie Künste und Techniken als musische Geister von alters her in die Gegenwart kommen. Der Betrachter kann sich unabhängig von seiner Nationalität in seinem modernen Leben als Künstler oder Techniker angesprochen fühlen. Es trifft gut den Geist dieser Weltausstellung, die einerseits eine Vorstellung vom »Künstlerischen« betont, aber andererseits, wie zu sehen sein wird, eine an der Vergangenheit orientierte Ästhetik verfolgt. Wichtigster Faktor dieser Weltausstellung unter der Schirmherrschaft des Ministère du Commerce Fernand Chapsal ist die Handelspolitik. In seinem Geleitwort betont dieser ihren internationalen Charakter mit über vierzig teilnehmenden Nationen und verweist auf ihre Bedeutung in wirtschaftlich und politisch unsicheren Zeiten: »En décidant cette manifestation grandiose dans les temps difficiles et troublés, la France a donné une preuve de confiance dans son destin et dans l’avenir de la paix.« 275 Die klar wirtschaftspolitische Weltausstellung soll zeigen, dass die Kunst auch in der Moderne ihren Wert hat, aber jeder Kunst »ein Beruf zu Grunde« liege: »D’autre part, en se plaçant sous le double vocable des Arts et des Techniques, l’Exposition entend affirmer que l’Art garde, dans l’échelle des valeurs, sa place éminente, et aussi rappeler cette vérité parfois oubliée, qu’à la base de tout art, il y a un métier.« 276 Die Weltausstellung soll für den Standort Frankreich und seine Produktionsvielfalt werben und als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme wirken. Die Situation von Architekten und Künstlern ist, trotz des
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Aufschwungs, den der Siegeszug des Art Déco seit Mitte der 1920er Jahre brachte, in den 1930er Jahren nach wie vor prekär, wie Louis Hautecoeur in seinem Vortrag auf Einladung der Association Française pour le progrès social über die Künstler und die Krise 1935 feststellt. 277 Ein Hauptproblem für die mit zahlreich in Auftrag gegebenen Kriegerdenkmälern unmittelbar nach dem Weltkrieg noch gut beschäftigten Bildhauer sieht Hautecoeur in der neuen Architektur der Moderne, mit der sich das Haus als »machine à habiter« vom Ornament und bildhauerischen Programm abwendet. 278 Er identifiziert arbeitsteilige Industrialisierung und maschinelle Herstellung als Ursachen, aber auch das nachgefragte Design selbst, da moderne Möbel und ihre Muster nicht die früheren Fertigkeiten erforderten. Im Bereich der Malerei schließlich konstatiert Hautecoeur eine auf die Lebensfreude der Franzosen nach dem Ersten Weltkrieg zurückgehende Inflation und kritisiert spekulative Auktionen: »Les peintres furent cotés comme les actions de la Banque de France ou de la Royal Dutch.« 279 Diese Situation ist ein Erbe der Entwicklung des französischen Kunstmarktes im 19. Jahrhundert. Harrison und Cynthia White wiesen 1965 Gründe für den Niedergang des über zweihundert Jahre aufgebauten institutionellen »akademischen« Kunstsystems in Frankreich und den Aufstieg eines dynamischen und wesentlich größeren Systems, das soziale und ökonomische Folgen für tausende Maler hatte, nach. Mit den Impressionisten wurde ein System von Händlern und Kritikern eingeleitet. 280 Zusammen mit Spekulation und einer Aufweichung des institutionellen Systems sorgte es unter dem Einfluss der ökonomischen Expansion Frankreichs und der Stadt Paris als internationalem Zentrum dafür, dass mit einer exponentiell gestiegenen Produktion von Gemälden der durchschnittliche private Käufer zum dominierenden Faktor auf dem Kunstmarkt wurde. 281 Die ein akademisches Kunstsystem verdrängende Wirkung des Marktsystems kann noch um die Bedeutung des Nutzwertes ergänzt werden, die sich in der exponentiellen Entwicklung des Designs, der »arts industriels«, und der steigenden Bedeutung des »Originals« zeigte. 282 Louis Hautecoeurs Analyse dokumentiert die Auswirkungen solcher Spekulationen. Mit der Krise kamen fallende Nachfrage und das Überangebot fatal zusammen; außerdem hätten viele Sammler Paris verlassen, während sich zugleich in anderen Ländern neue Schulen begründeten und ein Interesse an jeweils nationaler Kunst zunehme. 283 Der französische Staat verfüge nur noch über wenige Ankaufsmittel. Und die Museen verkauften weniger Eintritte, Kataloge und Gipsabgüsse. 284 Daher kommt es ihm darauf an, das Interesse der Öffentlichkeit zurückzugewinnen, das abstrakter Kunst und der Salons überdrüssig geworden sei. Konservativ sieht er einen Vorteil in Tendenzen zum Gegenständlichen: »La peinture, qui était devenue très souvent conceptuelle, reprend peu à peu le sens de l’humanité. Elle sera capable ainsi d’intéresser non sans doute le grand public que touche seul l’anecdote, le sujet, mais les hommes cultivés et ne sera pas réservée à un petit nombre d’amateurs.« 285 Die Weltausstellung von 1937 wird auch in diesem Vortragsplenum schon als Gelegenheit zur Verbesserung der Situation angese-
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8 Arbeit am Modell der Weltausstellung, Dokumentationsfotografie »Artistes travaillant à la maquette«, 23. Januar 1936, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
hen. Nach seinem Referat entgegnet Hautecoeur auf einen Einwurf, die Weltausstellung gäbe eher der etablierten Generation zu tun, dass die Konstruktion der neuen Museen mit Dondel und Aubert an zwei äußerst junge Architekten gegeben worden sei, 32 der eine, noch nicht 30 der andere. 286 Die Ausschreibungen für den Bau, die künstlerische Ausstattung und die Inneneinrichtung von Pavillons der Weltausstellung sind später unzählbar. Ein Beispiel, das den Kern dieser Kunstpolitik trifft, ist die Beschäftigung von Künstlern bei der Erstellung des Gesamtmodells der Weltausstellung. Das Handelsministerium ließ sich dessen Entstehung mit Fotos dokumentieren. Im Hintergrund ist der Generalplan mit dem Palais de Tokyo erkennbar, während im Vordergrund die künstlerische Arbeit gezeigt wird (Abb. 8). Diese Fotografien tragen zum Teil die Bezeichnung »artistes travaillant sur la maquette«. Die Weltwirtschaftskrise hatte den Kunstmarkt hart getroffen. In Amerika, wo die Depression den ohnehin kleinen Markt fast zum erliegen brachte und sich im »Social Realism« als dominantem Stil der 1930er Jahre niederschlug, wurden zeitgleich Programme aufgelegt, die den Künstlern helfen sollten. 287 Die College Art Association überzeugte 1932 das Emergency Work Bureau, ein Programm für arbeitslose Künstler
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aufzulegen, und Franklin D. Roosevelts New Deal lancierte öffentliche Programme, die auch Künstler, Schriftsteller und Theatermacher beschäftigen sollten. 288 Das Federal Art Project der amerikanischen Works Progress Administration (WPA/FAP) bestand von 1935 bis 1943. 289 Auch in Frankreich wurden große Konjunkturprogramme aufgelegt. Der »Plan Marquet« des sozialistischen Arbeitsministers Adrien Marquet vom 15. Mai 1934 sah staatliche Investitionen im Rahmen von »Grands Travaux« vor. Über einen Zeitraum von zehn Jahren sollten vom 1. Juni 1934 bis 31. Dezember 1940 10 Millionen Francs investiert werden. Unter dem Front Populaire ab August 1936 ersetzte ihn das erweiterte Konjukturprogramm des »Plan Blum«, der neben wissenschaftlichen, künstlerischen und schulischen nun auch sportliche und touristische Einrichtungen fördern sollte. 290 Das MNAM taucht aufgrund der administrativen Sonderstellung in seiner Entstehungsphase zwar nicht als Einzelposition auf in den Dossiers des Bureau des Travaux d’Art über jährlich als Grands Travaux veranschlagte Mittel für Renovierungsund Erneuerungsarbeiten in Museen der Jahre 1936 bis 1941. 291 Aber zumindest eine Querverbindung zeigt sich in einem Bericht über abgeschlossene und laufende Arbeiten im Louvre. Er erwähnt die Neueröffnung der durch einen Tunnel verbundenen Galerien griechischer Skulptur und ägyptischer Monumente durch den Präsidenten der Republik, vermutlich am 26. Mai 1936. 292 Im letzten Punkt, »Autres musées« findet sich neben den im neu errichteten Trocadéro einzurichtenden Musée des Monuments français und Musée Indochinois eine Erwähnung des Palais de Tokyo als eines jener Museen, die von der Expo profitieren werden. 293 Mindestens ebenso wichtig wie Wirtschaftsförderung ist für die Weltausstellung der Gedanke der Völkerverständigung und der Beitrag der Kunst, wie Handelsminister Fernand Chapsal schreibt: »Quand on a admiré, dans le cadre de chaque nation, les réalisations des techniques et les chefs-d’œuvre des arts, on découvre […] qu’ils témoignent d’échanges incessants, d’une émulation née du besoin de faire bénéficier la collectivité des expériences de tous. Ils mettent en lumière, à travers le génie original des races et pays, l’unité de l’esprit humain.« 294 Die Differenzen zwischen der französischen Regierung und dem internationalen Weltausstellungsbureau seit 1932 führten dazu, dass die Expo 1937 offiziell eine Weltausstellung zweiter Klasse wurde. 295 Danach wurde der internationale Austausch umso stärker betont. Das vom Commissaire général Edmond Labbé vorgeschlagene Programm, die Klassifikation und das Reglement der Weltausstellung wurden vom Ministère du Commerce et de l’Industrie am 12. November 1934 genehmigt. Die Durchführung wurde bereits per Gesetz vom 6. Juli 1934 und Dekret vom 27. Juli 1934 beschlossen. 296 Paul Léon, der ehemalige Directeur général des BeauxArts von 1919 bis 1933, war Commissaire général adjoint neben dem Commissaire général Edmond Labbé. Pierre Mortier leitete als Directeur de la Propagande die Öffentlichkeitsarbeit. Am Bau des MNAM wird die komplexe Zuständigkeitsverteilung deutlich. Zu den Direktionen des Ministère du Commerce gesellen sich die Direction de l’Architecture, des Parcs et Jardins unter dem Landschaftsarchitekten Robert Martzloff.
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Architecte en chef honoraire ist Charles Letrosne. Jacques Gréber ist der Architecte en chef der Weltausstellung und Edouard Crevel Directeur adjoint. Die Direction des Travaux d’Art ist mit Louis Hautecoeur als Conseiller technique vertreten. 297 In Chapsals Geleitwort zählt die Vorstellung vom einzelnen, herausragenden und daher überhöhten Werk mehr als unterschiedliche Auseinandersetzungen mit bildnerischen Mitteln in Strömungen und Avantgarden, die naturgemäß auch länderübergreifend stattfinden. Im Vordergrund steht das politisch narrative Potential eines Werkes, das in der Summe mit anderen ein Gesamtbild eines nationalen Hintergrundes ergibt. Damit wird paradoxerweise in der Annahme eines internationalen Dialogs der Kunst ein nationales Sendungsbewusstsein gestärkt. Es ist bezeichnend, dass zwar auf einen verbindenden menschlichen Geist verwiesen wird, für »Meisterwerke« aber auf ein den jeweiligen Völkern und Ländern eigenes Genie. 298 Dass gerade »Meisterwerken« die Fähigkeit einer universellen Sprache zugeschrieben wird, ist sicherlich kein Zufall. Denn im Palais de Tokyo wird als erste Ausstellung während der Weltausstellung Chefsd’œuvres de l’Art français gezeigt. Bevor hierauf einzugehen ist, werden im Folgenden aber zunächst die kunstpolitischen Implikationen der Architektur und künstlerischen Ausstattung des Palais analysiert.
»ÉVITER LES E XCÈS D’UN MODERNISME DÉJÀ DÉMODÉ«: ARCHITEKTUR UND KÜNSTLERISCHE AUSSTAT TUNG DES PAL AIS DE TOKYO Der Katalog der Weltausstellung 1937 beschrieb das Ensemble des Palais de Tokyo als »Zwillingspaläste moderner Kunst«. Das Gebäude wird in seiner Geburtsstunde selbst zum Ausstellungsstück: Die Architektur wird als »monumental« beschrieben. Sie sei zugleich »harmonisch« und »dekorativ« und gehe auf die »fähige« Tätigkeit der Architekten zurück; die weite Terrasse wird betont, die Kolonnaden werden als »hoch und puristisch« beschrieben, und der Portikus, der die Flügel verbindet, als »klar«. 299 Für die Autoren und Herausgeber des Kataloges aus Ministerien und Verwaltungen stehen zwei Aspekte im Vordergrund: Erstens soll eine selbsterklärende Ästhetik gesetzt werden, die damit über Zweifel erhaben scheint. Auf die zeitgenössische Rezeption des Entwurfs wird noch einzugehen sein. Zweitens aber zeigt sich hier ein Ideal von Monumentalität, die aus »Harmonie« und »Dekorativität« hervorgehen soll. Im Folgenden wird das gesamte Ensemble betrachtet, auch wenn sich die Bezeichnung »Palais de Tokyo« erst in der jüngeren Vergangenheit und für den staatlichen Westflügel einbürgerte. Es liegt im 16. Arrondissement östlich der Place de l’Alma und der gleichnamigen Seine-Brücke auf einem zum Fluss abfallenden trapezförmigen, nach Osten leicht verjüngten Grundstück. Im Norden wird es begrenzt durch die Avenue du Président Wilson, im Osten von der kleinen Rue Gaston de St Paul und im Westen
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9 Lageplan der Manutention Militaire, Service Technique, Préfecture de la Seine, November 1934, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
durch die Rue de la Manutention, in deren Verlängerung die Passerelle Debilly über die Seine zum Musée du Quai Branly führt (Abb. 9). Die Avenue de New York verläuft an der Südseite am Ufer der Seine entlang. Sie hieß zur Zeit der Weltausstellung 1937 Quai (manchmal Avenue) de Tokio, daher die Bezeichnung als Palais »de Tokyo«. Es ist kein Zufall, dass der Katalog das Ensemble als Verbindung von Harmonie, Dekorativität und Monumentalität beschreibt. Ökonomische und künstlerische Aspekte verbinden sich zu einem ästhetischen Anspruch der Weltausstellung, den es zu beleuchten gilt. Zunächst wird das ästhetische Programm zeithistorisch eingeordnet, bevor die Kunstwerke der ursprünglichen Ausstattung im Außenraum in den Blick rücken. Das offizielle Ideal eines »unmodischen Modernismus« zeigt sich sowohl in der neoklassizistischen Architektur als auch in den Werken, wie eine exemplarische Analyse des markanten Fassadenreliefs zeigt, Alfred Janniots Allégorie à la gloire des arts. Auch weitere Werke zeigen deutlich die klassizierenden Traditionslinien, sei es beispielsweise im Stilideal des Renaissancebildhauers Jean Goujon oder im ikonografischen Einsatz von HardouinMansarts Pariser Invalidendom.
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NEOKL ASSIZISMUS UND DAS IDEAL EINES FUNKTIONELLEN DEKORATIVEN MODERNISMUS Das Ensemble besteht aus zwei Flügelbauten im Westen und Osten des Grundstücks. Dazwischen führt eine Terrassen-, und Treppenanlage zur Avenue de New York. Sie sind durch einen offenen Säulen-Portikus miteinander verbunden, der als Halbkreis zur Avenue du Président Wilson die kleine Place de Tokio umfriedet. Die Säulenkolonnaden setzen sich auf der Innenseite der Anlage an beiden Flügeln fort. Am südlichen Rand steht mittig eine große Bronze-Skulptur auf der Terrasse. Es schließt sich quer eine doppelte Freitreppe an, an deren Fuß sich die Terrasse durch die zurückspringenden Flügelbauten verbreitert. Im Norden wird diese begrenzt von der Mauer der Treppenanlage, an der sich ein von bronzenen Hippokampen getragenes Wasserbecken, ein »buffet d’eau«, befindet. In der Mitte dieser Fläche ist ein großes Becken angelegt, das von vier Skulpturen flankiert wird. Das ursprünglich als »miroir d’eau« angelegte Bassin soll seine Umgebung widerspiegeln (Abb. 10). Die auf der tieferen Ebene an die Kopf bauten angeschlossenen Flügel sind zum weiten Innenhof und zur Seine hin abgerundet. Diese abgerundeten Fassaden sind mit Metopen dekoriert, während jene der Kopf bauten und die Stützmauern an der Nordseite des Hofes mit dem zweiteiligen Fries von Janniot ausgestattet sind. Wie der Katalog der Weltausstellung präzisiert, wurde das Becken seinerzeit von zwölf nackten, weißen Steinskulpturen umrandet. 300 Das Stilideal wurde auch öffentlich deutlich formuliert. Der erwähnte Appel aux Exposants rief einen klaren ästhetischen Anspruch aus. Dieser trägt funktionelle ökonomische Züge und gibt Eckdaten für eine erfolgreiche Bewerbung als Projektträger oder Aussteller vor. Es heißt, man wolle »lächerliche Anachronismen« vermeiden, aber »mehr noch die Exzesse eines schon aus der Mode gekommenen Modernismus«; Ziel ist ein »aktueller Stil«, der Dekoration nicht »praktischen Interessen opfert«, wobei letzteres auf eine Förderung der industriellen Produktion und kommerzieller Verbreitung abzielt: »Nous voulons éviter non seulement les anachronismes ridicules, mais encore les excès d’un modernisme déjà démodé; Nous voulons créer un style actuel où la décoration ne sera pas sacrifiée aux intérêts pratiques; Où les nécessités de la production industrielle et de la diffusion commerciale ne seront pas négligées au profit de stériles fantaisies.«301 Freilich ist dies selbst ein Anachronismus, wie er angeblich vermieden werden soll, denn der Ruf nach Dekoration gegen »sterile Fantasien« trägt eine Rückwärtsgewandtheit in sich, die Mitte der 1930er Jahre wieder hinter die avantgardistische Architektur zurückfallen möchte. Den ästhetischen Diskurs bestimmen die aufsehenerregenden Entwürfe des Modernismus, allen voran jene des Bauhaus. Frankreich kommt aufgrund der hier erzielten technischen Fortschritte und der avantgardistischen Entwürfe eine zentrale internationale Bedeutung zu. Um dies zu illustrieren, genügt es, sich den Einfluss von Sigfried Giedions Buch Bauen in Frankreich. Bauen in Eisen. Bauen in Eisenbeton von 1928 in Erinnerung zu rufen, dessen
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10 »Miroir d’eau« des Palais de Tokyo, Dokumentationsfotografie, 1937, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Typografie und Gestaltung von Laszlo Moholy-Nagy stammen. 302 Als Walter Benjamin das Buch 1929 las, schrieb er Giedion, er sei »elektrisiert« vom letztem Teil. 303 Dort setzt sich Giedion mit der Luftdurchlässigkeit und Durchdringung im »unteilbaren Raum« der Häuser Le Corbusiers auseinander, deren Transparenz und »Entmaterialisierung des Festumgrenzten«. Er beschreibt die Wahrnehmung dieser Architektur auf international in Zeitschriften weit verbreiteten Fotografien als deckungsgleich mit der realen: In beiden Fällen verschwimmen Konturen, und als Historiker erkennt er eine neue Vorliebe für »schwebend-durchsichtige Dinge«. 304 Benjamin ist elektrisiert, weil er hier den Anschluss der Architektur an Fotografie und Film findet. Über Corbusier schreibt Giedion: »Beziehung des Vollen zum Leeren. Beziehung der glatten Fläche zur durchbrochenen, Beziehung der Horizontalschichten zu Vertikalkörpern [...] Starre Aufnahmen bringen da keine Klarheit. Man müsste den Wandel des Blicks begleiten: Nur der Film kann neue Architektur faßbar machen!«305 Dies deckt sich mit Benjamins Auffassung von der revolutionären Kraft des Films, die er bewusst mit einer Erfahrung der Architektur verknüpfte. Bei seinem Aufenthalt in Neapel 1924 war Benjamin nachhaltig geprägt
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worden durch den sozialen und architektonischen Durchdringungsprozess von Innen und Außen in der Porosität von Architektur und sozialen Beziehungen. 306 Mit dem Film sieht Benjamin die Möglichkeit für architektonische Transparenz und soziale Verbindungen gekommen: »An sich selber sind diese Büros, möblierten Zimmer, Kneipen, Großstadtstraßen, Bahnhöfe und Fabriken häßlich, unfaßlich, hoffnungslos traurig. Vielmehr: sie waren und sie schienen so, bis der Film war. Er hat dann diese ganze Kerkerwelt mit dem Dynamit der Zehntelsekunden gesprengt, so daß nun zwischen ihren weitverzweigten Trümmern wir weite, abenteuerliche Reisen unternehmen.«307 So formuliert er es 1927. Er nimmt den identischen Gedanken in den KunstwerkAufsatz auf, wo er die Selbstwahrnehmung des Menschen als Teil einer Gemeinschaft in der Architektur überträgt auf das neue Medium Film. 308 Aber obwohl nun seit dem Wahlsieg des Front Populaire 1936 der größere politische Kontext geprägt ist vom Programm einer Ausweitung der Bildungsmöglichkeiten und kultureller Erneuerung, scheinen in Frankreich architektonische Transparenz und künstlerische Avantgarde den politischen Ambitionen sogar zu widersprechen. Ökonomische und kulturelle Erneuerungsbestrebungen, die sich im Palais de Chaillot und dem Centre Régional der Weltausstellung 1937 zeigten, sind mit dem Begriff des »conservative modernism« beschrieben worden. 309 Es lohnt jedoch, auf die nuancierten Implikationen des offiziellen Aufrufs zur künstlerischen Beteiligung an der Weltausstellung hinzuweisen. Der Appel zitiert den Wunsch der Organisatoren, einen Stil zu »schaffen«, in dem »Dekoration« nicht »praktischen Interessen geopfert« werde; er wendet sich gegen »sterile Fantasien«, die die »industrielle Produktion und die kommerzielle Verbreitung« vernachlässigen. Mit »sterilen Fantasien« sind hier klar Entwürfe wie die des Bauhauses gemeint. Das Ergebnis eines solchen Stilideals am Palais de Tokyo wird von Architekturhistorikern einem gemilderten Klassizismus zugerechnet; sie bewerten es, wie auch die drei weiteren in den 1930er Jahren in Paris gebauten Museumsgebäude positiv und als fähig, den öffentlich deklarierten kulturellen Ambitionen zu genügen. 310 Der monumentale Eindruck sei Ergebnis einer klassischen Interpretation von dorischer (Säulen-)Ordnung und Verzierung. Tatsächlich unterscheiden sie diesen »verfeinerten«, »modernisierten« Klassizismus sogar von »akademischen Modellen« etwa bei der Konstruktion zeitgenössischer Museen in den Vereinigten Staaten wie der National Gallery of Art in Washington. 311 Man muss dem insoweit widersprechen, als dass die Architektur des Palais de Tokyo einem offiziellen Stilideal entspricht, das nicht minder »akademisch« ist als in Übersee und sich durch offizielle Jurys artikuliert. Sein Dekor kann als die offizielle Formulierung einer französischen Schule der Skulptur gelesen werden; Penelope Curtis weist auf die Beschränkung der Ausschreibungen auf Franzosen hin, was besonders führende jüdische Künstler wie Zadkine, Orloff, Lipchitz und Archipenko aus-
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schloss. 312 In einem solchen Zusammenhang ist die Rede von einem »modernisierten« Klassizismus sehr nah am Ideal des »unmodischen Modernismus« des Appel aux exposants der Expo 1937.
DIE KONSERVATIVE PRÄGUNG DER STAATLICHEN ANKAUFSUND SAMMLUNGSPOLITIK Die künstlerische Ausstattung des Palais de Tokyo speist sich zu großen Teilen aus Referenzen an die Mythologie des klassischen Altertums, vermengt mit allegorischen Darstellungen der Künste. Staatliche Ankäufe unter der Dritten Republik waren geprägt von einer traditionellen Auswahl. Gérard Monnier führt dies auf Traditionalisten in den Ankaufskommissionen und ihre Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit zurück. So gab es zwar Berührungspunkte mit modernen Künstlern, etwa Ankäufe von Vuillard und Valloton nach dem Salon d’Automne 1903, und von dreißig Werken auf dem selben Salon 1904, darunter von Marquet und Matisse, womit die Fauvisten in die öffentlichen Sammlungen eintraten; noch 1905 kaufte der Staat auf dem Salon des indépendants Werke von Matisse, Marquet, Camoin und Signac, aber schon auf dem Salon d’automne desselben Jahres wurden keine modernen Künstler mehr angekauft. 313 Der Konformismus der Ankäufe ist auf die unzureichende Ausstellungssituation im Musée du Luxembourg, besonders aber die Affäre um den Legs Gustave Caillebottes 1894 zurückgeführt worden. 314 Caillebotte hatte dem Museum seine Sammlung von Werken seiner Impressionisten-Freunde vermacht, von denen nach öffentlichen Polemiken zahlreiche zurückgewiesen wurden. Erst nach der Befreiung verdankte sich eine Hinwendung zur Gegenwartskunst bei Ankäufen der Initiative einzelner wie Jean Cassou und Georges Salles und intensivierte sich mit dem Centre Pompidou ab 1975. 315 Bis dahin dominierten jedoch der Einfluss der Académie des Beaux-Arts und Stimmen wie jene Jean-Léon Gérômes (1824–1904), der erklärt hatte, die Annahme impressionistischer Bilder durch den Staat aus dem Legs Caillebotte sei »la fin de la nation, de la France«. 316 Der Einfluss der Académie auf die offizielle Kunstförderung ist häufig kritisiert worden. Deutlicher Ausweis ihrer Entfernung zu modernen Künstlern ist bis zu seiner Abschaffung 1971 durch André Malraux der Prix de Rome, dessen Preisträgerliste sich aus heutiger Sicht in weiten Teilen als eine Liste vergessener oder nachrangiger Künstler liest. 317 1931 stellt Louis Hautecoeur fest, dass der Kubismus im Musée du Luxembourg nicht vertreten ist; dabei hatte der französische Staat in der Zwischenkriegszeit tausende Werke zeitgenössischer Kunst öffentlich versteigert, die im Ersten Weltkrieg unter Zwangsverwaltung gestellt worden waren – wie der bedeutende Bestand der Pariser Galerie des deutschstämmigen Daniel-Henry Kahnweiler, Galerist von Picasso, Braque, Léger, Gris und Derain, und die Sammlung Wilhelm Uhdes mit Werken von Picasso, Braque, Gris und Rousseau. Dies geschah, wie Jeanne Laurent ausführt, weit
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unter Wert und mit Auswirkungen auf die Marktwerte – allein von Braque seien so zu dessen Besorgnis innerhalb von zwei Jahren 141 Werke auf den Markt geworfen worden. 318 Sie zitiert Léonce Rosenberg, der am Verkauf beteiligt war: Demnach erzielten die »vente Uhde« 247.000 Francs, die »ventes Kahnweiler« 909.000 Francs, während zur selben Zeit, 1921, allein Delacroix’ La Mort de Sardanapale (Salon 1827) für 800.000 Francs für den Louvre angekauft wurde. Die verfehlte Ankaufspolitik des Staates manifestiert sich für Laurent besonders in Georges Braques L’ homme à la guitare (1914). Das Bild wurde vom Staat bei der ersten Kahnweiler-Versteigerung am 13. Juni 1921 für 2.400 Francs versteigert, und 1981 mit einem Sonderkredit des Staates und Hilfe einer Stiftung für 9 Millionen Francs für das MNAM angekauft. 319 Dieser Hintergrund ist bei der Betrachtung der künstlerischen Gestaltung des Palais de Tokyo zu bedenken. Für Laurent ist auch sie Symptom des Einflusses von Mitgliedern der Académie in der Jury. Sie fasst sie in nur einem Satz zusammen: »Comme en architecture, le but paraît avoir été, pour la peinture et la sculpture, d’écarter les meilleurs.«320 Man muss dieses harsche Urteil nicht vollständig teilen. Die Realität politischer Entscheidungsprozesse ist komplex. Das kunstpolitische Programm etwa, das der Directeur des Beaux-Arts Huisman 1937 formuliert, bedauert dass Georges Braque sich nicht an der Dekoration des Trocadéro beteiligen wollte, beklagt die »Affäre Caillebotte« und die Ignoranz des Bureau des Travaux d’Art gegenüber modernen Künstlern wie Manet, Monet, Gauguin, aber auch Matisse, Braque und Picasso. 321 Aber dass die zeitgenössischen modernen Künstler durchaus in der Direction des Beaux-Arts rezipiert wurden und zumindest einzelne ihrer Werke angekauft worden waren, zeigt, dass es sich um eine ästhetische Entscheidung handelt, die öffentlichen Anstoß vermeiden will. Die folgende Darstellung der künstlerischen Ausstattung des Palais de Tokyo orientiert sich am Katalog der Weltausstellung und dortigen Werktiteln. 322
DIE FL ACHRELIEFS DER FASSADEN Die Hauptfassade des Palais de Tokyo zum Quai ist mit Flachreliefs dekoriert. Die Flügelbauten wurden jeweils mit vier Metopen versehen, während ein großes Flachrelief Alfred Janniots den Treppenauf bau und die Fassaden zwischen den Flügeln dominiert (Abb. 11). Die Metopen wurden von Marcel Gaumont und Léon Baudry angefertigt. Gaumont (1880–1962) erhielt mit Schreiben vom 16. Juni 1936 den Auftrag, zur Dekoration der Hauptfassade vier Metopen auszuführen, deren Themen als Les Eaux, Les Nymphes, Le Centaure und La Nature festgelegt wurden (Abb. 12–15). Jede sollte 2,8 Meter hoch, 2,5 Meter breit und 12 Zentimeter tief sein. Es wurde festgelegt, dass sie vor Ort aus dem vom Generalunternehmer installierten Stein für je 30.000 Francs aus Kalkstein aus Massangis ausgeführt werden sollten. 323 Die Themen der weiteren vier Metopen von Baudry (Léon René Georges Baudry, 1898–1978) sind La Chasse, Les Sirènes, Hercule
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11 Palais de Tokyo, Kolonnade, Ehrenhof mit Freitreppe
12 Marcel Gaumont: Les Eaux, Palais de Tokyo, Westflügel, Fassade zur Seine
13 Marcel Gaumont: Les Nymphes, Palais de Tokyo, Westflügel, Fassade zur Seine
und Actéon (Abb. 16–19). 324 Ihre Vorgaben waren identisch, ebenso die Bezahlung. Als Fertigstellungstermin wurde, wie bei Gaumont, der 15. April 1937 festgelegt. 325 Der große, die Mittelfassade zur Seine hin dominierende Fries im Basrelief von Alfred Auguste Janniot (1889–1969) trägt den Titel Allégorie à la Gloire des Arts. Janniot ist einer der bekanntesten französischen Bildhauer der 1930er Jahre. 326 Einem weiten Publi-
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14 Marcel Gaumont: Le Centaure, Palais de Tokyo, Westflügel, Fassade zum Ehrenhof
15 Marcel Gaumont: La Nature, Palais de Tokyo, Westflügel, Fassade zum Ehrenhof
16 Léon Baudry: La Chasse, Palais de Tokyo, Ostflügel, Fassade zur Seine
17 Léon Baudry: Les Sirènes, Palais de Tokyo, Ostflügel, Fassade zur Seine
18 Léon Baudry: Hercule, Palais de Tokyo, Ostflügel, Fassade zum Ehrenhof
19 Léon Baudry: Actéon, Palais de Tokyo, Ostflügel, Fassade zum Ehrenhof
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20 Alfred Janniot: Allégorie à la Gloire des Arts, Palais de Tokyo
kum war und ist er als Urheber des riesigen Reliefs an der Fassade des Musée des Colonies bekannt, das zur Exposition internationale coloniale 1931 in Paris erbaut wurde. 327 Sein Vertrag für das Palais de Tokyo von 1936 sah vor, dass er für insgesamt 465.000 Francs die Entwurfszeichnungen, Tonmodelle im halben Maßstab und Abgüsse von diesen Modellen zur Präsentation vor Ort liefern sollte. Die Ausführung des auf 310 Quadratmeter projektierten, 20 Zentimeter dicken Reliefs wurde zwei Subunternehmern übertragen. Janniot oblagen die Finalisierung und der Gerüstbau. 328 Es kam zu Verzögerungen, weshalb Janniot Mehrkosten für Helfer, auch an Wochenenden, von 93.562 Francs und für das Gerüst von 20.000 Francs hatte, die ihm später ersetzt wurden. 329 Janniots Basrelief ist bis heute das dominierendste künstlerische Außenmerkmal des Palais de Tokyo. Es ist durch die Freitreppe in zwei Hälften geteilt und steigt zu den Seiten so an, dass es zwei Drittel der Höhe der mittleren Fassaden erreicht. Es stellt ohne einheitliches Kompositionsschema verschiedene mythologische Szenen und Figuren dar, die zum Teil mit Buchstaben in pseudogräzisierter Formgebung beschriftet sind (Abb. 20). Links beginnt die Darstellung mit einer schlafenden weiblichen Figur, deren Kopf auf einem aufgeschlagenen Buch ruht, auf dem senkrecht eine Fackel liegt; sie ist als »Clio« und damit Muse der Geschichtsschreibung ausgewiesen, die Fackel ist eventuell als Verweis auf die aus Geschichte gewonnene Weisheit zu deuten. Über ihr wendet eine »Uranie«, Muse der Sternkunde, den Kopf nach oben zu einer Gruppe von drei stehen-
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21 Alfred Janniot: Allégorie à la Gloire des Arts, Palais de Tokyo
den Frauenfiguren, allegorische Darstellungen der Grazien und des Ackerbaus, die oberhalb einer liegenden nackten Frauenfigur stehen, hinter deren Kopf eine Eule sitzt und diese damit als Athene oder Minerva ausweist. Im unteren rechten Teil des linken Frieses betrachtet »Calliope«, Muse der epischen Dichtung, Wissenschaft, Philosophie und Elegie, mit nach rechts oben gewendetem Kopf und gegen einen Wind, der ihr Gewand auf bauscht, erhobenen Arm einen übergroßen Kentaur, der das Mittelfeld dieser Frieshälfte einnimmt. Er hebt schützend die Arme vor vier heranstürmenden wilden Pferden. Rechts daneben folgt eine Abfolge von »Melpomene«, der Muse der tragischen Dichtung mit ihren Attributen Maske und Keule, hinter der Herakles den kretischen Stier bezwingt, während eine Schlange zu seinen Füßen seine Keule umwindet. Es folgt als bukolische Dichtung eine nackte Frauenfigur, die sich auf eine weinumrankte Säule, auf der »Bucolione« steht, stützt, neben der sich als Komödie eine Frau in antikem Gewand auf eine große lachende Maske stützt, über der ein kleiner »Eros« mit einem Bogen fliegt. Darüber steht »Thalie«. Auf der rechten Hälfte des Basreliefs setzt sich die Darstellung mit einer Wiederaufnahme des Motivs der Fackel fort (Abb. 21). Hier liegt sie waagerecht und wird umschlungen von einer Blätterranke, wohl aus Lorbeer, ausgreifende Triebe ähneln jedoch denen einer Weinranke. Darüber liegt eine nackte Frauenfigur in einer offenen Muschelschale, die von einem Delfin auf Wellen getragen wird. Neben ihr steht »Venus« (Abb. 22).
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22 Alfred Janniot: Allégorie à la Gloire des Arts, Palais de Tokyo, Detail
Die Muschel und ein Tuch, das Venus zwischen ihren Beinen und über den Rücken hält, weisen den Anschluss an die berühmte Ikonografie der Aphrodite aus, wie sie schon Botticelli um 1485–1486 in der Geburt der Venus (Florenz, Uffizien) festgehalten hat und die wohl auf Polizian zurückgeht. 330 Bei Botticelli jedoch wird das »bewegte Beiwerk« des Tuches gehalten von einer ebenfalls mit einem bewegten Gewand bekleideten Frauengestalt, die Venus begrüßt und von Aby Warburg identifiziert wurde als Frühlingshore nach dem Vorbild einer Schilderung bei Polizian, die auf eine »Ausmalung der Beweglichkeiten« in der ovidianisch-claudianischen Dichtung zurückgreift. 331 Warburg ist diese Orientierung an der antiken Darstellung der Bewegung Ausweis des ästhetischen Prozesses künstlerischer Einfühlung, der zu neuen Stil- und Gestaltungsmitteln führt. Dagegen zeigt sich bei der Betrachtung von Janniots Darstellung der Geburt der Venus aus den 1930er Jahren auf den ersten Blick, dass jede ästhetische Einfühlung als angenommene Voraussetzung der Darstellung fehlt. Botticelli handhabt die Übersetzung der »äusseren Beweglichkeit des willenlosen Beiwerks, der Gewandung und der Haare, die ihm Polizian als Characteristicum antikischer Kunstwerke nahelegte« leicht und vir-
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tuos. 332 Janniot gelingt dies nicht. Die schematisierte, blockhafte Darstellung und die fast grafisch angedeuteten Beiwerke und Faltenwürfe erlauben nicht die »Erleichterung der bildlichen Wiedergabe erregter oder auch nur innerlich bewegter Menschen«, die Warburg bei Botticelli feststellte, sie verhindern diese geradezu, sowohl bei der Venus, als auch den übrigen Figuren, die allesamt auf die Ikonografie antikischer Kunstwerke zurückgreifen. 333 Sie seien hier der Vollständigkeit halber erwähnt: Neben Venus folgt eine große nackte »Erato«, Muse der Liebeslyrik, die sich ein großes Tuch vorhält, unter dem an ihrer Brust ein kleiner Eros spielt. Daneben ist Pan mit Flöte dargestellt. Seine Anwesenheit erklärt sich vielleicht damit, dass er nach Homer mit den Nymphen singt und tanzt, zu denen vielleicht einst auch die Musen gehörten. 334 Über ihm wenden zwei Frauenfiguren, eine in Tunika, eine halb nackt, die Köpfe neben einem Notensystem mit Violinschlüssel und zwei vollen Noten, c’ und e’, nach oben. Es folgt eine Frauenfigur, die als »Eutherpe«, Muse der Musik und lyrischen Poesie, beschriftet ist. Neben ihr folgt ein zweites Notensystem mit den vollen Noten c’ und mit Akzidens Be erniedrigtem Es. Daneben tanzen und lachen zwei junge Frauen in flatternden Gewändern. Neben ihnen ist der Name der Muse des Tanzes, »Terpsichore«, angebracht. Rechts davon steigt das Relief wiederum auf zwei Drittel der Fassadenhöhe an mit einer Vielzahl ineinander geschichteter Figuren ohne einheitliche Maßverhältnisse und Beschriftungen. Die Szene wird dominiert von einem riesigen Triton, halb Mann, halb Fisch-Schwänze. Da Herakles ebenfalls im Fries dargestellt ist, und rechts neben dem Triton ein Baum steht, könnten die um den Triton versammelten Frauenfiguren Hesperiden sein. Zu ihrem Garten mit den goldenen Äpfeln wird in einer Sage Herakles der Weg erst nach einem Kampf mit dem Meeresgott Nereus gewiesen. Statt Nereus ist ikonografisch auch Triton belegt. 335 Eine mögliche weitere ikonografische Bedeutung soll hier nur als These aufgeworfen werden: Sie ergibt sich daraus, dass an Stelle der zentralen Skulptur La France im Zentrum des Patio und damit mittig über dem Fries ursprünglich eine Apollon-Figur von Despiau stehen sollte, auf die gleich zurückzukommen sein wird. Mit dem Apollon und den wilden Pferden links, sowie dem Triton rechts im Fries, hätte sich eine Konstellation ergeben, die an die Figuren im bekannten Bassin d’Apollon im Park von Versailles denken lässt. Der auf die Pièce d’Eau des Cygnes von Le Nôtre (1661) zurückgehende Brunnen erhielt 1671 seine Gruppe von Jean-Baptiste Tuby nach einem Entwurf von Le Brun. 336 Hier ziehen vier wilde Pferde einen Wagen, auf dem Apoll aus den Fluten auftaucht. Ihm voraus kündet ein Triton mit Muschelhorn seine Ankunft. Ähnlich hätte sich Betrachtern des Palais de Tokyo ein Eindruck der Anknüpfung an die Inszenierung der Figur des Sonnengottes als Bild Ludwig XIV. und die Tradition der mythologischen Darstellung an seinem Hof ergeben können. Und damit eine Betonung der französischen Kunsttradition, wie sie jedenfalls im Eingangsportal klar zu Tage tritt, wie noch näher zu sehen sein wird. Zuletzt liegt oben im Fries ein nackter junger Mann unter Weintrauben. Über ihm stehen drei junge Frauen mit entblößter Brust. Die linke streichelt ein ihr beigeordne-
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tes Pferd, der mittleren werden von der rechten Blumengirlanden um den Arm gewunden. Es könnten Nymphen sein oder aber Mänaden, da sein weinumranktes Haupt den Mann als Dionysos ausweisen könnte. Es käme auch ein Paris-Urteil in Betracht, wobei die Figur mit Pferd Athene mit dem Musenpferd Pegasos wäre, der nach Pindar erst von ihr sein wundertätiges Zaumzeug erhält, und die mittlere Hera, der die Blumen als ihr Attribut um den Arm gehängt werden von Aphrodite. 337 Das Relief ist als Darstellung der Stärken des Landes und des Meeres gedeutet worden und die Evolution von Janniots Stil von dem am Musée des Colonies zu »Schwung« und »Nervosität« jenes am Palais de Tokyo als gelungene Entsprechung zur »Spannung der Architektur«, wobei nicht näher darauf eingegangen wurde, weshalb es »bedeutungsvoll« sei, dass Musen und Elemente, aber nicht direkt die bildenden Künste thematisiert wurden. 338 Viel wichtiger erscheint, dass sich die Darstellung mit dem Titel Allegorie à la gloire des arts vermengt zur Intention, dem Palais de Tokyo den Charakter einer Ruhmeshalle der Kunst zu geben. Janniots Allegorie ist kaum gelungen. Die Beschriftungen zeigen, dass sich eine klassische Allegorie dem Publikum im 20. Jahrhundert aufgrund fehlenden Wissens kaum erschließt. Sie steht aber in Einklang mit dem offiziellen Anliegen, das der Bildungselite vorbehaltene Kunsterlebnis für die breite Bevölkerung zu öffnen. Die Bezeichnungen im Fries könnten vor dem Hintergrund der Bildungsoffensive des Ministers Jean Zay gedeutet werden. Freilich war Zay erst ab 1936 mit dem Front Populaire Minister, und schon Janniots Relief am Musée des Colonies (1928–1931) arbeitete mit Beschriftungen. Im Übrigen zeigen auch die vorliegenden Deutungsversuche, dass das Programm letztlich elitistisch bleibt und das Bildungsideal verfehlt. Das künstlerische Problem ist die Frage, ob die Allegorie mit klassischer Mythologie nun überhaupt noch zeitgemäß sein kann. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Siegeszug der Massenmedien nimmt sich die Darstellung fast plump aus: Müsste das Hauptkunstwerk an der Fassade eines neuen Museums moderner Kunst, das dessen Geist nach außen verkörpert, nicht vielmehr Fragen stellen? Janniots Relief stellt dem Betrachter keine Aufgabe. Aus der Geschichte der politisch-administrativen Idee eines neuen Museums moderner Kunst in Paris heraus ist das Relief aber durchaus in Einklang zu bringen mit einer Logik des Ortes: Die Allegorie »à la gloire des arts«, »zum« Ruhm der Künste, ist auch eine Allegorie »des« Ruhms der Künste – eine »Allegorie« auf die Idee einer Ruhmeshalle lebender Künstler. Eingangs wurde darauf hingewiesen, dass schon parallel zur Einrichtung des Muséum im Louvre 1796 vorgeschlagen wurde, ein Musée Olympique de l’École vivante des Beaux-Arts einzurichten. Das Relief kann so gelesen werden, dass es diese alte Idee aufnimmt, dem »Pantheon« des Louvre, in dem die durch die Kunstgeschichte in den Heldenstand erhobenen Künstler der Vergangenheit vertreten sind, eine Ruhmeshalle, einen »temple de la gloire« lebendiger Kunst zur Seite zu stellen.
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23 Architekturmodell des Palais de Tokyo, ca. 1935–1937, Dokumentationsfotografie, Paris, Privatarchiv Didier Schulmann
DIE VIER NYMPHEN DES MIROIR D’EAU Beiderseits des Wasserbeckens standen jeweils fünf Skulpturen auf Sockeln (Abb. 23). In den vorderen Ecken ist es noch heute von liegenden Akten auf rechteckigen Sockeln begrenzt, die jeweils paarweise mit einer weiteren Skulptur die links und rechts vom Miroir d’Eau hinaufführenden Zwischentreppen einrahmen. Die vier Figuren des Bassins wurden alle als Nymphen in Auftrag gegeben. Sowohl bei Thematik und Maßen, als auch dem Kalkstein aus Euville wurde ein möglichst einheitliches Programm verfolgt (Abb. 24). Louis Dejean (1872–1953) erhielt am 16. Juni 1936 den Auftrag für eine liegende, dekorative Nymphe auf der Seite des Westflügels mit einer Höhe, inklusive Sockel, von 1,42 Metern. Die Sockelstufe musste unbedingt 2,6 × 0,65 Meter messen. Wie auch für andere Steinarbeiten galt, dass die Auswahl des Steins den Architekten vorgelegt werden musste und der Transport vom Künstler aus seiner Bezahlung (55.000 Francs) getragen werden musste. 339 Die zwei innenliegenden Nymphen wurden von Léon-Ernest Drivier (1878–1951) ausgeführt und die vierte zum Ost-
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24 Palais de Tokyo, Ehrenhof, Blick auf den Westflügel, Nymphen von Auguste Guénot (vorne), Léon-Ernest Drivier (mittlere), Louis Dejean (hinten)
flügel außen von Auguste Guénot (1882–1966); sie erhielten zeitgleich dieselben Vorgaben. 340 Der Repräsentant der Commission de Répartition des commandes WaldemarGeorge besuchte viele der Künstler und beurteilte den Fortgang. Der Name ist ein Pseudonym des ursprünglich polnischen, französisch naturalisierten Kunstkritikers und Journalisten Jerzy Waldemar Jarocinski (1893–1970). 341 Nach einem Besuch im Atelier von Auguste Guénot am 14. Oktober 1936 hob er den klassischen Charakter von dessen Entwurf hervor. 342 Über Louis Dejeans Nymphe urteilte er, sie erinnere an die Nymphen aus der Schule Jean Goujons: »Cette figure, dont les proportions ne sont pas sans rappeler celles des Nymphes de l’Ecole de Goujon, est conforme aux grandes lignes de la tradition française.«343 Etwas später urteilte er erneut begeistert mit Goujon. 344 Dass Waldemar-George hier wiederholt auf das »dessin classique«, das Skulpturenprogramm von Versailles wie Jean Goujon zu sprechen kommt, verdeutlicht den traditionalistischen Aspekt der künstlerischen Ausstattung eines neuen nationalen Museums moderner Kunst. Jean Goujon (um 1510–wohl 1567) gilt als einer der bedeutendsten und herausragenden französischen Bildhauer der Renaissance. Wenn der Repräsentant der Auswahlkommission der Kunstwerke zur Weltausstellung 1937 gleich zweimal in seinen Berichten auf ihn Bezug nimmt, scheint es fast, als sei eine konkrete ästhetische
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25 Félix-Pascal Févola: »Buffet d’eau«, Palais de Tokyo, Ehrenhof
Erwartung zu erfüllen gewesen. Das klassizierende ästhetische Urteil sucht rückwärtsgewandt historische Stilideale. Dejeans Nymphe wird Mitte der 1930er Jahre mit Goujons Stil zu einer Zeit gelobt, als mit dem Kubismus und den Arbeiten etwa Constantin Brâncus, is, Lipchitz’ oder Picassos eine avantgardistische Erneuerung der Bildhauerei vollzogen ist. 345
DAS SKULPTURENPROGRAMM DES EHRENHOFES An der Kopfseite der Terrasse befindet sich ein »buffet d’eau«, ein Etagenbrunnen, dessen Becken und Meerespferde von Félix-Pascal Févola (1882–1953) gestaltet wurden (Abb. 25). Da die weiteren zehn Skulpturen neben den Nymphen um den »miroir d’eau« zum Teil nach der Weltausstellung im Jahr 1938 entfernt wurden, ist ihre genaue Aufstellung schwer nachzuvollziehen und damit zunächst auch, welche der Sammlung der Stadt Paris und welche jener des Staates zuzuordnen sind. Aus Transportunterlagen von Ende 1938 geht dies jedoch hervor. 346 Auf der Seite der Stadt Paris standen, von der Treppe in Richtung Seine, die fünf Skulpturen La Campagne von Paul Simon (1892– 1979) (Abb. 26), Amazone von Georges Chauvel (1886–1962), La Danse von Charles (Alexandre) Malfray (1887–1940), La Moisson von André Abbal (1876–1953) sowie Eve von Louis-Aimé Lejeune (1884–1969) (Abb. 27). 347 Am staatlichen Westflügel standen, von der Treppe in Richtung Seine, Printemps von Emile Popineau (1887–1951),
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26 Dokumentationsfotografie Musée d’Arts modernes bas relief & statue, 1937, vorne Paul Simon: La Campagne, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Jeune fille von Georges Laurent Saupique (1889–1961), L’Eveil von Jean Osouf (1898– 1996)348 , L’Automne von René Collamarini (1904–1983) und La Provence von Debarre, wohl Jean René Debarre (1907–1968). 349 Die Skulpturen wurden, wie zwei weitere frei stehende von Anna Quinquaud und Pierre Octave Vigoureux, zunächst von der Stadt Paris in Auftrag gegeben, einheitlich in weißem Stein mit einer Höhe von 2,4 Metern. 350 Am Kopfende des Beckens, links und rechts des »buffet d’eau«, sollte jeweils ebenfalls eine Figur stehen, diese sind aber nicht bezeichnet. Eventuell handelt es sich um zwei geplante von Aristide Maillol. Frei stehend vor der Rundung der beiden Flügel auf der Seite des Staates stand die Mauritanienne von Anna Quinquaud (1890–1984), und auf der der Stadt (bis heute) La Vendange von Pierre Octave Vigoureux (1884–1967), der vor allem mit Skulpturen zu ländlichen Themen im plastisch-unbehauenen Stil hervorgetreten ist (Abb. 28). 351 Die Mauritanienne steht heute solitär in der linken oberen Ecke des »miroir d’eau«. Die Häufung und Wiederholung der weiblichen Figuren ergab eine homogene Wirkung, die auf Weitblick angelegt war. Penelope Curtis zieht sie als ein weniger interessantes Gegenbeispiel heran bei der Betrachtung des Einsatzes von Skulpturen nur eines einzelnen Künstlers im Skulpturenprogramm eines zeitgleichen archi-
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27 Palais de Tokyo, Skulpturen im Ehrenhof vor dem Ostflügel, vorne Léon-Ernest Drivier: Nymphe, im Hintergrund v. l. n. r.: Paul Simon: La Campagne, Georges Chauvel: Amazone, Charles Malfray: La Danse, André Abbal: La Moisson, Louis-Aimé Lejeune: Ève, Dokumentationsfotografie, 1937, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
tektonischen Projekts, Eliel Saarinens Arbeit mit Skulpturen des Schweden Carl Milles auf dem Campus der Cranbrook Academy bei Detroit 1934–1942: »The Paris museum reads from afar, but close up becomes less interesting; Cranbrook is the opposite.«352 Von den übrigen Künstlern abgesetzt wird im Katalog der Weltausstellung Aristide Maillol (1861–1944) mit den beiden Skulpturen figure en pierre und La Montagne (1937) genannt. Möglicherweise handelt es sich um die beiden Skulpturen auf elliptisch geschwungenen Ballustraden, wie sie noch Fotos vom Modell zeigten. 353 Maillols Figur La Montagne wurde in Auftrag gegeben, nachdem Charles Despiau (1874–1946) den Lieferzeitpunkt seiner Skulptur nicht mitteilen konnte. 354 Der Vertrag präzisierte, dass die Figur mit Sockel ungefähr 1,65 Meter hoch sein musste, auf eine Länge von 1,8 Metern. Der Stein sollte »Pierre de Tercey« sein in Übereinstimmung mit dem Projekt der Architekten. 355 Der Vertrag mit Maillol zeigt beispielhaft, wie detailliert die Aufträge an die Künstler geregelt wurden. 356 Besonders die vertragliche Staffelung der Auszahlung der Summe von 250.000 Francs für die Entwürfe, Modelle in Ton, Gipsfigur und Ausführung in Stein sowie Transport und Installation fällt ins Auge. Der Stein musste den Architekten zur Genehmigung vorgelegt werden. Die Gipsversion der
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28 Pierre Octave Vigoureux: La Vendange, Palais de Tokyo, Spitze des Ostflügels
Figur musste zum 15. April 1937 vor Ort installiert werden, die finale Steinskulptur am 15. Juli 1937. 357 Zusätzlich wurden dem Staat die Reproduktionsrechte an der Skulptur übertragen, gemäß der Regelungen über Aufträge und Ankäufe von Kunstwerken durch den französischen Staat vom 3. November 1878 und ihrer Modifikationen vom 18. März 1913. 358 Wie weitere Dossiers zu den einzelnen Kunstwerken zeigen, sahen die Verträge in der Mehrzahl gleich aus. Sie präzisierten die Vorgaben und zumeist den 15. April 1937 als Fertigstellungstermin. Alle Künstler, etwa auch Maler, von denen Gemälde gekauft wurden, mussten die Rechteabtretung unterzeichnen. 359
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29 Antoine Bourdelle: La France (Le Génie de la France), Palais de Tokyo, Patio, Gedenktafel »Aux volontaires des forces françaises libres mortes pour l’honneur et la liberté de la France 18 juin 1940 8 mai 1945«
EIN NATIONENGRUSS IM ZENTRUM: ANTOINE BOURDELLES FRANCE Ein Faltplan zum Skulpturenprogramm nennt zur »Statue Patio« noch Despiau als ausführenden Künstler, der sich jedoch verspätete. Die Architekten gaben dann Ende Dezember 1937 einen Sockel für eine Statue Maillols in Auftrag. 360 Was daraus wurde, ist unklar. Heute steht, wie schon während der Weltausstellung, an dieser Stelle eine Version der France von Bourdelle (Émile Antoine Bordelles, 1861–1929) (Abb. 29). Die Figur wurde im Katalog bezeichnet als »La grande statue en bronze dorée«. Sie trägt dort mal den Titel La France, mal, in der Tradition der Revolutionsikonografie, den Titel Le Génie de la France. 361 Von seiner France existieren verschiedene Versionen. Sie geht zurück auf einen Auftrag von 1922, für die Landspitze pointe de Grave im Médoc eine Skuptur zu schaffen, die ein Pendant zur Freiheitsstatue Auguste Bartholdis in New York sein
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30 Palais de Tokyo, Skulpturenhalle (hier seitenverkehrt zu den tatsächlichen Raumverhältnissen), vorne Antoine Bourdelle: Héraklès archer, Dokumentationsfotografie des Entwurfs, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
sollte. 362 1925 wurde die Figur schon auf der Pariser Weltausstellung Exposition internationale des arts décoratifs ausgestellt in einer bemalten Gipsversion mit dem Titel La France saluant les Nations. 1926 stellt er eine monumentale Bronzeversion im Salon des Tuileries aus, die aber als zu groß wahrgenommen wurde und keinen Erfolg hatte. Das Leuchtturmprojekt wurde aus Geldmangel nicht realisiert. Er integrierte sie daher in das Monument aux morts (1914–1918) seiner Geburtsstadt Montauban. Nach seinem Tod wurden verschiedene weitere Versionen realisiert und aufgestellt. 363 So etwa eine in Algier, die während des Algerienkrieges zerstört wurde. Der heute im Hof des Palais de Tokyo stehende Abguss wurde dort 1948 als Denkmal für die Kriegsgefallenen installiert. Dass Bourdelle dieser prominenteste Platz im Zentrum zukam, ist seiner hohen Stellung im staatlichen und akademischen Kunstwesen und beim Publikum geschuldet. Bourdelle, der bei Rodin angefangen hatte, war seinerzeit der wohl bekannteste Pariser Bildhauer und unterhielt seit den 1920er Jahre auf höchster Ebene einen engen Austausch mit der staatlichen Kunstadministration. Sein 1910 auf dem Salon de la Société
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nationale des beaux-arts ausgestellter bronzener Hérakles archer (1906–1909) hatte großen Erfolg und wurde im Musée du Luxembourg ausgestellt. Eine Entwurfszeichnung für die Skulpturenhalle des Palais de Tokyo zeigt die Figur prominent (Abb. 30). Auch seine umfassende Lehrtätigkeit außerhalb des akademischen Systems seit 1899 und seit 1909 an der Académie de la Grande Chaumière, wo Alberto Giacometti und Maria Helena Vieira da Silva zu seinen Schülern zählten, trug zu dieser Stellung bei. 364 Schon Ende der 1920er Jahre begann er, den Plan eines persönlichen Museums voranzutreiben. Dabei wandte er sich in einem offiziellen Schreiben, wohl vom 1. Februar 1928, direkt an den Minister Edouard Herriot mit dem im Gespräch vom Minister schon grundsätzlich befürworteten Vorschlag, in Paris ein Atelier-Museum einzurichten. 365 Neben den Skulpturen aus Marmor, Bronze oder Entwürfen in seinem 1.000 Quadratmeter großen Atelier sowie den gesammelten Gipsabgüssen sollte es auf über dreitausend Zeichnungen zurückgreifen; er habe diese nie verkaufen wollen, um den Charakter zu bewahren, der sich erst ergebe, wenn eine umfassende Werkgruppe ausgestellt werde, was für die Meister früherer Zeiten beklagenswerterweise fehle. Sein Museum sollte nach dem Beispiel des Musée Rodin entstehen. Er schlägt vor, sein gesamtes Werk dem Museum und dem Staat zu überlassen, nur ein Teil der Rechte solle ihm und seiner Familie verbleiben; dafür erbittet er ein Grundstück, das er selbst mit den nötigen Gebäuden versehen wolle. In einer 4700 Quadratmeter umfassenden Fläche, dem »terrain des Phares« an der Avenue d’Iéna, »dans le quartier des Musées Guimet, Galliéra et Trocadéro« habe er diese schon gefunden. 366 Herriot und der Regierungschef Raymond Poincaré befürworteten das Vorhaben. 367 Ebenso die Nutzung des »terrain des Phares«. 368 Bourdelle arbeitete detaillierte Pläne aus, die er dem Architekten Auguste Perret vorlegte, wie aus einem Schreiben der Witwe nach seinem Tod 1932 hervorgeht, mit dem sie eine Schenkung des Werks an den Staat und ein Museum auf dem Gelände des Ateliers vorschlägt. 369 1932 gab es in der Presse große Kritik an den Folgekosten. 370 Im Jahr 1936 wurde es nach einer Schenkung an die Stadt Paris in Angriff genommen. 371 Erst 1949 wurde schließlich das Musée Bourdelle im früheren Atelier in der Rue Antoine Bourdelle im 15. Arrondissement von Paris eröffnet.
DIE EINGANGSPORTALE Der Besucher betrat den Pavillon der Stadt Paris im Ostflügel auf der Seite zur Seine durch ein Eingangstor am Quai de Tokio, für das im Juni 1936 der Bildhauer Louis Dideron beauftragt wurde. Dazu sollte er zum Thema La Ville de Paris portant sa nef eine Figur von ca. 2,2 Metern Höhe fertigen, mit einer Gesamthöhe von 3,5 Metern mit Sockel und Ornamenten. Zwei Flachreliefs von 1,5 × 0,5 Metern von 8 bis 10 Zentimetern Dicke sollten in die Eingangstüren eingelassen werden. Figur und Reliefs sollten in patinierter Bronze vom Gießer Eugène Rudier ausgeführt werden. Die Motive der Reliefs für die
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31 Louis Dideron: Eingangsportal der Stadt, Bronzeskulptur La ville de Paris portant sa nef und BronzeFlachreliefs Architecture Gravure, Peinture Sculpture, Palais de Tokyo, Ostflügel an der Avenue de New York
Türen waren einmal der Architektur und Grafik und einmal der Malerei und Bildhauerei gewidmet und jeweils vor einem Blätter- und Blumenhintergrund ausgeführt (Abb. 31). Der Repräsentant der Commission de Répartition des commandes Waldemar-George urteilte nach seinem Atelierbesuch bei Dideron: »La composition est élégante et sobre, l’écriture claire et lisible«; die Skulptur der Stadt Paris sei streng aber nicht ohne gewisse Grazie. 372 Am Eingangsbereich standen zwei Laternenpfähle mit dem Langschiff, dem Emblem der Stadt, über riesigen Stundengläsern. Sie trugen einen Aufruf zur Muße, der angesichts der Verzögerungen der Weltausstellung Anlaß zu Ironie gab: »Or le socle et le bandeau portent une inscription identique, dont les lettres dorées, un peu tarabiscotées, nous offrent cette inscription: ›Pas si vite. Paris ne s’est pas fait en un jour‹. C’est à croire qu’un décorateur a voulu symboliser [...] les difficultées rencontrées par les créateurs […].«373
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32 Gabriel Forestier: Eingangsportal des Musée d’Art moderne de la Ville de Paris, Flachrelief aus Stein und allegorische Figuren aus Bronze
Bei der Gestaltung der Hauptportale der neuen Museen an der Avenue du Président Wilson wurde auf eine Symmetrie des gestalterischen Programms geachtet. Das Eingangstor zum Museum der Stadt im Ostflügel gestaltete der Bildhauer Gabriel Forestier (1889–1969). Als »allegorische Motive«, je vier auf zwei zentralen Pfeilern von 8 Metern Höhe und 80 Zentimetern Breite, wurden La Force, La Plastique, La Création, L’Harmonie, L’Architecture, La Sculpture, Les Arts décoratifs und La Peinture festgelegt. Zusätzlich wurde er beauftragt, ein Flachrelief aus Comblenchien-Stein anzufertigen, dessen Figuren eine Höhe von 2,1 bis 2,2 Metern haben sollten, auf eine Tiefe von 20 Zentimetern (Abb. 32). Als Summe für seine Arbeit wurden insgesamt 124.500 Francs festgelegt. 374 Das Eingangstor ins staatliche Museum wiederum gestaltete André Bizette-Lindet (1906–1998) mit den 8 allegorischen Figurenthemen Etude, Forme, Le Style, La Peinture, Le Rhythme, Les Grâces, La Sculpture und Le Maître d’œuvre (Abb. 33).
127 | Architektur und künstlerische Ausstattung des Palais de Tokyo
33 André Bizette-Lindet: Eingangsportal des Musée national d’Art moderne, jetzt Palais de Tokyo, Flachrelief aus Stein und allegorische Figuren aus Bronze
Sie wurden ebenfalls in patinierter Bronze vom Gießer Rudier ausgeführt. Wie Forestier gestaltete er auch ein Flachrelief über der Tür. Das Figurenprogramm der Eingangsportale in ein neues Museum moderner Kunst leitet eine ästhetische Rezeption ein, die der folgenden Ausstellung von modernen und zeitgenössischen Kunstwerken vorangeht. Wenn sich hier Kunstwerk und Architektur in einer allegorischen Darstellung vereinen, ist davon auszugehen, dass Rückschlüsse auf ein ästhetisches Gesamtprogramm möglich sind. Zwei Dokumentationsfotografien von den Gipsmodellen der allegorischen Entwürfe Forestiers machen dies von Nahem deutlich. Eine zeigt sehr klar, dass eine der weiblichen Figuren ein architektonisches Modell in die Höhe hält (Abb. 34). Dass es sich bei diesem eindeutig um die Form des Pariser Invalidendoms von Jules Hardouin-Mansart handelt, sticht ins Auge. Denn der barock-klassizistische Invalidendom kontrastiert auf den ersten Blick mit dem Entwurf des Palais de Tokyo selbst. Man kann darin aber auch eine zeitgenössische Rezeption
128 | Architektur als soziales Medium
34 Gabriel Forestier: Gipsmodell für das Eingangsportal des Musée d’Art moderne de la Ville de Paris, Dokumentationsfotografie, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
des Entwurfs erkennen, die, wie schon festgestellt, von offizieller Seite her »modernistische Exzesse« vermeiden wollte. Der Invalidendom ist Ausdruck der klassizistischen barocken Linie unter Ludwig XIV., die als »Classicisme« gegenüber dem zeitgleichen verspielteren italienischen Barock bevorzugt wurde. Er wurde 1706 geweiht und stellt die bedeutendste kirchliche Stiftung Ludwigs XIV. dar, die in den Stiftungs- und Repräsentationsintentionen an Traditionen des Kirchenstaates in Sakral-, Repräsentationsund Ausstellungsarchitektur anknüpft. 375 Die Allegorie der Architektur von Forestier im Eingangsportal des Museums moderner Kunst hält nicht nur ein Modell, sondern steht auch vor einer teilweise sichtbaren Fassade, bei der es sich offensichtlich um einen Sakralbau handelt. Eventuell kommt auch hier ein Rekurs auf eine nationalfranzösische, klassizistische Bautradition zum Ausdruck, die eine Abgrenzung zu Italien enthält. Die undeutliche Form ähnelt entfernt dem Entwurf des Onkels Hardouin-Mansarts, François Mansart, für die Fassade der 1798 zerstörten Minimes-Kirche in Paris, wo mit dem
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»in Superposition gebildeten und seitlich von Säulenstellungen gerahmten Portikus entscheidende Elemente der Fassade des Invalidendoms vorgebildet« waren. 376 Damit war die Schaufront entscheidend angeregt von den gestaffelten Säulen-Portiken von Michelangelos Entwurf für den Petersdom, aber der zweigeschossige Aufriss verdrängte dessen Kolossalordnung. 377 Man kann damit in der allegorischen Darstellung Forestiers eine Fortführung der Linie von Hardouin-Mansart sehen und damit eine Betonung der nationalen Kunsttraditionen am klassizierenden Entwurf des Palais de Tokyo.
DIE KÜNSTLERISCHE INNENGESTALTUNG DES FLÜGEL S DER STADT PARIS ZUR EXPO 1937 Während der staatliche Westflügel des Palais de Tokyo zur Weltausstellung 1937 eine große Retrospektive französischer Kunst zeigte, waren im Ostflügel auch die Innenräume künstlerisch gestaltet. Der Pavillon der Stadt im Rez-de-Chaussée wurde durch das Portal auf dem Quai de Tokio mit der Darstellung der Ville de Paris portant sa nef von Louis Dideron betreten. Das Palais de la Ville de Paris im oberen Teil beherbergte Büros und Salons des Bureau du Conseil Municipal und das Bureau du Commissaire général. Die Einrichtung dieser Räumlichkeiten, bestehend aus dem Entrée, dem Festsaal, der Grande Galerie, einem kleinen Salon und einem Fumoir, stand unter der Aufsicht des Architekten Charles Halley. 378 »Collaborateurs Artistes« sind hier neben anderen auch wieder Antoine Bourdelle mit dem am Eingang befindlichen Héracles und Georges Saupique, der neben einer Skulptur im Ehrenhof für den Festsaal sechs Basreliefs angefertigt hatte, auf einer Seite La danse, la musique, la poésie und auf der anderen Le théâtre, la T.S.F., le cinéma. Neue Medien – »Transmission sans fil« T.S.F. und Kino – werden im neuen Kunstmuseum damit neben dem Theater dargestellt. 379 Die Kronleuchter stammten vom aus Bayern eingewanderten Jean Perzel, dessen international tätiges Beleuchtungsunternehmen noch heute existiert. Die Grande Galerie wurde dekoriert von den Lackmalern Jean Dunand (1877–1942) und Gaston Suisse mit einer »composition décorative« mit dem Titel Les métiers. Vorhänge und Gardinen stammten aus dem Atelier der seinerzeit international führenden Hélène Henry (1891–1965). Das Büro des Président du Conseil Municipal wurde vom Dekorateur Jean Pascaud ausgestattet und hier befanden sich ein Bas-Relief von Debarre und eine Landschaft von Laure Bruni; weitere Büros gestalteten die Inneneinrichter E. Kohlmann, Charlotte Alix, Henri Rapin (1873–1939), ein Schüler Jean-Léon Gérômes, und Alfred Porteneuve. 380 Das Büro des Weltausstellungskommissars war ausgestattet mit Skulpturen von André Bizette-Lindet und Gouachen von Georges Gay mit Darstellungen der Baustellen der Weltausstellung. Solche Hervorhebungen im Katalog unterstreichen erneut, wie die Expo als Motor für künstlerische Produktion präsentiert wurde. Baustellen einer temporären Ausstellung werden so im künstlerischen Medium mit musealem Wert versehen.
130 | Architektur als soziales Medium
VON LOUIS HAU TECOEURS ENT WURF ZUR ÖFFENTLICHEN AUSSCHREIBUNG Louis Hautecoeur hatte die Vereinbarung zwischen dem Staat und der Stadt Paris über zwei Museen als »Ursünde« bezeichnet. Aus Sicht der Stadt Paris stellte sich jedoch die Ausstellungssituation für zeitgenössische Kunst nicht minder unbefriedigend dar als für den Kurator des Musée du Luxembourg. In einem Brief an das Generalkommissariat der Weltausstellung in der Vorbereitungsphase zur Ausschreibung 1934 formulierte Raymond Escholier (1882–1971), der Kurator des städtischen Petit Palais, die Situation seines Hauses. Das 1900 zur Weltausstellung auf Wunsch der Stadt Paris nach einem Museum moderner Kunst gebaute Petit Palais birgt schon architektonisch ein Problem, da es »Palais, et nullement un musée« sei. Während die Stadt dort ihre jüngeren Erwerbungen von Malerei und Skulptur ausstellte, sei es durch die Schenkungen der Sammlung Dutuit und Tuck mit alter Kunst nun »hybride, sans signification et sans âme«. 381 Werke mussten ins Musée Carnavalet ausgelagert werden. Escholier sah daher ebenfalls keine andere Lösung als ein ganz neues Gebäude für die moderne und zeitgenössische Kunst. 382 Die Wahl des Standortes des neuen staatlichen Museums zeitgenössischer Kunst fiel auf das Gelände der Manutention Militaire im 16. Arrondissement, da es sich nahtlos einfügte in die Umgebung der Weltausstellung 1937 (Abb. 35). Es wurde vermutet, dass dabei unterschwellig Auguste Perrets Idee einer »Cité des Musées« von 1933 Einfluss ausübte. Dieser hatte vorgeschlagen, am Standort des Palais du Trocadéro und späteren Palais de Chaillot ein Dutzend Museen um eine riesige Terrasse und Portikus zu versammeln und »Kunst-Akropolen« zu schaffen. Die urbane Struktur am Quai de Tokio aber habe solche Visionen verhindert. 383 Die Wahl des Geländes der Manutention war, nicht zuletzt aufgrund des unsicheren Grundes, der umfangreiche Stützarbeiten nötig machte, der Vision einer frei schwebenden »Kunst-Akropolis« abträglich. Demgegenüber wurde die enge Einbindung in ein urbanes Umfeld als Vorteil angesehen (Abb. 36–37). Louis Hautecoeur forderte 1934 in Madrid, dass ein neues Museumsgebäude nach Möglichkeit so eng wie möglich in die »alltägliche Bewegung der Stadt« eingebunden sein solle und wies dazu auch auf Autoverkehr hin: »La conception que l’on se fait aujourd’hui du musée, inclinerait plutôt à construire l’édifice, sinon dans le centre le plus populeux de la ville, du moins dans un quartier aisément accessible, de manière à intégrer la vie de l’édifice dans le mouvement quotidien de la cité, au même titre que les églises, les écoles, les thêatres, etc.«384 Hautecoeur betont eine Mitte der 1930er Jahre virulente Forderung: Die Einbindung des Museums ins moderne Leben. Sie erlangt besondere Bedeutung, da es sich beim Palais de Tokyo um den ersten als solchen geplanten Museumsbau in Paris handeln würde. Der Bau an diesem Standort wurde seinerzeit schon relativ früh und international begrüßt. So publizierte etwa der Courrier de la Plata in Argentinien anlässlich der
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35 Plan Directeur der Weltausstellung, Dokumentationsfotografie, 1937, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Grundsteinlegung im Juli 1935 einen größeren Artikel über das Gelände, der noch einmal dessen Geschichte in Erinnerung ruft. Die Museumsbauten werden als Schlüsselmoment der Weltausstellung und ihres Fortwirkens in die Zukunft angesehen. 385 Ende des 16. Jahrhunderts habe sich hier eine Seifenmanufaktur befunden, deren Gebäude sich entlang der Seine erstreckten, gegenüber einer seinerzeit noch existierenden Insel, der Île Maquerelle oder Île des Cygnes (nicht zu verwechseln mit der existierenden Île aux Cygnes), die später an die Rive gauche angeschlossen wurde und so verschwand. 1604 wurde Heinrich IV. ein Projekt für eine Teppichmanufaktur angetragen, das bei seinem Tod unausgeführt blieb, aber unter Ludwig XII. wiederaufgegriffen wurde und wofür die Gebäude der Seifenmanufaktur aufgekauft wurden. Da sich das Projekt verzögerte, gründete Maria Medici 1615 in den leer stehenden Gebäuden ein Krankenhaus für arme Kinder. 1627 wurde die Leitung der Perserteppichmanufaktur an Pierre Dupont und Simon Lourdet übertragen mit der Auflage, 100 arme Kinder, die im Gebäude der Seifenmanufaktur unterzubringen seien, in der Teppichkunst zu unterrichten. 1664 entschädigte Jean-Baptiste Colbert, Finanzminister Ludwigs XIV., das Krankenhaus und organisierte die Teppichmanufaktur neu. 1712 wurden die Gebäude renoviert und das Ensemble als »Manufacture royale des meubles de la Couronne, de tapis façon Perse et du Levant« unter die Leitung des »premier peintre du Roi« Jean-Baptiste Marie Pierre (1714–1789) gestellt. Ende des 18. Jahrhunderts sollte die Manufaktur an die Manu-
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36 Palais de Tokyo zwischen Quai de Tokio (vorne, heute Avenue de New York) und Avenue du Président Wilson (hinten) in der Bauphase, im Hintergrund das frei stehende Palais Galliera, Dokumentationsfotografie, 6. April 1936, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
37 Palais de Tokyo, Baufortschritt, Dokumentationsfotografie, 1. April 1937, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
133 | Von Louis Hautecoeurs Entwurf zur öffentlichen Ausschreibung
38 Vorbereitungen der Weltausstellung: Pont d’Iéna und alter Trocadéro vor dem Abriss gesehen vom Eiffelturm, Dokumentationsfotografie, 17. Mai 1935, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
faktur der Gobelins angeschlossen werden, was durch die Revolution verzögert wurde, schließlich aber am 4. Mai 1825 von Karl X. beschlossen wurde; am 15. Februar 1826 verließ sie die Gebäude. Die Manufaktur wurde als Privatbetrieb weitergeführt, bis die Militärverwaltung auf dem Gelände 1833 ihre Lagergebäude erbaute. Die Museen stellen sich am Ort der »Savonnerie«, der alten königlichen Möbel- und Teppichmanufaktur, also in eine nationale künstlerische Tradition. Das Gelände des Palais de Tokyo befand sich in strategischer Position in Sichtweite des Marsfeldes und Eiffelturms als historischem Zentrum der Weltausstellungen und in Laufnähe zum neuen Trocadéro, einer der Hauptattraktionen der Expo. Anlässlich der Weltausstellung wurde das alte Palais du Trocadéro abgerissen und an seiner Stelle das Palais de Chaillot neu errichtet. Der Pont d’Iéna wurde zum selben Anlass verbreitert (Abb. 38). Das Palais du Trocadéro war zur Weltausstellung 1878 von den Architekten Gabriel Davioud und Jules Bourdais gebaut worden. Ab 1879 war hier das Musée des Monument Français untergebracht. Dieses 1795 erstmals von Alexandre Lenoir
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begründete Museum wurde nach seiner Schließung 1816 seinerzeit von Eugène Violletle-Duc neu begründet als Musée de sculpture comparée. Ab der Weltausstellung 1937 trug es wieder seinen alten Namen Musée des monuments français und ist heute Teil der 2007 im Palais de Chaillot gegründeten Cité de l’architecture et du Patrimoine. Seit 1878 war das erste ethnografische Museum von Paris, das von Ernest Hamy gegründete Musée d’éthnographie du Trocadéro, ebenfalls dort ansässig, und zeitweise bestand im Trocadéro auch das Musée indochinois. 386 Der Erste Weltkrieg führte zum Abstieg des Museums, das erst ab 1928 von Paul Rivet mit Hilfe von Georges-Henri Rivière wiederbelebt wurde. Das 1935 errichtete Palais de Chaillot behielt vom Vorgänger nur das Grundriss-Schema mit zwei Flügelbauten im Halbkreis. Zur Weltausstellung 1937 wurde hier das vormalige ethnografische Museum als Musée de l’Homme eingerichtet. Dieses ist ebenfalls noch heute im Palais ansässig und wurde 2015 nach einer umfangreichen Renovierung wiedereröffnet. Ebenfalls dort untergebracht war das von Rivière 1937 begründete Musée national des arts et traditions populaires mit seinen Sammlungen zur französischen Kultur, das ab 1972 im Bois de Boulogne ansässig war und dessen Sammlungen sich heute im 2013 eröffneten Musée des civilisations de l’Europe et de la Méditerranée MuCEM in Marseille befinden. Das Palais de Tokyo befand sich somit auch in unmittelbarer Nähe eines Ortes, an dem in der jüngeren Vergangenheit neue museografische Vorhaben umgesetzt wurden. Hautecoeurs Forderung nach einer Integration eines modernen Kunstmuseums in den urbanen Rhythmus spiegelte sich auch im Architekturwettbewerb Mitte 1934. 387 Zur Einschreibung ab dem 15. September 1934 zugelassen waren französische Architekten. Das Gesamtbudget inklusive Außengestaltung, Inneneinrichtung und Mobiliar lag bei 40 Millionen Francs. 388 Der Vergleich der Anforderungen zeigt für den staatlichen Teil eine umfassende Übereinstimmung mit den Vorstellungen in Louis Hautecoeurs Projektentwurf für ein neues Museum von August 1934. Der listete folgende Erfordernisse: Für Malerei 2.500 Laufmeter Wandfläche, Zeichnung 300 Meter, Grafik 200 Meter, für Architektur 500 Meter, für Skulptur 2.500 Quadratmeter, davon 2000 innen und 500 außen, für Kunstobjekte sechs Säle, davon zwei mit 12 × 12 und vier mit 10 × 5 Metern, einen Saal für Neuerwerbungen mit 60 Metern für Malerei und 200 Quadratmetern für Skulptur sowie acht Säle mit mobilen Wänden à 10 × 10 Metern für Wechselausstellungen. 389 Diese Vorgaben sind eins zu eins jene der offiziellen Ausschreibung zum Bau des staatlichen Museums, wobei selbst die Reihenfolge und Absatzstruktur der in Hautecoeurs getippter Projekt-Aufstellung entspricht. 390 Auch seine exakten Vorgaben für Kupferstichkabinett, Münzkabinett und Bibliothek sind in die Ausschreibung eingegangen. Seine Anforderungen an Büros, Lager- und Service-Räume wurden ebenfalls lediglich in technischen Details ergänzt. 391 In der Ausschreibung hinzugekommen ist ein Konferenz- und Kinosaal für bis zu 250 Personen. 392 Zusammen mit dem ebenfalls von Hautecoeur angeregten Fotolabor zur gemeinsamen Nutzung durch beide
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Museen393 ist der Kinosaal ein Zeugnis dafür, dass im Palais de Tokyo von Anbeginn die neuen Massenmedien Fotografie und Film als Vermittlungsformen eingesetzt werden sollten. 394 Für das Museum der Stadt Paris ließ die Ausschreibung den Architekten freie Hand bei den Ausstellungsflächen, aber sie wiederholt gleich zweimal, dass es sowohl in der Anzahl der Quadrat- als auch Kubikmeter identisch mit dem staatlichen sein müsse. 395 Gesondert forderte es nur einen Ehrensaal für Skulpturen, mobile Trennelemente und absenkbare Decken.
MONUMENTALISMUS VERSUS MODERNITÄT: DER WET TBEWERB UND DIE REZEP TION DES SIEGERENT WURFES Die Architektur der Weltausstellungspavillons zeigte über Ländergrenzen hinweg eine Bevorzugung der Monumentalarchitektur. Franco Borsi deutet Rhythmus und Wiederholung, Merkmale einer Vielzahl der Pavillons, als Ausdruck der Militarisierung und Vorwegnahme des »Stechschritts«, Symptom eines in die Dekadenz abgleitenden Klassizismus der europäischen Demokratien. 396 Die monumentalisierende Architektur des Palais de Tokyo steht, wie zu zeigen ist, einerseits im Umfeld der öffentlichen Architektur der 1930er Jahre im Kontext eines politisch geprägten Trends zum neoklassizistischen Monumentalismus in unsicheren Zeiten, andererseits eines antimodernistischen Akademismus, der Museumsentwürfen wie denen Robert Mallet-Stevens für den ChaillotHügel oder Corbusiers für das Palais de Tokyo keine Chance bietet. Antimodernismus tritt aber auch dort zu Tage, wo die Distanz von Modernisten wie Mallet-Stevens und der Union des artistes modernes zu Avantgarden wie den Konstruktivisten sichtbar wird. Dennoch unterliegt die Architektur des Palais de Tokyo auch innerhalb des kunstpolitischen Apparats der Kritik, wie eine Abrechnung Hautecoeurs mit den Architekten zeigt.
WETTBEWERBSBEDINGUNGEN UND SIEGREICHE BEITRÄGE Verschiedene Entwürfe im Wettbewerb zum Palais de Tokyo favorisierten geschlossene Fassaden und eine einheitliche Bebauung des Geländes. Vielleicht ging dies auf den Mitte 1934 in Zeitschriften veröffentlichten »Plan Directeur« der Weltausstellung mit Richtzahlen für Gebäudeflächen zurück. Das Büro des Chefarchitekten der Weltausstellung 1937 sah sich genötigt darauf hinzuweisen, dass es den Architekten vollkommen frei stünde, wie sie die Richtzahlen umsetzten. 397 Wie von Louis Hautecoeur angeregt, wollte man es den Architekten überlassen, in ihren Entwürfen Lösungen zu finden, wobei man sich am Vorgehen beim Bau des Moderna Museet in Stockholm orientierte.
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39 Architekturwettbewerb zum Bau der Musées d’Art Moderne 1934, Entwurf Daumier 3 Étoiles der Architekten Carlu, Boileau, Azéma (4. Preis), Dokumentationsfotografie, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Dennoch wurde in offiziellen Kreisen nach einem Treffen mit den Kuratoren und dem Directeur des Beaux-Arts der Stadt schon die Bebauung des Geländes mit einem großen Hof in der Mitte angedacht. 398 Der Wettbewerb lief bis zum 30. November 1934. Die eingesandten Beiträge wurden anonymisiert. 399 Entschieden wurde am 20. Dezember 1934. Die Arbeiten sollten am 1. Mai 1935 beginnen und die Entscheidung über beteiligte Künstler am 15. Mai 1935 fallen; für die Ausführung waren zwanzig Monate bis zum 1. Januar 1937 vorgesehen.400 Einzureichen waren ein Plan für das Geschoss Avenue de Tokio, ein Plan für das Geschoss Avenue du Président Wilson, Pläne der Zwischengeschosse gemäß Entwurf, ein Längs- und ein Querschnitt senkrecht und parallel zur Avenue de Tokio, Entwürfe für die Fassaden der beiden Niveaus sowie eine Gesamtansicht in Adlerperspektive, genaue Beschreibungen der projektierten Ausstellungsflächen und Kostenschätzungen für den Bau, Gärten und Terrassen.401 Die Jury bestand aus zahlreichen Mitgliedern der Gremien der Weltausstellung, Delegierten der Kulturverwaltungen, der Kunsthochschulen, des Départements und der Stadt, sechs von den teilnehmenden Architekten zu wählenden Architekten, den Kuratoren des Musée du Luxembourg, des Jeu de Paume und des
137 | Monumentalismus versus Modernität: Der Wettbewerb und die Rezeption des Siegerentwurfes
40 Architekturwettbewerb zum Bau der Musées d’Art Moderne 1934, Siegerentwurf Clarté der Architekten Dondel, Aubert, Dastugue und Viard, Adlerperspektive, Dokumentationsfotografie, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Petit Palais, und den Präsidenten der 16 wichtigsten Architekten- und Künstlervereinigungen.402 Insgesamt waren es mindestens 53 Personen.403 Mit Erlass vom 10. Januar 1935 verlieh der Generalkommissar der Weltausstellung den ersten Preis; die Architekten wurden zur Ausführung verpflichtet.404 Der zweite Preis, mit einer Prämie von 50.000 Francs, ging an Paul Bigot für sein Projekt C.S.D., der dritte mit 30.000 Francs an das Projekt L’Âge d’Airain des Architekten Abella, ein vierter Preis mit 20.000 Francs an Daumier 3 Étoiles der Architekten Carlu, Boileau und Azéma (Abb. 39). Die 128 Projekte von über 300 Architekten lassen sich nach drei Prinzipien ordnen: Solche wie die vier Erstplatzierten, die die Museen senkrecht zu den Straßen ansetzten mit einer Freifläche zwischen ihnen, eine zweite Gruppe die sie parallel zu den Straßen und eine dritte Gruppe die sie übereinander setzte.405 Die Akten des Handelsministeriums enthalten verstreut Dokumentationsfotografien einzelner Entwürfe, darunter zum Siegerentwurf der Architekten Dondel, Aubert, Dastugue und Viard.406 Ihr Entwurf trug die Devise Clarté.407 Hier haben sich Fassadenentwürfe und die Ansicht der Querschnitte erhalten, sowie die Adlerperspektive (Abb. 40). Gegenüber anderen Entwürfen wirkt ihr an sich monumental ausgreifender Entwurf Clarté tatsächlich »klar«. Viele der Beiträge schlugen
138 | Architektur als soziales Medium
41 Architekturwettbewerb zum Bau der Musées d’Art Moderne 1934, Entwurf Heracles de Bourdelle der Architekten Pierre Sardou und Roger Lardat (lobende Erwähnung), Dokumentationsfotografie, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
monumentalisierende Entwürfe vor, die antike Tempel imitierten, für ein offen in die Zukunft gerichtetes Museum moderner Kunst aber viel zu dominant wirkten (Abb. 41).
DER ENT WURF VON DONDEL UND AUBERT: CL ARTÉ Der Catalogue Général Officiel der Weltausstellung nennt zur Unterklasse 21 Édifices Publics alle Architekten der Pavillons der Weltausstellung.408 Neben so bekannten Namen wie Alvar Aalto für Finnland und Le Corbusier, der dort ohne Projekt genannt wird, finden sich hier auch die an den Museen und Museografie beteiligten Personen.409 Entgegen solcher offiziellen Angaben zeichneten für den Entwurf des Palais de Tokyo jedoch allein die jungen Architekten Jean-Claude Dondel und André Aubert verantwortlich. Jean-Baptiste Minnaert führte mit Jean-Claude Dondel im November 1986 ein Interview, in dem dieser bekräftigte, dass einzig er selbst und André Aubert das Projekt
139 | Monumentalismus versus Modernität: Der Wettbewerb und die Rezeption des Siegerentwurfes
42 Architekten Dondel, Aubert, Dastugue, Viard: Palais de Tokyo, Seite zur Seine, Dokumentationsfotografie des Entwurfs, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
entwarfen und durchführten. Mit den Architekten Paul Viard und Marcel Dastugue hätten sie sich nur für den Wettbewerb zusammengetan, da deren Büro schon renommiert gewesen war.410 Ihr Entwurf sah gegenüber der Ausführung eine um knapp 300 Quadratmeter leicht höhere Nutzfläche innerhalb des Gebäudes von 42.618 Quadratmetern vor, während die Ausstellungsflächen außen merklich gesteigert wurden, von geplanten 2.875 auf 5.239 Quadratmeter. Im auszuführenden Projekt verteilte sich die Nutzfläche, in Quadratmetern, wie folgt:411 Innenliegende Ausstellungsflächen: Untergeschoss 12.959, Rez-de-Chaussée bas 12.959, Rez-de-Chaussée haut 9.813, erste Etage 6.636. Eine zweite Etage wurde gestrichen, da die Stadt Paris im Dezember 1934 verbot, dass die Museen höher als achtzehn Meter sein durften.412 Im Freien betragen die Ausstellungsflächen in Quadratmetern: Höhergelegene Terrassen 3.822, Ehrenhof 572, Portikus 845, insgesamt innen und außen 47.605. Die Gegenüberstellung ihres Entwurfs aus der Adlerperspektive mit späteren Darstellungen von der Seine aus gesehen und dem Modell zeigt, dass er durch das Entfallen des zweiten Stockwerks erheblich an »Clarté« gewonnen hat, durch die Betonung der
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43, 44 Palais de Tokyo, Pläne des Rez-de-Chaussée haut (oben) und bas (unten), städtischer Ostflügel bezeichnet mit zeitweise erwogener Einrichtung des Musée des Arts Décoratifs, Dokumentationsfotografien, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
141 | Monumentalismus versus Modernität: Der Wettbewerb und die Rezeption des Siegerentwurfes
Längslinien und die sanftere Staffelung von der Seine aufsteigend (Abb. 42). Er erstreckt sich nun über eine obere Etage, ein »hohes« und ein »niedriges« Rez-de-Chaussée sowie ein Kellergeschoss. Das Geschoss an der Avenue Wilson war zur Präsentation der Neuerwerbungen vorgesehen. Seitlich abgehende, fensterlose Ausstellungssäle mit Oberlichtern sollten Malerei aufnehmen. Das Rez-de-Chaussée bas mit den hohen Fenstern zum Innenhof ist im Westflügel als langer Skulpturensaal konzipiert. Vom höher gelegenen Geschoss führt eine Treppe den Besucher dorthin. Das Rez-de-Chaussée bas des Ostflügels ist auf diesem Plan für Arts decoratifs vorgesehen. Dies bezieht sich auf die später verworfene Überlegung, zur Vermeidung einer Doppelung des Ausstellungsprogramms durch ein städtisches Museum im Ostflügel das Musée de l’Union Centrale des Arts Décoratifs, heute Les Arts Décoratifs, aus dem Pavillon Marsan des Louvre weiterzuführen (Abb. 43– 44).
DAS PAL AIS DE TOKYO UND DER MONUMENTALISMUS DER 1930ER JAHRE Gegenüber anderen archivierten Entwurfsbeiträgen zeichnet sich der Siegerentwurf tatsächlich durch »Klarheit« aus, da er die Sichtachse auf das Seine-Ufer durch die breite Hof- und Treppenanlage betont und so das Gelände elegant bespielt und die beiden Niveaus miteinander verbindet. Allerdings zeigt beispielsweise die Gegenüberstellung mit einem sehr modern wirkenden anderen Entwurf wie dem Projet Chevalier, dass klar gegen Entwürfe entschieden wurde, die eine neue Gebäudesprache wagten (Abb. 45). Die Entscheidung für den neoklassizistisch-monumentalen Entwurf von Dondel und Aubert entsprach vollends der oben geschilderten Zielsetzung der Weltausstellung, angebliche »Exzesse eines schon aus der Mode gekommenen Modernismus« zu vermeiden. Bruno Foucart und Jean-Baptiste Minnaert beurteilen das Palais de Tokyo wohlwollend als sowohl nach außen der Tradition des französischen Palastes als auch nach innen einem Museum des internationalen Stils verpflichtet, zwischen einem museologischen Modernismus wie in Den Haag und französischem Klassizismus.413 Die Architektur des Palais de Tokyo ist jedoch mehr als nur Ausdruck und Weiterführung eines französischen Klassizismus. Ausgerechnet unter der Regierung der linken Volksfront drückt die offizielle Bevorzugung klassizierender, monumentalisierender Entwürfe auf der Weltausstellung 1937 einen Trend aus, der sich nach der Weltwirtschaftskrise 1929 in den 1930er Jahren in Europa verstärkt ausbreitet und moderne Strömungen wie das Bauhaus und die avantgardistische Modernität des internationalen Stil seit den 1920er Jahren verdrängt, allem voran im faschistischen Italien Mussolinis und im nationalsozialistischen Deutschland. Dort sorgten diese reaktionäre Haltung und Repressalien dafür, dass Mitte der 1930er Jahre Walter Gropius ins Exil ging. Auch Mies van der Rohe, nach Hannes Meyer Nachfolger von Gropius als Direktor des Bauhaus,
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45 Architekturwettbewerb zum Bau der Musées d’Art Moderne 1934, Entwurf Projet Chevalier, Dokumentationsfotografie, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
verließ 1938 Deutschland wie so viele Bauhaus-Architekten. Er setzte seine Arbeit, die sich zentral auf die Verwendung des Materials Glas stützt und damit exemplarisch stehen kann für jene Transparenz, die durch die blockhaften Massen des monumentalistischen Neoklassizismus verdrängt wurde, in den USA fort.414 Die von den Nazis erzwungene Auflösung des Bauhauses schon 1933 kann als nur vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung angesehen werden. Pierre Vaisse zitiert in diesem Kontext Franco Borsis Bezeichnung des Jahrzehnts als »décennie du diable«.415 Eine Aufzählung von Vaisse gibt mit nur einigen der wichtigsten Stationen, etwa dem Bauhaus, der Stuttgarter Weißenhofsiedlung unter Leitung Mies van der Rohes mit Beteiligung Corbusiers und Jeannerets 1927, der Gründung der CIAM durch Corbusier, Giedion und andere 1928, Mies van der Rohes Pavillon in Barcelona 1929, Corbusiers Villa Savoye 1930 und der New Yorker MoMA-Ausstellung 1932416 , die der Richtung die Bezeichnung Internationaler Stil gab, ein gutes Beispiel der immensen Produktivität in den 1920er Jahren, die mit dem reaktionären Monumentalismus der 1930er Jahre abriss.417 Das Palais de Tokyo ist auch von einem künstlerischen französischen Klassizismus der 1920er und 1930er Jahre zu unterscheiden, wie ihn Walter Benjamin in Werken Picassos, Strawinskys oder Cocteaus als Modernisierung von Stoffen im Sinne der
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Gegenwart konstatierte und als »Wettbewerb mit den durch Jahrhunderte als Kanon des Organischen, Gewachsenen in Geltung stehenden Werken des Griechentums« bezeichnete: »Der Richtung, die Picasso mit den Bildern um 1927, Strawinsky mit dem ›Ödipus Rex‹, Cocteau mit dem Orpheus repräsentieren, hat man den Namen Neoklassizismus gegeben. Nun steht dieser Name hier nicht, um Gide an diese Richtung anzuschließen (wogegen er mit Recht Einspruch erheben würde), sondern um anzudeuten, wie die verschiedensten Künstler dazu kamen, grade am Griechentum jene Entkleidung, oder, wenn man will, Verkleidung im Sinne der Gegenwart vorzunehmen.« 418 Der »unmodische Modernismus« der Expo 1937, der im Verlangen nach Dekor Künstlern und Kunsthandwerk Betätigungsfelder bietet, wird noch einmal besonders deutlich durch das Ausscheiden so prominenter Architekten wie Robert Mallet-Stevens und Le Corbusiers, letzterer in der ersten Runde zum Wettbewerb für die Museen moderner Kunst.
DER KÜNSTLER ALS ÄSTHET DER TECHNISCHEN REPRODUZIERBARKEIT: MALLET-STEVENS UND DIE UAM Der avantgardistische Architekt Robert Mallet-Stevens (1886–1945), Professor an der École des Beaux-Arts in Lille, der auch durch Arbeiten für den Film bekannt wurde, für die er unter anderem mit Fernand Léger zusammenarbeitete, machte 1934 einen Projektvorschlag für die Expo 1937. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der 1929 ins Leben gerufenen Union des artistes modernes (UAM), deren Ziel es war, gleichgesinnte Künstler jährlich zu einer Ausstellung zusammenzuführen. Sie zählte unter anderen Corbusier, Charlotte Perriand und Frantz Jourdain zu ihren Mitgliedern.419 Die UAM war eine von verschiedenen Künstlergruppierungen, die auf der Weltausstellung 1937 in eigenen Pavillons ausstellten, wie neben ihr etwa die Union corporative de l’art français (UCAF).420 Die UAM engagierte sich stark für »l’art moderne, c’est-à dire l’art le plus représentatif du temps et le plus conditionné par l’époque«. So formuliert es ein Manifest der UAM von 1934, das auf die Frage des Dekors antwortet, die den Vertretern eines puristischen Stils zum Vorwurf gemacht wurde.421 Hier heißt es einleitend, die Lebendigkeit der Kunst könne sich am Widerstand, den sie erfährt, messen. Über ihr Verhältnis zur Massenreproduktion, besonders dem Kino, heißt es im Abschnitt »La machine et l’art«, dass zwar die Zahl der Kunsthandwerker abgenommen habe, dafür aber viel mehr Künstler ihr Talent auf Massenproduktion anwendeten, »à la création de formes heureuses, qui seront réalisées en série«. Das ästhetische Niveau der Produktion sei dadurch gestiegen.
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In einer »Justification de la forme pure« hebt es zwei Gründe für den Vorwurf der mangelnden Dekoration hervor: Die reine Form sei teurer, und ließe sich schlechter verkaufen.422 Es bleibt aber zu konstatieren, dass auch die UAM von einer tatsächlichen Avantgarde entfernt ist, wie sie sich in den 1920er und 1930er Jahren herausgebildet hatte. Gerade am Verständnis der neuen Reproduktionsmittel wie dem Film wird dies deutlich: Die UAM wirbt Industrie- und wirtschaftsnah mehr für eine neue künstlerische Ästhetik der seriellen Produktion als dass sie für eine gänzlich neue Ästhetik eintritt, wie etwa die funktionalistische Diskussion des Films in der konstruktivistischen Avantgarde. Der tschechiche Kunsttheoretiker Karel Teige veröffentlichte 1925 im deutschen Kunstblatt eine Übersetzung seines Manifestes Zur Ästhetik des Films, in dem er einen gänzlich neuen Künstlertypus proklamiert: »Die Malerei rekonstruieren, die Kunst stabilisieren, war die Aufgabe des Kubismus. Aber die Mechanisierung des Lebens hat die Kunst neuen Wegen zugekehrt, hat elementarem Schaffen den Weg geöffnet: Ein neuer Künstlertypus ist entstanden: Der Wissenschaftler-Dichter.« 423 Auch Walter Benjamin prognostiziert den Gedanken im Kunstwerk-Aufsatz.424 Dessen erste Fassung von 1936 liegt in zeitlicher Nähe zum UAM-Manifest 1934. Dass der Film mit seiner höheren Analysierbarkeit der »Merkwelt« zu einer gegenseitigen Durchdringung von Wissenschaft und Kunst führen werde, ist eine der zentralen Thesen des Kunstwerk-Aufsatzes.425 Teige sieht in den Filmarbeiten der Avantgarde eine Loslösung des Films von einer »Parasitenrolle« an der Kunst, eine Emanzipation wie erstmals in den Fotografien Man Rays.426 Benjamin erkennt mit Fotografie und Film eine Emanzipation der Kunst vom Ritual.427 Die zeitgemäße Ästhetik offenbart sich Teige vor allem in experimentellen Arbeiten wie jenen des Absoluten Film von Fernand Léger, Viking Eggeling, René Clair, Walter Ruttmann und Ludwig Hirschfeld-Mack, die am 3. Mai 1925 im UFA-Theater am Berliner Kurfürstendamm vorgestellt worden waren:428 In lyrischen »Sensationen« ohne »Scenario«.429 Die Rede vom gestiegenen »ästhetischen Niveau der Produktion« im Manifest der UAM ist weit entfernt von einer neuen Ästhetik der Wissenschaftler-Dichter, wie sie Karel Teige ausruft, oder dem gesamtgesellschaftlichen Bezug, in den Benjamin die künstlerische Verwendung der neuen Reproduktionsmittel setzt. Benjamin, der an konstruktivistischen Zeitschriften mitgearbeitet hatte und schon 1924 in der von Hans Richter, Mies van der Rohe und Werner Graeff herausgegebenen Zeitschrift G einen Artikel Tristan Tzaras über Man Ray übersetzte 430, ist Ende der 1930er Jahre vor allem überzeugt, dass es »eine der revolutionären Funktionen des Films sein« wird, »völlig neue Strukturbildungen der Materie« sichtbar zu machen.431 Gegen ein solches Modernitätsverständnis nehmen sich moderne Positionen im Programm der Weltausstellung geradezu verschwindend aus. Pascal Ory sieht nur zwei grundsätzlich »modernistische« politische Entscheidungen zur Expo 1937, die er beide auf den 1936 gewählten Front Populaire unter Léon Blum zurückführt, der hinter der Entscheidung, Robert und Sonia Delaunay die heute berühmte Dekoration des Pavil-
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lon de l’Air zu übertragen, und des Auftrags zur Errichtung des Pavillon des Temps Nouveaux an Corbusier stehe.432 Mallet-Stevens’ erster Projektvorschlag von 1934 für die Weltausstellung war dementsprechend Ausdruck eines gemäßigten Modernismus. Zusammen mit Jacques Carlu schlug er Georges Huisman 1934 ein »Musée de la République« an Stelle des alten Trocadéro vor, das Auguste Perrets Idee einer »Cité des Musées« auf dem Chaillot-Hügel von 1933 aufnahm.433 Das Projekt blieb Skizze, während Carlu später einer der Architekten des neuen monumentalen Palais de Chaillot wurde. Mallet-Stevens’ Entwurf für die Museen moderner Kunst wird abgelehnt. Er beschwert sich danach in L’Architecture d’Aujourd’ hui, dass die von den Architekten gewählten Juroren nicht »modern genug« seien.434 Die UAM selbst stellte auf der Weltausstellung in einem Pavillon des Architekten Georges-Henri Pingusson aus.435 In diesem Pavillon der UAM war auch Le Corbusier als Aussteller vertreten. Der Pavillon de l’U.A.M. war keiner Klasse, aber der Gruppe IX, Métiers d’art, zugeordnet und wurde unter anderem von Fernand Léger mit Wandmalereien ausgestattet. Corbusier und Jeanneret zeigten hier ein Modell der Villa Radieuse, sowie jeweils verschiedene Möbel, zum Teil aus Zusammenarbeiten miteinander, aber auch mit Charlotte Perriand.436
LE CORBUSIERS BEITRAG ZUM WETTBEWERB Die Geschichte von Corbusier (Charles-Édouard Jeanneret, 1887–1965) und der Weltausstellung ist trotz seiner Freundschaft mit dem Chefarchitekten der Weltausstellung Jacques Gréber kompliziert und von zahlreichen Rückschlägen gekennzeichnet, bis es schließlich doch zu einer Realisierung eines Pavillons kommt, dem Pavillon des Temps Nouveaux.437 Gilles Ragot führt dies auf Corbusiers Eigenheiten zurück, die Vorgaben von Wettbewerben nicht zu beachten und sich stets nur direkt mit den höchsten Ebenen von Administration und intellektueller Elite auseinanderzusetzen.438 Nach seinem abgelehnten Vorschlag zu einer »Exposition internationale de l’Habitation« im Ideenwettbewerb für die Expo 1937 im Jahr 1932 und einem ersten unrealisierten Projekt, einem Pavillon für den Schuhhersteller Bat’a, folgten sein abgelehnter Entwurf für die Museen moderner Kunst Devise 2879 und ein Projekt bastion Kellermann, für das er im Namen der Congrès Internationaux d’Architecture Moderne CIAM 1934 ein Gelände zugewiesen erhielt. Dieses wird nach komplizierten Planungsschwierigkeiten 1935 verworfen, da Gelder fehlen und Corbusier nicht akzeptieren will, dass gemäß Reglement die Gebäude nach der Weltausstellung wieder abgerissen werden. Schließlich bekommt er in der Nähe ein Gelände zugewiesen, wo er für die CIAM France den Pavillon des Temps Nouveaux errichtet.439 Sein Museumsentwurf Devise 2879 sah einen monumentalen Bau in H-Form vor, den er auf dünne Pfähle stellen wollte. Im Mittelbau sollten Aufzüge und Diensträume untergebracht werden, während das Museum der Stadt zur Avenue du Président Wilson
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ausgerichtet sein sollte und das Museum des Staates zur Seine.440 Das Museum sollte von seiner seit 1929 verfolgten Idee eines Museumsgebäudes mit unbegrenztem Wachstum das Prinzip übernehmen, den Besucherverkehr bei konstantem natürlichem Licht mit einer Rampe ohne Unterbrechung nach oben zu führen. Er beschrieb die Idee als »radiateur à lumière«.441 Ragot gibt an, dass Corbusiers Projekt die vorgegebene Kalkulation von 40 Millionen Francs knapp überschritt und daher außer Konkurrenz war. Corbusier äußerte sich nach seinem Ausscheiden deutlich über den Siegerentwurf von Dondel und Aubert. In der Januarausgabe 1935 von L’Architecture d’Aujourd’ hui schrieb er, Bezug nehmend auf die Freifläche mit dem Durchgang vom Quai de Tokio zur Avenue du Président Wilson, man habe nicht Museen, sondern eine Straße ausgezeichnet, vergleichbar den tausenden anderen Pariser »Rinnsteinen«: »On a primé non pas des musées, mais une rue, une pauvre petite rue de cent mètres de long, tranchant dans sa rigole, semblable aux milliers d’autres rigoles qui sillonnent Paris.« 442
VORL ÄUFIGE FERTIGSTELLUNG UND REZEPTION DES PAL AIS DE TOKYO Die Grundsteinlegung des Palais de Tokyo erfolgte am Freitag, den 5. Juli 1935 um 11.00 Uhr durch den Präsidenten der französischen Republik Albert Lebrun.443 Parallel zur ersten Bauphase verhandelte der Staat mit Polen über das Gebäude der polnischen Botschaft auf dem Gelände und den Umzug in ein Hôtel particulier in der Rue SaintDominique im 7. Arrondissement (Abb. 46). Nach dem Umzug der Botschaft gingen die Arbeiten wesentlich schneller voran und lagen zeitweise vor dem Zeitplan, bis sie im Sommer 1936 durch Streiks und Arbeitsniederlegungen stark beeinträchtigt wurden. Anfang Juni war die erste sozialistische Regierung Léon Blum gewählt worden und in der Folge kam es zu öffentlichen Bewegungen rund um Arbeitsgesetzesvorhaben wie die Mitte Juni eingeführte 40-Stunden-Woche.444 Durch zusätzliche Einstellungen und Doppelschichten konnten diese Verspätungen ausgeglichen werden, ebenso wie Verzögerungen bei Fassaden und Strukturelementen, für die eigens ein neuer Steinbruch in Écuelles im Departement Seine-et-Marne erschlossen wurde.445 Nach zweijähriger Bauzeit war das Museum zur Eröffnung der Weltausstellung am 24. Mai 1937 bereit. Zuerst wurde der Pavillon der Stadt Paris im Ostflügel in Anwesenheit von Präsident Albert Lebrun am 17. Juni 1937 eröffnet. Er rief im Vorfeld positive Reaktionen hervor. Die Semaine à Paris titelte am 28. Mai 1937: »À la gloire de Paris. Le splendide Pavillon de la Ville de Paris.« 446 In Paris-Midi wurde das Bauwerk als schon selbst besuchenswerte Attraktion und sehr gelungen beschrieben.447 Die Ausstellungsräume im staatlichen Westflügel werden als fantastisch beschrieben und die Beleuchtungen, besonders für die Skulpturen, »appellent l’applaudissement«. Die zeitgenössischen Architekturzeitschriften gingen detailreich auf die Weltausstellung ein. L’Architecture d’Aujourd’ hui publizierte eine regelmäßige Chronique de
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46 Abriss der ehemaligen polnischen Botschaft, ganz unten Arbeiten am Fundament des Palais de Tokyo, 12. März 1936, Abbildung aus Exposition Internationale des Arts et techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 2, Paris 1940
l’Exposition internationale de 1937, wo sie Wettbewerbe, Konzessionen und Aufträge bekannt gab. So publiziert sie etwa 1936 die Auswahl der Maler und Bildhauer für die Ausstattung des Trocadéro und der Musées d’Art Moderne nach der Konsultation von 1500 Dossiers und 1000 Besuchen.448 Minutiös wurde über die Vorbereitungen berichtet, so etwa auch einen Besuch des Präsidenten am Trocadéro und zwei Stunden auf der Baustelle des Palais de Tokyo am 15. Mai 1936.449 La Construction Moderne berichtete ebenso ausführlich und publizierte beispielsweise im Januar 1937 eine ausführliche Beschreibung des Palais de Tokyo mitsamt der Pläne und zollte der kurzen Bauzeit Beifall.450 Im August 1937 hob sie ein blattfüllendes Foto des sich in seinem »miroir d’eau« spiegelnden Palais sogar auf den Titel.451 Es mischten sich aber auch kritische Töne in die Rezeption. Im Mai–Juni 1937 publizierte L’Architecture d’Aujourd’ hui die Sondernummer Paris 1937. Hier zeichnen sich schon vor der Eröffnung die späteren Diskus-
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sionslinien der kritischen Rezeption des Palais de Tokyo ab. Zitiert werden Aussagen, das Innere entspräche museografischen Anforderungen, während andere schon über die Belüftung munkelten.452 Noch vor Ende der Weltausstellung lancierte die Zeitschrift eine Befragung der führenden Architekten der Weltausstellung über die Lehren aus ihrer Organisation. Interessanterweise ist es hier der Chefarchitekt der Weltausstellung selbst, der erklärt, das System der Architekturwettbewerbe sei eine Glaubensfrage. Die Wettbewerbe hätten zumindest erlaubt, junge Talente zu entdecken, wobei er keine Namen nennt. Zugleich erklärt er, der »unglückliche Zufall der Wettbewerbe« habe durch die Vergabe von Pavillons an Architekten wie Corbusier, Mallet-Stevens, Perret, Pingusson oder Vago »zum Teil korrigiert werden können«.453
LOUIS HAUTECOEURS KRITIK AM ENT WURF Louis Hautecoeur zeigte sich mit dem Entwurf von Dondel und Aubert und dessen Umsetzung unzufrieden. Im November 1937 verfasste er einen ausführlichen Bericht an den Minister für nationale Bildung und Kunst, in dem er Stellung zu seiner Rolle im Entstehungsprozess des neuen Museums nahm und die Architekten heftig kritisierte.454 Mit einer getippten Gegenüberstellung, die seinen Bericht und parallel dazu, Absatz für Absatz, die Stellungsnahme der Architekten wiedergab, antworteten diese am 3. Dezember 1937 auf die Kritik.455 Auch hier beklagt Hautecoeur zunächst die durch die Vereinbarung mit der Stadt Paris vereitelte Chance, auf dem Gelände das Musée des Artistes Français (Luxembourg) und das Musée des Artistes Étrangers (Jeu de Paume) zu gruppieren, wobei man sogar auf die administrative Einheit der Häuser hätte verzichten können.456 Er hält fest, dass er vor der finalen Juryentscheidung darauf bestand, Bedenken hinsichtlich der Beleuchtung, der Raumgrößen und der Versorgungsräumlichkeiten im Entwurf festzuhalten. Zwar erkennt er die zahlreichen Hindernisse des Bauprojekts an: Das unregelmäßige Gelände, die beschränkte Fläche, die Auflagen der Stadt zur Traufhöhe, lange Verhandlungen zum Kauf der Botschaft Polens und Verteuerungen. Allerdings beklagt er, die Pläne der Architekten seien zwar dem Conseil des Bâtiments civils vorgelegt worden, die technische Kommission habe ihn als Kurator des Museums aber nie um eine Einschätzung gebeten. Hierauf entgegneten die Architekten, Hautecoeur habe schon im Februar 1935 detaillierte Pläne erhalten und einige von ihm im März 1935 getätigte Anmerkungen und Modifikationen hätten im Rahmen der Möglichkeiten Berücksichtigung gefunden. Hautecoeur stört sich an der »Monotonie« der Ausstellungsräume in den höher gelegenen Geschossen, weshalb er ein System mobiler Trennwände konzipiert habe.457 Zur selben Zeit habe er ein System studiert, das mit Standardelementen unterschiedliche Blickwinkel und eine schnelle Montage erlaubte; eine von den Architekten vorgeschlagene Firma habe sich des Systems angenommen, ihn um Erlaubnis gebeten, es paten-
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tieren zu lassen und es sei in der Sektion Museografie der Weltausstellung zum Einsatz gekommen. Die von ihm vorgeschlagenen Dispositionen für die Skulpturenhalle und die Säle auf die Avenue du Président Wilson seien nicht berücksichtigt worden. Die Architekten antworten, die von Hautecoeur vorgeschlagenen Nischen, Trennwände und abgestumpfte Ecken konnten nicht realisiert werden, da die Säle während der Weltausstellung als Salon de thé genutzt wurden.458 Hautecoeur kritisiert weiterhin das Heizungs- und Belüftungssystem und den Umstand, dass die glasgedeckten Flächen im Obergeschoss nicht entsprechend seiner Empfehlung reduziert wurden. Auch verurteile er schon lange scharf das System einer seitlichen Beleuchtung; die Architekten entgegneten hierzu, in den drei betreffenden Sälen könnten mobile Trennwände Reflexionen verhindern, in den drei im Rez-de-Chaussée bas erreichten verglaste Decken und Lichtschächte eine solche Beleuchtung wie mit Glasdach. Ein weiterer Kritikpunkt von Hautecoeur ist der Umstand, dass sein Büro nur über eine Deckenbeleuchtung verfüge und die Räume der Verwaltung über zuwenig Fenster, er hat Bedenken hinsichtlich der Traglast der Skulpturenhalle, der Beleuchtung des Ober- und besonders der unzureichenden Ventilation des Untergeschosses. Insbesondere kritisiert er die Verzögerung bei der Einrichtung der Räume; nun, im November 1937, sei das Untergeschoss immer noch von Firmen belegt. Es sprechen aber auch verletzte Eitelkeiten, wenn er ein Interview anführt, das der Architekt Dondel im Magazin Beaux Arts geführt habe, in dem es sinngemäß heiße, Kritik am Museumsbau müsse sich an Hautecoeur richten, da das Museum in vollem Einklang mit den Kuratoren realisiert worden sei. Er betont, mit seiner Erfahrung und seinen Arbeiten zur Architektur, auf die man sich sogar beim Bau des neuen Museums in Rotterdam gestützt habe, hätte er den jungen Architekten einige Fehler ersparen können.459 Die Entgegnung der Architekten wurde mit Schreiben vom 15. Januar 1938 vom Generalkommissar der Weltausstellung, Edmond Labbé, an den Bildungsminister weitergeleitet. Sie werden darin in Schutz genommen, die meisten Kritikpunkte Hautecoeurs auf finanzielle Engpässe zurückgeführt und zur Kritik an der Heizungsanlage auf ausstehende Belastungstests verwiesen – die »wertvollen« Anmerkungen Hautecoeurs hätten freilich aufgrund der Ausstellungen während der Weltausstellung noch keine Berücksichtigung finden können.460 Hautecoeurs Bericht ging in der an den Minister gesandten Version, geordnet nach Kritikpunkten, noch über vier getippte Seiten weiter zu Heizung, Beleuchtung, Anordnung der Säle und äußerer Dekoration.461 Zur künstlerischen Ausstattung ruft er die Kritik an den Skulpturenreihen in Erinnerung: Seit Anfang 1935 sei die Dekoration der Museen von einer Kommission unter Leitung des Directeur général des Beaux-Arts beschlossen worden. Er selbst habe geraten, für die Sockel keine Statuen zu bestellen, um zunächst die Ausführung der Fassaden und der Flachreliefs abzuwarten.462 Im Protokoll der ersten Sitzung der Museumskommission am 30. Mai 1935 sei nachzulesen, er habe gesagt, die Statuen würden aus den Museen kommen. Dennoch habe die Stadt Paris
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für beide Reihen Statuen in Auftrag gegeben, und als sie nicht in der Lage gewesen sei, die von den Künstlern geforderten Mehrkosten zu zahlen, habe der Service des Travaux d’Art sich bereiterklären müssen, die Statuen auf der Seite des Staates zu bezahlen.463 Hautecoeur selbst gibt an, sobald er Kurator des neuen Museums sei, werde er sie entfernen lassen, da die mitunter »unglücklichen« den Blick auf die Flachreliefs verstellten und einen anderen Maßstab als die liegenden Figuren haben. Es mache Sinn, sie auf den Sockeln durch Blumenvasen zu ersetzen und die beiden seitlich positionierten liegenden Figuren für einen symmetrischen Eindruck mit den am Bassin liegenden an das Kopfende des »miroir d’eau« zu versetzen.464 Hautecoeur möchte dem Ensemble, das er als »Monument« begreift, durch diese regelmäßige Anordnung der Figuren einen gebührenden Eindruck von Größe verleihen, und die zur Seine hin abfallende Blickachse von Bäumen befreien. Die verbleibende Anordnung der Skulpturen deutet darauf hin, dass sich die heutige Ansicht aus seiner seinerzeit scharfen Kritik der Außenansicht ergibt. Tatsächlich wurden nach der Weltausstellung im Dezember 1937 beim Bildhauer Henri Lagriffoul fünf dekorative Vasen in Auftrag gegeben.465 Die zehn Skulpturen von Lejeune, Abbal, Malfray, Chauvel, Simon, Popineau, Saupique, Osouf, Collamarini und Debarre wurden gemäß einer Vereinbarung vom 21. November 1938 verpackt und eingelagert.466 Am Ende bekam Louis Hautecoeur also seinen Willen: Die Skulpturen um den »miroir d’eau« wurden von ihren Sockeln genommen und durch Blumenvasen ersetzt.
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1 Anne Rasmussen: Expositions universelles, in: Christian Delporte, Jean-Yves Mollier u. Jean-
François Sirinelli (Hrsg.): Dictionnaire d’ histoire culturelle de la France contemporaine, Paris 2010, S. 307–309.
2 Brigitte Schroeder-Gudehus u. Anne Rasmussen: Les Fastes du Progrès. Le guide des Expositions
universelles 1851–1992, Paris 1992, S. 48 f.
3 Ibid., S. 49. Vgl. Convention concernant les expositions internationales, du 22 novembre 1928,
in: Conférence diplomatique relative aux expositions internationales, Paris 1–22 Novembre 1928, Paris 1930, S. 529–546. 4 Schroeder-Gudehus u. Rasmussen 1992, S. 51 f. 5 Allgemein scheint das Palais de Tokyo im Schatten des Palais de Chaillot zu stehen. So hebt
etwa Bertrand Lemoine das Palais de Chaillot als »seul très grand bâtiment« der Expo Paris 1937 hervor, und nennt das »musée d’Art moderne construit trois ans plus tôt«, dabei wurde es sogar erst nach der offiziellen Eröffnung fertiggestellt. Vgl. Bertrand Lemoine: Paris 1937, Expositions internationale des arts et techniques dans la vie moderne, in: Isabelle Chalet-Bailhache (Hrsg.): Paris et ses expositions universelles. Architectures, 1855–1937, Ausstellungskatalog, Conciergerie, Paris 2008–2009, S. 71. 6 Vgl. Lawless 1986, S. 37–39. 7 Hierfür nicht relevante Entwicklungen wie die Gründung der Vereine der Freunde des MNAM
werden daher explizit ausgeklammert. Vgl. zu Vereinen der Museumsfreunde Alary 1997, S. 201– 210.
8 Alary behandelt den Kongress nur kurz als ein letztes Element eines französischen Diskurses,
ibid., S. 165–169.
9 Pascal Ory: Les Expositions Universelles de Paris. Panorama raisonné, avec des aperçus nouveaux
et des illustrations par les meilleurs auteurs, Paris 1982, S. 88, Übersetzung des Verfassers.
10 Ibid., S. 145. 11 Ibid. 12 Bertrand Lemoine u. Philippe Rivoirard: Paris – L’Architecture des Années Trente, Lyon 1987,
S. 114 –119.
13 Béatrice de Andia: Préface: un classicisme épuré, in: Lemoine u. Rivoirard 1987, S. 11–18, S. 12. 14 Lemoine u. Rivoirard 1987, S. 114. 15 Andia 1987, S. 13. 16 Bertrand Lemoine (Hrsg.): Paris 1937. Cinquentenaire de l’Exposition internationale des arts et des techniques dans la vie moderne, Ausstellungskatalog, Institut Français d’Architecture, Paris 1987. 17 Danilo Udovicki: Projets et concours, ibid., S. 44 –65; Bruno Foucart u. Jean-Baptiste Min-
naert: Les musées d’art moderne, ibid., S. 106–119; Madeleine Rébérioux: L’exposition de 1937 et le contexte politique des années trente, ibid., S. 26–29; Pascal Ory: Le Front populaire et l’exposition, ibid., S. 30–35; zu Perrets Projekt für den Chaillot-Hügel und das realisierte Musée des Travaux publics vgl. Joseph Abram: Perret et l’exposition, ibid., S. 66–71; Mallet-Stevens beteiligte sich mit einem (abgelehnten) Projekt für die Museen moderner Kunst und einer Skizze für den Chaillot-Hügel mit Jean Carlu, vgl. Betrand Lemoine u. Philippe Rivoirard (1987b): Mallet-Stevens et l’exposition, ibid., S. 80–83; Corbusier konzipierte die Devise 2879 für die Museen moderner Kunst und die Projekte A, Generalplan zur Ansiedlung der Expo 1937 und B, einer Wohneinheit bastion Kellermann für zehntausend Menschen nach der Idee der ville radieuse (alle abgelehnt); Projekt C eines »centre d’esthétique contemporaine« wird umgewandelt in das ausge-
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ANMERKUNGEN führte Projekt D, den Pavillon des Temps nouveaux, vgl. Gilles Ragot (1987a): Le Corbusier et l’exposition, ibid., S. 72–77; id. (1987b): Temps nouveaux, Le Corbusier et Pierre Jeanneret, ibid., S. 250–252. 18 Jeanne Laurent: Arts et Pouvoirs en France de 1793 à 1981. Histoire d’une démission artistique.
Saint-Etienne 1982, S. 140.
19 Zur Geschichte des Musée du Luxembourg vgl. Alary 1995 (zu Bénédite besonders S. 232–
235) und Bastoen 2015 (zu Bénédite S. 331 ff.). Zum Projekt der Umwidmung des Seminars von Saint-Sulpice zum Museum vgl. Bastoen 2015, S. 358 ff. Zu Bénédites Arbeit an einer Internationalisierung vgl. Véronique Wiesinger: La politique d’acquisition de l’État français sous la Troisème République en matière d’art étranger contemporain: l’exemple américain (1870–1940), in: Bulletin de la Société de l’ histoire de l’art français, 1993, S. 263–299. 20 Vgl. Martine Plouvier (Hrsg.): Guide des sources de l’ histoire de l’art aux Archives nationales et
aux Archives de Paris, Paris 2012; Mireille Raumbaud: Les sources de l’ histoire de l’art aux Archives nationales, Paris 1955. 21 Jean Zay: Souvenirs et Solitude, Paris 1946, S. 355. 22 Dirk Quadflieg: Das Sein der Sprache. Foucaults Archäologie der Moderne, Berlin 2006, S. 9
u. 12.
23 Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik
[1960], Tübingen 21965, S. 281.
24 Ibid., S. 283. Zum Prinzip der Wirkungsgeschichte vgl. S. 284 –290. 25 Quadflieg 2006, S. 11. 26 Ibid., S. 12–13. 27 Ibid., S. 10. 28 Michel Foucault: L’Archéologie du Savoir [1969], Paris 2008, S. 65 u. 67. Im Folgenden zitiert
als AS.
29 Einen guten Überblick über die komplexe Evolution des Diskursbegriffs bietet Michael Ruoff: Foucault-Lexikon. Entwicklung – Kernbegriffe – Zusammenhänge, Paderborn 2007, S. 91–101. 30 AS, S. 148. 31 Sur l’archéologie des sciences. Réponse au Cercle d’ épistémologie [1968], DiE I, S. 696–730. 32 DiE I, S. 701 f. 33 Ibid , S. 705. 34 Ibid. 35 Ibid., S. 705 f. 36 Ibid., S. 706 ff. 37 Ibid. 38 Ibid., S. 708: »Bref, il s’agirait du discours dans le système de son institutionnalisation.
J’appellerai archive, non pas la totalité des textes qui ont été conservés par une civilisation, ni l’ensemble des traces qu’on a pu sauver de son désastre, mais le jeu des règles qui déterminent dans une culture l’apparition et la disparition des énoncés, leur rémanence et leur effacement, leur existence paradoxale d’événements et de choses. Analyser les faits de discours dans l’élément général de l’archive, c’est les considérer non point comme documents (d’une signification cachée, ou d’une règle de construction), mais comme monuments; c’est – en dehors de toute métaphore géologique,
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sans aucune assignation d’origine, sans le moindre geste vers le commencement d’une archè – faire ce qu’on pourrait appeler […] quelque chose comme une archéologie«. 39 Ibid., S. 709. 40 Peter Bürger: Denken als Geste. Michel Foucault, Philosoph, in: id: Das Denken des Herrn.
Bataille zwischen Hegel und dem Surrealismus. Essays, Frankfurt am Main 1992, S. 110–132, S. 113, bezogen auf: Manfred Frank: Was ist Neostrukturalismus?, Frankfurt am Main 1983, S. 226 ff.
41 »Horizont« ist nach Gadamer »der Gesichtskreis, der all das umfaßt und umschließt, was von
einem Punkte aus sichtbar ist«, vgl. id. 1965, S. 286, zum Konzept der »Horizontverschmelzung« S. 286–290. Zur Horizontverschmelzung als eigentlicher Leistung der Sprache ibid. S. 361 ff. 42 DiE I, S. 708. 43 Warburg 1929, S. 3. 44 Uwe Fleckner (2012a): Der Künstler als Seismograph. Mnemische Prozesse in der bildenden Kunst, in: id.: Der Künstler als Seismograph. Zur Gegenwart der Kunst und zur Kunst der Gegenwart, Hamburg 2012, S. 173–198, S. 187.
45 Michel Foucault: Les mots et les images [Le Nouvel Observateur, 25. Oktober 1967], DiE I,
S. 620–623.
46 DiE I, S. 620 f. 47 Ibid. 48 DiE I, S. 622. 49 Vgl. Gisèle u. Serge Berstein: La Troisième République, Paris 1987; Dominique Borne u. Henri Dubief: La crise des années 30. 1929–1938, Paris 1989. 50 Pascal Ory: La Belle Illusion. Culture et Politique sous le signe du Front Populaire 1935–1938, Paris 1994. Die Tourismuseinnahmen fielen von 10 Milliarden Francs 1929 auf 1,5 Milliarden 1934, vgl. ibid., S. 33. 51 Jean-Pierre Azéma: De Munich à la Libération. 1938–1944, Paris 1979. 52 In der IV. Republik kam den Staatspräsidenten Vincent Auriol (1947–1954) und René Coty (1954 –1959) weniger Macht zu als der Regierung unter Vorsitz des Premierministers, vgl. JeanPierre Rioux: La France de la Quatrième République 1: L’ardeur et la nécéssité: 1944–1952, Paris 1980; id.: La France de la Quatrième République 2: L’expansion et l’impuissance: 1952–1958 [1983], Paris 1990. 53 Serge Berstein: La France de l’Expansion 1: La République gaullienne (1958–1969), Paris 1989. 54 Zur Geschichte des Ministeriums vgl. Bernard Beaulieu u. Michèle Dardy: Histoire administ-
rative du Ministère de la Culture 1959–2002. Les services de l’administration centrale, Paris 2002.
55 André Malraux: Psychologie de l’art. Le musée imaginaire, Genf 1947 [Erstfassung]. 56 Serge Berstein u. Jean-Pierre Rioux: La France de l’Expansion 2: L’apogée Pompidou 1969–
1974, Paris 1995.
57 Plouvier 2012, S. 202 ff. 58 Zur Kulturpolitik unter Giscard d’Estaing vgl. Monnier 2004, S. 368–379. 59 Einen konzisen Überblick über die Kulturpolitik Mitterands und Langs bietet Monnier 2004,
S. 379– 423.
60 Poulot 2008, S. 5 f.
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61 Vgl. Poulot 2008, S. 46. Der Schaffung des Muséum geht eine Entwicklung voraus; scheint
1792 die Zerstörung aller Symbole der Monarchie beschlossen, fordert die Convention im Dezember 1793 Kulturgüterschutz und Anerkennung des Beitrags der Künste zur Freiheit, vgl. Monnier 2004, S. 33 ff. 62 Édouard Pommier: La Théorie des Arts, in: Philippe Bordes u. Régis Michel (Hrsg.): Aux Armes et aux Arts! Les Arts de la Révolution 1789–1799, Paris 1988, S. 167–199, S. 182. 63 Elke Harten: La démocratisation de la culture dans les projets de musées pendant la Révolution
française, in: Gérard Chianéa (Hrsg.): Les droits de l’ homme et la conquête des libertés. Des Lumières aux révolutions de 1848, Grenoble 1988, S. 326–331; id.: Museen und Museumsprojekte der französischen Revolution. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte einer Institution, Münster 1989. Vgl. auch Dominique Poulot: La Naissance du Musée, in: Bordes u. Michel 1988, S. 201–231.
64 Vgl. Dominique Poulot: Le droit au musée: un droit du citoyen?, in: Chianéa 1988, S. 332–341. 65 Vgl. Monnier 2004, S. 44 ff.; Poulot 2008, S. 46–62. 66 Alary 1995, S. 222 ff. 67 Zum napoleonischen Kunstraub vgl. Bénédicte Savoy: Patrimoine annexé. Les biens cultu-
rels saisis par la France en Allemagne autour de 1800, Paris 2003, 2 Bde., deutsch: id.: Kunstraub: Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen. Mit einem Katalog der Kunstwerke aus deutschen Sammlungen im Musée Napoléon, Wien 2011.
68 Quatremère de Quincy: Lettres sur le Préjudice qu’occasionneraient aux Arts et à la Science le
Déplacement des Monuments de l’Art de l’Italie, le Démembrement des ses Écoles, & la Spoliation de ses Collections, Galeries, Musées, etc. [»Lettres à Miranda«, 1796], Paris 1989. 69 Zur von Winckelmann geprägten Kunsttheorie Quincys vgl. Édouar Pommier: La Révolution & le Destin des Œuvres d’Art, in: Quincy 1989, S. 7–83.
70 Savoy 2011. Vgl. dazu Schillers Gedicht Die Antiken in Paris [1803]: »[...] Der allein besitzt die Musen / Der sie trägt im warmen Busen / Dem Vandalen sind sie Stein«, in: id.: Sämtliche Werke (hrsg. v. Gerhard Fricke u. Herbert G. Göpfert), Bd. I, Gedichte / Dramen I, München 81987, S. 213, und Stendhal: Histoire de la Peinture en Italie, Paris 1996, S. 303. In Deutschland aktualisiert die Debatte seinerzeit einen kulturellen deutsch-französischen Konflikt, vgl. Ingrid Oesterle: Der »neue Kunstkörper« in Paris und der »Untergang Italiens«. Goethe und seine deutschen Zeitgenossen bedenken die »große Veränderung« für die Kunst um 1800 durch den »Kunstraub«, in: Dagmar Ottmann u. Markus Symmank (Hrsg.): Poesie als Auftrag. Festschrift für Alexander von Bormann, Würzburg 2001, S. 55–70. 71 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel. 2 Bde., Paris 1937; Edmond
Labbé (Hrsg.): Exposition Internationale des Arts et Techniques Paris 1937. Rapport Général. 11 Bde. Ministère du Commerce et de l’Industrie, Paris, 1938–1940.
72 Im Folgenden bei der Angabe von Inventarnummern zitiert mit dem Kürzel AN, gefolgt von
der Unterserie.
73 Die Série F bezeichnet die »Versements des Ministères et des Administrations qui en dépen-
dent«.
74 Services du ministère chargés du commerce extérieur, vgl. Plouvier 2012, S. 366. 75 Nadine Gastaldi u. Brigitte Labat: Archives Nationales. Fiche de recherche 46: Biographies
d’artistes et d’architectes, XIXe–XXe siècles [1998–2008], Archives nationales, Paris 2013, S. 6 f. Das Inventar zur Weltausstellung betont seinen provisorischen Charakter, da nicht alle Akten erschlossen sind, vgl. Alexandre Labat: Exposition internationale des arts et techniques dans la vie moderne (Paris, 1937). Répertoire numérique détaillé provisoire. INV. F 12/13 (F 12/12114–13086), Archives Nationales, Paris 1994.
155 | Anmerkungen
76 Plouvier 2012, S. 262 u. Archives Nationales: Plan d’Orientation général. Notice sous-série F/21:
Beaux-Arts, S. 6, in: https://www.siv.archives-nationales.culture.gouv.fr/siv/rechercheconsultation/consultation/pog/consultationPogN3.action?nopId=c614xe199vs--ogktrrx6z2d4&pog Id=FRAN_POG_04&search= (8. Dezember 2014).
77 Grund ist das Fehlen einer richtigen Sammlungspolitik im 20. Jahrhundert, vgl. Plouvier 2012,
S. 286 f.
78 Erfolglos blieben verschiedene »ephemere« Versuche der Gründung eines eigenen Kunstmi-
nisteriums im Jahr 1870 und 1881–1882, vgl. Plouvier 2012, S. 262 u. 287. Zur Kompetenzverteilung ibid., S. 286. 79 Vgl. Marie-Claude Genet-Delacroix: Art et État sous la IIIe République. Le Système des Beaux-
Arts 1870–1940, Paris 1992.
80 Bis auf die Rückkehr zum alten Namen unter dem Vichy-Regime trägt es bis heute diese Bezeichnung. 81 Archives Nationales: Notice sous-série F/21: Beaux-Arts, 2014, S. 6. Übersetzung des Verfas-
sers.
82 Poulot 2008, S. 132 f. 83 Charles-Maurice Couÿba: L’Art et la Démocratie. Les Écoles, Les Théatres, Les Manufactures. Les
Musées, Les Monuments, Paris 1902, S. 1–8 u. 247 ff.; id.: Les Beaux-Arts et la Nation, Paris 1908. Couÿba (1866–1931) war 1911–1912 Ministre du Commerce et de l’Industrie, 1914 Ministre du Travail et de la Prévoyance social. 84 Genet-Delacroix 1992, S. 154. 85 Er steht der liberalen Alliance démocratique nahe, die mit dem Parti radical (Parti républicain, radical et radical-socialiste, RRRS) nach der Jahrhundertwende bis 1940 an den meisten Regierungen beteiligt war. 86 Mitglied verschiedener sozialistischer Gruppierungen und Inhaber zahlreicher Ämter, vgl.
Ory 1994, S. 634 f.
87 Vgl.: Jean Zay: Écrits de Prison, Paris 2014, besonders den Bericht, den er nach seiner Verur-
teilung im Oktober 1940 über die Ereignisse seit der Mobilmachung 1939 schrieb (»L’Affaire Jean Zay«, ibid. S. 653–691). Dieser Bericht erschien erstmals (in die dritte Person redigiert) als Annex zum posthumen autobiografischen Buch Souvenirs et Solitude, Paris 1946. Seinerzeit schrieb Jean Cassou das Vorwort. Vgl. auch: Antoine Prost (Hrsg.): Jean Zay et la gauche du radicalisme, Paris 2003; Marcel Ruby: Jean Zay. Député à 27 ans, ministre à 31 ans, prisonniers politique à 36 ans, assassiné à 39 ans, Orléans 1994. 88 Léon war Mitglied der Académie des Beaux-Arts und von 1933 bis 1940 Professor für »His-
toire de l’art monumentale« am Collège de France. Seine Vorgänger in der Direction générale des Beaux-Arts, deren Amtszeiten die Archives nationales dokumentieren, waren Charles Blanc (1813–1882, Directeur des Beaux-Arts 1848–1852 und 1870–1873 und Chefredakteur der Gazette des Beaux-Arts), Henri-Charles-Étienne Dujardin-Beaumetz (1852–1913, Maler und Politiker, Sous-secrétaire d’Etat aux Beaux-Arts 1905–1912) und Albert Dalimier (1875–1936, Anwalt und Politiker, Sous-secrétaire d’Etat aux Beaux-Arts 1914 –1917, danach Minister). Vgl. die Datenblätter in http://data.bnf.fr/ (25. April 2014); Monnier 2004, S. 224 –239. 89 Er war Delegierter des Comité français de Libération und wurde 1944 deportiert. Nach der Befreiuung französischer hoher Kommissar in Indochina, vgl. http://data.bnf.fr/11892655/ emile_bollaert/ (13. Mai 2014). 90 Vgl. Marcelle Huisman: J’ai un bel avenir derrière moi. Une biographie de Georges Huisman, Paris 1994.
156 | Architektur als soziales Medium
91 Absolvent der École normale supérieure, war er nach ersten Karriereschritten als Ausgra-
bungsleiter in Tunesien und am Institut Français in Sankt Petersburg nach dem Ersten Weltkrieg zunächst Professor für Kunstgeschichte an der Université de Caen, ab den 1920er Jahren parallel auch an der École du Louvre und, für Architekturgeschichte, an der École des Beaux-Arts in Paris.
92 Zu Hautecoeur siehe Antonio Brucculeri: Du dessein historique à l’action publique. Louis Hautecoeur et l’architecture classique en France, Paris 2007. 93 Zu Hautecoeurs Konservativismus vgl. Dominique Poulot: Préface. De l’utilité de l’ histoire pour les architectes, in: Brucculeri 2007, S. 9–17. 94 Elisabeth Dunan: Introduction, in: AN Inventaire F21/9, Archives des Directeurs et sous-secré-
taire d’État des beaux-arts et Archives du Bureau des Travaux d’art, I, Paris 1957, S. 9. 95 Vgl. Beaulieu u. Dardy 2002, S. 128 f.
96 1824 wurden auf der ehemaligen Île-aux-Cygnes in der Seine die Dépôts d’œuvres und Dépôts
de marbres mit neu gegründeten Ateliers zusammengelegt, wo auch das Hauptdepot des Mobilier national lag. Von 1855 bis zur Zerstörung des Gebäudes 1897 lag das Depot für Malerei, Grafik und Kleinplastik im neu erbauten Palais de l’Industrie bei dem für Ausstellungen, besonders die Salons, zuständigen Commissariat aux expositions. 1897 zog dieses Depot zum Dépot des Marbres (peintures et sculptures de grand volume, ateliers et fonderies) in die Rue de l’Université. 1901 zog das Dépôt des peintures et gravures ins Grand Palais. 1936 wird ein einheitliches Depot der Kunstwerke in Staatsbesitz unter dem Namen Dépôt des ouvrages d’art gebildet, das zum Mobilier national in die Rue Berbier-du-Mets zieht, und schließlich 1942 ins Palais de Tokyo. Bis zu ihrem Umzug 1991 nach La Défense verblieben ein Büro und Depots des Fonds national d’art contemporain (FNAC) im Palais de Tokyo. Vgl. Archives Nationales: Notice sous-série F/21: Beaux-Arts, 2014, S. 10. 97 1793 wurden das Musée central des arts im Louvre sowie die ersten nationalen Museen in Provinzregionen eingerichtet. In dieser Zeit unterlag die Verwaltung der Museen dem Innenministerium und verschiedenen Komitees und Kommissionen der Assemblées. Ab 1795 lag sie beim Innenministerium. Ein Dekret vom 17. Dezember 1801 richtete mit den während der Revolution konfisizierten Werken zu pädagogischen Zwecken 15 große Depots ein. Ab 1804 wurde auf Verwaltungsebene zwischen nationalen (beziehungsweise, je nach Zeit, königlichen oder imperialen) und übrigen Museen unterschieden (von denen die meisten Kunstmuseen »de province« oder »départementaux« waren). Die nationalen Museen unterlagen der Verwaltung des Herrscherhauses, der Maison du Souverain. Die Musées départementaux unterstanden bis 1852 der Verwaltung des Innenministeriums und bis 1863 dem Ministère d’État. 1863 wurden erstmals seit der Revolution die nationalen und departementalen Museen in einer Verwaltung zusammengeführt, in der Maison de l’Empereur et des beaux-arts. Vgl. die Darstellung der historischen Museenverwaltung in Plouvier 2012, S. 294. 98 Vgl. Agnès Callu: La Réunion des musées nationaux 1870–1940. Genèse et fonctionnement,
Paris 1994.
99 Vgl. Beaulieu u. Dardy 2002, S. 99 ff. u. 189 f. 100 Die Archive der Musées nationaux (AMN) unterstehen der 1998 eingerichteten Dienststelle
des Service des bibliothèques, des archives et de la documentation générale des musées de France (SBADG) der DMF.
101 Die entsprechenden Archivserien in den AMN sind: 2HH (Archives du musée du Luxembourg, Archives du musée d’art moderne), 16HH (Palais de Tokyo – Musée d’Art et d’Essai), KK (Organismes divers, 3KK Beaubourg – Musée national d’art moderne). Ergänzendes Material findet sich unter anderem in den Serien X (X 19: Ausstellungsprojekte 1931–1964; X-Expositions: Ausstellungen in den nationalen Museen 1902–1971; X 30 Expositions: von der Réunion des musées nationaux (RMN) organisierte Ausstellungen, 1932–1964).
157 | Anmerkungen
102 Archives Nationales: Notice sous-série F/21: Beaux-Arts, 2014, S. 4. 103 Plouvier 2012, S. 297. 104 Vgl. Claude de Lestang: Notice historique sur le Service des travaux des bâtiments civils et sur le Conseil géneral des bâtiments de France depuis la création de ces services en l’an IV (1795) jusqu’en 1945. 4e partie, 1896–1945 [1948]. Réimpression suivie d’un annexe pour la période 1946–1960, Paris o.J. 105 J.D. Pariset: AN F21/18, Inventaire des archives du Service des Bâtiments Civils et des Palais Nationaux (1808) 1880–1937 (1958) et du Conseil général des bâtiments de France, 1851–1970, F21/5391–6719, Archives nationales, Paris 1979, S. IV. 106 Ab 1791 war er als einer der drei Dienste der Direction des travaux pour la confection des rou-
tes, ponts et autres ouvrages publics et des bâtiments et édifices publics zuständig für alle zivilen Gebäude und ihren Erhalt.
107 Im Kaiserreich unterstanden sie der Maison de l’Empereur (später Maison du Roi) und, nach
Unterbrechung der Zweiten Republik von 1848 bis 1852, unter dem Second Empire dem Ministère d’Etat, vgl. Pariset 1979, S. III. Bis 1839 verblieb der Service des Bâtiments civils, mit dem Conseil verbunden, bei der Direction des Travaux Publics im Innenministerium; 1839–1852 unterstand er dem Ministère des Travaux publics, bevor er wieder mit dem Zuständigkeitsbereich der Palais nationaux zusammengeführt wurde, im Ministère d’Etat (1852–1862). Im erstem Drittel des 19. Jahrhunderts bildet er eine Einheit mit der Verwaltung der Gefängnisse, sowie, mit Unterbrechungen, mit der Verwaltung der Gebäude und Straßen der Municipalité de Paris; die »travaux de Paris« werden 1830 zwischen der Seine-Präfektur und dem Innenministerium aufgeteilt. 108 1870–1882 und 1890–1895 im Ministère des Travaux Publics, vgl. Pariset in: AN F 21/18,
S. IV.
109 Archives Nationales: Notice sous-série F/21: Beaux-Arts, 2014, S. 4. 110 Vgl. Bertrand Dorlèac 2010; id.: La question artistique et le régime de Vichy, in: Jean-Pierre
Rioux (Hrsg.): La vie culturelle sous Vichy, Brüssel 1990, S. 137–160; Cone 1992; Stéphanie Corcy: La vie culturelle sous l’occupation, Paris 2005; Sarah Wilson: Collaboration in the fine arts, 1940– 1944, in: Gerhard Hirschfeld u. Patrick Marsh (Hrsg.): Collaboration in France. Politics and Culture during the Nazi Occupation, 1940– 44, Oxford u.a. 1989, S. 103–125.
111 Elisabeth Dunan: AN Inventaire F21/14, Inventaire des Articles F21/4711 à 4918, Paris 1962,
S. V.
112 Plouvier 2012, S. 287. Zur in die Rue Saint-Dominique umgezogenen DGAL vgl. auch Dunan
1962, S. V f.
113 Zur Geschichte der DGAL 1945–1969 vgl. Beaulieu u. Dardy 2002, Annexe 3, S. 177–181. 114 Vgl. stellvertretend für die umfangreiche Literatur zu Malraux: Jean-François Lyotard: Signé
Malraux, Paris 1996 und Walter Grasskamp: André Malraux und das imaginäre Museum: Die Weltkunst im Salon, München 2014. Zur Geschichte des Ministeriums seit 1959 Beaulieu u. Dardy 2002.
115 Vgl. Beaulieu u. Dardy 2002, S. 20 ff. und Annexe 3, S. 177–181 sowie Plouvier 2012, S. 305. 116 Der Ex-Direktor der DGAL, Jacques Jaujard, wird mit der Überführung der Dienste betraut und führt damit faktisch die auf dem Papier aufgelöste DGAL weiter; seine Nachfolger auf diesem »Schlüsselposten« des Directeur général des Arts et Lettres sind ab dem 24. November 1959 Gaëtan Picon und vom 6. Oktober 1966 bis 7. März 1969 Pierre Moinot. Zu Jaujards besonderer Rolle vgl. Beaulieu u. Dardy 2002, S. 21, Fn. 4 u. 5.
158 | Architektur als soziales Medium
117 Hier hält sich die Sous-direction des Bâtiments civils, die 1969 Teil einer Sous-direction de la création architecturale et des constructions publiques wird; Palais nationaux geht an den Service des monuments historiques. 118 Zum 1946 gegründeten Centre national de la cinématographie vgl. Beaulieu u. Dardy 2002,
S. 156–170.
119 Mit Dekret vom 7. März werden die DGAL als eigenständige Direktion abgeschafft und ihre
Unterabteilungen selbstständig; am 29. Juni verlässt, nach der Demission de Gaulles, André Malraux sein Amt.
120 Eigendarstellung des CNAP, vgl.: Centre National des Arts Plastiques (Hrsg.): CNAP Une
collection en mouvement. O.J., S. 4, in: http://www.cnap.fr/le-cnap-aujourdhui (11. Dezember 2014).
121 Vgl. Ministère de la Culture et de la Communication: L’organisation du ministère, in: http:// www.culturecommunication.gouv.fr/Ministere/Directions (11. Dezember 2014). 122 »French state patronage was always considered exemplary every time the case for state expen-
diture on the arts was presented by foreign artists, journalists, members of parliaments, or dilettanti (Benjamin, 1989)«, vgl. Lorente 1998, S. 33. 123 Das zweite, französische, Exposé Benjamins zum Passagen-Projekt von 1939 (GS V,
S. 60–77), an dem er kontinuierlich von 1927 bis zu seinem Tod 1940 arbeitete. 1935 hatte er ein erstes Exposé verfasst, Paris, die Hauptstadt des 19. Jahrhunderts (GS V, S. 45–69). Lorente verwechselt es mit dem Konvolut L »Traumhaus, Museum, Brunnenhalle« der Passagen in der deutschen Ausgabe (GS V.1, S. 511–523), vgl. Lorente 1998, S. 268. 124 GS V.1, S. 50. 125 Rolf Tiedemann: Einleitung des Herausgebers, in: GS V.1, S. 11– 41, S. 11 f. Mit der Wieder-
aufnahme des Projekts als Buch 1934 traten »wohl nicht zuletzt aufgrund der politischen Erfahrungen des Exils« Aspekte der Sozialgeschichte stärker hervor, die er im Exposé 1935 zusammenfasste, vgl. ibid., S. 15. 126 GS V.1, S. 50. 127 An den während des Zweiten Weltkrieges in der Bibliothèque nationale versteckten Aufzeich-
nungen und Materialien zum Passagen-Projekt arbeitete er 1927 bis 1929 und wohl 1934 bis zum Frühjahr 1940. Vgl. GS V.1, S. 39. 128 Konvolut G 2a, 6. 129 Kovolut G 2a, 3. 130 Monnier 2004, S. 97. 131 Lorente 1998, S. 72. 132 Yves Michaud u. Jean-Paul Morel: Pour un musée français d’Art moderne. Une enquête de L’Art
vivant en 1925, Paris 1996.
133 Yves Michaud: Transfert et répétition. Préface, in: id. u. Morel 1996, S. 11–19, S. 14. 134 Ibid., S. 16 f. 135 Pierre D’Espezel (Hrsg.): Musées. Cahiers de la république des lettres, des sciences et des arts
XIII/1931.
136 Adolphe Basler: L’importance d’un musée d’art moderne à Paris, ibid., S. 306–311.
159 | Anmerkungen
137 Georges Wildenstein: La création d’un musée de l’art français et de la muséographie, ibid.,
S. 299–305. Er schlägt eine Dreiteilung vor in ein »musée des chefs-d’œuvre«, ein »musée d’étude« zu Lehrzwecken und ein »musée du gout français«, mit dem eine Art »histoire des amateurs« dargestellt werden könnte. 138 Gérard Monnier verweist darauf, dass 1822 etwa Ingres und Delacroix vertreten sind, 1874
aber kein Werk etwa Courbets, Manets, Monets oder Pissaros, vgl. id. 2004, S. 97.
139 AN F/21/4905, Dossier 1. Hautecoeur, Louis: »Note sur le Musée du Luxembourg. 22 Février
1931«. Typoskript, 3 nummerierte S. u. Deckblatt, S. 1. 140 Vgl. Lorente 1998.
141 Griselda Pollock: Modernity and the spaces of feminity, in: id.: Vision and Difference. Feminity,
feminism and histories of art, London u. New York 1988, S. 50–90, S. 52. Vgl. T.J. Clark: The Painting of Modern Life. Paris in the art of Manet and his followers [1985], London 1999. Mit Pollock muss ergänzt werden, dass Geschlechterrollen und ihre Machtverhältnisse Repräsentation der Modernität strukturell definierten, vgl. id. 1988, S. 54. 142 Dagegen nennt etwa Lorente 1998 keine solchen konkreten Rezeptionsbeispiele. 143 Vgl. Gaehtgens 1992, S. 107–114. 144 Ibid., S. 114.
145 Frank Matthias Kammel: »Neuorganisation unserer Museen« oder vom Prüfstein, an dem sich die Geister scheiden. Eine museumspolitische Debatte aus dem Jahre 1927, in: Jahrbuch der Berliner Museen 1992, S. 121–136, S. 124 f. Die nach Kritik bald aufgelöste kleine Gipssammlung im Deutschen Museum von 1930 wurde zunächst in der Presse sogar noch als »kleines Berliner Trocadéro« rezipiert, vgl. ibid. S. 134. 146 AN F/21/3982/B, Dossier 8f: L’ éloquence des chiffres! 182.000 visiteurs berlinois dans les
Musées de la Capitale depuis l’inauguration des Nouveaux Edifices, par le Professeur ConseillerIntime, Docteur Waetzoldt, Directeur général des Musées d’Etat. Maschinenschriftliches Protokoll, 5 S. 147 Ibid., S. 1 f. 148 Ibid., S. 2–3, folgende Angaben S. 4 –5. 149 AN F/21/4917, Dossier 25. Alfred H. Barr, Jr., Director, The Museum of Modern Art, Brief,
2 S., an Paul Léon, Sous-secrétariat d’Etat des Beaux Arts, 14. Februar 1931. Mit drei Listen in Anlage: »List of works by great 19th Century masters lent by European museums / private collections in Europe«, »List of French artists exhibited during seasons 1929–30, 1930–31« und »List of exhibitions with attendance figures, 1929–30, 1930–31«.
150 Ibid., S. 1, folgendes Zitat S. 1 f. 151 Barrs Liste gibt die Themen und Besucherzahlen der zehn Ausstellungen an, ibid.: »List of
exhibitions with attendance figures, 1929–30, 1930–31. I. Paintings by Cézanne, Gauguin, Seurat and van Gogh [47.293 Besucher], II. Paintings by Nineteen Living Americans (27.924), III. Painting in Paris (58.575), IV. Paintings by Max Weber, Paul Klee; Sculpture by Maillol and Lehmbruck (15.018), V. Forty-six Painters and Sculptors under Thirty-five Years of Age; Early Watercolors of Charles Durchfield (9.844), VI. Homer, Ryder and Eakins (11.388), VII. Summer Exhibition, Retrospective (16.407), VIII. Works of Corot and Daumier (29.349), IX. Painting and Sculpture by Living Americans (21.117), X. Toulouse-Lautrec and Odilon Redon. Present Exhibition. Total attendance, nine exhibitions 236.915«.
160 | Architektur als soziales Medium
152 Ibid., »List of works by great 19th Century masters lent by European museums / private coll-
ections in Europe«, einseitiges Typoskript. Als deutsche Sammlungen sind genannt: »Herr Eduard Fuchs, Herr Fritz Hess, Herr Justin Thannhauser (private collection), Herr Hans Weiss«.
153 Fuchs kam in Deutschland als Historiker und Kulturwissenschaftler zu großer Bekanntheit
mit seinen breitenwirksamen und reich bebilderten Büchern zur Karikatur (Die Karikatur der europäischen Völker, 1901–1903, 2 Bde.), zur Geschichte der erotischen Kunst (1908–1926, 3 Bde.), der Illustrierten Sittengeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart (1909–1912, 3 Bde. u. 3 Ergänzungsbde.) und zu Honoré Daumier. 154 GS II.2, S. 465–505. 155 GS II.3, S. 1316 f. 156 Brief an Horkheimer, Paris, 24. Januar 1939, zitiert nach GS II.3, S. 1355. 157 GS II.2, S. 476. 158 Ibid. 159 Ibid., S. 477. 160 Ibid., S. 492. 161 GS II.2, S. 502. 162 Christina Wilson: The Modern Eye. Stieglitz, MoMA, and the Art of the Exhibition, 1925–
1934, New Haven 2009, S. 4.
163 AN F/21/4899, Dossier 2c: Pietro Belluschi: Portland Art Museum. Report for the Madrid
Conference of the International Museums Office: »Introduction« (2 S.), »The Aim and Purposes of Present Day Museums« (5 S.), »Architecture« (2 S.), »Evolution of the Plan and Future Expansion« (2 S.), »Site« (2 S.). Typoskripte, mit Schreiben des OIM vom 4. Juli 1934 an Louis Hautecoeur weitergeleitet.
164 Eigendarstellung, in: http://www.portlandartmuseum.org/page.aspx?pid=410 (12. Mai
2014).
165 AN F/21/4899, Dossier 2c. Pietro Belluschi: The Aim and Purposes of Present Day Museums,
in: id.: Portland Art Museum. Report for the Madrid Conference of the International Museum Office. Typoskript, 5 S. Belluschi (1899–1994), in Italien geboren und an den Universitäten Rom und Cornell ausgebildet, war ein einflussreicher modernistischer Architekt in Amerika, der über 1000 Gebäude errichtete; sein bekanntestes ist das Pan Am Building in Manhattan (1958–1963, heute MetLife). 1951–1965 war er Dekan der ältesten US-Architekturfakultät am MIT, vgl. Nachruf in MIT Tech Talk 24, in: http://newsoffice.mit.edu/1994/belluschi-0302 (12. Mai 2014). 166 »[...] problems as face the establishment of a museum of art in our country where we live sur-
rounded by reproductions, copies, imitations and ›degenerations‹ of art from everywhere and from every time, with no decidedly predominating and living tradition«, vgl. AN F/21/4899, Dossier 2c. Belluschi, »The Aim...«, S. 1. 167 Zitat und folgende Angabe ibid., S. 2.
168 Louis Hautecoeur: Les artistes et la crise: architectes, sculpteurs, peintres et décorateurs, in: Les Documents du Travail 220–221/1935, S. 193–211; Diskussionsprotokoll ibid. S. 211–223, S. 194. 169 IICI: Völkerbundinstitut für geistige Zusammenarbeit, Englisch International Institute of
Intellectual Cooperation.
170 Waldo Gifford Leland: Some aspects of international intellectual co-operation since the world war, in: Advocate of Peace through Justice 2/1930, S. 112–123, S. 114.
161 | Anmerkungen
171 Ibid., S 116. 172 Vgl. Marie Caillot: Introduction, in: id: La revue Mouseion (1927–1946). Les musées et la coo-
pération culturelle internationale. Thèse, École des Chartes, 2011, in: http://theses.enc.sorbonne. fr/2011/caillot (13. August 2014).
173 Recommandations de l’Assemblée de la Société des Nations concernant l’Organisation des Expositions Internationales d’Art (Adoptées au cours de sa dix-septième session 1936), in: OIM (Hrsg.): La Réglementation des Expositions Internationales d’Art, Texte du Règlement en Français, Anglais, Allemand, Espagnol, Italien, Commentaires en Français et en Anglais, Paris 1939, S. 7–10 (deutsch: Von der Völkerbundversammlung empfohlene Regeln für internationale Kunstausstellungen (1936), ibid. S. 21–24). 174 Dem Komitee gehörten an: Der spanische Professor Diego Angulo, der Italiener Arduino
Colasanti, Kunstgeschichtsprofessor in Rom, ehemaliger Direktor der italienischen Antiken- und Kunstadministration, Georges Opresco, Professor in Bukarest, der Professor und Direktor des Musée d’Art et d’Histoire Waldemar Deonna aus Genf, sowie der erste Direktor des Courtauld Institute of Art, William George Constable, und Henri Focillon. 175 Vgl. Office International des Instituts d’archéologie et d’histoire de l’art: L’Office internatio-
nal des Instituts d’archéologie et d’ histoire de l’art et son but, in: Bulletin de l’Office International des Instituts d’archéologie et d’ histoire de l’art 1/1934, S. 3–6, S. 3.
176 Vgl. nur als Beispiele die vielseitigen Beiträge im Bulletin de l’Office International des Instituts d’Archéologie et d’Histoire de l’Art 3/1935: Valerio Mariani: L’institut royal d’Archéologie et d’Histoire de l’Art à Rome, S. 3–10; Henri Focillon: Le problème de l’ogive, S. 34 –53; Attilio Rossi: Le cinématographe et les études d’archéologie et d’ histoire de l’art, S. 54 –57; Instituts d’archéologie et d’ histoire de l’art, S. 58 ff.; Echange de publications proposé par la Yale University Library, S. 83 f. 177 Victor Basch: Les Instituts universitaires et l’Enseignement de l’Archéologie et de l’ histoire de
l’art. Histoire de l’art – critique d’art – esthétique, in: Bulletin de l’Office International des Instituts d’Archéologie et d’Histoire de l’Art 7/1936, S. 52–58, S. 52 f.
178 Lionello Venturi: Les Instituts universitaires et l’Histoire de la Critique d’Art, in: Bulletin de
l’Office International des Instituts d’Archéologie et d’Histoire de l’Art 4/1935, S. 51–64, S. 54.
179 Benedetto Croce: Problemi di Estetica e contributi a la storia della estetica italiana, Bari 1910,
S. 43.
180 Lionello Venturi: Théorie et histoire de la critique (A propos du Congrès d’Histoire de l’Art à
Stockholm), in: Paul Valéry, Henri Focillon, Auguste Perret, Jules Romains, Etienne Souriau et al. (Hrsg.): Art et Esthétique, fasc. 1/3 (Collection Esthétique et Science de l’Art), Paris, o. J.
181 Lionello Venturi: History of Art Criticism, New York 1936; id.: Histoire de la critique d’art,
Brüssel 1938.
182 Émile Schaub-Koch: De diverses méthodes de critique et d’ histoire de l’art, in: Bulletin de l’Office International des Instituts d’Archéologie et d’Histoire de l’Art 5/1935, S. 56–69. 183 Basch 1936, S. 53. 184 Vgl. Venturi 1935, S. 64. 185 Ibid., S. 59 u. 61 f. 186 Venturi, Théorie et histoire de la critique, S. 11. 187 Erwin Panofsky: Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden
Kunst [Logos 21/1932, S. 103–119], in: Kaemmerling 1979, S. 185–206; vgl. id: Studies in Iconology, New York 1939, S. 3–31.
162 | Architektur als soziales Medium
188 Wuttke u. Schmidt 1991, S. 934. 189 Gregor Paulsson: Nécessité et possibilité d’une science intégrale de l’art, in: Bulletin de l’Office
International des Instituts d’Archéologie et d’Histoire de l’Art 8–9/1936–1937, S. 43–52, S. 43.
190 Ibid., S. 44. 191 Ibid., S. 44 f. 192 Ibid., S. 45. 193 Edgar Wind: Das Experiment und die Metaphysik. Zur Auflösung der kosmologischen Antino-
mien, Tübingen 1934.
194 Panofsky 1975a, S. 27. 195 Paulsson 1936–1937, S. 48. 196 Poulot 2008, S. 143 f. Sie stützt sich in Frankreich auf kommunale Vorhaben einerseits und
eine zunehmende Professionalisierung des Kuratorenberufes andererseits (die Association des conservateurs français wird 1922–1923 gegründet; die École du Louvre für ihre Ausbildung schon 1882, vgl. Monnier 2004, S. 241).
197 Schon das Musée du Luxembourg mit dem Umbau der Orangerie des Palais du Luxembourg
1879 war als »premier monument qui ait été construit à Paris pour un musée de peinture et de sculpture« angesehen worden; Luc Alary zitiert mit diesen Worten Étienne Arago aus dem Führer des Luxembourg 1886, vgl. Alary 1995, S. 231. Freilich handelt es sich dabei nur um einen Umbau und keinen tatsächlichen Neubau eines Kunstmuseums. 198 AN F/21/4899. 199 AN F/21/4899, Dossier 2c, »Madrid Conférence de Muséographie«, OIM an Georges Huis-
man, 27. März 1934.
200 AN F/21/4899, Dossier 2c, Schreiben des Office Internationale des Musées C.L.13.1934,
Mars 1934.
201 1) allgemeine Prinzipien des architektonischen Programms des Museums, 2) Einrichtung
von Museen in a) öffentlichen Ausstellungssälen und Räumen und b) Serviceräumen, 3) natürliche und künstliche Beleuchtung, 4) Heizung und Belüftung, 5) Umnutzung alter Monumente und Gebäude als Museen, 6) allgemeine Prinzipien der Erschließung von Kunstwerken, 7) Darstellung verschiedener Systeme der Sammlungspräsentation, 8) Organisation von Depots, Reserven und Studiensammlungen, 9) Dauer- und Wechselausstellungen, 10) Probleme des Sammlungsausbaus, 11) Ausstellungsmaterial und 12) Beschriftung der Säle. 202 Untersektionen: 13) prähistorische Sammlungen, 14) ethnografische Sammlungen und
Volkskunst, 15) Skulpturensammlungen, 16) Kunstgewerbesammlungen, 17) Münz- und Medaillensammlungen, 18) grafische Sammlungen. Vgl. AN F/21/4899, Dossier 2c, Informationsschreiben Société des Nations, Institut de Coopération Intellectuelle, OIM: O.I.M.35.1934, Conférence de Madrid. Programme des Travaux, 2 S. 203 AN F/21/4899, Dossier 2c, O.I.M.36.1934, Conférence de Madrid (Octobre 1934). Som-
maires des Rapports.
204 Société des Nations u. OIM: Conférence Internationale d’Études sur l’Architecture et
l’Aménagement des Musées d’Art. Catalogue de l’Exposition, Ausstellungskatalog Madrid 1934.
205 Darunter Algerien, Österreich, Belgien, China, der Vatikan, Dänemark, Spanien, die USA,
Frankreich, Großbritannien, Ungarn, Irland, Italien, Japan, die Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden und die Schweiz, vgl. AN F/21/4899, Dossier 2c, Liste des participants et composition de la Délégation française, 24. April–25. Oktober 1934. Die vollständige Teilneh-
163 | Anmerkungen
merliste der Konferenz ist am Ende des zweiten Bandes der Kongresspublikation des OIM abgedruckt, vgl.: Société des Nations, OIM, IICI (Hrsg.): Muséographie. Architecture et Aménagement des Musées d’Art. Conférence Internationale de Madrid 1934, Paris 1936, 2 Bde.; id. (Hrsg): Muséographie. Architecture et Aménagement des Musées d’Art. Conférence Internationale de Madrid 1934 Tome I et II, Index alphabétique des matières et des illustrations, Tours 1944. 206 So wurde etwa Belgien vertreten von Jules Destrée, früherer Kulturminister und Präsident
des OIM, Richard Dupierreux, Professor an der Brüsseler École Supérieure des arts décoratifs, und vom Jugendstil-Architekten Victor Horta, als Mitglied der Commission des Monuments et des Sites. Um hier nur einige Beispiele für die internationale und fachliche Bandbreite der Kongressteilnehmer zu nennen: Vertreter Chinas war Direktor Tung-Li-Yuan von der National Library of Peiping, aus Peiping, seinerzeit die Bezeichnung für Peking unter der Herrschaft der Kuomintang Chiang Kai-sheks. Der Vatikan war vertreten mit Biagio Biagetti, künstlerischer Direktor der päpstlichen Sammlungen, die USA mit Philip N. Youtz, Direktor des Brooklyn Museum, Pietro Belluschi, Architekt des Museum of Art in Portland (Oregon) und G.L. Greenway, assistant secretary des Metropolitan Museum of Art in New York; Mitglieder der Delegation Großbritanniens waren unter anderen der Direktor des Victoria and Albert Museum Sir Eric Maclagan und sein Vorgänger Sir Cecil Harcourt-Smith, letzterer in seiner Stellung als Surveyor of Works of Art to HM the King und Mitglied des Leitungskomitees des OIM. Vgl. AN F/21/4899, Dossier 2c, Liste des participants et composition de la Délégation française, 24. April–25. Oktober 1934. 207 Focillon blieb in den 1940er Jahren im amerikanischen Exil und war in New York von 1941
bis 1943 Direktor der französisch-belgischen École libre des hautes études an der New School for Social Research, der Vorgängerinstitution der Pariser École des hautes Études en Sciences Sociales (EHESS). Vgl. das Datenblatt der französischen Nationalbibliothek in: http://data.bnf. fr/11902990/henri_focillon/ (30. April 2014). 208 Vgl. AN F/21/4899, Dossier 2c, Liste des participants et composition de la Délégation fran-
çaise, 24. April–25. Oktober 1934. Zwar ließ sich Georges Huisman drei Tage vor dem Kongress entschuldigen (vgl. AN F21/4899, Dossier 2c, handschriftlicher Briefentwurf Huismans an E. Foundoukidis, Generalsekretär des OIM, vom 25. Oktober 1934), doch zeigt die Liste der französischen Delegierten, dass dem Kongress höchste Priorität eingeräumt wurde, darunter Henri Verne, Directeur des musées nationaux et de l’École du Louvre, Julien Cain, Administrateur général der französischen Nationalbibliothek, Emmanuel Pontremoli, Direktor der École nationale supérieure des Beaux-Arts, Jean Guiffrey, Conservateur honoraire du Musée du Louvre, Paul Vitry, Conservateur des musées nationaux, P.A. Lemoisne, Conservateur du Cabinet des Estampes an der Bibliothèque nationale, Louis Hautecoeur und René Huyghe, Conservateur-adjoint des musées nationaux. Weitere Delegierte sind: J. Billiet, Conservateur-adjoint des musées nationaux, Hans Haug, Conservateur du Musée des Beaux-Arts in Strasbourg, Emanuel Gonse, Architekt, Jean Babelon, Conservateur-adjoint im Medaillenkabinett der Nationalbibliothek, René-Jean, Conservateur du Musée de l’Armée au Château de Vincennes, Paul Alfassa, Conservateur-adjoint im Pariser Musée des Arts decoratifs sowie Guillaume Janneau, Administrateur du Mobilier national.
209 Das Dossier 2c in AN F/21/4899 enthält unter anderem vorab an Hautecoeur im Juli 1934
vom OIM weitergeleitete Berichte von zumeist mehreren Seiten vom Generaldirektor des Gemeentemuseum Den Haag, der Soprintendenza all’Arte Medioevale e Moderna della Campania Neapel, Prof. Paul Sachs vom Fogg Art Museum der Harvard University, und dem italienisch-amerikanischen Architekten Pietro Belluschi von der Portland Art Association über das Art Museum in Portland, Oregon.
210 AN F/21/4899, Dossier 2c. Société des Nations, IICI, OIM (Hrsg.): Louis Hautecoeur: Confé-
rence de Madrid, Rapport Général N°1, Le programme architectural du musée. – Principes généraux, Typoskript, 27 S., 1934. Im Folgenden zitiert mit dem Kürzel PAM. Abgedruckt in: Société des Nations, OIM, IICI (Hrsg.): Muséographie. Conférence Internationale de Madrid 1934, Paris 1936, Bd. I, S. 12–37.
164 | Architektur als soziales Medium
211 PAM, S. 1. 212 Ibid., S. 2. 213 Ibid. 214 Ibid., S. 2 f. 215 Ibid., S. 4. 216 Ibid. Diesen Einfluss könnte man, mit Blick auf die Galerien der römischen Stadtpaläste, frei-
lich auch in entgegengesetzter Richtung lesen. Vorzugswürdig erscheint, von einem intensiven kulturellen Austausch auszugehen.
217 Ibid., S. 5. Hautecoeur führt den Umstand, dass selbst kleinste Räume als »Galerien« bezeich-
net werden, sofern dort Kunstwerke auf bewahrt werden, auf den Ursprung in dieser kleinen Galerie im Palais du Luxembourg, seinerzeit parallel zur großen Rubens-Galerie, zurück. Vgl. PAM, S. 5. 218 Ibid., S. 5. 219 Ibid., S. 6. 220 Ibid. 221 Das Musée des monuments français war 1795 bis 1816 im ehemaligen couvent des Petits-
Augustins, 1879 vom bekannten Architekten und Mittelalter-Experten Eugène Viollet-le-Duc im zur Expo 1878 errichteten Palais du Trocadéro in Paris neu begründet. 222 PAM, S. 7. 223 Ibid., S. 7 ff. 224 Ibid., S. 9 f. 225 Ibid. 226 Ibid., S. 10. 227 Ibid., S. 11. 228 Die Aktenserie F/21 der AN enthält unzählige Dokumente, die zeigen, wie seit Ende des
19. Jahrhunderts in der ministerialen Kulturverwaltung daran gearbeitet wurde, technische und rechtliche Standards zum Einsatz zunächst von Fotografie, später auch Film, in den nationalen Museen und besonders im Louvre zu erarbeiten. Auch Louis Hautecoeur versäumt in seinem Vortrag nicht, bei der Aufzählung aller Räumlichkeiten eines Museums ein Fotolabor zu nennen, sogar mit dem Hinweis auf den Schutz gegen Röntgenstrahlen (PAM, S. 11–16). 229 Er sah sich damit in der Tradition von Jean-Baptiste Colbert, Finanzminister des Sonnenkö-
nigs, der 1666 an der Gründung der Académie de France in Rom beteiligt war und deren ersten Direktor (1666–1672) Charles Errard aufforderte, die Künstler Kopien von allem Schönen in Rom anfertigen zu lassen. Sein Musée des Copies wurde im Jahr 1873 nach nur neun Monaten und heftiger öffentlicher Kritik, dass es nicht zeitgemäß sei, geschlossen, vgl. Monnier 2004, S. 65. Vgl. André Chastel (Hrsg.): La Villa Médicis. Volume 2, Études, Rom 1991, besonders: Georges Brunel: L’acquisition de la villa Médicis par la France, ibid. S. 623–627; Anne-Lise Desmans (Hrsg.): L’Académie de France à Rome aux XIXe et XXe siècles. Entre tradition, modernité et création, Rom 2002. 230 Roland Recht: Le moulage et la naissance de l’ histoire de l’art, in: Coll.: Le Musée de Sculpture Comparée. Naissance de l’ histoire de l’art, Paris 2001, S. 46–53. 231 Zum Konzept Viollet-le-Ducs und einer Gegenüberstellung mit dem ebenfalls 1882 im
Palais du Trocadéro eröffneten, von Ernest Théodore Hamy (1842–1908) kuratierten Musée
165 | Anmerkungen
d’Ethnographie vgl.: Susanne Mersmann: Die Musées du Trocadéro. Viollet-le-Duc und der Kanondiskurs im Paris des 19. Jahrhunderts, Berlin 2012; vgl. auch Jannie Mayer: Au Palais de Chaillot, un musée pour les monuments historiques, in: Léon Pressouyre (Hrsg.): Le Musée des Monuments Français, Paris 2007, S. 121–141. 232 Vgl. Dominique Poulot: Le Musée des Monuments Français d’Alexandre Lenoir, in: Pressouyre
2007, S. 36– 43; id.: Alexandre Lenoir et les Musées des Monuments Français, in: Pierre Nora (Hrsg.): Les Lieux de Mémoire. II: La Nation. Paris 1986, 3 Bde. Bd. 2, Le Territoire, l’État, le Patrimoine, S. 497–531, S. 498. Vgl. Alois Riegl: Der moderne Denkmalkultus. Sein Wesen und seine Entstehung, Wien u. Leipzig 1903. 233 Gerda Panofsky: Einführung der Herausgeberin, in: Erwin Panofsky: Die Gestaltungsprinci-
pien Michelangelos, besonders in ihrem Verhältnis zu denen Raffaels, Berlin u. Boston 2014, S. 1– 41, S. 22. 234 Uwe Fleckner (2012b): Ohne Worte. Aby Warburgs Bildkomparatistik zwischen wissenschaft-
lichem Atlas und kunstpublizistischem Experiment, in: Aby Warburg: Bilderreihen und Ausstellungen (hrsg. v. Uwe Fleckner u. Isabella Woldt), Berlin 2012 (Gesammelte Schriften, Band II.2), S. 1–18, S. 1 ff. 235 Vgl. Hensel 2011. 236 Fleckner 2012b, S. 3. 237 Ibid., S. 4, zu den Bildessays S. 4 –10. Vgl. id.: Carl Einstein und sein Jahrhundert. Fragmente einer intellektuellen Biographie, Berlin 2006. 238 Fleckner 2012b, S. 14. 239 PAM, S. 16 u. 19 f. 240 Ibid., S. 18. 241 Stein war nach Ausbildung an der Columbia University in New York zum Studium der Archi-
tektur an die École des Beaux-Arts nach Paris gegangen; nach seiner Rückkehr in die USA erlangte er Bekanntheit als Architekt, vor allem aber als Stadtplaner und Vordenker des Garden City movement. Vgl. PAM, S. 18.
242 Michel Foucault: Surveiller et Punir. Naissance de la prison [1975], Paris 2014, S. 228 ff. 243 Nicht ganz klar ist, auf welchen Vorschlag von Clarence Stein sich Hautecoeur bezieht. Stein
selbst gab einen Bericht über natürliche und künstliche Beleuchtung in Kunstmuseen. Darin nimmt er Bezug auf eigene Pläne zu einem neuen Bau des Princeton University Art Museum, für das er doppelte Wände vorschlägt – bestehend aus einer äußeren aus Glas und eine inneren, mobilen, die je nach gewünschtem Ausstellungsauf bau Durchsicht frei ließe. In diesem Kontext nimmt er Bezug auf einen Entwurf des Amerikaners Paul Nelson (1895–1979; studierte in Princeton und in Paris an der École Nationale Supérieure des Beaux-Arts als Schüler Auguste Perrets Architektur). Für ein städtisches Krankenhaus in Lille hatte Nelson vorgeschlagen, das äußere Mauerwerk je nach Wunsch aus gläsernen oder opaken Modulen aufzubauen. Proteste gegen eine Auftragsvergabe an einen Ausländer verhinderten den Entwurf 1932. Vgl. AN F/21/4899, Dossier 2c. OIM (Hrsg.): Clarence S. Stein: Eclairage naturel et Eclairage artificiel, Madrid 1934, Rapport Général N° 3, Typoskript, 76 S. 244 Foucault 2014, S. 260 f. 245 Ibid., S. 243. 246 Ibid., S. 234 u. 236 f. 247 PAM, S. 24 f.
166 | Architektur als soziales Medium
248 Luc Benoist: Musées et Muséologie [1960], Paris 21971, S. 28 f., Zitat S. 29. 249 AN F/21/4899, Dossier 2c: Hendrik Enno Van Gelder: Documentation au sujet du nouveau
Musée Municipal de la Haye, Pays Bas construit par Dr. H.P. Berlage, Architecte (Typoskript, 5 S.). Juli 1934. Mit Schreiben des OIM vom 25. Juli 1934 an Louis Hautecoeur für seinen Vortrag in Madrid weitergeleitet.
250 AN F/21/4905, Dossier 1, handschriftlicher Bericht »Réflection de l’Orangerie«, 3 S., 20.[?]
Oktober 1921, S. 1. 251 Ibid., S. 2 f.
252 AN F/21/4905, Dossier 1, Louis Hautecoeur: »Note sur le Musée du Luxembourg. 22 Février
1931«. Typoskript, 3 S., S. 1.
253 Ibid., S. 1, Übersetzung des Verfassers; folgendes Zitat ibid., S. 1f. 254 Ibid., S. 2, folgende Angaben ibid. 255 Ibid., S. 2 f. 256 AN F/21/4905, Louis Hautecoeur: »Rapport au Directeur des musées nationaux sur les
méthodes et les textes qui régissent actuellement les acquisitions d’œuvres d’art pour le Musée du Luxembourg«, 12 Janvier 1937, maschinengetippte Kopie, handsigniert, 6 S., S. 5.
257 Zum Vorgang um die polnische Botschaft vgl. die Korrespondenz in AN F12/12606
u. F/12/12607.
258 Jean-Baptiste Minnaert: Un Palais pour deux musées d’Art moderne, in: PALAIS 15/2012,
S. 23–34, S. 24.
259 AN F/21/4905, Dossier Correspondance, Brief von Hautecoeur an Perchet, Chef du Service
des Bâtiments civils, 13. August 1934, getippt, 2 S., bezeichnet »COPIE«, »N° I«, handschriftlich unter Stempel signiert. 260 Ibid., S. 1. Übersetzung des Verfassers. Folgende Angaben ibid., S. 1 f. 261 Ibid. 262 AN F/21/4905, Dossier »Correspondance«, »Projet d’un nouveau ›Musée des Artistes
Vivants‹«, getippt, 3 S., bezeichnet »COPIE« u. »N° 2«, handschriftlich unter Stempel von Hautecoeur signiert. Es handelt sich um eine leicht veränderte Version seines 1933 für die Direction des Beaux-Arts konzipierten Entwurfs, den er im Februar 1934 dem Service d’architecture der Weltausstellung kommunizierte.
263 AN F/12/12772, Dossier 2. Louis Hautecoeur: »Projets d’un nouveau Musée des Artistes
Vivants«, 4 S., getippt, mit einzelnen Bleistiftskizzen, als Annex (1) zu: id.: »Rapport à Monsieur le Ministre de l’Education Nationale et des Beaux-Arts sur la construction des Musées d’Art Moderne«, 17. November 1937, 11 S., getippt, signiert. 264 Ibid., S. 4. 265 Für diese und die folgenden Angaben ibid., S. 2 f.
266 Exposition Internationale de Paris 1937. Appel aux Exposants. Paris, Imprimerie Nationale
(J. 2905–34), S. 1.
267 Ibid., S. 1., folgendes Zitat ibid. Übersetzung des Verfassers. 268 »Expression de la pensée; Questions sociales; Formation artistique et technique; Diffusion
artistique et technique; Urbanisme et architecture; Arts graphiques et plastiques; Bâtiment; Déco-
167 | Anmerkungen
ration intérieure et mobilier; Métiers d’art; Éditions, livres et revues; Parure; Transport et tourisme; Fêtes, attractions, cortèges, sports; Publicité«, vgl. ibid., S. 2. 269 Ibid., S. 1 f. 270 Einen Überblick über diese Entwicklungen liefert Monnier 2004, S. 217 ff. 271 Genet-Delacroix 1992, S. 212 f. Vgl. dort die tabellarischen und grafischen Darstellungen,
S. 262 ff.
272 Appel aux Exposants, S. 4. 273 Ibid. 274 Körperliche Erneuerung und Ertüchtigung waren freilich auch Teil der politischen Rhetorik
der Zwischenkriegszeit. Im Nationalsozialismus nahmen sie einen zentralen Stellenwert ein. Hier aber deuten Nacktheit und Körperhaltung der Figuren auf eine Nähe zu den genannten künstlerisch-befreienden Bewegungen. 275 Fernand Chapsal: Geleitwort, Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 1, o. S. 276 Ibid. 277 Hautecoeur 1935, S. 194. 278 Ibid., S. 205 f. 279 Ibid., S. 207. 280 Harrison u. Cynthia White: Canvases and Careers. Institutional Change in the French Painting World [1965], Chicago u. London 1993, S. 2. 281 Ibid., S. 94 ff., S. 124 ff. u. S. 159. 282 Monnier 2004, S. 151. 283 Hautecoeur 1935, S. 208 f. 284 Ibid., S. 209. 285 Ibid., S. 210. 286 Ibid., S. 213. 287 David Shapiro: Social Realism reconsidered, in: id. (Hrsg.): Social Realism. Art as a Weapon,
New York 1973, S. 3–35.
288 Ibid., S. 5, 9 f. u. Fn. 14. 289 Francis V. O’Connor: Introduction, in: id. (Hrsg.): Art for the Millions. Essays from the 1930s by Artists and Administrators of the WPA Federal Art Project [1973], Boston 1975, S. 13–31, S. 14. 290 Ory 1994, S. 166. 291 AN F/21/4900, Dossier 7d: Grands Travaux, 1936–1941. 292 Ibid., »Travaux financés sur les crédits de grands travaux d’équipement national et de lutte
contre le chômage et ayant pour objet le regroupement et l’extension des collections«, maschinenschriftlicher Bericht, 4 S. [1936]. 293 Ibid., S. 3. 294 Chapsal 1937, o. S.
168 | Architektur als soziales Medium
295 Schroeder-Gudehus u. Rasmussen 1992, S. 51 ff. 296 Loi du 6 juillet 1934 autorisant l’organisation à Paris, en 1937, d’une exposition internationale
und Décret du 27 juillet 1934, relatif à l’organisation de l’Exposition, vgl. Ministère du Commerce et de l’Industrie: Arrêté, 12 novembre 1934, in: Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 1, S. 16.
297 Die administrativen Organisationskomitees und Verwaltungen der Weltausstellung von
1937 ibid., S. 7 ff.
298 Der Gedanke verschiedener »Genies« der Völker, besonders der europäischen, ist freilich alt.
In der Anthropologie der Auf klärung wurden prominente Versuche unternommen, den inneren »Charakter« des Volkes aus äußeren nationaltypischen Vergleichen, besonders Kultur und Kunstsinn, abzuleiten, vgl. Immanuel Kant: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht [1798] (hrsg. v. Reinhardt Brandt), Hamburg 2000, S. 251. 299 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 2, S. 104. 300 Ibid. 301 Appel aux Exposants, S. 2. 302 Sigfried Giedion: Bauen in Frankreich. Bauen in Eisen. Bauen in Eisenbeton, Leipzig u. Berlin
1928.
303 Brief Benjamins an Giedion, 15. Februar 1929, in: id.: Gesammelte Briefe (GB) (hrsg. v. Theo-
dor W. Adorno Archiv, Christoph Gödde u. Henri Lonitz), Frankfurt am Main 1995 ff., 6 Bde., Bd. III, Briefe 1925–1930, S. 443 f. 304 Giedion 1928, S. 85. 305 Ibid., S. 92. 306 Zu Benjamins Rezeption von Giedion in diesem Kontext vgl. Fellmann 2014, S. 200–209. 307 Benjamin 1927, S. 7–8. 308 GS I.2, S. 499. 309 Elise Marie Moentmann: Conservative Modernism at the 1937 International Exposition in
Paris. Dissertation, University of Illinois at Urbana-Champaign, 1998.
310 Musée des Colonies (Koloniale Weltausstellung 1931, Architekten Albert Laprade und Léon
Jaussely), Palais de Chaillot (Weltausstellung 1937, Architekten Jacques Carlu, Louis-Hyppolite Boileau, Léon Azéma), Musée des Travaux publics (Weltausstellung 1937, eröffnet 1939 und seit 1954 Sitz des Conseil économique et social, Architekt Auguste Perret), vgl. Lemoine u. Rivoirard 1987, S. 86–92, 114 –119, 159–163 u. 217–222. 311 Ibid., S. 33. 312 Penelope Curtis: Sculpture 1900–1945. After Rodin, Oxford 1999, S. 238. 313 Monnier 2004, S. 247. Vgl. auch Michel Hoog: La Direction des beaux-arts et les fauves, 1903–
1905. Notes et documents, in: Art de France 3/1963, S. 363–366. Zum 1884 ins Leben gerufenen Salons des Indépendants und dem 1903 gegründeten Salon d’Automne vgl. Monnier 2004, S. 265– 274. 314 Michel u. Emmanuel Hoog: Le marché de l’art [1991], Paris 21995, S. 46. 315 Ibid., S. 47. 316 Laurent 1982, S. 11 u. 84 –99.
169 | Anmerkungen
317 Bruno Foucart: La modernité à l’Académie de France à Rome (1863–1914), in: Anne-Lise Des-
mas (Hrsg.): L’Académie de France à Rome aux XIXe et XXe siècles. Entre tradition, modernité et création, Rom 2002, S. 107–124.
318 Laurent 1982, S. 112–136 (»Un règne académique à l’administration des beaux-arts 1919–
1933«). Laurent (1902–1989) war selbst eine hochrangige Kulturbeamtin, nach der Befreiung bis 1953 in der DGAL als Sous-directrice des spectacles et de la musique tätig und trieb maßgeblich die Dezentralisierung der französischen Theaterszene voran, vgl. http://data.bnf.fr/14654363/ jeanne_laurent/ (27. Januar 2015). 319 Laurent 1982, S. 121 u. Fn. 65. Vgl. zu Werken Braques in der Sammlung des französi-
schen Staates: Isabelle Monod-Fontaine: Georges Braque, in: Brigitte Leal (Hrsg.): Collection Art Moderne. La Collection du Centre Pompidou, Musée National d’Art Moderne, Paris 2006, S. 86–99. Zu L’ homme à la guitare ibid., S. 92. 320 Laurent 1982, S. 140. 321 Georges Huisman: Nouveaux rapports de l’art et de l’État, in: Europe 174/1937, S. 145–172,
S. 150 ff., Zitat S. 157 f.
322 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 2, S. 104 –107. 323 AN F/12/12175, Dossier 1 »Musées d’art moderne. Commandes et achats de l’Etat. Sculp-
ture«, Unterdossier 721 »Gaumont sculpt.«, Vertragsunterlagen, Schreiben des Generalkommissars der Weltausstellung, 16. Juni 1936.
324 Vgl. zu Baudry die biografische Notiz in: http://www.centrepompidou.fr/cpv/rechercher.
action (3. September 2014).
325 AN F/12/12175, Dossier 1 »Musées d’art moderne. Commandes...«, Unterdossier 714
»L. Baudry sculpt.«.
326 Vgl. Anne Demeurisse u. Michel Giraud (Hrsg.): Alfred Janniot 1889–1969. À la gloire de Nice,
Ausstellungskatalog, Musée des Beaux-Arts Nizza / Galerie Michel Giraud Paris 2007.
327 Das Gebäude im 12. Arrondissement im Südosten beherbergt seit der Kolonialausstellung
auch das Aquarium tropical. Es trägt den Namen Palais de la Porte Dorée. Das Kolonialmuseum ging in den 2000er Jahren unter Chirac in der Cité nationale de l’histoire de l’immigration auf und trägt seit 2012 den Titel Musée de l’histoire de l’immigration. Vgl. Alfred Janniot: Le Bas-Relief du Musée des Colonies, Paris 1931. 328 AN F/12/12175, Dossier 1 »Musées d’art moderne. Commandes et achats de l’Etat. Sculp-
ture«, Unterdossier 723 »Janniot A. Frise en bas-relief«, Vertragsunterlagen von Janniot und den Subunternehmern.
329 Ibid. Während die ursprüngliche Vereinbarung vom 3. Juni 1936 einen Quadratmeterpreis
von 1550 Francs für seine eigene Arbeit und 1200 Francs für die Helfer vorsah, wurde angeregt, Janniot die Mehrkosten zu ersetzen, zusätzlich zu einer Erhöhung von 20 %, die der Generalkommissar allen Künstlern zugesprochen hatte. Im Dezember 1937 wurde ihm die Erstattung von 113.562 Francs Mehrkosten mitgeteilt. 330 Warburg 2010, S. 39–108. 331 Ibid., S. 53 ff. 332 Ibid., S. 107. 333 Ibid.
170 | Architektur als soziales Medium
334 Jens Holzhausen: Pan, in: Hubert Cancik u. Helmuth Schneider (Hrsg.): Der neue Pauly.
Enzyklopädie der Antike. Altertum, Bd. 9, Stuttgart u. Weimar 2000, S. 221–223; Lutz Käppel: Nymphen, ibid., Bd. 8, S. 1071–1072. 335 Annemarie Ambühl: Triton, ibid., Bd. 12.I, S. 833. 336 Vgl. Pascal Lobgeois: Versailles. Les Grandes Eaux, Paris 2008. 337 Alexandra Frey: Pegasos, in: Der neue Pauly, Bd. 9, S. 471– 473. 338 Foucart u. Minnaert 1987, S. 116–118. Übersetzung des Verfassers. 339 AN F/12/12175, Dossier 1, Unterdossier 716 »Dejean Louis Sculp.«, Vertragsunterlagen und
Berichte.
340 Ibid., Unterdossier 718 »Drivier sculptr. 11 rue Blotterie« u. Unterdossier 722 »Guénot
Auguste sculptr.«.
341 Vgl. Datenblatt in: http://data.bnf.fr/12608521/waldemar-george/ (3. September 2014). 342 »Son œuvre, d’un rythme harmonieux et d’un dessin classique se rattache au cycle de la
sculpture de Versailles«, AN F/12/12175, Dossier 1, Unterdossier 722 »Guénot Auguste sculptr.«, Bericht Georges, 14. Oktober 1936. 343 Ibid., Unterdossier 716 »Dejean Louis Sculp.«, Bericht von Waldemar George, 13. November
1936.
344 Ibid., Bericht vom 29. Januar 1937: »Les jambes, les cuisses et une partie du torse sont déga-
gées du bloc. Leurs formes sveltes, élégantes, étirées évoquent les formes de Jean Goujon«.
345 Vgl. Armand Henry Amann: Sculpteurs en 1937, in: Lemoine 1987, S. 348–356. 346 AN F/12/12180, Dossier 6 »Musées d’Art moderne. Transport d’œuvres d’art«. Vgl. ibid. das
Schreiben der Architekten vom 19. Oktober 1938 an Mathé, Leiter des Service des Travaux d’Art, mit einer kleinen Handskizze um die Aufstellung auf städtischer und staatlicher Seite zu erinnern. Ein großer Faltplan, auf dem die Position der Skulpturen im Außenbereich handschriftlich eingetragen ist, bestätigt die Anordnung, vgl. ibid., Dossier 9, »Plan schématique à 0.0005 P.M. donnant l’emplacement des sculptures«. 347 Vgl. http://data.bnf.fr/14849804/louis-aime_lejeune/ (4. September 2014).
348 Zu Jean Osouf vgl. http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=osouf&role=&nat
ion=&prev_page=1 &subjectid=500195141 (4. September 2014); Jacques Baschet: Sculpteurs de ce temps, Paris 1946.
349 Vgl. http://www.centrepompidou.fr/cpv/resource/c9nMyj/rAnrX76 (4. September 2014). 350 AN F/12/13080, Inventaire des objets exposés aux Musées d’Art Moderne (Crédit Ville de
Paris), 1937, S. 5, das schon die fünf des Staates als »Cédée à l’État« vermerkt, ebenso la Mauritanienne von Anna Quinquaud. 351 Werkübersicht der Réunion des musées nationaux in: http://www.photo.rmn.fr (4. Septem-
ber 2014).
352 Penelope Curtis: Patio and Pavilion. The Place of Sculpture in Modern Architecture, J. Paul
Getty Museum 2007–2008, S. 42–57, S. 54.
353 Auf dem genannten Faltplan (s.o., Anm. 346) sind diese nur als »groupe décorative« bezeich-
net. Es könnte demnach auch sein, dass seine Skulpturen links und rechts am Kopfende des »miroir d’eau« standen.
171 | Anmerkungen
354 Brief des Directeur général des Beaux-Arts an den Commissaire général, 5. August 1936, AN
F/12/12175, Dossier 1, Unterdossier 724 »Maillol, Montagne«.
355 Ibid., Vertrag vom 3. Oktober 1936, 3 S., handschriftlicher Vermerk von Aristide Maillol »Lu
et approuvé«.
356 Zu Aufträgen allg. vgl.: Marie Bouchard: Les commandes de sculpture, in: Lemoine 1987,
S. 358–363.
357 AN/F/12/12175, Dossier 1, Unterdossier 724, vgl. die einzelnen Angaben im Vertrag vom
3. Oktober 1936.
358 Ibid., Abtretungserklärung von Aristide Maillol vom 9. Oktober 1936, 2 S., getippt, handsi-
gniert.
359 Vgl. ibid. Dossier 2 »Musées d’art moderne. Commande et achats de l’Etat. Peinture«. 360 Eine Abbildung des Gipsmodells dieses Apollon von Despiau (heute Musée Despiau-Wlérick,
Mont-de-Marsan) zeigt Amann 1987, S. 352. Zum Faltplan und Sockel vgl. AN F/12/12180, Dossier 9, »Musées d’Art moderne. Correspondance avec les architectes, décisions, plans, rapport«. 361 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 2, S. 104. 362 Stéphanie Cantarutti: Bourdelle, Paris 2013, S. 134. 363 Ibid. 364 Vgl. ibid., S. 58.
365 Herriot (1872–1952) war Ministre de l’Instruction Publique et de Beaux-Arts von 1926 bis 1928. 366 AN F/21/4900, Dossier 1 i), Maschinenschriftlicher Brief, handsigniert, von Antoine Bour-
delle an Edouard Herriot, Ministre de l’Instruction Publique et des Beaux-Arts, nummeriert, 5 S., wohl 1. Februar 1928 (vgl. Folgebrief vom 7. Februar 1929). Sein Museum solle dazu beitragen, dass französische Künstler nicht nur in der Villa Medici in Rom, sondern »definitive« Kenntnisse der Kunst auch in ihrem Heimatland erlangen könnten.
367 Poincaré (1860–1934) war Präsident von 1913 bis 1920 und Regierungschef von 1926 bis
1929.
368 Die Service des Phares und Laboratoire des Ponts et Chaussées sollten ohnehin aus der Stadt
ausgelagert werden, vgl. AN F/21/4900, Dossier 1 j).
369 AN F/21/4900, Dossier 1 j), Schreiben von Cléopâtre Bourdelle an Monsieur le Ministre de
l’Instruction Publique et des Beaux-Arts, 15. März 1932, 2 maschinengeschriebene S., S. 1.
370 AN F/21/4900, Dossier 1 j), Presseartikel, besonders Le Musée Bourdelle, in: Le Cri du Jour, 8. Oktober 1932. 371 Dafür wurde auch anvisiert, eine Ansammlung von Wohnhäusern mit säumigen Künstlermie-
tern in Besitz der Stadt Paris im Impasse Bourdelle abzureißen, vgl. AN F/21/4900, Dossier 1 j), Minute de Lettre vom 7. Januar 1937 des Ministers für nationale Bildung an den Abgeordneten des Departement Seine. 372 AN F/12/12175, Dossier 1, Unterdossier 717 »Louis Dideron Sculp.«, Bericht von Waldemar
George, 27. Oktober 1936.
373 »C’est à croire qu’un décorateur a voulu symboliser [...] les difficultées rencontrées par les créa-
teurs […]«, vgl. Anonym: Sur deux lampadaires du musée d’art moderne on peut lire ces mots: »Pas si vite, Paris ne s’est pas fait en un jour«, in: Le Petit Parisien, 22. Juli 1937, AN F/12/12142.
172 | Architektur als soziales Medium
374 AN F/12/12175, Dossier 1 »Musées d’art moderne. Commandes et achats de l’Etat. Sculpture«,
Unterdossier 720 »Gabriel Forestier sculpt.«, Vertragsunterlagen zu den Arbeiten von Forestier.
375 Dietrich Erben: Paris und Rom. Die Staatlich gelenkten Kunstbeziehungen unter Ludwig XIV,
Berlin 2014, S. 350 f. Die Memorialfunktion ist ursprünglich entscheidend geprägt von der Intention einer Grablege für Ludwig XIV. Beim Entschluss für die Errichtung war demnach die Vorentscheidung zentral, an das unausgeführte Projekt (1665) eines Bourbonen-Mausoleums an der Basilika von Saint-Denis von François Mansart anzuknüpfen. 376 Ibid., S. 366 u. Abbildung S. 356. 377 Ibid. 378 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 2, S. 107. 379 Drei dieser Flachreliefs wurden vom Staat in Auftrag gegeben, drei von der Stadt Paris. AN
F/12/12175, Dossier 1, Unterdossier 798 »Saupique sculp. Salons de réception du Commissariat Général«.
380 Rapin war ein bekannter Maler, Illustrator und Décorateur, von 1905 bis 1930 tätig als
Directeur artistique für den Reiseartikelhersteller Moynat sowie künstlerischer Berater der Manufacture Nationale de Sèvres.
381 AN F/12/12771, Dossier 2. Raymond Escholier: »Note à Monsieur le Commissaire Général
Adjoint de l’Exposition de 1937 sur le Musée d’Art Moderne qui doit être construit, quai de Tokio, pour le compte de la Ville de Paris«, 2. August 1934, 2 Blatt, S. 1. 382 Ibid. 383 Minnaert 2012, S. 25. 384 PAM, S. 21. 385 Anonym: La première pierre du Palais de l’Exposition de 1937, in: Courrier de la Plata, 14. Juli
1935. AN/F/12/12142, Pressedossier »Musée d’Art moderne«. Zu den folgenden Angaben vgl. ibid. 386 Vgl. Pressouyre 2007; Pascal Ory (Text) u. Hubert Naudeix (Regie): Le Palais de Chaillot,
Textband und DVD, Cité de l’Architecture et du Patrimoine, Paris 2006; Frédéric Seitz: Le Trocadéro: les Métamorphoses d’une Colline de Paris, Paris 2005; Mersmann 2012.
387 Concours ouvert par le commissariat général de l’exposition internationale de 1937 pour
la construction de musées d’art moderne destinés à abriter les collections de l’ état et de la ville de Paris sur un terrain situé avenue de Tokio et avenue du président Wilson. I. Conditions du concours. II. Programme des constructions. III. Plan de l’emplacement et de ses abords, Imprimerie Nationale, J. 2765, 1934. Im Text zitiert als »Concours«.
388 Concours, I, S. 5. 389 AN F/21/4905, Dossier »Correspondance«, »Projet d’un nouveau ›Musée des Artistes
Vivants‹«, 3 S., S. 2.
390 Concours, II, S. 1 f. 391 Ibid., S. 2 f. 392 Ibid., S. 2. 393 Ibid., S. 5.
173 | Anmerkungen
394 Auch die Weltausstellung 1937 arbeitete offensiv mit Film. Vgl. dazu die Akten der »Direc-
tion de la Propagande« der Expo 1937 zu Kinowerbung und Filmprojekten, AN F/12/12254 und F/12/12255.
395 Concours, II, S. 3 ff. 396 Franco Borsi: L’Ordre monumental. Europe 1919–1939, Paris 1986, S. 170. 397 AN F/12/12771, Dossier 1. Jacques Gréber(?): Notiz »Exposition Internationale de 1937.
Concours pour la construction des Musées d’Art Moderne«, 2 maschinengeschriebene S., 25. Oktober 1934.
398 AN F/12/12771, Dossier 1, Korrespondenz des Büro des Architecte en chef der Weltausstel-
lung 1937. Getippte Kopie eines Schreibens an Paul Léon, 18. August 1934. In Stockholm war, wie in Paris, zu Beginn des 20. Jahrhunderts über Jahrzehnte ein neuer Museumsbau diskutiert worden, vgl. die Selbstdarstellung des Moderna Museet, in: http://www.modernamuseet.se/en/ Moderna-Museet/About/History/ (7. Juli 2014).
399 AN F/12/12771, Briefdurchschlag von Jacques Gréber an den Notar Henri Kastler, Paris,
17. Dezember 1934.
400 AN F/12/12771, Zeitplan »Emploi du temps. Les Musées«. 401 AN F/12/12771, République Française (Hrsg.): Conditions du Concours, 8 S., S. 2 f. 402 U.a. Fédération des Sociétés d’Art, Société des Architectes Modernes, Société Centrale des
Architectes, Société Française des Urbanistes, Société des Artistes Decorateurs, Société des Artistes Français, Société Nationale des Beaux Arts, und die drei Salons d’Automne, des Tuileries und des Indépendants. 403 AN F/12/12771, République Française (Hrsg.): Conditions du Concours, Artikel 6, S. 4 f. 404 AN F/12/12771, Edmond Labbé: Arrêté du 10 Janvier 1935, Artikel 1. Die Prämie des ers-
ten Preises in Höhe von 100.000 Francs wurde frei, da der Entwurf zur Ausführung freigegeben wurde, und auf eine »I. Mention« und dreizehn »Mention honorable« unter den übrigen Projekten verteilt, vgl. ibid., Artikel 2–5.
405 Vgl. Foucart u. Minnaert 1987, S. 110–111. 406 Vgl. die Dossiers in AN F/12/12771. Es handelt sich überwiegend um Abzüge für Architek-
turzeitschriften.
407 AN F/12/12771, Dossier 2, Unterdossier zum Architekturwettbewerb, Dossier »Clarté«. 408 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Genéral Officiel, Bd. 1, S. 187–199. 409 Vgl. ibid. die an den Musées d’Art moderne beteiligten Architekten (bei der Anschrift Rue
Gaston-de-Saint-Paul handelt es sich um die Anschrift der Baustelle des Palais de Tokyo in der für den öffentlichen Verkehr gesperrten kleinen Sackgasse an seiner Ostseite): »Architectes ayant construit les Pavillons de l’Exposition: [...] Aubert, 9, rue Gaston-de-Saint-Paul, Paris. – Construction des Musées sur terrain de la manutention. [...] Birr, 5, rue Agar, Paris. – Aménagement des classes 17, 18, 21, 22, 36, Groupe V. Musée d’Art Moderne. Finlande [...] Dastugue, 9, rue Gaston-de-SaintPaul, Paris. – Construction des Musées sur terrain de la Manutention. [...] Dondel, 9, rue Gastonde-Saint-Paul, Paris. – Construction des Musées sur terrain de la Manutention. [...] A. Duchêne, 2, rue Gaston-de-Saint-Paul, Paris. [...] Expert, 42, rue Ampère, Paris. – Jardins, terrasses et fontaines en avant du Trocadéro. Mâts et bordure de l’allée centrale. Eclairage et illumination de la façade du Palais du Trocadéro et des terrasses et fontaine de la partie centrale des deux Musées d’Art moderne. [...] Halley, 41, rue Boulard, Paris. – Aménagement du Commissariat Général dans le musée de la ville. Aménagement des Salons et Bureaux de la Ville de Paris dans le Musée de la Ville. Pays-Bas. [...] Jouven, 138, boulevard du Montparnasse Paris. – Aménagement des Classes 17, 18, 21, 22, 36
174 | Architektur als soziales Medium
Groupe V. Finlande. Musée d’Art Moderne. [...] Maitre, 42, rue Ampère, Paris. – Eclairage et illumination de la façade Trocadéro, des terrasses et fontaines, partie centrale, Musées d’Art moderne. [...] Masson Detourbet, 9, rue du Commandant-Marchand, Paris (16e). – Aménagement de la Muséographie dans le Musée de la ville. Jardins Centre des Métiers. Décoration du quai d’Orsay (du pavillon du Tourisme à celui de la Belgique). Jardins de l’annexe Porte Maillot. [...] Tambutte, 9, rue du Commandant-Marchand, Paris. Jardins Centre des Métiers. Décoration du quai d’Orsay (du pavillon du Tourisme à celui de la Belgique). Aménagement de la Muséographie dans le Musée de la Ville. [...] Viard, 9, rue Gaston-de-Saint-Paul, Paris. – Construction des Musées«. 410 Minnaert 2012, S. 34, Fn. 30. 411 Angaben nach einer Vergleichsaufstellung in: AN F/12/12772, Dossier 1, Musée d’Art
Moderne: Exécution des Travaux, 1934 –1937, »Musée d’Art Moderne. Resumé comparatif des surfaces utilisables«.
412 AN F/12/12772, Dossier 2, Exécution des Travaux. Louis Hautecoeur: »Rapport à Monsieur
le Ministre de l’Éducation Nationale sur la construction des Musées d’Art Moderne«, 11 S., getippt, signiert, S. 2. 413 Foucart u. Minnaert 1987, S. 116 u. 119. 414 Über Mies’ fortschrittliche Verwendung von Glas, angefangen bei den Berliner Glashoch-
hausprojekten von 1921, siehe Yilmaz Dziewior: Mies van der Rohe. Blick durch den Spiegel, Köln 2005.
415 Borsi nimmt als Ausgangspunkt der »monumentalen Ordnung« den Wettbewerb für die Zen-
trale des Völkerbundes in Genf 1926 unter dem Vorsitz des belgischen Art nouveau-Architekten Viktor Horta an, vgl. id. 1986, S. 10. Julien Flegenheimer (Schweiz), Carlo Broggi (Italien), HenriPaul Nénot, Camille Lefèvre (Frankreich) und Joseph Vago (Ungarn) bauten das 1929 begonnene, monumentale Palais des Nations. 416 Henry-Russell Hitchcock u. Philip Johnson: The International Style [1932], New York 1966. 417 Pierre Vaisse: L’architecture en France avant-guerre, in: Lemoine 1987, S. 328–335, S. 328. 418 Benjamin im Programmheft zur deutschen Erstaufführung (Darmstadt 1932) von André
Gides Theaterstück Oedipe (1931): Oedipus oder der vernünftige Mythos, GS II.1, S. 391–395, S. 391.
419 Für Mitglieder der UAM vgl. Chantal Bizot, Yvonne Brunhammer u. Suzanne Tise (Hrsg.):
Les Années UAM. 1929–1958, Ausstellungskatalog, Musée des Arts Décoratifs, Paris 1988–1989.
420 Zu solchen Pavillons in den Archiven des Handelsministeriums vgl. Inv. F12/13. Vgl.
besonders F12/12354, U.C.A.F.; F12/12355, U.A.M.; F12/12436, U.A.M., plans et dessins; F12/12486 U.C.A.F. Allgemein dazu Elisabeth Vitou: U.A.M., in: Lemoine 1987, S. 260–263; Corinne Wiktor: U.C.A.F. et tissus, ibid., S. 264 –265. 421 UAM: Pour l’Art Moderne. Cadre de la Vie Contemporaine, Paris 1934, unpaginiert. 422 Ibid. 423 Karel Teige: Zur Ästhetik des Films, in: Das Kunstblatt, IX. Jg. 1925, S. 332–339, S. 339. 424 Vgl. zu Benjamin und Teige: Fellmann 2014, S. 215–224. 425 GS I.2, S. 499. 426 Teige 1925, S. 332 f. 427 GS I.2, S. 481.
175 | Anmerkungen
428 Die Novembergruppe und die UFA wählten die Bezeichnung »Absoluter Film« als Titel der
Matinée: Viking Eggeling: Symphonie Diagonale (1924), René Clair: Entr’Acte für Francis Picabia (1924), Fernand Léger: Image mobiles – Ballet mécanique (1924, mit Dudley Murphy), Walter Ruttmann: Opus I–IV (1921–1925), Hans Richter: Rhythmus-Filme (1921–1925) und Ludwig Hirschfeld-Mack: Reflektorische Farbenlichtspiele (1924). Vgl. Christine Noll-Brinckmann: Experimentalfilm. 1920–2003, in: Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes u. Hans Helmut Prinzler (Hrsg.): Geschichte des deutschen Films, Stuttgart 22004, S. 461– 496. 429 Teige 1925, S. 334 f. 430 Vgl. Detlev Schöttker: Konstruktiver Fragmentarismus. Form und Rezeption der Schriften Walter Benjamins. Frankfurt am Main 1999, S. 156–165. In G tauschten sich auch die Berliner Konstruktivisten um Hans Richter mit der tschechischen Avantgarde aus, vgl. Jeannette Fabian: Kinographie und Poesie. Zur Medienästhetik der tschechischen Avantgarde, in: Roger Lüdeke u. Erika Greber (Hrsg.): Intermedium Literatur. Beiträge zu einer Medientheorie der Literaturwissenschaft, Göttingen 2004, S. 283–323, S. 293. 431 GS I.2, S. 499. 432 Ory 1987, S. 32. 433 Lemoine u. Rivoirard 1987b, S. 80. 434 Ibid., S. 83. Auf der Expo 1937 ist er schließlich an fünf Pavillons beteiligt, denen der Cafés
du Brésil und Régie des Tabacs sowie den Themenpavillons Electricité et la Lumière, Solidarité Nationale und l’Hygiène. 435 Vitou 1987, S. 260. 436 Vgl. Ausstellungsstücke gemäß Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général
Officiel, Bd. 1, S. 315–316. Pierre Jeanneret (1896–1967), in Genf geborener Architekt und Designer, hatte in Paris zunächst mit den Brüdern Perret gearbeitet, bevor er die enge Kollaboration mit seinem Cousin Corbusier begann. Mit Perriand hatten die beiden schon auf dem Salon d’Automne 1929 ein Ensemble moderner Möbel gezeigt.
437 Vgl. allg. Ragot 1987a und zum Pavillon des Temps Nouveaux id. 1987b. 438 Ragot 1987a, S. 72. 439 Ibid. u. S. 75–78. 440 Ibid., S. 73–75 mit Abbildungen der Entwürfe. 441 Zitiert nach Ragot 1987a, S. 75. 442 Zitiert nach Foucart u. Minnaert 1987, S. 111. 443 AN/F/12/12142, Dossier »Musée d’Art Moderne«, Fotografie der Urkunde zur Grundstein-
legung mit Unterschriften der Anwesenden, rückseitig bezeichnet »Photographie J. Desboutin 21, Rue Henri-Monnier«.
444 Exposition Internationale des Arts et techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 2, Réalisa-
tion du Programme: (Architecture, Parcs et Jardins. Travaux d’Ingénieurs), S. 61 f. Zum Abriss der polnischen Botschaft vgl. die Fotografien ibid., Bd. 1, Conception et Organisation, Tafel XXXII, S. 214. 445 Ibid., Bd. 2, S. 62. 446 Charles Fegdal: À la gloire de Paris. Le splendide Pavillon de la Ville de Paris, in: La Semaine à Paris, 28. Mai 1937, S. 4.
176 | Architektur als soziales Medium
447 G.-J. Gros: l’Etat et la Ville de Paris font assaut d’exposition au nouveau musée de l’avenue de Tokio, in: Paris-Midi, 26. Juni 1937. AN F/12/12142. 448 Anonym: Chronique de l’Exposition Internationale de 1937, in: L’Architecture d’Aujourd’ hui
4/1936, S. 87.
449 Anonym: Chronique de l’Exposition Internationale de 1937, in: L’Architecture d’Aujourd’ hui
5/1936, S. 90 f.
450 Jean Favier: Les Musées d’Art Moderne, in: La Construction Moderne 11/1937, S. 221–227,
S. 225.
451 La Construction Moderne 35/1937, Titelseite. 452 Georges-Henri Rivière: Bibliothèques et musées de Paris, in: L’Architecture d’Aujourd’ hui
5–6/1937 (Paris 1937), S. 55–60, S. 60.
453 Jacques Gréber: Réponse, in: La Leçon de l’Exposition de 1937. Enquête de l’Architecture d’Aujourd’ hui, L’Architecture d’Aujourd’ hui 8/1937, S. 3. Übersetzung des Verfassers. 454 AN F/12/12772, Dossier 2, Musées d’Art Moderne Exécution des Travaux. Louis Haute-
coeur: »Rapport à Monsieur le Ministre de l’Éducation Nationale et des Beaux-Arts sur la construction des Musées d’Art Moderne«, 17. November 1937, 11 S., getippt, handisigniert.
455 Ibid., Dondel, Aubert, Viard, Dastugue, Architectes de l’Opération: »Note à Monsieur le
Directeur des Services d’Architecture des Parcs et jardins«, 3. Dezember 1937, 9 S., getippt, handsigniert. 456 Ibid., S. 1 ff. 457 Ibid., S. 2 f. 458 Diese und die folgenden Angaben ibid., S. 4 –7. 459 Ibid., S. 9. 460 AN F/12/12772, Schreiben von Edmond Labbé vom 15. Januar 1938 an den Bildungsmi-
nister, S. 2 v. 3.
461 AN F/12/12772, Dossier 2. Louis Hautecoeur: »Rapport à Monsieur le Ministre de
l’Éducation Nationale et des Beaux-Arts sur la construction des Musées d’Art Moderne«, 17. November 1937, S. 8–11. 462 Ibid., S. 9. 463 Ibid., S. 10. 464 Ibid.
465 AN F/12/12175, Dossier 1, Unterdossier 727 »Lagriffoul Henri, Vases Décoratifs«, Vertrag
vom 17. Dezember 1937. Aus dem Vertrag mit dem Gießer Eugène Rudier vom 26. April 1938 geht hervor, dass fünf Entwürfe von Lagriffoul und weitere des Bildhauers André Bizette-Lindet, insgesamt zwölf, zum 15. Juli 1938 in Blei ausgeführt wurden. Die Vasen sollten am Kopf einen Durchmesser von 95 cm haben und 55 cm hoch sein. 466 Jene von Popineau, Saupique, Osouf, Collamarini und Debarre kamen in die Depots des Staa-
tes im Untergeschoss des Westflügels, die von Simon, Chauvel, Malfray, Abbal und Lajeune in die der Stadt Paris im Ostflügel, vgl. AN F/12/12180, Dossier 6 »Musées d’Art moderne. Transport d’œuvres d’art«.
177 | Anmerkungen
POLITISCHE Ä S THE TIK U ND AUSS TELLU NGSGE SCHICHTE
POLITISCHE ÄSTHETIK UND AUSSTELLUNGS GESCHICHTE: DIE ERSTEN JAHRE DES PAL AIS DE TOKYO AL S MUSÉE NATIONAL D’ART MODERNE Benjamin Fellmann
Seiner Bestimmung als Ausstellungshaus zugeführt wurde das Palais de Tokyo zur Weltausstellung 1937, wobei es selbst zu einem vielpublizierten Ausstellungsstück wurde, dessen Bild in zahlreichen Publikationen behandelt wurde. Diese Geburtsstunde fällt in politisch höchst bewegte Zeiten. Die Weltausstellung propagiert Völkerverständigung, wirtschaftliche sowie kulturelle Zusammenarbeit, während in Europa Instabilität, faschistische Bewegungen und Konflikte aufziehen. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten liegt vier Jahre zurück, und in Spanien herrscht seit dem Vorjahr der Bürgerkrieg, in dem die faschistischen Länder Deutschland und Italien die Putschisten unter Franco unterstützten, die Sowjetunion die spanische Republik, und Frankreich und Großbritannien offiziell eine Nichteinmischungspolitik verfolgten. Dass die Pariser Weltausstellung in einer Atmosphäre schwerer Konflikte stattfand, vergegenwärtigt die Zerstörung Guernicas durch deutsche und italienische Bomberverbände am 26. April 1937. Picasso, von der spanischen Republik schon im Januar um ein Wandgemälde für den spanischen Pavillon der Weltausstellung gebeten, machte sie zum Thema seines monumentalen Gemäldes Guernica, das dort ab Juli 1937 zu sehen war.1 In Guernica reagiert Picasso, wie Uwe Fleckner analysiert, auf die frankistische Propagandalüge, dass die Zerstörung der Stadt republikanischen Milizen anzulasten sei. Mit Guernica findet nicht nur ein schreckliches Verbrechen Ausdruck auf der Weltausstellung 1937; es manifestiert sich hier auch die Situation höchster politischer, kultureller und künstlerischer Unsicherheit der Gegenwart mit der nationalsozialistischen Politik und Verfemung der Moderne in Deutschland, Mussolinis Expansion im Mittelmeerraum, den stalinistischen »Säuberungen« in der Sowjetunion. 2
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Auch Jean Zay fragte in seinen posthumen Souvenirs et Solitude, ob diese Weltausstellung der Schwanengesang eines untergehenden Europas war. 3 Zay ruft auch die Regierungskrise vom Juni 1937 in Erinnerung, die sozialen Unruhen und eine aufgeregte Presse, die verhinderten, dass Gäste den Eindruck eines starken Frankreich gewinnen konnten. Aufgrund der innen- und außenpolitischen Entwicklungen konnte diese Schau nicht wie ihre Vorgängerinnen von 1878 und 1900 das Ende einer Krise markieren.4 Der Kunstpolitiker Zay sieht gar vorsichtig als Fehler, dass die leitende Organisation dem Wirtschaftsministerium unterlag, das sich naturgemäß nicht zuerst auf Kunst und Techniken orientiert habe. Gegen alle Kritik aber betont er ihren nachhaltigen Effekt: Die entscheidende Erweiterung der Pariser Museenlandschaft, wovon allen voran das Luxembourg und der entlastete und dank frei werdender Flächen neu geordnete Louvre profitierten, der nun für Arbeiter auch abends beleuchtete Säle öffnete. 5 Der Bildungsminister Zay hebt die Aktivität seines Hauses besonders hervor, an erster Stelle die Ausstellung Chefs-d’œuvres de l’Art français.6 Diese Retrospektive französischer Kunst ist die allererste Ausstellung im staatlichen Westflügel des Palais de Tokyo. Ein Hinweis Zays auf nur schwache urbanistische Erneuerung durch die Weltausstellung wiederum verweist auf die neue Disziplin Urbanismus.7 Stadtforschung erfuhr einen entscheidenden Bedeutungsgewinn, da im städtischen Ostflügel des Palais de Tokyo neben einem Pavillon der Stadt Paris ein »Musée d’urbanisme« gezeigt wurde. Schon auf den ersten Blick sind diese Ausstellungen im Palais de Tokyo verbunden mit politischen Intentionen in einer Zeit der innen- und außenpolitischen Krise des demokratischen Systems, in der die Politik Ideen entwickeln muss, um auf diese zu reagieren. Der Ausstellung kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu, denn sie trägt mit den Komponenten des öffentlichen Raumes, des Publikums und der Verhandlung eines Themas die Wesenszüge des Austauschs im demokratischen System. Walter Benjamin hat, in diesem Fall als Chronist seiner Zeit, darauf hingewiesen, dass man die Krise der modernen Demokratien zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Krise ihrer Ausstellungsbedingungen begreifen kann. Im Folgenden soll daher zunächst dargestellt werden, inwiefern im Projekt des Palais de Tokyo eine politisierte Ästhetik zum Tragen kommt, die auf die Ausstellung als politisches Paradigma verweist. Damit wird der politisch determinierte Hintergrund der ersten Ausstellungen im Palais de Tokyo verständlich, die anschließend behandelt werden. Sie verweisen auf ein nationales Sendungsbewusstsein und kulturelles Erneuerungsbestreben. Auch das Palais de Tokyo selbst wird zum Bild dieses Gedankens. Die Tragweite wird deutlich in der Gegenüberstellung mit dem »Haus der Deutschen Kunst« in München (1933–1937), eine der allerersten Repräsentationsbauten Hitlers, dessen Modell auf der Weltausstellung im nationalsozialistischen Pavillon ausgestellt wurde. Schon die Modelle der Bauten zeigen politische Unterschiede auf. Jenes des Palais de Tokyo hat eine Größe, die umstehende Betrachter darauf hinab sehen lässt, wie sich auf den Fotografien der Arbeit am Modell und Pressebildern des französischen Präsidenten bei der Betrachtung des
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47 Besichtigung des Modells des Palais de Tokyo mit dem Präsidenten der Französischen Republik Albert Lebrun, möglicherweise beim Besuch der Baustelle am 15. Mai 1936
48 Albert Speer und Adolf Hitler bei der Besichtigung des Modells des »Deutschen Hauses« für die Weltausstellung Anfang 1937, München, Bayerische Staatsbibliothek
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Modells zeigt, aufgenommen möglicherweise bei der Besichtigung der Baustelle anlässlich seines Rundgangs über verschiedene Baustellen der Weltausstellung mit Begegnungen mit den Architekten am 15. Mai 1936 (Abb. 47). 8 Das »Haus der Deutschen Kunst« wurde so inszeniert, dass es schon als Modell den Menschen überragt. Bildstrategien wie diese haben im Nationalsozialismus System: Eine bekannte Fotografie zeigt Hitler mit Albert Speer vor seinem Modell des deutschen Weltausstellungspavillons. Speer reckt den Arm zum Reichsadler auf dessen Turm, beide blicken zu diesem auf (Abb. 48). Solche Inszenierung, aber auch die Unterschiede in der architektonischen Sprache weisen das »Haus der Deutschen Kunst« als Paradebeispiel der faschistischen »Ästhetisierung der Politik« aus, vor der Walter Benjamin so eindringlich warnte. In einem dritten Schritt werden die ersten Jahre des Palais de Tokyo als nationalem Museum moderner Kunst im Anschluss an die Weltausstellung und vor der eigentlichen Eröffnung des Museums 1947 betrachtet, besonders im Kriegsgeschehen und der Besatzungszeit. Unmittelbar in die Einrichtungsarbeiten bricht Anfang September 1939 der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ein. Erst 1942 kommt es zu einer provisorischen Eröffnung. Der Krieg und die deutsche Okkupation von Paris bestimmen in diesen Jahren die Kunstpolitik, die Präsenz des MNAM im Palais de Tokyo und dessen Nutzung.
AUSSTELLUNGSGESCHICHTE AL S GESCHICHTE POLITISIER TER Ä STHETIK Mit der hundertsten Jährung des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges im Jahr 2014 und seines Endes 2018 erfahren die kulturellen Auswirkungen dieser Ausgangskatastrophe des 20. Jahrhunderts in der jüngeren Zeit starke Aufmerksamkeit. In den Blick rückt, wie sich danach in westlichen Gesellschaften die Erfahrung des Chaos in der Suche nach neuen Menschen- und Körperbildern in Kunst, Theater, Anthropologie und Philosophie niederschlug. Große Bedeutung kommt dabei Orten der Modernität zu, an denen sich zeigt, wie auch die Politik, um überzeugende Ideen zu erfinden, Körper erfinden muss. 9 Das Palais de Tokyo stellt einen solchen Ort der Modernität dar, an dem die Politik, in diesem Fall die französische Kulturpolitik, in der Tat Körper erfinden musste, um Ideen zu erfinden. Dies bezieht sich nicht auf die aus dem ersten industriellen Weltkrieg mit nie zuvor gesehenen Verstümmelungen Heimkehrenden. Auch kommen hier zunächst nicht die Reaktionen der Avantgarden der Zwischenkriegszeit auf den Weltkrieg zum Tragen. Hingegen werden im Projekt des Palais de Tokyo und eines neuen Museums moderner Kunst Reaktionen auf den Ersten Weltkrieg und politisches und utopisches Chaos greif bar. Die im Chaos der Politik untergegangene Utopie richtet sich hier auf die Stellung der Ausstellung in der Gesellschaft. Just zu der Zeit, in der Walter Benjamin in Paris im Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit Kunstgeschichte neu
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denkt, indem er die Veränderung der Stellung der Massen zu sich selbst durch den Einfluss der neuen Medien in den Blick nimmt, entsteht in Paris dieser erste eigentliche Museumsneubau als Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst. Dies zu einer Zeit, die mit den innenpolitischen Krisen des linken Front Populaire und den außenpolitischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen im Rückblick in eins zu fallen scheint mit dem Zustand der Krise, worauf feststehende Begriffe wie »La crise des années trente« verweisen.10 Damit stellt sich die Frage, wie sich im historischen Umbruch – nach dem Ersten Weltkrieg, im Aufkommen der Massenmedien, zur Zeit einer Wirtschaftskrise – Ausstellung und Politik zueinander verhalten. Im Folgenden wird zunächst theoretisch geklärt, inwiefern es sich bei der politisch determinierten Entstehung des Palais de Tokyo um eine politisierte Ästhetik handeln kann. Einige Aspekte aus den Archiven dieser Politik zeigen, wie seinerzeit Körper erfunden wurden, um Ideen, allen voran die eines neuen Museums und seiner Stellung in der Gesellschaft, zu erfinden. Mit Benjamin kann die Ausstellung als politisches Paradigma einer Moderne, in der sich die Demokratien in der Krise befinden, in den Blick genommen werden um zu fragen, wie sie auf den Menschen verweist. Dies erlaubt den Nachvollzug dieses Paradigmas an konkreten Aspekten und Körpern, die sich mit der Konstruktion des Palais de Tokyo als politischem Projekt verbinden. Die Gründungsgeschichte des Palais de Tokyo weicht von dem ab, was Benjamin als eine »Politik der Kunst« verstehen würde, aber sie teilt damit, dass sich die Stellung der Kunst in der Gesellschaft in Relation zur Stellung des Menschen in ihr bestimmt.
DIE AUSSTELLUNG AL S POLITISCHES PARADIGMA UND DIE KRISE DER DEMOKRATIEN In zwei Fassungen des Kunstwerks im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit schrieb Walter Benjamin, die Krise der Demokratien verweise auf die von Ausstellungsbedingungen. »Die Krise der Demokratien läßt sich als eine Krise der Ausstellungsbedingungen des politischen Menschen verstehen. Die Demokratien stellen den Politiker unmittelbar in eigener Person, und zwar vor Repräsentanten aus. Das Parlament ist sein Publikum. Mit den Neuerungen der Aufnahmeapparatur, die es erlauben, den Redenden während der Rede unbegrenzt vielen vernehmbar und kurz darauf unbegrenzt vielen sichtbar zu machen, tritt die Ausstellung des politischen Menschen vor dieser Aufnahmeapparatur in den Vordergrund. Es veröden die Parlamente gleichzeitig mit den Theatern.«11
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In der »finalen« Fassung von 1939 spitzt Benjamin den Sachverhalt angesichts der Katastrophe seiner Zeit im Nachwort zu mit der Feststellung, der »Ästhetisierung der Politik« durch den Faschismus antworte der Kommunismus mit der »Politisierung der Kunst«.12 Sein Grundgedanke sagt nicht, die Krise der Demokratien sei durch die technischen Neuerungen ausgelöst, sondern sie ist eine Krise »der«, das heißt, von Ausstellungsbedingungen. Die Ausstellungsbedingungen sind also immer ein Teil der Demokratie. Mehr noch: Sie sind eine ihrer Voraussetzungen. Mit »Ästhetisierung« im Sinne der Ausstellung meint Benjamin, wie Catherine Perret prägnant herausgestellt hat, die Unterwerfung von Tausch und Konsum unter die Industrie der Ausstellung.13 Die Ausstellungsökonomie der neuen Medien impliziert daher immer schon politische Konsequenzen, da sie die Selbstwahrnehmung des Einzelnen im Verhältnis zur Masse betrifft, wie Benjamin im Kunstwerk präzisiert: »Seine Charakteristika hat der Film nicht nur in der Art, wie der Mensch sich der Aufnahmeapparatur, sondern wie er mit deren Hilfe die Umwelt sich darstellt.«14 Der Ausdruck »sich darstellt« verweist hier auf Benjamins Konzept der Selbst-Mitteilung in der Unmittelbarkeit der Wahrnehmung in der Gegenstandserkenntnis, die er schon im Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik entwickelt hatte. Dort heißt es, dass Wahrnehmung nicht von Erkenntnis getrennt werden kann, da beide medial unmittelbar sind.15 Benjamin zitiert dort die antike Wahrnehmungstheorie Demokrits, der von einem gemeinsamen Medium von Wahrnehmendem und Wahrgenommenen ausging.16 Er findet diese Wahrnehmung, in der sich das Subjekt in der Unmittelbarkeit der Wahrnehmung des Gegenstandes selbst mitteilt, einige Zeit später bei seinem Neapel-Aufenthalt in der Erfahrung der porösen und von körperlichen »Strömen des Gemeinschaftslebens« durchdrungenen Stadt wieder.17 Er beschreibt Architektur in seinem Porträt Neapel als kollektiv rezipiertes und gebrauchtes Kunstwerk.18 Im Kunstwerk-Aufsatz bringt er es auf die Formel, dass die »taktile«, also körperliche Form der Wahrnehmung in »geschichtlichen Wendezeiten« kanonischen Wert hat, denn wie die taktile Dimension die Architektur in »Gebrauch und Wahrnehmung« bestimmt, gibt es für die neuen Aufgaben an den Wahrnehmungsapparat keine »kontemplative« Lösung.19 Die Krise der Ausstellungsbedingungen verweist also auf eine Politisierung der Ästhetik, in der es eher darauf ankommt, in der wahrnehmenden Tätigkeit des Einzelnen in der Gegenwart einen Wunsch nach politischer Teilhabe zu erkennen, der der Revolution vorangeht, als eine historische Entscheidung der Völker zum Ausgestelltwerden darin anzunehmen, dass sie, in der Anknüpfung an die historische revolutionäre Geste des 19. Jahrhunderts, wieder in den Straßen demonstrierten. In diesem letzteren Sinne liest Georges Didi-Huberman Arbeiten mit sozialer Realität wie in Chaplins Modern Times (1936) und mit historischen Ereignissen wie Eisensteins Oktober (1928) im Benjamin gewidmeten Cahier de l’Herne. 20 Was Benjamin als Politisierung der Ästhetik bezeichnet, ist als Prolegomenon zur Revolution eine Entzifferung der Sehnsucht nach Politik, die in der Warenwelt als gesonderter Gemeinplatz verschwunden ist, wie Cathe-
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rine Perret festhält: »Ce que Benjamin appelle la politisation de l’esthétique et qui est pour lui le prolégomène à la révolution est la lecture qui, déchiffrant le réel de l’échange dans ce qu’il peut avoir de plus trivial, y réveille les maîtres-mots du désir de politique, alors que la politique comme lieu séparé a disparu.« 21 »Die Ausstellung« kann daher als politisches Paradigma verstanden werden, dem eine körperliche Dimension der Selbstmitteilung in der Wahrnehmung zu Grunde liegt. Als solches definiert sie den Raum einer politischen Erscheinung, den die kulturwissenschaftliche Analyse der Moderne zu entdecken begann, der mit ihren Exponenten Aby Warburg und Walter Benjamin aber, wenn man so weit gehen darf, auch als jener Raum erkannt wurde, in dem sich Menschheit eigentlich konstituiert. Georges Didi-Huberman sieht eine Parallele zwischen Aby Warburg und Walter Benjamin, die beide erkannt hätten, dass sich der Wirkungsraum der Ausstellung als politisches Paradigma in einem dauerhaften Konflikt aus Relationen zwischen Differenzen ergibt. Er argumentiert, dass das Erscheinen der Menschheit (»l’apparence des peuples«) in Bildern immer auf ein politisches Erscheinen verweist (»apparaître politique«), da im Verhältnis des Wesens (»l’être«) zum Erscheinen die Politik immer eins sei mit dem Seienden. Das Erscheinen des Menschen ist immer ein politisches. Da die Politik Worte und Handlungen im öffentlichen Raum bestimmt, ist Politik Erscheinung und Erscheinen stets Politik. 22 Damit sieht Didi-Huberman die Ausstellung als eine »politische Erscheinung« an. Ihre Paradigmen findet er bei Hannah Arendt, die in Was ist Politik? derer vier aufstellte als jene der Gesichter, Vielheiten, Differenzen und Intervalle. 23 Mit Arendt setzt sich das politische Erscheinen zusammen aus der Sichtbarkeit von Menschen, der Vielfalt ihrer Bedürfnisse, ihrer Differenzen, die durch gleiche Rechte zu einer Gemeinschaft führen, sowie zwischenmenschlichen Intervallen, in denen Politik als die Herstellung von relativer Gleichheit ihren Ursprung nimmt. Somit kommt dem Körper entscheidende Bedeutung zu. Denn Paradigmen der »politischen Erscheinung« gehen vom Körper der Völker aus, deren Gesetze ihre Bewegungsfreiheit bestimmen. Auch Hannah Arendts politische Prinzipien gehen vom Körper aus: Sie beginnen beim Gesicht, vermehren sich zur Vielheit von Individuen und ihrer Differenzen, und machen die Bewegung zwischen den Körpern als Intervalle, als politische Bewegung sichtbar. Didi-Huberman zufolge ist mit Arendt der Kern der Politik und daher die Ausstellung als politisches Paradigma in ebenjenem Raum angesiedelt, den sowohl Warburg als auch Benjamin als »Zwischenraum« in menschlichen Intervallen und Konflikten um Kultur beschrieben. 24 Sowohl bei Warburg als auch bei Benjamin ist dies aber auch ein körperlicher Zwischenraum im Konflikt von Individuum und Gemeinschaft. Die Gesetze der menschlichen politischen Bewegung, die Didi-Huberman heranzieht, sind Gesetze der körperlichen Bewegung. Daraus folgt die eigentliche fundamentale Frage, wie sich der Raum der politischen Ausstellung zum Raum der politischen Erscheinung verhält. Mit Warburg und Benjamin ergibt sich eine Antwort darin, dass sich im relativen und abstrahierenden Blick (Arendt) durch die Ausstellung – die stets ein Anhalten von Bewegungen, ein
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Innehalten ist – ein Zwischenraum zwischen ihr selbst und dem Raum der politischen Bewegung auftut. Dieser Raum ist der mit Warburg und Benjamin beschriebenen Wirkungsraum, in dem die Ausstellung sowohl die öffentliche Sichtbarkeit der Menschheit in ihren Bildern ist, als auch die überzeitliche Präsenz ihres kulturellen Ausdrucks als Humanität.
DIE ERFINDUNG VON IDEEN UND KÖRPERN ZWISCHEN KUNST UND WIRTSCHAFT Im Bau des Palais de Tokyo verbanden sich die finanziellen Mittel der Weltausstellung mit der Klage über das Fehlen adäquater Ausstellungsbedingungen für zeitgenössische Kunst. Zeitgleich konstatiert Benjamin die politische Krise der Ausstellungsbedingungen. Mit ihm kann daher der körperlichen Dimension der Ausstellungsbedingungen als politischem Paradigma einer Politik nachgespürt werden, die Körper erfindet, um Ideen zu erfinden. Catherine Perret hat gezeigt, dass die Entzifferung, die er Politisierung der Ästhetik nennt, ein Denken der »politischen Aktion« als Übersetzung in die Sprache des Marktes notwendig macht: »Pour qui veut penser l’action politique, il s’agit donc de savoir comment transformer la sphère du marché en lieu, comment traduire dans la langue qui y sert de monnaie d’échange, les termes de légitimité, de droit, de justice mais également d’individu, de choix ou de conviction.« 25 Man kann die politische Handlung als eine solche Sichtbarkeit herstellende Übersetzungsleistung betrachten, die als Konstruktion von Körpern solche »termes de légitimité, de droit, de justice mais également d’individu, de choix ou de conviction« in die Sprache des Marktes übersetzt. Das Projekt des Baus des Palais de Tokyo als neuem Musée national d’Art moderne zur Expo 1937 gibt davon ein gutes Beispiel, da es zeigt, wie in der politischen Handlung die individuellen, sozialen, künstlerischen, ästhetischen, nationalen und internationalen Belange in die Sprache des Marktes übersetzt wurden. Die vom Handelsministerium organisierte Expo brachte innenpolitisch ein funktionalistisch-ökonomisches Verständnis von Kunst zum Ausdruck. Der Appel aux Exposants von 1934 bewarb »gesundes Budget« und »würdigen Rahmen« als Vorteile für die Kunst in Frankreich: »Nous offrons à tous les talents créateurs un véritable bain de jouvence.« 26 Es wird ein Bild von Künstler-Körpern evoziert, die im Jungbrunnen eine kreative Erneuerung erfahren sollen. Die Expo soll die Qualitäten eines als Beruf begriffenen Künstlertums ins Licht rücken: »Mettre en pleine lumière les qualités propres à nos ouvriers, à nos artisans, à nos techniciens, à nos artistes.« 27 Kunst ist ein wichtiges Instrument zur Vermittlung dieser politischen Zielvorstellungen. Das Titelbild des Kataloges zeigte mit der Freikörperkultur auch die Idee der Neuformulierung des Körpers in der Moderne. Das Palais de Tokyo wurde im Katalog selbst zum Ausstellungsstück, beschrieben als Verbindung von Harmonie, Dekorativität und Monumenta-
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49 Louis Hautecoeur: Projet d’un nouveau »Musée des Artistes Vivants«, 1934, erste Seite, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
lität. Es entspricht der politisch gewollten Förderung der Produktion von Dekoration im Gegensatz zur avantgardistischen Architektur. Außenpolitisch verweist die Weltausstellung als ein »Erscheinen der Völker« im obigen Sinne des politischen Paradigma auf einen erhofften internationalen Dialog. Im Austausch über Kunstmuseen in der Moderne tritt die Idee neuer Körper aber auch im Individuum hervor. Hautecoeurs Vortrag auf dem Kongress in Madrid 1934 nimmt
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den Körper des Besuchers als neue Bedingung der Ausstellungssituation in den technischen Blick und daneben denjenigen, der mit der Kunst arbeitet. 28 Neue Bedingungen bestimmen das Denken des Umgangs mit Kunst. Die erste Seite von Hautecoeurs Projektentwurf aus dem Jahr 1934 illustriert von Hand eingezeichnet, wie sich in diesem Zwischenraum die körperliche Bewegung des Kurators in die Zeit eingeschrieben hat: Ein Lastwagen zeigt die Beschleunigung des Umgangs mit Kunst und die neue Rolle des Kurators als Logistiker eines Marktes (Abb. 49). Er zeugt aber auch von der Forderung nach endlich zeitgemäßen Ausstellungsbedingungen. Dafür musste das neue Museum in der politischen Sprache des Marktes einen Rang von nationaler und internationaler Dringlichkeit einnehmen. Zahlreiche Beispiele in den Archiven der Direction des Beaux-Arts zeigen, wie dieses Argumentationsmuster in der internen und externen Kommunikation immer wieder wiederholt wurde. Bis hinauf auf Ministerebenen wird beklagt, dass Paris keinen seiner zeitgenössischen Kunstproduktion und dem Kunstmarkt angemessen Ausstellungsort besitzt. Mit der politischen Bedeutung der Ausstellungsbedingungen moderner Kunst werden die Körper von Künstlern, Schulen, Studenten, Touristen und schließlich der Völker als Argumente angeführt. 29 Dass gerade zeitgenössische Kunst zur Bildung von Künstlern und Öffentlichkeit beitragen soll, verweist auf Investitionen in das Wunschbild der Formung eines neuen Menschen, auf der Höhe der Zeit. Die Planung des Palais de Tokyo zeigt, wie auf höchster politischer Ebene die Stellung der Kunst in der Gesellschaft zum Anlass genommen wurde, einen in den internationalen Austausch eingebetteten Ausstellungsort mit Modellcharakter zu errichten. Vieles von dem Vorhaben, ein ideales Museum moderner Kunst zu erfinden, wurde aber früh in den Mühlen der Politik eingebüßt. Gebäude und Aufteilung in einen staatlichen und einen städtischen Flügel entsprechen, wie sich zeigte, kaum dem museologischen und ästhetischen Wunschprogramm Louis Hautecoeurs.
DIE GEMEINSCHAFTSRHY THMIK DER KUNSTGESCHICHTE Da sich Politik aus der Bewegung zwischen den menschlichen Körpern ergibt, ist nach der Natur der politischen Erscheinung der Vielheiten des Volkes zu fragen, auf der die Ausstellung als politisches Paradigma fußt, als das sie, wie diese Beispiele zeigen, aufgefasst werden kann. Die öffentliche Sichtbarkeit des Menschen und ihre überzeitliche Präsenz machen die Ausstellung aus. Die Frage entscheidet sich an der überzeitlichen Präsenz des kulturellen Ausdrucks. Denn in dem, was Didi-Huberman als politisches Erscheinen (»apparaître politique«) beschreibt, sind zwei Ebenen des Erscheinens enthalten. Walter Benjamin selbst hat diese Mehrschichtigkeit der »Erscheinung« an bekannter Stelle im Kunstwerk-Aufsatz ausgedrückt in seiner Charakterisierung der »Aura« eines Kunstwerks als »einmalige
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Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag«. 30 Er unterscheidet dabei eine einfache und die »einmalige« Erscheinung, eine dingliche und eine zeitliche: »L’apparition unique inscrit le temps lui-même, est l’inscription même du temps« – Catherine Perret sieht darin eine graduell aufsteigende Bewegung von Wahrnehmung zu Erscheinung und schließlich Geschehen. 31 Didi-Huberman spricht von der Erscheinung der Völker (»apparence des peuples«) und dem politischen Erscheinen (»apparaître politique«). Gewissermaßen zwischen »apparence« und dem Geschehen des »apparaître« steht die »apparition« Benjamins, die sich in die Zeit einschreibt. Damit ist nicht darauf abzustellen, dass die Ausstellung die Aura des Kunstwerks raubt, sondern dass die Ausstellung als politisches Paradigma wie letztere an das »Hier und Jetzt« des Menschen gebunden ist. 32 Nach der Ausstellung als politischem Paradigma zu fragen heißt demnach, den Konfliktraum von Relationen und Differenzen zwischen Körpern zu begreifen. Benjamin tut genau dies, wenn er seine Auffassung von Kunstgeschichte darlegt und in einem Brief an den Freund und Mentor Florens Christian Rang vom Dezember 1923 so knapp wie tiefsinnig ausdrückt, dass Kunstgeschichte immer Problemgeschichte ist: »Mich beschäftigt nämlich der Gedanke, wie Kunstwerke sich zum geschichtlichen Leben verhalten. Dabei gilt es mir als ausgemacht, daß es Kunstgeschichte nicht gibt.«33 Das einzelne Kunstwerk könne im geschichtlichen Bezug zu anderen nur Aufschluss geben über »Stoff-Geschichte oder Form-Geschichte«, für welche »die Kunstwerke nur Beispiele, gleichsam Modelle herleiten«:34 »Der Versuch das Kunstwerk in das geschichtliche Leben hinein[zu]stellen eröffnet nicht Perspektiven, die in sein Innerstes führen, wie etwa der gleiche Versuch bei Völkern auf die Perspektive von Generationen und andern wesentlichen Schichten führt.« Als Indikator für historischen Kontext führt Kunst nur zu »intensiver«, interpretativer »Problemgeschichte«. 35 In dieser Perspektive ist das Kunstwerk verwandt dem, was Aby Warburg als Pathosformel auffasst, die Bindung von Affekten in Formen, die auf antike Kulturerfahrung Bezug nehmen und damit im »Substrat künstlicher Gestaltung« den Prozess des »Distanzschaffens zwischen sich und der Außenwelt« des Menschen sichtbar machen. 36 Der Verweis der Kunstwerke geht im überhistorischen Zwischenraum zwischen politischer Ausstellung und politischer Erscheinung des Menschen daher auf eine soziale Realität. In dieser zeigt sich auch die Vielschichtigkeit der Politik in der Moderne, in der die Erfindung von Körpern auch ein Widerstreit von Ideen ist. Zahlreiche Beispiele aus der Entstehungsphase des Palais de Tokyo machten dies schon implizit deutlich. So etwa die Auslassung der Avantgarden bei der Bevorzugung von neoklassizistischen Entwürfen und Ikonografien und der sprechende Bezug auf den Renaissance-Bildhauer Jean Goujon in der Beurteilung des »dessin classique« der Skulpturen für das Palais de Tokyo. Dem steht Louis Hautecoeurs Unzufriedenheit entgegen, der sie durch Blumenvasen ersetzen möchte.
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Auch die Wahl des verkehrsgünstigen Geländes korrespondiert mit dem Denken von Körpern in Bewegung in der seinerzeit neuen urbanistischen Betrachtungsweise. Die allererste Ausstellung im Ostflügel des Palais de Tokyo im Pavillon der Stadt Paris zur Expo 1937 war ein »Musée d’Urbanisme«. Der Gründer des Institut d’urbanisme der Universität Paris, Henri Sellier, Ministre de la Santé publique, betonte, es handele sich um das erste Mal überhaupt, dass sich Aussteller zu diesem Thema versammelten, um zu zeigen, wie das »Gesicht« der Stadt »modelliert« werden könne, und negativen Auffassungen urbaner Konzentration entgegenzuwirken. 37 Louis Hautecoeur dachte mit einem neuen Museum weniger in Richtung dieser städtischen Erneuerungslogik. Es sollte zu einer Architektur im Gebrauch werden, wie er im Referat über die Architektur des Kunstmuseums in Madrid 1934 ausführte, wo er das Leben des Gebäudes gleich Kirchen, Schulen und Theatern in die tägliche Bewegung der Stadt integrieren wollte. 38 Seine Vorstellung nähert sich der Architektur im täglichen Leben der Stadt, die Benjamin seinerzeit noch in Neapel als das »bündigste Stück der Gemeinschaftsrhythmik« fand. 39 Ebendiese Architektur des Palais de Tokyo erscheint in ihrem Monumentalismus heute bisweilen zu dominant, den Menschen wie die Kunst verkleinernd und verschluckend. Dagegen steht aber ein Beispiel wie jenes der Rede des Generalsekretärs der Weltausstellung anlässlich der Eröffnung des Pavillons der Stadt im Palais de Tokyo in Anwesenheit des Präsidenten. Wie sich zeigen wird, zitiert er im letzten Satz seiner Rede einen bekannten deutschen Kritiker, Alfred Kerr. Im Zitat des von den Nationalsozialisten verfolgten Kritikers wirkt die Idee, die Eröffnung ebendieses riesigen Gebäudes als Positionierung gegen die politischen Entwicklungen in Deutschland zu lesen: Es wird zum Ort einer politisierten Ästhetik, in der sich Ausstellung als ein politisches Paradigma präsentiert, das auf Fortschritt, Freiheit und Aufklärung gerichtet sein soll. Im Projekt der Weltausstellung 1937 und des neuen Museums wird die Erfindung von Ausstellungsbedingungen damit zur Bedingung von Körpern und ihrer Bewegungsfreiheit. Der Besucherplan, der in zahlreichen Dokumentationen in den Archiven erhalten ist, zeigt, wie eingehend der Besucherstrom der Weltausstellung studiert wurde. Ihr Generalmodell aber, das als Beschäftigungsmaßnahme von Künstlern gefertigt wurde, zeigt eine übergeordnete Logik. Aufnahmen vom Modell der Weltausstellung, die zu Dokumentationszwecken entstanden, sind im politischen, urbanistischen und ökonomischen Prozess ein Beispiel jener Ästhetisierung der Polis, die Benjamin, wie Catherine Perret zeigt, unter der Ästhetisierung der Politik versteht: »L’exposition a pris la place de la ›polis‹. L’esthétisation s’est substituée à ce lieu de l’action commune que l’on appelle la politique. Il faut donc entendre au sens fort le sens de l’expression d’esthétisation de la politique, utilisée par Benjamin à la fin de son essai sur la reproductibilité technique. L’esthétisation est le nouveau nom de la politique, et non pas seulement son nouvel habillage.« 40
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Benjamin macht auf die gesellschaftliche Bedeutung des politischen Paradigmas der Ausstellung aufmerksam, die Ausstellung wird zum eigentlichen Ort des politischen Erscheinens der Menschen. Der Gemeinschaftssinn muss unter der ästhetisierten Politik der Weltausstellungen und den Trugbildern der Warenwelt entziffert werden. In den Passagen vergleicht er die »Phantasmagorie« des »rêve parisien« mit den Weltausstellungen: »Die Phantasmagorie des rêve parisien erinnert an die der Weltausstellungen, in der die Bourgeoisie der Ordnung des Eigentums und der Produktion ihr ›Verweile doch, du bist so schön‹ zuruft.« 41 Dass die Phantasmagorie des Traums, den Benjamin hier besah, von vielen einzelnen Menschen geträumt wurde, gilt ebenso für die Weltausstellung 1937 und ihr neues Museum moderner Kunst. Das Palais de Tokyo als Ort der Moderne verkörpert die körperliche Dimension der politischen Idee der Ausstellung, und es sollte daher zu Recht bei der Betrachtung der sukzessiven Ausstellungspraxen an diesem Ort gefragt werden, ob sie einlösen, was Benjamin seinerzeit als »Politisierung der Kunst« in Antwort auf die Bedrohung der Demokratie erhoffte. Stets besteht die Gefahr, dass Ideen ihr körperlichrevolutionäres Potential verlieren, wenn sie in der Politik im Raum realisiert werden.
NATIONALES SCHAUFENSTER: DIE ERSTEN AUSSTELLUNGEN 1937 Der Katalog der Weltausstellung 1937 ruft die Tradition ihrer Vorgängerinnen in Erinnerung: Von 1867, als die ersten Lokomotiven der Linie Paris–Rouen auf dem Marsfeld gezeigt wurden, über die von der Technik des Schmiedeeisens dominierte von 1889, während der Gustave Eiffel aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums von 1789 auf seinem Turm eine Flagge hisste, bis zu jener von 1900, die neue technische Fortschritte wie das Auto und Elektrizität präsentierte. Der heutige Leser dieser Zeilen fühlt sich an die Diskussion über die Abhängigkeit von Kommunikationsmitteln und allzeitige OnlinePräsenz erinnert und staunt doch, wenn er liest, dass schon 1937 im Rückblick über die Highlights von 1900, Auto und Telefon, gesagt wird, sie hätten die Menschen zu ihren »Sklaven« gemacht.42 Die Weltausstellung von 1937 zog sich auf beiden Ufern der Seine von der Place de la Concorde im 8. Arrondissement am Ende der Tuilerien im Osten bis zur Spitze der Île des Cygnes im Westen des 16. Arrondissements. Die größte Ausdehnung nahm das Gelände auf Höhe des Pont d’Iéna, wo sich auf der Rive droite das riesige, zum Palais de Chaillot umgebaute ehemalige Palais de Trocadéro und auf der Rive gauche der Eiffelturm mit dem Marsfeld gegenüberliegen. Das Palais de Tokyo wird in Material und Katalogen der Weltausstellung mal als Musée d’Art moderne, mal im Plural als Musées d’Art moderne bezeichnet oder unterschieden in Musée de l’État oder auch Palais national des arts, und Musée de la Ville (de Paris).43 In Sichtweite dazu lagen sich vor dem Palais de Chaillot
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an der Place de Varsovie der deutsche Pavillon und jener der Sowjetunion gegenüber. Am Seine-Ufer lag der Segel-Pavillon Yachting à Voile, an den sich der Pavillon Hygiène anschloss, gefolgt vom portugiesischen und dem Pavillon der Stadt Köln. Der Katalog gibt ein ästhetisches Urteil über das Palais de Tokyo vor durch die Beschreibung der »Zwillingspaläste der modernen Kunst« als wichtiger Elemente der Stadtlandschaft, gekennzeichnet mit den schon genannten Begriffen »monumental«, »harmonisch« und »dekorativ« entsprechend dem Stil-Ideal der Weltausstellung.44 Sein staatlicher Westflügel ist ganz der gewaltigen Ausstellung über Meisterwerke französischer Kunst Chefs-d’œuvre de l’Art français vorbehalten. Im Ostflügel sind fünf Ausstellungsbereiche eingerichtet: Zunächst das schon oben behandelte Palais de la Ville de Paris mit Büros und Empfangsräumen der Weltausstellungsorganisatoren. Zweitens der eigentliche Pavillon der Stadt Paris. Der dritte Ausstellungsbereich war Teil des Gesamtprogramms der Weltausstellung mit Ausstellungen der Gruppe V, Urbanisme – Architecture aus fünf Unterklassen im sogenannten »Musée d’Urbanisme«.45 Der vierte große Ausstellungsbereich im Ostflügel zeigt eine vielteilige Schau zur Museografie, an die sich eine Ausstellung über die internationale intellektuelle Kooperation anschließt. Die Museografie-Schau war Teil der von Paul Valéry präsidierten Gruppe I der Weltausstellung Expression de la Pensée und gehörte deren Unterklasse 3, Musées et Expositions an. Sie gliederte sich in zwei Teile, eine beschreibende »Muséographie descriptive«, und eine angewandte »Muséographie appliquée«. Der erste behandelte drei Schwerpunkte: Typen der Präsentation von Kunstwerken anhand von Modellen, Probleme der Präsentation von Objekten, sowie die Öffentlichkeitsarbeit von Museen. In der angewandten Museografie wurde die Ausstellungsarbeit mit drei Modellausstellungen veranschaulicht. Sie zeigten die »Mise en scène française« im Mittelalter, ein »Musée d’Art dramatique« und ein Volkskundemuseum, »Musée scientifique du folklore: La maison rurale en France«. Daneben wurde eine kontrovers diskutierte Modellausstellung über Leben und Werk Vincent van Goghs gezeigt. Der städtische Pavillon de la Ville de Paris wurde vom Direktor des Petit Palais, Raymond Escholier, und René Héron de Villefosse, Attaché der städtischen Museen, kuratiert und von Eric Bagge (1890–1978), einem bekannten Designer des Art déco, ausgestattet. Er nahm das Rez-de-Chaussée des Ostflügels ein.46 Ihm kommt große repräsentative Bedeutung zu. Die Stadt war es, die 1934 dem Staat die finanziellen Mittel für die Expo vorstreckte, daher wurde nun nicht wie auf früheren Weltausstellungen im Ausland bloß die kommunale Arbeit vorgestellt.47 Stattdessen sollte ein umfassendes Bild von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Stadt Paris mit einem Schwerpunkt auf der urbanen Entwicklung gezeigt werden. Der Präsident der französischen Republik Albert Lebrun eröffnete ihn am 17. Juni 1937. Das Entrée des Pavillons der Stadt öffnete sich auf den Quai de Tokio, flankiert von zwei vergoldeten metallenen Schiffen, Emblemen der Stadt Paris, über Stundengläsern.48 Das Vestibül zeigte eine Zinnvase von Maurice Daurat, und in Vitrinen Doku-
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50 Weltausstellung 1937, Palais de Tokyo, Ostflügel, Pavillon der Stadt Paris: Vestibül, Dokumentationsfotografie, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
mente zu einem Prachtband der Stadt über Paris (Abb. 50).49 Der »gallo-romanische« Saal 2 war dem antiken Paris gewidmet mit einem Abguss des 1710 unter Notre-Dame entdeckten Pfeilers der Naute Parisiaci als ältestem Pariser Monument. Die »Salle des cartes« in Raum 3 zeigte große Wandkarten des Stadtgebiets und aktuelle und zukünftige Raumplanung der Region Paris. 50 In Saal 4 in der Rundung des Ostflügels wurde ein großer erleuchteter Plan von Paris gezeigt und die Fenster dafür mit Glasmalereien von infrastrukturellen Großprojekten abgedunkelt. 51 Der Raum war auch mit Kommentaren auf Tonträgern versehen. 52 Schon hier wurde im Palais de Tokyo demnach medienübergreifend gearbeitet. Gemäß Katalog waren in den folgenden Räumen einige Modelle und zahlreiche Dioramen ausgestellt, die unter anderem die Seine und die Pariser Berge und Gärten, die wichtigsten Monumente, die »Vie populaire et les Promenades« und »La Vie Intellectuelle et Administrative« darstellten sowie Freizeitbeschäftigung und Stadtszenen verschiedener Epochen. 53 Hier wurden auch Modelle der zukünftigen Stadtentwicklung der Viertel Saint-Gervais und Saint-Séverin ausgestellt und Dioramen von »intérieurs parisiens« im Hôtel de Lauzun, in Balzacs Haus, im Atelier von Delacroix und weiteren
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51 Weltausstellung 1937, Palais de Tokyo, Pavillon der Stadt Paris: Saal 13, Installation von Buchkästen der »bouquinistes« am Seine-Ufer, Dokumentationsfotografie, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
der »plus belles demeures de Paris«. 54 Der fünfte Raum trug den Titel »La Seine et les Montagnes de Paris«, Saal 7 verband ihn mit der Ausstellung »La Vie Parisienne« in den Sälen 8, 9 und 10, die sich im großen Saal 12 quer zu deren Rückseite fortsetzte. Der »historische« Saal 9 mit Tapisserien aus dem garde-meuble national zeigte als eine Art Ehrensaal Ausstellungsstücke prägender Entscheidungsträger, Architekten und Künstler der Stadtgeschichte. 55 Bühnenbildner Georges Mouveau und Malerin Geneviève Gallibert verwandelten den Saal 13 in eine Landschaft der Seine-Quais. 56 In Holzkästen der Bouquinistes waren der »Ville Lumière« gewidmete Bücher ausgestellt sowie Dokumente zu den vergangenen Weltausstellungen von 1835 bis 1900 (Abb. 51). 57 In seiner Rede zur Eröffnung des Pariser Pavillons hebt der Generalkommissar der Weltausstellung am 17. Juni 1937 in Anwesenheit des Präsidenten und des Handelsministers die Bedeutung hervor, die er der Ausstellung beimisst. Wenngleich sich die Stadt Paris hätte begnügen können, Schaufenster der Weltausstellung zu sein, sei es doch von entscheidender Bedeutung, ihre urbanistische Entwicklung als Grundlage ihrer Stellung als Kunststadt zu verstehen. Auch er hofft, dass die Expo 1937 in unruhigen Zeiten zum internationalen Frieden beitragen möge. 58
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Der Schluss seiner Rede deutet auf die politisierte Ästhetik des Ausstellungsvorhabens. Er schließt mit einem Zitat eines Nicht-Franzosen über Paris – dies macht rhetorisch Sinn bei der Eröffnung der Präsentation der Stadt. Bedeutsam aber ist, wen er hier zitiert, um Paris als Hauptstadt der Werte der französischen Revolution, in die anlässlich der Weltausstellung von 1937 das ganze Menschentum einziehe, zu evozieren: Den »großen deutschen Kritiker« Alfred Kerr. »En 1937, c’est l’humanité tout entière qui s’est donné rendez-vous dans la Capitale. ›Paris, comme disait le grand critique allemand Alfred Kerr, c’est la ville des hommes, c’est la ville de la fraternité‹.«59 »Humanité« hat im Französischen die doppelte Bedeutung von »Menschheit«, aber auch von »Menschlichkeit«. Wir wissen es heute besser: Mit dem nationalsozialistischen Pavillon auf der Weltausstellung 1937 zog eben nicht nur die ganze »Menschlichkeit« in Paris ein, sondern auch die Repräsentation eines Regimes, das nur zwei Jahre später den Zweiten Weltkrieg beginnen würde. Schon seit 1933 aber war es freilich angesichts der Verbrechen und Repressionen gegen jüdische Menschen und Andersdenkende um die Menschlichkeit in Deutschland schlecht bestellt. Es spricht daher einiges dafür, dass Edmond Labbé zum Schlusszitat seiner Eröffnungsrede, die er ja in Anwesenheit des französischen Präsidenten Albert Lebrun hielt, nicht zufällig Alfred Kerr anführte. Denn Kerr (1867–1948), einer der bekanntesten deutschen Kritiker, war Jude und schon im Februar 1933 über Prag und Lugano ins Exil nach Zürich und Paris gegangen. Seine Werke wurden 1933 Opfer der Bücherverbrennungen und im selben Jahr wurde er ausgebürgert. Zum Jahrestag der Bücherverbrennung 1934 sprach er in Paris zusammen mit Egon Erwin Kisch bei der Eröffnung der von Alfred Kantorowicz gegründeten Bibliothek der verbrannten Bücher.60 1937 befand er sich mit seiner Familie schon zwei Jahre im Londoner Exil. Dieses prominente Opfer der nationalsozialistischen Verfolgungen und Ideologie am Schluss der Rede zur Eröffnung der Ausstellung der Stadt Paris zitieren heißt, Paris als intellektuelle Stadt der Kunst gegenüber der nationalsozialistischen Verrohung und den politischen Entwicklungen im Nachbarland Deutschland als »Ville Lumière« hervorzuheben. Ein solcher Wille zur Ausstellung als Medium, in dem sich Fortschritt und Aufklärung verschränken, kennzeichnet auch die im Folgenden betrachteten Ausstellungen über die so eng mit dem internationalen Austausch verbundenen neuen Wissenschaften Urbanismus und Museografie. Die Ausstellung der Meisterwerke der französischen Kunst schreibt, wie zu sehen sein wird, das zukünftige staatliche Museum moderner Kunst in den Gedanken einer Kontinuität der nationalen Kunstgeschichte ein, während für die Stadt Paris schon mit der Weltausstellung 1937 die Betonung der Eigenständigkeit ihres Museums moderner Kunst einsetzt.
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DIE GEGENWAR T AUSSTELLEN: EIN »MUSÉE D’URBANISME« Während der Weltausstellung 1937 war das Palais de Tokyo der zentrale Ausstellungsort der Gruppe V Urbanisme – Architecture. Das Museum und der Urbanismus verbinden sich erstmals. In verschiedenen französischen Städten war die Konstruktion neuer Museen und Bibliotheken schon im 19. Jahrhundert ein wichtiger Schritt zur Gestaltung der urbanen Zentren, etwa das mit einem überdachten Markt verbundene Musée des Beaux-Arts in Besançon (1832–1842) und das Kunstmuseum in Le Havre (1841–1845), das wie die Kunstmuseen in Grenoble (1862–1872) und Rouen (1876– 1888) mit einer Bibliothek verbunden wurde.61 Auch gilt, dass sich die im 19. Jahrhundert entstehenden Museen in den europäischen Metropolen überwiegend in unmittelbarer Nähe zu den Machtzentren befinden, womit die urbane Lage zu ihrem Merkmal wird, das neben Programm und Dekoration der Gebäude tritt.62 Aber mit dieser ersten internationalen Ausstellung zum Thema kann das neue Palais de Tokyo insofern als ein Geburtsort des modernen Urbanismus verstanden werden, als dass er hier erstmal sichtbar als Disziplin mit visuellen Mitteln reflektiert wurde. Modelle, Pläne, Querschnitte, Kataster, Aufnahmen und Projektzeichnungen geben einer jungen Wissenschaft ein Gesicht und damit eine Ikonografie, die aufs Engste verbunden ist mit der Vorstellung von Modernität und technischem Fortschritt, der die negativen Auswirkungen der Industrialisierung überwindet. Es handelt sich um das erste Mal in der Geschichte der Weltausstellungen, dass der Begriff »Urbanisme« in den Vordergrund gestellt wird.63 Der Urbanismus wird definiert als das Zusammenspiel von Kunst und Technik, angewandt auf die Stadtentwicklung und positive Sicht auf die urbane Verdichtung.64 Im Untergeschoss des Musée d’Art moderne stellten die Klassen 17, 17ter, 21, 22 und 25 aus. Die Klasse 17, Aménagement des villes et des campagnes, unterstand Adolphe Dervaux, Präsident der Société française des Urbanistes. Sie zeigte in einem großen Ausstellungsraum als Musée Régional d’Urbanisme einen Überblick über die verschiedenen Bereiche und Mittel, mit denen urbanistische Kenntnisse erlangt werden können, vorrangig visuelle – als mache erst die Verbindung von moderner Technik und bildgebenden Künsten eine urbanistische Selbstvergewisserung und Gesellschaftsplanung möglich. Der Abschlussbericht der Weltausstellung schreibt ihr eine zentrale Bedeutung für die Einschreibung des Modernisierungsgedankens in das kollektive Gedächtnis zu. Man habe die Expo 1937 zu Recht mit der Vision eines Architekten für ein zukünftiges Gebäude vergleichen können, und der Veranschaulichung in der Urbanismus-Ausstellung verdanke sich, dass diese Vision nicht vergessen werde, sondern sich über die Expo hinweg erhalte.65 Ausgestellt wurde unter anderem auch ein Flugzeug, da die Luftaufnahme urbane Pläne erst ermögliche, neben Plänen in verschiedenen Stadien bis hin zu Reliefs, unter dem Fokus der Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten.66 Gezeigt
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wurden Beispiele für die sanitäre und infrastrukturelle Raumplanung, von Naturkatastrophen betroffene Gebiete, die Konzeption freier Räume wie Promenaden und Parks und moderner Gebäude. Im Katalog wurde die politische Bedeutung des Urbanismus hervorgehoben, da neue soziale Gesetzgebungen viele urbane Projekte erforderten.67 Es zeigt sich hier vielleicht am deutlichsten, wie das neue Kunstmuseum zugleich ein Ort ist, an dem politischer Gestaltungswille ausgestellt wird. Es wird nicht nur zum Schauplatz der Urbanismus-Ausstellung, sondern auch der Ausstellung der Sozialpolitik selbst. Als politisch gewollter neuer Museumsbau ist es selbst ein modernes Symbol für den Wunsch nach einem Ausstellungsort, an dem sich sozialer Raum konstituiert, indem sich der Besucher seines Platzes innerhalb der Gesellschaft und der politischen Gestaltung ihrer Strukturen versichern kann. Neben der Interdisziplinarität ist auch die Internationalität der Ausstellung auffällig.68 Es beteiligten sich die Société Française des Urbanistes, das Ministère de l’Air mit dem Fotografie-Flugzeug, das Agrarministerium mit Beispielen von Flurbereinigungen, während etwa Marokko mit dem dazu in Klammern genannten Office du Protectorat marokkanische Städte zeigte, der neue Hafen von Algier durch dessen Direktorium präsentiert wurde, oder die Stadt Colmar Modelle und Fotos seines neuen Krankenhauses zeigte. Weitere Projektbeispiele waren etwa eine Raumplanung von Paul und Claude Meyer-Lévy, Georges Massé, Pierre Bigot und Xénia Grisogono für die Stadt Belgrad, sowie Planungen Alfred Agaches für Orléans und Lissabon. Die Unterklasse 17ter, Urbanisme souterrain, stellte im Untergeschoss an der Ecke Avenue Président Wilson und Rue Gaston-de-St-Paul aus.69 Ein Schwerpunkt lag auf der zunehmend bedeutsamen unterirdischen Verkehrsführung. Erneut zeigt sich hier eine Ästhetisierung städteplanerischer Maßnahmen in Gegenüberstellung mit der Kunst. Unterirdischer Urbanismus wird im Abschlussbericht mit paläochristlichen Fresken verglichen. 70 Verschiedene Unternehmen stellten laut Katalog Zeichnungen und Fotografien aus. Für Ansichten eines gegen Gas abgedichteten, abgeschirmten und vollständig aus Stahl gefertigten Schutzraumes hebt der Katalog etwa gesondert hervor, dass es sich um gerahmte Fotografien handelt. Ein Alexandre Baudran ist als Aussteller einer »Collection gravures anciennes et documents sur les mines et souterrains« genannt. Gezeigt wurde auch ein Diorama des Tresorraums im Untergeschoss der Banque de France. Zwei Schaubilder von Camille Chalumeau, seinerzeit Directeur général des Travaux publics in Lyon, zeigten eine unterseeische Passage im dortigen Parc de La Tête d’Or und das Projekt eines Tunnels unter dem zentralen Hügel der Stadt, Fourvière, der im Jahr 1930 Schauplatz eines tödlichen Erdrutsches gewesen war. Interessanterweise bestand zu dieser Zeit an der Pariser Kunsthochschule eine Flugsportgruppe, Groupement Aéronautique de l’École des Beaux Arts. Als Ansprechpartner nennt der Katalog einen Herrn Pelée de Saint-Maurice. 71 Sie stellte die Konstruktion eines Gruppenschutzraumes aus. Die Stadt Paris zeigte Ansichten des Untergrundes, die Métro, Fotos, Dioramen und Filme.
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Die Unterklasse 21 wiederum vereinte verschiedene Themenbereiche rund um öffentliche Gebäude: Édifices publics et à usage public, Églises, Mairies, Écoles, Maisons du peuple, Théâtres, Cinémas, Établissements de puériculture, d’assistance et d’hygiène, etc. Hier nennt der Katalog auch alle Architekten, die die Pavillons der Weltausstellung konstruiert haben. 72 Sie stellte so verschiedene Architekten und Projekte aus wie Le Corbusier mit der Cité Refuge, die er für die Heilsarmee in Paris errichtete (1929–1933), Georges Labro mit dem zur Expo 1937 eingeweihten Flughafen von Bourget73 oder das Anfang der 1930er Jahre vom sogenannten Gruppo Toscano, Giovanni Michelucci, Nello Baroni, Pier Niccolò Berardi, Italo Gamberini, Sarre Guarneri und Leonardo Lusanna, errichtete neue Bahnhofsgebäude Santa Maria Novella in Florenz. 74 Die folgende Unterklasse 22 Habitations et Bâtiments Industriels et Commerciaux. Magasins – Bureaux – Boutiques zeigte, auch im Untergeschoss, Modelle und überwiegend Fotografien. Die ausgestellten Projekte waren so vielseitig wie die Aussteller; neben Firmen, die Produkte wie dekorative Parkette zeigten, stellten beispielsweise der Architekt Georges-Henri Bouzou aus Paris ein Foto des Ladengeschäfts »Jean de la Lune« aus, die Pariser Architektin Adrienne Gorska Fotografien von Kino-Fassaden, der Architekt Jacques Debat-Ponsan Fotos der Schlachthöfe von Bordeaux, und Auguste Perret und sein Bruder Gustave Fotos ihrer »usine Marinoni« – Vergrößerung und Umbau der Ateliers des Druckmaschinenherstellers Voirin-Marinoni in Montataire/Oise.75 Die Unterklasse 25 Cités ouvrières, Cités jardins, Etablissements et terrains de jeux, des sports terrestres et nautiques umfasste Arbeits-, Garten-, Sport- und Spielstätten. Das Generalkommissariat Deutschlands auf der Weltausstellung ist hier als Aussteller eines Modells des Berliner Olympia-Stadions genannt. 76 Der Neubau des Olympiastadions für die Spiele in Berlin 1936, eines der ersten monumentalistischen Bauprojekte Hitlers, verfehlte seine intendierte Wirkung als Propagandainstrument offensichtlich nicht. Dieses »erste architektonische Großprojekt des dritten Reiches« war die »bis dahin größte Sportanlage der Welt«. 77 Das für die Ausstellung gelieferte Modell war monumental. Der Abschlussbericht der Expo hebt die Größe von 60 Quadratmetern hervor und zeigt sich auch darüber hinaus beeindruckt. Der Beschreibung der Einrichtungen des Olympiastadions widmet er zwei ganze Seiten, wobei dies schon eine Beschränkung darstelle: »Les organisateurs purent obtenir deux maquettes du plus haut intérêt: celle du Stade olympique de Berlin et celle de la Cité des Sports de la ville de Bordeaux. La grande maquette de 60 mètres superficiels que l’Allemagne avait exposée représentait l’ensemble du Stade olympique de Berlin. Il est situé aux portes mêmes de la capitale et est digne de l’idée olympique qui a présidé la XIe Olympiade dont le peuple allemand s’était chargé. Nous ne pouvons faire un exposé complet de tous les établissements réalisés à cette occasion. Nous nous arrêterons à ceux qui offrent un intérêt particulier […].«78
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Dieser fünfte Band des Abschlussberichtes erschien 1939, im sechsten Jahr nach der Machtergreifung der Nazis. Fast könnte der Leser dieser Zeilen daher glauben, es handle sich um Ironie, wenn es hier heißt, das Stadion sei der »olympischen Idee«, die die Berliner Spiele »gelenkt« habe, »würdig« gewesen. Schon seit 1933 stand international die Frage eines Boykotts der Spiele im Raum, nachdem die New York Times am 18. April getitelt hatte, die Spiele könnten vielleicht aufgrund der antisemitischen Kampagnen der Nazis annuliert werden. 79 Hitlers Wunschmodell aber zeigte Wirkung. Abschließend heißt es nämlich zum Modell, Deutschland sei damit zu Recht stolz auf ein »grandioses Programm«: »L’Allemagne a réalisé là un programme grandiose, dont elle est fière à juste titre [...].« 80 Durch die Sektion Urbanismus der Expo 1937 im Jahr nach den Spielen wird damit der Effekt des Berliner Olympiastadions gewissermaßen gedoppelt. In Berlin ist es Zeichen der Aktivität der regierenden Nationalsozialisten. Sein Modell wird zum Zeichen für technischen und städteplanerischen Fortschritt erhoben, das sich erneut an eine Weltöffentlichkeit richten kann. Insgesamt zeigt sich, dass dem »Musée d’Urbanisme« im Palais de Tokyo eine Schlüsselrolle zukommt, denn es muss Eingriffe in die gewachsene Stadt als positiv und vorteilhaft vermitteln. Von Seiten der Kultur- und Wirtschaftspolitik hält man das neue Museum moderner Kunst für den richtigen Ort, dieses Instrument der Diagnostik der Moderne in all seiner Vielfalt der Öffentlichkeit vorzustellen. Das Palais de Tokyo erweist sich damit zur Geburtsstunde seiner Ausstellungsgeschichte als modernes Museum der Moderne: Ein Ort, an dem die Moderne der neuen Wissenschaft, die ihre Ausprägungen mit Mitteln der visuellen Darstellung untersucht, gegenübergestellt wird, und damit sich selbst.
MUSEEN IM MUSEUM: MUSEOGR AFIE-AUSSTELLUNGEN UND VERMIT TLUNGSDEBAT TEN Wie seiner Planung, ist auch der Ausstellungsgeschichte des Palais de Tokyo von Beginn an die Verbindung von Ausstellungen und der Reflexion über die Frage, wie sich Kunst in der Gesellschaft darstellt, eingeschrieben. Der Ostflügel zeigt im Erdgeschoss und in der ersten Etage museologische, das heißt, die Tätigkeiten und Arbeitsvorgänge im Museum reflektierende, Ausstellungsprojekte. Die Thematisierung der musealen Inszenierungskunst als neuer Wissenschaft unterscheidet diese in »beschreibende« und »angewandte« Museografie. 81 Die heute geläufige Unterscheidung der Begriffe Museologie als wissenschaftlicher Disziplin, die sich mit Museen befasst, und Museografie als Präsentation von Ausstellungsstücken im Museum erfolgte noch nicht systematisch, letzterer enthält im Vorkriegsfrankreich auch den Bedeutungssinn der Museologie. 82 In der »angewandten« Museografie illustrierten neben der Modell-Ausstellung zu Van Gogh zwei weitere kleine Ausstellungen Konzepte. Jene über das mittelalterliche
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Theater in Frankreich, konzipiert vom Theaterhistoriker Gustave Cohen, Professor an der Sorbonne, sollte eine »historische« Ausstellung veranschaulichen. Vergrößerte Fotografien alter Dokumente, Zitate und Kommentare, Manuskripte, Skulpturen und einiger Gemälde illustrierten die chronologische Entwicklung des liturgischen und nichtliturgischen Dramas. 83 Die Ausstellung La Maison rurale en France war von Volkskundlern und Geografen konzipiert und sollte zeigen, wie eine moderne wissenschaftliche Ausstellung ein Thema ohne verfügbare Originalobjekte vermitteln könne. Fotos, Pläne, Texte und fünf Modelle von Landhäusern zeigten das Landleben verschiedener französischer Regionen. 84 Zur allgemeinen und den drei »angewandten« Ausstellungen wurden vier Führer publiziert. 85
»BESCHREIBENDE MUSEOGRAFIE«: DIE AUSSTELLUNG INTERNATIONALER MUSEEN Mit dem Projekt soll die Öffentlichkeit über den Ausstellungsraum als Reflexionsraum technisch-künstlerischer Problemfelder und seine vielfachen Herausforderungen aufgeklärt werden, wie ein früher Entwurf zeigt. 86 Dieser sah eine sechsgliedrige Ausstellung vor, beginnend mit einem dunklen Saal mit bis zu 16 in die Wand eingelassenen Dioramen verschiedener Typen von Museen unter den weltweit wichtigsten, um nationale und funktionale Unterschiede zu verdeutlichen. 87 Hier klingt der Museografie-Kongress in Madrid 1934 nach. Es werden insgesamt acht Raumtypen genannt: Die »alte, überladene« Präsentation ohne Klassifizierung; »atmosphärische« Präsentation in period rooms; die Mischpräsentation von Gemälden, Objekten und Skulptur ohne rekonstitutiven Charakter; die »moderne Präsentation« einzelner Gattungen durch die isolierte Präsentation des einzelnen Werks »dans un décor volontairement simple et éffacé«, ähnlich dem »White Cube«. Weitere vier Dioramen sollen naturhistorische Präsentationen zeigen, einmal als Sammlung »à l’ancienne mode«; dann als Rekonstruktion eines Korallenriffs mit Fauna; als eine Landschaft der oberen Kreide; sowie ethnografische Sujets, die im Entwurf in Klammern mit der eigentümlichen Anmerkung »déformations corporelles artificielles« versehen ist. Der Projektentwurf sah weiterhin Räume mit Modellen, Querschnitten und Fotografien der technischen Ausstattung des modernen Museums sowie Sockeln und Vitrinen vor. Ein vierter Saal sollte einen tatsächlichen Museumssaal vorführen, in dem eine schwenkbare Wand mit Kopien von Gemälden und Abgüssen von Skulpturen den jeweils selben Ausstellungsraum in »alter« und in zeitgemäßer Form gegenüberstellte. Die Projektidee umfasste weiterhin einen fiktiven Saal eines Provinzmuseums, mit nur einem Raum, und einen weiteren eines naturwissenschaftlichen Provinzmuseums unter pädagogischen Gesichtspunkten. Weiterhin wünschenswert seien eine Aufnahme des neuen, in Amerika entwickelten »Kindermuseums« und eine Rekonstruktion eines
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Labors wie jenes des Louvre. 88 Erstaunlich viele dieser Projektideen wurden umgesetzt. Im Giebel über der Tür zur Sektion war aus Jade-Buchstaben der Satz Plinius’ eingelassen, dass die Wunder eines Jahrhunderts der Öffentlichkeit gezeigt werden müssten. 89 Die Ausstellung wurde am 19. Juni 1937 vom Präsidenten der Amis du Louvre und Paul Léon, Generalkommissar der Weltausstellung, eröffnet und durch die Presse als gelungene Reflexion zunehmender Herausforderungen begrüßt. 90 Die in der »beschreibenden« Museografie entwickelten Überlegungen konnten die Besucher in den folgenden drei Beispielsausstellungen angewandt sehen (Abb. 52). 91 Statistiken leiteten am Beginn der »beschreibenden« Museografie das Thema ein. Auf einen Blick war zu erfassen, dass es weltweit 6036 Museen gebe, von denen ein Drittel geschichtliche seien, während die übrigen sich zu etwa gleichen Teilen auf Kunstmuseen, naturwissenschaftliche Museen oder gemischte verteilten; Frankreich zähle 701 Museen. 92 Tafeln mit Fotomontagen und Dokumenten illustrierten den Ursprung von Museen, ihre architektonische Entwicklung sowie die Vorgänge an großen modernen Häusern an den Beispielen des Louvre und des Musée de l’Homme. 93 Ihre Ausführungen zur Sicherheit, Leuchtpläne und ein Modell der Klimatisierung, in dem »farbige Flüssigkeit oder Farbkugeln« den Luftstrom im Museumsquerschnitt zeigten, illustrierten die technische Ausstattung. 94 Anschließend zeigten Wandnischen Modelle eines Zoos, eines Freilichtmuseums in Norwegen, eines regionalen Museums und das amerikanische Modell des Kinder-Museums. 95 Der Hauptraum, eine große Rotunde, zeigte in 16 Nischen auf Sichthöhe in die Wand eingelassene Dioramen und Objekte zu den Präsentationsformen (Abb. 53). Zu den Seiten des Halbkreises wurden eine antike Skulptur mit »klassischer« Beleuchtung und eine moderne Skulptur auf einem sich drehenden Sockel mit wechselnder Beleuchtung gezeigt. Die Nischen 3, 16 und 4 zeigten Kunst- und Wissenschafts-Museen (»musée fouillis«/»disparate«), Goldschmiedearbeiten vor dunklem Hintergrund und leuchtende Mineralien. 96 Die weiteren Dioramen zeigten: Querschnitt eines »traditionellen eklektischen« Museums mit zwei Etagen mit Malerei, Skulptur und Kunsthandwerk (5), eine Mischpräsentation und einen period room (6, »musée d’ensemble (Baude)« – gemeint ist das Bode-Museum), musée d’atmosphère (7, Saint Louis), einen amerikanischen period Room (8), ein »sachliches« Museum aus Holland (9), das Pergamonmuseum Berlin (10), ein Beispiel isolierter Kunstwerke mit Las Meninas (11), das eines »komplexen« Museums aus Russland (12), das Pariser Musée Carnavalet als Beispiel eines historischen Sammler-Museums (13), das Kölner Beispiel eines komplexen historischen Museums (14, »objets exposés présentés avec le fait historique«) und Beispiele wissenschaftlicher Museen (15, »a – magasin reserve, b – Public«). Die Modelle wurden von verschiedenen Künstlern gebaut. 97 Ein Aufrissplan vom 29. Januar 1937 mit den Maßen der Nischen erlaubt ihre Zuordnung. 98 Das Diorama 13 etwa enthielt Modelle des Empire-Raumes des Musée Carnavalet (gefertigt von Maurice de Lambert und François de Marliave) und eines Cabinet eines Sammlers (de Lambert), die 80 bzw. 90 Zentimeter breit, 60 Zenti-
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52 Weltausstellung 1937, Palais de Tokyo, Ansichten der Museografie-Ausstellung, Abbildung aus L’Amour de l’Art 6/1937: La Muséographie à l’exposition internationale
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53 Weltausstellung 1937, Palais de Tokyo, Ansichten der Museografie-Ausstellung und ausgestellter Museumsmodelle, Abbildung aus L’Amour de l’Art 6/1937: La Muséographie à l’exposition internationale
meter tief und 75 Zentimeter hoch waren. Die Modelle von Berlin mit dem Pergamonmuseum und Köln waren wohl deutsche Fertigungen. 99 Ein anschließender dämmriger Zwischenraum diente der Präsentation verschiedener Beleuchtungssysteme. Vermutlich befand sich hier auch eine erwähnte Präsentation der Untersuchung von Gemälden unter ultraviolettem Licht und mit Röntgenstrahlen.100 Daran schloß sich der große Ausstellungssaal an mit verschiedenen Vitrinensystemen, einer temporären Ausstellung an einem Paravent und Laborimpressionen.101 Das Ausstellungsmaterial stammte überwiegend von französischen und deutschen Herstellern. Ein weiterer Raum erläuterte die Öffentlichkeitsarbeit von Museen. Zu diesem Zeitpunkt ist sie ein fester Bestandteil ihrer Aktivitäten geworden, denn in der Zwischenkriegszeit nahm das Interesse an physischen und psychischen Sehgewohnheiten des Publikums exponentiell zu.102 Die Museografie-Ausstellung hat einen performativen Aspekt, da dem Publikum seine eigene heterogene Zusammensetzung in der Wechselwirkung mit der Reflexion der Museumsarbeit veranschaulicht wird. Die Weichen für die Zunahme der Bedeutung der Statistik hatten frühe Soziologen und Nationalökonomen wie Ferdinand Tönnies ab Ende des 19. Jahrhunderts gestellt. In den 1930er Jahren aber ist sie fest etabliert; Walter Benjamin nutzt Statistik im Kunstwerk-Aufsatz zur Illustration der mit der Serialität des
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neuen Mediums Film zunehmenden Vergleichbarkeit.103 Die Museografie-Ausstellung definiert Öffentlichkeitsarbeit als jene Mittel, mit denen Museen versuchen, so viele Besucher wie möglich aus allen Milieus anzuziehen, bis zum Film. »Une salle importante fut consacrée [...] à la diffusion des Musées, c’est-à-dire aux moyens par lesquels les musées cherchent à attirer dans tous les milieux le plus possible de visiteurs. [...] Des panneaux étaient établis pour montrer le développement de la propagande par le moyen de la presse, de la radio, des prospectus, des conférences des catalogues. Dans une petite salle obscure, un appareil automatique de cinéma sonore projetait des films d’actualité sur les expositions consacrées à Rubens, à Cézanne, et un film documentaire sur les salles d’Antiquité orientale du Louvre.«104 Bei dem Film Rubens, der 1938 auch auf der Biennale in Venedig lief, handelte es sich um den ersten Farbfilm über Malerei überhaupt, Regie führte Kurator René Huyghe.105 In der Rundung des Ostflügels schloß sich ein großer Ausstellungssaal mit der Ausstellung zur Geschichte des Theaters von den Anfängen im Kirchenspiel bis zum Renaissance-Theater an. Auf diesen Abschnitt folgte die »section étrangère« mit den erwähnten weiteren deutschen Beiträgen. Neben Deutschland waren die Niederlande und die UdSSR dem Ausstellungsaufruf gefolgt, aber die Sowjetunion realisierte ihren Beitrag nicht.106 Aus einer Liste der deutschen Aussteller in den französischen Klassen der Weltausstellung geht der deutsche Beitrag zu diesem Teil hervor. Er unterstand dem Generaldirektor der staatlichen Museen zu Berlin, dem in den nationalsozialistischen Kunstraub involvierten Otto Kümmel (1874–1952). Als Architekt wird der Berliner Architekt Ernst Alfred Mühler genannt. Kümmel erhielt ein Ehrendiplom der Weltausstellung für den von Niels von Holst mitkonzipierten Raum mit dem deutschen Beitrag; Bénédicte Savoy vermutet, dass sich dies vielleicht dadurch erklärt, dass von Holst, als Leiter des Außenamtes der Berliner Museen und enger Mitarbeiter Kümmels eine der »ambivalentesten Kunsthistorikerfiguren der NS-Zeit«, als deutsches Mitglied in der Jury der Museografie-Sektion saß.107 Gezeigt wurden drei Museumsfilme des Kulturfilminstituts Berlin von Hans Cürlis: »1) Griechische und deutsche Skulpturen / Sculptures grecques et allemandes; Das Kunsthandwerk / Artisanat Allemand; Der Welfenschatz / le trésor des Guelfes«.108 Dazu wurden Schaubilder zum »derzeitigen Stand der deutschen Ausstellungstechnik« und eine »Übersicht über alte und neue Museumstypen« gezeigt.109 Fotografien an den Wänden zeigten Beispiele aus deutschen Museen. Themen waren ausländische Kunst, Volksbildung in Museen, Modernisierungsumbauten, die »Heimat-Museen«, TechnikMuseen und die großen alten Galerien in Deutschland.110 Demgegenüber zeigten die Niederlande einen wahrhaft modernen Beitrag, gegen den sich der deutsche ausgesprochen konservativ ausnimmt: Zwei Dokumentationserien zeigten die beiden jüngsten
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niederländischen Museen, das Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam von Ad van der Steur (1928–1935) und das schon eingangs mehrfach angesprochene Den Haager Gemeentemuseum (1935). Der Abschlussbericht der Expo nennt diesen Teil denn auch den »interessantesten«.111
»ANGEWANDTE MUSEOGRAFIE«: VAN GOGH IN DER AUSSTELLUNG DER AUSSTELLUNG Die »beschreibende« Museografie musste Rezeptionsanalyse nicht nur bei ihrer Planung berücksichtigen, sondern auch selbst als einen zu vermittelnden Gegenstand. Im Feld der »angewandten« Museografie kommt ihr die Bedeutung zu, den theoretischen Anspruch einzulösen. Bei der van Gogh-Ausstellung im ersten Stock handelt es sich damit gewissermaßen um die Ausstellung einer Ausstellung: Die Aufmerksamkeit wird ebenso auf die Werke wie die Art ihrer Präsentation gelenkt. Als Argument für die Wahl van Goghs wird dessen stetig wachsende Berühmtheit genannt. Leihgaben wurden international eingeholt, so etwa auch aus Deutschland aus der Kunsthalle Bremen.112 Die ersten »Dokumentationssäle« waren seinem Leben, Einflüssen, Denken und der vorsichtig umschriebenen geistigen Disposition – »aux mouvements et à l’évolution de sa pensée et de sa sensibilité« – gewidmet.113 Weitere Räume präsentierten dann die Werke selbst. Portraits van Goghs von eigener und fremder Hand, darunter eines von Gauguin, sowie Werke von Breitner, Isaac Israëls, Mauve und Monticelli wurden seinen Frühwerken gegenübergestellt und daneben einige Kopien van Goghs nach anderen Werken. Schautafeln mit Dokumenten illustrierten Leben und Werk: »La famille de Van Gogh / La crise mystique / Amour des humbles / L’impressionisme et le japonisme / Evolution de la technique / Rapports avec Gauguin / Auvers-sur-Oise.«114 Die Auswahl von Gemälden und Zeichnungen sollte repräsentativ sein für die Lebens- und Werkphasen. In einem Saal wurde eine neue Form der Präsentation von Gemälden ausprobiert. Nur mit Nennung des Titels wurden sie gemäß einem Modell, das nach van Goghs eigenen geäußerten Wünschen ausgearbeitet wurde, vor einem blassgrünen Hintergrund in weißen Rahmen gezeigt. Die Intention der Ausstellungsmacher, ungeschultes Publikum an die Werke heranzuführen, führte zu starken öffentlichen Kontroversen. Kritiker warfen ihnen »pädagogische Präsentationen« vor.115 Konzipiert hatte sie der Kunsthistoriker, Autor und Konservator René Huyghe (1906–1997), der im Mai 1937 zum Conservateur en chef des peintures am Louvre aufstieg. Germain Bazin (1901–1990) wurde sein Assistent. Huyghe war 1934 auch Delegierter auf dem internationalen Museologie-Kongress in Madrid. Mit 24 Jahren Chefredakteur der Kunstzeitschrift L’Amour de l’Art geworden, experimentierte er dort mit einem komparatistischen Ansatz, der nach Pascal Ory maßgeblich die späteren Arbeiten von André Malraux beeinflusste und zum Teil inspirierte.116 Der Auf bau der van Gogh-
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Ausstellung steht in vollem Einklang mit Huyghes Idee des Museums als »sozialem Organismus«, der kein Speicher, sondern ein aktiver Vermitter der Sozialgeschichte der Kunst ist. Ihr Ziel, ungeschulte Betrachter ohne Publikationen, nur mit Mitteln der Ausstellung an ein »intellektuelles und sensibles Verständnis« der Sammlungen eines Museums heranzuführen, korrespondiert zudem mit der Bildungsoffensive des Front Populaire und besonders Jean Zays.117 Gerade an den Schau- und Erklärungstafeln entzündete sich vielfach Kritik. Die Rezension im Burlington Magazine nannte sie »teutonisch didaktisch« und beharrte auf einer Trennung von Museen, Ausstellungen und Bildungseinrichtungen.118 Die zahlreichen französischen Presseartikel waren geteilt zwischen Begeisterung für das Konzept und der Ablehnung als zu simplifizierend. Die Trennlinie verlief zwischen linken und konservativen politischen Lagern. Linke Meinungen sahen darin den Vorboten einer Demokratisierung einer elitären Institution.119 Auch Jean Cassous spätere Assistentin am MNAM ab 1945, die Journalistin Agnès Humbert (1896–1963), sah in der allgemeinen Erneuerungsstimmung und dieser Ausstellung »dans un large esprit humain« eine für Kenner wie Arbeiter gleichermaßen zugängliche Kunst näher rücken.120 Hingegen nahm die zeitgenössische Rechte die Ausstellung zum Anlass, gegen die Kulturpolitik des Front Populaire anzugehen in rechtskonservativen Blättern wie Je suis partout, das von 1930 bis zur Befreiung Frankreichs 1944 bestand und in der Besatzungszeit zu einem der antisemitischen und kollaborationistischen Hauptorgane wurde, und Candide, die beide der rechtskonservativen, antiparlamentaristischen, royalistisch-antirepublikanischen Zeitung L’Action Française nahestanden.121 Hier forderten etwa der rechtskonservative royalistische Historiker und Journalist Pierre Gaxotte, ein erbitterter Gegner des Sozialisitenführers Léon Blum, man solle diese »Schulstunden sein lassen«; Pierre du Colombier schrieb, man solle den Besucher mit »considérations esthétiques« verschonen, wenn er denn die »Gabe« dazu habe, werde er sich schon selbst in Kenntnis setzen.122 Die rechten Kritiker wandten sich mit einem solchen antiegalitären Konzept einer »Gabe« zum Kunstverständnis und rein ästhetischem Erleben gegen Bildungsprojekte wie Abendkurse über Kunst für Arbeiter. In Je suis partout bezeichnete François Fosca die »publizistischen Methoden« der van Gogh-Ausstellung als »Umschmeichelung der niederen kindischen Neugier der Massen« und forderte, den Massen Anstrengungen abzuverlangen.123 Fosca war Attaché am Louvre und von 1927 bis 1930 parallel Chefredakteur der Zeitschrift L’Amour de l’Art. Er hatte René Huyghe dort persönlich zu seinem Nachfolger ernannt, weshalb das harte Urteil und der Angriff auf Huyghe erstaunen.124 In einem programmatischen Aufsatz über die Aufgabe von Museen wies Huyghe im Oktober 1937 aufgrund der vorangegangenen Angriffe das Attribut des »Marxisten« zurück; dennoch wurde sein Aufsatz in L’Action Française als das »Manifest« einer »Moskauer Pädagogik« bezeichnet.125 Auch der Kritiker Waldemar-George, der sein Urteil über die Nymphen des Palais de Tokyo mit dem Stilideal des Renaissance-Bildhauers
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Jean Goujon so konservativ begründet hatte, äußerte sich kritisch. Waldemar-George selbst, »interprète privilégié de cette conscience 1937 d’une manière ›à la française‹ de l’art moderne« (Bruno Foucart)126 , propagierte einen »Neo-Humanismus« mit dem Menschen als Maß aller Dinge in der Kunst und sympathisierte mit dem italienischen Faschismus.127 Er prangerte in einer Umfrage von Beaux-arts eine Aneignung der »Doktrinen« von Marx und Sigmund Freud an – Ausweis einer offen reaktionären Haltung128 , obwohl er zuvor mit Huyghe zusammengearbeitet hatte.129
DIE WAHRHEIT DES NACHHALL S: WALTER BENJAMIN REZENSIERT EINE KRITIK DER MUSEOGRAFIE-AUSSTELLUNG Eine weitere Kritik an der van Gogh-Ausstellung findet sich an ganz anderer Stelle: In Georges Salles Buch Le Regard von 1939. Anders als die politischen Einlassungen geht es ihr um die Frage, wie Kunstwerke im Museum in ihrer Wirkung zu ihrem Recht kommen. Walter Benjamin, der als eine seiner letzten Arbeiten überhaupt dieses Buch 1940 noch in Paris rezensierte, erkannte das als die zentrale Qualität von Salles Reflexionen. Georges Salles (1889–1966) war seit 1932 Konservator der asiatischen Abteilung des Louvre und wurde 1941 Direktor des Musée Guimet. Von 1945 bis 1957 war er Directeur des musées de France. Le Regard vereint Gedanken über Museen, Sammlungen, Ausgrabungen und die Wahrnehmung von Kunst. Das zweite Kapitel trägt den Titel »Le Musée« und wird mit einer Reflexion der museografischen Modell-Ausstellung van Goghs eingeleitet. Auf Salles wirkte sie wie ein »fesches Kinderzimmer«, in dem ihm mit »Erfindungsgabe« sein Beruf erklärt worden sei.130 Zur allgemeinen MuseografieAusstellung verliert er mit viel Humor nur Worte über die sterile Wirkung der Schautafeln und Vitrinen: »Au rez-de-chaussée, voici un échantillonnage: des photographies grandeur nature, des alphabets d’opticien, des tableaux synoptiques servent de fond à des vitrines hygiéniques, ripolinées de blanc. Quelques braves poteries françaises y sèchent comme un beefsteak dans un frigidaire. Nous pouvons les approcher sans danger et les examiner sans émoi: elles sont stérilisées.«131 Die van Gogh-Ausstellung nimmt er aber zum Anlass einer Kritik des didaktischen Modells. Durch die biografischen Erläuterungen zerfalle sie in bunt schillernde »Flurstücke« aus Bildern und eine schwarz-weiße Typografie, die den ganzen Plakatstil freilege.132 Typografische Überlagerungen erinnern ihn an die Werbeindustrie, die sich den künstlerischen Gestus angeeignet habe, den Picasso und Braques mit den kubistischen Papiers collés um 1911–1912 erneuerten. In diesen werden im Arbeitsprozess Papierstücke auf das entstehende Bild geklebt und eingearbeitet. In den Schautafeln sieht Sal-
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les nun ein Echo einer Werbeindustrie, die sich das innovative Wirken der Künstler zu Eigen gemacht habe. »Je songe à ces papiers collés que, vers 1911, réinventèrent Braque et Picasso. Titres tronqués, pages découpées, alphabets dispersés y produisent des accords où ça et là se glisse la sonorité inattendue d’un mot lisible. Sous les doigts de grands artistes le papier, imprimé ou non, s’était mué en matériau. La trouvaille a, par la suite, été utilisée par la publicité. Nous en avons ici un écho.«133 Salles kritisiert die Verballhornung der Technik Picassos und Braques zu plakativen »Buntheiten« als ungeeignet zur Informationsvermittlung. Die in Stücke geschnittene Person, der verlorengegangene van Gogh, müsse in seinen Bildern wiedergefunden werden.134 Durch die lehrbuchmäßige Museografie kämen diese aber nicht zu ihrem Recht. Mit den einheitlichen weißen Rahmen erscheinen ihm die Bilder van Goghs als eine Reihe »unerbittlicher leuchtender Rechtecke ohne Inhalt«.135 Ob van Gogh selbst diese Rahmen für ein einzelnes Werk gut fand sei unerheblich, da zu dessen Zeit die Farbe frisch gewesen sei und sie anders wirkten, als im Nebeneinander von vierzig Gemälden. Überdies habe die leicht grünliche Wandfarbe den Bildern einen »griesgrämigen Schleier übergelegt, die Flammen des Werks erstickt« und »fast irrsinnige Vision schmerzlos« gemacht.136 In »banalen vergoldeten« Rahmen und einer warmen Wandbespannung hätten die Bilder den Betrachter dagegen erschüttern können »de toute la violence hallucinée qu’elles crient«. Auf die Gefahr eines déjà-vu hin hätte Huyghe besser daran getan, auf dogmatische Anliegen zu verzichten: »Nous aurions eu un Van Gogh poignant, au lieu d’un décor de crémerie trop opportunément hollandaise.«137 Salles Kritik ist ein rhetorisches Plädoyer dafür, Kunstwerke authentisch für sich sprechen zu lassen. Vielleicht ist dies die zentrale Übereinstimmung unter vielen, die Walter Benjamin bei der Lektüre des Buches vorfand. Er konnte darin eine überraschende Nähe zu eigenen Überlegungen und Figuren, besonders des Sammlers, in seinen Arbeiten zur Wahrnehmung von Kunst und Stadt erkennen. Für die Buchhändlerin und Verlegerin Adrienne Monnier (1892–1955), die ihm das Buch Salles geschenkt hatte, verfasste er eine Rezension, die als die letzte publizierte Arbeit vor seinem Tod gelten kann. Mit Monnier, die in Paris den Buchladen La maison des Amis des Livres, eine zentrale Begegnungsstätte internationaler Schriftsteller, führte, verband ihn eine von tiefer Sympathie getragene Freundschaft. Sie hatte im Herbst 1939 die Freilassung Benjamins erreicht, als dieser als Deutscher im Internierungslager Nevers festsaß. Kennengelernt hatten sie sich durch den Übersetzer und Germanisten Félix Bertaux (1881–1948). Er stand der Nouvelle Revue Française nahe, in der Monnier, unter dem Pseudonym J.-M. Sollier, Gedichte veröffentlichte. Diese beeindruckten Benjamin, so dass Bertaux Ende Januar 1930 die Verbindung zwischen beiden herstellte.138 Benjamin las Salles Le Regard im März 1940. Seine in Form eines Briefes an Monnier geschriebene Rezension
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erschien im Mai 1940 in ihrer Zeitschrift La Gazette des Amis des Livres unter dem Titel Une lettre de Walter Benjamin au sujet de »Le Regard« de Georges Salles.139 Im Juni 1940 verließ Benjamin Paris auf der Flucht. Den Herausgebern der Kritischen Gesamtausgabe seiner Werke gilt der Nachlaßbefund als Ausweis seiner intensiven Beschäftigung mit Salles Buch. Damit steht sie neben der letzten bekannten Arbeit, den Thesen über den Begriff der Geschichte, als wichtige Arbeit der letzten Monate vor seinem Tod im September 1940.140 Die Briefform war vorgegeben, wie Adrienne Monnier 1952 im Mercure de France in einer Einleitung zur Veröffentlichung von Benjamins Aufsatz Der Erzähler. Betrachtungen zum Werk Nikolai Lesskows (1936)141 erinnert. Diesen Aufsatz hatte seinerzeit Jean Cassou für die Zeitschrift Europe vorgemerkt, die aber im August 1939 ihr Erscheinen einstellte.142 Benjamin hatte Georges Salles auch persönlich kennengelernt, als ihn dieser 1938 durch seine Ausstellung einer Sammlung chinesischer Malerei in der Bibliothèque nationale führte. Benjamin verfasste darüber eine Besprechung in Europe 143, Peintures chinoises à la Bibliothèque Nationale.144 Der erste und zugleich wichtigste Aspekt, den er an Salles Buch hervorhebt, ist dessen Eintreten gegen schnelle Urteile. »La particularité essentielle de Georges Salles pourrait bien être une ingénuité souveraine dans la réception de l’œuvre d’art. C’est en tout cas le don qu’il voudrait avant tout communiquer au public. Qui ne l’approuverait parmi ceux qui sont toujours péniblement frappés par le spectacle qu’offre, dans une exposition, en vogue, le grand public – hâtif dans son parcours, impatient d’en venir au jugement et pauvre dans les termes pour l’énoncer.«145 Salles vergleicht die Schulung zum Kunstgenuss mit dem im Volk verbreiteten Genuss von Wein. Eine ähnliche Verbindung zwischen der ästhetischen und körperlichen Dimension stellt Benjamin in seinem Kunstwerk-Aufsatz her, wo er am Beispiel der Architektur auf die Rezeption in Gebrauch und Gewöhnung abstellt. Es erstaunt daher nicht, dass er Salles Idee des edukativen Museums vollends zustimmt. »On ne peut donc que tomber d’accord avec Georges Salles, quand, résumant certaines expériences dont le champ a été le Louvre, il est amené à écrire: ›Un musée réellement éducatif aura pour premier but d’affiner nos perceptions, ce qui sans doute n’est pas malaisé chez un peuple qui, si on l’y engage, saura apprécier ses poteries ou ses tableaux aussi bien que ses vins‹.«146 Dass Benjamin diese Stelle aus Salles zweitem Kapitel Le Musée zitiert, ist sicher kein Zufall. Im Satz unmittelbar davor plädiert Salles für Ausstellungsbedingungen, die dem Objekt erlauben, in seiner eigenen Sprache in das Ohr des Betrachters zu sprechen. Nur diese seien nötig, damit die Massen auf Grundlage der plastischen Eigenwerte des
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Objekts dessen ästhetischen Wert erkennen.147 Benjamin hatte schon früh in Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen (1916) die Eigenmitteilung der Dinge als das Wesen der Sprache zu exemplifizieren versucht im Gedanken, dass Sprache nur deren klarste Erscheinung ist: »Die Antwort auf die Frage: was teilt die Sprache mit? lautet also: Jede Sprache teilt sich selbst mit. Die Sprache dieser Lampe z. B. teilt nicht die Lampe mit (denn das geistige Wesen der Lampe, sofern es mitteilbar ist, ist durchaus nicht die Lampe selbst), sondern: die Sprach-Lampe, die Lampe in der Mitteilung, die Lampe im Ausdruck. Denn in der Sprache verhält es sich so: Das sprachliche Wesen der Dinge ist ihre Sprache.«148 Salles spricht davon, wie sich noch der kleinste Krimskrams (»moindre bibelot«) mitteilt. Der Gedanke einer Selbstmitteilung des Objekts ist eine Konstante vieler Arbeiten Benjamins und selbst im Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit spürbar, wo er den »für geschichtliche Gegenstände vorgeschlagenen Begriff der Aura an dem Begriff einer Aura von natürlichen Gegenständen« illustriert: »An einem Sommernachmittag ruhend einem Gebirgszug am Horizont oder einem Zweig folgen, der seinen Schatten auf den Ruhenden wirft – das heißt die Aura dieser Berge, dieses Zweiges atmen.«149 Allerdings unterläuft Benjamin ein Fehler: Er schreibt, bei Salles Reflexion der ästhetischen Bildungsfunktion des Museums handle es sich um ein Résumé von Erfahrungen im Louvre. Der leitet aber erst im nächsten Absatz nach der von Benjamin zitierten Stelle zum Louvre über.150 Salles Ausführung, das oberste Ziel des Museums müsse die Verfeinerung unserer Wahrnehmungen sein, bezieht sich auf die Museografie-Ausstellung im Palais de Tokyo und besonders die van Gogh-Ausstellung.151 Dies ergibt sich aus der Struktur des Textes, aber auch aus einem impliziten und einem expliziten Bezug auf seine Kritik der Ausstellung. Wenn Salles in dem Satz, den Benjamin zitiert, schreibt, das Volk könne seine Töpferwaren (»poteries«) ebenso zu schätzen lernen wie seine Weine, dann ist dies ein Bezug auf die »Quelques braves poteries françaises« in den Vitrinen der Museografie-Ausstellung, die Salles davor mit vor sich hin trocknenden Beef-Steaks verglichen hatte. Die Gedanken zur Eigensprache der Kunstwerke stehen darüber hinaus explizit im Kontext der Diskussion um die Ausstellungsdidaktik der van Gogh-Ausstellung. Indem er von den Werken her argumentiert, nimmt Salles eine Mittelstellung in der Kritik ein. Wie gesehen, teilt sich diese hauptsächlich in eine rechtskonservative Kritik am sozialistischen Bildungsideal, und die letztlich mit demselben Sozialdünkel operierende Kritik, wonach der Masse entweder ihr eigenes mangelndes Wissen vorgeführt oder keine Anstrengung abverlangt werde. Salles wiederum kritisiert die pädagogische Präsentation damit, dass sie der Masse die vormals der Elite zugängliche Eigenwirkung der Kunst vorenthalte.152
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Benjamin erkennt in Salles Buch noch viel mehr. Die Reflexionen zu Pariser Straßen und Sensibilität für die Figur des Sammlers vergleicht er mit dem »élément parisien dans Proust«, einer »sensibilité toute urbaine« für die »vertiges auxquels expose le tourbillon des métropoles«.153 Zum Ende der kurzen Rezension kommt er aber auf diese natürliche Sensibilität für eine Wirkung von Kunstwerken zurück: »Une sensibilité intransigeante, aux réactions sans appel, a, chez Georges Salles, sa contre-partie dans un jugement qui, négligeant l’érudition facile, s’engage dans les chemins détournés de la pénétration théorique. ›La vérité‹, en effet, ›n’est pas dans l’immédiat, elle n’est pas davantage dans l’habituel.‹ Voilà le langage d’un écrivain pour qui la dialectique n’est pas un concepte livresque mais une chose éprouvée dans la vie. C’est pourquoi Le Regard se rattache non seulement aux plus subtiles de nos tentations mais aux plus ardues de nos tentatives.«154 Es ist eine interessante Opposition, die Benjamin mit »nos tentations« – unsere Versuchungen – und »nos tentatives« – unsere Anstrengungen – aufstellt. Salles Dialektik in Le Regard, seine Sensibilität für Dinge bei gleichzeitiger theoretischer Durchdringung, verbinde sich mit diesen beiden. Der Plural »unsere« verweist sowohl auf die Leser des Buches, als auch auf den Autor Benjamin selbst, der hier eigene Versuchungen und Anstrengungen anspricht, an die sich Salles Le Regard anbinde. Die »subtilen« Versuchungen sind jene Dinge, die in der Wahrnehmung des Flaneurs auf der Straße zu einer Dialektik der Einsicht führen, und die Anstrengungen sind jene, die Benjamin unternommen hat, um diese Wahrnehmungen auf einer material-historischen Grundlage zu montieren, vor allem mit dem Passagen-Projekt, aber auch mit dem Kunstwerk-Aufsatz. In diesem geht er wie Salles einem ästhetischen Urteil, einem »jugement«, nach, das in die verschlungenen Pfade einer theoretischen Durchdringung, die »chemins détournés de la pénétration théorique«, führt. Das an dieser Stelle von Benjamin gewählte Zitat steht im letzten Kapitel von Le Regard, »La Journée«. Der Originalzusammenhang zeigt, dass die spezifische Verbindung von Straßenwahrnehmung und zeitgenössischen Kunstwerken auch bei Salles der eigentliche Kontext der »Wahrheit des Augenblicks« ist: »La vérité de l’instant n’est pas dans l’immédiat; elle n’est pas davantage dans l’habituel. Ce n’est pas ici dans la rue qu’il me faut la trouver; mais là-bas, parmi les peintures singulières, cubistes ou fauves, groupées sous le hangar de pierre que je viens de quitter. Or qu’y voit-on? Une réalité brisée et restituée en nappes de couleurs, en cubes, en arabesques, en un mirage oriental ou maure, asiatique ou africain, à travers lequel le visage de l’Occident se perd, se retrouve et s’arrange comme il peut.«155
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Das Gedankenbild ist eine Erinnerung an avantgardistische Kunst bei einem Gang durch die Straßen von Paris. Auf den beiden vorhergehenden Seiten schildert Salles einen Tag, an dem er im Jeu de Paume die Ausstellung zeitgenössischer Kunst besucht und danach die Kunst die Bilder der Straße überlagert: »Je regarde des Matisse, des Picasso, des bois nègres [...] Lorsqu’au sortir du Jeu de Paume je reprends ma promenade interrompue, à ma suite le musée a envahi la rue.«156 Erst dieser Gang durch die Straßen führt zur Einsicht, dass sich die Wahrheit nicht in der Unmittelbarkeit im Museum und nicht im Gewöhnlichen im alltäglichen Straßenbild ergibt, sondern im »là-bas« des ästhetischen Nachhalls, in der »réalité brisée et restituée«.
DIE PR Ä SENTATION DER INTERNATIONALEN GEISTIGEN ZUSAMMENARBEIT Die Diskussion der Ausstellung und der Wirkung von Kunstwerken in Hinblick auf ihr Publikum wurde schon 1937 im Palais de Tokyo Teil des öffentlichen Diskurses. Der »idealen Präsentation« wie sie die Museografie-Ausstellung zeigte kam eine zentrale Rolle zu im Narrativ der Weltausstellung als »Beschützerin« der Künste.157 Damit wird auch die Notwendigkeit eines neuen Museums moderner Kunst betont. Es hat eine politische und ästhetische Eigenlogik, wenn internationale museografische Strategien in einem gänzlich neuen Museumsbau ausgestellt werden, bei dem es sich zugleich um einen für zeitgenössische Kunst handelt. Von Anfang an richtet sich an das Palais de Tokyo der Anspruch, ein Ort zu sein, an dem neue Gesetze des Wirkens von Kunstwerken nach innen und außen erprobt und definiert werden. Dem Medium der Ausstellung kommt dabei die Funktion zu, den Besucher in diese lebendige Suche einzubeziehen. Der internationale Austausch prägte das Palais de Tokyo nicht nur durch den Museologie-Kongress in Madrid, sondern auch durch diese Reflexion des Ausstellungsraums mit internationalen Beispielen. Das Palais de Tokyo wird aber auch zum Ausstellungsort der internationalen Kooperation selbst. Ein Teil des Stocks des Ostflügels neben der Muséographie zeigte die Ausstellung Coopération Intellectuelle.158 Der Katalog der Weltausstellung informiert wenig über die Ausstellung der Coopération Intellectuelle Internationale obwohl dies eines ihrer Hauptanliegen war – wohl, weil Konferenzen und Zusammenkünfte weit besser geeignet sind, ihm Gestalt zu geben, als eine Ausstellung. Das Generalsekretariat des Völkerbundes und das Institut für Intellektuelle Zusammenarbeit (IICI) organisierten zusammen mit dem Generalkommissariat der Weltausstellung im Juli 1937 eine Serie von Veranstaltungen, die den »Monat der intellektuellen Zusammenarbeit« bildeten.159 Vier Hauptkonferenzen mit mehreren hundert teilnehmenden ausländischen Persönlichkeiten, Wissenschaftlern, »hommes de lettres« und Professoren waren vorgesehen.160 Zahlreiche Würdenträger bildeten das französische Begrüßungs-Komitee, dar-
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unter der Präsident der Ecole Normale Supérieure Célestin Bouglé, Georges Duhamel, der Kunsthistoriker Henri Focillon, der Direktor der musées nationaux Henri Verne, Jules Romains und Paul Valéry.161 Dass dem Hauptanliegen der internationalen Zusammenarbeit im Palais de Tokyo ein Ort geschaffen wurde, zeigt die zentrale Position dieser Ausstellung Les Échanges intellectuels à travers le monde. Sie wurde im Namen der Commission française de coopération intellectuelle von Louis Gallié und Georges-Henri Rivière organisiert. Edouard Herriot, zu diesem Zeitpunkt Präsident der Abgeordnetenkammer, und Bildungsminister Jean Zay eröffneten sie am 11. Juni 1937.162 Ein Saal stellte internationale Jugendaustauschorganisationen vor. An der Wand war ein Satz einer 14-jährigen Schülerin angebracht, der die Hoffnung auf Einheit der Nationen ausdrückte: »La salle de la jeunesse évoque toutes les manifestations qui tendent au rapprochement des jeunes du monde entier. Malgré sa sobriété voulue, elle est vibrante et, à elle seule, la phrase d’une enfant de 14 ans, Jacqueline Boucher, du collège de Péronne, qui est inscrite sur le mur de la salle, suffirait à symboliser les espoirs de demain sur l’union des peuples: ›C’est la jeunesse qui doit provoquer le geste d’union‹.«163 Zur Ausstellung erschien nachträglich ein schmales Album. 18 Doppelseiten illustrieren internationale kulturelle Gemeinsamkeiten und Prinzipien der Zusammenarbeit und des Austauschs mit zahlreichen Fotografien in Schwarz-Weiß und kurzen Texten, meist in roter Schrift.164 Ein Aufrissplan zeigt die Dynamik der zueinander versetzt aufgebauten Ausstellungsräume und ihre flexiblen Wandmodule. Das Album hält auf der letzten Seite fest, dass die internationale Jury der Ausstellung einen großen Preis verlieh. Die Albentafeln folgen der Anordnung der Räume und enthalten alle eine in einen Kreis gefasste fotografische Aufnahme, die Teile der auf den Albenseiten abgebildeten Wand- und Schaubilder in der Ausstellungssituation zeigt. Die vorletzten Doppelseiten zeigen eine Ansicht des Lesesaals und fotografische Eindrücke, auf denen gut das in der Rundung des Ostflügels des Palais de Tokyo durchlaufende Deckenlicht zu erkennen ist, das noch heute den Raum des ARC (Espace Animation, Recherches, Création) im Musée d’Art moderne de la Ville de Paris prägt (Abb. 54). Die Ausstellung begann in einer »Salle des précurseurs« mit Portraits gesitiger Väter auf der Wand, auf die der Besucher von der Treppe ins Obergeschoss zulief. Rechterhand lag die »Salle de la Jeunesse«, gefolgt von den Räumen »Enseignement«, »Science«, »Littérature«, »Folklore« und eine lange »Salle de la Coopération Intellectuelle«. Der Lesesaal führte wieder ins Treppenhaus. Die Vordenker, auf die man sich bezog, stehen zu Beginn des Albums hinter einem transparenten Vorsatzblatt mit dem Satz »Dans tous les pays du monde, des hommes ont rêvé de préparer la paix entre les nations par le rapprochement des esprits«. Moderne, expressive Portraits zeigen Jean-Jacques Rousseau, William Penn, Immanuel Kant, Erasmus von Rotterdam, Benjamin Franklin und Henri Comte de Saint-Simon, jeweils mit
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54 Weltausstellung 1937, Palais de Tokyo, Ansichten der Ausstellung der internationalen geistigen Zusammenarbeit, Abbildung aus dem Album Les Échanges Intellectuels à Travers le Monde. Exposition Internationale Paris 1937, Paris 1938
Kurzbiografie und einem Zitat zur Friedensphilosophie. Ohne Portraits, aber mit Biografie und Zitaten stehen daneben Francisco de Vitoria, Comenius, Johann Wolfgang Goethe, Robert Owen, Hugo Grotius, Léon Bourgeois und Woodrow Wilson. Den Hintergrund bildet eine Fotografie der Ausstellungswand mit den Portraits. Dem Ausstellungsbesucher wurde damit eine Verbindung von Denken und politischem Handeln als Leitidee an die Hand gegeben. Das zu Kant gewählte Zitat aus Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf verdeutlicht dies: »Les réflexions des philosophes sur les conditions de la possibilité de la paix doivent inciter les Etats qui se préparent à entrer en guerre à délibérer entre eux.« Die erste Doppelseite des Albums veranschaulicht »l’espoir ou L a Jeunesse«. Fotografien illustrieren Kongresse und Reisen, die zwei Hauptelemente des internationalen Jugendaustausches, zusammen mit einem großen Zitat Michel de Montaignes: »La visite des pays étrangers est nécessaire pour en rapporter principalement les humeurs de ces nations et leurs façons et pour frotter et limer notre cervelle contre celle d’autrui.« Die nächsten Elemente sind eine Darstellung der internationalen universitären Sportspiele und Jugendherbergen, gefolgt von einer Doppelseite zur »correspondance interscolaire«, der von Schulen organisierten Brieffreundschaft. In 10 Jahren, heißt es dazu, hätten
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1.032.660 junge Menschen aus 48 Ländern über 1 Million freundschaftlicher Briefe ausgetauscht. Die folgende Doppelseite illustriert die Forderung des Völkerbundes, in allen Ländern die Schulbücher von Fremdenhass zu bereinigen, »faire disparaître des livres scolaires les excitations à la haine des étrangers«. Veranschaulicht wird dies mit der Gegenüberstellung von zwei französischen Schulbuchentwürfen zum Vertrag von Versailles 1919. Im »schlechten« Beispiel dominiert die Darstellung eines »Heldenfriedhofes« eine Illustration des Vertrags als »La Paix glorieuse« der portraitierten »Sieger« Foch, Joffre und Pétain über die Deutschen: »Né à Versailles, l’Empire allemand s’écroule à Versailles!« Das »gute« Gegenbeispiel verzichtet auf solche Inszenierung und zeigt stattdessen eine statistische Gegenüberstellung der Zahlen von Mobilisierten und Toten, während das Zentrum von einer Darstellung der Ziele des Völkerbundes dominiert wird. Die interessante folgende Doppelseite zeigt, wie Ton- und Bildaufnahmen und die technische Reproduzierbarkeit zum intellektuellen Austausch beitragen können und weist auf die internationale Konvention zur Vereinfachung der Verbreitung von Filmen mit geistesbildendem Wert hin. Es folgen Darstellungen des Mediums Buch und Hinweise auf die bibliografischen Karteien des Institut de Coopération Intellectuelle, der künstlerischen Erziehung von Kindern und internationaler Ausstellungen von Kinderzeichnungen, sowie eine Veranschaulichung internationalen wissenschaftlichen Zusammenwirkens anhand eines Schaubildes mit der Evolution der Evolutionstheorie. Weiterhin wird der internationale Kulturgüterschutz gezeigt, mit dem Hinweis, dass Bestandsschutz und Modernisierung nicht unvereinbar sind: »La conservation des vestiges du passé peut se concilier avec l’exigence de l’urbanisme moderne.« Dazu wird eine bis zum First in Wasser stehende ägyptisch wirkende Tempelanlage gezeigt (Abb. 55). Hier heißt es: »Pour sauver les monuments menacés, la collaboration internationale est indispensable.« Aus heutiger Sicht wirkt dies wie eine Vorwegnahme der Versetzung der Tempel von Abu Simbel, die aufgrund der Bedrohung durch den Assuan-Stausee in den 1950er und 1960er Jahren erwogen und schließlich 1963 bis 1968 unter Leitung der UNESCO durchgeführt wurde. Die weiteren Teile der Ausstellung seien hier aufgezählt: »La coopération scientifique«; »La Littérature«; im Folklore-Saal wurden international verbreitete Bräuche thematisiert, so »L’Âme humaine est partout la même«, die Frühlingsfeste »Les mais«, »Jeux de ficelle« – das Fadenspiel, das in vielen Kulturen vorkommt, und in der Ausstellung mit Handmodellen an einer Wand zahlreiche Figuren des Spiels zeigte – und »Arbre de Noël«, die Verbreitung des Weihnachtsbaumes in der ganzen Welt im Laufe von vier Jahrhunderten. Die »salle de coopération intellectuelle« ging auf die Arbeit des IICI und des Bureau International du Travail ein und auf die Probleme des internationalen Maschinismus. Ein Schaubild in Ausstellung und Album zeigte alle Organe des Völkerbundes und ihren Beitrag zur intellektuellen Zusammenarbeit. Weitere Themen waren hier Musik und die Beziehungen zwischen Orient und Okzident unter einem Motto von
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55 Weltausstellung 1937, Illustration der internationalen Zusammenarbeit beim Schutz von Kulturgütern aus dem Album zur Ausstellung Les Échanges Intellectuels à Travers le Monde. Exposition Internationale Paris 1937, Paris 1938
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Rabindranath Tagore, des bengalischen Trägers des Literaturnobelpreises 1913 – »Il n’y a pas de barrière infranchissable entre l’Orient et l’Occident«. Eine im Album doppelseitig wiedergegebene Darstellung zeigte die Preisäquivalenzen zwischen Waffensystemen und konstitutiven Elementen der Zivilgesellschaft, die mit symbolischen Fotografien dargestellt wurden. So erfuhr der Betrachter, dass für den Preis eines Panzers ein Leuchtturm, eine Ferienkolonie oder ein Universitätsgebäude zu haben wären, zum Preis einer Patrone eine Flasche Milch, »un geste d’amitié« – ein Blumenstrauß, eine Zeitung oder ein Almosen. Im Rückblick auf die nur zwei Jahre später einsetzenden Gräuel des Zweiten Weltkrieges kann man aus heutiger Sicht über die Reflexionen des internationalen Austausches und Kooperation bis in kleinste Details nur staunen. Diese außergewöhnliche Ausstellung ist ein Mahnmal dafür, welch großes Potential der internationalen Zusammenarbeit so kurz darauf ebenfalls durch Deutschland zunichte gemacht wurde.
DIE AUSSTELLUNG »CHEFS -D’ŒU VRE DE L’AR T FR ANÇ AIS« Ursprünglich sollten 1937 im staatlichen Westflügel des Palais de Tokyo die Werke der Gruppe VI, grafische und plastische Künste, gezeigt werden. Relativ spät entschied man jedoch, im höher gelegenen Rez-de-Chaussée und der ersten Etage eine Retrospektive französischer Kunst zu zeigen: Chefs-d’œuvre de l’Art français (Abb. 56). Für bildende Kunst musste daher ein eigener Pavillon an der Ecke Quai d’Orsay und Avenue Rapp errichtet werden, der getrennt Werke ausländischer und französischer Künstler zeigen sollte. Dessen nachteilige Enge wurde zum Vorteil umgedeutet, »de manière à avoir de la diversité et à créer une atmosphère chaude et vivante«.165 Dass der Präsident der verdrängten Gruppe im Katalog auf diesen Vorgang eingeht, spricht für eine politische Dimension. Durch die Entscheidung für eine Retrospektive französischer Kunst wird einerseits der museale Charakter des neu errichteten Palais de Tokyo betont, andererseits soll sie an zentraler Stelle ein nationales Sendungsbewusstsein einlösen, dem eine internationale Ausstellung moderner und zeitgenössischer Werke weichen muss. Organisiert wurde die große Ausstellung wesentlich vom Directeur général des Beaux-Arts Georges Huisman und Jacques Jaujard, zu diesem Zeitpunkt Sous-directeur der Direction des musées nationaux, und den Kuratoren der staatlichen Museen.166 Bildungsminister Jean Zay betrieb ihre Umsetzung zurückgehend auf die Entscheidung des sozialistischen Regierungschefs Léon Blum von Dezember 1936. Dem Organisationskomitee gehörten zahlreiche Leiter kultureller Institutionen an.167 Angelegt war eine Retrospektive von nie zuvor gesehenem Umfang mit Werken der französischen Kunst von den gallo-romanischen Anfängen bis in die Gegenwart.168 Es wurden jedoch keine Werke lebender Künstler gezeigt und auch keine Werke vom Louvre oder den staatli-
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56 Weltausstellung 1937, Palais de Tokyo, Ansichten der Ausstellung Chefs-d’œuvre de l’Art français, Abbildung aus Exposition Internationale des Arts et techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 2, Paris 1940
chen Museen ausgeliehen. Die kuratorische Idee war, nur Museen in der französischen Provinz und im Ausland sowie Kirchen um Ausstellungsstücke zu ersuchen, insgesamt 17 Nationen wirkten mit.169
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Da im Palais de Tokyo bis zum Vorabend der Ausstellungseröffnung gebaut wurde, erfolgte der Auf bau der 1342 Werke nach einer Vorbereitung im Louvre in nur sieben Tagen. Ein schmaler guide topographique in Dünndruck zu 2 Francs listete Saal für Saal die Werke und ihre Leihgeber.170 Ein Katalog mit Vorbemerkungen von Léon Blum und Jean Zay und einer Einleitung von Henri Focillon listete darüber hinaus auch Provenienzen und Auswahlbibliografien der Werke. Er zählt mit 1341 Exponaten genau eines weniger als der interne Abschlussbericht. Dekoration und Möblierung stellten die Grands Magasins de la Samaritaine.171 Der Katalog enthält keine Abbildungen, jedoch wurde zur Ausstellung ein Album mit 212 Heliogravuren angeboten.172 Im Rez-de-Chaussée haut waren fünf Abschnitte der Ausstellung installiert.173 Im linken Gang waren Vitrinen mit gallo-romanischen Objekten aufgebaut. In der umlaufenden »grande galerie« fanden sich mittelalterliche Kunstgegenstände und Skulpturen sowie Tapisserien. In den drei großen Sälen wurden Werke der primitifs französischer Spätgotik und Frührenaissance, Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts und Zeichnungen und Skulpturen des 17. Jahrhunderts verteilt, und in der »galerie centrale« Tapisserien des 15. und 16. Jahrhunderts sowie Malerei und Zeichnung vom 14. bis 17. Jahrhundert. In der »Galerie Wilson« wurden große Tapisserien vom 16. bis zum 18. Jahrhundert installiert, sowie Goldschmiedearbeiten, Möbel und Skulpturen des 18. Jahrhunderts. Die Eingangsrotunde beherbergte Statuen des 19. Jahrhunderts. Die Treppe zum ersten Stock wurde mit Tapisserien aus dem 17. Jahrhundert ausgestattet. Die erste Etage zeigte im ersten Bereich Malerei, Skulptur und Zeichnung aus dem 17. Jahrhundert und danach Werke des 18. und 19. Jahrhunderts. Hier fanden sich zahlreiche Werke bekannter Künstler, beispielsweise allein zehn Gemälde von Géricault, darunter sein Portrait Lord Byrons aus dem Musée Fabre, Montpellier, und ein vom Kunsthändlerhaus Knoedler in New York geliehener Trompette de la Garde, sechs Gemälde von Ingres, darunter La belle Zélie (Portrait de Madame Aymon) aus dem Musée des BeauxArts in Rouen und elf von Manet, unter anderem die im Katalog als erste Skizze zum fertigen Gemälde in der Courtauld Gallery ausgewiesene Ölskizze der Bar aux FoliesBergères aus der Sammlung des deutsch-niederländischen Bankiers und Kunstsammlers Franz Wilhelm Koenigs.174 Unten im Rez-de-Chaussée bas waren ein Verkaufsbereich und ein Restaurant mit Salon de thé eingerichtet.175 Tausende Plakate in Paris, den leihgebenden Städten, an den großen Bahnhöfen Frankreichs, die französischen Botschaften und Konsulate und die Alliance Française machten Werbung für die Ausstellung. Dazu wurden mehrere hunderttausend Zigarettenpäckchen und eine Million Streichholzschachteln mit Werbung verteilt. Präsident Albert Lebrun eröffnete sie am 25. Juni. Sie war von 10 bis 19 Uhr geöffnet, dienstags und donnerstags bis 23 Uhr, und kostete 10 Francs Eintritt. 6 mit Ticket der Weltausstellung. Es gab 455.075 zahlende Entritte.176 Glaubt man dem Abschlussbericht, hatte unter Hinzurechnung der kostenlosen Eintritte bis dato noch niemals eine Kunstausstellung so viele Besucher: »C’est donc 650 ou 700.000 visiteurs que la Rétrospective
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a reçus. Aucune Exposition artistique dans aucun pays n’a, jusqu’ici, enregistré un pareil chiffre.« Trotz des Erfolges blieb aber ein Minus von ungefähr 400.000 Francs. Entrittsgeldern von 3.178.000 und Einnahmen aus Buchladen und Restaurant von 250.000 Francs standen Ausgaben in Höhe von 3.825.000 Francs gegenüber. Zwei Dinge fallen auf: Einerseits die Leihgaben aus Provinzmuseen und dem Ausland. Französische Kunst in den Provinzmuseen und im Ausland hatte zumindest seit einigen Jahren eine kulturpolitische Aktualität. Schon 1933 befasste sich die Commission des Arts Plastiques, zu der unter anderen Georges Wildenstein, Auguste Perret, Paul Signac und Moïse de Camondo gehörten, unter dem Vorsitz von Louis Hautecoeur mit der Idee zu einer Studie, welche Werke französischer »lebender Kunst« sich in Museen im Ausland befänden, da »nicht solche ersten Ranges, aber wichtige« häufig nicht über zeitgenössische französische Malerei und Skulptur verfügten.177 Hautecoeur schlug vor, die französischen Provinzmuseen einzubeziehen und wies auf die mindere Qualität der Werke hin, die der Staat ihnen zuweise: »M. Louis Hautecoeur souhaiterait que l’enquête fût étendue aux musées de province qui, depuis un siècle, ne reçoivent de l’Etat que des horreurs.«178 An internationalen Beziehungen bestand ein großes Interesse. In der selben Sitzung fragt der Maler Paul Signac nach ebendiesen Beziehungen zur UdSSR, die »fantastische französische Werke besitzt«, woraufhin erwogen wird, den Botschafter in Moskau mit dieser Frage zu betrauen. Andererseits führten die Chefs-d’œuvres zwar bis in die Moderne, aber es war eine Rückschau auf die Geschichte Frankreichs, die hier als erste Kunstausstellung im neuen Museum moderner Kunst gezeigt wurde. Der Kataloghinweis, dass sie im Herbst desselben Jahres dem Museum »lebender« Kunst weichen werde, erscheint fast paradox. Léon Blum, auf den sie zurückging, beginnt sein Vorwort aber sogar mit dem Hinweis auf diese mögliche paradoxe Wirkung im neuen Museum moderner Kunst: Es sei nur logisch zu zeigen, was Künstler der Vergangenheit verdanken und selbst hinzufügen.179 Den Text, der auch bei der Eröffnung vorgetragen wurde, entwarf eventuell Jean Locquin, Generalkommissar der Expo und Mitorganisator der Ausstellung.180 Weshalb wünschte Léon Blum sich diese französische Retrospektive? Pascal Ory interpretiert die Idee so, dass sie als Darstellung der französischen Geschichte unterstreichen konnte, dass Blum wie viele andere, die sich Angriffen von Nationalisten ausgesetzt sahen, auch Kind dieses Landes sei; und ideologisch stütze sie die Bemühungen des Front Populaire um eine Demokratisierung des ästhetischen Erlebnisses.181 Sinn ergibt auch, dass damit jene Künstler ausgestellt wurden, die den Ruhm Frankreichs und von Paris als Hauptstadt der Kunst begründeten, in der die zeitgenössischen Künstler der Moderne im internationalen Austausch eine Avantgarde bildeten, die sich dem Rhythmus der westlichen Metropolen anpasst.182 Dass ebendiese jüngste Kunst nicht ausgestellt wurde, ist auch Ausdruck eines unter französischen Kuratoren und Kritikern der 1930er Jahre wie René Huyghe, Louis Gillet oder Waldemar-George feststellbaren Interesses an einer spezifisch »französischen« Ästhetik. Die »›manière française‹ de
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vivre avec la modernité« trägt zu einer Zurückhaltung gegenüber der Avantgarde bei.183 Marie-Claude Genet-Delacroix vermutet die Wurzeln dieser Haltung in einer offiziellen Ästhetik, die sich Ende des 19. Jahrhunderts ausbildete. Die bürgerlichen Eliten reagierten auf die soziale Umwälzung in der republikanischen Demokratie mit der Herausbildung eines »syncrétisme culturel, conservateur et national«, der zwar auf einer Umkehrung der akademischen Ästhetik beruht, den Zugang aber diesen Klassen vorbehält.184 Zeitgenössische Künstler waren 1937 daher »offiziell« nur im städtischen Petit Palais zu sehen, wo Raymond Escholier die Ausstellung Les Maîtres de l’Art indépendant mit Werken von Manet bis Matisse zeigte185, und im Jeu de Paume, wo vom 30. Juli bis 31. Oktober die Ausstellung Origines et Développement de l’Art International Indépendant gezeigt wurde.186 177 Werke, auch aus Afrika und Polynesien, wurden ausgestellt – die künstlerische Bandbreite sollte von Cézanne bis zur Abstraktion reichen. Es war das erste Mal, dass der Kubismus in einem staatlichen Ausstellungsraum gezeigt wurde.187 Ein Fokus lag, dem Haus entsprechend, auf internationalen Künstlern, darunter Picasso, Juan Gris, Lipchitz, Brâncus , i , Dalí, de Chirico, Miró, Max Ernst, Chagall, Willi Baumeister, Paul Klee, Man Ray, der Australier John Joseph Wardell Power, Mondrian, Kandinsky, Arp, Antoine Pevsner und sein Bruder Naum Gabo, Hans Hartung, Rudolf Bauer, Umberto Boccioni. Gezeigt wurden sie im Dialog mit Franzosen, besonders Derain, Braque, Matisse, Léger, Henri Laurens, Yves Tanguy und Amédée Ozenfant sowie den älteren Cézanne, Renoir, van Gogh, Gauguin, Seurat, Rousseau, Degas, Redon und Cross. Afrikanische Fetische und polynesische Tapas sollten Auseinandersetzungen von Kubisten und Surrealisten mit diesen verdeutlichen: »Pour indiquer toutes les origines de l’art contemporain nous avons en outre montré des masques et des fétiches africains choisis parmi ceux qui aidèrent à la formation du cubisme, ainsi que des sculptures et des tapas de la Polynésie montrant l’influence de cet art sur les recherches des peintres surréalistes.«188 Das kuratorische Konzept zielte auf die Vielfalt der Avantgarden, das »ästhetische Abenteuer« der Gegenwart mit Experimentierfreude und Nonkonformismus.189 Die Ausstellung im Jeu de Paume 1937 ist als Ausnahme zur »schwache[n] Position der zeitgenössischen Moderne« gedeutet worden, in einem damals um »kulturpolitische Liberalität« bemühten Frankreich, das »auch bei der Vergabe staatlicher Aufträge ästhetische Gängelei zu vermeiden versucht«.190 Dieser Einschätzung ist etwas zu widersprechen, da gerade die Auftragsvergabe eine traditionalistische, eben nicht liberale Haltung offenbart, beispielsweise bei der Ausstattung des Palais de Tokyo, worüber auch Ausnahmen wie die Arbeiten Delaunays im Pavillon de l’Air oder Fernand Légers im Pavillon de la Découverte nicht hinwegtäuschen können. Origines et Développement de l’Art International Indépendant richtet sich gegen solchen Konformismus der Ausstellungsund Ankaufspolitik. Am 7. August 1937 wurde jedoch ein offener Brief von Künstlern an Camille Chautemps (1885–1963), Nachfolger Léon Blums als Premierminister seit Juni 1937, Bildungsminister Jean Zay und Georges Huisman lanciert. Er beklagte das
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Fehlen bedeutender internationaler und französischer Künstler des »Art indépendant« und kritisierte die Präsentation der Werke.191 Zu den zahlreichen Unterzeichnern gehörten in der Ausstellung vertretene Künstler wie Brâncus , i , Sonia und Robert Delaunay, Yves Tanguy und Hans Arp, und weitere Personen wie André Breton, Tristan Tzara, Otto Freundlich und Max Raphaël. Im Palais de Tokyo aber hing die Kunst vor 1900, was die Traditionslinien, als die moderne Kunst später einzog, zum doppelten Vorläufer machte: In der Kunstgeschichte, und in der Ausstellungsgeschichte. Das Gebäude konnte mit dieser allseits begrüßten Ausstellung erfolgreich seine Tauglichkeit als Museum unter Beweis stellen, die der »Musealisierung« der modernen Kunst und ihrer Legitimation zuträglich ist. Die Presse wollte sie als »größte Ausstellung, die der Staat 1937, wenn nicht seit dem Krieg organisiert hat« erkennen und wertete als intelligenten Zug, dass dem auswärtigen Besucher das gewohnte Bild der Pariser Museenlandschaft erhalten blieb.192 Schon eingangs wurde auch Jean Zay zitiert, der in seinen Erinnerungen die Chefs-d’œuvre de l’Art français zu den eindrucksvollsten Erlebnissen der Weltausstellung zählt und darauf hinweist, dass sie zum nachhaltigsten Echo seines Verantwortungsbereiches beitrugen. Erst ausländische Versicherungen seien überhaupt bereit gewesen, das Ganze zu versichern. Was da sechs Monate lang im Palais de Tokyo versammelt war, habe die protzigsten Vermögen übertroffen.193 Jean Zay erinnert auch an eine denkwürdige Episode ihrer Eröffnung. Mit Léon Blum habe er Präsident Albert Lebrun begleitet. Vor einer Vitrine mit Tafelsilber, dem bekanntesten aus dem Louvre – den Leihgeber erinnert er falsch, habe Léon Blum lachend zu Lebrun gesagt, es sei sein persönliches. Der Präsident aber habe keine Miene verzogen und geschwiegen. Bei einem erneuten Besuch am folgenden Tag trafen sie einen kichernden Aufseher. Auf Nachfrage offenbarte der den Grund der Heiterkeit. Lebrun habe ihn am Vortag vor Verlassen des Saales beiseite genommen und gefragt: »Dites-moi, est-il exact que cette vitrine contienne l’argenterie personnelle de M. Léon Blum?«194 Neben Gelegenheit zur Erheiterung bot die Ausstellung vor allem aber eine Außendarstellung der historischen Bedeutung Frankreichs. Henri Focillon vollzieht dementsprechend im Katalog dazu einen Spagat der Psychologisierung nationaler Identität zwischen politischer Geschichte und Ästhetik: »Je crois reconnaître ici le trait décisif de l’Occident, dans la mesure où la France est Occident, et elle l’est d’une manière essentielle. On peut même dire qu’elle le définit, non comme un territoire d’échanges et d’influences, non comme un compromis entre le nord et la Méditerranée, mais comme une force authentique et comme un foyer original. [...] Ses hommes furent avant tout des constructeurs d’édifices et des tailleurs d’images. Ce sens d’une vie monumentale ne se mesure pas à de simples indices de grandeur.«195
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Den untergründigen Instinkt des Nachlebens der aus der romanischen und gotischen Architektur und Bildhauerei abgeleiteten »vie monumentale«, sieht Focillon in den Schichten eines kulturellen Gedächtnisses noch Jahrhunderte später in Ingres Belle Zélie widerhallen. Jean Zays Einschätzung ist da sehr viel direkter. Was zählt, ist der Eindruck auf Besucher aus aller Welt: »C’était un bilan prodigieux, ce que la France pouvait montrer de meilleur, ce devant quoi le monde entier ne marchandait pas son admiration. […] un souvenir valable pour une existence.«196 Auch in der Fachwelt wie dem Londoner Umkreis der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg interessierte man sich dafür. Ernst Gombrich, der spätere Biograf Aby Warburgs und Direktor des Warburg Institute, zu diesem Zeitpunkt im zweiten Jahr als Fellow am Warburg Institute, um Gertrud Bing bei der Edition der Schriften Warburgs zu helfen, bat um Auskunft über die Ausstellung.197 In den Akten des Handelsministeriums findet sich ein kurzer Brief Gombrichs vom 25. Oktober 1937, in dem er auf Französisch um schnellstmögliche Mitteilung der Laufzeit bittet, und eine Durchstreichung deutet auf eine hastige Niederschrift.198 Mit Antwort vom 29. Oktober 1937 teilte ihm der »Conseiller technique chargé de la Direction des Travaux d’Art de l’Exposition de 1937« so knapp wie trocken mit, sie ende am 15. November.199
MONUMENTALISMUS IN MÜNCHEN, PAL AIS IN PARIS: DER NATIONAL SOZIALISTISCHE PAVILLON UND DA S MODELL VOM »HAUS DER DEU TSCHEN KUNST« Im selben Jahr wie das neue Vorzeigemuseumsprojekt Frankreichs im Palais de Tokyo wurde das Vorzeigemuseum Nazi-Deutschlands, das »Haus der deutschen Kunst« in München eingeweiht, heute »Haus der Kunst«. Es entstand nach einem Entwurf von Paul Ludwig Troost unter enger persönlicher Mitwirkung Adolf Hitlers seit 1933. 200 Das Gebäude am südlichen Ende des Englischen Gartens eröffnete mit der ersten »Großen Deutschen Kunstausstellung«, einen Tag vor der Eröffnung der verfemenden Ausstellung »Entartete Kunst« in den Räumen der Gipsabguss-Sammlung des Archäologischen Instituts in den Hofgarten-Arkaden am 19. Juli. 201 Die »Weihe des Hauses der deutschen Kunst« war der Höhepunkt des zweiten »Tag der deutschen Kunst« vom 16. bis 18. Juli 1937. Am Samstag, den 17. Juli folgte auf eine Sondertagung der »Reichskammer der bildenden Künste« eine Festsitzung im Deutschen Museum mit Reden von Joseph Goebbels, Gauleiter und Staatsminister Adolf Wagner und dem Münchner Oberbürgermeister Karl Fiehler. Sonntag um 11 Uhr hielt Hitler die Eröffnungsrede, die mehr der »entarteten« als der gewünschten »deutschen« Kunst galt. 202 Gauleiter Wagner gab im Vorwort zur »Großen Deutschen Kunstausstellung« die Leitlinie aus, dass
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»die einzige gesamtdeutsche Kunstausstellung – dies ist nach dem Willen des Führers jetzt und für alle Zeiten die alljährliche Ausstellung im Haus der deutschen Kunst in München – nur das Vollkommenste, Fertigste und Beste zeigen kann, was deutsche Kunst vollbringen vermag. Problematisches und Unfertiges hat jetzt und nie im Haus der Deutschen Kunst Aussicht auf Aufnahme.« 203 In Paris gab die Münchner Eröffnung Anlass zu begeisterter Berichterstattung des Kritikers Louis Gillet, Mitglied der Académie française, aber auch zu einem langen Artikel Waldemar-Georges, der sich kritisch mit Hitlers Äußerungen auseinandersetzte – was freilich den Charakter einer »Gratwanderung« hat, da er oft selbst nationalistisch und rassisch argumentierte. 204 Schon der jeweilige Kontext von Weltausstellung und »Deutscher Kunstausstellung« verweist auf politische Bedeutungen. Aber das »Haus der Deutschen Kunst« wurde auch 1937 in Paris als Modell im nazionalsozialistischen Pavillon ausgestellt. Dem Palais de Tokyo war damit ein zweites Museum als politisiertes Ausstellungsstück gegenübergestellt.
DIE DEUTSCHE TEILNAHME AN DER WELTAUSSTELLUNG Wie die olympischen Spiele in Berlin 1936 wurde die Weltausstellung 1937 vom »Dritten Reich« als Möglichkeit zu umfangreicher internationaler Propaganda wahrgenommen. Zur Teilnahme kam es aber erst nach langem Zögern und Verhandlungen mit Frankreich über zur Verfügung gestellte Devisen. Die offizielle Einladung erging am 22. Dezember 1934, aber erst im August 1935 beauftragte Hitler Reichskanzleileiter Heinrich Lammers mit einer Prüfung der Teilnahme. 205 Frankreich erwog zwischenzeitlich sogar, davon seine eigene Teilnahme an den olympischen Spielen in Berlin abhängig zu machen. Nach 1900 hatte Deutschland an keiner französischen Weltausstellung mehr teilgenommen und war nach einem finanziellen Debakel bei der zurückgezogenen Teilnahme in Brüssel 1935 aufgrund eines unvorteilhaften Zahlungsausgleichs mit Belgien zögerlich. Überzeugt, dass eine wirtschaftliche Kooperation mit Deutschland dem Frieden in Europa zuträglich sein würde, ließ die französische Regierung des Front Populaire deshalb die ein Jahr zuvor gescheiterten Verhandlungen zum bilateralen Handelsvertrag wieder aufnehmen. Die am 10. Juli 1937 geschlossenen Vereinbarungen waren aber zum Vorteil des rohstoffknappen Deutschland, besonders die auf über eine Million Tonnen im Jahr gesteigerten Eisenerzexporte Frankreichs begünstigten die Wiederaufrüstung. 206 Ab Mai 1936 wurde in Deutschland die Teilnahme favorisiert, um Werbung für deutsche Produkte zu machen. Die Verhandlungen zwischen Botschaft und französischem Wirtschaftsministerium aber verzögerten sich, da die Deutschen mehr als die jeder auswärtigen Nation für jeden der maximal 1000 Quadratmeter Ausstellungsfläche gebote-
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nen 600 Francs forderten und einen Devisenbedarf von etwa 20 Millionen Francs veranschlagten – eine Lösung bot das teilstaatliche SICAP-System der Société d’Importation de Charbon et Autres Produits zur Abwicklung des deutsch-französischen Austauschs von Kohle und Erz von 1933, über das 15 Millionen Francs zur Verfügung gestellt werden sollten. 207 Am 14. Oktober 1936 teilte man der französischen Regierung offiziell die Teilnahme und die Ernennung von Julius Ruppel zum Reichskommissar für den deutschen Beitrag mit. Frankreich ging Deutschland in der Mittelbeschaffung noch weiter entgegen. Im Oktober 1936 reiste Jacques Gréber, der Chefarchitekt der Weltausstellung, auf eigenen Wunsch für zwei Monate als Gast der nationalsozialistischen Regierung zur Besichtigung des »Reichssportfeldes« nach Berlin und dann Nürnberg. Danach förderte er den deutschen Pavillon massiv. Die französischen Arbeitskämpfe und Streiks boten ihm Argumente, Aufträge neu an deutsche Firmen zu vergeben und er entsprach nahezu allen deutschen Forderungen. Karen Fiss zitiert dazu ein internes Memorandum der deutschen Botschaft in Paris vom 7. Dezember 1936, dem zufolge Gréber die »große politische Bedeutung« des deutschen Pavillons in Frankreich versicherte. Dass dieser so teuer sei – immerhin sechs- bis neunmal teurer als die Pavillons der anderen Länder – werde als der beste Beweis gedeutet, dass Nazi-Deutschland keinen Krieg wolle. 208 Auch politisch kamen die Organisatoren Deutschland entgegen. In der Pariser Exilzeitung Das Neue Tagebuch erschien am 23. Januar 1937 ein offener Brief des exilierten jüdischen Literaturwissenschaftlers Walter A. Berendsohn (1884–1984), der bis 1933 als Professor an der Universität Hamburg gelehrt hatte, an Thomas Mann. Er forderte, auf der Weltausstellung sollten auch die vielen linken und jüdischen deutschen Exilierten in Frankreich vertreten sein. 209 Generalkommissar Edmond Labbé garantierte daraufhin am 2. Februar 1937 den erbosten Vertretern des »Dritten Reichs« in einem Brief an den deutschen Diplomaten Carl von Campe, keine Gruppe deutscher Individuen werde auf der Weltausstellung außerhalb des Beitrags der deutschen Regierung teilnehmen dürfen, und am 10. Mai 1937 dem Reichskommissar Ruppel, ohne die Genehmigung der deutschen Kommission dürfe kein deutscher Künstler in den französischen Sektionen ausstellen. 210 Um möglichst viele deutsche Besucher nach Paris zu lotsen, bestand ein intensiver Austausch über Werbemaßnahmen. Die französischen Organisatoren gaben für Werbekampagnen in Deutschland detaillierte Analysen der größten Städte und ihrer Medien in Auftrag. 211 Die Deutschen gingen bei der Organisation von Besuchen in Paris mit bürokratischer Akribie vor. Exemplarisch ist etwa ein Schreiben des »Komitees für den Besuch Deutscher Berufsgruppen der Internationalen Ausstellung Paris 1937« über Bestrebungen, »dass die Elite der an der Ausstellung interessierten Persönlichkeiten vollständig erfasst wird«. Es sei »zweckmässig, möglichst viele örtliche Komitees zu gründen, und dabei die deutschen Gau-Hauptstädte, in denen sich fast durchweg auch die zuständigen Devisenstellen befinden, zu Sitzen dieser örtlichen Komitees zu machen«, die »der Ausstellung etwa 40.000 deutsche Persönlichkeiten als Besucher zuführen« sollten. 212
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Deutschland war mit zahlreichen Ausstellern in den einzelnen Klassen der Weltausstellung vertreten. 213 Die Liste reicht von einer unüberblickbaren Anzahl deutscher Produkte bis zur von der Reichsfilmkammer organisierten Premiere eines »OlympiaWerkfilms« von 940 Metern Leni Riefenstahls, Der Olympiafilm entsteht, der am 2. Juli 1937 im Palais du Cinéma gezeigt wurde. 214 Eine kursorische, nicht abschließende Auswahl zeigt, dass die Auswahl deutschler Künstler auch im Palais des Beaux-Arts der Weltausstellung in Einklang stand mit der nationalsozialistischen Kunstpolitik. 215 Dort waren zahlreiche Deutsche vertreten, in der Klasse 27, Gemälde, unter anderen Ludwig Bartning, Franz Eichhorst, Hans Happ, Willi Hell und Willi Kriegel, Henriette ProtzenKundmüller, Klaus Richter und die Münchner Professoren Edmund Steppes und Reichskunstkammerpräsident Adolf Ziegler. In der Klasse 28, Skulptur, Arno Breker, Philipp Harth, Ulfert Janssen und die Professoren Fritz Klimsch aus Berlin, Richard Knecht aus München und Georg Kolbe aus Berlin. In der Klasse 29, Grafik, unter anderen Ottohans Beier, Erich Feyerabend, Alfred Finsterer, Wilhelm Heise, Walter Klemm, Hanna Nagel, Heinrich Reifferscheid, Friedrich Ritschel, Paul Scheurich, Hans Otto Schönleber oder der norwegische, in Deutschland tätige Olaf Gulbransson, dessen nach der Machtergreifung fortgesetzte Tätigkeit für den gleichgeschalteten Simplicissimus stellvertretend steht für die opportune Haltung gegenüber den Nationalsozialisten.
DAS »DEUTSCHE HAUS« Wichtigstes Instrument der nationalsozialistischen Selbstdarstellung war das sogenannte »Deutsche Haus«. Der Katalog zur Weltausstellung nennt seine Architektur »monumental« und einen »wahrhaftigen Palast«. Wohl um dies zu unterstreichen, werden seine Ausmaße angegeben. Aufgrund der vielfältigen unterschiedlichen Beiträge im ersten Katalogband ist zu vermuten, dass der Text, der sich genötigt sieht, sogar das bewegte Gesamtgewicht und den bronzenen Reichsadler zu betonen, von deutscher Seite eingereicht wurde. 216 Architekten des deutschen Pavillons waren Albert Speer und für die Innenausstattung Woldemar Brinkmann, Generalunternehmen war Siemens. Als französische Partnerarchitekten, die jedem ausländischen Pavillon zugeteilt wurden, waren Léon Courrèges, Amédée Coudert, Boleslas de Jankowski und André Hugonenq beteiligt. 217 Sie wurden zum Dank im Herbst 1937 nach Deutschland eingeladen. Fiss zitiert ein Telegramm, mit dem sich diese dafür herzlich beim »Führer« bedankten. 218 Der Katalog weist auf die Höhe des Turms, die Steinplatten der Fassade (aus Süddeutschland), die breiten Zwischenstufen vor der Vorhalle und die dort platzierten zwei Figurengruppen aus Bronze von Josef Thorak (1889–1952), dem neben Arno Breker wohl beliebtesten Bildhauer des »Dritten Reiches«, hin. 219 Das nationalsozialistische »Hoheitszeichen« auf dem Turm, ein riesiger bronzener Reichsadler mit Swastika, stammte von Kurt Schmid-Ehmen (1901–1968) aus Mün-
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57 Weltausstellung 1937, Pavillon der UdSSR mit Figuren von Vera Mukhina (links), »Deutsches Haus« mit »Hoheitszeichen« von Kurt Schmid-Ehmen, München, Bayerische Staatsbibliothek
chen. Auf dem Dach war eine öffentlich begehbare Terrasse mit Restaurant eingerichtet. 220 Im hallenartigen Hauptraum wurden deutsche Produkte gezeigt. Er wurde mit Lüstern, Wandbildern, Tapisserien, Gemälden und Buntglasarbeiten von deutschen Künstlern ausgestattet. Für die davor gelegene Ehrenhalle schuf Georg Kolbe (1877– 1947) ein »Bronzewerk, betitelt ›Genius‹, (1937), geschaffen im Auftrag des Herrn Prof. W. Brinkmann, Bremen, für die Eingangshalle des deutschen Hauses«. 221 In der weiteren Ausstattung fanden sich ein Führerportrait »im Zimmer des Herrn Reichskommissar« von Fritz Grotemeyer (1864–1947), eine Bronze »›Laufendes Kind‹, lebensgross, dunkel patiniert« von Arthur Lewin-Funcke (1866–1937)222, ein »Wisent in Bronze« von Ernst Gorsemann (1886–1960)223, eine »Aktfigur aus Bronze aus dem Nürnberger Opernhaus« von Hanna Cauer (1902–1989) sowie von Annie Höfken-Hempel eine »Buste en bois ›Schachte‹« des Präsidenten der Reichsbank Hjalmar Schacht und eine »Buste en bronze ›[Werner] v. Blomberg‹«. 224 Daneben große Mosaikarbeiten, einmal »am Turm zwischen den Pilastern« – goldene und rote Kacheln in einem regelmäßigen SwastikaMuster225 – von Hermann Kaspar (1904–1986) aus München, von »Max Schwarzer, München« entworfene »an den Seitenwänden der Halle, Männer- und Frauengruppe«,
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sowie von »Prof. M. Unhold, München« (Max Unold, 1885–1964) entworfene »in der Halle über den Eingangstüren« und ein »Grosses Mosaik-Hoheitszeichen über der Eingangstür (innen)« – ein monumentales Hakenkreuz. 226 Die Pavillons Deutschlands und der Sowjetunion standen sich direkt gegenüber und suchten einander zu überragen (Abb. 57). Nach Speers Erinnerungen war dies ein von Seiten der Weltausstellungsorganisatoren wohlkalkulierter Effekt. Eigentlich sollten sie geheim projektiert werden, aber sie betonten beide eine hohe, abgestufte Turmstruktur, an die sich als Längsschiff der Hauptraum anschloss. Der Turm von Boris Iofans sowjetischem Pavillon war 33 Meter hoch. Er trug ein 24 Meter hohes Figurenpaar eines jungen Arbeiters mit Hammer und einer jungen Kolchose-Bäuerin mit Sichel von Vera Mukhina, einer Schülerin Antoine Bourdelles. Der deutsche Turm mit 54 Metern Turm plus 9 Metern Reichsadler konnte ihn daher überragen. Albert Speer gab in seinen Memoiren an, zufällig bei der Besichtigung des Baugrundes in einem Raum die ausliegenden Pläne des sowjetischen Pavillons gesehen zu haben. Karen Fiss verweist aber auf einen seitlichen Aufrissplan des sowjetischen Pavillons aus dem Bestand der Speer-Pläne im Bayerischen Hauptstaatsarchiv. Sie vermutet, dass er Speer von Jacques Gréber zugespielt wurde, der auch dessen Weigerung, die Höhe zu verringern, akzeptierte. Das mit Kalkstein aus dem Jura verkleidete, mit dunklem deutschen Marmor an Fenstern und Türstöcken akzentuierte Ergebnis hatte mit der funktionalistischen modernen Architektur vieler anderer Pavillons nur noch den Verzicht auf Ornamentik gemein. Ziel war ein transhistorischer Klassizismus, der antikisierende und moderne Elemente verband. 227
DIE AUSSTELLUNG DER REPRÄSENTATIONSBAUTEN DES »DRITTEN REICHES« Auch in der Ausstellung des Pavillons selbst waren die monumentalen Bauprojekte des »Dritten Reiches« ein Teil seiner propagandistischen Selbstdarstellung. Geradezu verharmlosend liest sich diesbezüglich der Katalog der Weltausstellung, der neben »Optik und Fotografie«, »Lederwaren«, »Goldschmiedekunst« und »Nürnberger Spielzeug« Modelle der »grands travaux« aufzählt, etwa Autobahnen, und vermerkt, diese zeigten Anstrengungen und Ergebnisse der Bemühungen des »Dritten Reiches«. 228 Die Modelle der Monumentalbauten waren Teil der Gruppe V Urbanisme – Architecture der Weltausstellung in der Unterklasse 21, Édifices publics et à usage public, Églises, Mairies, Écoles, Maisons du peuple, Théâtres, Cinémas, Établissements de puériculture, d’assistance et d’hygiène, etc. Die Liste der deutschen Aussteller nennt die Modelle und die Architekten. Von »Prof. Giessler, Sonthofen/Allgäu« (Hermann Giesler) war das Projekt des Adolf-Hitler-Platzes in Weimar ausgestellt. Von Prof. Clemens Klotz aus Köln wurde das »›Kraft durch Freude‹
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58 Weltausstellung 1937, »Deutsches Haus«, »Ehrenpodium« mit dem Modell des »Haus der Deutschen Kunst«, München, Bayerische Staatsbibliothek
Seebad Rügen« gezeigt. Von Prof. Franz Ruff, Nürnberg, die »Kongresshalle Nürnberg« auf dem seit 1933 genutzten Reichsparteitagsgelände. Albert Speer, ebenfalls mit Professorentitel aufgeführt, zeigte das Modell des »Reichsparteitag-Gelände Nürnberg«. »Generalinsp. Dr. Todt« (Fritz Todt) zeigte ein Modell der Reichsautobahn, die Ausstellerliste verweist hierzu auf ein Gemälde gleichen Sujets im Pavillon du Tourisme von »Prof. Seewald« (wohl Richard Seewald, 1889–1976). Auch das Modell des Berliner OlympiaStadions von 1936 von Architekt Prof. Werner March ist hier gelistet, »aufgestellt von der Reichsbahnzentrale für den deutschen Reiseverkehr, Berlin«. 229 In der Eingangshalle hing ein Gemälde des Reichssportfeldes von Eduard Handel-Mazetti. Zusammen mit einem Gemälde eines der Münchner Ehrentempel am Königsplatz von Paul Ludwig Troost für die beim Hitler-Putsch 1923 ums Leben gekommenen Nationalsozialisten rahmte es das große Modell von Speers Nürnberger Reichsparteitagsgelände. 230 Von besonderem Interesse ist das in der Liste der »Section Allemande« zuletzt genannte Modell von Prof. Ludwig Troost und »Frau Prof. Troost«: »Haus der deutschen Kunst / Palais de l’Art Allemand«. Die Titelbezeichnung bekam Paul Ludwig Troosts (1878–1934) Witwe Gerty (1904–2003) zum 48. Geburtstag Hitlers am 20. April
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1937 verliehen. 231 Das Innere von Speers Pavillon erinnerte an ein Kirchenschiff mit Seitenkapellen, das auf ein zentrales Podium am Ende des Raumes zulief. Auf diesem Podium ausgestellt, wirkt das Modell des »Hauses der Deutschen Kunst« doppelt wie ein Altar (Abb. 58). Das Modell wird stellvertretend für die Aufmerksamkeit, die die Nationalsozialisten Architektur und Kunst beibrachten, religiös aufgeladen, und funktioniert als Denkmal für den 1934 verstorbenen Troost, der die ersten monumentalen Gebäude des Regimes entwarf. 232
DAS »HAUS DER DEUTSCHEN KUNST« IN MÜNCHEN Die Grundsteinlegung zum »Haus der Deutschen Kunst« fand am 15. Oktober 1933 statt. Troost starb im Januar 1934. Nach Aussage Speers erwog Hitler die Arbeiten selbst weiterzuleiten, sie wurden aber von Troosts Witwe Gerty und seinem Bürochef Leonhard Gall weitergeführt. Die Gestaltungsabsicht als »Tempel der Kunst« bestimmte den langen kompakten Quader von 160 Metern Länge und 60 Metern Tiefe, dessen dominierendes Merkmal die der Fassade vorgesetzte Kolonnadenreihe ist. 233 Stahl und Beton verschwinden hinter einer Verkleidung aus Donaukalkstein, im inneren hinter verschiedenfarbigen Marmorsorten. Mit dem Bau suchten die Nationalsozialisten den Anschluss an das »Isar-Athen« des Mäzens Ludwigs I. von Bayern. In seiner Ansprache zur Grundsteinlegung – »Das junge Deutschland baut seiner Kunst sein eigen Haus« – begründete Hitler damit die Wahl Münchens als zukünftiger »Kunststadt« des Reiches. 234 Troosts Entwurf betont die Waagerechte. Jeweils zwanzig elf Meter hohe Säulen, die links und rechts von je einer quadratischen Säule eingegrenzt werden, bilden auf beiden Längsseiten die Kolonnaden. Gegen die blockhaften riesigen Wandflächen ohne jede Ornamentik und Binnenskulptur und den flächigen, schweren Architrav vermögen sie nicht die Senkrechten zu betonen. Für Karl Arndt sind sie »Element bloßer Rhetorik«, »ohne wirkliche Beziehung zum größeren ganzen des Gebäudes«. 235 Es handele sich um den Versuch, durch »Formvereinfachung Modernität zu gewinnen«. Damit teilt das »Haus der Deutschen Kunst« das in den 1930er Jahren international bei öffentlichen Bauvorhaben vielfach auftretende Bestreben, durch Vereinfachung eine antikisierende und klassizistische Formensprache zu aktualisieren. Troost versucht die Idealvorstellung eines antiken Tempels aufzugreifen und bezieht sich mit dem 1825 bis 1829 von Karl Friedrich Schinkel gegenüber dem Berliner Stadtschloss errichteten Alten Museum auf ein konkretes Vorbild. Seine Bauweise kann stilistisch dem »reduzierten Klassizismus« zugeordnet werden: »Das Formvokabular einer auf die Antike zurückgehenden klassischen europäischen Architektur wird in geometrisch vereinfachender Weise neu gestaltet.« 236 Es war aber nicht evident, dass die Reduktion klassischer Formen zur Verbindung von Tradition, Moderne und Monumentalität die repräsentative Bauform des NS-
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Systems wurde. Zwischen 1930 und 1932 dominierte in der nationalsozialistischen Auffassung ein »deutschtümelndes« Konzept mit dem Ideal des »erdnahen« (Bauern-) Hauses und steilen Dächern, das auf den Einfluss von Paul Schultze-Naumburg (1869– 1949) zurückging. 237 Schultze-Naumburg wurde 1930 während der einjährigen Amtszeit des nationalsozialistischen Innen- und Kulturministers Wilhelm Frick, der ersten Regierungsbeteiligung der NSDAP, zum »Kunstberater« und Leiter der Weimarer Staatlichen Hochschule für Baukunst und Handwerk ernannt, der Nachfolgeeinrichtung des 1925 nach Dessau vertriebenen Bauhauses. Er entließ 29 der 32 Lehrkräfte und ließ Oskar Schlemmers Reliefs und Wandmalereien zerstören. Kurz darauf veranlasste er die wohl erste »Museumssäuberung«, die Entfernung von über 100 zeitgenössischen Werken aus dem Weimarer Schlossmuseum, darunter Werke von Nolde, Kandinsky, Lehmbruck, Dix und Klee. 238 In Schriften wie Kunst und Rasse von 1928 legte er Grundlagen für die spätere Verfolgung sogenannter »entarteter Kunst«, indem er Werke moderner Kunst medizinischen Aufnahmen körperlich missgebildeter Menschen gegenüberstellte. Wie Uwe Fleckner aufgezeigt hat, bediente er sich dabei des Abbildungsmaterials aus Carl Einsteins Kunst des 20. Jahrhunderts, ein Höhepunkt des »diffamierende[n] Mißbrauch[s]« von Einsteins umfangreichem Bildmaterial, das einen »bis heute mit nur wenigen Ausnahmen gültigen Überblick der zeitgenössischen Kunstproduktion« darstellte. 239 Ziel war die Pathologisierung der Kunstwerke, »und Schultze-Naumburgs Kommentar über das Menschenbild in der Kunst der Gegenwart läßt an Eindeutigkeit nichts zu wünschen und zu fürchten übrig«. 240 Als Architekt entwarf der ausgebildete Maler Schultze-Naumburg im »völkischen Heimatstil«, darunter den letzten Schlossbau der Hohenzollern, Cecilienhof bei Potsdam (1914–1917), ein Ensemble im englischen Landhausstil für Kronprinz Wilhelm und seine Frau Cecilie. Er propagierte in einer intensiven publizistischen Tätigkeit sein heimatlich-dörfliches Ideal gegen das moderne Bauen. Aus Protest gegen die Modellausstellung der Weißenhof-Siedlung verließ er 1927 den Deutschen Werkbund, den er 1907 mitbegründet hatte, und gründete im Folgejahr die Architektenvereinigung »Block«, die sich gegen moderne Architekten wie Mies van der Rohe und Gropius richtete. Sein Einfluss bewirkte ab 1930 im Zentralorgan der NSDAP, dem Völkischen Beobachter, Kritik am Neuen Bauen. 241 Parallel zu seinem Einzug als Abgeordneter der NSDAP in den Reichstag Ende 1932 erschien vom Geschäftsführer des »Block« Karl Willy Straub eine »Zusammenfassung der architektonischen Leitideen Schultze-Naumburgs« mit dem prägnanten Titel Die Architektur im Dritten Reich, die auch Le Corbusiers »Wohnmaschine« in Pessac angriff. 242 Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 erhielt jedoch Paul Ludwig Troost den Auftrag für die ersten Repräsentationsbauten der Nationalsozialisten. Der hatte zuvor vor allem Inneneinrichtungen von Passagierschiffen und Möbel für die Münchner Vereinigten Werkstätten entworfen, in denen er schon die historistische Aktualisierung verschiedener Stile praktizierte. 243 Zu seinen Kunden gehörten der
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Verleger Hugo Bruckmann (1863–1941) und seine Frau Elsa (1865–1946), Gönner Hitlers. Hitler erwarb seit 1926 Troost-Möbel und lernte den Architekten in Bruckmanns Haus 1930 kennen. 244 Dass Schultze-Naumburgs Haltung sich gegenüber der Kunst durchsetzte, nicht aber in der nationalsozialistischen Architektur, kann auf die persönliche Entscheidung Hitlers zurückgeführt werden, der konkrete Ideen repräsentativer Architektur schon 1924 in Mein Kampf formuliert hatte. 245
MÜNCHNER MONUMENTALISMUS UND DAS PARISER PAL AIS Die Diskussion um die Einordnung der neoklassizistischen Nazi-Architektur in den Kontext zeitgleich in anderen Ländern auftretender neoklassizistischer Stile wird seit den 1950er Jahren international geführt und ist bis heute nicht abgebrochen. 246 Noch 1934 lehnte Hitler einen Entwurf Schultze-Naumburgs für ein Parteiforum in Weimar »kategorisch« ab. Raphael Rosenberg leitet daraus ab, dass »gerade die Ideologie eines spezifisch deutschen und damit auch spezifisch nationalsozialistischen Architekturstils ausgehebelt« werde. Der reduzierte Klassizismus der Bauten von Troost und Speer sei aber kein nationalsozialistisches Charakteristikum. 247 Im Wettbewerb zum Sitz des Völkerbundes in Genf erkennt er im »reduzierten Klassizismus« einen »internationale[n] Konsens für staatliche Repräsentation« der späten 1920er Jahre. Internationale Beispiele wie das Palais de Chaillot zur Expo 1937 dienen ihm dazu, den Stil als internationales, »kein rein deutsches Phänomen« auszuweisen. 248 Gerade der Vergleich des faschistischen Monumentalbaus in Deutschland mit den Pariser Palais de Chaillot und de Tokyo aber zwingt zu einer differenzierteren Betrachtung. Sarah Wilson zitiert eine Aussage Arno Brekers zum konservativ-dekorativen Kunstgeschmack der 1930er Jahre im sogenannten »Rappel à l’ordre« in Reaktion auf Kubismus, Dada und Surrealismus, in der er diese beiden Gebäude mit Speers Bauten vergleicht: »Ne trouvez-vous pas que le Palais de Chaillot et l’ancien musée d’Art Moderne, quai de Tokyo, ressemblent étrangement aux mastodontes de pierre élevés par Albert Speer à Nuremberg?« 249 Eben weil das Münchner »Haus der Deutschen Kunst« im nationalsozialistischen »Deutschen Haus« Albert Speers auf der Weltausstellung 1937 in räumlicher Nähe zum neuen Museumsbau Palais de Tokyo und gegenüber dem Palais de Chaillot ausgestellt wurde, ist zu fragen, ob sich das Modell des »Hauses der Deutschen Kunst« nicht doch mit der Zuschreibung einer Ideologie an seine Architektur verband, die in der Ausstellung zum Ausdruck kommen sollte. Seine religiöse Aufladung auf einem Podium am Ende des kirchenschiffähnlichen Saales spricht dafür. Das »Haus der deutschen Kunst« wird im deutschen Pavillon zum Altar und setzt eine quasi-religiöse Aufladung fort, die schon mit seiner Grundsteinlegung im Oktober 1933 begonnen hatte (Abb. 59). Zur Feier Münchens als »Kunststadt« wurde der erste
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59 München, Festzug »Glanzzeiten deutscher Geschichte« mit Modell des »Haus der Deutschen Kunst« zum »Tag der Deutschen Kunst« am 15. Oktober 1933, München, Zentralinstitut für Kunstgeschichte
»Tag der Deutschen Kunst« veranstaltet. Einer der Höhepunkte war ein gewaltiger Festzug am 15. Oktober 1933, in dessen Mittelpunkt das von mindestens achtzehn antikisierend kostümierten Männern getragene Modell des »Hauses der Deutschen Kunst« stand. 250 Die öffentliche Vorführung des Modells zur Grundsteinlegung 1933 und zur Einweihung 1937 verweist auf eine Ästhetisierung der Politik mit den Mitteln der Ausstellung, die geradewegs auf die Operativität eines symbolischen Ausdrucks nationalsozialistischer Ideologie führt. Denn Architektur wird hier bewusst und systematisch ausgestellt. Es erscheint daher notwendig zu differenzieren: Das »Haus der Deutschen Kunst« mag stilistisch, wie das Palais de Chaillot oder auch das Palais de Tokyo, einem international auftretenden »reduzierten Klassizismus« entsprechen. Die Zugehörigkeit zu dieser Kategorie schließt aber keineswegs aus, dass seine Formensprache, auf die es den nationalsozialistischen Ausstellern gerade ankam, symbolischer Ausdruck einer nationalsozialistischen Ideologie ist. Der erste Hauptunterschied zwischen dem Palais de Tokyo, aber auch dem Palais de Chaillot, und dem »Haus der deutschen Kunst« liegt in ihrem Entstehen. Die architektonische Geste des Bauens ist grundverschieden, schon allein, weil die Bauten in Paris das Ergebnis öffentlicher Architektenwettbewerbe sind. Das Palais de Chaillot ersetzte zwar
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den abgerissenen Palais du Trocadéro, blieb trotz aller Monumentalität aber der Grundanlage mit den zwei ausgreifenden Flügeln verpflichtet und fügte sich damit zumindest im Schema der Formensprache bis zu einem gewissen Grad in eine Kontinuität des historischen Diskurses seines Ortes als Standort von Museen ein. Das Palais de Tokyo wiederum ist, wie gesehen, das Produkt eines hochkomplexen Entstehungsprozesses auf einem problematischen Baugrundstück und Ergebnis langer Verhandlungen zwischen Stadt, Staat, Architekten, Kunstverwaltung, Museumsfachleuten bis hin zu Künstlern. Auch stilistisch gibt es Unterschiede, wobei am augenfälligsten der Münchner Verzicht auf Binnenskulptur in den Fassaden ist, während Chaillot, aber besonders das Palais de Tokyo, von Anfang an Aufträge an Künstler vorsehen und dies, bei aller konservativen Prägung der Auswahl, Ausdruck einer sozial verstandenen politischen Verantwortung gegenüber den Künstlern ist. Die Architektur unterwirft sich hier bei aller Monumentalität auch der Umgebung, denn sie orientiert sich an unmittelbar Vorangegangenem und passt sich praktischen Erfordernissen an – bis hin zu Vorgaben der Kommunalverwaltung, man denke an die gekürzte Traufhöhe des Palais de Tokyo. Hitlers Wunscharchitektur des Blocks des »Hauses der Deutschen Kunst« jedoch wird in gewisser Weise tatsächlich am besten durch sein Modell repräsentiert, denn wie dieses Modell in unterschiedlichen Kontexten aufgestellt werden kann, so erscheint auch das »Haus der Deutschen Kunst« von oben an den südlichen Rand des Englischen Gartens platziert. Das »Haus der Deutschen Kunst« war zwar »auf vielfältige Weise in der Bau- und Stadtplanungsgeschichte Münchens verankert«. 251 Im Juni 1931 brannte der »Glaspalast« von 1853–1854 im Alten Botanischen Garten mit einer bedeutenden Ausstellung romantischer Malerei aus. Als Ersatz sollte dort nach dem Willen des Bayerischen Kulturministeriums von Adolf Abel ein neuer Ausstellungsbau entstehen. Nach Protesten der freien Architekten beschloss der bayerische Landtag einen Wettbewerb, und bis zum 15. November 1932 gingen 499 Entwürfe ein. 252 Trotzdem erhielt Abel den Auftrag. Noch im März 1933 war er mit der Planung befasst, der Baubeginn sollte im Frühjahr sein. Aber in der Folge der Machtergreifung am 30. Januar 1933 griff Hitler mit monumentalen Plänen ein. Bauplatz, nun an den Englischen Garten verlegt, und Architekt wurden neu bestimmt, wie auch der Entwurf, »der sich auffallend von allem unterschied, was bis dahin diskutiert worden war«. 253 Das »Haus der Deutschen Kunst« ist damit Ausdruck eines radikalen politischen Gestaltungsanspruches. Die Vorführung des Modells im gigantischen Festumzug 1933 mit kitschigen Darstellungen der Künste, historischer Stile und des klassischen Griechenlands und seinen Mythologien verweist, so Éric Michaud, auf das Streben nach einer subsumierenden »Einheit«, in der der Mythos einer rassisch begründeten »Deutschen Kunst« lebendig wird. 254 Gerade in Hinblick auf die Funktion als Kunstmuseum wird deutlich, dass die Architektur Ausdruck einer nationalsozialistischen Ideologie ist. Die abwehrende Blockhaftigkeit drückt eine Konzentration auf ihr Inneres aus, die es weniger wie einen öffentlichen zugänglichen Tempel, denn einen Speicher wirken lässt. Der Vorstellung einer
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»deutschen« Idealkunst scheint hier eine Abschirmung nach außen zu entsprechen. Nicht der internationale Austausch, wie er im Falle der Konzeption des Palais de Tokyo so bestimmend war, sondern die Idee der Schaffung einer Idealkunst aus sich selbst heraus schwingt hier mit. So monumental das Palais de Tokyo auch wirken mag: Gegenüber dem »Haus der Deutschen Kunst« sticht dagegen die Offenheit seiner ausschwingenden Seitenflügel ins Auge. Ihre flächigen Massen öffnen sich zur abfallenden Terrasse in Richtung Seine und ragen daher nicht so blockhaft vor dem Betrachter auf, wozu auch die Skulpturenprogramme beitragen. An der Avenue du Président Wilson ist der Eindruck durch die Engführung zum Portikus und den freien Durchblick auf den Ehrenhof ebenfalls nicht sofort blockhaft. Die Architrave sind sehr viel dünner und scheinen eher über den Kolonnaden zu schweben. Dazu trägt in der Ansicht vom Ehrenhof her die versetzte und abgestufte Mittelfassade bei. Die Säulen rhythmisieren den Blick auf die Verbindung der beiden Flügel und schaffen, da sie den Durchblick frei geben, ein Gegengewicht zur Betonung der Waagerechten. Am »Haus der Deutschen Kunst« wird mit den abschließenden quadratischen Säulen dagegen die Wehrhaftigkeit nach außen betont. Sie wirken wie vier Verteidigungstürme in den Ecken eines Bollwerks. Gerade die Präsentation des Modells des »Hauses der Deutschen Kunst« im deutschen Pavillon zeigt, dass der Architektur die Funktion als Ausstellungsort nur eingestülpt ist. Deutliches Zeichen ist auch, dass zeitgleich im Beitrag Deutschlands zur Museografie-Ausstellung im Palais de Tokyo museumstechnische Beispiele und Kulturfilme gezeigt werden, nicht aber der neueste Museumsbau des »Dritten Reiches«. Frankreich zeigte mit dem Palais de Tokyo einen für Beiträge aus aller Welt offenen Museumsbau. Deutschland setzte dem, abgeschirmt in seinem Pavillon, das mit religiösem Pathos inszenierte Modell einer hermetischen Museumsarchitektur entgegen, die zur Aufnahme »Deutscher Kunst« bestimmt war. Die hermetische Kunstpolitik hat in der Architektur, und diese wiederum in der Ausstellungspolitik ihre Entsprechung. Die propagandistischen Anstrengungen Nazi-Deutschlands wurden 1937 sehr wohl öffentlich als solche erkannt. Zugleich lohnten sie sich in der wirtschaftlichen Logik der Selbstdarstellung, da das »Dritte Reich« mit zahlreichen Preisen der Weltausstellung bedacht wurde. Zwei aussagekräftige Beispiele mögen dies abschließend verdeutlichen, das eine zur öffentlichen, das andere zu Hitlers persönlicher Rezeption des deutschen Beitrags. Im September 1937 wurde die »deutsche Woche« auf der Weltausstellung mit zahlreichen kulturellen Veranstaltungen ausgerichtet, in der unter anderem das Berliner Philharmonische Orchester unter Wilhelm Furtwängler Beethovens Neunte und Richard Wagners Walküre gab. 255 Der französische Pianist und Komponist Jean Wiener (1896–1982) berichtete in Zeitungsartikeln von seinen Eindrücken. Nach der Neunten beklagt er: »Cette musique, c’est la vérité, c’est trop beau pour qu’on raconte que nous
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devons toutes ces beautés à Adolf Hitler...« 256 Die deutsche Eigendarstellung erkannte er in Zeiten der Wirtschaftskrise als teuer erkauft: »Evidemment on ne peut s’empêcher de penser que peut-être le peuple allemand, déjà si pauvre, devra payer cette somptueuse propagande.« 257 Wagners zweiter Akt hingegen erschien Wiener als »eine Dosis Langeweile«, die, trüge sie nicht Wagners Namen, vom Publikum »keine zehn Minuten« ertragen würde. Besonderes Gewicht aber erhält seine Analyse der deutschen Propaganda. Wiener war im von ihm und Cocteau begründeten Gaya, dem Vorgänger des Boeuf sur le toit, ein Wegbereiter des von den Nationalsozialisten als »entartete Musik« verfolgten Jazz. Hélène Jourdan-Morhange hat seine Rolle in ihren Ravel-Erinnerungen festgehalten. 258 Er beklagt, dass nach den verfemten Komponisten Paul Hindemith und Kurt Weill in Deutschland auch nicht »der Schatten einer kreativen intellektuellen Tätigkeit« übrig bleibe. Deshalb mischten sich in Deutschland die »alten« Größen mit dem jungen »Wahn«: »Alors qu’en Allemagne, à l’exception d’Hindemitti [sic] et de Kurt Weill – qu’Adolf Hitler a, bien entendu, éloignés de leur pays – il n’y a plus rien, plus l’ombre d’une activité intellectuelle créatrice: plus rien que la vraie grandeur des œuvres éternelles de la vielle Allemagne, toujours présentes, qu’on voudrait mélanger aujourd’hui à la fausse grandeur de cette folie mystique dont est atteinte la jeune Allemagne.« 259 Die Preise wiederum, die Deutschland besonders mit seinen Ersatzstoffen auf der Expo gewann, wurden in der öffentlichen Meinung als Bestärkung der nationalsozialistischen Vierjahresplan-Politik wahrgenommen, die deutsche Industrie unabhängiger machen sollte – Hitler hatte den zweiten im Frühjahr 1937 ausgerufen. 260 Deutschland erhielt nach Frankreich die meisten Auszeichnungen, so etwa 317 »Grands Prix«. Frankreich erhielt 1395, auf dem dritten Platz folgte Italien mit 196, danach Belgien mit 142, die Tschechoslowakei mit 118 und die UdSSR mit 114, die USA erhielten 41. Zum Vergleich: Dänemark erhielt 60, Polen 78, die Niederlande 62, Rumänien 52. 261 Hitler selbst war zufrieden, wie das deutsche Generalkommissariat eifrig kommunizierte. Im Oktober 1937 war ein Empfang Hitlers in der Berliner Krolloper für Dr. Ruppel und die am Pavillon beteiligten Kommissare und Berliner Arbeiter eine Pressemeldung in Frankreich wert. 262 Ein weiteres Kommuniqué in einer Zeitung berichtet im November von einer Versammlung von 200 am Pavillon und weiteren Sektionen beteiligten Personen, einberufen von Generalkommissar Ruppel. Nach der Verlesung eines Dankestelegramms des »Führers« brach Begeisterung aus, als verkündet wurde, dass er dem Personal der deutschen Teilnahme auf der Weltausstellung zum Dank eine »Kraft-durch-Freude«-Reise schenke. 263
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EIGENSTÄNDIG SEIT 1937: DER OSTFLÜGEL DES PAL AIS DE TOKYO Die Ausstellungen im Pavillon de la Ville de Paris 1937 wurden maßgeblich von Raymond Escholier verantwortet, dem Direktor des Petit Palais, der auf ein neues städtisches Museum hingewirkt und seinerzeit die allzu beengten räumlichen Verhältnisse seines Hauses beklagt hatte. Trotz aller Kritik Louis Hautecoeurs beharrte die Stadt auf einer paritätischen Lösung. Der Architekturwettbewerb 1934 sah daher zwei Museen mit getrennten Programmen vor. Die Stadt überließ es den Architekten, eine möglichst wandelbare Innenarchitektur zu entwerfen. Gleich zweifach wiederholt ist dort jedoch die Anforderung, dass das städtische Museum keinesfalls kleiner ausfallen dürfe als das staatliche. 264 Unstimmigkeiten über das Projekt zweier Museen mit identischer Ausrichtung führten bis in höchste politische Kreise. Im Juli 1936 fasste Minister Jean Zay die Situation in einem Brief an den Premierminister zusammen. Das Bildungsministerium entschied, anlässlich der Weltausstellung, die aus Mitteln einer von der Stadt Paris verwalteten Lotterie finanziert werden sollte, ein modernes Kunstmuseum zu bauen und schloss darüber im April 1934 eine Vereinbarung mit dem Kommissariat der Expo. Da die Regierung keine finanziellen Risiken eingehen wollte, habe die Stadt Paris, die das Grundstück kaufte, ein Museum reklamiert. Diese Vereinbarung sei auch aufrechterhalten worden, als sich die finanziellen Modalitäten in der Folge veränderten. 265 Hintergrund ist eine Vor-Vereinbarung von Ende April 1934, die Handelsminister Lucien Lamoureux, Maréchal Pétain, zu diesem Zeitpunkt Ministre de la Guerre, Bildungsminister Aimé Berthod, Pierre-Étienne Flandin, Ministre des Travaux Publics, und Finanzminister Louis Germain-Martin für den Staat mit Achille Villey-Desmeserets, Präfekt des Département Seine, schlossen, vorbehaltlich einer späteren gesetzlichen Ratifizierung. 266 Ihr Exposé hielt die 28 Hektar Gelände von Staat und Stadt für die Weltausstellung zu beiden Seiten der Seine fest. Dass Maréchal Pétain an der Gründungsvereinbarung zum Bau des Palais de Tokyo beteiligt ist, liegt daran, dass das Gelände, die Manutention Militaire, in seinen Zuständigkeitsbereich als Kriegsminister fiel. Der Staat sollte dieses Gelände zum 1. April 1935 der Stadt Paris gegen eine Summe von 25 Millionen Francs überlassen, die pauschal zur Rekonstruktion der Manutention an anderer Stelle verwendet werden würden. 267 Die Vereinbarung sah auch vor, dass die Stadt die Weltausstellung mit 285 Millionen Francs subventionieren sollte, wobei die Summe für das Grundstück abzuziehen war. Um diese Mittel aufzubringen, sollte die Stadt die Erlaubnis erhalten, ab dem 1. Januar 1936 Lotterielose mit einem Maximalwert von 700 Millionen Francs mit denselben steuerlichen Vorteil der staatlichen Lotterie zu verkaufen. 268 Die Lose sollten etwa bis zu drei kostenlose Besuche, Ermäßigungen für Attraktionen und Vorstellungen der Expo, eine Teilnahme an einer großen Tombola am Ende der Expo und eventuelle Fahrtkostenvergünstigungen beinhalten. 269
237 | Eigenständig seit 1937: Der Ostflügel des Palais de Tokyo
Der Museumsbau wird aus städtischer Sicht im Frühjahr 1934 interessanterweise anders dargestellt als in späteren Schilderungen der Akteure des Staates Louis Hautecoeur und Jean Zay. Beide Seiten reklamieren die Initiative zum Neubau. Als der Präfekt der Seine dem Stadtrat am 3. Mai 1934 die Vereinbarung zur Ratifizierung vortrug, führte er aus, ursprünglich habe auf dem Gelände ein Museum der Stadt Paris errichtet werden sollen. Der Bildungsminister habe aber lebhaft darauf gedrängt, die Stadt sollte das von den Künstlern vom Staat geforderte neue Musée des Artistes Vivants unterstützen. 270 Da die Förderung des »rayonnement de l’art français« sicherlich auch im Sinne des Stadtrates von Paris sei, sei man übereingekommen, die Gebäude aus den Mitteln der Expo zu bezahlen und dass Staat und Stadt sich Eigentum und Nutzung teilen würden. Auch das architektonische Konzept ist hier betroffen: Die Verwaltung werde darauf achten, dass den Gebäuden von außen die Trennung zwischen Staat und Stadt nicht anzusehen sei, »de manière à sauvegarder l’esthétique«. 271 Die endgültige Vereinbarung zwischen Staat und Stadt über die Organisation der Weltausstellung 1937 wurde am 15. Mai 1934 von den oben Genannten unterzeichnet und nach Zustimmung von Senat und Abgeordnetenkammer mit dem Gesetz über die Organisation der Expo am 6. Juli 1934 mit Unterschrift des Präsidenten Albert Lebrun angenommen. 272 Nun ist von zwei klar getrennten Museen die Rede und es wird eine spätere Berücksichtigung des Wertes des Grunds des staatlichen Baus bei der Eigentumsaufteilung festgehalten. 273 Wie Hautecoeur beklagte auch Jean Zay das Ansinnen der Stadt, denn es habe auf dem Gelände zu Verzicht auf Bepflanzung und Skulpturengärten und einer reduzierten Ausstellungsfläche geführt. 274 Schwerwiegender findet er, dass die Stadt beharrlich dasselbe Programm ausstellen wolle wie der Staat und anlässlich eines »gewittrigen« Treffens im Sommer 1934 sogar drohte, andernfalls das Projekt ganz in Frage zu stellen. 275 Die Direction des Beaux-Arts hatte dem Stadtrat vorgeschlagen, im städtischen Museum das im Pavillon Marsan des Louvre ansässige und beengte Musée de l’Union Centrale des Arts Décoratifs, heute Les Arts Décoratifs, weiterzuführen und dazu zeitgenössische Stücke zu zeigen. Diese mögliche Lösung findet man auch noch auf frühen Plänen des Palais de Tokyo, auf denen der Ostflügel die Bezeichnung »Arts Décoratifs« trägt (siehe Abbildung 44). Jean Zay erklärt, dies sei aber vom Tisch, da die Stadt jüngst im Sommer 1936 ein Budget von 10 Millionen Francs für den Ankauf von Kunstwerken für die Weltausstellung beschlossen und verkündet habe, dass ein Teil dieser Summe in Gemälde und Skulpturen für ihr neues Museum fließen sollte. 276 Entgegen Louis Hautecoeurs ausdrücklichen Rat hatte die Stadt Paris 1935 auch Skulpturen für beide Sockelreihen im Hof bestellt, weshalb der umso erboster war, als der Staat einspringen und die Skulpturen auf der Westseite des Ehrenhofes kaufen musste. 277 Die Regelung der Eigentumsverhältnisse an Gebäuden und Grundstücken ließ nach der Weltausstellung auf sich warten und war noch Mitte Oktober 1940 offen. Aufgrund eines Nachtrags vom 18. Juli 1935, der am 24. März 1936 per Gesetz ratifiziert wurde,
238 | Politische Ästhetik und Ausstellungsgeschichte
veränderte sich die Finanzierung der Weltausstellung. Eine Zuschreibung von 17 % des Nettoergebnisses der staatlichen Lotterie an das städtische Budget sollte eine Konkurrenz von staatlicher und städtischer Lotterie ausgleichen. Die Belastung der Stadt reduzierte sich also, was beim Grundstückseigentum berücksichtigt werden sollte. Einerseits war die Stadt Eigentümerin und forderte daher vom Staat Abgaben, andererseits wurden die Grundstücke aus dem Budget der Expo erworben, in dem sich die Subventionen der Stadt nachträglich verringerten; zudem hatte sie aus den Mitteln schon ihr Museum bekommen. 278 Im Juli 1941 wurde dann vereinbart, dass das ehemalige Grundstück der polnischen Botschaft im Bereich des städtischen Ostflügels, das der Staat mitsamt Gebäuden im Austausch gegen das Hôtel de Sagan erworben hatte, der Stadt Paris umsonst übertragen werde, wie es der besagte Nachtrag im Fall eines Erwerbs aus Mitteln der Weltausstellung vorsah. 279 Während der Vichy- und Besatzungszeit wurden die staatlichen Museen für Propaganda-Ausstellungen genutzt, wie etwa das Musée Galliera für eine Ausstellung Dessins d’enfants en hommage à Maréchal Pétain im Januar 1942 und die Orangerie ab September 1943 für eine fünfmonatige Ausstellung von Tapisserien und Karton-Entwürfen, darunter einer von Alfred Janniot, Autor des Reliefs am Palais de Tokyo, mit dem Titel La Renaissance de la France sous les auspices du Chef de l’Etat. 280 Das zentrale Symbol der Ausstellungstätigkeit und Kollaboration in den Jahren 1940 bis 1944 ist die Ausstellung von Arno Brekers Skulpturen in der Orangerie, die am 15. Mai 1942 eröffnet wurde. 281 In dieser Zeit wurden auch im städtischen Ostflügel des Palais de Tokyo wechselnde Ausstellungen wie Salons gezeigt, so beispielhaft etwa jener der Société National du Salon Indépendant (SNI). Zum SNI 1944 lud der Secrétaire général des Beaux-Arts ins »Palais des Beaux-Arts de la Ville de Paris«. 282 Schon zuvor fand der SNI auch in der Besatzungszeit statt. Sein Generalsekretariat hatte für die Ausgabe 1942 dem zu diesem Zeitpunkt als Secrétaire général des Beaux-Arts amtierenden Louis Hautecoeur noch versichert, alle Einladungen und Formulare trügen den Hinweis auf einen erforderlichen Nachweis der Nicht-Zugehörigkeit zur »jüdischen Rasse« – Hautecoeur sagte seine Anwesenheit bei der Eröffnung am 7. August 1942 zu. 283 1943 wird Hautecoeur als Mitglied des Comité d’Honneur des SNI zur Vernissage ins Musée Galliera gebeten. 284 Die Künstlerliste liest sich als eher konservative Auswahl »gemäßigter« Vertreter von Richtungen mit dem Synthetisten Louis Anquetin (1861–1932; statt etwa Paul Gauguin), dem Impressionisten Albert Besnard (1849–1934), Jacques-Émile Blanche (1861–1942), dem Grafiker Félix Buhot (1847–1898), André Dauchez (1870–1948, ein Mitglied der Peintres Officiels de la Marine), Carolus-Duran (Charles Durand, 1837– 1917, Portraitist der Dritten Republik), Georges d’Espagnat (1870–1950), Lucien Simon (1861–1945) und »Künstlern der nachfolgenden Generationen«. 285 Die Ausgabe im Mai 1944 im städtischen Ostflügel des Palais de Tokyo war die letzte im besetzten Paris, aber auch nach der Befreiung im August desselben Jahres wurden die Ausstellungen fortgesetzt. Im Februar 1945 lehnte der nun amtierende Directeur des Arts plastiques, Robert
239 | Eigenständig seit 1937: Der Ostflügel des Palais de Tokyo
Rey, die Einladung in das Ehrenkomitee des SNI ab, dem zu diesem Zeitpunkt auch Hautecoeur, Jean Cassou, Pierre Ladoué und Raymond Escholier angehörten. Zur Eröffnung des neunten SNI am 15. Juni 1945 bestellte er aus Termingründen Pierre Ladoué zu seinem Vertreter. 286 Gezeigt wurde eine Retrospektive des heute wenig bekannten Henri Deluermoz (1876–1943). Der Eintritt von 5 Francs ging an die »Caisse de Secours des Artistes«. 287 Auch in den Folgejahren wurde der SNI dort ausgerichtet. 288 Das eigentliche Museum moderner Kunst MAM Paris eröffnete erst in drei aufeinanderfolgenden Phasen in den Jahren 1961, 1972 und 1977. 289 Ab den 1960er Jahren wurde der Ostflügel damit zu einem zentralen Schauplatz der zeitgenössischen Kunst in Paris. Das staatliche Museum dagegen konnte in dieser Zeit aufgrund beschränkter Ankaufsmittel, der Nachwirkung des auf die klassische Moderne und die École de Paris konzentrierten Sammlungsauf baus von Jean Cassou und Bernard Dorival in der Nachkriegszeit und administrativer Behäbigkeit der Kulturpolitik kaum mit der internationalen Entwicklung der Gegenwartskunst Schritt halten. Die Aktivitäten des MAM Paris trugen zur wachsenden internationalen Bedeutung des Ausstellungsortes Palais de Tokyo bei durch die Ausrichtung der von André Malraux ins Leben gerufenen Biennale de Paris, die von 1959 bis 1985 überwiegend dort stattfand und danach bis 2004 unterbrochen war. 290 Mit seinem 1966 ins Leben gerufenen experimentellen Ausstellungsraum Espace ARC Animation Recherche Confrontation für neueste Positionen der Kunst wiederum erlangte es schnell Erfolg, der bis heute anhält. Sowohl der ARC als auch die Ausstellungen internationaler Künstler unter 35 Jahren auf der Biennale führten bald dazu, dass die Unzulänglichkeit der Ausstellungspolitik des staatlichen Museums im Bereich der zeitgenössischen Kunst und die Notwendigkeit seiner Reform offensichtlich wurden.
1937–1940: FR ANZÖSISCHE RE AKTIONEN AUF DIE VERWER TUNGSAKTION »ENTAR TETE KUNST« UND KONTINUITÄTEN IN DER KUNSTPOLITIK Das MNAM sollte im Anschluss an die Weltausstellung 1938 im Palais de Tokyo seine Pforten öffnen. Die Einrichtung verzögerte sich jedoch entscheidend, und die folgenden Jahre sind geprägt durch die Kriegsereignisse und die anschließende deutsche Besatzung. Die historischen Eckdaten seien kurz erinnert: Am 1. September 1939 begann Hitler den Polenfeldzug, woraufhin Frankreich und das Vereinigte Königreich Deutschland den Krieg erklärten. Die anschließende drôle de guerre, der Sitzkrieg, endete am 10. Mai 1940 mit der Offensive Deutschlands auf die BeNeLux-Staaten. Der französische Präsident Albert Lebrun berief nach dem Rücktritt Paul Reynauds am 16. Juni 1940 den Maréchal Philippe Pétain zum Regierungschef, der das Gouvernement Philippe Pétain, die letzte Regierung der Dritten Republik, bis zum 10. Juli 1940 führte.
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Die Regierungen der Dritten Republik waren in den 1930er Jahren von zahlreichen Wechseln und Krisen geprägt. 291 Lebrun (1871–1950) war seit 1932 Präsident und wurde 1939 wiedergewählt. Er war Mitglied der Alliance Démocratique (AD), einer gemäßigten Mitte-rechts-Partei, die zusammen mit dem zentristischen, bis zum Erstarken der Sozialisten eher linksgerichteten Parti Radical der republikanischen Radikalsozialisten von 1901 bis 1940 die meisten Regierungen stellte. 1936 musste er den Wahlsieg des Front Populaire, der Linkskoalition aus Léon Blums SFIO Section française de l’internationale ouvrière, dem Parti Radical-socialiste und der kommunistischen Partei akzeptieren und ernannte am 4. Juni 1936 Blum (1872–1950) zum Premierminister. Die Regierung Blum wurde im Juni 1937 aufgelöst. Sein Nachfolger bis März 1938 wurde der Radikalsozialist Camille Chautemps (1885–1963), der zuvor kurzzeitig im Februar 1930 sowie 1930–1934 Premierminister war und auch Mitglied der folgenden Regierungen Edouard Daladiers, Paul Reynauds und Philippe Pétains blieb. Er trat zurück, da er im Parlament keine Mehrheit für nötige Reformen in der Wirtschaftskrise erhielt. Daladier, Präsident des Parti Radical, wurde Regierungschef vom 10. April 1938 bis 20. März 1940. Als solcher unterzeichnete er im September 1938 das Münchner Abkommen. 292 Paul Reynaud (1878–1966), schon Finanzminister in dessen Regierung, wurde vom 22. März bis 16. Juni 1940 sein kurzzeitiger Nachfolger und trat nach der West-Offensive Deutschlands zurück. Die nachfolgende Regierung Pétain schloß am 22. Juni 1940 mit dem »Dritten Reich« den Waffenstillstandsvertrag im Wald von Compiègne, der Frankreich in die militärisch von Deutschland besetzte Zone und die zone libre im Süden mit dem Regierungssitz Vichy teilte. Er stipulierte, dass Deutschland in der besetzten Zone die Rechte der Besatzungsmacht ausübte, wofür die weiterhin in ganz Frankreich souveräne Regierung kollaborieren musste. Am 10. Juli 1940 werden Pétain von der Assemblée nationale in der Sitzung in Vichy die »plein pouvoirs constituants« mit dem Auftrag der Bildung einer neuen Verfassung übertragen, was auch das Ende der Präsidentschaft Lebruns bedeutet. Pétain etabliert am 11. Juli 1940 mit dem ersten von insgesamt 12 actes constitutionnelles zwischen 1940 und 1942 das Vichy-Régime. Die Süd-Zone erfährt ihr Ende am 11. November 1942 mit dem Einmarsch Deutschlands und Italiens in Reaktion auf die Landung der Alliierten in Nordafrika. Louis Hautecoeur war von 1937 bis 1940 leitender Conservateur du Musée des Arts modernes. Unter der deutschen Besatzung von 1940 bis 1944 wurde er dann als Sous-secrétaire im Bildungsministerium Directeur des Beaux-Arts. Die tatsächliche Eröffnung des MNAM erfolgte erst nach dem Krieg im Jahr 1947. Entsprechend kurz fasst etwa Direktor Dominique Bozo im Sammlungskatalog von 1987 die Jahre 1939 bis 1947. 293 Aktivitäten im Palais de Tokyo in dieser Zeit finden keine Erwähnung. Nur kurz weist er auf eine Evakuierung der Sammlungen unter Leitung Jean Cassous, auf die Ernennung Louis Hautecoeurs zum Directeur des Beaux-Arts 1941 und die unmittelbare Absetzung von dessen Nachfolger Cassou, eines früheren engen Mitarbeiters
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Jean Zays, durch die Vichy-Regierung hin. Die Besatzungszeit findet nur in einem Satz Erwähnung. 294 Die Jahre nach der Weltausstellung sind im Palais de Tokyo jedoch nicht ereignislos: Gerade durch Krieg und Besatzung wird es zu einem Träger der Idee der politischen Bedeutung der Ausstellung. 1939 unterbricht der Krieg die ohnehin verzögerte Einrichtung des Museums. In diesen Jahren wirft eine nationalsozialistische Kunstpolitik ihren Schatten voraus: Die Verfolgung sogenannter »entarteter« Kunst in Deutschland beeinflusst eine politisierte Sammlungspolitik für das MNAM. Im Kriegsgeschehen wiederum wird eine Eröffnung des Museums erwogen als ein Zeichen staatlicher Kontinuität und zur Hebung der öffentlichen Moral. Darauf folgt die Phase des MNAM unter der deutschen Besatzung von Paris, die hier noch gesondert betrachtet werden wird. Die Einrichtung des Museums und der Transfer der Sammlungen wurden seit 1935 geplant. Im Budget der Weltausstellung wurden dafür Mittel zurückgestellt. 295 Das Projektpapier von Juni 1935 veranschlagt den Transport mit knapp 50.000 Francs; dazu regte Henri Verne an, die Aufsicht darüber den Architekten des Palais de Tokyo zu unterstellen, um Bau und Einrichtung des Museums zu harmonisieren. 296 Minutiös gibt es die Erfordernisse des Museums nach der Weltausstellung an und indirekt auch einen Überblick über den ungefähren Umfang des Ausstellungsprogramms: Neben 25 Bänkchen und 25 Stühlen für Aufseher sind 10 Vitrinen aus Metall und Glas, 50 Sockel für Statuen und 2400 Bilderleisten vorgesehen.
FRANZÖSISCHE REAKTIONEN IN BERLIN UND PARIS AB AUGUST 1938 AUF DIE VERWERTUNGSAKTION »ENTARTETE KUNST« Auch aus der Weltausstellung gingen Kunstwerke an das MNAM. So etwa, auf Bitten Hautecoeurs, Tapisserien der Manufacture des Gobelins aus dem Pavillon du Textile mit Darstellungen des Monats Messidor nach Frédéric Deshayes, 2 Eglogues nach Jules Flandrin, Le Niger und Le Mékong nach Pierre Henri Ducos de la Haille, La France nach Georges Desvallières und Le Départ des Cavaliers nach Louis Billotey. 297 Weitere Beispiele dieser Zuschreibung sind eine Bronzeskulptur Pugiliste debout von Félix Joffre, eine Eva von Louis Dejean, eine Gravur Bernadette de Lourdes von Maurice Denis und eine Marmorbüste Marie-Jeanne von Henri Lagriffoul. 298 Die Arbeit an der Sammlung 1938 und 1939 ist auch von der politischen Situation in Deutschland geprägt. Von beispielhaftem Interesse ist Louis Hautecoeurs Einsatz für den Erwerb eines Werks Paul Gauguins aus einer der nationalsozialistischen Auktionen »entarteter Kunst«. Die nationalsozialistische Diffamierung moderner Kunstwerke als »entartet« seit 1936 wurde in Frankreich aufmerksam verfolgt. Sarah Wilson weist etwa darauf hin, dass Christian Zervos eine Ausgabe der von ihm gegründeten Cahiers d’Art Picassos Guernica und der ästhetischen Kampagne des »Dritten Reiches« widmete, in
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der er umfassend auch eine Studie des »Centre d’Études de Politique Étrangère« über die Politik der Reichskulturkammer zitierte. 299 Wie sich zeigt, verfolgte aber auch die französische Kunstadministration die Aktionen gegen »entartete Kunst« aufmerksam. Die Verurteilung der Impressionisten in Deutschland gab dem französischen Botschafter in Berlin im August 1938 Anlass zu einem Schreiben an den Außenminister, in dem er auf Gerüchte hinwies, denen zufolge erste solcher Arbeiten durch die Nazis heimlich in Paris verkauft würden: »Le Département n’ignore pas que, parmi les peintres condamnés comme ›entartet‹ ou ›dégénérés‹ par le Dr. Goebbels, figurent en bonne place, la plupart des maîtres de l’Ecole impressioniste [...] les directeurs des musées du Reich ont été invités à cacher aux yeux du public les œuvres ce cette école qui, de l’avis des autorités officielles, portent la marque d’un goût perverti. Les Monnet [sic], les Manet, les Degas et, à plus forte raison, les Cézanne et les Gauguin ont ainsi disparu des salles ouvertes aux visiteurs.«300 Die Politik der »entarteten Kunst« und die Verbringung der in Museen konfiszierten Werke nach Berlin sowie die Übertragung ihres Eigentums an das Reich im Juli 1938 sieht er als vorbereitende Maßnahmen für einen Verkauf. Als Grund für die anfängliche Heimlichturei der Nazis beim Verkauf von »entarteten« Kunstwerken und die Vermeidung einer Zusammenarbeit mit bekannten Kunsthändlern und Galeristen vermutet er, sie wollten die Weltöffentlichkeit nicht an das Beispiel der russischen Kommunisten und ihrer Liquidierung der kaiserlichen Museen nach dem Ersten Weltkrieg erinnern. Für den Fall, dass sich die Verkaufsgerüchte bestätigten, und falls die französischen nationalen Museen dies wünschten, regt der Botschafter an, bei den deutschen Behörden »avec la discretion nécéssaire« nachzufragen ob diese bereit wären, Frankreich Werke zu überlassen: »Un accord à ce sujet permettrait de faire revenir à Paris un certain nombre des Chefs-d’œuvre de l’Ecole impressioniste française qu’avaient su réunir, en Allemagne, des hommes éclairés, comme les Bode et les Tschudy.«301 Aus den Akten geht hervor, dass im Oktober 1938 betreffende französische Werke als solche der »zweiten Reihe« eingeschätzt wurden. Gleichwohl wurde eine Mission Louis Hautecoeurs nach Berlin vorbereitet, um die Werke zu begutachten, die die deutschen Behörden gegen Devisen verkaufen wollten. Am 29. Dezember 1938 benachrichtigte der Botschafter in Berlin den französischen Außenminister, diese Mission sei hinfällig geworden: Der Verkauf der Werke wurde verboten, stattdessen eine Versteigerung in der Schweiz für das Folgejahr anberaumt. Bei dieser Auktion handelt es sich um die in Luzern am 30. Juni 1939 abgehaltene Auktion »Gemälde und Plastiken moderner Kunst aus deutschen Museen« in der Galerie Fischer. Sie kann nach Gesa Jeuthe als »Testlauf« für die »Verwertung« der künstlerischen Moderne durch die »Kommission zur Verwertung der Produkte entarteter Kunst« gelten. 302
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Für die Aktion »entartete Kunst«, die Beschlagnahmung von Werken in Museen, ihren Verkauf, ihre Vernichtung und ihre Ausstellung zunächst ab dem 19. Juli 1937 in München und später als Wanderausstellung, erhielt Adolf Ziegler einen von Goebbels am 30. Juni 1937 erwirkten »Führererlaß«. Mit einer fünfköpfigen Kommission wurden in kürzester Zeit hunderte Werke aus 32 Sammlungen in 23 Städten beschlagnahmt. 303 Es folgte eine zweite Beschlagnahmungswelle, die auf die »Verwertung« »entarteter« Kunst zielte. Aus 101 Museen und Sammlungen in 74 Städten wurden unzählige Werke eingezogen. Das »Verzeichnis der im Jahre 1937 sichergestellten Werke entarteter Kunst aus deutschem Museumsbesitz und der Abwicklungsmaßnahmen 1938–1941« der Reichskunstkammer umfasst 16.558 Nummern; Jeuthe verweist dazu auf neueste Schätzungen, die von rund 19.500 Arbeiten ausgehen. 1938 wurden die beschlagnahmten Werke gemäß dem von Goebbels erwirkten »Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst« im Reichsgesetzblatt vom 2. Juni 1938 in drei Kategorien aufgeteilt: In international »verwertbare«, verkauf- oder gegen »deutsche Kunst« tauschbare, solche für »Leihausstellungen entarteter Kunst« sowie »absolut wertlose«, die zu vernichten seien. 779 Gemälde und Plastiken sowie 3.500 Aquarelle, Zeichnungen und Grafiken wurden schließlich als »verwertbar« im Berliner Schloss Niederschönhausen eingelagert. Ausländische Galerien und Privatpersonen bezeugen ab 1938 Interesse, darunter auch die Pariser Kunsthandelshäuser Wildenstein und Seligmann und die Londoner Galerie Colnaghi. Besonders die Werke der französischen Moderne erregen Interesse. Aber »die international anerkannten Spitzenwerke, wie Arbeiten von van Gogh, Gauguin oder Marc« sollen »als Zugnummern für die ›mittlere Ware‹ dienen«. 304 Am 21. Oktober 1938 werden in einem Schreiben an Goebbels zwei Anträge auf den Kauf großer Posten von der Züricher Treuhandgesellschaft Fides und der Galerie Fischer, Luzern, genannt. Ab Anfang Oktober 1938 dann regte Theodor Fischer in einem Schreiben an Hitlers Ministerialrat Franz Hofmann, Mitglied der Verwertungskommission, an, »dass der vorteilhafteste Weg der Liquidierung eine internationale Auktion wäre«. 305 Wie Jeuthe dazu aufzeigt, erhoffte sich die »Verwertungskommission« davon eine Einschätzung über den internationalen Markt für »entartete« Kunst, und die Schweiz als Auktionsort empfahl sich durch niedrige Transportkosten, erleichterte Zollbestimmungen und ihre Funktion als internationale Drehscheibe. Werbemaßnahmen wie die Verschickung eines Kataloges mit einer Auflage von 1.400, internationale Inserate, die Fischer beim Propagandaministerium nachweisen muss, und die Umstände der Auktion führten zu einer großen internationalen Aufmerksamkeit. 306 Vorbesichtigungen fanden in Zürich vom 17. bis 27 Mai und 30. Mai bis 29. Juni 1939 in Luzern statt. Die in Luzern versteigerten Werke machen nur 0,98 % der geschätzt 8.700 »verwerteten« Kunstwerke aus, aber mit einem Erlös von 664.071 Schweizer Franken knapp 44 % der Gesamteinnahmen der »Verwertungsaktion«. 307
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In der französischen Administration setzte sich das Interesse an der »Verwertungsaktion« der Nazis fort. Die Schätzungsliste der Luzerner Auktion befindet sich in den französischen Akten. Henri Verne setzte sich im Januar 1939 dafür ein, dass Louis Hautecoeur zur Begutachtung der Werke französischer Künstler zur Vorbesichtigung in Zürich gesandt wurde. Besonderes Interesse rief ein Gemälde von Paul Gauguin aus der städtischen Galerie Frankfurt hervor. 308 Es handelte sich um das Gemälde Aus Tahiti von 1902 (Öl auf Leinwand, 91 × 73 cm, französisch: Le sorcier d’Hiva Oa). Der Städel erwarb es 1926 aus der Sammlung Pauline Kowarzik, Frankfurt am Main. 309 Es war nicht Teil der von Ziegler und seiner Kommission am 7. Juli 1937 im Städel beschlagnahmten Werke und auch nicht der zweiten dortigen Beschlagnahmungswelle unter Leitung von Guido Joseph Kern, Kustos an der Berliner Nationalgalerie, sondern eines der Werke, die einzeln auf schriftliche Anweisung hin bis Ende 1937 nach Berlin versandt wurden. 310 Einzelne Beschlagnahmen erfolgten für Hermann Göring, der sie telefonisch forcierte. Neben van Goghs Bildnis des Dr. Gachet (1890) betraf dies den Gauguin »zur persönlichen Verfügung Hermann Görings«. 311 Louis Hautecoeur setzte sich vehement für den Erwerb dieses Gauguin ein. In einem Brief an Henri Verne vom 6. Juni 1939 argumentiert er, die Musées nationaux besäßen bisher nur zwei Werke aus dessen bretonischer Periode. Gauguin sieht er mit Cézanne am Ursprung aller modernen Kunst. »Les Musées Nationaux possèdent de Gauguin un tableau de l’époque bretonne ›La Belle Angèle‹ et une toile de la période tahitienne ›Le cheval blanc‹. Quelles que soient les qualités de ces deux œuvres, elles n’égalent pas celles que l’on peut remarquer dans les pièces capitales de cette artiste. Vous n’ignorez pas la place que tient Gauguin dans l’histoire de notre art. C’est autant de lui que de Cézanne qu’est sorti tout l’art moderne.«312 Auch hier verweist Hautecoeur auf Sammlungen im Ausland. Offensichtlich hatte es der französische Staat im Jahr 1920 versäumt, Gauguins Hauptwerk D’où venons nous? Que sommes nous? Où allons nous? (1897–1898, Boston, Museum of Fine Arts) auf sein Anraten zu kaufen: »Grâce au collectionneur Schtchoukine, le musée de Moscou est de beaucoup le plus riche et possède une quinzaine d’œuvres de tout premier plan; les musées de Stockholm, de Copenhague, les musées et collections suisses ont acquis des tableaux importans. La toile la plus considérable de Gauguin ›D’où venons-nous, où allonsnous?‹ que j’avais signalée en 1920, alors qu’elle était à la Galerie Barbazanges et qu’on aurait pu l’avoir pour 100.000 francs, après avoir changé deux fois de mains, a été vendue 800.000 francs à un collectionneur finlandais qui la proposa aux Musées Nationaux, en 1931, pour une somme de 5 millions et qui finit par la vendre au Met-
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ropolitan Museum de Boston, pour le prix de 3 millions et demi, si mes renseignements sont exacts.«313 Die Auktion in Luzern sei eine letzte Chance, ein »kapitales Werk« Gauguins zu erwerben: »Le Musée de Francfort possédait une toile qui est réputée. Par suite de la politique artistique du Führer, cette œuvre sera mise en vente, à Lucerne, le 30 de ce mois [...] C’est une des dernières chances que peuvent courir les Musées Nationaux d’acquérir une œuvre capitale de Gauguin.« Aufgrund des hohen zu erwartenden Preises von 1 Million bis 1,2 Millionen Francs vereinbarte der Conseil des musées nationaux am 6. Juni 1939, Hautecoeur noch einmal nach Luzern zu schicken um mehr über den möglichen Preis herauszufinden und dazu eine Sondersitzung. Man befürchtete, mit dem Kauf französische Devisen an Deutschland zu geben, die in die deutsche Aufrüstung fließen könnten. 314 Zu diesem Punkt leitete Henri Verne am 14. Juni 1939 eine Kopie eines englischen Schreibens der Galerie, signiert von Theodor Fischer, weiter, das Louis Hautecoeur erhalten hatte. Darin schreibt Fischer, von Freunden habe er erfahren, in Amerika gäbe es »a vehement propaganda in order to bacot [sic] this sensational public sale, pretending that the proceeds will go to Germany for purpose of armament. This argument is ridiculous and wrong«. 315 Fischer versichert, alle Zahlungen seien an die Galerie zu richten und dass die deutsche Regierung damit nichts zu tun habe. 316 Tatsächlich hatte es einen Aufruf zum Boykott der Auktion gegeben, woraufhin Dr. Alfred Frankfurter, Verleger der Art News, am 1. Juni aus den USA ein Telegramm an Fischer sandte, in dem er anregte, die Bestimmung der Erlöse für Deutschland vertraulich zu behandeln, da dies amerikanischen Geboten zuträglich wäre. Jeuthe zufolge müssen Fischers Rechtfertigungsschreiben an potentielle Bieter vor dem Hintergrund dieser Warnung gesehen werden. 317 Zu diesen muss wohl auch das vorliegende Schreiben vom 1. Juni 1939 an Hautecoeur gezählt werden. Das schnelle Handeln Fischers noch am Tag des Telegramms erscheint damit wie eine überhastete, zum Teil bewusste Irreführung. In einem nachfolgenden Brief vom 14. Juni 1939 berichtet Hautecoeur von seinem Besuch in Luzern und seinem Gespräch mit Fischer über diverse Werke und ihre Kaufinteressenten, darunter die Zwei Harlekine und die Absinthtrinkerin Picassos aus der Städtischen Galerie Wupperthal-Elberfeld und der Hamburger Kunsthalle. Fischer habe ihm Hoffnung auf einen günstigeren Preis für den Gauguin gemacht. 318 Auf der Auktion wurden schließlich 85 der angebotenen 125 Werke versteigert. Der Gauguin gehörte bei einem Schätzpreis von 63.000 Schweizer Franken mit einem Verkaufspreis von 50.000 zu den Spitzenlosen und nahm den dritten Platz ein. Belgien erwarb für seine öffentlichen Kunstsammlungen elf Werke, die Niederlande vier, und das Kunstmuseum Bern und die Baseler Museumskommission ersteigerten jeweils ein, beziehungsweise acht Gemälde. 319 Der Gauguin ging, von Belgien erworben, an das Musée des Beaux-Arts in Liège, jetzt Musée d’Art moderne et d’Art contemporain, wo er noch heute hängt. 320
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EIN MUSEUM FÜR DREI, VIER TAGE: DIE IDEE DER ERÖFFNUNG DES MNAM ZUR HEBUNG DER MORAL IM KRIEG Die Einrichtung des MNAM und die Überführung der Sammlungen aus dem Musée du Luxembourg verzögerten sich aufgrund der Arbeiten im Palais de Tokyo, die sich schon Ende 1937 in Louis Hautecoeurs kritischem Bericht zur Konstruktion des Gebäudes abgezeichnet hatten. Einbau von Lasten- und Personenaufzügen, Schlosserund Stuckarbeiten, Verglasungen und weitere Arbeiten zogen sich über das ganze Jahr 1939. 321 Ende 1939 trägt das staatliche Museum moderner Kunst zwar schon im offiziellen Verkehr die Bezeichnung »Palais de Tokio«, aber es kann nicht eingerichtet werden. Noch im November dieses Jahres wird der Directeur général des Beaux-Arts um zusätzliche Mittel für die Arbeiten gebeten, die nun vom Mitarchitekten des Palais Marcel Dastugue geleitet wurden. 322 Die Eröffnung verzögert sich weiter durch den Krieg, in dem sich Frankreich seit der Kriegserklärung an Deutschland am 1. September 1939 befindet. Allerdings sieht Louis Hautecoeur in der Eröffnung des Museums im Palais de Tokyo ein mögliches Symbol der Zuversicht und der Stärkung der Moral in Zeiten des Krieges mit nationaler und internationaler Wirkung. In einem Brief vom 6. November 1939 bekräftigt er seine Überzeugung, dass eine Eröffnung im Krieg ein »Zeichen von Vitalität« für das Land und die Verwaltung wäre: »Lorsque j’avais été reçu par vous, il a quinze jours, je vous avais parlé de la possibilité d’ouvrir le musée de l’Avenue de Tokio et vous avais indiqué la manifestation de vitalité que, en pleine guerre, constituerait pour notre pays et pour votre administration une pareille mesure.«323 Hautecoeur nimmt Bezug auf mögliche Gefahren für Kunstwerke und Personal. In einer Audienz habe er dem Bildungsminister aber die Idee vorgetragen und dieser habe sich nicht ablehnend gezeigt sondern nur gefragt, ob das Gebäude die von der »Défense Passive« geforderten Sicherheitsvorkehrungen besitze. 324 Hautecoeur bat daraufhin um deren Untersuchung. Die Schutzräume vieler Pariser Gebäude seien dem Untergeschoss des Palais de Tokyo mit seinen Böden aus Stahlbeton, die an einigen Stellen einen Widerstand über 2000 Kilogramm hätten, unterlegen. Brandbomben hätten darauf keinerlei Effekt. 325 Architekt Marcel Dastugue habe ihm versichert, das Museum werde im April 1940 bereit für Kunstwerke sein. Ursprünglich war der Abschluss der Arbeiten bis zum 15. Oktober 1939 geplant. Am 1. September verließen die Unternehmen die Baustelle, weshalb Hautecoeur von einem Rückstand von ungefähr eineinhalb Monaten ausgeht, aber aufgrund der äußeren Umstände eine längere Frist veranschlagt. Er beschreibt weiter die Situation der Sammlungen und ihre mögliche Überführung ins Palais de Tokyo. Auf dem Land wurden etwa 400 Gemälde des Musée du Luxembourg in Sicherheit gebracht. Die wertvollsten Skulpturen verblieben im Untergeschoss des Louvre in Paris. Ein Bericht des Direktors der Musées nationaux vom 15. Septem-
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ber 1939 enthält Listen der mobilisierbaren Kuratoren der nationalen Museen und solchen, die den Schlössern mit den evakuierten Sammlungen schon zugeordnet waren. Demnach waren die Kuratoren Hautecoeur, Cassou und Blum dem Schloss Monbel zugeordnet; Hautecoeur steht auf der Liste der nicht mobilisierbaren Kuratoren, Cassou auf der Liste der noch mobilisierbaren. 326 Als Kurator des MNAM war Hautecoeur nicht mobilisierbar, da er während der Hostilitäten verantwortlich blieb für das Gebäude. Im Mai 1940 war er dort mit der Attachée Geneviève Homolle, einem Sous-Chef, einem Brigadier und acht Wärtern. Für den Fall wiederholten Bombardements sollten nur noch Hautecoeur, ein Sous-Chef und drei Wärter im Gebäude bleiben. Die Listen verzeichnen auch Rose Valland, »attachée«, als Verantwortliche im Jeu de Paume und Jean Cassou als möglichen »Mann vor Ort« für den Fall einer Bombardierung des Musée Cluny. 327 Bei den auf dem Land verwahrten Werken der Sammlung moderner Kunst unterscheidet Hautecoeur die »unersetzlichen«, »wie die Toulouse-Lautrec, les Cottet etc.«, und jene, die »im Falle eines Unfalls« »leicht durch solche von äquivalentem Charakter und Qualität« ersetzt werden könnten. 328 Als zweite Gruppe bezeichnet er die Kunstwerke, die im Luxembourg verblieben und zum Transport an den Quai de Tokio vorgesehen sind. Sie umfasst nach seinen Angaben 700 Gemälde und die Mehrzahl der Skulpturen. Als Dritte Gruppe klassifiziert er Werke von der Expo, die schon am Quai de Tokio zwischengelagert seien: Ersetzbare Keramiken, Glasarbeiten, Möbel und Kunstobjekte. Hautecoeur schwebt eine Eröffnung des neuen Museums im Frühjahr 1940 vor, die erlauben sollte, das Museum zur Einweihung für eine befristete Zeit in seiner ganzen Wirkung zu erleben. Der Effekt auf die Öffentlichkeit sollte die Kriegsrisiken überwiegen. So schlägt er für den Fall des Abschlusses der Arbeiten an den Räumlichkeiten zum April 1940 vor, schon alle Objekte der vorgenannten dritten Kategorie aufzustellen. Diese Maßnahme werde ohnehin einen Großteil von ihnen »retten«, da sie seit zwei Jahren in den Lagerräumen des neuen und deshalb feuchten Gebäudes verwahrt seien. Sie zu lüften sei unabdingbar. Da das Palais de Tokyo so groß sei, heißt es weiter, wäre ja ohnehin immer nur ein Teil betroffen: »A supposer qu’une bombe atteigne le musée, étant donné l’étendue de l’édifice, elle ne ruinerait – si elle explosait – qu’un petit nombre d’objets, qui, entreposés dans les conditions actuelles ne sont pas exposés à un risque hypothétique, mais à une destruction lente et certaine.«329 Zudem schlägt er vor, die Mehrheit der Gemälde und Skulpturen auszustellen, wobei die unersetzbaren Werke in der Provinz gelassen werden sollten. Allerdings möchte er der Öffentlichkeit kein unfertiges Museum zeigen. Er schlägt daher vor, alle Säle einzurichten und die Stellen der wertvollsten Werke frei zu lassen. Diese könnten für »drei bis vier Tage« zur Einrichtung geholt werden. So könnten das fertige Museum gezeigt und die nationale und internationale Moral gestärkt werden.
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»Faudrait-il dans ces conditions ouvrir au public un musée incomplet et perdre le bénéfice d’une présentation achevée? On pourrait envisager si la situation est alors tranquille, de préparer toutes les salles, en réservant la place des œuvres demeurées en province, puis de faire revenir celles-ci pour le jour de l’inauguration, de les laisser, suivant les circonstances, trois à quatre jours et de les renvoyer en province. Ainsi les amateurs et les critiques verraient le Musée dans son ensemble et l’effet moral souhaité serait obtenu, tant à l’intérieur qu’à l’extérieur du pays.«330 Die Kosten für einen solchen Hin- und Rücktransport der wertvollsten Werke aus der Provinz hielten sich im Rahmen, da die Verpackung durch die Mitarbeiter geschähe, zwei Lastwagen ausreichten und die Eintrittsgelder diese deckten. 331
DIE KONTINUITÄT DER KUNSTPOLITIK IM KRIEG Im selben Brief vom 6. November 1939 wirft Louis Hautecoeur auch die Frage des endgültigen Namens des neuen Museums auf. Er bittet den Directeur des Beaux-Arts zu entscheiden, ob das Museum den seit vier Jahren in allen offziellen Dokumenten gebräuchlichen Namen »Musée national d’Art moderne« behalten sollte. Der Directeur des musées nationaux fände die Bezeichnung problematisch aufgrund ihres Gebrauchs sowohl für Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts wie auch für Werke vom Ende des 19. und des 20. Jahrhunderts und schlage daher »Musée National des Arts Contemporains« vor. 332 Er regt daher auch an, die Räumlichkeiten in der Orangerie des Palais du Luxembourg, über die der Senat zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden hatte, für temporäre Wechselausstellungen als Annex der Orangerie in den Tuilerien zu erbitten. Ende 1939 brachte Hautecoeur auch noch einmal die Sammlungspolitik des MNAM zur Sprache. Demnach war es seine Anregung, die zum Erlass des Bildungsministers vom 17. Februar 1936 führte, der regelte, dass zeitgenössische Werke bis zum hundertsten Geburtstag der Künstler Teil der Sammlung blieben und danach eine offizielle Kommission über ihren endgültigen Verbleib entscheide: »Le Musée National du Luxembourg et le Musée National du Jeu de Paume conservent les œuvres des artistes contemporains vivants ou décédés jusqu’au centième anniversaire de la naissance de l’artiste.«333 Zuvor war es Brauch, dass die Werke das Musée du Luxembourg zehn Jahre nach dem Tod der Künstler verließen. Das führte aber zu Situationen wie der, dass der Louvre »non seulement les œuvres des impressionistes, mais encore celles de Gauguin, Toulouse-Lautrec, Seurat, etc...« forderte. So kam es dazu, dass etwa Toulouse-Lautrec, der mit 37 Jahren starb, in den Louvre eintrat, aber Maler, die zwanzig Jahre älter als er waren, im Luxembourg verblieben. Der Zufall bestimmte den Ausstellungsort. 334 Hautecoeur schlägt vor, den neuen Erlass auf alle ab 1845 geborenen Künstler anzuwenden, »afin d’éviter un
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aller et retour«. In einer kurzen Notiz vom 19. Januar 1940 stimmt ihm der Directeur des Beaux-Arts zu. 335 Die Arbeiten am Palais de Tokyo gingen nach der Mobilmachung im September 1939 weiter. Anfang Dezember 1939 schlossen Hautecoeur, der Architekt Dastugue, der Directeur des musées nationaux und der neue Bildungsminister Yvon Delbos mit einer Firma eine Vereinbarung zum Transport der im Luxembourg verbliebenen Werke und Skulpturen in das Untergeschoss des Palais de Tokyo bis zum 28. Dezember und über einzelne im Dépôt des Marbres verwahrte Skulpturen und Objekte bis zum 20. Januar 1940. Aus dem Luxembourg kamen um die 193 große und kleine Skulpturen, Bronzen und Säulen sowie mehrere Vitrinen, sowie 231 Gemälde aus den Sälen und 250 aus der Reserve. 336 Am 30. Dezember 1939 hält man mit Bezug auf eine mögliche Eröffnung des MNAM fest, auf Nachfrage bei der »Défense Passive« habe man die Auskunft erhalten, die Keller der umliegenden Gebäude seien ausreichend als Schutzräume für die 100 bis 200 täglichen Besucher, mit denen man während der »période des hostilités« rechnen könnte. 337 Das kuratorische Konzept sieht nun vor, die in der Provinz in Sicherheit gebrachten Werke mit ihren Rahmen und Sockeln zu »repräsentieren«. Für den Fall einer Eröffnung bekräftigt Hautecoeur sein Ansinnen, sie dann für einige Tage kommen zu lassen. Sein Konzept sieht vor, im Rez-de-Chaussée des Westflügels die Skulpturen und einen Teil der Malerei auszustellen, und im Zwischengeschoss Keramiken, Glasarbeiten und Medaillen. Im Rez-de-Chaussée haut will er die Malerei von 1890 bis 1920 zeigen sowie Möbel und art décoratif, im Obergeschoss Zeichnungen, Grafik und Architektur. 338 Unmittelbar vor dem Ende des Sitzkrieges am 10. Mai 1940 mit Beginn des Westfeldzuges der deutschen Wehrmacht, also noch in der Phase der drôle de guerre, endeten Bauarbeiten im Palais de Tokyo. Am 16. Mai 1940 wird dem Directeur des Beaux-Arts Georges Huisman, dessen Büro sich zu diesem Zeitpunkt direkt nebenan, im Palais de Chaillot am Trocadéro, befindet, aus der Direction des musées nationaux et de l’École du Louvre der Entwurf des Protokolls des Conseil des musées nationaux vom 7. Mai 1940 zugestellt. 339 Es zeigt, wie sich Kulturpolitik auch im Krieg auf erstaunlich detaillierter Ebene mit dem Tagesgeschäft der nationalen Museen befasste. Präsident des beratenden Conseil des musées nationaux ist der einflussreiche Bankier, Sammler und Mäzen David David-Weill, anwesende Mitglieder sind unter anderem Huisman selbst, Jacques Jaujard, Paul Léon, Gabriel Cognaq und Émile Labeyrie, der frühere Gouverneur der Banque de France unter der Regierung des Front Populaire, der zu diesem Zeitpunkt seit 1937 Präsident des französischen Rechnungshofes war und kurz darauf von Pétain entlassen wurde. Neben Tagespunkten besonders zu Nachlässen und der möglichen Ersteigerung einer Dose auf der Londoner Versteigerung der Sammlung Eumorfopoulos verzeichnet das Protokoll einen Auftritt Louis Hautecoeurs, der den – angenommenen – Vorschlag machte, für 15.000 Francs eine Landschaft Suzanne Valadons zu erwerben. Anschließend lädt Hautecoeur den Beirat zur Besichtigung der abgeschlossenen
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Arbeiten im Palais de Tokyo ein; ein Besichtigungstermin wird für den 15. Mai vereinbart. 340 Auch wenn es nicht dazu kam, zeigt sich, dass die potentielle Eröffnung des MNAM im Palais de Tokyo, projektiert unmittelbar zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, aus kuratorischer Sicht deutlich unter dem Zeichen einer Wahrnehmung der Präsentation der modernen Kunst in Hinblick auf ihre gesamtgesellschaftliche Wirkung stand. Das Zusammenspiel von Kunst und Gebäude wird als wichtiges soziales Medium angesehen, und sei es nur für drei, vier Tage. Ihm wird die Kraft zugesprochen, in Kriegszeiten ein Zeichen der Zuversicht zu setzen. Die Idee einer Repräsentation der wichtigsten Werke durch Rahmen und Sockel zeigt dabei, dass die Vermittlung des kuratorischen Prinzips selbst als ausstellungswürdig erachtet wird. Der Zerstörung des Krieges wird in dieser Vision nicht nur die schöpferische Kraft der Kunst entgegengesetzt, sondern die Schöpfung eines ganzen Museums moderner Kunst, gerichtet auf die Zukunft.
UNTER DEU TSCHER BESATZUNG: VERFOLGUNG JE AN C A SSOUS, PROVISORISCHE ERÖFFNUNG 1942 UND DIE L AGERUNG GER AUBTER KL AVIERE UND FLÜGEL Nach dem Kriegsgeschehen sah sich das Bureau des Travaux d’Art genötigt, beim Finanzministerium einen Sonderhaushalt der nationalen Museen zu beantragen als Hilfsmaßnahme für nach Paris zurückgekehrte Künstler. Das MNAM taucht dabei, wie auch in den übrigen Dossiers der »Grands Travaux« 1938 bis 1941, nicht auf. Die betreffenden Museen sind der Louvre und die Musées Guimet, Gustave Moreau, Rodin, d’Ennery und Lannelongue und die Fondation de Rothschild. 341 Als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Künstler und Kunsthandwerker sind vor allem Renovierungsarbeiten in den Museen, Dekorations- und Restaurierungsarbeiten vorgesehen. 342 Auch ein ministerielles Schreiben aus dem Bildungs- ans Finanzministerium hält die dringenden Hilfsmaßnahmen für demobilisierte Künstler und Kunsthandwerker fest, da es nach über einem Jahr Unterbrechung noch immer sehr wenige Ausstellungen gäbe, und viele Kunstliebhaber noch nicht wieder nach Paris zurückgekehrt seien, die sich ohnehin gerade nicht um die »Anreicherung ihrer Sammlungen« sorgten. 343 Ein ausstellungsfähiges Museum moderner Kunst im Palais de Tokyo wäre ein in dieser Situation dringend benötigtes Instrument der staatlichen Ausstellungs- und Ankaufspolitik. Davon war dieses jedoch weit entfernt. Ein schwerer Bruch in der institutionellen Kontinuität ergab sich zudem durch die zunächst vollzogene Ernennung und dann Abberufung von Jean Cassou als Direktor des MNAM im Sommer und Herbst 1940 und seine anschließende Verfolgung.
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1940: JEAN C ASSOU WIRD VOM DIREKTOR DES MNAM ZUM POLITISCH VERFOLGTEN Im Sommer 1940 wurde Louis Hautecoeur zum Directeur général des Beaux-Arts. Jacques Jaujard, nun Directeur des musées nationaux, schlug in Übereinstimmung mit Hautecoeur vor, dessen ehemaligen Conservateur-adjoint Jean Cassou zum Chefkurator des MNAM zu ernennen. 344 Cassous Ernennung führte zu scharfen Reaktionen. In einem Telegramm vom 26. September 1940 an Raphaël Alibert (1887–1963), ein Vertrauter des Maréchal Pétain und Justizminister Vichys von Juli 1940 bis Januar 1941, wird gefragt, ob es der »bolschewisierende Schriftsteller Cassou« und »Attaché des Cabinet Jean Zay« sei, der da zum Kurator ernannt wurde: »Lisons dans journaux nomination comme conservateur musée certain Jean Cassou Stop Desirions savoir si c est Cassou ecrivain bolchevisant partisan virulent rouges espagnols et attache cabinet Zay serions reconnaissant repondre = = Pour groupe contre revolution Poncins Batault.«345 Die Absender »Poncins« und »Batault« sind wohl der katholische Publizist und antijüdische, antikommunistische Verschwörungstheoretiker Léon de Poncins (1897–1975) und der Schriftsteller Georges Batault (1887–1963), ein Autor von Schriften wie Israel contre les Nations (1939), zu der Poncins das Vorwort verfasste. 346 Eine getippte Notiz in den Akten von Georges Riperts Secrétariat d’Etat à l’Instruction Publique et à la Jeunesse hält fest, Cassous Nationalität umgebe ein »Mysterium«, ebenso seine freimaurerischen Aktivitäten, zu denen angeblich von ihm zwischen 1936 und 1939 gehaltene Vorträge in Logen gelistet werden. 347 In einer Antwort auf Riperts Frage, weshalb er ihm Cassou zur Nominierung vorgelegt habe, weist Louis Hautecoeur darauf hin, es sei zwischen Cassous Tätigkeit als Beamter und als Schriftsteller zu unterscheiden. 348 Cassou sei von einer unabhängigen Jury, die auch Professoren des Collège de France, der Sorbonne und der École du Louvre umfasste, im Januar 1938 während seiner Abwesenheit zum Conservateur-adjoint am Luxembourg ernannt worden. Während der zwei Jahre am Museum habe Cassou größten Eifer sowie »une parfaite connaissance de l’art d’aujourd’hui et le plus grand éclectisme dans ses jugements« gezeigt. Cassous Schriften habe er selbst nicht gelesen, jedoch von den durch sie ausgelösten Polemiken Kenntnis gehabt. Bei der Ernennung zum Direktor habe Cassou ihm versichert, seit über einem Jahr mit den »linken Elementen« gebrochen zu haben und verneint, Jude zu sein: »C’est pourquoi lorsque je vous ai présenté la proposition qui m’était transmise, je vous ai dit exactement – et vous me permettrez de reproduire les paroles que j’avais aussitôt après notées: ›Monsieur le Ministre, M. Cassou est un fonctionnaire sérieux et compétent. Je ne saurais que faire son éloge à ce point de vue [...] Toutefois, vous n’ignorez pas que M. Cassou a pris une part active aux discussions politiques; il m’affirme avoir rompu avec les éléments de gauche depuis plus d’un an; il nie avoir du sang juif comme on l’en accuse; il s’est montré très patriote durant cette guerre; a
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été volontaire lorsqu’il s’est agi de remplacer à Compiègne, sous le bombardement, le Conservateur malade [...] Il ne m’appartient pas d’apprécier l’élément politique de cette affaire, mais il est de mon devoir de vous le signaler‹.«349 Louis Hautecoeur hält weiter fest, dass offensichtlich Maréchal Pétain selbst keine Repressalien wünschte und Cassous »Bruch« mit der Linken berücksichtigt werden sollte: »Vous m’avez répondu: ›Le Maréchal ne veut pas de représailles. Puisque M. Cassou dit avoir rompu avec les éléments de gauche, et s’est bien conduit pendant la guerre, j’estime pouvoir le nommer‹.«350 Cassou selbst hatte sich, wie eine handschriftliche Notiz vom 14. September 1940 an »Monsieur le Directeur général« – Louis Hautecoeur – zeigt, genötigt gesehen, zu versichern, er sei im Gegensatz zu den Behauptungen in der Presse nicht Jude, sein Vater und seine Mutter stammten aus alten katholischen Familien und hätten ihn in diesem Glauben erzogen. 351 Cassous Schriften weisen stets seine klare politische Haltung gegen Faschismus und Nationalsozialismus aus. Schon im Sommer 1933 veröffentlichte er einen Text mit dem Titel La Culture brûle gegen den Nationalsozialismus und Hitlers Antisemitismus. Er politisierte sich nach den Ereignissen der »Crise du 6 Février 1934«, den gewaltsamen Protesten rechter Gruppen gegen die Regierung mit einem Toten und hunderten Verletzten. Er wandte sich besonders aufgrund der Hilfen der Sowjetunion für die spanischen Republikaner dem Kommunismus zu, aber nach dem Hitler-Stalin-Pakt vom 24. August 1939 enttäuscht wieder von der UdSSR ab. Zwischenzeitlich wurde er Leiter der linken Zeitschrift Europe, die einen internationalen Widerstand gegen die faschistischen Länder und den Schutz von Frieden und Demokratie forderte. 352 Seine politische Überzeugung legte Cassou klar dar. Zur Zeit der Weltausstellung im Juni 1937 analysierte er etwa die Haltung einer Studie des belgischen Kriminologen Étienne De Greeff. Dieser vertrat die Meinung, dass Faschismus, Nationalsozialismus und Bolschewismus gleichermaßen als mystische Wirkkräfte im kollektiven Bewusstsein einer mittelmäßig intelligenten Masse erlaubten, individuelle Dramen im Kollektiven zu sublimieren. 353 Dagegen wendet Cassou ein, dem kommunistischen Revolutionsgedanken gehe es im Gegensatz zur faschistischen Blut- und Rassenideologie um das materielle Überleben der Menschen. 354 Cassou kommt hier Brecht und dessen Frage »Wovon lebt der Mensch?« sehr nahe, wenn er darauf hinweist, die revolutionäre Realität brauche keinen Vorwand, wenn sich die Frage stellt: Von Kanonen oder Brot leben oder sterben? »De quelle mystique, de quel prétexte idéal, de quel masque idéologique, a besoin l’homme à qui la réalité s’impose sous la forme de ce dilemme, dont il a pris terriblement conscience et qu’il inscrit sur ses étendards: Vivre ou mourir, – vivre en travaillant ou mourir en combattant, – du canon ou du pain?«355 Cassou wurde mit einem Erlass vom 27. September 1940 seiner Aufgaben enthoben. 356 In einem Schreiben an den Minister vom 15. Oktober 1940 äußert er sich zu diversen Vorwürfen. Er erklärt etwa seinen Einsatz für die Republikaner im spanischen
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Bürgerkrieg und beweist in der Einschätzung der faschistischen Regime in Europa Weitblick: »J’ai fait campagne pour l’Espagne républicaine, car j’estimais que rien ne pouvait être plus dangereux pour mon pays que l’établissement d’Hitler et de Mussolini en Espagne [...] Je sais que ces sentiments ne s’accordent pas avec ceux qu’exigent les circonstances actuelles: je tiens seulement à les préciser et à vous indiquer qu’ils m’ont toujours été, me sont toujours inspirés par un amour passioné de la France et des principes que, par sa civilisation et son histoire, elle a introduit dans le monde.«357 Im Laufe des Jahres 1941 wurden noch Bemühungen getroffen, Cassou, der sich nun in Toulouse aufhielt, seine Pension für über 18 Jahre Staatsdienst auszuzahlen. 358 Seine Verfolgung verschärfte sich jedoch. Beschuldigt, mit seinem Freund Pierre Bertaux, Professor an der Faculté des Lettres der Universität Toulouse, und einigen weiteren Franzosen eine »Organisation de ›Dissidence‹« mit »gaullistischen« Aktivitäten gebildet zu haben, verbrachte er den Winter 1941–1942 im Gefängnis. In einem Brief vom 26. Juli 1942 berichtet er nach seiner vorläufigen Freilassung Louis Hautecoeur davon und dass sein Anwalt für den bevorstehenden Prozess vor dem Militärtribunal eine Einlassung von diesem anrät. 359 Cassou war zusammen mit Claude Aveline und Agnès Humbert, die als Kunsthistorikerin am Musée des Arts et Traditions Populaires tätig war und nach der Befreiung Cassous enge Mitarbeiterin am MNAM wurde, Teil einer aus Pariser intellektuellen bestehenden Widerstandsgruppe, den Français Libres de France. Sie waren eine der Gruppen, zu denen die Widerstandsbewegung um die Bibliothekarin Yvonne Oddon und den Linguisten Boris Vildé und den Anthropologen Anatole Lewitsky am Musée de l’Homme als Réseau du musée de l’Homme, auch »Amis d’Alain-Fournier« genannt, Verbindungen knüpfte, so dass im Herbst 1940 ein Netzwerk aus mindestens acht Gruppen daran arbeitete, die Widerstandsbewegung in der Metropolregion zu koordinieren, dem auch die Ethnologin und Widerstandsheldin Germaine Tillion (1907–2008) angehörte. 360 Die Français Libres de France und Vildé beschlossen die Gründung einer Untergrundzeitung. Résistance, Bulletin du Comité national de salut public erschien erstmals am 15. Dezember 1940 und in insgesamt fünf Ausgaben bis März 1941. Von Januar bis April 1941 wurde der »secteur Vildé« als erster Teil des Widerstandsnetzwerks jedoch von den Deutschen aufgedeckt. Nur wenigen, darunter dem Direktor des Musée de l’Homme Paul Rivet und Jean Cassou, gelang die Flucht in den Süden Frankreichs. Yvonne Oddon und Anatole Lewitsky wurden im Februar 1941 verhaftet, Boris Vildé im März. Agnès Humbert und Pierre Brossolette (1903–1944) sicherten das Erscheinen des Blattes bis März 1941, wovon Humbert in einem Tagebuch berichtet, das sie von Juni 1940 bis zum 13. April 1941, zwei Tage vor ihrer Verhaftung in Paris durch die deutsche Polizei, führte. 361 Im Februar 1942 verhängte ein deutsches Tribunal Todes-
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urteile über sieben Männer und drei Frauen. Die Männer, darunter Vildé und Lewitsky, wurden am 23. Februar erschossen, die drei Frauen Oddon, Humbert und Germaine Tillion letzendlich in deutsche Konzentrationslager deportiert, die sie überlebten. 362 Nach seiner Festnahme im Süden bat Cassou für seine bevorstehende Verhandlung am 30. und 31. Juli 1942 vor dem Militärtribunal in Toulouse Hautecoeur um ein persönliches, oder per Brief oder Telegramm übermitteltes Zeugnis der Rechtschaffenheit, ein »témoignage de moralité«, das sein Verteidiger für nützlich halte, da Hautecoeur sein unmittelbarer Chef gewesen sei. 363 Die Kopie eines Telegrammentwurfs mit einer kurzen Antwort Hautecoeurs ist gestempelt und datiert »30/7/42«, also erst dem Tag der Verhandlung: »En réponse à télégramme puis affirmer que avez toujours manifesté devant moi sentiments patriotiques et dévouement à ce que vous estimiez servir intérêts français.«364 Cassou kam frei und konnte weiter in der Südzone im Widerstand in den Mouvements unis de la Résistance aktiv sein, besonders in Zusammenarbeit mit Louis Martin-Chauffier, Emmanuel d’Astier de la Vigerie und Pierre Leyris an der Publikation der Cahiers de la Libération. 365 Cassou wurde wie der frühere Bildungsminister Zay, dem nahezustehen ihm vorgeworfen wurde, ein Opfer der Kollaborateure des Vichy-Regimes und ihrer Kampagnen gegen das verhasste linke Spektrum des Front Populaire. Nach der Befreiuung rekapitulierte er 1946 im Vorwort zu dessen posthumen Buch Souvenirs et Solitudes die enge Zusammenarbeit mit Jean Zay und in dessen Kabinett mit dem Weggefährten Marcel Abraham sowie die anschließende Zeit im Untergrund, in der er mit Abraham und Claude Aveline ebenjene Widerstandszeitschrift Résistance herausgab. Jean Zay wurde am 21. Juni 1944 von Milizionären des Vichy-Regimes ermordet. Die vorhergehende Hetzkamapagne wurde maßgeblich vom hochrangigen Kollaborateur Philippe Henriot (1889–1944), der die Propaganda des Vichy-Regimes leitete, orchestriert. Cassou selbst bringt auf den Punkt, wie sehr Zay und die Stützen seiner Politik im Sinne des Front Populaire mit ihrem Einsatz für die spanische Republik und gegen Hitler den Rechtsextremen verhasst waren: »Ainsi s’accomplissait un meurtre préconisé par Philippe Henriot, par tous ceux qui faisaient de Jean Zay une figure symbolique du détesté Front Populaire et qui savaient qu’au sein du Gouvernement il s’était fait l’avocat de l’aide à l’Espagne, de la fidélité à la Tchécoslovaquie, de la résistance à Hitler [...].«366
DIE PROVISORISCHE ERÖFFNUNG 1942 Jean Cassou konnte erst 1945 wieder sein Amt und die Arbeit am MNAM aufnehmen, mit Bernard Dorival als Conservateur adjoint. Sein Zwischennachfolger von 1941 bis 1945 war Pierre Ladoué. Viel blieb diesem im Palais de Tokyo jedoch nicht zu tun. Arbeiten am Gebäude unter der Leitung Marcel Dastugues zogen sich über die gesam-
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ten Kriegs- und Besatzungsjahre. Ein Überblick ist kaum möglich – so dauerte etwa die Arbeit an der Heizung, 1939 begonnen, bis ins Jahr 1947. 367 Erst am Nachmittag des 6. August 1942 fand die Einweihung einer »Exposition permanente d’œuvres appartenant au Musée National d’Art Moderne« statt, zu der der Ministre Secrétaire d’État à l’Éducation nationale Abel Bonnard einlud. 368 Einer kleinen Liste der ausgestellten Künstler und Werke und einem Foto von Maillols Skulptur Ile-de-France auf dem Titel wurde als Vorwort ein Brief Ladoués an Jacques Jaujard, den Directeur des musées nationaux, vorangestellt. Darin präzisiert er, das Museum müsse mit den immer zahlreicheren Ausstellungen in Paris mitziehen. Eine vollständige Eröffnung sei jedoch aufgrund materieller Probleme unmöglich, besonders im glasgedeckten ersten Stock, zudem seien viele Bilder noch nicht wieder in Paris. 369 Die Auswahl der Werke für die in Anwesenheit der deutschen Besatzungsbehörden eröffnete Ausstellung war konservativ bis risikolos. Es überwogen Künstler, die auch schon zur Weltausstellung das Erscheinungsbild des Palais de Tokyo dominiert hatten, wie die Bildhauer Despiau und Maillol, und in der Malerei die als spezifisch »französisch« vereinnahmten Bonnard und Matisse. Braque war mit nur einem Werk vertreten, Robert Delaunay ebenfalls. Das politische Bild ist jedoch nicht ganz einheitlich. Picabia stellte mit einem Werk aus, und auch Yves Tanguy und Fernand Léger, die sich beide im Exil befanden, waren mit je einem Werk vertreten. Ausländische Künstler wie die von André Dezarrois im Jeu de Paume, vor allem in der Ausstellung Origines et Développement de l’Art International Indépendant zur Weltausstellung gezeigten Picasso, Miró, Klee, Ernst, Kandinsky und Zadkine aber auch Franzosen wie Duchamp und Fautrier fehlen völlig. Die Einweihung 1942 wurde intern als großer Erfolg wahrgenommen. Noch 1944 heißt es, das Museum könne nicht wie angedacht den Service des Prisonniers de Guerre beherbergen, denn die Eröffnung 1942 zeige das öffentliche Verlangen nach einem Museum; man verweist auf den »succès que rencontra la réouverture de ces salles auprès du public français et étranger«. 370 Im Winter wurde das Museum zum ersten Dezember 1942 und zum Oktober 1943 aufgrund mangelnder Mittel zur Heizung geschlossen, wogegen es »zahlreiche Proteste« gab. 371 Über die Wiedereröffnung am 16. April 1943 wurde in Zeitungen, Radio und in der Métro informiert. Besonderen Wert legte Pierre Ladoué nun auf den Saal der Neuerwerbungen, was zeigt, dass ein möglichst umfassender Museumsbetrieb mit Ausstellung und Sammlungserweiterung auch in den Jahren der Besatzung angestrebt wurde. 372 Laurence Bertrand Dorléac hat die Hängung bei der vorübergehenden Eröffnung 1942 analysiert und betrachtet sie vor dem Hintergrund des besiegten Frankreichs in der Zeit des Nationalsozialismus. Für sie verstellt die nationalsozialistische Kunstpolitik einen Blick auf die Kunstpolitik des Vichy-Regimes, die sich auf »häufig lügnerische Kontinuitäten« stützte, die über die Brüche in der künstlerischen Landschaft hinwegtäuschen sollten. 373 Als eine solche sieht sie auch die Eröffnung des MNAM 1942. Dagegen stehen die Verurteilung kritischer, demokratischer Kunst, der Ausschluss von Juden
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und Freimaurern, die Reform der Kunstausbildung, die direkt dem »Maréchal« Pétain unterstellte Abteilung für Kunst, der Kult um seine Person, die Erschaffung einer politischen Ikonografie, und der von Pierre Laval (1883–1945), Pétains Regierungschef, in Zusammenarbeit mit Georges Hilaire (1900–1976) organisierte Ausverkauf der staatlichen Sammlungen. 374 Hilaire war Staatssekretär für Verwaltung im Innenministerium und wurde im Frühjahr 1944 Directeur des Beaux-Arts. Laval gab mit dieser Ernennung Hilaires langem Drängen nach und entließ dafür Hautecoeur. 375 Hilaire verfolgte das Programm einer »französischen revolutionären« Kunst, ohne jüdische Künstler. Bertrand Dorléac zitiert einen wohl unpublizierten Text vom Juni 1942 aus seinem Prozess vor der Haute Cour 1947, der seinen drastischen Antisemitismus verdeutlicht: »La peinture juive comme tous les arts juifs est parasite. Il a fallu les Juifs pour déformer et galvauder la leçon de Cézanne [...] Trois cents peintres juifs ont poussé sur l’esthétique française comme le gui sur le pommier [...] Ce n’est affaire politique de proscrire ces ferments dissolvants et d’empêcher que la liberté ne tourne à licence. C’est une affaire d’hygiène.«376 Die Eröffnung des MNAM im August 1942, einige Monate nach Pierre Lavals Rückkehr in die Regierung, betont die Größe der französischen Nation und steht damit einerseits der »Barbarei« der nationalsozialistischen Besatzer entgegen. 377 Andererseits wurden Jean Cassou und André Dezarrois, der unermüdlich für die »écoles étrangères« im Einsatz befindliche Kurator des Jeu de Paume, geopfert; Bertrand Dorléac sieht in ihr daher den französischen Versuch, sich selbst von einer Kontinuität eines künstlichen Wesens der französischen Kultur zu überzeugen, um den Preis des Ausschlusses aller Störenfriede, Ausländer und der Tradition des Aufstands. 378 Im Bereich der zeitgenössischen Kunst sah man die französische Tradition in den Werken von Bonnard, Matisse und Braque ausgedrückt und diese Auffassung wurde besiegelt durch eine große Retrospektive Braques während des Salon d’Automne 1943. Unter der Besatzung waren Vorkriegswarnungen schnell vergessen. So wurde auch die Ausstellung im eröffneten MNAM von der Presse einhellig begrüßt, sie sang »le chant de l’honneur retrouvé«. 379 Jean Cassous Entlassung und der Ausschluss jüdischer Künstler aus den Sammlungen traten so in den Hintergrund. Didier Schulmann hat anhand von zwei Aufnahmen aus einem Bericht über die Eröffnung am 6. August 1942 in der Revue des beaux-arts de France, dem Magazin des Secrétariat des Beaux-Arts unter Vichy (Abb. 60–61) auf die verzerrende Wirkung von Menschen auf museumsgeschichtlichen Dokumentationsfotografien von den Ausstellungssälen hingewiesen. 380 Der auf dem einen Bild leere, von oben aufgenommene Saal mit François Pompons Bronze eines Hirsches, Le Cerf, in der Mitte und einer ersten Reihe von Bronzebüsten und einer dahinter liegenden zweiten von Gipsbüsten an den Seiten ist auf der zweiten Aufnahme so rekadriert, dass die Gipsbüsten zugunsten einer Konzentration auf die Besucher im Saal wegfallen. Damit ergebe sich der Eindruck einer kleinen Menge im Saal, da die dunklen Bronzen die Gruppe der menschlichen offiziellen
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60 Musée national d’Art moderne, Skulpturenhalle, vor 1960, Dokumentationsansicht aus einem Museografie-Album des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Besucher größer erscheinen ließen. 381 Diese Bildinszenierung entspricht dem gewollten Eindruck der nationalen Bedeutung der Eröffnung. Schulmann weist darauf hin, dass es bislang keine Fotografien gäbe, die die Anwesenheit der Besatzungsmacht während der Eröffnung bezeugten, im Gegensatz zu Bildern von der Eröffnung des 53. Salon des Artistes Indépendants im Flügel der Stadt Paris im April 1942, die den Bildungsminister Bonnard im Gespräch mit deutschen Offizieren zeigen: »Le musée national d’Art moderne au Palais de Tokyo: une affaire française, décidément.«382 Auch die Ausstellung L’Art en Guerre, France 1938–1947 behandelte 2012–2013 Fotografien der Eröffnung 1942 als Zeugnis eines vordergründigen Patriotismus, der kaum die Kollaboration eines Abel Bonnard verhüllen konnte. 383 Die Präsentation 1942 reflektierte einerseits die konservative Ankaufspolitik des Staates, aber auch den erwähnten Geschmack, der ein französisches Raffinement im Unterschied zum Besatzer beschwor. Bertrand Dorléac hat die Ausstellung der etwa 650 Werke – Malerei, Zeichnung, Aquarell, Grafik, Skulptur und Medaillen – von etwa 323 Künstlern, von denen gut die Hälfte heute nahezu unbekannt sei, nach ihren Sujets ausgewertet und dabei festgestellt, dass eine Mehrheit menschliche Figuren und dabei
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61 Musée national d’Art moderne, Skulpturenhalle, vor 1960, Dokumentationsansicht aus einem Museografie-Album des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
vor allem, mit 56,39 %, weibliche Figuren zum Thema hatten, gefolgt von Landschaften und Stilleben. Sie interpretiert es so, dass die Auswahl französisches Temperament und Naturempfindsamkeit ausdrücken sollte: »L’ouverture du Musée tendait à grossir le consensus national autour d’une certaine idée de l’art moderne en France: hexagonal et tempéré. Une façon économique de répondre aux Titans de l’occupant en affichant un tempérament français goûtant les femmes charnues et finalement la nature.«384 Die deutschen Besatzer waren aber sehr am Gebäude des Palais de Tokyo interessiert. 1941 planten sie sogar eine Ausstellung moderner deutscher Kunst im Museum der Stadt für Januar 1942. 385 Der Secrétaire général des Beaux-Arts Louis Hautecoeur teilte diesen Wunsch dem Präfekten des Département Seine mit, der daraufhin entschied, Hautecoeurs Abteilung das Museum zur Verfügung zu stellen, »pour la réalisation de cette manifestation artistique«. 386 Die provisorische Eröffnung 1942 erfolgte möglicherweise auch, um die Museumsräume vor Zugriffen und Beschlagnahmung durch die Besatzer zu schützen. Auch die weitere Ausrichtung einzelner Salons wird darauf zurückgeführt, so wurde der Salon du dessin et de la peinture à l’eau in den Sommermonaten 1941 geschaffen um die Besatzer daran zu hindern, das Palais de Tokyo während
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der Sommerferien in Beschlag zu nehmen. 387 Laurence Bertrand Dorléac zitiert dazu Bernard Dorival, der sich erinnerte, dass Pierre Ladoué von zwei deutschen Offizieren erfuhr, das Palais de Tokyo sollte als strategischer Posten dienen, woraufhin der von ihm informierte Hautecoeur eine Versammlung einberief die umgehend die Wiedereröffnung des Museums beschloss. 388 Die Eröffnung des MNAM war, wie gezeigt, freilich schon im Kriegsgeschehen von Louis Hautecoeur angedacht worden und daher ein aktuelles Projekt. Ein Brief Dorivals vom 8. Juli 1942 scheint jedoch die These zu stützen. Dort unterbreitet Dorival selbst dem Directeur des musées nationaux den Vorschlag einer partiellen Öffnung tatsächlich mit dem Argument, damit eine Sequestrierung zu verhindern. Sechzehn Skulpturensäle könnten geöffnet werden, außerdem seien Kunstobjekte und Möbel noch im Palais de Tokyo und nicht evakuiert, während im Bereich der Malerei die wertvollsten Werke zwar evakuiert seien, aber Werke jüngerer und weniger bekannter Künstler im MNAM verblieben. 389 Weiter heißt es, dass das Museum damit zu seiner ersten richtigen Eröffnung auf die schönsten Werke verzichte, müsse man in Kauf nehmen, um es zu »retten«: »Les plus belles œuvres peintes ne seraient pas montrées au public, ce qui ne laisse pas d’être assez ennuyeux. Mais y a-t-il un autre moyen de sauver le Musée d’ Art Moderne?« Bei der Bewertung der Eröffnung 1942 als einer »Rettung« des Museums ist jedoch Vorsicht geboten. Dass die schönsten Werke der Malerei fehlten, ist ein bedeutend geringeres Risiko, als das ihrer potentiellen Zerstörung bei Kampfhandlungen, das Louis Hautecoeur schon 1939 bereit war einzugehen, um mit der Eröffnung im Krieg die allgemeine Moral zu heben. Vielmehr scheint sich nun die Situation geboten zu haben, die so lange verhinderte Eröffnung zumindest teilweise zu vollziehen. Die Strategie ging ohnehin nur partiell auf. Die Besatzer beschlagnahmten das Untergeschoss schon kurz nach der Eröffnung 1942.
AUSSTELLUNGSPOLITIK UND RAUBGUT IM PAL AIS DE TOKYO: DIE L AGERUNG GERAUBTER KL AVIERE AUS JÜDISCHEM BESITZ Die Besatzungszeit in Frankreich ist im Feld der Kunst geprägt durch den Kunstraub der Nationalsozialisten besonders im »Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg« (ERR) und die Verfolgung unerwünschter avantgardistischer und kritischer Kunst. 390 In strenger historischer Verkürzung kann ein Ereignis stellvertretend für die nationalsozialistischen Umtriebe stehen: Am 23. – nach einer wohl zutreffenden Handnotiz Rose Vallands – oder 27. Juli 1943 – nach ihrer späteren Korrektur der Erstausgabe ihrer Erinnerungen, in der der 27. Mai genannt war – wurden in den Grünflächen um das Jeu de Paume Leinwände von Masson, Miró, Picabia, Klee, Ernst, Léger, Picasso und weiterer Künstler aufgeschlitzt und anschließend verbrannt. Etwa 500 oder 600 Gemälde wurden so zerstört. 391
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Die Parallele zu den Bücherverbrennungen in den deutschen Universitätsstädten ab dem 10. Mai 1933 und der Ort des Geschehens sind kein Zufall. Der ERR nutzte das Musée du Jeu de Paume, in dem André Dezarrois die »écoles étrangères« ausgestellt hatte, als zentrales Depot für die in ganz Frankreich geraubte Kunst vor allem aus jüdischem Besitz und französischen Museen. Ein Bericht des ERR vom 14. Juli 1944 führt eine Inventarisierung von 21.903 Kunstwerken seit Beginn der Aktivitäten auf, darunter 10.890 Gemälde, Aquarelle, und Zeichnungen, und 583 Skulpturen und Medaillen. 392 Der Nachvollzug des Raubes und die Rettung der Werke sind das Verdienst von Rose Valland (1898–1980). Sie war als einzige Attachée am Museum Jeu de Paume verblieben und konnte vier Jahre lang heimlich Listen der Werke führen und Informationen über Transporte an Widerstandskämpfer und Depots in Deutschland ab Herbst 1944 an die Amerikaner weitergeben, um Züge und Depots vor Anschlägen und Bombardements zu schützen. 393 Der systematische Raub von Kunst- und Kulturgütern begann unmittelbar nach der Besetzung Frankreichs. Schon kurz nach dem Waffenstillstand sandte der Oberkommandierende der Wehrmacht Wilhelm Keitel dem Militärkommandeur von Paris, Alfred von Vollard-Bockelberg, den Hinweis, Hitler habe Befehl gegeben, neben den Kunstgegenständen im französischen Staatsbesitz auch Kunstobjekte und Dokumente aus Privatbesitz, besonders jüdischem, sicherzustellen. Parallel erfolgte die Bildung des »Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg« und es begann der systematische Raub von Kunstgütern aus jüdischen und anderen französischen Sammlungen. 394 Artikel 19 des Waffenstillstandsvertrags vom Juni 1940 verpflichtete Frankreich, alle deutschen Staatsangehörigen auf Verlangen an das »Dritte Reich« auszuliefern. Der Verfolgung und Ermordung exilierter und jüdischer Künstler wie Otto Freundlich, Max Jacob und vieler anderer stand damit nichts mehr im Weg. Es folgten Gesetze wie die »Loi portant statut des juifs«, die Pétain am 3. Oktober 1940 unterzeichnete, das Juden aus allen öffentlichen Ämtern, Funktionen und Vereinigungen ausschloss, und zahlreiche weitere Gesetze und Erlasse, die sich gegen jüdische und ausländische verfolgte Künstler richteten. 395 Manche, wie Picasso, der nicht ausstellen durfte, harrten in Paris aus, beargwöhnt von den Besatzern. Andere, wie Matisse, gingen in die Südzone, oder ins Exil, wie Albert Marquet nach Algerien, Fernand Léger in die USA, oder schlossen sich, wie Marcel Gromaire, dem Widerstand an. Wieder andere arrangierten sich oder wählten den Weg der Kollaboration, wie Cocteau, der anlässlich von Arno Brekers Ausstellung in der Orangerie am 23. Mai 1942 in Comeodia ein Salut à Breker publizierte, oder Vlaminck, der zeitgleich zu der Ausstellung im selben Blatt am 6. Juni 1942 seine Opinions libres sur la peinture publizierte, einen hetzerischen Angriff auf Picasso, den er für eine »Dekadenz« der bildenden Kunst verantwortlich machte. Vlaminck war auch Teil jener 13 französischen Künstler, die im Oktober und November 1941 die Einladung des deutschen Propagandaministeriums zu einer Reise nach Deutschland annahmen. 396 »Le voyage« wurde nach der Befreiung
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zu einem Kriterium für Ausstellungsverbote kollaborierender Künstler. 397 In diesem Zusammenhang hat Michèle C. Cone darauf hingewiesen, dass französische Künstler, die mit Arno Breker befreundet waren, Staatsaufträge von Nazi-Deutschland erhielten. Sie zitiert dazu eine briefliche Auskunft Brekers an sie selbst von 1984, mit der Mitteilung über große Aufträge in Berlin an Maillol, für einen Brunnen, und Despiau, der einen monumentalen Wandfries ausführen sollte. 398 Als einen der Eindrücke »falscher Kontinuitäten«, zu denen Bertrand Dorléac die Eröffnung des MNAM 1942 zählte, könnte man auch den weiterlaufenden Ausstellungsbetrieb Pariser Galerien mit der neuen Kunstrichtung der »Tricolore«-Malerei ansehen. Die koloristische, abstrahierende Malrichtung sah einer ihrer Vordenker und Vertreter, der Maler Jean Bazaine, in der Tradition der beiden vorhergehenden koloristischen Bewegungen der Moderne, Impressionismus und Fauvismus. 399 Zu ihnen zählten Maler wie Maurice Estève, Charles Lapicque, Alfred Manessier und André Fougeron. Gängige Darstellungen von Kunsthistorikern und Zeitgenossen wie Bernard Dorival, Pierre Francastel und René Huyghe zeichnen gemeinhin das Bild einer Entwicklung beginnend mit der Ausstellung Peintres de tradition française in der Galerie Braun, Paris, am 10. Mai 1941, die nach der militärischen Niederlage 1940 mit dem Gedanken des Widerstandes verbunden wurde.400 Demgegenüber zeigt Michèle C. Cone, dass die entscheidende malerische Weiterentwicklung der betreffenden Künstler hin zur semi-Abstraktion und Abstraktion erst später, ab 1943, erfolgte und bei früheren Ausstellungen die eklektizistische Bandbreite der teilnehmenden Künstler jedes bewusste »Programm« ausschließt. Die Entwicklung sei im Sinne eines Narrativs vom »Widerstand« vordatiert worden, das allein dadurch aber schon fraglich werde, dass die Ausstellung im Mai 1941 in der Galerie Braun von der Kulturvereinigung »Jeune France« unterstützt wurde.401 Echte Widerstands-Ikonografie habe zudem auf künstlerische Wiedererkennbarkeit abstellen müssen.402 Dass die »Tricolore-Malerei« im Zeichen des Widerstandes gelesen wurde, habe mit den öffentlichen Angriffen kollaborierender Kunstkritiker auf die Abstraktion zu tun. Sie konnte ungehindert ausgestellt werden und erfuhr auch positive Kritiken, womit sie geeignet war, künstlerischen Patriotismus zu evozieren und zugleich harmlos zu erscheinen. Cone zitiert in dem Zusammenhang Albert Speer über eine angebliche Aussage Hitlers, der dazu bemerkt haben soll, wenn die Franzosen »degenieren« wollten, sollten sie doch.403 So wurden die »peintres de tradition française« während der Okkupation in den Galerien Jeanne Bûcher, Friedland, Louis Carré und der Galerie de France gezeigt, und waren auch Teil der Sammlung bei der provisorischen Eröffnung des MNAM im Palais de Tokyo 1942. Sie täuschen über Brüche und die repressive Kunstpolitik unter Vichy hinweg. Dass es Louis Hautecoeurs Amtsverständnis entsprach, die neuen Regeln zur Anwendung zu bringen, zeigt ein Vorgang von 1942, bei dem er als Directeur des BeauxArts an die Direktive erinnerte, dass jüdische Personen von öffentlichen Ausstellun-
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gen ausgeschlossen seien. Zum Salon National Indépendant, der in den 1940er Jahren regelmäßig im Ostflügel des Palais de Tokyo organisiert wurde, versicherten ihm dessen Organisatoren für die kommende Ausgabe mit Schreiben vom 18. Mai 1942, alle potentiellen Teilnehmer ihrer Ausstellungen müssten erklären, nicht zur »jüdischen Rasse« zu gehören.404 Im Übrigen hatte er sich schon vor dem Krieg gegenüber ausländischen Künstlern zurückhaltend gezeigt und 1929 eine »Dekadenz« der zeitgenössischen Kunst beklagt. Unter der Besatzung äußerte er sich nie öffentlich zu Vorbehalten, hielt sich ab Juni 1940 an seine amtlichen Aufgaben, und gegenüber den brutalen Ausschlussmaßnahmen völlig unbeteiligt.405 Das Palais de Tokyo ist als physischer Raum auf traurige Weise auch mit den nationalsozialistischen Plünderungen und der Judenverfolgung verbunden. In den Archiven der Musées nationaux zeugen drei Dossiers von seiner Nutzung zur Lagerung geraubter Klaviere aus jüdischem Besitz. Aus Sicht des Personals des MNAM galt es, die Funktionsfähigkeit des Museums zu erhalten, weshalb – umsonst – gegen die Zweckentfremdung protestiert wurde. Die Raubaktion selbst wird darin nicht in Frage gestellt. Der bereits erwähnte Bericht vom Februar 1944 zur möglichen Unterbringung einer Verwaltung für Kriegsgefangene beschreibt auch die aktuelle Situation des Museums: Das Untergeschoss war zwischenzeitlich von deutschen Behörden als »garde meuble« der beschlagnahmten jüdischen Güter besetzt worden. Der Bericht führt aus, volle Magazine und die Werke der Sammlungen vor Ort sowie die von den Deutschen besetzten Bereiche erlaubten keinesfalls die Unterbringung einer Verwaltung mit vielen Angestellten.406 Denn noch im Jahr der provisorischen Eröffnung des MNAM wurden Ende 1942 Kellerräume von der deutschen Militärverwaltung besichtigt und beansprucht. Sie wurden damit Teil der berüchtigten »Möbel-Aktion« oder »Aktion M« der Nazis. Im Rahmen dieser Aktion wurden Wohnungen geflüchteter und deportierter Personen, überwiegend Juden, leer geräumt. In Frankreich, Belgien und den Niederlanden wurden so über 100.000 Wohnungen geplündert. 407 Die Sammlung und Sortierung sämtlicher verwertbarer Güter und Möbel geschah zunächst ab Ende 1941 unter Leitung des ERR, bis dafür im März 1942 eine eigene Dienststelle gegründet wurde. Kurt von Behr leitete diese »Dienststelle Westen« zunächst noch in Personalunion mit dem ERR. Im Jahr 2000 vergegenwärtigte der Generalbericht der staatlichen Mission d’étude sur la spoliation des Juifs de France, die seit 1997 den Raub an den Juden in Frankreich aufarbeitete, die Tragweite der beispiellosen Wohnungsplünderungen, die nicht einmal vor Fotografien und Familiendokumenten halt machten, als radikalen Ausdruck des Willens zur Ausrottung der Juden Europas. Hinterbliebenen wurde mit den Lebensorten und Besitztümern auch die Erinnerung an die Deportierten und Ermordeten genommen: »La prégnance du souvenir de ce pillage s’explique aussi par la mémoire des victimes [...] Le souvenir n’existe que lié aux lieux et aux objets. Le souvenir des morts en déportation ne peut être convoqué, par ceux qui ont survécu, que dans les lieux et parmi les choses où ils ont vécu.« 408
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62 Geraubte Klaviere aus jüdischem Besitz im Keller des Musée national d’Art moderne im Palais de Tokyo, 1943 oder 1944, Koblenz, Bundesarchiv
Hausrat, Kleidung und Möbel wurden beschlagnahmt und zur Verwendung an die Ostfront versandt. Die »Dienststelle Westen« selbst gibt im August 1944 den Umfang der Operation in Frankreich, Belgien und Holland mit 69.619 Wohnungen an, davon waren etwa 40.000 Wohnungen in Paris, und für den Transport der Güter 26.984 Zugwaggons, insgesamt 674 Züge.409 Die »Dienststelle Westen« unterhielt ab 1943 drei Depots innerhalb von Paris, in denen der jüdische Hausrat von jüdischen Internierten für den Transport nach Osten vorbereitet wurde: Ab Juli 1943 das »arisierte« Möbelhaus Lévitan, dazu ab November 1943 ein vierstöckiges Gebäude am Bahnhof Austerlitz und ab März 1944 noch ein ebenfalls »arisiertes« Hôtel particulier der Familie Cahen d’Anvers, 2 Rue Bassano, im 16. Arrondissement. »Lévitan«, »Austerlitz« und »Bassano« waren damit die Pariser Annexe des Internierungslager Drancy.410 Der »Dienststelle Westen« diente das Untergeschoss des Ostflügels des Palais de Tokyo unter dem Museum der Stadt als Zwischenlager für jüdischen Hausrat vor dem Transport, während das Untergeschoss des MNAM der Lagerung der Klaviere diente. Seltenes Bildmaterial hat sich in Form eines Albums von 85 Fotografien der »Aktion M« im Bundesarchiv Koblenz erhalten und wurde von Sarah Gensburger 2010 mit einer ausführlichen Analyse publiziert.411 Dieses Album enthält zwei seltene Bildbelege für
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63 Geraubte Flügel aus jüdischem Besitz im Keller des Musée national d’Art moderne im Palais de Tokyo, 1943 oder 1944, Koblenz, Bundesarchiv
die Anwesenheit der Klaviere im Keller des Palais de Tokyo (Abb. 62–63). Das vorletzte Bild des Albums zeigt eine Reihe Klaviere vor drei im Hintergrund sichtbaren Skulpturen aus der Sammlung des MNAM. Das letzte zeigt mindestens acht Flügel, die auf der Seite liegend aufgereiht sind. Musikinstrumente aus der »Aktion M« unterstanden Herbert Gerigks »Sonderstab Musik«, der im Sommer 1940 im ERR gegründet wurde. Der Bericht der französischen Kommission über die Plünderung der Wohnungen gibt, gestützt auf die Studien des holländischen Musikologen Willem De Vries, an, dass der Umfang der konfiszierten Instrumente nicht zu erfassen ist. Im Dezember 1942 wurden zehn Klaviere nach Berlin-Wilmersdorf an die Leitung der SS geschickt, während im April 1943 ein Zwischeninventar angibt, in Paris warteten 1006 Klaviere auf ihren Transport. Im Juli 1944 wurden zwei Waggons mit 43 Klavieren nach Schlesien und Frankfurt (Oder) geschickt.412 Der »Sonderstab Musik« verkaufte die Instrumente, die zum Teil im Depot »Austerlitz« repariert wurden, an nationalsozialistische Organisationen, etwa »Kraft durch Freude«, die an die 500 Klaviere erwarb. Etwa 2000 Klaviere blieben in Pariser Depots, als der Sonderstab mit den Besatzern Paris verließ.413 Aus Korrespondenz der Besatzer und der französischen Museumsverwaltung geht die Sequestrierung des Palais de Tokyo hervor. Am 31. Oktober 1942 schreibt Kriegsver-
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waltungsrat Bernhard von Tieschowitz vom Stab des Militärbefehlshabers an die Direction des musées nationaux: »Am gestrigen Vormittag hat eine Besichtigung der Kellerräume obengenannten Museums den Unterzeichneten und einen Vertreter der deutschen Dienststelle 43071 W in Gegenwart des Herrn Konservators des Museums stattgefunden. Es wurde vereinbart, dass bestimmte, zur Zeit dortseits nicht benötigte Räume von der genannten Dienststelle für eine beschränkte Zeitdauer zwecks Unterstellung von Möbeln und Klavieren in Anspruch genommen werden können. Die in den Kellergängen aufgestellten Plastiken werden in keiner Weise berührt [...].« 414 Um eine »Vereinbarung« kann es sich aber nicht gehandelt haben, das zeigen zahleiche Protestschreiben und die interne Kommunikation der Museumsverwaltung. Trotz der Proteste wurde, wie aus einem Bericht des leitenden Architekten des MNAM, Dastugue, vom 11. Dezember 1942 und einem Bericht des Kurators Pierre Ladoué einen Tag später hervorgeht, das Untergeschoss durch die Besatzer und Umzugsunternehmen nach und nach mit Klavieren so vollgestellt, dass keine freie Zirkulation mehr möglich war, der beeinträchtigte Brandschutz moniert wurde und heftig gegen den Umstand protestiert wurde, dass die Verbindungsarterie zwischen den beiden Flügeln des Palais de Tokyo vor dem Konferenzsaal unter dem Patio geschlossen wurde.415 Die Argumente in diesen Unterlagen wiederholen sich immer wieder. Ihr Grundcharakter kommt in einem Brief des Directeur des musées de France Jacques Jaujard an den Leiter des deutschen »Kunstschutzes« in Paris, von Tieschowitz, zum Ausdruck, in dem er sich über rauchende Lastwagenfahrer und verstellte Wege beklagt.416 Die Unterlagen mit den Protestnoten vermitteln ein zwiespältiges Bild. Einerseits ist die Funktion des Gebäudes für den laufenden Ausstellungsbetrieb die Hauptsorge. Sie zeigen im Rekurs auf die jeweiligen administrativen Hierarchien auch eine latente Rivalität zwischen dem Kurator Ladoué und dem Architekten Dastugue. Andererseits ist jedoch augenfällig, was fehlt: Mit keinem einzigen Wort wird die »Aktion M« selbst thematisiert. Lediglich in dem oben genannten Bericht von Februar 1944, mit dem es unter Hinweis auf Platzmangel im Gebäude gilt, das Projekt der Ansiedlung eines Service des Prisonniers des Guerres im Palais de Tokyo zu verhindern, wird einmal direkt Bezug genommen auf »beschlagnahmte jüdische Besitztümer«, wobei Distanz geschaffen wird. Die Rede ist vom Möbellager »der deutschen Behörden«: »Les sous-sols du Musée sont réquisitionnés par des services allemands pour servir de garde meuble aux biens juifs saisis. […] Or les magasins et les sous-sols sont pleins d’œuvres d’art abritées sur place, ou bien réquisitionnés par les autorités allemandes pour leur garde-meuble.« 417 Dem Museumspersonal, das so viel Aufmerksamkeit auf Wege und Verbindungstüren richtete, kann die Zwangsarbeit im Keller kaum entgangen sein. Jedoch geht es stets
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nur um die Funktion des Gebäudes. Handelte es sich nicht häufig um Jacques Jaujard, der sich durch den Schutz der Sammlungen vor dem Krieg 1939 und sein enges Verhältnis zu Rose Valland auszeichnete – man könnte sich bei der Lektüre dieser Unterlagen leicht erinnert fühlen an das Urteil Jean Cassous über die »Proteste der Würdenträger von Vichy« im Vorwort zu den Dokumenten über den nationalsozialistischen Raub, die 1947 unter seiner Leitung vom Centre de Documentation Juive Contemporaine herausgegeben wurden: »Les documents allemands réunis dans ce recueil sont assurément d’une lecture puissamment répugnante. Ils nous permettent de saisir le voleur à l’œuvre, sur le fait, en pleine lumière. Mais les protestations des dignitaires de Vichy ne peuvent qu’éveiller dans l’esprit du lecteur un dégoût encore plus grand que celui que produit la lecture des documents allemands.« 418 Cassous Urteil über »quelque chose de plus bas encore que Rosenberg ou Abetz: à savoir, les hommes du Maréchal« – gemeint sind die prominenten Mitglieder der VichyRegierung Jérôme Carcopino und Xavier Vallat, der Chef des Commissariat Général aux Questions Juives seit 1941 – kann sicherlich nicht auf das Museumspersonal und den Directeur des musées de France ausgeweitet werden. Aber hinter Cassous Polemik liegt eine treffende Analyse der Logik administrativer Proteste gegenüber den deutschen Besatzungsbehörden. Die Akten über die Lagerung geraubter Klaviere im Palais de Tokyo teilen die Machtlosigkeit einer Berufung auf vermeintliche rechtliche Handlungsrahmen. Cassou malt davon ein starkes Bild: »Or, la jurisprudence et l’administration qu’utilise le vainqueur allemand sont une farce, et il le sait […]. Mais le Vallat et le Carcopino, c’est-à-dire l’homoncule né d’un suprême caprice du vainqueur allemand et sur lequel le vainqueur allemand n’a qu’à souffler pour le restituer à son néant, comment peut-il oser entrer en dialogue avec son créateur comme si, lui, l’homoncule, représentait vraiment, réellement, un Etat avec des lois, des institutions, des ministères et des ambassadeurs.« 419 Nach der Befreiung verblieben trotz umfangreicher Restitutionsmaßnahmen Klaviere zum Teil bis ins Jahr 1948 im Palais de Tokyo.420 Auch dann wurden sie als Hindernis im Museum wahrgenommen, nun auch von Jean Cassou selbst. Im September 1946 ersuchte er nachdrücklich um ihre Entfernung.421 Gemäß einer Anweisung des Finanzministers vom 30. Januar 1945 war der Service de Restitution des Biens des Victimes des Lois et Mesures de Spoliation im Finanzministerium für sie zuständig. Das maßgebliche Archivmaterial zur Restitution der Klaviere findet sich daher in den Akten des Finanzministeriums und wurde im Bericht der Mission d’étude sur la spoliation des Juifs de France ausführlich untersucht. Ein Großteil der aufgefundenen Klaviere wurde im Palmarium des Jardin d’Acclimatisation und auf der Foire de Paris ausgestellt, wo frühere Besitzer sie in Augenschein nehmen konnten. Häufig meinten mehrere, dasselbe Klavier wiederzuerkennen.
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In diesen Fällen entschieden Friedensrichter. Insgesamt handelte es sich um tausende Klaviere: »Le 25 mars 1946, le professeur Terroine fait un premier bilan: le Service des restitutions a trouvé dans les dépôts abandonnés par les Allemands 2073 pianos; 900 d’entre eux environ ont été ou sont sur le point d’être restitués; presque toutes les demandes de visite présentées au Service des restitutions ont été satisfaites. Il reste donc, note Terroine, 1 200 pianos qui seront vendus par les Domaines conformément à l’ordonnance du 11 avril 1945, deux ans après la date légale de cessation des activités.« 422
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ANMERKUNGEN 1 Uwe Fleckner (2012c): Die Warheit der Malerei. Pablo Picassos »Guernica« zwischen Atelier-
und Ereignisbild, in: id.: Der Künstler als Seismograph. Zur Gegenwart der Kunst und zur Kunst der Gegenwart, Hamburg 2012, S. 95–134.
2 Ibid., S. 95. 3 »L’Exposition de 1937 a-t-elle été le chant du cygne de l’Europe, telle que nous l’avons con-
nue?«, vgl. Zay 1946, S. 347. 4 Ibid., S. 348. 5 Vgl. ibid., S. 350 f. 6 Ibid., S. 351. 7 Ibid., S. 349.
8 Über den Rundgang des Präsidenten und seines Gefolges am 15. Mai 1936 berichtet die Chro-
nique de l’Exposition Internationale de 1937, in: L’Architecture d’Aujourd’ hui 5/1936, S. 90.
9 Dieser Grundgedanke stand im Zentrum einer internationalen Konferenz der Pontifícia Uni-
versidade Católica do Rio de Janeiro / Université Paris 8 / Universidade Federal Fluminense: O Homem Novo e o Antropofago. Corpo Artes Políticas / L’ homme nouveau et l’anthropofage, corps, arts, politiques, Pontifícia Universidade Católica do Rio de Janeiro, 3.–7. November 2014.
10 Borne u. Dubief 1989. 11 GS VII.1, S. 369. Benjamin merkt dies in These XII (»In der Repräsentation des Menschen durch
die Apparatur hat dessen Selbstentfremdung eine höchst produktive Verwertung erfahren«) der »zweiten« (Typoskript-) Fassung des Kunstwerks 1935–1936 an (GS VII.1, S. 350–384), die aus der handschriftlichen ersten hervorging (vgl. »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit«, 2. Fassung, GS VII.1, S. 350–384. Diese ging der französischen Fassung (GS I.2, S. 709–739) voran, zur Geschichte der Fassung vgl. die Anmerkung der Herausgeber, GS VII.2, S. 661 ff.) – in einer Fußnote (11) zu der Feststellung, mit den modernen Aufnahmetechniken werde das ablösbare Spiegelbild des Menschen »vor die Massen« transportiert. Die Feststellung ist schon enthalten am Anfang von These ‹12› der ersten handschriftlichen Fassung des Kunstwerks von 1935 (GS I.2, S. 431– 469, vgl. ibid., S. 454), nicht aber in der »finalen« Fassung von 1939 (GS I.2, S. 471–508), wo der Gedanke eine Aktualisierung mit einer Schwerpunktverschiebung auf die »Ausstellung der Regierenden« erfährt in einer Fußnote (20) zu These X: »Die heutige Krise der bürgerlichen Demokratien schließt eine Krise der Bedingungen ein, die für die Ausstellung der Regierenden maßgebend sind« (GS I.2, S. 491). Diese These X der Version von 1939 entspricht der These XII der oben genannten ersten Versionen, vgl. GS I, S. 491 (»X«) und GS VII.1, S. 369 (»XII«). Vgl. auch die Synopsis in GS VII.2, S. 682. 12 GS I.2, S. 508. 13 Catherine Perret: Walter Benjamin sans Destin, Brüssel 2007, S. 24. 14 GS I.2, S. 498. 15 Walter Benjamin: Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik (hrsg. v. Uwe Steiner), Frankfurt am Main 2008 (Werke und Nachlaß. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 3), S. 63. Die Kritische Gesamtausgabe wird im Folgenden mit dem Kürzel WuN, Band- und Seitenangabe zitiert. 16 WuN 3, S. 63. 17 GS IV.1, S. 314. 18 Ibid., S. 310. 19 GS I.2, S. 504 –505.
269 | Anmerkungen
20 Georges Didi-Huberman: La mémoire des sans-noms, in: Patricia Lavelle (Hrsg.): Walter Ben-
jamin, Paris 2013, S. 296–301, S. 299.
21 Perret 2007, S. 25. 22 Didi-Huberman 2013, S. 296 f. Er unterscheidet dies von der »klassischen« Problematik der
Repräsentation sowie jener des Nicht-Darstellbaren, vgl. ibid., S. 298.
23 Vgl. Didi-Huberman 2013, S. 298 f., Nachweis der Zitate von Arendts Was ist Politik? (1950– 1959) ibid. nach: Hannah Arendt: Qu’est-ce que la politique?, Paris 1995 (2001), S. 39 f. 24 Vgl. Didi-Huberman 2013, S. 299. Zu Warburgs »Ikonologie des Zwischenraumes« vgl. Phi-
lippe-Alain Michaud: Zwischenreich. Mnemosyne oder die subjektlose Expressivität, in: Trivium 1/2008, in: http://trivium.revues.org/373 (20. April 2016).
25 Perret 2007, S. 25. 26 Exposition Internationale de Paris 1937, Appel aux Exposants, Paris, Imprimerie Nationale
(J. 2905–34), S. 1. 27 Ibid., S. 4. 28 PAM, S. 2.
29 Vgl. AN F/21/4905, Dossier 1. Louis Hautecoeur: »Note sur le Musée du Luxembourg. 22 Fév-
rier 1931«.
30 GS I.2, S. 479. 31 Perret 2007, S. 122. 32 GS I.2, S. 489. 33 GB II, S. 392. 34 Ibid. 35 Ibid. 36 Warburg, Einleitung zum Mnemosyne-Atlas, in: id. 2000, S. 3. 37 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 1, S. 168. 38 PAM, S. 21. 39 GS IV.1, S. 309. 40 Perret 2007, S. 24. 41 Konvolut J 71,7. 42 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 2, Geleitwort. 43 Vgl. Chefs-d’œuvre de l’art français, Ausstellungskatalog, Palais national des arts, Paris 1937. 44 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 2, S. 103. 45 Ausstellende Unterklassen: 17, Aménagement des villes et des campagnes; 17ter, Urbanisme
souterrain; 21, Édifices Publics; 22, Habitations et bâtiments industriels et commerciaux. Magasins – bureaux – boutiques; 25, Cités ouvrières. Cités jardins. Etablissements et terrains de jeux, des sports terrestres et nautiques. 46 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 2, S. 108. Vgl. Aufriss-
plan von Eric Bagge, 18. Februar 1937, in AN F/12/12784, Dossier 1 »Salon du Commissariat«, Unterdossier »Muséographie«.
270 | Politische Ästhetik und Ausstellungsgeschichte
47 Exposition Internationale des Arts et Techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 4, La Section
Française: Les Participations Officielles, S. 573–585, S. 573 f.
48 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 2, S. 103. 49 Conseil Municipal de Paris: Inauguration du Palais de la Ville de Paris à l’Exposition Inter-
nationale de 1937, Supplement zum Bulletin Municipal Officiel de la Ville de Paris, 1. März 1938, S. 1085–1092, S. 1091. 50 Vgl. der Aufrissplan vom 17. Februar 1937 in AN F/12/12784. Die Karten stammten von
Pierre Falké (1884 –1947, Illustrator und Humorist) und Henri Clément Serveau (1886–1972), einem post-kubistischen Maler, der die Fresken-Ausbildung an der École des Beaux-Arts leitete und 1937 auch den Pavillon du Tourisme dekorierte. 51 Die Fensterbilder zeigten die Voie Triomphale (Hermine David, 1886–1970), den Flughafen Bourget (Valentine Pax, 1897–1981, Ehefrau von Ossip Zadkine), Le Port fluvial de Gennevilliers (François Desnoyer, 1894 –1972, ein Schüler Bourdelles), die Autostrade Saint-Germain (Louis Touchagues, 1893–1974 Maler, Dekorateur und Illustrator von Werken Colettes, Sacha Guitrys und Georges Duhamels) sowie den Sportplatz von Issy (Francis Gruber, 1912–1948, Sohn des Glasmeisters Jacques Gruber, 1870–1936). 52 Christian Megret: La naissance et la croissance d’une capitale. Le musée de la Ville nous montre la vie de Paris à travers les siècles, in: Le Jour, 18. Juni 1937. AN/F/12/12142. 53 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 2, S. 108. 54 Conseil Municipal de Paris: Inauguration du Palais de la Ville de Paris à l’Exposition Internationale de 1937, Supplement zum Bulletin Municipal Officiel de la Ville de Paris, 1. März 1938, S. 1092. 55 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 2, S. 109. 56 Aufrissplan vom 17. Februar 1937 in AN F/12/12784. 57 Conseil Municipal de Paris: Inauguration du Palais de la Ville de Paris à l’Exposition Internationale de 1937, Supplement zum Bulletin Municipal Officiel de la Ville de Paris, 1. März 1938, S. 1092. 58 Edmond Labbé: Discours prononcé par M. Labbé Edmond, Commissaire Général à l’inauguration du Palais de la Ville de Paris (17 Juin 1937), zwei maschinengeschriebene Seiten, S. 1, AN F/12/12142. 59 Ibid., S. 2. 60 Vgl. Richard Drews u. Alfred Kantorowicz (Hrsg.): Verboten und verbrannt. Deutsche Literatur
12 Jahre unterdrückt, Berlin 1947.
61 Monnier 2004, S. 102. 62 Bruno Foucart: Le musée du XIXe siècle: temple, palais, basilique, in: Chantal Georgel (Hrsg.): La Jeunesse des Musées. Les musées de France au XIXe siècle, Ausstellungskatalog, Musée d’Orsay, Paris 1994, S. 122–135. 63 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 1, S. 168. Zum Urba-
nismus in Frankreich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vgl. Rosemary Wakeman: Nostalgic Modernism and the Invention of Paris in the Twentieth Century, in: French Historical Studies 1/2004, S. 115–144. 64 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 1, S. 168. 65 Exposition Internationale des Arts et Techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 5, La Section Française: Les Groupes et les Classes. Groupes I à V, S. 289–377, S. 292. 66 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 2, S. 111.
271 | Anmerkungen
67 Ibid. 68 Zu den beteiligten Institutionen und Personen vgl. Catalogue Géneral Officiel, Bd. 1, S. 170–
171.
69 Präsident des Bureau dieser Unterklasse war André Bérard, Präsident des Office général du
Bâtiment. Vize-Präsident war A. Guilbert, Chefarchitekt der Bâtiments civils et Palais nationaux, vgl. ibid., S. 175. 70 »Un sous-sol, où se trouvent présentées d’ensemble, avec méthode, les œuvres souterraines,
voilà, comme jadis le christianisme naissant dans les Catacombes, une nouveauté, science et art à la fois, apparaissant à la lumière vive des lampes électriques: l’Urbanisme souterrain«, Rapport Général, Bd. 5, S. 319. 71 Es handelt sich wahrscheinlich um Jean Pelée de Saint-Maurice (1879–1948), der als Architekt
1937 an den Pavillons Île de France, Cinéma und Photographie mitwirkte.
72 Präsident dieser Unterklasse ist Auguste Perret. Einer der Vize-Präsidenten ist Paul Jamot
(1863–1939), Direktor des Musée de Reims 1927–1939, vgl. Catalogue Général Officiel, Bd. 1, S. 187–199. 73 Heute Musée de l’Air et de l’Espace, vgl. http://www.museeairespace.fr/presentation
(20. Oktober 2014).
74 Catalogue Général Officiel, Bd. 1, S. 186. Die Unterklasse 21 stellte folgende Architekten und
Projekte aus: »Nello Baroni: Gare de Florence; Bassompierre – Piscine Cité Malabry; Beaudoin et Lods – École de Plein-Air à Suresnes; Berardi: Gare de Florence; L.H. Boileau: École communale, rue Keller; Marcel Chappey: Escalier Monumental, Issy- les Moulineaux; Cholet et Mathon: Hotel-deVille Cachan, École Travaux Publics; Debat-Ponsan: Ministère des Postes, Service Téléphonique; G. Debré: École à Saint-Quentin; Del Dethio: Stade; Dubreuil: École à Alfortville; Dudok: Mairie de Hilversum; H. R. Expert: Ambassade de France, Belgrade. Façade postérieure et un salon; Pierre Forestier: Clairvivre, Cité Sanitaire; Gamberini: Gare de Florence; Jacques Guilbert: Laboratoire de l’École Normale Supérieure; Tony Garnier: Mairie de Boulogne-sur-Seine; Gocar: Église à Prague; E. Gonse: École de Puériculture, Église de Roy; Guarnieri: Gare de Florence; J. Guiauchain: Façades Gouverneur Général, Algérie; R. Hummel: Groupe Scolaire Jules-Ferry, Maison-Alfort; G. Labro: Aérogare de Bourget; F. Le Coeur: Vestibule Lycée. Façade poste Reims; Le Corbusier: Cité-Refuge, Paris; Leroux: Hotel-de-Ville Villeurbanne; Lusanna: Gare de Florence; L. Madeline: Piscine à Bordeaux; Marme: École Communale, Vanves; Michelucci: Gare de Florence; Niccolo: Gare de Florence; H. Pacon: Gare de Caen (façade). Hall de la Gare du Havre; P. Patout: Galeries Lafayettes; Auguste Perret: Mobilier National. Service technique des C. N.; M. Roux-Spitz: Bureau Central des Chèques-postaux. Façade Bourseul et Alleret. Hall de Trie; G. Sebille: Annexe de la Mairie du 14 e arrondissement; Ch. Siclis: Galeries Anspach, Bruxelles; Swierczrisky: Banque de l’Économie Nationale, Palais du Gouverneur. Pointe-à-Pitre. Palais de Justice; W. Vetter: Nouvel Hôpital de Colmar; B.D.A. Werner: Piscine à Charlottenbourg«. 75 Ibid., S. 201–202. 76 Vgl. Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 1, S. 210. 77 Armin Fuhrer: Hitlers Spiele. Olympia 1936 in Berlin, Berlin 2011, S. 24. 78 Exposition Internationale des Arts et Techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 5, S. 366. 79 Jean-Marie Brohm: 1936, Jeux olympiques à Berlin [1983], Brüssel 2008, S. 83, zu den Boy-
kottbewegungen S. 83–138.
80 Exposition Internationale des Arts et Techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 5, S. 368. 81 Exposition Internationale des Arts et Techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 5, »Groupe I.
Classe 3 Musées et Expositions«, S. 37– 47.
272 | Politische Ästhetik und Ausstellungsgeschichte
82 Ory 1994, S. 255. 83 Rapport Général, Bd. 5, S. 42: »miracles, jeux et moralités du XIIIe et XIVe siècle, les grands
mystères profanes et le théâtre comique du XVe siècle […], naissance de la mise en scène moderne au temps de la Renaissance«.
84 Ibid., S. 43 f. Zu Architekten, die an der Einrichtung der Museografie-Ausstellung beteiligt
waren, vgl. Catalogue Général Officiel, Bd. 1, S. 187–199. Der Rapport Général, Bd. 5, S. 38, nennt J.-Ch. Moreux als Architekten, Masson-Detourbet und Tambuté als Mitarbeiter. Von Moreux stammt ein großer Faltplan Exposition de 1937. Muséographie der Ausstellungsflächen mit Exponaten, vgl. AN F/12/12171, Dossier 2 »Muséographie«. Stempel J. Ch. Moreux, »Dessin No. 3«, 30. Dezember 1936, Datumstempel des Service des Travaux d’Art 4. Januar 1937. 85 Zur Museografie und van Gogh-Ausstellung erschienen sie als Sondernummern der Zeit-
schrift L’amour de l’art. Vgl. Michel Florisoone: van Gogh, introduction de René Huyghe, Paris 1937 (L’Amour de l’art, n° spécial Avril 1937); François Boucher, Louis Chéronnet, Germain Bazin u. Georges-Henri Rivière: La muséographie à l’Exposition internationale, Paris 1937 (L’Amour de l’art, n° spécial Juin 1937). Von Boucher, conservateur am Musée Carnavalet, stammten auch die Statistiken in der Ausstellung, vgl. Rapport Général, Bd. 5, S. 39.
86 AN F/12/12171, Dossier 2 »Muséographie«. Exposition Universelle. Projet pour la classe 3:
»Musées et Expositions«, undatiert. Kopie des getippten Projektentwurfs, 3 S., S. 1.
87 Diese und die folgenden Angaben ibid., S. 1 f. 88 Ibid., S. 3. 89 »›Il faut que les merveilles qu’un siècle transmet à un autre soient exposées au regard du public‹.
C’est en lettre de jade que cette phrase de Pline est inscrite au fronton de la porte réservée à la Muséographie dans l’aile gauche du Musée des Arts modernes, quai de Tokio«, vgl. N. Davaine: Le palais des Arts modernes à l’Exposition de 1937, in: L’aube, 24. Juni 1937. AN F/12/12142. 90 Anonym: Aux Musées d’Art moderne. La section de muséographie a été inaugurée hier après-
midi, in: Le Matin, 20. Juni 1937. AN F/12/12142.
91 Ibid. Der Faltplan in AN F/12/12171 weist die »Section Étrangère H« in der Spitze des Ost-
flügels aus.
92 Davaine 1937. AN F/12/12142. 93 Exposition Internationale des Arts et Techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 5, S. 39. 94 AN F/12/12171, Dossier 2 »Muséographie«, zweiseitige getippte Erklärung der Ausstel-
lungsbereiche, die im Faltplan vom 30. Dezember 1936 ibid. mit den Buchstaben A, A’, B, C, D, D’ bezeichnet sind, S. 1.
95 Ibid. Die folgende Ausführung der Exponate entstammt der Liste und dem Plan, die Rekon-
struktion erfolgt aus dem Archivmaterial. Der Rapport Général, Bd. 5, S. 38– 41, bestätigt die Anordnung. 96 Es handelte sich um präkolumbianische Goldarbeiten unter dem starken Licht konzentrie-
render Linsen zur Illustration der neuesten Möglichkeiten der Beleuchtung, vgl. Rapport Général, Bd. 5, S. 40.
97 AN F/12/12171, Dossier 2 »Muséographie«, Correspondance, »Liste des maquettes attri-
buées aux artistes désignés«, einseitige getippte Aufstellung, 19. März 1937. Vgl. ibid. die weiteren Unterdossiers der Künstler.
98 AN F/12/12784, Dossier 1, Salon du Commissariat, Dossier Muséographie, Architektenplan
vom 29. Januar 1937.
273 | Anmerkungen
99 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 1, S. 505: »Pavillon
Français de La Muséographie / 3 August Schoninger O. G. G., München 2 NW. / 3 Alex. Herman (G. M. B. H.), Berlin O. 17«. 100 Exposition Internationale des Arts et Techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 5, S. 40.
101 AN F/12/12171, Dossier 2 »Muséographie«, zweiseitige getippte Erklärung der Ausstel-
lungsbereiche, S. 2.
102 François Poncelet: Regards actuels sur la muséographie d’entre-deux-guerres, in: CeROArt
2/2008, in: http://ceroart.revues.org/565 (14. April 2015).
103 GS I.2, S. 480. 104 Exposition Internationale des Arts et Techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 5, S. 40– 41. 105 Bénédicte Savoy: »Vom Faustkeil zur Handgranate«. Filmpropaganda für die Berliner Museen, 1934–1939, Köln 2014, S. 114. 106 Exposition Internationale des Arts et Techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 5, S. 41. 107 Savoy 2014, S. 112, zu Niels von Holst vgl. ibid., S. 40 f. 108 Nach Savoy handelt es sich vermutlich um die Filme Aus Berliner Museen und Deutsche Köpfe, Der Lüneburger Silberschatz und Eine Welt im Schrank sowie Der Welfenschatz, vgl. ibid., S. 105. 109 AN F/12/12358, Dossier 1 Allemagne – Listes des exposants: Tabellarische Teilnehmer-
liste nach Gruppen und Klassen, »Section Allemande. Pavillon: Classes Françaises«, geheftet, 45 S., S. 3– 4. Zu den neuen Museumsfilmen als Propagandamittel vgl. Savoy 2014; zum deutschen Beitrag ibid., S. 100 ff., u. ausführlich Christina Kott: Museums on display. Die Selbstinszenierung deutscher Museen auf der Weltausstellung 1937, in: Tanja Baensch, Kristina Kratz-Kessemeier u. Dorothee Wimmer (Hrsg.): Museen im Nationalsozialismus. Akteure – Orte – Politik, Köln 2016, S. 61–81. 110 Exposition Internationale des Arts et Techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 5, S. 42. 111 Ibid. 112 Archivmaterial zur Organisation findet sich in AMN X Expositions Carton n°43 »Van Gogh«. 113 Exposition Internationale des Arts et Techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 5, S. 44 – 45. 114 Ibid., S. 45. 115 Ibid., S. 45 f. 116 Ory 1994, S. 255. Vgl. ibid. die Analyse eines programmatischen Aufsatzes von Huyghe in
der Revue des deux mondes von Oktober 1937.
117 Exposition Internationale des Arts et Techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 5, S. 46. 118 Douglas Lord: A van Gogh Exhibition in Paris, in: The Burlington Magazine 414/1937, S. 140. 119 Vgl. Ory 1994, S. 256. 120 Zitiert nach ibid.; der Artikel von Humbert erschien in Clarté im Mai 1937. 121 L’Action Française war das Hauptorgan der royalistisch-nationalistischen französischen
Bewegung, die zwischen 1899 und 1944 »provided the fundamental doctrines of practically the whole Extreme Right in France and of important nationalist and traditionalist groups in Belgium, Italy, Portugal, Spain, Romania, and Switzerland, as well as the theoretical background of the National Revolution of Vichy«, vgl. Eugen Weber: Action Française. Royalism and Reaction in Twentieth-Century France, Stanford 1962, S. vii.
274 | Politische Ästhetik und Ausstellungsgeschichte
122 Pierre Gaxotte, in Je suis partout, 6. August 1937 und Pierre du Colombier (Pierre Poinçon de
la Blanchardière, Agronom und Autor kunsthistorischer Bücher) in Candide, 26. August 1937, vgl. Ory 1994, S. 257. Gaxotte verließ die Redaktion von Je suis partout zu Kriegsbeginn und war der »Mentor« dieses auflagenstärksten rechten Wochenblattes, das zu Beginn 1939 eine Auflage von durchschnittlich 45.000 hatte und exemplarisch steht für die Entwicklung vieler rechter französischer Presseorgane, die sich von germanophoben Nationalisten zu Bewunderern des internationalen und nationalsozialistischen Faschismus entwickelten. Vgl. Pascal Ory: Les collaborateurs, 1940–1945 [1976], Paris 1980, S. 21 f. Am rechten Rand gab es auf der gemeinsamen Basis des Nationalismus nach Maurras durchaus Divergenzen. Eugen Weber verweist dazu etwa auf wiederholte Attacken der L’Action Française gegen Hitler und Hitleranhänger in Frankreich, während das befreundete Blatt Je suis partout die erwähnte Entwicklung bis zur vollständigen Kollaboration vollzog, vgl. Weber 1962, S. 421. 123 François Fosca in Je suis partout vom 13. August 1937, zitiert nach Ory 1994, S. 257. 124 Vgl. Yves Chevrefils Desbiolles: Les revues d’art à Paris, 1905–1940, Aix-en-Provence 2014,
S. 173 f.
125 René Brécy in L’Action Française vom 16. Oktober 1937, zitiert nach Ory 1994, S. 257. 126 Bruno Foucart: À la recherche d’une »solution française« dans la création artistique de l’entre-
deux-guerres. Le moment 1937. Séance du 26 janvier 2005, in: Académie des Beaux-Arts, Paris, Communications prononcées en séance au cours de l’année 2005, S. 19–27, S. 23, in: http://www. academie-des-beaux-arts.fr/actualites/page_communication.asp (25. April 2015). 127 Im März 1933 wurde er während einer auf Einladung der Confederazione fascista dei profes-
sionisti e artisti unternommenen Vortragsreise von Mussolini empfangen, für den Kunstkritiker eine Art Apotheose, vgl. Yves Chevrefils Desbiolles: Le »Retour à Rome« de Waldemar-George, in: Predella 31/2012, in: http://www.predella.it/index.php/45-cover/161-predella-n-31.html (1. April 2015).
128 Ory 1994, S. 890, Fn. 136 zu Kapitel 5. 129 Die Zeitschrift Formes, deren Chefredakteur zu diesem Zeitpunkt Waldemar-George war,
wurde 1934 an L’Amour de l’Art angegliedert und verschwand, als ihr Chefredakteur ins comité de direction von L’Amour de l’Art berufen wurde, vgl. Chevrefils Desbiolles 2014, S. 180.
130 »La Muséographie est à la mode. Elle s’est coiffée d’un nom pédant, et nous a offert, en 1937,
la leçon d’une exposition modèle. Nous avons trouvé, quai de Tokyo, une pimpante nursery, où l’ingéniosité s’est mise en frais pour nous apprendre le b, a ba de notre métier«, vgl. Georges Salles: Le Regard [1939], Paris 1992, S. 51. 131 Ibid. 132 Ibid. 133 Ibid., S. 51 f. 134 Ibid., S. 52. 135 Ibid., S. 52 f. 136 Ibid., S. 53. 137 Ibid. 138 Adrienne Monnier: Ein Portrait Walter Benjamins [1954], in: id.: Aufzeichnungen aus der Rue
de l’Odéon. Schriften 1917–1953, Frankfurt am Main 1998, S. 243–246, zuerst als Un portrait de Walter Benjamin in: Les Lettres Nouvelles 2/1954, S. 11–13.
275 | Anmerkungen
139 WuN 13.1, S. 527–530. Vgl. Walter Benjamin: Une lettre de Walter Benjamin au sujet de »Le
Regard« de Georges Salles, in: La Gazette des Amis des Livres. Rédigée par Adrienne Monnier et par les Amis des Livre 10/1940, S. 70–72. Diese Veröffentlichung ist die in Details veränderte Fassung eines Typoskripts (Zeilenkommentar WuN 13.2, S. 549–552), zu dem noch Exzerpte (WuN 13.1, S. 814 –815) und ein »Handexemplar« Benjamins (ibid., S. 815–818) sowie einige Entwürfe (ibid., S. 818–826) vorliegen. Zur Entstehung vgl. Zeilenkommentare WuN 13.2, S. 829–843. 140 WuN 13.2, S. 549. 141 Vgl. GS II.2, S. 438– 465. 142 Adrienne Monnier: Anmerkung zu Walter Benjamin [1952], in: id. 1998, S. 149–153, S. 149,
zuerst als Note sur Walter Benjamin in: Mercure de France 1067/1952, S. 451– 455, dort mit einem Brief Pierre Klossowskis, Übersetzer des Kunstwerk-Aufsatzes ins Französische, über Benjamin. 143 Walter Benjamin: Peintures chinoises à la Bibliothèque Nationale, in: Europe 181/1938,
S. 104 –107.
144 GS IV.2, S. 601–605. 145 WuN 13.1, S. 527. 146 Ibid. 147 »Point n’est besoin pour cela d’avoir à sa disposition des chefs-d’œuvre. Le moindre bibelot
chantera sa petite chanson aux oreilles d’une foule. La seule condition, pour que chacun l’entende, est de permettre à l’objet de parler son langage«, vgl. Salles 1992, S. 55. 148 GS II.1, S. 142. 149 GS I.2, S. 440. 150 Salles 1992, S. 56. 151 Der Zeilenkommentar zu Benjamins Rezension in der Kritischen Gesamtausgabe weist zwar
die Zitate von Salles genau nach, nicht jedoch, dass es sich bei diesem Zitat von Salles nicht um eine Reflexion des Louvre, wie von Benjamin angegeben, sondern um jene der van Gogh-Ausstellung handelt, vgl. WuN 13.2, S. 550. 152 Salles 1992, S. 55. 153 WuN 13.1,S. 528 f. 154 Ibid., S. 529–530. 155 Salles 1992, S. 120. 156 Er meint Origines et Développement de l’Art International Indépendant im Sommer 1937.
157 Vgl. René Barotte: l’Expo de 37 protectrice des Arts, in: Paris-soir, 30. Juni 1937. AN
F/12/12126.
158 Ein Architektenplan der Ausstellung weist im hinteren, zur Avenue du Président Wilson
gelegenen Teil des ersten Stockes eine Fläche von 240 Quadratmetern als Ausstellungsfläche der Coopération Intellectuelle aus, die übrigen 300 und noch mal 180 Quadratmeter als solche der Muséographie (section peinture). AN F/12/12784, Dossier Salons du Commissariat Général, Unterdossier Muséographie, Faltplan »Plan 3 Musée de la Ville de Paris, Plan partiel de l’étage affecté à la Muséographie (section peinture)«. 159 AN F/21/4729, année 37 Paris, 2. Schreiben des Direktors des IICI Henri Bonnet an den
Directeur des Beaux-Arts G. Huisman mit Ankündigung des Programms vom 18. November 1936, 2 S. Die Schirmherrschaft hatten die Außen-, Bildungs- und Handelsminister und die Expo-
276 | Politische Ästhetik und Ausstellungsgeschichte
Kommissare Edmond Labbé und Paul Léon, als Präsident firmierte der Präsident der Abgeordnetenkammer Edouard Herriot, Präsident des Verwaltungsrates des IICI. 160 Ibid., S. 1: X. »Conférence permanente des hautes études internationales« (28. Juni–
3. Juli 1937), II. »Conférence générale des commissions nationales de coopération intellectuelle« (5.–9. Juli ), XIX. Sitzung der »Commission internationale de coopération intellectuelle de la Société des Nations« (12.–17. Juli ) und ein Austausch vom »Comité permanent des lettres et des arts de la Société des Nations« (20.–24. Juli ).
161 Ibid., beiliegende Aufstellung der beteiligten Personen, 1 Blatt, datiert »A.11.1936«, recto/
verso.
162 Anonym: Inauguration de la Participation de la Commission française de coopération intel-
lectuelle, in: Le Petit Journal, 12. Juni 1937. AN F/12/12142. Anwesend waren auch Paul Léon, der Directeur des Beaux-Arts Huismans, Paul Valéry als Gruppenpräsident, IICI-Direktor Henri Bonnet, der Generalsekretär der französischen Kommission für intellektuelle Zusammenarbeit Gallié, der Präsident der Senatskommission für intellektuelle Zusammenarbeit, der Direktor der École Normale Supérieure und der Generalsekretär der Sorbonne. 163 Ibid. 164 Louis Gallié (Hrsg.): Les Échanges Intellectuels à Travers le Monde. Exposition Internationale
Paris 1937. Album, Paris 1938.
165 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 1, S. 18 und: Albert
Tournaire: Groupe VI, ibid., S. 218. 166 Ibid., Bd. 2, S. 112.
167 AN F/21/4729, années 1937, Paris, Dossier 1 »Exposition rétrospective des Chefs d’œuvre
de l’art français«, Abschlussbericht »Rapport sur l’exposition, Retrospective ›Chefs d’Œuvres de l’Art Français‹«, 24. Januar 1938. 13 S. Ausstellungsarchive: AMN X-Expositions carton 33. Organisationskomitee: »Paul Alfassa, Conservateur-Adjoint Musée des Arts Décoratifs; Robert Burnand, Archiviste-Paléographe; Julien Cain, Administrateur Général de la Bibliothèque Nationale; Emile Dacier, Inspecteur Général des Bibliothèques et des Archives; Carle Dreyfus, Conservateur du Département des Objets d’Art au Musée du Louvre; Henri Focillon, Professeur de la Faculté des Lettres à Paris; Louis Hautecoeur, Conservateur du Musé National du Luxembourg; Gilbert Hervé Gruyer, Conseiller Référendaire à la Cour des Comptes; René Huyghe, Conservateur du Département des Peintures du Musée du Louvre; Jacques Jaujard, Sous-Directeur des musées nationaux & de l’Ecole du Louvre; Léon Lamblin, Adjoint au Directeur des Beaux-Arts; Raymond Lantier, Conservateur du Musée des Antiquités Nationales; P.A. Lemoisne, Conservateur du Cabinet des Estampes à la Bibliothèque Nationale; Jean Locquin, Délégué Général de la Présidence du Conseil à l’Exposition de 1937; Louis Metman, Conservateur du Musée des Arts Décoratifs; Vincent Poli, Chef du Bureau des Travaux d’Art, Musées & Expositions à la Direction Générale des Beaux-Arts; Robert Rey, Inspecteur Général des Beaux-Arts et des Musées; Seymour de Ricci, Historien d’Art; Georges-Henri Rivière, Conservateur du Musée des Arts & Traditions Populaires; Henri Verne, Directeur des musées nationaux & de l’Ecole du Louvre; Henri Verrier, Inspecteur Général des Monuments Historiques; Paul Vitry, Conservateur du Département des Sculptures du Musée du Louvre«. 168 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 2, S. 112. 169 AN F/21/4729, »Rapport sur l’exposition, Retrospective ›Chefs d’Œuvres de l’Art Fran-
çais‹«, 24. Januar 1938, S. 2.
170 Chefs d’œuvre de L’Art Français. Palais National des Arts, Avenue de Tokio. Guide topogra-
phique, Paris 1937.
277 | Anmerkungen
171 Chefs d’œuvres de l’Art Français. 1937. Palais National des Arts, Paris. Préface de Léon Blum. Avant-propos de Jean Zay. Avertissement de Georges Huisman. Introduction de Henri Focillon, Paris 1937, S. 604 u. S. XLIV. 172 Chefs d’œuvres de l’Art Français. 212 Héliogravures. 1937, Palais National des Arts, Paris 1937. 173 Chefs d’œuvre de L’Art Français. Guide topographique, S. 24 f. 174 Chefs d’œuvres de l’Art Français. 1937. Palais National des Arts, Paris, S. 164 –181. Franz Wil-
helm Koenigs (1881–1941) wurde zeitweise von den Nationalsozialisten verfolgt und starb unter nicht restlos geklärten Umständen – die Sammlung kam nach Verkäufen in Teilen nach Russland (Puschkin-Museum), ein in der Ukraine befindlicher Teil wurde an die Niederlande restituiert. Vgl. Albert J. Elen: German master drawings from the Koenigs Collection. Return of a Lost Treasure, Ausstellungskatalog, Museum Boijmans van Beuningen Rotterdam, Rotterdam 2004. Die Ölskizze Manets befand sich seit 1938 als Dauerleihgabe im Stedelijk Museum in Amsterdam und wurde 1994 versteigert, vgl. id.: The Koenigs Collection, S. 16, in: http://www.boijmans.nl/en/559/ koenigs-collection-an-incomparable-encyclopedic-collection-of-drawings (20. April 2015). 175 AN F/21/4729, »Rapport sur l’exposition, Retrospective ›Chefs d’Œuvres de l’Art Français‹«,
24. Januar 1938, S. 4 f.
176 Ibid., S. 8 f., die folgenden Angaben und das Zitat ibid., S. 12. 177 AN F/21/3982/A, Dossier 3, Comité d’Action Artistique, Commission des Arts Plastiques,
Procès-verbal, Réunion du Mercredi 29 Mars 1933. Die Studie regte Mitglied Robert Brussel, ein Musikkritiker, an. 178 Ibid.
179 Léon Blum: Préface, in: Chefs d’œuvres de l’Art Français. 1937. Palais National des Arts, Paris,
S. V–VI.
180 Fonds Jean Locquins, AN 310AP/63, Dossier »Inauguration d. Musée d’Art Mod.«, Entwurf
mit Korrekturen.
181 Ory 1994, S. 259. 182 Vgl. Dirk Luckow: Ausstellungen 1929–1939, in: Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
(Hrsg.): 1937. Europa vor dem 2. Weltkrieg. »...und nicht die leiseste Spur einer Vorschrift« – Positionen unabhängiger Kunst in Europa um 1937, Ausstellungskatalog, Düsseldorf 1987, S. 179–188.
183 Foucart 2005, S. 22. 184 Marie-Claude Genet-Delacroix: Esthétique officielle et art national sous la IIIe République, in:
Le Mouvement Social 131/ 1985, S. 105–120, S. 119.
185 Les Maîtres de l’Art Indépendant, 1895–1937. Juin–Octobre, Petit Palais, Préambule de Raymond Escholier, préface d’Albert Sarraut, Ausstellungskatalog, Paris 1937. Vgl.: Bernadette Contensou: Autour de l’Exposition des Maîtres de l’Art Indépendant en 1937, in: MAM Paris (Hrsg.): Paris 1937. L’Art Indépendant. Exposition présentée dans le cadre du cinquentenaire de l’Exposition internationale des arts et des techniques dans la vie moderne, Ausstellungskatalog, Paris 1987, S. 11–18. 186 Sie ging auf Paul Éluard, den Kritiker Christian Zervos und den Kurator des Jeu de Paume,
André Dezarrois, zurück, die Georges Huisman das Projekt vorschlugen, der dem Organisationskomitee vorstand. Dem Komitee gehörten Georges Braque, Jean Cassou, Marie Cuttoli, André Dezarrois, Paul Eluard, Henri Laugier, Fernand Léger, Louis Marcoussis, Henri Matisse, Pablo Picasso, Maurice Raynal, Georges-Henri Rivière und Christian Zervos an, vgl. Origines et Développement de l’Art International Indépendant. Exposition organisée par le Musée du Jeu de Paume du 30 Juillet au 31 Octobre 1937, Broschüre, unpaginiert, Paris 1937.
278 | Politische Ästhetik und Ausstellungsgeschichte
187 Ory 1994, S. 281. 188 Broschüre Origines..., 1937, Vorwort. Archive: AMN, X-Expositions Cart. 42; 2HH 58(1)/ 65(2). Die Vorbemerkung sagt, es werden französische Künstler nur als Vorläufer gezeigt, was den gezeigten zeitgenössischen wiederspricht. Eventuell rechtfertigte André Dezarrois damit die Ausstellung von Franzosen im Jeu de Paume, vgl. Michel Hoog: Sur l’exposition »Origines et développement de l’art international indépendant«, in: Ausstellungskatalog MAM Paris 1987, S. 22–28. 189 Vgl. Broschüre Origines..., 1937, Vorwort, S. 2. 190 Freya Mülhaupt: »Ein Paradies der Gewalt, der Fratzen, des Wahns«. Zum Verhältnis von Kunst
und Politik in den 30er Jahren, in: Ausstellungskatalog Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen 1987, S. 11–21, S. 13. 191 Für Russland beispielsweise das Fehlen von Archipenko, Tatline, Rodtschenko, Malewitsch
und Lissitzky, für Ungarn Moholy-Nagy, für Holland van der Leck und van Doesburg, für Deutschland Albers, Hans Richter, Schwitters, Franz Marc, Nolde, Schmidt-Rottluff, für Schweden Eggeling und für England Moore und weiterer, darunter auch Boccioni für Italien, obwohl die Ausstellungsbroschüre ihn verzeichnet, vgl. »Lettre ouverte à Monsieur Camille CHAUTEMPS, Monsieur Jean ZAY, Monsieur Georges HUISMAN«, Paris, 7. August 1937. 1 Blatt, recto/verso. Bibliothèque nationale, Loseblatt in der Ausstellungsbroschüre. 192 G.-J. Gros: l’Etat et la Ville de Paris font assaut d’exposition au nouveau musée de l’avenue de Tokio, in: Paris-Midi, 26. Juni 1937. AN F/12/12142. 193 Zay 1946, S. 351. 194 Ibid., S. 352 f. Entgegen Zay muss statt Saal 2 wahrscheinlich Saal 15 neben dem Eingang
gemeint sein, mit Silberarbeiten des 16. und 17. Jahrhunderts, darunter ein Surtout de Table von Claude II Ballin (1661–1754), das dieser für den Zarenhof fertigte und aus der Eremitage in Leningrad (Sankt Petersburg) geliehen wurde. Leihgaben aus dem Louvre sind nicht verzeichnet. Vgl. Chefs d’œuvre de L’Art Français. Guide topographique, S. 2 ff. u. 19 f. 195 Henri Focillon: Introduction, in: Chefs d’œuvres de l’Art Français. 1937. Palais National des Arts, S. XXIII. 196 Zay 1946, S. 351. 197 Lee Sorensen: Gombrich, E. H., Sir, in: http://www.dictionaryofarthistorians.org/gombri-
che.htm (1. August 2014).
198 AN F/12/12190. Handschriftlicher Brief von Ernst Gombrich, 24, Stanhope Gardens, Lon-
don, 25. Oktober 1937: »Cher Monsieur, Veuillez avoir la grande bonté de me faire savoir quand l’exposition des chefs d’œuvre se ferme. En vous remerciant beaucoup je me prends la liberté de vous prier de me répondre aussitôt que possible«.
199 AN F/12/12190. Maschinengeschriebens Schreiben, gestempelt 29. Oktober 1937. 200 Eine zeitliche Parallele zwischen den Häusern ergibt sich auch in der Thematisierung der
eigenen Vergangenheit: 2012 erschien PALAIS 15, l’ histoire du Palais de Tokyo depuis 1937, im selben Jahr zeigte das Haus der Kunst unter Okwui Enwezor im Projekt 75/20 anlässlich des 75. Jahrestages der Eröffnung und des 20-jährigen Bestehens der Stiftung Haus der Kunst GmbH die Ausstellung Geschichten im Konflikt: Das Haus der Kunst und der ideologische Gebrauch von Kunst 1937–1955 begleitet von einem Symposium, vgl. die Dokumentation in: http://www.hausderkunst.de/index.php?id=756 (24. April 2015). Zur Geschichte des Hauses vgl. Sabine Brantl: Haus der Kunst, München: Ein Ort und seine Geschichte im Nationalsozialismus, München 2007. 201 Katrin Engelhardt: Die Ausstellung »Entartete Kunst« in Berlin 1938, in: Uwe Fleckner (Hrsg.): Angriff auf die Avantgarde. Kunst und Kunstpolitik im Nationalsozialismus, Berlin 2007, S. 89–187, S. 94.
279 | Anmerkungen
202 Mario-Andreas von Lüttichau: »Deutsche Kunst« und »Entartete Kunst«: Die Münchner Aus-
stellungen 1937, in: Peter-Klaus Schuster (Hrsg.): Nationalsozialismus und »Entartete Kunst«. Die »Kunststadt« München 1937, München 21988, S. 83–118, S. 87: »Entsprechend unklar bleiben demgegenüber Weg und Inhalt der von ihm so nachdrücklich geforderten ›Neuen Deutschen Kunst‹«.
203 Zitiert nach Lüttichau 1988, S. 83–84. 204 Vgl. Waldemar-George: L’Art et le national-socialisme, in: Beaux-arts 241–242/1937, abge-
druckt in: Friederike Kitschen u. Julia Drost (Hrsg.): Deutsche Kunst – Französische Perspektiven, 1870–1945. Quellen und Kommentare zur Kunstkritik, Berlin 2007, S. 79–84, Kommentar ibid., S. 84 –88. 205 Karen Fiss: Grand Illusion. The Third Reich, the Paris Exposition, and the Cultural Seduction of
France, Chicago 2009, S. 48. Die Einladung an alle Nationen erging am 25. März 1935. Die erste Zusage kam sofort aus Italien, als zweite Nation sagte die UdSSR am 30. April ihre Teilnahme zu. Vgl. Exposition Internationale des Arts et Techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 11, La Vie et Les Résultats de l’Exposition, S. 35. Zum »Deutschen Haus« auf der Expo 1937 vgl.: Karen Fiss: The German Pavilion, in: Dawn Ades et al. (Hrsg.): Art and Power. Europe under the dictators 1930– 45. The XXIII Council of Europe exhibition, Ausstellungskatalog, Hayward Gallery, London / Centre de Cultura Contemporània, Barcelona / Deutsches Historisches Museum, Berlin, London 1995, S. 108–110, Dieter Bartetzko: Allemagne, in: Lemoine 1987, S. 134 –139. 206 Fiss 2009, S. 45 ff. 207 Ibid., S. 48 u. Fn. 24, 50 f. 208 Ibid., S. 50 f. 209 Walter A. Berendsohn: Der Tag der Expatriierten, in: Das Neue Tagebuch (Paris-Amster-
dam), 23. Januar 1937, zitiert nach Fiss 2009, Fn. 51, S. 231.
210 Fiss 2009, S. 52. Vgl. dazu das Schreiben von Labbé an Ruppel vom 10. Mai 1937 in
AN/F/12/12358.
211 Vgl. AN F/12/12263/1, Dossier 3 »Allemagne«, Unterdossier »Comptabilité du Comité de
propagande de Berlin et de l’Agent commercial de France à Cologne«. Zu Werbemaßnahmen vgl. Rapport Général, Bd. 11. 212 AN F/12/1263/1, Dossier 3, der Leiter des »Komitee für den Besuch deutscher Berufsgrup-
pen« an das Französische Verkehrsbüro, Unter den Linden, 6. März 1937, »Bericht über die nächsten Aufgaben des Ehrenkomitees«.
213 Zweisprachige Listen der deutschen Aussteller im Pavillon International (»Section Alle-
mande«), in den Classes françaises, und dem deutschen Pavillon (»Pavillon Officiel«) finden sich in AN F/12/12358, Dossier 1 »Allemagne Listes des exposants«, »Section Allemande. Pavillon: Classes Françaises«, 45 S.
214 Ibid., S. 7 f.: »Olympia-Werkfilm. (Création: Leni Riefenstahl) ›Der Olympiafilm entsteht‹.
Autour des travaux effectués pour le film des Jeux Olympiques de 1936. (Longueur: 940 m). Idée et Montage: Rudolf Schaad / Assistant: Otto Landschner/ Musique: Walter Gronostay/ Chef de Production: Walter Traut. Production: Olympia-Film G.m.b.H. Distribution mondiale: obis-Cinema Film AG, Berlin (2.VII.1937)«.
215 Ibid. Vgl. Christoph Zuschlag: »Entartete Kunst«. Ausstellungsstrategien im Nazi-Deutschland,
Worms 1995.
216 »Il couvre une surface de 3.564 mètres carrés et s’étend sur une longueur de 162 mètres
(10.000 tonnes de matériaux, pierre, acier, etc...). Sa façade principale vers la place de Varsovie est caractérisée par une tour rectangulaire, constituée par dix colonnes cannelées, et surmontée d’une
280 | Politische Ästhetik und Ausstellungsgeschichte
aigle de bronze, emblème du Reich«, vgl. Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 2, S. 117. 217 Beteiligt waren auch die Unternehmen Plantivaud Machat für Bodenplatte und Pfeiler sowie
Franki für Pfahlgründungen und »Georges« (wohl Georg) Bickel von der Reichsbaudirektion. Coudert, Courrèges, Hugonenq und de Jankowski erbauten auch den Portikus zwischen den ausländischen Pavillons, vgl. ibid., S. 118 u. 187 ff. 218 Fiss 2009, S. 60, Fn 95.
219 AN F/12/12358, Dossier 1, zweisprachige Liste »Section Allemande. Pavillon officiel«,
127 S., S. 11.
220 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, Bd. 2, S. 117. 221 Ibid., Übersetzung des Verfassers. 222 Die Adresse in der Ausstellerliste stimmt überein mit Lewin-Funckes Atelier in Berlin. 223 Direktor der nationalsozialistischen Gründung »Nordische Kunsthochschule« in Bremen. 224 AN F/12/12358, Dossier 1 Allemagne – Listes des exposants: »Section Allemande. Pavillon
officiel«, S. 11 f.
225 Fiss 2009, S. 62. 226 AN F/12/12358, Dossier 1 Allemagne – Listes des exposants: »Section Allemande. Pavillon
officiel«, S. 12 f.
227 Ibid., S. 62. 228 Catalogue Général Officiel, Bd. 2, S. 118. 229 AN F/12/12358, Dossier 1 Allemagne – Listes des exposants: »Section Allemande. Pavillon
officiel«, S. 9 f.
230 Fiss 2009, S. 68–69. 231 Wie auch Woldemar Brinkmann, Arno Breker und der Bühnenbildner Benno von Arent.
Albert Speer und Kurt Schmidt-Ehmen bekamen ihre Professorentitel am 30. Januar 1937 zum »Tag der Machtergreifung«, eine »Art der Künstlerauszeichnung«, die »von den Nationalsozialisten erst im Jahre 1937 neu belebt« wurde, so Karl-Heinz Meißner: »München ist ein heißer Boden. Aber wir gewinnen ihn allmählich doch.« Münchner Akademien, Galerien und Museen im Ausstellungsjahr 1937, in: Schuster 1988, S. 37–55, S. 41. 232 Fiss 2009, S. 67. 233 Karl Arndt: Das »Haus der Deutschen Kunst« – ein Symbol der neuen Machtverhältnisse, in:
Schuster 1988, S. 61–82, S. 64 f.
234 »Wenn Berlin Hauptstadt des Reiches ist, Hamburg und Bremen die Hauptstädte der deut-
schen Schifffahrt, Leipzig und Köln Hauptstädte des deutschen Handels, Essen und Chemnitz Hauptstädte der deutschen Industrie, dann soll München wieder werden Hauptstadt der deutschen Kunst«, zitiert nach Arndt 1988, S. 62. Vgl. Max Domarus: Hitler. Reden und Proklamationen 1932–1945, Wiesbaden 1973, S. 315 f. 235 Arndt 1988, S. 66. 236 Raphael Rosenberg: Architekturen des »Dritten Reiches«. »Völkische« Heimatideologie versus internationale Monumentalität, in: Ariane Hellinger et al. (Hrsg.): Die Politik in der Kunst und die Kunst in der Politik. Für Klaus von Beyme, Wiesbaden 2013, S. 57–86, S. 75. 237 Ibid., S. 60–69.
281 | Anmerkungen
238 Vgl. Hildegard Brenner: Die Kunstpolitik des Nationalsozialismus, Reinbek 1963. 239 Fleckner 2006, S. 407. 240 Vgl. ibid. ausfürlich zu Schultze-Naumburgs Gegenüberstellungen S. 407– 414. 241 Vgl. Rosenberg 2013, S. 63 ff. 242 Ibid., S. 66. 243 Ibid., S. 71. 244 Arndt 1988, S. 61 und Rosenberg 2013, S. 71 f. 245 Rosenberg 2013, S. 81. 246 Winfried Nerdinger hat sie nachgezeichnet und dabei auf die Gefahr von Vergleichen hin-
gewiesen: »Once fitted into an international framework of comparison, the ›uniqueness‹ of Nazi architecture was obscured«. Vgl. id.: A Hierarchy of Styles. National Socialist Architecture between Neoclassicism and Regionalism, in: Ades et al. 1995, S. 322–329, S. 322. Auch müssen Zweck und Funktion des »Hauses der Deutschen Kunst« berücksichtigt werden, vgl. dazu Karl Arndt: Baustelle Reichsparteitagsgelände 1938/39, Filmdokumente zur Zeitgeschichte, Göttingen 1973. 247 Rosenberg 2013, S. 84 –85. 248 Ibid., S. 76 f. 249 Zitiert nach: Wilson 1989, S. 105 (Breker in: Un sculpteur maudit, Figaro Magazine,
24. Januar 1981).
250 Vgl. das Programmheft zur Grundsteinlegung vom 15. Oktober 1933: »In aller Mittelpunkt
aber schwebt, von achtzehn in Grün und Gold gekleideten Männern getragen, von reichem, farbigem Gefolge umgeben, das goldschimmernde Riesenmodell des Hauses der deutschen Kunst«, zitiert nach Lüttichau 1988, S. 84. 251 Arndt 1988, S. 68. 252 Ibid. 253 Ibid., S. 69 f. Troost hatte sich auch nicht am Wettbewerb 1932 beteiligt. 254 Éric Michaud: Un Art de l’Éternité. L’image et le temps du national-socialisme, Paris 1996,
S. 171.
255 Dagegen setzte das französische Programm auf zeitgenössische Komposition, vgl. Nigel
Simeone: Music at the 1937 Paris Exposition: The Science of Enchantment, in: The Musical Times 1878/2002, S. 9–17. 256 Jean Wiener: Semaine allemande. La Neuvième Symphonie. Tristan et Iseult, in: Ce Soir, 13. September 1937. AN F/12/12143, Dossier Participations étrangères. 257 Id.: Fin de la semaine allemande. »La Walkyrie«, in: Ce Soir, 17. September 1937. AN
F/12/12143.
258 »Jean Wiéner y jouait du piano, et nous apprit qu’un excellent interprète de Bach peut devenir
un des meilleurs pianistes de jazz«, Hélène Jourdan-Morhange: Ravel et nous, Genf 1945, S. 45. 259 Jean Wiener in: Ce Soir, 13. September 1937.
260 Vgl. Anonym: Les produits allemands à l’Exposition de Paris. Le succès des succédanés est celui du plan de quatre ans déclare la presse allemande, in: L’ ère nouvelle, 27. November 1937. AN F/12/12143.
282 | Politische Ästhetik und Ausstellungsgeschichte
261 Exposition Internationale des Arts et Techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 11, Tabelle
S. 474 f.
262 Anonym: Le chancelier Hitler a reçu hier à Berlin les artisans du pavillon allemand de
l’Exposition, in: Paris Soir, 2. Oktober 1937. AN F/12/12143.
263 Anonym: La participation allemande. Le commissariat général allemand communique, in: Le Temps, 18. November 1937 (zu dieser Zeit gab es zwei Zeitungen dieses Namens). AN F/12/12143. 264 Vgl. Concours, Dok. II, S. 3 f. 265 AN F/21/4484, Maschinengeschriebener Entwurf eines Briefes des Ministre de l’Éducation
nationale (Jean Zay) an den Président du Conseil, mit Korrekturen von Hand und Datum 11. Juli 1936, 2 S., S. 1. 266 AN F/12/12905, Dossier 2 »Convention entre l’Etat et la Ville«, Kopie Projet de Convention 30. April 1934, 12 S. 267 Ibid., Art. 6.
268 Ein späterer einseitiger Änderungsantrag ibid. verlegt den Verkaufsbeginn vor auf den 1. Juli
1936 und fügt ein Verbot aller anderen Lotterielose auf Staatsgebiet vom 1. November 1936 bis 1. Mai 1937 an. 269 Ibid., Projet de Convention, Art. 18. 270 AN F/12/12905, Dossier 2, Approbation du projet de convention. Achille Villey-Desme-
rets: Analyse de la Convention, in: id: Mémoire de M. Le Prefet de la Seine au Conseil Municipal de Paris. Organisation de l’Exposition Internationale de 1937. Approbation du projet de convention, Paris, 3. Mai 1934, S. 7–20, S. 14. 271 »[...] de manière à sauvegarder l’esthétique, mon Administration, qui sera obligatoirement
consultée, veillera à ce que les architectes […] donnent à l’ensemble des bâtiments un aspect unique de manière à ne pas accuser extérieurement le partage des bâtiments entre l’Etat et la Ville de Paris«, vgl. ibid., S. 15. 272 Convention entre l’Etat et la Ville de Paris pour l’organisation d’une Exposition Internationale en 1937, Paris, 1934; Organisation à Paris en 1937 d’une Exposition Internationale. Loi du 6 Juillet 1934 et Convention du 15 Mai 1934 entre l’Etat et la Ville, Paris 1934. Vgl. AN F/12/12999, Dossier 1 u. 2. 273 Ibid., Convention pour l’organisation [...], S. 6. 274 AN F/21/4484, Briefentwurf von Jean Zay an den Président du Conseil, 11. Juli 1936, S. 1. 275 Ibid., S. 2. 276 AN F/21/4484, Briefentwurf von Jean Zay an den Président du Conseil, 11. Juli 1936, S. 2. 277 AN F/12/12772, Dossier 2. Louis Hautecoeur: Rapport à Monsieur le Ministre de l’Éducation
Nationale et des Beaux-Arts sur la construction des Musées d’Art Moderne, 17. November 1937, S. 10. 278 AN F/12/13011, Dossier 9 »Cession à la ville de Paris de l’emplacement des musées d’art
Moderne«. Vgl. besonders die Kopie eines Schreibens des Ministre Secrétaire d’Etat à la Production et au Travail an den Ministre Secrétaire d’Etat à l’Instruction Publique et aux Beaux-Arts zu den Museen vom 14. Oktober 1940. 279 Ibid., Schreiben des Direktors der Liquidation der Weltausstellung 1937, Mathon, an den Prä-
fekten des Departement Seine mit Stempel vom 26. Juli 1941 und Annex einer Kopie ihrer Verein-
283 | Anmerkungen
barung, 6 S. Aus der Vereinbarung gehen die Herkunft der polnischen Botschaft und ihre vormaligen Eigentümer detailliert hervor. 280 Zu Zusammenarbeit von Vichy und Besatzern im Ausstellungswesen vgl. Wilson 1989,
besonders S. 115. Sie verwechselt das Palais de Tokyo mit Chaillot, das sie als »Musée de la Ville de Paris« mit Janniots Fries nennt. 281 Wilson 1989, S. 117. 282 AN F/21/7027, Dossier 1. Einladung des Präsidenten des SNI, André Dauchez, und der
Vizepräsidenten G. L. Jaulnes, J. G. Goulimat und J. Beurdeley an den »Secrétaire des Beaux-Arts«, 24. April 1944, Kopie. 283 Ibid. Brief des SNI-Interim-Generalsekretärs Félicien Cacan an Hautecoeur, 18. Mai 1942,
und Durchschlag des Briefs von Vincent Poli vom 24. Juli 1942 mit der Teilnahmezusage Hautecoeurs. 284 Ibid., Einladung von J. Gabriel Goulinat vom 27. April 1943. 285 Ibid., Einladung Eröffnung Peinture d’ hier et d’aujourd’ hui (1.–31. Mai 1943), Musée Galliera, 30. April 1943. 286 Ibid., Einladungsschreiben vom 8. Februar 1945, Mitgliederliste des Ehrenkomitees des SNI,
Antwortschreiben Reys vom 17. Februar 1945, Schreiben von SNI-Präsident J. Gabriel Goulimat vom 29. Mai 1945, Briefentwürfe Robert Reys an Goulimat u. Ladoué, 6. u. 8. Juni 1945. 287 Ibid., Einladungskarte für Robert Rey zur Vernissage am 15. Juni 1945. 288 Vgl. einzelne Vorgänge in AN F/21/7027, Dossier 1. 289 Contensou 1987, S. 13. 290 Zur Biennale de Paris vgl. Krystel Lavaur: Biennale de Paris, 1959–1985: éléments monogra-
phiques. Mémoire de Maîtrise, Université Rennes 2-Haute Bretagne, 1992; id.: Revue de presse, Biennale de Paris, 1959–1965, analyses et commentaires. Mémoire de DEA, Université Rennes 2-Haute Bretagne, 1994.
291 Zur Krisenzeit 1929–1938 vgl. Borne u. Dubief 1989. 292 Zur Zeit vom Münchner Abkommen bis zur Befreiung 1944 vgl. Azéma 1979. 293 Dominique Bozo (1935–1993), Direktor des MNAM 1981–1986 und ab 1990 wieder dessen
Vizedirektor sowie von 1991 bis zu seinem Tod Präsident des Centre Pompidou.
294 Vgl. Dominique Bozo: Introduction, in: Agnès de La Beaumelle u. Nadine Pouillon (Hrsg.): La collection du Musée national d’Art moderne, Paris 1987, S. 9–31. Vgl. S. 14: »Pendant l’Occupation, le Musée sera momentanément ouvert en 1943 par Pierre Ladoué, qui succède à Jean Cassou jusqu’en 1945«. 295 AN F/21/4484. Schreiben des Chef du Bureau des Bâtiments civils et des Palais nationaux an
den Chef des Bureau des Travaux d’Art, Musées et Expositions vom 14. Mai 1935.
296 Ibid., Henri Verne an den Directeur des Beaux-Arts, 23. Juni 1935, Kopie des tabellarischen
Programms der Einrichtung des Museums und Kostenvoranschlag des Transports der Firma Guérin an Hautecoeur, 18. Juni 1935. 297 Die Tapisserien sind in der Nachkriegszeit wohl alle Teil des Mobilier national. Gemäß
Catalogue interministeriel des Dépôts d’œuvres d’Art de l’Etat (http://www.culture.gouv.fr/ documentation/ADOC/, 27. Oktober 2014) befindet sich Messidor heute in der Assemblée Nationale (CDOA Inv. GOB 834-000); 2 Eglogues trägt die Nr. GOB 820; eine Tapisserie bucolique die Nr. GOB 823. Le Niger erhielt 1962 eine neue Bezeichnung Le Tchad und hängt in der französi-
284 | Politische Ästhetik und Ausstellungsgeschichte
schen Botschaft in N’Djamena (CDOA, Inv. GOB 831). Le Départ des Cavaliers ist im Pariser Conseil économique et social (Inv. GOB 832-000). Desvallières »La France« bezeichnet eventuell seine Tapisserie La Victoire, la France de 1918, die Teil der Ausstellung Années folles, Années d’ordre: l’Art Deco de Reims à New York vom 14. Oktober 2006 bis 11. Februar 2007 im Musée des Beaux-Arts de la Ville de Reims war, vgl. Pressedossier in: www.reimsartdeco.fr (27. Oktober 2014). 298 AN F/21/4903/B, Dossier 5c »Musée d’Art Moderne. Attributions d’Œuvres, 9 juillet
1937–21 août 1939«.
299 Wilson 1989, S. 104. 300 AN F/21/4719, Dossier 3a, Schreiben des französischen Botschafters in Berlin vom
11. August 1938 (Kopie, 3 S.).
301 Ibid. 302 Gesa Jeuthe: Die Moderne unter dem Hammer. Zur »Verwertung« der »entarteten« Kunst durch
die Luzerner Galerie Fischer 1939, in: Fleckner 2007, S. 189–305.
303 Vgl. ibid., S. 197 f. Ziegler wurde 1936 Präsident der Reichskammer der Bildenden Künste,
eines der sechs Ressorts der am 22. September 1933 gegründeten Reichskulturkammer. 304 Ibid., S. 199 ff., Zitat S. 203.
305 Ibid., S. 204 f., zum Standort Schweiz und Fischers Beweggründen vgl. S. 212–217, 244 –251. 306 Ibid., S. 221. 307 Ibid., S. 243. 308 In der »Schätzungsliste« zur Auktion aus den Archives nationales, ein dreiseitiges Faltblatt
(Vor- und Innenseiten) mit alphabetisch geordneten Katalognummern der Künstler, Kurzbeschreibung, Herkunft und Schätzungen in englischen Pfund (»Ausrufspreis ca. die Hälfte«), trägt der Gauguin, der einzige in der Liste, die Nr. 44: »Gauguin: Aus Tahiti. Frankfurt am Main, städtische Galerie... £ 3000,-«. AN F/21/4719/3a. 309 Städel Inv.-Nr. SG 391, vgl. Nicole Roth: Verzeichnis der als »entartet« beschlagnahmten
Gemälde und Plastiken der städtischen Galerie und des Städelschen Kulturinstituts, in: Uwe Fleckner u. Max Hollein (Hrsg.): Museum im Widerspruch: Das Städel und der Nationalsozialismus, Berlin 2011, S. 293–307, S. 299. 310 Nicole Roth: »Schwere Verstümmelung und sehr merkbare Rangminderung der Sammlung«. Die Beschlagnahme »entarteter« Kunstwerke im Städel 1937–1937, in: Fleckner u. Hollein 2011, S. 201–240. 311 Ibid., S. 210 u. Anhang 2, S. 299.
312 AN F/21/4719/3a, Kopie eines Briefes Hautecoeurs an Henri Verne, 6. Juni 1939, weiterge-
leitet mit Schreiben an den Directeur général des Beaux-Arts, 9. Juni 1939.
313 Ibid. 314 Ibid., von Henri Verne signierte Protokollkopie des Conseil des musées nationaux 6. Juni
1939, 2 S.
315 Ibid., Getippte Kopie, 1 S., eines Schreibens von »Theodor Fischer, Expert, Lucerne, 17 Hal-
denstrasse. The Ist of June 1939«, weitergeleitet von Henri Verne mit Schreiben vom 14. Juni 1939.
316 Ibid. Weiter heißt es: »It was always understood that the funds will be distributed in favour of
the German Museums so as to enable them to buy other works of art«.
285 | Anmerkungen
317 Jeuthe 2007, S. 223, nach: Stephanie Barron: Die Auktion in der Galerie Fischer, in: id. (Hrsg.): »Entartete Kunst«. Das Schicksal der Avantgarde im Nazi-Deutschland, Ausstellungskatalog, Los Angeles County Museum/ Deutsches Historisches Museum, Berlin 1992, S. 135–170, S. 139. 318 AN F/21/4719/3a. Brief Hautecoeurs an Henri Verne, im Annex eines Schreibens von Verne
an den Directeur général des Beaux-Arts, 19. Juni 1939 als Kopie weitergeleitet.
319 Vgl. die fünf höchsten Verkaufspreise nach Jeuthe 2007, S. 226 ff.: van Gogh, Selbstbildnis,
1888, 175.000 Sfr.; Picasso, Zwei Harlekine, 1905, 80.000 Sfr.; Gauguin, Aus Tahiti, 1902, 50.000 Sfr.; Picasso, Familienbild Soler, 1903, 36.000 Sfr.; Marc, Die drei roten Pferde, 1911, 15.000 Sfr.
320 Kürzlich war das Bild Teil der Ausstellung L’art dégénéré selon Hitler. La vente de Lucerne,
1939, La Cité Miroir, Liège, 17. Oktober 2014 –29. März 2015.
321 Vgl. die »Plans d’aménagement du Musée de l’Etat 1838–1941« in AN F/21/3837. 322 Brief von Henri Verne, Directeur des musées nationaux, an den Directeur général des Beaux-
arts, 29. November 1939. AN F/21/4905, Dossier 1 f. Dastugue leitete Ende 1939 auch die Evakuierung der Sammlungen des Musée Rodin in die Départements Loiret und Loir et Cher, vgl. der Evakuierungsplan in AN F/21/3976/1d. 323 AN F/21/4484. Kopie Schreiben von Hautecoeur an den Directeur des Beaux-Arts,
6. November 1939, 4 S., S. 1.
324 Ibid. Als Bildungsminister ist hier wohl der frühere Justiz- und Außenminister Yvon Del-
bos (1885–1956) gemeint, der am 13. September 1939 von Jean Zay das Amt des Ministère de l’Éducation nationale übernommen hatte und dieses bis Juli 1940 ausübte. Jean Zay, Minister seit Juni 1936, hatte das Amt am 2. September 1939 niedergelegt, um sich zu den Waffen zu melden. Wie Zay befand sich Delbos an Bord der Massilia, die nach der letzten Sitzung des Parlaments am 19. Juni 1940 in Bordeaux mit Parlamentariern nach Casablanca auf brach, wo sie am 24. Juni ankam. Dort wurde Zay als angeblicher Deserteur festgenommen. Als Mitglied der Résistance wurde Delbos von 1943 bis 1945 in Oranienburg interniert.
325 AN F/21/4484. Schreiben von Hautecoeur an den Directeur des Beaux-Arts, 6. November
1939, S. 1.
326 AN F/21/3976/1e. Henri Verne an den Directeur général des Beaux-Arts, 15. September
1939, 2 S., getippt, handschriftlich signiert, im Annex Listen »Repartition des Conservateurs dans les Chateaux requisitionnés ou affectés, et les Musées« (2 S.), »Conservateurs non mobilisables« (1 S.), »Conservateurs mobilisés/ mobilisables/ ayant des affectations spéciales« (1 S.). Vgl. auch ibid. Akten zu den Maßnahmen des aktiven und passiven Schutzes von Kunstwerken. 327 AN F/21/3976/1b. Brief des Directeur des musées nationaux an den Directeur des Beaux-
Arts mit Listen »Etat N° 1: Etat numérique du Personnel Maintenu dans les Musées (situation actuelle)« und »Etat N° 2: Etat numérique du Personnel à maintenir dans les Musées (dans le cas de bombardements aériens répétés)«. 328 AN F/21/4484. Schreiben von Hautecoeur an den Directeur des Beaux-Arts, 6. November
1939, S. 2, Übersetzung des Verfassers. 329 Ibid., S. 3. 330 Ibid. 331 Ibid.
332 AN F/21/4484, Schreiben von Louis Hautecoeur an den Directeur des Beaux-Arts,
6. November 1939, S. 4.
333 AN F/21/4903/B, Dossier 5c, Arrêté du Ministre de l’Education Nationale Henri Guernut,
17. Februar 1936, Art. 1.
286 | Politische Ästhetik und Ausstellungsgeschichte
334 Ibid., Brief (2 S.) Hautecoeurs an den Directeur des Beaux-Arts, 26. Dezember 1939: »Le clas-
sement méthodique des œuvres par génération se trouvant impossible; la présentation dépendait des hasards de la maladie et de la mort«.
335 Ibid., Notiz des Directeur des Beaux-Arts an M. Allirol, 19. Januar 1940. 336 Vgl. AN F/21/3837, Plans d’Aménagement du Musée d’Art Moderne, 1939. Ministère de
l’Education nationale, Services d’Architectures: Travaux d’Architecture, Exercice 1939, Chapitre 45bis. Dépense 126, »Déménagement d’œuvres du Musée du Luxembourg«, Verträge mit dem Transportunternehmen vom 5. u. 15. Dezember 1939. 337 AN F/21/4468. Schreiben des Directeur des musées nationaux, 2 S., getippt, 30. Dezember
1939.
338 Ibid., Annex zum Brief: Louis Hautecoeur: Aménagement du Musée d’Art Moderne (Kopie, getippt, 1 S.). 339 AN F/21/4423/2. Schreiben an Georges Huisman vom 16. Mai 1940 mit maschinenschrift-
lichem Protokoll der Sitzung des Conseil des musées nationaux vom 7. Mai 1940 (4 S.).
340 »L’achat de ce tableau est accordé sans discussion au Conservateur du Musée des Arts Moder-
nes, qui appelle l’attention de l’Assemblée sur l’achèvement des travaux entrepris dans l’édifice du Quai de Tokio. Il serait heureux d’en présenter les aménagements et le Conseil répondant à son invitation prend date pour le mercredi 15 Mai à 16 heures 30 en vue de les visiter«, vgl. ibid., S. 3. 341 Dies geht etwa aus einer Antwort des Directeur des Services d’Architecture vom 21. Januar
1941 auf Programmvorschläge zu den Häusern von Vincent Poli, Chef des Bureau des Travaux d’Art, vom Dezember 1940 hervor, vgl. AN F/21/4900, Dossier 7d, Grands Travaux, 1941, Budget Extraordinaire, Chapitre A. 342 AN F/21/4900, Dossier 7d, Grands Travaux. Brief des Directeur des musées nationaux an
den Directeur général des Beaux-arts, 6. Januar 1941.
343 AN F/21/4900, Dossier 7d, Grands Travaux, 1941. Briefentwurf Minute: Le Secrétaire d’Etat
à l’Instruction Publique et à la Jeunesse à Monsieur le Ministre, Secrétaire d’Etat aux Finances, Oktober–November 1940.
344 AN/F/21/8090, Dossier 2. Jacques Jaujard an Louis Hautecoeur, Paris, 17. August 1940. 345 Ibid., Telegramm vom 26. September 1940. 346 Vgl. http://data.bnf.fr/documents-by-rdt/12768149/70/page1 (29. Oktober 2014). 347 AN/F/21/8090, Dossier 2. Getippte Notiz, 1 Blatt, ohne Herkunfts- und Datumsangabe. 348 Ibid. Der Adressat wird klar aus einer Notiz Hautecoeurs an Georges Riperts Nachfolger vom
26. Dezember 1940.
349 Ibid. Antwort von Hautecoeur zur »Affaire Cassou«, Vichy, 29. September 1940, getippt,
2 S., handsigniert. 350 Ibid., S. 2.
351 Ibid., Handschriftliche Notiz von Jean Cassou an den Directeur général, 14. September 1940. 352 Nicole Racine: Un homme libre en politique. Essai et notices, in: Florence de Lussy (Hrsg.):
Jean Cassou 1897–1986. Un musée imaginé, Ausstellungskatalog, Bibliothèque nationale/ Galerie Mansart, Paris 1995, S. 104 –153, S. 120. 353 Jean Cassou: La révolution contre les mystiques, in: Europe 174/1937, S. 246–250. 354 Ibid., S. 247.
287 | Anmerkungen
355 Ibid., S. 248. 356 AN/F/21/8090, Dossier 2. Mit Unterschrift Hautecoeurs beglaubigte Abschrift des Arrêté
des Secrétaire d’Etat à l’Instruction Publique über die Entlassung Jean Cassous als Kurator des MNAM, Vichy, 27. September 1940.
357 Ibid., Brief von Jean Cassou an »Monsieur le Ministre«, Paris, 15. Oktober 1940, handschrift-
lich, 5 S., S. 2 f.
358 Dies geht aus Schriftwechseln aus dem Jahr 1941 in AN/F/21/8090, Dossier 2, hervor. 359 Ibid., handschriftlicher Brief Cassous an den Directeur des Beaux-Arts, Toulouse, 26. Juli
1942, recto/verso.
360 Julien Blanc: Musée de l’Homme, in: François Marcot (Hrsg.): Dictionnaire Historique de la
Résisance. Résistance Intérieure et France Libre, Paris 2006, S. 134 f.; id.: Au commencement de la Résistance. Du côté du musée de l’Homme 1940–1941, Paris 2010; Musée de l’Homme, in: Stéphane Longuet u. Nathalie Genet-Rouffiac (Hrsg.): Les réseaux de résistance de la France combattante. Dictionnaire Historique, Paris 2013, S. 516–523. 361 Agnès Humbert: Notre Guerre. Souvenirs de Résistance Paris 1940– 41 – Le Bagne – Occu-
pation en Allemagne, Paris 2004. Zum Widerstandsnetzwerk ibid. Julien Blanc: Introduction, S. 9–80, besonders S. 32–62. 362 Blanc 2006, S. 135. 363 AN/F/21/8090, Dossier 2. Telegramm von Cassou an Hauteoceur, 27. Juli 1940.
364 Ibid., einseitige getippte Kopie, »Télégramme officiel. Secretaire général Beaux-Arts à Jean
Cassou 42 Allées des Demoiselles Toulouse«, Stempel und Vermerk »30 Juil. 1942«.
365 Gisèle Sapiro: Intellectuels et artistiques (milieux), in: Marcot 2006, S. 891–893. 366 Cassou 1946, S. VII. 367 Vgl. Kostenpläne über Arbeiten am MNAM 1939–1948 in AN F/21/7205, Dossier »Musée
d’Art Moderne«.
368 AMN/L1/1931–, Dossier »Art Moderne. Inauguration de l’exposition permanente d’œuvres
appartenant au musée national d’Art Moderne«, Einladung zur Eröffnung am 6. August 1942. Noch am 30. Juli 1942 wies die Direction des musées nationaux an, leicht zu klauende Kleinformate besonders zu sichern, vgl. ibid. 369 Musée National d’Art Moderne. Exposition permanente. Catalogue, Paris 1942, S. 1. 370 AMN/L2/M.N.A.M. 1934 –1945, »Note à propos du Projet d’Installation du Service des Pri-
sonniers de Guerre dans les locaux du Musée«, Typoskript (2 S.) des Entwurfs ibid., gestempelt 26. Februar 1944, S. 1. 371 Ibid., Übersetzung des Verfassers. Vgl. auch AMN/L1/1931–, »Fermeture, provisoire du
Musée d’Art Moderne, 1942 Ier Décembre« u. »Fermeture provisoire du Musée 1943 I Octobre«. 372 AMN/L1/1931–, »Réouverture partielle du Musée 16 Avril 1943«.
373 Laurence Bertrand Dorléac: Les fausses continuités. L’ouverture du Musée d’art moderne en
août 1942, in: Traverses, nouvelle série 3/1992, manifester exposer, S. 78–89, S. 79.
374 Ibid., S. 79. 375 Id. 2010, S. 61–62. 376 Zitiert nach Bertrand Dorléac 2010, S. 62.
288 | Politische Ästhetik und Ausstellungsgeschichte
377 Laval war zunächst Vize-Regierungschef bis zu seiner Entlassung am 13. Dezember 1940. 378 Bertrand Dorléac 1992, S. 80. 379 Ibid., S. 82, Zitat S. 83. 380 Die Bilder sind auch abgedruckt in: Revue des Beaux-Arts de France, Dezember–Januar 1942–
1943, S. 78 u. 80.
381 Didier Schulmann: »Mon cher ami, ce n’est pas moi qui ai construit le musée d’art moderne, ni
moi non plus qui en ai choisi l’emplacement«, in: PALAIS 15/2012, S. 36– 49, S. 43.
382 Ibid., S. 43. 383 Laurence Bertrand Dorléac u. Jacqueline Munck (Hrsg.): L’Art en Guerre. France 1938–1947,
Ausstellungskatalog, Musée d’Art moderne de la Ville de Paris, Paris 2012, S. 146. 384 Bertrand Dorléac 1992, S. 89.
385 Zu Ausstellungen als Propagandamittel der nationalsozialistischen Besatzer, besonders
der antisemitischen Ausstellung »Le Juif et la France« im September 1941 im Palais Berlitz, vgl. Bertrand Dorléac 2010, S. 108 ff. 386 AN F/21/7030, Schreiben des Prefet de la Seine, 1 S., getippt, signiert, 22. August 1941. 387 Bertrand Dorléac 2010, S. 143 u. Fn. 97, S. 347. Zur Ankaufspolitik 1940–1942 ibid.,
Fn. 92–95.
388 Id. 1992, S. 84 u. Fn. 20, mit Verweis auf: »Entretien avec Bernard Dorival, Paris, 6 novembre
1982«, in: id.: Art, culture et société: l’exemple des arts plastiques entre 1940 et 1944. Dissertation, Paris 1989, S. 451– 457. 389 »J’ai l’honneur, afin d’éviter la requisition du Musée d’Art Moderne par les troupes
d’occupation, de soumettre respectueusement à votre jugement le projet suivant relatif à une ouverture partielle du Musée d’Art Moderne […]«, vgl. AMN/2HH59(1), Correspondance de M. Cassou, Dorival, 1941–1948. Unterdossier »Correspondance M. Dorival 1942– 43. Lettres d’artistes. Ouverture temporaire du Musée (presse)«. Handschriftlicher Brief von Dorival an den Directeur des musées nationaux, 8. Juli 1942, 1 Blatt recto/verso. 390 Vgl. Bertrand Dorléac 2010, Azéma 1979 und Wilson 1989. Zum nationalsozialistischen
»Kunstschutz« in Frankreich und Plünderungen vgl. Corcy 2005, S. 142–161. Eingehend dazu Pillages et Restitutions. Le destin des Œuvres d’Art sorties de France pendant la seconde guerre mondiale, Paris 1997. Zu kulturellen Aktivitäten im besetzten Paris vgl. Sarah Wilson: La vie artistique à Paris sous l’occupation, in: Pontus Hultén (Hrsg.): Paris, Paris. 1937–1957 Créations en France, Ausstellungskatalog, Centre Pompidou, Paris 1981, S. 96–102. 391 François Augereau: L’action de Rose Valland, in: Pillages et Restitutions 1997, S. 65–71, S. 68. 392 Wilson 1989, S. 122. 393 Ab 1947 leitet sie die Commission de Récupération artistique in allen besetzten Zonen
Deutschlands. Im Juni 1946 wurden die »Chefs d’œuvre des collections privées françaises retrouvées en Allemagne« in der Orangerie ausgestellt. Vgl. Rose Valland: Le Front de l’Art. Défense des collections françaises, 1939–1945 [1961], Paris 2014. 394 Bertrand-Dorléac 2010, S. 22 ff. 395 Ibid., S. 45–73. 396 Henri Bouchard (Bildhauer, seit 1940 Präsident des Salon des Artistes Français), Paul Lan-
dowski (Direktor der École Nationale des Beaux-Arts 1939–1942), Louis-Aimé Lejeune (Mitglied der Académie des Beaux-Arts), Charles Despiau, Paul Belmondo, Vlaminck, Derain, van Dongen,
289 | Anmerkungen
Friesz, André Dunoyer de Segonzac, Roland Oudot, Raymond Legueult (beide unterrichteten zu dem Zeitpunkt an der École des Arts Décoratifs) und der Schweizer Maler und Bühnenbildner Jean Janin; Aristide Maillol nahm aufgrund seines Alters, Maurice Denis mit einer Entschuldigung nicht teil. Vgl. Cone 1992, S. 155. 397 Ibid., S. 154 ff. 398 Ibid., S. 168 u. Fn 63. 399 Vgl. Sarah Wilson (1981b): Les jeunes peintres de tradition française, in: Hultén 1981, S. 106–
112; Bertrand Dorléac 1990, S. 137–160.
400 Michèle C. Cone (1992b): »Abstract« Art as a Veil: Tricolor Painting in Vichy France, 1940–
44, in: The Art Bulletin 2/1992, S. 191–204, S. 191 und Fn. 8.
401 Cone 1992b, S. 195. »Jeune France« war eine von Pierre Schaeffer ins Leben gerufene Orga-
nisation, die von November 1940 bis März 1942 bestand mit dem Ziel, die künstlerische Produktion in Frankreich grundlegend zu reformieren und vom Bildungsministerium finanziert sowie von Vichy-Offiziellen unterstützt wurde, vgl. Véronique Chabrol: L’ambition de »Jeune France«, in: Rioux 1990, S. 161–178. 402 Cone 1992b, S. 192 u. 198 ff. Sie verweist etwa auf André Fougeron, der Teil des Wider-
standsnetzwerks Le Front National des Arts war, und sein in einer Auflage von 300 Stück heimlich verteiltes Album mit Lithografien, die Verbrechen der Nationalsozialisten anprangerten.
403 Ibid., S. 199. 404 »En vous accusant réception de votre communication pour information de la circulaire
LG 35/2JA GI/MG n° 3-19215 du Commissariat Général aux Questions [Juives et] relative [sic] au pret par les administrations publiques des locaux destinés aux expositions, je puis vous assurer que tous les formulaires de notre Société, invitations à exposer et bulletins de dépot portent une mention demandant à l’exposant l’attestation signée qu’il n’est pas de race Juive, conformément aux ordres précedemment donnés par les autorités occupantes«, vgl. AN F/21/7027, Dossier 1. Brief des Interim-Generalsekretär des Salon National Indépendant Félicien Cacan an Louis Hautecoeur, Secrétaire général des Beaux-Arts, vom 18. Mai 1942, 1 S., getippt, handsigniert.
405 Bertrand Dorléac 2010, S. 60/61. 406 AMN/L2/M.N.A.M. 1934 –1945, »Note à propos du Projet d’Installation du Service des
Prisonniers de Guerre dans les locaux du Musée«, 26. Februar 1944, S. 1.
407 Lynn H. Nicholas: Les spoliations nazies en Europe, in: Pillages et Restitutions 1997, S. 47–54,
S. 52. Vgl. id.: The rape of Europa. The fate of Europe`s treasures in the Third Reich and the Second World War, London 1994. 408 Mission d’étude sur la spoliation des Juifs de France: Rapport Général, Paris 2000, S. 85 f.
409 Caroline Piketty et al. (Hrsg.): Guide des recherches dans les archives des spoliations et des restitutions, Paris 2000, S. 236. Die Archives des musées nationaux sind dort nicht gelistet. 410 Jean-Marc Dreyfus u. Sarah Gensburger: Des camps dans Paris: Austerlitz, Lévitan, Bassano, juillet 1943–août 1944, Paris 2003. 411 Sarah Gensburger: Images d’un pillage. Album de la spoliation des juifs à Paris, 1940–1944,
Paris 2010.
412 Annette Wieviorka u. Floriane Azoulay: Le pillage des appartements et son indemnisation,
Paris 2000, S. 24. Vgl. Willem De Vries: Sonderstab Musik. Music confiscations by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg under the nazi occupation of Western Europe, Amsterdam 1996. 413 Wieviorka u. Azoulay 2000, S. 25.
290 | Politische Ästhetik und Ausstellungsgeschichte
414 AMN/L2/M.N.A.M. 1934 –1945, »Protestation contre le dépôt de mobilier installé par les
Allemands dans les sous-sols du Musée d’Art Moderne«. Schreiben des Kriegsverwaltungsrats Dr. Bernhard von Tieschowitz an die Direction des musées nationaux, 31. Oktober 1942, handsigniert. Tieschowitz ersetzte den Kunsthistoriker Franz Wolff-Metternich. Seit 11. Mai 1940 Leiter des Kunstschutzes in der besetzten Zone, berief Metternich sich auf die Haager Konvention und sah die Plünderung der französischen Sammlungen mit zunehmenden Widerwillen. Im Juni 1942 wurde er durch Tieschowitz ersetzt. Zur Tätigkeit des »Kunstschutzes« bis zu seiner Entlassung vgl. sein Bericht L’action du service de protection des arts (Kunstschutz). Document 35, (Traduction), Exposé du Comte F. Wolff-Metternich, in: Jean Cassou (Hrsg.): Le Pillage par les Allemands des œuvres d’Art et des Bibliothèques appartenant à des Juifs en France [Centre de Documentation Juive Contemporaine, Documents N° 4], Paris, 1947, S. 149–177. Vgl. auch Bertrand Dorléac 2010, S. 22 u. 31. 415 AMN/L2/M.N.A.M. 1934 –1945, »Protestation contre le dépôt de mobilier installé par les
Allemands dans les sous-sols du Musée d’Art Moderne«, Bericht des Architekten Dastugue (2 S.) und Schreiben von Kurator Pierre Ladoué, 11. u. 12. Dezember 1942. 416 »Les allées et venues de camionneurs auxquels il n’est pas toujours possible d’interdire de
fumer, sont constantes. La porte de communication entre le Musée de l’Etat et celui de la Ville de Paris […] menace d’être tenue rigoureusement fermée. En conséquence, la sécurité du Musée National d’Art Moderne, se trouvant compromise par suit du développement pris par le dépôt des pianos, je vous serais obligé de vouloir bien faire prendre les mesures nécessaires pour que les conventions […] soient à nouveau respectées […].«, vgl. ibid., Kopie des Schreibens des Directeur des musées nationaux an Tieschowitz, 21. Dezember 1942. 417 AMN/L2/M.N.A.M., 1934 –1945, »Note à propos du Projet d’Installation du Service des Pri-
sonniers de Guerre dans les locaux du Musée«, Typoskript des handschriftlichen Entwurfs ibid., 2 S., Stempel 26. Februar 1944.
418 Jean Cassou: Préface, in: id. 1947, S. 9–16, S. 12. 419 Ibid. 420 AMN L2 MNAM 1946–1966, »Dossier relatif aux pianos entreposés dans les sous-sols du
Musée d’art...«.
421 Ibid., Cassou an den Directeur des musées de France, 23. September 1946, 1 S., signiert. 422 Wieviorka u. Azoulay 2000, S. 37. Vgl. ibid., »La question des pianos«, S. 36–39.
291 | Anmerkungen
EIN MONUMENT DER KUNST IN SOZIALEN DURCHDRINGUNGSPROZESSEN: VON DER NACHKRIEGSZEIT ZUR ENTSTEHUNG DES CENTRE POMPIDOU Benjamin Fellmann
Wohl in kaum einer Periode in der Ideengeschichte des Palais de Tokyo treten der Monumentcharakter der Kunstinstitution und die Suche nach formalen Kriterien des Verhältnisses der zeitgenössischen Kunst zum sozialen Kontext und dem gesellschaftlichen Kontext der Institution so zu Tage wie in den drei Phasen der Nachkriegsentwicklung: Der unmittelbaren Nachkriegszeit, der Phase des Aufstiegs des MNAM zu einer unabhängigen Institution, und im Projekt des Centre Pompidou, wo das Museum seit 1977 seinen Sitz hat. Nach der »richtigen« Eröffnung im Juni 1947 unter Jean Cassou hat das MNAM unter wechselnden Direktoren damit knapp zwanzig Jahre Zeit, sich institutionell zu festigen.1 Dann aber machen öffentliche Kritik an der Ausstellungspolitik des Hauses und der Politik des seit 1959 amtierenden Kulturministers André Malraux, Reformideen für das MNAM und eine Konzeption eines gänzlich neuen Kulturzentrums die Erfüllung der Kernaufgaben des Museums zunehmend schwierig und damit auch Änderungen, die eine öffentlich geforderte Dynamisierung und Öffnung hätten bringen können. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, diese oftmals unbekannte Geschichte in einer groben chronologischen Ordnung dreier Phasen darzustellen. Zunächst werden die Ausstellungsaktivitäten unmittelbar nach der Befreiung bis zur Eröffnung des MNAM 1947 betrachtet. In einem zweiten Schritt richtet sich der Blick auf die institutionelle Entwicklung des MNAM in den ersten zwei Jahrzehnten bis 1967. In einem dritten Schritt wird untersucht, wie der Übergang vom Palais de Tokyo zum Centre Pompidou aus Ideen zur Reform des MNAM hervorging. Erstmals wird aufgezeigt, dass das Palais de Tokyo eine wichtige Orientierungshilfe bei der architektonischen, insti-
293 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
tutionellen und kulturpolitischen Konzeption des Centre Pompidou ist. Die Ideen und Planungen, die in seine Schaffung mündeten, nehmen ihren Ausgang in der Museumsund Ausstellungsarbeit des MNAM im Palais de Tokyo, wo zu Beginn der 1960er Jahre im Auftrag des Kulturministeriums ein Programm eines neuen »Museums des 20. Jahrhunderts« konzipiert wird. Die Vorprojekte und Memoranden geben Aufschluss darüber, dass im Palais de Tokyo angestellte Überlegungen zur Schaffung eines neuen, den Anforderungen der gewandelten Gegenwart angemessenen Museums moderner und zeitgenössischer Kunst zum Ausgangspunkt der Planungen des Centre Pompidou und einer kulturpolitischen Neuausrichtung werden. So wird sichtbar, dass ein ästhetisches Programm im Palais de Tokyo der unmittelbaren Nachkriegszeit seinen Ausgang nimmt und in der kontinuierlichen Reflexion der Anforderungen an das Museum bis in das Projekt des Centre Pompidou in den 1970er Jahren führt. In der unmittelbaren Zeit nach der Befreiung stellen Ausstellungen wie Art et Résistance und zur Gründung der UNESCO 1946 bestimmende Weichen für die Entwicklung in der Nachkriegszeit. Sie offenbaren Überzeugungen des Gründungsdirektors Jean Cassou, die das Haus, seine internationale Vernetzung und die Ausstellungspolitik maßgeblich prägen sowie Überzeugungen zur Rolle moderner und zeitgenössischer Kunst und ihres Museums in der Nachkriegsgesellschaft. Mit einer tiefergehenden Reflexion ist aufzuzeigen, dass die ersten Jahre des jungen Museums im Palais de Tokyo auf die komplexe Entwicklung hindeuten, in der die Akteure im Feld der zeitgenössischen Kunst deren Platz in den Nachkriegsgesellschaften suchen. Wenn etwa die allererste Wechselausstellung des MNAM 1947 eine Retrospektive Marc Chagalls ist, dann ist nicht nur nach der künstlerischen Motivation zu fragen, sondern auch nach der unzweifelhaften politischen. Das MNAM – Raum der Reflexion der Besatzungszeit, des Krieges und des Widerstandes – nimmt auch im deutsch-französischen Nachkriegsverhältnis eine wichtige Position ein. Es beteiligt sich an Wanderausstellungen im besetzten Deutschland und danach an Ausstellungen im europäischen und deutsch-französischen kulturellen Austausch. Es wird zu sehen sein, dass sich dabei auf deutscher Seite in der Administration des Adenauer-Deutschlands eine Kontinuität zum »Dritten Reich« offenbart: Einer der wichtigsten Ansprechpartner Jean Cassous an der deutschen Botschaft in Paris ist der Kulturbeauftragte Bernhard von Tieschowitz. Er war es, der seinerzeit 1942 die Inaugenscheinnahme des Kellers des MNAM im Palais de Tokyo für die Lagerung der geraubten Klaviere aus jüdischem Besitz einleitete. Wie sich ästhetische, theoretische, soziologische und politische Reflexionen der hypothetischen sozialen Funktion eines Museums zeitgenössischer Kunst mit der Architektur dieses Ausstellungsortes verbanden, stellte bis hin zum Stellenwert des Palais de Tokyo im Projekt des Centre Pompidou ein Forschungsdesiderat dar. 2 Dominique Poulot konstatierte eine überwiegende Abwesenheit von Selbstreflexion im MNAM bis in die 1960er Jahre. 3 Diese Einschätzung ist hier mit einer differenzierten Analyse der nach
294 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
der Befreiung einsetzenden Reflexionen zu korrigieren. Bei Gérard Monnier kommen die Eröffnung des MNAM 1947 und die Bevorzugung der klassischen Moderne zur Sprache, nicht aber die nähere Entwicklung im MNAM. André Malraux’ Anregung zu einem neuen Museum des 20. Jahrhunderts findet bei ihm Erwähnung.4 Hier wie in einschlägigen Studien zum Centre Pompidou blieb bisher aber die Verbindung der Vorstudien zu einem solchen aus dem Palais de Tokyo mit späteren Reformprojekten und dem Centre Pompidou unberücksichtigt. Schon während seines knappen ersten Jahrzehntes werden am MNAM ästhetische Reflexionen über seine Funktion angestellt. Die Gegenüberstellung mit den Ausstellungstätigkeiten zeigt, dass sie prägend waren für seine weitere institutionelle Entwicklung. Aus politischer Sicht zeigt sich eine nationale Sendungsaufgabe des Museums, dem eine Arbeit an der Festigung des Kanons der klassischen Moderne und der Position von Paris als zentralem Schauplatz der formalen Entwicklungssprünge der Avantgarden entspricht. Die jungen Jahre des MNAM sind geprägt von einer Internationalisierung und Konsolidierung der Institution, und dem deutsch-französischen und europäischen Kulturaustausch. In dieser Zeit wird auch das Programm eines möglichen neuen Museums des 20. Jahrhunderts ausgearbeitet. Die Einbindung des Teams in internationale Ausstellungstätigkeiten in Zusammenarbeit mit der Association Française d’Action Artistique und internationalen Partnern bringt das Haus bald an seine Leistungsgrenzen. Ausgewählte Beispiele internationaler Ausstellungsprojekte und Teilnahmen an Biennalen drohten nach Ansicht Jean Cassous die Funktionsfähigkeit des MNAM zu überlasten, beeinflussen aber kaum den in den 1950er Jahren etablierten euro- bis franco-zentristischen Fokus des Museums in dem Sinn, der auch die Eigenwahrnehmung gegenüber den französischen Provinzmuseen geprägt hatte: Man versteht sich als »l’agence centrale de diffusion de notre art«. 5 Und scheut auch nicht deutliche Maßnahmen: Eine Nichtteilnahme an der Biennale in São Paulo 1959 etwa sollte Druck auf die Organisatoren ausüben, da man dort 1957 wie in Venedig 1958 bei den Preisen leer ausgegangen war. Zusammen mit Einschränkungen im Palais de Tokyo führt diese Entwicklung dazu, dass schon nach knapp einem Jahrzehnt die Frage laut wird, ob es seinem Auftrag noch gerecht wird. Die Überlegungen zum »Museum des 20. Jahrhunderts«, das André Malraux 1961 für das Viertel La Défense ersinnt und mit dessen möglicher Errichtung er Le Corbusier betraut, scheinen auf diese Situation reagieren zu wollen. Malraux konzentrierte seine Arbeit als Kulturminister auf Programmachsen, darunter die Verbesserung der sozialen Situation der Künstler und die Anerkennung der zeitgenössischen Kunst. Der IV. französische Entwicklungsplan (1962–1965) sah die Konstruktion eines neuen Museums vor und stellte für Grunderwerb schon 8 Millionen Francs zurück. Malraux trug Le Corbusier ein Ensemble aus Museum, Conservatoire d’art dramatique und École nationale des arts décoratifs in La Défense an, aber der Architekt, der einen Monat nach Beginn der Entwurfsarbeit am 27. August 1965 starb, war
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skeptisch. Er sah die Verlassenheit von La Défense nach Büroschluss voraus und schlug in einem Interview vor, lieber das Petit Palais und Grand Palais, »hässliche teure provisorischen Baracken«, für ein solches Museum abzureißen.6 Das große Museumsprojekt verläuft im Sande, nur einige Spezialmuseen wie das Musée des Arts et Traditions Populaires, das Musée Fernand Léger in Biot und das Musée-mémorial Chagall in Nizza werden realisiert. 7 Das Programm eines Museums des 20. Jahrhunderts, das im MNAM ausgearbeitet wurde, hatte, wie zu sehen sein wird, jedoch ein Nachleben. Noch in Akten der Projektstudien zum Centre Pompidou finden sich Kopien des Dokuments. Bis in die 1970er Jahre wird es als Referenz herangezogen werden. Damit ergibt sich eine erstaunliche historische Parallele zu den 1930er Jahren, als Louis Hautecoeur das neue Museum moderner Kunst plante. Auch die Argumente für eine ganz neue Institution werden sich ähneln und wiederholen: Vom zeitgenössischen Kunstschaffen über die soziale Ausstrahlung der institutionellen Dynamik bis zum Kunstproduktionsstandort und Marktplatz Paris.
VON BENJAMIN ZU PONTUS HULTÉN: INSTITU TIONENGESCHICHTE AL S IDEENGESCHICHTE Das Palais de Tokyo ist von der Eröffnung des MNAM 1947 bis zur Schaffung des Centre Pompidou auf dem Plateau Beaubourg Gegenstand und Anknüpfungspunkt von Ideen zur Einbindung eines Kunstmuseums in die Gesellschaft und für seine optimale administrative, organisatorische und ausstellungstechnische Gestaltung. Nach dem Krieg entwickelte sich eine langsame Emanzipation der Museen von der Aufgabe, ein Raum menschlicher und beruflicher Formung, besonders aber nationaler Geschmacksprägung zu sein. 8 Die ideengeschichtliche Entwicklung geht von der Aufgabe des Kunstmuseums als Dokumentations- und Bildungsinstrument mit einem Schwerpunkt auf seiner Speicherfunktion hin zu einer Institution, deren Aufgaben so breit gefächert sind wie die Interessen ihres durch die Entwicklungen der 1960er und 1970er Jahre immer heterogeneren und wachsenden Publikums. Dieser Prozess vollzog sich zunächst im Inneren des Museums und dann in Debatten, öffentlicher Kritik des Museums und schließlich der Bewegungen um den Mai 1968. Mit der Schaffung des Centre Pompidou und seiner architektonischen und institutionellen Transparenz sollte vermeintlich eine Verbindung von Innen und Außen erreicht sein, ein Gleichgewicht zwischen den Forderungen an die Institution und der staatlichen Kulturarbeit. In den ersten Ausstellungen im Palais de Tokyo nach der Befreiung ist noch ein aus der Zeit der Dritten Republik stammendes Verständnis des Bildungsauftrages spürbar, das geprägt ist von Patriotismus, ästhetischer Bildung durch Würdigung der Avantgarden des 20. Jahrhunderts und der internationalen Repräsentation Frankreichs und
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seiner Kunst. Diese Definition verändert sich graduell bis zur vollständigen Neukonzeption einer Kultur- und Kunstinstitution für das 20. Jahrhundert Ende der 1960er Jahre. Die Entwicklung der Museen in der Massengesellschaft verortet Dominique Poulot in der Linie von Jean-François Lyotards La Condition postmoderne, das eine Verjährung des alten Prinzips der Einheit von Wissensaneignung und Geistesbildung prognostizierte. 9 Lyotards Diagnose geht aber noch weiter: Sukzessive folge das Wissen den Informationskanälen, dem umgekehrten Prinzip verpflichtet, dass die Vielfalt leicht zu entschlüsselnder Informationen zur Bedingung von gesellschaftlichem Fortschritt werde, wobei, mit Habermas gesprochen, das Wissen den »Gebrauchswert« verliert.10 Lyotard publizierte seinen Bericht 1979. Sein Erscheinen koinzidiert gewissermaßen mit dem Übergang der zentralen nationalen Kunstinstitution vom Palais de Tokyo zum 1977 eröffneten Centre Pompidou. Auch dieser Transfer entspricht der Auflösung von Wissensmonopolen, die durch einen Wettbewerb von Produktionen »neuen« Wissens ersetzt werden: »Or il est permis de se représenter le monde du savoir postmoderne comme régi par un jeu à information complète, en ce sens que les données y sont en principe accessibles à tous les experts: il n’y a pas de secret scientifique. Le surcroît de performativité, à compétence égale, dans la production du savoir, et non plus dans son acquisition, dépend donc finalement de cette ›imagination‹ qui permet soit d’accomplir un nouveau coup, soit de changer les règles du jeu.«11 Damit verbunden ist auch eine Konjunktur von Besuchererhebungen.12 Während in den 1960er Jahren ein Interesse an der soziologischen Erfassung des Publikums einsetzt, das alle institutionelle Kulturpolitik bis heute dominiert, ist es diese Soziologie selbst, die zum Wandel der Institution beiträgt. Die Hauptwirkung geht dabei von Pierre Bourdieus und Alain Darbels Studie von 1966 aus, die erstmals das Publikum der Kunstmuseen untersucht: L’Amour de l’Art. Les musées européens et leurs publics. Sie weist nach, dass Kunstmuseen überwiegend von vorgebildetem Publikum besucht werden und sich so in Widerspruch zu den demokratischen Prinzipien der Gesellschaft setzen. Dennoch haben danach öffentliche Debatten und der Mai 1968 wenig Einfluss auf die staatliche Institution im Palais de Tokyo und diesen Ausstellungsraum. Die Entwicklung verläuft vielmehr in Übereinstimmung zur französischen Wirtschaftspolitik der Pompidou-Jahre, die auf Industrialisierung, internationalen Wettbewerb und allgemeinen Wohlstand als Garanten des sozialen Friedens setzt. Bestimmend sind die Kriterien einer neuen Kulturindustrie. Die Reformideen für ein Massenpublikum kommen den Interessen eines der neuen internationalen Wirtschaft entspringenden »modernistischen« Bürgertums (Pierre Gaudibert) entgegen. Vom Marktgedanken geleitet ist dieses gegenüber sozialkritischer Kunst nicht aufgeschlossener als sein traditionalistischer Gegenpart.
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Die Entwicklung solcher Konzepte, deren Entfaltung in den drei Nachkriegsjahrzehnten im Folgenden im Fokus stehen wird, kann an den beiden zentralen Begriffen der »Durchdringung« und des »Monuments« nachvollzogen werden. Stellt man sie Walter Benjamins in den 1930er Jahren an der Moderne entwickeltem Konzept der Durchdringung als sozialem Prozess gegenüber, der sich in der Architektur illustriert, wird eine Verschiebung deutlich von der modernistischen Vision zu einem neuen Monumentalismus, der gleichwohl seltsam rückwärtsgewandt erscheint. Mit dem Centre Pompidou tritt kein sozialer Durchdringungsprozess in der Gemeinschaft ein, sondern eine Scheintransparenz. An der Durchdringung entwickelte Benjamin sein Konzept einer sozialen Porosität, die sich in der Architektur ausdrückt. Schon eingangs wurde hingewiesen auf seine Überzeugung, dass eine Analyse der Reflexion der Architektur geeignet ist, sich von der Stellung der Kunst in der Gesellschaft Rechenschaft abzulegen: »Viele Kunstformen sind entstanden und sind vergangen. […] Das Bedürfnis des Menschen nach Unterkunft aber ist beständig. Die Baukunst hat niemals brach gelegen. Ihre Geschichte ist länger als die jeder anderen Kunst und ihre Wirkung sich zu vergegenwärtigen von Bedeutung für jeden Versuch, vom Verhältnis der Massen zum Kunstwerk sich Rechenschaft abzulegen.«13
DAS IDEAL DER DURCHDRINGUNG VON KUNST UND LEBEN In der Reflexion der Architektur des Palais de Tokyo überwiegt in den Anfangsjahren des MNAM noch ein Ideal der sozialen Durchdringung, das demjenigen vergleichbar ist, das Benjamin Ende der 1920er Jahre unter dem Eindruck früher Soziologen wie Ferdinand Tönnies und Gottfried Salomon-Delatour auf dem internationalen Philosophiekongress 1924 in einem sozialanthropologischen Blick auf Neapel und seine Bewohner, den Gebrauch und die Rezeption ihrer Architektur entwickelte. Im Kunstwerk-Aufsatz machte er dieses Ideal zur Grundlage seiner Überlegungen zur Stellung der Kunst und der Möglichkeiten der neuen massenmedialen Reproduktionsformen.14 In seinem Portrait Neapel ist es ein filmischer Blick, der Tuffstein und Architektur, das »bündigste Stück der Gemeinschaftsrhythmik«, heranzoomt.15 Das durchlässige Leben im Innen und Außen der südlichen Stadt offenbart er in einer Montage, die deutlich macht, dass Porosität sowohl ein Bild als auch eine soziologische Kategorie ist. Sie beschreibt Architektur, und damit Kunst, im Verhältnis zu ihrer natürlichen und sozialen Umgebung.16 »Porosität ist das unerschöpflich neu zu entdeckende Gesetz dieses Lebens«.17 Als Gesetz impliziert Porosität die soziologische Suche nach einer phänomenologischen Kausalität. Sie ist aber auch die ephemere Manifestation eines aktiven Prozesses der Durchdringung – »jede private Haltung und Verrichtung wird durchflutet von Strömen des Gemeinschaftslebens« – in der »Durchdringung von Tag und Nacht, Geräuschen
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und Ruhe, äußerem Licht und innerem Dunkel, von Straße und Heim«.18 Das Prinzip »Durchdringung« ist ein Phänomen und gleichzeitig die Methode zu seiner Offenlegung: »Wahre Laboratorien dieses großen Durchdringungsprozesses sind die Cafés.«19 Sie entspricht damit der Kritik von Georg Lukács an der kategorialen Soziologie seiner Zeit in Geschichte und Klassenbewußtsein (1923), die sich Benjamin bei seinem Capri-Aufenthalt 1924 durch eine Rezension Ernst Blochs vermittelte. Indem er Architektur in ihrem funktionalen sozialen Kontext betrachtet, löst Benjamin mit dem Begriff der Durchdringung die Bedeutung ein, die Lukács dem »Augenblick der Gegenstandserkenntnis« beimisst, der sich zu einer »Totalität des Durchblicks« 20 ausweitet, um – in Lukács’ Worten – »Wirklichkeit als sozialen Prozess« zu verstehen. 21 »Existieren« ist in Neapel »Kollektivsache«. 22 Die umgekehrte Ordnung seines späteren Passagen-Projekts – die Straße als Inneres, das Innere als Straße – bestimmt hier schon ein Konzept der Transparenz: »Wie die Stube auf der Straße wiederkehrt, so, nur viel lauter, wandert die Straße in die Stube hinein.« 23 Das verbindende Element zu den Überlegungen im Kunstwerk-Aufsatz 1936–1939 ist die gegenseitige Durchdringung von Gegenstand und Medium, die zur Herstellung sozialer Gemeinschaft führen kann und damit eine Antwort auf die Herausforderungen des Kapitalismus an die Politik wäre. Das Bild des durch den filmischen Blick aufgesprengten Gesteins nimmt Benjamin in seine erste theoretische Reflexion des Films, die Erwiderung an O.A.H. Schmitz 1927 auf: »Wie aber tiefere Schichten von Gestein nur an den Bruchstellen zutage treten, liegt auch die tiefere Formation ›Tendenz‹ nur an den Bruchstellen der Kunstgeschichte (und der Werke) frei vor Augen. [...] Unter den Bruchstellen der künstlerischen Formationen ist eine der gewaltigsten der Film. Wirklich entsteht mit ihm eine neue Region des Bewußtseins. [...] An sich selber sind diese Büros, möblierten Zimmer, Kneipen, Großstadtstraßen, Bahnhöfe und Fabriken hässlich, unfaßlich, hoffnungslos traurig. Vielmehr: sie waren und sie schienen so, bis der Film war. Er hat dann diese ganze Kerkerwelt mit dem Dynamit der Zehntelsekunden gesprengt, so daß nun zwischen ihren weitverzweigten Trümmern wir weite, abenteuerliche Reisen unternehmen.« 24 Die »neue Region des Bewußtseins« und das »Dynamit der Zehntelsekunden« zitiert er wörtlich wieder im Kunstwerk-Aufsatz. 25 Dort fasst er in der letzten These die Summe seiner Überlegungen zusammen in der Feststellung zum »kanonischen Wert« der Architekturrezeption: Das Studium der Gesetze der Rezeption von Architektur sei am besten geeignet, den künftigen Standort der Kunst in der Gesellschaft zu bestimmen. 26 Die in Neapel entwickelte Durchdringung wird damit zur Kategorie der Medientheorie: Film hat die »Tendenz, die gegenseitige Durchdringung von Kunst und Wissenschaft zu befördern«, die Darstellung der Realität ist im Film ungleich wirkungsvoller
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»auf Grund ihrer intensivsten Durchdringung mit der Apparatur«. 27 Im Film ist die apparatfreie Erscheinung der Wirklichkeit Ergebnis eines komplexen technischen Prozesses, »Im Filmatelier ist die Apparatur derart tief in die Wirklichkeit eingedrungen« dass der »apparatfreie Aspekt der Wirklichkeit [...] hier zu ihrem künstlichsten geworden« ist. 28 Architekturrezeption durch die Masse dient ihm als Beispiel für die Rezeption von Kunst im Massenmedium, und umgekehrt auch als Beispiel, wie Kunst die »schwerste und wichtigste« der neuen »Aufgaben der Apperzeption« »da angreifen [wird], wo sie Massen mobilisieren kann«. 29 Diese Rezeption vollzieht sich beiläufig, nicht »nach Art der gesammelten [...] wie sie zum Beispiel Reisenden vor berühmten Bauten geläufig ist«. Sie vollzieht sich auf zwei Ebenen, der optischen und der taktilen, körperlichen, durch Gewöhnung geprägten, Rezeption. 30 Der Film ist für Benjamin seinerzeit nur ein aktuelles »Übungsinstrument« dieser Entwicklung, an dem die Kunst erprobt, wie sie die Massen in der Zerstreuung mobilisieren kann. Anders als kategoriale Unterscheidungen von »Gemeinschaft« und »Gesellschaft« in frühen, systematisch orientierten Soziologien wie der von Ferdinand Tönnies31 stellt Benjamin aber ganz auf die Gemeinschaftsrhythmik der sozialen Durchdringsprozesse ab. 32 Er denkt Gemeinschaft als Kollektiv, wie er es in den Straßen Neapels in einem Umfeld von Handwerk und Subsistenz vorfand, das noch nicht vollständig vom industriellen Kapitalismus beherrscht war. Film und neue Medien können die Massen mobilisieren. Kunst hätte die Möglichkeit, zu Gemeinschaft beizutragen. Benjamin stellt diesen Gedanken als Hoffnung ins Nachwort des Kunstwerk-Aufsatzes, das vor dem Faschismus warnt: »So steht es um die Ästhetisierung der Politik, welche der Faschismus betreibt. Der Kommunismus antwortet ihm mit der Politisierung der Kunst.«33 Er prangert die Gefahr ihres politischen und wirtschaftlichen Missbrauchs an. Die faschistischen Regime in Italien und Deutschland mobilisieren die Massen, und manipulieren sie so, dass die proletarisierten Massen sich nicht auf die Veränderung der Besitzverhältnisse im Kapitalismus richten, sondern auf den Krieg. »Der Krieg, und nur der Krieg, macht es möglich, Massenbewegungen größten Maßstabs unter Wahrung der überkommenen Eigentumsverhältnisse ein Ziel zu geben. So formuliert sich der Tatbestand von der Politik her.«34 Benjamin schrieb dies 1939. Es folgten der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, die Besetzung Frankreichs, die Verfolgung, Plünderung, Deportation und Auslöschung von Millionen Juden und sein eigener Tod auf der Flucht im September 1940. Parallel trieb der Faschismus die Ästhetisierung der Politik auf entsetzliche Höhen. Umso drängender stellt sich die Frage, wie nach der Befreiung die Antwort auf diese Ästhetisierung erfolgte. Im vorliegenden Fall des Palais de Tokyo umso mehr, als das MNAM bis in die 1960er Jahre vom antifaschistischen Widerstandskämpfer Jean Cassou geleitet und geprägt wurde. Zudem kannten sich Walter Benjamin und Jean Cassou. Von ihrem Briefwechsel sind leider nur sechs kurze Briefe Cassous und einer der Redaktion von Europe an Benjamin überliefert, jene Benjamins scheinen verloren. 35 Benjamin
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berichtet von der Bekanntschaft auch in seinen Lebensläufen, wo Cassou neben Louis Aragon, Jean-Richard Bloch, Célestin Bouglé, André Gide, Louis Guilloux, Lucien LévyBruhl, Henry Lichtenberger, Adrienne Monnier, Jean Paulhaun, Jules Romains und Paul Valéry als Unterstützer seines Einbürgerungsgesuchs im Pariser Exil 1938 erscheint und neben André Gide, Romains, Julien Green, Aragon, Marcel Jouhandeau und weiteren als einer der Schriftsteller, mit denen Benjamin während seiner ersten Paris-Aufenthalte in den Jahren 1927 bis 1933 in Beziehung trat. 36 In einem Brief an Horkheimer vom 18. April 1939 berichtet er, dass Cassou versuchte, seinem Naturalisationsgesuch bei den überlaufenen Behörden Vorrang zu verschaffen. 37 Cassou hatte nicht nur Benjamins Besprechung Peintures chinoise à la Bibliothèque Nationale 1938 in Europe publiziert, sondern wollte dort 1939 auch die französische Fassung von Benjamins Erzähler, Le Narrateur. Réflexions à propos de l’œuvre de Nicolas Lesskov publizieren, in der Benjamin wiederum Cassou zitiert. 38 Aufgrund der Einstellung der Zeitschrift kam es nicht mehr dazu, wie Adrienne Monnier berichtete. 39 In Benjamins Verzeichnis der gelesenen Schriften erscheinen von Cassou Les inconnus dans la cave (1933), Les massacres de Paris (1936), Légion (1939) und Quarantehuit (1939).40 Zahlreiche Zitate in den Konvoluten der Aufzeichnungen und Materialien zum Passagen-Projekt zitieren Cassous Quarante-Huit aus der Reihe »Anatomie des Révolutions« 41, dazu zwei Zitate eines Artikels Cassous von 1936 42 und ein Fremdzitat seiner Reflexion des Symbolismus in der Einleitung zu Édouard Dujardins Mallarmé par un des siens (1936).43 Es ist kaum festzustellen, ob Cassou Benjamins KunstwerkAufsatz kannte, der 1936 französisch erschien. Eine Vermittlerrolle bei Cassous späterer Reflexion des modernen Kunstmuseums in der Gesellschaft dürfte André Malraux’ 1947 erschienenes Musée imaginaire gespielt haben, das die Auswirkung der modernen Reproduktion auf das Museum reflektiert und sich auf Benjamins Gedanken im Kunstwerk-Aufsatz stützt. Bei der Frage nach Übernahmen von Benjamin bei Malraux wird oft übersehen, dass dieser ein Widmungsexemplar des Aufsatzes besaß, worauf zurückzukommen sein wird. Einem Fanal gleich finden sich 1946 und 1947 Antworten auf den Faschismus im Palais de Tokyo. Mit dem Medium der Ausstellung wird ein Zeichen gegen Nationalsozialismus und die Besatzer gesetzt, das den Ausstellungsraum zur politischen Agora macht. An der Ausstellung Art et Résistance 1946 nehmen hunderte Künstler teil, zu diesem Anlass publizieren Picasso, Marquet, Matisse und Bonnard ein Manifest über den Akt des Malens als politische Anteilnahme. Bei der Eröffnung des MNAM 1947 wiederum fällt ganz am Ende des Ausstellungsparcours ein kleiner Raum aus der chronologischen und thematischen Ordnung der ständigen Sammlung heraus. Er trägt den Titel Guerre – Résistance. Gezeigt werden hier Kunstwerke von deportierten Künstlern, die in Konzentrationslagern interniert waren und während und nach ihrer Gefangenschaft mit den Mitteln der Kunst von den Gräuel und Verbrechen gegen die Menschlichkeit Zeugnis ablegten.
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In diesen Jahren nach der Befreiung reflektiert Jean Cassou das Verhältnis des Kunstmuseums zum sozialen Leben in einem 1949 in der UNESCO-Zeitschrift Museum publizierten Aufsatz. Seine Überlegungen kommen fast eindeutig jenen Benjamins im Kunstwerk-Aufsatz nahe, in dem dieser die Verdrängung des Kultwertes des Kunstwerks durch den Ausstellungswert theoretisierte und diesen zentralen Punkt im politischen Nachwort noch einmal aufgriff, wo er den Missbrauch der Medien durch den Faschismus als »Vergewaltigung einer Apparatur, die er der Herstellung von Kultwerten dienstbar macht« offenbarte.44 Für Cassou wiederum stellt die Zugänglichmachung von Kunstwerken aus ihrem ursprünglichen politischen und religiösen Kontext in Museen einen Demokratisierungsprozess dar, der zumeist und besonders in Frankreich auf Revolutionen zurückgehe. Im Museum könnten Werke endlich ihre eigentliche Funktion wieder übernehmen, eine ästhetische Empfindung auszulösen, »to arouse aesthetic emotion«: »The emancipation of art as an independent, specialized activity – the development of ›pure art‹ – has thus gone hand in hand with the democratizing of works of art in regard both to their ownership and to their nature as objects providing occasion for enjoyment, contemplation and spiritual benefit. For that reason, museums, which preserve the existence of art as works of art, have always been the product of revolutions. In France, museums owe their existence to the French Revolution and their most recent re-organisation to the Revolution of 1848. It is social progress that has established the specialized nature of works of art and made them, as such, accessible to the mass of people. [...] Works of art divest themselves of their social purpose and claim consideration, purely and simply as works of art. But by that very fact their social value is enhanced; from being individual, they become collective. They leave churches and princely abodes and enter museums, which set the seal on their essentially aesthetic nature, but are themselves public buildings. Thus the emphasis on the essentially aesthetic nature of works of art becomes a social one, a social factor.« 45 Cassou führt den Gewinn des sozialen Wertes des Kunstwerks darauf zurück, dass es kollektiv wird. Die Museen betonten zwar den ästhetischen Wert, aber seien öffentliche Gebäude. Die ästhetische Natur des Kunstwerks werde so ein sozialer Faktor. Dies ist Benjamins Reflexion der Architektur sehr nahe. Zwar unterscheidet Benjamin die kollektive Rezeption der Architektur von jener des »vor dem Kunstwerk sich sammelnden«.46 Aber da Cassou von einer aufmerksamen Rezeption des Kunstwerks ausgeht, entspricht seine Auffassung des aus der öffentlichen Architektur hervorgehenden Kollektivcharakters des Kunstwerks dem exemplarischen Wert der Kollektivrezeption, die Benjamin der Architektur zuschreibt. Für Cassou zieht die soziale Funktion des Museums den Kollektivcharakter des Werks und wiederum dessen soziale Funktion nach sich. In der Sicht auf Architektur als Medium, das einen sozialen Durchdringungsprozess leistet und zu Gemeinschaft beitragen kann, stimmt er mit Benjamin überein.
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Cassou geht aber auch von einem festen Werkbegriff aus, der sich aus der Einheit von Kunstwerk und einer tiefen »pensée créatrice« des Künstlers ergibt. Da er auf die künstlerische Eingebung und den objekthaften Wert des Werkes abstellt, kann er daher auch in nationalen Kategorien denken, was in manchen Fällen die Fortschrittlichkeit seiner Reflexionen verdeckt. Auch Entwicklungen der Präsentation des MNAM in den Nachkriegsjahrzehnten, von »period rooms« und didaktischer Auf bereitung mit Texten und Dokumentenvitrinen zu einer weißen, klaren Gestaltung der Räume betonen den Ausstellungswert. Freilich setzt dies Vorbildung voraus und bleibt bestimmten sozialen Kreisen vorbehalten, was ab den 1960er Jahren Debatten bestimmen wird. Die Entwicklung des Museums und Cassous eigene Reflexionen zeigen, dass er sich den sich wandelnden Anforderungen an ein Kunstmuseum durchaus bewusst ist; sie gipfeln im Vorprogramm, das für André Malraux’ Vorschlag zu einem neuen Museum des 20. Jahrhunderts ausgearbeitet werden wird. In seiner Rede als ICOM-Präsident am 19. Oktober 1964 betont Cassou, es sei die fundamentale Aufgabe des Museums moderner Kunst, den Menschen zukunftsgerichtet ihre Gemeinschaftsexistenz in der Gesellschaft deutlich zu machen: »La fonction des musées d’art moderne est de nous faire prendre conscience de notre existence [...] Cette existence commune, orientée vers l’avenir, c’est cela dont doivent témoigner les musées d’art moderne.« 47 Das entspricht Walter Benjamins Verständnis der Architektur als Beispiel von Kunst, die man als Teil eines größeren sozialen Kollektivs wahrnimmt. Beide teilen das Ideal der sozialen Durchdringung des Kunstmuseums – als Architektur, durchdrungen von Strömen des Gemeinschaftslebens. Aber Cassou hat einen festen Werkbegriff, und er und Bernard Dorival konzentrieren sich auf die Kunst der Moderne, besonders die École de Paris. Die Kuratoren verstehen sich als Hüter einer Kunst, deren Ausstellung im Moment der Befreiuung von der Besatzung durch Deutschland Zeichen einer Wiederaneignung der Moderne ist. Der Durchdringungsprozess ist hier somit einseitig konzipiert und kann das Museum nur in seinen ersten Jahren als gesellschaftliches Forum, als Agora der Polis erscheinen lassen. So schreibt Bernard Dorival über die Eröffnung des Museums 1947, die Kuratoren seien »durchdrungen« davon, »pénétrés de cette vérité«, dass ein Museum moderner Kunst sich stets wandeln müsse.48 Wie noch eingehender zu sehen sein wird, wird damit nicht zur ästhetischen Emanzipation der Arbeiterklasse beigetragen, sondern ein Kanon in Werturteilen vorgegeben, der auf nationale Einheit und Patriotismus zielt. Das ist keine echte Durchdringung, ist kein echter Durchdringungsprozess des Inneren der Institution und des Äußeren der gesellschaftlichen Veränderung in den Jahren des französischen Wirtschaftswunders. Zwangsläufig musste dies institutionelle Kritik nach sich ziehen, die sich ab Anfang der 1960er Jahre Bahn bricht. Dazu trugen neue, durchlässige Ausstellungsformate wie die Biennale von Paris, das Centre National d’Art Contemporain (CNAC) und besonders der experimentelle Ausstellungsraum ARC Animation Recherche Confrontation im
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gegenüberliegenen Ostflügel des Palais de Tokyo bei. So erklärt sich, dass ein eigentlich im MNAM geteiltes Ziel der Durchdringung von Kunst und Leben wiederum zur Idee einer neuen Kunstinstitution führt, mit der die Defizite des MNAM überwunden werden sollen. Pontus Hultén, der Gründungsdirektor des MNAM im Centre Pompidou, formuliert 1975, die Gesellschaft müsse mit neuen Museen auf die demografische Explosion antworten. Wiederum Benjamin nahe, spricht er von der Zukunftsvision der »Integration der Kunst in das Leben« und »Durchdringung der Totalität der Gesellschaft durch die Kunst«, mit denen die Krise der Kunst zu überwinden sei: »Nous allons probablement vers une société où l’art jouera un très grand rôle. En attendant que l’art soit intégré à la vie et pénètre la société dans sa totalité, c’est dans des ›musées‹ d’une conception nouvelle que ces échanges peuvent se faire [...] On parle souvent d’une crise des musées ou d’une crise de l’art. Ces crises ne sont pas la preuve d’une désaffection du public ni la marque de son éloignement mais plutôt l’expression de son insatisfaction.« 49 Hultén gab sich deshalb alle Mühe, die angestrebte Verbindung von Institution und Alltag auf die Memorialfunktion des Museums auszudehnen: »S’il est vrai que toute histoire est l’interprétation actuelle du passé, la conscience de l’art d’aujourd’hui est à la base de toute l’histoire de l’art.«50 Eine qualitative Verschiebung von Benjamin zu Hultén deutet hier schon auf das spätere Dilemna des Centre Pompidou und der gesellschaftlichen Vision, für die es steht, voraus. Hultén hat vielleicht nicht die Massen von Touristen vor Augen, die das Centre heute bevölkern und schon damit eine Integration von alltäglichem Leben und Kunst unmöglich machen. Aber er hat Mitte der 1970er Jahre mit einer NachkriegsMittelschicht zu tun, die das Produkt einer Wirtschaftspolitik ist, die auf die Herstellung sozialen Friedens durch allgemeinen Wohlstand zielt. Anders als Benjamin, der die emanzipatorische Wirkung der Kunst und das Proletariat in der Veränderung der Besitzverhältnisse vor Augen hatte, ist Hultén mit der Befriedigung einer Masse von Konsumenten konfrontiert, die sowohl das Produkt, als auch die Zielgruppe einer neuen Kulturindustrie ist, die im Centre Pompidou ein neues Monument findet.
NACHMODERNE MONUMENTALITÄT: REAURATISIERUNG UND SCHEINTRANSPARENZ Cassous Reflexionen in den 1960er Jahren und das Vorprogramm zu einem Musée du XXème siècle, Ministerial-Berichte zur Reform des MNAM und die Gründung des CNAC 1967 hybridisieren die Idee des Museums. Erst nach 1968 folgt darauf im Vor-
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feld der Konzeption des Centre Pompidou auch eine Hybridisierung des Verhältnisses der Politik zur zeitgenössischen Kunst durch eine Diversifizierung der Förderungen und Formate. Das Palais de Tokyo wird in der Kunstpolitik in den 1960er Jahren als ein »Monument« gesehen und bezeichnet. Es ist damit ein Monument dessen, was Benjamin einen sozialen Durchdringungsprozess nennt, denn was ein Kunstmuseum in der sozialen Gemeinschaft sein könnte, wird von Kuratoren und Berichten des Kulturministeriums bei den Vorprojekten zum Centre Pompidou am Palais de Tokyo entwickelt und wörtlich am Kriterium der »Monument-Funktion« erläutert. Erste konkrete Schritte zum Bau eines neuen Kulturzentrums sind Programmplanungen ab Ende 1969 und die Auslobung eines internationalen Architekturwettbewerbs 1970. Centre Pompidou und Kulturökonomie wurden seither Gegenstand vieler soziologischer, kunsttheoretischer und öffentlicher Debatten. Kaum beachtet wurde die große Rolle des Palais de Tokyo bei seiner Konzeption und Schaffung. Das neue Centre Culturel auf dem Plateau Beaubourg sollte neben einer großen öffentlichen Bibliothek vor allem ein neues Zentrum für die zeitgenössische Kunst beherbergen und das Palais de Tokyo als Sitz des MNAM ablösen. Die Ausstellungssituation und die gesellschaftliche Einbindung der Institution im Palais de Tokyo waren zuvor sowohl in der Öffentlichkeit als auch in André Malraux’ Kulturministerium stark kritisiert worden. Erstaunlicherweise zeigen sich überraschende Übereinstimmungen zwischen Kritikern wie Pierre Restany, der schon 1964 die Sammlungs- und Ausstellungspolitik des MNAM moniert und 1968 dessen Besetzung fordert, und internen, freilich seinerzeit nicht publiken, Analysen des Handlungsbedarfs im Palais de Tokyo, wie jenen im Projekt eines neuen »Musée du XXème siècle«, die in weiteren Studien des Kulturministeriums vertieft werden. Schon dieser Programmentwurf problematisierte das formale Kriterium des »Monuments« und forderte »l’abandon radical de la conception monumentaliste du Musée comme ›Palais des Arts‹«. Ähnliche Gedanken bestimmen in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre Überlegungen zur Modernisierung des MNAM. Es wird ausführlich zu sehen sein, dass das Centre Beaubourg wenn nicht seine gesamte Existenz, so zumindest große Teile seiner programmatischen Ausrichtung der Unzufriedenheit mit der Situation im Palais de Tokyo verdankt. Das Palais de Tokyo ist architektonisches Monument, aber auch zum Monument einer Ausstellungspolitik geworden. Beide sollen nunmehr überwunden werden. Schon das neue Palais de Tokyo war 1937 im Katalog der Weltausstellung als »Monument« beschrieben worden. Dreiundreißig Jahre später, 1970, ist das Monument Palais de Tokyo wiederum präsent in den Artikulationen der Kunstpolitik über die gewünschte Richtung der sozialen Ausstrahlung eines Ausstellungsortes zeitgenössischer Kunst. Nun dient es als Abgrenzungsfolie für Beaubourg. Aus dem negativen Monumentcharakter des Palais de Tokyo soll der positive Charakter einer neuen dynamischen Kunstinstitution herausgelöst werden, aber man will zugleich auch ein neues architektonisches Monument.
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Die architektonische Gestaltung des neuen Centre Beaubourg wird im ersten konkreten Programmentwurf, einer Vorstudie des Chargé de Mission Sébastien Loste an den Präsidenten der Republik Georges Pompidou im Januar 1970, als Möglichkeit eines neuen »Monuments« in Paris beschrieben – ganz im Sinne des Präsidenten, der ein »ensemble monumental« wünschte. Der Monumentcharakter wird hier funktional problematisiert in Hinblick auf ein Musée rétrospectif und ein zeitgenössisches Zentrum. Besonders deutlich sind diese Gedanken in einer »Réflexion générale sur le projet d’ensemble monumental«, die in der Schlussfassung des Berichts an den Präsidenten sprachlich abgemildert wurde. Dort entfällt diese deutliche Reflexion des Palais de Tokyo: »L’idée de faire à la fois un monument et un musée (ou un centre de création contemporaine) a suscité quelques inquiétudes. Non qu’il n’y ait pas lieu de se réjouir d’avoir, enfin, en France un bâtiment d’une très belle architecture. Toutefois, de très intéressants et de très beaux morceaux d’architecture font [parfois] des musées impraticables [...] Aussi appréhende-t-on un monument par trop ›monumental‹.«51 Das Palais de Tokyo ist nunmehr Monument seiner Defizite: »Paris manque d’un véritable Musée d’Art Moderne. Les collections du Jeu de Paume sont trop à l’étroit. Quant au Musée d’Art Moderne de l’Avenue du Président Kennedy [sic], on peut se demander comment un architecte a pu commettre tant d’erreur, réalisant, à peu de choses près, l’archétype de ce qu’il ne faut pas faire [...] De là l’idée, à première vue, enthousiasmante, de faire d’une pierre deux coups, et, à la faveur de la construction de cet ensemble architectural, de présenter d’une façon digne toutes les collections d’art moderne que possède Paris, et, d’autre part, de relancer Paris dans la vie artistique internationale.«52 Als wesentlicher Bezugspunkt der Neuausrichtung erweist sich von Anfang an das Palais de Tokyo. Freilich dienen auch internationale Museen, wie seinerzeit bei dessen Bau, als Beispiele. Der Vorbericht für Pompidou gewichtet unter der Überschrift »Esprit dans lequel cet ensemble devrait être conçu« in ästhetischer Hinsicht den Monumentcharakter von Häusern wie der Neuen Nationalgalerie in Berlin oder des alten Whitney in New York: »Toutefois, il est évidemment indispensable que le futur monument soit équilibré, c’est-à-dire qu’il ait autant de qualités pratiques que de valeur esthétique. On peut penser que cela va sans dire. Mais voici des exemples qui doivent nous inciter à la prudence: – Berlin (Mies van der Rohe). Très beau, peu agréable et peu commode. – NewYork – Whitney Museum (Breuer). Casemate très commode intérieurement, mais
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bien peu attirante. – Guggenheim (Frank Lloyd Wright). Tenu généralement pour très incommode. – Tokyo (Le Corbusier). Très beau et même trop beau: on regarde plus le bâtiment que le contenu! Assez peu commode.«53 Demnach soll das Palais de Tokyo auch ästhetisch und damit in doppelter Hinsicht durch ein »futur monument équilibré« abgelöst werden. Das »Monument« bildet das zentrale formale Kriterium einer kulturpolitischen Neubestimmung des Standortes der zeitgenössischen Kunst in der Gesellschaft, wenn nicht das wichtigste, da es zuallererst ein Monument der Politik ist. Wie erklärt sich, dass man einerseits im Programmentwurf zu einem neuen Museum des 20. Jahrhunderts, der im Palais de Tokyo selbst ausgearbeitet wurde, die »monumentalistische Konzeption« des Museums »radikal« fallen lassen möchte, andererseits aber bei den Planungen zu Beaubourg »zugleich ein Monument und ein Museum« schaffen? 1943 nimmt eine Debatte um eine »neue Monumentalität« ihren Ausgang. In der Kontinuität dieser Überlegungen, die sich in den 1940er Jahren außerhalb der Kriegswirren in Europa entwickelt hat, könnte man die die Forderung nach dem Centre Pompidou als neuem Monument betrachten. Damals trafen sich Sigfried Giedion, Fernand Léger und Josep Lluís Sert, um Ideen für Artikel abzustimmen, die von den American Abstract Artists veröffentlicht werden sollten. Sie formulierten in Nine Points on Monumentaliy ein neues Ideal des monumentalen Gebäudes, das nicht nur funktionale Architektur, sondern Ausdruck des sozialen Lebens und der Gemeinschaft sein sollte. Das Monument als Zusammenführung ihrer Arbeit verlange die enge Zusammenarbeit von Planern, Künstlern, Architekten und Landschaftsgestaltern. 54 Giedion sprach das Bedürfnis der Menschen nach Monumentalität an als das Verlangen nach Symbolen, die im zivilen Zentrum Ausdruck ihrer Innenleben und sozialen Konzeption sind, das Monument solle im Sinne der Agora, des Forums oder des Platzes Gemeinschaftszentrum sein. 55 1948 publizierte die Londoner Architectural Review einen Artikel über die neue Monumentalität. Penelope Curtis hat herausgearbeitet, dass alle sieben Beiträge reinen Funktionalismus als unzureichend ablehnten und Einigkeit darüber bestand, dass authentische Monumentalität in ihrer Zeit unbewusst sei, weshalb auch industrielle Infrastruktur ein Mittel des monumentalen Ausdrucks sein könne, vor allem aber repräsentative Architektur wieder nachgefragt werden würde. Das neue Ideal ist ein Monumentalismus, der Ausdruck eines nicht rein funktionalen Gebäudes ist, eine Geste, die auf Bedürfnisse der Gemeinschaft antwortet. 56 Das kommt Walter Benjamins Auffassung der Architektur als sozialem Medium der Durchdringung sehr nahe. Giedion möchte ein Monument als Agora, Forum, Platz – in Benjamins Anschauung ist Architektur immer auch Versammlungsraum: »Balkon, Vorplatz, Fenster, Torweg, Treppe, Dach sind Schauplatz und Loge zugleich.«57 Er fand sein Konzept der porösen Transparenz von Innen und Außen auch bei Giedions Reflexion der modernen Architektur wieder. »Elektrisiert« las er Giedions Bauen in Frankreich, Bauen
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in Eisen, Bauen in Eisenbeton (1928). 58 Giedion identifiziert »Durchdringung« als Kennzeichen der luftdurchlässigen – lies: porösen – Häuser Le Corbusiers. Damit findet Benjamin ein Verständnis der Durchdringung in der modernen Architektur wieder, das er an der alten in Neapel beobachtete: »Luft wird konstituierender Faktor! Es gibt dafür weder Raum noch Plastik, nur Beziehung und D urchdringung!«59 Der neue Monumentalismus kann damit als eine Erweiterung der funktionalen Architektur der Moderne verstanden werden. Ergänzt um einen Ausdruck der Gemeinschaft verweist er auf einen Durchdringungsprozess, der monumentale Architektur in einen sozialen Kontext stellt. In der Linie dieses neuen Monumentalismus wird der Wunsch, ein neues Centre Pompidou als Monument auszugestalten, verständlich und auch, worin das Ensemble, das zugleich Monument und Museum sein soll, von einer modernen Konzeption wie jener Giedions abweicht. Zunächst scheint es alle Merkmale der neuen Monumentalität nach Giedion zu tragen. Es soll einen ästhetischen Wert als Symbol haben und zugleich funktionales Museums sein. Der Entwurf von Renzo Piano, Richard Rogers und Gianfranco Franchini wollte ein Forum sei. Der Vorplatz des Centre Pompidou wurde als »Piazza« geplant und trägt diese Bezeichnung bis heute. Und die architektonische Geste zitiert eine industrielle Sprache, die seinerzeit als geeignetes »Vehikel« der New Monumentality angenommen wurde. Ikonisch ist das funktionale Innere nach außen gekehrt, die Transparenz der Fassaden scheint die angestrebte Demokatrisierung der Kultur als Durchlässigkeit in Architektur zu übersetzen. Damit scheint das Centre Pompidou auch vordergründig eine Neupositionierung des Kunstwerks in der Gesellschaft vornehmen zu wollen. Man ist leicht versucht, mit neuen Ausstellungsstrategien auch eine Reauratisierung der Kunst zu vermuten, die in Benjamins Sinne auf den vorangegangenen Verlust des sozialen Kultwertes reagierte. Allerdings vollzieht sich diese institutionelle Entwicklung parallel zur Auflösung des traditionellen Kunstmuseums in der Ära des imaginären Museums und des Aufkommens neuer Werkformen. In der Phase des Übergangs des MNAM vom Palais de Tokyo ins Centre Pompidou kristallisieren sich die Dynamik des Ausstellungsortes und ein enges Verhältnis der Institution zu den international führenden Künstlern als weitere zentrale Kriterien der Neuausrichtung heraus. Vielfach wird das Bild einer »Freundschaft« zwischen dem Museum, seinen Mitarbeitern und den Künstlern bemüht – um die Künstler muss die Institution in einer gewandelten Welt, in der sie neue Öffentlichkeiten und Ausstellungsmöglichkeiten erschlossen haben, nunmehr werben. Das Bild von der Dynamik des Ausstellungszentrums ist ebenso vielschichtig. Wesentliche Aspekte sind seine gesellschaftliche Bedeutung, Bedürfnisse einer gewachsenen Mittelschicht und die Arbeit mit den Künstlern selbst. Man müsse, heißt es, ein Zentrum zeitgenössischer Kunst schaffen, das das Museum an das Leben anbindet. Bei diesem »rattachement à la vie« sei auch das Risiko politischer Unliebsamkeit in Kauf zu nehmen, etwa wie im New Yorker MoMA, wo seinerzeit an Sonntagen gerade Plakate gegen den Vietnamkrieg verkauft wurden.60 In der Planung neuer technischer Voraus-
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setzungen spiegelt sich auch die Kunstgeschichte der 1960er Jahre. Die Auflösung von Werkbegriff und Figuration, interdisziplinäre und multimediale Arbeiten und neue Materialien müssen einbezogen werden. Denn um Dynamik und Nähe zu Künstlern einzulösen, müssen diese im neuen Zentrum arbeiten können.61 Man meint die zugehörigen Werke zu dieser Reflexion vor Augen sehen zu können, wenn »Earth-sculpture«, »sculpture animée« und »matériaux périssable« als neue, Rahmen sprengende Arbeiten genannt werden – Ikonen der Land Art wie Robert Smithsons Spiral Jetty (1970), Jean Tinguelys bewegte Skulpturen oder die Arbeiten mit verderblichen Materialen von Dieter Roth und Joseph Beuys kommen einem in den Sinn. Ein neues Zentrum zeitgenössischer Kunst muss auch Happenings und partizipative Kunst umfassen: »Le spectateur enfin peut être invité à participer à la création contemporaine (recherches artistiques sur l’environnement, happenings, etc...).« 62 Handelt es sich beim Centre Pompidou aber tatsächlich um ein Monument im Sinne Sigfried Giedions, das einen sozialen Durchdringungsprozess einlöst, wie ihn Benjamin in der Vorkriegsmoderne formulierte? Den Ausdruck einer Gemeinschaft in einem architektonischen, institutionellen und sozialen Durchdringungsprozess von Innen und Außen, als Antwort auf die notwendige Reform des Kunstmuseums im Palais de Tokyo und auf die Forderungen nach sozialen Reformen in den Bewegungen 1968? Ähnlich wie Benjamin in Neapel, bediente sich Pierre Gaudibert, der Gründer des ARC, im November 1971 in der Planungsphase des Centre Pompidou im Vorwort zu seinem Buch über die aktuellen Kulturmaßnahmen des Staates des Bildes der porösen Gesellschaft. Eine Erosion des Systems vollziehe sich nicht nur in den Institutionen, sondern auch durch alle »Poren« des alltäglichen Lebens. Die entscheidende Frage aber sei: Ist es zum Besseren, nach 1968 den ideologischen Kampf gegen den Kapitalismus zu überwinden, oder riskiere die »kulturelle Revolution« gerade damit, das Feld gänzlich einem der neuen Wirtschaft entspringenden, versagenden Bürgertum zu überlassen? »Mais à l’heure actuelle, il semble aussi que le processus d’érosion du système, sa crise, passe, hors des institutions, à travers tous les pores de la vie quotidienne, là où s’effacent les frontières traditionnelles entre politique, culture et vie privée. Des pratiques confuses à la fois de sape et de vie ›autre‹, qui se cherchent sous le nom prestigieux et équivoque de ›Révolution culturelle‹, signifient-elles alors le dépassement d’une stratégie marxiste de la lutte idéologique dans les pays capitalistes avancés, ou risquent-elles de provoquer une désertion impuissante qui laisse intact le pouvoir de la bourgeoisie?« 63 Ebendiese Frage hat Jean Baudrillard 1977, worauf zurückzukommen sein wird, im Essay L’Effet Beaubourg entschieden bejaht. Er sieht das Centre Pompidou als Symptom der Konsumkultur. Seine Hellsichtigkeit muss aus heutiger Sicht im Zeitalter von Social
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Media, die Information, Konsum und Kontrolle in ungeahntem Maße ermöglichen, erstaunen: »Bien au-delà des institutions traditionnelles du capital, l’hypermarché, ou Beaubourg ›hypermarché de la culture‹ est déjà le modèle de toute forme future de socialisation contrôlée: retotalisation en un espace-temps homogène de toutes les fonctions dispersées du corps et de la vie sociale (travail, loisirs, media, culture), retranscription de tous les flux contradictoires en termes de circuits intégrés. Espace-temps de toute une vie opérationnelle de la vie sociale.« 64 Die soziale globale Zirkulation im kapitalistischen Informationszeitalter ist alles andere als jener »große Durchdringungsprozess«, den Benjamin meinte. Der Monumentalismus von Beaubourg ist kein Ausdruck der sozialen Gemeinschaft. Denn die Anbindung des Zentrums an das Leben ist vor allem wirtschaftlich gedacht. Ihren Strukturen nach ist sie nur eine andere Form der Ästhetisierung der Politik »unter Wahrung der überkommenen Eigentumsverhältnisse«, die Benjamin kritisierte. Im Inneren der Ausstellungsmaschine herrscht letztlich Scheintransparenz. Baudrillard zeigt auf, dass mit den Bezügen auf Gemeinschaft auch die Memorialfunktion des Museums, seine echte Monumentalität, verloren geht: »Déjà commence avec le musée traditionnel cette découpe, ce regroupement, cette interférence de toutes les cultures, cette esthétisation inconditionnelle qui fait l’hyperréalité de la culture, mais le musée est encore une mémoire. Jamais comme ici la culture n’avait perdu sa mémoire au profit du stockage et de la redistribution fonctionnelle [...]. Beaubourg est ainsi pour la première fois à l’échelle de la culture ce qu’est l’hypermarché à l’échelle de la marchandise: l’opérateur circulaire parfait, la démonstration de n’importe quoi (la marchandise, la culture, la foule, l’air comprimé) par sa propre circulation accélérée.« 65
DAS KUNSTMUSEUM ALS RAUM DER GESELLSCHAFTLICHEN SELBSTFINDUNG Die Wiederaneignung des öffentlichen Ausstellungsraumes nach der Befreiung ist eng verknüpft mit der Reflexion von Aufgaben und Ausstellungsmodi der modernen Kunst in der sozialen Gemeinschaft. Ausstellungsprojekte des MNAM mit moderner französischer Kunst in Besatzungszonen Deutschlands knüpfen zwischen nationaler Identität und historischer Vergangenheit an die Frage an, wie sich zum besiegten Nachbarland zu verhalten ist. Besonders Jean Cassou prägt die Suche der Institution nach ihrem Platz in einem politischen Kontext, aus dem später das Projekt der europäischen Einigung erwachsen wird.
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Nach der »richtigen« Eröffnung 1947 festigte sich auch die Stellung des MNAM innerhalb der nationalen Museen und administrative Unsicherheiten wurden beseitigt. Ein Ministerialerlass vom 19. August 1947 regelte nun die Bedingungen der Ausstellung von zeitgenössischen Künstlern im MNAM. Ihm oblag fortan nun die Präsentation von Werken französischer und ausländischer zeitgenössischer Künstler, lebender oder schon verstorbener, bis zu ihrem hundertsten Geburtstag. Danach entschied der Minister auf Empfehlung einer Kommission mit Vertretern der Administration, des MNAM, des Louvre, der Freundeskreise der beiden Häuser, des Musée des Arts Décoratifs und des Musée de Versailles ihre endgültige Zuordnung. Sie kamen dann in den Louvre, oder, wenn diese verweigert wurde, in ein anderes nationales Museum, das Musée des Arts Décoratifs oder Provinzmuseen.66 Jean Cassou betrieb von 1945 bis 1950 auch das Projekt einer Fusion des staatlichen und des städtischen Museums moderner Kunst, um die Ressourcen und die Kräfte im geteilten Palais de Tokyo zu bündeln, aber es wurde nicht umgesetzt.67 In dieser Zeit nach der Befreiung übernahm die zeitgenössische Kunst eine wichtige Funktion bei der Repräsentation einer nationalen Identität nach der Besatzungszeit. Der aus dem Widerstand wieder in seine Funktion berufene Cassou bemühte sich um den Ausbau der Sammlung der modernen Avantgarden und Wechselausstellungen zeitgenössischer Künstler, aber auch Ausstellungen mit politischem Sendungsbewusstsein. Die Tragweite dieser Tätigkeit wird deutlich in der Gegenüberstellung mit Louis Hautecoeurs Tätigkeit als Secrétaire des Beaux-Arts und zwiespältiger Rolle im VichyRegime.68 Besonders aber fallen seine apologetischen Einlassungen nach der Befreiung auf: Hautecoeurs Buch Les Beaux-Arts en France. Passé et Avenir von 1948 wirkt, als wolle er mit einer Verteidigungsschrift seine Verdienste um die bildende Kunst in Frankreich zementieren. Schon im Vorwort möchte er Vorwürfen der Kollaboration vorgreifen. Er habe all sein Arbeitsmaterial bis hin zum letzten Notizzettel am Dienstsitz belassen, wo »einige« das Material durchsucht, aber nichts gefunden hätten, das man ihm vorwerfen könne.69 Zum Dienst unter Vichy argumentiert er, die Deutschen hätten bei freier Bahn noch rigoroser plündern und deportieren können. Perfide wirkt das Argument, kein Werk aus einer Sammlung des französischen Staates habe die Grenze überschritten, denn es lässt die Plünderung und Deportation der Juden außer Acht. »A ceux qui dirigèrent des services après 1940 on reprocha d’avoir assumé cette responsabilité et de n’avoir pas donné leur démission. Nous connaissons ces critiques, les ultras de 1815 les avaient adressées aux fonctionnaires demeurés en place sous l’Empire [...]. Si tous les administrateurs avaient abandonné leur poste, les Allemands auraient trouvé le champ libre et auraient plus facilement encore pillé et déporté. Or pas un seul fonctionnaire des Beaux-Arts, pas un seul élève des écoles ou conservatoires relevant de cette administration, pas une seule œuvre appartenant à l’Etat ne passa la frontière.«70
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Fast zynisch wirkt es, wenn er ausführt, die Befreiung Frankreichs bedurfte auch Personen zur Verteidigung von Mensch und Gut im Inneren und fragt, ob nicht Leiter von Dienststellen – wie er selbst – durch den erzwungenen Kontakt mit den Deutschen am meisten unter den »moralischen Leiden« der Besatzungszeit litten. 71 Er rekapituliert die Entstehung des MNAM und des Palais de Tokyo sowie Werke, die er mit Ladoué, dann Cassou, habe anschaffen können.72 Er schließt mit dem Hinweis, er selbst habe die Eröffnung des MNAM 1942 veranlasst, als er von den Plänen zu dessen Beschlagnahmung für einen Fernsehdienst der Deutschen gehört habe, und geht dann über zu einer langen Ausführung über seine Bemühungen um Skizzenbücher Édouard Vuillards. 73 Das Verhältnis zu den deutschen Besatzern schildert Hautecoeurs Buch in einem gesonderten Kapitel, zu dessen Beginn er auf seine Kenntnisnahme der Inventarisierung »israelitischer« Sammlungen und Galerien im August 1940 hinweist, dies aber nicht weiter kommentiert. Hinsichtlich der Lagerung geraubter Kunstwerke im Jeu de Paume habe er dem Directeur des musées nationaux die Anweisung gegeben, ein Inventar zu erstellen, was die Deutschen ablehnten – er sei aber sicher, auch wenn er manches, wie die Besuche des Reichsmarschall Göring, erst nach der Befreiung aus Zeitungen erfahren habe, dass seine »Anweisungen« im Rahmen des Möglichen befolgt worden seien. 74 Die bewusst undeutliche Schilderung scheint eine persönliche Verbindung zu den Verdiensten Rose Vallands und Jacques Jaujards herstellen zu wollen. Das MNAM hätten die deutschen mit den Möbeln »qu’ils enlevaient« und zeitweise 3000 Klavieren blockiert. Zu den im Palais de Tokyo gelagerten Klavieren und Schreibtischen seien auf seine Anweisung Fotografien und Notizen angefertigt worden. 75 Solche Fotografien scheinen heute aber nicht bekannt zu sein. 76 Auch bei Hautecoeur fehlt jeglicher Hinweis auf die Herkunft der Klaviere aus jüdischem Besitz oder eine Reflexion des Schicksals der deportierten und verfolgten Eigentümer. Ebenso zurückhaltend äußert sich auch Pierre Ladoué nach dem Krieg bei einer Erwähnung der Klaviere im Keller des seinerzeit von ihm geleiteten Museums. In einem Aufsatz über die Museen moderner Kunst in Paris reklamiert 1948 auch er die Eröffnung von 1942 für sich: Er habe sie veranlasst um die vollständige Besetzung durch die Deutschen zu verhindern, die schon den Keller in ein Möbellager für Klaviere verwandelt hatten, die »wie sie [die Deutschen] sagten«, von Israeliten beschlagnahmt wurden. 77 Freilich hatte das Museumspersonal sehr gute Kenntnis vom Ursprung der Klaviere. Louis Hautecoeur scheint implizit an einer Stelle die Plünderung der vom französischen Staat mit den Deutschen geteilten jüdischen Sammlung Schloss78 als »spoliation« zu verurteilen, was gleichwohl wenig ist. 79 Ausgehend von Cassous telegrafischer Bitte, für seinen Patriotismus vor dem Kriegsrat zu bürgen, thematisiert er auf einer halben Seite auch dessen Absetzung. Nach dieser sei er selbst von Entlassung bedroht gewesen, aber man habe ihm letztlich nicht angelastet, Cassou als einzigen berechtigten Kandidaten nominiert zu haben. Die Presse aber habe drei Jahre nicht aufgehört, ihn deswegen zu attackieren. 80
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Objektiv war Hautecoeur jedoch ein engagierter Kulturpolitiker unter Vichy, der eine Stärkung französischer Ideale mit einem klassizistischen Kunstgeschmack verfolgte und wichtige Kulturreformen vorantrieb. 81 Es erscheint daher nur konsequent, wenn seine defensive Selbstdarstellung im Jahr 1948 eine dritte Option zwischen Ausreise und fortgesetztem Staatsdienst unerwähnt lässt, den aktiven Widerstand, wie ihn Cassou wählte. Sein Buch lässt die Situation der Juden nahezu vollständig aus. Dabei war er selbst, wie sich schon gezeigt hat, für die Umsetzung von Gesetzen gegen jüdische Künstler zuständig. Elizabeth Karlsgodt erklärt einen fehlenden Widerstand gegen diese mit einem in seinen Schriften feststellbaren latenten Antisemitismus. 82 Jean Cassous Arbeit als Direktor des MNAM nach dem Krieg hingegen zeigt den Versuch, einen offenen, konfrontativen und kritischen Blick auf die unmittelbare Vergangenheit und die Verbrechen der Nationalsozialisten sowie eine politische Positionierung Frankreichs auf der Nachkriegslandkarte zu entwickeln. Aufgrund der Plünderung, Zerstörung und propagandistischen Diffamierung von Kunst durch die Nazis erlangt nun die Ausstellung moderner Kunst durch die befreite zentrale nationale Kunstinstitution einen besonderen Stellenwert. Im Palais de Tokyo setzt nach der Befreiung ein Prozess der ästhetischen Selbstfindung mit Sendungsbewusstsein nach außen ein. Der französischen modernen Kunst kommt nach den Besatzungsjahren eine identitätsstiftende Funktion zu. Dass es im Kern eine politische Selbstfindung ist, werden die allerersten Ausstellungen im Palais de Tokyo zeigen. Cassou organisierte 1946 Art et Résistance mit, eine Benefiz-Ausstellung mit hunderten Beteiligten, die den bewaffneten Widerstandskämpfern gewidmet war. Das MNAM war auch in die Konzeption von Ausstellungen moderner französischer Kunst in Deutschland eingebunden. Dazu finden sich besonders in einem Briefwechsel Cassous mit dem späteren deutschen Galeristen Rudolf Springer aufschlussreiche Äußerungen, die seine Abscheu vor dem Nationalsozialismus, aber auch sein Bemühen um einen französisch-deutschen Austausch deutlich machen. Die Rolle der Kunst im neuen internationalen Austausch wird deutlich Ende 1946, als anlässlich der konstituierenden Sitzung der UNESCO im Palais de Tokyo eine internationale Ausstellung moderner Kunst gezeigt wird. Umstände wie der, dass der Beitrag Uruguays von der aus dem südamerikanischen Exil nach Paris zurückgekehrten Fotografie-Expertin und Freundin Walter Benjamins Gisèle Freund kuratiert wurde, zeigen, wie sich Rückkehr, Wiederaufnahme und Neuanfang kultureller Aktivitäten vereinen und nach den dunklen Jahren des Nationalsozialismus ein Signal des Auf bruchs setzen. Die französischen Ausstellungen im Nachkriegsdeutschland wurden in der Forschung aufgearbeitet. Dagegen sind die Ausstellung Art et Résistance mit dem dazu von Picasso, Marquet, Matisse und Bonnard verfassten Manifest und die internationale Ausstellung moderner Kunst der UNESCO Ende 1946 wenig bekannt. Eine nähere Untersuchung fehlt für sie wie für die ersten Ausstellungen des MNAM anhand der Museumsarchive. 83 Luc Alary erwähnt Art et Résistance kurz und postuliert, es handle sich um
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eine Antwort auf die Ausstellung Kunst der Front, in der die die deutschen Besatzer 1941 im Jeu de Paume Zeichnungen und Aquarelle von Soldaten der Wehrmacht zeigten. 84 Für einen solchen Bezug ergeben sich aus dem Archivmaterial zu Art et Résistance, zeitgenössischen Artikeln und dem Katalog jedoch keine Anhaltspunkte. Gerade zeitgenössische Kritiken helfen deutlich zu machen, dass hinter der Ausstellung eine viel größere Problematik als eine Gegenöffentlichkeit zu früheren Ausstellungen der Besatzer steht. Die ersten Ausstellungen im MNAM nach dem Krieg zeigen, dass die Rolle der zeitgenössischen Kunst und des Museums in der Gesellschaft ausgelotet werden. Mithin steht nicht bloß die Wiederaneignung des Mediums Ausstellung mit Schließung großer Lücken in der Sammlung, sondern des öffentlichen Raumes des politischen Diskurses im Zentrum. 85 Eine Lektüre wie jene der Ausstellung Art et Résistance als Antwort auf die Ausstellung Kunst der Front 1941 greift wesentlich zu kurz. Vielmehr ist im neu eröffneten MNAM ab 1947, was heute nahezu vergessen scheint, sogar ein eigener Raum Kunstwerken deportierter französischer Künstler gewidmet, die in Konzentrationslagern entstanden. 86 In der geistigen Kontinuität zur Ausstellung Art et Résistance zeigt diese Aufklärungsarbeit die fundamentale Rolle, die dem Museum und der Kunst bei der Konstitution demokratischer Öffentlichkeit zugedacht wurde.
»AR T ET RÉSISTANCE«, FR ANZÖSISCHE MALEREI IN DEU TSCHL AND UND DIE UNESCO - GRÜNDUNGS AUSSTELLUNG: KUNST AL S POLITISCHER AKT UND VERSTÄNDIGUNG 1946 Mit Art et Résistance vom 15. Februar bis 15. März 1946, den unmittelbar nach Kriegsende von der französischen Militärregierung in Zusammenarbeit mit dem MNAM organisierten Ausstellungen moderner französischer Kunst in den Jahren 1946 und 1947 in Deutschland und der internationalen Ausstellung zur UNESCO Ende 1946 wurden das MNAM und das Palais de Tokyo zu Agenten und Schauplätzen der Wiederaneignung des Ausstellungsraumes, der Öffentlichkeit und Kunstfreiheit, und zu Botschaftern von Freiheit und internationalem Austausch. Die Stellung der zeitgenössischen Kunst in der Gesellschaft bestimmt sich hier mit ihrer Funktion zur Konstitution einer kollektiven Identität der Bürger der Polis. Der Ausstellungsraum wird in diesen ersten Nachkriegsausstellungen zu einer tatsächlichen Agora.
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POLITISCHE KUNST, PASSIVES PUBLIKUM? ART ET RÉSISTANCE UND EIN MANIFEST VON PIC ASSO, MARQUET, MATISSE UND BONNARD Art et Résistance wurde von der Association Nationale des Amis des Francs-Tireurs et Partisans Français organisiert (Abb. 64). 87 Die F.T.P.F. entwickelte sich ab Ende 1941 im Widerstand aus der kommunistischen Partei nach dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941. 88 Ein Rundschreiben vom 20. November 1945 bat französische Künstler um Werke. Man wolle die Kämpfer ehren und mit einer Versteigerung ihren Witwen und Waisen helfen, weshalb Werke von Widerstand oder der »hassenswerten« Präsenz der grausamen Nazis inspiriert sein sollten: »Il serait donc fort désirable que l’œuvre dont nous sollicitons confraternellement de votre générosité le don, s’inspirat soit de quelque épisode de la lutte clandestine menée par nos glorieux Francs-Tireurs et Partisans, soit de l’atmosphère créée dans tout le pays par la présence odieuse de l’arrogant et cruel nazi.« 89 Zahlreiche Künstler beteiligten sich. Der Katalog listet alphabetisch 455 Nummern, darunter so bekannte Namen wie Bonnard, Braque, Chagall, Giacometti, Léger, Lipchitz, Marquet, Masereel, Matisse, Picasso, Taslitzky, Vasarely und Vuillard. Eine weitere Sektion zeigte Kinderzeichnungen zum Thema Résistance aus einem vom Künstlerbedarfhandelshaus J.-M. Paillard 1944 und 1945 organisierten Wettbewerb. 90 Die Hängungskommission, unter anderem mit Jean Cassou, Georges Salles, Robert Rey und René Huyghe, stand unter der Schirmherrschaft von Jacques Jaujard. 91 In seinem Geleitwort spricht André Chamson die Wandlung des Widerstandes in einen Mythos an und führt als Argument der breiten Auswahl ins Feld, dass Künstler, ob sie nun direkt den Widerstand vor Augen hatten oder nicht, stets mit ihrer Arbeit an Formen und Farben von Gerechtigkeit und Freiheit sprächen. 92 Der vorangegangene Aufruf der Amis des F.T.P.F. stellte eine Tournee der Ausstellung im Palais de Tokyo, »dans une des plus grandes salles de Paris«, nach London, New York, Moskau und »eventuell« Rom in Aussicht. 93 Zusagen von Picasso, Matisse, Marquet und Bonnard waren dort nicht grundlos hervorgehoben. Der Einladung für Georges Salles liegt die Kopie eines Manifestes der vier bei, das später im Katalog erschien. Darin erklären sie ihre Reverenz an die Helden des Widerstandes und bringen zum Ausdruck, dass der Künstler nicht im Atelier zurückgezogen einer Kunst nachgeht, sondern immer mit dem Malen Anteil nimmt am gesellschaftlichen Geschehen und der Konstitution politischer Öffentlichkeit. 94 Es ist dieselbe Haltung wie schon knapp zehn Jahre zuvor 1937 im spanischen Pavillon in Picassos Guernica, das Uwe Fleckner wie folgt auf den Punkt bringt: »In der Tat marschiert der Künstler mit seinem Gemälde fest an der Seite der spanischen Republik und ihrer Verteidiger [...]. Aber Picasso ergreift auch die Partei der Malerei und ihrer Leistungsfähigkeit: Malen ist für ihn, und das nicht nur im Fall von Guernica, ein politischer Akt.« 95 Die Frage der politischen Funktion der zeitgenössischen Kunst in der Gesellschaft stellt sich mit Art et Résistance in höchster Dringlichkeit. Kaum ein Kontext wirft drängender die Anteilnahme der Kunst an der Politik der Gegenwart auf als die unmittelbare
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64 Katalog zur Ausstellung Art et Résistance, Musées des Arts Modernes, Paris, Februar 1946
Erfahrung der nationalsozialistischen Verbrechen, Krieg und Unterdrückung. Zeitgenössische Artikel verknüpften diese Frage mit der Ausstellung. Picassos Guernica nimmt dabei schon die Funktion eines ästhetischen Paradigmas ein. Fraternité, in Algier eines der führenden Exil-Presseorgane des Widerstandes während der Besatzungszeit, sah die Ausstellung »en marge des manifestations artistiques habituelles« und zeigte sich beeindruckt von der Teilnahme der sechshundert Künstler. 96 An der Vernissage nahmen die Köpfe des Widerstandes Charles Tillon, Colonel Rol, General Joinville sowie der Ministre des Anciens Combattants Laurent Casanova teil. 97 Die Presse hob neben den oben genannten Künstlern auch Braque, Gruber, Masereel, Fougeron, Walch, Lhote, Taslitzky, Gromaire, Desnoyer, Masson, Tal-Coat, Terechkovitch und Riera hervor. 98 Ein Artikel verweist auf die Diskussion der Ansicht, Kunst solle sich selbst genügen und der gegenteiligen Forderung nach einer »populären« tagesaktuellen Kunst. Eine Vielzahl der Werke in Art et Résistance zeige aber vor allem, dass Künstler von der Haltung der Käufer abhängig seien. Wie könne man von ihnen zum Thema der Ausstellung
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drastische Impulse erwarten, wenn das Publikum dem mit lange geübter Indifferenz gegenüberstehe? »Comment les peintres pourraient-t’ils [...] devenir soudain, par leurs sujets, les porte-parole d’impulsions auxquelles ceux qui les font vivre demeurent parfaitement indifférents, sinon hostiles? Le sujet ›Résistance‹ appelait de vastes murs où le traiter en fresques immenses et populaires. Le voici dispersé en quelque cinq cents toiles, marques d’une impulsion généreuse, mais qui ne peut suffire, ainsi isolée, à transformer une peinture dont la destination ne change pas.« 99 Manche Künstler wie Matisse und Marquet nahmen mit Arbeiten teil, die nicht oder nur indirekt mit Krieg und Besatzungszeit zu tun haben. Im Katalog sind acht Werke in Schwarz-Weiß reproduziert, darunter von Matisse Monique en robe grise sur fond de feuilles grises, von Marquet eine im Exil gemalte Ansicht des Hafens von Algier im November 1942 mit einem Kriegsschiff.100 Diesem gegenüber steht ein Portrait von einem alten, auf einem Auge blinden Partisanen neben einem jungen, mit weiteren Widerstandskämpfern im Hintergrund, laut Katalog von Luce Paris. Der Titel weist sie als Widerstandskämpfer des Département Lot aus. Andere abgebildete Werke aktualisieren die Zeitlosigkeit des Themas, wie die Skulptur David et Goliath, die Lipchitz 1933 als Zeichen des Widerstandes gegen den Faschismus schuf. Ihr gegenüber steht André Fougerons heute berühmtes Bild von hungernden Menschen und nackten Kindern, die in Mülltonnen nach Essen suchen, Rue de Paris, 1943 (Abb. 65). Das Bild Fougerons, der selbst im Widerstand aktiv war, wurde trotz seines Sujets auf dem Salon des Tuileries 1943 ausgestellt und bildet durch seinen sozialen Realismus einen künstlerischen Akt des Widerstandes unter der Besatzung.101 Boris Taslitzky, der im Konzentrationslager Buchenwald interniert war und dort einen umfangreichen Korpus von Zeichnungen anfertigen konnte, stellte seine Zeichnung Je te salue ma France! aus. Vor einem Hintergrund mit Inschriften, die an Verbrechen der Deutschen gemahnen mit Namen von französischen Widerstandskämpfern, Opfern der Nationalsozialisten und den Ortsnamen von Konzentrationslagern, streifen Figuren ihre Fesseln ab. Eine weibliche Figur mit entblößter Brust, erhobenen Armen und phrygischer Mütze verweist auf die berühmte Ikonografie der Freiheit in Eugène Delacroix’ La liberté guidant le peuple (1830). So verschieden Formen des Widerstandes waren und sind, so disparat sind die künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem Thema in der Ausstellung. Aber der Einwurf des hier zitierten Artikels kritisiert, das Sujet »Widerstand« »zersplittere« in einige fünfhundert Gemälde, dabei fordere es »weite Wände«, um es in »immensen und publikumswirksamen Fresken« zu behandeln. Das ist erkennbar am ästhetischen Eindruck von Picassos Wandbild Guernica geschult. Als ein solches war es eine malerische Antwort auf die in den Massenmedien ausgetragene Propagandaschlacht um die Zerstörung der Stadt 1937, wie Fleckner analysiert hat: »Das Massenmedium des Wandbildes wird gegen
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65 Katalog Art et Résistance, 1946, Doppelseite mit Jacques Lipchitz: David et Goliath, 1933, André Fougeron: Rue de Paris 1943
das Massenmedium der Presse aufgeboten.«102 Tatsächlich argumentiert der Artikel auch direkt mit Guernica: Picassos Beitrag zur Ausstellung, ein »Charnier inachevé«, lasse zu hoffen, vielleicht einmal dessen Stellung zu erreichen. Die Zusammenschau von Arbeiten, die sich explizit des Themas »Kunst und Widerstand« annahmen, aber auch jene von Künstlern wie Matisse und Léger, die demgegenüber eine »übliche« Arbeit stifteten, sieht der Artikel als Illustration des Umstandes, dass die revolutionäre Kraft der Kunst sich nicht entfalten könne, solange die Haltung der Gesellschaft indifferent bleibe.103 Diese Analyse, die ähnlich auch der Kritiker der Opéra teilte104, zeigt, dass die fundamentale Bedeutung von Art et Résistance erkannt, sie jedoch keinesfalls als unhinterfragte Feier des Widerstandes wahrgenommen werden konnte. An die Präsenz des so kurz nach der Befreiung wichtigsten politischen Themas, das Verhältnis zu den Besatzern und Widerstand, im nationalen Museum moderner Kunst knüpfen sich große Erwartungen. Noch vor der eigentlichen Eröffnung des MNAM zeigen sich selbst angesichts des tiefsten politischen Charakters damit die Passivität einer Mehrheit der Gesellschaft und die Abhängigkeit vom Kunstmarkt als fundamentale Herausforderungen.
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JEAN C ASSOU SCHREIBT AN RUDOLF SPRINGER: DIE AUSSTELLUNG FRANZÖSISCHER MALEREI IN DEUTSCHL AND 1946 IM KONTEXT DER NAZISTISCHEN VERBRECHEN GEGEN DIE MENSCHLICHKEIT Fast erstaunt es, wie zeitnah nach Kriegsende in Deutschland 1946 und 1947 zum Teil vielbesuchte Ausstellungen moderner französischer Kunst zunächst in Konstanz und Innsbruck und schließlich in Baden-Baden und Berlin Station machten. Sie wurden unter der Leitung der französischen Militärregierung vom noch selbst im Auf bau befindlichen Musée national d’Art moderne mitkonzipiert.105 Der nationalsozialistischen Kunstpolitik der Verfemung »entarteter Kunst« werden moderne französische Künstler entgegengesetzt. Dies ist Teil eines umfassenden kulturellen Aufklärungsprogramms, das die französische Militärregierung bis zum Ende der Besatzungszeit 1955 unternimmt. Martin Schieder unterscheidet drei Typen unter den knapp fünfzig Ausstellungen zur französischen Kultur, Gesellschaft und Geschichte bis 1955: Zunächst in den ersten Jahren historisch-dokumentarische Ausstellungen, die einerseits die nationalsozialistischen Verbrechen, andererseits den historischen Einfluss Frankreichs in Deutschland veranschaulichten; als zweiten Typus identifiziert er Dokumentationsschauen zu »Leistungen Frankreichs in den Bereichen Musik, Literatur und Theater, Rundfunk, Fotografie, Film bis hin zu Architektur und Urbanismus« und als dritten Ausstellungen zur angewandten und bildenden Kunst.106 Ausstellungen angewandter Kunst führten eine ökonomische Zielsetzung der Dritten Republik weiter, etwa zu Bildteppichen 1946 und 1949, Keramik 1947, lyoneser Seidenweberei 1946, Buchillustration 1946 und 1949 und Plakatkunst 1949 und 1951. Im Bereich der bildenden Kunst lag der Schwerpunkt auf der klassischen und zeitgenössischen Moderne mit zahlreichen Einzelschauen etwa von Braque 1948 und 1951; Chagall 1948; Léger 1949; Maillol 1951; Matisse, 1951 und 1953; Masson 1949 und 1954; Rouault 1949 und 1950. Neben Die Meister französischer Malerei der Gegenwart in Freiburg 1947 mit jeweils sechs Werken von Braque, Chagall, Gris, Léger, Matisse, Picasso und einem Bonnard hebt Schieder besonders die Wanderausstellung La Peinture Française Moderne hervor. Mit 130 Gemälden von 100 Künstlern, darunter Manet, Monet, Gauguin, Cézanne, van Gogh, Degas, Braque, Rouault, Modigliani, Ernst, Gris, Léger und Lhote, zeichnete sie die künstlerische Entwicklung in Frankreich nach, vom Impressionismus, Pointillismus und Fauvismus, über den Kubismus und Surrealismus bis zur Figuration der Zwischenkriegszeit und der zeitgenössischen École de Paris.107 Ausgenommen waren aber »avantgardistische Tendenzen der Abstraktion« und kollaborierende Künstler – die Teilnahme von Derain, Vlaminck, van Dongen, Dunoyer de Segonzac und Despiau wurde etwa 1946 in Baden-Baden sofort abgelehnt.108 Schon dies könnte mit am Einfluss des MNAM unter Jean Cassou liegen, das nach dem Krieg Abstraktion zunächst vernachlässigte.
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Martin Schieder analysiert den graduellen Wandel der Ausstellungsprogramme. In der unmittelbaren Nachkriegszeit standen sie im Zeichen einer Mission der französischen Nationalkultur, die als überlegen galt, da ihre Tradition nicht abgebrochen war. Danach unterstützten sie nach und nach deutsche Projekte und zeitgenössische Abstraktion um 1950.109 Das Fehlen kollaborierender Künstler in der Ausstellung 1946 verweist jedoch im größeren Zusammenhang maßgeblich auf die von Jean Cassou getragene Überzeugung einer gesellschaftlichen und politischen Funktion der Kunst. La Peinture Française Moderne bietet nach der Befreiung Deutschlands von der nationalsozialistischen Diktatur auch eine visuelle Befreiung an. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein Brief Jean Cassous an einen deutschen Leser des Kataloges zur Ausstellung in Berlin, den später bedeutendsten Berliner Nachkriegsgaleristen Rudolf Springer.110 Dieser hatte sich nach Gründen für das Fehlen der Künstler Derain und Vlaminck erkundigt. Schon der Umstand, dass Cassou sich die Zeit nimmt, auf zweieinhalb Seiten auf einen kurzen deutschen Leserbrief zu antworten zeigt, welche Bedeutung er dem Ausstellungsprojekt beimisst. Mit einer kurzen Notiz vom 26. November 1946 schrieb Springer aus Malente in der britischen Besatzungszone, wo er zu diesem Zeitpunkt mit seiner französischen Frau und den Kindern lebte, er habe sehr interessiert den Katalog gelesen und fühle sich durch Cassous Einleitung bestätigt, dass es genüge, den Deutschen französische Malerei zu zeigen, um sie Frankreich kennen- und lieben lernen zu lassen. »Votre introduction me confirme ma thèse, qu’il suffit de montrer aux Allemands de la peinture française afin de leur faire comprendre, connaître et aimer la France. Moimême, j’ai longtemps vécu en France et je suis marié avec une Française. Depuis vingt ans j’ai toujours porté interêt au développement de la peinture moderne française et mille fois je devais en entretenir mes amis d’ici.«111 Er befürchte, das Fehlen von Derain und Vlaminck im Katalog sei politisch motiviert. In Deutschland seien sie doch gerade von einem Regime befreit worden, das die Politik mit seinen Urteilen über die Kunst vermischt habe, was er Frankreich nicht zutraue.112 Jean Cassous ausführliche Antwort zeigt sein Bemühen um einen deutsch-französischen Austausch in der Kunst und seine Abscheu vor dem Hitler-Regime, dem industriellen Massenmord an den Juden und den Rassegesetzen. Die Franzosen billigten jedem die Freiheit politischer Überzeugungen zu, führt er aus, jedoch nicht die Freiheit zur Kollaboration. Er verweist hier implizit auf die Teilnahme Derains und Vlamincks an der Reise von dreizehn französischen Künstlern ins »Dritte Reich« auf Einladung des Propagandaministeriums 1941. Kein ehrlicher Mensch erlaubte solche Kollaboration.113 Dergestalt vermischten sie, die Ausstellungsmacher, nicht Politik, sondern lediglich Moral und Korrektion mit der Kunst. Das Hitler-Regime sei kein politisches Regime gewesen,
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da es keine politische Meinung darstellte, und habe demzufolge auch nicht Politik und Kunst miteinander vermengen können. Cassous präzise Argumentation zum Leserbrief, einem Nebenschauplatz, weist die intensive Befassung mit dem Hitler-Regime auf, die er wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt parallel vornahm. Im Folgejahr 1947 erschienen die von ihm im Auftrag des Pariser Centre de Documentation Juive Contemporaine herausgegebenen Dokumente zum nationalsozialistischen Kunstraub und Plünderungen in Frankreich.114 Die Verbrechen – er nennt Konzepte von »rassischer Überlegenheit«, den Antisemitismus, das Faustrecht, den »totalen Krieg«, die Gaskammern und die Verbrennungsöfen – könnten nicht als politische Doktrin angesehen werden, sondern seien aus der Welt auszuschließen. Ein Künstler könne jede politische Meinung vertreten, niemals aber sich zum Nazismus bekennen.115 Ein französischer Künstler, der den Nazis die Hand reiche, drücke daher keine politische Meinung aus – er begehe eine Monstrosität, auf die man nur so streng reagieren könne, wie sie es mit dem Ausschluss von der Ausstellung getan hätten.116
EINE RÜCKKEHR NACH PARIS: DIE UNESCO-AUSSTELLUNG IM PAL AIS DE TOKYO MIT EINEM KURATORISCHEN BEITRAG GISÈLE FREUNDS Die zweite zentrale Annahme der Wirkmacht der modernen Kunst ist der Gedanke der Völkerverständigung. Vom 18. November bis 28. Dezember 1946 fand im Palais de Tokyo die von der UNESCO organisierte Ausstellung The International Exhibition of Modern Art / L’Exposition Internationale d’Art Moderne. Peinture, Art Graphique et Décoratif, Architecture statt. Sie war Teil des am 11. Februar 1946 beschlossenen Unesco-Monats parallel zur Gründungsversammlung und wurde organisiert von der Commission Préparatoire de l’UNESCO. Länder der ganzen Welt waren eingeladen, Werke ihrer modernen und zeitgenössischen Künstler einzureichen.117 In Paris sollten Konferenzen, Ausstellungen und Publikationen Aktivitäten der UNESCO vorstellen.118 Es gab auch Ausstellungen zu Pädagogik und Wissenschaft im Musée Pédagogique und im Palais de la Découverte, im Théâtre des Champs-Elysées Konzerte und Theatervorstellungen und in der Sorbonne eine Vorlesungsreihe.119 An der Kunst- und Architekturausstellung nahmen fast alle Mitgliedsstaaten teil.120 Manche nationalen Beiträge wurden von Einzelpersonen zusammengestellt. So vermerkt der Katalog zum Beitrag Uruguays dass die Werke, darunter zwei von Pedro Figari aus den Sammlungen von Adrienne Monnier, Candombe (Danse), und von Sylvia Beach, Alerte (1922), von Gisèle Freund und René Hubert ausgewählt wurden.121 Gisèle Freund war während der Besatzungszeit ins südamerikanische Exil geflohen und in diesem Jahr zurückgekehrt. Die große Fotografin und Fotografiehistorikerin zählte zum Pariser Freundeskreis um Monnier, Beach und Walter Benjamin, mit dem sie auch während seiner Internierung in Nevers korrespondiert hatte. Über ihre an der Sorbonne
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fertiggestellte Dissertation, die von Adrienne Monnier verlegt 1936 erschien, verfasste Benjamin eine 1938 in der Zeitschrift für Sozialforschung publizierte Besprechung, die zeigt, wie nah er sich ihrer Arbeit fühlte. Stellt Freund in ihrer materialistischen soziologischen Analyse der Ursprünge der Fotografie doch die entscheidende Frage, inwiefern deren Aufkommen den Charakter des Kunstwerks verändert habe, die auch Benjamin zu dieser Zeit im Kunstwerk-Aufsatz umtrieb: »Die Verfasserin hat das Entscheidende gut gesehen. [...] ›Der Anspruch der Photographie, eine Kunst zu sein, wurde gerade von denen erhoben, die aus der Photographie ein Geschäft machten.‹ (S. 49) Mit andern Worten: der Anspruch der Photographie eine Kunst zu sein, ist gleichzeitig mit ihrem Auftreten als Ware. Das stimmt zu dem Einfluß, welchen die Photographie als Reproduktionsverfahren auf die Kunst selber nahm [...]. Die Methode des Buches ist an der materialistischen Dialektik ausgerichtet. Seine Diskussion kann ihre Ausbildung fördern.«122 Als »Additif« kam in der UNESCO-Schau auch ein chinesischer Beitrag hinzu.123 Kuratoren der Ausstellung waren René Huyghe und Germain Bazin vom Louvre, der Inspecteur des Beaux-Arts und Arts-Chefredakteur Raymond Cogniat, der Präsident der Union des Arts Plastiques Pierre Gustala, Jean Cassou, Bernard Dorival sowie Agnès Humbert vom MNAM und von der UNESCO Richard Carline und dessen Assistentin Carola Luke.124 Aus dem zweiten Memorandum der vorbereitenden Kommission gehen die Ziele und das Format der Kunstausstellung im Palais de Tokyo hervor. Insgesamt sollten 600 bis 650 gerahmte Gemälde und weitere Zeichnungen und Grafik aus den teilnehmenden Ländern, die eine von Regierungsbeauftragten getroffene repräsentative Auswahl senden sollten, einen Überblick über das internationale Kunstschaffen geben. Nicht unkomisch erscheint dabei der administrative Versuch, die Länderbeiträge abhängig von der Zahl ihrer Künstler und des Umfangs ihrer künstlerischen Bewegungen zu quantifizieren.125 Das große Ziel dieser ersten Kunstausstellung der UNESCO und erstes Zeichen ihrer Aktivitäten war ein Überblick als neuer Ausgangspunkt nach den Jahren der Unterbrechung des internationalen künstlerischen Austausches.126 Für Jean Cassou, der die etwas pathetische Katalogeinleitung verfasste, sollte die Kunst zur neuen universellen Sprache der Menschheit werden und geistige Zusammenarbeit Frieden sichern. Welche Stadt wäre dafür geeigneter als Paris – »On a beaucoup usé de cette méthode et parlé ce langage en ce dernier siècle de vie française, et c’est à Paris que toutes les peintures de l’univers se donnaient rendez-vous.«127 Das kann als deutlicher Verweis auf die Weltausstellungen verstanden werden – die Expo 1937 lag keine zehn Jahre zurück. Der Rückzug auf die Kunst ist hier aber auch ein Mittel gegen nationalistische Rhetorik. So vehement Jean Cassou 1947 in seiner Einleitung zu den Dokumenten über die Kunstplünderungen der Deutschen die nationalsozialistische
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Ästhetik und faschistische Ideologie anprangert, so subtil beschwört er zur Ausstellung der UNESCO, in der Deutschland noch nicht Mitglied ist, eine Art Sacra Conversazione: »Chaque peuple a sa façon à lui de voir les choses et de les concevoir, de les dissocier et assembler [...] Rien ne pouvait être plus émouvant aujourd’hui que ce dialogue silencieux, Sacra Conversazione.« Es ist wohl ein Versuch, Kunstkritikern, die auf nationale Unterschiede zu sprechen kämen und damit auf das Feld der Politik führten, von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen. In einem Radiointerview, aufgenommen am 18. und ausgestrahlt auf der »Chaîne parisienne« am 20. November 1946, das als einseitiges Transkript in den Akten zur Ausstellung vorliegt, nahm Jean Cassou Stellung zur Ausstellung. Für Frankreichs Beitrag evoziert er das schon bekannte Narrativ von der Kontinuität des »génie français«. Dazu gesellen sich die Künstler der École de Paris und Cassou dankt hier direkt der UNESCO für die Initative, die spanischen Künstler in Paris einzuladen.128 Er nimmt auch Stellung zu Kritik an der Ausstellung. So hatte der Kritiker René-Jean am französischen Beitrag neben dem Fehlen von Skulptur die starke Präsenz der spanischen Pariser Künstler und, polemisch, exilierter Künstler »qui ont bravement résisté à New-York durant l’occupation« kritisiert.129 Auf diesen Artikel scheint sich Cassou zu beziehen, wenn er süffisant bemerkt, manche Kritiker beklagten die Präsenz von Künstlern, die nach New York flüchten mussten, während andere jene vermissten, die zur selben Zeit »zwischen Weimar und Berlin spazieren gingen«.130 Kritiken zur Ausstellung bemängelten sonst überwiegend Organisation und mangelhafte Logistik.131 Beim Presserundgang waren viele Werke noch nicht gehängt, es fehlten Hinweisschilder, und zahlreiche Werke trafen verspätet ein – sie wurden zum Teil zum Anlass für neue Artikel genommen. Ein Grundtenor ist aber die enttäuschende Erfahrung, dass die zeitgenössische künstlerische Produktion aus fernen Ländern sich nicht wesentlich von der europäischen unterschied: »Si nous en croyons cette exposition, ce qui se fait de mieux aux Antipodes n’est encore qu’un reflet de nous-même, qu’une répétition assez pâle de ce que nous avons inventé depuis de longues années. [...] Comment sont composés ces envois, et par qui, dans les pays intéressés?«132 Solche Erwartung ungewohnter Seherlebnisse konnte wohl nur enttäuscht werden, da sicherlich keine Nation eine zu gewagte oder zu traditionelle Auswahl zur ersten Generalversammlung der UNESCO in Paris senden wollte. Vielleicht zeigt sich hier gerade nach den Weltkriegserfahrungen schon die Globalisierung der Gegenwartskunst, die zur Nivellierung nationaler Unterschiede führt. Das Missverständnis des Kritikers René-Jean, der die Ausstellung als Wettbewerb wahrnimmt und eine Superiorität des französischen Kunstschaffens einfordert, entlarvt sich dahingehend als überkommenes nationalistisches Denken. Freilich fehlten viele Länder, die noch nicht Teil der UNESCO waren oder aufgrund materieller Schwierigkeiten nicht teilnahmen. Der Kritiker Jacques Lassaigne nennt das Fehlen von Italien, Rumänien, Griechenland, Ägypten und der sowjetischen Republiken. Seinem Artikel ist der Auf bau der Ausstellung im Palais de Tokyo zu entnehmen:
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Im Rez-de-Chaussée wurden Belgien, Holland, Norwegen, England, China, die Tschechoslowakei, Jugoslawien, Brasilien, die USA und schließlich die mitteleuropäischen Exilkünstler, »les artistes réfugiés de l’Europe centrale«, gezeigt. Im ersten Stock stellten die Kolonien Englands, die übrigen Länder Südamerikas, Dänemark, Schweden, die Türkei, Indien, Kanada, Luxemburg, die ungarischen und spanischen Künstler der Ecole de Paris sowie Frankreich aus.133 Lassaigne weist auch auf die höchst unterschiedlichen nationalen Beiträge hin. So zeigten die USA den Versuch einer einheitlicheren Präsentation künstlerischer Positionen rund um Calder, »le seul grand novateur américain«, darunter Chet La More, William Fett, Romare Bearden und Stuart Davis, und daneben amerikanische Realisten, Abstrakte, Kubisten und Surrealisten. Der British Council zeigte für Lassaigne das vielseitigste Bild, ausgehend von der poetischen Landschaftmalerei der gebürtigen Neuseeländerin Frances Mary Hodgkins – die im Jahr darauf verstarb – mit Werken des kurz zuvor verstorbenen Paul Nash, von Duncan Grant, John Piper, John Tunnard, dem abstrakten Maler Ben Nicholson und Henry Moore sowie einer kleinen Sonderausstellung englischer naiver Malerei. Um die Präsentationen Frankreichs und Englands herum wurden die ins Exil geflohenen mitteleuropäischen Künstler gruppiert, darunter einige deutsche und polnische.134 Lassaigne hebt hervor, diese Hängung reflektiere zu Recht, dass diese niemandem etwas schuldig seien: »On a placé à part, et, en effet, ils ne doivent rien à personne et représentent au contraire un courant aujourd’hui tari ou détourné, mais secrètement toujours puissant, sous le nom d’artistes réfugiés de l’Europe centrale, Kandinsky, Kokoschka, Georg Ehrlich, René Graetz, Kalman Kemeny, Fred Uhlman. Kandinsky, par sa puissante volonté théorique d’abstraction, occupe une place universelle. Kokoschka, au contraire, reste le véritable chef de l’expressionisme à la fois juif et germanique.«135 Neben der Kunstausstellung fand im Musée d’Art moderne die zuvor in Hastings gezeigte Ausstellung zu Architektur und Urbanismus statt, organisiert von der Fédération internationale de l’Habitation et de l’Urbanisme. Vierzehn Länder zeigten mit Modellen vor allem Projekte zum Wiederauf bau. Einem Artikel in Arts zufolge war die Teilnahme Großbritanniens die umfangreichste und zeigte Projekte der Jahre 1939 bis 1946 sowie Projekte zum Bau von vier Millionen Wohnhäusern in den folgenden zehn Jahren und neue Fertigbauhäuser. Holland stellte den Wiederauf bau Rotterdams vor, wo neben dem Stadtzentrum auch 28.000 Wohngebäude zerstört wurden. Australien stellte eine Studie der ersten modernen am Reißbrett entstandenen Stadt aus, Canberra. Polen zeigte Pläne zum Wiederauf bau Warschaus. Belgien, Kanada und weitere Länder wie Schweden, Dänemark, Spanien und Brasilien, für das ein starker Einfluss Corbusiers vermerkt wird, nahmen auch Teil.
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Damit war unmittelbar nach dem Krieg wieder eine Urbanismus-Ausstellung im Palais de Tokyo zu sehen, knapp zehn Jahre nach dem »Musée d’Urbanisme« zur Expo 1937. Damals wurde Urbanismus noch als die Wissenschaft der Zukunft dargestellt und verband sich mit dem Palais de Tokyo zu einem dynamischen Gesamtbild einer Verbesserung der Lebensumstände im technischen Fortschritt. 1946 wird Urbanismus nicht mehr definiert als neue Wissenschaft, sondern als Antwort auf drängende Probleme der Gegenwart: Wiederauf bau, Wohnungsnot und Neuorganisation: »tous les pays se trouvent dans l’obligation de se réorganiser sur des bases nouvelles pour répondre aux besoins transformés de l’humanité. C’est ce qu’on dénomme urbanisme«.136
WIEDER ANEIGNUNG DER MODERNE UND SCHRECKEN DER KONZENTR ATIONSL AGER: DIE ERÖFFNUNG DES MUSÉE NATIONAL D’AR T MODERNE 1947 Schon 1945 organisierte das MNAM, während seine Eröffnung vorbereitet wurde, eine Wanderausstellung aus der Sammlung, die durch französische Provinzmuseen tourte, damit »des villes moins favorisées fussent, elles aussi, en contact avec cette vie de l’oeil«. 137 Diese Ausstellung nahm auch schon die Sammlungspräsentation des MNAM ab 1947 nach Schulen und Richtungen vorweg. Georges Salles schrieb im Vorwort von einem halben Jahrhundert französischer Malerei, lediglich kollaborierende Künstler seien abwesend. Auch wies er auf das Fehlen von Werken von Picasso, Juan Gris und Miró in der Sammlung des Museums hin. Die Schau war nach fünf Schulen aufgebaut: »Les Nabis et leurs contemporains«, mit Bonnard, Maurice Denis, Ker-Xavier Roussel, Paul Sérusier, Toulouse-Lautrec, Suzanne Valadon, Félix Valloton, Edouard Vuillard; »Les Fauves et leurs satellites«, mit Charles Camoin, Georges Desvallières, Raoul Dufy, Pierre Laprade, Henri Lebasque, Henri Manguin, Albert Marquet, Henri Matisse, Georges Rouault; »Le Cubisme et son Influence«, mit Georges Braque, Robert Delaunay, Roger de La Fresnaye, Marie Laurencin, Fernand Léger, André Lhote, Jacques Villon (Gaston Duchamp); »Le Néo-Réalisme«, mit Maurice Asselin, Jean-Louis Boussignault, Edmond Ceria, Paul Charlemagne, Charles Dufresne, Robert Lotiron, Luc-Albert Moreau, Maurice Utrillo, Henry de Waroquier; »L’Expressionisme«, mit Yves Alix, Édouard Goerg, Marcel Gromaire, Amédée de La Patellière, Henri Le Fauconnier und Jean Lurçat. Jeder Sektion ist eine historische Einführung vorgesetzt, auf die eine Liste der ausgestellten Künstler und ihrer Werke mit Kurzeinführungen und mitunter Literaturangaben folgen – zu Georges Braque etwa wird auf Carl Einsteins Georges Braque (Paris 1934) verwiesen.138 Zwei Jahre vor der Eröffnung des Museums wird das MNAM hier definiert als »l’agence centrale de diffusion de notre art«.139
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DIE EINWEIHUNG DES MNAM 1947: DAS PAL AIS DE TOKYO AL S »WÜRDIGES« MUSEUM Das Musée national d’Art moderne wurde am 9. Juni, seine erste Ausstellung Art Français Contemporain am 10. Juni 1947 eröffnet.140 Das Museum eröffnete mit einer Auswahl von 3000 Gemälden aus den Ankäufen des Staates der fünfzig zurückliegenden Jahre und jenen, die Jean Cassou und Robert Rey seit 1945 noch von bis dato übergangenen zeitgenössischen Künstlern ankaufen oder durch Überredungskünste einwerben konnten. Cassou hebt besonders die Zugänge von Matisse, Braque, Rouault und die Schenkung Picassos im Mai 1947 hervor.141 Ohne diese, so seinerzeit eine Analyse in Panorama des Arts, hätte Paris sich der Sammlung dieses neuen Museums schämen müssen.142 Bernard Dorival spricht in einem Fachartikel die Lücken offen an, so Max Ernst und Soutine; andere Künstler wie Utrillo, Dufy, Maria Blanchard, Modigliani, Miró und Derain seien unzureichend repräsentiert und ein Fehlen von Beispielen der blauen, rosa und kubistischen Periode Picassos zu beklagen, aber die Kuratoren bemühten sich, das Museum für die Zukunft anzureichern.143 Man betrat das MNAM durch die von Delaunays La Ville de Paris und Statuen Maillols dominierte Eingangshalle. Auf dieser Ebene lagen Räume für Wechselausstellungen und die ersten einundzwanzig Säle, im Untergeschoss die Räume 32 bis 37 sowie die Skulpturensäle D bis J. In der ersten Etage wurden in den Sälen 22 bis 31 jüngste Entwicklungen der Malerei gezeigt. Solche, die sich der Ordnung nach Schulen und Richtungen entzog, wurde nach Ausstellungssalons gezeigt.144 Das Dossier aus den Museumsarchiven zur Wiedereröffnung gilt als fehlend.145 Allerdings findet sich zwischen Korrespondenz Cassous und Dorivals der überarbeitete Entwurf der Eröffnungsrede am 9. Juni 1947.146 Schon zu Beginn spricht Cassou von einem Frankreich und Paris »würdigen« Museum, dem Wunsch, »[...] de doter enfin la France d’un musée d’Art moderne digne d’elle et digne de ce nom […]«.147 Er spricht den schlimmen Zustand im Musée du Luxembourg und die seit 1937 überfällige Einrichtung des MNAM an.148 Er stellt auch die Prinzipien der Hängung vor. Die Eingangsetage ist den »großen« französischen Künstlern vorbehalten, denen Cassou besonders verbunden war – Matisse, Braque, Rouault, Bonnard und Picasso, »l’un des plus singuliers inventeurs de formes de tous les temps«, dessen Schenkung von zehn Werken 1947 er hervorhebt. Mit Maillol im Engangsbereich und mit den Skulpturensälen wurde die Entwicklung der französischen Skulptur in den zurückliegenden fünfzig Jahren von Bourdelle und Despiau, Brâncus, i und Laurens bis zu Gegenwartskünstlern dargestellt. Nichts in der Entwicklung des französischen »Geschmacks«, »histoire du goût français«, sei vernachlässigt worden, wozu auch die Präsentation aller französischen Salons diente.149 Das Obergeschoss sollte das Kunstschaffen der jüngsten Generationen zeigen. Auch seien Kunstgewerbe und das »vieux métier français« der Tapisserie nicht vergessen worden. Da das frühere Musée des écoles étrangères im Jeu de Paume nun Teil des Hauses war, werde
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bald eine Galerie für ausländische Künstler eingerichtet, wobei er die Künstler der École de Paris ausnimmt, die »se situent tout naturellement dans le tableau de l’art français«. Abteilungen für Architektur, Grafik sowie Medaillen würden öffnen und eine Galerie sei Wechselausstellungen vorbehalten, deren erste Chagall gewidmet sei. Das Museum soll am Puls der Zeit sein: »Bref, nous prétendons faire de ce musée de l’art vivant un musée vivant et qui suivra de près le courant du présent.«150 Auch international wurde diese Botschaft vernommen: »The Luxembourg Museum which housed chiefly the banalities of academic painting from around 1900 is no more. The new curator of the new Museum of Modern Art – Jean Cassou, a great hero of the Resistance – had a heavy task to repair the sins of omission of his predecessors in official purchases [...].«151
DIE WIEDERANEIGNUNG DER MODERNE: DER AUSSTELLUNGSPARCOURS Die Rückbesinnung auf die von den Nationalsozialisten unterdrückte Avantgarde, die den Standort Paris vor dem Krieg in der internationalen Wahrnehmung prägte, verknüpfte sich mit dem nationalen Selbstbewusstsein des befreiten Landes. Ziel der Ankaufsbemühungen seit 1945 war es, einen genauen Überblick der modernen französischen Kunst geben zu können.152 Über die Ankäufe informieren Erwerbsberichte des MNAM im Bulletin des Musées de France 1946. Jean Cassou wurde im Oktober und November 1945 beauftragt, »des pièces importantes des principaux artistes de la peinture contemporaine« zu erwerben.153 6 Millionen Francs wurde für den Ankauf von Werken von Matisse und Bonnard beschlossen, und noch mal so viel für Gemälde von Braque, Picasso und Rouault. Gerade das Fehlen von Picasso sei »peinlich«.154 Von Bonnard kaufte Cassou sieben Gemälde aus allen Schaffensperioden und von Matisse vier Gemälde, Liseuse sur fond noir (1939), Nature morte sur table de marbre vert (1941), Deux jeunes femmes (1941) und Nature morte au magnolia (1941), so dass seine Schaffensperioden bis auf den Fauvismus vertreten waren. Wohl mit demselben Budget kaufte Cassou bei Gelegenheit ein Gemälde von Amédée de La Patellière (Fin du Monde, 1929), eines von Robert Delaunay (Portrait de Monsieur Carlier, Jugendwerk von 1906) und zwei von Séraphine Louis (Séraphine de Senlis, Arbre rouge und Grenades sur fond vert)155; von Delaunay waren zuvor drei Werke in der Sammlung des MNAM vertreten (Tours de Laon, La Ville de Paris, Nature morte portugaise), von Séraphine keines. Noch während Cassou mit Picasso verhandelte, kam mit dessen Nature morte à la tête antique (1925) erstmals ein Werk des Künstlers an das MNAM, als Schenkung Paul Rosenbergs zusammen mit einem Stillleben von Fernand Léger und einer Arbeit Marie Laurencins. Rosenberg habe sich damit bei den Musées nationaux für ihre Hilfe bei der Wiedererlangung seiner von den Deutschen entwendeten Sammlung bedanken wollen.156 Dorival konnte schon im Juni 1946 von Cassous Erweiterung der kubistischen Sammlung des MNAM mit sechs Gemälden von Braque, zwei von Gondouin und einer
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Skulptur von Laurens berichten. Braque war zuvor nur mit einem großen Gemälde (Le Duo) und zwei kleineren (Nature Morte au Compotier, Nature Morte aux Poires) vertreten gewesen. Zu diesen kamen nun die beiden großen Formate Tapis Vert (1942) und La Carafe (1941) sowie die kleineren Salon (1945) und Le Billard (1946).157 In Dorivals Bericht schleicht sich hier eine Wertung des kubistischen Ausdrucks Picassos ein: Die Arbeiten Braques zeigten, dass seine kubistische Arbeitsweise weniger »tyrannisch« gewesen sei als die Picassos.158 Später kamen noch eine Schenkung Rosenbergs eines papier collé von Braque, Composition à l’as de trèfle, sowie Werke von André Lhote und André Masson hinzu.159 1947 wurden weitere Arbeiten von Braque, Juan Gris, und der Kubisten Gleizes, Metzinger und Marcoussis erworben, sowie, um die Repräsentation einer vom Kubismus inspirierten Skulptur ab 1910 mit Laurens’ Sirène zu ergänzen, drei Skulpturen Brâncus, is, Muse endormie, Le Coq und Le Phoque. 1947 kamen mit Picassos bedeutender Schenkung weitere seiner Gemälde ans Haus. In diesem Jahr erwarb das MNAM auch, wie 1945 beschlossen, fünf Gemälde von Rouault.160 Die vorangegangenen Jahre der Besatzungszeit waren allerdings auch nicht ohne Erwerbungen verlaufen. Das MNAM erwarb durch Ankauf und Schenkung zwischen 1940 und 1945 insgesamt 334 Gemälde, 179 Aquarelle, Gouachen, Zeichnungen oder Pastelle, 137 Grafiken, 128 Skulpturen sowie 433 Kunstobjekte, Möbel und Medaillen. Dorival hebt Arbeiten von Maurice Denis, Dunoyer de Segonzac, Suzanne Valadon und Vuillard aus dieser Zeit hervor.161 Es handelt sich um Erwerbungen, die auch bei der Eröffnung 1947 im Zentrum stehen. Die Präsentation der Sammlung sollte chronologisch die Entwicklung von Richtungen und Schulen darstellen.162 Der dazu publizierte Katalog listet alle ausgestellten Werke mit Werkangaben, Provenienz und Sammlungseingang nach Räumen. Es rückten Künstler und Richtungen der Avantgarde ins Zentrum, die im neoklassizistischen Konservatismus der künstlerischen Ausstattung des Palais de Tokyo Ende der 1930er Jahre noch abseits standen und auch von den Nationalsozialisten seit 1936 als »entartet« verfemt und verfolgt wurden.163 Demnach waren zwei Säle den Neo-Impressionisten und der Schule von Pont-Aven reserviert. Im Saal 1 der Neo-Impressionisten im Rez-de-Chaussée haut waren Les Iles d’Or von H.-E. Cross und Arbeiten Paul Signacs, darunter Port de Marseille, zu sehen, sowie Werke von Maximilien Luce. Es folgte in Saal 2 die Schule von Pont-Aven mit Paul Sérusier, Émile Bernard, Louis Anquetin und Charles Laval.164 Allerdings fehlten aufgrund der neuen Jahrgangsregelung jeweils Gauguin und Seurat, »tous les deux appelés à la gloire du Louvre«.165 Hervorhebungen in Bernard Dorivals Bericht lassen erkennen, wo der Kurator Schwerpunkte sieht: Maurice Denis sei mit 13 Gemälden vertreten, Edouard Vuillard mit 26, Pierre Bonnard mit einem »ensemble prestigieux de 16 chefs d’œuvre«, dazu der Saal 4, sowie Félix Valloton in Saal 6, Suzanne Valadon in Saal 5, »qu’accompagne son fils Maurice Utrillo« (Abb. 66166). Auf die Nabis folgten in Saal 7 und 9 die Fauvis-
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66 Musée national d’Art moderne, salle Pierre Bonnard, vor 1960, Dokumentationsansicht aus einem Museografie-Album des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
ten167: Rouault, von dem das MNAM eine der schönsten Sammlungen jüngerer Malereien zeige, Vlaminck mit 12 Gemälden, Derain mit 9, Marquet mit 14 Gemälden in Saal 10 und eine umfassende Präsentation von Raoul Dufy. Matisse in Saal 11 »triumphiere« mit 11 Gemälden, 6 Zeichnungen und einer Büste. Saal 12 schloss sich mit »Autour du Fauvisme« an. Den Kubisten wird eine herausragende Bedeutung zugeschrieben. Von Braque in Saal 15 heißt es, er »herrsche« in einem Saal mit 11 Gemälden, ebenso wie Picasso in Saal 19 mit 13 Malereien und La Fresnaye in Saal 16 zusammen mit Maria Blanchard. Um diese drei gruppierten sich weitere zentrale Künstler in den Sälen 14, 17 und 18: »Léger, Gleizes, Marcoussis, Juan Gris, Delaunay, Jacques Villon, André Lhote, Bissière«. Als weitere solche »résistance au Cubisme« werden »Primitifs du XX siècle« in Saal 13, Neo-Naturalismus in Saal 20 mit dem Titel »La Réaction réaliste« sowie Expressionismus und Surrealismus gezeigt.168 Besonders die etablierten »Meister« der Nabis, Roussel, Maurice Denis, Vuillard und Bonnard, der wirklich »der göttliche, wie Mozart« sei, beeindruckten im August 1947 in Combat.169 Vuillards Werke hatte der Künstler zum Teil zu Lebzeiten, zum Teil nach seinem Tod, dem Museum vermacht. Die Nu couchée von Bonnard war kurze Zeit vor Eröffnung des Museums anlässlich der Vente Fénéon erworben worden.170 Saal 3 war
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67 Musée national d’Art moderne, salle Georges Braque, vor 1960, Vitrine mit biografischen Informationen sowie Werkreproduktionen und Zitat, Dokumentationsansicht aus einem Museografie-Album des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
dabei der größte des Museums und dreigeteilt. Von Maurice Denis waren frühe Werke wie La Famille Mellerio und Les Muses (1898) zu sehen, Werke religiöser Sujets aus der Zeit nach 1910 und italienische Landschaften. Von Roussel zeigte man unter anderem die große Komposition Les Filles de Leucippe und die Landschaft La Route.171 Ausgestellte Künstler reichten bis in die Gegenwart, darunter Waroquier, Fougeron, aber auch Herbin, eine einzige Arbeit von Modigliani fand sich, jedoch keine von Soutine. Die Präsentation erscheint didaktisch mit Stilmöbeln und der Einrichtung von »period rooms« im Untergeschoss. In Vitrinen wurden Traditionslinien und Biografien auf bereitet. Ein anschauliches Beispiel davon gibt die Vitrine zu Georges Braque, in der über einem Zitat aus seinen Pensées et réflexions sur la peinture von 1917 zu Zielen der Malerei, Fotografien von Braque im Atelier und mit Bekannten, sowie Reproduktionen von Werken Louis Le Nains, Philippe de Champaignes, Chardins und Corots illustrieren sollten, dass Braque in der »grande tradition française« stehe (Abb. 67172). Jüngere Strömungen wurden in der oberen Etage gezeigt. Die Säle zeigten nacheinander Expressionismus in Saal 22, dazu die École de Paris in Saal 23 sowie Surrealismus und Nebenrichtungen in Saal 24.173 Im Raum »Expressionisme / École de Paris« zeigte
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68 Musée national d’Art moderne, salle 1900, vor 1960, Dokumentationsansicht aus einem MuseografieAlbum des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
man Yves Alix, Marc Chagall (Maternité, 1925; L’Acrobate, 1930; beide aus dem Fonds des Jeu de Paume), Tsuguharu Foujita, Marcel Gromaire, Moïse Kisling, die erwähnte Arbeit Modiglianis (Lolotte, 1917; aus dem Jeu de Paume), den Bulgaren Jules (Julius Pincas) Pascin und den Polen Eugène Zak. Der Surrealismus war vertreten mit Arbeiten von de Chirico (Lutte antique, aus dem Fonds des Musée du Jeu de Paume), Jean Fautrier (Le sanglier (écorché) und Le Christ en croix), Dalí (Composition, 1933, aus dem Jeu de Paume), Yves Tanguy ( Jours de lenteur, 1937), André Masson und Francis Picabia (Le Printemps, 1935). In Saal 25 wurden Arts Décoratifs ausgestellt. Dorival spricht von einer jüngeren Renaissance der Tapisserie für die gezeigten von Dufy, Lurçat, Gromaire, Saint-Saëns, Coutaud, Dom Robert, Picart Le Doux und Guignebert. »Zahlreiche« Vitrinen mit Keramik-Arbeiten zeigten zudem die »Vitalität der französischen Keramik-Tradition«. Es folgten Impressionisten-Nachfolger in Saal 26, unter anderen Brianchon, Legueult, Chastel, Marguerite Louppe, Cavaillès, Limouse, Caillard, Terechkovitch, Laillard, und Neo-Humanisten in Saal 27 mit Oudot, Chapelain-Midy, Poncelet, Planson, Aujame. In Saal 28 hingen die Arbeiten der Forces Nouvelles-Gruppe (Lasne, Jannot, Humblot,
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69 Musée national d’Art moderne, Skulpturenhalle, vor 1960, mit Antoine Bourdelle: Héraklès archer (Héraklès tue les oiseaux du lac Stymphale), 1909, heute Musée d’Orsay, Dokumentationsansicht aus einem Museografie-Album des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Rohner), drei jüngere Positionen (Gruber, Marchand, Coutaud) in Saal 29, an die sich Saal 30 mit dem »Konstruktivismus« anschloss (Desnoyer, Gischia, Bazaine, Manessier, Le Moal, Robin, Walch, Pignon, Mouly, Fougeron).174 Dieses »dynamische« Bild der zeitgenössischen Kunstproduktion ergänzte das »statischere« von Salons im Untergeschoss.175 Neben den Skulpturensälen zeigten diese Kunst seit 1900 geordnet nach den verschiedenen Pariser Salons. Saal 32 zeigte die Zeit von 1900 bis 1914 (Abb. 68). Saal 33 den Salon des Artistes Français, Saal 34 den Salon de la Nationale, Saal 35 den Salon des Indépendants, die Säle 36 bis 38 den Salon d’Automne.176 Im Bereich der Skulptur hält sich eine Wertschätzung der Arbeiten von Bourdelle (10 Werke) und Maillol (9), die schon die Erstausstattung des Gebäudes begleiteten und nun mit zahlreichen Arbeiten präsent sind, und der »traditionalistischen« Tendenzen mit Despiau (10 Arbeiten), Pompon (17), Wlérick, Jane Poupelet, Bouchard und Landowski (Abb. 69–70). Ihnen steht die Avantgarde um Brâncus, i, Henri Laurens und Lipchitz gegenüber.177
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70 Musée national d’Art moderne, ein Skulpturensaal vor 1960, in der Mitte Charles Despiau: Le Réalisateur, 1930, heute Musée Despiau-Wlérick, Mont-de-Marsan, Dokumentationsansicht aus einem Museografie-Album des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Sammlung und Ankäufe reichten nicht aus, um allen Publikumserwartungen gerecht zu werden. Eine Kritik in Le Monde vom 17. September 1947 monierte die »beliebige« Auswahl, die kein vollständiges Bild der französischen Kunst um 1900 gäbe – schon weil die Impressionisten separiert waren, aber auch weil Künstler fehlten, etwa Albert Besnard, Eugène Carrière oder Raffaëlli, und Werke des Dekorateurs Henri Martin.178 Eine Kritik in Combat bezeichnet im August 1947 die frühen Ankäufe als »reaktionär« und »bourgeois«: »[...] à combien de gens sortis déçus ou même furieux du Palais de New York n’ai-je pas dû répéter que le meilleur n’était pas là: que l’Etat, c’est-à-dire le gouvernement et les administrations successives, de droite ou de gauche, manifeste obstinément en matière d’art le même goût réactionnaire et bourgeois; que M.M. Cassou et Dorival faisaient leur possible pour rémédier à l’irrémédiable [...]«179
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DIE SCHRECKEN DER KONZENTRATIONSL AGER IN DER KUNST: EIN RAUM GUERRE – RÉSISTANCE Die scheinbar in Vergessenheit geratene größte Besonderheit der Präsentation des MNAM 1947 war der kleine, äußerste Raum 31 im Obergeschoss (Abb. 71). Hier zeigt sich der Ausstellungsort als Interaktionsraum von Ästhetik und Politik. Im Katalog trug er den Titel Guerre 1939–1940 – Résistance. Er thematisierte aber nicht wirklich Krieg und Widerstand. Gezeigt wurden sieben Künstler. Der Katalog hebt bei den Lebensdaten ihre Todesumstände hervor. Von François-René Bernard (1913–1944), gestorben in der Deportation, wurde Portrait de Tristan Bernard gezeigt (1932, Ankauf der Musées nationaux 1946; heute Musée d’Art et d’Histoire du Judaisme); von Léon Delarbre (1889–1974), dem 1944 deportierten Kurator des Musée des Beaux-Arts in Belfort, wurden seine heute im Musée de la Résistance et de la Déportation in Besançon180 ausgestellten Zeichnungen, Dessins et croquis, gezeigt und dazu vermerkt, dass sie in Konzentrationslagern entstanden: »Executés à Buchenwald, Auschwitz, Dora, Bergen-Belsen«. Von Léon Hekking – »mort sur les barricades, lors de la libération de Paris, août 1944« – wurde ein Gemälde Bouquet gezeigt (Ankauf der Musées nationaux 1945). Von Richard Maguet (1896–1940) – »mort au champ d’honneur 1940« – zwei Gemälde, Femme tricotant und Nature morte (Ankäufe des Staates aus dem Musée du Luxembourg von 1937 und 1932). Von Jean Oberlé (1900–1961) wurden ein 1940 vom Staat angekauftes Ölportrait von Max Jacob und Marchande de fleurs (Ankauf des Staates 1945) gezeigt. Von Eric Peters (1911–1942), den die Deutschen erschossen, wurden Zeichnungen aus dem Gefängnis gezeigt, Dessins exécutés à la prison de Fresnes, en 1942 (Ankauf der Musées nationaux 1945). Und schließlich von Boris Taslitzky (1911–2005), der in Buchenwald an die zweihundert Zeichnungen schaffen konnte, das bekannte gewaltige, drei mal fünf Meter große Ölbild mit der Darstellung des Grauens, der Kadaver und Massengräber im Konzentrationslager Buchenwald, Le petit camp à Buchenwald, en février 1945, ein Ankauf des Staates 1946 (Abb. 72). Schon im Katalog zu Art et Résistance wurde sein Buch Cent onze Dessins de Boris Taslitzky faits à Buchenwald, mit einer Einführung von Julien Cain, des Direktors der Bibliothèque nationale, angezeigt.181 Es liegt der Verdacht nahe, dass die Initiative zu diesem Ausstellungsraum von Jean Cassou ausging, als eine geistige Fortführung der Ausstellung Art et Résistance 1946. Erstaunlicherweise war auf dieser Ausstellung 1946 bis auf Boris Taslitzky mit seiner Zeichnung Je te salue, ma France!, keiner der in diesem Museumssaal ausgestellten Künstler gezeigt worden, auch nicht die anderen beiden Überlebenden Delarbre und Oberlé. Der Ausstellungsraum im MNAM 1947 kann also absolute Eigenständigkeit beanspruchen. Er stellt die Zeugenschaft der Künstler in den Kontext der künstlerischen Repräsentation der Wirklichkeit, lange bevor Claude Lanzmanns Film Shoah (1985)
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71 Musée national d’Art moderne, Ausstellungsplan von 1947, erster Stock, Raum 31 zeigte Werke von Künstlern, die von den Deutschen getötet oder in Konzentrationslager deportiert wurden, aus Jean Cassou, Bernard Dorival, Geneviève Homolle: Musée National d’Art Moderne. Catalogue-Guide, Paris 1947
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72 Boris Taslitzky: Le petit camp à Buchenwald, 1945, Öl auf Leinwand, 300 × 500 cm, Paris, Musée national d’Art moderne, Centre Pompidou
und Steven Spielbergs Schindler’s Liste (1993) die Diskussion um die Repräsentierbarkeit des Holocaust neu entfachten. Was bedeutet die Ausstellung dieser Arbeiten im MNAM 1947 für ihren Status als Kunstwerke? Jean-Luc Nancy hat anlässlich eines Vortragszyklus über die Repräsentation der Vernichtung im Gedenkort Maison d’Izieu – Mémorial des enfants juifs exterminés anhand der Zeichnungen des polnisch-französischen Künstlers David Olère (1902–1985), der Auschwitz überlebte, festgehalten, dass die Frage der Darstellbarkeit der Lager deshalb verworren ist, weil sie Fragen der Legitimität und Unmöglichkeit vermischt – wer hat das Recht, was darzustellen? »On ne s’indigne pourtant pas du tableau de David Olère qui représente les déportés dans la chambre à gaz [...] (Si l’on dit que David Olère est lui-même un rescapé pour lui reconnaître un droit que nous n’aurions pas, cela ne touche pas au tableau lui-même. [...] non plus au point de savoir jusqu’où le peintre rescapé est exactement le même que le déporté).«182 Wenn die Frage des Rechts nicht das Kunstwerk selbst betrifft, und dieses als Repräsentation stets die Präsentation des Abwesenden ist – »elle est la présentation de ce qui ne se résume pas à une présence donnée et achevée« –, dann führt die Annahme, die Darstellung des Holocaust sei unmöglich, zu einem Verbot, die Vernichtung der Juden in eine Präsenz zu überführen oder eine sinnlich erfahrbare Realität anzubieten. Genau dies vollziehe sich aber in Monumenten oder Denkmälern. In diesen Gedanken
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schließt Nancy Skulpturengruppen in Yad Vashem ebenso ein wie Werke wie jene von David Olère. Solche Arbeiten seien nicht kritisierbar, da sie sich ästhetischen Kriterien entzögen, indem sie nicht repräsentieren, sondern als Zeichen gedenken, auch wenn sie mehr sind als etwa öffentliche Hinweisschilder auf »Orte des Schreckens«, die mit ihren Hinweisen zugleich auch ihre Unfähigkeit mitteilen, Kunstwerke zu sein. Für Nancy ist die eigentliche Frage die des Schicksals der Repräsentation selbst in den Lagern, die Erkenntnis, »que l’effectivité des camps aura tout d’abord consisté dans un écrasement de la représentation elle-même, ou de la possibilité représentative [...] de sorte que cela, en effet, ou bien n’est plus à représenter en aucune façon, ou bien met la représentation à l’épreuve d’elle-même: comment faire venir à la présence ce qui n’est pas de l’ordre de la présence?«183 Die Wahrheit der Vernichtung wurde in den Lagern unterdrückt und ist in Repräsentationen der Shoah unfassbar. Dies verbietet aber nicht Kunstwerke, die sich mit ihr befassen. So gesehen, hat die Hängung im MNAM 1947 in einem separaten Raum genau jene Wirkung der Darstellungen als Kunstwerke zur Folge, die Nancy differenziert: Sie sind nicht als Kunst in den kunstgeschichtlichen Parcours eingereiht, sondern sind Zeichen, die an dessen Ende mit den Mitteln der Kunst der Vernichtung in den Konzentrationslagern gedenken. Das Museum kommentiert damit nicht die Repräsentierbarkeit des nicht Darstellbaren, sondern räumt dem Gedenken einen Raum ein. Mit den Mitteln der Ausstellung trägt es auch zur Wiederaneignung des von den Deutschen zweckentfremdeten Museums bei. Zur Eröffnung des MNAM befinden sich dort immer noch geraubte Klaviere aus jüdischem Besitz, zum Teil bis ins Jahr 1948.184 Dieses Gedenken ist so kurz nach der Befreiung – Frankreichs und der Konzentrationslager – auch eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Wiederaufnahme des ästhetischen Genusses der Wirklichkeitswiedergabe überhaupt, die die Kunst ist. Daneben zeigt sich hier mit einem Ausstellungsraum zu Krieg und Widerstand die zentrale gesellschaftliche Funktion, die dem Museum für die Bildung politischen Bewusstseins und die Konstitution demokratischer Öffentlichkeit zukommt. 1947 scheint Kurator Dorival mit den Schlussworten seines Berichts an die Vorkriegsidee des internationalen Austausches anzuknüpfen. Zugleich schließt sich ein Kreis zu Louis Hautecoeur, der in den 1930er Jahren für den Bau des Palais de Tokyo warb mit Hinweis auf die »unwürdige« Situation der modernen Kunst in Paris. Dorival schreibt, Paris müsse nun nicht mehr auf das MoMA neidisch sein: »Désormais, Paris n’a plus à envier New-York et son Musée of Modern Art. De l’aveu unanime, le Musée National d’Art Moderne est le plus beau musée d’art contemporain du monde.«185 Jean Cassou schloss sich dieser Einschätzung in einem kurzen Text vom März 1948 an, aus dem auch die ersten Sonderausstellungen hervorgehen: Chagall, Permeke und Klee. 1948 folgten eine über die belgische Künstlerkolonie Laethem Saint Martin zwischen 1890 und 1940, und Retrospektiven von Suzanne Valadon und Albert Marquet.186
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Z WISCHEN VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG UND K ANONISIERUNG DER MODERNE: AUSSTELLUNGEN UND MUSEUMSBETRIEB IN DEN 1950ER JAHREN Die Wiederaneignung der Moderne im MNAM 1947 stellte ein kuratorisches Bekenntnis zu politischer und künstlerischer Freiheit dar. Dennoch wurde schon bald ein mangelndes Engagement für aktuelle Gegenwartskunst seitens des Staates und der nach wie vor nicht progressiven Académie des Beaux-Arts offensichtlich. Ausstellungen des MNAM im Palais de Tokyo bleiben auf eine im weiteren Sinne »klassische« Moderne beschränkt und offenbaren eine Zurückhaltung gegenüber aktueller Gegenwartskunst.187 Deutlich heben sich davon Ausstellungsinitiativen ab, die ab den 1960er Jahren in Paris verstärkt ein aktuelles Bild der jüngeren und internationalen künstlerischen Produktion geben: Die Biennale de Paris ab 1959, der experimentelle Ausstellungsraum ARC im MAM Paris im Ostflügel des Palais de Tokyo ab 1967 und das 1967 gegründete staatliche Centre National d’Art Contemporain CNAC. Der Pariser Kunstmarkt erlebt in den 1950er Jahren vor allem im Bereich der Malerei steigende Preise. Raymonde Moulin spricht in diesem Zusammenhang von einer »Pictomanie«, begünstigt durch den wirtschaftlichen Aufschwung, das Fehlen einer Kapitalertragssteuer, das Interesse an Malerei in allen Schichten und das Sozialprestige des Kunstbesitzes.188 Die Preissteigerung betrifft überwiegend jüngere Maler.189 Ab 1962 sinkt die Nachfrage infolge der Finanzkrise an der Wall Street im Mai 1962. Zudem trennen sich führende amerikanische Sammler von nicht-figurativen Gemälden. Eine Flaute der Pariser Börse von 1962 bis 1965 tut ihr Übriges dazu.190 Charakterischen Entwicklungen des Kunstmarktes scheint das MNAM mit etwa einem Jahrzehnt Verzögerung zu folgen. In der Nachkriegszeit sind internationale Künstler in Paris selten, und wenn, dann in Galerien zu sehen. Kandinsky hat eine Retrospektive in der Galerie Drouin 1946, Klee im MNAM selbst 1948, die Galerie Maeght zeigt 1947 die ausländischen Künstler Calder, Sutherland, Pollock und Tàpies und 1948 Miró.191 Das MNAM greift diese Positionen im Zeitraum von zehn bis fünfzehn Jahren auf: Graham Sutherland 1952, Douze Peintres et Sculpteurs Américains Contemporains 1953, Pollock 1959, Calder 1965. Am Markt reüssieren auch progressive malerische Positionen, besonders Künstler aus dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts, etwa Hartung, Poliakoff, Soulages und Dubuffet, und vorzeitig verstorbene wie Wols, Nicolas de Staël, Pollock und Atlan.192 Auch hier folgt das MNAM später, etwa mit einer Ausstellung Atlans 1963 oder Hartungs 1969 und ausgewählten Ankäufen von Hartung, Soulages und Pollock, eine Ausnahme bildet die Retrospektive de Staëls im Jahr nach seinem Tod, 1956. In Paris ist man noch mehrheitlich vom Marktstandort und der École de Paris überzeugt, was eine Zurückhaltung bei Ausstellungen internationaler Künstler bedingt.193 Während deutsche Sammler und Museen in den 1960er Jahren zum Erstarken der amerikanischen Kunsthändler und der Pop Art beitrugen und Paris als Markt
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73 Musée national d’Art moderne, Eingangsbereich, 1964, im Hintergrund Robert Delaunay: Reliefs pour l’escalier du Palais des Chemins de Fer, 1937, bemalte Holzreliefs, 530, 590, 620, 630 × je 200 cm, Auftrag des Staates zur Weltausstellung, Schenkung von Sonia und Charles Delaunay 1964, Dokumentationsansicht des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
ins Hintertreffen geriet, wurde diese Entfremdung auch durch eine letztlich »elitäre« Haltung der dort seit den 1950er Jahren dominanten abstrakten Malerei begünstigt, die anders als das Kino kaum in der Lage war, die breite gesellschaftliche Erneuerung zu erfassen (Abb. 73).194 Unter Jean Cassou war internationale Vernetzung hingegen ein Hauptaspekt des jungen Museums, das er 1948 in der ersten Ausgabe der UNESCO-Zeitschrift Museum als ein »Aktivitätszentrum« definierte: »Un musée d’art moderne n’est pas un cadre rigide: c’est un centre d’activité.«195 Schon im selben Jahr erschien ein kleines zweisprachiges, französisch-englisches Bilderbuch des MNAM.196 Im Catalogue-Guide 1954 hebt Cassou den schnellen internationalen Aufstieg des Hauses hervor, mit Einladungen nach Brüssel, ins Palais des Beaux-Arts und Amsterdam zur Ausstellung Cent chefs d’œuvre du Musée National d’Art Moderne de Paris, 1952. An der Präsentation der Sammlung hat sich bis dahin wenig verändert, wie der Katalog von 1954 zeigt. Lediglich eines fällt auf: Der Raum 31 Guerre – Résistance ist nun den »écoles étrangères« gewichen. Die Ausstellungspräsentation bildet damit einen
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Übergang von der Aufarbeitung der Gräuel zur internationalen Verständigung ab, zu der Cassou sein Haus beitragen sieht, zu den »cordiaux échanges d’œuvres et d’idées, à cette vaste circulation artistique qui, dans notre époque tragique, constituent le seul aspect positif et consolant que nous appelons la civilisation moderne«. 197 Die Schrecken der Vergangenheit sind nicht verschwunden, treten aber in den Hintergrund. Der ersten temporären Ausstellung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: Die Retrospektive Chagalls fand vom Oktober bis Ende Dezember 1947 statt und ging danach nach Amsterdam und in die Tate Gallery. Cassou bereitete sie in persönlicher Abstimmung mit Chagall vor. Da dieser acht Werke aus der Sammlung P. A. Regnault im niederländischen Laren als unabdingbar ansah, diese jedoch erst spät nach Paris gesandt wurden, verzögerte sich die Eröffnung sogar auf Ende Oktober.198 Cassou fragte alle großen Museen nach Leihgaben an, darunter auch das MoMA und die 1937 gegründete Solomon R. Guggenheim Foundation. Deren Gründungsdirektorin Hilla von Rebay, die zu dieser Zeit in Manhattan mit Frank Lloyd Wright den Bau des 1959 eröffneten Guggenheim-Museums als Nachfolger des 1939 unter ihrer Leitung eröffneten Museum of Non-Objective Painting plante, beschied die Anfrage in einem etwas beleidigten Brief negativ. Sie warf Chagall Undankbarkeit darüber vor, dass er dank ihrer Hilfe 1941 mit seiner Familie in die USA habe übersiedeln können, in die Sammlung aufgenommen wurde und seine erste Einzelausstellung ausgerichtet bekam.199 Für Cassou ist Chagall jedoch »l’un des plus admirables artistes de notre temps«: Der Tate Gallery kündigte er die Ausstellung als Begrüßung der Rückkehr des Künstlers nach Europa an. 200 Die Wahl Chagalls ist künstlerisch und politisch signifikant. Ausgestellt wird ein ins Exil gezwungener jüdischer Künstler, dessen Leben und Werk zugleich auf den Stellenwert von Paris als internationaler Kunstmetropole und der École de Paris verweisen. Seine einzigartige Formensprache entspricht Cassous Wunsch, der zeitgenössischen Entwicklung zu folgen, und ist doch schon hinreichend etabliert, um das MNAM in der Reihe der internationalen Museen zeitgenössischer Kunst zu positionieren, nicht zuletzt in der Zusammenarbeit mit Amsterdam und London. Am wichtigsten dürfte aber der symbolische Auf bruch gewesen sein, den die Befreiung des MNAM und Abkehr von den Schrecken der Vergangenheit ausdrücken. Die Retrospektive zeugt auch von der Arbeit an einem Kanon der modernen Malerei. 1948 eröffnete im MNAM auf Initiative Jean Cassous ein Saal, der den »primitifs français«, der »naiven« Malerei, gewidmet war. Er trug den Namen des 1947 in Paris verstorbenen Wilhelm Uhde. Uhde, dessen bedeutende Sammlung im Ersten Weltkrieg, wie der Bestand der Galerie Kahnweiler, als deutschstämmig beschlagnahmt worden war, war einer der frühesten Sammler und Förderer des Douanier Rousseau und Séraphines. Vorangegangen war eine Schenkung in seinem Andenken. 201 In der Presse fanden sich Artikel, die den Saal sehr begrüßten. 202 Er offenbart ein Verständnis eines Bildungsauftrages, dessen Kriterium ästhetische Autonomie ist. Das Beispiel einer Ausstellung hai-
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tianischen Maler wird aber noch zeigen, dass diese stets an der französischen Moderne gemessen wird. Jean Cassou zielt primär auf Ermöglichung des ästhetischen Erlebnisses, das gleichwohl einer Anleitung bedarf. Der didaktischen Auf bereitung maß er große Bedeutung zu, wobei er Vitrinen als Begleitmedium favorisierte, wie nicht nur Dokumentationsfotografien des Museums zeigen, sondern auch ihre Abbildung in Veröffentlichungen Cassous. So schreibt er in einem Beitrag für Museum 1949, erst durch die Begleitumstände erlangten Kunstwerke Bedeutung für Besucher. Sinnvolle Kontextualisierung müsse die unterschiedlichsten sozialen Hintergründe der Besucher berücksichtigen, und erst sie ermögliche dem Kunstwerk seine Aufgabe, ästhetische Bewegtheit hervorzurufen. 203 Die Beziehung des Kunstwerks zum sozialen Leben in der Gesellschaft rührt dabei für Cassou von seinem Übergang aus dem ursprünglichen politischen und religiösen Funktionskontext in den musealen, wo es erst seine wahre Funktion ausübt, die »according to a well-known definition, might be to ›give pleasure‹« – die Inspiration einer ästhetischen Reaktion. 204 Die Dichotomie von politischem und religiösem Ursprungskontext und ästhetischer Autonomie im Ausstellungskontext scheint, wie schon gesehen, Walter Benjamins Überlegungen zum Kult- und Ausstellungswert nahe zu stehen. Da sie miteinander bekannt waren, kannte Cassou möglicherweise die französische Übersetzung von Benjamins Kunstwerk-Aufsatz. Denkbar ist eine Mittlerrolle des zwei Jahre vor Cassous Aufsatz erschienenen Musée Imaginaire von André Malraux, das maßgeblich auch von Benjamins Text inspiriert ist, von dem Malraux ein Widmungsexemplar besaß. Dass Jean Cassou dem Objektcharakter moderner Kunstwerke aufgeschlossen entgegentrat, zeigen etwa seine Ausführungen zum »Maschinismus« der Neuzeit im Gedankenbuch Situation de l’Art Moderne 1950. Das Ready-made Duchamps etwa sei ein Objekt aus Objekten, das Objekte und Maschinen imitierte, wo es theoretisch eine Funktion übernehmen könnte. Für Cassou ist der entscheidende Punkt, dass diese Dimension des möglichen Erwachens eines Kunstwerks zur Maschine magisch bleibt, denn die Aussage des letztlich stets funktionslosen Kunstwerks bleibe, dass es den Objektcharakter von Kunstwerken im allgemeinen affirmiert: »C’est par leur analogie avec les machines que les œuvres d’art affirment cette objectivité, cette choséité, cette Sachlichkeit.« 205 So aufgeschlossen sich Cassou auch gegenüber einem künstlerischen Schaffen der Zeitlichkeit zeigt, von der Poesie Tristan Tzaras bis zur atonalen Musik, liegt der objekthaften Einheit jedoch letztlich ein orthodoxer Werkbegriff zu Grunde, der kunsthistorisch argumentiert. 206 Dieses Denken bleibt der Kanonisierung einer bestimmten Vision der Moderne und einem nationalen Auftrag verpflichtet. Nur drei Jahre nach der Eröffnung zeigte das MNAM im Oktober und November 1950 neunzehn haitianische Maler. Dies hätte eine Möglichkeit geboten, die koloniale Vergangenheit Frankreichs in einem binationalen Kontext zu thematisieren. Doch trotz Cassous Antifaschismus und Ansichten zu politischer Freiheit ist man von einem postkolonialen Verständnis sehr weit entfernt. Die haitianischen Maler werden in einem tra-
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ditionellen kunsthistorischen Zugriff mit ebenjener naiven Malerei erfasst, der gerade ein Saal gewidmet wurde. Termine im MNAM ergaben, dass die aus dem städtischen Museum in Amsterdam übernommene Ausstellung mit sechzig Gemälden eigentlich 1951 hätte gezeigt werden müssen. Aber DeWitt Peters, der Direktor des Haitianischen Kunstzentrums in Port-au-Prince, teilte im März 1950 mit, dass sie noch in Haiti und der New Yorker Dependance Haitian Art Center gezeigt werden sollte. 207 Bernard Dorival schrieb Peters im März 1950, die Ausstellung werde die traditionellen freunschaftlichen Verbindungen Frankreichs und Haitis wiedererstarken lassen: »Mais nous avons tant à coeur de faire cette manifestation qui reserra les liens traditionnels de culture et d’amitié qui unissent Haiti et la France, que nous n’hésitions pas à bouleverser notre calendrier [...].« 208 Ausgestellt wurden Werke von Künstlern, die heute als die großen der ersten Generation haitianischer Künstler gelten: Gesner Abelard, Toussaint Auguste, Castera Bazile, Rigaud Benoit, Wilson Bigaud, Dieudonné Cédor, Préfète Duffaut, Jacques-Enguerrand Gourgue, Hector Hyppolite, Joseph Jacob, Jasmin Joseph, Adam Leontus, Philomé Obin, André Pierre, Louverture Poisson, Micius Stéphane und Robert St. Brice. 209 Für Cassou und Dorival hat die Ausstellung, die danach noch in Brüssel, Bern und im AmerikaInstitut München gezeigt wurde, ein großes Interesse, da Haiti frühere französische Kolonie war. Haiti hatte sich 1804 nach jahrelangen blutigen Befreiungs- und Bürgerkriegen von Frankreich unabhängig erklärt. Eine von Napoleon gesandte Armee hatte daran nichts ausrichten können. Damit wurde es zur ersten unabhängigen Republik von Schwarzen und Afroeuropäern. Allerdings hatte Frankreich für die Unabhängigkeit und zur Kompensation des wirtschaftlichen Ausfalls jahrzehntelang enorme Entschädigungssummen von Haiti erhalten – die »kulturellen und freundschaftlichen« Verbindungen, von denen Dorival spricht, erscheinen geschönt. Seine Bitte an den Directeur des musées de France um Kostenübernahmen argumentiert mit der Bedeutung Haitis als früherer Kolonie und benennt so vorsichtig eine Verantwortung gegenüber haitianischen Künstlern: »M. Cassou et moi, nous nous permettons d’insister auprès de vous pour que les Musées Nationaux veuillent bien la prendre en charge. D’autant qu’il serait presque inconvenant que les peintres d’un pays qui fut une ancienne colonie française, et dont le français est encore la langue officielle, exposassent à Amsterdam, à Bruxelles, à Berne, à Munich et ne le fissent pas à Paris.« 210 Kunsthistorisch aber wird die haitianische Malerei in der Richtung der »naiven« Malerei eingeordnet, die knapp zwei Jahre zuvor im MNAM mit der Salle Uhde ihren Platz im Kanon der modernen Malerei erhalten hatte. Die Presseerklärung zur Ausstellung stellte keine Verbindung zur Kulturgeschichte Haitis her. Vielmehr präsentierte sie
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diese Malerei als geschichtslose Kunst an den vermeintlich voraussetzungslosen Quellen künstlerischen Schaffens: »›Dix-neuf peintres d’Haïti‹, une note était remise aux journalistes: ›Notre siècle se plaît à remonter aux sources de la création artistique, sursaturé de grands talents et las de toute peinture savante; il apprécie davantage l’art sans histoire, l’art des primitifs, des aliénés, des enfants et des peintres du dimanche. C’est à ces derniers que s’apparentent les peintres d’Haïti...‹.« 211 Auch der Artikel, der die Presseerklärung rezipiert, nimmt sie als reine Freude am Malen, »[…] qu’elle se contente d’exister, d’être une peinture heureuse, satisfaite, d’ellemême et de la joie qu’elle peut ainsi procurer«. 212 Die Presseerklärung selbst führt die Entdeckung zweier Maler, Philomé Obin und Hector Hyppolite, und die Förderung der haitianischen Künstler auf den amerikanischen Lehrer DeWitt Peters und sein Centre d’Art von 1943 zurück. Peters habe so einen Metzger, einen Polizisten, einen Monteur und einige junge Bauern zur Malerei animiert. Das Fehlen einer Kunsttradition Haitis wird im Rekurs auf Life in a Haitian Valley (1937) des amerikanischen Anthropologen und Pioniers der African-American Studies Melville Jean Herskovits in pseudo-verständnisvoller Weise auf die Langzeitwirkung der weißen Dominanz zurückgeführt und als Verlust der afrikanischen Wurzeln interpretiert. Von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Katastrophen des gebeutelten Landes ist keine Rede. 213 Um 1904 hätten sich einige Pariser Maler der expressiven »art nègre« geöffnet, aber die Sklavennachkommen seien scheinbar unfähig zu kreativem Schaffen, außer in der Musik. Die verfälschend verkürzte Ausführung zur Unabhängigkeit Haitis unterschlägt überdies die Sklavenaufstände in den 1790er Jahren: »Mais tandis que l’avant-garde européenne s’inspire de l’art africain, le nègre en Amérique est tellement intimidé par la civilisation des ses anciens maîtres qu’il semble incapable de tout travail créateur sauf dans le domaine de la musique. Cependant au milieu de l’Archipel des Caraïbes un petit pays avait mis à profit le désordre créé par les guerres de Napoléon pour reconquérir son indépendance. Le premier état nègre d’Amérique, la République d’Haïti avait vu le jour en 1804 et s’était maintenu depuis libre de toute domination blanche.« 214 Dieser kurze Bezug zum Kolonialreich Frankreichs hat keine selbstkritische Haltung. Die Presseerklärung und ihre Wirkung dagegen offenbaren die Arbeit an einem kunsthistorischen System und Kanon. Stil- und Enwicklungformeln wie »grands talents«, »peinture savante«, »sources de la création artistique« dienen als Abgrenzungskriterien, mit denen diese Malerei ex negativo verortet und scholastisch in die Nähe der »naiven«
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Malerei eingeordnet wird – deren Etablierung das MNAM mit dem Wilhelm-Uhde-Saal vorangetrieben hat. Auch bei Cassous Reflexion der Funktion temporärer Ausstellungen im Museum bildet die teleologische Konzeption »Kunstgeschichte« den Fluchtpunkt. 1951 schreibt er in Museum: »The history of modern art is still in the making; our view of it is constantly changing as we regard it from a fresh point of view […] The temporary exhibitions at the Musée d’art moderne are the most striking means by which the museum fulfills its function as a living organization.« 215 Kriterien sind demnach der künstlerische Beitrag zum kunsthistorischen Entwicklungshorizont, die mögliche Wechselwirkung der französischen Kunst mit der internationalen, die Aufzeichnung von Entwicklungen und die Stimulierung des Kunstschaffens vor Ort. Als erstes Beispiel nennt er dort die Chagall-Retrospektive. Der Auftrag des Kunstmuseums ist ein Bildungsauftrag, der auf das kollektive Bewusstsein der Gesellschaft wirkt, die aber national gedacht ist. Die künstlerische Bedeutung sollte dem Publikum durch eine kunsthistorische Einordnung der Entwicklung von Chagalls Werk deutlich gemacht werden. 216 Solche Ausstellungen sollen auf Publikum, die Kunst und ihren Beitrag zur universellen Zivilisation wirken: »The object this institution has pursued is to influence the public, to influence art itself, its power of self-definition and its appreciation of its own potentialities, its own force, and its contribution to the world’s civilization.« 217 Bestimmend bleibt die Sicht auf die Stellung der französischen Kunst zur Welt. Die weiteren Wechselausstellungen der 1950er Jahre auf der im Anhang gegebenen Liste der Ausstellungen bestätigen dieses Bild. Sie zeigen nicht neueste Entwicklungen der Gegenwartskunst, sondern sind entweder Überblickschauen, die zur Kanonisierung einer kunsthistorischen Sicht auf die Moderne beitragen, wie etwa Le Cubisme 1953, Le dessin de Toulouse-Lautrec aux Cubistes 1954 oder Depuis Bonnard 1957. 218 Dies gilt auch für Einzelausstellungen wie Le Corbusier 1953, Robert Delaunay 1957 oder Jacques Lipchitz 1959. Sie können stellvertretend stehen für kuratorische Prinzipien, die es sich zum Ziel setzen, die formale Bedeutung von überwiegend bekannten Künstlern ins Licht zu rücken, »to give a formal, signal endorsement of the worth of some artist«. 219 Oder es handelt sich um Ausstellungen internationaler Kunst wie die Ausstellung der flämischen Maler aus Laethem-Saint-Martin 1948, ungarischer Gegenwartskünstler 1949, des Engländers Henry Moore 1949 oder des Österreichers Fritz Wotruba 1948, für die auch der vergleichende Blick nach Frankreich maßgeblich bleibt. So schreibt Cassou über Laethem-Saint-Martin: »It was right that this work, contemporary and parallel with, though different from our own, should be known in France.« 220 Seine Hoffnung, dem eine Retrospektive des kürzlich verstorbenen James Ensor folgen zu lassen, sollte sich zwei Jahre später erfüllen. 221 Eine besondere Hervorhebung lässt Cassou der Ausstellung moderner italienischer Kunst von 1950 zukommen. 222 Mit sechzig Gemälden, dazu Skulpturen und Zeich-
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nungen entstand sie seit 1949 in enger Zusammenarbeit mit der Associazione Amici di Brera e dei Musei Milanesi und deren Vize-Präsidentin Nella Borletti Cosulich, die für Cassou eine Liste von Werken erarbeitete, und sich mit der italienischen Botschaft in Paris abstimmte. 223 Cassou wünschte, dass die zuvor in Brüssel und Amsterdam gezeigte Ausstellung in Paris einen eigenen Charakter erhielt. Die Liste wurde dementsprechend mit französischen Leihgaben ergänzt. Da einige Werke Boccionis und Severinis für eine geplante Futurismus-Retrospektive der Biennale von Venedig benötigt wurden, fand sich eine Lösung mit Skulpturen Boccionis aus dem Mailänder Museum, ergänzt um Zeichnungen. Auch hier ging es Cassou darum, mit dem Stellenwert Modiglianis und de Chiricos als Figuren der École de Paris sowie der Verbindungen des Futurismus zum »Paris of its time« ein nationales Panorama kunsthistorischer Entwicklung zu zeigen. 224 Unberücksichtigt blieben junge italienische Künstler, etwa Renato Guttuso, der den Mailändern zu jung erschien, zumal schon ältere Künstler aus Kapazitätsgründen hätten gestrichen werden müssen. 225 Dass die Ausstellung »aktuelle« italienische Kunst zeigen soll ist für Cassou ein dehnbares Konzept: »On a donc arrêté celui-ci [le programme] avant les œuvres des jeunes générations, lesquelles mériteraient une présentation aussi étendue et une étude aussi minutieuse.« 226 Auch für spätere internationale Ausstellungen wie L’art hollandais depuis Van Gogh 1958227 oder Jackson Pollock et la jeune peinture américaine 228 bleibt ein nationaler Blickwinkel bestimmend, »Exhibitions of foreign schools« sollen zeigen »what is most characteristic of the countries represented«. 229
»L’ABANDON R ADIC AL DU MUSÉE COMME ›PAL AIS DES AR TS ‹«: DIE IDEE EINES NEUEN MUSEUMS DES 20. JAHRHUNDER TS Gegen Ende der Amtszeit von Jean Cassou stößt das MNAM Anfang der 1960er Jahre durch die Internationalisierung und Zunahme der Ausstellungsaktivitäten in der ganzen Welt im Palais de Tokyo an Kapazitätsgrenzen. In einem vertraulichen Bericht weist er im Frühjahr 1963 auf die drohende Vernachlässigung der eigentlichen Museumsarbeit durch internationale Leihgaben und Ausstellungsprojekte hin. Er sieht einen historischen Zeitpunkt gekommen, »dans un moment où le problème de la définition, de la fonction et du rôle des musées d’art moderne se pose d’une façon particulièrement instante dans le monde [...]«. 230 Er wirft drei fundamentale Fragen auf: Jene nach der Definition, der Funktion und der Rolle des Museums moderner Kunst. Erneut stellt sich, wie in den 1930er Jahren, das Problem, ein Museum der modernen und zeitgenössischen Kunst auf der Höhe der Zeit zu halten (Abb. 74). Seinerzeit waren die Rolle des Staates gegenüber der Kunstproduktion und die Rolle des Museums am Kunststandort Paris bestimmend. Hinzu trat die große Bedeutung moderner Ausstellungstechniken. Mit der Nachkriegs-
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74 Musée national d’Art moderne, ein Gemäldesaal vor 1960, Dokumentationsansicht aus einem Museografie-Album des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
zeit kam dem Museum moderner Kunst die Aufgabe zu, eine konservativ-reaktionäre Ankaufs- und Sammlungspolitik neu auszurichten und unterbrochene und zerrissene Verbindungen neu zu knüpfen. Cassous Bericht aber beweist nun, dass den Kuratoren die zwischenzeitlich aufgetretenen Kritikpunkte, die wenige Jahre später in der institutionellen Kritik öffentlich angeprangert werden sollten, schon zu Beginn der 1960er Jahre bewusst sind. Zu diesem Zeitpunkt wurden auf Betreiben der Direction des musées de France auf Grundlage der Erfahrungen im MNAM Vorstudien zu einem neuen Museum der Kunst des 20. Jahrhunderts unternommen. Sie blieben in der Folgezeit stets Bezugspunkt bei Reformüberlegungen im Kulturministerium zur Situation des Museums und der zeitgenössischen Kunst. Dass sich noch in Planungsdossiers des Centre Pompidou Kopien der Programmstudie finden, weist das Palais de Tokyo nicht nur als bestimmend für die Anforderungen, Organisation und Gestaltung des späteren Centre Pompidou, sondern als eigentlichen Ausgangspunkt seiner Planung aus.
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VENEDIG, C ARAC AS, SÃO PAULO: INTERNATIONALISIERUNG AL S HERAUSFORDERUNG DER MUSEUMSARBEIT Die Bedeutung internationaler Ausstellungsprojekte nahm rasant zu. Das MNAM arbeitete dafür unter anderem mit der Association Française d’Action Artistique, dem British Council und Biennalen wie jener in São Paulo und Venedig zusammen. Cassou und Bernard Dorival kuratierten selbst viel im Ausland. 231 Schon früh zeigte das MNAM 1951 etwa in Südafrika moderne französische Kunst. Die von beiden Regierungen finanzierte Ausstellung wurde von Agnès Humbert am MNAM organisiert, die auch die Auswahl der Werke traf. 232 Der Bildungsminister der südafrikanischen Union Johannes Hendrikus Viljoen verwies in seinem Grußwort auf die Bedeutung Frankreichs als Ausbildungsort für südafrikanische Künstler. Vor allem aber sticht seine rassistische Logik ins Auge, die Ursprünge der »europäischen Bestände« Südafrikas in Frankreich verortet. 233 Die Ausstellung zeigte neben etablierten Meistern gegenständliche, abstrakte, und jüngere Malerei in Reaktion auf Kubismus und Surrealismus. 234 Vlaminck und Derain, die Cassou 1946 im Brief an Rudolf Springer noch so hart für ihre kollaborative Haltung verurteilt hatte, sind wieder dabei. Vlamincks Landschaft bei Chartres aus dem MNAM war sogar eine von vier Schwarz-Weiß-Reproduktionen in der Broschüre. Da Skulpturen nicht nach Südafrika transportiert werden konnten, wurden etwa dreißig Fotografien bedeutender Skulpturen des MNAM ausgestellt. Im Folgejahr 1952 war das MNAM in die Vorbereitung der Venedig-Biennale involviert. Es beteiligte sich an einer Ausstellung über den französischen Divisionismus, deren Organisation das internationale Expertenkomitee der Biennale an Raymond Cogniat übertrug, mit den Gemälden Baigneuse (1921) von Hippolyte Petitjean und der Venus blonde (1934) von Felice Casorati, aus dem früheren Bestand des Jeu de Paume. 235 Auf die Biennale wurden weitere Werke ausgeliehen, etwa Jacques Lipchitz’ Enlevement d’Europe oder, auf Bitten Alexander Calders, dessen Mobile aus dem MNAM. 236 In den 1950er Jahren intensivierte sich unter dem Einfluss der Association Française d’Action Artistique das Netz solcher internationaler Verbindungen. So zeigte das MNAM vom 14. Oktober bis 15. November 1953 in Zusammenarbeit mit der brasilianischen Gesandtschaft bei der UNESCO eine Ausstellung über brasilianische Architektur. Diese »manifestation d’amitié franco-brésilienne« zeigte Fotografien, die über Rotterdam nach Paris gingen und von der Architekturbiennale in São Paulo stammten. Exemplarisch illustriert sie den großen Aufwand, den solche letztlich kurzen Ausstellungen dem Museum abverlangten. 237 Das MNAM betreute auch die französischen Teilnahmen an der 1951 vom Mäzen und Gründer des Museums moderner Kunst in São Paulo, Ciccillo Matarazzo, gegründeten Kunstbiennale. Für die dritte São Paulo-Biennale 1955 wurde eine eigene Section Française auf 210 Quadratmetern eingerichtet. 42 Kisten mit Skulpturen und Gemäl-
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den vieler Künstler wurden verschickt. 238 Cassou half, eine »Mauer des Schweigens« der französischen Kunstkritik zu durchbrechen, von der Biennale-Generalsekretär Arturo Profili sprach, zumal die junge Biennale es sich nicht leisten könne, Kritiker einzuladen. 239 Sein Zuspruch hat für die eben erst von der brasilianischen Regierung anerkannte Biennale viel Gewicht: »Si le témoignage direct de Jean Cassou représente pour la Biennale la garantie la plus efficace auprès des milieux officiels et artistiques de la France, de la même façon, envers nos institutions culturelles et nos artistes, le fait de pouvoir compter sur votre collaboration [...] constitue la marque évidente de l’évolution atteinte par notre travail […]. Comme vous l’aurez déjà su, la Biennale a été reconnue par le gouvernement. Ça va nous permettre […] de […] donner à notre organisation un caractère permanent [...].« 240 Die Zusammenarbeit mit der Biennale in São Paulo setzte sich bei der vierten Ausgabe von September bis Dezember 1957 fort, gleichzeitig mit einer Beteiligung an der II. Biennale des arts plastiques du théâtre. Ein Soloschwerpunkt Marc Chagalls mit »30 à 40 œuvres« 241 ergänzte diesmal die repräsentative Auswahl von Kunstrichtungen, die »naive« und abstrakte Malerei, »réalités insolites« (ausgefallener Realismus), »La couleur exaltée«, »Les sculpteurs« und »Les tapisseries« abdeckte. 242 Für ihren Erfolg spricht, dass im Anschluss das Museum für moderne Kunst in Rio de Janeiro die Werke Chagalls und das Institut für zeitgenössische Kunst in Lima den französischen Beitrag ausstellen wollten. Da Chagall jedoch die Rückgabe seiner Werke nach der Biennale gefordert hatte und auch eine Teilnahme in Lima ablehnte, kamen diese Projekte nicht zustande. 243 1959 nahm Frankreich aber nicht mehr an der Biennale in São Paulo teil. Es ging um eine Prestigefrage – man hatte keine Preise mehr gewonnen, weder in São Paulo 1957 noch in Venedig 1958. Aus diesem Grund zog man sich, wie Cassou auch Arturo Profili mitteilte, einstweilen von internationalen Wettbewerben zurück, um »Missverständnissen« Zeit zu geben, sich aufzulösen. 244 Gegenüber den Brasilianern schrieb Cassou von einer »décision de notre gouvernement«, aber nach der Bitte des Botschafters in Rio de Janeiro um Revision der Entscheidung legt er die Gründe näher dar. Man habe ihnen mitgeteilt, dass nun auch einmal ein anderes Land an der Reihe sein müsste, da Frankreich bisher bei jeder Biennale den großen Preis gewonnen hätte; das wäre ja verständlich und man hätte sich im Vorjahr auch gerne aus dem Wettbewerb zurückhalten und darauf verzichten können, einen Künstler von internationalem Rang zu zeigen, aber dieser Vorschlag sei ihnen nicht gemacht worden – im Gegenteil, man habe sie stark ermuntert, Chagall zu zeigen. 245 Das brasilianische Publikum, teile man ihnen mit, wünschte sich eine Retrospektive Georges Rouaults. Chagall aber, von unbestreitbarer Qualität, erhalte den Preis nicht, und Rouault sei schließlich tot, was zeige, dass es darum gehe, französischem Prestige zu schaden: »Ceci suffit à nous prouver que leurs intentions sont
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bien celles que nous attribuons à un public étranger s’efforçant actuellement de rabaisser le prestige français.« Das MNAM knüpfte seine Kontakte in Südamerika stets im Sendungsbewusstsein für die französische moderne Kunst. 1958 studierte man mit dem Museo de Bellas Artes in Caracas das Projekt einer Ausstellung von etwa 30 modernen venezolanischen Gemälden im MNAM. Indirekt ist erneut die Sichtbarkeit französischer Kunst in der Welt ausschlaggebend: Cassou versteht dies als freundschaftliche Geste gegenüber einem Land, das beim Bau der Universitätsstadt in Caracas moderner französischer Kunst im öffentlichen Raum einen bedeutenden Platz eingeräumt hatte. 246 In São Paulo scheint man den Wink von 1959 verstanden zu haben. 1961 war Frankreich wieder an der VI. Biennale beteiligt, mit 540 Quadratmetern im zweiten Stock des Museu de Arte Moderna und einer großen Retrospektive Jacques Villons im dritten Stock auf 270 Quadratmetern. 247 Den großen Preis erhielt einstimmig die portugiesische Malerin Maria Helena Vieira da Silva (1908–1992), die als Künstlerin der École de Paris ausstellte. 248 So konnte Cassou nach der Biennale zwar auf den zunehmend schwierigen internationalen Stand der École de Paris gegen deutschen Expressionismus und holländische, italienische und amerikanische Abstraktion und Informel verweisen, aber eben auch darauf, dass der Direktor des Museu de Arte Moderna, Mario Pedrosa, »der auf das brasilianische künstlerische Leben eine veritable Diktatur ausübt«, gegen eigene Favoriten bereit war, die Wahl Vieira da Silvas zu unterstützen. 249 Damit war eine Kontinuität der französischen Teilnahme wiederhergestellt. Cassou kuratierte die französische Sektion auch für die nachfolgende Ausgabe der VII. Biennale 1963. 250 Er wählte eine konzentrierte Gruppe von nur drei Malern und einem Bildhauer – vielleicht in Reaktion auf die Vermutung, das brasilianische Publikum sei der École de Paris überdrüssig. 251 Frankreich ging jedoch erneut leer aus. Man sah nun eine »coalition dirigée contre l’art français«; und als César 1967 den Preis für Skulptur, aber nicht den Preis der Biennale erhielt, wurde dies in Frankreich als Skandal empfunden. 252 Tatsächlich blieben die französischen Teilnahmen an der Biennale in São Paulo in den Folgejahren noch immer hinter aktuellen Entwicklungen zurück. Die Gruppe des Nouveau Réalisme um Pierre Restany etwa entstand 1960 und begann sich schon um 1966 wieder aufzulösen. Aber erst im Folgejahr 1967 verdrängt der Nouveau Réalisme im französischen Beitrag auf der Biennale in São Paulo die École de Paris; nach erneuten Nichtteilnahmen 1969 und 1971 wird 1973 die junge Gruppe Supports/Surfaces gezeigt, aber auch die École de Paris ist immer noch dabei. 253 Zu Projekten der Association Française d’Action Artistique kamen Ausstellungen, die dem MNAM von Museen in aller Welt angeboten wurden. Schon 1957 schlug der französische Botschafter in Südafrika auf Wunsch der National Art Gallery in Cape Town und des Museums von Johannesburg für das Frühjahr 1959 eine erneute Ausstellung französischer Kunst vor. Cassou zeigte sich nun zurückhaltend, da man nicht dasselbe zeigen könne wie 1951, auch sei zu überlegen, ob ein solches Unternehmen
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nicht einem neuen Land zu Gute kommen solle. 254 Bei der Tour der Ausstellung Australian Painting today durch Europa 1964 und 1965 scheiterte eine mögliche Station im MNAM nur am vollen Ausstellungskalender. 255 Die Ausweitung der weltweiten Ausstellungsaktivitäten und Kooperationen erschwerte die Arbeit des Museums. Cassou mahnte im zitierten vertraulichen Bericht von 1963, sie spielten zumeist in exotischen Ländern mit unkalkulierbarem Klima, Kritik und Reaktionen bis hin zum Risiko »alberner Abenteuer« in Venezuela, und nicht in Ländern, zu deren Museen beste Verbindungen bestünden wie den USA, Belgien, der Schweiz und England – Deutschland ist nicht genannt. Hinzu kommen zahlreiche Leihanfragen. 1962 wurden 450 Werke in 75 Ausstellungen entsandt, und in den ersten vier Monaten 1963 schon 97 Werke in 21 Ausstellungen, zu denen noch 28 Zeichnungen für eine Ausstellung in Frankreich und Anfragen des Secrétariat général des Arts et Lettres für Indien und Kanada kamen. 256 Cassou sieht daher zunehmend die Kernaufgaben des Museums in Gefahr: Ausstellungsorganisation und Verantwortung gegenüber der allgemeinen und fachlichen Öffentlichkeit, Beziehungen zu Künstlern und Kunstliebhabern, Ankäufe, Studien, Katalogisierung und Sammlungspräsentation. 257
DAS PROGRAMM EINES MUSEUMS DES 20. JAHRHUNDERTS Cassous Hinweis auf die Kernaufgaben des Museums im vertraulichen Bericht 1963 geschieht vor dem Hintergrund der Studien zum Musée du XXème siècle. Das MNAM wird als dessen »figure préparatoire« angenommen – es gilt, die Funktion des Museums moderner Kunst in der Welt zu definieren. 258 Kurzzeitig wurden zu Beginn der 1960er Jahre zwei Ideen zu einem neuen Museum diskutiert. Der Standort Les Halles wurde aufgrund der nötigen Renovierung der schließlich in der ersten Hälfte der 1970er Jahre abgerissenen alten Markthallen von Paris wieder verworfen. Für La Défense wurde von André Malraux eine Wiederaufnahme von Corbusiers Idee des Museums »à croissance illimitée« unterstützt, dessen Tod 1965 möglichen Plänen ein Ende setzte. 259 Die maßgebliche Studie zum Programm eines solchen Museums wurde auf Betreiben des Directeur des musées de France im MNAM ausgearbeitet. Sie ist von Cassous Gedanken zu Problemen und Herausforderungen geprägt. Das Vorprojekt selbst gibt keinen Autor an. Maurice Besset, Kurator für internationale Kunst am MNAM von 1960 bis 1965, war der Autor der Ausarbeitung, die schon Anfang 1964 dem Directeur des musées de France vorlag. 260 In einem Schreiben über die Situation seines zu diesem Zeitpunkt in der Presse heftig kritisierten Hauses ruft Cassou in Erinnerung, dass die Idee eines experimentellen Ausstellungsraumes der Kerngedanke seines »Musée du XXème siècle« sei, womit er auf solche Formate in anderen Institutionen reagiert. Die nunmehr historischen ästhetischen Entwicklungen des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts konstituierten dessen
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»musealen« Teil. Daneben gelte es, die im Entstehen begriffene Kunst mit angemessenen Ausstellungsformaten, Veranstaltungen und »dispositions architecturales et muséographiques aussi souples et rationnelles que possible« zu zeigen. 261 Die beiden Teile sollten organisch miteinander verbunden sein. Die Dynamik der graduellen Historisierung sollte die beiden Teile verbinden. Cassou bezeichnet dies als »konstante Dialektik« des Musée du XXème siècle. 262 Die Historizität von Ästhetik selbst soll in der Konfrontation von ästhetischen Kriterien mit den nachfolgenden Aktualitäten sichtbar werden. Trotz der mehr als unzureichenden praktischen Bedingungen im Palais de Tokyo, so Cassou, sei sein Haus, »Europas aktivstes Kunstmuseum«, ein Hort der Bewegung. Darunter versteht er vor allem die vielen französischen und internationalen Wechselausstellungen. 263 Bestätigt fühlt er sich durch seine Wahl zum Präsidenten der neuen Kommission der Museen moderner Kunst des internationalen Museumsrates, dem er die Idee des Musée du XXème siècle vorstellte. 264 Damit wiederholte sich eine Konstellation, die sich schon mit Louis Hautecoeur 1934 auf dem OIM-Kongress in Madrid ergeben hatte: Der geistige Vater stellt internationalen Kollegen ein »ideales« Kunstmuseum vor. Zuvorderst steht für Cassou menschliche Gemeinschaft: »La fonction des musées d’art moderne est de nous faire prendre conscience de notre existence [...]. Cette existence commune, orientée vers l’avenir, c’est cela dont doivent témoigner les musées d’art moderne.« 265 Als möglicher Standort des Museums und Kunstzentrums wurde die Nachbarschaft zum neuen Universitätsstandort in Nanterre und dem in La Défense geplanten Centre de la Création artistique ins Auge gefasst. Der erste Teil des Programms zum neuen Haus war seinen Definitionen gewidmet, der zweite seinen Funktionen und der dritte beinhaltete ein kurzes Organigramm. Es fällt auf, wie stark architektonische Konsequenzen die Definition des Museums bestimmen. Zudem enthält es eine gesonderte zweite Definition des Museums, die es »in seinem sozialen Kontext« bestimmt. Statt »moderner« ist nun von einem Museum für »zeitgenössische« Kunst die Rede. Das Museum des 20. Jahrhunderts sollte nicht wie ein »Projektor« dem Zeitstrahl entlang der jeweils aktuellen Kunst folgen, sondern vom »Ereignis« der »Erneuerung der künstlerischen Ausdrucksformen im 20. Jahrhundert« zeugen. 266 Die Formel »événement bien déterminé«, mit der dieses Ereignis bezeichnet wird, birgt eine Dialektik von Bewegung im Stillstand. Für den Übergang in die museale Historizität werden eine oder zwei Generationen angenommen : »Dans une première période, le Musée du 20e siècle aura donc à assumer une double fonction: – fonction historique, ou d’inventaire, pour les phases déjà accomplies de l’événement ›20ème siècle‹, d’une part; – fonction dynamique, de prospection, de l’art qui se fait, d’autre part.« 267 In diesem Programm wird auch ein folgendes Museum des 21. Jahrhunderts mitbedacht. Die Vordenker des Museums des 20. Jahrhunderts bewiesen Weitblick. Heute deckt das MNAM im Centre Pompidou das 20. Jahrhundert ab, während sich seit der Jahrtausendwende im Palais de Tokyo eine neue Institution dem zeitgenössischen Schaffen des
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21. Jahrhunderts widmet. Das Programm thematisierte auch, fünf Jahre, bevor Georges Pompidou 1969 die Schaffung von Beaubourg entschied, dass die Kunst des 20. Jahrhunderts nicht ohne ihre vielfältigen Wechselwirkungen mit Philosophie, Wissenschaft, Literatur, Architektur, Medienentwicklung und sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen betrachtet werden könne. Zunächst eine Reaktion auf die industrielle Revolution, wird sie als eine ausgeweitete Reflexion der totalen Erneuerung der »formes de vie« in einem globalen Rahmen angesehen. 268 Fortschrittlich zeigt sich hier die Reflexion des veränderten Status der Kunst in einer globalisierten Welt – man denke an Nicolas Bourriauds Arbeiten zur Esthétique relationnelle (1998), gerade aber an seinen Bezug auf die gleiche Sprachformel in Formes de Vie. L’art moderne et l’invention de soi (1999). Für das Projekt eines Musée du XXème siècle folgte daraus die Annahme einer »conception radicalement évolutive« mit dem »Musée historique« und der »galerie expérimentale«. Die Autoren fassen es mit Corbusiers Formel des Museums unbegrenzten Wachstums: »À l’exigence primordiale de flexibilité vient donc s’ajouter celle, non moins importante, d’une possibilité de croissance illimitée; [...] la croissance des collections ne se produisant pas sous forme linéaire, mais de façon foisonnante et pour une grande part imprévisible.« 269 Ebenso weitsichtig wird das ideale architektonische Programm im sozialen Kontext erdacht und die Freizeitgesellschaft der 1960er Jahre reflektiert. Entschieden weist man im »abandon radical de la conception monumentaliste« die überkommene Konzeption des »Palais des Arts« zurück. Urbane und soziale Einbindung sind gefordert. 270 Die Projektautoren schlagen dazu das Modell der »Kunsthallen« in skandinavischen und deutschsprachigen Ländern vor. Als internationale Beispiele nennen sie Louisiana in Humlebaek und amerikanische Beispiele sowie das regionale Beispiel aus Le Havre. Die Form sei jedoch auf große Dimensionen schwer übertragbar. 271 Sie favorisieren eine Integration mit dem in La Défense geplanten Centre de Création artistique beziehungsweise dem neu geplanten Universitätskomplex in Nanterre, womit ein junges Publikum erschlossen würde. Da Corbusiers Formel des »Musée à croissance illimitée« das Bodenniveau frei lasse, könnten auf Piazzen und im Patio Skulpturen platziert werden, das Museum dort als Begegnungsort fungieren und eine Veranstaltungsbox Boite à Miracles für experimentelles Theater, Filmprojektionen, Konzerte und Kongresse eingerichtet werden, die eine Verbindung zwischen dem Museum und anderen Teilen des Zentrums wäre. 272 In den Grundzügen treten diese Ideen in den 1970er Jahren bei der Planung des Centre Pompidou wieder auf, wobei eine Integration mit anderen Institutionen wie dem Centre de Création Industrielle noch nicht einmal die auffälligste Parallele ist. 273 So hob, wie zu sehen sein wird, die Jury bei der Prämierung des Entwurfs von Renzo Piano und Richard Rogers besonders hervor, dass das Erdgeschoss frei gehalten ist und eine Verbindung zum Außenraum herstellen kann. Und auch heute ist eines der prägendsten Merkmale der großen Piazza vor dem Centre die wechselnde Ausstellung einer monumentalen Skulptur aus der Sammlung des Museums. Was schließlich die Boite à Miracles
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für Veranstaltungen angeht, die man als wichtige Ergänzung des Musée du XXème siècle angedacht hatte, so darf wohl mit einem Augenzwinkern festgestellt werden, dass Beaubourg selbst eine solche Wunderbox ist.
MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN EINES »IMAGINÄREN MUSEUMS«, 1959 –1969 Im Jahr der Eröffnung des MNAM 1947 erschien erstmals die berühmte Formel von André Malraux »le musée imaginaire« als Buchtitel. 274 Sie beschreibt die Erweiterung des Erfahrungshorizontes des Kunstbetrachters durch Reproduktionen, so dass das herkömmliche Museum dahinter zurücktreten muss. 275 Wie Ernst Gombrich kritisch einwandte, ist diese kunstphilosophische Position nicht ohne Vorläufer. Schon im 18. Jahrhundert veränderte sich der Kunsthorizont global, und während Malraux dem 20. Jahrhundert die neue Wertschätzung einer nicht rein repräsentativen Kunst zuschreibt, bestärkten schon im 19. Jahrhundert Objekte aus anderen Kulturkreisen die Idee, dass künstlerisches Talent nicht mit der Fähigkeit zur Naturimitation identisch sei. Als direkter Vorläufer dieses Gedankens des imaginären Museums gilt Gombrich daher der Kristallpalast in London 1851 mit seinen Ausstellungsstücken aus Indien, Afrika und Amerika. 276 Auch nach Jean Leymarie kann Malraux kaum als Entdecker des »imaginären Museums« gelten, aber er führte es als »aktive Kategorie« in den ästhetischen Diskurs ein. 277 Das imaginäre Museum drängt die Frage der Nähe zu Walter Benjamin und seinem Kunstwerk-Aufsatz auf. Malraux hatte Benjamin die Bezugnahme auf dessen Aufsatz in einer theoretischen Arbeit in Aussicht gestellt und auch in zwei vorangegangenen Aufsätzen 1936 und 1940 noch auf diesen hingewiesen. Walter Grasskamp argumentiert, Malraux habe Fotoreproduktion als »neue Warenform der Kunst« erkannt, Benjamin nicht. 278 Benjamin hatte diese aber sehr wohl erkannt, wie oben erst das Beispiel seiner Rezension von Gisèle Freunds Untersuchung der Ursprünge der Fotografie zeigte: »Der Anspruch der Photographie eine Kunst zu sein, ist gleichzeitig mit ihrem Auftreten als Ware.« 279 Grasskamp zufolge ist für Malraux’ Musée imaginaire aber die Begegnung mit dem deutschen Ostasienspezialisten Alfred Salmony im Jahr 1923 entscheidender. 280 Dieser Einschätzung fehlt jedoch der Hinweis, dass Malraux ein ihm handschriftlich von Benjamin gewidmetes Exemplar des Kunstwerk-Aufsatzes besaß. 281 Es trägt auf dem ersten Innenblatt die handschriftliche Zueignung »à Monsieur André Malraux / hommage de l’auteur / Walter Benjamin«. Den Gedanken des imaginären Museums griff Malraux in einem kunstpublizistischen Großprojekt, der Bildband-Trilogie Le musée imaginaire de la sculpture mondiale (1952–1954) wieder auf. 282 In einer Epochen und Weltregionen umspannenden Auswahl stellen sie Kunstwerke einander gegenüber. Grasskamp wies nach, dass Malraux für diese Bände das Fotomaterial eines Vorgängerprojekts, die Encyclopédie photographique
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de l’art (1935–1949) des Fotografen André Vigneau (1892–1968), »kannibalisierte«. Die Handhabung des Bildnachweises im ersten Bildband von Malraux sei »skandalös«. 283 Ergänzend lässt sich darauf hinweisen, dass es Vigneau war, der auf der Weltausstellung 1937 zusammen mit Jean Lurçat im Palais de Tokyo die oben analysierte Ausstellung der internationalen intellektuellen Kooperation gestaltete. Sie könnte fast Pate stehen für kunstpublizistische Projekte wie die von Vigneau und Malraux, hob eines ihrer Schaubilder doch auch den Wert der Reproduktion hervor: »La technique de la réproduction favorise la diffusion de l’art«, hieß es auf der in einer Druckmaschine eingespannten Papierbahn (siehe Abbildung 55). Mit Vorgängern der Gegenüberstellung von Reproduktionen, wie Franz Marcs und Wassily Kandinskys Anthologie Der Blaue Reiter von 1912, teilt Malraux auch den Weltkunstgedanken. Dieser propagiert mit »kulturübergreifenden Ähnlichkeiten« eine Verwandtschaft von Bildwerken über Kulturkreise hinweg. 284 Schon Ende des 19. Jahrhunderts etablierten Ethnologen ein Verständnis der Kunst als »eine Art Stilmerkmal der Menschheit«. 285 Es waren aber vor allem Vordenker wie Carl Einstein, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts zugleich »Weltkunst« und zeitgenössische Kunst verfolgten und eine epistemologische Verbindung der Tätigkeit des Kunsthistorikers mit den Methoden völkerkundlicher und kulturgeschichtlicher Forschung suchten. 286 Einsteins Absicht, europäische und außereuropäische Kunst der Vergangenheit wie der Gegenwart »gemeinsam und ohne kanonische Bedenken zum Gegenstand kunsthistorischer Betrachtungen zu machen«, führte 1929 zur Gründung der Zeitschrift Documents. 287 Und gerade die zeitgenössische Kunst macht Malraux’ Museum »imaginär«, wie Lyotard gezeigt hat, weil es dadurch stets prekär ist. Das imaginäre Museum wird stets neu gehängt. Die Kunst der Moderne hat den Okzident, wie Lyotard trefflich bemerkte, vom »grauen Star des Klassischen« befreit, im künstlerischen Schaffen der Gegenwart wird das Vergangene sichtbar: »Le présent incrédule, qui s’enquiert de tout, et qui crée, ressuscite les créations passées en ouvrant nos yeux à leur présence: l’art moderne a opéré l’Occident de sa ›cataracte‹ classique.« 288 Die Entgrenzung des europäischen Kunstbegriffs, die sich in Sammlungen und Avantgarden zu Beginn des 20. Jahrhunderts vollzog, ist nach Grasskamp eine dreifache: Als »synchrone« Ausweitung auf »zeitgleiche Kulturen aller Völker«, als »diachrone« bis zurück zur Kunst der Steinzeit und als »Binnenentgrenzung« kulturinterner Hierarchien wie der Anerkennung von Kinderzeichnungen und Kunstwerken sogenannter Geiteskranker und Sonntagsmaler. 289 Auch die Kritik an der unterschiedlosen Sammlung von Kunst- und Kulturobjekten in Museen vom Berliner Völkerkundemuseum bis zum Pariser Musée Éthnographique im Trocadéro begann um die Jahrhundertwende und gewann Kontur mit der Wertschätzung der »primitiven« Werke im Kubismus und Expressionismus. 290 Anregungen der Kunstkritiker wie Einstein und Apollinaire führten zur Idee, in Kunstmuseen außereuropäische Kunstwerke zu zeigen. 291 Die aktive Rolle der Museen in diesen Prozessen wird zeitlich verzögert auch am MNAM deutlich. Der Wilhelm-Uhde-Saal zeigt die »Binnenentgrenzung« mit »naiver« Malerei im Kanon
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75 Musée national d’Art moderne, salle Le Cubisme, vor 1960, mit Arbeiten von Fernand Léger und Juan Gris, Dokumentationsansicht aus einem Museografie-Album des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
der Moderne. Der »kubistische« Saal zeigte Objekte außereuropäischer Kulturen in einer Vitrine. Zu erkennen ist eine Maske neben einer stehenden Holzskulptur, darunter liegt eine zeremonielle Maske (Abb. 75). Malraux selbst scheint keinen großen Einfluss auf die Ausstellungspolitik und die Sammlungstätigkeit des MNAM genommen zu haben. Er leitete zwar zahlreiche Neuerungen und Reformprojekte ein wie die Einführung der Krankenversicherung für Künstler und nach dem Scheitern der ersten Pläne zum Museum des 20. Jahrhunderts die Etablierung des CNAC als Förderinstrument 292, und wollte »les œuvres capitales de l’humanité, et d’abord de la France, au plus grand nombre possible de Français« zugänglich machen. 293 Danach taucht Malraux aber kaum mehr in Akten des MNAM auf. Dennoch hielt die Sprachformel des »musée imaginaire« auch in die ästhetischen Reflexionen am MNAM Einzug. Dabei impliziert sie eine Abwertung der Institution »Museum« und des Museumsbesuchs durch das Lob der Fotografie. 294 Auch die »Nobilitierung« des modernen Bildbandes stellt eine starke Konkurrenz zum Museum dar. 295 Ausgewählte Beispiele aber zeigen, wie nun betrachtet werden soll, dass in den 1960er
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Jahren Ideen von »imaginären Museen« auch im MNAM Gestalt annehmen – indem das Museum und seine Möglichkeiten gedanklich erweitert werden zum Ideal einer Institution, die versucht, im Ausstellungsraum räumliche und zeitliche Grenzen zu überwinden und Kulturkreise zu verbinden. Im Kontext der UNESCO und der europäischen Einigung sind Bildwerke visuelle Argumente im Diskurs über kulturelle Gemeinsamkeiten. Dazu kommt die imaginäre Überwindung nationaler Grenzen im französischdeutschen Austausch. Das »imaginäre Museum« stößt im realen aber an praktische Grenzen, wo es versucht, selbst in Konkurrenz zur modernen Kunstpublizistik zu treten: Immer zahlreichere Ausstellungsprojekte sind ohne Werke und finanzielle Hilfe des privaten Kunsthandels nicht realisierbar und bringen eine problematische Abhängigkeit mit sich.
IM ZEICHEN EINES »IMAGINÄREN« MUSEUMS DER ZIVILISATIONEN: ART CONDEMNS WAR (UNESCO, 1961) UND LES SOURCES DU XXÈME SIÈCLE (EUROPARAT, 1960) Ein vergessenes kleines Ausstellungsprojekt für die UNESCO über die Schrecken und Auswirkungen des Krieges in der Kunst wurde nicht direkt für das MNAM konzipiert, aber zeigt, wie die Idee des »musée imaginaire« in Jean Cassous Reflexionen als Selbstanspruch in das Museum Eingang fand. Cassou kuratierte die Ausstellung 1961–1962 zusammen mit Roland Penrose, der 1947 in London das Institute of Contemporary Art gegründet hatte, und dem belgischen Directeur général des Arts et Lettres Emile Langui. L’Art accuse la guerre / Art condemns war arbeitete mit Fotografien von Kunstwerken, die die Verheerungen des Krieges und seine Verurteilung zum Thema hatten, und Dokumentaraufnahmen. 296 Zum Themenkomplex »Tragödie der Zivilbevölkerung« schrieb Cassou: »La tragédie des populations civiles. Cette œuvre de destruction n’est pas seulement l’affaire des armées; […] Pillages, supplices, déportations, bombardements [...] en font un fléau universel.« 297 Es haben sich kleine, zu kombinierbaren Ansichten zerschnittene Fotoabzüge der Bildtafeln erhalten, auf denen die Reproduktionen mit thematischen Sätzen angeordnet wurden (Abb. 76–77). Sie dienten wohl der Konzeption der Ausstellung, wie Durchstreichungen auf einem der Abzüge zeigen. 298 Über die stumme Anklage eines kleinen Jungen mit Gasmaske aus der »Märtyrer«-Stadt Reims, der in der Serie »la guerre détruit la dignité humaine« neben Aufnahmen von Leichen in Konzentrationslagern gezeigt wird, schreibt Cassou, es sei dies das wohl schrecklichste Bild vom Krieg, der die Menschenwürde zerstöre. Und zum letzten Bild über Hiroshima: »La Guerre détruira l’Homme... Ou l’Homme détruira la Guerre. Tel est le dilemne. La bombe d’Hiroshima annonce la destruction de la planète.« Dies greift eine Rede Kennedys vom 25. November 1961 vor der UN-Generalversammlung zum Tod des Generalsekretärs Dag Hammarskjöld auf, in
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76 Ausstellung L’Art accuse la Guerre / Art condemns War, UNESCO, Paris 1962, Fotoabzüge von Bildtafeln: »(la guerre) détruit la dignité humaine«, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
der er für atomare Abrüstung eintrat: »Mankind must put an end to war – or war will put an end to mankind.« 299 Wie im Musée Imaginaire de la Sculpture Mondiale von Malraux sind auf diesen Bildtafeln Kunstwerke aus unterschiedlichsten Kulturkreisen und Zeiten zu einer visuellen Argumentationsfolge kombiniert. Sie entsteht in der Gegenüberstellung von Friedensbild und Katastrophe oder als Illustration der Textzeilen. Sie vollziehen ebenfalls eine Entgrenzung des Kunstbegriffes im Gedanken der Weltkunst: Krieg und seine Konsequenzen sind als überzeitliches Problem aller Kulturen zu überwinden. Kunst erfüllt den Anspruch der UNESCO, durch kulturelle Verständigung dazu beizutragen. Auch Enthierarchisierung als Binnenentgrenzung kommt hier zum Tragen. Tafel sechs illustriert den Satz »la guerre naît dans l’esprit des hommes« mit dem Gemälde La Guerre (La chevauchée de la Discorde) (ca. 1894) des »naiven« Malers Henri Rousseau. 300 Dazu ist eine albtraumhafte Kampfszene aus dem Gemälde Die tolle Grete (um 1562) von Pieter Bruegel d. Ä. abgebildet. Zum Bild des »naiven« Malers bekommt der Satz, dass der
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77 Ausstellung L’Art accuse la Guerre / Art condemns War, UNESCO, Paris 1962, Fotoabzüge von Bildtafeln, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Krieg dem Geist der Menschen entspringt, eine fragwürdige Qualität, die durch Bruegels dunkle Fantasie verstärkt wird. Die Arbeit der Ausstellung mit dokumentarischen Fotos wurde kritisiert. Cassou aber sah keine andere Möglichkeit, als die Ausstellung mit ebensolchen zu realisieren. Fotografie sei eine Kunst, die für das Thema Krieg umso wichtiger sei, als sich nur wenige Künstler aktuell des Themas annähmen – in Westeuropa überwiegend die prätentiösbanalen akademistischen »artistes pompiers«. In der Sowjetunion sei man geradezu »beflissen«, ihnen zu dem Thema »Scheußlichkeiten« wie Hitlers Tod in seinem Bunker herauszusuchen. Für Cassou führt der moderne Kriegsreporter die Aufgabe des Malers als »Reporter«, mithin des Historienbildes, fort. 301 Er nähert sich so nicht nur einem Verständnis der Fotografie im Sinne von Malraux, sondern auch Aby Warburgs, wenn er den Einsatz der Fotografie in den Bildtafeln als Medium bezeichnet, das in Einklang steht mit der »Geschichte der Mittel des menschlichen Ausdrucks«: »Il est donc parfaitement logic et conforme à l’histoire des moyens de l’expression humaine de recourir pour ce qui est de la représentation des guerres actuelles, aux œuvres de l’art photographiques.«302 Cassou greift auch die Idee des »musée imaginaire« direkt auf. Die sowjetische UNESCO-Kommission wünschte sich auch »etwas optimistischere« Bilder. Er antwortete scharfsinnig, es gäbe im »musée imaginaire« der Kunstgeschichte keine Darstellungen des Friedens am Werk. 303 Das hier zitierte »imaginäre Museum der Weltkunst« ist
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die dank der Fotografie sichtbare Geschichte verschiedener Kulturräume des menschlichen Ausdrucks. Daher handelt es sich auch um mehr als den beiläufigen Nachklang der Weltkunstvorstellung aus einer allgemeinen Sprachformel, wenn es im oben analysierten Programm für ein Museum des 20. Jahrhunderts heißt, das MNAM wolle ein universelles »Museum der Zivilisation« sein: »[...] nous avons fait sentir l’ambition qui nous animait d’en élargir sans cesse le fonctionnement en en faisant, plutôt qu’un strict conservatoire d’œuvres plastiques, un musée de la civilisation.«304 Freilich bleibt diese Vision in der Entgrenzung des Kunstbegriffs eurozentristisch, denn sie betont an selber Stelle, dass Ausstellungen in Mexiko und Japan über den Programmrahmen des Museums hinausgehen. Aber die synchrone und diachrone Entgrenzung, die den »Weltkunstgedanken« des »imaginären Museums« kennzeichnet, zeigt sich damit auch im MNAM. Eine solche Ausdehnung unternahm auch Les sources du XXème siècle. Les Arts en Europe de 1889 à 1914, die Europarats-Ausstellung 1960. Gemeinsame europäische Kulturpolitik ist besonders in den 1960er bis 1980er Jahren eher eine Geschichte gutgemeinter Absichtserklärungen als konkreter Aktion, was sich erst 1992 mit dem Vertrag von Maastricht grundlegend ändert. 305 Auf institutioneller Ebene bietet sich jedoch die Möglichkeit zur intensiven Zusammenarbeit. Die Ausstellung lief vom 4. November 1960 bis zum 23. Januar 1961 im MNAM. In einem diachronen Rückgriff vor den Ausbruch des Ersten Weltkriegs werden in einem synchronen Zugriff Kunst, Kunsthandwerk und die industrielle und architektonische Entwicklung in Europa und den USA behandelt. Auch eine Binnenentgrenzung des Kunstbegriffs wird im Sinne der Enthierarchisierung von Kunst, Kunsthandwerk und industriellen Objekten deutlich, bis zur Ausstellung der Metrostation Montparnasse. 306 Cassou arbeitete dafür mit Nikolaus Pevsner und wieder Emile Langui zusammen. 307 Mitgliedsländer benannten jeweils Kommissare. 308 Cassou hatte zunächst 1958 ein Konzept über die Ausbreitung des Impressionismus in Europa ausgearbeitet. 309 Davon nahm er wieder Abstand, da der Impressionismus in anderen Ländern keine Schulen hervorbrachte und Künstler wie Cézanne und Gauguin mitunter eine größere Wirkung hatten. 310 Ende 1958 schlägt er daher die Zeitspanne von 1884, dem Gründungsjahr des Salon des Indépendants, bis zum Kriegsausbruch 1914 vor. »Durant les 30 années qui vont de 1884 à la guerre de 14, des révolutions plastiques capitales vont s’accomplir en France, fauvisme, cubisme, etc... et l’école de Paris va naître à Montmartre et à Montparnasse, cependant que des mouvements parallèles vont se produire en Europe, le rayonnisme russe, le futurisme italien et surtout l’expressionisme allemand, sous l’influence du scandinave Munch, du suisse Hodler et avec les manifestations de la Brücke et du Blaue Reiter.«311
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Es sollen Beziehungen wie die zwischen Fauvismus und Expressionismus vor dem Ersten Weltkrieg dargestellt werden. 312 Der moderne »Stil des 20. Jahrhunderts« in Europa und den USA, die organische Entwicklung der westlichen Avantgarden sollen deutlich werden. 313 Cassou spricht nun auch nicht mehr kategorial-national von »Schulen«, sondern offener von »Bewegungen«. 314 Dem expressionistischen »Frühlings Erwachen« in deutscher Literatur und Kunst lässt er besondere Aufmerksamkeit zukommen: »une œuvre d’un violent et dynamique schématisme, tout un printanier éveil.«315 Universitäre deutsche Ästhetik und Kunstwissenschaft zeichnen sich für ihn durch einen »goût des grandes synthèses propre au génie de ce pays« aus: »Les esthéticiens allemands et l’esthéticien suisse Wölfflin révèlent l’importance du Baroque [...]. Worringer, avec son Abstraktion und Einfühlung, paru en 1907, la même année que l’Évolution créatrice de Bergson, détrône l’idée d’un classicisme absolu […].« Diese ästhetisch-kunstwissenschaftliche Verabschiedung einer »Idee des Klassizismus« ist eine Entgrenzung wie jene der Repräsentation durch die Avantgarden und den Weltkunstgedanken im musée imaginaire, der Befreiung vom »grauen Star des Klassischen«, wie Lyotard es nannte. Erinnert man Cassous frühere Äußerungen zu Deutschland, markieren sein Brückenschlag zwischen Worringer und Henri Bergson und die zentrale Platzierung des deutschen Expressionismus aber vor allem auch eine neue Qualität der deutsch-französischen Beziehungen.
INSTITUTIONELLE AUSSTELLUNGSKOOPERATIONEN UND DEUTSCHE NACHKRIEGSKONTINUITÄTEN ZUR BESATZUNGSZEIT Die Bemühungen Charles de Gaulles und Konrad Adenauers mündeten in den am 22. Januar 1963 unterschriebenen Elysée-Vertrag. Er verstärkte eine immer intensivere Zusammenarbeit im Zuge der europäischen Integration. So war Jean Cassou zusammen mit weiteren europäischen Museumsdirektoren 1960 Mitglied der Jury des Prix Marzotto für Malerei, dessen Ausstellung als die erste der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl bezeichnet wurde, den in diesem Jahr Renato Guttuso gewann. 316 Ein deutsches Mitglied dieser Jury war Kurt Martin, langjähriger Leiter der Kunsthalle Karlsruhe und zu diesem Zeitpunkt seit 1957 Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, als der er später 1962 in der Alten Pinakothek auch de Gaulle empfing – eine problematische Figur aufgrund seiner Rolle beim Erwerb von Kunst aus jüdischem Besitz im »Dritten Reich« und seiner Tätigkeit als Bevollmächtigter für das Museumswesen während der Besetzung des Elsass. 317 Seine Mitgliedschaft in der Jury ergibt ein zwiespältiges Bild bei der Lektüre des Ausstellungskatalogs. Im Vorwort dankt die Jury etablierten Künstlern für ihre Teilnahme, darunter dem konstruktivistischen Maler Carl Buchheister. Dessen Katalogeintrag wiederum verweist ganz offen auf seine hannoveraner Künstlergruppe, die abstrakten Hannover, mit Kurt Schwitters, Rudolf Jahns, Hans
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Nitzschke und Friedrich Vordemberge-Gildewart und die Verfemung seiner Werke als Teil der Ausstellung »entartete Kunst«. 318 Nicht zuletzt aufgrund solcher Kunstpolitik des »Dritten Reiches« wurden die Wanderausstellungen der französischen Malerei in Deutschland gezeigt. Aber das Verhältnis wandelte sich allmählich, wenn auch zögerlich. Ab 1948 durften deutsche Künstler wieder in Frankreich ausstellen, und 1951 wurden mit einem offiziellen Kurswechsel die Kulturbeziehungen bilateral ausgerichtet. 319 Eine bedeutende Rolle nahmen, wie Martin Schieder gezeigt hat, private Vermittler ein, wie der Kunstschriftsteller und Maler Édouard Jaguer oder Herta Wescher, die schon 1937 Gründungsmitglied des Freien Deutschen Künstlerbundes emigrierter deutscher Künstler war. In der Nachkriegszeit wurde sie eine bedeutende Kunstkritikerin bei Art d’aujourd’ hui, später als Chefredakteurin von Cimaise. 320 Eine wichtige Rolle spielten auch Ausstellungen, die unter dem ersten, 1950 von Adenauer berufenen, Pariser Generalkonsul Wilhelm Hausenstein (1882–1957) teils in Eigeninitiative, teils mit dem Service des Échanges Culturels, organisiert wurden. 321 Allerdings bremste ein ästhetischer Konservatismus. Werner Spies erinnert im Vorwort zu Schieders Studie dass etwa Hausenstein die Ausstellung Max Beckmanns oder des Blauen Reiter ablehnte, wie auch Daniel-Henry Kahnweiler, der im März 1950 in einem Brief an Georges Salles den Expressionismus als »Fortsetzung des Fauvismus einerseits und des Kubismus andererseits – mit einer deutschen Mentalität« bezeichnete. 322 In den 1960er Jahren wurde das Palais de Tokyo zum Schauplatz der deutsch-französischen Kulturbeziehungen. Cassou hatte sich früh dafür eingesetzt, Ludwig Grotes Ausstellung des Blauen Reiter 1949 in München nach Paris zu holen, die auch in Basel und als erster deutscher Beitrag der Nachkriegszeit zur Venedig-Biennale gezeigt wurde; dies wurde von Hausenstein und Kahnweiler blockiert. 323 1960 stellte Cassou deutschen Expressionismus ins Zentrum der Sources du XXème siècle. Herwarth Waldens Galerie Sturm und den Blauen Reiter ordnet er »Revolutionen der europäischen Kunst« in Malerei und Plastik zu, neben französischen Fauvisten und Kubisten und der russischen Avantgarde. 324 Eine große Max Beckmann-Ausstellung, die auch in München und Brüssel zu sehen war, zeigte das MNAM schließlich 1968, und schon 1966 hatte es deutschen Expressionismus und sein Verhältnis zum Fauvismus aufgegriffen. Schon im Palais de Tokyo, nicht erst im Centre Pompidou, wurde deutscher Expressionismus somit erstmals einer breiten französischen Öffentlichkeit vorgestellt. 325 Dass die frühen bilateralen Ausstellungsprojekte unter Hausenstein an anderen Orten gezeigt wurden, mag daran gelegen haben, dass das MNAM mit den ersten temporären Ausstellungen ausgelastet war und der Museumsstandort Deutschland für dieses noch keine so große Rolle wie Holland, England oder die USA spielte. Sieht man von der Ausstellung des 1933 emigrierten Kandinsky 1958 mit Werken aus dem Guggenheim New York ab, taucht Deutschland als Ort der Moderne auch nicht auf, bis die SourcesAusstellung 1960 den Wendepunkt markiert. 326 1966 zeigte das MNAM Le Fauvisme
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Français et les débuts de l’Expressionisme Allemand zusammen mit dem Haus der Kunst München. Es folgten Retrospektiven Willi Baumeisters 1967, Max Beckmanns und Hans Hartungs 1968 und eine große Bauhaus-Ausstellung 1969. Das neue Kapitel in den deutsch-französischen Beziehungen charakterisiert sich jedoch durch eine Kontinuität zum »Dritten Reich« im Beamtenapparat AdenauerDeutschlands. Eine wichtige Rolle spielte in der Nachkriegszeit Bernhard von Tieschowitz, Kulturberater an der deutschen Botschaft. Wie schon dargestellt, hatte Tieschowitz als Nachfolger Franz Wolff-Metternichs 1942 an der Spitze des »Kunstschutzes« in Paris zusammen mit einem Vertreter der »Dienststelle Westen« der nationalsozialistischen »Möbel-Aktion« die Sequestrierung des Untergeschosses des MNAM im Palais de Tokyo als Lager für die Klaviere aus jüdischem Besitz verantwortet. Aus einem Schreiben Cassous von 1961 geht hervor, dass er schon 1959 mit Tieschowitz über Ausstellungen im Gespräch stand. »Nous avions eu en 59 des conversations avec M. von Tieschowitz au sujet d’une éventuelle exposition de la collection Haubrich. Notre exposition des Sources du XXème siècle étant survenue, où l’Expressionisme allemand a été […] pour la première fois produit aux yeux du public français d’une façon complète, nous avons remis à plus tard toute nouvelle manifestation en ce sens.«327 Tieschowitz war nun Mitglied der deutsch-französischen Kulturkommission und tauschte sich auch mit Kurator Maurice Besset vom MNAM über deutsch-französische Ausstellungsprojekte aus. 328 Das Material lässt offen, ob es Jean Cassou bekannt war, mit wem er da im Austausch stand. Es hätte ihm nicht egal sein können. Zwar spricht Cassou 1947 im Dokumentationsband zum Kunstraub der Deutschen die Situation im Palais de Tokyo während der Besatzungszeit nicht an. Aber er selbst war noch 1948 mit der Frage des Umgangs mit den letzten dort übriggebliebenen geraubten Klavieren befasst. Es erscheint fraglich, ob der kunsthistorischen Forschung bis heute die zweischneidige Rolle von Tieschowitz’ in Paris vor der Befreiung und in der Nachkriegszeit vollumfänglich bewusst ist. Als Mitglied des Stabes des deutschen Kunstschutzes in Paris während der Besatzungszeit betreute der frühere Leiter der Fotoabteilung des Preußischen Forschungsinstituts auch die Kampagnen zur Dokumentation französischer Bau- und Kulturdenkmäler in den besetzten Gebieten. 329 Es erscheint zynisch, dass ein für die Lagerung der geraubten jüdischen Klaviere im Keller des MNAM im Palais de Tokyo Verantwortlicher am selben Ort nun deutsch-französische Ausstellungsprojekte verantwortet. 1964 nimmt Cassou den Austausch mit Tieschowitz über deutsch-französische Ausstellungsprojekte wieder auf. Wie er schreibt, oblag es Tieschowitz, die Priorität möglicher deutscher Ausstellungen im MNAM festzulegen und der deutsch-französischen Kulturkommission vorzustellen. 330 Es handelt sich um drei Ideen: Eine Lehmbruck-
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Hommage, ein Projekt zum Bauhaus – realisiert 1969 – und eine Willi BaumeisterRetrospektive, realisiert 1967. Bei der unrealisierten Idee einer Lehmbruck-Ausstellung ging es Cassou darum, besonders dessen künstlerischen Austausch in Paris zu fokussieren. Wilhelm Lehmbruck (1881–1919) hatte zu Lebzeiten in Frankreich mehr Anerkennung gefunden als in Deutschland, wo sein Werk später teilweise als »entartet« verfolgt wurde. Besondere Bedeutung hat seine 1911 im Pariser Atelier entstandene Figur Große Kniende. 331 Ein von seiner Witwe Anita Lehmbruck der Stadt München als Dauerleihgabe überlassener Steinguss der Großen Knienden wurde dort 1937 in der Ausstellung »Entartete Kunst« gezeigt und durch unsachgemäße Handhabe zerbrochen. Eine Ausstellung im MNAM wäre insofern bedeutsam gewesen, denn in Paris hatte sich Lehmbrucks »klassische« Formensprache zum expressiven Ausdruck der Großen Knienden gewandelt. Parallel zu diesen Plänen wurde Anfang 1965 Cassou aus München die Ausstellung der Fauvisten und des Frühexpressionismus angetragen. Nach Absprache mit Bernhard von Tieschowitz teilte er der Association Française d’Action Artistique mit, sie sei von höchstem Interesse. Für Cassou ist die Ausstellung von Bedeutung, da sie den deutschen Expressionismus nicht isoliert, sondern im europäischen Kontext der Zeit, besonders Frankreichs, betrachtet. 332 Allerdings lag der Fokus weniger auf Gemeinsamkeiten als einer Gegenüberstellung künstlerischer Qualitäten. So schrieb Bernard Dorival: »D’autant qu’en confrontant ce Fauvisme avec l’Expressionisme allemand, qui en découle partiellement, elle permettra à chacun de prendre, grâce à leur contraste, une conscience plus facile et plus vive de leur originalité.«333 Und sein deutscher Kollege Leopold Reidemeister: »Wenn es einen Wunsch gibt [...] so den, daß unsere Generation reif sei, die Unterschiede nationaler Eigenschaften in der Kunst nicht abwertend als trennend anzusehen, sondern als bereichernde Vielfalt zu begreifen.«334 Bei Cassous Idee zur Willi Baumeister-Retrospektive im Brief an Tieschowitz 1964 handelt es sich um eine Ausstellung, die ab 1965 in Deutschland, Holland und den USA und in London 1966 gezeigt werden sollte. 335 Im MNAM wurde sie schließlich 1967 gezeigt. 336 Baumeister (1889–1955) wurde 1933 an der Städelschen Kunstschule in Frankfurt mit Lehrverbot und 1941 mit Ausstellungsverbot belegt. Seine abstrakten Werke galten nach dem Krieg als eine Kontinuität der Moderne, die einen künstlerischen Bogen zu Frankreich schlug. Er gilt als der deutsche Künstler, der die deutsch-französischen Kunstbeziehungen am »nachhaltigsten« prägte. 337 Seit den 1920er Jahren hatte er Kontakte in Paris geknüpft, wobei seine Wertschätzung durch Amédée Ozenfant, Corbusier, Fernand Léger sowie besonders Will Grohmann dafür sorgte, dass er Bekanntheit erlangte. 338 Dazu dürfte, als in Frankreich noch die institutionelle Ablehnung der vollständigen Abstraktion nachwirkte, seine formale Freiheit zwischen Abstraktion und Figuration beigetragen haben. Sie ist der Auflösung des Sinneseindrucks in der kubistischen Abstraktion verwandt, die Cassou und andere als höchste Stufe der modernen Formentwicklung sahen. Oto Bihalji-Merin nannte es die Verwurzelung seiner Werke
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in Erinnerungen, im Menschlichen: »Il renonçait aux points de départ figuratifs, conduisait ses figures à l’abstraction, mais cette abstraction restait toute chargée de souvenirs, ancrés dans l’humain.«339 Ein Jahr später zeigte das MNAM 1968 die Ausstellung Max Beckmanns (1884– 1950), die in Zusammenarbeit mit dem Haus der Kunst München entstand und danach noch in Brüssel gezeigt wurde. In der Katalogeinleitung rückte Günther Busch, seit 1950 Direktor der Kunsthalle in Bremen, wo er sich besonders um Ankäufe Beckmanns bemühte, die Präsenz von zehn seiner Bilder auf der Feme-Schau »Entartete Kunst« in München 1937 in den Vordergrund. Er zitierte das Plädoyer für den künstlerischen Individualismus, das Beckmann 1938 aus Anlass der von Intellektuellen wie Corbusier, Maillol, Picasso und Jean Renoir unterstützten Gegen-Ausstellung Twentieth-Century German Art in der New Burlington Gallery London hielt. 340 Noch ein Jahr später widmete das MNAM dem zweiten zentralen Künstler der deutsch-französischen Kunstbeziehungen der Nachkriegszeit 1969 die dritte große Einzelausstellung eines deutschen Künstlers des 20. Jahrhunderts: Dem französisch naturalisierten Hans Hartung (1904– 1967). 341 Hartung, der 1935 vor der Verfolgung nach Paris emigrierte, in Frankreich in die Fremdenlegion eintrat und im Kampf gegen die Deutschen 1944 ein Bein verlor, wurde nach Kriegsende in die französische Ehrenlegion aufgenommen und erhielt 1946 die französische Staatsbürgerschaft. 342 Die Bauhaus-Ausstellung von 1969 wiederum wurde seit 1964 mit dem Kunsthistoriker Ludwig Grote konzipiert. Er war Landeskonservator von Anhalt, bis er von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängt wurde, und daher dem Bauhaus verbunden. Nach dem Krieg organisierte er Ausstellungen im Münchner Haus der Kunst und wurde 1952 Direktor des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Er setzte sich beim Ausschuss für Auslands-Ausstellungen im Auswärtigen Amt für das Projekt ein. Einstimmig wurden 1964 200.000 DM aus den Haushaltsmitteln für 1966 bereitgestellt 343, aber die Ausstellung wurde später von jener zu Fauvismus und Expressionismus aus dem Programm gedrängt. 344 Für Cassou ist das Bauhaus sowohl von ästhetischer als auch politischer Bedeutung in seinem europäischen und transatlantischen Einfluss und als Ereignis der deutschen Kunstgeschichte, »qui a constitué le dernier grand événement de cette histoire avant la catastrophe du nazisme«. 345 Die Ausstellung wurde schließlich als Übernahme vom Württembergischen Kunstverein 1969 in Paris eröffnet zum fünfzigjährigen Jubiläum der Bauhausgründung und des Gründungsmanifestes von Walter Gropius im März und April 1919. 346
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DER AUSSTELLUNGSIMPERATIV Sowohl Malraux’ »imaginäres Museum« als auch die Zunahme von temporären Ausstellungen, begünstigt durch eine vereinfachte Leihgabenpraxis, sind in den 1960er Jahren Ausdruck einer Entwicklung, in der sich ein regelrechter Reproduktionskult mit dem Gedanken des Originals verbindet. 347 Mit dem Siegeszug des Fernsehens formt sich eine Mediengesellschaft aus. Die mediale Präsenz von Joseph Beuys, der Wiener Aktionismus oder die Situationistische Internationale sind Beispiele einer neuen Wechselwirkung von Medien und zeitgenössischer Kunst. 348 Das MNAM im Palais de Tokyo nimmt sich in institutioneller Starre gegenüber solchen Kunstbewegungen konservativ aus, bleibt aber nicht von den Entwicklungen unberührt. Die Nachfrage führt zu immer häufigeren Ausstellungen mit Originalen von unterschiedlichsten Orten. Germain Bazin, seinerzeit noch Chefkurator der Gemälde am Louvre, schreibt 1967, in dieser Entwicklung lösten sich die Museen gewissermaßen auf: »La vogue des expositions. Tout le monde y pousse: les érudits qui réclament des manifestations scientifiques, le public affamé d’actualité, les politiques qui voient dans les chefs-d’œuvre des instruments diplomatiques, les conservateurs qui veulent montrer ce qu’ils savent faire. Autrefois, un bon conservateur était celui qui faisait un musée; aujourd’hui c’est celui qui le défait.«349 Dabei bleiben die Mittel des MNAM beschränkt. Auch die Ankaufspolitik blieb seit 1947 bis zur Fusion mit dem 1967 gegründeten Centre National d’Art Contemporain im Centre Pompidou 1977 schwierig. Der Conseil artistique der Musées nationaux kaufte in der Regel keine Werke lebender Künstler, und Ankäufe der Direction des Arts Plastiques sind bis zur Gründung des Service de la création artistique 1962 unter Malraux von der konservativen Académie geprägt. Diese Neigung zum akademischen Geschmack wirkt lange nach. 350 Maurice Besset, der zur Entwicklung der Sammlung ausländischer Künstler von 1960 bis 1965 Kurator am MNAM war und gegen Widerstände die ersten Ankäufe deutscher Expressionisten durchsetzen konnte, wird mit der Auskunft zitiert, dass gut fünfzig Personen am Beschluss eines einzelnen Ankaufs beteiligt waren. 351 Wechselausstellungen sind daher auch ein Weg, internationale Kunst zu zeigen. Ebenso sind sie ein Mittel, die seltenen Neuzugänge dank Schenkungen und Erbschaften in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. 352 Einer der Künstler, denen sich Jean Cassou am stärksten verbunden fühlte, ist zweifelsohne Georges Braque. Schon 1947 nahm er neben Bonnard, Matisse, Picasso und Marquet den zentralen Platz im MNAM ein. Es widmete ihm zu Lebzeiten keine Einzelausstellung, jedoch waren Cassou und das Haus eng in zwei späte Ausstellungen involviert: L’Atelier de Braque im Oktober 1961, sowie die Ausstellung der Donation Braque, der Schenkung der Witwe Braques zwei Jahre nach dessen Tod 1963, beide im Louvre. 353 Mit der Atelier-Ausstellung war Braque
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der erste lebende Künstler, der im Louvre ausstellte – und Cassou der erste Kurator einer solchen Ausstellung. Cassou hatte die Ausstellung von Braque im Louvre, ein Wunsch des Directeur général des Arts et Lettres Gaëtan Picon, erst durch persönliches Ersuchen beim Künstler ermöglicht. Cassou wollte im Hauptraum der Ausstellung das Atelier aus der Rue du Douanier ausstellen, mit den im Entstehen begriffenen Arbeiten in kreisförmiger Anordnung, und einigen Objekten. Im Eingangsbereich sollten Arbeiten aus der Serie der Atelier-Bilder als Einleitung dienen. 354 Mit der Atmosphäre und Disposition des Ateliers sollte Braques konstante Reflexion »bornée à une œuvre d’intérieur«, die sich der äußeren Zerstreuung erwehrt, veranschaulicht werden. 355 Im Blick auf »le secret et puissant esprit de l’Atelier« zeigte sie auch zwei Atelierbilder, Atelier VI (1950–1951) und Atelier IX (1954–1956), blieb aber fokussiert auf seinen »hermetischen Kubismus«. 356 Cassou las die Bedeutung des Ateliers als »intériorisation de la nature«, »prodigieuse multiplication de natures mortes qui fait le fond de l’œuvre de Braque«. Damit versäumte die Ausstellung, auf räumliche und motivische Bezüge der Serie bei ihrer Anwesenheit im Atelier hinzuweisen und damit den »wichtigsten Bilderkomplex im Spätwerk des Künstlers« (Uwe Fleckner) als solchen zu erkennen, der Carl Einsteins »Auffassung vom élan vital der Kunst« nahesteht, »der zufolge die bildnerische Gestalt aus den verschütteten Tiefen an die Oberfläche des Kunstwerks drängt«. 357 Eine zeitgleich in Vorbereitung befindliche Braque-Ausstellung in Oslo, für die Hilfe und zahlreiche Werke der Galerie Maeght beansprucht wurden, zeigt in einer seltenen deutlichen Äußerung aber auch die immer schwierigere Allianz mit privaten Galerien bei öffentlichen Ausstellungen. Für Museumsdirektor Cassou ist die Zusammenarbeit mit Kunsthändlern unverzichtbar, aber er sieht, dass nicht einzelne Galerien erkennbar bevorzugt werden dürfen. Es gilt, eine wohl immer wieder geäußerte Kritik zu vermeiden, wo sich private Interessen mit nationalem Prestige verbinden. 358 Cassous Verbundenheit mit Braque zeigte sich auch in seinem Vorwort zum Katalog der Donation Braque mit 14 Gemälden, 5 Skulpturen, und zwei Schmuckstücken. Die Ausstellung im Louvre war Bedingung der Schenkung. Sie wurde im etruskischen Saal gezeigt, für den Georges Salles 1952 bei Braque das berühmte Deckengemälde der Oiseaux bestellt hatte. Erneut kommt Cassou hier auf die Kategorie der Geistesgeschichte zu sprechen, um eine moderne Position zu kennzeichnen. Während er beim Bauhaus wie oben zitiert von einem deutschen »phénomène spirituel« sprach, zeichnet sich Braque für ihn als eine der stärksten »pensées créatrices« der französischen »histoire spirituelle« aus. 359 Erneut zeigt sich hier Cassous Verständnis der künstlerischen Schöpfung als Einheit von rationaler Formgebung und künstlerischer Empfindung. Braque steht im Zentrum der nationalen künstlerischen Wesensidentität Frankreichs, der Kubismus galt »als Inbegriff der französischen Kunst«, da er rationale Form auf geistige Beweggründe zurückführe, während die »absolute« Abstraktion als eine »irrationale, eine heimatlose Kunst
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verurteilt« wurde. 360 Für Cassou bleibt Kunstgeschichte geistige Wesensgeschichte, wie sie schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit bei Ausstellungen nationale Unterscheidungen ermöglichte.
VOM PAL A ST ZUR »AUSSTELLUNGSMA SCHINE« II: DA S PAL AIS DE TOKYO UND DA S CENTRE POMPIDOU Die ersten beiden Jahrzehnte des MNAM im Palais de Tokyo waren geprägt von seiner Institutionalisierung und der Reflexion seiner sozialen Stellung. Die Kanonisierung der klassischen Moderne entfernte es jedoch zunehmend von der aktuellen Kunst. Dabei muss die nationale Instanz ästhetischer Bildung auch auf die Zukunft gerichtet sein (Abb. 78). Die Kulturarbeit im europäischen Integrationsprozess sowie die Zusammenarbeit mit dem Kunstmarkt stellen weitere Herausforderungen dar. Ende der 1960er Jahre setzt nach der Amtszeit Bernard Dorivals als Chefkurator (1965–1968) daher ein Prozess der Erneuerung ein. Die Sammlungspräsentation musste dringend modernisiert werden, noch immer dominierte die didaktisch-kontextuelle Auf bereitung mit Vitrinen, Möbeln, Vorhängen und Wandbespannungen bis hin zu »period rooms«. Noch Anfang der 1970er Jahre erbat man vom betagten André Dunoyer de Segonzac, für eine Ausstellung junger Kunst seine Bilder und die Wandbespannung aus rotem Samt in dem ihm gewidmeten Raum entfernen zu dürfen – wozu er bereitwillig seine Zustimmung gab. 361 In der Skulpturenhalle wichen Arbeiten rund um Pompons Grand Cerf jüngeren Werken, nach 1970 zeigte sie Skulpturen der 1960er Jahre. 362 Diese Modernisierung leitete ab 1968 Dorivals Nachfolger Jean Leymarie ein, der bis 1973 Direktor blieb. Pontus Hultén löste ihn ab und führte das MNAM 1977 ins Centre Pompidou, wo er es noch bis 1981 leitete. Leymarie erinnert seine Zeit als krisenhaften Übergang, abgeschnitten vom zeitgenössischen Kunstschaffen und ohne die Handlungsmöglichkeiten des späteren unabhängigen Centre Pompidou. 363 Zudem war die Direction des musées de France in der Mittelvergabe eher der alten Kunst zugeneigt. 364 Dennoch begann Leymarie mit seinem Team eine vier Jahre währende Überarbeitung der Präsentation. 365 Die Veränderungen werden an Dokumentationsfotografien nachvollziehbar. Während etwa im Saal Henri Matisse 1960 noch eine eher konservative Hängung mit korrespondierenden Formaten und Stellwände einen didaktischen und unruhigen Raumeindruck vermitteln, sind 1972 die schwarzen Bodenleisten weiß gestrichen und einige Bänke entfernt, was ihn übersichtlicher wirken lässt und dem Prinzip des »White Cube« annähert. Die Hängung ist nun abwechslungsreich mit Dufy, Roussel und Picasso (Abb. 79–80). Auch der Picasso-Saal wird modernisiert. Statt einer Holzkonstruktion mit eng gehängten Bildern in der Mitte 1960 betonen 1972 vier elegante Bänke die Breite des Raumes. Auch auf die Gegenüberstellung von Keramik und Malerei wird zuguns-
367 | Vom Palast zur »Ausstellungsmaschine« II: Das Palais de Tokyo und das Centre Pompidou
78 Musée national d’Art moderne, Depot, 1974, Dokumentationsansicht aus einem Museografie-Album des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
ten eines Überblicks über die malerische Entwicklung verzichtet (Abb. 81366 –82367). Hier vollzieht sich eine Entwicklung des modernen Ausstellungsraumes, wie sie Brian O’Doherty 1976 erstmals in Artforum beschrieb: Hin zum ablenkungsfreien weißen Galerieraum, der es erlaubt, durch die ausgestellten Werke konzeptuelle Vorstellungen und Ideen über Kunst zu artikulieren. 368 Zu Beginn der 1970er Jahre war ein Hauptziel der Ausbau der Sammlung mit Werken international bedeutender Gegenwartskünstler. 1971 kam Jean-Hubert Martin als Kurator zeitgenössischer Kunst ans Haus. Seit der Gründung des CNAC 1967 war das MNAM nur noch für tote oder als »historisch« empfundene Künstler zuständig. Martin weist darauf hin, dass die von Cassou und Dorival aufgebaute Sammlung im Surrealismus Lücken aufwies, Dada nur durch einige Ankäufe im Zuge der Ausstellung 1966 präsent und die geometrische Abstraktion mit etwa Mondrian vollständig abwesend war. Zumindest Gegenwartsbewegungen wie etwa Supports/Surfaces und Künstler, mit denen er im Austausch stand wie Christian Boltanski und Sarkis wurden nun gezeigt. 369
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79 Musée national d’Art moderne, salle Matisse, 1960, Dokumentationsansicht aus einem Museografie-Album des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
80 Musée national d’Art moderne, frühere salle Matisse mit Dufy, Roussel und Picasso, 1972, Dokumentationsansicht aus einem Museografie-Album des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
369 | Vom Palast zur »Ausstellungsmaschine« II: Das Palais de Tokyo und das Centre Pompidou
81 Musée national d’Art moderne, salle Picasso, 1960, Dokumentationsansicht aus einem MuseografieAlbum des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
82 Musée national d’Art moderne, salle Picasso, 1972, Dokumentationsansicht aus einem MuseografieAlbum des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
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83 Musée national d’Art moderne, Sammlung zeitgenössischer Kunst nach 1945, Sommer 1974, Werke von Daniel Spoerri, Niki de Saint Phalle, Alain Jacquet, Jacques Villeglé und Panamarenko, Dokumentationsansicht aus einem Museografie-Album des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Weitere Dokumentationsfotografien aus den 1970er Jahren zeigen das Bemühen um wichtige Positionen der Gegenwartskunst wie Yves Klein, Lucio Fontana und Jean Tinguely, von Soulages und Rothko bis zu Hans Hartung und Pollock, sowie Spoerri, Niki de Saint Phalle, Alain Jacquet und Panamarenko (Abb. 83). Wichtige Ankäufe wie Rothko und Burri wurden vereinzelt möglich, dazu kamen solche aus Ausstellungen des CNAC, wie Tinguely (1971), Spoerri (1972) oder Alain Jacquet (1974). 370 Großes Interesse herrschte an amerikanischer Malerei. 371 Damit zeigt sich aber auch, dass das MNAM kein Forum aktueller Bewegungen ist, sondern ihre Musealisierung vollzieht. Die 1976 gezeigte Gruppe Supports/Surfaces etwa bestand nur von 1970 bis 1972, Yves Klein war 1966 gestorben, und der Nouveau Réalisme wurde schon seit über einem Jahrzehnt prominent von Pierre Restany gefördert. Das Aufgreifen künstlerischer Dekonstruktionsströmungen scheint zeitlich verzögert auf den Erfolg vielgelesener Autoren von Strukturalismus und Dekonstruktion im Zuge der 68er-Bewegung zu folgen. 372 Dadurch erscheinen sie aber auf formale Aspekte reduziert wie auf den Fotos der Sammlung die Werke von Supports/Surfaces vier Jahre nach deren Auflösung, oder Yves Kleins Portrait-Relief »Arman« (1962), das 1968 angekauft wurde (Abb. 84). Ihre kuratorische Anordnung drängt formale Vergleiche geradezu auf. Es waren zudem zwei Prozesse von außen, die eine Suche neuer Ausstellungsstrategien anstießen: Die institutionelle Kritik am MNAM von Kunstkritikern, Künstlern und
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84 Musée national d’Art moderne, Sammlung zeitgenössischer Kunst nach 1945, 1971, rechts Yves Klein: Portrait-relief »Arman« (1962, Ankauf des Staates 1968, Attribution MNAM 1970), vorne Piotr Kowalski: Manipulateur III (1967, Ankauf des Staates 1968), Dokumentationsansicht aus einem Museografie-Album des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
später den Demonstranten, sowie der politisch-administrative Prozess der Planung des Centre Pompidou ab 1969. Unmittelbare Auswirkungen der Proteste 1968 auf Institutionen sind nicht allzu weitreichend. Anders als 1936, als der Front Populaire die zentrale Stellung der Arbeiterklasse erwirkte, wurden 1968 nur wenige Forderungen umgesetzt, und wenn, dann zumeist sogar erst später unter rechten Regierungen. 373 Im Bereich der bildenden Künste betraf dies vor allem die Trennung der Ausbildung von Künstlern und Architekten und die Abschaffung des Prix de Rome. 374 Der Rücktritt de Gaulles und die Wahl Georges Pompidous zum Präsidenten 1969 markieren jedoch einen Wendepunkt. Die Schaffung eines neuen Kulturzentrums in Les Halles wird noch 1969 beschlossen und nimmt ab 1972 schnell Formen an. Eine top-down-Kulturpolitik soll durch Anreize ersetzt werden; geplant ist auch, das Personal unabhängig zu halten und periodisch zu erneuern um Technokratie zu verhindern. 375 Das Centre Pompidou als Ergebnis der Proteste 1968 zu lesen würde jedoch entschieden zu kurz greifen. Vielmehr steht es in der Kontinuität des Projekts eines Museums des 20. Jahrhunderts mit dem im Palais de Tokyo entworfenen Programm. Mit Beaubourg schloß das MNAM zum zweiten Mal durch eine neue Institution zur Gegenwart auf. Für das seit 1938 leere Gelände des Plateau Beaubourg neben Les Halles hatte man 1968 im Zuge der Umgestaltung des Viertels zunächst eine große Bibliothek erwogen. Diese Idee wurde mit der des Musée du XXème siècle zusammengeführt, als Georges Pompidou
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das neue Centre National d’Art et de Culture anstieß, das am 29. Oktober 1970 verabschiedet wurde. Mit Gesetz vom 3. Januar 1975 wurde es einem Präsidenten, Robert Bordaz, unterstellt, der das Direktionskomitee seiner vier Departements beaufsichtigt. Das MNAM wurde damit der Verantwortung der Direction des musées de France (DMF) entzogen, aber nicht autonom. Es ist Teil des Centre und erhielt lediglich endlich einen eigenen Ankaufsetat für moderne Kunst. 376 Pontus Hultén, der erste Direktor des Départements des Arts Plastiques in Beaubourg, versuchte ihm mit drei Sektionen eine neue Dynamik zu geben. 377 Die »section des collections« spiegelte Daueraufgaben wie Präsentation, Konservierung, Ankauf und Schenkungen, die »section des manifestations« die zeitlich begrenzten Projekte und die »documentation« Recherche und wissenschaftliche Arbeit. Als Leitlinie definierte er die Öffnung des Museums und den Abschied vom »offiziellen Geschmack«. Das Museum sollte nicht mehr Kirche oder Palast, sondern kreativer Begegnungsort sein – »il faut retirer les uniformes aux gardiens et à la culture«. 378 Der zeitgenössischen Kunst räumt Hultén größte Bedeutung für die Wahrnehmung der Vergangenheit ein. Da ein großer Teil der Bevölkerung nicht mehr um das tägliche Überleben kämpfe, sei Kultur nicht mehr einer Elite vorbehalten. Die »Krise« der Museen und Kunst sei nur Ausdruck der Unzufriedenheit des Publikums. Nun wurden im Bereich Surrealismus, Abstraktion und internationale Kunst wichtige Ankäufe getätigt. 379 Schon zur »Préfiguration« des Pompidou bat Hultén auch den experimentellen Filmemacher Peter Kubelka, Direktor des Filmmuseums Wien und zusammen mit Jonas Mekas Mitbegründer der Anthology Film Archives in New York, um eine Retrospektive der Filmgeschichte. Sie wurde 1976 in der Cinémathèque und dem CNAC und 1977 zur Eröffnung des Centre Pompidou gezeigt, womit sie den Beginn der Ausstellungs- und Sammlungstätigkeit im Bereich der Medienkunst markiert. 380 Hultén spricht die »Krise der Museen« an – er selbst und Beaubourg sind die Antwort der französischen Kunstpolitik auf die Krise des MNAM im Palais de Tokyo. Die Kritik an der Sammlungs- und Ausstellungspolitik des MNAM, die im Versuch seiner Besetzung gipfelt, tritt, wie im Folgenden dargelegt wird, nicht erst mit Mai 1968 auf. Schon 1964 steht es unter Beschuss. Die sogenannte »Affaire Jakovsky« um die Ausstellung »naiver« Malerei und Pierre Restanys Kritik an der Schenkung Pevsner 1964, die aus Aktenmaterial des MNAM rekonstruiert werden, machen deutlich, wie akribisch Jean Cassou, um das öffentliche Bild seines Hauses besorgt, dem begegnete. Es sind Dokumente einer Entfremdung. Cassou ist Teil einer nun zunehmend gestrigen elitären Welt, in der persönlichen Bekanntschaften bei ausstellungspolitischen Entscheidungen ein Wert zukommt, der durch die öffentliche Forderung nach demokratischer Öffnung bedroht ist. Zwischen Kritik am MNAM und das Projekt des Centre Pompidou treten gewissermaßen als »Scharnier« noch die Ausstellungsaktivitäten der seit 1959 existierenden Biennale de Paris sowie des experimentellen Ausstellungsraumes ARC im Musée d’Art moderne de la Ville de Paris und des neu geschaffenen, für zeitgenössische Kunst zustän-
373 | Vom Palast zur »Ausstellungsmaschine« II: Das Palais de Tokyo und das Centre Pompidou
digen Centre National d’Art Contemporain CNAC, die beide 1967 entstanden. Ihre Ausstellungen jüngerer internationaler Kunst lassen die Defizite des MNAM deutlich hervortreten. So ist die 1977 im Centre Pompidou realisierte Fusion des MNAM und des CNAC einer der Motoren der Schaffung dieser neuen Großinstitution. Wie zu sehen sein wird, geht das Projekt des Centre Pompidou auf die im Kulturministerium Mitte der 1960er Jahre begonnene Reform des MNAM zurück. Damit ist nach der Rolle des Palais de Tokyo zu fragen. Es stellt von Anfang an eine Abgrenzungsfolie für das Centre Pompidou dar, an der Anforderungen und Kriterien entwickelt werden. Es gilt hier nicht, die Geschichte des Centre Pompidou zu schreiben. Analysiert werden die Quellen in den beiden Serien 2HH, Archive des MNAM, und 3KK, Beaubourg – Musée national d’Art moderne, der Archives des musées nationaux. Die Sprache dieser Projektentwürfe eines neuen Museums für zeitgenössische Kunst gleicht jener der 1930er Jahre. Louis Hautecoeur hatte 1934 auf dem Museologie-Kongress in Madrid das Konzept einer »Ausstellungsmaschine« diskutiert. Wie damals wünscht man sich nun die Erneuerung einer verstaubten Vorgängerstruktur für eine Revitalisierung des Standortes Paris und der zeitgenössischen Kunstproduktion. In den Ministeriums-Entwürfen der 1960er Jahre gipfelt dies ins Ziel eines »enthousiasme esthétique«. Die Dynamisierung der Institution, Partizipation der Besucher, Öffentlichkeitsarbeit und Zusatzprogramme haben im Centre Pompidou tatsächlich einen Generator der Kulturindustrie entstehen lassen, der als ihr Symbol diese auch selbst hervorbringt. Wo das Palais de Tokyo noch mehr Musentempel ist, ist das Centre Pompidou ganz die kulturpolitisch gewünschte »Ausstellungsmaschine«. Nicht nur die Besucherzahlen des Centre Pompidou insgesamt – 6 Millionen im Jahr 1977; 7,7 Millionen im Jahr 1983 –, auch jene des MNAM sind nach dem Umzug ins Centre gestiegen. Sie haben sich mehr als verzehnfacht. Auf durchschnittlich 100.000 jährliche Besucher im MNAM im Palais de Tokyo zwischen 1963 und 1976 kommen im MNAM im Centre Pompidou ab 1977 1,2 Millionen, hin zu 1,5 Millionen im Jahr 1983. 381
STURM AUF »EINE WEITERE BA STILLE«: DA S MUSÉE NATIONAL D’AR T MODERNE UND DIE INSTITU TIONELLE KRITIK DER 1960ER JAHRE Die institutionelle Kritik am MNAM in den 1960er Jahren bis hin zum Versuch einer kurzen Besetzung im Mai 1968 führt zu keinen in der Liste der Ausstellungen erkennbaren Brüchen. Ankaufsmittel blieben beschränkt. Ab 1967 hatte die zeitgenössische Kunst im CNAC ein eigenes Forum. Dennoch ging Kritik nicht spurlos am Haus vorbei. Jean Cassou begegnete ihr mit viel Energie – zumal er selbst, wie gesehen, ja schon 1963 Defizite ansprach und von der schwierigen Bewältigung der Aufgaben berichtete. Zwei Vorgänge weiteten sich in den Dossiers des MNAM zu »Affären« aus. Anatole Jakovsky
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bezeichnete im Oktober 1964 eine Ausstellung »naiver« Malerei als konservativ. Aufschlussreich ist hier Cassous Reaktion, die ganz selbstverständlich in einer Einflussnahme auf den Herausgeber der Zeitschrift Arts besteht. Der zweite Vorgang führt in den Kern der »institutionellen Kritik« der 1960er Jahre: Eine Kritik vom Februar 1964 an der Ausstellung der Schenkung Pevsner von Pierre Restany, der später auch die Besetzung des MNAM initiierte. Sie enthält in nuce alle institutionellen Problemfelder des Hauses und beklagt seine Entfremdung von der zeitgenössischen Kunst.
DIE VERTEIDIGUNG EINES LEBENSWERKS Anatole Jakovsky (1907–1983), ein Kritiker und Sammler, der sich um die »naive Kunst« verdient machte, publizierte in der Ausgabe 7.–13. Oktober 1964 von Arts einen Artikel über die Ausstellung Le Royaume enchanté des naïfs im Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam, die ab dem 15. Oktober 1964 im MNAM unter dem Titel Le Monde des Naifs gezeigt werden sollte. Ihre Kuratoren waren Jean Cassou, Oto BihaljiMerin und Renilde Hammacher-van den Brande vom Museum Boijmans. Jakovsky kritisierte, dass sie Folklorekunst mit »naiver« Kunst mische, und monierte Auslassungen belgischer, holländischer und italienischer Künstler, besonders da eine große Ausstellung im Palazzo Barberini in Rom zuvor die Vielseitigkeit der italienischen »Naiven« gezeigt habe. 382 Schlimmer sei, dass mit nur drei Franzosen des »côté ›musée‹« die »école naïve la plus nombreuse, la plus variée, la plus riche du monde« unterrepräsentiert sei, wo doch in Frankreich die aktuelle Kunst gegenüber der amerikanischen Pop Art, dem deutschen Expressionismus und jugoslawischer »naiver« Maler ins Hintertreffen geraten sei. Aus dem Artikel, wie aus einem Brief an die Kuratorin, spricht Enttäuschung, dass er nicht selbst als Experte hinzugezogen worden war. 383 Seine Kritik ist eine des MNAM, dem er den Konservatismus des Musée du Luxembourg vorwirft: »Quand j’étais jeune, je pensais souvent, non sans tristesse, en parcourant les salles du feu musée du Luxembourg – le Musée d’Art Moderne n’était pas encore né – par quelle déformation professionelle on pouvait préférer les Besnard à Bonnard, et les Paul Chabas à l’Art Abstrait, la seule avant-garde de notre avant-guerre. Maintenant, trente-cinq ans après, je songe avec la même tristesse qu’au fond rien n’a changé de camp [...]. Les conservateurs […] conservent et se conservent.«384 Cassou hält sich in seinem persönlichen Antwortbrief, aus dem hervorgeht, dass Jakovsky Leihgaben aus seiner Sammlung nach Rotterdam gab, nicht zurück: »il existe [...] un procédé facile qui consiste, si l’on a à parler d’une exposition Léonard de Vinci (pour prendre encore un octogénaire), à feindre de croire qu’il s’agit
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d’une exposition cubiste et à la déclarer exécrable parce qu’on n’y trouve ni Braque ni Picasso.«385 Parallel dazu schrieb Cassou an den Herausgeber von Arts Daniel Wildenstein und erinnerte ihn an die Zusicherung, dass es in der Zeitschrift keine Attacken mehr gegen ihn mehr geben sollte. Die Zeitschrift sei der Stellung Frankreichs im Ausland nicht förderlich gewesen. 386 Wildenstein wies seinen Chefredakteur daraufhin an, er wolle nichts dergleichen mehr lesen. 387 An Cassou schrieb er: »J’étais désespéré à la lecture de cet article ignoble. [...] J’espère que vous m’excuserez une fois encore [...].«388 Der Redakteur entschuldigte sich, die Ausstellung werde neu besprochen. 389 In einem Brief an den im Artikel genannten Künstler Jules Lefranc maß Cassou den »platten« Entschuldigungen und einem »dummen« Brief Jakovskys wenig Bedeutung bei, aber man habe wohl »Satisfaktion«. 390 Cassou scheint ernsthaft um die Stellung des Museums besorgt. Eine vorangegangene Kritik Pierre Restanys hat Spuren hinterlassen. Er hält sie Jakovsky vor, versichert aber, er werde sich nicht beirren lassen: »Soyez sûr, néanmoins, que cela ne m’empêchera pas de continuer à enrichir ce musée que […] d’ailleurs, j’ai crée avec mes collaborateurs, puisqu’avant nous, il n’y avait pas en France de musée d’art moderne.«391
GEGEN DEN »POMPIÉRISME MUSÉOGRAPHIQUE«: DIE AFFAIRE RESTANY 1964 Der Theoretiker, Publizist und Kritiker Pierre Restany (1930–2003) schrieb in der Ausgabe 19.–25. Februar 1964 von Arts einen Artikel über die Schenkung Virginie Pevsners (Abb. 85) aus dem Nachlass ihres Mannes, des Konstruktivisten Antoine Pevsner (1884–1962), und eine konzentrierte Kritik an Kernaufgaben des Museums. 392 Restany äußert sich positiv über das Ensemble, besonders die Arbeit Construction dans l’espace (1923–1925), in der er eine Verkörperung des von Pevsner und dessen Bruder Naum Gabo 1920 in Moskau publizierten Realistischen Manifestes sieht. 393 Die Schenkung, zusammen mit der vorangegangenen von zwei Skulpturen 1957, sei ein »magnifique cadeau qui constitue le plus émouvant hommage« an Paris, Exilheimat des Künstlers von 1923 bis zu seinem Tod 1962. An der Schenkung aber macht er seine Kritik des Museums fest. In 40 Jahren habe der Staat es nicht fertiggebracht, Pevsner anzukaufen. Ohne Schenkung gäbe es von diesem nur ein minderes Gemälde im MNAM. 394 Restany greift Cassous Katalogvorwort auf, das an die Retrospektive Pevsners im MNAM 1957 erinnert, als Pevsner immerhin schon 72 Jahre alt war: »Avant, c’est l’occultation pure et simple, ›la fière et discrète modestie‹; après, c’est la pleine lumière.«395 Aber habe das MNAM deshalb eine Schenkung verdient? Pevsner hatte schon zehn Jahre davor im MoMA und bei René Drouin in
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85 Musée national d’Art moderne, salle Pevsner, 1966 (Schenkung Pevsner 1962), Dokumentationsansicht des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Paris große Schauen. Auch könne kaum von dessen »gloire incontestée après le succès de 1957« die Rede sein, da sein Beitrag für Frankreich in Venedig 1958 leer ausgegangen sei – was, wie gesehen, Anlass zum Rückzug von der folgenden São Paulo-Biennale und Spekulationen über anti-französische Haltungen gegeben hatte. Für Restany ist das Ergebnis aber hausgemacht: »À travers l’Ecole de Paris c’est la France qui est attaquée dans toutes les manifestations internationales. On attaque la France parce que les représentants de la France officielle en matière d’art contemporain sont en perte de vitesse et de prestige continue à l’étranger.« Paris werde zur »capitale du pompiérisme muséographique«. Restany zählt auf, was in Frankreich fehle: Eine Ankaufspolitik, die auf »wirklich« lebende Kunst gerichtet sei; Ausstellungen über aktuelle Themen; Begegnungen zwischen Skulptur und Architektur; breit informierende Vortragsprogramme und aktuelle Diskussionen; regelmäßige Vorführungen mit Filmen und Dokumenten zur Arbeit zeitgenössischer Künstler; runde Tische. Am Quai de Tokyo aber beschränkten sich »aktive« Programme auf internationale Wander-Ausstellungen und »pompeux hommages individuels« – träge Routine, »inertie routinière«. Das Projekt des neuen Musée du XXème siècle werde vielleicht
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ein neues Zeitalter einleiten. Aber die Ausbildung der Kuratoren sei absolut veraltet. Als aktuelles Beispiel nennt er die erwähnte Ausstellung zum Atelier Braques. Diese erste Schau eines lebenden Künstlers im Louvre sei zur »unfreiwilligen Parodie« einer posthumen Hommage geraten. Jean Cassou trifft besonders der Vorwurf einer »Beamtenmentalität« des Personals, das mit träger Routine Schenkungen einwerbe wie jene von Sonia Delaunay mit eigenen und Robert Delaunays Werken, das Legat des Atelier Brâncus, is und die Schenkung Georges Rouaults. Diese Schenkungen gehen auf langjährige, intensive Pflege persönlicher Beziehungen zurück. Scharf antwortet er Restany: »Vous avez écrit, à propos de la donation Pevsner (Arts, 19 Février) un article où la bassesse le dispute à la bêtise.« Die Vorwürfe bezeichnet er als »Versuche hinters Licht zu führen«. 396 Er, Bernard Dorival und Georges Salles seien enge Freunde Pevsners und bei dessen Beerdigung im allerkleinsten Kreis zugegen gewesen. Cassou wirft Restany mangelndes Einfühlungsvermögen für solch langjährige Verbundenheit vor. Der verdanke sich die Schenkung Delaunay, die Schenkung der Familie Rouault, ebenso Brâncus, is Entscheidung, dass sein Atelier nach seinem Tod am MNAM mit allen darin befindlichen Werken rekonstituiert werden solle. 397 Cassou geht damit kaum auf die institutionelle Kritik fehlender Aktivitäten des Hauses ein. Während das zwanzigjährige Bestehen der Institution näher rückt, macht sich auf diese Weise ein Generationenwechsel bemerkbar, der sich schließlich im Mai 1968 Bahn brechen wird. Auf die Kritik des Jüngeren reagiert Cassou mit dem Vorwurf mangelnder »Liebe« zur Kunst, mit dem Hinweis auf Erfahrung – »notre inoubliable Brâncus, i« –, Treue zu den Künstlern – »fervente fidélité« – und Verantwortungsbewusstsein – »tâche«, »conviction«. Man kann Pierre Restany, dem wohl einflussreichsten Kunstpublizisten Frankreichs, und ab 2000 Präsidenten des Palais de Tokyo – Site de Création Contemporaine, kaum mangelnde Liebe zur Kunst attestieren. Vielmehr zeichnen sich verschiedene Grundverständnisse des Museums ab. Cassou, der einer reaktionären und faschistischen Ablehnung der Moderne entgegentrat, sieht sich plötzlich dem Vorwurf ausgesetzt, ein konservatives, träges Beamtentum zu verkörpern. Dabei muss das Museum für ihn zuvorderst den persönlichen Austausch mit Künstlern, Sammlern, ihren Familien, Administration, Politik und internationalen Kollegen suchen. Die Schenkungen stellen sogar im Programm für das angedachte Museum des 20. Jahrhunderts einen der zentralen Fixpunkte dar, an denen die architektonischen Erfordernisse des experimentell konzipierten Museums ausgerichtet werden sollen. 398 Cassou schickte seine Antwort an Restany in Kopie an Gaëtan Picon, den Directeur général des Arts et Lettres. 399 Dazu ergriff er Beschwerdemaßnahmen bei den Chefredakteuren und dem Herausgeber von Arts. Daniel Wildenstein teilt ihm schnell Verständnis mit und dass er den Artikel vollständig verurteile.400 An den Redakteur Philippe Huisman schrieb Cassou – ausfällig –, mit Restanys Artikel sei eine Grenze überschritten.401 Bernard Dorival ließ Virginie Pevsner sogar einen telefonisch vorbesprochenen, unter-
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schriftsreifen Briefentwurf zukommen, mit dem sie eine Gegendarstellung fordern sollte.402 Jean Cassou sieht in Restanys Kritik 1964 zum Ende seiner Amtszeit auch sein Lebenswerk angegriffen, die Schaffung des Museums »par conviction et avec amour, et grâce à la confiance et à la coopération des meilleurs artistes de notre temps, de leurs femmes, de leurs familles«.403 Mit den »meilleurs artistes« seiner Zeit ist aber auch das Erscheinungsbild des Palais de Tokyo gealtert. Anatole Jakovsky sprach von einer »Beerdigung erster Klasse« der Meister. Restany spricht von »pompiérisme muséographique«. Und dennoch: Das Programm eines neuen Museums des 20. Jahrhunderts sollte ja gerade den Brückenschlag zwischen der historischen Moderne und der zeitgenössischen Kunst unternehmen, die Ideen lagen längst in den Schubladen der Administration. Cassou vermutete gar einen Zusammenhang zwischen der Kritik und einer Kandidatur François Matheys (1917–1993) für den Posten als Chefkurator des MNAM. Mathey war Chefkurator des Musée des Arts Décoratifs de Paris von 1953 bis 1985 und Urheber des Centre de Création Industriel CCI im Centre Pompidou. An seinem Haus bot er der zeitgenössischen Kunst zeitweise ein Forum, das diese im MNAM nicht hatte.404 Cassou schreibt davon, Restany habe mit seinem Lob des Musée des Arts Décoratifs Mathey als seinen Nachfolger positionieren wollen.405 Auch habe die Galeristin des Bildhauers Etienne Martin ihm mitgeteilt, falls das MNAM nicht wolle, sei François Mathey bereit, diesem eine Einzelschau zu widmen. Dazu kommt das Protokoll einer Sitzung der »Commission pour l’aménagement et l’utilisation du Grand Palais«, bei der die Idee im Raum stand, im Grand Palais alle sechs Monate die neueste zeitgenössische Kunstproduktion zu zeigen. In dieser Sitzung wurde die Kritik am MNAM aufgegriffen, was für Cassou ein weiteres Anzeichen für eine konzertierte Kampagne gegen das MNAM war: »Il me confirme qu’il s’agit là de toute un manœuvre concertée et qui, malheureusement, a pris un tour officiel.« 406 Es ist nicht so, dass Cassou im MNAM nichts an zeitgenössischer Kunst lag. Einerseits sieht er zum Teil die Aufgaben des Museums in diesem Bereich mit den Wechselausstellungen aber schon erfüllt. Andererseits obliegt eine solche Präsentation seinem Verständnis nach privaten Galerien und den von Künstlern selbst organisierten Salons, denen das Museum der Stadt Paris im Ostflügel des Palais de Tokyo seine Räumlichkeiten regelmäßig zur Verfügung stellte.407 Weitere Ausstellungsformate im MNAM müssen ihm als eine fast absurde Doppelung erscheinen. Und die Idee einer »experimentellen« Galerie für Kunst »im Entstehen« war ja längst in Arbeit, im von ihm vorgelegten Programm zum »Musée du XXème siècle«. Sie trage, betont Cassou, ihren Namen zu Recht.408
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1968 ODER DER KÜNSTLER AL S KATALYSATOR IN STRÖMEN DES GEMEINSCHAFTSLEBENS Tatsächlich aber fehlen wichtige aktuelle Positionen im MNAM. Die einflussreichste Entwicklung dieser Zeit sind die Arbeiten der Nouveaux Réalistes. Als kunsttheoretische Richtung formulierte sie Pierre Restany ausgehend von fünf zentralen Ausstellungen.409 Sie können beispielhaft stehen für die Dynamik der Pariser Galerienszene und die dagegen träge wirkenden Ausstellungsaktivitäten des MNAM: Yves Kleins Ausstellung Le Vide in der Galerie Iris Clert 1958, gefolgt von seiner Kooperation mit Tinguely für die Ausstellung Vitesse pure et stabilité monochrome ebenda; die Serie der Métamatics, Tinguelys Machines à peindre 1959; 1959 stellten Raymond Hains seine Palisaden mit zerrissenen Plakaten und Tinguely seine Maschinenskulpturen auf der ersten Biennale von Paris aus; 1960 zeigt Arman bei Iris Clert die Ausstellung Le Plein in Bezug auf Kleins Vide; und im Salon de Mai 1960 zeigte César seine Auto-Kompressionen.410 Am 16. April 1960 wurde in Mailand das erste Manifest des Nouveau Réalisme publiziert, und im Juni 1961 in der Pariser Galerie Rive Droite La réalité dépasse la fiction. Le Nouveau Réalisme à Paris et à New York eröffnet – mit Niki de Saint Phalle, Klein, Arman, Tinguely, Hains und César, sowie Robert Rauschenberg, Jasper Johns, Stankiewicz, Chamberlain, Bontecou und Chryssa; 1961 gründete sich die der Bewegung gewidmete Galerie J, wo im Mai in Quarante Degrés au-dessus de dada zu den genannten französischen Künstlern noch Villeglé, Dufrêne, Rotella und Spoerri ausstellten; am 14. Juli 1961 gab es in Nizza ein Festival du Nouveau Réalisme, wo Tinguely, de Saint Phalle, Arman und Martial Raysse ausstellten.411 Institutionell wurden diese Künstler in Frankreich zunächst nicht ernst genommen. In New York hingegen wurde ihre Bedeutung sofort erkannt. 1962 zeigte die Galerie Sidney Janis die Ausstellung New Realists. Sie gingen in der Folge zahlreich nach New York, während sich Restany mit der Ausstellung Hommage à Nicéphore Niepce 1965 in der Galerie J einer neuen Richtung zuwandte, der Mec’Art.412 Pierre Restany war gut vernetzt und auch beim internationalen Prix Marzotto einflussreich, dessen Ausgabe 1966 Michel Ragon als »un véritable hommage au nouveau réalisme et à ses déscendants« las.413 Cassou, wie oben gesehen, war noch 1960 Teil der Jury dieses Preises. Das zeigt einen Generationenwechsel, aber auch die antagonistischen einflussreichen Positionen der beiden. Restany war seit 1954 Mitarbeiter verschiedener italienischer Zeitschriften, hielt seit 1955 in Deutschland Vorträge in Galerien und Kunstvereinen, organisierte Ausstellungen in Rom, darunter regelmäßig in der Galerie La Tartaruga, war mit Pontus Hultén befreundet, an dessen Moderna Museet in Stockholm er Vorträge hielt, und initiierte Retrospektiven von Arman, Martial Raysse und Tinguely am Stedelijk in Amsterdam und von Arman und Klein im Palais des BeauxArts in Brüssel.414 Gerade letztere verdeutlichen die Entfernung zum MNAM, das ihnen keine widmet.
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Für Restany hat die Arbeit mit Objekten im Nouveau Réalisme, etwa in den »allures d’objet« Armans, für die dieser Rollen, Ketten, Konservendosen mit Tinte versieht und über Papier oder Leinwand appliziert, eine »Vision fonctionnelle du monde« zur Folge, wobei das Objekt einen Grad Unkalkulierbarkeit einbringt: »A la volonté de l’homme vient se heurter la raison de l’objet.« 415 Es steht für die Zurückweisung abstrahierender Formensprachen, wie sie die École de Paris für sich entdeckt hatte, und gegen Tachismus, die »Ambiguität des Informel« und den »Naturalismus« der Art Brut. Restany erkennt darin eine soziologische Sicht, die den möglichen Zufall im Schaffensprozess als neuen Wirkungsraum der Zeichen der Realität belebt.416 Die affektive Geste des Nouveau Réalisme stehe gegen eine allgemeine »Enthumanisierung« der Kunst und den Verlust der Ausdruckskraft von Zeichen.417 Die soziologische Ästhetik greift Restany 1968 auch anlässlich einer großen Ausstellung mit François Arnal, César, Marc de Rosny, Niki de Saint Phalle, Jean-Michel Sanejouand, Jean Tinguely und Constantin Xenakis auf, Le Décor Quotidien de la Vie en 1968. Expansions et Environnements. Zu einer Zeit, als im MNAM überwiegend moderne und abstrahierende Künstler wie Sonia Delaunay, Raoul Ubac, Alberto Magnelli gezeigt, Retrospektiven und die École de Paris bevorzugt werden, kann Restany anlässlich dieser Ausstellung im direkt gegenüberliegenden Palais Galliera die Gestrigkeit der Abstraktion deklamieren: »Aujoud’hui les jeux sont faits, la page ›abstraite‹ de l’histoire de l’art est définitivement tournée.« 418 Das soziologische Bewusstsein für Technik und Massenkommunikation verändere künstlerische Entwicklung für immer. Die Künstler sind ihm »Katalysatoren« einer kollektiven Sprache, mit der auf die Herausforderungen der Gegenwart zu antworten ist. Restanys Kritik der »Enthumanisierung« ist eine der Kulturpolitik. Die Demokratisierung der Kultur nach Malraux entwarf eine »humanistische« Vision einer vom Alltag separaten Welt universeller Wahrheit. Schon soziologische Studien wie Pierre Bourdieus L’Amour de l’Art 1966 entlarvten ihre Strukturen als die elitären einer Klassengesellschaft. 1968 verwirft die Institutionenkritik sie als konsensual.419 Das ist ein gemeinsames Merkmal der künstlerischen Gegenströmungen dieser Zeit, die häufig in zwei Lager geteilt werden: Künstler, die sich mit Arbeitern in »ateliers populaires« assoziierten und, wie im Falle der im Mai 1968 im MAM Paris vom Salon de la Jeune Peinture anberaumten aber nie eröffneten Ausstellung Salle Rouge pour le Vietnam, ihre Arbeiten aus den Ausstellungsräumen holten und in Fabriken und auf der Straße zeigten; sowie eine zweite, weniger offensichtlich politische Strömung konzeptueller Künstler wie B.M.P.T. (Daniel Buren, Olivier Mosset, Michel Parmentier, Niele Toroni), Gina Pane, Christian Boltanski oder Jean Le Gac und Vorläufer wie GRAV (Groupe de Recherche d’Art Visuel, 1960–1968).420 Dieser Einteilung folgt etwa Jean Clairs Bestandsaufnahme der zeitgenössischen Kunst im Buch Art en France. Une Nouvelle Génération von 1972 mit vier Grundkategorien: »De l’imaginaire à l’image, de l’image au support, du support au comportement: ainsi pourraient se dessiner les quatre grandes catégories autour desquelles
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tourne l’activité artistique en France aujourd’hui.« 421 Ein solches Schema von politischer Kunst auf der einen und vermeintlich fortschrittlicherer »konzeptueller« Ästhetik auf der anderen Seite verkennt jedoch, wie Rebecca DeRoo angemerkt hat, dass beide die Kritik am institutionellen Schauplatz teilen.422 Sie prangern den institutionellen Ausschluss junger Künstler und mangelnde Reaktion auf das gesellschaftliche Geschehen an. Solche Forderung des Eingangs des alltäglichen sozialen Lebens in die Institution über die Kunst findet ihren vielleicht bündigsten modernen Vorläufer in Walter Benjamins Übertragung der in Neapel unter dem Eindruck der Soziologie beobachteten »Durchflutung« jeder »privatesten Verrichtung« und der Architektur durch »Ströme des Gemeinschaftslebens« 423 auf das Kunstwerk und »dessen Rezeption in der Zerstreuung und durch das Kollektivum« beim »Versuch, vom Verhältnis der Massen zum Kunstwerk sich Rechenschaft abzulegen«.424 Restanys Kritik des MNAM 1964 entspricht diesem Gedanken, die Theorie des Nouveau Realisme führt ihn weiter als Verbindung zur Lebensrealität und als soziologisches Bewusstsein in der Kunst. Benjamin wie Restany vollziehen eine doppelte sozialanthropologische Geste: Ihre eigene Erkenntnis der soziologischen Veränderung des Status der Kunst in der Gesellschaft geht einher mit der Erkenntnis dieser soziologischen Veränderung als Kennzeichen der Kunst selbst. Entsprechend hofft Restany auf einen möglichen »revolutionären Humanismus«.425 Die Möglichkeit dazu sieht er 1968 gekommen, in einem Artikel, der eher zufällig zeitgleich zur Ausweitung der Proteste in Paris erscheint. Darin ruft er zum Streik der Kultur gegen den Staat auf, der zu viele Künstler ohne Perspektive lasse. Er spricht sich auch gegen CNAC und ARC aus. Deren Möglichkeiten erscheinen ihm zu marginal. Wohl um mit den Ereignissen Schritt zu halten426 publiziert er in Combat am Wochenende vom 18. und 19. Mai 1968 dann einen Aufruf zum Sturm auf »eine andere Bastille«: Das MNAM im Palais de Tokyo soll besetzt werden. »En matière d’art la Vème République a masqué son incurie sous les dehors hypocrites d’une politique du sourire moderniste. L’existence au Ministère des Affaires culturelles d’un ›Service de la Création Artist.‹ constitue un abus de pouvoir doublé d’une grave imposture. La culture devient ainsi une administration comme une autre, étouffée par ses propres technocrates, les ›Inspecteurs de la Création‹!« 427 Auch der CNAC führe nur eine »fausse politique promotionelle«. Die Besetzung des MNAM und der Maisons de la Culture sollen den Rücktritt von Malraux und Bildungsminister Alain Peyrefitte bewirken.428 Restany ruft die Künstler auf, die »Bastille de l’Art Bourgeois« einzunehmen. Am Nachmittag des 18. Mai 1968 begibt er sich mit einer Gruppe zum Museum. Die Türen waren jedoch schon zu und bewacht; man brachte daraufhin ein Schild mit der Aufschrift »Fermé pour cause d’inutilité« an und verteilte sein Traktat.429 Noch am selben Abend
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wurde Restany vor das Kulturkomitee in der Sorbonne zitiert, da die Schließung eines Museums nicht von allen als sinnvoll angesehen wurde; der langjährige Gaullist Restany selbst wiederum teilte nicht alle Standpunkte der Studentenbewegung.430 Deutlich aber wird die schwierige Position des Museums und welche Herausforderung für Institutionen die Aufgabe darstellt, angesichts sozialer, technischer und medialer Neuerungen Künstler auf der Suche nach ihrem Standort in der Gesellschaft zu begleiten.
ÖFFNUNGEN IN DEN 1960ER JAHREN: INSTITU TIONELLE IMPUL SE UND DER NEUE BLICK AUFS PUBLIKUM Drei Ausstellungsinitiativen setzten in den 1960er Jahren wichtige Impulse für die Sichtbarkeit jüngerer und internationaler zeitgenössischer Kunst in Paris: Die Biennale de Paris bespielte seit 1959 das Musée d’Art moderne de la Ville de Paris und damit zwar den Standort Palais de Tokyo, aber nur selten das MNAM. Ab 1967 erschweren zwei weitere Impulse zusammen mit der öffentlichen Kritik den Stand des MNAM: Der städtische experimentelle Ausstellungsraum ARC im Ostflügel des Palais de Tokyo erfährt unmittelbar Publikumserfolg. Das Centre National d’Art Contemporain wird neues Präsentationsvehikel und Labor der staatlichen Förderung der zeitgenössischen Kunst. Beide stehen für eine neue, an einer Gesellschaft im Wandel und der internationalen Gegenwartskunst orientierte Ausstellungsarbeit. Das trug maßgeblich zu Überlegungen einer Reform des MNAM bei, wie auch neue Studien, die den Kunstbetrieb in den Blick nahmen. Der soziologische Blick aufs Publikum bereitete einer kulturindustriellen Sicht den Weg, die starken Einfluss auf die nachfolgende Gestaltung von Kulturzentren ausübte (Abb. 86). In den 1960er Jahren wuchs der politische Wille, Kultur einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Besucherstatistiken wurden daher immer wichtiger. Damit geht eine Veränderung der Kategorie »Öffentlichkeit« einher, vormals »zentrale politische Artikulationsform des Publikums«; Walter Grasskamp sprach in diesem Zusammenhang von einer »verhängnisvollen Legitimationsstrategie«, die in der Logik der freien Marktwirtschaft dazu führte, dass »nun nicht mehr vorrangig war, was gezeigt wurde, sondern wie vielen es hatte gezeigt werden können«.431 Eine strukturell ähnliche französische Entwicklung zeigt sich im Palais de Tokyo, wo auch eine nationale Artikulationsform verlorgengeht. Das MNAM der ersten zwei Jahrzehnte nach dem Krieg war ein Raum der gesellschaftlichen Selbstfindung, der sich auf eine antinazistische Haltung, nationales identitätsstiftendes Sendungsbewusstsein und eine Bejahung der künstlerischen Formensuche der Moderne stützte. Das Kunstwerk ist im hermetischen Werkbegriff eines Jean Cassou Ausdruck der Erforschungen des freien Künstlers in geistiger Auseinandersetzung mit der französischen Tradition künstlerischer Innovation und allein schon damit politisch konnotiert. Die qualitative Verschiebung zur statistischen
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86 Musée national d’Art moderne, Barbereich, Juni 1969, Dokumentationsansicht des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Öffentlichkeit überwindet zwar eine Deutungshoheit der staatlichen Institution, verliert aber auch ein Verständnis des Ausstellungsraums als Medium eines gesellschaftlichen Diskurses, der frei von Rentabilitätsdenken ist. Untersuchungen des Publikums führen zu Versuchen, Besucherzahlen zu steigern. Kooperationen im Bildungsbereich, Vereine, Freundeskreise und kulturelle Serviceangebote weiten sich aus.432 So entstand mit »Médiation culturelle« ein ganz neuer Berufszweig der Kulturvermittlung.433 Im französischen Kulturministerium wurde 1963 ein Service d’Études eingerichtet. Eine der von ihm in Auftrag gegebenen Studien über Museen und ihr Publikum wurde besonders berühmt: L’Amour de l’Art von Pierre Bourdieu und Alain Darbel. In der Einleitung unterscheidet Bourdieu schon Zugänge zur Kunst in traditionalistischen und modernistischen Milieus – eine Unterscheidung, die, wie noch näher zu sehen sein wird, später auch Pierre Gaudibert, Gründer des ARC im MAM Paris, vornimmt, der aus dem französischen Wirtschaftssystem eine traditionalistische und eine modernistische Bourgeoisie mit je eigenem ideologischem Einfluss auf die kulturellen Aktivitäten des Staates hervorgehen sieht. Bourdieu sieht als Traditio-
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nalisten solche, die für die Sachlichkeit des kultischen Objekts und Stille im Museum eintreten.434 Die »stille« Begegnung mit dem Kunstwerk, die schlummernde Tugenden weckt, zitiert Bourdieu aus dem oben analysierten Programm für ein mögliches neues Museum des 20. Jahrhunderts. Demgegenüber sieht er die »Modernisten« auf den im Objekt enthaltenen Gehalt abstellen. Dazu zitiert er Erwin Panofskys Aufsatz über Abt Suger von Saint-Denis, den er selbst ins Französische übersetzt hatte.435 Jener ließ alle Schätze der Diözese in der Kirche ausstellen, da jeder Neugierige Zugang dazu haben sollte – nach Panofsky ein Vorläufer der »desinteressierten Raffgier des modernen Museumsdirektors« und ein Beispiel der Haltung, nach der alle Zugang zu Kunstwerken haben sollen, die aus sich heraus erleuchten.436 Als Beispiele solcher Modernisten zitiert Bourdieu Georges Salles Buch Le Regard (1939) – »L’objet, pour exister, doit se laisser goûter« – oder René Huyghe – »L’art [...] n’a jamais été aussi important, aussi obsédant, qu’en notre temps; jamais si répandu, si goûté, mais jamais si analysé, expliqué«.437 Salles Buch wurde schon bei der Diskussion um die Didaktik der van Gogh-Ausstellung im Palais de Tokyo 1937 analysiert, deren Kurator Huyghe war. Traditionalistische wie modernistische Haltung sind freilich gleich elitär. Bourdieu benennt die »vision béatifique« und die »communion avec l’œuvre« als zwei Seiten einer Medaille. Die eine bedeutet, die geistige Disposition des Betrachters zum Empfang der kontextfreien Vision und damit Bildung vorauszusetzen, die andere, widerspruchslose Akzeptanz des Ästhetischen anzunehmen und damit Bevormundung. Die modernistische Haltung prägte, wie sich zeigte, die Ausstellungspolitik des französischen Staates maßgeblich. L’Amour de l’Art machte aber deutlich, dass dies nichts an der sozialen Ungleichheit des Museumsbesuchs änderte. Die Studie wies nach, dass der Zugang zum Kunstwerk spiegelbildlich zum Bildungssystem kultivierten sozialen Klassen vorbehalten blieb: »La statistique révèle que l’accès aux œuvres culturelles est le privilège de la classe cultivée; mais ce privilège a tous les dehors de la légitimité.« 438 Die soziale Herkunft der französischen Kunstmuseumsbesucher entsprach in etwa der an den Universitäten: 1 % Landwirte, Arbeiterklasse 4 %, Handwerker und Kleingewerbetreibende 5 %, Angestellte und mittlere Führungskräfte 23 %, davon 5 % Lehrer, gehobene Klassen 45 %. Besucher ohne jeglichen Schulabschluss, meistens Schüler, machten nur 9% aus; die Mehrheit der Besucher, 31 % beziehungsweise 34 %, hatten Abitur oder einen ersten oder höheren Universitätsabschluss.439 Um zu verdeutlichen, weshalb die voraussetzungsreich präsentierten Kunstwerke breiten Schichten unzugänglich bleiben, nimmt Bourdieu erneut Rekurs auf Erwin Panofsky, hier dessen dreistufiges Modell des Sinngehalts von Kunstwerken. Der unvorbereitete Betrachter bleibe zwangsläufig immer auf der Ebene des existentiellen Phänomensinns, da ihm das Wissen zur Erschließung der Ebene des Bedeutungssinns fehle.440 Aufgrund solcher Ergebnisse wurden Maßnahmen zur Steigerung der Besucherzahlen und zum Erreichen breiterer Schichten unternommen. Rasch war ein
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beträchtliches Besucherwachstum zu verzeichnen. 1960 hatten die staatlichen französischen Museen 3,3 Millionen zahlende Besucher, 1970 waren es schon 4 Millionen und 1980 5,7 Millionen; 1988 verzeichneten sie 13.971.000 Besucher, 1990 16.025.000, 1995 12.667.000, und in den Jahren 2000 und 2001 zunächst eine weitere Steigerung auf 13.971.000 Besuche und dann eine leichte Abnahme auf 12.141.000. Eine wichtige Position macht dabei ab Ende der 1970er Jahre das Centre Pompidou aus, mit einem Besucherwachstum von 1.700.000 1979 auf 8.263.000 im Jahr 1990.441 Allerdings haben Studien gezeigt, dass die Steigerung der Besuche eher auf Personen zurückging, die ohnehin schon ins Museum gingen. Manche Forscher ziehen daher das Fazit, dass die von Malraux definierte und von seinen Nachfolgern verfolgte Politik der Kultur-Demokratisierung ihr Ziel verfehlte.442
DIE BIENNALE DE PARIS Im MNAM ließ neben Studien aber auch der Vergleich mit anderen Ausstellungsinstitutionen die fehlende soziale Dynamik deutlich werden. Die Biennale de Paris wurde 1959 ins Leben gerufen und fand bis 1984 statt, seit 2004 wieder unregelmäßig. Nach dem Gründer Raymond Cogniat wurde sie von 1967 bis 1969 vom Kunstkritiker und Kurator Jacques Lassaigne geleitet, der zuvor maßgeblich an den Teilnahmen an den Biennalen in São Paulo (1949, 1959, 1963) und Venedig (1961, 1963, 1965) beteiligt war.443 Als Manifestation biennale et internationale des jeunes artistes trug sie die Ausrichtung auf junge internationale Gegenwartskunst im Namen.444 Zur ersten Ausgabe 1959 wurden 40 Länder zugelassen. Malraux schrieb im Katalogvorwort, sie solle sich von São Paulo und Venedig durch ihren Fokus auf noch nicht etablierte Künstler abgrenzen.445 Sie fand zumeist im MAM Paris im Ostflügel des Palais de Tokyo, aber auch an anderen Orten wie dem Centre Pompidou und der Grande Halle de La Villette statt. Die Altershöchstgrenze für Künstler betrug 35 Jahre. Von der documenta Kassel sollte sie sich durch eine weniger wissenschaftliche und kuratierte Präsentationsform abheben.446 Bis 1973 oblag die Künstlerauswahl Kuratoren der Länder, danach einer internationalen Kommission aus zwölf Kritikern, Kuratoren und Museumskuratoren.447 Die Biennale veröffentlichte regelmäßig Umfragen und Newsletter und beleuchtete sich auch autoreflexiv, wie 1977 mit einer Anthologie der zurückliegenden Ausgaben.448 Man kann dies, wie auch die Diskussion einer repräsentativen internationalen Auswahl, als Reaktion auf eine fehlende kuratorische Gesamthandschrift interpretieren.449 Mitunter bespielte sie auch den staatlichen Flügel im Palais de Tokyo, wie 1969, als im Ostflügel Umbauarbeiten stattfanden. Offizieller Ausstellungsort blieb aber das städtische Museum.450 Auf Ausstellungsansichten fallen die materielle und formale Vielseitigkeit der gezeigten Arbeiten auf. Verbindendes Element scheint die Suche nach neuen
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87 Musée national d’Art moderne, Biennale de Paris 1969 mit Ant Farm (San Francisco, 1968–1978): Electronic Oasis (1969, links), Dokumentationsansicht des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Raumsprachen zwischen optischer Wahrnehmung und dem Körper des Betrachters zu sein. In der Tat heißt es etwa 1969 zum US-Beitrag, die Ausstellung solle eine »collaboration artiste-ingénieur« in »nouveaux domaines de l’engagement et de ses expériences en matière d’environnement« sein.451 Die multimediale Installation Electronic Oasis (1969) des Kollektivs Ant Farm aus San Francisco (1968–1978) mit Videoprojektion und pneumatischem Rundkörper, der von Buckminster Fuller inspiriert wirkt, kann für solche Ansprüche stehen (Abb. 87). Für ikonische Arbeiten wie die Installation Cadillac Ranch (1974, Amarillo, Texas) bekannt, hatte sich das Kollektiv erst im Vorjahr in San Francisco formiert und konnte mit seiner intermedialen experimentellen Arbeit zu Architektur, Umwelt und Lebensformen als Teil einer internationalen Avantgarde gelten.
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Während die Biennale 1971 in Vincennes stattfand, wurden die Ausgaben von 1973 bis 1977 wieder in den Museen im Palais de Tokyo ausgerichtet, wobei die Biennale 1977 nach dem Auszug des MNAM beide Obergeschosse nutzen konnte, jenes des Staates kostenlos und ergänzt durch eine Lagerfläche im Untergeschoss.452 Nach 1973 wurde jedoch die geografische Repräsentativität des Auswahlkomitees hinterfragt und auch die internationale Homogenisierung künstlerischer Praktiken problematisiert. Das dominierte besonders die 10. Biennale 1977, als der uruguayische Kurator Angel Kalenberg eine südamerikanische Sektion kuratierte. Die südamerikanischen Künstler hielten die westlichen Kunstkritiker für nicht befähigt, ihre Kunst zu beurteilen.453 Ab 1975 rückte auch die Frage der Teilnahme von Frauen in den Fokus. Lucy Lippard beobachtete da eine immerhin bescheidene Steigerung der Zahl der Künstlerinnen auf 25 von 123, trotz der Abwesenheit von Frauen im Komitee; unter anderen nahmen Hermine Freed, Marina Abramovic´, Valie Export und Lynda Benglis teil.454
GEGEN KONSENSUALE HEGEMONIEN: DER ESPACE ANIMATION, RECHERCHE, CONFRONTATION (ARC) Seit den 1960er Jahren ist der Espace Animation Recherche Confrontation im städtischen Ostflügel des Palais de Tokyo im MAM Paris ein wichtiges Instrument der Ausstellung internationaler zeitgenössischer Kunst in Paris. Er wurde Ende 1966 unter der Leitung von Pierre Gaudibert (1928–2008) ins Leben gerufen, der ihn bis 1973 leitete (»ARC I«). Seine Besucherzahlen stiegen zwischen 1968 und 1970 auf über zwei Drittel der Besucherzahl des gegenüberliegenden MNAM an.455 Er unterstand mit eigenem Budget direkt der Direction de l’Action culturelle de la Ville de Paris und war damit eigenständig.456 Danach übernahm Gaudiberts Mitarbeiterin Suzanne Pagé die Leitung von 1973 bis 1988 (»ARC II«), die anschließend bis 2006 Direktorin des MAM wurde und seither die Fondation Louis Vuitton leitet.457 Der ARC bildet eines der drei Niveaus des MAM Paris, neben der »historischen« Etage mit Retrospektiven und der Sammlung.458 Die Liste der international bedeutenden Künstler, die dort seit 1967 ausstellten, ist beeindruckend lang.459 Zwischen 1967 und 1988 wurden 311 Ausstellungen realisiert.460 Pierre Gaudibert, der bei seinem Eintritt als Kurator ins MAM 1966 einen Hintergrund in der sozialen Kulturarbeit und Volksbildung hatte, zielte darauf, mit Ausstellungen und Diskussionsformaten abends und wochenends eine neue Mittelschicht zu erreichen, wozu er mit Schüler-, Lehrer- und Beamtenverbänden, Gewerkschaften, Unternehmenskomitees und Kulturzentren der Banlieue zusammenarbeiten wollte. Er hielt dies im Dezember 1966 in einem »ersten Manifest« des ARC fest.461 Der ARC fragte nach der Modernität selbst und suchte ein neues Publikum – was aber nicht ohne Konflikte mit der Politik blieb: Gründungsdirektor Gaudibert zog sich 1972 zurück, weil
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1971 während der Vernissage der Ausstellung Lucien Mathelins auf Anordnung des Präfekten von Paris zwei Gemälde entfernt wurden.462 Der Kritiker und Verleger Gérald Gassiot-Talabot, der eng mit Gaudibert und Jean Clair zusammenarbeitete, sah im ARC das wichtigste kulturelle Ereignis der zweiten Hälfte der 1960er Jahre in Frankreich.463 Für Gaudibert stand die Infragestellung der etablierten Konzeption der Moderne im Zentrum. Den weiteren Kontext bildete ein Bewusstsein für Klassenkämpfe und Institutionenkritik während und nach 1968 und Kritik der politischen und wirtschaftlichen Intentionen der vordergründig demokratischen kulturellen Aktivität des Staates. 1972 erschien sein Buch Action Culturelle: Intégration et/ou Subversion, in dem er analysiert, dass die kulturelle Tätigkeit des Staates die Arbeiterklasse kaum erreicht und dass zugleich zeitgenössische »avantgardistische« Kunst das Risiko läuft, nur allzu leicht von einem Apparat absorbiert zu werden, der einer bourgeoisen Produktionslogik dient: »L’action culturelle est-elle, comme elle le prétend, une entreprise généreuse de démocratisation culturelle faite sous l’impulsion de l’État par souci de l’intérêt général […]? Ou bien est-elle une condition du nouveau élément intégré aux forces productrices […]?« 464 Gaudibert sieht das Recht auf gleichen Zugang zur Kultur in den französischen Verfassungen von 1946 und 1958 sowie Artikel 27 der UNESCO-Menschenrechtserklärung von 1948 und die Institutionalisierung der Kultur in der Tradition der Bildungspolitik des Front Populaire. Jedoch habe die Zusammenlegung von Bildung, Information und Kultur einen dominanten Sektor des Staates gebildet.465 Die Ausweitung der »Kultur« auf alle Individuen wäre in einer marxistischen Perspektive zu hinterfragen als Dominanz einer bourgeoisen Klasse: »Ce serait alors la menace d’une emprise généralisée de la domination idéologique de la classe au pouvoir, la bourgeoisie, par l’entremise de son idéologie dominante.« Ebenjene soziologischen Studien zum kulturellen »Bedarf«, die der Staat seit 1963 umfangreich erheben lässt, von denen einige – hier nennt er Bourdieu – immerhin auf die ideologische Prägung einer Erzeugung von »Bedarf« hinwiesen, sieht er mit Jean Baudrillard höchst kritisch, da sie wiederum einen Bedarf dieser »Action culturelle« reproduzieren.466 Die kulturelle Demokratisierung der Politik eines André Malraux verortet Gaudibert in einer Kontinuität des niederen Bürgertums des 19. Jahrhunderts als einen Mythos, den Widerstand und Befreiung perpetuierten: »La Résistance et la Libération entretinrent le mythe de la ›démocratie culturelle‹.« 467 Hinzu komme der kalte Krieg, der einen Wiederaufstieg des Nationalismus und eine konservative Auslegung des nationalen kulturellen Erbes nach sich zieht.468 Seine Kritik ähnelt jener Pierre Restanys an den universellen Wahrheiten eines institutionellen »Humanismus«. Statt soziale Unterschiede anzusprechen verschleiere die Rede vom Recht auf Kultur diese.469 Die Hegemonialstellung im Sinne Gramscis der Bourgeoisie begründe sich durch pädagogisch herbeigeführte Akzeptanz in einer Konsensgesellschaft. Sie wird erst selbst als Gruppe geeint durch die kulturellen Institutionen, die gleichzeitig wich-
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tig sind für die Integration der Mittelschicht und Arbeiterklasse in die Produktionslogik.470 Gaudibert macht eine Trennung von zwei Bourgeoisien aus, eine »traditionalistische«, die auf Familienbetriebe zurückgeht, und eine modernistische mit den Kennzeichen der Wirtschaftspolitik Pompidous: »Le tableau complaisamment dévoilé aujourd’hui montre […] un pays où un néo-capitalisme qui se voudrait dynamique avec l’État pour un profit maximum et une plus grande compétitivité européenne et internationale, n’arrive pas encore à écraser tout à fait un capitalisme viellot, hérité du XIXe siècle [...].« 471 Mit dieser Unterscheidung lässt sich erklären, weshalb das MNAM in den 1960er und 1970er Jahren einerseits als überkommene Institution kritisiert werden konnte, und andererseits Akteure des als starr und elitär kritisierten Systems sich selbst als moderne Erneuerer einer Vorgängerinstitution wahrnehmen konnten. Im Feld moderner Kunst ist in diesen Jahren eine »modernistische« Bourgeoisie hegemonial. Daher auch der institutionelle Wunsch nach »Dynamik«, die leitender Topos des Projekts zum Centre Pompidou wird. Gaudibert kann nur misstrauisch sein, was vom geplanten Kulturzentrum Beaubourg zu erwarten sei. Für ihn erklärt sich damit die Spaltung der zeitgenössischen Kunst in eine »modernistische« Avantgarde, »qui rentre tout à fait dans le jeu et la logique de la bourgeoisie moderniste«, und eine streitbare, »qui se veut en lutte en même temps contre l’art traditionnel et les apparences de la nouveauté, active sur les deux fronts à la fois«. Es ist klar, auf welche Seite er sich stellt. 472 Gegen solche Haltung nehmen sich die Aktivitäten des MNAM geradezu konservativ aus. Die Liste der Ausstellungen bis 1976 zeigt kaum junge internationale Positionen der Gegenwart. Abgesehen von der vom CNAC durchgeführten Ausstellung Yaacov Agams im Jahr 1972 wurde bis 1974 kein lebender Künstler unter fünfzig Jahren gezeigt. Eventuelle Ausnahmen bilden allenfalls Ausstellungen in auswärtiger Zusammenarbeit wie zum Prix Marzotto 1960 oder Canada. Art d’aujourd’ hui 1968. Erst in den 1970er Jahren konnten mit Ankäufen Arbeiten von Künstlern der mittleren Generation gezeigt werden, wie etwa von Niki de Saint Phalle, Jean Tinguely, Hans Hartung, Sarkis, Piotr Kowalski, Yves Klein, Daniel Spoerri und Panamarenko. 1975 und 1976 fanden mit Contemporain I & II erstmals temporäre Überblickschauen statt, die aktuelle französische Entwicklungen wie die Gruppen Supports/Surfaces und Groupe 70 aufgriffen (Abb. 88 473). Die Mehrzahl der temporären Ausstellungen seit 1947 aber war etablierten Positionen toter moderner Künstler gewidmet.474 Die Liste scheint geradezu abzubilden, wie sich mit dem Wechsel von den 1950er auf die 1960er Jahre im Festhalten am Schwerpunkt auf der Kunst der Moderne eine Entfremdung von der zeitgenössischen Kunst vollzieht.475 Es kann daher auch wenig erstaunen, dass kaum Künstlerinnen auftauchen – Suzanne Valadon 1948, Sophie Taeuber-Arp 1964, Suzanne Valadon erneut 1967, Sonia Delaunay 1968, Maria Helena Vieira da Silva 1969, Sonia Delaunay 1976. Junge Positionen werden allenfalls gezeigt bei den regelmäßigen Ausstellungen zur zeitgenössischen
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88 Musée national d’Art moderne, schon als Centre National d’Art et de Culture Georges Pompidou, Ausstellung Contemporains II, 1976, Vertreter der Gruppen Supports/Surfaces und Groupe 70, Dokumentationsansicht des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Grafik La jeune gravure contemporaine (1950, 1952, 1954, 1957, 1959, 1963). Ausstellungen internationaler zeitgenössischer Künstler sind dagegen auf Zusammenarbeiten der Association Française d’Action Artistique oder mit internationalen Museen zurückzuführen und können kaum über ihr Fehlen in Ausstellungen des Museums hinwegtäuschen.476 Ihre Anzahl nimmt auch ab den 1960er Jahren ab. In ihrem Wegfall ab 1968 kann man wohl einen Effekt der Bemühungen um das Eigenprofil des Hauses sehen, wobei sich die Abnahme von Gegenwartspositionen wiederum durch die paradoxe Konkurrenz zum CNAC erklärt.
DAS CENTRE NATIONAL D’ART CONTEMPORAIN CNAC Zu Beginn des Jahres 1967 tritt in der Direction générale des Arts et des Lettres neben die mögliche Reform des MNAM die Initiative zur Gründung eines Centre National d’Art Contemporain. Die Schaffung des CNAC ist eng verbunden mit dem zeitgleichen Studium einer Reform des MNAM. Für diese bringt ein Projektentwurf, später zentrales Element des Vorhabens zum Centre Pompidou, von Marie-Aimée Latournerie
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vom Service Études et Recherches des Kulturministeriums 1967 die Idee der Schaffung eines gänzlich neuen Kulturzentrums nach holländischem Vorbild ins Spiel.477 Damit sollte die Arbeit des 1962 ins Leben gerufenen Service de la création artistique effizienter werden und die von ihm geförderten Arbeiten eine Ausstellungsmöglichkeit erhalten. Die Zusammenarbeit mit dem MNAM wurde als unzureichend empfunden, und in Provinzmuseen scheiterten dorthin gesandte Werke oftmals am mangelnden Interesse der Kuratoren. Ein autonomes Organ sollte zugleich die Schaffung als auch die Ausstellung von Werken zeitgenössischer Kunst betreuen.478 Das CNAC erhielt Ausstellungsräume im ehemaligen Hôtel Rothschild in der Rue Berryer. Es sollte eine experimentelle Plattform für zeitgenössische Kunst in Frankreich sein und die Ankäufe des Service de la création artistique zeigen, wie etwa lange vernachlässigte Ankäufe internationaler Gegenwartskunst von Francis Bacon oder Rothko.479 Sowohl die Überarbeitung der Sichtbarkeit der zeitgenössischen Kunst im MNAM, als auch das CNAC sind als Reaktionen auf die öffentliche Kritik an der Sammlungs- und Ausstellungspolitik des MNAM anzusehen. Finanziell von der Direction des musées de France abhängig, konzentrierte sich das MNAM nun parallel zur Tätigkeit des CNAC auf Ankäufe »historischer« international bedeutender Künstler, etwa Pollock, De Kooning, Gorky und Derain.480 Das hatte die paradoxe Situation zur Folge, dass das CNAC Ausstellungsmittel für zeitgenössische Künstler hatte, aber selbst keine Ankäufe tätigen durfte und keine Sammlung hatte, während das MNAM, das in der Kontinuität des Musée du Luxembourg eigentlich Museum lebender Künstler ist, zum Ausstellungsort toter Künstler wurde.481 Immerhin konnten als »historisch« empfundene noch lebende Künstler gezeigt werden, etwa 1972 Man Ray und Alberto Burri.482 Die Aufteilung der Zuständigkeiten hatte Jean Leymarie, Direktor des MNAM von 1968 bis 1973, vorgeschlagen, um möglichen Spannungen zwischen seinem Haus und dem CNAC vorzubeugen.483 Werke lebender Künstler wurden vom Service de la création artistique unter der Leitung von Bernard Anthonioz angekauft. Damit sollte eine staatliche Neutralität ohne »exklusive Blicke« der Sammlungsinteressen gewahrt werden. Aus diesem Grund wurde das System auch später bei der Gründung des Centre Pompidou beibehalten, wo unter Michel Guy 1976 der Nachfolger Fonds National d’Art Contemporain für staatliche Ankäufe bei zeitgenössischen Künstlern eingerichtet wurde. Er verfolgte ab 1978 ein Dezentralisierungsprogramm mit der Gründung der französischen FRACs, den Fonds Régionals d’Art Contemporain.484 Durch die unterschiedlichen Zuständigkeitsbereiche kam es so zur absurden Situation, dass angekaufte Werke lebender Künstler zwar in den Reserven im Keller des Palais de Tokyo gelagert wurden, aber nicht in den Etagen darüber vom MNAM gehängt werden durften.485 Solche administrative Schwerfälligkeit hinderte es, die dynamische, gegenwartsorientierte und pulsierende Institution zu werden, die sich Jean Cassou noch zu Beginn der 1960er Jahre in der Zukunftsvision eines Kunstmuseums im 20. Jahrhundert ausgemalt hatte.
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VON DER »COMÉDIE FR ANÇ AISE DES AR TS PL A STIQUES« ZUM »ENTHOUSIA SME ESTHÉTIQUE«: DA S PAL AIS DE TOKYO IM PROJEKT DES CENTRE POMPIDOU Als man Mitte der 1960er Jahre mit einem Musée du XXème siècle die Kulturpolitik auf dem Gebiet der zeitgenössischen Kunst neu ausrichten wollte, wurde die Situation im Palais de Tokyo zu einem entscheidenden Ausgangspunkt im Projekt des neuen Centre Georges Pompidou. Die Bedeutung des Palais de Tokyo für die Schaffung des Centre Pompidou ist bisher nicht untersucht worden, obschon dieses zusammen mit dem Guggenheim Bilbao wie kaum eine andere Institution in akademischen und öffentlichen Diskursen zur Kulturindustrie und neoliberalen Kulturpolitik referenziert wird.486 Oft wird es mit den sozialen Bewegungen von 1968 in Verbindung gebracht und die Erneuerung des Marais um das Viertel Les Halles als Motiv seiner Schaffung angeführt.487 Tatsächlich aber führen das Projekt zum Musée du XXème siècle und Projekte zur Reform des MNAM vom Palais de Tokyo zu den Planungen zum Centre Pompidou und schließlich dem Umzug des MNAM 1977. Material aus den Archiven des MNAM und den Planungsakten in den Archiven der staatlichen Museumsverwaltung, der das MNAM bis zum Übergang an eine eigene juristische Körperschaft des Centre Pompidou unterstand, zeigt, wie das Palais de Tokyo Ausgangspunkt neuer kulturpolitischer Ideen wurde.488 Welche Reformprojekte führen vom MNAM im Palais de Tokyo zum Projekt des Centre Pompidou, welche Gründe sprechen für den Auszug des MNAM und welche der zeitgenössischen Kunst zugeschriebene Funktion verbindet sich mit diesen Zielen? Die Betrachtung der kulturpolitischen Innensicht wird im Folgenden um starke Impulse der Kritik am Centre Pompidou ergänzt. Schriften wie Jean Baudrillards l’Effet Beaubourg von 1977 gingen in den Kanon der jüngeren Kulturkritik ein.489 Diese erste Welle ebbte in den 1980er Jahren ab, aber Mitte der 1990er Jahre setzte erneut ein Interesse an der Reflexion der »utopie Beaubourg« ein.490 Das Centre Pompidou wertete das Viertel, ein früheres Arbeiterviertel mit eher linken Milieus, auf und beseitigte urbane Freiräume. Die Zusammenführung von Kunst, Design, einer Bibliothek und Musik in einem aufsehenerregenden Ensemble erfuhr sofort massenhaften Zuspruch. Dieser wird mitunter als Überraschung dargestellt.491 Er war aber kulturpolitisch gewollt. So erklärt Claude Mollard 1976 die kulturpolitischen Intentionen: »[...] si le Centre n’attire pas à lui des milliers de personnes chaque jour, il aura échoué.« 492 Damit drohte eine Emanzipation der kritischen zeitgenössischen Kunst in der Dynamik des Massenkonsums unterzugehen.493 Mit der Zeit blieb auch vom Leitbild der Demokratisierung wenig übrig, das zu innovativer zeitlicher – Besuchszeiten von 10 bis 22 Uhr – und räumlicher – Laissez-passer und Mitgliedersystem – Offenheit geführt hatte.494 Nach der Renovierung und Wiedereröffnung im Jahr 2000 blieben die charakteristischen Rolltreppen zahlenden Museumsbesuchern vorbehalten – nur das Forum und die Bibliothek sind heute noch kostenlos zugänglich. Auch ist eine Erosion
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des Anspruchs zu beobachten, anders als das MoMA, das lange Ästhetik über Kontextanalyse und Ideologie stellte, die Erfahrung von Kunst über ihre Interpretation zu stellen.495 Schon in den 1960er Jahren zeigen die Reformprojekte des MNAM alle Kennzeichen einer Kulturindustrie für die Massenkonsumgesellschaft: Man möchte die bildungsbürgerliche »Comédie Française der Kunst« im »hässlichen« Palais de Tokyo abschaffen und durch einen »enthousiasme esthétique« ersetzen. Dieser trägt die Merkmale jener nach Pierre Gaudibert reformwilligen, aber deshalb noch lange nicht der wirklich streitbaren Kunst zugeneigten Politik, die den Interessen einer marktorientierten »modernistischen Bourgeoisie« entspricht. Auf bauend auf einer Analyse der Projekte zur Reform des MNAM 1966 und 1967 und ihrer Kritik am Palais de Tokyo kann gezeigt werden, wie parallel das Programm für ein Museum des 20. Jahrhunderts in das Projekt zum Centre Pompidou übergeht. Der Umzug der Sammlung wurde seit 1970 studiert, um Anforderungen im Architekturwettbewerb zu bestimmen. Nach der Räumung verblieben im Palais de Tokyo Schenkungen, und die »Préfiguration Orsay« des neuen Museums des 19. Jahrhunderts kam hier unter.
»VOULOIR UN CLIMAT D’ENTHOUSIASME ESTHÉTIQUE«: DAS PROJEKT DER REFORM DES MNAM 1966–1967 Der gut vernetzte Kunstkritiker und Schriftsteller Gaëtan Picon (1915–1976) wurde 1959 von André Malraux zum Directeur général des Arts et Lettres berufen und blieb bis August 1966 im Amt. Er schlug 1965 eine Reform des MNAM zu einer unabhängigeren Institution vor, der er ein Zentrum für zeitgenössische Musik unter Leitung von Pierre Boulez angliedern wollte. Später war er Vize-Präsident der Jury des Architekturwettbewerbs zum Centre Pompidou 1971.496 Im Februar 1966 sandte ihm der Direktor der staatlichen Museen einen Bericht mit zwei Hauptargumenten für eine tiefgreifende Reform. Ein Museum moderner Kunst erfordere, dass auch sein Personal nach einigen Jahren ausgetauscht werden könne. Außerdem benötige man, um die Anzahl von Schenkungen zu erhöhen, eine zweite Instanz, da die Kuratoren nicht mit allen Künstlern, Sammlern und Händlern ihrer Zeit auf gleich gutem Fuße stehen könnten. Daraus ging später die Schaffung des CNAC hervor.497 Mit Studien zur Reform des MNAM wurde Marie-Aimée Latournerie, Auditeur au Conseil d’État im Service Études et Recherches des Kulturministeriums, betraut. Im Oktober 1966 verfasste sie einen ersten Bericht über die Möglichkeit der Schaffung eines »Musée d’Art Moderne de Paris«, der die Idee der Fusion der beiden Museen von Stadt und Staat im Palais de Tokyo wieder aufgreift. Die Argumente – der internationale Kunststandort Paris, die Förderung der Künstler – gleichen erneut jenen vor der Schaffung des Palais de Tokyo in den 1930er Jahren.498 Hauptargumente aber sind eine mögli-
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che konzertierte Ausstellungs- und Ankaufspolitik und Einsparungen. Die Fusion blieb aus. Aber noch im Oktober 1966 wird die Studie einer Organisationsreform des MNAM ausgeweitet. Kulturminister André Malraux beauftragt den Directeur des musées de France zusammen mit Bernard Anthonioz und Latournerie für den Haushalt 1968 vorzulegen, wie viel Geld dafür nötig wäre. Er legt dabei Wert darauf, dass die Ankaufspolitik nicht durch eine Umverteilung von Mitteln bestimmte Tendenzen bevorzugen dürfe.499 Latournerie verfasste danach einen ersten Projektentwurf. Sie sprach mit Fachleuten und studierte, wie es ebenfalls schon in den 1930er Jahren vor der Konzeption des Palais de Tokyo geschah, holländische Beispiele. 500 Ihre Bilanz des zwanzig Jahre alten MNAM ist vernichtend. Positiv sind nur die dank Ankäufen und Schenkungen reiche Sammlung und die wissenschaftliche Anerkennung der Kuratoren vermerkt, dafür reicht ihr eine Viertelseite. Darauf folgen drei Seiten Negatives. Die Überschrift zum ersten Punkt ist so knapp wie sprechend: Das Palais de Tokyo ist »hässlich«: »B – Aspects négatifs. Il est laid.« Die Architektur, »pour n’être plus d’un modernisme au goût du jour et s’être de plus révélé inadapté au point de vue fonctionnel« entspreche nicht dem Zeitgeschmack, aus Platzgründen könnten alte Werke nicht jüngeren weichen. 501 In der offiziellen Endfassung des Berichts vom Dezember 1966 wird die »Hässlichkeit« nicht mehr als Argument bemüht. Dafür findet die Kritik der zeitgenössischen Künstler am MNAM und mithin »feindliche« Haltung ausländischer und junger französischer Künstler Eingang. 502 Das Fehlen junger Kunst mache aus dem MNAM eher die »Comédie Française des Arts Plastiques« oder eine Antichambre des Louvre. 503 Dies führe zudem zu einem überproportionalen Einfluss der kommerziellen Galerien für die Ausstellung junger Künstler. 504 Als noch schwerwiegender gilt der Exodus der Künstler nach New York. Das MNAM im Palais de Tokyo sei schlicht künstlerisch-intellektuell unattraktiv: »Enfin, il manque au Musée d’Art Moderne le ferment de vie d’avant-garde, d’excitation intellectuelle et d’enthousiasme qui pourrait accroître sa force d’attraction.« Mit Retrospektiven gewinne das Museum Besucher, aber nicht die jungen aus den künstlerischen Milieus rund um die Galerien. 505 Ende der 1960er Jahre hat das MNAM jährlich 120.000 Besucher, der Louvre aber 1 Million und das MoMA 700.000. Malerei-Ausstellungen haben durchschnittlich 20.000 bis 40.000 Besucher, Skulpturausstellungen 10.000 bis 20.000. 506 Besonders ins Gewicht falle, dass Besucher aufgrund einer schlechten bis nicht existenten Vermittlungsarbeit kaum ins MNAM zurückkehren. Abgesehen von einer kostenpflichtigen Führung gäbe es kein Informationsmaterial, keine ausliegenden Kataloge und keine Vermittlungsaktivitäten. Daher soll die Mission des Museums vom »patrimoine national« zur »diffusion culturelle« geändert werden. 507 Latournerie kritisiert auch Kompetenzgerangel zwischen Ankäufen der Direction des Musées und Förderungen des Service de la Création artistique. 508 Es wird daher ein »echter« Direktorenposten gefordert, der stärkere Innen- und Außenwirkung hätte als
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ein »Conservateur en Chef«. Für Ankäufe und geförderte Kunstwerke wird eine zentrale »Commission du Musée National d’Art Moderne« angeregt, die auch Künstlern und ihren Familien mehrere Ansprechpartner bieten solle, da die Erweiterung des Museums zu vier Fünfteln aus Schenkungen und Erbschaften stamme. 509 Fünf Vermittlungsstellen sollten entstehen. Vermittlung ist der Schlüssel zum »climat d’enthousiasme esthétique«: »Mais ce qui ne semble pas chimérique, c’est de vouloir entretenir au musée même un climat d’enthousiasme esthétique et de curiosité intellectuelle qui est dans sa vocation même d’établissement condamné pour vivre à être toujours à l’avantgarde.«510 Vor diesem Hintergrund wird deutlich wie das Centre Pompidou später einlöste, was hier 1966 für die »Comédie Française des Arts Plastiques« im Palais de Tokyo angedacht wird: Ein dynamisches Kuratorenteam, Ateliers und Arbeiten mit zeitgenössischen Künstlern, neue Formate neben großen Retrospektiven, eine Zentralisierung der staatlichen Sammlungspolitik im Bereich der zeitgenössischen Kunst und schließlich eine Grundausrichtung auf »diffusion culturelle«, Publikums- und Öffentlichkeitsarbeit. Statt der »antichambre du Louvre« kommt das »climat d’enthousiasme esthétique«. Schon dieser Bericht im Dezember 1966 nimmt auch die Idee eines neuen Musée du XXème siècle wieder auf: Sie dürfe nicht fallen gelassen werden, denn die Nachteile des Palais de Tokyo seien zu evident. 511 Der Standort Les Halles wird bevorzugt, der Vorteil gegenüber der Banlieue in Nanterre sei die Nähe zu »Kunst-Milieus«.
DER ÜBERGANG DER IDEE DES MUSÉE DU XXÈME SIÈCLE ZU BEAUBOURG 1970 Schon in seiner ersten Pressekonferenz als Präsident gab Pompidou am 10. Juli 1969 die Direktive aus, der französischen Wirtschaft eine internationale Dimension zu geben um eine »veritable« Industrienation zu schaffen. Eine industrielle Dynamik wird zum gesellschaftlichen Modell für allgemeinen Wohlstand und eine internationale Stellung Frankreichs. 512 Die Dynamisierung im Kulturbereich mit der Schaffung des Centre Pompidou entspricht dieser Politik. Im Sommer 1969 wurde eine Délégation générale au Plateau Beaubourg unter der Leitung von Robert Bordaz initiiert. Die freie Fläche des Plateau in der Nähe der Markthallen Les Halles entstand 1936, als aus hygienischen Gründen ein Wohnviertel abgerissen wurde und diente zwischenzeitlich als wilder Parkplatz. Das Centre rief dies zur Eigenwerbung in seinem zweiten Informationsbrief in Erinnerung. 513 Nachdem Pompidou den Wunsch eines neuen Centre National d’Art et de Culture im Dezember 1969 geäußert hatte, wurde es am 29. Oktober 1970 beschlossen. 514 Langfristig bot es die Gelegenheit, die Idee des Musée du XXème siècle mit dem Projekt einer öffentlichen Bibliothek auf dem Plateau zusammenzuführen. 515
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Schon im Januar 1970 wurde dies als mögliches Ende des MNAM im renovierungsbedürftigen Palais de Tokyo interpretiert, als der Directeur des musées de France Jean Chatelain in einem Rundschreiben am 15. Januar 1970 ausgewählte Personen zum Brainstorming über die Formen des neuen Zentrums aufrief. Es könne sowohl die Richtung des zuvor studierten Musée du XXème siècle einnehmen, als auch ein polyvalentes intermediales Zentrum werden. So könne man darüber nachdenken, Teile oder alle Sammlungen des MNAM und des Jeu de Paume dorthin zu verlagern, oder auch die École du Louvre, und diese zu einer Volksuniversität für Kunst zu erweitern. Mit dem neuen Projekt schließe sich finanziell eine Renovierung des Palais de Tokyo aber de facto aus. 516 In den Antworten vom Februar 1970, im zweiten Monat der konkreten Überlegungen für die Gestaltung von Beaubourg, wurde ein Transfer der Sammlungen des MNAM als notwendige Basis einer neuen Institution angesehen und als Möglichkeit, die unzulänglichen Bedingungen im Palais de Tokyo hinter sich zu lassen. Auch eine Beteiligung des CNAC und des ARC werden für ein »Centre d’Art Contemporain« ins Spiel gebracht. 517 Michel Laclotte, Leiter der Gemäldeabteilung des Louvre, antwortete Chatelain, er werde wunschgemäß mit dem Chefkurator des MNAM Jean Leymarie eine Aufteilung der Sammlungen des MNAM von 1860 bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts sondieren: Die »Préfiguration Orsay« hat hier ihren Ursprung. 518 Parallel zu diesen Überlegungen über die Zukunft des MNAM hatte der Chargé de Mission Sébastien Loste schon im Januar 1970 eine Vorstudie für den Präsidenten der Republik erstellt. 519 Wie schon zur Planung des Palais de Tokyo in den 1930er Jahren dienten Museen in nordischen Ländern und den USA als Referenzen. Das Louisiana Museum in Humlebaek und das 1958 als Annex des Nationalmuseums aufgebaute Moderna Museet in Stockholm, das seit 1960 von Pontus Hultén geleitet wurde, nahmen nun den Rang ein, der seinerzeit dem Gemeentemuseum in Den Haag zukam. Über die Reisen nach Louisiana, Stockholm und ins Henie Onstad Kunstsenter im Süden Oslos wurde ein eigenes Protokoll angefertigt. Besonders das dynamische Moderna Museet von Hultén und dessen Freundschaft mit international bedeutenden Künstlern wie Calder, Tinguely, Duchamp und Oldenburg beeindruckten sehr. 520 Argumente des Vorberichts an den Präsidenten gleichen den einst zur Ablösung des Musée du Luxembourg vorgebrachten fast bis in wörtliche Formulierungen. Das Projekt biete die Gelegenheit, eine »stimulierende Architektur« zu schaffen und eine »Lücke in Paris« zu schließen; die Nachteile des bestehenden Museums seien bekannt; man wolle eines der schönsten Museen moderner Kunst der Welt schaffen und Paris wieder zu einem internationalen Zentrum der Künstler machen. 521 Die doppelte Ausrichtung als Museum moderner Kunst und Zentrum der zeitgenössischen sei schwierig zu determinieren, die Fehler bei der Konstruktion des Palais de Tokyo dürften sich nicht wiederholen. Sicher weiß man, was man nicht will: Kein »beau théâtre sans coulisses« ohne ausreichende Infrastruktur, wie den Louvre oder das Palais de Tokyo. 522
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Schon das Programm für ein Museum des 20. Jahrhunderts hatte 1964 die Losung einer »conception radicalement évolutive« mit einem »Musée historique« auf der einen, und einer »galerie expérimentale« auf der anderen Seite ausgegeben. Im Projekt zum Centre Beaubourg wird eine solche experimentelle Galerie neben dem historischen Museum als »musée-laboratoire« für Künstler aufgenommen. 523 Der Vorbericht an den Präsidenten macht sich auch Gedanken um die Nachnutzung des Palais de Tokyo. Angeregt wird, dort die akademische Kunst des Second Empire und die »offizielle« Kunst der Dritten Republik auszustellen – freilich nicht ohne Hinweis, wie nachgefragt sie bei Antiquaren seien. 524 Mit dem neuen Centre erhalte Paris endlich ein würdiges Zentrum zeitgenössischer Kultur: »Enfin, on peut espérer que Paris aura un ensemble architectural de construction récente, une bibliothèque de lecture publique, un Musée d’Art Moderne, un Centre de Création Contemporaine dignes de lui!«525 Das Argument des »würdigen« Ausstellungsortes zieht sich durch die Geschichte, vom Musée du Luxembourg zum Bau des Palais de Tokyo, dessen Eröffnung 1947 und nun dem Pompidou.
»UN NOYAU GÉNÉRATEUR ET DYNAMIQUE«: DER WETTBEWERB ZU BEAUBOURG 1970–1971 Von Mai bis Juli 1970 wurden am MNAM Vorstudien für ein Programm in Beaubourg erstellt. Daraufhin arbeitete die Délégation générale das Programm der beteiligten Institutionen, CNAC, öffentliche Bibliothek und »Centre du Design« CCI, aus. Dominique Bozo, Kurator am MNAM und später dessen Direktor von 1981 bis 1986, unterrichtete den Direktor der staatlichen Museen über einen Umzug des MNAM, für den er fünf Jahre veranschlagt und auf zusätzliche Mittel und Personal hofft. Nahezu jedes der geschätzt 4000 betroffenen Kunstwerke stelle einen Einzelfall dar. 526 Bozo wendet sich gegen eine Logik des neutralen reinen Ausstellungsraumes einer Kulturmaschine und fordert ein genaues Studium der Erfordernisse der Sammlung. 527 Waren für Hautecoeur in den 1930er Jahren mobile Ausstellungskonfigurationen das wichtigste, ist es nun für Bozo das einzelne Kunstwerk im Zusammenspiel mit den übrigen der Sammlung. Der »secteur réservé au MNAM« dürfe nicht als »espace neutre« gedacht werden, der jegliche Sammlung aufnehmen könnte. Er wendet sich damit gegen zu dominante räumliche Dispositionen wie im Palais de Tokyo, aber auch gegen einen neutralen »White Cube«. Genaue Vorgaben im Wettbewerb erwuchsen daraus aber nicht. Der internationale, französisch und englisch ausgetragene Architekturwettbewerb wurde 1970 vom Kulturministerium vorbereitet. 528 Initiale Anforderungen waren ein mit der Umgebung harmonisierender Empfang, ein Informationsbereich, ein Museum moderner Kunst mit Depots, eine Bibliothek, ein Zentrum für zeitgenössische Kunst und Design. Weiterhin, dass die Umgestaltung von Les Halles und die Neugestaltung eines Wohn- und Shoppingquartiers im Norden des Plateau zu berücksichtigen sei. 529
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Die kulturpolitische Grundintention steht im Einleitungssatz der Wettbewerbsbedingungen. Entstehen soll ein »dynamischer Generator im urbanen Umfeld« von Paris: »Les concurrents auront à présenter un projet qui s’insère comme un noyau générateur et dynamique dans le tissu urbain parisien […].«530 Die zunächst federführende Délégation pour la Réalisation du Centre Beaubourg wurde per Dekret des Kulturministers vom 1. Januar 1972 in den Rang des »Établissement public du Centre Beaubourg« umgewandelt. 531 Die Wettbewerbsjury selbst hielt ihre erste Sitzung in den Galeries nationales du Grand Palais am 5. Juli und beendete ihre Arbeit am 15. Juli 1971. Präsident war der Architekt Jean Prouvé, Vizepräsident der ehemalige Directeur général des Arts et Lettres Gaëtan Picon. Ihr gehörten unter anderen der Chefkonservator für Gemälde des Louvre Michel Laclotte, der Ehrenpräsident des British Museum Sir Frank Francis, der ehemalige Direktor des Stedelijk Amsterdam Willem Sandberg, und Architekt Oscar Niemeyer an. 532 Sie begutachteten 681 Entwürfe. Davon waren 186 französische Einreichungen, 491 kamen aus 49 verschiedenen Ländern und 4 konnten geografisch nicht zugeordnet werden. 533 In der Einleitung ihres Berichtes hält die Jury fest, dass der siegreiche Entwurf der Architekten Richard Rogers, Renzo Piano, Gianfranco Franchini, John Young, Ove Arup & Partners Projet 493/ R 22123 ein sehr schönes Werk darstellen werde, drückt aber allgemein gedämpfte Begeisterung über die eingereichten Vorschläge aus. Es fehlten ihrer Meinung nach originelle Entwürfe, die ausgewogen waren zwischen architektonischer Expressivität des »Alles-ist-möglich« und »banalen Volumen«, die »sowohl ein Krankenhaus, ein Wohnblock oder ein Museum« hätten sein können. 534 Der siegreiche Entwurf, der mit 9 zu 8 Stimmen angenommen wurde, nehme nur die Hälfte des Plateau Beaubourg ein. Die durch Transport- und Versorgungssysteme belebten Fassaden vermieden bei einfacher Formgebung und Transparenz den bei vielen anderen Entwürfen bemängelten Eindruck von Kompaktheit. Die großen Flächen ohne Säulen seien besonders flexibel für Ausstellungen. 535 Zuvorderst erfülle er das zentrale Kriterium: Es wird ein Epoche machendes architektonisches Ensemble. 536 Von Weitem gleiche es einem Bildschirm und von Nahem einem Spiegel mit einem beständigen Spiel der Bilder und Reflexionen. Vor allem aber sei der Entwurf ein zeitgemäßer Hort der Bewegung und des »brodelnden Lebens«. 537 Das 1967 gewünschte »climat d’enthousiasme esthétique« ist eingetreten. Um der öffentlichen Kritik am Entwurf zu begegnen, rief der zweite Informationsbrief des Centre später in Erinnerung, dass das Pariser Verwaltungstribunal am 14. März 1975 einen eingelegten Rechtsbehelf gegen die Baugenehmigung ablehnte. Zudem wird das Centre Pompidou in die Traditionslinie des französischen Eisenbaus gerückt. Auch der Eiffelturm sei einst als Entehrung von Paris verschrien worden. 538 Die Erinnerung war notwendig. Während der Dichter Francis Ponge 1977 in L’Écrit Beaubourg, einem Auftragstext zur Einweihung des Centre Pompidou, in ihm ein Herz erkennt, das uner-
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müdlich den hexagonalen Körper Frankreichs belebe, erfuhr der »Effet Beaubourg« (Jean Baudrillard) auch viel Kritik. 539 Schon 1975 kritisierte Jean Clair, dass die Architektur nicht mehr auf die Funktion deute, es könnte sich genauso gut um ein Lager, eine Schule, eine Garage handeln. Er sieht darin eine Verschleierung der Machtmechanismen des kapitalistischen Prozesses. 540 Wenn aber nun die Praxis sogar dahin gehe, dass Werke und Installationen selbst veritable Museen erschaffen – er nennt Marcel Broodthaers und Christian Boltanski –, dann müsse dies im ohne Grenzen gezogenen Raum des zeitgenössischen Museums einer Wiederaneignung der Grenzziehung durch Kunst gleichkommen, »comme pour réinstaurer, au sein de cet espace nul du Musée contemporain, les marques, si précaires soient-elles, d’une occupation«. 541 Sein Ideal ist ein Museum, das nicht alle Ecken auskehrt und der Transparenz der Wirtschaftslogik folgt. Der Besucher sollte sich in einem Labyrinth auch vielfach verlieren dürfen. 542 Dies ist ähnlich Walter Benjamins kapitalismuskritischer Hoffnung aus der Vorkriegszeit auf eine massenkulturelle Rezeption in der Zerstreuung, die mit einem Gemeinschaftsbewusstsein einhergehen kann. So ausgerichtet, findet Jean Clair, könnte Beaubourg statt Supermarkt der Kunst zu sein, auch der sozialen Vereinzelung entgegenwirken, die er sich in den 1970er Jahren barbarisch Bahn brechen sieht: »Alors Beaubourg, au lieu d’être ce supermarché des arts à une clientèle de plus en plus frivole et distraite, et qui ne demande qu’à être distraite, deviendrait l’îlot où la barbarie contemporaine cède un instant le pas. Machine célibataire où le capitalisme libéral broie son chocolat culturel tout seul, elle deviendrait machine désirante où viendrait se troubler et s’éjouir tout un peuple.«543 Einige Elemente dieser Kritik nahm Jean Baudrillard 1977 im Essay L’Effet Beaubourg. Implosion et Dissuasion auf, was darauf schließen lässt, dass er Clairs Artikel aufmerksam las. Seine ist aber eine umfassendere Gesellschaftskritik: Beaubourg ist für ihn mehr als nur »Supermarkt der Kunst«, es ist »hypermarché de la culture«. 544 Der Beaubourg-Effekt ist der Ausdruck für die schwer zu benennende »Sache« selbst und die gesellschaftliche Entwicklung, für die sie steht. Die Struktur des Centre Pomidou verkörpert für Baudrillard die Preisgabe sozialer Beziehungen in der Gesellschaft an eine oberflächliche »Belüftung« der Massen in Netzwerken und Abläufen der massenmedialen Konsum- und Spaßgesellschaft. Daraus folgt die Implosion. 545 Implosion bedeutet, im Gegensatz zur Explosion in einer früheren Gesellschaft, in der Massenbewegungen noch Verhältnisse ändern konnten, dass die Institutionen unter dem Ansturm der träge gewordenen Massen, die sie selbst produzieren, versagen werden. Der soziale Enthusiasmus schießt über die Ziele des politisch gewollten »enthousiasme esthétique« hinaus. 546 Sie werden unter dem Gewicht von Feedback und Besuchermessung erodieren. Das beste Bild ist für Baudrillard daher, dass der Besucheransturm bei der Eröffnung drohte,
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die Gebäudestatik zu gefährden. 547 Wie das wirtschaftlich diktierte Sicherheitsstreben und die Kommerzialisierung des Viertels stehe der Beaubourg-Effekt für eine Verhinderung von politischem Bewusstsein: »Tout autour le quartier n’est plus qu’un glacis [...] la centrale est une matrice où s’élabore un modèle de sécurité absolue, qui va se généraliser à tout le champ social [...] Le même modèle, toutes proportions gardées, s’élabore au Centre: fission culturelle, dissuasion politique.«548 Beaubourg steht bei Baudrillard für die Entwicklung der Gesellschaft: »un monument génial de notre modernité.«549 In diesem Monument operiert weiterhin die schon von Pierre Restany am MNAM im Palais de Tokyo kritisierte Fiktion der humanistischen Demokratisierung der Kultur, eine letztlich bevormundende Konzeption präzeptiver Unterrichtung. 550 Wie Jean Clair konstatiert er in Beaubourg eine Scham der modernistischen Bourgeoisie. Verdeckt werden solle, dass die Kulturpolitik Ausdruck der zivilen Erosion durch die wirtschaftliche Ordnung ist und das Museum im Inneren der offenen Struktur mit alten Registern operiert und den Besuchern, unter dem Vorwand tiefergehender Einsichten, die Zeichenkultur der Gegenwart anerzieht. 551
EIN BILD DER KONTINUITÄT DER KUNSTPOLITIK AL S ZIEL, 1973–1976: »PRÉFIGURATION D’ORSAY« UND »SALLES ANNEXES BEAUBOURG« Der französischen Kulturadministration kam es bei der Realisierung des neuen Zentrums darauf an, das Bild einer Kontinuität der nationalen Kunstpolitik aufrechtzuerhalten. Aktivitäten im Centre Beaubourg sollten nicht als Zäsur der Aktivitäten im Feld der zeitgenössischen Kunst wahrgenommen werden. Festgehalten ist dies in einem Vorbericht von 1973 über die Vereinbarung zwischen dem Etablissement Public du Centre Beaubourg und der bis dahin für das MNAM zuständigen Direction des musées de France. In der Vereinbarung selbst fehlt dieser aufschlussreiche Passus. Beaubourg darf nicht als »wildes« Projekt erscheinen. »Il est très important pour l’avenir que le Centre Beaubourg, en dépit de toutes les novations qu’il comportera, n’apparaisse pas comme une réalisation ›sauvage‹ à l’intérieur du système séculaire des musées mais au contraire comme l’adaptation d’une politique continue des pouvoirs publics aux problèmes posés par la conservation et la diffusion de l’art moderne et contemporain.«552 Pontus Hultén wurde am 22. Oktober 1973 zum Direktor des Département des Arts plastiques des Centre Beaubourg ernannt und damit faktisch schon Direktor des MNAM nach Jean Leymarie. Dominique Bozo wurde Interim-Leiter des MNAM im Palais de Tokyo. 553 Dieses wurde zu einem Streitfall der Institutionenpolitik. 1973 lehnte Jean Chatelain, Directeur des musées de France, Ausstellungen des Centre im Palais de Tokyo
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ab. Hintergrund ist die Frage, ob das Centre Pompidou am 1. Januar 1974 die Verwaltung des Palais de Tokyo übernehmen sollte. Chatelain will dies verhindern und der Direction des Musées das Palais de Tokyo als Ausstellungsort neben Grand Palais und Orangerie erhalten. 554 Als historisches Stichdatum der Werke, die aus Sammlung und Bibliothek ins neue Zentrum gehen sollten, wurde die Zeit um 1905 mit dem Fauvismus angenommen. Louis Carolus-Barré, der Chefarchivar der staatlichen Museen, veranlasste, dass die übrigen Materialien der Bibliothek an den Louvre gehen sollten. 555 Mehrere tausend Dossiers über Künstler waren zur Fusion mit den Dossiers des CNAC in Beaubourg vorgesehen. Für die Archive des MNAM wurde der Transfer in die Archives des Musées nationaux im Louvre geplant. 556 Die Verantwortung für Personal und Sammlung des MNAM ging zum 10. Februar 1975 an das Etablissement public du Centre Beaubourg über und bis auf den Gebäudeunterhalt 1975 auch die volle finanzielle Verantwortung für das MNAM. 557 Die finale Vereinbarung zwischen DMF und Centre wurde am 28. August 1975 vom Directeur des musées de France und Robert Bordaz unterzeichnet. 558 Herausforderungen und Probleme des Umzugs des MNAM und der Sammlung wurden Ende 1973 von Dominique Bozo zusammengefasst. Die Auswahl der Werke für Beaubourg unterstand Jean Chatelain, seinem Mitarbeiter Hubert Landais, Michel Laclotte, Hélène Adhémar, die Kuratorin am Louvre und in den 1960er Jahren auch des Jeu de Paume und der Orangerie war, und Pontus Hultén. Als zurückzulassende Künstler werden hier schon genannt: »Ensembles Maillol, Utrillo, Valadon, Desvallières... Despiau..?«559 Beaubourg war auch für Überlassungen von Werken an andere Museen und spezialisierte Häuser wie das Musée de Sèvres oder das Cabinet des Médailles und ab Ende 1976 für Leihgaben zuständig. Die Archive des MNAM gingen ans Archiv der staatlichen Museen, durften aber dupliziert werden. 560 Gegen den Transfer der Sammlung des MNAM ins Centre Pompidou gab es öffentliche Proteste. Insbesondere die Société des Amis du Musée national d’Art moderne forderte, im Centre Pompidou nur Werke des 21. Jahrhunderts zu zeigen. Ihr Ehrenpräsident fragte spitzfindig, ob der Transfer überhaupt juristisch statthaft sei – der Problematik war sich das Museum freilich schon bewusst. 561 Es sei zwar angebracht, sich 25 Jahre vor der Jahrtausendwende mit der »création d’un Musée réservé aux arts plastiques de l’âge nucléaire« zu befassen – aber es solle doch bitte das MNAM an seinem Standort erhalten bleiben. 562 Als in der zweiten Jahreshälfte 1976 der Umzug des MNAM ins Centre Pompidou bevorstand waren einige der frei werdenden Flächen im Palais de Tokyo für das Centre Pompidou vorgesehen, andere sollten der Direction des musées de France unterstehen. Das Gebäude wurde weiterhin durch die DMF verwaltet, die dem Centre Pompidou Wachschutz in Rechnung stellen sollte. Die Betriebsausgaben waren je nach genutzter Fläche aufzuteilen. Die DMF nutzte ihrerseits freie Flächen im Palais de Tokyo für
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eine Vorausschau der postimpressionistischen Malerei als »Préfiguration du musée du XIXème siècle«, die spätere Préfiguration Orsay. Am 14. September 1976 schloss das MNAM im Palais de Tokyo. Zu diesem Datum verließen auch die Abteilungen des Centre Pompidou das Gebäude, um zum 20. September 1976 auf dem Plateau Beaubourg ihre Arbeit aufzunehmen. 563 Nach Wunsch der Association des donateurs sollten im Palais de Tokyo die Ausstellungen der DMF und der Annex-Säle des ins Centre Pompidou umgezogenen MNAM zeitgleich öffnen. Die DMF entschied sich für eine Ausstellung des Postimpressionismus, da dies erlaubte, einer Wiedereröffnung des Palais de Tokyo eine »wünschenswerte gewisse Größe« zu geben und viele Werke aus den Reserven zu holen. 564 Als Annexe des MNAM zeigten die Säle 101 bis 109 im Rez-de-Chaussée bas die Schenkungen und Werke, die mit Hilfe der Société des Amis du Musée d’Art moderne erworben worden waren. 565 Dass die DMF und das Centre Pompidou aber auch entschieden um Publikum konkurrierten, zeigt der Fall der in Staatsbesitz befindlichen Werke Picassos. Bei der Sitzung im September 1976 über den Transfer der Werke werden diese in drei Kategorien unterteilt: Picassos 1947 dem MNAM geschenkte Werke können ohne Probleme im Beaubourg gezeigt werden; die Bestimmungsorte weiterer Werke sind durch den Willen der Schenkenden oder ihrer Rechteinhaber bestimmt. Für den dritten Korpus, die »Dation Picasso«, für die 1974, ein Jahr nach dem Tod des Künstlers, schon die Unterbringung im Hôtel Salé beschlossen worden war, war die Situation unklar. Beide Parteien möchten diese Publikumsmagneten gerne bis zur Eröffnung des Musée Picasso zeigen. Robert Bordaz für das Centre Pompidou beruft sich auf Zusicherungen des ehemaligen Premierministers Jacques Chirac, während Emmanuel de Margerie für die DMF mit Plänen der Regierung im Grand Palais dagegenhält: »La question devra donc être reprise.«566
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1 Cassous Nachfolger: Bernard Dorival (1965–1968), Jean Leymarie (1968–1973), Pontus
Hultén (1973–1981, ab 1977 im Centre Pompidou). Im Centre Pompidou: Dominique Bozo (1981–1986), Bernard Ceysson (1986–1987), Jean-Hubert Martin (1987–1990), Dominique Bozo (1990–1991), Germain Viatte (1992–1997), Werner Spies (1997–2000), Alfred Pacquement (2000–2013), Bernard Blistène (seit 2013). Bis zum Pompidou blieben Direktoren nominell Conservateur en chef in der Direction des musées nationaux, vgl. Lawless 1986, S. 80, Fn. 1. 2 Luc Alarys Studie zum Musée du Luxembourg endet 1947 und legt den Schwerpunkt auf
administrative Evolution, vgl. id. 1997. Die Zeit vor 1947 ist nicht Gegenstand der Darstellung der Geschichte des MNAM von Catherine Lawless, für die Zeit 1947 bis 1976 gibt ihr Buch neben knappen Zusammenfassungen der institutionellen Entwicklung überwiegend Katalogauszüge und Zeitungsartikel wieder, vgl. id. 1986, S. 41 ff. In PALAIS finden die Eröffnung des Museums 1947 und der schlechte bauliche Zustand in den 1950er Jahren am Ende von Jean-Baptiste Minnaerts Überblick über die Architekturgeschichte kurz Erwähnung. Didier Schulmann endet dort seine Geschichte des Museums anhand von Ausstellungsfotografien mit der Eröffnung 1942. Danach geben Kommentare unter Ausstellungsfotografien einen Eindruck von 1947 bis in die 1970er Jahre. Jean-Hubert Martin, der ab 1971 am Haus für zeitgenössische Kunst zuständig war, erwähnt kurz im Interview Sammlung und Ankaufsmöglichkeiten zu Beginn der 1970er Jahre. Während gelegentliche Ausstellungen der Biennale de Paris erwähnt werden, geht die Publikation anschließend sofort zum Musée d’Art et d’Essai als Nachfolger des MNAM über. Vgl. Minnaert 2012, S. 32 f.; Schulmann 2012, S. 44 – 49; Jean-Hubert Martin: Une nouvelle génération entre au musée, in: PALAIS 15/2012, S. 54 –55; Hélène Meisel: La Biennale de Paris dans les années 1970, Internationalisme & Particularismes, ibid., S. 59–62. 3 Vgl. Poulot 2008, S. 168 u. 175 ff. 4 Vgl. Monnier 2004 zur Eröffnung des MNAM 1947 S. 316 ff., zum »Musée du XXème siècle«
S. 343.
5 Salles: Préface, in: Peintures du Musée d’Art Moderne, Ausstellungskatalog Paris 1945, S. 4. 6 Mireille Gaüzère: Le Centre Georges Pompidou, un succès pour la modernité, in: Geneviève Gen-
til u. Augustin Girard (Hrsg.): Les Affaires Culturelles au Temps de Jacques Duhamel, 1971–1973, Paris 1995, S. 263–275, S. 268. 7 Monnier 2004, S. 343. 8 Poulot 2008, S. 149. 9 Ibid. 10 Jean-François Lyotard: La Condition Postmoderne. Rapport sur le Savoir, Paris 1979, S. 13 f.
11 Ibid., S. 85 f. Man kann dies auf den Wettbewerb der Kunstinstitutionen um »Neues« übertra-
gen.
12 Poulot 2008, S. 150. 13 GS I.2, S. 504. 14 Vgl. allg. Fellmann 2014, S. 134 ff. u. 175 ff. 15 GS IV.1, S. 309. 16 Zu Porosität und Durchdringung als Kategorien der Kunstwahrnehmung vgl. Benjamin Fell-
mann (2014b): Walter Benjamin, Danh Vo e We the people. A contribuição dos Conceitos Benjaminianos de Durchdringung e Porosität para a Prática Artística Contemporânea, in: Luiz Sergio de Oliveira, Tania Rivera u. Marlon Miguel (Hrsg.): Poiesis 24/2014, Arquivo, gesto e mimesis, Niterói 2014, S. 59–76. 17 GS IV.1, S. 311.
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18 Ibid., S. 315. 19 Ibid., S. 316. 20 Ernst Bloch: Aktualität und Utopie. Zu Lukács’ Philosophie des Marxismus, in: Der Neue Merkur
[7. Jahrgang, 1. Bd., 10/1923–03/1924], Nendeln/ Liechtenstein 1970, S. 457– 477, S. 458 f.
21 Georg Lukács: Geschichte und Klassenbewußtsein. Studien über marxistische Dialektik, Berlin
1923, S. 34.
22 GS IV.1, S. 314. 23 Ibid. 24 Benjamin 1927, S. 8. Vgl. Fellmann 2014, S. 153 ff. 25 GS I.2, S. 499 f. 26 Ibid., S. 505. 27 Ibid., S. 499 u. 496. 28 Ibid., S. 495. 29 Ibid., S. 505. 30 Ibid. 31 Fellmann 2014, S. 135 ff. 32 GS IV.1, S. 309. 33 GS I.2, S. 508. 34 Ibid., S. 506. 35 Vgl. Nathalie Raoux: Walter Benjamin, Jean Cassou et la revue Europe. Un essai d’affinités élec-
tive, in: Europe 813–814/1997, S. 185–201; Jean Cassou: Six lettres de Jean Cassou et une lettre de la revue Europe à Walter Benjamin, ibid., S. 202–206. Beim Brief der Europe handelt es sich um die Einladung zur Teilnahme an einer Ausgabe über das Thema der Weltausstellung 1937, die die Redaktion im Nachgang 1938 plante. Leider enthält keine der Ausgaben mit den betreffenden Meinungsstücken im Frühsommer 1938 einen Beitrag Benjamins. 36 GS VI, S. 222 f. 37 GS V.2, S. 1175. 38 GS II.3, S. 1290–1309. 39 Monnier 1998, S. 149. 40 GS VII.1, S. 470 ff., vgl. im Verzeichnis der gelesenen Schriften die Nummern 1241‹3›, 1619, 1672, 1678. 41 Jean Cassou: Quarante-Huit, Paris 1939. Vgl. die Zitate in den Konvoluten des Passagen-Pro-
jektes in GS V: [D 10,4] S. 177; [E 13 a, I] S. 207; [J 88 a, 4], [J 89, I], [J 89, 2], [J 89, 3], [J 89, 4], [J 89 a, I], [J 89 a, 2], S. 482 f; [a 22,3], [a 22,4], [a 22 a, I], [a 22 a, 2], [a 22 a, 3], S. 896 f.; [d 18,6], [d 18 a, I], S. 937; [i 2], S. 948. 42 Jean Cassou: La semaine sanglante, in: Vendredi 29/1936, S. 7; vgl. GS V.2, [k 2 a,6] u. [k 3,I],
S. 953.
43 GS V.2, [S 5 a, I], S. 686 f.
405 | Anmerkungen
44 GS I.2, S. 506. 45 Jean Cassou: Art Museums and Social Life, in: Museum 3/1949, S. 155–161, S. 155. 46 GS I.2, S. 504. 47 Zitiert nach Lawless 1986, S. 54. 48 Bernard Dorival: L’ouverture du Musée National d’Art Moderne de Paris, in: Les Arts Plastiques.
Carnets du Séminaire des Arts, Palais des Beaux-Arts Bruxelles 5–6/1947, S. 247–251, S. 250 f.
49 Pontus Hultén: Musées, toutes les muses, Centre George Pompidou, Paris 1975 (= id.: Toutes les Muses, in: l’ARC (Cahiers méditérranéens paraissant quatre fois l’an) 63/1975, Beaubourg et le Musée de demain, S. 4 f.). 50 Ibid. 51 AMN 3KK4, Dossier »Plateau Beaubourg, 1970, 1° semestre, Doctrine avant le programme
proprement dit«. »Réflexion générale sur le projet d’ensemble monumental«, getippt mit zahlreichen Korrekturen, 7 S., S. 2 f. 52 Ibid. 53 AMN 3KK4, Dossier »Centre Culturel des Halles – 1970, Mars–Juillet«. Sébastien Loste: »Note
sur le Centre d’Art Contemporain du Plateau Beaubourg à l’attention du Président de la République, 14.02.1970«, getippt, Fotokopie, 22 S., S. 15. 54 Zitiert nach Curtis 2007–2008, S. 59–75, vgl. Nine Points on Monumentality [1943], in:
Sigfried Giedion: Architecture, You and Me, Cambridge Mass. 1958, S. 48–51.
55 Curtis 2007–2008, S. 60; sie zitiert dazu Sigfried Giedion: The Need for a New Monumentality,
in: Paul Zucker (Hrsg.): New Architecture and City Planning, New York 1944, S. 552 f.
56 Curtis 2007–2008, S. 61, vgl. The Architectural Review (London), September 1948, S. 117–
128.
57 GS IV.1, S. 310. 58 Vgl. GB III, S. 443 f. 59 Giedion 1928, S. 85. 60 AMN 3KK4, Dossier »Centre Culturel des Halles – 1970, Mars–Juillet«. Sébastien Loste: »Note
sur le Centre d’Art Contemporain du Plateau Beaubourg à l’attention du Président de la République, 14.02.1970«, S. 8. 61 AMN 3KK4, Dossier »Plateau Beaubourg, 1970, 1° semestre, Doctrine avant le programme
proprement dit«. »Réflexion générale sur le projet d’ensemble monumental«, S. 4 f. 62 Ibid., S. 5. 63 Pierre Gaudibert: Action Culturelle: intégration et/ou Subversion, Paris 1972.
64 Jean Baudrillard: L’Effet Beaubourg. Implosion et Dissuasion, Paris 1977, S. 29. 65 Ibid., S. 31–33. 66 AMN/2HH59(1)–2, Dossier »Correspondance Cassou, Dorival, 1947–1948«, Kopie des
»Arrêté du Ministre de la Jeunesse, des Arts et des Lettres P. Bourdan du 19 août 1947«, mit Schreiben vom 11. September 1947 von Directeur des Musées Georges Salles an Bernard Dorival, der Kommissionsmitglied wird.
406 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
67 AMN/L2/M.N.A.M. 1946–1966, »Projet de fusion des deux Musées d’Art Moderne« (1945–
1950).
68 Elizabeth C. Karlsgodt: Defending National Treasures. French Art and Heritage under Vichy,
Stanford 2011.
69 Louis Hautecoeur: Les Beaux-Arts en France. Passé et Avenir, Paris 1948, S. 8. 70 Ibid. 71 Ibid. 72 Vgl. ibid. »Les Musées«, S. 193–218. Zum MNAM S. 206–210, die Erwähnung von Cassou
S. 207.
73 Ibid., S. 210 f. 74 Ibid., S. 277 ff., Kapitel »Les Beaux-Arts, le gouvernement et les allemands« S. 277–332. 75 Ibid., S. 278. 76 Gensburger 2010 betont die Einzigartigkeit des Fotoalbums zur »Aktion M« aus dem Bundes-
archiv.
77 Pierre Ladoué: Le Musée Français des Artistes Vivants, in: Gazette des Beaux-Arts, September
1948, S. 193–208, S. 206: »Pour empêcher l’occupation totale des locaux du ›Palais de Tokio‹ dont les Allemands avaient déjà converti le sous-sol en garde-meuble où ils entassaient les pianos confisqués, disaient-ils, aux Israélites, je procédai, en 1942, à une réouverture partielle [...]«. 78 Zur Geschichte der Sammlung Schloss und dem Einsatz französischer Beamter nach dem
Krieg für den Verbleib der Bilder im Louvre vgl. Karlsgodt 2011, S. 1 ff., 218–227. 79 Hautecoeur 1948, S. 320.
80 Ibid., S. 302: »Je fus convoqué à Vichy, où l’on m’annonça que pour avoir présenté une telle
candidature j’allais être l’objet d’une sanction identique. M. Ripert revendiqua la responsabilité de la nomination et l’affaire en resta là, mais la presse durant trois ans ne cessa de m’attaquer et le leitmotiv était la nomination de Cassou«. 81 Karlsgodt 2011, S. 32. 82 Ibid., S. 45. 83 Vgl. Lawless 1986, S. 41 ff.; Alary 1997, S. 292 ff., 297 ff. u. 305–316. 84 Ibid. zu Art et Résistance S. 307–309, zur Diskussion ibid., S. 308, zur Tapisserie-Ausstellung
S. 309 ff.
85 Zu Sammlungslücken vgl.: Jean Cassou: L’Ouverture du Musée d’Art Moderne, in: Bulletin des
Musées de France 6/1947, S. 10–13.
86 Alary erwähnt den Raum nicht. Die Sammlungsordnung führt er auf Bernard Dorivals drei-
bändiges Werk Les Étapes de la peinture française contemporaine (Paris 1943–1946) zurück.
87 A. Monjo: Art et Résistance, in: Le Jeune Combattant Magazine, 2. März 1946. AMN/X/Expositions/46/15 Février. 88 Roger Bourderon: Francs-tireurs et partisans français, in: Marcot 2006, S. 188–190. 89 Francis Jourdain, Association Nationale des Amis des Francs-Tireurs et Partisans Fran-
çais, Rundschreiben »Chère Confrère«, 20. November 1945, getippt, 1 S. AMN/X/Expositions/1946/15 Février.
407 | Anmerkungen
90 Art et Résistance, Ausstellungskatalog, Musées des Arts Modernes, Paris, Februar 1946 (im gleich nach der Befreiung 1944 gegründeten Verlag des im Widerstand aktiven Pierre Seghers, Éditions Pierre Seghers). Der Katalog listet 332 Künstler, ein »Supplément au Catalogue« weitere. 91 Mitglieder der Kommission: Jean Cassou; André Chamson, Conservateur au Petit Palais;
Georges Salles, Directeur des musées de France; René Huyghe, Conservateur au Musée du Louvre; Joseph Billiet, ancien Directeur des Beaux-Arts; Bizardel, Conservateur aux Musées de la Ville de Paris, Robert Rey, critique d’art; Raymond Cogniat, Rédacteur en chef du journal Arts; Georges Besson, critique d’art. Vgl. AMN/X/Expositions/1946/15 Février, Einladung des Comité Artistique F.T.P.F. an Georges Salles 11. Januar 1946 und Ausstellungskatalog, Innenseite Titel. 92 André Chamson: Préface, in: Art et Résistance, S. 1 f. 93 Association Nationale des Amis des Francs-Tireurs et Partisans, gedrucktes einseitiges Infor-
mationsschreiben an Künstler mit der Bitte, ein oder zwei Werke beizusteuern, 1945. AMN/X/ Expositions/1946/15 Février.
94 Manifeste approuvé par MM. Picasso, Marquet, Matisse et Bonnard, getippte Kopie, 1 S., unsigniert. AMN/X/Expositions/1946/15 Février. Vgl. Katalog Art et Résistance, S. 4. 95 Fleckner 2012c, S. 129. 96 Zu Fraternité vgl. Guillaume Piketty: Presse de l’exil, in: Marcot 2006, S. 683–685. 97 Léopold Durand: Art et Résistance, in: Fraternité, 28. Februar 1946. AMN/X/Exposi-
tions/1946/15 Février.
98 Maximilien Gauthier: Art et Résistance, in: Opéra, 27. Februar 1946. Ibid. 99 Durand 1946. 100 Katalog Art et Résistance, Reproduktionen: Lipchitz, David et Goliath; Fougeron, Rue de Paris. 1943; Luce Paris, Les Partisans et F.T.P. du Lot; Marquet, Alger. Novembre 1942; Matisse, Monique en robe grise sur fond de feuilles grises; Léopold Survage, La Charité; Boris Taslitzky, Je te salue ma France! 101 Vgl. Bruno Gaudichon (Hrsg.): André Fougeron 1913–1998. »voilà qui fait problème vrai«,
Ausstellungskatalog, La Piscine Musée d’Art et d’Industrie Roubaix, Montreuil 2014.
102 Fleckner 2012 c, S. 127. 103 Durand 1946. 104 Gauthier 1946. 105 Vgl. zu den Ausstellungen die Akten in AMN/2HH/(64)/(1), (2), (3). 106 Martin Schieder: Im Blick des Anderen. Die Deutsch-Französischen Kunstbeziehungen 1945–
1959, Berlin 2005, S. 22.
107 Ibid., S. 23. 108 Ibid., S. 24 f. 109 Ibid., S. 38–62. 110 Der 1909 geborene und 2009 verstorbene Galerist hatte in Frankreich Kontakte zur Résis-
tance geknüpft und kehrte 1947 nach Berlin zurück, wo er 1948 seine bis 1998 bestehende Galerie gründete, die zunächst einen Schwerpunkt auf französische Kunst legte.
111 AMN/2HH/64(1), Dossier 2. 1946, Getippte Briefnotiz, halbes Blatt, von Rudolf J. Springer,
»Malente / Holstein / Deutschland / Bahnhofstrasse 41 / Britische Besatzungszone, le 26 Novembre 1946«, handsigniert.
408 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
112 Ibid. 113 AMN/2HH/64(1), Dossier 2. 1946. Getippter Briefentwurf, 22. Dezember 1946, von Jean
Cassou an Rudolf J. Springer, Bahnhofstrasse 41 Malente, Holstein Allemagne Zone britannique, 3 S. mit handschriftlichen Korrekturen. 114 Vgl. Cassou 1947. 115 AMN/2HH/64(1), Dossier 2. 1946. Cassou an Springer, Entwurf, 22. Dezember 1946, S. 2:
»En pensant ainsi, nous ne mêlons nullement la politique à l’art, nous mêlons simplement la morale et la correction à l’art. Ce ne sont pas des choses incompatibles. Vous me dites votre bonheur, à vous Allemand, d’être délivré d’un régime qui mêlait la politique à l’art. Permettez moi de vous faire observer que le régime hitlérien ne mêlait pas la politique à l’art, ni à rien. Ce n’était pas un régime politique. L’hitlérisme n’est pas une opinion politique. Le racisme, les notions de race et de supériorité raciale, l’antisémitisme, le droit du poing, la guerre totale, les chambres à gaz et les fours crématoires ne constituent pas une doctrine politique, n’ont rien à voir avec la politique ni avec quoi que ce soit d’humain. Ce sont là simplement des choses à rejeter hors du monde et hors de nos pensées. Un artiste, par conséquent, peut librement professer l’opinion politique qui lui plait. Il ne peut professer l’hitlérisme qui n’est pas une opinion politique, qui est simplement une monstruosité. Et je ne reproche pas à l’hitlérisme de s’être mêlé aux questions artistiques: je lui reproche simplement de s’être mêlé à l’existence du monde, d’avoir existé«. 116 Ibid.: »Un artiste français qui serre la main aux hitlériens, ne manifeste pas une opinion poli-
tique: il commet une monstruosité sur laquelle un honnête homme, de quelque nationalité qu’il soit, ne peut que se montrer aussi sévère que nous.«
117 Vgl. zur UNESCO-Ausstellung AMN/2HH/(64)/(1) u. AMN/X/Expositions/cart.55 (1946). 118 AMN/2HH/64(1), Dossier 10 »Le mois de l’UNESCO. Exposition internationale d’art
moderne«. Kopie des Memorandum UNESCO/Prep.Com./44, 16. Mai 1946 »Mois de L’UNESCO«, 6 S., »Préambule«. 119 UNESCO (Hrsg.): Exposition Internationale d’Art Moderne. Peinture, Art Graphique et Décoratif, Architecture, Ausstellungskatalog, Musée d’Art moderne, Paris 1946, S. 3. 120 Ibid., S. 2. Die Liste markiert mit Asterisk Länder der Kunstausstellung, mit Zeichen θ der Architektursektion: »Etats membres de l’UNESCO: Arabie Séoudite; Argentine*; Australie*; Belgique*; Bolivie*; Brésil*; Canada*; Egypte; Etats-Unis d’Amérique*; Equateur*; France*; Grèce; Guatemala; Haïti*; Inde*; Irak; Iran; Liban; Libéria; Luxembourg*; Mexique θ; Nicaragua; Norvège*; Nouvelle-Zélande θ; Panama; Pays-Bas*; Pérou*; Philippines; Pologne*; République Dominicaine; République du San-Salvador; Royaume Uni de Grande-Bretagne*; Syrie; Tchécoslovaquie*; Turquie*; Union Sud-Africaine; Uruguay*; Vénézuela*; Yougoslavie*«. 121 Ibid., »Uruguay«, S. 91 f.: »Les œuvres exposées ont été choisies par Gisèle Freund et René
Hubert«.
122 Walter Benjamin: Gisèle Freund, la photographie en France au dix-neuvième siècle. Essai de sociologie et d’esthétique, WuN 13.1, S. 507–508, S. 508, Typoskript Benjamins vom Herbst 1937 in WuN 13.1, S. 793–795. 123 Ausstellungskatalog UNESCO Exposition Internationale d’Art Moderne 1946, »Additif«, S. 1. 124 Ibid., »Comité pour le choix des emplacements«, S. 95. 125 AMN/2HH/64(1), Dossier 10 »Le mois de l’UNESCO. Exposition internationale d’art
moderne«. Kopie Memorandum UNESCO/Com. Prep./47. Jean Cassou erhielt am 9. August 1946 von R. Carline von der UNESCO Auskunft, das Maximum pro Land liege bei etwa 50 Gemälden, für Frankreich und die USA erscheine dies jedoch zu wenig. Eher seien daher 60 sinnvoll plus 15–20 für in Frankreich lebende spanische Künstler.
409 | Anmerkungen
126 Ibid., S. 1: »cette exposition pourrait constituer la première étape vers une coopération entre
artistes et organisations artistiques des différents pays, ce qui est l’un des buts assignés à l’UNESCO par sa constitution«. 127 Jean Cassou: Introduction, in: UNESCO Exposition Internationale d’Art Moderne 1946, o.S., folgende ibid. 128 AMN/2HH/64(1), Dossier 10 »Le mois de l’UNESCO. Exposition internationale d’art
moderne«, Unterdossier »Presse«, Jean Cassou: »Radioreportage enregistré le 18 novembre 1946. Diffusé sur la Chaîne parisienne, le 20 novembre à 13h.15.« Einseitiges getipptes Transkript.
129 René-Jean: Une exposition internationale s’organise au Musée national d’art moderne, in: Le
Monde, 17.–18. November 1946. AMN/2HH/64(1), Dossier 10, Unterdossier »Presse«.
130 AMN/2HH/64(1), Dossier 10, Jean Cassou: »Radioreportage enregistré le 18 novembre
1946«.
131 J. Bouret: L’Exposition de l’U.N.E.S.C.O. est mal organisée, in: Le Soir, 28. November 1946; André Warnod: L’Exposition internationale d’Art moderne s’ouvrira lundi organisée par l’U.N.E.S.C.O. La France y sera mal représentée, in: Le Figaro, 16. November 1946; Léopold Durand: Le tour du monde en couleur, in: L’Humanité, 30. November 1946. AMN/2HH/64(1), Dossier 10, Unterdossier »Presse«. 132 Fernand Perdriel: L’Exposition internationale d’Art Moderne à l’U.N.E.S.C.O., in: Paris-Presse,
3. Dezember 1946. Ibid.
133 Jacques Lassaigne: U.N.E.S.C.O. Les expositions au Musée d’Art Moderne. La Peinture, in: Arts,
22. November 1946. Ibid.
134 Der Katalog listet nach Polen separat noch die »Artistes polonais habitant à Paris« und »Artis-
tes polonais habitant en Grande-Bretagne«, vgl. S. 78–79. 135 Lassaigne 1946.
136 Simone Gille-Delafon: U.N.E.S.C.O. Les expositions au Musée d’Art Moderne. Architecture et Urbanisme, in: Arts, 22. November 1946. AMN/2HH/64(1), Dossier 10, Unterdossier »Presse«. 137 Georges Salles: Préface, in: Peintures du Musée d’Art Moderne, Ausstellungskatalog, Paris
1945, S. 3– 4. Die Tourstationen lassen sich der Ausstellungsnotiz der Werke entnehmen, zum Beispiel Edouard Vuillards Le Sommeil (1892): 1945: Limoges, Saint-Etienne, Perpignan, Toulouse, Bordeaux, Amiens und Lille, vgl. Musée d’Orsay: Notice de l’œuvre: Vuillard, le Sommeil, in: http://www.musee-orsay.fr/fr/collections/catalogue-des-œuvres/notice.html?nnumid=8010 (29. Juli 2015). 138 Peintures du Musée d’Art Moderne, Ausstellungskatalog, S. 22. 139 Salles: Préface, ibid., S. 4. 140 AMN/L1/1931–, »Musée national d’art moderne, présentation par M. J. Cassou, des collec-
tions d’Art Français Contemporain«; AMN/L1/1931–, »Musée national d’art moderne, inauguration de l’Art Francais Contemporain«.
141 Jean Cassou: Introduction, in: id., Bernard Dorival u. Geneviève Homolle: Musée National
d’Art Moderne. Catalogue-Guide, Paris 1947, S. I–VI, S. III.
142 J. L.: Le Musée d’Art Moderne, in: Panorama des Arts, Juni 1947, S. 135–144, S. 135. AMN/
L1/1931–.
143 Dorival 1947, S. 250 f. 144 Ibid.
410 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
145 Archives des musées nationaux (Hrsg.): Série HH: Musées nationaux Parisiens, April 2014,
S. 18.
146 Dass es sich um Cassous Rede am 9. Juni handelt, zeigt ein Brief Robert Reys vom selben
Tag, in dem er Cassou beglückwünscht und bekräftigt, nun habe Frankreich trotz der schwierigen Architektur das schönste Museum zeitgenössischer Kunst der Welt: »La disposition du bâtiment rendait le problème presque insoluble. [...] Nous avons maintenant le plus beau musée d’art contemporain du monde entier«. AMN/2HH59(1), Correspondance de M. Cassou, Dorival, 1941–1948. Brief von Rey an Cassou, 9. Juni 1947, 1 Blatt recto/verso. 147 AMN/2HH59(1), Correspondance de M. Cassou, Dorival, 1941–1948. Handschriftlicher
Entwurf Cassous der Eröffnungsrede auf 7 Loseblättern; und getipptes Transkript mit Korrekturen und zwei eingeschobenen handschriftlichen Blättern, 5 S., paginiert. Zitiert wird diese zweite Fassung. 148 Ibid., S. 2. Die folgenden Angaben ibid. S. 2 f., Zitat S. 2. 149 Ibid., S. 3. 150 Ibid., Blatt 5. 151 Fiske Kimball: Museums abroad since the war, in: The Philadelphia Museum Bulletin 219/1948,
S. 2–15, S. 7.
152 Bericht Dorivals an den Directeur des musées nationaux, 13. Juni 1947, getippt mit Anmer-
kungen. AMN/L2/M.N.A.M. 1946–1966, »Note sur l’organisation du Musée d’Art Moderne«.
153 Bernard Dorival: Musée d’Art Moderne. Peintures de Maîtres Contemporains, in: Bulletin des
Musées de France 2/1946, S. 15–20, S. 15.
154 Ibid. Vgl. zu den folgenden Angaben ibid., S. 15–18. 155 Wilhelm Uhde informierte über die Datierung der Gemälde Séraphines (1928 und 1930), vgl.
ibid., S. 19 f.
156 Ibid., S. 18. 157 Bernard Dorival: Le Cubisme au Musée d’Art Moderne, in: Bulletin des Musées de France
4/1946, S. 14 –19.
158 Ibid., S. 16: »Plus discrète que l’action de l’autre maître du Cubisme, Picasso, celle de Braque
fut aussi profonde et, sans doute, mieux faisante, qui tyrannisa moins ceux sur qui elle s’exerça«.
159 Id.: Nabis et Cubistes au Musée d’Art Moderne, in: Bulletin des Musées de France 5/1947,
S. 9–18, S. 11.
160 Id.: Georges Rouault, ibid., S. 19–22. 161 Id.: Nouvelles acquisitions des Musées Nationaux, 1939–1945 – Musée National d’Art Moderne,
in: Bulletin des Musées de France 1/1946, S. 36– 40.
162 AMN/L2/M.N.A.M. 1946–1966, Dorival: »Note sur l’organisation du Musée d’Art
Moderne«, 13. Juni 1947, S. 1.
163 Ibid., auch die folgenden Angaben sind dem Bericht entnommen. 164 Anonym: Les toiles du Musée de New York ce n’est pas toute la peinture moderne, in: Combat, 7. August 1947. AMN/L1/1931–, »Articles de la presse 1947«. Der Quai de Tokyo hieß nun Avenue de New York. 165 J. L. 1947.
411 | Anmerkungen
166 Das Bild ist auch abgedruckt in: Jean Cassou: Art Museums and Social Life, in: Museum
3/1949.
167 Saal 8 zeigte Desvallières, Mabel Gardner, Marcel Gimond, vgl. Cassou, Dorival u. Homolle
1947, S. 29.
168 Dorival, »Note sur l’organisation du Musée d’Art Moderne«, 13. Juni 1947, S. 1. AMN/
L2/M.N.A.M. 1946–1966.
169 Anonym, Combat, 7. August 1947. 170 J. L. 1947, S. 136. 171 Ibid. 172 Das Zitat lautet: »Le but de la peinture, n’est pas de reconstituer un fait anecdotique, mais de
constituer un fait pictural«, aus: Georges Braque u. Pierre Reverdy: Pensées et réflexions sur la peinture, in: Revue Nord-Sud, 1917. Links in der Vitrine unter anderem Fotografie »Georges Braque dans son atelier 1936«, rechts Vergleichsreproduktionen und dazu der Hinweis »Georges Braque suit la grande tradition française: Louis Le Nain, Philippe de Champaigne, J.B. Chardin, J.B. Corot«. 173 Vgl. für die folgenden Angaben Cassou, Dorival u. Homolle 1947, S. 73 ff. 174 Ibid., S. 91 ff. Die Bezeichnungen der Richtungen nach J. L. 1947. 175 Dorival, Note sur l’organisation du Musée d’Art Moderne, 13. Juni 1947, S. 2. AMN/
L2/M.N.A.M. 1946–1966.
176 Cassou, Dorival u. Homolle 1947, S. 151–204. 177 Dorival, »Note sur l’organisation du Musée d’Art Moderne«, 13. Juni 1947, S. 2. AMN/
L2/M.N.A.M. 1946–1966.
178 So waren hier demnach zu sehen: Henri de Régnier von Cappiello, La femme à l’ éventail von
Abel Faivre, Intérieurs von Lobre und Miniaturen von Bottini. Vgl. René-Jean: Avec les artistes contemporains, in: Le Monde, 17. September 1947. AMN/L1/1931–, »Articles de la presse 1947«.
179 Anonym, Combat, 7. August 1947. 180 Vgl. Musée de la Résistance et de la Déportation: Exposition permanente, in: http://www. citadelle.com/fr/le-musee-de-la-resistance-et-de-la-deportation/exposer/exposition-permanente.html (9. September 2015). 181 Ausstellungskatalog Art et Résistance, Paris 1946, letzte Seite. 182 Jean-Luc Nancy: La représentation interdite, in: id. (Hrsg.): Le Genre Humain 36/2001, L’Art et la Mémoire des Camps. Représenter, exterminer, S. 13–39, S. 14. 183 Ibid., S. 19 f., Zitat S. 20. 184 Zwar war auf Anordnung des Finanzministers am 30. Januar 1945 ein Service de Restitu-
tion des Biens des Victimes des Lois et Mesures de Spoliation für zuständig erklärt und Ende 1946 festgestellt worden, dass dies auch diese Klaviere betraf. Da trotz Restitutionen und der zur weiteren Reduzierung ihrer Anzahl vorgenommenen Ausleihen an Pianisten immer noch Klaviere oder Teile davon im Palais de Tokyo verblieben, zu denen sich keine Besitzer meldeten und sich womöglich nie mehr melden würden, wurde, wie für alle Güter, die länger als sechs Monate in Verwahrung waren, ihr Verkauf beschlossen. Am 10. und 24. Oktober 1947 wurden 20, respektive 81 Klaviere verkauft. Man versuchte, das Untergeschoss bis Ende des Jahres frei zu machen. Der letzte Verkauf fand am 30. Dezember 1947 statt, elf Klaviere »en litige« – das heißt, zwischen mehreren potentiellen Besitzern umstritten – blieben übrig und wurden ins Depot im Palmarium des
412 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
Jardin d’Acclimatation in Verwahrung gegeben. Vgl. AMN/L2/M.N.A.M. 1946–1966, »Dossier relatif aux pianos entreposés dans les sous-sols du Musée d’Art Moderne«. 185 AMN/L2/M.N.A.M. 1946–1966, »Note sur l’organisation du Musée d’Art Moderne«,
13. Juni 1947, S. 2.
186 Ibid., »Note sur le Musée«, 30. März 1948. 187 Einen Catalogue Raisonné der Ausstellungen des MNAM im Centre Pompidou etabliert ein
Projekt des Centre Pompidou mit Labex Arts H2H (Laboratoire d’excellence des Arts et Médiations Humaines) und Labex CAP (Laboratoire d’Excellence Création, Arts et Patrimoines). Er ist online in einem Wiki einzusehen: Catalogue raisonné des expositions du Centre Pompidou, unter: http://catalogueexpositions.referata.com/wiki/Accueil (13. Oktober 2015). Die Ausstellungen des MNAM im Palais de Tokyo sind bisher nicht Teil dieses Projekts. Aus den Ausstellungsdossiers der in den Archiven der Musées nationaux verwahrten Archive des MNAM lässt sich eine Liste seiner Ausstellungen etablieren. Vorliegend wurden existierende Listen der Ausstellungen anhand der Archive abgeglichen und wo nötig ergänzt, vgl. die Liste im Anhang. 188 Raymonde Moulin: Le marché de la peinture en France [1967], Paris 1989, S. 462. 189 Ibid., S. 466. 190 Ibid., S. 469 f. 191 Monnier 2004, S. 328. 192 Moulin 1989, S. 468. 193 Monnier 2004, S. 328. 194 Ibid., S. 331 f. 195 Jean Cassou: Le Musée d’Art Moderne / The Musée d’Art Moderne, in: Museum 1–2/1948,
S. 45–51 u. 103 f., S. 49.
196 Le Musée National d’Art Moderne. Peinture-Sculpture. 50 Photographies, Paris 1948. 197 Jean Cassou: Introduction, in: id., Bernard Dorival u. Geneviève Homolle: Musée National
d’Art Moderne. Catalogue-Guide, Paris 1954, S. I–VII. Folgendes Zitat S. IV f.
198 AMN/2HH64(2), Dossier 1.1947 »Marc Chagall«. 199 »I have been the first to promote Chagall and we have been the ones who put the affidavit up
for him and his family so he could come to the USA, although he never acknowledged anything of the kind and has been most ungrateful for many things I have done for him personally – such as to bring him to the United States, and to get him into our great collection when everybody laughed, and I arranged his very first one-man show and helped to make him understood. Now that at last others want him, he never mentions all this to anyone«, AMN/2HH64(2), Dossier 1.1947 »Marc Chagall«, Hilla von Rebay, Solomon R. Guggenheim Foundation, New York, 11. August 1947 von der Starr King Farm, Jefferson, N.H., an Agnès Humbert, MNAM, Paris, getippt, 1 S., signiert. 200 AMN/2HH64(2), Dossier 1.1947 »Marc Chagall«, Cassou an die Tate Gallery, 26. Juni 1947,
Kopie.
201 AMN/2HH64(2), Dossier 5, 1948, »Primitifs XXe siècle«. 202 Ibid., René Barotte: Les »peintres du dimanche au Musée d’Art Moderne«, in: Paris-Presse,
4.–5. Juli 1948. Arts nannte es Uhdes Verdienst, dass diese Kunst ihren rechtmäßigen Platz einnahm, vgl. Jean Bouret: Au Musée d’Art Moderne, Ouverture d’une salle consacrée aux maîtres de la réalité populaire, in: Arts, 2. Juli 1948.
203 Cassou 1949, S. 156.
413 | Anmerkungen
204 Ibid., S. 155. 205 Jean Cassou: Situation de l’Art Moderne. Paris 1950, S. 31 f., Zitat S. 32 f. 206 Vgl. ibid., S. 33 ff. 207 Das Centre d’Art in Haiti wurde beim Erdbeben 2010 vollständig zerstört. Große Teile der
Sammlung aus tausenden Werken und der Archive wurden beschädigt. Ein Rettungsprojekt wird von der Smithsonian Institution geleitet als eines der zentralen Projekte des Haiti Cultural Recovery Project in Zusammenarbeit mit der Regierung Haitis und dem U.S. President’s Committee on the Arts and the Humanities, finanziert mit amerikanischen Hilfsgeldern, vgl. http://haiti.si.edu/ centre-art.html (28. Juli 2015). 208 AMN 2HH64(4), Dossier 3 »Les peintres d’Haiti«, Dorival an DeWitt Peters, Centre d’Art,
15 Rue de la Révolution, Port au Prince, 27. März 1950, Kopie.
209 AMN/X/Expositions/carton 62, Dossier »X 1950 13 Octobre Les Peintres de Haiti«. Diese
Liste von nur 17 Künstlern (statt 19) findet sich in einer getippten Aufstellung der Künstler mit Nachnamen und Werktiteln, »Musée National d’Art Moderne, Exposition de Haiti«; Vornamen der Künstler hier ergänzt unter Zuhilfenahme des Online-Katalogs der Richard and Erna Flagg Collection of Haitian Art des Milwaukee Art Museum, in: http://collection.mam.org/search.php?s=0& type=collection&search=91 (28. Juli 2015). 210 Ibid., Kopie des Briefes von Dorival an den DMF Georges Salles, 2 S., 8. Juli 1950. Das Ori-
ginal findet sich in AMN/X/Expositions/carton 62, Dossier »X 1950 13 Octobre Les Peintres de Haiti«.
211 P.M.: Peintres d’Haiti au Musée d’Art Moderne, in: Combat, 21. Oktober 1950. AMN 2HH64(4), Dossier 3. 212 Ibid. 213 »Haïti fut, en effet, une colonie française qui, au XVIIIe siècle, faisait l’admiration de tous par
sa remarquable organisation. Haïti en fut d’ailleurs marquée si fortement que la langue française est toujours la langue officielle. Durant des siècles, des hommes d’Afrique réduits en esclavage furent transplantés dans le nouveau Monde. Chez ceux d’entre eux qui purent s’enfuir dans la forêt vierge, les usages d’autrefois revivaient et l’esprit créateur ressuscitait. Les autres s’étaient laissés pénétrer du préjugé de leurs maîtres blancs que la culture occidentale était supérieure à celle de leur Afrique natale«, AMN/X/Expositions/carton 62, Dossier »X 1950 13 Octobre Les Peintres de Haiti«, »Musée d’Art Moderne. 19 Peintres de Haiti«, o.D., getippter Entwurf und Faltblatt. 214 Ibid.
215 Jean Cassou: Purposes of Temporary Exhibitions in a Museum of Modern Art / Fonction des
Expositions (...), in: Museum 1/1951, S. 44 – 49, S. 44.
216 Ibid.: »During the occupation this great artist had to leave France, and in 1947 he had just
returned to the country he has honoured by adopting it as his own. It therefore seemed appropriate to remind the public of the interest and significance of his presence on our soil. This, incidentally, is an example of the intellectual and spiritual need for exhibitions of this sort. They draw attention to facts of which the public should be aware, and weave them into the country’s consciousness«. 217 Ibid. 218 AMN 2HH64(10), Dossier 7, 1953, »Le Cubisme«; AMN 2HH64(13), Dossier 1, 1954: »Le
dessin de Toulouse-Lautrec aux cubistes«; AMN 2HH64(17), 1957: »Depuis Bonnard, Paris«. 219 Cassou 1951, S. 45. 220 Ibid., S. 44 f.
414 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
221 AMN 2HH64(12), Dossier 41, »1953: James Ensor«. 222 Cassou 1951, S. 45. 223 AMN/2HH64(5), Dossier 1, »Art Italien Contemporain mai–juin 1950«. 224 Cassou 1951, S. 45. 225 Vgl. AMN/2HH64(5), Dossier 1, »Art Italien Contemporain mai–juin 1950«. Vgl. zu Gut-
tuso ibid. Brief Nella Borletti Cosulichs vom 25. Februar 1950 an Jean Cassou.
226 Jean Cassou: Introduction, in: Exposition d’Art Moderne Italien, Ausstellungskatalog, Paris 1950, unpaginiert. 227 AMN 2HH64(20), Dossier 1, »1958: L’Art hollandais depuis Van Gogh, Paris«. 228 AMN 2HH64(20), Dossier 5, »1959: jackson Pollock et la jeune peinture américaine, Paris«. 229 Cassou 1951, S. 45. 230 AMN 2HH66(a), Dossier »Politiques des expositions«. »Confidentiel. Le Conservateur en
Chef du Musée National d’Art Moderne à Monsieur le Directeur des Musées de France«, 22. April 1963, 6 S., getippt, signiert. 231 Ibid., S. 1 f.
232 AMN/2HH64(6), Dossier »Exposition de peinture française contemporaine en Afrique du
Sud 1951«.
233 »South Africa is a great way off from the seats of the old world, but her European stock derives
from four great races foremost in the arts, not the least of them France, as is readily seen from the numerous French family and place-names among us«, vgl. Johannes Hendrikus Viljoen: Foreword, in: Exhibition of Contemporary French Art, Ausstellungskatalog, National Gallery Cape Town / The Municipal Art Gallery, Johannesburg / Municipal Art Gallery, Durban, Kapstadt 1951, S. 3. 234 Agnès Humbert: Introduction, ibid., S. 4 –6. 235 AMN/2HH64(8), Dossier 25, Biennale de Venise 1952. 236 Es handelt sich wahrscheinlich um das 1950 vom Staat in der Galerie Maeght angekaufte
Mobile 31 Janvier (1950), das 1959 dem MNAM übertragen wurde, vgl. Brigitte Leal: Alexander Calder, 31 Janvier, in: https://www.centrepompidou.fr/cpv/ressource.action?pram.id=FR_R249b2f 68739dd3e63e83384eff1a00¶m.idSource=FR_O-a5e794d2a325933b5b14516789eea2d (30. Juli 2015). 237 AMN/2HH64(12), Dossier 34, Biennale Architecture São Paulo. 238 Bildhauer: Stanislas Wostan, Robert Couturier, Emile Gilioli, Etienne Hajdu; Maler: Hans
Hartung, Fernand Léger, Joseph Sima, Victor Brauner, André Beaudin (auch Skulpturen), Reynold Arnould, Jacques Lagrange, Philippe Hostasson, Jean Piaubert, Amédée Ozenfant, Roger Bissière, André Derain, Francisco Bores, Serge Poliakoff; Radierungen: Johnny Friedlaender; Grafik: Marcel Fiorini; Lithografien: Zao Wou-Ki, Georges Dayez. Vgl. AMN/2HH64(15), Dossier 3, 3ème Biennale de São Paulo.
239 Ibid., Schreiben von Arturo Profili, secrétaire général, III Bienal de S. Paulo, an Jean Cassou,
São Paulo, 24. Oktober 1955, getippt, 2 S.
240 Ibid., Arturo Profili an Cassou, São Paulo, 7. Dezember 1955, getippt, 3 S. 241 Ein Schreiben von Erlanger von der Association d’Action Artistique, 11. Oktober 1957 ibid.
spricht von 25 Werken.
415 | Anmerkungen
242 AMN/2HH64(18), Dossier 1, Biennale de São Paulo 1957–1961. Raymond Cogniat: Liste
»Exposition de São Paulo, Section Peinture et Sculpture«, mit Schreiben an Cassou vom 24. April 1957 weitergeleitet. Sektionen gemäß Liste: 2) Peintres Naifs: Bombois, Bauchant, Jean Eve, Jules Lefranc, Rimbert (je 3 oder 4 Gemälde); 3) Peintres abstraits: (Frantisek) Kupka (6), Deyrolle, Atlan, Ubac, Arnal (je 3 Gemälde); 4) Realités insolites: Rohner, Charbonnier, Rebeyrolle (je 4 Gemälde); 5) La couleur exaltée: Alix, Legueult, Clave, Yankel (je 4 Gemälde); 6) Les sculpteurs: Auricoste, Stahly, Leygues, César, Volti (je 2 Skulpturen); 7) Les tapisseries: Lurcat, Saint-Saëns, Picart Le Doux, Le Corbusier, Latapie, Gilioli (je 1). 243 Ibid., Schreiben der AFAA an Cassou, 21. Oktober 1957 u. 6. Dezember 1957. 244 Ibid., Durchschlag des Schreibens Jean Cassous an Philippe Erlanger, Direktor der AFAA,
5. Januar 1959.
245 Ibid., Durchschlag des Schreibens von Jean Cassou an Francis Gobin, AFAA, 1. Dezember
1958.
246 AMN/2HH64(18), Dossier 4, Projet d’exposition vénézuélienne moderne. Durchschlag des
Schreibens von Cassou an Erlanger, AFAA, 23. Dezember 1957.
247 AMN/2HH64(25), Dossier 6, 1961 Biennale São Paulo. Grundrisse der beiden Ausstel-
lungsflächen, 2 Blatt.
248 Ibid., Museu de Arte Moderna, São Paulo: Kopie des Protokolls der Jury-Sitzung vom 9. Sep-
tember 1961 in französischer Sprache.
249 Ibid., Kopie Bericht von Cassou an Erlanger, 4. Oktober 1961, getippt, 7 S., S. 1 f. 250 AMN/2HH64(30), Dossier 2 1963, 7. Biennale São Paulo. Für den Auf bau ließ er sich aber
vertreten.
251 Ibid., Handexemplar des Ausstellungstextes von Cassou, paginiert, 10 S. Gezeigt wurden
Edouard Pignon, Gustave Singier, Pierre Soulages und der Bildhauer François Stahly.
252 Vgl. Elise Lanoë: Arts plastiques et rivalités internationales: les contributions allemandes et
françaises aux Biennales de São Paulo, de la fin des annés 1950 au début des années 1970, in: Cahiers des Amériques Latines 67/2012, S. 163–181, S. 172.
253 Ibid., S. 167. 254 AMN/2HH64(17), Dossier 14, Projet d’Exposition d’art français contemporain, Afrique du
Sud.
255 AMN/2HH/64(32), Dossier 7, Exposition de peinture australienne 1964. 256 AMN 2HH66(a), Dossier »Politiques des expositions«. Jean Cassou, »Confidentiel…«,
22. April 1963, S. 3 u. 5. 257 Ibid., S. 2.
258 AMN 2HH66(a), Dossier »Politiques des expositions«, Schreiben von Cassou, 22. April
1963, S. 6.
259 Vgl. Lawless 1986, S. 58; Gaüzère 1995. 260 Sandra Persuy: Jean Cassou Conservateur de Musée, in: Lussy 1995, S. 228–238, S. 236, ohne
Quelle.
261 AMN 2HH66(a), Dossier Lettres au Directeur des musée. Kopie Schreiben Cassous an den
Directeur des musées de France, 19. März 1964, bezeichnet »confidentielle«, getippt, paginiert, 7 S., S. 4.
416 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
262 Ibid. 263 Ibid., S. 5 f. 264 Ibid., S. 4. 265 Lawless 1986, S. 54. 266 »A – Définition du Musée du 20e siècle. Conséquences architecturales qui en découlent. Le nom même du ›Musée du 20ème siècle‹ indique clairement laquelle des deux formules possibles pour un Musée d’art contemporain a été retenue: non celle d’un Musée mouvant, suivant l’actualité comme un projecteur se déplaçant au fil du temps, et servant seulement d’antichambre au Musée permanent, le Louvre en l’occurrence – mais celle d’un Musée voué de façon exclusive et définitive à rendre compte d’un événement bien déterminé, à savoir le renouveau des formes d’expression plastique au 20ème siècle«, AMN 3KK1, Dossier Beaubourg. Avant-projet de programme / concours. »Avant-projet de Programme pour le Musée du 20e Siècle«. Kopie des getippten Programms, drei Teile »I) Définitions, II) Fonctions, III) Organigramme des services«, paginiert, 34 S., S. 1. 267 Ibid. 268 Vgl. ibid., S. 1 f.: »l’événement de l’art du 20ème siècle présente, par rapports aux mouve-
ments stylistiques antérieurs, une profonde originalité. Reflétant la naissance de la première civilisation totale qu’ait connue notre planète: la civilisation industrielle, il ne peut être saisi que dans le contexte du renouveau global des formes de pensée, de sensibilité, d’expression et de vie qu’a provoqué l’essor de cette civilisation«.
269 Ibid., S. 2 ff., Zitat S. 2. 270 Ibid., S. 3: »B – Le Musée du XXème siècle dans son contexte social. L’instauration progressive
d’une civilisation des loisirs entraîne une transformation profonde de la fonction sociale du Musée, qui peut devenir un instrument privilégié de cette civilisation. D’autre part, l’abandon radical de la conception monumentaliste du Musée comme ›Palais des Arts‹, en faveur au 19ème siècle, invite à repenser le délicat problème de l’insertion du Musée dans le milieu urbain [...]«. 271 Vgl. ibid., S. 5. 272 Ibid., S. 6. 273 Zu technischen Erfordernissen für die Dauerausstellungen ibid. S. 16 ff. Da das Musée du
XXème siècle in dieser Form nicht realisiert wurde, wird auf einen Vergleich mit dem realisierten Beaubourg verzichtet.
274 Malraux hatte die Angewohnheit, Titel wiederzuverwenden. Die Bezeichnung ist zunächst
der Titel seines ersten kunstpublizistischen Buches, in dem bildmediale Argumentation den Text ergänzt, Le musée imaginaire. Es handelt sich um den ersten Band der Trilogie La Psychologie de l’Art mit den beiden weiteren Bänden La Création artistique (1948) und La Monnaie de l’Absolu (1950), vgl. id.: Psychologie de l’Art, Genf u. Paris 1947, 1948, 1950. 1951 fasst Les Voix du Silence die drei als Unterabschnitte in einen Band. 275 André Malraux: Le Musée Imaginaire [1947/1965], Paris 2012, S. 16. 276 Ernst Gombrich: La Philosophie de l’Art de Malraux dans une Perspective Historique, in:
Martine de Courcel (Hrsg.): Malraux Être et Dire, Paris 1976, S. 216–234, S. 223.
277 Jean Leymarie: Malraux et la Création Artistique, ibid., S. 235–258, S. 246. 278 Walter Grasskamp: André Malraux und das imaginäre Museum. Die Weltkunst im Salon, Mün-
chen 2014, S.55.
279 WuN 13.1, S. 508.
417 | Anmerkungen
280 Grasskamp 2014, S. 50–60. Grasskamp meint, Benjamin und Malraux verbinde eher Valérys
Essay La conquête de l’ubiquité von 1928.
281 Bibliothèque Kandinsky, Fonds Malraux 1764 –, Walter Benjamin: L’œuvre d’art à l’ époque de sa reproduction mécanisée, traduit par Pierre Klossowski, in: Zeitschrift fur Sozialforschung 1/1936, Sonderdruck, Paris, Librairie Félix Alcan, 30 S. (Zusammenfassungen: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, S. 29; The Work of Art in the Age of Technical Reproducibility, S. 29–30), digital in: http://bibliothequekandinsky.centrepompidou.fr/cataloguedoc/ fondsphoto/cgibin/image.asp?ind=RX000000138&no=FondsMalraux1764&id=RX000000138 (21. Oktober 2015). 282 André Malraux: Le musée imaginaire de la sculpture mondiale; Des bas-reliefs aux grottes sac-
rées; Le monde chrétien (= Coll. La Galerie de la Pléiade, 5–7), Paris 1952, 1954, 1954.
283 Grasskamp 2014, S. 70, zur Biografie Vigneaus S. 180 ff. 284 Zur Rolle des Blauen Reiter ibid., S. 98 ff. 285 Ibid., S. 116. 286 Fleckner 2006, S. 294. 287 Ibid., S. 294. 288 Jean-François Lyotard: Signé Malraux. Biographie, Paris 1996, S. 348: »Mais imaginaire est le
musée parce que l’élection des œuvres et leur présentation, leur montage (ou leur accrochage) en un album sont tributaires des créations contemporaines, et par la essentiellement précaires«. 289 Grasskamp 2014, S. 118. 290 Fleckner 2006, S. 293–356. Vgl. auch Jean Laude: La peinture française et »l’art nègre«
(1905–1914). Contribution à l’ étude des sources du fauvisme et du cubisme [1968], Paris 2006; William Rubin (Hrsg.): »Primitivism« in 20th Century Art. Affinity of the Tribal and the Modern, Ausstellungskatalog, MoMA, New York 21985.
291 Fleckner 2006, S. 298. 292 Comité d’Histoire du Ministère de la Culture (Hrsg.): Les Affaires Culturelles au Temps
d’André Malraux 1959–1969, Paris 1996, besonders Bernard Anthonioz: Le pari de la création contemporaine, S. 35– 47.
293 Vgl. Charles-Louis Foulon: Des Beaux-Arts aux Affaires Culturelles (1959–1969). Les entourages d’André Malraux et les structures du Ministère, in: Vingtième Siècle, Revue d’ histoire 28/1990, S. 29– 40. 294 Poulot 2008, S. 168. 295 Grasskamp 2014, S. 73. 296 AMN 2HH64(27), Dossier 6, 1962. 297 Ibid., Jean Cassou: »L’Art accuse la guerre. La mère expirante de Guernica crie son désespoir
aux pieds de l’implacable guerrier engoncé dans son armure«, getippte Kopie, 4 S., S. 2 f.
298 Ibid., 48 handschriftlich nummerierte ausgeschnittene Fotoabzüge in Umschlag mit Stem-
pel »UNESCO Robert Pontraby Architectural & Industrial Designer«, handschriftlich bezeichnet »M. Cassou«. Überschrift auf Tafel 1 und 2 »WAR condemned by ART« über einer Rüstung und einer Zeichnung Picassos.
299 John F. Kennedy: Address to the UN General Assembly, 25. Oktober 1961, in: http://www.
state.gov/p/io/potusunga/207241.htm (9. November 2015). Noch älter H.G. Wells: »If we don’t end war, war will end us«.
418 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
300 Ankauf für den Louvre 1946; vgl. http://www.musee-orsay.fr/fr/collections/catalogue-
des-œuvres/notice.html?no_cache=1&nnumid=8002 (21. Oktober 2015).
301 AMN 2HH64 (27), Dossier 6, 1962. Kopie Schreiben von Cassou an Gomes Machado,
Directeur du Département des Activités Culturelles, UNESCO, mit handschriflichen Korrekturen, 14. September 1963, 7 S., S. 1. 302 Ibid., S. 2. 303 »Si l’on parcourt le Musée Imaginaire de l’art universel on s’apperçoit qu’en fait l’art n’a jamais
produit d’images vraiment représentatives de la paix en tant qu’idée et réalité opposées à l’idée et à la réalité de la guerre. Ou bien il faut considérer que tous les ouvrages de l’art ne représentant pas la guerre représentent la paix, illustrent ou exaltent des choses pacifiques«, vgl. ibid., Kopie Schreiben von Cassou an Michel Dard, Chef de la Division des Arts et Lettres UNESCO, o.D., getippt, 3 S., S. 1 f. Da das Thema die materiellen und moralischen Ruinen und Auswirkungen des Krieges auf Mensch, Zivilisation und Kunst seien, schlössen sich auch Darstellungen des heroischen sowjetischen Widerstandes gegen die Nazis aus. 304 AMN 2HH66(a), Dossier Lettres au Directeur des Musée. Kopie Schreiben von Cassou an den
Directeur des musées de France, 19. März 1964, getippt, paginiert, 7 S., S. 6.
305 Vincent Dubois: Europe culturelle, in: Emmanuel de Waresquiel (Hrsg.): Dictionnaire des
Politiques Culturelles de la France depuis 1959, Paris 2001, S. 263–266.
306 Vgl. Jean Cassou: Introduction, in: Les Sources du XXe Siècle. Les Arts en Europe de 1884 à 1914, Ausstellungskatalog, MNAM, Paris 1960, S. VII–VIII. Enthält weiterhin: Giulio Carlo Argan: Les Arts Plastiques, S. XXIX–XXXIX; Nikolaus Pevsner: L’Architecture et les Arts Appliqués, S. XLI–LVI. Cassou verfasste dort auch die Texte Les Révolutions esthétiques en France zu Nabis, Fauvismus und Kubismus, S. 1–2 u. L’Expressionisme Allemand , S. 3– 4. Die Notizen zur deutschen Kunst verfasste Siegfried Wichmann. 307 Vgl. Jean Cassou, Emile Langui u. Nikolaus Pevsner: Les Sources du Vingtième Siècle, Paris 1961 (Text- und Bildband, enthält: Cassou: Le Climat politique, social et spirituel, S. 5–116; Langui: Les arts plastiques, S. 125–156; Pevsner: L’architecture et les arts appliqués, S. 229–260). 308 Repräsentiert waren Dänemark (Merete Bodelsen), Italien (Giulio Carlo Argan, Kunst-
geschichte, Universität Palermo), Frankreich (M. Crivon, Leiter Division Culturel Conseil de l’Europe, Strassburg), Norwegen (H. Gran), Deutschland (Kurt Martin, Generaldirektor Bayerische Staatsgemäldesammlungen), Belgien (E. Langui u. M. van Leberghe, Bildungsministerium), Schweden (Carl Nordenfalk, Generaldirektor Nationalmuseum Stockholm), Österreich (Oberhammer, Direktor kunsthistorisches Museum Wien), Großbritannien (Pevsner, Direktor Departement Kunstgeschichte, Birkbeck College), Spanien (Quintanilla, Kulturbeauftragter spanische Botschaft) und die Niederlande (H. J. Reinink, Président du Conseil d’Administration du fonds culturel du Conseil de l’Europe u. D. C. Roell, Ehrendirektor Rijksmuseum Amsterdam). Im technischen Komitee arbeitete Cassou auch mit Henri Langlois und François Mathey. Vgl. AMN 2HH64(21), Dossier 8 »Allemagne«; AMN 2HH64(22), »I. Allemagne (suite et fin). II. France«; AMN 2HH64(23), »III. Angleterre. IV. Autriche. V. Belgique. VI. Danemark«; AMN 2HH64(24), »VII. Espagne. VIII. Hollande. IX. Suède. X. Italie. XI. Norvège«.
309 AMN/2HH64(21), Dossier »Sources du XXe siècle«, Unterdossier »Notes sur l’exposition
du Conseil d’Europe par M. Cassou«.
310 Ibid., »Note pour M. le Directeur des Musées de France concernant l’Exposition du Conseil de
l’Europe 1960«, Kopie der getippten Notiz, paginiert, 4 S.
311 Ibid., »Note sur l’exposition du Conseil de l’Europe 1960«, mit Schreiben an den Directeur de
l’Association Française d’Action Artistique vom 24. November 1958, Kopie der getippten Notiz, 2 S.
419 | Anmerkungen
312 Ibid., »Note sur l’exposition du Conseil de l’Europe 1960«, Kopie der getippten Notiz, pagi-
niert, 9 S., S. 3.
313 Jean Cassou: Les Sources du XXe Siècle. Les arts en Europe de 1884 à 1914 [1960], Paris 1990,
S. 9 u. 12 f.
314 Jean Cassou: Le Climat Politique, Social et Spirituel, in: id., Langui u. Pevsner 1961, S. 5–116,
S. 71.
315 Cassou 1990, S. 42, folgendes Zitat S. 42 f. 316 Prix Marzotto (Valdagno): Exposition de Peinture Contemporaine. Communauté Européenne, Ausstellungskatalog, Florenz 1960. Die Ausstellung mit 276 Werken von 92 Künstlern wurde zunächst in Valdagno eröffnet, dann in Mailand, Brüssel, München und Paris gezeigt. Für die Mitgliedsländer der EGKS waren Mitglieder der Jury: Jean Cassou (F), Roberto Longhi (I), Emile Langui (B), Willem Sandberg (NL), Kurt Martin (D). 317 Vgl. die umfangreichen Recherchen und Studien von Tessa Friederike Rosebrock: Kurt Martin
und das Musée des Beaux-Arts de Strasbourg. Museums- und Ausstellungspolitik im »Dritten Reich« und in der unmittelbaren Nachkriegszeit, Berlin 2012; Zu Kurt Martin im Arbeitsausschuss der documenta 1955 Schieder 2005, S. 148 f. 318 »Quand le Gouvernement d’Hitler interdit l’art abstrait, les tableaux de C. Buchheister qui
figuraient au Musée de Hanovre furent exposés à l’›Exposition de l’Art dégénéré‹, puis séquestrés et détruits; l’auteur fut destitué de toute charge honorifique«, vgl. Prix Marzotto 1960, S. 42. 319 Schieder 2005, S. 72. 320 Ibid., zu Jaguer S. 151 ff., zu Herta Wescher S. 167 ff.
321 Martin Schieder nennt 450.000 verkaufte Eintrittskarten zu Ausstellungen wie Des Maîtres
de Cologne à Albert Dürer. Primitifs de l’École allemande (März 1950, Orangerie, Kurt Martin u. Germain Bazin), Les Chefs-d’œuvre des Musées de Berlin (Februar–März 1951, Petit Palais) oder Impressionistes et romantiques français dans les musées allemands (Oktober 1951–Januar 1952, Orangerie), ibid., S. 70 ff. 322 Spies weiter: »Ich darf daran erinnern, daß ich erstmals 1978 in [...] Paris – Berlin [...] deut-
schen Expressionismus wie auch all das präsentieren konnte, was in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts den ›ikonograpischen Imperativ‹ in Deutschland ausmachte«, id.: Vorwort, ibid., S. XI–XVI, S. XV.
323 Schieder 2005, S. 86 u. Fn. 191. Zur Ausstellung vgl. AMN X19. 324 Jean Cassou: L’Expressionisme Allemand, in: Les Sources du XXe Siècle, Paris 1960, S. 3– 4,
S. 4.
325 Das Centre Pompidou, wo Spies 1978 deutschen Expressionismus zeigte, mag auch in diesem
Fall die Erinnerung an das MNAM im Palais de Tokyo verdrängt haben.
326 Das erste deutsch-französische Kulturabkommen wurde am 23. Oktober 1954 unterzeich-
net, der Elysée-Vertrag am 22. Januar 1963. Die Vorbereitungen zur deutsch-französischen Ausstellung im MNAM reichten jedoch auf das Jahr 1961 zurück, weshalb die Source-Ausstellung als Wendepunkt vermutet wird.
327 AMN 2HH64(26), Dossier 7 Expositions allemandes, 1961–1965. Kopie Schreiben von Cas-
sou an François Mathey, Musée des Arts Décoratifs, zu einer möglichen Expressionismus-Schau, 7. Dezember 1961, 1 S. 328 AMN 2HH64(26), Dossier 7 Expositions allemandes, 1961–1965, Maurice Besset: »Note à
l’attention de M. Cassou«, 1. Dezember 1961: »J’ai reçu mercredi la visite de M. Tieschowitz avec
420 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
lequel je me suis entretenu des questions qui ont été débattues lors de la dernière réunion de la Commission Culturelle Franco-allemande [...]«. 329 Tieschowitz taucht nur am Rande in der Forschungsliteratur auf. Vgl. Christina Kott: »Den
Schaden in Grenzen halten«. Deutsche Kunsthistoriker und Denkmalpfleger als Kunstverwalter im besetzten Frankreich, 1940–1944, in: Ruth Heftrig, Olaf Peters u. Barbara Schellewald (Hrsg.): Kunstgeschichte im »Dritten Reich«. Theorien, Methoden, Praktiken, Berlin 2008, S. 362–392; Judith Tralles: Die Fotokampagnen des Preußischen Forschungsinstituts für Kunstgeschichte Marburg während des zweiten Weltkriegs, in: Nikola Doll, Christian Fuhrmeister u. Michael H. Sprenger (Hrsg.): Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Beiträge zur Geschichte einer Wissenschaft zwischen 1930 und 1950, Weimar 2005, S. 263–282, S. 268. Martin Schieder erwähnt ihn als Kulturreferenten ohne Hinweis auf die Rolle während der Besatzungszeit, vgl. id. 2005, S. 209, 216 u. 244. 330 AMN 2HH64(26), Dossier 7 Expositions allemandes, 1961–1965, Kopie Schreiben Cas-
sous an Tieschowitz, 24. September 1964, 2 S.: »Une fois que d’accord avec nous vous aurez fixé entre elles un ordre d’urgence, il vous appartiendra de présenter celui-ci à la commission mixte de l’accord culturel franco-allemand«.
331 Im Tonhallengarten Duisburg 1925 aufgestellt und 1927 beschädigt, kann sie »nicht nur
als erste moderne autonome Außenskulptur gelten, sondern auch als erstes mutwillig zerstörtes modernes Kunstwerk im öffentlichen Raum«, vgl. Sabine Maria Schmidt: Kniefall der Moderne. Rezeption und Zerstörung der »Großen Knienden« von Wilhelm Lehmbruck, in: Uwe Fleckner (Hrsg.): Das verfemte Meisterwerk. Schicksalswege Moderner Kunst im »Dritten Reich«, Berlin 2009, S. 227–244. 332 AMN 2HH(84), Dossier »Projets d’expositions 1965«, Kopie Schreiben Cassou an Francis
Gobin, AFAA, 20. Februar 1965, 2 S. Vgl. Le Fauvisme français et les débuts de l’Expressionisme allemand / Der französische Fauvismus und der deutsche Frühexpressionismus, Ausstellungskatalog, MNAM, Paris / Haus der Kunst, München, Paris u. München 1966 (Braque, Charles Camoin, Auguste Chabaud, André Derain, Raoul Dufy, Emile-Othon Friesz, Henri Manguin, Albert Marquet, Henri Matisse, Jean Puy, Louis Valtat, Kees van Dongen, Maurice de Vlaminck, sowie Karl Caspar, Adolf Erbslöh, Erich Heckel, Alexej von Jawlensky, Wassily Kandinsky, Alexander Kanoldt, Ernst Ludwig Kirchner, August Macke, Franz Marc, Paula Modersohn-Becker, Otto Mueller, Gabriele Münter, Heinrich Nauen, Emil Nolde, Max Pechstein, Christian Rohlfs, Karl Schmidt-Rottluff, Georg Tappert, Albert Weisgerber). 333 Bernard Dorival: Préface, ibid., S. 11–17, S. 11. 334 Leopold Reidemeister: Vorwort, ibid., S. 26–28, S. 28. 335 Willi Baumeister. Gemälde und Zeichnungen, Ausstellungskatalog, Wallraf-Richartz-Museum
Köln / Badischer Kunstverein Karlsruhe, Köln 1965.
336 AMN 2HH64(50), Dossier 8, »1967: Willi Baumeister«. 337 Schieder 2005, S. 118 f. 338 Vgl. Will Grohmann: Willi Baumeister: Leben und Werk, Köln 1963. 339 Oto Bihalji-Merin: Willi Baumeister, in: Willi Baumeister. Peintures, Dessins, Ausstellungskatalog, Musée d’Art et d’Histoire, Genf 1966, unpaginiert. 340 Günter Busch: Préface, in: Max Beckmann, Ausstellungskatalog, MNAM, Paris 1968,
S. 5–10.
341 AMN 2HH64(54), Dossier 2, »1969: H. Hartung«, und AMN 2HH64(53), Dossier 1, »1968:
Max Beckmann«. Vgl. auch: Hartung, Ausstellungskatalog, MNAM, Paris 1968.
421 | Anmerkungen
342 Sein Atelier in Paris wurde wichtiger Anlaufpunkt deutscher Künstler. Vgl. Schieder 2005,
S. 178 ff.
343 AMN 2HH(84), Dossier »Projets d’expositions 1965«, Korrespondenz Ludwig Grotes mit
Maurice Besset.
344 Auch hier war wieder die Meinung von Bernhard von Tieschowitz abzuwarten. Vgl. ibid.,
Kopie eines Briefes (deutsch) von Maurice Besset an Dr. Ludwig Grote: »vor meiner Abreise war Tieschowitz in Cannes für die Filmfestspiele, wir werden uns aber nächste Woche sicher treffen. Ich habe nur mit Cassou gesprochen, der auch der gleichen Meinung ist: wenn die Ausstellung in das offizielle Programm aufgenommen wird, müssen wir unsererseits beim Aussenamt um eine Subvention ansuchen, wenn nicht, sind die Musées nationaux zuständig, und der Amtsweg führt in eine ganz andere Richtung. Wir müssen also abwarten, was Tieschowitz sagt«. 345 AMN 2HH64(26), Dossier 7 Expositions allemandes, 1961–1965, Kopie Schreiben von
Cassou an Tieschowitz, 24. September 1964, 2 S. Schon Sources du XXème siècle widmete sich ausführlich moderner Architektur in den USA und Akteuren wie Mies van der Rohe, vgl. Pevsner: L’architecture et les arts appliqués, in: Cassou, Langui u. Pevsner 1961, S. 229–260. 346 Paris war die vierte Station nach Stuttgart, London und Amsterdam, vor Chicago. Vgl. Bau-
haus 1919–1969, Ausstellungskatalog, MNAM / MAM Paris, Paris 1969.
347 Poulot 2008, S. 169. 348 Laurence Bertrand-Dorléac: L’Ordre Sauvage. Violence, Dépense et Sacré dans l’Art des Années
1950–1960, Paris 2004, S. 158.
349 Germain Bazin: Le Temps des Musées, Lüttich 1967, S. 276. 350 Matisse erhielt nach dem Krieg keinen öffentlichen Auftrag mehr und Braques Auftrag im
»etruskischen« Saal des Louvre musste Georges Salles 1951 gegen Widerstand durchsetzen. Vgl. Monnier 2004, S. 324 –325. 351 Lawless 1986, S. 51. 352 »Dons et acquisitions« werden sogar noch 1974 –1975 gezeigt, vgl. AMN 2HH64(84), Dos-
sier 6, »1975 Présentation au MNAM: dons et acquisitions 1974 –1975«.
353 AMN 2HH64(26), Dossier 6, »1961–1965 Braque«. 354 Ibid., Kopie des Schreibens von Cassou an den Directeur des musées de France, 12. August
1965, 2 S.
355 Jean Cassou: Brief an den Directeur des musées de France, 1. Dezember 1961, in: Gabrielle
Vienne: L’Atelier de Braque, Ausstellungskatalog, Louvre, Paris 1961, o.S. 356 Jean Cassou: Préface, ibid., o.S. Folgendes Zitat ibid.
357 Uwe Fleckner (2012 d): Im Treibhaus der Bilder. Georges Braques Werkreihe »Atelier I–IX« als vitalistische Metapher der Malerei, in: id.: Der Künstler als Seismograph. Zur Gegenwart der Kunst und zur Kunst der Gegenwart, Hamburg 2012, S. 221–254, S. 225–246. 358 »J’estime qu’il serait fâcheux qu’à cette occasion, ainsi qu’à d’autres occasions qui se sont
déjà présentées, une habitude se créât d’associer ouvertement les galeries privées aux entreprises officielles. […] il nous faut éviter à tout prix de donner l’apparence de favoriser telle galerie de préférence à telle autre«, vgl. AMN 2HH64(26), Dossier 6, »1961–1965 Braque«, Cassou an Erlanger, Action Artistique, 7. Juni 1961, Kopie, 1 S. Es handelt sich um die Retrospektive im Osloer Kunstnernes Hus (14. November 1964 –3. Januar 1965). 359 Ibid., Entwurf des Vorworts Cassous zur Donation Braque, 1965. Kopie mit Handkorrektu-
ren, 3 S.
422 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
360 Schieder 2005, S. 54. Schieder verweist auf Germain Bazin, der 1946 diese »spontane und
irrationale« Kunst auf den Einfluss des »Slaven« Kandinsky zurückführt, vgl. dessen Le Crépuscule des Images, Paris 1946. 361 Martin 2012, S. 55.
362 Etwa Philip King, Slit, 1966; Alexander Calders große Metallskulptur, Nageoire, 1964; Marta Pan, Le Teck, 1956; Max Bills Unendlichkeitsschleife, Version IV, 1960–1961 und zwei Arbeiten Césars (Bas-relief, 1961 und Compression (Ricard), 1962). Vgl. zwei Abbildungen und ihre Analyse in Schulmann 2012, S. 47. 363 Jean Leymarie: Le parie de la création contemporaine. Débats, in: Comité d’Histoire du Minis-
tère de la Culture (Hrsg.): Les Affaires Culturelles au Temps d’André Malraux, S. 54 –57, S. 56.
364 Lawless 1986, S. 58. 365 Ibid., S. 60. 366 Werke: links Femme en bleu (1944, Schenkung Picassos 1947), Le violon (nature morte)
(1914), Nature morte (1922, Schenkung Raoul La Roche 1952), Stellwand: Schaukasten eventuell Bronze Nu ( femme debout) (1945, Ankauf 1953), Vase aux danseuses, (mit Fingerabdruck Picassos 24 juin 1950, Ankauf 1952), Nu à mis-corps (um 1923, Legs Maurice Meunier 1955), rechts Atelier de la modiste (Les modistes) (1926, Schenkung Picasso 1947).
367 Werke: von links Confidences (deux femmes, la confidence) (1934, Schenkung Marie Cuttoli 1934), Nu à mis-corps (um 1923, Legs Maurice Meunier 1955), Nature morte à la tête antique (1925, Schenkung Paul Rosenberg 1946), Arlequin (Le peintre Salvado en arlequin) (1923, Legs Baronne Eva Gourgaud 1965), La liseuse ( femme en gris / femme assise lisant) (1920, zugewiesen 1959 aus der Sammlung des Baron Kojiro Matsukata gemäß Friedensvertrag mit Japan 1952), Gustave Coquiot (1901, Ankauf Musées nationaux 1933), Nu assis (1905, Ankauf 1954). 368 Brian O’Doherty: Inside the White Cube. The Ideology of the Gallery Space [1976], San Fran-
cisco 1986, S. 14.
369 Martin 2012, S. 54 f. 370 Vgl. die Liste der Ausstellungen des CNAC 1968–1976 bei Lawless 1986, S. 182–183. 371 Vgl. Martin 2012, S. 55. 372 Claude Lévi-Strauss: La Pensée sauvage 1962, Mythologiques 1964 –1971, Anthropologie structurale 1973; Michel Foucault: Les Mots et les Choses 1966, L’Archéologie du Savoir 1969; Roland Barthes: Mythologies 1957, Sur Racine 1963; Alain Robbe-Grillet: Pour un nouveau Roman, 1963. Zum kulturellen Einfluss vgl. Berstein u. Rioux 1995, S. 240 ff. 373 Vgl. Michel Pigenet u. Danielle Tartakowsky (Hrsg.): Histoire des Mouvements Sociaux en France. De 1814 à Nos Jours, Paris 2012, S. 337–354; Danielle Tartakowsky: Manifester à Paris. 1880–2010, Seyssel 2010, S. 149–177. 374 Monnier 2004, S. 361. 375 Ibid., S. 365. Vgl. Claude Mollard: L’enjeu du centre Georges-Pompidou, Paris 1976. 376 Lawless 1986, S. 73 u. 85. Präsident und Direktoren werden per Ministerialdekret ernannt. 377 Hulténs Titel »Direktor« zeigt den neuen Status; bis dato leitete ein der Direction des musées
de France unterstehender Conservateur en chef des musées nationaux das MNAM, vgl. Lawless 1986, S. 80, Fn. 1. 378 Hultén 1975, S. 4, folgende Ausführung ibid. S. 5. 379 Vgl. zur Entwicklung der Sammlungen Lawless 1986, S. 85 ff.
423 | Anmerkungen
380 Jean-Michel Bouhours: L’art du mouvement, in: id. (Hrsg.): L’Art du Mouvement. Collection cinématographique du Musée national d’art moderne, 1919–1996, Paris 1996, S. 9–17, S. 14. 381 Monnier 2004, S. 366. 382 Anatole Jakovsky: Paris va-t-il trahir ses naïfs?, in: Arts 975/1964, S. 23. AMN 2HH66(a). 383 Vgl. AMN 2HH66(a), Dossier »Article Jakovsky«. Brief von Jakovsky an R. Hammacher-van
den Brande, 1 S.
384 Jakovsky 1964. 385 AMN 2HH66(a), Dossier »Article Jakovsky«. Cassou an Jakovsky, 14. Oktober 1964, Kopie,
2 S.
386 Ibid. Cassou an Daniel Wildenstein, 16. Oktober 1964, Kopie, 2 S. 387 Ibid. Getippte »Copy« eines Kurzsschreibens von Daniel Wildenstein an André Parinaud,
o.D. , 1 S.
388 Ibid., Brief von Wildenstein an Cassou, New York, 21. Oktober 1964. Getippt, 1 S., signiert. 389 Er und Philippe Huisman seien abwesend gewesen, als ein dritter in der Redaktion, Pierre
Cabanne, den Artikel Jakovskys annahm. Vgl. ibid., André Parinaud, Arts, an Cassou, 19. Oktober 1964, getippt, 1 S., signiert. 390 Ibid., Cassou an Jules Lefranc, maschinenschriftlich, Kopie, 20. Oktober 1964. Siehe ibid.
Jules Lefranc an Cassou, handschriftlich, 1 Blatt recto/verso, 19. Oktober 1964, u. Antwort Jakovskys auf Cassous Brief, 16. Oktober 1964, 2 S. 391 Ibid., getippte Kopie Schreiben von Cassou an Jakovsky, 14. Oktober 1964, 2 S. 392 Zur Schenkung Pevsner siehe Doïna Lemny (Hrsg.): Antoine Pevsner dans les collections du Centre Georges Pompidou Musée national d’Art Moderne, Ausstellungskatalog, Centre Pompidou, Paris 2001. Dort verzeichnet die Bibliografie zwar Restanys Artikel, aber weder Texte noch ein Interview Dorivals erwähnen die Kritik. 393 Pierre Restany: Le Don Pevsner: 12 sculptures, 6 peintures, 4 dessins. Une cinglante leçon à
l’Etat, in: Arts 950/1964, S. 9.
394 Ibid. Die angesprochene Leinwand Tableau spatial (1944 –1948) wurde 1957 wohl nur
als Dank erworben. Vgl. das Interview von Doïna Lemny mit Bernard Dorival in Lemny 2001, S. 19–22, S. 21. 395 Restany 1964, S. 9. Die folgenden Angaben zu Restanys Kritik alle ibid. 396 »Voilà bien des efforts et des façons pour donner le change et laisser croire qu’il y a en vous
quelques lueurs de sensibilité et d’intellect. Ceux qui les auront aperçues ne manqueront point alors de comprendre que le moment est enfin venu de faire appel à vous ou à d’autre gens de votre espèce et de votre niveau et d’en finir avec ›l’inertie routinière‹ de ces fonctionnaires du Musée d’Art Moderne qui n’ont qu’à enregistrer des dons qui leur arrivent on ne sait comment ni pourquoi […]«, AMN 2HH66(a), Dossier »Affaire Restany«, Kopie Schreiben Cassou an Restany/Arts, 21. Februar 1964, getippt, 2 S., geringfügige Korrektur von Hand. 397 Ibid. 398 AMN 3KK1, Dossier Beaubourg. Avant-projet de programme / concours. »Avant-projet de
Programme pour le Musée du 20e Siècle«. Kopie des getippten Programms, paginiert, 34 S., S. 28.
399 AMN 2HH66(a), Dossier »Affaire Restany«. Kopie Schreiben von Cassou an Gaëtan Picon,
Directeur général, 28. Februar 1964, getippt, 1 S., mit Antwort an Restany in Anlage. Eventuell
424 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
hat sich Restanys Artikel im Gegensatz zu dem Jakovskys nicht in den Akten des MNAM erhalten, da Cassou ihn an Picon sandte. 400 Ibid., Wildenstein an Cassou, getippt, 1 S., 19. Februar 1964: »Raymond Cogniat m’a montré
ce matin un article paru dans ›Arts‹ […] que je désapprouve entièrement. Je n’ai jamais rencontré ce Monsieur Restany«. 401 Ibid., Kopie, 1 S., getippt, Cassou an Philippe Huisman/Arts, 22. Februar 1964: »Je vous ai
toujours tenu pour un petit sacripant se plaisant dans l’intrigue et la combine et persuadé que ce sont là les plus sûrs moyens de parvenir«. Vgl. ibid. handschriftliche Antwort Huismans o.D. u. Cassou an den Directeur des Musées, 27. Februar 1964.
402 Ibid., Kopie, Dorival an Virgine Pevsner, 12. März 1964, 1 S., getippt u. Kopie einer »Pièce
jointe« eines Entwurfs für ein Schreiben von Virginie Pevsner an Parinaud/Arts, 12. März 1964, 1 S., getippt. 403 Ibid., Cassou an Restany, 21. Februar 1964. 404 Brigitte Gilardet: Réinventer le Musée. François Mathey, un Précurseur Méconnu, 1953–1985,
Dijon 2014.
405 Restany schreibt lediglich, »grâce à un de ses conservateurs« sah man das Musée des Arts
Décoratifs eine Zeit lang »jouer le rôle normalement dévolu à notre Musée National«, vgl. id. 1964, S. 9. 406 AMN 2HH66(a), Dossier »Lettres au Directeur des Musée«. Kopie Schreiben von Cassou an
den Directeur des musées de France, 19. März 1964, getippt, paginiert, 7 S., S. 1. 407 Ibid., S. 3. 408 Ibid., S. 4.
409 Restany hatte schon 1957 eine Ausstellung Kleins in der Mailänder Galerie Apollinaire orga-
nisiert.
410 Zu den Tätigkeiten Pierre Restanys seit 1953 bis 1968 vgl. Michel Ragon: Préface. De la Cri-
tique considérée comme une création, in: Pierre Restany: Les Nouveaux Réalistes. Un Manifeste de la Nouvelle Peinture, Paris 1968, S. 9–19, S. 13 f.; Richard Leeman (Hrsg.): Le Demi-Siècle de Pierre Restany, Paris 2009. 411 Ragon 1968, S. 14 f. 412 Ibid., S. 17. Künstler, die von der Fotografie ausgehend mit mechanischen Verfahren den
Übertrag auf andere Bildträger suchen in Collagen und Montagen, wie Jacquet, Rauschenberg, Rotella oder Pol Bury. 413 Ibid. 414 Ibid., S. 18. 415 Pierre Restany: Les Nouveaux Réalistes. Un Manifeste de la Nouvelle Peinture, Paris 1968,
S. 30.
416 Ibid., S. 30 f., 46. 417 Als Beispiel gelten ihm Kleins Anthropometrien, die erstmals am 9. März 1960 in der Galerie
internationale d’Art contemporain in Paris vorgeführt wurden, vgl. ibid., S. 32.
418 Pierre Restany: Le Décor Quotidien de la Vie en 1968, in: Marie-Claude Dane (Hrsg.): Le Décor
Quotidien de la Vie en 1968. Expansion et Environnements. Arnal, César, Marc de Rosny, Niki de Saint Phalle, Sanejouand, Tinguely, Constantin Xenakis, Ausstellungskatalog, Palais Galliera, Paris 1968, unpaginiert.
425 | Anmerkungen
419 Rebecca J. DeRoo: The Museum Establishment and Contemporary Art. The Politics of Artistic
Display in France after 1968, Cambridge 2006, S. 26.
420 Ibid., S. 26 f. 421 Jean Clair: Art en France. Une nouvelle Génération, Paris 1972, S. 144. 422 DeRoo 2006, S. 28 u. 41. 423 GS IV.1, S. 314. 424 GS I.2, S. 504. 425 Pierre Restany: Je vote la grève de la culture contre l’État!, in: Planète 40/1968, S. 161–163. 426 Annabelle Ténèze: Art et contestation: Pierre Restany et Mai 68, in: Leeman 2009, S. 141–
156.
427 Pierre Restany: Une autre Bastille à abattre: Le Musée d’Art Moderne, in: Combat, 18.–19. Mai
1968, S. 16. 428 Ibid.
429 Ténèze 2009, S. 143. 430 Ibid., S. 144 u. zum Standpunkt Restanys 146 ff. 431 Walter Grasskamp: Die unbewältigte Moderne. Kunst und Öffentlichkeit [1989], München
1994, S. 127 f.
432 Catherine Ballé u. Dominique Poulot: Musées en Europe. Une Mutation inachevée, Paris 2004,
S. 137 ff.
433 Élisabeth Caillet: À l’Approche du Musée. La Médiation Culturelle, Lyon 1995. 434 Pierre Bourdieu u. Alain Darbel: L’Amour de l’Art. Les Musées d’Art Européens et leur Public,
Paris 21969, S. 14. Bourdieu leitete die Studie und verfasste den Text, Darbel entwarf die mathematischen Erhebungsmodelle.
435 Erwin Panofsky: Architecture Gothique et Pensée Scolastique. Précédé de l’Abbé Suger de SaintDenis. Traduction et postface de Pierre Bourdieu, Paris 1967. 436 Bourdieu u. Darbel 1969, S. 15. 437 Ibid., S. 16. Vgl. Salles 1992; René Huyghe: Dialogue avec le Visible, Paris 1955, S. 8. 438 Ibid., S. 69. 439 Ibid., S. 36. 440 »Privés de la ›connaissance du style‹ et de la ›théorie des types‹ seules capables de corriger
respectivement le déchiffrement du sens phénoménal et du sens du signifié, les sujets les moins cultivés sont condamnés à saisir les œuvres d’art dans leur pure matérialité phénoménale […]«, ibid., S. 79–81. Vgl. Erwin Panofsky: Über das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 18/1925, S. 129 ff.; id.: Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst, in: Logos 21/1932, S. 103 ff. 441 Ballé u. Poulot 2004, S. 143. 442 Ibid., S. 144, mit Bezug auf: Olivier Donnat: Les Pratiques Culturelles des Français, Paris
1998, S. 10.
426 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
443 Zu Lassaigne (1911–1983), Kritiker der UNESCO-Ausstellung 1946, vgl. die Biografie in:
http://www.archivesdelacritiquedart.org/outils_documentaires/critiques_d_art/313/biographie (9. Oktober 2015).
444 Zur Geschichte der Biennale de Paris vgl. Krystel Lavaur: Biennale de Paris, 1959–1985 :
éléments monographiques. Mémoire de Maîtrise, Université Rennes 2–Haute Bretagne, 1992; id.: Revue de presse, Biennale de Paris, 1959–1965, analyses et commentaires. Mémoire de DEA, Université Rennes 2–Haute Bretagne, 1994.
445 André Malraux: Préface, in: Première Biennale de Paris, Ausstellungskatalog, MAM, Paris
1959, S. VII–VIII.
446 Vgl. Meisel 2012, S. 60. 447 Ibid., S. 61. 448 Biennale de Paris. Une Anthologie: 1959–1967, Ausstellungskatalog, Salles de la fondation
nationale des arts plastiques et graphiques, Paris 1977.
449 Meisel 2012, S. 61. 450 Sixième Biennale de Paris, Ausstellungskatalog, MAM, Paris 1969. 451 Ibid., Etats-Unis, S. 56–60, S. 57. 452 AMN 16HH5 (7), »Acte de concession de locaux à la Biennale de Paris 1977«. 453 George Boudaille: Jeunes artistes d’Amérique latine, in: 10 e biennale de paris. Amérique latine, Paris 1977. 454 Meisel 2012, S. 62. 455 Monnier 2004, S. 357: Besuchszahlen der Kunstausstellungen im ARC: 1968 – 55.000;
1970 – 84.000; jährliche Besuchszahl des MNAM zu diesem Zeitpunkt: um 100.000.
456 MAM Paris: L’ARC, in: http://www.mam.paris.fr/fr/node/598 (5. November 2015). 457 Danach wurde der ARC 1988–1991 betreut von Juliette Laffon und Béatrice Parent, 1991–
1995 von Béatrice Parent, 1996–2006 von Laurence Bossé mit Hans Ulrich Obrist und 2007–2015 unter Fabrice Hergott, Direktor des MAM seit 2007, von Angeline Scherf, vgl. http://parismuseescollections.paris.fr/fr/musee-d-art-moderne/archives/archives-des-expositions-de-l-arc1967-1972#infos-principales (14. Juli 2017). 458 Eigendarstellung des MAM Paris, in: http://www.mam.paris.fr/fr/musee (28. April 2015). 459 Eine Liste aller Ausstellungen im ARC 1967–2011: Les expositions de l’ARC depuis 1967, Pdf,
31 S., gab es unter: www.mam.paris.fr/sites/default/files/editeur/arc_liste_expos.pdf (13. Oktober 2015).
460 Vgl. Annabelle Ténèze: Exposer l’art contemporain à Paris. L’exemple de l’ARC au Musée d’art moderne de la Ville de Paris, 1976–1988. Thèse, École des Chartes, Paris 2004. Zusammenfassung in: http://theses.enc.sorbonne.fr/2004/teneze (5. November 2015). 461 Décembre 1966. Premier manifeste de l’A.R.C., in: MAM Paris: Animation Recherche Confron-
tation, 67–72, Paris 1972, S. 3.
462 Monnier 2004, S. 359. 463 Gérald Gassiot-Talabot: À propos de l’ARC I et de Pierre Gaudibert, in: Suzanne Pagé u. Juliette
Laffon: ARC 1973–1983, Paris 1983, S. 25.
464 Pierre Gaudibert: Action Culturelle: intégration et/ou Subversion, Tournai 1972, S. 7.
427 | Anmerkungen
465 Ibid., S. 10 f., folgendes Zitat S. 12. 466 Ibid., S. 19 ff., vgl. Jean Baudrillard: La genèse idéologique du besoin, in: Cahiers internatio-
naux de sociologie V/47, 1969.
467 Gaudibert 1972, S. 28. 468 Ibid., S. 87. 469 Ibid., S. 33. 470 Ibid., S. 95. Antonio Gramscis, auf Benedetto Croce gestützter Begriff der »Hegemonie«
bezeichnet die Führungsrolle einer sozialen Gruppe über verbündete oder benachbarte statt dominanter Unterwerfung. 471 Ibid., S. 110. 472 Ibid., S. 112 f., Zitat S. 114. 473 Die Dokumentationsfotografie trägt verso Künstlernamen, die sich den Werken zuordnen
lassen: (Claude) Viallat (Installation Raummitte), (Serge) Maccaferri (Wand links), (Christian) Jaccard, (André-Pierre) Arnal (eventuell hintere Wand, links), (Martin) Miguel, (André) Valensi (eventuell hintere Wand, rechts). 474 Auch eine Ausstellung wie Jackson Pollock et la nouvelle peinture américaine hatte 1959 ret-
rospektiven Charakter, war Pollock doch 1956 gestorben.
475 Noch am Ende der 1940er und in den 1950er Jahren ist die Distanz nicht so groß, doch über-
wiegen Retrospektiven wie von Matisse (1949), de La Fresnaye (1950), Paul Signac (1951), Rouault (1952), Corbusier (1953), Derain (1954), Ensor (1954), Nicolas de Staël (1956), Antoine Pevsner (1956), Delaunay (1957), Kandinsky (1957) oder André Lhote (1958), um nur einige Beispiele zu nennen. Überblickschauen zu Schulen und Bewegungen bilden den zweiten Ausstellungsschwerpunkt (Le Fauvisme 1951, Le Cubisme 1953, Le Dessin de Toulouse-Lautrec aux Cubistes 1954, Bonnard, Vuillard et les Nabis 1955, Depuis Bonnard 1957, L’art hollandais depuis van Gogh 1958, L’École de Paris dans les collections belges 1959).
476 L’Art Hongrois Contemporain 1949, L’Art Moderne Contemporain Italien 1950, Dix-neuf peintres d’Haïti 1950, Art Cubain Contemporain 1951, Art Mexicain (du précolombien à nos jours) 1952, Douze Peintres et Sculpteurs Américains Contemporains 1953, Le Dessin Contemporain aux Etats Unis 1954, Cinquante Ans d’Art aux Etats Unis (Sammlung MoMA) 1955, Traditions et arts populaires polonais, du XVIe au XXe siècle 1957, L’Art Israélien Contemporain 1960, La Peinture Russe et Soviétique 1960, Douze Peintre Polonais Modernes 1961, L’Art Contemporain de Yougoslavie 1962, Trois artistes britanniques: Robert Adams, Hubert Dalvood, Ceri Richards 1963, Art Argentin Actuel 1963, Canada. Art d’Aujourd’ hui 1968. 477 AMN 3KK1, Dossier Projet de réforme du statut du MNAM. Marie-Aimée Latournerie:
»Esquisse d’un projet de réforme du statut administratif du Musee National d’Art Moderne«, Kopie, 15 S., S. 1. 478 Ibid., Kopie eines getippten Berichts der Direction générale des Arts et Lettres, Stempel
31. Mai 1967, »Note pour Monsieur le Ministre. Objet: Service de la Création artistique«, 8 S., S. 1. 479 Lawless 1986, S. 61. 480 Ibid.
481 Ibid. Die Verschmelzung von MNAM und CNAC wird später ein Argument für das Centre
Pompidou.
482 Martin 2012, S. 55.
428 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
483 Ibid., S. 55. 484 Anthonioz 1996, S. 44. 485 Martin 2012, S. 54. 486 Vgl. Claude Fourteau (Hrsg.): Les Institutions culturelles au plus près du public, Paris 2002,
darin besonders: Catherine Ballé: Le musée, une organisation en changement, S. 17–30; Andrew McClellan: The Art Museum from Boullée to Bilbao, Berkeley u.a. 2008; Sharon Macdonald (Hrsg.): A Companion to Museum Studies, Oxford u.a. 2006, besonders: Gordon Fyfe: Sociology and the Social Aspects of Museums, S. 33– 49, Vittorio Magnago Lampugnagni: Insight versus Entertainment: Untimely Meditations on the Architecture of Twentieth-Century Art Museums, S. 245–262; J. Pedro Lorente: The Museums of Contemporary Art. Notion and Development, Farnham 2011; Fleury 2007, S. 138–141. 487 Vgl. Lorente 2011, S. 231. Zur politischen Geschichte des Centre Pompidou siehe Laurent
Fleury: Le Cas Beaubourg. Mécénat d’État et Démocratisation de la Culture, Paris 2007.
488 Ausgewertet wurden AMN 2HH66(b): Du Musée National d’Art Moderne à Beaubourg,
1974 –1977 (Archive des MNAM) und die Serie AMN 3KK, 1–10 (Beaubourg).
489 Die frühesten dieser Schriften waren: Francis Ponge: l’Écrit Beaubourg, Paris 1977; Jean
Baudrillard: L’Effet Beaubourg. Implosion et Dissuasion, Paris 1977; Claude Mollard: L’Enjeu du Centre Pompidou, Paris 1976; Jean Clair: Du Musée comme Élevage de Poussière, in: l’ARC (Cahiers méditérranéens paraissant quatre fois l’an) 63/1975, Beaubourg et le Musée de demain, S. 47–54.
490 Vgl. Jean Lauxerois: L’Utopie Beaubourg, Vingt Ans Après, Paris 1996. 491 Lorente 2011, S. 248. 492 Mollard 1976, S. 287. 493 Vgl. DeRoo 2006, S. 167 ff., »Institutionalizing ‘68. The Pompidou Center«. 494 Laurent Fleury: Le pouvoir des institutions culturelles: les deux révolutions du TNP et du Centre
Pompidou, in: Fourteau 2002, S. 31– 49.
495 McClellan 2008, S. 41. 496 L’œil double de Gaëtan Picon, Ausstellungskatalog, MNAM, Paris 1979, S. 93. 497 AMN 3KK1, Dossier Projet de réforme du statut du MNAM. Kopie Schreiben des DMF an den
Direktor der DGAL, 27. Februar 1966, 5 S., S. 1.
498 Ibid., AMN 3KK1, Marie-Aimée Latournerie: »Note sur la création d’un Musée d’Art Moderne
de Paris doté du statut d’établissement public«, getippte Kopie, 5 S., S. 1. Vgl. ibid. Schreiben an den DMF, 6. Oktober 1966. 499 Ibid., Schreiben von André Malraux an den DMF, Stempel vom 10. Oktober 1966, 1 S. 500 Ibid., Schreiben von Latournerie an den DMF, 19. Oktober 1966, 1 S. 501 Ibid., id.: »Esquisse d’un projet de réforme du statut administratif du Musee National d’Art
Moderne«, Kopie des getippten Berichts, 15 S., S. 1.
502 Ibid., Ministère de la Culture (Hrsg.): Marie-Aimée Latournerie: »Projet de réforme du Musee
National d’Art Moderne«, Paris, Décembre 1966. Getippter Bericht, Deckblatt, 2 S. Inhalt, Text 28 S., S. 1. 503 Ibid., S. 2: »Garder un certain recul par rapport à la production artistique immédiate, faire du
Musée d’Art Moderne la Comédie Française des Arts plastiques, ou l’antichambre du Louvre, ce qui conduit […] à susciter des dons et legs d’artistes déjà au faîte de leur carrière, à n’acheter que les
429 | Anmerkungen
œuvres de la génération qui a entre 40 et 50 ans et, ce qui est beaucoup plus grave, à n’organiser des expositions qu’au stade de la consécration officielle ou de la rétrospective, c’est sûrement une conception sage et c’est probablement une tentation très forte lorsqu’on a un peu médité sur la spéculation financière, la médiocrité et l’hypocrisie intellectuelles qui ont envahi le monde de l’Art depuis quelques décades. Il est pourtant indispensable de résister à cette tentation [...]«. 504 Ibid., S. 2 f., wie auch die beiden folgenden Zitate. 505 Ibid., S. 3. 506 Ibid., S. 3, zur folgenden Kritik S. 3 u. 4. 507 Ibid., S. 6. 508 Ibid., S. 7. 509 Ibid., S. 13–17, Zitat S. 15. 510 Ibid., S. 18. 511 Ibid., S. 25: »[…] il n’est pas possible qu’il soit abandonné, car les défauts des bâtiments actuels
sont comme on l’a montré trop évidents […]«. 512 Berstein u. Rioux 1995, S. 134.
513 »Ce vieux quartier, autrefois animé et marchand [...] retrouve sa beauté et sa dignité. Le Centre
va lui redonner vie joyeuse et vocation populaire«, Gilbert Paris: Centre Georges Pompidou. Lettre d’Information n°2, April–Mai 1975, 4 S., S. 1. AMN 2HH66(b), Dossier MNAM: Du MNAM à Beaubourg. 514 Lawless 1986, S. 73. 515 Dass das »Avant-projet de Programme pour le Musée du 20e Siècle« von 1964 immer wie-
der als Bezugspunkt diente, zeigen Kopien in mehreren Akten zur Konzeption des Centre, etwa in einem eigenen Unterdossier »20ème siècle« in AMN 3KK4, »Centre Culturel des Halles – 1970 – mars–juillet«.
516 AMN 3KK4, Plateau Beaubourg Avant-Projet. Dossier »Création d’un grand centre d’art con-
temporain aux Halles«, 1970 janvier–février, Unterdossier »15–1–70, Création d’un centre d’art contemporain aux Halles – Lettres de M. Chatelain à MM Laclotte, La Tour d’Auvergne, Monteil, Leymarie, Mme Laurent, Réponse de M. Laclotte«. Note DMF/S 4, getippte Kopie, Stempel 15. Januar 1970. 517 Ibid., Antwort von de la Tour d’Auvergne, 18. Februar 1970, getippt, 2 S., signiert. 518 Ibid., Antwort von Laclotte, 18. Februar 1970, getippt, 1 S., signiert. 519 AMN 3KK4, Dossier »Centre Culturel des Halles – 1970, Mars–Juillet«. Sébastien Loste:
»Note sur le Centre d’Art Contemporain du Plateau Beaubourg à l’attention du Président de la République, 14 Février 1970«, getippt, Fotokopie, 22 S.
520 AMN 3KK4, Dossier »Plateau Beaubourg, Doctrine avant le programme proprement dit,
1970 1° semestre«, Kopie Protokoll »Mission d’Information sur des Musées d’Art Moderne Scandinave (25–29/1/1970)«, 8 S.
521 AMN 3KK4, Dossier »Centre Culturel des Halles – 1970, Mars–Juillet«. Loste: »Note 14 Fév-
rier 1970«, S. 1.
522 Ibid., S. 6, vgl. S. 5: »Un Musée d’Art Moderne, doublé d’un Centre d’Art Contemporain. […] Comment concevoir un bâtiment qui le serve, sans, pour autant, tomber dans les erreurs commises lors de la construction du Musée d’Art Moderne de Paris«.
430 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
523 Ibid., S. 10. 524 Ibid., S. 18 (Paul Baudry, Carrier-Belleuse, Carolus-Duran, René Menard, Jules Breton,
Bouguereau).
525 Ibid., S. 22. 526 AMN 3KK1, Dossier Beaubourg. Avant-projet de programme / concours. Kopie Schreiben
Dominique Bozo an den DMF, 30. Oktober 1970, mit handschriftlichen Korrekturen, paginiert, 4 S., S. 1 f. 527 Ibid., S. 2.
528 Zu Wettbewerb und Finanzierung des Centre vgl. AMN 3KK5 (1), Programmation Architec-
turale, 1970–1971.
529 AMN 3KK4 Plateau Beaubourg Avant-Projet, s.d.–1971. Dort auch eine Fotodokumentation
des Viertels.
530 AMN 3KK1, Dossier Beaubourg. Avant-projet de programme / concours. République Fran-
çaise (Hrsg.): »Centre du Plateau Beaubourg-Paris – Information et Art Contemporain. Concours International d’Idées à 1 degré 1970«. Zwischenversion der Ausschreibung, »Texte en cour de rédaction«, paginiert, 11 S., S. 2. Die von der Union Internationale des Architectes abgesegnete Ausschreibung sollte für die Wettbewerber ab dem 15. November 1970 abruf bar sein. Frist für die Einreichung der zu anonymisierenden Projekte war der 4. Mai 1971. 531 Zum Dekret vgl. AMN 3KK5 (2), Notes et Correspondance, 1971, Dossier »Projet de Décret
portant création d’un établissement public chargé de la réalisation du Centre d’Art Contemporain du Plateau Beaubourg«. Zur Délégation im Juli 1971 vgl. Ministères de l’Éducation nationale u. des Affaires Culturelles (Hrsg.): Concours International pour la Réalisation du Centre Beaubourg. Rapport du Jury, Paris, o. J., S. 161 f. 532 Ibid., S. 11 f. Weitere Jury-Mitglieder: Émile Aillaud, Architekt; Sir Frank Francis, Großbri-
tannien, Ehrendirektor des British Museum; Philip Johnson, USA, Architekt; Michel Laclotte, Gemäldekurator des Louvre; Herman Liebaers, Belgien, Direktor der königlichen Bibliothek; Stellvertreter: Henri-Pierre Maillard, Architekt; Jury-Sekretär: Sébastien Loste. Ein technisches Komitee, geleitet von Robert Regard, assistierte.
533 Ibid., S. 7 u. 12. Vgl. die Auflistung nach Ländern S. 13 und die Projektlisten S. 133–160. 534 Ibid., »Introduction«, S. 7–8. 535 Ibid., »Analyse du projet lauréat«, S. 91–96. 536 Zum Wettbewerb siehe auch AMN 3KK6, »Concours International pour la réalisation du
Centre Beaubourg«, zum Programm Dossier »1972 Février, Programme des Architectes Piano et Rogers«. Zur Konstruktion siehe AMN 3KK7, Mise en œuvre du chantier, 1972–1973. 537 Concours International pour la Réalisation du Centre Beaubourg. Rapport du Jury, S. 95 f.: »Sa
forme en apparence est simple. Mais connaît-on beaucoup d’édifices semblables à celui-ci: non pas tour ou gratte-ciel, mais, vu de loin, immense écran, et, de près, miroir offrant un jeu constamment changeant d’images et de reflets [...] enfin, si à certaines époques on a pu haïr ›le mouvement qui déplace les lignes‹ et rechercher les canons d’une beauté immobile, notre temps aime le mouvement et même le bouillonement de la vie«. 538 Vgl. Gilbert Paris 1975. 539 Vgl. Ponge 1977, S. 23. 540 Vgl. Clair 1975, S. 49.
431 | Anmerkungen
541 Ibid., S. 50. 542 Ibid., S. 54: »[...] la muséologie contemporaine a traqué ces derniers recoins, comme elle a
traqué les araignées, la poussière et les fausses attributions. Or il faudrait qu’elle les multipliât«. 543 Ibid. 544 Baudrillard 1977, S. 12, 21 u. 29. 545 Ibid., S. 9. 546 Ibid., S. 36. 547 Vgl. ibid., S. 39 f. 548 Ibid., S. 11. 549 Ibid., S. 13–14.
550 Ibid., S. 23: »[…] un scénario muséal qui ne sert qu’à sauver la fiction humaniste de la culture
[...]«.
551 Vgl. ibid., S. 20 ff. Man erinnere sich hierzu an Bourdieu, der in L’Amour de l’Art 1966 mit Panofsky illustrierte, weshalb großen Teilen der Gesellschaft im Museum der Zugang zum Bedeutungssinn der Kunst verschlossen bleibt. Der Schritt zu einer Politik, die diesen wiederum durch eine wirtschaftliche Kulturindustrie verwehrt, vollzieht sich innerhalb eines Jahrzehnts schnell. 552 AMN 3KK7, Mise en œuvre du chantier, 1972–1973, Dossier 1973, mai–juillet. Vorbericht
und Entwurf »Avant-Projet de Convention DMF/EPCB«, getippt mit handschriftlichen Korrekturen, 10 S., S. 1. 553 AMN 3KK8, Du Musée d’Art Moderne au CNAC Beaubourg. Dossier 1973, 19 Octobre. Mis-
sion de Pontus Hultén. Rundschreiben des DMF, 7. November 1973 mit Kopie der Dienstanweisung des Cabinet du Ministre.
554 Ibid., Kopie Schreiben von Chatelain an den Leiter des Kabinetts des Kulturministers, 9. Mai
1973. Chatelain lehnte auch eine Installation des CNAC im Palais de Tokyo ab, vgl. 3KK8 Dossier 9–1–74. 555 Ibid., Dossier »1974 Janvier–Mars. Bibliothèque et Archives du Musée d’Art Moderne«. Die
Bibliothek des MNAM ging am 18.–19. Februar 1974 an das Dokumentationszentrum von Beaubourg im Palais de Tokyo. Das MNAM behielt nur Wörterbücher und Kataloge seiner eigenen Ausstellungen. 556 Ibid., Bericht von Dominique Bozo an den Directeur des musées de France, 21. Februar 1974,
getippt, 3 S.
557 AMN 3KK9 (1), Organisation du Centre Beaubourg, Dossier »Convention DMF avec le Centre
Beaubourg – relative à la gestion du MNAM, Transfert de la gestion du MNAM à l’EPCB«, Notiz von Kulturstaatssekretär Michel Guy: »Objet: Transfert de la gestion du Musée National d’art moderne…«, Stempel 3. Februar 1975, 2 S. 558 Ibid., »Convention entre la D.M.F. et le C.G.P. relative à la gestion du M.N.A.M.«, 5 S. Vgl. auch
AMN 3KK9 (1), Dossier »Convention entre la DMF et la C.G.P. relative à la gestion du M.N.A.M. 28 Aout 1975«. 559 AMN 3KK2, Dossier Transfert de gestion du Musée National d’Art Moderne à l’Établissement
Public du Centre Beaubourg. – Transfert des collections. Dominique Bozo: »Musée National d’Art Moderne. – Problèmes posés par le transfert«. Getippter Bericht, querformat, paginiert, 29 S., November 1973, S. 11.
432 | Ein Monument der Kunst in sozialen Durchdringungsprozessen
560 AMN 2HH66(b), Dossier MNAM: Du MNAM à Beaubourg. Kopie des »Procès-Verbal de la
réunion tenue le 1er septembre 1976 dans les locaux de la Direction des musées de France sur les problèmes liés au transfert du musée national d’art moderne«, paginiert, 8 S. (Original in AMN 3KK2, Dossier Transfert de gestion). 561 Bozos Bericht im November 1973 nennt die Schenkungen Gonzalez, Brâncus‚ i, Zadkine, Kemeny, Pevsner, Dufy, Magnelli, Laurens, Rouault, Calder, Arp, Berggruen, Delaunay, Monfreid, Desvallières, Braque, Dunoyer de Segonzac, Picasso, Laroche, Pougny, W. Uhde, Laugier-Cuttoli, Savary, Lefèvre, Gaudier-Brzeska, Severini. 562 AMN 2HH66(b), Dossier MNAM: Du MNAM à Beaubourg. Maurice Berard, Président
d’honneur de la Société des Amis du Musée national d’Art moderne: »Chaillot et Beaubourg«, Kommuniqué, 2 S. (Oktober 1974). Noch 1976 gab Robert Bordaz zu Protokoll, »tendenziöse« Kampagnen bei Gebern und Presse trübten eine Entspannung. Vgl. Kopie des »Procès-Verbal réunion 1er septembre 1976...«, S. 5. 563 AMN 2HH66(b), Dossier MNAM: Du MNAM à Beaubourg. Kopie »Procès-Verbal de la réu-
nion du 13 décembre 1976 relative au transfert du musée national d’art moderne…«, paginiert, 7 S. mit Index. 564 AMN 3KK9 (1), Organisation du Centre Beaubourg, Dossier »Convention DMF avec le Cen-
tre Beaubourg – relative à la gestion du MNAM...«, Unterdossier »Deux lettres du Pt du Centre Pompidou aux Donateurs du 16.5.77 et Projet d’ouverture conjointe des exp. Au Palais de Tokyo«.
565 Ibid., Kopie Schreiben von Jean Millier, Präsident Centre Pompidou, an Jacques Ségard,
Präsident Société des Amis du MNAM, 16. Mai 1977, 2 S., mit Listen »Salles Annexes du Musée National d’Art Moderne«, 3 S., und »Œuvres acquises grâce à la Société des Amis du Musée d’Art Moderne«, 2 S. Schenkungen: Braque; Brauner (Madame, »82 dessins, 1 peinture, 1 sculpture«); Yves Brayer (Le brocanteur, 1933); Bernard Buffet (Pieta, 1946); (Ida) Chagall (À ma femme, 1933– 1944; Corbeille de fruits; Fruits et fleurs); Dunoyer de Segonzac (Czobel: Nature morte; Dufresne: Nu assis; Jean Marchand: Paysage de Rennemoulins; Luc Albert Moreau: Femme se fardant); Eluard (Picasso, Portrait de Madame P. Eluard); Max Kaganovitch (Ackerman, Composition, 1963; de la Fresnaye, Homme dans un paysage; Marcoussis, Nature morte aux poissons [peinture sur verre]); D. H. Kahnweiler (Picasso, Enlèvement des Sabines u. Tête de femme); Lucie Krogh (fünf Werke von Pascin, 1918–1930); Laurens (mit Verweis auf den Katalog der Donation); Lemoine (Werke von Busse [3], Calmettes [1], Cortot [3], Dalembert [1], Lagrange [2], Massol [1], Patrix [5]); Marchand (La lumière de l’oiseau, 1955); Marquet (Madame Marcelle, 3 Werke Marquets 1902–1947); Francis Montanier (Trois bateaux, 1948); Ch. Pacquement (J. Mauny, Rue de Paris; Bottini, La femme au perroquet, 1905); Rouault; Edouard Sen (1 Marquet); Uhde (Mademoiselle; Vivins, Le cerf et les loups, Notre-Dame; Séraphine, L’arbre du paradis); Vaudou (Madame; 1 Werk Vaudous); Zadkine (Les trois soeurs, L’orphée [plâtre], Le sculpteur [bois]). Erwerbungen mit Hilfe der Freunde des MNAM nach Jahren: 1952: Ackerman; 1953: Ganne (2), Dauchot, Calmettes, La Fresnaye, Rapp; 1955: Matisse, Fasaro, Matorey, Barat; 1956: Dmitrienko, Palon; 1957: Dufresne, Lesieur; 1958: Carron, Jouffroy, Hayden, Metzinger; 1960: Desnos; 1961: Bolin, Cazam, Bohbot, Iscan; 1963: Ottesen, Taurelle, Jacus; 1965: Lipchitz; 1966: Herbin, Spyropoulos; 1967: Robert, Probst; 1968: Poulain, Brunois, Klausz, Lotan; 1969: Milich, Hayden, Farreras. 566 AMN 2HH66(b), Dossier Du MNAM à Beaubourg. Kopie »Procès-Verbal réunion 1er sep-
tembre 1976«, S. 7.
433 | Anmerkungen
DA S PORÖSE MUSEU M
DAS PORÖSE MUSEUM: DAS PAL AIS DE TOKYO AUF DEM WEG INS NEUE JAHRTAUSEND Benjamin Fellmann
Nach dem Auszug des MNAM aus dem Palais de Tokyo ins Centre Pompidou 1977 nutzen zunächst noch Einrichtungen der Direction des musées de France und der Réunion des musées nationaux die Räume. Aber in der ersten Hälfte der 1980er Jahre werden neue Institutionen für ein kulturpolitisches Engagement des Staates im Bereich Fotografie und Film geschaffen und im Palais de Tokyo zusammengeführt, womit sich auch die Auffassung vom Ausstellungsraum wandelt. Die institutionelle Dynamik wird schließlich ab Ende der 1990er Jahre in die Konzeption des Palais de Tokyo – Site de Création Contemporaine münden. Am ehemaligen Sitz des MNAM zeigt sich damit, wie das traditionelle Museum zunehmend porös wird. An Form und Funktion der Institutionen wird die Ausstellung visueller Kultur aufgeworfen. Von einer Deckungsgleichheit zwischen der Institution und der sie verkörpernden Architektur bleibt dabei ein Palais de Tokyo übrig, dessen Architektur ein ästhetisches Arbeitsmaterial ist, ein optischer Anker in Entwurf, Selbstdefinition und Ausstellungen dieses Zentrums zeitgenössischer Kunst ohne eigene Sammlung. Die im Folgenden betrachteten Phasen von Institutionen und Nutzungsprojekten beschreiben im Palais de Tokyo ab Ende der 1970er Jahre diesen Entwicklungsbogen. Im Anschluss an den Auszug des MNAM bestand dort ab 1977 das Musée d’Art et d’Essai, das bis 1986 Ausstellungen mit Werken zumeist aus den Reserven der nationalen Institutionen wie dem Louvre oder der Bibliothèque nationale organisierte. Es war schon ein experimentelles Museumsformat ohne eigene Sammlung, aber zugleich noch Sinnbild der musealen Ausstellung »alter« Kunst, nicht zuletzt aufgrund seiner Verbindung zur École du Louvre und dem Louvre selbst, aus dessen Depots es hauptsächlich seine
435 | Das poröse Museum
Ausstellungen bestritt. Zuständig für das Musée d’Art et d’Essai ist in dieser Zeit Michel Hoog, der Chefkurator des Musée de l’Orangerie.1 Parallel war im Palais de Tokyo mit den postimpressionistischen Sammlungen des Staates die »Préfiguration« zur Vorbereitung des 1986 in der ehemaligen Gare d’Orsay eröffneten Museums zu sehen, sowie die im Palais de Tokyo verbliebenen Konvolute von Schenkungen in Annex-Sälen des MNAM. Ab 1988 ist für knapp zwei Jahre auch das Graduiertenprogramm Institut des Hautes Études en Arts Plastiques (IHEAP) von Pontus Hultén, Sarkis und Daniel Buren im Palais de Tokyo aktiv. Es setzt ein ursprünglich im Centre Pompidou vorgesehenes Lehrangebot um und entwickelt neue Bildungsformen für Künstler in einem internationalen Residenzprogramm, das für die Akademie-Plattform des späteren Zentrums zeitgenössischer Kunst Palais de Tokyo, den Pavillon von Ange Leccia, ein wichtiger Vorläufer wurde. In den 1980er und 1990er Jahren sollte das Palais de Tokyo ein veritabler Bilderpalast werden. Während sich der Staat seit 1945 auf dem Gebiet des Films stark engagierte, setzte erst unter dem neuen Kulturminister Jack Lang ab 1981 ein systematisches Engagement im Bereich der Fotografie ein, die zuvor, sofern überhaupt, von Institutionen aus dem Filmbereich mitbetreut wurde. 2 Jack Lang war unter François Mitterand von Mai 1981 bis März 1986 sowie Mai 1988 bis April 1992 Kulturminister. Von April 1992 bis März 1993 amtierte er auch als Bildungsminister und war in dieser Zeit auch zuständig für die »grands travaux«.
EIN MULTIMEDIALER PAL AST DER BILDER Unter Jack Langs Ägide wurde das Palais de Tokyo zum staatlichen Zentrum im Bereich Fotografie und Film. 1984 lancierte er das Projekt der Transformation des Palais de Tokyo, das zu diesem Zeitpunkt als neue Maison de la Photographie schon das erste Centre National de la Photographie (CNP) beherbergt, in ein ausgeweitetes Palais des arts de l’image, das alle staatlichen Aktivitäten in der Hauptstadt im Bereich Foto und Film bündelt. 3 Es sollte das CNP und die staatliche Mission du patrimoine photographique, die für das fotografische Erbe und Nachlässe zuständig war, sowie die Cinémathèque française und die neu gegründete Filmhochschule Fondation Européenne des Métiers de l’Image et du Son (FÉMIS) vereinen.4 Die weitere Entwicklung des Projekts ist schon in groben Zügen unübersichtlich, da es sich beständig veränderte. 5 Von 1984 bis 1987 untersteht es direkt dem Kulturministerium. Von 1987 bis 1995 ist die Trägergesellschaft AMIS Association de Préfiguration pour l’Aménagement du Palais de Tokyo en Maison de l’Image et du Son zuständig, oft auch als Mission pour l’Aménagement du Palais de Tokyo en Maison de l’Image bezeichnet. 1990 heißt das Projekt »Palais de l’image et du son«, 1991 bis 1993 trägt es den Titel
436 | Das poröse Museum
»Palais des arts de l’image«. Das CNP scheidet 1993 aus und das Projekt wird mit einer Konzentration auf Film mit der Cinémathèque und den neuen zentralen Filmarchiven und Bibliothèque du film (BIFI) sowie dem 1972 im Palais de Chaillot eingeweihten Musée Henri Langlois, dessen Umzug ins Palais de Tokyo 1994 vom Aufsichtsrat der Cinémathèque beschlossen wird, zum Palais du Cinéma.6 Unter diesem Titel firmiert das Projekt von 1994 bis 1997. 1996 wird auch die Trägervereinigung angepasst, die AMIS wird abgelöst von der Association de préfiguration du palais du cinéma. Die 1986 gegründete FÉMIS wird zu diesem Zeitpunkt aus dem Projekt abgezogen.7 Die vielen Entwicklungsphasen und Rekonfigurationen des komplexen Projektes erschwerten die Arbeit des mit der Umgestaltung des Palais de Tokyo betrauten Architekten Franck Hammoutène. Im Februar 1998 gibt Kulturministerin Catherine Trautmann bekannt, dass das Projekt fallengelassen wird. Im Juni wird erklärt, dass die Cinémathèque im 1994 durch Frank Gehry erbauten früheren Amerika-Zentrum mit seinen 16.000 Quadratmetern in der Nr. 51, Rue de Bercy im 12. Arrondissement eingerichtet werden solle, wo sie mit der BIFI fusioniert. Damit ändert sich auch der Träger: Von 1998 bis 2000 steht die Maison du Cinéma unter der Leitung der Mission de réalisation de la Maison du cinéma. Ab 2001 ist die Mission de réalisation de la maison du cinéma und ab 2002 das Groupement d’Intérêt Public (GIP) pour le cinéma zuständig. 8 Mit dem Projektende 1998 traf man im Umfeld der Kulturministerin Catherine Trautmann die Entscheidung, im Palais de Tokyo ein Ausstellungszentrum für alle Bereiche nationalen und internationalen zeitgenössischen Schaffens einzurichten. Neben Kunst sollte es auch Design, Musik, Architektur, Mode, Video und Literatur umfassen. Mit den architektonischen Arbeiten wurden Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal betraut. Sie erhielten bewusst die äußere Erscheinung des Gebäudes, als Bezugspunkt einer Offenheit im Inneren, die größtmögliche flexible Konfigurationsmöglichkeiten vorsah. Das Palais de Tokyo wurde demnach immer poröser, durchlässig für neue institutionelle Formate und Entwürfe von Architekten, die seine monumentale Erscheinung zu durchdringen suchten. Man kann dies auch im Sinne jener »Porosität« verstehen, die Walter Benjamin einst als Kennzeichen einer sozialen Durchdringung von Architektur prägte. Porosität und das Bild der Durchlässigkeit von Stein finden sich als Kriterium sogar in verschiedenen Konzepten darüber, wie der monumental-steinerne Entwurf von 1937 in Visionen zu integrieren ist, die sich ab den 1980er Jahren auf die offenen, vernetzten Strukturen der zunehmenden Digitalisierung und Globalisierung richten. Dies geht einher mit einem neu erwachten Interesse und Bewusstsein für das in die Jahre gekommene Gebäude als Monument der Moderne. Besonders am zeitgenössischen Palais de Tokyo ab 1999 wird sich die Annahme bestätigen, dass die Geschichte des Ortes sich nachfolgenden Nutzungen und ästhetischen Reflexionen des Ausstellens einschreibt: Die Geschichte des Ausstellungsortes liegt ideengeschichtlich auch dem Konzept von Bourriaud und Sans zu Grunde. Sie thematisieren damit eine Verankerung
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zwischen Moderne und internationaler Gegenwart und machen die Nutzungsgeschichte zum Referenzpunkt einer vielschichtigen kuratorischen Praxis. Die systematische historische und theoretische Erforschung der Geschichte des Palais de Tokyo von 1977 bis 2012 zur Untersuchung der institutionellen Projekte, Kultur- und Ausstellungspolitik und ästhetischen und kuratorischen Programme erfolgt hier erstmals, auf Basis umfangreichen Archivmaterials der kulturpolitischen Entscheidungsträger, der Konzepte der Kuratoren und Architekten, sowie Publikationen des Palais de Tokyo und theoretischer Arbeiten Nicolas Bourriauds und seiner Kritiker. 9 Der vorliegende vierte Abschnitt behandelt auf dieser Grundlage die Geschichte des Palais de Tokyo nach dem Auszug des MNAM 1977 bis zur Schaffung des Site de Création Contemporaine ab 1998. Dabei gilt es nicht, implizit die Geschichte der Cinémathèque oder des Centre National de la Photographie zu schreiben, sondern zu untersuchen, inwiefern das Palais de Tokyo, seine Geschichte und der Ausstellungsraum Anknüpfungspunkt für eine multimediale Bildpolitik des Staates sind. Über die umfangreichen Projekte der Umgestaltung des Palais de Tokyo in ein Zentrum für Bildmedien von 1984 bis 1998 können aufgrund der zahlreichen beteiligten administrativen Einheiten eine Vielzahl Archive Auskunft geben. Sie werden selektiv untersucht in Hinblick auf kulturpolitische und ausstellungsprogrammatische Intentionen sowie den Umgang mit dem Raum Palais de Tokyo. Dies sind zunächst Archive der interministeriellen Koordinierungskommission, Mission interministérielle de coordination des grandes opérations dite »mission des grands travaux«. Weiterhin Archive der mit dem Projekt betrauten übergeordneten Association de Préfiguration pour l’Aménagement du Palais de Tokyo en Maison de l’Image et du Son (AMIS), die später zur Association de préfiguration du Palais du Cinéma, danach Mission de Réalisation de la Maison du Cinéma und schließlich zum Groupement d’Intérêt Public pour le Cinéma (GIP) wurde, unter dessen Namen ihre Archive lagern. Hinzu kommen Archive der federführenden Filmförderungsbehörde Centre National de la Cinématographie (CNC)10, sowie Archive des für den Umbau zuständigen Dienstes des Kulturministeriums, des Service National des Travaux.11 Im fünften Teil der Arbeit wird die Untersuchung der Grundlagen der relationalen Ästhetik in der Ausstellungspraxis im Palais de Tokyo ab 2002 und seines vielseitigen Programms folgen. Ergänzend wird dort die Evolution von Nicolas Bourriauds theoretischen Schriften in Wechselbeziehung zu seinen kuratorischen Arbeiten nachgezeichnet und Ausstellungen des zeitgenössischen Kunstzentrums Palais de Tokyo im Lichte dieser international viel beachteten theoretischen Entwürfe gegenübergestellt. Anhand der vier zentralen großen Gruppenausstellungen aus den Anfangsjahren 2003 und 2004, Live und Hardcore von Jérôme Sans sowie GNS Global Navigation System und Playlist von Nicolas Bourriaud wird die Korrelation von Ausstellungspraxis und relationaler Ästhetik untersucht. Mit dem Entwurf der relationalen Ästhetik thematisiert Bourriaud, ausgehend von spezifischen Arbeiten der 1990er Jahre, zeitgenössische Kunst, die
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als ihren Ausgangspunkt die Herstellung von sozialen Beziehungen nimmt (Esthétique relationnelle, 1998). Sie wird vorliegend als »Theorie« besprochen, auch wenn ihr dieser Charakter bisweilen abgesprochen wurde. Wo Bourriaud sie in verschiedenen Arbeiten weiterverfolgt, ist auch vom »Konzept« oder »Modell« die Rede. In Postproduction (2001/2004) weitet er es weiter zu einer Theorie des Künstlers und seiner Arbeitsweise als »Semionaut«, Navigator in einem globalen Universum der Zeichen aus bis in eine »Ästhetik der Globalisierung«, die er 2009 in seinem Buch Radicant und der Tate Triennale Altermodern entwarf. Bei der Darstellung der Programme des Palais de Tokyo unter Marc-Olivier Wahler (2006–2011) ist danach besonders auf eine sich offenbarende Prägung des Ortes durch die relationale Ästhetik einzugehen.
PAL AIS DE TOKYO, SITE DE CRÉATION CONTEMPORAINE: EINE MINISTERIALE INITIATIVE? Zum Projekt der Nutzung des Palais de Tokyo als »Centre de la Jeune Création« ab 1998 werden besonders die betreffenden Akten aus den Archiven der Kabinette der Kulturministerinnen des Parti Socialiste Catherine Trautmann, Juni 1997–März 2000, und Catherine Tasca, März 2000–Mai 2002, studiert. Sie geben Auskunft über die Ursprünge der Projektidee, die Evolution der Programmstudien und die eingereichten Konzepte. Damit werden erstmals die kulturpolitischen Archive zur Einrichtung dieses internationalen Ausstellungsortes ausgewertet. Seine Schaffung wurde öffentlich häufig auf eine Initiative der Kuratoren Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans zurückgeführt. So schrieb der Kunstkritiker Laurent Wolf 2002 in einer Besprechung der neuen Pariser Ausstellungsorte Palais de Tokyo und dem FRAC Île-de-France Le Plateau, beim Palais de Tokyo handle es sich um keine »von oben« kommende Initiative, die von Ministeriumsmitarbeitern geleitet werde.12 Es stimmt zwar, dass der neue Ort nicht von Kuratoren aus dem System der staatlichen Museen aufgebaut wurde und dies schon ein Bruch »de manière radicale« mit dem »esprit étatique de la politique culturelle française« (Wolf ) ist. In der Trägervereinigung war der Staat auch tatsächlich in der Minderheit – wobei zu fragen ist, wie stark dies ins Gewicht fällt, wenn der Kulturminister selbst oder sein Delegierter und der Präfekt der Region von Amts wegen Mitglieder sind. Auch war das Palais de Tokyo eine der ersten privat teilfinanzierten Kultureinrichtungen Frankreichs. Die Idee zu dem Zentrum im Palais de Tokyo entstand aber, wie zu zeigen sein wird, im Umfeld der Kulturministerin. Als nach einem Brand des Palais de Chaillot 1997 und einer eintretenden Mittelknappheit entschieden wurde, das Palais du Cinéma aufzugeben, kam dort die Idee zu einem Zentrum des zeitgenössischen Schaffens auf, das sich günstig realisieren ließe und die zeitgenössische Kunst in Paris fördern könnte. Die Délégation aux Arts plastiques wurde beauftragt zu untersuchen, welche Strukturen für
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junge Künstler in Paris fehlten und entwarf ein Konzept, das die Struktur des späteren Site de Création Contemporaine klar vorgibt. Auf dieser Basis wurden freie Kuratoren eingeladen, Programmkonzepte einzureichen. Die kulturpolitische Initiative musste in der Folge vom Kulturministerium sogar über die Hürde des Dezentralisierungsgesetzes gehoben werden. Eine Untersuchung dieser Hintergründe erscheint umso wichtiger, als das Palais de Tokyo ab seiner Eröffnung im Jahr 2002 in der öffentlichen und auch akademischen Wahrnehmung eng assoziiert wurde mit Nicolas Bourriauds ästhetischen Theorien. Aber erst die kulturpolitische Entwicklung im Palais de Tokyo in den 1980er und 1990er Jahren schuf die Möglichkeiten zur Entfaltung einer international wahrgenommenen kuratorischen Praxis in Verbindung mit ihrer ästhetischen Reflexion. Das zeitgenössische Palais de Tokyo entstand ebenso wenig wie das Konzept von Bourriaud und Sans aus dem Nichts. Beidem gehen eine kulturpolitische Entwicklung und Ausstellungstätigkeiten voraus, die sich mit theoretischen Reflexionen verbinden und auf Vernetzung und Globalisierung reagieren.
MODERNE AL S BEDINGUNG, POROSITÄT AL S KRITERIUM DER GEGENWAR T Das Vorhaben »Maison des Images« zeigt, wie auf die Tradition musealer Ausstellungsinstitutionen, die nach dem Auszug des MNAM 1977 noch durch das Musée d’Art et d’Essai und die Préfiguration Orsay fortgesetzt wurde, eine neue Sichtweise auf den Ort Palais de Tokyo folgt. Erstmals rückt seine Geschichte in den Blick, denn bei der Schaffung neuer Strukturen wird die Historisierung des Ausstellungsortes zu einem Bezugspunkt. Der letzte Teil dieser Untersuchung wird noch zeigen, wie Modernitätskonzepte zu einem Faktor jener zeitgenössischen Kunsttheorie werden, die sich ab den 1990er Jahren mit dem Palais de Tokyo verbindet. Schon ab Ende der 1980er Jahre aber bestimmt die Historiografie des Ortes Reflexionen der neu geplanten Institutionen. In zeitlicher Parallelität zum geisteswissenschaftlichen Bruch in der Postmoderne und der Ausrufung des »Endes der Geschichte« (Francis Fukuyama 1989/1992) treten Reflexionen des Palais de Tokyo als Ort der Moderne auf. Ein gewisser historischer Bruch bleibt aber insofern, als die Nachkriegsgeschichte kaum Gegenstand dieser Bezugnahmen ist. Denkbilder einer Verbindung von Kunst und Leben zur Zeit der Avantgarden werden, wenn nicht zu Leitbildern, so doch zu wichtigen Bezugspunkten der institutionellen Vorhaben, um auf die Herausforderungen durch neue Medien und die beginnende Globalisierung zu reagieren. So rief der Direktor der Mission de l’Aménagement du Palais de Tokyo Christian Oddos über den Namen »Palais de Tokyo« in einem extra zum Projekt Palais de l’Image publizierten Magazin, Plan, dessen Geschichte in Erinnerung, und stellte eine unmittelbare Verbindung her zwischen einem in tiefen Schlaf gefalle-
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nen Ausstellungsort der zeitgenössischen Kunst und dem Einzug der neuen künstlerischen Massenmedien Foto und Film. Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans griffen später Plan auf, als sie ihre Konzeptvorstellung mit einem Dossier zur Geschichte des Palais de Tokyo anreicherten, um den Namen »Palais de Tokyo« als Kernpunkt zu erläutern.13 Die wechselvolle Ausstellungsgeschichte dient ihnen dazu, ihr dynamisches Konzept für Kunst und Schaffen der Gegenwart historisch zu transzendieren. Auch ihre Bewerbung vom Mai 1999 hebt das Wort »Palais«, als Verweis auf eine Verankerung in der Moderne und der Stadt Paris, und den »internationalen und exotischen« Namen »Tokyo« hervor.14 Die zuvor so oft verurteilte Architektur des Palais de Tokyo erfährt nun Wertschätzung. In den 1960er und 1970er Jahren lieferte sie noch entscheidende Argumente für die Notwendigkeit eines neuen Museums und des Centre Pompidou. Aber in den architektonischen und szenografischen Planungen ab den 1980er Jahren wird sie zu einem positiven Bezugspunkt. Franck Hammoutène, Architekt des Palais de l’Image ab 1988, sah im Palais de Tokyo einen »magischen Ort«, dessen äußerem Eindruck steinerner Verschlossenheit er die innere Transparenz und Oberlichter gegenüberstellte. Im Projektdossier seines Teams wird erstmals die Lichtführung von 1937 gelobt. Sein Projekt sah vor, mit einer »Stahlklinge« durch das Gebäude ein Wechselspiel zur Architektur zu etablieren. Es nahm sogar die alten Entwurfszeichnungen von Dondel und Aubert auf.15 In den 1990er Jahren wurde dem Gebäude schließlich cineastische Qualität zugeschrieben. Der ehemalige Direktor der Cinémathèque Dominique Païni hebt rückblickend seine Überzeugung hervor, das Palais de Tokyo verkörpere schon ontologisch mit seinen zwei Flügeln das kinematografische Dispositiv und die modernen Reproduktionstechniken; der Architekt Alain Guiheux, mit dem er zusammenarbeitete, attestiert dem ruinenhaften heutigen Eindruck und historischen Dekor eine »kinematografische Qualität«.16 Auch das Projekt von Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal für den Westflügel ab 2000 thematisiert die Diskrepanz zwischen zeitgenössischem Ausstellungszentrum und der »Monumentalität« des historischen Äußeren als Qualität, die Spaß macht: Sie weise auf die Modernität und die offene Konzeption dieses »fantastischen Raumes«.17 Die Geschichte des Palais de Tokyo findet auch in die Kunst Eingang. Vielleicht kann man als ein »Bilderfahrzeug« in Aby Warburgs Sinne ein Motiv bezeichnen, dessen Migration durch die Zeit eine Arbeit von Sarkis von 1989 deutlich macht. In der Ausstellung Histoires de Musées im Musée d’Art moderne de la Ville de Paris gruppierte der Künstler in der salle Art déco zwölf afrikanische Skulpturen aus dem Besitz des Museums rund um jene Zinnvase, die 1937 im Vestibül zum Pavillon der Stadt Paris im Ostflügel des Palais de Tokyo gezeigt wurde (siehe Abbildung 50). Er ordnete die Figuren kreisförmig auf sich drehenden Sockeln an, die den Schriftzug »K riegsschatz« trugen und mit Tonbändern von Strawinskys Petrouchka behängt waren (Abb. 89). Sarkis versuche mit der Aneignung des Begriffes »Kriegsschatz«, so Uwe Fleckner, »seine eigene Zusammenstellung von gefundenen und geformten Gegenständen in immer neuen Auf bauten
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89 Sarkis: Danse dans la salle Art Déco, Ausstellung Histoires de Musées, Musée d’Art moderne de la Ville de Paris, 1989
als eine lebendige Sammlung gegen einen Kunstschatz zu setzen, in dem das einzelne Kunstwerk zu einem Herrschaftszeichen der Gegenwart über die Vergangenheit wird«.18 Die afrikanischen Skulpturen sind nicht mehr als Impulsgeber für die Moderne isoliert, sondern ein »lebendiger Gedächtniszusammenhang«, der »die Erinnerung an den kultischen Ursprung des Bildwerks, an seine koloniale und ästhetische Enteignung aufrechterhält und für die memorialen Aufgaben zeitgenössischer Kunst gewinnt«. Im vorliegenden Kontext erweitert sich die Sicht auf diese memoriale Funktion aus der Gegenwart der Installation von Sarkis sowohl in die Vergangenheit als auch Zukunft. In die Vergangenheit durch die Sicht auf die Zinnvase, die 1937 Besucher des Pavillons der Stadt im neuen Palais de Tokyo empfing, und damit um einen historischen Einbe-
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90 Palais de Tokyo, Blick in die Ausstellung Philippe Parreno: Anywhere, Anywhere, Out of the World, 2013, Liam Gillick: Factories in the snow, 2007, Yamaha Disklavier piano DGC1, midi file, Schneemaschine
zug des Palais als Monument einer Weltausstellungskultur, die in Paris auch das Erbe der kolonialen Ausstellungen in die Moderne führte. Die kultische Funktion der Skulpturen steht einer museal-ästhetischen Autonomie gegenüber so wie in der Zinnvase gemäß der seinerzeitigen Zielsetzung der Weltausstellung eine ästhetische Autonomie der industriell-wirtschaftlichen Funktion der künstlerischen Produktion gegenübersteht. Sarkis’ Installation Danse dans la salle Art Déco deutet hier aber auch auf die Migration eines Motivs innerhalb der zeitgenössischen Kunst in die nachfolgende Zukunft. Es transportiert sich in den Tonbändern von Strawinskys Petrouchka und verbindet sich mit einer Erinnerung an die Geschichte des Palais de Tokyo. Denn 2013–2014 hatte Philippe Parreno, der auch einer der Künstler ist, die von Nicolas Bourriaud im Kontext der relationalen Ästhetik seit den 1990er Jahren viel besprochen wurde, im Palais de Tokyo eine Einzelausstellung. Dort konnten Besucher auf Klaviere treffen, die automatisch Strawinskys Petrouchka spielten, eine Installation von Liam Gillick (Abb. 90). Petrouchka ist die Geschichte eines Automaten, der zum Leben erwacht. Gillicks Installation diente als verbindende Strukturierung des Programms der verschiedenen Teile der Ausstellung. Weder das Material zur Ausstellung noch Parreno selbst bezogen sich auf die von den Nationalsozialisten während der Besatzungszeit im Palais de Tokyo gelagerten Klviere,
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91 Laëtitia Badaut Haussmann: No One Returns I, Dokumentationsfotografie der Performance vom 24. April 2010, Palais de Tokyo
die aus jüdischem Besitz geraubt wurden.19 Der informierte Betrachter konnte sich jedoch sofort auf diese Geschichte zurückgeworfen fühlen, die dort zuvor 2010 von der französischen Künstlerin Laëtitia Badaut Haussmann in zwei Installationen thematisiert wurde anlässlich der Ausstellung Dynasty, die sowohl im Palais de Tokyo als auch im benachbarten Musée d’Art moderne de la Ville de Paris gezeigt wurde (Abb. 91–92). No one returns II behandelt die Baugeschichte des Palais de Tokyo und erinnerte mit einer vor dem Gebäude gepflanzten Zeder an jene große Zeder, die im Garten der polnischen Botschaft gestanden hatte, die für den Bau des Palais de Tokyo erworben und abgerissen werden musste. Für No one returns I wurde ein Flügel im seinerzeit brach liegenden Untergeschoss des Palais de Tokyo für eine Aufnahme von György Ligetis musica ricercata aufgestellt, die anschließend als Tonaufnahme, auf der sogar Taubengurren von der Brache zu hören war, in der Ausstellung abgespielt wurde. Diese Arbeit hat einen Ausgangspunkt in einem Austausch mit der Forscherin Sarah Gensburger und ihrem 2010 publizierten und kommentierten Album mit Fotografien der nationalsozialistischen »Möbel-Aktion« aus dem Bundesarchiv Koblenz (siehe Abbildungen 62–63). Im Katalog erklärt Badaut Haussmann, dass die beiden Fotografien der geraubten Flügel und Klaviere in dem Album ihr Ausgangspunkt waren, da das Palais de Tokyo selbst keine Archive beherberge. 20 In einem Interview beschrieb sie ihre Her-
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92 Laëtitia Badaut Haussmann: No one returns II, 2010
angehensweise: »Si je ne restitue pas ces documents, c’est qu’il y a pour moi une véritable autonomie de la forme par rapport au sujet de départ. Je veux m’éloigner d’une pratique purement documentaire, où le processus de recherche est partie prenante de l’œuvre.« 21 An selber Stelle beschrieb sie auch ihre Wahl des Zwölfton-Klavierstückes: »J’ai choisi cette musique sérielle, dodécaphonique et parsemée de silences, en écho aux déficits de la mémoire sur lesquels s’est construit mon projet. C’est aussi le premier morceau du film Eyes Wide Shut de Stanley Kubrick, ce qui rejoint ma fascination pour le cinéma. La bande sonore est diffusée dans l’exposition, de façon à ne pas être localisable, comme si les murs transpiraient cette histoire.«
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Vor dem Hintergrund des medialen »Erinnerungsbooms« haben prominente Konzepte wie jenes von Jan und Aleida Assmann zum sozialen Gedächtnis auf die wichtige Funktion von Medien im kulturellen Gedächtnis hingewiesen. Sie stützen sich auf die Arbeiten von Maurice Halbwachs zur Soziogenese des belebten Gedächtnisses, das keine Veränderungen speichert, im Gegensatz zur unbelebten Historiografie, die nach genau solchen Veränderungen sucht. 22 Sie sehen Medien ersten Grades, sogenannte »Dokumente« wie Fotos, Memoiren oder Filme als Materialisierungen lebendiger Erinnerungen an, die in einer Datenbank der objektivierten Vergangenheit gespeichert werden. Ein Übergang vom »kommunikativen« zum »kulturellen« Gedächtnis vollzieht sich über Medien zweiten Grades, die sie »Monumente« nennen. Diese beruhen auf Dokumenten sowie einem sozial determinierten und praktizierten Erinnerungswert. 23 Aber in einer künstlerischen Arbeit wie jener von Badaut Haussmann scheint der Fall anders gelagert. Hier aktiviert ein Monument keine Dokumente, sondern konstruiert eine Narration an der Schwelle von Fiktion und Dokumentation, da Vergangenheit in einer ästhetischen Erfahrung vergegenwärtigt wird. Im Bereich der Theorie des Dokumentarischen in der zeitgenössischen Kunst der letzten Jahre war das Buch Die Farbe der Wahrheit der österreichischen Künstlerin und Theoretikerin Hito Steyerl ein starker Impuls. Darin untersucht sie Beispiele verschiedener Künstler, neben anderen etwa Jeremy Deller (Battle of Orgreave, 2001), Kutlug Ataman oder Allan Sekula. Sie fragt ob der Dokumentarismus sich auch damit abfinden könnte, »nur« Kunst zu sein und zitiert dazu Walter Benjamin: »Kunst entsteht erst, wenn das Leben im Werk stillgelegt und unterbrochen wird, wenn es in Bann geschlagen und die Magie seiner ›Echtheit‹ gebrochen wird. Diese entschlossene Intervention nennt Benjamin die kritische Gewalt, oder auch: Gewalt der Wahrheit. Wahrheit statt Echtheit: Kann sich der Dokumentarismus damit abfinden, Kunst zu sein [...]? Kann er die ihm eigene ›Passion des Realen‹ und die damit verbundene Paranoia des Authentischen aufgeben?« 24 Steyerl entwirft eine Antwort auf diese Frage mit Walter Benjamins Theorie über Sprache, die erlaube, das traditionelle Repräsentationsproblem der dokumentarischen Debatte zu überwinden. Demgegenüber gilt wiederum in Laëtitia Badaut Haussmanns Fall aber, dass sie explizit auf Distanz zum Dokumentarischen geht. Ihre Arbeit berührt Fiktion, wo sie sich im Bereich der Vorstellung vollzieht. Steyerls Gedanke zur »Passion des Realen« des Dokumentarismus aber ist geeignet, an das zu erinnern, was Aby Warburg gedächtnistheoretisch in der Einleitung zum Bilderatlas eine Pathosformel nannte: Antike Formeln von Bildgesten, die sich als »Engramme leidenschaftlicher Erfahrung« als Ausdrucksformen in das kollektive Gedächtnis einschreiben und wieder erscheinen, wenn »Höchstwerte der Gebärdensprache durch Künstlerhand im Tageslicht der Gestaltung hervortreten wollen«. 25 Es handelt sich nicht
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um einen »Umriß, den die Künstlerhand schafft«, von dem Warburg spricht, aber einen vielleicht vergleichbaren Vorgang, wenn Badaut Haussmanns Installation erstmals die leidenschaftliche Dimension der gewaltsamen Beschlagnahmung der Klaviere erfahrbar macht. Und, wie gesehen, selbst ein Teil der Geschichte des Palais de Tokyo wird. Künstlerische Arbeit zum Doppelsinn des Begriffs »Geschichte«, die sowohl narrativ als auch historiografisch arbeitet, wirft damit die Frage auf, ob Künstler heutzutage selbst Kunstgeschichte schreiben. Die Philosophin Catherine Perret schlägt für solche künstlerische Praktiken eine Auffassung der »forme-archive« im weitesten Sinne vor, um ihre genealogische Entwicklung in den Blick zu nehmen, eine »perspective généalogique permettant de reformuler l’enjeu de ces pratiques archivistiques dans l’art au regard des expériences historiques«. 26 Sie charakterisiert sie mit Freuds Begriff der »Kulturarbeit«, auf einer formalen Ebene, die den »Assemblagen« Duchamps wie in der Boîtes-en-valise nachfolgt, aber der postmodernen »Collage« vorangeht. Um die politische Dimension der Assemblage als archivischer Arbeit zu verdeutlichen, führt sie eine aufschlussreiche Lektüre von Walter Benjamins Vorgehensweise im Passagen-Projekt ein als die Schaffung eines archivischen Schutzortes in der Zeit der Verfolgung. 27 Sowohl Duchamp als auch Benjamin setzten in der Erinnerungsarbeit archivische Reproduktion ein. Um die politische Reichweite einer solchen Kulturarbeit zu verdeutlichen, weist Perret auf die neuen Ausstellungsmodi hin, nach denen Benjamin in dieser Arbeit strebte, »où s’entrevoient une poétique et une politique de l’assemblage, l’idée d’un nouveau genre entre investigation littéraire et philosophie documentaire«. 28 Benjamin suchte, wie er selbst in einem berühmt gewordenen Bild formulierte, sein Teleskop durch den »Blutnebel« zurück auf die Vergangenheit zu richten. 29 Er lehrt uns, künstlerische, archivische und politische Praxis als Einheit zu begreifen in Arbeiten, die sich im Blick auf die blutig gewordene Gegenwart mit der Vergangenheit befassen: »Ce qu’enseignent tant Duchamp, Freud que Benjamin, c’est que cette ventriloquie n’est accessible que si l’archiviste ne dissocie pas pratique artistique, pratique historique et pratique politique.«30 Ein Schlüssel zum Zwiespalt von künstlerischer und geschichtlicher Arbeit in der Ausstellungssituation scheint damit in der Aufmerksamkeit für die Produktionslogiken von Archiven zu liegen. Die oben analysierten Akten der Museumsverwaltung aus der Zeit der Lagerung der geraubten Klaviere geben einen Eindruck davon, wie diese im Museum wahrgenommen wurden. Die Schriftstücke entbehren jeglicher Anteilnahme mit den beraubten und verfolgten Juden und Verurteilung des Vorgangs. Die schiere Masse der leblosen hölzernen Körper mag die administrative Behandlung der Klaviere als bloßes Hindernis erleichtert haben. Aber Laëtitia Badaut Haussmann kehrt diese Logik um. Sie fügt Musik hinzu, die scheinbar Wände durchdringt und reduziert ihre Anzahl auf ein einzelnes Instrument. Damit stellt sie eine individuelle Einheit von Klavier und Pianist wieder her. Das Kunstwerk kann vermitteln, was Archiven oder Studien fühlbar auszudrücken verwehrt bleibt. Da Erinnerung sich auf Orte und Dinge stützt,
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tragen Lebensorte und Besitztümer der deportierten und ermordeten Menschen eine einzigartige Bedeutung für ihre Nachlebenden. Das Streben nach einer Porosität der historisch durchlässigen Institutionen kristallisiert sich an der Architektur des Palais de Tokyo. Damit wird eine Vorstellung zum Kriterium, die selbst ein Ideal der Moderne ist. Walter Benjamin kennzeichnete in seinem Städteportrait Neapel 1925 Architektur und soziale Beziehungen im unablässigen Durchdringsprozess mit der Porosität der im Gebrauchswert taktil und optisch wahrgenommenen Architektur. Das soziale Wirkungspotential der neuen Medien beschreibt er im Kunstwerk-Aufsatz als Fähigkeit zu solcher Durchdringung. Porosität wird so eine spezifisch moderne Qualität und eine von Modernität. Als Kategorie kann sie auch das in einer Sache verkörperte Verlangen nach dem Anderen erfassen. 31 Benjamins Technik der Zitation im Passagen-Projekt kann wiederum, wie Anna Seiderer zeigt, als immanente Bewahrung von »Bildern als Anderem« abbilden, wie innerhalb ein und desselben Objektes solch ein Bezug auf andere Elemente ein Verlangen nach Modernität ausdrückt. Dieses Verlangen dient zur Herstellung einer multipolaren Form. 32 Als ein solches Objekt kann auch das Palais de Tokyo in den vorliegend betrachteten Vorstellungen gelten. Porosität findet sich – freilich ohne direkten Bezug auf Benjamin – implizit und explizit in architektonischen, künstlerischen und theoretischen Konzepten, die alle nach Multipolarität streben, indem sie die Modernität des Palais de Tokyo zitieren. Schon Franck Hammoutènes Projekt für das Palais des Images stützt sich auf das Wechselspiel von »Opacité de pierre« und Transparenz. Das sind Qualitäten, die Benjamin nach der Erfahrung in Neapel und der dortigen Dialektik von Innen und Außen seinerzeit an den Pariser Passagen wieder aufsuchte33, aber auch schon bei seiner Lektüre von Bauen in Frankreich an der modernen Architektur schätzte, deren »luftdurchlässige«, poröse, Erscheinung Sigfried Giedion 1928 pries. 34 Transparenz wie in der Einkaufspassage, ein Außenraum, der sich im Inneren fortsetzt, und die Suche nach dem Wohnlichen in der Dialektik von Innerem und Äußerem: Ohne sich auf ihn zu berufen, nimmt auch das Projekt von Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal für die Umgestaltung des Palais de Tokyo zum Ausstellungsort zeitgenössischer Kunst Benjaminsche Qualitäten auf, und setzt auf historische Transparenz zu Spuren der Vergangenheit. 2012 führte Anne Lacaton aus, sie zögen dem Begriff »réhabiliter« den Begriff »habiter« – Wohnen – vor. 35 In ihrem Projekt bezogen sie sich auf den großen Platz Jamaâ el-Fna in Marrakesch und den Alexanderplatz in Berlin, da diese sich ohne Begrenzungen definieren. Wie Benjamin im Kunstwerk-Aufsatz stellen sie auf den »Gebrauchswert« des architektonischen Rahmens ab: »Ce sont des espaces qui ne sont pas déterminés par de l’architecture, et qui marquent par leur capacité d’usage.«36 JeanPhilippe Vassal erinnert an die Monumentalität und das Gleichgewicht der Architektur von 1937. Er fährt fort zu erläutern, dass ihr Konzept auf eine offene Zirkulation wie in einer Einkaufspassage zielte, das Äußere im Inneren wiederzufinden. 37
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Die Vorstellung von Lacaton und Vassal deckt sich mit den Zielen des Ausstellungszentrums. Schon der erste Bericht von Christine Macel für die Délégation aux Arts plastiques über Anforderungen an ein neues internationales Zentrum des zeitgenössischen Schaffens in Paris reflektiert, wie zu sehen sein wird, »durchlässige« Institutionen. Bourriaud und Sans wollen, dass es »bewohnt« ist, gemeinschaftliche Erlebnisse stiftet, weshalb Veranstaltungen und auch Feiern eine große Bedeutung eingeräumt wird. Im November 2001 schreiben sie: »Quest-ce qu’un palais, sinon une maison habitée et ouverte aux visiteurs les plus divers, de jour comme de nuit?«38 Zugänglichkeit und Transparenz sind die Leitgedanken einer Vernetzung des Ausstellungsortes mit einer internationalen und planetären Realität. Auch relationale Ästhetik entspricht dem Ideal gemeinschaftsstiftender Porosität, obwohl Bourriaud »messianische« Utopien der Moderne hinter sich lassen möchte. 39 Neue künstlerische »Mikroutopien« stehen darin in Wechselwirkung mit dem Schaffen in anderen Bereichen aufgrund der »Porosität« des Netzwerks »Kunst«: »En un mot, le réseau ›Art‹ est poreux, et ce sont les rapports de ce réseau avec l’ensemble des champs de production qui déterminent son évolution.« 40 In Altermodern, der Tate Triennale 2009, kommt Bourriaud auf den »Exodus« als »emblematischer Geste der Moderne« zurück, mit der er die Dinge »vom Standpunkt der extremen Globalisierung der Kultur der Welt« her neu betrachten möchte. Damit soll die Überwindung einer überkommenen, »versteinerten« Kultur erfasst werden.41 Und noch für Jean de Loisy, Direktor des Palais de Tokyo 2012–2018, wird die »Porosität der Disziplinen« zu einem Ideal, in dem sich die Vergangenheit seines Hauses seit 1937 sedimentiert.42
»UN LOU VRE DIDAC TIQUE«: DA S MUSÉE D’AR T ET D’ESSAI 1977–1986 UND DIE »PRÉFIGUR ATION D’ORSAY« Nach dem Auszug des MNAM erfolgte eine Nutzung des staatlichen Flügels des Palais de Tokyo mit der postimpressionistischen Sammlung des Staates als »Préfiguration« bis zur Einweihung des Musée d’Orsay 1986, und parallel dazu durch das Musée d’Art et d’Essai. Der Louvre nutzte einige Flächen für Ausstellungen und als Reserven. Später kamen bis 1984 das Centre National de la Photographie und eine zeitweilige Mitnutzung durch die Préfiguration des Musée Picasso und den Fonds National d’Art Contemporain hinzu. Die Schenkungen aus den Annex-Sälen des MNAM wurden 1985 entfernt, als das Rez-de-Chaussée bas zu einer Baustelle wurde, die vom Museum im höher gelegenen Bereich abgetrennt wurde.43
449 | »Un Louvre didactique«: Das Musée d’Art et d’Essai 1977–1986 und die »Préfiguration d’Orsay«
93 Xavier Juillot: Fuites des ordres, Installation, Palais de Tokyo, 1983
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DIE PRÉFIGURATION D’ORSAY (1975–1986) Mit dem Umzug des MNAM stellte sich die Frage des Umgangs mit Werken, die nach der Zeitregel in den Louvre hätten übergehen müssen. Impressionisten waren schon zuvor gemäß der Regelung an den Louvre gefallen, und seit 1947 als dessen Annex im Musée des Impressionistes im Jeu de Paume ausgestellt. Sie gingen 1986 mit der Kunst der Jahre 1848 bis 1906 ins Musée d’Orsay.44 1975 war ein Bestand von 250 Werken, der Anfang der »Préfiguration Orsay«, zunächst in einem Saal im Obergeschoss des Palais de Tokyo gelagert und wurde auf Veranlassung von Pontus Hultén in eine Reserve im Untergeschoss verbracht.45 Die Sammlung »Orsay« bestand zu ihren Anfängen aus etwa 600 Gemälden, 1200 Zeichnungen, 250 bis 500 Skulpturen und 200 bis 300 Kunstobjekten. Sie wurden im MNAM im Palais de Tokyo sowie im Château de Compiègne verwahrt; hinzu kamen etwa 1500 bis 1800 Gemälde und 800 Zeichnungen, die sich noch in Provinzmuseen befanden. Die Postimpressionisten waren dann bis zur Eröffnung des Musée d’Orsay im Palais de Tokyo zu sehen, vor allem Redon, Toulouse-Lautrec, Seurat, Bonnard, Maillol und »L’art 1900«.46 Für das Palais de Tokyo war nach dem Auszug des MNAM in Personalunion der Chefkurator des Musée de l’Orangerie Michel Hoog (1932–2000) zuständig.47 Er verwaltete dort auch die Flächen, auf denen der Fonds National d’Art Contemporain ein Depot unterhielt.48 Das Verhältnis zum FNAC verlief nicht immer spannungsfrei. So brach am 30. Dezember 1985 in dessen Depot ein kleines Feuer aus, verursacht durch einen zum fotografieren an einer elektrischen Leiste aufgehängten Wandteppich. Das Feuer konnte durch einen zufällig anwesenden Mitarbeiter des Palais de Tokyo gelöscht werden, das Personal des FNAC war dazu nicht in der Lage und rief auch statt der Feuerwehr den Wachmann. Michel Hoog sorgte sich daher aufgrund der Nähe zu Depots des Orsay und eines Depots der Préfiguration des Musée Picasso um die Sicherheit.49 Die Zusammenarbeit mit dem städtischen Museum war kollegial, man stimmte sich in diesen Jahren vor allem in Bezug auf eine Nutzung der gemeinsamen Flächen zwischen den Flügeln ab. Ein herausragendes Beispiel ist die 1983 anlässlich des zehnjährigen Bestehens des ARC II im MAM Paris ab Juni für die Dauer des Sommers realisierte, weithin sichtbare Installation Fuites des ordres von Xavier Juillot auf dem Dach des Palais de Tokyo, zeitgleich mit einer Installation von Anne und Patrick Poirier auf der Fläche zwischen den Säulen (Abb. 93). 50
»UN LOUVRE DIDACTIQUE« IN DER »PATHETISCHEN HOCHBURG DER MODERNITÄT« Das Palais de Tokyo – Musée d’Art et d’Essai wurde 1978 eröffnet. Es organisierte zahlreiche Ausstellungen aus staatlichen Sammlungen wie dem Louvre, der Bibliothèque nationale, dem Musée des Arts Décoratifs und dem Mobilier national. In Serien
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konzipiert, waren stets Ausstellungen zu sehen, während die nachfolgenden vorbereitet wurden. Ein Grundprinzip war die Gegenüberstellung von Werken und Dokumenten. 51 Damit führte das Museum eine Linie weiter, die mit der Einführung der »Dossiers« am Louvre begann. Dabei handelte es sich um didaktisch auf bereitete Sonderausstellungen von Gemälden und mitunter Zeichnung, die das Département des peintures begonnen hatte, als die weltweite Zunahme von temporären Ausstellungen auch den Louvre zwang, besucherfreundliche Ausstellungsformate zu bedenken. Das Musée d’Art et d’Essai wurde zudem komplementär zur Ausbildung an der École du Louvre konzipiert. Eine Zeit lang war vorgesehen, diese ebenfalls im Palais de Tokyo unterzubringen. 52 Dieser Umzug wurde zwar nicht realisiert, aber das Musée d’Art et d’Essai orientierte sich am Unterrichtsprogramm der École du Louvre und sollte mit Ausstellungen für eine breite Öffentlichkeit deren Schülern und Lehrenden Gelegenheit zur praktischen Museumsarbeit geben. Noch in den Akten zum Umzug des MNAM findet sich eine Kopie des vielleicht ersten Entwurfs für ein »Musée d’Art et d’Essai«. Die Projektnotiz vom 18. Januar 1977 stammt vom Chef der Gemäldeabteilung des Louvre, Michel Laclotte. Diesen Posten bekleidete er als Nachfolger Germain Bazins seit 1966. Laclotte setzte sich ab Beginn der 1970er Jahre für das Projekt einer Umwandlung der Gare d’Orsay in ein Museum ein und war als Leiter der »Préfiguration Orsay« Chefkurator des neuen Museums bis zu dessen Eröffnung 1986. 53 Zum Zeitpunkt der Abfassung der Notiz war er mit der Neuorganisation der Gemäldeabteilung des Louvre beschäftigt, weshalb er in den frei werdenden Räumlichkeiten im ersten Stock des Palais de Tokyo die Möglichkeit sieht, eine vollkommen neue Art von Ausstellungsformat zu realisieren und dazu auch jene Werke zu nutzen, die bis zum Abschluss der Neuordnung seiner Abteilung andernfalls in den Depots verbleiben müssten. Laclotte sieht Ausstellungen vor, die den Schwerpunkt auf dokumentarische und didaktische Aspekte der Museumsarbeit legen und mit ergänzendem Material eine allgemeinere Darstellung als die vom historischen Charakter bestimmten, vollen Sälen des Louvre erlauben. Zugleich schwebt ihm die praktische Ausbildung von Studenten der École du Louvre und Universitäten vor. Neue Sehgewohnheiten und Medien gelten ihm als Ausweis eines intermedialen Primats des Dokumentarischen. Vor allem der Erfolg von Publikationen im Bereich der zeitgenössischen Kunst zeige das Bedürfnis des Publikums nach ausführlicher Information über ausgestellte Werke. 54 Zwar gäbe es mit den »Dossiers« im Louvre den Versuch, darauf zu reagieren. In den Sälen des ersten Stocks des Palais de Tokyo aber könnte die sehr wünschenswerte »weitgehende Verallgemeinerung« einer »systematischen Entwicklung solcher Präsentationen« realisiert werden, da keine architektonischen Eingriffe notwendig seien und sie »mühelos« länger oder kürzer werden könnten. 55 Auf vielfältige Weise könne so der pädagogische Aspekt in den Vordergrund treten. Möglich wäre, dass verschiedene Techniken oder Handwerke präsentiert werden oder
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eine große Periode, Schule, Bewegung oder das Gesamtwerk eines Künstlers. Durch Sammlungen des Louvre könnten ein Genre wie Portrait oder Landschaft, oder ein bestimmtes ikonografisches oder historisches Thema verhandelt und verstreute Sammlungen und Ensembles zusammen präsentiert werden. Nach dem Beispiel amerikanischer Universitätsmuseen sollen Studenten unter Anleitung der Kuratoren auf solchen »Baustellen« die »praktischen Arbeiten« erlernen. Weiterhin sieht Laclotte ein großes Interesse in der Organisation von Ausstellungen über Restaurierung und wissenschaftliche Analysen – er verweist auf den Publikumserfolg der kurz zuvor im Petit Palais in Avignon vorgestellten Restaurierung der Sammlung Campana – sowie in Ausstellungen, die besonders für Kinder konzipiert seien, wie es sie in anderen Museen schon gäbe. 56 Ein solches Museum wäre »weltweit einzigartig«. 57 In einer zweiten Notiz hält Laclotte zudem fest, dass eine Unterbringung der Restaurierungsateliers im Palais de Tokyo alle Platzprobleme im Louvre lösen könnte. 58 Die Projektskizze von Michel Laclotte enthält schon alle Grundzüge des Musée d’Art et d’Essai. Dieses realisierte allein von 1978 bis 1984 über vierzig Ausstellungen, die zum Teil ein Jahr oder länger, aber überwiegend im Turnus von sechs Monaten gezeigt wurden (Abb. 94). 59 Es bespielte nahezu alle Bereiche des Palais de Tokyo. Die Ausstellungen zeigten neueste archäologische Entdeckungen60 oder waren jüngsten Forschungsergebnissen zu einem Künstler 61, einer Bewegung, einer Periode 62, einem bestimmten Thema63 oder einer Technik 64 gewidmet oder erhoben neue Herangehensweisen65 zum Konzept.66 Im Frühjahr 1984 gab es keine neuen Ausstellungen. Ab Ende 1984 zeigte man unter anderem eine Ausstellung der Schenkung Arï und Suzanne Redon und eine zu Toulouse-Lautrec: La baraque de la Goulue. Die letzten Ausstellungen ab Ende 1985 bis Frühjahr 1986 waren Sculptures françaises du XIVème siècle, Victor Hugo et la photographie: l’atelier de Jersey und Le Gamin de Paris. Das Programm wurde gut angenommen. So schrieben die Nouvelles Littéraires von einem »Louvre didactique«, mit dem die Musées nationaux einen großen Schritt nach vorne getan hätten. Da sich das Musée d’Art et d’Essai nicht nur an ein vorgebildetes Publikum richtet, wird es als eine überfällige »Demokratisierung der Kunst« gelesen. 67 Auch die Frankfurter Allgemeine brachte eine Rezension. Das Palais de Tokyo wird als »pathetische Hochburg der Modernität« gesehen, in die endlich ein vielseitiges Programm einzöge, vom 19. Jahrhundert bis zu den im Louvre vernachlässigten Schulen des Barock: »Seitdem das Musée d’Art Moderne ins Beaubourg umgezogen ist, findet der ParisBesucher im riesigen Ausstellungsgebäude des Palais de Tokyo eine Art Übungsgelände der französischen Staatssammlungen. [...] Man sieht hier all das, was im Louvre keinen Platz gefunden hat und was einmal im größten Projekt der nächsten Jahre, im Museum des 19. Jahrhunderts, im einstigen Bahnhof von Orsay, untergebracht werden soll. Dies Spielfeld dehnt sich aber noch weiter auf die Kunstgeschichte aus. So
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94 Palais de Tokyo – Musée d’Art et d’Essai, Ausstellung Pour le XVIIème siècle Italien, Dauerhängung März 1978–1984, Dokumentationsansicht des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
hat sich hier mitten in der pathetischen Hochburg der Modernität ein Stück Louvre breitgemacht: mit jenen Schulen des Barocks, die im Stammhaus am Wege liegengeblieben und die im letzten Jahrzehnt neues Interesse nicht zuletzt von ihrer rhetorischen Seite als Kunst sinnlicher Agitation und raffinierter Glaubenspropaganda im Zeitalter der Gegenreformation fanden.« 68 Das Musée d’Art et d’Essai wird als fehlendes Verbindungsstück im »gerissenen Film« der Pariser Museen gesehen. Mit Walter Benjamins Wort von »Paris, Capital du XIXème siècle« wird thematisiert, dass die »Hauptstadt« des letzten Jahrhunderts diesem bisher unentschlossen gegenüberstand.69 Auch der Kunsthistoriker André Chastel hoffte, dass das Museum als »Petit Louvre« im Palais de Tokyo bleiben werde, denn es komplettiere einen erwarteten, aber mit dem Auszug des Finanzministeriums aus dem Flügel an der Rue de Rivoli noch verzögerten »Grand Louvre«. 70 Und im Herbst 1978 schrieb Le Monde, es sei noch nie so angenehm gewesen, das Palais de Tokyo zu betreten. 71 Auch die Fachpresse begrüßte das neue Museumsformat. Das Burlington Magazine lobte die Vielseitigkeit des »kind of educational museum attached to the Ecole du Louvre«. 72 In der sozialgeschichtlichen Fachzeitschrift Le Mouvement Social lobte man die erschwinglichen Cahiers du Musée d’Art et
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d’Essai, besonders aufgrund der Hinweise zur sozialen Konzeption der Werke, und dass die thematischen Ausstellungen auch dazu ansetzten, »les arts longtemps qualifiés de mineurs ou industriels« zu rehabilitieren. 73 Die Ausstellungen waren verhältnismäßig gut besucht. Die Besucherstatistik wurde genau erfasst, ebenso wie die wöchentlichen Verkaufszahlen der Publikationen. 74 Ende 1979 wurde eine Besucher- und Marketing-Studie durchgeführt. Diese kam zum Ergebnis, das Musée d’Art et d’Essai erfülle nahezu die Funktion eines Kulturzentrums für Kunstgeschichte, ähnlich der des Centre Pompidou für zeitgenössische Kunst: »Il est le lieu où des non-professionnels (étudiants ou public motivé) trouvent une réponse aux questions d’histoire de l’art qu’ils se posent. Le domaine couvert est vaste tant par les époques concernées [...] que par les préoccupations couvertes (avant, pendant et après la création de l’œuvre d’art). Une telle définition se rapproche de celle d’un centre culturel consacré à l’histoire de l’art. Il est intéressant de constater que le centre Beaubourg, historiquement lié au Palais de Tokyo a également un positionnement de centre culturel (celui de l’époque contemporaine) où tout un chacun peut trouver réponse à ses questions [...].«75 Diese Position berge Risiken, da dem Museum Mittel eines Kulturzentrums fehlten wie eine Bibliothek und es bestehe die Gefahr, ein zu eng gefasstes Themenfeld zu bespielen und damit ein Ausstellungshaus zweiten Ranges zu sein. Dagegen berge es Vorteile, da es ein ernstes Programm fahre, einen reißerischen »tape-à-l’œil« vermeide und damit ein treues Publikum halte, und mit dem wechselnden Programm mehrfache Besuche ermögliche. Außerdem seien Kulturzentren gerade angesagt: »Les centres culturels et les expositions sont ›dans le vent‹.« Negativ vermerkt die Studie, dass dem Museum ein Image fehlt und die Säle im Verhältnis zu ihrer Größe wenig frequentiert seien. Orientierungsschwierigkeiten der Besucher werden angesprochen. Zwar steche die exzellente Qualität des didaktischen Materials hervor, aber nur einer von zwei Besuchern ist wiederkehrender Besucher und der niedrige Eintrittspreis sei dem Image abträglich. Die Befragung sei aber nicht repräsentativ und die Probe zu klein, um statistisch befriedigend zu sein. 76 Interessant ist auch die Ausführung dieser Studie zum Namen: Die Bezeichnung als »Palais de Tokyo« habe sich noch nicht durchgesetzt wie etwa der Eiffelturm und die asiatisch angefärbte Vokabel »Tokyo« verwirre die Außenwahrnehmung.77 »Musée d’Art et d’Essai« sei in der Presse präsenter, aber das Gesamtmarketing müsse auf die Annexe des MNAM mit Schenkungen und die Sammlungen des Postimpressionismus abgestimmt werden. Das Museum solle sich als Kulturzentrum der »ganzen« Kunstgeschichte von Beaubourg abgrenzen und vielleicht sogar eine »cinémathèque des audio-visuels« einrichten. 78 Am Ende gibt es noch eine Erinnerung: »N.B.: Ne pas oublier que le premier des media est le musée.«79
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95 Palais de Tokyo, Ausstellung Le Nouvel Opéra de Paris à la Bastille, 1983–1984: »1875 – Paris inaugure son Opéra, unique au monde. 1983 – Le Président de la République désigne parmi 756 projets le Nouvel Opéra de Paris«, Dokumentationsansicht des Museums, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Das Musée d’Art et d’Essai verzeichnete ab 1978 zunächst einen Anstieg der Besuche von 115.652 auf 209.598 im Jahr 1982, wobei eine deutliche Zunahme von 1981 mit 163.870 Besuchern auf die Zahl 1982 durch Einführung des kostenfreien Eintritts am Mittwoch zu erklären ist. 80 Danach fielen die Zahlen zunächst leicht bis 1983 und 1984, um 1985 wieder zu steigen. 81 Der geringfügige Rückgang von 1982 auf 1983 wurde damit erklärt, dass vom 16. Oktober bis 30. November 1983 alle Ausstellungen zeitgleich endeten und geschlossen wurden. Am 30. November aber sei eine neue Ausstellung eröffnet worden sowie drei Tage später eine Ausstellung über das neue Projekt zur Opéra-Bastille, was zu steigenden Besucherzahlen führte, ebenso wie eine Plakatkampagne im September und Oktober 1983. Man zieht Konsequenzen: »Conclusion: – Il est souhaitable que dans l’avenir on puisse maintenir le chevauchement des expositions. – Un effort de publicité, par affiches ou sous toute autre forme, paraît indispensable.« 82 Die neue Opéra Bastille (1989), deren Bau an Stelle des 1984 abgerissenenen Bahnhofes Paris-Bastille Präsident François Mitterand 1982 beschlossen hatte, wurde mit den Projekten des Architekturwettbewerbes, zu dem es insgesamt 756 Einreichungen
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gab, im Obergeschoss des Palais de Tokyo der Öffentlichkeit präsentiert (Abb. 95). Die Ausstellung vom 3. Dezember 1983 bis 22. Januar 1984 zeigte das Siegerprojekt von Carlos Ott, eine Auswahl der ausgezeichneten Entwürfe und Kurzpräsentationen der hunderte weiteren Kandidaten, eine Rückschau auf die Opéra Garnier und audiovisuelle Elemente. 83 Eine »symphonie d’opéras« von Claude Prey mit Aufnahmen aus einer Vielzahl von Werken wurde gespielt und mit Material der Bibliothèque nationale, der Bibliothèque de l’Opéra, des Musée de l’Affiche, der Zeitschrift Opéra International und anderer Opernhäuser eine Ausstellung zur Operngeschichte gezeigt. 84 Das Ende des Musée d’Art et d’Essai aufgrund des Projekts der Maison de l’Image ab 1985 löste bei den Kuratoren der staatlichen Museen Bestürzung aus. In einer Sitzung, an der unter anderen Michel Laclotte, Michel Hoog und der Directeur des Musées teilnahmen, verlas Laclotte einen Text der Abteilungsleiter des Louvre an den Kulturminister, der anschließend einstimmig angenommen wurde. Darin wird die Entscheidung des Ministers ausdrücklich nicht in Frage gestellt, aber um Räume im Palais de Tokyo für das erfolgreiche Museum ersucht. Angehängt ist die Kopie eines Schreibens der Association Générale des Conservateurs des Collections Publiques de France an den Kulturminister, das Sorge um die Zukunft des erfolgreichen Museums ausdrückt. In ihrer Versammlung am 31. Januar 1985 forderten sie, dass so schnell wie möglich neue Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden, um die Arbeit dieses »unvergleichlichen Instruments museografischer Forschung« fortzusetzen. 85
»UNE VITRINE PRESTIGIEUSE« FÜR DIE ERSTEN STA ATLICHEN FOTO -INSTITU TIONEN: DIE MAISON DE L A PHOTOGR APHIE , 1984 –1993 Ein staatliches Engagement für Fotografie, das 1984 zum Centre National de la Photographie führte, begann erst in den 1970er Jahren. Ganz neu allerdings war die Idee einer staatlichen Förderung der Ausstellung von Fotografie nicht. In Vergessenheit geraten zu sein scheint, dass schon 1933 der Fotograf Henri Manuel dem Directeur des Beaux-Arts und dem Bildungsminister ein Fotografie-Museum in Paris vorschlug. Es sei nicht länger hinzunehmen, dass die Vernachlässigung der Fotografie durch die öffentliche Hand ein solches Museum in Frankreich, dem Ort der Erfindung der Fotografie, verhindere. 86 Manuel unterhielt seit 1900 ein großes Fotohaus mit Agentur und arbeitete in den 1930er Jahren mit zahlreichen Zeitschriften zusammen. 87 Er hatte die Idee, dass sich ein Foto-Museum aus den Reproduktionsrechten der Kunstwerke in Staatsbesitz finanzieren sollte und schlägt im Schreiben an den Kulturminister auch genaue Summen für Reproduktionen in französischen und internationalen Publikationen vor. 88 Die Reproduktionsmöglichkeit, die sich mit dem neuen Medium ergab, hätte damit zur Anerkennung der Fotografie als Kunstform beigetragen. Manuel wollte alle Samm-
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lungen der staatlichen Organismen auf dem Gebiet der Fotografie – er nennt die Bibliothèque nationale, die Archives photographiques, das Musée des Arts et Métiers – in diesem Museum konzentrieren. 89 Die Idee wurde in der Folge in der Direction des Beaux-Arts studiert. Weitere Korrespondenz mit Henris weniger bekanntem Bruder Gaston, der zusammen mit Lucien Manuel seit etwa 1913 das Studio G. L. Manuel frères betrieb90, brachte auch die Idee der zusätzlichen Ausstellung der technischen Entwicklung von Fotoapparaten bis zum Film. 91 1934 war Henri Manuel weiter im persönlichen Austausch mit Directeur des Beaux-Arts Georges Huisman über ein »Musée Central de la Photographie« mit einem »Institut pratique de Photographie«. Auch Gaston hatte sich mehrere Jahre mit dem Projekt befasst und dem Directeur des Beaux-Arts Paul Léon 1932 einen Bericht vorgelegt. 92 1938 schreibt er erneut an Huisman, um im Projekt einer Vereinigung aller Fototheken in einem zentralen Museum seine Dienste anzubieten. 93 Offensichtlich ist das Projekt des Museums in der Direction des Beaux-Arts aber kaum weiterverfolgt worden. Man warte ab, bis finanzielle Instanzen dazu bereit seien. 94 Henri Manuel hakt im April 1938 noch einmal beim Kulturminister Jean Zay direkt nach, und im November 1938 wendet sich Jacques Chevojon, der Präsident der Chambre Syndicale Française de la Photographie et de ses Applications, in einem von einer Delegation überreichten Schreiben an Zay, um die Schaffung des Museums zur Bewahrung der Sammlungen unter der Aufsicht großer Vereinigungen wie der ihren anzuregen. 95 Auf ein letztes Schreiben von Gaston Manuel vom 23. Januar 1939 antwortet der Directeur des Beaux-Arts, für die Gründung neuer Institutionen fehle das Geld. 96 Damit trägt ein vor dem Zweiten Weltkrieg umrissenes Projekt schon die Grundzüge der später im Palais de Tokyo verfolgten Politik des Kulturministeriums, an einem Ort alle staatlichen Aktivitäten und Sammlungen auf dem Gebiet der Fotografie zusammenzuführen und dem auch den Film beizuordnen. Das dann wohl schon längst vergessene Beispiel zeigt, wie lange schon ein staatlicher Einsatz für das fotografische Kulturerbe angemahnt wurde. Es sollte ein halbes Jahrhundert vergehen, bis das Centre National de la Photographie im Palais de Tokyo Gestalt annahm und als innovativ gelten konnte. Außer der Bibliothèque nationale, die ausgewählte Fonds wie den von Nadar kaufte, sammelte kaum eine Institution systematisch Fotografie. Erst mit der Préfiguration Orsay begann man eine Fotosammlung des 19. Jahrhunderts aufzubauen; das MNAM sammelte erst im Centre Pompidou Fotografen des 20. Jahrhunderts, und erst 1985 richtete Dominique Bozo ein Ankaufsbudget für Fotografie ein. 97 Ab 1984 wurden alle Aktivitäten des Kulturministeriums im Bereich der Fotografie im Palais de Tokyo als Maison de la Photographie zusammengeführt, das dem Projekt des Palais de l’Image zeitlich etwas vorgelagert ist. Die Fotohistorikerin Gaëlle Morel führt die chaotische Institutionalisierung auf die unscharfe Identität des Mediums zwischen Funktionalität und bildender Kunst zurück. 98 Die Institutionalisierung staatlicher Strukturen seit den 1970er Jahren vollzieht auch eine Anerkennung der kulturellen Funktion und eines Autorenbewusstseins für die Fotografie, wie ihres Marktes. 99 1976
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wurden aus Mitteln des Centre National de la Cinématographie, das lange die Autorenrechte der Fotografen verwaltete, ein eigenes Budget und ein Service de la Photographie eingerichtet.100 Dieser richtet zunächst in Lyon die Fondation Nationale de la Photographie ein, die Ausstellungen und Kataloge realisierte, Stipendien vergab und eine Sammlung auf baute. Damit sind zunächst Kulturerbe und zeitgenössische Produktion, künstlerisches Schaffen und Gebrauchsfotografie vereint.101 1980 aber wird der Service de la Photographie aufgeteilt in zwei Dienste: Die Mission du patrimoine photographique ist zuständig für Schenkungen wie die des Fotografen Jacques Henri Lartigue, der dem Staat 1979 sein Gesamtwerk schenkte, sowie Subventionen für Organismen in der Provinz.102 Daneben entsteht eine neue Mission de la Photographie unter Leitung von Agnès de Gouvion Saint-Cyr, zuständig für zeitgenössische Fotografie, Ausbildung und die juristische und materielle Situation der Fotografen.103 Parallel organisiert die von der Stadt Paris subventionierte Vereinigung Paris Audiovisuel 1980 die erste Ausgabe der Biennale Mois de la photo, die in der Folgezeit unter Beteiligung der staatlichen Stellen wichtige Impulse setzt.104 Nach dem Wahlsieg des Sozialisten François Mitterand 1981 erfährt unter dem neuen Kulturminister Jack Lang Fotografie deutlich mehr Förderung. Lang berief im Sommer 1981 die sogenannten États généraux de la photographie ein. Unter Vorsitz der schon erwähnten Gisèle Freund, die im selben Jahr auch das offizielle Fotoportrait des Präsidenten aufnahm, entwarfen zentrale Akteure eine Arbeitsplattform für die Kulturpolitik des Staates auf dem Gebiet der Fotografie mit den Achsen »création, diffusion et animation«.105 1982 verkündet Jack Lang die Gründung des Centre National de la Photographie. Dort werden die Mission pour le patrimoine photographique und die Mission pour la Photographie vereint, womit das Palais de Tokyo zum größten der Fotografie gewidmeten Gebäude der Welt wird, »l’édifice le plus vaste du monde consacré à la photographie«.106 Das CNP wird dem Fotografieexperten und Verleger Robert Delpire anvertraut, der es von 1983 bis 1996 leitet, sein Nachfolger bis 2004 ist Régis Durand. Es soll von den Anfängen des Mediums bis hin zu zeitgenössischen Fotografen ausstellen. Es untersteht administrativ der Délégation aux Arts plastiques (DAP) im Kulturministerium. Die Mission pour la photographie bleibt zuständig für die zeitgenössische Fotografie, kontrolliert die Ankäufe des Staates und vergibt Fördersubventionen. Die Mission pour le patrimoine photographique wiederum untersteht weiter der Direction du Patrimoine und hat dementsprechend einen Fokus auf das Kulturerbe. Ihr sind die staatlichen Archives photographiques angegliedert. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, Schenkungen von Fotografen zu betreuen, auszustellen, öffentliche Aufträge zu vergeben sowie Konferenzen und Recherchen zur Geschichte der Fotografie zu initiieren. Dazu wird 1982 die Association française pour la diffusion du patrimoine photographique (AFDPP) ins Leben gerufen, die Schenkungen von Fotografen annimmt.107 1982 werden die regionalen Fonds Régionaux de l’Art Contemporain FRACs nach dem Vorbild des FNAC ins
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Leben gerufen, die auch Fotografie sammeln. 1985 wird Fotografie offiziell als schöpferisches Werk anerkannt, die DAP dehnt ab 1987 Fördermittel für Ateliers und solche, die sie für eine erste Ausstellung in einer Galerie vergibt, auf Fotografen aus, denen seit 1990 auch Ateliers zugeschrieben werden dürfen. Seit 1987 schließen die Mittel für öffentliche Aufträge auch Fotografie ein.108
DAS CENTRE NATIONAL DE L A PHOTOGRAPHIE Im Palais de Tokyo hatte das CNP seine Räume im tiefer gelegenen Rez-de-Chaussée bas. Die Mission pour le patrimoine photographique nutzte die Reserven und erhielt später eigene Ausstellungsräume.109 Pläne für die vorläufige Einrichtung des CNP wurden vom Architekten Thierry Claude Ende 1983 erstellt. Das CNP ging direkt von der großen Haupttreppe ins Untergeschoss ab, in der Rotunde gab es mobile Ausstellungsblocks und davon abgehend einen Projektionssaal und kleinere Nebensäle.110 Die Umbauarbeiten konnten zum 23. Januar 1984 beginnen.111 Koordinator der Maison de la Photographie beziehungsweise des Palais des Images war von 1984 bis 1988 Jean Gründler.112 Die Maison de la Photographie sollte den Hauptteil der Räume im Rez-deChaussée bas und einen Teil des Kellers mit Dauer- und Wechselausstellungen, Fotokartei und einer Fotoschule belegen. Als Eröffnungstermin für diese »vitrine prestigieuse« wurde Anfang 1988 ins Auge gefasst.113 Schon vor dem Umbau wurden auf Wunsch des Ministeriums Ausstellungen gezeigt, wie im Juni 1985 die Schenkung Willy Ronis, die erste, die die Mission pour le patrimoine photographique entgegennahm. Die Rotunde zeigte die Ausstellung Métropolis der Cinémathèque und FÉMIS und in drei weiteren großen Räumen stellte die Biennale de la Jeune Photographie aus. Das CNP selbst zeigte französische und internationale zeitgenössische Fotografen.114 Von seiner erfolgreichen Publikationsreihe Collection Photo Poche erschienen allein von 1984 bis 1991 an die 60 Titel.115 Unter der Leitung von Robert Delpire entstanden von 1983 bis 1996 insgesamt 150 Ausstellungen; bis zur Auflösung der Trägervereinigung im Jahr 2004 sollten es 241 werden.116 Die erste im Palais de Tokyo war eine große Ausstellung von Fotografen unter 30 Jahren.117 Für das Programm des CNP prägte Robert Delpire den Konzeptbegriff der »photographie d’expression« – Ausdrucksfotografie. Er lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass sich Fotografen im eingefangenen Sujet ausdrücken.118 Der Begriff ist so einfach wie produktiv, gelingt damit doch die Integration von Dokumentations- oder Gebrauchsfotografie und »künstlerischer«. Die künstlerische Qualität wird nicht an der technischen Handhabung des Mediums abgelesen. Passend dazu wurden die fertigen Räume im Palais de Tokyo mit zwei Ausstellungen eröffnet, die den Bezug der Fotografie zur Malerei thematisierten, Contiguïtés: »de la photographie à la peinture«, über die Aneignung
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96 Centre National de la Photographie, Palais de Tokyo: Blick in die Ausstellung William Klein: Le Commun des Mortels, 1986–1987
der Fotografie in der zeitgenössischen Kunst und Regards sur l’art mit Aufnahmen, die Menschen bei der Betrachtung von Kunstwerken zeigen.119 Delpire ist auch einer der Kuratoren, die sich positiv über die Architektur des Palais de Tokyo äußern. Im Rückblick sieht er sie als Herausforderung, die zu intelligenten szenografischen Lösungen führte wie 1986–1987 für William Kleins Ausstellung Le Commun des Mortels, als sich eine Bilderschlange mit überlebensgroßen Gruppenportraits um die Säulen der Rotunde wand (Abb. 96): »J’ai toujours aimé concevoir et installer des expositions. Et le Palais de Tokyo était un bâtiment rêvé pour un scénographe.«120 Weitere erste Ausstellungen im Palais de Tokyo waren im Sommer 1984 eine Retrospektive des Magnum-Fotografen René Burri und eine Schau des italienischen Cineasten Maselli, der sich in Polaroids über mehrere Stunden hinweg während seines Schlafes selbst fotografierte.121 Danach folgte vom 28. Juni bis 3. September eine Ausstellung Claude Carolys, während die beiden ersteren verlängert wurden bis zum 3. September.122 Vom 25. September 1984 bis zum 12. November 1984 wurde Bruce Davidson gezeigt,
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mit einer Retrospektive seiner Arbeiten in Schwarz-Weiß und seiner Serie über die New York U-Bahn (1980–1983). Parallel lief im Rahmen der von den Éditions Autrement und Le Monde organisierten Journées Jeunes Créateurs eine Gruppenausstellung mit Jane Evelyn Atwood, Quentin Bertoux, Mary-Ann Parkinson, Antoine de Roux und Didier Sorbé.123 Daran schloß sich ab dem 21. November eine große Ausstellung von Raymond Depardon und eine Ausstellung Collection Andreas Brown: Des cartes postales américaines an; es folgten die Ausstellungen L’identité photographique über die Geschichte der Identifizierungsfotografie und eine Retrospektive des amerikanischen Fotografen und späteren Filmemachers Robert Frank mit seinen Aufnahmen aus den 1950er Jahren.124 Bei diesen Ausstellungen handelt es sich um Beteiligungen der Délégation aux Arts plastiques. Neben solchen monografischen Ausstellungen widmete sich das CNP auch kunsthistorischen Themenstellungen. Die Ausstellung Temps d’un mouvement betrachtete 1987 den fotografischen Augenblick und das Einfangen von Bewegung und Gesten im Moment.125 Photographie / Sculpture fragte 1992 nach historischen Gemeinsamkeiten der künstlerischen Praxis von Bildhauerei und Fotografie um ihr Verhältnis in der Gegenwartskunst seit 1970 zu beleuchten.126 Das CNP produzierte auch Audiovisuelles wie etwa 1991 bis 1992 sechzig einminütige Kurzfilme, Une minute pour une image, für den Sender FR3: Eine Geschichte der Fotografie von 1826 bis 1983, die von einer Ausstellung begleitet wurde.127 Schon einmal war das Konzept 1983 von Agnès Varda, die es dem CNP und FR3 vorschlug, realisiert worden. Bekannte Persönlichkeiten wie Varda, Robert Doisneau, Christian Caujolle und Samia Saouma erstellten Serien von 15 Fotos, die jeweils ein »album imaginaire« bildeten und bei der Ausstrahlung von »normalen« Personen kommentiert wurden. Varda wollte das Bild »traumartig« zeigen: »Une par jour, assez tard pour qu’elle se pose dans la tête à une heure proche du sommeil... 80 à 90 secondes (c’est-à-dire une minute-papillon-je rêvasse). [...] En tant qu’ex-photographe et cinéaste fascinée par les effets de la parole sur l’image, j’ai pensé à proposer ›chaque photographie comme un lieu de rêverie‹; il m’a semblé qu’un peu de silence et qu’une voix communiquant des impressions personnelles chatouilleraient l’imaginaire de tout un chacun.«128 Auf eine Idee von William Klein hin realisierte man von 1988 bis 1990 mit dem TVPartner La Sept/Arte auch 8 Filme der Serie Contacts, die unter Régis Durand ab 1997 bis 2003 mit Arte France/ KS Visions in 22 Ausgaben fortgesetzt wurden.129 Darin stellten Fotografen 15 Minuten lang die »Kontaktabzüge« mit 36 Einzelbildern einer Filmrolle vor, die ihnen am repräsentativsten für ihre Arbeit erschienen.130 Ab 1991 organisierte das CNP landesweit auch das vom Staat als größte Fotografieausstellung in Frankreich konzipierte dreitägige Festival Photofolie nach dem Vorbild der seit 1981 existierenden Fête de la Musique.131
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DIE MISSION POUR LE PATRIMOINE PHOTOGRAPHIQUE Um Ausstellungen im Palais de Tokyo zu organisieren, befand sich die Mission pour le patrimoine photographique oft zwischen den Stühlen. Die Anfrage für eine Ausstellung der Schenkung Ronis im April–Mai 1985 im Obergeschoss beschied Michel Hoog zunächst negativ, da diese Räume bis zu den Umbauarbeiten für die FÉMIS frei gehalten werden sollten. Man solle lieber im Rez-de-Chaussée bas bei Herrn Gründler vom CNP nachfragen.132 Laut Schenkungsvereinbarungen hätte die Ausstellung vor Ende 1984 gezeigt werden müssen, aber dies war aufgrund der Unverfügbarkeit des zunächst anvisierten Musée du Luxembourg nicht möglich.133 Für Willy Ronis par Willy Ronis vom 18. Juni bis 23. September 1985 traf der Künstler selbst eine Auswahl von 150 Aufnahmen seines Werks, das er am 16. Juni 1983 dem Ministère de la Culture geschenkt hatte.134 Das Beispiel zeigt, welche Herausforderungen die Nutzung des Palais de Tokyo durch die verschiedenen Einrichtungen mit sich brachte, die immer wieder neue Nutzungsvereinbarungen schließen mussten.135 Als 1985 die Überlassungsvereinbarung an das CNP erneuert wurde, konnten dort auch die neue Maison de l’image und die Mission pour le patrimoine photographique Ausstellungen beantragen.136 Immerhin ließ man die Idee getrennter Kassen wieder fallen. Daneben nutzten die Direction des musées de France (DMF) und die Réunion des musées nationaux (RMN) das Palais de Tokyo, wie auch die Biennale de la Photographie. Die RMN war für die Anstellung von Wachpersonal zuständig, die DMF und die RMN übernahmen zudem Kosten wie Heizung und Beleuchtung. Die Situation stellt sich damit als eine stete organisatorische und logistische Herausforderung dar. Der Association française pour la diffusion du patrimoine photographique, die für die Ausstellungen der Mission zuständig war, wurden 1985 Bereiche im Rez-de-Chaussée bas zugewiesen. Auf die Ausstellung von Willy Ronis folgten dort ab November 1985 die Ausstellung Architectures-Photographies der DATAR Délégation interministérielle à l’aménagement du territoire et à l’attractivité régionale mit Auftragsfotografien von Arbeiten an Bauwerken, die vom Kulturministerium finanziert wurden137 und von Februar bis April 1986 eine Ausstellung des berühmten Illustrators André François (1915–2005).138 Parallel zeigte das CNP Robert Capa (Februar–März 1986).139 Die Mission arbeitete auch international. So wurde etwa 1991 die Ausstellung La Photographie au Bauhaus vom Bauhaus-Archiv Berlin übernommen, die zuvor dort, in der Kunsthalle Tübingen, im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg und in der Stiftung für konstruktive und konkrete Kunst Zürich zu sehen war.140 Im Zuge der Umgestaltung zum Palais de l’Image verließ das CNP 1993 das Palais de Tokyo zunächst vorübergehend. Es wurde in den – unzureichenden – Räumen der Fondation Nationale des Arts Graphiques et Plastiques im Hôtel Salomon de Rothschild untergebracht. Die Mission pour le patrimoine photographique stellte ab 1994 im Hôtel de Sully im Marais aus.141 Im März 1993 entschied Jack Lang, dass das Palais de Tokyo
463 | »Une vitrine prestigieuse« für die ersten staatlichen Foto-Institutionen
fortan nur noch dem Film gewidmet sein solle. Die staatlichen Maßnahmen auf dem Gebiet der Fotografie wurden durch diese räumliche Verteilung und durch den Abschied von Robert Delpire als Direktor des CNP 1996 geschwächt. Sein Nachfolger wird Régis Durand, Kunstkritiker, Inspecteur de la création artistique und künstlerischer Leiter des Fotofestivals Printemps de Cahors. Unter seiner Leitung wurde die zeitgenössische Fotografie bevorzugt. Dem CNP erwächst 1996 Konkurrenz mit der in einem Hôtel particulier im Marais eröffnete Maison européenne de la Photographie (MEP) unter Leitung von Jean-Luc Monterosso, dem früheren Leiter des Mois de la Photo. Sie wird von der Stadt Paris gefördert und auch das von Anne Cartier-Bresson geleitete Fotorestaurierungslabor kommt dort unter. Nun ist es die MEP, die – im Gegensatz zum Staat – an einem Ort sowohl zeitgenössische Produktion als auch fotografisches Kulturerbe vereint.142 2004 wurde dann auf Entscheidung des Kulturministers Jean-Jacques Aillagon die Association patrimoine photographique, Nachfolgerin der Association française pour la diffusion du patrimoine photographique seit 1999, mit dem CNP und der seit 1991 als Ausstellungsort für moderne und zeitgenössische Kunst geführten Galerie Nationale du Jeu de Paume fusioniert, woraus das heutige Ausstellungshaus Jeu de Paume hervorging.143 Präsident des Jeu de Paume ist seither Alain Dominique Perrin, ehemaliger Präsident von Cartier von 1975 bis 1988 und Gründer der Fondation Cartier pour l’art contemporain. Direktor des Jeu de Paume ist von 2004 bis 2007 Régis Durand, gefolgt von Marta Gili. Die Aufgabe des Jeu de Paume ist die Ausstellung visueller Kultur des 20. und 21. Jahrhunderts. Man kann in dieser Gründung eine »Rationalisierung« der Kulturpolitik und ein Wiederanknüpfen an die ursprüngliche generalistische Idee des CNP im Palais de Tokyo sehen.144 Die fotografischen Archive und Fonds der Association patrimoine photographique wurden 2004 in die Médiathèque de l’Architecture et du Patrimoine im Fort Saint-Cyr in Saint-Quentin-en-Yvelines bei Paris überführt.145 Dem Jeu de Paume obliegt die Aufgabe, sie zugänglich zu machen und bis 2006, als diese an die RMN überging, auch die der kommerziellen Verwertung. Gilles Walusinski, Fotograf und Autor, der ab 2001 Präsident der Association patrimoine photographique war und seit 1981 dem Aufsichtsrat der Vorgängervereinigung AFDPP angehört hatte, kritisierte 2014 die Fusion von 2004 und die seither mangelnden Bemühungen des Jeu de Paume um die Schenkungen.146 Schon lange habe sich die Vereinigung mehr den Ausstellungen als der stets prekären Frage der Konservierung der photographischen Archive gewidmet. Er selbst habe die Originale nach seiner Wahl ins Fort Saint-Cyr überführen lassen. Er betont, dass die Originalität gerade darin bestanden habe, die Fonds auszustellen und gleichzeitig zu gleichen Teilen zugunsten der AFDPP und der Rechteinhaber zu verwerten. Mit der Fusion mit dem Jeu de Paume sei aber die Vereinigung verschwunden, die sich primär um diese Bewahrung kümmerte, während sich das Jeu de Paume, mehr der zeitgenössischen Kunst zugeneigt, dieser Aufgabe wenig widme. Es fehle seither an einer engagierten Strategie für die Sammlung und Bewahrung des fotografischen Erbes.
464 | Das poröse Museum
»BILDUNG DURCH BILDER«: EIN BILDER-PAL A ST FÜR FOTO UND FILM MIT CINÉMATHÈQUE UND FÉMIS, 1984 –1998 Neben dem CNP avancierte die Cinémathèque française zum Kernbestandteil der Nutzungsprojekte nach dem Musée d’Art et d’Essai. Schon 1974 im Zuge der Vorbereitung des Umzugs des MNAM in das neue Centre Beaubourg bestand ein enger Austausch mit der Cinémathèque. Der Vereinigung La Cinémathèque française wurde der Projektionssaal im 5. Stock des Centre Pompidou überlassen.147 Wie im Falle des CNP und der Idee eines Fotografiemuseums in den 1930er Jahren gibt es auch zur Einrichtung der Cinémathèque im Palais de Tokyo einen historischen Vorläufervorgang, der heute vergessen scheint. 1951 äußerte die Cinémathèque den Wunsch, einen Raum und den großen Konferenzsaal zwischen den beiden Flügeln vom MNAM zu übernehmen. Die Vereinigung der Konservatoren der staatlichen Museen lehnte dieses Vorhaben in einer Generalversammlung ab und bestätigte Jean Cassous Widerstand gegen die Pläne. Das MNAM sei ohnehin beengt und der Konferenzsaal für die pädagogische Arbeit des Museums und als Verbindung zwischen den beiden Flügeln unabdingbar.148 Den Wunsch der Cinémathèque bezeichnet man gar als »spoliation« – Beraubung, Enteignung.149 Die starke Wortwahl kann erstaunen, da im Falle der geplünderten Klaviere aus jüdischem Besitz während der Besatzungszeit in den Akten der Museumsverwaltung kein einziges Mal, auch nicht nach der Befreiung, die »spoliation« der Juden direkt benannt ist. »Spoliation« ist kein unkonnotierter Begriff, die Publikation der Dokumente über die Plünderungen der Nationalsozialisten durch Jean Cassou 1947 steht dafür. Den Begriff bewusst zu wählen heißt, einen Angriff auf die nationale Identität im Kunstmuseum zu evozieren. Die Cinémathèque zog nicht ins Gebäude. Als sie 1955 ihre Räumlichkeiten in der Avenue de Messine verlassen musste, unternahm Henri Langlois einen erneuten Vorstoß beim Directeur général des Arts et Lettres Jacques Jaujard und dem Directeur des musées de France Georges Salles um in einem Saal des MNAM das Musée du Cinéma einzurichten.150 Zeitgleich unterrichtete die DMF Jean Cassou über den Austausch. Die Akte bricht an dieser Stelle ab – und die Cinémathèque brachte ihr Museum nicht im Palais de Tokyo unter. Zumindest konnte Henri Langlois im Musée d’Art moderne de la Ville de Paris 1955 die große Ausstellung 300 Années de Cinématographie, 60 ans de Cinéma realisieren.151 Erst über dreißig Jahre später fasste die Cinémathèque im Palais de Tokyo Fuß, und Mitte der 1990er Jahre wird auch der Transfer des Musée Henri Langlois aus dem Palais de Chaillot ins Palais de Tokyo geplant werden. Die spätere Geschichte gibt dem Einwand der Museumskuratoren von 1951 jedoch Recht: Die Nachbarschaft von Institutionen, die von verschiedenen Verwaltungen abhängig sind, wird im Palais de Tokyo später zum Kernproblem des Projekts Palais des Images.152
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1984–1986: FOTO UND FILM, AUSSTELLUNG UND AUSBILDUNG IN DER MAISON DE L’IMAGE Ab 1984 und bis 1986 bestand das Projekt darin, die Maison de l’Image mit der Cinémathèque und einem Ausbildungszentrum zu erweitern. Eine gemeinsame Mediathek sollte Foto und Film verbinden.153 Bis Ende 1985 wurden die Schenkungen Rouault, Laurens und Dunoyer de Segonzac in das Centre Pompidou transportiert154, die Dation Picasso in das neue Musée Picasso und die Postimpressionisten ins Musée d’Orsay. Depots des FNAC und der DMF sollten bis 1988 freigemacht werden.155 Es folgten Kosten- und Programmstudien der Unterbringung der Cinémathèque, eines Ausbildungszentrums und einer Mediathek zur Maison de l’Image.156 Der erste bauliche Eingriff bestand 1985 in einem Beleuchtungskonzept des Architekten Pierre-Louis Faloci für die große Eingangshalle, das mit Laser, Spots, optischen Fiberkabeln und Schattenspielen auf die Fotografie-Ausstellungen einstimmen und das Thema »Bilder« visuell in Szene setzen sollte.157 Im Dezember 1985 und Januar 1986 wurden zwei Wettbewerbe ausgeschrieben. Das Obergeschoss sollte für die FÉMIS umgestaltet werden, und im Rez-deChaussée bas sowie unter dem Ehrenhof drei Kinosäle entstehen.158 Das Generalprogramm der Maison de l’Image – Palais de Tokyo wurde vom Architekten Jean-François Séris und der Psychosoziologin Geneviève Yvon im Mai 1985 vorgelegt.159 Es definiert die Funktionsbereiche von Cinémathèque, CNP und Institut National Supérieur du Cinéma et de L’Audiovisuel, der Mission du patrimoine photographique und des Service Photographique de la Délégation aux Arts plastiques. Die Cinémathèque sollte den größten Bereich belegen mit vier Kinosälen, ihrem Museum und ihren Archiven in der allen Institutionen gemeinsamen Mediathek, und an den Fotografie-Ausstellungen beteiligt sein.160 Das CNP sollte eine größere Fläche erhalten, seine Sammlungen in die Mediathek einbringen und sich an den pädagogischen Aktivitäten mit einer »École de tirage« beteiligen. Ein Institut National Supérieur du Cinéma et de L’Audiovisuel sollte im Palais de Tokyo um die 240 Studenten ausbilden. Die Mission pour le patrimoine photographique sollte neben ihren Ausstellungen in der Mediathek eine zentrale Fotografie-Kartei auf Videoscheiben (»vidéodisque«) aufbauen, der Service photographique der DAP seine Sammlungen zeitgenössischer Fotografie in einem eigenen Raum ausstellen. Hinzu kamen eine Cafeteria und eine Buchhandlung. Auf die ästhetische Erscheinung des Gebäudes von 1937 wird Rücksicht genommen, das Ambiente sollte sich in den »monumentalen« Räumen nach der gegebenen Architektur richten.161 2.280 Quadratmeter waren maßgeblich für vier Kinosäle mit 500, 180 sowie zweimal 100 Plätzen im Rez-de-Chaussée bas vorgesehen. Für Magazin, Labor und Konservierung waren jeweils Sonderflächen ausgewiesen.162 Die großen Ausstellungsflächen für Film und Fotografie mit 950 Quadratmetern und im Turnus gezeigte Sammlungen auf 600 Quadratmetern sollten sich im Rez-de-Chaussée bas befinden,
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das CNP weiter die Rotunde bespielen. Im Keller waren Ateliers und Reserven des CNP und der Mission du patrimoine photographique, die Foto-Schule und eine Werkstatt des Musée du Cinéma vorgesehen. Das Filmmuseum sollte das gesamte Rez-de-Chaussée haut bespielen auf 3.150 Quadratmetern. Bei der Lancierung des Projektes des Palais de l’Image 1986 wurde im Pressedossier besonders auf die bisherige Situation des Filmmuseums hingewiesen, das nicht die gesamte Sammlung zeigen könne. Es habe im Palais de Chaillot nur 50.000 Besucher jährlich, wo es 300.000 haben könne, was ein großer Erfolg zeige wie die Ausstellung Métropolis im Palais de Tokyo 1985, die auch in Belgrad, Turin, Reggio Emilia, Lausanne und Basel Station machte.163 Zu einer Zeit, als Paris seine führende Stellung als Kunstmarkt an New York abgetreten hat, tauchen erneut wirtschaftliche Argumente auf, nur handelt es sich nun um die Filmkunst: »Une telle augmentation confirme que le public français est le plus cinéphile du monde. La France et Paris sont le pôle incontesté de la culture cinématographique. Cette réalité doit s’incarner dans un lieu dont le rayonnement international bénéficiera à la création et à l’économie cinématographique française [...].«164 Die Mediathek sollte 3.800 Quadratmeter Fläche auf drei Ebenen erhalten.165 Die Filmhochschule sollte überwiegend im Obergeschoss 2.585 Quadratmeter belegen. Nur Aufnahmestudios, Labore sowie drei Ateliers sollten sich im Keller befinden und durch das südliche Treppenhaus mit dem Obergeschoss verbunden sein, das auch den Zugang zur Mediathek ermöglichte, die, wie die zwei kleineren Kinosäle, primär der Hochschule zur Verfügung stehen sollte. Ein Eingang in der Rue de la Manutention sollte den Studenten sowie den Schülern der Fotoschule vorbehalten sein. Im November 1985 wurde ein leicht reduziertes Generalprogramm vorgelegt. Dabei wurden für die ersten Elemente 44 Millionen Francs freigestellt, für drei Kinosäle mit 10,5 Millionen, 800 Quadratmeter eines vorläufigen Musée du Cinéma im Rez-deChaussée haut mit 5 Millionen, Büros mit 4,5 Millionen, Räume der Filmhochschule mit 14 Millionen, Abdichtung der Dachverglasungen mit 5 Millionen und gemeinsamen Bereichen mit 5 Millionen Francs.166
EINE NEUE FILMHOCHSCHULE: L A FÉMIS Jack Lang hatte am 11. September 1984 eine Kommission mit einer Studie über »L’enseignement des métiers du cinéma et de l’audiovisuel« beauftragt.167 Sie konstatierte in Frankreich eine Diskrepanz zwischen der Ausbildung in Fernsehen und Film und der Nachfrage in diesem Sektor sowohl im privaten als auch im öffentlichen Rundfunk.168 Während in der Erstausbildung jährlich etwa 120 bis 130 Personen ein Diplom oder einen gleichwertigen Abschluss erhielten, seien 300 bis 400 nötig, um knapp über ein Drittel der Nachfrage zu erfüllen. Daher sollte die neue Hochschule zum Oktober
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1986 ihre ersten Studenten begrüßen.169 Sie sollte das 1943 unter Vichy gegründete Institut des Hautes Études Cinématographiques IDHEC170 ablösen und die Ausbildung im Bereich Film und Fernsehen reformieren. Kulturminister Jack Lang verkündete die Schaffung des Palais de l’Image am 17. Februar 1986. Präsident und Generalsekretär der nun geplanten Filmhochschule Institut National de Formation aux Métiers de l’Image et du son INIS unter Leitung des Centre National de la Cinématographie CNC waren Jean-Claude Carrière und Jack Gajos. Dem pädagogischen Komitee gehörten auch der bedeutende Filmproduzent Daniel Toscan du Plantier sowie Milan Kundera und Louis Malle an.171 Die INIS und das IDHEC wurden noch 1986 in der FÉMIS fusioniert.172 Als europäische Stiftung sollte die FÉMIS die Ausbildung auch für europäische Studenten und Lehrkräfte öffnen.173 Für ihren ersten Jahrgang ab dem 13. November 1986 wurde im Palais de Tokyo der ehemalige Skulpturensaal eingerichtet, in dem zuvor die Schenkung Laurens verblieben war.174 Die Bibliothek wiederum sollte, nach der Zusammenlegung der Bestände der Cinémathèque und des IDHEC 1982, im Palais de Tokyo die 60 Jahre zurückreichenden Anstrengungen von Henri Langlois, Jacques Doucet, Léon Moussinac, Marcel L’Herbier und Claude Autant-Lara fortsetzen: Sie werde, verkündete Jack Lang, »la plus importante bibliothèque du monde consacrée au cinéma«. Henri Langlois, dessen Entlassung als Verwaltungschef der Cinémathèque durch André Malraux 1968 so heftige Proteste auslöste, wird nun bei Langs Pressekonferenz 1986 zum geistigen Vater des Hauses der Bilder: »Ce lieu dont il a toujours rêvé et qu’il s’est efforcé de faire naître peu à peu avec les rares moyens dont il disposait, nous allons enfin lui donner la dimension qu’il voulait.«175 Insgesamt, so schließt die Pressemitteilung zum Palais de l’Image, werde im Palais de Tokyo das größte Gebäude der Welt entstehen, das der »Bildung durch Bilder« gewidmet sei.176
1987–1990: EINE LICHTKLINGE FRANCK HAMMOUTÈNES DURCH DEN OPAKEN PAL AIS DE L’IMAGE Ab 1987 ist, bis 1995, die Trägergesellschaft AMIS Association de Préfiguration pour l’Aménagement du Palais de Tokyo en Maison de l’Image et du Son für das Projekt zuständig. Neben dem CNP und der Cinémathèque sind ab 1988 die FÉMIS und die neue Bibliothek beteiligt. Bis etwa 1989 trägt das Projekt, nunmehr vom »Haus« zum »Palast« der Bilder avanciert, den Titel Palais de l’Image. Das Obergeschoss wurde nach den Wettbewerben von Ende 1985 und Anfang 1986 für die FÉMIS vom Architekten Jean-Jacques Brunel eingerichtet. Cinémathèque und FÉMIS installierten sich provisorisch in Erwartung der noch kommenden großen architektonischen Umgestaltung des Gebäudes. Die FÉMIS eröffnete dort im September 1987.177 Die Médiathèque erhielt die Bezeichnung »Bibliothèque de l’Image / Filmothèque BIFI«.178 Drei neue Kinosäle wur-
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97 Projektansicht Palais de l’Image, Abbildung aus Hubert Tonka: Architecture & Cie. Le Palais de l’Image. Rénovation du Palais de Tokyo, Paris, par Franck Hammoutène, 1988, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
den von Jean-Claude Pourtier projektiert und am 16. März 1988 eingeweiht von Kulturminister François Léotard, Nachfolger und zugleich wieder Vorgänger Jack Langs im Amt von März 1986 bis Mai 1988.179 Für die architektonische Umgestaltung des Gebäudes wurde ab März 1987 zur Einreichung von Konzepten aufgerufen.180 Im November 1987 folgt zunächst eine weitere, um FÉMIS und BIFI angepasste Projektstudie von Jean-François Séris und Geneviève Yvon. Ihr Einleitungssatz benennt implizit das Grundproblem des ganzen Projekts: Es stand nie fest, die Konzeption ergab sich buchstäblich auf der Baustelle.181 Die Umgestaltung des Palais de Tokyo zum Palais de l’Image wurde im April 1988 schließlich dem Architekten Franck Hammoutène übertragen, der im März 1989 den Auftrag zur Durchführung der Arbeiten erhielt.182 Hammoutène sah eine gigantische »Lichtklinge« vor, die das Palais der Länge nach von oben nach unten durchschneiden sollte, um das Gebäude in ein »Palais de la Lumière« zu verwandeln.183 Wie später ähnlich Lacaton und Vassal, versucht er wegweisend dem Palais über eine Öffnung der Architektur beizukommen. Wo jene auf Durchsicht
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98 Projektvorschlag »La Lame de Lumière«, Team Franck Hammoutène: Paris 1988. Concours pour le Réaménagement du Palais de Tokyo, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
setzen, geht Hammoutène von der opaken Qualität aus, um diese zu durchbrechen und transparent zu machen. Lacaton und Vassal werden für ein Kunstzentrum entwerfen, das Treffpunkt und Labor sein soll und daher architektonisch so porös wie institutionell und sozial. Hammoutène entwirft für Bildmedien, die auf Projektion und das Verhältnis von Bildoberfläche und Betrachter abstellen (Abb. 97). Entsprechend wird für die Architektur das Korrespondenzelement zur Opazität gesucht. In der positiven Auffassung der Architektur des »magischen Ortes« wird der Kontrast von »opacité de pierre« und Durchblicken im Inneren zur Grundlage. »De ce lieu magique, à la fois délaissé et central, faire un lieu de célébration, et de rayonnement. Une Lame de Lumière et d’Information. Quelques objets autour suffisent à investir cet univers. [...] D’immenses fenêtres, proches à les toucher mais qu’un fossé profond nous empêchera toujours de regarder autrement qu’en spectateurs tenus à distance. [...] Une opacité de pierre, mais la révélation intérieure d’un autre Palais, de verrières, de transparences et de lumières zénithales.«184 Die immensen Fenster des Palais de Tokyo blieben später nicht so dauerhaft unerreichbar wie hier angenommen. Über den Graben zur Avenue du Président Wilson hin werden sie ab 2000 mit Brücken zugänglich gemacht. Aber Hammoutène erkennt die Qualität der Architektur, die den Blick des Betrachters leitet und zur Überbrückung der Distanzen der Sichtachsen ergänzt werden muss, um eine Verbindung von Innen und Außen herzustellen.185
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99 Die bei Vorbereitungsarbeiten zum Palais de l’Image wiederentdeckte »salle 1937«, 1995
Eine Stahlklinge durch die Mitte des Gebäudes soll daher als »Lichtmauer« fungieren (Abb. 98): »La réponse est un meuble, à l’échelle du bâtiment, un mur de lumière, une lame étroite et continue posée dans le Palais, en son centre. Le parcourant sur toute sa longueur et dans toute sa hauteur. Apportant à lui seul la réponse aux problèmes techniques, scénographiques, de circulation et d’organisation [...].«186 Sie sollte in jeder Zone technisch multifunktional mit Zu- und Ausgängen und ausziehbaren Ausstellungswänden, Transportwegen für Mensch und Leitungen sein. Aus grauem Edelstahl, sollte sie glänzen und zur »Lame de lumière« werden, »dont l’acier gris brillera, doucement présent, effacé derrière les images éclairées. Ou mur éblouissant. Ou mur d’images«. Als »Instrument de représentation et d’appropriation« sollte sie sowohl »filtre et écran« sein können, ein opakes oder transparentes Trennelement zwischen Bereichen. Die Verbindung zur Architektur von 1937 war die Idee eines Bildschirms, der trennt oder sichtbar macht: »A l’intérieur du Palais de 1937 un objet d’une autre époque, d’une autre matière,
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100 Projektansicht Palais de l’Image, Abbildung aus Hubert Tonka: Architecture & Cie. Le Palais de l’Image. Rénovation du Palais de Tokyo, Paris, par Franck Hammoutène, 1988, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
d’une autre nature, de même échelle, de même esprit. Leur contraste et leur complémentarité accentueront leurs qualités [...].« Im Zuge der Arbeiten entdeckte die Firma Boutonnat & Charlot auch die vergessene »salle 1937« (Abb. 99). Der im Originalzustand mit Bestuhlung erhaltene große Saal unter dem Vorplatz zur Avenue du Président Wilson war nur zur Eröffnung des Palais de Tokyo für die Rede Léon Blums genutzt und danach aufgrund von Sicherheitsmängeln verschlossen worden. Er sollte der Kinogeschichte gewidmet werden.187 Hammoutènes Projekt nahm auch eine erst in den 2000er Jahren realisierte Idee vorweg, ein Restaurant auf dem Dach des Palais zu installieren, das auch ein äußeres Zeichen der Erneuerungsarbeiten sein sollte.188 Der Bezug auf die ursprünglichen Architekten des Palais de Tokyo wird im Projekt auch ikonografisch aufgegriffen: »Les croquis et plans d’origine des Architectes nous donnent des pistes à suivre, suggèrent un projet à venir.«189 Zeichnungen zu Hammoutènes Projekt nehmen einen ebenso wolkigen Schwung auf wie Entwürfe von Dondel und Aubert (Abb. 100–101).
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101 Palais de Tokyo, Portikus an der Avenue du Président Wilson, Dokumentationsfotografie einer Zeichnung des Entwurfs von Dondel und Aubert, Pierrefitte-sur-Seine, Archives nationales
Die Einweihung der FÉMIS und der Kinosäle 1986 sollte das Palais de Tokyo schon als »lieu privilégié en Europe de la présentation, de l’information et de l’enseignement du cinéma et de l’audiovisuel« positionieren.190 1989 wird Christian Oddos, ein bestens vernetzter Kulturberater, zum Direktor der Mission pour l’Aménagement berufen. Die Tätigkeit beschreibt er als Eventorganisation: »Evenementiel – Accueil de manifestations: Animation des espaces du Palais de Tokyo / futur Palais du cinéma.«191 Als zentrale Herausforderung in dieser Zeit erinnert er das uneinheitliche Programm der beteiligten Institutionen.192 Man versucht sich mit gemeinsamen Ausstellungsvorhaben zu behelfen, etwa dem Festival Ciné Mémoire der Cinémathèque und Filmarchive unter Vorsitz von Costa-Gavras 1991 und 1992, dessen Ziel die Wiederentdeckung restaurierter Filme aus der Zeit vor 1950 ist.193 Im Jahr 1990 heißt das Projekt zeitweise Palais de l’Image et du Son. Unter Oddos erschienen von 1990 bis 1992 acht Nummern der kleinen Zeitschrift Plan, die über den Fortgang der Einrichtung sowie die Aktivitäten und Ausstellungen im Palais informiert.
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Hier zeigt sich ein erstes Auf blitzen der Hinwendung zur Historizität des Ausstellungsortes, die Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans später aufgreifen werden.194 Im Editorial von Plan 1 schrieb Oddos, der Name »Palais de Tokyo« habe sich für den Westflügel eingebürgert ungeachtet der Allianzen im Zweiten Weltkrieg: »Le Palais de Tokyo abandonna l’art contemporain à l’ouverture du Centre Georges Pompidou, et s’endormit petit à petit. Le public respecta son sommeil jusqu’à l’arrivée, en 1984, du Centre National de la Photographie puis, un peu plus tard, de la Mission du Patrimoine Photographique. [...] Mais il convenait d’aller au-delà. Jack Lang [...] décida donc de transformer le Palais de Tokyo en une Maison de l’Image [...]. Le Projet est sur rails aujourd’hui […] et trouvera son aboutissement en 1995.«195
1991–1993: VOM PAL AIS DES ARTS DE L’IMAGE ZUM PAL AIS DU CINÉMA Im Juni 1991 verkündete Jack Lang den Beginn der Außenarbeiten am Palais de Tokyo. Ende 1992 sollten die Innenarbeiten beginnen und das Palais de Tokyo für zwei volle Jahre schließen.196 Die Vorstudien zogen sich jedoch hin; so war noch im Juli 1993 ein Beginn der Großbauarbeiten erst für Juni 1994 vorgesehen.197 Der Grund sind weiterhin Projektänderungen bis hin zum vollständigen Ausscheiden des Mediums Fotografie aus dem Projekt: Noch im Oktober 1992 wurde in Hinblick auf eine bevorstehende Entscheidung über die Mittelfreigabe durch die Assemblée nationale eine große Pressevorstellung abgehalten, bei der die »salle 1937« und die »lame technique«, die technische Klinge durch das Gebäude, von Franck Hammoutène zusammen mit Modellen seiner Entwürfe vorgestellt wurden.198 Am 8. Dezember 1992 unterzeichnen das CNP und die AMIS eine Vereinbarung über die Bereitstellung von 2100 Quadratmetern Ausstellungsräume und 500 Quadratmetern technischer Räume an das CNP.199 Am 8. Februar 1993 wird eine einheitliche Vorstudie verabschiedet, am 8. März werden fünf ergänzende Studien in Auftrag gegeben und am 18. März wird Franck Hammoutène auch mit der Leitung dieser zusätzlichen Programmelemente betraut. Am 19. März 1993 aber entscheidet Jack Lang, dass das Palais de Tokyo fortan nur noch dem Film gewidmet sein soll. 200 Der Verbleib der Hochschule FÉMIS wurde von der AMIS 1993 vorläufig bis 1995 verlängert. 201 Für das Palais du Cinéma entwickelt Franck Hammoutène nunmehr ein neues Programm. Es wird Jack Langs Nachfolger Jacques Toubon am 1. September 1993 vorgestellt, der die Detailplanung in Auftrag gibt. 202 Für die »salle 1937« werden 1993 aufwendige Studien zu Geräuschpegel, Sitzverteilung und Videoprojektoren durchgeführt. 203 In der ganzen Zeit finden weiterhin Veranstaltungen statt, wie 1993 ein internationaler filmwissenschaftlicher Kongress über Zuschauer in den ersten hundert Jahren des Kinos. 204 Das CNC förderte von 1992
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bis 1995 ein internationales Forschungsprogramm zur ökonomischen Geschichte des Kinos, wofür Kooperationsabkommen mit den Filmarchiven des CNC und der BIFI im Palais de Tokyo geschlossen wurden. 205 Das Palais du Cinéma soll zum »hundertjährigen Geburtstag« des Kinos 1995 eröffnen, aber die Arbeiten verzögern sich weiter. 206
»METTRE LES FILMS À L A PL ACE DES TABLEAUX«: DAS PAL AIS DU CINÉMA 1994–1998 UND EIN NEUES IMAGINÄRES MUSEUM Im März 1994 wurde eine Eröffnung Ende 1996 anvisiert. 207 Zeitgleich unternahm die AMIS eine Image-Studie des Palais de Tokyo, bei der sich herausstellte, dass sein Name und die Verbindung zur Weltausstellung 1937 in der Öffentlichkeit dazu führten, dass es für den früheren japanischen Pavillon der Expo gehalten werde. Zudem werde es häufig mit dem städtischen Museum MAM Paris im Ostflügel verwechselt. 208 Es werden daher die Beibehaltung der Bezeichnung »Palais« als geschichtlicher Verweis und ein gemeinsames Logo der Institutionen auf Basis der architektonischen Identität des Gebäudes empfohlen:209 »L’affirmation des identités propres est indispensable pour dynamiser l’entité future du Palais. Elles donnent valeur au bâtiment et au projet. Mais elles ne peuvent s’exprimer isolément sans perdre leur crédibilité.« 210 Am 7. Juli 1994 legte der seit 1991 amtierende Direktor der Cinémathèque Dominique Païni dem Kulturminister das Projekt zum Musée du Cinéma im Palais de Tokyo vor. In diesem Jahr entschied der Aufsichtsrat der Cinémathèque den Umzug des Musée Henri Langlois vom Palais de Chaillot ins Palais de Tokyo. 211 Dort sollten sowohl die technische Evolution und das zeitgenössische Kino gezeigt, als auch das Musée Henri Langlois in seiner Gesamtheit erhalten werden. 212 Païnis Projekt trägt den Titel Cent ans d’art du Film. Un parcours muséographique pour le Palais de Tokyo – Développement. Es basiert auf einer Achse zur Kinogeschichte und einer transversalen, die, nach Genres, »diagonales dans le temps« zeichnen sollte. Grundprinzip sollen auf Bildschirmen oder Videomonitoren montierte Filmauschnitte sein. Als Ausgangspunkt sieht er den Diskurs aus den 1920er Jahren um Film als »totales« Kunstwerk, das die anderen Künste, von Theater, Roman, Fotografie bis Oper, umfasse: »C’est paradoxalement à la racine de sa faculté mécanique d’enregistrement que se tient sans doute ce renversement d’appréciation qui fût […] autour des années 20 la revendication de statut d’art total.« 213 Païni ist hier nah an Walter Benjamins Diagnose des Verhältnisses des Films zu den darstellenden Künsten und ihrer Nähe zu einer Konzeption der »Totalität« der Wirklichkeitswahrnehmung wie sie etwa Georg Lukács 1923 in Geschichte und Klassenbewußtsein. Studien über marxistische Dialektik entwarf. Für Païni verkörpert die Architektur des Palais de Tokyo mit den zwei Flügeln diesen ontologischen Geist der Reproduktion. 214 Auch der Architekt Alain Guiheux, mit dem Païni 1991 ein szenografisches
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Konzept ausarbeitete, hebt rückblickend die »theatrale«, »kinematografische« Qualität der Architektur hervor, die unter dem Motto »Mettre les films à la place des tableaux« zum Träger der Filme an Stelle von Bildern im Museum werden sollte. 215 Im museografischen Konzept Païnis schlug sich die Nähe zu Benjamin aber noch stärker in einer Anlehnung an André Malraux nieder. Im unbeherrschbaren Nebeneinander der Filmausschnitte und der Zeiten soll ein »imaginäres Museum« entstehen: »Le Musée imaginaire, pour Malraux, naît d’un affranchissement du temps et d’une démarche comparatiste: dans ce monde second des œuvres, les fresques de Giotto accèdent à une autre vie que celle de leur datation [...]. Sous cet angle [...] la mise en relations de séquences extraites des films contient une part immaîtrisable de rapprochements possibles, qui devient le lieu spécifique de ce musée.« 216 Die Ausstellung sollte zu jeder thematischen Sektion Objekte aus der Sammlung zeigen. Eine erste Sektion »Archäologie« sollte die technische Evolution präsentieren, eine zweite die Arbeit der Brüder Lumière und das Nachleben ihrer Erfindung von 1895. Ein dritter Teil »Des Forains aux salles permanentes. La conquête du récit, 1895–1915« thematisiert die Institutionalisierung des Kinos vom Volksfest zum festen Haus, die Ära von Diven wie Francesca Bertini und Asta Nielsen und Rhetorik von Körperhaltungen und Gesten – »ce sera l’occasion de rapprochements sur le cinéma comme enregistrement de postures de corps, de leur rhétoriques« – sowie, ausgehend von D.W. Griffiths Birth of a Nation von 1914, Langfilm und Herstellung einer Narration aus Montage und Einstellungen. Ein vierter Teil behandelte das goldene Zeitalter des Stummfilms, ein fünfter den Übergang zum Tonfilm bis zu Citizen Kane 1941, gefolgt von einem sechsten zum »Cinéma moderne, 1945–1960« mit einem Schwerpunkt auf dem italienischen Neorealismus, dem französischen und amerikanischen Autorenkino, dem japanischen Kino der 1950er Jahre und einem Fokus auf Drehbücher; als mögliche transversale Achse der Präsentation wird die Veränderung der Figuren als roter Faden überlegt. Ein siebter Teil sollte die »Nouvelles vagues« behandeln, und ein letzter, »Le Cinéma et le Monde«, ein Panorama des Dokumentarfilms zeigen. 217 Innenarbeiten im Palais de Tokyo begannen letztlich erst 1995. Die FÉMIS zog dafür vorübergehend in die Rue Francoeur um. Im März 1996 löste die Association de préfiguration de la Maison du cinéma die AMIS ab. Da man nun realisiert, dass das Palais de Tokyo für drei Institutionen – Cinémathèque mit BIFI, Museum und FÉMIS – zu klein ist, wird die FÉMIS aus dem Gesamtprojekt entlassen. 218 Dies entspricht der programmatischen Neuausrichtung des Projekts, die der Generalbeauftragte Xavier North verfasst. Als Hauptursache der vielen Verzögerungen identifizierte er die Trennung der Institutionen im Palais de Tokyo, das Fehlen eines einenden Denkens von »Missionen und Funktionen«. 219 Er schlägt vor, mit den frei werdenden Flächen den Eventcharakter mit großen Ausstellungen und Angeboten für das Publikum auszubauen bis hin zu »Ateliers
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du Cinéma«. 220 Die wiederentdeckte »salle 1937« sollte dazu dienen, ein permanentes Programm von 250 bis 300 Filmen, »qui constituent le ›socle‹ de toute véritable culture cinématographique«, als eine »anthologie du cinéma mondial« zu zeigen. 221 Das Palais soll insgesamt filmisches Kulturerbe und zeitgenössisches Schaffen in Relation zueinander setzen. 222 Als Eröffnungstermin ist Juni 2000 vorgesehen. Der Flächenwidmungsplan der Mission de Préfiguration du Palais du Cinéma 1996 bis 1997 sah im Obergeschoss Büros und Diensträume vor, im Rez-de-Chaussée haut einen weiten Empfangsbereich, Wechselausstellungen und im langen Raum in der Rundung des Flügels einen Dokumentations- und Forschungsbereich. Im Zwischengeschoss zur tieferen Ebene sollten Bibliotheksräume, ein Buchgeschäft und das Restaurant untergebracht sein. Im Rez-de-Chaussée bas schließlich das Museum, ein weiterer Bereich der Filmarchive und des Dokumentationszentrums, Räume für die Öffentlichkeitsarbeit, 2 Kinosäle und technische Räume. 223 Zu den 110.000 französischen und internationalen Lang- und Kurzfilmen, die die Cinémathèque und die Archives du Film im CNC verwahrten, sollten der Dokumentationsfonds der Bibliothèque du Film mit 16.000 Büchern und 700 laufenden Zeitschriftentiteln, 37.000 Presse- und Dokumentationsdossiers, 800.000 Fotografien, 25.000 Plakaten, 10.000 Modellen und Zeichnungen sowie 550 Archivfonds und die 3000 Ausstellungsstücke des Musée Henri Langlois hinzukommen. 224 So sollte das Palais de Tokyo zum »lebendigen Gedächtnis des Kinos« werden: »Cette ›mémoire vivante du cinéma‹, dont le Palais sera tout à la fois le dépositaire, le producteur et ›l’exploitant‹, comportera dès lors trois caractéristiques complémentaires: – Une offre culturelle multiple [...]. – Une pluralité d’approches [...]. – Un public diversifié [...].« 225 Am 10. Dezember 1996 entschied der französische Premierminister, dass die Aufsicht über den Umbau des Palais de Tokyo der MIGT, Mission interministérielle de coordination des grandes opérations d’architecture et d’urbanisme, übertragen werde. 226 Das Palais de Tokyo wurde damit zu einem der Grands Travaux wie dem Projekt des Grand Louvre.
DIE AUSSTELLUNG AL S WERK: DER URHEBERRECHTLICHE PRÄZEDENZFALL MUSÉE HENRI L ANGLOIS Der Transfer des Musée du Cinéma wird aber zum Gegenstand einer juristischen Auseinandersetzung. Die Association Henri-Langlois, das Comité de défense du Musée und die Erben von Langlois, seine Neffen Jean-Louis und Hugue, forderten, dass das Museum unverändert in seiner Gesamtheit zu erhalten sei und klagten gegen eine Veränderung der Präsentation und den Transfer. 227 Die Cinémathèque argumentierte, ein Museum müsse sich verändern können, während die Kläger argumentierten, dass das Museum ein geistiges Werk von Henri Langlois darstelle. Am 2. Oktober 1997 gab die
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Pariser Cour d’appel ihnen recht. Die Vorinstanz hatte noch zugunsten der Cinémathèque entschieden. Mit dieser historischen Entscheidung wurde erstmals das Urheberrecht auf eine Ausstellung oder ein Museum ausgeweitet. Das Gericht argumentierte, das Musée Henri Langlois stelle ein schützenswertes geistiges Werk dar, das als »création résolument originale et personelle« für viele weitere Filmmuseen als Referenzmodell gedient habe. 228 Das Museum könne transferiert werden, aber unter Beibehaltung seines unveränderten Charakters nach Maßgabe der Erben Langlois. Dies sollte die Realisierung des Palais du Cinéma weiter bremsen. Nach einer Einigung wurden die Sammlungen im Sommer 1997 in einer sicheren Reserve in der Bibliothèque nationale gelagert, da sie auf der Baustelle im Palais de Tokyo hätten Schaden nehmen können und die Räume im Palais de Chaillot für das dort 1999 einziehende Centre du Patrimoine, die heutige Cité de l’Architecture et du Patrimoine, frei werden mussten. 229 Die Entscheidung der Pariser Cour d’appel bleibt ein beachtetes Beispiel für die Ausdehnung des Urheberrechts an einem geistigen Werk auf die Konzeption einer Ausstellung. 230
DAS ENDE DES PAL AIS DU CINÉMA 1998 Die Situation des Projekts des Palais du Cinéma verkomplizierte sich noch durch ein Feuer im Palais de Chaillot in der Nacht vom 22. auf den 23. Juli 1997. Es brach gegen 22 Uhr aus und breitete sich auf über 4000 Quadratmeter aus. 231 Der Brand hatte die Schließung des Projektionssaals der Cinémathèque im Palais de Chaillot und die Auslagerung der Museumssammlung zur Folge. Daraufhin entschied die Regierung, die Projekte im Palais de Tokyo neu zu überdenken. Während dieser Zeit konnten die Arbeiten dort zu großen Teilen nicht fortgesetzt werden. Im Oktober 1997 bat daher Jean-Claude Moreno, der Direktor der MIGT, zusammen mit dem Direktor des CNC Marc Tessier um Erlaubnis, die Arbeiten fort- oder aber aussetzen zu dürfen. 232 Sie wurden daraufhin ausgesetzt. Die Kulturministerin Catherine Trautmann verkündete im Februar 1998, dass nach einer eingehenden Untersuchung das Projekt Palais du Cinéma endgültig fallen gelassen werde. Vorausgegangen waren auch Budgetschwierigkeiten, die im Juli 1997 zur Streichung von 96,91 Millionen Francs für den Umbau des Palais de Tokyo führten, und dass die Zusage ausstand, dass die MIGT die Firmen für die weiteren Arbeiten beschäftigen werde. 233 Aufgrund dessen war der Präsident der Mission de Préfiguration des Palais du Cinéma Michel Bassi zurückgetreten. 234 Der überraschte Architekt Franck Hammoutène protestierte gegenüber der Ministerin mit dem Verweis darauf, dass Kostensteigerungen weitestgehend auf die wiederholten Programmänderungen zurückgingen. 235 Im Juni 1998 hörten die Arbeiten auf. 236 Für die Einrichtung einer Maison du Cinéma wurde nun ein neuer Ort gesucht auf Basis eines Projektberichts, den Marc Nicolas, Directeur général adjoint des CNC, im
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Juni 1998 vorlegte. 237 Die Umbenennung des Projekts in »Maison« du Cinéma drückt einen Abschied vom »Palais« de Tokyo und die Verkleinerung des Projekts aus. Als Standorte wurden etwa das ehemalige Theater Gaité Lyrique im 3. Arrondissement, das Lycée technique Raspail im Boulevard Raspail im 14. Arrondissement, das ehemalige Krankenhaus Laennec im 7. Arrondissement, die frühere Garage Renault in der Avenue de la Grande Armée im 8. Arrondissement und das ehemalige Hôpital Saint Lazare im 10. Arrondissement studiert. 238 Am 30. Juni 1998 wurde die Einrichtung der Maison du Cinéma in Frank Gehrys 1991 bis 1993 gebautem American Center im 12. Arrondissement verkündet. 239 Es verfügte schon über alle benötigten Bereiche inklusive Ausstellungsflächen und Bühnensaal und bot sich durch die spektakuläre Architektur, die geringsten Umbaukosten und die Verfügbarkeit ab 2000 an. 240 Für die Öffentlichkeit bereitete man das Argument vor, es sei wesentlich geeigneter für die Cinémathèque. Für den Fall, dass er nicht – wie dann geschehen – am Quai Branly neu bauen würde, erwog man, Präsident Jacques Chirac das Palais de Tokyo für sein geplantes Musée des Arts Premiers anzubieten, das in dem Fall seine Reserven in der Banlieue haben und für die dortige Bevölkerung zugänglich machen könnte. Wolle er es nicht, werde man zusammen mit dem MAM Paris versuchen, dem Ensemble wieder eine Bedeutung zu geben. 241
DA S INSTITU T DES HAU TES ÉTUDES EN AR TS PL A STIQUES IM PAL AIS DE TOKYO Zum Eindruck eines Labors von Institutionen, den das Palais de Tokyo nach 1977 macht, trägt auch zeitweilig das Institut des Hautes Études en Arts Plastiques von Pontus Hultén, Daniel Buren und Sarkis bei, das von 1983 bis 1995 bestand. Hultén war bis 1994 dessen Gründungsdirektor, Daniel Buren Direktor von 1994 bis 1995. Das Studien- und Forschungszentrum wollte Hultén ursprünglich ins Centre Pompidou, wo er das MNAM leitete, integrieren. Für etwas unter zwei Jahre durfte es von November 1988 bis März 1990 im Palais de Tokyo den ehemaligen Skulpturensaal nutzen. Die interdisziplinäre Nähe zwischen Film und Kunst war für die Entscheidung ausschlaggebend. 242 Das IHEAP finanzierte sich aus Mitteln der Stadt Paris, einer Subvention des Staates aufgrund der internationalen Dimension der Tätigkeit und privaten Fördermitteln. Es sollte rund drei Dutzend junge internationale Künstler in Residenz zusammen mit den Lehrenden empfangen. Die Ausbildung äquivalent einem postgradualen »troisième cycle« war auf Module von zwei oder drei Monaten angelegt. 243 Sarkis erinnert die bescheidenen Anfänge des IHEAP ähnlich einer »Besetzung« des Raumes: »Moi je voulais que ça aille vite. J’ai alors suggéré d’essayer de commencer avec un budget très restreint, d’environ 18000 francs. J’ai fait ce budget en une nuit. Il nous
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fallait juste une grande table, des chaises, un tableau noir, un projecteur – le nécéssaire en fin de compte. Nous avons cherché un lieu et avons finalement décidé de squatter le Palais de Tokyo [...]. L’idée était de commencer ainsi, entourés par nos livres, et si on nous demandait de quitter les lieux, nous pouvions partir très vite.« 244 Das Prinzip des leeren Tisches wurde bei Verlassen des Palais de Tokyo beibehalten: »Une table dont le centre était vide. On allait devoir remplir un vide par nos discussions.« 245 Das Institut ging zurück auf die Idee, in Paris eine dem Bauhaus ähnliche Schule einzurichten, die im Pariser Rathaus unter Bürgermeister Jacques Chirac ihren Ausgang nahm. Die Zeitung Le Matin führt die Idee des Projekts, das sie als zu teuer und wenig innovativ kritisiert, auf den Galeristen Daniel Templon zurück, der auf Bitten Alain Juppés, seinerzeit Referent des Bürgermeisters, im Mai 1982 einen Bericht über die Schaffung einer »École d’art et d’architecture« im Geiste des Bauhaus verfasste. Chirac habe die Idee gefallen und, auf Empfehlung von Claude Pompidou, Pontus Hultén mit der Realisierung beauftragt. 246 Ab 1986 wurden dazu offizielle Schritte unternommen. 247 Jacques Chirac sicherte Unterstützung zu, bat jedoch darum, staatliche und private Mittel zu suchen, so dass die Stadt nur etwa die Hälfte der Kosten tragen werde. Hultén wünschte sich das Collège des Bernardins als Sitz des Instituts. Chirac war aber grundsätzlich nur bereit zuzusagen, dieses nach einer Freimachung durch die Feuerwehr Ende 1988 für kulturelle Veranstaltungen zu nutzen. Eine Öffnung des Instituts im Jahr 1987 erscheine daher verfrüht. 248 Schon am 7. November 1986 traf sich Hultén mit Kulturminister François Léotard. 249 In den folgenden zwei Jahren warb er unermüdlich bei den Beratern des Kulturministers um Unterstützung für ein IHEAP im Collège des Bernardins. 250 Dazu legte er auch zwei Budgets vor, eines für ein IHEAP »hors les murs« und eines im Collège. Ein zunächst ins Auge gefasster Seminarbeginn im Herbst 1987 mit Unterstützung von Mäzenen und dem J. Paul Getty Trust verzögerte sich. Am 8. Oktober 1987 verkündete der Kulturminister, dass das Centre Pompidou sich Pontus Hulténs Initiative anschließen wolle. Hultén konnte so beiden Institutionen ohne Interessenkonflikt angehören. Darüber hinaus sah er darin eine Erfüllung der Forschungsaufgabe, die ursprünglich mit dem Centre Pompidou verbunden gewesen war. 251 Anfang Januar 1988 wurde eine Vereinbarung zwischen dem Centre und der Association de Préfiguration des IHEAP entworfen und ein Treffen zwischen Stadt, Kulturministerium und Centre Pompidou vereinbart. 252 In der Vereinbarung verpflichtete sich das Centre Pompidou, die Ziele des IHEAP zu unterstützen. Sein Lehr- und Forschungsprogramm sollte dem Leitungsrat des Centre Pompidou vorgelegt werden, damit dieses seine eigenen Aktivitäten entsprechend anpassen könne. 253 Im Januar 1988 legte das IHEAP eine Kostenschätzung für die Renovierung und Ausstattung des Collège des Bernardins vor, die sich auf 23 Millionen Francs belief. 254 Architekt des Projekts war Jacques Gourvenec. 255 Der Sitz der Gründungsvereinigung
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des IHEAP war im Januar 1988 im Musée d’Art moderne de la Ville de Paris. Der Kulturminister wurde zu diesem Zeitpunkt noch einmal über das Projekt informiert. Zu den Unterstützern zählten Jacques Chirac und Claude Pompidou. Aber die Position der Stadt, besonders in Hinblick auf das Collège des Bernardins, war unklar. Bedenken existieren auch innerhalb der Verwaltung. Dominique Bozo, zu diesem Zeitpunkt Délégué aux Arts plastiques im Kulturministerium, teilte Kulturminister Léotard im Januar 1988 Vorbehalte gegen das IHEAP und Pontus Hulténs Programm mit. Die nötigen Mittel riskierten bei der allgemeinen Knappheit an anderer Stelle für die künstlerische Lehre zu fehlen. Ein postgradualer »troisième cycle« sollte lieber am dafür »natürlichen Ort«, der École Nationale Supérieure des Beaux-Arts (ENSBA), eingerichtet werden, die zu viele Studenten aufnehmen müsse und deren Niveau geringer als zu erwarten sei. Er regt Alternativen an: Eine Beauftragung Hulténs mit einer Reform der ENSBA mit Einführung eines dritten Zyklus und Reform der ersten beiden Zyklen durch eine Durchlässigkeit der Ateliers und Reduzierung der Studentenzahlen bei Aufteilung der Kosten zwischen Staat und Stadt zu gleichen Teilen. 256 Auch beim Délégué aux einseignements et aux formations bestehen Zweifel: »Sur le plan pédagogique la validité d’un ›Bauhaus‹ réglementé et destiné à des étudiants n’a pas été confirmée par les divers experts que nous avons pu consulter.« 257 Im Budget 1988 war eine Summe von 300.000 Francs für das IHEAP zurückgestellt, die zusammen mit der laufenden Förderung in Höhe von 1 Million Francs durch die Stadt Paris erlauben könnte, den Lehrbetrieb aufzunehmen. 258 Im Gespräch teilte Minister Léotard Hultén die Bedenken mit, und schlug ein Treffen mit der Stadt vor, zu dem Hultén auch Chirac bitten wollte. 259 Es fand ohne Hultén statt, der sich aber Anfang März beim Kulturminister für die dabei erfolgte Bekräftigung der Assoziierung des Centre Pompidou, die finanzielle Förderung 1988 und das Ersuchen um neue Fördermittel im nächsten Jahr bedankte. 260 Im Palais de Tokyo konnte das IHEAP dann ab Herbst 1988 die Arbeit aufnehmen. Hultén freut sich über die Nachbarschaft in dem Gebäude, das ihn einst »erschreckte«: »Comme j’ai pu vous le dire, ce bâtiment, qui à l’époque m’effrayait, m’est cher et je suis d’autant plus heureux d’y tenter cette nouvelle expérience aux côtés de mes amis du cinéma et de la photographie si proches de nos préoccupations.« 261 Die für drei Jahre ernannten Professoren sollten die Studenten betreuen, Verbindungen zu Gästen herstellen und die Arbeit des wissenschaftlichen Beirats vorbereiten, der die Linien absteckt und die Kandidaten auswählt, die nicht über ein Diplom verfügen müssen. 262 Die Professoren der ersten Phase waren Daniel Buren, Sarkis und der Kunsthistoriker Serge Fauchereau. Administrative Direktorin war Annick Boisnard, Dokumentarin Evelyne Pomey. 263 Von Herbst 1988 gab das IHEAP zeitweise, wohl bis 1989, auch den vormals vier Jahre lang von der Zeitschrift Artefactum in Antwerpen publizierten Catalogus. Bulletin bibliographique trimestriel illustré des catalogues d’exposition d’art contemporain
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heraus, der als Supplement zu den Cahiers des MNAM verbreitet wurde. Dazu erging ein Aufruf an Kunstinstitutionen, dem IHEAP möglichst vollständig Exemplare ihrer Kataloge zuzusenden. 264 1988 erhielt das IHEAP die Bibliothek des Kunsthistorikers Ernst Goldschmidt. Der aus 12.908 Dokumenten bestehende Fonds zur Kunst des 20. Jahrhunderts erweiterte sich durch Catalogus und die Aktivitäten des IHEAP um 10.774 Kataloge und Publikationen. Nach der Schließung des IHEAP wurde dieser Fonds der Stadt Marseille geschenkt, wo 1994 das [mac] Musée d’Art Contemporain de la Ville de Marseille eingerichtet worden war, das eine Studienbibliothek über moderne und zeitgenössische Kunst auf baute. 265 Im April 1988 stellte Hultén die erste »session exploratoire« des IHEAP zum Thema Le Territoire de l’Art vor, die er selbst leitete. 266 Dieses Dossier des IHEAP liegt in einer weißen Mappe, die auf der Vorderseite eine Aufsicht auf das Collège des Bernardins aus einem Kartenausschnitt aus dem Plan de Turgot von 1735 trägt. Sie ist für Bewerber entworfen und gibt als Einschreibefrist den 25. Mai 1988 an. 267 Für den ersten Turnus vom 3. Oktober bis 25. November 1988 sollten zwanzig junge Künstler ausgewählt werden und ein Stipendium von 4.500 Francs monatlich erhalten. Sie hatten Anwesenheitspflicht. Außerhalb der Lehrzeiten konnten sie im Raum arbeiten und die drei Professoren ihre Arbeiten begutachten. Zum Thema wurden Gäste eingeladen. Es behandelte die Ausdehnung der Ausdrucksmittel der Kunst auf andere Bereiche wie Literatur, Philosophie, Religion, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik: »L’art visuel a pris de l’importance dans notre façon de concevoir le monde, au moins dans le sens où des moyens d’art visuel sont aujourd’hui utilisés pour exprimer des opinions ou propositions, là où on utilisait normalement autrefois d’autres moyens. Les artistes traitent esthétiquement des sujets qui autrefois étaient jugés extérieurs au champ de l’art.« 268 Dazu sollten Kunstwerke analysiert werden, die den Bereich der Kunst erweiterten, gegebenenfalls zusammen mit betreffenden Künstlern. Als Beispiele genannt werden die Demoiselles d’Avignon von Picasso (1907), das Fahrrad-Rad von Duchamp (1913), das schwarze Quadrat von Malewitsch (1915) und die Sculpture pour les aveugles von Brâncus‚ i (1916) sowie namentlich Mondrian, Matisse, Beuys, Manzoni, Klein, Tinguely, Pascali, Cornell, Kawara, Haacke, Oldenburg, Len Lye und Remo Bianco. Als Geldgeber werden die Stadt, das Kulturministerium und die Unterstützung durch Cartier International, The J. Paul Getty Trust (Los Angeles), Léo Goldschmidt (Brüssel), Paul N. Goldschmidt (Monaco), das Institute of International Education (New York) und Dominique de Ménil (Houston) vorgestellt. 269 Anfang Juli 1988 wählten Hultén, Jean-Michel Arnold, Daniel Buren, Serge Fauchereau, Jean-Hubert Martin, Suzanne Pagé und Sarkis zwölf französische und acht internationale Künstler aus. Sarkis zufolge wurde auf eine Parität von Frauen und Männern und eine Kompatibilität der Gruppe für die sechsmonatige Arbeitsphase geachtet. 270 In einem Schreiben an den Kulturminister berichtet Hultén, die Auswahlgespräche zeigten das große Verlangen der jungen Künstler, der Kunsthochschulen überdrüssig,
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nach einer Unternehmung wie der ihren. Für 1989 planten sie nun drei Arbeitsphasen und ein Gesamtbudget von 5,9 Millionen Francs, das zur Hälfte von der Stadt, zu einem Viertel von Mäzenen getragen werde und er hoffe, dass das Ministerium bald mitteilen könne wie es sich engagiere. 271 Im Juli 1988 empfahl aber der technische Berater dem Kulturminister, nun wieder Jack Lang, aufgrund der Kosten, der Isoliertheit des Instituts – »Il apparaîtra bientôt comme l’›Ecole Pontus Hulten‹ plutôt que lieu d’échange et de confrontation« – und der Zurückhaltung der Stadt, sich zurückzuziehen und Hultén dessen Integration in die ENSBA vorzuschlagen. 272 Die Vorbehalte scheinen die Ziele des IHEAP – bewusst? – zu verkennen. Denn von seiner Isolierung kann keine Rede sein, wie schon Hervorhebungen in seinen Programmbeschreibungen zeigen: »L’objet de l’Institut est la création d’un lieu de réflexion et de recherche, de débat et d’analyse sur la création contemporaine – en particulier dans les disciplines telles que la peinture, la sculpture, l’architecture, l’urbanisme, la photographie, la vidéo, la musique, les arts du spectacle, la littérature, la typographie – et sur les relations de l’art avec les autres disciplines, notamment les sciences humaines et les sciences exactes.« 273 Die Transkriptionen der ersten Sitzungen des IHEAP vom 4. Oktober bis 30. November 1988 und 3. Mai bis 30. Juni 1989 sind im ersten Band von Quand les Artistes font École publiziert. Pontus Hultén sprach über Duchamp, Hans Haacke über »Esthétique et Architecture«, danach Daniel Buren mit Serge Fauchereau, Hultén und Sarkis über »Le Territoire de l’art comme refuge«, Étienne-Émile Baulieu über »Rapports de la biologie moderne et de sa représentation artistique«, Jean Douchet im Kontext von Projektionen in der Cinémathèque über »Fritz Lang, M le maudit, 1931 et Rancho Notorious (L’Ange des Maudits), 1952«, und der Künstler Michael Asher stellte seine Arbeiten im Kontext des Arbeitsfeldes Architektur vor. 274 Die Sitzungen der zweiten Periode vom 20. November 1989 bis 30. Juni 1990 fanden bis zum 22. Dezember 1990 noch im Palais de Tokyo statt. Im Februar 1990 zog das IHEAP dann in einen Annex des Hôtel de Saint-Aignan. 275 Die zweite Periode setzte das Thema des Territoriums unter der Leitung von Sarkis mit dem Obertitel Le Territoire de l’art: l’interprétation des œuvres, mise en scène, mise en espace fort. Pierre Chabert sprach über Samuel Beckett, Daniel Buren über jüngere Arbeiten, Luciano Fabro über »Œuvres et Théorie«, Luciano Berio über Musik in der Gesellschaft seit der französischen Revolution, Danièle Huillet und Jean-Marie Straub über ihren Film Cézanne und Robert Kramer über den Film Route One/USA. 276 Im Palais de Tokyo thematisierte das IHEAP demnach »Territorium« und das Verhältnis der zeitgenössischen Kunst zu anderen Disziplinen. Es ist zu diesem Zeitpunkt selbst auf der Suche nach einem »Territorium« und agiert aus der selben Motivation heraus wie die Kunstwerke und Künstler, mit denen es sich auseinandersetzt: In einer Zeit der Deregulierung des Finanzmarktes, des Abbaus öffentlicher Subventionen und des
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Sozialstaates stellt sich für Künstler wie ihre Ausbildung in den 1980er Jahren die Frage nach adäquaten Mitteln, um auf die Veränderungen zu reagieren. Akteure des zeitgenössischen Schaffens benötigten neuen Reflexionsraum. Im Centre Pompidou gab es keinen Raum und keine Mittel für das IHEAP. Und das niemals fertige Projekt des Palais des Images steht beispielhaft für eine Kulturpolitik, die sich nicht entscheiden kann, wie sie auf die neuen Herausforderungen einer zunehmend industriell geprägten visuellen Kultur reagieren will. Im Palais de Tokyo fand das IHEAP ein provisorisches Territorium für das Nachdenken über die Bedingungen des Ausstellens und der Kunst in der Gesellschaft in einem staatlich geförderten Format außerhalb der bestehenden Strukturen. Wie Sarkis betont, lag ein Fokus auf aktuellen Themen. So wurden etwa medizinische Experten zum Thema Aids eingeladen. 277 Vortragende wurden nur für einen Tag eingeladen, die Sitzungen begannen um 9.30 Uhr mit allen Anwesenden, um Brüche zu vermeiden wurde vor Ort gegessen und es wurde einen ganzen Tag geredet. Vortragszeiten waren länger als üblich konzipiert. Auch die Schüler trugen vor und alles fand hinter verschlossenen Türen statt. Es sollte kein Vorführcharakter aufkommen. Der Ort sollte kein »spectacle« sein, weshalb auch nur wenige Fotos existieren, wie Sarkis sagt – aber alle Sitzungen wurden auf Band aufgenommen. 278 Die Verwahrung der Tonaufnahmen von 301 Sitzungstagen in insgesamt 7 Perioden von November 1988 bis Juni 1995 mit 165 Künstlern, 131 Vortragenden und den Professoren obliegt der Association des Amis de l’Institut des Hautes Études en Arts Plastiques, die nach Auflösung des IHEAP gegründet wurde. 279 Sie gab 2003 Transkriptionen von Sitzungen von 1988 bis 1990 anlässlich der Ausstellung Quand les artistes font école heraus. Das Vorhaben von Hultén und seinen Mitstreitern zeigt, dass die Schaffung des Site de Création Contemporaine im Palais de Tokyo ab 1998 einen geistigen Vorläufer hat. Den Brückenschlag zwischen Feldern der Kunst in der Gesellschaft übte schon das IHEAP. Es betont, dass ein Ort für die Reflexion und Erforschung der »création contemporaine« geschaffen werden solle. Das sind auch die zentralen Aspekte des zeitgenössischen Ausstellungsortes: Ein Ort, der zum Forschungslabor der zeitgenössischen Produktion werden soll – und der Terminus des »zeitgenössischen Schaffens« über künstlerische Disziplinen hinweg, der in beiden Fällen sogar das gleiche meint, wenn schon das IHEAP 1988 die klassischen Disziplinen mit Foto, Video, Musik, darstellenden Künsten, Urbanismus und Architektur überkreuzen möchte. Der Unterschied ist offensichtlich dort, wo es dem IHEAP naturgemäß nicht um ein Primat des Ausstellens geht und das Palais de Tokyo ab 1998 französische Kunst auch in Hinblick auf den Markt fördern soll. Das IHEAP sieht einen kritischen Mehrwert in der Wissensvermittlung und soll, auch im Gegensatz zu Vorläufern wie der Académie Matisse am Beginn des 20. Jahrhunderts, dem Bauhaus in den 1920er Jahren, dem amerikanischen Black Mountain College in den 1950er Jahren, nicht auf die Vermittlung künstlerischer Techniken abstellen, sondern »préparer ses élèves à la grande richesse de notre culture contemporaine«. 280 Anders
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als Vorbehalte gegen das IHEAP als ein neues Bauhaus es suggerieren, konnte es ihm nie um eine pädagogische Konkurrenz zu Kunsthochschulen gehen. Es wollte Künstlern ein echtes geistiges Forum bieten: »L’Institut voudrait être, en quelque sorte, l’équivalent contemporain du forum dans l’Antiquité ou des académies de la Renaissance, lieux où se réalisait la transmission du savoir et de l’expérience.« 281 Vielleicht ist es dieser Anspruch, der das IHEAP von einem 2012 initiierten Nachfolgeprojekt selben Namens unterscheidet, das bis 2017 bestand. Seither firmiert die neue Einrichtung unter dem Namen École nationale d’art (ENDA). Das »nouveau projet IHEAP« war von der seit längerem nur unregelmäßig ausgerichteten Biennale de Paris »reaktiviert« und danach auch um einen Unterrichtsstandort New York erweitert worden. Dazu hieß es in der Selbstbeschreibung, dies entspreche einer Spezifität der Biennale, die darin bestehe, aufgegebene Institutionen zu »reaktivieren«. 282 Es stellt sich aber die Frage, ob überhaupt von einer »Reaktivierung« gesprochen werden kann, wenn diese mit einem Operationsmodus der Biennale begründet wird, aber sich ausdrücklich absetzt und ein ganz anderes pädagogisches Konzept und Programm verfolgt. 283 Daniel Buren verneinte nach der Lancierung des neuen Projekts aufs Schärfste Gemeinsamkeiten. Im Oktober 2012 veröffentlichte er auf seiner Homepage einen offenen Brief der 1996 gegründeten Vereinigung Les Amis de l’Institut des Hautes Études en Arts Plastiques an alle Teilnehmer des IHEAP von 1988 bis 1995 über dessen »Usurpation« durch den »iheap-Betrug«. Er weist die Assoziation mit dem »echten« zurück und kritisiert besonders den Unterschied, dass das ursprüngliche IHEAP Künstler mit Stipendien einlud. Das »neue« iheap aber sei eine kommerzielle »intellektuelle Unehrlichkeit«: »D’ailleurs, les auto-proclamés ›directeur‹ et ›professeur‹ de l’iheap-bidon prétendent proposer ›des modèles économiques génériques alternatifs au marché de l’art, caractérisés par le passage d’une valeur-produit à une valeur-activité‹. On a déjà une première idée du ›modèle économique alternatif‹: envoyez la monnaie.« 284 Anfang 2015 reichte Daniel Buren Klage vor dem Tribunal de grande instance in Paris gegen das iheap der Biennale ein. Dieses reagierte am 7. März 2015 mit einem Statement, in dem es Buren vorwarf, den Klageweg statt eines öffentlichen Austausches zu wählen. Auf den Widerspruch zwischen inhaltlichem Programm und kommerzieller Ausrichtung geht es nur kurz ein: Diese Kritik verhehle, dass das »alte« IHEAP öffentlich subventioniert war und man als private Einrichtung auf die Einnahmen angewiesen sei. 285 Die vorliegend untersuchten Archivdokumente jedoch zeigen, wie viel Bemühen um eine – nicht ausreichende – Finanzierung hinter dem alten IHEAP stand. Das neue iheap lässt es als von der öffentlichen Hand geschaffene Institution erscheinen, dabei war es genau umgekehrt. Buren und der offene Brief legen den Finger auf das eigentliche Problem: Kommerzialisierung lässt eine kapitalismuskritische intellektuelle Haltung im vollständig wirtschaftslogisch operierenden Ausstellungs- und Kunstbetrieb, in dem institutionelle und private Bereiche und Interessen nahtlos ineinander übergehen, zum bloßen Etikett verkommen.
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Das IHEAP hat aber dennoch eine geistige Fortsetzung gefunden: Im Pavillon, der experimentellen Künstler-Akademie, die von Ange Leccia 2001 zum Palais de Tokyo eingerichtet wurde: »Ainsi, j’ai eu la chance de pouvoir faire au Palais de Tokyo quelque chose de l’ordre de ce que Pontus Hultén souhaitait pour le Centre Pompidou, c’est-àdire faire en sorte que l’institution [...] soit aussi habitée par des artistes qui pensent et travaillent [...].« 286
SITE DE CRÉ ATION CONTEMPOR AINE: DA S PAL AIS DE TOKYO IM NEUEN JAHR TAUSEND Nach dem Aus für das Palais du Cinéma wurde 1998 in enger Abstimmung zwischen dem Kabinett der Kulturministerin Catherine Trautmann und der Délégation aux Arts plastiques das Konzept eines Zentrums für zeitgenössisches Schaffen erarbeitet, das in der nun vakanten Fläche des staatlichen Westflügels des Palais de Tokyo eingerichtet wird. Parallel zur architektonischen Anpassung durch Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal konzipieren Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans ihren vielseitigen Ausstellungsund Veranstaltungsort für Kunst, Design, Mode, Musik, Film, Games und Literatur als lebendigen, offenen und »bewohnten« Raum. Das junge Internet soll neben einem Magazin und Fanzines das zentrale Kommunikationsmittel sein und als erweiterter Ausstellungsraum fungieren. Kataloge sollen nur zu den großen Gruppenausstellungen erscheinen. Die Internetseite wird zum Gedächtnis des Ortes erklärt. Auch Pierre Restany, Gründungspräsident der Trägervereinigung, betonte das Netzwerk als wichtigstes Kriterium in einer globalisierten Kunstwelt. Das Palais de Tokyo öffnet 2002. Bourriauds »relationale Ästhetik« hat Einfluss auf Konzeption und Ausstellungsprogramm und wird in der kritischen Rezeption zunehmend mit dem Palais de Tokyo assoziiert. Er bezeichnet damit künstlerische Praktiken der 1990er Jahre, die soziale Beziehungen aufgreifen und so auf einen Paradigmenwechsel von der Massenkonsumgesellschaft zur Kommunikationsgesellschaft reagieren. Er definiert sie 1997 im Katalog der Venedig-Biennale bündig als »artistic practice considering the ensemble of human relationships and their social context as a starting point«. 287 Bourriaud und Sans sind bis 2006 Direktoren, von 2006 bis 2011 übernimmt MarcOlivier Wahler die Leitung des Palais. Anfang 2012 wird es nach einer erneuten Intervention durch Lacaton und Vassal um bis dato brach liegende große Flächen in den unteren Geschossen erweitert und eröffnet im April 2012 unter Jean de Loisy neu auf nunmehr insgesamt 22.000 Quadratmetern mit einer Konzentration auf zeitgenössische Kunst als einer der größten Ausstellungsorte Europas. Nach der Voreröffnung ist die erste große Ausstellung im neuen Palais de Tokyo die von Okwui Enwezor kuratierte Pilotausgabe der Triennale, Intense Proximity. Sie markiert im Folgenden den Endpunkt der historischen Untersuchung.
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DIE KAPITALISTISCHE GLOBALISIERUNG AL S HERAUSFORDERUNG FÜR KUNSTINSTITUTIONEN Die Gründungs- und Konsolidierungsphasen des Palais de Tokyo bis zur Neueröffnung 2012 umspannen etwas über das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. In dieser Zeit veränderten sich Wahrnehmungsgewohnheiten und Gesellschaft in einer Weise, die zur Jahrtausendwende kaum vorstellbar schien. Jedoch gilt dies nur für das Tempo der Digitalisierung und ihrer Auswirkungen. Tiefgehende strukturelle Veränderungen zeichneten sich bereits zuvor im Zuge der Deregulierung des Finanzsektors und Abbaus des Sozialstaates in europäischen Ländern in den 1980er Jahren ab. Fallen die Gründungsjahre des Palais de Tokyo in die Zeit der Globalisierungsdebatten, für die Auseinandersetzungen beim WTO-Gipfel in Seattle 1999 und G8-Gipfel in Genua 2001 emblematisch wurden, so fällt seine Neueröffnung 2012 in eine Zeit, in der öffentlich viel über die Veränderung der Arbeitswelt, der Wahrnehmungsgewohnheiten und ständige Erreichbarkeit diskutiert wird. Beispielhaft für die Bedeutung dieser Entwicklung in der öffentlichen Auseinandersetzung über ihre kulturellen Auswirkungen kann die große Aufmerksamkeit stehen, die zwei Publikationen erregten, die eine zu Beginn, die andere gegen Ende der hier umrissenen Zeitspanne: Michael Hardt und Antonio Negris Buch Empire, das, in den 1990er Jahren geschrieben, im Jahr 2000 erschien und den Einfluss der Globalisierung und des neoliberalen Kapitalismus in neuen global dezentralisierten Machtstrukturen nachzeichnete. Zwischenzeitlich ein moderner Klassiker, wurde es sowohl für seine prägnante Analyse der Ideengeschichte des Übergangs von der Moderne zur Postmoderne und globalen Situation gelobt, als auch für den daraus abgeleiteten Entwurf einer neuen Demokratietheorie kritisiert. Die zweite ist der 2013 erschienene vielbeachtete Essay des Kunsthistorikers Jonathan Crary, 24/7. Late Capitalism and the Ends of Sleep, zur Zeitverwertung und Aufmerksamkeitsökonomie in der digitalen Gesellschaft. Die Entwicklungen, denen sich diese Autoren mit großer Dringlichkeit widmeten, haben sich zwangsläufig auf zeitgenössische Kunstinstitutionen ausgewirkt. Als Ausstellungsort, der seit 1998 im Prinzip institutioneller Offenheit konzipiert wurde, kann das Palais de Tokyo paradigmatisch für eine Entwicklung der Strukturen der westlichen Gesellschaften von geschlossenen Umgebungen hin zu offenen Netzwerken stehen. Das Gebäude wird in den 1930er Jahren in einer absoluten Einheit von Bau und innerer Institution errichtet. Museografische Konzepte und die architektonische Gestaltung des Baus fallen in eins. Auf dem Museografie-Kongress in Madrid 1934 war seinerzeit selbst die geschlossenste Form, das Panoptikum, nicht zu abwegig. Graduell entfernt sich danach die Kunstinstitution von der geschlossenen Struktur. Schon die Ideen zu einem neuen Museum des 20. Jahrhunderts Anfang der 1960er Jahre tragen den Gedanken, der die Ablösung des hermetischen Betonmonumentalismus des Palais de Tokyo durch das Centre Pompidou bestimmen wird: Die Kunstinstitution soll durch-
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lässig werden und sich an künftige soziale Enwicklungen anpassen können. Unter diesen veränderten Vorzeichen fallen Institution und der sie definierende Bau hier jedoch immer noch in eins. Dagegen zeigt die nachfolgende Entwicklung im Palais de Tokyo die Ablösung von geschlossenen Umgebungen. Das Musée d’Art et d’Essai funktioniert noch als eine solche. Mit den Projekten von der Maison de la Photographie bis zum Palais des Images aber werden institutionelle Grenzen aufgehoben. Überlappende Räume und eine notwendige gemeinsame Außenkommunikation machten das Festhalten an institutionellen Grenzen geradezu unmöglich. Auch Franck Hammoutènes Idee einer das ganze Gebäude durchschneidenden »Lichtklinge« zeigt deutlich, dass definierte Umgebungen gedanklich hinfällig werden. Die Institutionen lösen sich vom Palais de Tokyo, das zu einer Projektionsfläche wird. Allerdings bestimmt hier die ursprüngliche Architektur noch entscheidend das architektonische Projekt und Funktionalität. Mit dem Übergang zum Site de Création Contemporaine wird die Bindung jedoch vollständig aufgehoben. Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal geben die Losung aus, die »Monumentalität« des Ortes zu »pervertieren«. Ihnen schweben große Plätze und eine Aufhebung der Ordnung von Innen und Außen vor. Entscheidend ist die Bewegungsfreiheit der Besucher. Damit korrespondiert das Konzept von Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans eines offenen, vernetzten Echtzeit-Labors des zeitgenössischen Schaffens. Das Palais de Tokyo weist auch ohne Sammlung damit Kennzeichen von Museen in der Globalisierung auf, die T.J. Demos an der Tate Modern nachvollzogen hat, der zweiten großen neuen nationalen Institution zeitgenössischer Kunst in Europa dieser Jahre. In den postindustriellen Jahren unter Thatcher wurde die Tate Gallery, die nur für Sonderveranstaltungen Eintritt verlangt, von privaten Geldern abhängig und New Labour unter Tony Blair setzte die Bevorzugung von »public-private partnerships« fort. 288 Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans betonen, seinerzeit auf die Einwerbung von Sponsorengeldern angewiesen gewesen zu sein, und zugleich, dass das Palais de Tokyo damit in Frankreich zu den ersten Institutionen gehörte, die dies offensiv betrieb. 289 T.J. Demos weist am Beispiel der Tate Modern auf mögliche Interessenkonflikte und anti-demokratische Aspekte hin. 290 Auch in Frankreich zeigt sich die Entwicklung, Entscheidungsträger aus der Wirtschaft und Sammler zu Sachwaltern besonders von Institutionen der zeitgenössischen Kunst zu machen. Gründungsschatzmeister und Mitunterzeichner der Gründungsurkunde des Trägervereins des Palais de Tokyo war der frühere Finanzmanager Aimery Langlois-Meurine. Nach Pierre Restanys Tod 2003 wurde Maurice Lévy dessen Präsident, der Vorstandsvorsitzende der weltweit drittgrößten Gruppe von Kommunikationsunternehmen, Publicis. 2007 verließ er den Posten wieder. 291 Übergangsweise übernahm der Auktionsunternehmer Pierre Cornette de Saint Cyr seine Vertretung, der danach zum Vereinspräsidenten gewählt wurde und dies bis 2012 blieb. Ein anderes Beispiel ist das 2004 eröffnete Jeu de Paume. 292 Privatepublic partnerships sind nicht zwangsläufig nachteilig. An der Tate Modern ermöglich-
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ten sie seit 2000 entscheidende Entwicklungen der Ausstellungsfläche, die Ausdehnung von Ausstellungsprojekten und Bildungsangebote. 293 Auch am Palais de Tokyo sind seit 2002 vielfältige gesponsorte Angebote entstanden. Nationale zeitgenössische Kunstinstitutionen wie die Tate Modern tragen durch die Formulierung einer globalen Kunst auch selbst dazu bei, dass das Nationale als Kategorie an Bedeutung verliert. 294 Das trifft auch auf das Palais de Tokyo zu. Schon die erste Machbarkeitsstudie zum Zentrum spricht von einem Rückstand Frankreichs. Dieses nationale Argument verhilft zur Schaffung eines Ortes, an dem in der Sprache einer heute globalisierten zeitgenössischen Kunst nationale Unterschiede kaum auszumachen sind. Wie die Tate Modern sucht das Palais de Tokyo, anders als die Guggenheim-Gruppe oder der Louvre mit internationalen Ablegern, eine Globalisierung durch Diversifizierung nach innen und machte seine Website zum Zentrum einer Außenkommunikation dieser Aktivitäten. 295 Mit Nina Möntmann argumentiert T.J. Demos, dass gerade solch vielfältige Rahmenprogramme Kunstinstitutionen erlaubt, durch kritische Inhalte nicht zu einer Maschine der spätkapitalistischen »Kontrollgesellschaft« im Sinne von Gilles Deleuze zu werden. 296
DIE »KONTROLLGESELL SCHAFT« IM PAL AIS DE TOKYO ODER SCHAFFEN AL S WIDERSTAND: GILLES DELEUZE IN DER FÉMIS 1987 Der Begriff »Kontrollgesellschaft« zielt nicht auf den Überwachungsstaat. Vielmehr beschreibt Gilles Deleuze damit Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre einen Veränderungsprozess durch Deregulierung, Globalisierung und Vernetzung. Wenngleich weder die Tate Modern noch das Palais de Tokyo »kapitalistische Maschinen« sind, erscheinen die Analysen von Deleuze doch geeignet, den institutionellen Wandel zu charakterisieren, der sich am Palais de Tokyo ablesen lässt und auf eine Veränderung der Definition und Organisation öffentlicher Räume zurückzuführen ist. Deleuze denkt die Analysen von Michel Foucault weiter. Foucault beschrieb, wie die einst von einem Souveränitätsprinzip, das mehr auf die Besteuerung denn Organisation von Produktion setzte, geprägten westlichen gesellschaftlichen Strukturen im 18. und 19. Jahrhundert durch Disziplinargesellschaften abgelöst wurden. Die gesellschaftliche Ordnung wurde nun definiert durch die Organisation großer geschlossener Umgebungen, wie Familie, Schule, Militärbarracke, Krankenhaus und Gefängnis, durch die sich individuelle Körper bewegten. Ihre räumliche Konzentration ermöglichte die Bündelung von Produktivkraft und die kapitalistische Industrialisierung. Foucault antizipierte schon die weitere Veränderung dieser Systeme, die Deleuze Ende der 1980er Jahre aufgriff. Dabei ist es ein bezeichnender Zufall, dass Deleuze die zentrale seiner wenigen Auseinandersetzungen mit dem Konzept der »Kontrollgesellschaft« am 17. März 1987 vor Filmstudenten der gerade im Palais de Tokyo neu eingerichteten FÉMIS hielt, sei-
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nen bekannten Vortrag Qu’est-ce que l’acte de création? 297 Er sieht die schon seinerzeit aktuelle Krise der Institutionen im Bildungs-, Gesundheits-, Wirtschafts- und Gefängnissektor als Symptom von Veränderungen und sagt Subunternehmertum, Heimarbeit und permanente Fortbildung in Fernkursen voraus. 298 Die Merkmale der Kontrollgesellschaft bleiben in diesem Vortrag noch wenig umrissen, doch stellt Deleuze hier schon die Frage nach der Stellung der Kunst in ihr. Da Information in der Kontrollgesellschaft identisch mit der ausgegebenen Losung sei, komme Kunst eine bedeutende Rolle zu, da sie Gegeninformation sein kann. Am drastischen Beispiel der ersten Berichte über Konzentrationslager im »Dritten Reich« führt er aus, dass Gegeninformation erst als Widerstand Wirkung entfaltet. Mit André Malraux’ Überlegung, dass Kunst das einzige sei, das dem Tod Widerstand leiste, nimmt er an, dass Kunstwerk und Akt des Widerstandes in eins fallen können und so überdauern. »L’œuvre d’art n’est pas un instrument de communication. [...] En revanche, il y a une affinité fondamentale entre l’œuvre d’art et l’acte de résistance. [...] Tout acte de résistance n’est pas une œuvre d’art bien que, d’une certaine manière, elle en soit. Toute œuvre d’art n’est pas un acte de résistance et pourtant, d’une certaine manière, elle l’est. [...] L’acte de résistance, il me semble, a deux faces: il est humain et c’est aussi l’acte de l’art. Seul l’acte de résistance résiste à la mort, soit sous la forme d’une œuvre d’art, soit sous la forme d’une lutte des hommes.« 299 Die engste, und »mysteriöseste«, Verbindung zwischen dem Widerstand und Kunstwerk ist für Deleuze, dass auch dieses sich an ein erst noch kommendes Volk richtet: »Il n’y a pas d’œuvre d’art qui ne fasse pas appel à un peuple qui n’existe pas encore.«300 Deleuze konkretisierte Merkmale der »Kontrollgesellschaft« in seinem Aufsatz Postskriptum über die Kontrollgesellschaften. Hier analysiert er die Krise von Gefängnis, Krankenhaus, Schule, Familie, Industrie, Armee, die in immer neuen Reformen am Leben gehalten werden, obwohl sie sukzessive durch »les formes ultra-rapides de contrôle à l’air libre« abgelöst werden. 301 In der Kontrollgesellschaft unterliegt das Individuum nicht mehr dem Zeitrahmen definierter Räume, sondern gleichbleibenden Kontrollmechanismen in einem variablen System. Fabriken werden durch Unternehmen, feste Strukturen durch eine Metastabilität ersetzt, die auf permanenten Wettbewerb gründet bis zur Bezahlung nach Leistung, sogar im Bildungssystem. 302 So wird das Individuum in einem permanenten Schaffensprozess nie fertig: »Dans les sociétés de discipline, on n’arrêtait pas de recommencer (de l’école à la caserne, de la caserne à l’usine), tandis que dans les sociétés de contrôle on n’en finit jamais avec rien [...].«303 Deleuze bringt die heutige Realität schon auf den Punkt, wenn er analysiert, dass der Kapitalismus auf eine höhere Produktionsordung ziele, in der es nur noch um Vermarktung geht. Auch die Kunst habe die geschlossenen Räume hinter sich gelassen und diesen Kreislauf integriert. Seine Pointe, man bekomme beigebracht, Unternehmen hätten eine
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Seele, erstaunt heute kaum mehr: »Le service de vente est devenu le centre ou l’›âme‹ de l’entreprise. On nous apprend que les entreprises ont une âme, ce qui est bien la nouvelle la plus terrifiante du monde.«304 In den 2000er Jahren haben sich von Deleuze gesehene Entwicklungen beschleunigt, wie der Ersatz institutioneller Bildung durch kontinuierliche Weiterbildung, Risikogruppenbestimmung im Gesundheitssektor, neue Formen der Steuerung von Geldflüssen, Profit und die Ablösung der alten »geschlossenen« Arbeitsumfelder oder die schwierige Situation von Gewerkschaften. Für Deleuze stellt sich seinerzeit nicht die Frage von Angst und Hoffnung, sondern die nach Formen des Widerstandes: »Il n’y a pas lieu de craindre ou d’espérer, mais de chercher de nouvelles armes.«305 Genau diese Ausschau nach Formen des Widerstandes ist für Michael Hardt und Antonio Negri die Konsequenz aus ihrer Analyse der neuen Machtstrukturen in der Globalisierung, mit der sie in Empire erstmals den Übergang von der Disziplinargesellschaft zur Kontrollgesellschaft untersuchten. Sie wollten keine neue Demokratietheorie, sondern eine theoretische Basis für die Auseinandersetzung mit der neuen Ordnung liefern. 306 Sie definieren das Empire als neue Form, die nationale Souveränität zu einem Element von vielen in einem globalen System von nationalen und supranationalen Organismen macht. 307 Die veränderten Produktionsprozesse führen dazu, dass nun Kommunikation, Kooperation und Relationen die Arbeit bestimmen. Der Kultursektor überlappt sich dabei immer stärker mit Politik und Wirtschaft, da die Produktion zunehmend »biopolitisch« ist, das heißt, auf soziales Miteinander ausgerichtet. 308 Zeitgleich zu Hardt und Negri entwickelt Nicolas Bourriaud seine Gedanken zur relationalen Ästhetik von Künstlerpraktiken, die auf soziale Beziehungen zielen: »Relationnelle (Esthétique): Théorie esthétique consistant à juger les œuvres d’art en fonction des relations inter-humaines qu’elles figurent, produisent ou suscitent.«309 Der ästhetische Entwurf prägte, wie sich zeigen wird, auch das künstlerische Programm des Palais de Tokyo als Ausstellungszentrum. Mit Hardt und Negri wird deutlich, dass es sich damit institutionell und ästhetisch bis zu einem gewissen Grad in die Produktionslogik der Kontrollgesellschaft eingliedert, und es wird bei der Analyse der theoretischen Debatten um relationale Ästhetik auch zu fragen sein, ob dies nicht sogar eine Preisgabe des Kunstwerks als möglichem Widerstandsakt im Sinne von Deleuze bedeutet. Ausstellungshäuser haben heute aber wohl kaum eine andere Wahl, als sich in die zwangsläufig wirtschaftlichen Produktionsmechanismen des sozialen Lebens einzugliedern. Wenn Hardt und Negri 2000 schreiben, die Wertschöpfung »tendiere« zur Produktion des sozialen Lebens, ist rund zwanzig Jahre später jeder Zweifel daran ausgeräumt: Die wertvollsten Unternehmen der Welt sind derzeit Kommunikationsgiganten wie Google, Apple und Facebook. Der Kunsthistoriker Jonathan Crary kommt angesichts dessen zum Schluss, die Losung vom Eintritt in ein neues digitales »Zeitalter« diene lediglich dazu, die historische Unabwendbarkeit der Einführung neuer Technologien zu postulieren um eine Akzeptanz der damit einhergehenden Kontrollsysteme zu schaffen. 310 Entscheidend sei
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daher die Frage, wie Formate eines beschleunigten Konsums Erfahrungsformen und die Wahrnehmung verändern. 311 Die Mehrzahl der heute produzierten Bilder diene dazu, die Zeit, die der Einzelne in vermischten Sphären von Arbeit und Freizeit mit Formen des Selbstmanagements und der Selbstregulierung verbringe, zu erhöhen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Ästhetik digitaler Bilder greife zu kurz, denn sie negiere die nicht-visuellen regulierenden Strukturen: »To be preoccupied with the aesthetic properties of digital imagery, as are many theorists and critics, is to evade the subordination of the image to a broad field of nonvisual operations and requirements. [...] Of course, more images, of many kinds, are looked at, are seen, than ever before, but it is within what Foucault has described as a ›network of permanent observation‹.«312 Damit soll das heutige Palais de Tokyo nicht zu einem Instrument der Kontrollgesellschaft erklärt werden. Aber die hier umrissene theoretische Kritik der Entwicklung der gesellschaftlichen Strukturen kann helfen, bei der folgenden Betrachtung der Schaffung eines neuen nationalen Ortes für das zeitgenössische Schaffen im Palais de Tokyo ab 1998 den determinierenden Hintergrund der wirtschaftlichen Globalisierung seit den 1980er Jahren und ihrer Auswirkungen auf den Kultursektor, die Kunstinstitution, Ästhetik und Wahrnehmungsgewohnheiten zu bedenken. Die Idee der globalen Vernetzung markiert einen Bruch. Rang man beim Palais des Images noch um die Definition eines geschlossenen Umfeldes von Institutionen, Schulen und Bibliotheken, so ist das zeitgenössische Palais de Tokyo ein im Rhythmus der globalen visuellen Kultur frei konfigurierbarer Raum.
DIE SCHAFFUNG DES »CENTRE DE L A JEUNE CRÉ ATION«, 1998 –2002 Die Einrichtung des Palais de Tokyo als »Centre de la Jeune Création« wurde in den Kabinetten der Ministerinnen Catherine Trautmann und Catherine Tasca entschieden. 313 In den Akten des Kabinettsleiters zu den Maßnahmen im Bereich der bildenden Künste findet sich auch der Projektentwurf von Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans. 314 Zentrale Auskunft über das Projekt geben daneben Aktendossiers des technischen Beraters. 315 Für diese Akten wurde eine Konsultation, aber großenteils nicht die Reproduktion erlaubt. Sie werden daher ohne direkte Zitate von persönlichen Meinungen oder Werturteilen ausgewertet.
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BILDPOLITIK AL S MEDIALE ENTGRENZUNG: DIE ENTSCHEIDUNG DES KULTURMINISTERIUMS Nach dem »Aus« des Palais du Cinéma zirkulierten verschiedene Ideen. Jean-Jacques Aillagon, seinerzeit Präsident des Centre Pompidou und späterer Kulturminister von 2002 bis 2004, schlug vor, im Palais de Tokyo die Galeries nationales aus dem Grand Palais einzurichten, denn ein Engagement des Centre Pompidou sei dort problematisch, ein Transfer von Sammlungen nicht wünschenswert, und für ein Modell der »Kunsthalle« sei das Jeu de Paume besser geeignet. 316 Pierre Encrevé aus dem Kabinett von Trautmann aber hatte noch am Abend der Verkündung des Endes des Palais du Cinéma bei einer Eröffnung im MAM Paris gegenüber dessen Leiterin Suzanne Pagé und anderen die Idee geäußert, man könne im Palais de Tokyo auf einer Ebene vorübergehend einen Ausstellungsort »pour la jeune création« einrichten; im Jahr darauf schrieb er an Pagé, er habe die Idee einer finanziellen Beteiligung der Stadt fallen lassen, aber es sei ihnen gelungen, ein »armes« Projekt zu entwickeln:317 »Après un an nous avons réussi à monter un projet ›pauvre‹: un investissement minimum et un fonctionnement minimum. La DAP le prendra en charge avec peut-être une aide de la région.«318 Christine Macel redigierte daraufhin in der Délégation aux Arts plastiques im Januar 1999 eine Machbarkeitsstudie über ein mögliches Zentrum für zeitgenössisches Schaffen im Palais. 319 Ein solches fehle in Paris, und nur wenige Ausnahmen wie der ARC zeigten auch jüngere Positionen. 320 Nur im CNP, im 13 quai Voltaire der Caisse des dépôts und der ENSBA Paris sei auch junges internationales Schaffen zu sehen. 321 Dazu kämen wenige private Initiativen wie das Purple Institute von Olivier Zahm und Elein Fleiss oder das Kollektiv Glassbox und Künstlervereinigungen. Es fehle ein Leuchtturm in Paris; die Galerien seien fragil, Medien berichteten zu wenig über zeitgenössische Künstler. Macel zitiert Howard S. Beckers Studie Art Worlds und Paul Ardenne zur zunehmenden Musealisierung und Vernetzung um zu konstatieren, obwohl sich der Begriff von »durchlässigen« Institutionen einbürgere, habe zeitgenössische Kunst in Paris keinen Ort. 322 Das Ideal der Durchlässigkeit der Institution wird sich in den folgenden Jahren mit dem Topos der Vernetzung verbinden und die institutionelle Ausrichtung des Palais de Tokyo bis auf die Ausstellungsebene maßgeblich prägen, wenn externe Personen eingeladen werden, Formate zu gestalten. Der Begriff »jeune création«, »junges (Kultur-) Schaffen« oder »Kreation«, wurde gewählt, wie Macel ausführt, da die Bezeichnung »arts plastiques«, bildende Künste, spätestens seit den 1990er Jahren nicht mehr ausreiche. »Kunst« meine heute eine Vielheit von Aktivitäten, die eine Verbindung zur Welt herstellen, »un ensemble d’activités hybrides destinées à créer un ›rapport au monde‹, à l’aide de signes de toute forme«. 323 Es wird daher vorgeschlagen, im Palais de Tokyo ein Zentrum mit modularen Bereichen für Ausstellungen, Videos, Musik, Dokumentation, ein Café-Restaurant und Shop-
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ping einzurichten. 324 Dazu soll es zwei Kino- und Auditoriums-Säle haben. Der zentrale Bereich soll auch für Performances und als Dancefloor nutzbar sein, dazu wird ein experimenteller Ausstellungsraum vorgeschlagen. 325 Der Ort soll sich Studenten öffnen, mit den unabhängigen Pariser Kunstorten, Künstlern, Vereinen und den Fonds Régionaux d’Art Contemporain (FRACs) zusammenarbeiten und »leichte« Publikationen realisieren. Das hier »Manutention« genannte Projekt müsse »geschmeidig« sein, aber benötige ein festes Team und einen international mobilen Direktor; auch müsse es andere Öffnungszeiten als ein Museum haben, mit abendlichen Öffnungen und nächtlichen Veranstaltungen, Kinoprogramm und Restaurant. 326 Wie zu sehen sein wird, erfüllt der Projektvorschlag von Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans vom Mai 1999 all diese Anforderungen. In ihrer Projektskizze schreiben sie, dass Macel und der Délégué aux Arts plastiques Guy Amsellem ihre Kandidatur für das Projekt anregten. Sie erinnern im Rückblick, dass sie schon auf der Madrider Messe ARCO im Februar 1999 ihr Vorhaben verkündeten, in Paris ein neues Kunstzentrum zu eröffnen; 15 Tage später seien sie von der DGAL für den Wettbewerb angerufen worden. 327 Amsellem stellte der Kulturministerin mit Schreiben vom 5. März 1999 das Projekt und seine Notwendigkeit für die Förderung des jungen zeitgenössischen Schaffens und des internationalen Ansehens der französischen Künstler vor. Nur der internationale Kunstmarkt könne für diese eine dauerhafte Anerkennung darstellen. 328 Anlässlich einer Rede in der DAP am 19. März 1999 verkündete Catherine Trautmann die Einrichtung eines Zentrums für zeitgenössisches Schaffen im Palais de Tokyo zum Jahr 2000. Ein solcher Ort fehle Paris vollständig, im Gegensatz zu London, Amsterdam, Berlin und New York, und werde zugleich Anlass sein, die Mittel der regionalen Kunstzentren ebenfalls signifikativ zu erhöhen. 329 Offiziell verkündete Catherine Trautmann das Projekt am 7. April 1999. 330 Als Leiter sollten Personen außerhalb der Institutionen gefunden werden. 140 Künstler, darunter Jean-Marc Bustamante, Olivier Blanckart, Fabrice Hybert, Ange Leccia, Jean-Luc Moulène, Sarkis, Agnès Thurnauer und Jean-Luc Vilmouth, forderten in einem offenen Brief an die Kulturministerin am 31. Mai 1999 mehr Mitspracherecht und einen Künstler als Leiter. 331 Für die Arbeiten wurden 30 Millionen Francs, beziehungsweise 4,5 Millionen Euro, veranschlagt und ein Betriebsbudget von 10 Millionen Francs. 332 Aus den Akten zur Einweihung durch Premierminister Lionel Jospin geht hervor, dass er selbst eine Renovierung »a minima« mit einem Gesamtbudget von 30 Millionen Francs gewünscht hatte. 333 Das Lastenheft entspricht weitestgehend den Entwürfen im ersten Bericht von Christine Macel. Es sieht im Rez-de-Chaussée haut zur Avenue Wilson 3000 Quadratmeter und Räumlichkeiten von 1000 Quadratmetern in den ehemaligen Büros der FÉMIS im Obergeschoss vor. Projektbewerbungen sollten Intentionen und Funktionsweise umfassen sowie den Entwurf eines künstlerischen Programms für drei Jahre; als »jeune création« verstanden werden schon etwas bekannte, aber noch aufstrebende Künstler,
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die etwa zur Hälfte aus Frankreich stammen sollten. 334 Der Ort sollte Koproduktionen und experimentelle Formate anregen, zum Verweilen einladen, im Netzwerk der französischen Kunstzentren stehen und Mäzenatentum, private Initiativen und Studenten ansprechen. Für den Direktorenposten für drei nicht erneuerbare Jahre wurden dann neun Kandidaturen freier Kuratoren vorausgewählt. 335 Die Jury bestand aus Guy Amsellem, den zwei Inspecteurs généraux de la création artistique Denys Zacharopoulos und Françoise Chastel, sowie Christine Macel. 336 Die Kuratoren Olivier Zahm und Elein Fleiss vom Purple Institute, Philippe Vergne vom Walker Art Center und Antoine Guerrero, Kurator am PS 1 und Direktor der Galerie Agnès b., wurden angesprochen, zogen es aber vor, sich auf ihre bestehenden Aktivitäten zu konzentrieren. Die sechs weiteren Kandidaten wurden am 25. Mai 1999 angehört. Die Kuratoren Jean-Michel Ribettes, Hou Hanru und Adrien Himmelreich wurden abgelehnt, positiv vorgemerkt wurden die Bewerbungen der freien Kuratorin und Gründerin des BDV bureau des vidéos Stéphanie Moisdon-Trembley, des Kurators, Kritikers und Künstlers Pierre Leguillon sowie Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans. 337 Die Entscheidung wurde von der DAP intern am 15. Juli 1999 mitgeteilt. In MoisdonTrembleys Projekt Hôtel Paris-Tokyo sei Video zu dominant gegenüber anderen Medien und das künstlerische Programm mit Liste von Ausstellungen und Künstlern erscheine zu dürftig. In Leguillons Projekt sei interessant, dass dieser keine großen Arbeiten an der Architektur vornehmen, sondern vom Fleck weg mit einem Team im Palais die Arbeit beginnen wolle und der zentrale Ausstellungsbereich immer wieder neu von Künstlern, etwa Heimo Zobernig, konzipiert werden solle. Allerdings habe Leguillon noch keine überzeugende internationale Erfahrung. 338 Festzuhalten ist, dass Moisdon-Trembleys Projekt sogar für drei Jahre jeweils ein Konzept einer Hauptausstellung mit Titel liefert sowie für flexible »Module«, zu denen jeweils eine über Internet auszustrahlende Fernsehsendung produziert werden sollte, auch Listen von einzuladenden internationalen Künstlern bis zu Modemachern (u.a. Rainer Oldendorf, Cosima von Bonin, Mark Gonzales, Bless, Martin Margiela, Pierre Bismuth, Harmony Korine, Gerwald Rockenschaub, Alexandre Bianchini, Franz Ackermann, Raf Simons, Ernesto Neto, Viktor & Rolf ), unabhängigen Strukturen (u.a. Accès Local, Paris; Salon 3, London; JRP, Genf; Purple Institute, Paris; Bürofriedrich, Berlin; Modern Institute, Glasgow; M/M, Paris) und Kuratoren (u.a. Maria Lind, Ute Meta Bauer, Rosa Martinez, Daniel Birnbaum, Hou Hanru, Pierre Leguillon, Nicolas Bourriaud). 339 Pierre Leguillon wollte neben dem konfigurierbaren zentralen Bereich, der die von Künstlern in den 1990er Jahren neu entwickelte Auffassung des sozialen Raumes reflektieren solle, auch Künstler zur Wiederentdeckung von Vorgängern einladen, und den Ort kollegial ohne dominanten »Kurator« verwalten. 340 Die bei ihm vermisste Internationalität hätte also durch Künstler gewahrt werden können. Das noch näher zu betrachtende Konzeptpapier von Bourriaud und Sans enthielt keine Künstlerlisten und keine konkreten Ausstellungsideen. Als Tandem überzeug-
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ten sie durch die internationale Glaubwürdigkeit und die Kohärenz und Qualität ihres künstlerischen Programms. 341 Bourriaud und Sans wurden im August 1999 benachrichtigt und im September von der Ministerin ihrer Autonomie versichert. 342 Als erste Aufgaben mussten ein Programm für eine geplante Eröffnung im September 2000, ein wissenschaftliches Komitee aus Künstlern für den Dialog mit der »communauté artistique« und die Gründung einer Vereinigung für die Verwaltung des Palais de Tokyo angegangen werden. 343 Die Entscheidung war nicht unumstritten. In einem offenen Brief nannten anonyme Künstler die Ernennung zweier Kunstkritiker am 8. März 2000 einen »Skandal«. Sie nehmen Bezug auf den vorangegangenen Brief vom Mai 1999, in dem 140 namentlich zeichnende Künstler die Ministerin noch beglückwünschten, dass sie die Leitung in Hände außerhalb der Institutionen geben wolle. Dass Künstler nun in den »wissenschaftlichen Beirat« abgeschoben werden, erstaune sie. Mit Debords Kulturkritik aus der Société du Spectacle prangern sie diese »subalterne« Rolle an. 344 Ein weiterer Brief, unterzeichnet »die Künstler (die anderen)«, beglückwünscht die Ministerin ironisch, unter den 140 Unterzeichnern des Briefs vom Mai einen einzigen gefunden zu haben, der es Wert sei, im Beirat der sechs Künstler zu sitzen. 345 Bourriaud und Sans antworteten, dass sie keinesfalls nur mit Künstlern zusammenarbeiten werden, mit denen sie schon gearbeitet hätten. Le Monde sah eine Ursache der Kontroverse darin, dass in einer aktuellen Generation von Kuratoren um die dreißig Grenzen zwischen Kritiker, Kurator und Künstler verschwammen, diese nichtsdestotrotz aber ihre Karrieren in institutionellen Strukturen auf bauten, wie Bourriaud in der Association Française d’Action Artistique 1990 oder Hans-Ulrich Obrist im MAM Paris. Auch Stéphanie Moisdon-Trembley wird genannt. Bourriauds Theorie der Annäherung von Kunst und Leben dient zur Illustration dieser neuen Rollendefinition: »C’est une bonne partie de l’art des années 80, dominé par un retour à la peinture, que cette nouvelle critique veut balayer. Que défendent-ils? Des jeunes artistes qui utilisent la photo, l’installation, la vidéo, des objets quotidiens détournés. Pour rapprocher l’art de la vie [...].«346
DENZENTRALISIERUNG AL S HINDERNIS EINES NEUEN NATIONALEN ZENTRUMS Es war kein Investitionsvolumen vorgesehen, das eine Renovierung des gesamten Palais de Tokyo erlaubt hätte. Das Kunstzentrum sollte etwa die Hälfte der Fläche einnehmen, auch wenn Bourriaud und Sans eine Mitnutzung der unteren Bereiche früh anregten. 347 Von den veranschlagten 30 Millionen Francs wurden 17 im Haushaltsplan für das Jahr 2000 bewilligt und der Rest setzte sich aus umgewidmeten Mitteln aus dem alten Projekt der Maison du Cinéma zusammen. 348 Im Obergeschoss sollten nur minimale Arbeiten, »simple ›dépoussiérage‹«, vorgenommen werden für Büros und das
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Akademie-Zentrum von Ange Leccia, Le Pavillon. Die Architekten sahen damit aber die »architektonische Qualität« des Gesamtprojekts beeinträchtigt und schlugen vor, die von der FÉMIS in blinde Räume und Labore aufgeteilten großen Flächen unter den Dachverglasungen wiederherzustellen. 349 Der Mehraufwand wurde auf 10 Millionen Francs geschätzt und sollte zur Hälfte durch eine Umstrukturierung von Mitteln der DAP für das Jahr 2000 und zur anderen durch die Region Île-de-France aufgebracht werden. 350 Beim Conseil Régional wurde ein Betrag von 6 Millionen Francs beantragt. 351 Die Ausdehnung wurde angenommen. Kurz darauf stellte sich ein weiteres administratives Problem. Das Kulturministerium musste eine Genehmigung beim Comité de Décentralisation einholen. Eine Entscheidung des Comité Interministériel d’Aménagement et de Developpement du Territoire CIADT vom 3. Oktober 1991 sah vor, dass jeder neue nationale öffentliche Organismus in Frankreich außerhalb der Île-de-France angesiedelt werde. Nur der Premierminister konnte Ausnahmen genehmigen, wenn eine genaue Studie belegte, dass diese gegenüber einer Einrichtung in anderen Regionen gerechtfertigt sei. Das Comité teilte Kulturministerin Tasca am 6. Juni 2000 mit, dass die am 29. März beantragte Nutzung von 8.760 Quadratmetern im Palais de Tokyo durch das Centre de la Jeune Création abgelehnt werde und man auf eine entsprechende Analyse möglicher Alternativen in anderen Regionen warte. 352 Am 25. Juli 2000 wurde eine interministerielle Versammlung zum Antrag des Kulturministeriums an den Premierminister einberufen, die Einrichtung des Zentrums auf nunmehr 9.533 Quadratmetern auf dem Ausnahmeweg zu genehmigen. 353 Das Kulturministerium argumentierte mit der Abwesenheit eines Kunstzentrums in Paris, während im Staatsgebiet 33 solcher Zentren existierten. Von diesen seien zwar 6 in der Îlede-France angesiedelt, aber keines habe eine nationale oder internationale Strahlkraft. Auch wünschten diese Zentren einen Kopf an der Spitze eines Netzwerks, der es erlaube, untereinander und mit dem Ausland Verbindungen zu knüpfen. 354 In Vorbereitung dieser Sitzung wurden dem Kabinett des Kulturministers weitere Argumente übermittelt, die auch die Geschichte des Palais de Tokyo in den Vordergrund hoben; darüber hinaus sei es ein prestigeträchtiger Ort, den aufzugeben neue Debatten über die Maison du Cinéma nach sich ziehen, und aufgrund der Vorstudien einen finanziellen Verlust darstellen würde. 355 Wie schon für das MNAM ab 1937, für das Centre Pompidou und im Falle des Projektes des Palais des Images, wird erneut zur Durchsetzung einer neuen Kunstinstitution das Argument vorgebracht, damit werde Paris endlich seinen verdienten internationalen Stellenwert zurückerhalten. 356 Mit der Begründung, es handelte sich letztlich darum, in Paris ein Kunstzentrum zu schaffen, wie es sie in der Provinz schon gäbe und es daher weder in der Provinz noch in der Île-de-France angesiedelt werden könne und zudem die Räumlichkeiten des Palais de Tokyo seit Jahren vakant seien, wurde die Genehmigungsfähigkeit festgestellt. 357
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DER NAME AL S PROGR AMM: DIE KONZEP TION DES PAL AIS DE TOKYO Das zehnseitige Konzeptpapier von Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans vom Mai 1999 erläutert in zwei Vorpunkten die Kandidatur als Duo und weshalb »Palais de Tokyo« der Name des Zentrums bleiben solle. Im September 1998 seien sie übereingekommen, sich zusammen in Paris für einen dem internationalen jungen Schaffen gewidmeten Ort einzusetzen. 358 Seither hätten sie Gespräche geführt und Orte besucht, bis Guy Amsellem und Christine Macel ihre Kandidatur für das Palais de Tokyo anregten. Ihre unterschiedlichen Interessenschwerpunkte und internationalen Netzwerke wollen sie in Offenheit des Centre und Konfrontation von Ideen einbringen. Zu diesem Zeitpunkt war Nicolas Bourriaud, Jahrgang 1965, 33 Jahre alt und als Kunstkritiker und Schriftsteller tätig sowie Mitglied der Comités techniques der FRACs Champagne-Ardennes und Korsika. Er listet seine jüngsten Veröffentlichungen und die von ihm mitgegründeten Zeitschriften sowie zentrale Stationen. 359 Als seine wichtigsten Ausstellungen nennt er Aperto an der Venedig-Biennale 1993, Traffic im CAPC Bordeaux 1996 und Joint Ventures in der Galerie Basilico, New York, 1997. 360 Jérôme Sans, Jahrgang 1960, war zu diesem Zeitpunkt 38 Jahre alt, Kunstkritiker und externer Kurator am Institute of Visual Arts in Milwaukee sowie korrespondierendes Mitglied der Wiener Secession, künstlerischer Leiter des Printemps de Cahors 1997 und 1998 sowie Leiter der Reihe »Boîte Noir« im Verlag Flammarion. Im Kurzprofil gab er verschiedene Gruppenausstellungen an: Fictions im Mirabel International Airport Montreal 1989, Viennese Story in der Wiener Secession 1992, Shopping361 in New York 1996, Crash between islands in Stockholm 1998 362 und Infra sound in Hamburg 1995 in Zusammenarbeit mit Karin Günther, eine Ausstellung von Audioarbeiten von 17 Künstlern im öffentlichen Raum, darunter Chen Zhen, Louise Lawler, Pipilotti Rist und Heimo Zobernig. 363 Bourriaud und Sans begründen ihre Wahl des Namens »Palais de Tokyo« mit den großen Linien seiner Geschichte. Ihre kurzen diesbezüglichen Ausführungen bestätigen, dass sich die Geschichte des Palais de Tokyo seit 1937 und seiner vielfältigen sukzessiven Nutzungen dem zeitgenössischen Ausstellungsort und seiner kuratorischen Praxis von Anfang an einschreibt. Sie liefert ihnen das zentrale Argument für die kuratorische Konzeption des künstlerischen Programms. Anders als Kunstzentren die sich nach der früheren Nutzung benennen (Le Magasin, Grenoble) oder eine administrative Bezeichnung tragen (CCC Tours, CAPC Bordeaux), wollen sie den Namen des Ortes. Er weist es aus als Gasthaus und Ort von Passagen, an dem sich Wissen konzentriert, der den internationalen Stellenwert von Paris bestärkt: »Puisqu’il s’agit d’un site d’art contemporain et non pas d’un centre d’art, il paraît judicieux de conserver le nom du bâtiment, qui affirme ainsi son identité de maison
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d’ hôtes (le palais comme lieu de passage et comme concentration de savoirs), de ›maison des indépendants‹ ouverte à des acteurs et des projets venant d’horizons multiples, afin de révéler la dynamique de la scène française et d’affirmer la place de Paris sur la scène internationale.«364 Der Name erfasst Charakter und historische Identität des Ortes. Dies ermöglicht, das Palais de Tokyo als von Ausstellungen, Künstlern und Akteuren durchlaufene Passage zu konzipieren, in der sich auch weiterhin Wissen ablagern wird. Er bestätigt die Fortführung des Ortes – »affirme son identité« – als Durchgangsraum der Kunst. Ein eigens zu diesem Thema angefertigtes Informationsdossier im Vorfeld der Eröffnung trägt den Titel »Le Palais de Tokyo. Histoire d’un nom« und gibt kurz die wesentlichen Institutionen an, die das Palais de Tokyo belegten. 365 Seit 1937 hätten viele Bezeichnungen des Gesamtensembles der beiden Museen kursiert, aber »Palais de Tokyo«, die »poetischste« Bezeichnung, habe sich für den staatlichen Flügel eingebürgert, während das städtische Museum sie nicht verwendete. 366 Die Geschichte des Ortes wird so auch Argument des kuratorischen Konzepts. Bourriaud und Sans konnten mit diesem Gedanken nicht richtiger liegen. Sie führen damit den kunstpolitischen Gedanken fort, der so viele Administrationen in der Geschichte des Palais de Tokyo beschäftigte: Die Vorstellung einer imaginierten Außenwahrnehmung Frankreichs wird überblendet mit dem Blick eines Ausstellungsbesuchers und leitet den politischen Willen in der Realisierung des Ausstellungsortes. Stets sollte das Palais de Tokyo ein Schaufenster der Kunst sein, durch das die Welt auf Frankreich blickt. Auch später wurde die Geschichte des Gebäudes wieder explizit aufgenommen. Die Idee der Sichtbarkeit der eigenen Geschichte war im Palais de Tokyo stets Motor einer Ausstellungspolitik, die ein Bild der nationalen Repräsentation vor Augen hat. Im Projektpapier resümieren Bourriaud und Sans, der Name stehe für Verankerung in der Moderne und der Geschichte von Paris und sei zugleich international: »Un Palais ancré dans l’histoire et la modernité de la ville de Paris, mais qui porte un nom international et exotique: ces deux mots affirment d’emblée l’ambition de ce nouveau site.«367 Neu gegenüber allen vorherigen Nutzungsprojekten ist nun die erstmalige explizite Zugrundelegung der örtlichen Geschichte im inhaltlichen Programm. Zum Beginn des neuen Jahrhunderts schließt sich im Palais de Tokyo ein Kreis zum Beginn des zurückliegenden.
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»UN LIEU VIVANT«: LEITIDEEN IM KONZEPT VON NICOL AS BOURRIAUD UND JÉRÔME SANS Fünf Prinzipien sind die Leitlinie von Bourriaud und Sans: Interdisziplinarität, Flexibilität, Lebendigkeit, Zusammenarbeit und Pädagogik. 368 Anders als die bestehenden spezialisierten Pariser Kunstinstitutionen soll sich ihr Zentrum anderen Bereichen wie Film, Literatur, Musik, Architektur, Werbung, Design oder Mode öffnen. Die Führungsrolle solle aber stets der zeitgenössischen Kunst zukommen. 369 Ein wissenschaftliches Komitee aus verschiedenen Disziplinen solle das Programm bereichern. Das Palais de Tokyo verstehe sich als Plattform für Künstlerprojekte oder Ausstellungen, Tagungen und Konferenzen, Buchvorstellungen, Premieren von Musik und Film, Konzerte, Modenschauen und jedmögliche weitere Veranstaltungen. Solch ein »flux de manifestations« bedingte auch die architektonische Vision: Einfach und mobil sollte die Innenarchitektur zusammen mit der Geschmeidigkeit – »souplesse« – des Programms Künstlern größtmögliche Freiheit und den Besuchern Nähe zum schöpferischen Schaffen ermöglichen. Leitideen sind die Zugänglichkeit der Ausstellungen von Mittag bis Mitternacht, des Teams, der Kunst bei Vorstellungen durch Künstler sowie Transparenz. Das Publikum soll permanent in Kontakt mit dem Bereich hinter den Kulissen – »l’envers du décor« –, dem Prozess der Produktion der Veranstaltungen treten: »Pas de backstage. Pas de temps mort. L’impression d’ensemble doit être celle d’une proximité avec la création contemporaine des acteurs.«370 Der lebendige Ort sollte ein permanentes Labor, eine zentrale von Unabhängigen sein: »Un lieu vivant: Un laboratoire transversal permanent, une véritable centrale des indépendants«. Als »surface de présentation« solle er Unternehmen aus dem Kunstbereich und Fachleuten zur Verfügung stehen. Im Café-Restaurant sollten Publikationen ausliegen, ein Informationsort über die französische Kunstszene werde Diapositive, Kataloge, Magazine und Videos bereithalten und jeder Künstler solle stets zehn für ihn wichtige Bücher nennen, um sie in einer Buchhandlung anzubieten. 371 So oft wie möglich sollen Koproduktionen mit anderen französischen Institutionen oder dem Ausland realisiert werden; das Palais de Tokyo solle auch als internationale Projektbörse für Partnerschaften dienen. Das Vermittlungskonzept sieht ein monatliches kostenloses Blatt, Informationen über die Künstler an den Eingängen der Ausstellungsräume, Führungen, Begegnungen und Ateliers vor. Eine monatliche Zeitung zwischen Programm und Zeitschrift nach dem Vorbild des ICA London und erschwingliche Kataloge zu den Hauptausstellungen sollten entstehen und eine Website als Ausstellungsarchiv und zur Information über die französische Kunstszene. 372
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PIERRE RESTANY UND DIE ASSOCIATION »LE PAL AIS DE TOKYO, SITE DE CRÉATION CONTEMPORAINE« Für den Site de Création Contemporaine wurde im Januar 2000 ein Trägerverein gegründet. Unterzeichner der Statuten waren Pierre Restany als Präsident, der Publizist, Autor und Radiogründer Jean-François Bizot (1944–2007) als Sekretär und der Finanzunternehmer und Manager Aimery Langlois-Meurine als Schatzmeister. 373 Der Vereinigung obliegt die Einrichtung, Leitung und der Betrieb des Ausstellungsortes. Von Amts wegen sind der Kulturminister, vertreten durch den Délégué des Arts plastiques und der Präfekt der Region Île-de-France, vertreten durch seinen Kulturbeauftragten, Mitglieder. 374 Der oder die Direktoren werden nach diesen Statuten für eine Amtszeit von drei Jahren vom Verwaltungsrat ernannt und vom Kulturminister bestätigt. Die Statuten sind modifizierbar durch die Generalversammlung; dies erklärt, weshalb Bourriaud und Sans bis 2006 Direktoren des Palais de Tokyo sein konnten. 375 Die ersten Künstler im wissenschaftlichen Beirat waren Martine Aballéa, Daniel Buren, Michel François, Alain Jacquet, Raymond Hains und Orlan. 376 Pierre Restany legte der Kulturministerin Catherine Tasca in einem Brief Ende Juli 2000 dar, weshalb er akzeptiert habe, Präsident der neuen Vereinigung zu werden. Eine Konstante seiner Arbeit sei die Beschäftigung mit einer modernen Kunst gewesen, die einer »kolossalen Affirmation« der urbanen Kultur im 20. Jahrhundert verbunden sei. In der globalisierten Kommunikation benötige die Kunst neue Ausstellungskonzepte, weshalb er Bourriaud und Sans unterstütze: »L’art du XXe siècle a suivi les diverses étapes de la globalisation de la communication et aujourd’hui il en apparaît comme le vecteur humaniste par excellence. Traduite dans les faits, cette situation actuelle implique une stratégie nouvelle dans l’incitation, la promotion et la distribution de la créativité. C’est à cette dimension multimédiale et directement existentielle que se sont voués Nicolas Bourriaud et Jérôme Sans.«377 Die Verankerung der Kunst im Leben überspannt als Leitgedanke in der ästhetischen Reflexion der Ausstellung moderner und zeitgenössischer Kunst an der Schnittstelle der Architektur des Ausstellungsraumes und der Funktion der Kunst in der Gesellschaft das gesamte 20. Jahrhundert bis ins Zeitalter der Globalisierung. Für Walter Benjamin ist in der aufkommenden massenmedialen Gesellschaft Ende der 1920er Jahre und in den 1930er Jahren der von Georg Lukács inspirierte Gedanke der Totalität der Wirklichkeitswahrnehmung ausschlaggebend für Möglichkeiten einer Einbindung der Kunst ins Leben der Gemeinschaft. Für Pierre Restany ist die Dimension der Massenkommunikation und der urbanen Kultur Maßstab einer Einbindung der Kunst in eine nun globale Wirklichkeit: »Le Palais de Tokyo est une tentative d’insérer l’art et toutes les formes
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de la créativité dans la réalité internationale et planétaire de notre époque, des arts plastiques au cinéma à la musique.«378 Der Aufsichtsrat segnete am 2. Februar 2001 besonders mit dem Zuspruch von Restany und Daniel Buren das erste Programm ab. Es werde Paris den gebührenden Platz zurückgeben: »Elle [la programmation] entend redonner à Paris, peu sensible à l’émergence des nouveaux courants artistiques, la place qui lui revient.«379 In der Geschichte des Palais de Tokyo tauchen dieselben Argumente stets wieder auf. Schon Jean Cassous MNAM wollte ein Seismograf der Kunstentwicklung, ein »Musée de l’évolution artistique« sein, ebenso wie später das als Labor konzipierte Centre Pompidou. Dass das Palais de Tokyo mit derselben Zielsetzung nun ebenfalls innovativ wirkt, illustriert zyklische Entwicklungen – und die nunmehr starre institutionelle Festigung des Centre Pompidou von 1977. Der Ministerin wird über das Programm der ersten sechs Monate berichtet, es zeige formale, generationelle und internationale Offenheit. Bedeutung habe die Einbindung in das umgebende Viertel mit den kulturellen Aktivitäten rund um den Chaillot-Hügel und die Weiterbildungsmöglichkeit für alle Altersstufen im Pavillon. 380 Die vorläufige Liste der Eröffnungsausstellung, zum zeitgenössischen Schaffen im digitalen Zeitalter, sehe etwa vierzig Künstler vor, darunter den türkischen Künstler Haluk Akakçe, die Koreanerin Lee Bul, den Franzosen Alain Declercq, die Schwedin Gunilla Klingberg, den Italiener Gianni Motti, den Amerikaner Matthew Ritchie und den Albaner Sislej Xhafa. Monatlich sind monografische Ausstellungen zeitgenössischer Künstler geplant. 381
DAS STUDIENZENTRUM PAVILLON VON ANGE LECCIA Von 2001 bis 2017 war der Pavillon, die »unité pédagogique du Palais de Tokyo«, auf Englisch »Study Program of the Palais de Tokyo«, Teil des Zentrums. 382 Es empfing Künstler und einen jungen Kurator für Residenzen mit einem monatlichen Stipendium. In diesem Kreativlabor soll zeitgenössisches Schaffen in Echtzeit Gestalt annehmen. Es wurde vom Künstler Ange Leccia 1999 vorgeschlagen. Bei ihm hatten an der École supérieure d’art de Grenoble heute so bekannte Künstler wie Dominique GonzalezFoerster und Philippe Parreno studiert, mit denen er später im Pavillon zusammenarbeitete. Leccias Grundidee ist, dass Künstler im Inneren der Institutionen arbeiten. Nach dem Beispiel der Vermittler- und Kuratorenausbildung am Magasin – Centre National d’Art Contemporain in Grenoble habe er eine Schule für Künstler konzipieren wollen. Ein jeweils assoziierter Kurator solle philosophische Debatten leiten, die Künstler in Kontakt zu allen Beschäftigten des Palais de Tokyo treten. 383 Für Leccia stand auch das IHEAP von Pontus Hultén Pate. So schrieb er in einem Vermerk ans Ministerium: »Les lieux d’enseignement qui ont exercé une véritable influence dans le champ de la création (du Bauhaus à l’école de Düsseldorf en passant par l’institut de Pontus-Hulten), ont
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toujours fait confiance aux démarches et à la pensée des artistes.«384 Die sie verbindende Idee ist, dass Künstler die Ausstellungsinstitution infrage stellten, »en un mot, qu’elle soit habitée d’une pensée en perpétuel questionnement«. 385 Leccia betont, der Pavillon stehe mit einer kollektiven Geste in der Tradition des Ziels des IHEAP, der Produktion im langen Austausch. 386 Um der globalen Professionalisierung des Kunstbetriebs zu begegnen, habe der Pavillon von Anfang an gegenläufige Reisen organisiert, etwa nach Vietnam und Kambodscha, später auch Brasilien, Japan und Marfa in Texas. Leccia sieht im Phänomen der globalen Biennalen der vergangenen 25 Jahre ein Zeichen globaler Uniformierung, aber auch ein Potential zu Austausch. 387 Sarkis hingegen erinnert zum IHEAP den seinerzeit grundlegenden Bedarf eines Raumes der Diskussion und der Kritik nach den Auswirkungen der ersten Ölkrise in den 1970er Jahren und dem Wachstum des Kunstmarktes. Solch ein Raum habe ihnen als sehr kritischer Generation gefehlt, das IHEAP sieht er nach Mai 1968 dahingehend sogar als zu spät an: »Nous ne donnions pas de cours pour expliquer comment faire avec le système.«388 Damit stellt sich die Frage, ob Anforderungen an ein solches Format zwischenzeitlich tatsächlich ganz andere wurden. Das akademische Jahr des Pavillon war in drei »Saisons« aufgeteilt, für die jeweis ein Künstler oder eine Gruppe eingeladen wurde, ein Thema zu entwickeln. Zusätzlich konnten die Studenten Gäste vorschlagen. 2001 wurden zwei Workshops in Marokko im März und Korsika im Mai realisiert. 389 Der erste Jahrgang, mit Workshops in Korsika, einem mehrwöchigen in Mexiko und auf dem Mittelmeer mit einem zum Filmstudio umfunktionierten Segelschiff, bestand aus Charlotte Beaurepaire (FR), Kim Seob Boninsegni (CH/FR), Gérald (FR), Emily Joyce (USA), Alexandre Pollazzon (FR), Julia Rometti (FR) und Apichatpong Weerasethakul (TH). Die ersten drei »Saisons« wurden gestaltet von Dominique Gonzalez-Foerster mit einem Projekt über »L’art du futur« ausgehend von der Architektur präkolumbianischer Stätten und daher teilweise in Mexiko, von Pierre Joseph und M/M über »l’idée de la diffusion et la mise en page au sens large«. 390 M/M gestalteten den gesamten grafischen Auftritt des Palais de Tokyo und seiner Website, und so auch das Vorstellungsbooklet zum Pavillon. 391 Dass die »Isolation« von Kunsthochschulen aufgebrochen werden sollte ist ein Unterschied zum IHEAP, dessen Sitzungen hinter verschlossenen Türen abliefen. 392 Vielleicht fehlen in der globalisierten beschleunigten Gegenwart Reflexionszonen wie das alte IHEAP, deren Abgeschlossenheit eine Voraussetzung für die eingehende und ernste Befassung mit Themen und die Entwicklung ihrer Kritik ist. Wie damals sehen sich junge Künstler heute der dominierenden Macht des Kunstmarktes gegenüber und ist die Gesellschaft geprägt von Auswirkungen einer Wirtschaftskrise, die Sarkis als Ursache für eine damals feststellbare »konventionellere Natur« von Werken sah. Kollektive Erfahrungsräume sind in der digitalisierten Gegenwart ein dominierendes Strukturmodell in institutionellen wie didaktischen Vermittlungskonzepten. Leccia schreibt
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selbst: »Notre structure ressemble souvent à une plate-forme de communication où les artistes sont devant leur ordinateur en train d’entrer en contact avec différentes parties du monde pour échanger des données.«393 Gerade die Teilnahme an solchen Formaten ist aber ein wichtiger Faktor in der Logik des Kunstmarktes und die Außendarstellung der Aktivitäten ist ein Werbemittel für die Kunstinstitution. Viele frühere Teilnehmer des Pavillon sind heute international erfolgreiche Künstler, was für die Qualität der Auswahl der jungen Teilnehmer spricht, aber auch für die Rolle des Pavillon als Knotenpunkt in einem globalen Netzwerk. Dennoch sollte der Pavillon nach Leccia immer gegenläufig zur wirtschaftlichen Beschleunigung der künstlerischen Produktion sein. 394 Sarkis hingegen verfolgt das IHEAP-Modell des intensiven, langen Austausches noch konsequenter weiter: Anlässlich seiner Ausstellungen lässt er die Museen vor Ort Künstler auswählen, mit denen er sich trifft. Er verbringe fünf Stunden in einem Einzelgespräch mit dem Künstler, den er nur einmal treffe, und diskutiert dessen Arbeit. 395
»PERVERTIR L A MONUMENTALITÉ DU LIEU«: DIE UMGESTALTUNG DURCH L AC ATON & VASSAL Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans wünschten sich in ihrem Projekt für das Palais de Tokyo eine einfache, mobile und bescheidene Innenarchitektur. Das Kulturministerium wünschte aus Kostengründen einen möglichst minimalen Eingriff. In der interministeriellen Sitzung anlässlich der Ausnahmegenehmigung antworteten die Vertreter des Kulturministeriums auf einen Einwurf des Staatssekretärs für Wohnungswesen, der sich Informationen über eine Wiedernutzung der Gesamtfläche gewünscht hatte, dass die Kosten einer vollständigen Renovierung des Palais de Tokyo auf 350 Millionen Francs geschätzt worden seien. 396 Nach einer europäischen Ausschreibung begutachtete eine Kommission 34 Bewerbungen von Architekten. 397 Drei Bewerber wurden zum Vorsprechen eingeladen – Patrick Bouchain, Stéphane Maupin sowie Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal. Lacaton und Vassal wurden danach einstimmig gewählt. 398 Ihr Avant-projet spécifique (APS) beschreibt den Versuch einer »leichten« Lösung, die in dieser Inspiration dem zeitgenössischen Schaffen ähnle. 399 Es gehe ihnen nicht darum einen polyvalenten Raum zu schaffen, da solche sich letztlich als schwer und statisch herausstellten. Im Vergleich werden das Centre Beaubourg, das MAM Paris, das Musée des Arts Premiers, die Cité de l’Architecture im Palais de Chaillot und das vorangehende Projekt des Palais du Cinéma genannt. Ihr Projekt wolle sich dagegen bestmöglich an die gegebenen physischen und räumlichen Qualitäten anpassen und maximal von diesen profitieren, indem schwere Eingriffe vermieden werden. Der Begriff »Installation« sei wörtlich zu nehmen. Wie schon für Bourriaud und Sans hat das Gebäude auch für Lacaton und Vassal eine spezifische Qualität aufgrund seiner Geschichte, die genutzt werden soll. Hier erscheint
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wieder der Begriff der »Monumentalität« des Palais de Tokyo. In den Vorprojekten zum Centre Pompidou wurde diese kritisiert und zum Ausgangspunkt einer neuen Monumentalität des Centre. Beaubourg versucht, eine Transparenz von Innerem und Äußerem herzustellen. Lacaton und Vassal dagegen wollen in ihrem Projekt die Diskrepanz zwischen Innen und Außen bewusst nutzen. Die Monumentalität, sein Image, kontrastiert mit dem zeitgenössischen Programm – für sie ein Aspekt, der Spaß macht. Minimale Eingriffe und Zusätze sollen sie »pervertieren«: »Le décalage entre l’intérieur et l’image extérieure est un point amusant du projet. De simples interventions en aucune façon dommageable pour le bâtiment, ajouts démontables, viennent gentiment pervertir la monumentalité du lieu. Elles montrent aussi la modernité de cet espace, de conception libre et ouverte.« Das Rez-de-Chaussée bas und haut loben sie weiter für die wunderbare architektonische Qualität gegenüber anderen Ausstellungshäusern wie Beaubourg: »Espace magnifique, son dépouillement présent a une très forte signification vis à vis des enjeux architecturaux actuels (Centre des Arts Premiers, Centre Beaubourg), intelligence des espaces suffisament dans leur imbrication pour la recherche de la meilleure lumière naturelle […].« 400 Mit Mobiliar, Kisten und Containern sollten Funktionsinseln für die Küche des Restaurants, Sanitäreinrichtungen, die Boutique und die Garderobe geschaffen werden. Auf der Ebene sind der Eingang, die Garderobe, die Boutique, drei Modulzellen, das Restaurant und ein Sicherheitsposten geplant. Im Obergeschoss – »très désagréables actuellement« – sollen Verwaltung und Pavillon eingerichtet werden. Mit den vormals verdeckten Dachverglasungen sollte auch der ursprüngliche Geist des Ausstellungsraums freigelegt werden (Abb. 102).401 Alle Böden erhalten eine einfache abdeckende Schicht, die Wände sollten lediglich gereinigt werden. Zwei Fenster der Fassade parallel zur Avenue Wilson werden zu Türen und durch Fußgängerbrücken über den tiefen Graben mit der Straße verbunden.402 Das Projekt schließt keine Außenarbeiten ein, die über Entrauchung, Sicherheit und Ventilation hinausgehen.403 Für die Offenheit berufen sich Lacaton und Vassal auf das Vorbild des Platzes Djamaâel-Fna in Marrakesch. In einem zur Eröffnung 2002 in Libération publizierten »Glossar« des Palais de Tokyo heißt es: »Place Djemaa el-Fna. Référence obligée des architectes. Symbole de public varié et changeant, même si, sur la place de Marrakech, les touristes flegmatiques sont plutôt accoutumés aux charmeurs de serpents.« 404 Im Rückblick 2012 bringen Lacaton und Vassal ihr Konzept auf die Formel einer Dialektik von Innen und Außen, die jener der Einkaufspassage oder des Basars ähnelt, bei der Wände hinter die Ausstellungsstücke zurücktreten. Sie hätten im Palais, mit seinen schlanken Säulen und dem Glasdach, zunächst ein Gebäude ohne Wände und Dach gesehen. Jede Ausstellung sollte sich ihre eigenen Wände schaffen.405 Die Kritik, dass zu wenig echte architektonische Eingriffe unternommen wurden, weist Anne Lacaton mit dem Hinweis zurück, es sei nie um die Herstellung einer »Ruinen-Ästhetik« gegangen. Bei Eröffnung 2002 gab das Kulturministerium die Kosten
505 | Der Name als Programm: Die Konzeption des Palais de Tokyo
102 Anne Lacaton & Jean-Philippe Vassal: Palais de Tokyo, rendering, 2001
der Arbeiten mit 4,573 Millionen Euro an, von denen 3,049 Millionen Euro direkt auf die Bauarbeiten entfielen. Die Subvention des Zentrums durch das Ministerium betrug 1,753 Millionen Euro.406 Lacaton weist darauf hin, dass ein großer Teil der Arbeiten an der Stabilität gar nicht sichtbar war, und ihr Ziel sei es gewesen, mit dem geringen Budget die besten Lösungen für das Gebäude zu finden. Aus diesem Grund hätten sie auch kein Modell angefertigt, sondern kommentierte Ortsbegehungen und die Visualisierung von Projektabschnitten vorgezogen. Die ersten Bilder hätten lediglich existente Räume mit eingefügten Aufnahmen von Menschen in Situationen wie einem Strand, Terrassen und Restaurants gezeigt, um zu betonen, was als erstes auffalle: Die Räume, die Struktur und deren extreme Modernität.407
506 | Das poröse Museum
1 Von 1945 unterstanden die zusammengefassten Galeries nationales du Jeu de Paume et de
l’Orangerie dem Louvre, vgl. Chronologie, in: http://www.musee-orangerie.fr/fr/article/chronologie (24. November 2015). Die Orangerie mit Monets Nymphéas wurde für Ausstellungen und, nach dem Tod Domenica Walters 1977, die Sammlung Jean Walter und Paul Guillaume genutzt. Das Jeu de Paume zeigte bis 1986 die Impressionisten (seither im Musée d’Orsay). Die Orangerie wurde 1984 unabhängig. Michel Hoog, seit 1974 Kurator der beiden Häuser, blieb ihr Chef kurator und daneben zuständig für das Palais de Tokyo. Nachfolger als Administrateur général en charge du Palais de Tokyo wurde im Herbst 1986 Philippe d’Hugues, vgl. AMN 16HH23 (1), Travaux du Palais de Tokyo. Michel Hoog: »Note à l’attention du personnel du Palais de Tokyo«, 17. Oktober 1986. d’Hugues, Filmkritiker, war zuvor technischer Berater des Direktors des CNC und Generalverwalter der Cinémathèque française. Er setzte sich besonders für die Bewahrung des französischen Filmerbes ein, vgl. Philippe d’Hugues: Le patrimoine cinématographique existe-il?, in: Communication et Langages 100–101/1994, S. 185–196. 2 Vgl. zur französischen Kulturpolitik im Filmbereich der Nachkriegszeit Dimitri Vezyroglou
(Hrsg.): Le cinéma: une affaire d’État, 1945–1970, Paris 2014.
3 Von den »Arts visuels« Film, Fotografie, Illustration und Grafik sind damit die ersten beiden
gemeint.
4 Franck Cormerais: Introduction, in: id.: Répertoire numérique détaillé des Archives du Groupe-
ment d’Intérêt Public pour le cinéma. Archives Nationales 20080594, Paris 2008, unpaginiert.
5 Franck Cormerais gibt im Inventar der Archive der zuletzt aktiven Trägergesellschaft der Ciné-
mathèque und BIFI daher eine tabellarische Übersicht der Projektnamen, Trägergesellschaften, beteiligten Institutionen und des jeweils vorgesehenen Ortes nach Jahren.
6 Laurianne Quentin: Introduction, in: Service national des travaux et etablissement public de maitrise d’ouvrage de travaux culturels Tr ansformation du Palais de Tok yo en Palais Des arts de L’I mage . Répertoire numérique détaillé n° 20144769, 12015, in: https://www.siv.archivesnationales.culture.gouv.fr/siv/IR/FRAN_IR_054246 (19. November 2015). 7 Quentin 2015, S. 5. Vgl. dort die etwas andere Bezeichnung als »Mission de préfiguration du
palais du cinéma«.
8 Bei einem Groupement d’Intérêt Public GIP handelt es sich um eine hybride Rechtsstruktur
zwischen öffentlichem und privatem Recht, vgl. Cormerais 2008, »Introduction«: »C’est une structure particulière associée aux établissements publics. Le décret n°91-1215 du 28 novembre 1991 prévoit la constitution d’un GIP culturel. Il apparaît comme un régime hybride entre droit public et droit privé«. Das GIP setzt sich hier aus den drei Institutionen Cinémathèque française, BIFI und Service des archives du film zusammen. Es wird 2004 aufgelöst und in Bercy wird nur das Projekt Cinémathèque francaise, musée du cinéma realisiert. Die Cinémathèque öffnete im September 2005. Im Januar 2007 wurde die BIFI mit ihr fusioniert. 9 PALAIS 15/2012 thematisiert Aspekte der hier behandelten Institutionengeschichten in Interviews mit Akteuren und Künstlern. Zum Musée d’Art et d’Essai werden dort nur Fotografien gezeigt. Interviewt werden: Zum CNP der ehemalige Leiter Robert Delpire, zum Palais des Images/ du Cinéma Christian Oddos (ab 1989 Leiter der Mission pour l’Aménagement du Palais de Tokyo), der ehemalige Leiter der Cinémathèque Dominique Païni und der seinerzeit mit der Filmausstellung betraute Architekt, Alain Guiheux. Zum Palais de Tokyo die Architekten Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal; Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans (2002–2006), ihre Nachfolger MarcOlivier Wahler (2006–2011) und Jean de Loisy (2012–2018). Ange Leccia, Sarkis und beteiligte Künstler führen ein Gespräch zum IHEAP und Pavillon. Die Préfiguration d’Orsay wird nicht thematisiert. Die 2006 in Italien erschienene Publikation von Paola Nicolin ist keine systematische historische Analyse. Ausführungen zum zeitgenössischen Palais de Tokyo basieren auf Sekundärquellen und einem Interview mit Jean-Philippe Vassal; sie wertet kein Quellenmaterial aus den französischen Archiven aus, vgl. id. 2006, S. 86, Fn. 31. Soweit aus den Anmerkungen ersicht-
507 | Anmerkungen
lich – das Buch enthält keine Bibliografie – hat Nicolin abgesehen von der Zeitschrift Mouseion und dem Tagungsband des Museografie-Kongresses in Madrid 1934 kein historisches Quellenmaterial ausgewertet. Die Durchsicht der wenigen Seiten zur Geschichte des Palais de Tokyo erweist die Auswertung von Mouseion als nur bedingt zielführend für die Entstehungsgeschichte (S. 40– 45 u. 49–52). Nicolin unternimmt keine Betrachtung der Auswirkungen des Kongresses 1934 und des OIM-Umfeldes auf die Konzeption des Palais de Tokyo. Zum zeitgenössischen Zentrum hat sie ihren Text mit subjektiven Eindrücken ergänzt und behandelt Ausstellungen von Liam Gillick, Thomas Hirschhorn und den Workshop Air Cambodia des Pavillon, die sie historischen Konzeptionen von Ausstellungsräumen von Henri Focillon, Alexander Dorner, Moholy-Nagy, Gyorgy Kepes und André Malraux gegenüberstellt (S. 49–73). Eine kurze Darstellung relationaler Ästhetik und ein Interview mit Jérôme Sans komplettieren ihre Darstellung (S. 75–81). 10 Die erste staatliche Behörde zur Koordinierung der Filmproduktion wurde 1940 unter Vichy
gegründet, das Comité d’organisation de l’industrie cinématographique (COIC). Das CNC wurde 1946 gegründet und finanzierte ab 1948 mit einer Steuer auf Eintrittskarten Filmförderung. Unter Malraux wechselte die Aufsicht darüber vom Industrie- zum Kulturministerium. Vgl. Jean-Marc Vernier: l’État français à la recherche d’une politique culturelle du cinéma: de son invention à sa dissolution gestionnaire, in: Quaderni 54/2004, Cinéma français et État: un modèle en question, S. 95–108. 11 Seit 2010 fusioniert mit dem 1998 geschaffenen Établissement Public de Maîtrise d’Ouvrage
de Travaux Culturels zum Opérateur du Patrimoine et des Projets Immobiliers de la Culture, vgl. Quentin 2015, S. 6.
12 Laurent Wolf: À Paris, la création contemporaine sort de la disette, in: Études 3/2002, S. 402–
404, vgl. S. 402: »Et, pour une fois, il ne s’agit [...] d’une initiative venue d’en haut et conduite par les agents du Ministère«. 13 Vgl. Christian Oddos: Éditorial, in: Mission pour l’Aménagement du Palais de Tokyo (Hrsg.): Plan 1/1990 und: AN 20050502/13. Palais de Tokyo (suite), Inauguration. Palais de Tokyo (Hrsg.): Le Palais de Tokyo. Histoire d’un nom. Ordner mit Einleitung (1 S.) und historischem Pressematerial. 14 AN 20050496/51, Palais de Tokyo 2000–2001, Centre de la jeune création. Bourriaud u.
Sans: Palais de Tokyo. Site de création contemporaine. Un projet de Nicolas Bourriaud et Jérôme Sans, Mai 1999, S. 4. 15 Vgl. AN 20080594/68, Groupement d’Intérêt Public pour le Cinéma. Palais de l’Image. Suivi
du Projet (1986–1989), Unterdossier »Projet architectural«.
16 Dominique Païni: Exposer du temps, Interview in: PALAIS 15/2012, S. 86–88, S. 86; Alain
Guiheux: Des films à la place des tableaux, Interview, ibid., S. 91–94, S. 92.
17 Vgl. AN 20050496/51, Palais de Tokyo 2000–2001, Centre de la jeune création. »Site de Créa-
tion Contemporaine. Installation au Palais de Tokyo. APS / 31.1.2000. Présentation du projet«, 5 S., unpaginiert.
18 Uwe Fleckner: »Der Leidschatz der Menschheit wird humaner Besitz«. Sarkis, Warburg und das soziale Gedächtnis der Kunst, in: Sarkis. Das Licht des Blitzes Der Lärm des Donners, Ausstellungskatalog, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Wien 1995, S. 33– 40, S. 33 f., das folgende Zitat S. 35. 19 Fondation Louis Roederer (Hrsg.): Videointerview mit Philippe Parreno, 19. Dezember 2013,
in: https://www.youtube.com/watch?v=SL-0pZZ9UmU; Jean de Loisy u. Mouna Mekouar: Anywhere, Anywhere Out of the World, Note sur l’Exposition, in: http://palaisdetokyo.com/fr/expositions/anywhere-anywhere-out-world (8. April 2016).
508 | Das poröse Museum
20 Dynasty, Ausstellungskatalog, ARC MAM Paris / Palais de Tokyo, Paris 2010, S. 48–50; Laë-
titia Badaut Haussmann: No one Returns. Entretien avec Sarah Gensburger, in: PALAIS 12/2010, S. 55–57. 21 Elisa Fedeli: Interview Laëtitia Badaut Haussmann, 7. Juli 2010, in: http://www.paris-art.
com/interview-artiste/dynasty-laetitia-badaut-haussmann/laetitia-badaut-haussmann/314. html#haut (8. April 2016). Sie fährt fort: »Cela dit, des informations documentaires d’ordre contextuel ont été publiées dans le magazine Palais et le catalogue de l’exposition. Ce ne sont pour moi que des pistes de lecture supplémentaires, un déploiement du projet, et non pas des étapes antérieures qui auraient guidé mes choix formels«.
22 Vgl. Maurice Halbwachs: Les cadres sociaux de la mémoire [1925], Paris 1994; id.: La Mémoire collective, Paris 1950. 23 Aleida Assmann u. Jan Assmann: Das Gestern im Heute. Medien und soziales Gedächtnis, in:
Klaus Merten et al. (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Opladen 1994, S. 114 –140, S. 121: »Dokumente beruhen auf Kodifikation und Speicherung von Information, Monumente beruhen auf Kodifikation und Speicherung plus sozial bestimmten und praktizierten Erinnerungswert«. 24 Hito Steyerl: Die Farbe der Wahrheit. Dokumentarismen im Kunstfeld, Wien 2008, S. 100.
Steyerl entwickelt daran anschließend eine Theorie des Dokumentarismus im Feld der Kunst mit Benjamins Überlegungen zur »Sprache der Dinge« aus Über die Sprache überhaupt und die Sprache des Menschen (1916, GS II.1, S. 140– 157), wo sie argumentiert: »Die dokumentarische Bildsprache ist eine solche Übersetzung zwischen der Sprache der Dinge und der Sprache der Menschen« (S. 121 ff.). Steyerl, ausgestellt im deutschen Pavillon der Venedig-Biennale 2015, ist für ihre eigene künstlerische Herangehensweise an das Dokumentarische bekannt, etwa ihren Film Die leere Mitte, für den sie von 1990 bis 1998 die Veränderung des Potsdamer Platzes in Berlin beobachtete und über die Bilder des Platzes Erinnerungen an dessen Vergangenheit legte. 25 Warburg 2000, S. 3. 26 Catherine Perret: Les deux corps de l’archive, in: Jean-Philippe Antoine u. id. (Hrsg.): Le Genre
humain 55/2015, Les artistes font des histoires, S. 17–39, S. 17.
27 Ibid., S. 29: »Dans une culture allemande dévastée par le règne de la Lingua Tertii Imperii, les
mots sont ruinés. Entre ces ruines se dessinent des passages: des constructions qui permettent de s’enfuir, de passer ailleurs, d’entrer et de sortir comme ont entre ou sort du ghetto […]. Les passages parisiens, avant d’être des lieux de flânerie, sont des lieux où l’ont peut se cacher«.
28 Ibid. 29 Benjamin, Brief an Werner Kraft, Paris, 28. Oktober 1935, zitiert nach GS I.3, S. 983. 30 Perret 2015, S. 39. 31 Anne-Marie Bouttiaux: The Porosity of Objects, in: id. u. Anna Seiderer (Hrsg.): Fetish Modernity, Publikation zum europäischen Ausstellungsprojekt Ethnography Museums & World Cultures, 2011–2014, Royal Museum for Central Africa, Tervuren 2011, S. 153–157. 32 Anna Seiderer: Modernity as »Object of Desire«, ibid., S. 133–137, S. 136 f.: »As an image as
Other, Benjaminian quotation restores the narrative’s textuality. Its immanence resists meaning fabricated in the organization of narrative discourse. [...] The incorporation of foreign elements in some objects or cult practices prevents identification established by the order of the discourse. The desire for modernity is the force altering identity within an object that appears thus in a multipolar form«.
33 Zu den Verbindungen von Benjamins Neapel und dem Passagen-Projekt vgl. Fellmann 2014,
S. 67 ff.
509 | Anmerkungen
34 Giedion 1928, S. 85: »Es gibt dafür weder Raum noch Plastik, nur Beziehung und D urchdringung !«.
35 Anne Lacaton u. Jean-Philippe Vassal (2012a): From landscape to its uses, Interview, in: PALAIS
15/2012, S. 99–105, S. 102. 36 Ibid.
37 Ibid., S. 100: »Dans un marché couvert, comme dans tout espace public, les murs n’ont pas
d’importance. [...] Nous voulions retrouver quelque chose de ›l’extérieur‹ à l’intérieur«.
38 AN 20050311/2, Archives du cabinet de Lionel Jospin, Premier ministre. Dossier Palais de
Tokyo. Palais de Tokyo (Hrsg.): Dossier de Presse, Novembre 2001, S. 9. 39 Bourriaud 2001, S. 31. 40 Ibid., S. 27, folgendes Zitat S. 13.
41 Nicolas Bourriaud (2009a): Altermodern, in: id. (Hrsg.): Altermodern. Tate Triennial, London
2009, S. 11–24, S. 22: »This may be defined as a wrenching separation from the traditions, customs, everything in fact that anchors an individual to a ‘territory’ and the habits of a culture petrified by fixed ways of doing and saying things«.
42 Jean de Loisy: Je ne m’intéresse pas à l’art contemporain, in: Culture Communication. Minis-
tère de la Culture 200/2012, S. 5–6, S. 6: »Le Palais de Tokyo a lui-même abrité bien des projets depuis sa création en 1937 […]. Déborder l’exposition, c’est aussi décloisonner les genres […]; montrer ainsi la porosité des disciplines; voir comment ces autres acteurs s’emparent du médium de l’exposition [...]«. 43 Im Dezember 1984 nutzte das Musée d’Orsay im höheren Rez-de-Chaussée haut 900 Quad-
ratmeter als Ausstellungsfläche (u.a. Postimpressionismus, »Modern Style«), und im tieferen Rezde-Chaussée bas 230 als Reserve für Gemälde und Objekte, 360 als Reserve für Zeichnungen und Fotografien und 400 für Material und Ateliers. Im Keller hatte es ein Depot mit 220 Quadratmetern. Das Musée d’Art et d’Essai nutzte das Rez-de-Chaussée haut auf 940 Quadratmetern als Ausstellungsfläche und das Kellergeschoss auf 300 mit Werkstätten und hatte Diensträume auf 150 im Obergeschoss. Der Louvre hatte im Rez-de-Chaussée haut 350 Quadratmeter Ausstellungsfläche und im Kellergeschoss 300 als Reserve und für Ateliers 60. Das CNP nutze das Rez-de-Chaussée bas auf 360 Quadratmetern, die Restaurierungswerkstätten der DMF nutzten 600. Die im Palais de Tokyo verbliebenen Schenkungen nahmen im tieferen Rez-de-Chaussée bas 1230 Quadratmeter ein. Im Keller unterhielt der FNAC sein Depot auf 1600 Quadratmetern. Bis Abschluss der Renovierung des Hôtel Salé für das Musée Picasso (1979–1985) hatte dieses im Rez-de-Chaussée bas und im Kellergeschoss 370 Quadratmeter und ein Büro (300). Die erste Etage harrte des Umbaus. Vgl. AMN 16HH5 (1), Règlement intérieur du musée, 1977–1982. »Règlement provisoire concernant le Rez de Chaussée bas«, 4. April 1985 (Michel Hoog), getippt, 1 S., und AMN 16HH23 (4), Travaux 1984 –1986, Utilisation des locaux. Unterdossier »statistiques«, »Palais de Tokyo, Utilisation des locaux, Décembre 1984«, 1 Blatt, Kopie. Pläne mit Beschriftung dieser Flächen finden sich beispielsweise in AMN 16HH23 (6), Plans – Travaux – Installations. 44 Vgl. Jacques Thuillier: De la gare au Musée d’Orsay, in: Revue de l’Art 74/1986, S. 5–11. 45 Anlässlich des Transports konnten auch erstmals hunderte Werke am Rücken gekennzeichnet
werden. Vgl. AMN 3KK9 (1), Organisation du Centre Beaubourg. Dossier »Situation de la collection ›Orsay‹ au MNAM«, 1975–27 mars. Fotokopie eines Berichts von Claire Frèches, Conservateur au MNAM, »Rapport à Monsieur le Directeur des Musées de France sur la situation de la collection Orsay«, 27. März 1975, getippt, 2 S. 46 AMN 16HH5 (3), Action culturelle 1977–1986. Präsentationsblatt »Le Musée d’Art et
d’Essai«, 1 S., o.D.
510 | Das poröse Museum
47 Er war zuvor seit 1960 als Assistent, seit 1970 als Kurator am MNAM im Palais de Tokyo tätig.
Von 1974 an war er Kurator des Jeu de Paume und der Orangerie, zuständig für die Impressionisten, und seit 1984 Chef kurator des Musée de l’Orangerie, vgl. http://data.bnf.fr/11907710/ michel_hoog/ (23. November 2015).
48 Anfragen von Provinzmuseen für Leihgaben, die fälschlicherweise an Michel Hoog adressiert
wurden, zeigen, dass der FNAC in dieser Zeit auch mit dem Palais de Tokyo verwechselt wurde. Vgl. AMN 16HH6 (4), Fonds National d’Art Contemporain 1980/1985. Schreiben von Francis Villadier, Leiter des Musée d’Art et d’Histoire, Maison d’Armande Béjart, Meudon, 27. Juni 1980, und Durchschlag der Antwort von Michel Hoog, 1. August 1980. 49 Ibid., Bericht von Michel Hoog an den Directeur des musées de France, 31. Dezember 1985,
Fotokopie, 2 S. Der FNAC fragte wiederholt, ob Sicherheitsvorkehrungen des Palais de Tokyo auf seine Sammlungen ausgedehnt werden könnten, was mit Verweis auf das knappe Wachpersonal abgelehnt wurde. Mitunter blockierten große Skulpturen des FNAC wichtige Zugänge zur Heizungsanlage. Vgl. ibid. und AMN 16HH6 (5), Dépôt des œuvres de l’État, 1977–1981, Durchschlag einer Notiz des Conservateur en Chef des Galeries de l’Orangerie et du Jeu de Paume an die Direction des musées de France, 27. Juni 1977 sowie Durchschlag Brief Hoogs an Bernard Anthonioz, Inspecteur Général de la Création Artistique, 16. Januar 1980. 50 AMN 16HH6 (7), Rapports avec le Musée d’Art moderne de la Ville de Paris. 1979–1984. Sch-
reiben von Laurence Bosse, Conservateur, ARC MAM Paris, an Michel Hoog, 29. Dezember 1982, mit Projektskizze Xavier Juillot.
51 Archives des musées nationaux (Hrsg.): Série HH: Musées nationaux Parisiens, April 2014,
S. 326.
52 Die Akten zum Projekt der Einrichtung der École du Louvre im Palais de Tokyo 1980–1981
sind in AMN 16HH13 gruppiert, neue Signaturen AN: 20144739/70–20144739/76.
53 Von 1987 bis 1995 wurde er Direktor des auf Betreiben von François Mitterand zum »Grand
Louvre« erweiterten Louvre. Von 1995 bis 2000 leitete er die Kommission zur Schaffung des INHA. 54 AMN 2HH66(b), Dossier Du MNAM à Beaubourg. Affectation possible des Anciens Locaux
du M.N. Art Mod. Michel Laclotte: »Note au sujet de la présentation d’œuvres du Louvre dans les locaux de l’ancien Musée d’Art Moderne«, 18. Januar 1977, Fotokopie, 2 S. 55 Ibid., S. 1. 56 Ibid., S. 2. 57 Ibid.: »Bref, ce Musée: 1°) fournirait au public des formules variées et renouvelées de présen-
tations franchement didactiques, impossibles à réaliser au Louvre même; 2°) constituerait pour l’enseignement de l’Ecole du Louvre, et éventuellement des Instituts d’Art universitaires et pour l’Institut de Restauration, une véritable école d’application [...]; 3°) permettrait de montrer au public un grand nombre d’œuvres qui, faute de place, ne peuvent être exposées actuellement en permanence au Louvre même. […] ce Musée serait unique au monde«.
58 AMN 2HH66(b), Dossier Du MNAM à Beaubourg. Affectation possible des Anciens Locaux
du M.N. Art Mod. Kopie Schreiben von Michel Laclotte an die Restaurierungsabteilung, 18. Januar 1977. Der Brief ging an die Direktorin des Service de la restauration des peintures des musées nationaux Gilberte Émile-Mâle (1912–2008), die auch zu der erwähnten Restaurierungs-Ausstellung in Avignon im Vorjahr das Vorwort verfasst hatte. Vgl. Service de restauration des peintures des musées nationaux (Hrsg.): Comprendre, sauver, restaurer: La campagne de restauration des primitifs italiens du musée du Petit Palais, 1966–1976. Problèmes rencontrés, solutions proposées, Ausstellungskatalog, Musée du Petit Palais, Avignon 1976.
511 | Anmerkungen
59 Ausstellungsdossiers in AMN 16HH14 (Expositions 1978), 16HH15 (Expositions 1979),
16HH16 (Expositions 1980), 16HH17 (Expositions 1981), 16HH18 ( Expositions 1982), 16HH19 (Expositions 1983), 16HH20 ( Expositions 1984), 16HH21 (1–3, Expositions 1985), neue Signaturen AN: 20144739/77–20144739/86. Eine Liste aller Ausstellungen im Turnus von zwei Saisons, einer im Frühjahr und einer im November beginnenden, von März 1978 bis November 1985 findet sich als Vorsatz zu einer Sammlung der Presse zu den Ausstellungen. 60 Beispielsweise Au royaume de Saba, Archéologie du Yemen, April 1980–April 1981; La reli-
gion à Chypre dans l’antiquité, November 1978–Februar 1980; Arts antiques du Maghreb, Mai 1981–Januar 1982.
61 Pérugin et l’École ombrienne, Dezember 1979–Februar 1980; Toulouse-Lautrec: La baraque de la Goulue, November 1984 –März 1985. 62 La sculpture française de la Renaissance, März 1979–Februar 1981; Autour de quelques œuvres
du Second Empire, November 1978–Oktober 1979.
63 Le thème de la mort dans la sculpture française, März 1978–Januar 1979; Autoportraits de peintres, März–November 1978; Atlantes et cariatides de Paris sous le IInd Empire et la IIIème République, März–Oktober 1979. 64 La Grisaille, April–Oktober 1980; La céramique de l’Orient musulman, Dezember 1979– Oktober 1981; Tissages et vêtements de l’Égypte Chrétienne, März 1979–Sommer 1980. 65 Théories et pratiques du paysages de Corot à Bonnard, März 1979–Februar 1980; Visages et portraits de Manet à Matisse, November 1981–Oktober 1982; Picasso. L’atelier du sculpteur, Mai– September 1982; La nature morte et l’objet de Delacroix à Picasso, Mai–Oktober 1983. 66 Vgl. AMN 16HH5 (3), Action culturelle 1977–1986. Präsentationsblatt »Le Musée d’Art et
d’Essai«, 1 S.
67 »Un grand pas est franchi dans les musées nationaux. Le souci de démocratiser l’art est enfin
concrétisé par une antenne du Musée du Louvre, installée dans les locaux de l’ex-Musée d’Art Moderne, dont les collections sont aujourd’hui au Centre Beaubourg«, vgl. Anonym: Un Louvre didactique, in: Les Nouvelles Littéraires 2626/1978. AMN 16HH22, Presse 1978–1985, Dossier 1, Presse 1978. 68 E.B.: Revision, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3. Oktober 1978, S. 23. AMN 16HH22,
Presse 1978–1985. Dossier 1, Presse 1978. Das folgende Zitat ibid. 69 Ibid.
70 André Chastel: Au Musée de l’Avenue Wilson. L’exubérance d’un Petit Louvre, in: Le Monde,
9. März 1978, S. 17. AMN 16HH22, Presse 1978–1985, Dossier 1, Presse 1978.
71 Vgl. André Fermigier: Expositions au palais de Tokyo. L’empire de Vénus, in: Le Monde,
30. November 1978, S. 17. AMN 16HH22, Presse 1978–1985, Dossier 1, Presse 1978.
72 Xenia Muratova: Paris: The musée d’Art et d’Essai, in: The Burlington Magazine 910/1979,
S. 60. Vgl. auch A.F.B.: Paris. Palais de Tokyo, in: The Burlington Magazine 914/1979, S. 335.
73 Anonym: Informations et Initiatives: Les Cahiers du Musée d’art et d’essai du Palais de Tokyo,
in: Le Mouvement Social 131/1985, L’expression Plastique au XIXe Siècle, Regards d’Aujourd’ hui, S. 159 f. 74 Vgl. AMN 16HH5 (5), Publications du musée, 1979–1985 und AMN 16HH5 (4), Action cul-
turelle, statistiques fréquentation, 1978–1985. Weitere Statistiken in AMN 16HH26 (3), Public – Sondages – Graphiques 1977–1985 und AMN 16HH26 (4), Entrées – Comparaisons et statistiques 1980–1985.
512 | Das poröse Museum
75 AMN 16HH26 (5), Communication du musée: sa perception par le public. Enquête et conclusi-
ons. J. Lemaistre: »Le Palais de Tokyo. Le Musée d’Art et d’Essai. Une recommendation marketing«, Juni 1980, getippt, 7 S., S. 1 f. Im Schreiben an M. Hoog, 30. Juni 1980, nennt er die Zusammenfassung »parfois provoquante«. 76 Zu diesen Inhalten vgl. ibid., S. 2 f. 77 »Le terme ›Palais de Tokyo‹ n’étant pas encore pour la population parisienne du domaine de
l’acquis […] personne ne peut savoir ni où cela se trouve, ni ce que c’est. En outre, le vocable ›Tokyo‹ a une teinte asiatique qui ne favorise pas l’adéquation entre ›concept‹ et ›dénomination‹«, vgl. ibid., S. 3 f. 78 Ibid., S. 4. 79 Ibid., S. 7.
80 AMN 16HH5 (4), Statistiken. Übersicht der Gesamteintrittszahlen von 1978 bis 1984,
Tabelle, 1 Blatt. Vgl. ibid. die Zahlen: 1978 zahlende (Z): 90.701, kostenlose (K): 24.951, total (T): 115.652; 1979: Z: 87.978, K: 37.568, T: 125.546; 1980: Z: 68.360, K: 31.840, T: 100.200; 1981: Z: 98.887, K: 64.984, T: 163.870; 1982: Z: 76.461, K: 133.137, T: 209.598 (»Gratuité du mercredi«); 1983: Z: 63.622, K: 120.617, T: 184.239; 1984: Z: 73.764, K: 79.840, T: 153.604 (»11 mois«).
81 1985: Z: 97.738, K: 77.509, T: 175.247, vgl. ibid., »Palais de Tokyo, Entrees 1985«, Tabelle,
1 Blatt. Nicht mehr in eine Gesamtstatistik umgerechnet sind die Besucherzahlen bis zur Schließung im März 1986: Montag 6. Januar bis Sonntag 23. März 1986 insgesamt Z: 14.366, K: 10.054, 650 Vernissage-Gäste, T: 25.070.
82 Vgl. zur Statistik-Reflexion und Zitat: AMN 16HH5 (4), Statistiques, »Note sur la fréquenta-
tion du Palais de Tokyo – Musée d’Art et d’Essai«, 3. Januar 1984 (Michel Hoog), getippt, Durchschlag, 1 S. 83 AMN 16HH21 (4), Dossier 2, Exposition du projet de l’Opéra Bastille/ Opéra Bastille,
3. Dezember 1983–22. Januar 1984, Durchschlag Schreiben von Michel Hoog an den Directeur des musées de France, 23. September 1984.
84 Etablissement public de l’Opéra de la Bastille (Hrsg.): Le Nouvel Opéra de Paris à la Bastille,
Ausstellungskatalog, Palais de Tokyo, Paris 1983.
85 Vgl. AMN 16HH23 (4), Utilisation des locaux (1984), »Avenir du Palais de Tokyo: réactions
des syndicats«. Kopie aus Protokoll »Comité du 2.1.85« und Kopie der Protestnote, 1 S.
86 AN F/21/4900 Dossier 1f, Paris. Projet de création d’un musée de la photographie, 17 janvier
1933–9 février 1939. In der wenigen Literatur zu Manuel fanden sich keine Hinweise auf seinen Vorschlag. Auch in der vom Kulturministerium 1991 herausgegebenen großen Publikation über die Tätigkeiten öffentlicher Foto-Sammlungen seit 1981 (Jahr der États généraux de la photographie) fehlt im historischen Überblick zur öffentlichen Fotografiesammlung in Frankreich jeder Hinweis auf diesen frühen Vorschlag Manuels, vgl. Philippe Néagu (Hrsg.): La Photographie. Dix ans d’enrichissement des collections publiques, Paris, 1992. 87 1940 deklarierte er sich gegenüber den deutschen Besatzern als jüdisch und sein Unterneh-
men als jüdischen Besitz, das er kurz darauf einem Mitarbeiter verkaufte (es war seit 1929 defizitär, verfügte aber über eine große Sammlung von Aufnahmen, besonders bekannter Personen, die häufig von der Presse verwendet wurden); nach Manuels Rückkehr nach Paris 1944 weigerte sich jener, das Geschäft rückabzuwickeln, und 1945 beantragte Manuel daher eine Annulierung des Verkaufs als »spoliation«. Ein Gericht annulierte das Geschäft 1946, aber Manuel starb ein Jahr später. Vgl. Françoise Denoyelle: La lumière de Paris. Tome II: Les usages de la Photographie, 1919– 1939, Paris 1997, S. 73–86.
513 | Anmerkungen
88 AN F/21/4900 Dossier 1f, Schreiben von Henri Manuel an den Directeur des Beaux-Arts
Émile Bollaert, 17. Januar 1933, getippt, 2 S. und an Bildungsminister Anatole de Monzie, 24. Mai 1933, getippt, 2 S. 89 Ibid., Schreiben an den Kulturminister, 24. Mai 1933, S. 2. 90 Vgl. Henri Manuel, in: http://www.photo.rmn.fr/Package/2C6NU02M0XBH (15. Januar
2016).
91 AN F/21/4900 Dossier 1f, G. Manuel an Émile Bollaert, Directeur des Beaux-Arts, 10. Juni
1933, getippt, 2 S.
92 Ibid., Schreiben von Henri Manuel, 13. Juni 1934 mit Annex »Projet de Création«, 2 S., getippt,
signiert, und Schreiben von Gaston Manuel, 24. Februar 1937, getippt, 1 S.
93 Ibid., Schreiben von Gaston Manuel an Georges Huisman, 8. Februar 1938, getippt, 1 S. 94 Ibid., Handschriftliche »Minute de Lettre«, Georges Huisman an Gaston Manuel, 15. Februar
1938.
95 Ibid., Henri Manuel an Jean Zay, 23. April 1938, 3 Blatt handschriftlich, und Annex Projekt-
skizze, getippt, 2 S.; Schreiben von Gaston Chevojon, Chambre Syndicale, 24. November, getippt, 2 S., sowie Vermerk des Kabinetts des Kulturministers an den Directeur des Beaux-Arts zu letzterem, 29. November 1938.
96 Ibid., Gaston Manuel an Huisman, 20. Januar 1939, getippt, 2 S.; getippte Kopie der Antwort,
o.D.
97 Philippe Néagu: Dix ans d’enrichissement des collections photographiques, in: id. 1992,
S. 17–24, S. 19 f.
98 Gaëlle Morel: Entre art et culture. Politique institutionelle et photographie en France, 1976– 1996, in: Études photographiques, 16/ 2005, S. 32– 40, in: http://etudesphotographiques.revues. org/715 (20. November 2015). 99 Id.: Le photoreportage d’auteur. L’institution culturelle de la photographie en France depuis les années 1970, Paris 2006. 100 Auf Anregung von Michel Guy, Staatssekretär für Kultur 1974 –1976. Der Service stand
unter Leitung von Pierre Barbin, Leiter der Mission, und Agnès de Gouvion Saint-Cyr, chargée d’études. Vgl. Morel 2005. 101 Vgl. Morel 2005. 102 Nach der Donation Lartigue 1979 waren die nächsten Schenkungen jene von Willy Ronis
1983, André Kertész 1984 und Amélie Galup 1986, vgl. ibid., Fn. 11.
103 Zunächst Section pour la photographie unter der 1979 gegründeten Délégation à la Création,
aux Métiers artistiques et aux Manufactures, die 1982 von Kulturminister Jack Lang durch die Délégation aux Arts plastiques ersetzt wird, womit dieser Dienst zur Mission de la Photographie wird. Vgl. Morel 2005. 104 Ibid.
105 Guy Manderey: Photographie. La statue d’Arago, in: Robert Delpire (Hrsg.): Vous avez dit cul-
ture? Chronique d’une Décennie Culturelle 1981–1991, CNP, Paris 1992, S. 253–255, S. 253 f.
106 Morel 2005. 107 Sie wurde 1999 zur Association patrimoine photographique. Die Vereinskörperschaft sollte
die Annahme von Schenkungen ermutigen und die Verwaltung der Rechte zugunsten der Inhaber erleichtern, vgl. Jeu de Paume (Hrsg.): Les fonds photographiques contemporains. Bref rappel
514 | Das poröse Museum
historique, Visite de Presse, Médiathèque de l’architecture et du patrimoine, Fort de Saint-Cyr, Mercredi 24 mai 2006, in: http://www.jeudepaume.org/index.php?page=document&idArt=190&i dDoc=260 (20. November 2015). 108 Vgl. Morel 2005. 109 AMN 16HH5 (10), Direction du Patrimoine, expositions, mission photographique, conces-
sion locaux 1985–1986.
110 AMN 16HH9 (5), 1983–1985, Concession de locaux au CNP. Aufrissplan, Architekt Thierry
Claude, 12. Dezember 1983.
111 Ibid., Kopie Protokoll der Sitzung des CNP, der DMF und des Palais de Tokyo am 18. Januar
1984, 2 S.
112 Jean Gründler ist von 1984 bis 1988 Koordinator des Palais de l’Image. Die betreffenden
Akten stellen eine ausführliche Chronologie des Projekts dieser Zeit dar. Siehe Fonds Jean Gründler in den Archiven des CNC, AN 20050582/141 (1984/1985)–20050582/147. Er war ursprünglich unter André Malraux Assistent des Direktors des Centre National de la Cinématographie Michel Fourré-Cormeray, ab 1973 Directeur général adjoint, ab 1984 bis 1988 Directeur adjoint honoraire des CNC. Vgl. Pierre Moinot: L’origine de l’avance sur recette, in: CNC (Hrsg.): 45 ans d’avances sur recette. Plaquette, Januar 2006, in: http://www.cnc.fr/web/fr/plaquettes/-/ressou rces/21167;jsessionid=F7CB1F7655837CBC5E4E1078F0857EC7.liferay (24. November 2015). 113 »C’est dans ces conditions qu’à compter du début 1988, le Palais de Tokyo pourrait offrir au
public une vitrine prestigieuse regroupant toutes les manifestations photographiques dépendant du Ministère […]«, vgl. AMN 16HH9 (4), Projet de Maison de la Photo. Maison de l’Image. 1985. Jean Gründler: »Note relative au projet de maison de la photographie«, 10. Juni 1985, 2 S. mit einem angehängten Plan, S. 1. 114 Zu den Tätigkeiten des CNP vgl. Manderey 1992. Detaillierte Ausstellungsdossiers finden
sich in den 2012 an die Nationalarchive übergebenen Archiven des CNP, vgl. AN 20120143/1– 20120143/108. 115 Manderey 1992, S. 254. 116 Die ersten vier fanden noch in der Société française d’architecture, der ENSBA, der BNF und
dem Musée Carnavalet statt. Vgl. Wilfried Prieur: Centre national de la photographie. Répertoire numérique détaillé du versement 20120143, Archives nationales, Pierrefitte-sur-Seine 2012, S. 4, in: https://www.siv.archives-nationales.culture.gouv.fr/siv/IR/FRAN_IR_050904 (18. Januar 2016). Ausstellungsdossiers sind bis 1996 unvollständig, ikonografisches Material findet sich in AN 20120192. 117 Vgl. Anonym: Moins Trente, in: Photogénies 1/1983, unpaginiert (1 S. u. 17 S. Bildkatalog). 118 Vgl. Robert Delpire: La photographie exposée, Interview, in: PALAIS 15/2012, S. 76–78, S. 76. 119 Vgl. Sylvain Roumette: Regards sur l’art, in: Photogénies 3/1983, unpaginiert. Vgl. auch
Michel Frizot: Contiguïtés: »de la photographie à la peinture«, in: Photogénies 4/1985, unpaginiert; CNP: Regards sur l’art. La photographie regarde la peinture, ibid., unpaginiert.
120 Delpire 2012, S. 78. 121 AMN 16HH21 (4), Manifestations ayant lieu au Palais de Tokyo. Dossier 8, CNP 1983–1984,
Faltprogramm 1984, »Expositions organisées par ou avec le concours de la Délégation aux Arts Plastiques et du Centre National des Arts Plastiques«. Das Programm listet nicht alle Ausstellungen im CNP. 122 Ibid., Schreiben von Michel Frizot im Auftrag Robert Delpires an Michel Hoog, 25. Juli 1984
sowie Einladungskarte zur Vernissage Claude Caroly, 27. Juni 1984.
515 | Anmerkungen
123 Ibid., Einladungskarten zu Vernissagen Bruce Davidson und Journées Jeunes Créateurs, je
24. September 1984.
124 Ibid., Michel Frizot, CNP, an die DMF, 26. Juli 1984 und Faltprogramm 1984. 125 CNP (Hrsg.): Le Temps d’un Mouvement. Aventures et Mésaventures de l’Instant Photogra-
phique, Ausstellungskatalog, CNP, Paris 1987.
126 CNP (Hrsg.): Photographie / Sculpture, Ausstellungskatalog, CNP, Paris 1991. 127 Vgl. Archives nationales (Hrsg.): Centre national de la photographie. Répertoire versement
20120143, S. 6.
128 Agnès Varda: Une minute pour une image, in: Photogénies 1/1983, unpaginiert, 1 S. 129 Archives nationales (Hrsg.): Centre national de la photographie. Répertoire versement
20120143, S. 6.
130 Vgl. CNP: Contacts. Numéro 1/ William Klein, in: Photogénies 4/1985, unpaginiert. 131 Die Vielzahl der Beteiligten und ein wenig definiertes Programm ließen es aber an Bedeutung
verlieren. Ab 1995 wurde es nur noch an Schulen ausgetragen und erlebte 1997 seine letzte Ausgabe. Vgl. Morel 2005. 132 AMN 16HH5 (10), Michel Hoog an den Directeur des musées de France, 28. Dezember 1984,
Kopie, 1 S.
133 Vgl. AMN 16HH23 (3), Projet expo Willy Ronis. Pierre Barbin, Chargé de Mission der Mission
du patrimoine photographique wollte, dass eine klare Trennung zum CNP sichtbar sei, weshalb ein »neutraler« Übergangsbereich zu schaffen wäre. Vgl. Kopie Protokoll des Besuchs von Barbin im Palais de Tokyo am 9. Januar 1985 und des Berichts von Michel Hoog an den Directeur des musées de France, 23. Januar 1985, je 1 S. 134 Ibid., Ministère de la Culture (Hrsg.): »Willy Ronis par Willy Ronis«. Exposition d’acceuil de la donation Willy Ronis, Presseerklärung, 30. April 1985. Die Ausstellung wurde bis zum 10. November verlängert. 135 Ibid., Protokoll »Réunion à la direction des musées de France, le 22 Mars 1985«, getippt, 2 S. 136 AMN 16HH9 (5), 1983–1985, Concession de locaux au CNP, Compte-rendu »Objet: Expo-
sitions organisées au Palais de Tokyo par d’autres instances que la RMN«, 22. März 1985, Kopie, 2 S. Vgl. auch AMN 16HH23 (5), Concession de locaux au CNP et au Patrimoine.
137 Siehe dazu AMN 16HH5 (10), Direction du Patrimoine, expositions, mission photogra-
phique, concession locaux 1985–1986, Jean-Pierre Weiss an Michel Hoog, 14. Oktober 1985.
138 Ibid., Schreiben von Sylvie Cohen, AFDPP, an Michel Hoog, 13. September 1985, mit Annex
»Objet: occupation de notre salle d’exposition au Palais de Tokyo«, je 1 S.
139 AMN 16HH23 (5), Concession de locaux au CNP, Einladung Vernissage Robert Capa, 5. Feb-
ruar 1986.
140 Jeannine Fiedler (Hrsg.): Photographie Bauhaus, 1919–1933, Ausstellungskatalog, Bauhaus-
Archiv Berlin / Kunsthalle Tübingen / MKG Hamburg / Stiftung für konstruktive und konkrete Kunst Zürich / Mission du patrimoine photographique Paris, Paris u. Berlin 1990.
141 Vgl. Morel 2005. 142 Ibid. 143 1862 von Napoléon III. als Halle für den Tennis-Vorläufer eingeweiht, diente das Jeu de
Paume von 1909 bis 1922 zunächst als Ausstellungsgalerie und ab 1922 bis 1939 als Annex des
516 | Das poröse Museum
Musée du Luxembourg als Museum der »écoles étrangères« moderner Kunst. Unter der Besatzungszeit wurde es 1939 bis 1944 als Transitlager für die Raubkunst genutzt, wo Rose Valland die Listen führen konnte, die dazu beitrugen, dass unter ihrer Leitung 1944 –1946 in allen Besatzungszonen in Deutschland durch die Commission de récupération artistique nationale, der das Jeu de Paume als Sitz diente, die geraubten Kunstwerke nach Frankreich zurückgeführt werden konnten. Von 1947 bis zur Eröffnung des Musée d’Orsay 1986 war es Museum der Impressionisten. Von 1991 bis 2004 diente es, auf Initiative Jack Langs, als Galerie nationale du Jeu de Paume der Ausstellung moderner und zeitgenössischer Kunst unter der Leitung von Alfred Pacquement (Direktor des MNAM im Centre Pompidou von 2000 bis 2013) und später Daniel Abadie. Vgl. Jeu de Paume (Hrsg.): Le Jeu de Paume en 10 dates. Concorde, Paris, in: http://www.jeudepaume.org/ index.php?page=article&idArt=18 (23. November 2015). 144 Vgl. Morel 2005. 145 Das Fort Saint-Cyr wurde seit 1982 vom Kulturministerium für die Film- und Fotoarchive
sowie für die Filmarchive der Cinémathèque française genutzt. Heute befinden sich hier neben letzteren Konservierungsstätten und Fotolabor der Médiathèque de l’Architecture et du Patrimoine, die die Archive der Monuments historiques und das Patrimoine photographique de l’État verwaltet. Vgl. Médiathèque de l’Architecture et du Patrimoine (Hrsg.): Présentation générale de la MAP, in: http://www.mediatheque-patrimoine.culture.gouv.fr/pages/decouvrir/qui_sommes_ nous/MAP.html# (20. November 2015). 146 Gilles Walusinski: Quel avenir pour le patrimoine photographique?, 8. Oktober 2014, in:
http://blogs.mediapart.fr/edition/photographes-et-photographie/article/081014/quel-avenirpour-le-patrimoine-photographique (20. November 2015).
147 AMN 3KK8, Du M.N.A.M. au C.N.A.C. Beaubourg, Unterdossier »Convention avec la Ciné-
mathèque fr.«, 1974, 6 Décembre. Siehe ibid. Unterdossier »Convention avec la Cinémathèque fre.«, 1974, 30 Avril.
148 AMN/L2/M.N.A.M. 1946–1966, »Protestation contre le projet d’installation de la Ciné-
mathèque dans la salle de Conférence«. Entwurf des Comité des Conservateurs des musées nationaux an den Secrétaire d’État aux Beaux-Arts und DGAL über die Sitzung vom 2. November 1951, getippt mit handschriftlichen Korrekturen, 1 S.
149 Ibid.: »Le Comité des Conservateurs des musées nationaux [...] après avoir été informé par M.
Jean Cassou [...] de la prétention exprimée par la Cinémathèque de s’installer dans une salle de ce Musée et dans sa salle de conférences, proteste à l’unanimité contre cette menace de spoliation [...]«. 150 AMN/L2/M.N.A.M. 1946–1966, »Pourparlers en vue de l’ouverture d’un Musée du Cinéma
au Musée d’Art Moderne«, 1955 1 Février. Kopie Schreiben von Jaujard an Langlois, Secrétaire général de la Cinémathèque, 25. Januar 1955, 1 S.; Schreiben von Langlois an Georges Salles, 1. Februar 1955, getippt, signiert, 2 S. 151 Henri Langlois: 300 Années de Cinématographie, 60 ans de Cinéma, Ausstellungskatalog,
MAM Paris, 1955.
152 Einen Überblick über die Umgestaltung des Palais de Tokyo geben die Akten der Direktoren
des federführenden CNC: AN 20050582/173. Fonds Jérôme Clément, Directeur général de 1984 à 1989. Relations avec le Ministère de la Culture. Palais de Tokyo. Projet d’aménagement en »Maison de l’image« regroupant la Cinémathèque française, le Centre national de la photographie et l’Institut de formation aux métiers du cinéma et de l’audiovisuel, 1984 –1987; AN 20050582/435. Fonds Dominique Wallon Directeur général de 1989 à 1995. Relations avec le ministère de la culture. Projet de création d’une »Maison de l’image et du son« au Palais de Tokyo. AMIS 1989–1990. Zu den ersten Jahren die Akten des stellvertretenden Direktors Jean Gründler als Projektkoordinator: AN 20050582/141–147, Fonds Jean Gründler (1973–1988). Palais de Tokyo, 1984 –1988.
517 | Anmerkungen
153 Vgl. AN 20050582/141, CNC Fonds Jean Gründler. Aménagement de la Maison de l’Image
pour l’installation de la Cinémathèque, de l’Institut Supérieur de l’Audiovisuel et du Musée du Cinéma (1984 –1985) und AN 20050582/142, Opération de remaniement du Palais de Tokyo, déroulement des activités (1984 –1986). 154 Der Umzug wurde seit Ende 1984 von Jean Maheu, Präsident des Centre Pompidou von 1983
bis 1989, und Dominique Bozo, Direktor des MNAM von 1981 bis 1986, studiert und war herausforderungsreich, da die Reserven des Centre voll waren und zudem Präsentationsformen für viele Werke – 889 Werke von Rouault; 87 Bronzen, 38 Gipse, 22 Bücher und Drucke sowie 7 Zeichnungen von Laurens – gefunden werden mussten, mit denen Erben einverstanden waren. Vgl. AN 20144769/19, Dossier Concours Architectes 1985–1986. Unterdossier »Tokyo. Notes diverses et tapées classement chronologique 1985–1986«, Kopie Schreiben von Maheu und Bozo mit verschiedenen Szenarien an den Kulturminister vom 20. Dezember 1984, getippt, 3 S. 155 AN 19890353/5, Cabinet de Philippe de Villiers, secrétaire d’État auprès du ministre de la
Culture et de la Communication, Fonds du directeur de cabinet, E. Vinassac. Unterdossier »FÉMIS/ Palais de Tokyo«. Direction de l’Administration générale (Hrsg.): »Note en réponse aux questions posées par le comité de décentralisation et la DATAR«, Stempel 8. August 1986, 3 S., S. 2, »occupation actuelle du Palais de Tokyo«. 156 Zu den ersten Programmstudien siehe die chronologischen Archive des Service National des
Travaux: AN 20144769/1–20144769/111, Transformation du Palais de Tokyo en Palais des Arts de l’image, 1934 –1999. Die ersten Studien von Projektbüros von Dezember 1984 bis Mai 1985 finden sich in AN 20144769/19, Dossier Concours Architectes 1985–1986. Unterdossier »Palais de Tokyo en Maison de l’Image, Projet 1984 –1985«. 157 AMN 16HH9 (4), Projet de Maison de la Photo. Maison de l’Image. 1985. Jean Gründler: »Note
relative au projet de maison de la photographie«, 10. Juni 1985, 2 S. mit einem angehängten Plan. 158 Quentin 2015, S. 4.
159 AMN 16HH9 (4), Projet de Maison de la Photo. Maison de l’Image. 1985. Jean-François Séris
u. Geneviève Yvon: Maison de l’Image Palais de Tokyo. Programme Général, Ministère de la Culture, Mai 1985, 50 S. 160 Vgl. für diese und die folgenden Programmangaben ibid., S. 1. 161 Ibid., S. 7. 162 Je um 240 Quadratmeter, ibid., S. 10. Die folgenden Angaben zu Flächen ibid., S. 17 f. u. 22. 163 Vgl. CNP: Les expositions du C.N.P., in: Photogénies 7/1988, unpaginiert, letzte Seite.
164 AMN 16HH21 (4), Manifestations ayant lieu au Palais de Tokyo. Dossier 10, Palais de l’Image
1986. Pressedossier zur Vorstellung des Palais de l’Image, 17. Februar 1986, Blatt »La Cinémathèque française«. 165 AMN 16HH9 (4), Séris u. Yvon: Programme Général, Mai 1985, S. 1, S. 23. 166 AMN 16HH9 (4), Projet de Maison de la Photo. Maison de l’Image. 1985. Jean-François Séris
u. Geneviève Yvon: Maison de l’Image Palais de Tokyo. Programme réduit détaillé, Ministère de la Culture, Novembre 1985, 55 S. und Anhang, S. 1 ff. 167 AMN 16HH21(4), Manifestations ayant lieu au Palais de Tokyo. Dossier 10, »L’enseignement
des métiers du cinéma et de l’audiovisuel«, 2 Blatt recto/verso, nach Bericht des Kommissionsleiters Jean-Denis Bredin.
168 Ibid.: »Le système français de formation de créateurs et de collaborateurs de création dans le
cinéma et l’audiovisuel est aujourd’hui en état de crise. Souffrant d’insuffisances [...], il est gra-
518 | Das poröse Museum
vement ›sous dimensionné‹, tant par rapport aux besoins nationaux qu’en comparaison avec ses homologues étrangers«. 169 Ibid., Ministère de la Culture: »Communiqué à la Presse: Création du Palais de l’Image au
Palais de Tokyo«, 2 S.
170 Eine Einrichtung wie das IDHEC wurde schon seit den 1920er Jahren gefordert, vgl. Vernier
2004, S. 98.
171 AMN 16HH21(4), Manifestations ayant lieu au Palais de Tokyo. Dossier 10, Pressedossier zur
Vorstellung des Palais de l’Image, 17. Februar 1986, Blatt »Le comité pédagogique«.
172 Die Fusion wurde unter Kulturminister François Léotard von Kulturstaatssekretär Philippe
de Villiers am 26. Juni 1986 verkündet. Die Akten zu INIS, Fusion mit IDHEC und Gründung der FÉMIS 1987 finden sich in: AN 19890353/5 u. 19890353/6, Cabinet de Philippe de Villiers, secrétaire d’État, Fonds du directeur de cabinet E. Vinassac. Art. Enseignement-formation, Art 4 –6: Inis-femis, création et installation au palais de Tokyo, aménagement des locaux. Art. 5: INIS/ FÈMIS, Art. 6: Palais de Tokyo. Zur Absorption des IDHEC durch die FÉMIS AN 20050582/409– 410, CNC, Fonds Alain Auclaire Directeur général adjoint de 1984 à 1989. Relations avec les établissements et associations liées au CNC. IDHEC et FÉMIS (1978–1989). Zur Geschichte der FÉMIS siehe auch den Generalbericht der Déléguée générale Christine Juppé-Leblond an den Kulturminister: »À Propos de la FÉMIS«, Printemps 1995, 36 S., in: AN 20080594/14, GIP pour le Cinéma. Relations avec les autres structures. FÉMIS (1990–1995), Unterdossier »à Propos de la FÉMIS«. Zur Installation der FÉMIS vgl. auch AN 20050582/146, CNC Fonds Jean Gründler. Mission pour la création de l’Institut de formation aux métiers du cinéma et de l’audiovisuel, occupation des locaux restaurés (1985–1987). 173 AN 19890353/5, Unterdossier »FÉMIS/ Palais de Tokyo«, Kopie Vermerk von Jérôme Clé-
ment an de Villiers, 10 S. o.D., S. 5 f. Clément war 1984 –1989 Direktor des CNC; 1991–1999, 2003–2007 Präsident von ARTE.
174 Ibid., Kopie Vermerk von Villiers Kabinettsdirektor Eric Vinassac an Michel Boyon, Kabi-
nettsdirektor von Kulturminister Léotard, 15. Oktober 1986, 1 S. und Kopie Brief Villiers an den Direktor des CNC, 16. Oktober 1986. 175 AMN 16HH21(4), Manifestations ayant lieu au Palais de Tokyo. Dossier 10, Palais de l’Image
1986. Pressedossier, Vorstellung Palais de l’Image durch Jack Lang, 17. Februar 1986, Blatt »La Bibliothèque du Cinéma«. 176 Ibid., Communiqué »Palais de l’Image«, S. 2: »C’est au total un espace de 20.000 m 2 qui est
ainsi dévolu à ces activités dans le Palais, qui devient le plus vaste édifice au monde consacré à la culture par l’image«.
177 Im Oktober 1987 wurden Dämm- und Dichtarbeiten durch den Chefarchitekten der Monu-
ments Historiques, Pierre Large, durchgeführt und Glasdächer und die Vorplätze instandgesetzt, vgl. Quentin 2015, S. 5. 178 Vgl. zur Gründung der Mediathek AN 20050582/280–281, CNC, Fonds Alain Auc-
laire Directeur général adjoint de 1984 à 1989. Relations avec le Ministère de la Culture. Projet de Création d’une »Maison de l’Image et du Son« au Palais de Tokyo, 1984 –1989, besonders 20050582/281: Projet de médiathèque.
179 Zu den Kinosälen AN 19890353/5, »Tokyo (1986–1988), Travaux d’architectures/ pro-
gramme réaménagement Palais de Tokyo/ Inauguration 16/03/88«, Unterdossier »Salles de Projection Cinémathèque«; AN 20080594/118, Salles de Cinéma. Fonctionnement (1988, 1990–1991), Equipement technique (1987–1991). Vorstudien in AN 20080594/115, Projet architectural. Programmation architecturale du bâtiment (1985, 1987, 1990).
180 Quentin 2015, S. 4.
519 | Anmerkungen
181 »La nouvelle vocation du Palais de Tokyo s’est affirmée en même temps que se sont développés
les chantiers d’aménagement destinés aux salles de la Cinémathèque française et aux locaux de la Fondation Européenne des Métiers de l’Image et du Son«, vgl. AN 20144769/21, Service National des Travaux, Transformation du Palais de Tokyo. Concours 1987, Programme d’Aménagement J.-F. Séris Novembre 1987. Jean-François Séris u. Geneviève Yvon: Palais de Tokyo. Programme d’aménagement, Novembre 1987, 65 S., S. 1. 182 Ibid., S. 5. 183 AN 20080594/68, GIP pour le Cinéma. Palais de l’Image. Suivi du Projet (1986–1989),
»Projet architectural«.
184 Ibid., Team Franck Hammoutène: Paris 1988 Ministère de la Culture et de la Communication.
Concours pour le Réaménagement du Palais de Tokyo, Projektvorschlag, 142 S. mit Annex Grafiken, S. 6 f. 185 Ibid., S. 8: »Et là une profondeur si rare, si précieuse des espaces intérieurs qu’on sait immé-
diatement, face á de telles ›Architectures‹, à de telles plongées, à de tels escaliers, qu’on ne pourra jamais s’installer ici qu’en jouant sur un autre registre«.
186 Ibid., S. 10, folgende Zitate S. 10 f. 187 Ibid., S. 14. 188 Ibid., S. 15. 189 Ibid., S. 16. 190 AN 19890353/5, Unterdossier »FÉMIS/ Palais de Tokyo«, Kopie Vermerk Eric Vinassac an
den Kabinettschef des Kulturministers Michel Boyon, 28. September 1987, 1 S. Vgl. zur Einweihung AN 19890353/5, »Tokyo 1986–1988, Travaux d’architectures/ programme réaménagement Palais de Tokyo/ Inauguration 16/03/88« 191 Seine Website gibt weiter an, dass er 1982–1984 Chef du Service de la programmation und
anschließend bis 1987 Leiter der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit des CNC war, vgl. Cabinet conseil et organisation Ingenerie Culture et Cinéma – I2C – notre expérience, in: http://www.i-2-c. fr/experience.php?lang=fr (19. November 2015). 192 Nach diversen weiteren Vorstudien wird im Herbst 1990 durch den Service National des
Travaux ein neues Programm der Umgestaltung ausgearbeitet. Das Projektbüro Cabinet Crosnier et Besson koordiniert die inhaltlichen Programmstudien, etwa eine von Oddos über die Mediathek und von Dominique Païni und den Architekten Alain Guiheux und Dominique Rouillard zur Filmausstellung, vgl. Quentin 2015, S. 5 f. 193 Christian Oddos: Pour un Palais des Arts de l’Image, Interview in: PALAIS 15/ 2012, S. 83–85,
S. 84.
194 AN 20050502/13. Palais de Tokyo (suite), Inauguration. Palais de Tokyo (Hrsg.): Le Palais de
Tokyo. Histoire d’un nom. Dossier mit Einleitungstext (1 S.) und Material (offizielle Kommunikationen und Presse) zu den Institutionen, die das Palais nacheinander belegten, unpaginiert, o.D. Der Spiralordner, den das Palais de Tokyo vor der Eröffnung des Site de Création Contemporaine 2002 herausgab, enthält Kopien der Ausgaben von Plan.
195 Christian Oddos: Editorial, in: AMIS (Hrsg.): Plan 1/1990. Sein kurzer historischer Abriss lässt jedoch den Vorgänger Musée d’Art et d’Essai aus, dessen Auflösung, wie sich zeigte, für Unmut gesorgt hatte. 196 AN 20080594/69, GIP pour le Cinéma. Palais des Arts de l’Image. Suivi du Projet (1990–
1994), Unterdossier »Conférence de presse de Jack lang du 6.6.1991 sur le Palais des Arts de l’Image«.
520 | Das poröse Museum
197 Ibid., Kopie »Calendrier de Transformation du Palais de Tokyo en Palais des Arts de l’Image«,
23. Juli 1993.
198 AN 20080594/69, GIP pour le Cinéma. Palais des Arts de l’Image. Suivi du Projet (1990–
1994), Unterdossier »Journée de présentation du projet de transformation 27 octobre 1992«.
199 AN 20080594/15, GIP pour le Cinéma. Relations avec les autres structures. CNP (1992–
1993), Unterdossier »Projet de Conventions CNP-AMIS, 1992–1993«. 200 Quentin 2015, S. 6.
201 AN 20080594/14, GIP pour le Cinéma. Relations avec les autres structures. FÉMIS (1990–
1995).
202 Quentin 2015, S. 6. 203 AN 20080594/139, GIP pour le Cinéma. APS, Étude de Secteurs spécifiques (1987–1996).
Dossier »Salle 1937 (salle de projection) (1993–1994)«.
204 24.–25. Juni 1993, vgl. Laurence Allard: Tout sur »Les cent premières années des spectateurs de cinéma« en deux jours, in: Quaderni 21/1993, Art et technique contemporains, S. 157–162. 205 Vgl. Pierre-Jean Benghozi u. Christian Delage: Regards croisés sur l’ histoire économique du
cinéma français, in: Vingtième Siècle. Revue d’ histoire 51/1996, S. 144 –146.
206 Quentin 2015, S. 5. 207 AN 20080594/13, GIP pour le Cinéma. Relations avec les autres structures. Cinémathèque
française (1991–1995). Kopie Schreiben des Direktors des CNC Dominique Wallon an die Präsidenten der Cinémathèque (Jean Saint-Geours), der FÉMIS (Jean-Claude Carrière) und der BIFI (Pierre Encrevé), 28. März 1994, 2 S. 208 AN 20080594/72, GIP pour le Cinéma. Palais des Arts de l’Image. Étude du Public (1994).
AMIS (Hrsg.): Politique de Communication du Futur Palais de l’Image. I. Constats et Principes Généraux, Juillet 1994, 11 S. 209 Ibid., II. Propositions de Stratégie, Juillet 1994, 16 S., S. 5. 210 Ibid., S. 7.
211 Henri Langlois träumte seit 1961, als die Cinémathèque mit Malraux’ Hilfe im Palais de Chail-
lot Räume und ein Auditorium fand, davon, auf der dort noch vom Musée des Arts et Traditions Populaires belegten Fläche ein Musée du Cinéma mit den Sammlungen einzurichten, die er vor allem mit Lotte Eisners Hilfe seit 1936 zusammentragen konnte. Nach der Zusage 1961 dauerte es jedoch noch bis 1972, bis das Museum endlich die Flächen frei machen konnte, vgl. Laurent Mannoni: Henri Langlois and the Musée du Cinéma, in: Film History 3/2006, S. 274 –287; David Robinson: Film Museums I have known and (sometimes) loved, ibid., S. 237–260.
212 AN 20080594/130, GIP pour le Cinéma. 1er Projet Architectural, Programmation Architec-
turale, Muséographie Cinématographique, Suivi du Projet (1990–1994). Unterdossier »Pré-programmation muséographie de l’exposition cinéma phase 1 1993«, Kopie Schreiben des Kulturministers an Païni, 25. Mai 1994.
213 Ibid., Dominique Païni: Cent ans d’art du Film. Un parcours muséographique pour le Palais de
Tokyo – Développement, 57 S., Kopie (an Franck Hammoutène gesendet), S. 1. 214 Païni 2012, S. 86. 215 Guiheux 2012, S. 92.
216 AN 20080594/130, Dominique Païni: Un parcours muséographique pour le Palais de Tokyo (...), S. 3.
521 | Anmerkungen
217 Vgl. ibid. die einzelnen Abschnitte in Païnis Programm, S. 4 –57. Bis Juli 1997 wurde ein
detaillierter Ausstellungsplan von Annie Helsly, Architecte Muséographie, ausgearbeitet. Vgl. AN 20144769/29, Service National des Travaux. Palais de Tokyo en Palais du Cinéma. Programmation Muséographique, 1995–1997. Siehe besonders das Unterdossier »Musée du Cinéma, Étude de Programmation, Annie Helsly Juillet 1997«. 218 Ibid., S. 5. Die FÉMIS wurde dauerhaft in den früheren Studios von Pathé im 18. Arrondisse-
ment untergebracht, wohin sie 1995 ausgewichen war.
219 Vgl. AN 20010197/9, Dossier »Palais de Tokyo. Palais du Cinéma. 1996–1997«. Xavier
North: »Le Palais du Cinéma au Palais de Tokyo. Essai de Redéfinition«, 20. Juli 1996, spiralgebunden, 59 S., S. 1 f. 220 Ibid. Zum Transfer der FÉMIS siehe AN 20010197/10, Dossier »Palais de Tokyo Palais du
Cinéma 1997«.
221 Ibid., S. 12, 18 ff. (»Privilégier l’événement«), 22 ff. (»Les espaces de ›convivialité‹«), S. 28 f.
(»les œuvres du répertoire (salle 37)«), und 40 ff. (»Les ›ateliers‹ du cinéma«).
222 Ibid., Vermerk von Xavier North, »Note. Objet: Projet de réaménagement du Palais de Tokyo
en Palais du cinéma«, 30. Mai 1997, 4 S., signiert, S. 2.
223 AN 20010197/9, Dossier »Palais de Tokyo. Palais du Cinéma. 1996–1997«, spiralgebunde-
ner Flächenbelegungsplan mit Projektvorstellung, Mission de Préfiguration du Palais du Cinéma (Hrsg.): Le Palais du Cinéma au Palais de Tokyo. Schema Directeur, 11 S. und Annex der Pläne nach Geschossen. Zur Einrichtung der BIFI und der 3. Etage nach Ausscheiden der FÉMIS siehe AN 20144769/32, Service National des Travaux, Transformation du Palais de Tokyo. Evolutions du Programme BiFi + 3ème Etage 1994 –1997. 224 Ibid., S. 1. 225 Ibid., S. 2. 226 Vgl. beispielsweise AN 20144769/109, Service National des Travaux. Palais de Tokyo. Fer-
meture du Chantier, 1991–1999. Kopien der Entscheidung, Mission Interministérielle des Grands Travaux, Jean-François Benet Directeur des Travaux, »Décision de la Personne responsable du Marché« über Auflösung des Auftrags, mit Schreiben an die diversen Unternehmen und den Architekten Franck Hammoutène, Stempel 14. Mai 1998.
227 Ange-Dominique Bouzet: Le Musée Henri-Langlois reconnu »œuvre de l’esprit«, 4. Okto-
ber 1997, in: http://next.liberation.fr/culture/1997/10/04/le-musee-henri-langlois-reconnuœuvre-de-l-esprit_218593 (20. November 2015).
228 Ibid., Zitat der Entscheidung des Pariser Appelationsgerichtshofes. 229 AN 20010197/10, Dossier »Palais de Tokyo Palais du Cinéma 1997«, Kopie Schreiben des
Präsidenten der MIGT Jean-Claude Moreno an den Präsidenten der Cinémathèque Jean SaintGeours, 26. Mai 1997, 2 S. 230 Vgl. Casebook der World Intellectual Property Organization WIPO (Hrsg.): David Waver:
Principles of Copyright. Cases and Materials / Pierre Sirinelli: Notions fondamentales du droit d’auteur. Receuil de jurisprudence, 2002, S. 224, in: http://www.wipo.int/freepublications/en/ archive.jsp?cat=copyright (16. Januar 2016). 231 Vgl. etwa eine Berichterstattung des Fernsehsenders Antenne 2: Ja2 dernière: Incendie Palais de Chaillot, 22. Juli 1997, in: http://www.ina.fr/video/CAB97119651 (16. Januar 2016). 232 AN 20144769/111, Service National des Travaux. Palais de Tokyo, Suivi du Chantier, 1994 –
1998. Unterdossier »Tokyo Suspension de Travaux 1997«. Marc Tessier und Jean-Claude Moreno, »Note à l’attention de Monsieur le Directeur de Cabinet«, Kopie, 28. Oktober 1997, 2 S.
522 | Das poröse Museum
233 AN 20010197/10, Dossier Palais du Cinéma Recherche de Sites. Abandon Palais de Tokyo,
Redéfinition, Rapport au Ministre de la Culture, 1998–1999. Kopie Vermerk »Aménagement de la grande salle de projection du Palais de Tokyo« von Xavier North an Generaldirektor des CNC Tessier, 28. Januar 1998, 1 S.; Vermerk von Jean-Claude Moreno (MIGT) an Agnès Saal, technische Beraterin der Kulturministerin, über das Budget des Projekts Januar 1998, 2 S.; Kopie Schreiben von North an Jean-Claude Moreno zum Budget, 19. Januar 1998; Kopie Schreiben von Moreno an Frédéric Scanvic, Directeur adjoint du Cabinet, mit der Bitte um Aussetzung der Arbeiten im Zuge von Budgetknappheit der Grands Travaux, 16. Oktober 1997, 2 S. 234 AN 20030484/7, Dossier Palais du Cinéma, Notes 1997–1998. Kopie Rücktrittschreiben
Michel Bassi, 13. Januar 1998.
235 Ibid. Schreiben von Hammoutène an Pierre Encrevé mit Kopie Schreiben an die Ministerin,
beide 16. Februar 1998.
236 Siehe AN 20144769/109, Service National des Travaux. Palais de Tokyo, Fermeture du chan-
tier Palais de l’Image, 1991–1999. AN 20144769/110, Service National des Travaux. Tokyo. Résiliation des Marchés, 1997–1998.
237 AN 20010197/10, Palais du Cinéma Recherche de Sites. Marc Nicolas: Le Patrimoine Cinématographique: Nouvelle Donné. La Réalisation de la Maison du Cinéma, Rapport à la Ministre de la Culture, 29 Juin 1998. 238 AN 20010197/10, Dossier Palais du Cinéma Recherche de Sites, Unterdossiers zu Standor-
ten. Vgl. AN 20080594/73, GIP pour le Cinéma. Palais du Cinéma. Projet, Présentation, et Information Générale, 1985–1998.
239 Ibid., Pressemappe »Un site pour l’implantation du projet de la Maison du cinéma: le bâtiment
de Franck [sic] Gehry dans le XIIème arrondissement de Paris«, 30. Juni 1998.
240 Vgl. die Detail-Studien in AN 20030484/7, Dossier MIGT Palais du Cinéma Recherche de
Sites.
241 Reflexionen über mögliche Pressefragen in AN 20030484/7, Dossier Palais du Cinéma,
Notes 1997–1998.
242 »Elle fut favorable, car la collaboration entre cinéma et arts plastiques était une idée chère à
Henri Langlois, et la Cinémathèque y demeure très attachée«, vgl. AN 19940556/11, Cabinet du Ministre de la Culture, Conseiller technique 1986–1992. Dossier »Institut des Hautes Études en Arts Plastiques«. Unterdossier »Lettres de Philippe d’Hugues du Palais de Tokyo«. Schreiben des Generalverwalters d’Hugue an den technischen Berater des Kulturministers Dominique Charvet, 5. September 1988, 2 S. mit Annex Kopie des Schreibens von d’Hugues an Pontus Hultén, 22. Juli 1988. Der Raum, der noch für die FÉMIS umgebaut werden sollte, war zu diesem Zeitpunkt der Cinémathèque zugeordnet, die ihn schon mehrmals Gästen zur Verfügung gestellt hatte. Pontus Hultén erbat ihn im März 1988 und im April wurde die kostenlose Bereitstellung bis zum voraussichtlichen Beginn der Bauarbeiten im Frühjahr 1989 positiv beschieden. Jack Gajos, Délégué Général der FÉMIS, stimmte »aus Höflichkeit« zu, war aber nicht begeistert, dass diese kein Mitspracherecht hatte, vgl. ibid., Brief von Gajos an Charvet, 12. August 1988, »Objet: Installation de l’IHEAP (Pontus HULTEN)«. 243 AN 19890346/3. Fonds du Conseiller technique auprès du ministère chargé de la Culture
C. Duhamel 1986–1988. Dossier Enseignement/ Formation. Unterdossier »Institut de Pontus Hultén«. Schreiben der Conseillère technique Francine Mariani-Ducray an den Kulturminister in Vorbereitung eines Treffens zwischen dem Kulturminister und Pontus Hultén am 27. Januar 1988, o.D., 3 S. Die Bitte um Bereitstellung der Räume wurde von Jean-Michel Arnold, Generalsekretär der Cinémathèque, Mitglied im Beirat des IHEAP, formuliert, vgl. ibid., Unterdossier »Notes de Dque Charvet«, Kopie Vermerk von Charvet, 5. September 1988.
523 | Anmerkungen
244 Sarkis, über das IHEAP, in: Dominique Gonzalez-Foerster, Ange Leccia, Benoît Maire u.
Sarkis: Histoires de transmissions, Diskussion mit Marc Bembekoff, in: PALAIS 15/2012, S. 248.
245 Ibid., S. 250. 246 P.C.: Pontus Hulten à l’Institut: un projet contestable et coûteux, in: Le Matin, 20. Oktober 1987. AN 19900422/9, Dossier »Projet Pontus Hulten. Institut des Hautes Etudes en Arts Plastiques«. 247 Ibid., Vermerk von Dominique Charvet an den Kulturminister Jack Lang über das IHEAP und
die Schritte seines Vorgängers Léotard, 28, Juli 1988, 2 S., signiert.
248 AN 19940556/11. Unterdossier »Correspondance: IHEAP/ Ville de Paris Direction des
Affaires Culturelles«, Kopien von zwei Schreiben von Bürgermeister Chirac an Hultén, 23. April und 20. November 1986. 249 Ibid., Schreiben von Pontus Hultén an den Minister, 10. November 1986. 250 Vgl. die umfangreiche Korrespondenz von Hultén mit dem Kabinett des Ministers ibid. 251 Ibid., Kopie Schreiben von Pontus Hultén an den Kulturminister, 16. Oktober 1987.
252 Präsident der Association de préfiguration des IHEAP war der Komponist Jean Musy. Vgl. AN
19890346/3. Fonds du Conseiller technique auprès du ministère chargé de la Culture. Fonds du Conseiller technique C. Duhamel 1986–1988. Dossier Enseignement/ Formation. Unterdossier »Institut de Pontus Hultén«. Kopie eines Schreibens des Präsidenten des CNAC Georges Pompidou Serge Louveau an den Kulturminister, »Objet: Relations avec l’Institut des hautes études en arts plastiques«, 12. Januar 1988. 253 Vgl. ibid., Annex, Kopie des Entwurfs der Vereinbarung zwischen dem IHEAP und dem Cen-
tre National d’Art et de Culture Georges Pompidou (CNAC-GP), 3 S., S. 1. Das Centre würde das IHEAP durch die kostenlose Bereitstellung von Räumen unterstützen sowie gegebenenfalls seiner Produktionsmittel und administrativen, juristischen und finanztechnischen Dienste. Der Direktor des IHEAP könne zugleich im Leitungsrat des Centre Mitglied sein, im Gegenzug sei der Präsident des Centre im Verwaltungsrat des IHEAP vertreten und das MNAM werde der bevorzugte Ansprechpartner des IHEAP sein. 254 Ibid., IHEAP: »Estimatif de l’Aménagement du Collège des Bernardins, Valeur Janvier 1988«,
1 S.
255 Eine Kostenstudie und Dossier des zunächst »Ecole de Paris« betitelten Projekts vom Feb-
ruar 1986 von Hultén und Gourvenec finden sich in den Akten des technischen Beraters des Kulturministers, vgl. AN 19940556/11. Pontus Hultén (Réalisation) u. Jacques Gourvenec (Étude architecturale): L’École de Paris. Institut des Hautes Études pour les Arts Plastiques. Architecture, 25 S. Format A3, mit Plänen; id., Institut des Hautes Études en Arts Plastiques. Couvent des Bernardins – Paris V. Étude Financière pour les 2 premières tranches de travaux, 11 février 1986, 6 Blatt A3 mit Plänen (Akten der Délégation aux Einseignements dazu in AN 19900422/9, Ministère de la Culture, Délégation aux Enseignements et aux Formations, 1981–1989). 256 Ibid., Schreiben von Dominique Bozo an den Kulturminister, Stempel 26. Januar 1988, 3 S.,
S. 1 f.
257 AN 19890346/3. Dossier Enseignement/ Formation. Unterdossier »Institut de Pontus Hul-
tén«. Schreiben der Conseillère technique Francine Mariani-Ducray an den Kulturminister in Vorbereitung seines Treffens mit Hultén am 27. Januar 1988, o.D., 3 S., S. 2. Vgl. dazu aus der Délégation aux Formations unter Leitung von Michel Tourlière AN 19900422/9, Dossier »Projet Pontus Hulten. Institut des Hautes Etudes en Arts Plastiques«. 258 Ibid.
524 | Das poröse Museum
259 Ibid., Kopie eines handschriftlichen Protokolls des Conseiller technique Jean-François Hébert
an den Directeur de Cabinet des Kulturministers, Michel Boyon, 27. Januar 1988, 4 S.
260 AN 19940556/11. Kopie Schreiben von Pontus Hultén an den Kulturminister, 9. März
1988.
261 Ibid., Kopie Schreiben Hulténs an Philippe d’Hugues, Administrateur Général Palais de
Tokyo, 10. Mai 1988.
262 Mitglieder im wissenschaftlichen Beirat waren der Generalsekretär der Cinémathèque, Jean-
Michel Arnold; der Direktor des Palais des Beaux Arts in Brüssel und Van Abbemuseum Eindhoven Jan Debbaut; Jean-Hubert Martin, Direktor des MNAM; Suzanne Pagé, Direktorin des ARC im MAM Paris. Als Personen, die für eine Lehrperiode zusagten, werden gelistet: Etienne Baulieu, Pierre Boulez, John Cage, Vittorio Gregotti, (Robert) Massin, Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen, Nam June Paik, Octavio Paz und Pierre Soulages, vgl. AN 19940556/11, Binder »Institut des Hautes Études en Arts Plastiques«, April 1988.
263 Vgl. Annick Boisnard: Présentation de l’Institut des hautes études en arts plastiques, Novem-
bre 1985–Décembre 1995, in: Les Amis de l’Institut des Hautes Études en Arts Plastiques, Paris (Hrsg.): Quand les Artistes font École. Vingt-quatre journées de l’Institut des Hautes Études en Arts Plastiques. Tome I, 1988–1990, Musées de Marseille / Centre Pompidou, Paris 2004, S. 21–25. 264 AN 19940556/11. Mappe. Blatt »Catalogus«, recto/verso. 265 Danièle Giraudy: Avant-propos, in: Les Amis de l’IHEAP 2004, S. 5–7, S. 5. Vgl. auch Marie-
Sophie Boulan: Une bibliothèque au [mac]: mémoire d’expositions, ibid., S. 9–11.
266 AN 19940556/11, Begleitschreiben von Pontus Hultén an den Kulturminister (Léotard),
26. April 1988, handsigniert, mit Dossier »Institut des Hautes Etudes en Arts Plastiques«.
267 Er sandte sie aufgrund des kurzen Vorlaufs an Personen zur Weitergabe an ein oder zwei geeig-
nete junge Kandidaten an Kunsthochschulen. Vgl. ibid., Mappe und Blatt »IHEAP, Le Directeur, 25 Avril 1988«.
268 Ibid., Blatt »Le Territoire de l’Art. Sous la direction de Pontus Hulten. Thème de la première
session exploratoire du 3.10. au 25.11.1988, IHEAP«, 1 S.
269 Ibid., Binder »IHEAP. Collège des Bernardins«, April 1988, 9 S., Vorsatz. 270 Sarkis in Gonzalez-Foerster et al. 2012, S. 250. 271 AN 19940556/11. Mappe, Kopie Schreiben von Pontus Hultén an Jack Lang, 7. Juli 1988, 2 S. 272 Vgl. AN 19940556/11. Unterdossier »Notes de Dque Charvet«, Vermerk von Dominique
Charvet an Kulturminister Lang über das IHEAP und die Schritte seines Vorgängers Léotard, 28. Juli 1988, 2 S. Lang teilte Hultén mit, er wolle die zugesagten 300.000 Francs halten, das zukünftige Engagement aber von dem der Stadt Paris abhängig machen, vgl. Unterdossier »Lettres de Jack Lang«, Kopie Schreiben vom 12. September 1988. 273 AN 19940556/11. »IHEAP. Collège des Bernardins«, April 1988, S. 1. Das Budget 1988 fin-
det sich ibid.
274 Vgl. die Transkriptionen in Les Amis de l’IHEAP 2004, S. 29–208. Zu Programmen und Per-
sonen Tome II, »Éphémérides des sessions I à IV, 1988–1992«, S. 761 ff., »Intervenants, sessions I à VII, 1988–1995«, S. 769 ff. und »Artistes boursiers, sessions I à VII, 1988–1995«, S. 777 ff. 275 Ibid., Tome II, »Historique, 1983–1995«, S. 753. 276 Vgl. Transkriptionen ibid., Tome I, S. 227– 429. 277 Ibid., S. 253.
525 | Anmerkungen
278 Ibid., S. 251. 279 Pontus Hultén: Préface, in: Les Amis de l’IHEAP 2004 I, S. 13–15. 280 AN 19940556/11 Binder »IHEAP. Collège des Bernardins«, April 1988, S. 1. 281 Ibid. 282 »En 2012, forte de son histoire, de ses expériences et de ses spécifités, la Biennale de Paris
a choisi d’ouvrir un nouvel Institut des hautes études en arts plastiques (Iheap), selon un mode opératoire qui lui est propre et qui consiste parfois à réactiver des institutions abandonnés«, vgl. iheap (Hrsg.): Historique. Le nouveau projet Iheap, in: http://iheap.fr/historique (22. Januar 2016). 283 Vgl. ibid. der Bezug auf das frühere IHEAP. 284 Daniel Buren: Lettre ouverte à tous les participants de L’IHEAP I nstitut des H autes Études en
A rts P lastiques dirigé par Pontus Hulten, puis par Daniel Buren, de 1988 à 1995 à propos de son Usurpation par l’iheap-bidon et mise en garde à ceux qui pourraient se laisser abuser en 2012, 14. Oktober 2012, in: http://www.danielburen.com/pages/view/actual_exhibits_deatils (22. Januar 2016), vgl. ibid.: »Alors que l’[…] IHEAP […] rémunérait les jeunes artistes […], il est également intéressant de signaler que l’iheap-bidon veut les faire payer! Il s’agit donc en fait d’une malhonnêteté intellectuelle destinée à plumer les naïfs«. 285 »C’est faire peu de cas du fait que l’une était une émanation directe des pouvoirs publics alors
que l’autre est une organisation indépendante«, vgl. iheap (Hrsg.): La vielle école s’en prend à sa postérité. Communiqué de presse du 7 mars 2015, in: http://iheap.fr/8515-cdp/ (22. Januar 2016). 286 Leccia in: Gonzalez-Foerster et al. 2012, S. 249.
287 »Relational art: artistic practice considering the ensemble of human relationships and their
social context as a starting point – instead of an autonomous and ›private‹ symbolic space. A new generation of artists considers the realm of social relations and human interactions in general as both a springboard and a culmination. Interactivity is not a gadget, nor the alibi of a traditional way of making art. Those artists, from Rirkrit Tiravanija to Jorge Pardo, from Gabriel Orozco to Andrea Zittel, Gillian Wearing, Philippe Parreno, Liam Gillick, Douglas Gordon, Vanessa Beecroft, Ben Kinmont, Carsten Höller – the complete list would be much longer – produce relational spacetimes: experiences, models, constructions, images, that address and explore the field of interhumanity. The artists of the early Sixties based their work on the society of consumption; the Nineties’ artists, on the society of communication«, vgl. Nicolas Bourriaud: The Relational Field (Some Definitions for the Art of the Nineties), in: Biennale di Venezia (Hrsg.): Futuro Presente, Passato. XLVII Esposizione Internationale d’Arte, Ausstellungskatalog, Venedig 1997, S. 78–79. 288 T.J. Demos: The Tate effect, in: Hans Belting u. Andrea Buddensieg (Hrsg.): The Global Art
World. Audiences, Markets and Museums, ZKM Karlsruhe, Ostfildern 2009, S. 256–265, S. 256.
289 Nicolas Bourriaud u. Jérôme Sans: Un site à habiter, Interview in: PALAIS 15/2012, S. 120–
132, S. 127.
290 Demos 2009, S. 256. 291 Lucie Agache: Maurice Lévy a quitté le Palais de Tokyo, 29. Mai 2007, in: https://www.con-
naissance-dessarts.com/archi-jardin-et-patrimoine/maurice-levy-a-quitte-le-palais-de-tokyo117328/ (22. Januar 2016).
292 Dessen Präsident ist Alain Dominique Perrin, von 1975 bis 1988 Präsident von Cartier,
1984 Gründer der Fondation Cartier pour l’art contemporain. Er ist heute Executive Director der Richemont-Gruppe mit Sitz in Genf, die der südafrikanischen Familie Rupert gehört. Zu Richemont gehört auch Jaeger-LeCoultre, »Mécène privilégié« des Jeu de Paume, vgl. http://www.alaindominique-perrin.com/biographie/groupe_richemont.php und https://www.richemont.com/ our-businesses.html; http://www.jeudepaume.org/ (28. Januar 2016).
526 | Das poröse Museum
293 Demos 2009, S. 257. 294 Ibid., S. 259. 295 Zu dieser Ausdifferenzierung in der Tate vgl. ibid., S. 257 f. 296 Ibid., S. 262, mit Bezug auf: Nina Möntmann: Art and its Institutions, in: id. (Hrsg.): Art and its Institutions: Current Conflicts, Critique and Collaborations, London 2006, S. 12. Vgl. Demos 2010, S. 86: »Classifying Tate Modern’s many departments as ›metastable states coexisting in one and the same modulation‹, as Deleuze writes, would again radically reduce Tate’s internal complexity, just as it would render – unfairly – curators and visitors mere passive effects of that totalized system«. 297 Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=2OyuMJMrCRw (28. Januar 2016). 298 Gilles Deleuze: Qu’est-ce que l’acte de création? Conférence donnée dans le cadre des mardis de la fondation Femis, Transkription in: https://www.webdeleuze.com/textes/134 (28. Januar 2016). 299 Ibid. 300 Ibid. 301 Gilles Deleuze: Post-Scriptum sur les sociétés de contrôle, in: id.: Pourparlers (1972–1990),
Paris 1990, S. 240–247, S. 241. Erstpublikation in L’Autre Journal 1/1990, englisch: Postscript on the Societies of Control, in: October 59/1992, S. 3–7. 302 Deleuze 1990, S. 242 f. 303 Ibid., S. 243. 304 Ibid., S. 245. 305 Vgl. ibid., S. 246 f., Zitat S. 242. 306 Hardt u. Negri 2000, Preface, S. xvi. 307 Ibid., S. xii. 308 Ibid., S. xiii.
309 Nicolas Bourriaud: Dictionnaire critique, in: Documents sur l’art 11/1997–1998, S. 39– 42,
S. 42.
310 Vgl. Crary 2014, S. 36: »In the false placement of today’s most visible products and devices
within an explanatory lineage that includes the wheel, the pointed arch, movable type, and so forth, there is a concealment of the most important techniques invented in the last 150 years: the various systems for the management and control of human beings«. 311 Ibid., S. 39. 312 Ibid., S. 47. 313 Nach der Amtszeit von Catherine Trautmann 1998–2002 wurde unter Catherine Tasca von
März 2000 bis April 2002 die Einheit der Dossiers bewahrt. Vgl. Archives nationales (Hrsg.): Introduction, in: Culture; Cabinet et services rattachés au Ministre (1993–2002). Répertoire (20050496/1–20050496/73), Pierrefitte-sur-Seine 2005, S. 4 –6, in: https://www.siv.archivesnationales.culture.gouv.fr/siv/IR/FRAN_IR_020097 (25. November 2015).
314 AN 20050496/51, Dossiers Thématiques: Arts Plastiques: INHA (1994, 2000–2001).
Palais de Tokyo (2000–2001).
315 AN 20050502/12, Palais de Tokyo. Réhabilitation du bâtiment et transformation en Centre
de la jeune création, und AN 20050502/13, Palais de Tokyo, Suite. Es sind die Arbeitsakten von
527 | Anmerkungen
Pierre Nore, conseiller technique chargé des musées et Arts plastiques nach David Caméo unter Catherine Tasca von 2001 bis 2002, vgl. Archives nationales (Hrsg.): Introduction, in: Culture; Cabinet et services rattachés au Ministre; Cabinet; conseiller technique (1994–2002). Répertoire (20050502/1–20050502/35), Pierrefitte-sur-Seine 2005, S. 2, in: https://www.siv.archivesnationales.culture.gouv.fr/siv/IR/FRAN_IR_020102 (27. November 2015). 316 AN 20050502/12, Palais de Tokyo, Mise en place. Kopie Schreiben von Jean-Jacques Ailla-
gon an Marc Sadaoui, Directeur de Cabinet, mit Annex »Note de reflexion sur l’avenir du Palais de Tokyo«, 4 S., 10. Juli 1998.
317 Encrevé ist Soziolinguist und Kunsthistoriker, früherer Präsident der BIFI im Palais des Ima-
ges, Professor an Paris 8 und Leiter des Centre de linguistique théorique CELITH an der EHESS, Mitglied im Kabinett Catherine Trautmanns, Autor eines Berichts über die Gründung des nationalen kunsthistorischen Instituts INHA 1992.
318 AN 20050502/12, Palais de Tokyo, Mise en place. Kopie Schreiben Encrevé an Suzanne Pagé,
o.D., 2 S.
319 Ibid., Christine Macel: La Manutention. Un Lieu pour la Création Contemporaine à Paris,
Januar 1999, 10 S.
320 Der ARC widme jährlich drei Ausstellungen jungen französischen Künstlern. Genannt wer-
den für 1998: »Instants donnés«, »Michel Blazy« und »Parreno – Huyghe – Gonzalez-Foerster«, zu denen die Serie der »Migrations«-Ausstellungen von Hans-Ulrich Obrist hinzukomme (1993– 2003, MAM Paris). 321 Ibid., S. 1. 322 Ibid., S. 3; vgl. Paul Ardenne: Art. L’ âge contemporain. Une histoire des arts plastiques à la fin du XXème siècle, Paris 1997, S. 351. 323 AN 20050502/12, Palais de Tokyo, Mise en place. Christine Macel, La Manutention..., S. 4. 324 Ibid., S. 5. 325 Ibid., S. 5 ff. 326 Ibid., S. 8 f. 327 Bourriaud u. Sans 2012, S. 122. Frankreich war 1999 Ehrengast der ARCO; ein französi-
scher Pavillon zeigte 20 Galerien, die Bourriaud ausgewählt hatte; in der Sektion Project rooms der ARCO präsentierten 14 französische Galerien, vgl. Ministère de la Culture et de la Communication (Hrsg.): ARCO’99: La France invitée d’ honneur, in: Lettre d’information Ministère de la culture et de la communication 42/1999, S. 2; die Project rooms der ARCO wurden von Catherine Trautmann bei der Vorstellung des Palais de Tokyo im April 1999 als Inspiration für »salles expérimentales« genannt, vgl. Arts plastiques. La jeune création contemporaine au Palais de Tokyo, in: Lettre d’information Ministère de la culture et de la communication 46/1999, S. 5, in: http://www.culture.gouv.fr/culture/actualites/lettre/archives.html (31. März 2016).
328 AN 20050502/12. Kopie Schreiben von Guy Amsellem an die Kulturministerin, 5. März
1999, 4 S.
329 Von der Entscheidung wurden die Direktoren großer Pariser Institutionen, Galeristen
(Denise René, Yvon Lambert, Daniel Lelong, Bruno Delavalade), die Vorsitzenden der regionalen Zentren und der FRACs – die sich positiv über diese Förderung der zeitgenössischen Kunst äußerten – sowie Politiker informiert. Vgl. AN 20050502/12. »Eléments de discours pour Catherine Trautmann à l’occasion de l’inauguration ›d’Entrée Libre‹ et de l’annonce du centre dédié à la jeune création – dans le hall de la Dap, le 19 mars 1999, à 15h«, 3 S., sowie Vermerk des Conseiller technique Caméo an die Ministerin, 19. März 1999.
528 | Das poröse Museum
330 Zeitgleich mit der Verkündung des Engagements bei der Einrichtung eines hôtel particulier in
Avignon mit der Sammlung des Galeristen Yvon Lambert. AN 20050502/12. Kopie »Allocution de Madame Catherine Trautmann sur le réseau de l’art contemporain à Paris et en région«, 7. April 1999, 7 S. Vgl. das Pressedossier ibid. 331 »Avec vous, donc, une nouvelle ère semble devoir s’ouvrir. [...] la mise en valeur de l’art con-
temporain et de ses évolutions en France dans ce qu’il a de plus vivant et de plus novateur semble devoir être confiée désormais à ceux-là mêmes qui le font: les artistes – du moins est-ce ainsi que nous comprenons votre initiative«, vgl. AN 20050502/12. »Lettre ouverte au Ministère de la Culture« von 140 Künstlern, Paris, 31. Mai 1999. 332 AN 20050502/12. Kopie »Cahier des charges pour un lieu dédié à la jeune création au Palais
de Tokyo«, 2 S.
333 AN 20060354/6, Cabinet de Lionel Jospin, Dossier »Art Contemporain«. Unterdossier
»Palais de Tokyo«, Vermerk an Lionel Jospin »Inauguration du centre...«, 23. Oktober 2001.
334 »La notion de ›jeune création‹ fait allusion à la génération d’artistes émergeants et à ceux qui
ont déjà acquis une certaine reconnaissance, sans fixer de limite d’âge trop impérative. Une pourcentage d’environ 50 % d’artistes français ou résidant en France est souhaitable dans la programmation«, vgl. AN 20050502/12, »Cahier des charges«, S. 1, und ibid. zu den folgenden Anforderungen. 335 Zur Auswahl vgl. AN 20030484/7, Conseiller technique auprès du ministre chargé de la cul-
ture, Archives de Pierre Encrevé, Cabinet Catherine Trautmann. Dossier Palais du Cinéma, Notes 1997–1998.
336 AN 20050502/12. Kopie Vermerk von Encrevé und Caméo an die Ministerin, »Objet: Direc-
tion du futur centre Palais de Tokyo«, 15. Juli 1999, 2 S. und von Amsellem, »Note à l’attention de Marc Sadaoui Objet: Direction du futur Centre de la jeune création«, 12. Juli 1999, 2 S., dazu Kopie Entwurf Presseerklärung. 337 AN 20050502/12. Dossier »Résumés des avis de la commission concernant les projets des
candidats pour le poste de directeur...«, 3 S., signiert, 16. Juli 1999. Das Dossier enthält die Vorschläge von Stéphanie Moisdon-Trembley, Pierre Leguillon, Jean-Michel Ribettes und Hou Hanru. 338 Vgl. die Zusammenfassung der Argumente in AN 20050502/12, Palais de Tokyo, Mise en
place.
339 AN 20050502/12. Dossier Projektbewerbung »Stéphanie Moisdon-Trembley«. 340 Er nennt Angela Bulloch, Rirkrit Tiravanija, Marie-Ange Guilleminot und Xavier Veilhan als
Beispiele, vgl. AN 20050502/12. Dossier Projektbewerbung »Leguillon«.
341 AN 20050502/12. »Résumés des avis de la commission concernant les projets des candi-
dats pour le poste de directeur du Centre de la jeune création au Palais de Tokyo«, 16. Juli 1999, S. 3. Bourriaud und Sans wurde die Entscheidung brieflich Ende Juli 1999 mitgeteilt, siehe AN 20050502/12. Kopien der Schreiben der Kulturministerin Catherine Tasca an Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans, Stempel 29. Juli 1999. 342 Bourriaud u. Sans 2012, S. 124. 343 AN 20050502/12. Guy Amsellem, »Note à l’attention de Marc Sadaoui Directeur de Cabi-
net, Objet: Direction du futur Centre de la jeune création du Palais de Tokyo«, Kopie, Stempel 12. Juli 1999, 2 S., vgl. auch die entsprechenden Unterlagen in AN 20030484/7.
344 »Guy Debord, dans ›La Société du Spectacle‹, posait (§9) que ›Dans le monde réellement ren-
versé, le vrai est un moment du faux‹. C’est exactement dans cette situation que vous vous trouvez aujourd’hui, chère Ministre. Persuadée, peut-être, d’avoir entendu la parole des artistes à travers l’écho tronqué qu’en a laissé filtrer une partie de votre administration arc-boutée sur ses privilèges
529 | Anmerkungen
(nommer ah! Nommer et verrouiller!) vous avez réussi cete prouesse inédite d’élever des critiques d’art en place et dignité des artistes, tandis que vous ramenez ces derniers à la condition vaine de conseillers subalternes sans même recueillir leur assentiment préalable«, vgl. Les artistes (les un): »Lettre ouverte à Madame Catherine Trautmann, Paris, C e M ardi-Gras 2000«, 2 S. Kopie des gefaxten Briefes, AN 20050502/12, Palais de Tokyo, Mise en place. 345 Vgl. Les artistes (les Autres): »Paris, ce mardi gras 2000. À Madame la ministre de la Culture
et de la Communication. Lettre ouverte«, 1 S. Kopie des Faxbriefs, AN 20050502/12, Palais de Tokyo, Mise en place.
346 La nomination de Jérôme Sans et de Nicolas Bourriaud à la tête d’un Centre de la jeune création à Paris consacre des commissaires d’expositions qui ont autour de trente ans, Enquête du service Culture, in: Le Monde, 21. Januar 2000. AN 20050502/12, Palais de Tokyo, Mise en place. 347 In einem Treffen am 13. Dezember 1999. In der Abtrennung der unteren Bereiche sahen sie
einen Widerspruch zur Offenheit und fürchteten, dies könne Gegnern des Zentrums Argumente liefern. Zur Finanzierung schlugen sie Partner vor wie die Kinogruppe MK2 für die drei Säle, alternativ ein Ausstellungs- und Ausbildungszentrum der Mode nach Idee der Fédération Française de la Couture oder einen Konzertort, vgl. AN 20050502/12, Bourriaud u. Sans an David Caméo, 21. Dezember 1999, 3 S. 348 AN 20050496/51, Palais de Tokyo 2000–2001, Centre de la jeune création. Kopie Vermerk
von David Cameo an die Kulturministerin, 19. Juni 2000, 2 S.
349 Ibid., Vermerke von Amsellem an Gérard Métoudi, Directeur du cabinet, 17. März 2000 und
Caméo, 19. Juni 2000.
350 Ibid., S. 2. Da besonders ein Beitrag der Île-de-France ursprünglich schon in die erste Schät-
zung von 30 Millionen Francs eingegangen war und von Anfang an der Plan war, die Flächen und Finanzierung der Arbeiten zu limitieren, war diese räumliche Ausdehnung innerhalb des Kabinetts deutlich umstritten, wie handschriftliche Anmerkungen auf den Vermerken zeigen, die hier nicht namentlich zitiert werden sollen.
351 AN 20050496/51. Entwurf Schreiben der Kulturministerin an den Präsidenten des Con-
seil Régional d’Île-de-France mit Begleitdossier. Das Gesamtbudget von 25 Millionen Francs vor Steuern teilte sich auf Arbeiten unter der Bauleitung von Lacaton &Vassal (17,5 Millionen), 10 % »Aléas« für Risiken (1,75 Millionen), eine Verstärkung der Decken für Tragfähigkeit und Stabilität unter Feuereinwirkung (1,6 Millionen) und 20 % für geistige Dienstleistungen (»maîtrise d’œuvre, Coordonnateur en matière de sécurité et de protection de la santé CSPS, contrôle technique...«, 4,17 Millionen) auf, Total 25,02 Millionen. Das Avant-Projet sommaire (APS) (Vorentwurf, Machbarkeitsstudie) schätzte die Kosten der Arbeiten auf den Niveaus 0, 1 und 2 des Palais de Tokyo auf 17,3 Millionen Francs, jene für das Niveau 3 (Obergeschoss) auf 6,7 Millionen. Das Budget für das Niveau 3 in Höhe von 10 Millionen Francs verteilte sich auf den Rohbau (grosœuvre, 1,64 Millionen), die Ausstattung mit Lichtschutz (equipement d’ombrage, 650.000), Metallarbeiten (180.000), Heizungs- und Sanitärarbeiten (Chauffage, Ventilation, Climatisation, Plomberie, 2,25 Millionen), Elektroarbeiten (1,7 Millionen) und den Innenausbau (»second œuvre«, 280.000), plus 10 % für Risiken (670.000) und 15 % für geistige Dienstleistungen (wie oben; 1,005 Millionen), insgesamt vor Steuern 8,375 Millionen, die nach Steuern um 50.000 auf 10 Millionen abgerundet wurden, vgl. Begleitdossier, Blatt »Décomposition du budget ›Centre de la jeune création‹«, 1 S. 352 AN 20050496/51, Palais de Tokyo 2000–2001. Der Vizepräsident des Comité de Décentra-
lisation an Catherine Tasca, 6. Juni 2000, und Entscheidung des Comité de Décentralisation CD N° 10311, 6. Juni 2000, Kopie.
353 Teilnehmer waren der Generalsekretär der Regierung Jean-Marc Sauvé, die Beraterin des Pre-
mierministers Brigitte Joseph-Jeanneney, ein Vertreter der Präfektur der Île-de-France, des Secrétaire d’État au logement, des Kulturministeriums und des Premierministers.
530 | Das poröse Museum
354 AN 20050496/51. Protokoll »réunion interministérielle tenue le 25 juillet 2000 sous la pré-
sidence de M. Jean-Marc Sauvé, secrétaire général du Gouvernement et de Mme Brigitte JosephJeanneney, conseillère au cabinet du Premier ministre«, 5 S., S. 1. Vgl. das Protokoll auch in den Akten des Kabinetts von Premierminister Jospin, AN 20060354/6, Dossier »Art Contemporain«. 355 AN 20050502/12. Fax der DAP an David Caméo, 18. Juli 2000, 8 S. 356 Ibid., S. 1: »Les grandes capitales européennes se sont dotées de lieux consacrés à la jeune créa-
tion, qui ne sont ni des musées, ni des galeries d’art. La situation actuelle se caractérise par l’absence d’un lieu parisien pour promouvoir la jeune création. En effet, s’il existe des lieux dédiés à l’art contemporain à Paris, comme le musée d’art contemporain, le jeu de Paume, le centre national de la photographie ou le musée d’art moderne de la ville de Paris, ils orientent leur programmation vers des artistes et des formes de création déjà consacrés«.
357 Ibid., S. 2 f. 358 AN 20050496/51, Palais de Tokyo 2000–2001, Centre de la jeune création. Bourriaud u.
Sans: Palais de Tokyo…Un projet…, Mai 1999. Getippt, 10 S., S. 3.
359 AN 20050502/12. Kurzer CV Bourriauds in Presseerklärung des Ministeriums zur Nomi-
nierung, 30. Juli 1999. Er listet den Roman L’ ère tertiaire 1997, Esthétique relationnelle 1998 und den jüngsten theoretischen Folgeband Formes de vie (März 1999). Er war der Mitgründer der Documents sur l’art und Revue Perpendiculaire und seit 1988 Korrespondent und Mitarbeiter unter anderem von Beaux Arts Magazine, Art Press und Flash Art. Als zentrale Stationen gibt er ein »comité de soutien« für Daniel Buren und dessen Installation am Palais Royal 1986 und die Sektion zeitgenössische Kunst für Jack Langs »Soirée de lancement du Mouvement« (Richard Desneux u. Jack Lang: La Culture en Mouvement, Lausanne 1990) im Cirque d’hiver an.
360 AN 20050496/51. Bourriaud u. Sans: Palais de Tokyo … Un projet…, Mai 1999, S. 3. 361 Gruppenausstellung mit unterschiedlichen Orten, in Bordeaux 1995 vom CAPC und in New
York in SoHo 1996 von der Jeffrey Deitch Gallery produziert, vgl. Ronald Jones: Does Not Play Well With Others. Debate, in: Frieze Magazine 31/1996, in: http://www.frieze.com/issue/article/ does_not_play_well_with_others/ (27. November 2015). 362 Mit Chen Zhen und Nari Ward, im Rahmen des Projekts Archipelago zur Kulturhauptstadt
1998, vgl. Magasin 3 Stockholm Konsthall: Announcement. Associate Curators, 8. Juni 2004, in: http://www.e-flux.com/announcements/associate-curators/ (27. November 2015).
363 Vgl. Kulturbehörde Hamburg (Hrsg.): Infrasound. Stadt. Geräusche, Hamburg 1995. 364 AN 20050496/51. Bourriaud u. Sans: Palais de Tokyo … Un projet…, Mai 1999, S. 4: »Notre
projet consiste à reprendre le nom même du lieu qui l’abrite, et non pas à lui ajouter un intitulé administratif«. 365 AN 20050502/13. Palais de Tokyo (Hrsg.): Le Palais de Tokyo. Histoire d’un nom, o.D.
366 Vgl. ibid., S. 1: »Par ailleurs, le fait que de 1977 à 1998 se succèdent dans l’aile de l’Etat de
très nombreuses institutions et des projets variés contribue à stabiliser le nom du Palais de Tokyo, comme titre générique. Depuis lors, les institutions installés du côté de l’aile de l’Etat ont mis en avant ce nom dans leur communication«. 367 AN 20050496/51. Bourriaud u. Sans: Palais de Tokyo … Un projet…, Mai 1999, S. 4. 368 Ibid., Inhaltsverzeichnis (S. 2). 369 Ibid., S. 5 (»Un lieu interdisciplinaire pour l’art contemporain«). 370 Ibid., S. 6 (»Un site investi par les artistes, les professionnels et le public«). 371 Ibid., S. 7 (»Convivialité et Proximité: Les Structures«).
531 | Anmerkungen
372 Ibid., S. 9 (»Une approche pédagogique simple et multiple«) u. S. 10 (»Ligne éditoriale et pub-
lications«).
373 AN 20050496/51. Kopie der »Statuts de l’Association ›Le Palais de Tokyo, site de création
contemporaine‹«, 7 S., signiert von Pierre Restany, Jean-François Bizot und Aimery Langlois-Meurine, 24.–25. Januar 2000.
374 »Membres adhérents« sind weiterhin fünf französische und drei ausländische Personen, die
auf dem Gebiet der Kultur qualifiziert sind, dazu kommen weitere assoziierte Mitglieder, die auf Beschluss des Vewaltungsrates aufgenommen werden. Der Verwaltungsrat definiert nach Rücksprache mit einem Beirat aus sechs Künstlern, die vom Kulturminister auf Vorschlag für drei erneuerbare Jahre ernannt werden, die kulturellen Leitlinien. Der Generalversammlung obliegt die Kontrolle der Arbeit des Präsidenten, der wie der Sekretär und Schatzmeister für eine erneuerbare Amtszeit von drei Jahren gewählt ist. 375 Ibid., S. 1. 376 AN 20050502/12. »Communiqué de Presse« über die Association, o.D. 377 AN 20050502/12. Dossier des Palais de Tokyo von Nicolas Bourriaud an David Cameo in
Vorbereitung eines Treffens mit der Kulturministerin Tasca im September 2000, Kopie des Schreibens von Pierre Restany an Catherine Tasca, 31. Juli 2000, S. 1. 378 Ibid. 379 AN 20050496/51, Palais de Tokyo 2000–2001, Généralités. Vermerk des Délégué aux Arts
plastiques Guy Amsellem, »Note à l’attention de Madame la Ministre«, 22. Februar 2001, 3 S., S. 1. 380 Ibid., S. 1 f.
381 Ibid., S. 2. Der indischstämmige thailändische Bildhauer Navin Rawanchaikul, der junge
franco-armenische Melik Ohanian, Monica Bonvicini, Tatiana Trouvé, das Kollektiv Buy-Sellf aus Bordeaux, das junge Kunstmagazin Zéro Deux aus Nantes, Meschac Gaba aus Benin, der USFotograf Ed Templeton, das japanische Kollektiv Kyupi Kyupi, die englische Malerin Sarah Morris, der südafrikanische Bildhauer Kendell Geers, der französische Künstler Laurent Moriceau aus Nantes, die Stylisten Bless aus Paris und Berlin, der franko-kameruner Pascale Marthine Tayou, Daniel Pflumm aus der Schweiz und der französische Grafiker Laurent Fétis stehen für dieses vielfältige Programm ein. 382 Palais de Tokyo (Hrsg.): Le Pavillon. Unité pédagogique du Palais de Tokyo. Study program
of the Palais de Tokyo, Booklet mit Vorstellung und Ausschreibung 2001–2002. AN 20050502/ 12. Leccia machte Guy Amsellem 1999 den Vorschlag zum Pavillon, als das Palais de Tokyo geplant wurde. Sowohl Bourriaud und Sans als auch der Inspecteur général de l’enseignement artistique Jacques Imbert seien einverstanden gewesen.
383 Vgl. Ange Leccia: »La pédagogie peut venir de l’acte artistique«, Interview, in: Le Journal des
Arts, 26. Oktober 2001. AN 20050496/51, Palais de Tokyo 2000–2001, Généralités.
384 AN 20050502/12, Palais de Tokyo. Mise en Place. Ange Leccia: »Note pour un projet
d’enseignement à l’intérieur du futur Centre de la jeune création«, 2 S., signiert, S. 1. 385 Ange Leccia in: Gonzalez-Foerster et al. 2012, S. 249. 386 Ibid., S. 252.
387 Ange Leccia: Le pavillon: A Real-World Utopia / L’utopie concrète du pavillon, in: Gérald Petit
(Hrsg.): Le Pavillon, Paris 2008, S. 38– 49, S. 41 u. 43.
388 Sarkis, in: Gonzalez-Foerster et al. 2012, S. 249 u. 253.
532 | Das poröse Museum
389 MAROC, 1.–13. März 2001, mit: Fanny Adler (FR), Laurent Grasso (FR), Christelle Lheu-
reux (FR), Julien Loustau (FR), Marie Maillard (FR), Olive Martin (FR), Ariane Michel (FR), Peggy Pocheux (FR), Noëlle Pujol (FR); CORSE, 14.–22. Mai 2001, mit: Agnès Accorsi (FR), Charlotte Beaurepaire (FR), Guillaume Bruère (FR), Hsia-Fei Chang (TW), Martial Galfione (FR), Gérald (FR), Seulgi Lee (KR), Julia Rometti (FR). Chronik der Jahrgänge und Aktivitäten 2001–2012: Pavillon, Promotions précédentes, in: http://archives.palaisdetokyo.com/fo3/low/programme/ index.php?page=../pavillon/archives.htm (27. November 2015).
390 Ange Leccia, Interview in: Le Journal des Arts, 26. Oktober 2001. AN 20050496/51. 391 Zum 8. Juni konnten sich die mindestens 25 Jahre alten Kandidaten bewerben, nach Inter-
views mit 20 wurden 7 ausgewählt, vgl. AN 20050502/12, Le Pavillon... Study program of the Palais de Tokyo, Booklet 2001–2002.
392 Ange Leccia, Interview in: Le Journal des Arts, 26. Oktober 2001. AN 20050496/51. 393 Leccia 2008, S. 47. 394 Ibid, S. 45: »La question du rendement n’a pas ici de pertinence. Et la logique de l’efficacité doit
être suspendue au profit d’une évaluation beaucoup plus nuancée«. 395 Sarkis, in: Gonzalez-Foerster et al. 2012, S. 255.
396 AN 20050496/51. Protokoll, »réunion interministérielle tenue le 25 juillet 2000«, S. 3. 397 Der Kommission gehörten Bourriaud und Sans, ein Vertreter des EPMOTC Etablissement
Public de Maîtrise d’Ouvrage des Travaux Culturels, der DAP und der Direction de l’Administration générale und zwei bauleitende Architekten, Jean-Paul Boulanger und Antoinette Robain, an. 398 Zum Auswahlverfahren vgl. »Note à l’attention de Madame la Ministre. Objet: Point sur le
Palais de Tokyo«, 23. Dezember 1999. AN 20050502/12.
399 »Notre réponse cherche à être ›légère‹. En ce sens elle nous parait être de la même inspiration
qu’un grand nombre de travaux dans la création contemporaine«, vgl. AN 20050496/51. »Site de Création Contemporaine. Installation au Palais de Tokyo. APS / 31.1.2000«, 5 S., S. 1. 400 Ibid., S. 2. 401 Ibid., S. 2. 402 Vgl. ibid., S. 3 f. 403 Ibid., S. 4. 404 Palais de Tokyo (Hrsg.): Glossaire, in: Libération, 21. Januar 2002, in: http://next.liberation. fr/culture/2002/01/21/glossaire_391080 (22. Januar 2016). 405 Lacaton u. Vassal 2012a, S. 103. 406 Vgl. Ministère de la Culture (Hrsg.): Le site de création contemporaine du Palais de Tokyo a
ouvert ses portes. Mode d’emploi, in: Lettre d’Information Ministère de la culture 93/2002, S. 2–5, in: http://www.culture.gouv.fr/culture/actualites/lettre/archives.html (31. März 2016). 407 Lacaton u. Vassal 2012a, S. 104.
533 | Anmerkungen
VON DER KUNSTPOLITIK ZUR »POLITIK DER KUNST«: DAS PAL AIS DE TOKYO UND ÄSTHETISCHE THEORIEN DER GEGENWART Benjamin Fellmann
In der neuartigen Organisationsform des Zentrums für zeitgenössisches Schaffen Palais de Tokyo konnte im Kuratoren- und Leitungsteam von etwa fünfzehn Personen jeder Projektvorschläge machen. Es gibt wenige feste und einige projektbezogene Mitarbeiter und vielseitige Einbindungen von Künstlern und Besuchern. Kurz nach der Eröffnung wagte Elisabeth Caillet daher eine vorsichtig optimistische Prognose über den Erfolg des Palais de Tokyo.1 Caillet untersuchte zu dieser Zeit, welches die angemessenen Professionalisierungs- und Organisationsformen für die institutionelle Präsentation von zeitgenössischer Kunst seien, angesichts der kaum reglementierten Ausbildung des Personals und des unsicheren Status von Künstlern mit geringer institutioneller Einbindung. Mit Catherine Perret, die den veränderten Standpunkt des Kunstwerks zur Realität in der zeitgenössischen Kunst analysiert hat, weist sie darauf hin, dass auf die Entwicklung von der aristotelischen Repräsentation zur Präsentation der Wirklichkeit auch neue Organisationsformen in den Institutionen folgen müssen. Sie erwähnt Nicolas Bourriauds Theorien um darauf hinzuweisen, dass »Klienten«, die »Relationen« geworden sind, sichtbare Angebote fordern und Organisation daher projektbezogen erfolgen muss. 2 Caillets damaliger Ausblick auf die Zukunft des Palais de Tokyo nennt alle Herausforderungen, die rückblickend die ersten zehn Jahre des Hauses prägten: Neben der Organisationsform die dynamische Arbeit, eine Konzentration auf Künstler, die Erwirtschaftung eines Großteils des Budgets mit Sponsoren und Vermietung. Die institutionelle Festigung gelang, was sich auch in den Ausstellungsprogrammen abbildet. Die großen Hauptausstellungen in der Amtszeit von Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans sind von
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Offenheit bis hin zu Kleinteiligkeit und dem Interesse für die Beziehungen, die vom Kunstwerk ausgehen, geprägt. In der Zeit ihres Nachfolgers Marc-Olivier Wahler von 2006 bis 2011 zeigen schon Ausstellungsansichten die Institutionalisierung. Große, aufwendige Installationen vermitteln den Eindruck, dass die Festigung der Institution nun eine Festigung der Kunst im Raum erlaubt. Im Gesamteindruck geht die Entwicklung von ephemeren Strukturen zu »institutionellen« Arbeiten. Bourriaud selbst würde statt »ephemer« wohl den Begriff »prekär« verwenden. Viele Arbeiten, die er als Kurator zeigte, reflektieren das zu Beginn der 2000er Jahre starke Interesse für Fragen der künstlerischen und intellektuellen Produktion unter dem zunehmenden ökonomischen Druck der Globalisierung. Zur institutionellen Festigung hat auch das Akademie-Programm des Pavillon beigetragen, das der »ephemeren« Dimension der Beschleunigung des Kunstmarktes, so Ange Leccia, für die Dauer eines Jahrgangs eine longue-durée entgegensetzt. 3 Die früheren Internetseiten des Palais de Tokyo aus den Jahren von Bourriaud und Sans 2002–2006 und Marc-Olivier Wahler 2006–2011 blieben neben der aktuellen Website weiterhin online und dienen als Archiv.4 Ein umfassender Katalog aller Aktivitäten seit 2002 ist unmöglich zu erarbeiten. Die Entwicklung des Palais de Tokyo wird im Folgenden daher anhand ausgewählter Ausstellungsbeispiele in der Wechselwirkung mit der Theorieproduktion betrachtet. Anhand der Eröffnungsausstellung ist zunächst nachzuvollziehen, wie Nicolas Bourriaud, Jérôme Sans und Pierre Restany im Palais de Tokyo ab 2002 einen Ausstellungsort schaffen, dessen kuratorische Prinzipien explizit mit dem »White Cube« brechen und sich am globalen Netzwerk orientieren. Das Programm des Palais de Tokyo ist in der öffentlichen Wahrnehmung stark assoziiert mit der relationalen Ästhetik Bourriauds, der stärker als Theoretiker in Erscheinung tritt. Er war seit Ende der 1980er Jahre publizistisch und als Kurator tätig. Zugleich ging er einer Vortrags- und Lehrtätigkeit nach, die auch die »relationale Ästhetik« miteinbezog, wie anlässlich eines Vortrages in der École des Beaux-Arts in Nantes und Seminaren an der Universität Paris X und am Kunstverein Hamburg 1995. 5 Um Ausgangslagen seiner Arbeiten zur relationalen Ästhetik aufzuzeigen wird sein Beitrag zu der Ausstellung No Man’s Time in der Villa Arson Nizza 1991 untersucht, die von Éric Troncy kuratiert und in einer zweimonatigen Residenz mit den Künstlern vorbereitet wurde. Bourriaud entwickelte Grundüberlegungen in verschiedenen Artikeln weiter, bis er 1996 im CAPC Bordeaux die Ausstellung Traffic kuratierte, in deren Katalog er die Theorie als solche darlegt. Diese Ausstellung wird häufig als zentraler Ausgangspunkt der relationalen Ästhetik genannt, da zahlreiche später mit der Theorie in Verbindung gebrachte Künstler an ihr teilnahmen. Demgegenüber gilt es, ihre Einbettung in den Kontext von Bourriauds vorhergehender und nachfolgender Arbeit aufzuzeigen. 1998 publizierte Bourriaud die Aufsatzsammlung Esthétique relationnelle. Die Untersuchung betrachtet seine dortigen theoretischen Modelle, wie auch die in seinen nachfolgenden Publikationen Postproduction (2001) und Radicant (2009), nicht isoliert, sondern
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in ihrer Wechselwirkung mit der kuratorischen Tätigkeit am Palais de Tokyo mit einer Konzentration auf die vier zentralen Gruppenausstellungen von ihm und Jérôme Sans, für die auch Kataloge herausgegeben wurden, und deren Verhältnis zur Genese von Bourriauds Entwürfen zur relationalen Ästhetik. Die Untersuchung setzt sich in einem zweiten Schritt mit dem künstlerischen Programm unter Marc-Olivier Wahler fort. Besonderes Interesse gilt der Frage, wie die kunsttheoretische Prägung der Ausstellungstätigkeit der Jahre unter Bourriaud und Sans, besonders des Rückbezugs auf die Moderne durch das Monument Palais de Tokyo, bis in das Jahr 2012 ragt, mit der von Okwui Enwezor kuratierten Triennale Intense Proximity, deren Zugriffsmodell in einem dritten Schritt betrachtet wird. Damit findet die historische Untersuchung einen sinnvollen Abschluss und wahrt einen gebotenen zeitlichen Abstand. Nicht mehr behandelt wird daher die kulturpolitische Neuausrichtung des Palais de Tokyo im Zuge der Erweiterung um die brach liegenden Flächen besonders unter Kulturminister Frédéric Mitterand ab 2009 und die Zeit ab der Berufung Jean de Loisys zum Direktor 2011, der bis 2018 erfolgreich das vergrößerte Haus führte.6 In seinem ersten Jahrzehnt erscheint das Palais de Tokyo als einer der bedeutenden internationalen Orte der Produktion zeitgenössischer Kunsttheorie in und durch Ausstellungen. Als zentraler Punkt kristallisiert sich in der Untersuchung der schon im Grundkonzept zum Site de Création Contemporaine sichtbare Bezug auf das Palais de Tokyo als Ort der Moderne. Dazu wird das prägende Wechselverhältnis von Ausstellungen und kunsttheoretischer Produktion betrachtet. In welchem Verhältnis steht das Palais de Tokyo zu den theoretischen Entwürfen Nicolas Bourriauds rund um die Esthétique relationnelle? Im Spiegel dieser theoretischen Arbeiten zeigt sich, dass über die Ausstellungsprogramme unter Bourriaud und Jérôme Sans sowie Marc-Olivier Wahler eine Kontinuität des theoretischen Bezugs auf die historische Moderne bis zur Triennale Intense Proximity reicht. Dieser Bezug ist in Bourriauds theoretischen Arbeiten verallgemeinert zu einer Standortbestimmung der Gegenwartskunst, die nach dem Bruch der Postmoderne einen Anschluss an die avantgardistische Utopie der Herstellung von Gemeinschaft sucht – und sich zugleich vom historischen Projekt abgrenzt. Seine relationale Ästhetik öffnet sich in der Nachfolge zu Francis Fukuyamas »Ende der Geschichte« für eine Abkehr vom Gedanken der Kunst, die auf die Gesellschaft wirkt und verwirft damit die »Utopien« der Moderne. Dagegen setzt sie ein Modell der Kunstproduktion in einer vernetzten, globalen Welt. Soziale Beziehungen werden darin zum formalen Ausgangspunkt von Kunstwerken, die über die Dauer von Ausstellungen Gemeinschaften begründen können, deren mikro-utopische Wirkung sich in »Zwischenräumen« in einer Welt entfaltet, in der ansonsten alle menschliche Kommunikation und Beziehung kommerzialisiert wird. Zu zeigen ist, inwieweit das Palais de Tokyo nicht nur in der Wahrnehmung der akademischen und kunstpublizistischen Kritik Medium der Theorie, sondern selbst zum Ort der relationalen Ästhetik und einer an der Globalisierung orientierten Kunstpro-
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duktion wurde. Durch die historiografische Aufarbeitung dieser Wechselwirkung wird ein Umstand deutlich, der bisherigen kritischen Auseinandersetzungen mit Theorie oder Ausstellungen entging. Bourriauds Entwürfe folgen einem Entwicklunsmodell, in dessen Zentrum stets ein Bild von Fortbewegungsmitteln steht. In No Man’s Time in Nizza 1991 betrachtet er Kunstwerke als »Metaphern« in der etymologischen und epistemologischen Bedeutung von »Vehikeln« und dem Bild von Boliden auf einem Rundkurs. Traffic 1996 weitet schon im Titel den Betrachtungshorizont zum Verkehr aus. In Esthétique relationnelle schreibt er 1998, herkömmliche Formen würden relational zu »Vehikeln« der persönlichen Beziehungen. 7 In GNS 2003 eröffnet das Navigationssystem einen globalen Blick und Playlist 2004 thematisiert Künstler als »Semionauten«, die – wie er im Essay Postproduction ausführt – durch den Zeichenkosmos der globalen Gegenwartskultur navigieren und aus visuellem Material neue Formen entwickeln. Das Modell weitet er in Radicant 2009 zu einer »Ästhetik der Globalisierung« aus und es prägt auch Altermodern, seine Tate Triennale 2009. Diese expansive Evolution kann sich selbst an Bourriauds Beharren auf der künstlerisch zurückgelegten Wegstrecke als einer eigenen Form messen lassen: Sie bildet ein teleologisches Fortschrittsmodell ab, wie es der Moderne eignete, obwohl die theoretischen Arbeiten des Autors dieses inhaltlich ablehnen, er es gar als »tot« bezeichnet. 8 Der stete Bezug auf die Moderne erweist sich als Kernelement des Programms von Marc-Olivier Wahler am Palais de Tokyo, das auf Bourriaud und Sans folgt. Wahler führte Ausstellungen in Saisons zu »Programmen« zusammen. Er bezieht sich ebenfalls auf das historische Palais de Tokyo. Die Tätigkeit des Kurators und Künstlers begreift er als Aufzeigen neuer Wissensverbindungen im vernetzten Zeitalter. Sein Konzept korrespondiert mit Bourriauds Entwurf von künstlerischen »Semionauten«. Als kunsttheoretische Leitfrage erscheint auch bei Wahler immer wieder der Gegenwartsbezug auf Modelle der Moderne, der in ein Entwicklungsmodell der »Altermodernität« mündet. »Altermoderne« ist Nicolas Bourriauds konzeptuelle Antwort auf die Postmoderne, die er in seiner Zeit als Gulbenkian Curator of Contemporary Art an der Tate Modern für die dortige Triennale 2009 entwickelte. Die Untersuchung folgt dem Modellentwurf von Altermodern über einen zentralen Beitrag, den der Kurator Okwui Enwezor dort verfasste, bis zu dessen eigener Triennale im Palais de Tokyo 2012. Die mit der relationalen Ästhetik aufgeworfenen kunsttheoretischen Problemzusammenhänge beschreiben einen Spannungsbogen, der von den avantgardistischen und ethnografischen Modellen der Moderne über die Brüche von Zweitem Weltkrieg und Postmoderne hinweg zum doppelten Spannungsverhältnis zwischen Konzeptkunst und relationaler Kunst, postkolonialer Theorie und ästhetischer Theorie der Gegenwart reicht. In einem vierten und letzten Schritt wird diese Bedeutung des Palais de Tokyo als zentraler Bezugsort für die Theorie der zeitgenössischen Kunst und ihrer politischen Funktion in der globalisierten Welt abschließend vertieft. Zunächst wird ein Überblick über zentrale akademische Auseinandersetzungen mit Bourriauds relationaler Ästhetik
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gegeben. Besonders französische Arbeiten fanden in der englischsprachigen Literatur dazu bisher kaum Beachtung. Danach folgt eine Darstellung des Bezugs auf relationale Ästhetik im »New Institutionalism« der 2000er Jahre. Der Begriff bezeichnet die Auseinandersetzung mit neuen institutionellen Strategien im Spannungsfeld von ökonomischem Druck und Globalisierung. Daneben werden Debatten der relationalen Ästhetik betrachtet, die von Kontroversen um eine Kritik Claire Bishops an Bourriauds Modell in October 2004 ausgehen. Etwas später diagnostizierte sie in einem weiteren Aufsatz einen »Social Turn« in der Gegenwartskunst mit partizipativer Einbindung der Rezipienten und gleichzeitig einen »ethisch-moralischen« Mangel an echten ästhetischen Urteilen und Kriterien in ihrer Beurteilung. Damit bezieht sie sich auf Jacques Rancière. In Malaise dans l’esthétique (2004) bestimmt Rancière Ästhetik als ein inhärent politisches Feld, das seit dem Ende des 18. Jahrhunderts durch ein »ästhetisches Regime« geprägt ist, welches Kunst und die sozialen Voraussetzungen ihrer Wahrnehmung prägt und das vorhergehende »repräsentative« Regime ablöste. In ihm sind die »Politik der Ästhetik« und die »Ästhetik der Politik«, die Voraussetzungen der Produktion von Dissens, zu unterscheiden. Rancière diagnostiziert für die Zeit nach dem Fall der Ideologien 1989 eine »ethische Wende« konsensualer Indifferenz, die besonders ästhetische Urteile in der Gegenwart betrifft. Er ist jedoch auch einer der profiliertesten Kritiker der epistemologischen Voraussetzungen von Bourriauds relationaler Ästhetik. Diese Kritik in Malaise dans l’esthétique und, kürzer, in Le spectateur emancipé (2008) wird unter Einbezug einer Antwort Bourriauds aus dem Jahr 2009 nachvollzogen. Zuallerletzt schließt sich ein kunsttheoretischer Problemkreis des Rückbezugs auf die Moderne: Sowohl Bourriaud als auch Rancière beziehen sich auf Walter Benjamin. Bourriaud dient er als Stichwortgeber in der Annahme einer gemeinschaftsstiftenden Funktion der relationalen Kunst. In den sozialen Beziehungen der relationalen Ästhetik sieht Bourriaud die »Aura« des Kunstwerks auf die Menschen übergehen. Rancière grenzt seine »Politik der Ästhetik« scharf von der Diagnose der »Ästhetisierung der Politik« im antifaschistischen Nachwort zum Kunstwerk-Aufsatz von 1939 ab. Dagegen ist zu zeigen, dass Rancière nicht weit von Benjamin liegt, und Bourriauds Berufung auf ihn der Überprüfung an dessen Verständnis der gemeinschaftsstiftenden Funktion von Kunst besonders im Kunstwerk-Aufsatz nicht standhält. Es wird dargelegt, dass der Ursprung von Benjamins »Aura«-Begriff im Kontext der gemeinschaftlichen Rezeption von Architektur, Porosität und Durchdringung liegt. Aura ist ein Indikator für das Fehlen echter sozialer Durchdringung. Nur dort, wo soziale Architektur porös wird, wird eine trennende Aura aufgehoben, stellt sich echte Gemeinschaft ein. Dass relationale Ästhetik, eine der meistdiskutierten Theorien zur Kunst der globalisierten Gegenwart, sich auf Benjamin beruft, zeigt entgegen Rancières Annahme und Bourriauds Missverständis aber die Aktualität von Benjamins Überlegungen, die sowohl als kritisches Instrument wie auch als utopisches Ideal keinesfalls überholt sind.
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GLOBALE VERNETZUNG STAT T »WHITE CUBE«: DIE ERÖFFNUNGSSCHAU 2002 Die erste Projektskizze von Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans vom Mai 1999 behandelt Internationalität und Globalisierung eher übergeordnet in der einleitenden Reflexion zum Namensbestandteil »Tokyo«. In einem ausführlicheren ergänzenden Papier für ein Treffen mit der Kulturministerin Mitte 2000 ist die Internationalisierung der Gegenwartskunst der erste Aspekt. Das Jeu de Paume, das seinerzeit und noch bis 2004 Galerie nationale d’art contemporain war, sei die letzte in Paris geschaffene Institution für zeitgenössische Kunst nach dem Vorbild schweizerischer oder deutscher Kunsthallen. Seit dessen Einrichtung 1991 habe sich die weltweite Situation von Künstlern aber entscheidend verändert und sei nicht mehr vom nationalen oder europäischen Standpunkt her zu beurteilen, sondern nur global. Einstmals auf der Landkarte der zeitgenössischen Kunst abwesende Länder wendeten sich ihr auf dynamische Weise zu, so Taiwan, Südkorea oder Norwegen, und international arbeitende Künstler trügen ihre Anforderungen aus einem Land ins nächste. 9 Als zweiter Punkt wird die ästhetische Dimension der Globalisierung eingeführt. Seit Anfang der 1990er Jahre entfernten sich Künstler zusehends vom »White Cube«, der Kunst und Leben zu stark trenne. Eine neue Funktionalität und Ästhetik des Ausstellungsraumes müsse auch pluridisziplinären Veranstaltungen zugänglich sein. Im vorhergehenden Jahrzehnt waren in den USA, Großbritannen, Deutschland und den Niederlanden Kunstorte ohne Sammlung entstanden, häufig auf anpassungsfähigen ehemaligen industriellen Flächen. Manchmal zu Beginn »alternativ«, seien diese zu international bedeutenden Institutionen geworden wie MoMA PS1, Clocktower Gallery, Serpentine, Whitechapel, De Appel oder KW Berlin.10 In Paris dagegen befänden sich wichtigste Galerien und Auktionshäuser, aber es fehlten Ausstellungsmöglichkeiten für junge Künstler, internationale Veranstaltungen – die letzte Paris Biennale war 1985 – und ein Ort mit den beschriebenen architektonischen Möglichkeiten. Die Architektur des 1937 gebauten Palais de Tokyo aber ähnle, so Bourriaud und Sans weiter, dank der zuvor befreiten Struktur einem industriellen Ort und es besäße eine einzigartig große anpassungsfähige Fläche von 3000 Quadratmetern. Ihre Arbeit habe schon in den ersten Monaten ein internationales Echo erfahren und die regionalen Kunstzentren und FRACs sowie die genannten internationalen Institutionen seien ihre Partner geworden.11 Internationalisierung bedeute, dass zunächst Beziehungen der Kunst zu anderen Disziplinen und der globalen gesellschaftlichen Entwicklung gezeigt werden müssen. Ihr Konzept sieht daher vor, französische Künstler Seite an Seite mit den besten internationalen Kreativen auszustellen und ein internationales Publikum anzuziehen. Für die alternativen Strukturen innerhalb von Paris wie GlassBox, Accès Local, Public und Immanence solle eine Schnittstellenfunktion übernommen und die Führungsrolle der Institution bekräftigt werden.
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Mit den innovativen Öffnungszeiten von Mittag bis Mitternacht, Café, Bar und Restaurant, einem Geschäft für Editionen und Objekte junger Designer, einer Buchhandlung, und einem »Salon« im Mittelpunkt des Ausstellungsraumes mit Zeitschriften, Internetzugang, Videospielen und Videos soll der Ort zu einem »lieu de vie« werden.12 Buchhandlungen sind für Museen ein Medium, das dem Besucher eine Aneignung der Kommunikationsbotschaft und des Besuchs durch den Kauf von Produkten erlaubt.13 Ähnlich trägt das Angebot von Design zur Kommunikation und Aneignung zeitgenössischer Produktion bei. Die großen thematischen Ausstellungen im Turnus von vier Monaten werden alle sechs Wochen durch zwei neue Ausstellungen in Nebenbereichen ergänzt, kuratiert von eingeladenen Künstlern oder Gastkuratoren. Monatliche Projektausstellungen sollen zusätzlich auf aktuelle Entwicklungen reagieren. Zwei Formate sollen alle sechs Monate neu programmiert werden: »Le Mur«, die von der Esplanade aus sichtbare Wand am Eingang zu den Ausstellungen, und der »Salon«, der von einem Künstler, Architekten oder Designer neu gestaltet wird. Im Eingangsbereich sollten junge Künstlerkollektive ihre Arbeiten in »ephemeren Boutiquen« anbieten, wie das dänische Kollektiv Superflex, das an Energiegewinnung aus Recycling arbeitete, das Kollektiv Buy-Sellf aus Bordeaux oder die deutsch-französischen Stylisten Bless. Das Palais de Tokyo sollte ein Kunstzentrum des Netzwerkzeitalters werden, weshalb die Website ein gleichwertiger Raum künstlerischer Arbeit sein sollte: »Il ne peut être question d’en ignorer les potentialités. Au contraire, le Palais de Tokyo doit s’affirmer comme un centre d’art de l’ère des réseaux.«14 Diese erste Website des Palais de Tokyo wurde von der Designerin Katya Bonnenfant programmiert und organisierte Informationen in einem Gittermodell, wobei ein Schwarm von Punkten der Bewegung des Cursors folgte und die Informationskästen bewegt schwebten. Die Seite mit externen Links etwa ist als Weltkarte gezeichnet, über die Flugzeuge fliegen; Institutionen sind dort geografisch angeordnet. Dadurch, dass die Website reaktiv ist, stellt sich diese spezifische Textualität als dauerhaftes Simulakrum der Wirklichkeit mit eigener Logik in einem Zeit-Raum dar, wie Annick Lantennois in einer Analyse bemerkte.15 Das Grafik-Duo M/M, die schon den Katalog zu Nicolas Bourriauds Ausstellung Traffic 1996 gestalteten, entwarf für das Palais de Tokyo und den Außenauftritt die Schrift Tokyo Palace, die mit der Erscheinung von Programmiercodes spielt.16 Die Editionstätigkeit sollte Online-orientiert sein. Nur zu zentralen Gruppenausstellungen sollen Kataloge erscheinen, alle zwei Monate auf Französisch und Englisch zusätzliche thematische Dossiers. Mögliche Publikationen zu Einzelausstellungen werden aus Kosten- und Vertriebsgründen in Co-Edition mit Verlagen realisiert und richten sich danach, was für den jeweiligen Künstler sinnvoll ist.17 Das entspricht der Entwicklung der Editionstätigkeit von französischen Kunstzentren, die seit den 1970er Jahren immer mehr zu einer »forme de bricolage« ging, worin sich die institutionelle Wandlung von der Aufgabe der Bewahrung hin zu einer Trias aus Entdeckung der Avant-Garde, Präsentation bekannter Themen und lokaler Künstler spiegelt.18 Der Pavillon schließlich
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103 Navin Rawanchaikul: Super(m)art, Palais de Tokyo 2002
wird in alle Aktivitäten eingebunden. Vergleichsbeispiele hierfür sind das Magasin in Grenoble, das ZKM Karlsruhe und das Center for Contemporary Art, CCA, in Kitakyushu, Japan. Er unterhält eine Partnerschaft mit der École nationale supérieure d’art de Cergy, deren Studenten mit einer Jahresausstellung und in Aktivitäten eingebunden werden. Studenten des vierten Jahres sollen im Pavillon teilnehmen, und jene des Pavillon administrativ Cergy assoziiert sein.19 Das Projektdossier von Bourriaud und Sans geht abschließend auch auf das Gebäude ein, das der angestrebten industriellen Erscheinung entgegenkommt. Man verdanke den Architekten von 1937 hinter den monumentalen Fassaden einzigartige TageslichtLösungen und eine in Paris einmalige Konzeption als Ausstellungsgebäude. Niemand könne umhin, als eine Wiederherstellung seiner »valeur d’origine« zu wünschen. 20 Die kuratorische Sprache des Ortes ist Absage an einen »White Cube«. Verputzen und Streichen der Wände sei ohnehin zu teuer. 21 Die Offenlegung der Substanz durch die Architekten Lacaton und Vassal wurde zum Medium dieser Sprache. Bourriaud möchte dies als »materialistische« Haltung einer belebten, unbürokratischen Institution lesen gegen
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einen »Idealismus« nach Modell des »White Cube«. 22 Dazu bleibt anzumerken, dass die administrativen Hintergründe zeigten, dass die Entstehung dieser Institution aber bei aller materialistischen Grundhaltung nicht unbürokratisch war. Jérôme Sans beruft sich gegen die Kritik, das Palais de Tokyo sei zu sehr Veranstaltungsort, auf Douglas Crimp, der seit Jahrzehnten eine institutionelle Öffnung gefordert habe. 23 Die Logik eines Ortes im Entstehen wurde zum Kern einer Markenbotschaft. Das Palais de Tokyo wurde am 21. Januar 2002 von Premierminister Lionel Jospin eröffnet. Wie zur Einweihung des Palais 1937 und Eröffnung des MNAM 1947 wurde darauf hingewiesen, dass Paris endlich zu London, Berlin, Amsterdam und New York aufschließe. Das Leitbild ist jedoch nun, dass die Kunst keine nationalen Grenzen mehr kennt: »Il fallait donner aux artistes de notre pays les moyens de faire connaître leurs recherches et de les confronter à celles qui se développent ailleurs: l’art d’aujourd’hui, on le sait, ignore les frontières.« 24 Jospins Rede evoziert auch die Geschichte des Ortes als Ausgangspunkt neuer Strategien: »Or, quel espace plus exemplaire que celui où nous sommes aujourd’hui réunis pouvait permettre de répondre à pareilles missions?« 25 Zur Eröffnung gab es zwei Einzelausstellungen auf der Hauptfläche: Melik Ohanian zeigte bis zum 17. März 2002 seine Mehrkanalinstallation Island of an Island (1999– 2001) über eine kleine, 1963 vor Island neu entstandene vulkanische Insel, Navin Rawanchaikul die Installation Super(m)art bis zum 9. Juni 2002 (Abb. 103). Beide Ausstellungen wurden mit Förder- und Sponsorenmitteln realisiert. 26 Die Caisse des dépôts et consignations beteiligte sich mit 1 Million Francs (152.489 Euro) jährlich an Einzelausstellungen der Programmlinie Modules und setzte damit ihr früheres Engagement in einem Ausstellungsraum am Quai Voltaire (1996–2001) fort. 27 Die zentrale Gruppenausstellung zeigte vom 29. Januar bis 21. April 2002 zahlreiche internationale Künstler im Alter um dreißig bis vierzig Jahre mit überwiegend raumgreifenden Installationen und damit den Anspruch eines internationalen Querschnitts. 28 Michael Lin stellte zusätzlich vom 21. Januar bis 21. Dezember 2002 aus. Er gestaltete mit einem bemalten Boden den Bereich, der die Bar des Palais de Tokyo beherbergte (Palais de Tokyo 21 Janvier 2002) im Auftrag des Kulturministeriums und der DAP (Abb. 104). Ein Musiksalon, Audiolab 2, wurde von Ronan und Erwan Bouroullec designt um, kuratiert von Hervé Mikaeloff und Jean-Yves Leloup, unveröffentlichte Klangarbeiten von Künstlern und elektronischen Musikern vorzustellen, darunter Laetitia Benat (Frankreich), Curd Duca (Wien/ Miami), Dorine_Muraille (Julien Locquet, Frankreich), To Rococo Rot (Ronald und Robert Lippok, Stefan Schneider, Deutschland) und Xavier Veilhan (Frankreich). 29 Der Italiener Loris Cecchini zeigte im ganzen Palais verteilt Installationen von Gebrauchsobjekten, die in weichem grauen Material reproduziert wurden und sich unter die technische Ausstattung des Palais mischten. Der Salon unterhalb der Treppe wurde alle sechs Monate neu bespielt. Er wurde bis zum 8. September 2002 zuerst von Meschac Gaba als Le Salon du Musée d’Art Contemporain Africain im Kontext seiner seit 1997 bis 2002 unternommenen virtuellen und
543 | Globale Vernetzung statt »White Cube«: Die Eröffnungsschau 2002
104 Michael Lin: Palais de Tokyo 21 Janvier 2002, Emulsionsfarbe auf Holz, 28 × 9 m, Palais de Tokyo 2002
nomadischen zwölfteiligen Arbeitsserie Musée d’Art Contemporain Africain gestaltet, für das er in verschiedenen Museen jeweils einen Raumtyp wie Boutique, Bibliothek oder Spielesaal realisiert hatte. 30 Bis September wurden hier Videos gezeigt. 31 Über dem Palais hisste der Däne Henrik Plenge Jakobsen eine Piratenflagge (Death, 1998–2002). Im Obergeschoss war bis 24. März 2002 eine von Franck David vorgeschlagene Arbeit zu sehen, bei der überdimensional reproduzierte Klebeetiketten von Audio- und Videokassetten von Künstlern32 gestaltet wurden, sowie bis zum 10. März 2002 die ModulEinzelausstellung von Monica Bonvicini. 33
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Im Außenbereich entstanden zwei Gärten, ein öffentlicher Auftrag an Robert Milin. Das Atelier Le Balto realisierte dazu im Graben unterhalb der Avenue Wilson einen begehbaren wilden Garten. Mit einem Landschaftsgestalter legte Milin auf einem Streifen neben dem Gebäude in der Rue de la Manutention einen Jardin des habitants (2002) an. Der Garten sollte in Parzellen einzelnen Personen anvertraut werden. Laufzeit der Projekte sollte zunächst bis zum 20. April 2002 sein. 34 Sie bestehen aber bis heute. Diese Eröffnungsschau hatte letztlich kein spezifisches Thema, sondern sollte in ihrer Vielfalt die Prinzipien des Palais de Tokyo der kommenden Jahre zeigen. Bourriaud und Sans hoben hervor, dass diese Künstler im Gegensatz zu einer Vorgängergeneration keine direkte Gesellschaftskritik übten. Vielmehr steigerten sie einzelne Aspekte bis ins Absurde einer »sorte de surréalisme pop«. 35 Die beiden schildern, dass sie bald feststellten, dass sie auch getrennt Projekte konzipieren wollten. Bourriaud kuratierte insbesondere 2003 und 2004 Global Navigation System und Playlist, Jérôme Sans in denselben Jahren Hardcore und Live. Zur Eröffnungsausstellung des Palais de Tokyo stellte Jérôme Glicenstein noch im selben Jahr die kritische Frage, ob die kuratorische Konzeption szenarisierter offener Bereiche nicht schon in sich ein künstlerischer Zugriff sei, der jede nachfolgende Aneignung kurzschließe – ob der Ausstellungsraum sozusagen als Kunstwerk erscheine. 36 Mit dem Hinweis auf Ruinenästhetik in Arbeiten wie der Installation Demolished Prison, Powerless Structures, Fig. 272 (2002) von Elmgreen & Dragset, Johannesburg by Day (2002) von Kay Hassan, dem oben genannten Salon du Musée d’art contemporain africain von Meschac Gaba sowie den Interventionen von Loris Cecchini oder dem gigantischen Wandplakat Super(m)art (Curatorman) von Navin Rawanchaikul mit der Ansicht des Gründungsteams der Mitarbeiter – ergänzt um die Fiktion eines fünfzig Jahre später wie alle Museen geschlossenen Palais de Tokyo – fragt er, ob den vom Palais de Tokyo herangezogenen Modellen wie Baustelle, industrieller Brache, Besetzung, Fabrik nicht auch die »Ruine« hinzuzufügen sei. 37 Dass allerorten noch Hinweise auf die vorangegangenen Nutzungsprojekte und Institutionen im Palais zu sehen sind erzeugt für ihn den Eindruck einer steten Wiederkehr von Versagen, »d’un échec irrémédiablement récurrent«. 38 Die verschiedenen Bezeichnungen der Aktivitäten, Tokyo Life (monatliches Programm), Tokyo News (wöchentlicher Newsletter), Tokyo Games (Videospiele), Tokyo T V (für die Website geplantes Ausstrahlungsprogramm), besonders auch die Tokyo Books, die schon vor der Eröffnung auf Basis von Internetumfragen unter Künstlern und Kuratoren Antworten auf Fragen des Kunstfeldes sammelten, und die Veranstaltungsreihe Tokyorama, bei der noch vor der baulichen Fertigstellung Künstler mit Interessierten die Umgebung des Palais erkundeten, konstituieren für Glicenstein das Konzept einer neuen Sprache eines utopischen Ortes, der gleichwohl schnell seine institutionellen Grenzen aufgezeigt bekam. 39 In letzter Minute etwa wurde eine von Renaud AugusteDormeuil geplante öffentliche Auskunft über das Überwachungssystem des MAM Paris im Ostflügel verhindert. Glicenstein findet es schwer festzustellen, ob tatsächlich eine
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Umwertung des Verhältnisses zum Besucher stattfinde. TokyoBooks, Tokyorama und die »szenarisierten« Räume oszillierten zwischen einer Scheinhandlung und einer kollektiv erschaffenen Fiktion. Aus den Namen, der Website und den theoretischen Arbeiten Bourriauds liest er Sprache und Produktionslogik des Films und Fernsehprogramms.40 Die »verführerische« Bezeichnung des Palais de Tokyo als »site« – im Gleichklang zum englischen »construction site« – vermeide das Wort »centre« und so auch den Vorwurf des Zentralismus. Wie die Bezeichnung »plate-forme« in Kreisen der zeitgenössischen Kunst, ein einst von den Situationisten verwendeter Begriff, diene sie nun als Designation einer Basis und zugleich als »Erforschungs-Dispositiv«.41 Zu »site« und »plate-forme« geselle sich der Begriff »Laboratoire«, wohl um des wissenschaftlichen Eindrucks willen. Dagegen sei der seinerzeit im ARC von Pierre Gaudibert beworbene Begriff »Forum« offensichtlich aus der Mode gekommen.42 In der Bedeutung der Vermittlungsprogramme sieht er eine Konditionierung des Besuchers, die zudem schnell auf die Schriften Bourriauds zur relationalen Ästhetik verweise. Diese bleibe, wie das Palais de Tokyo, unklar. Geht es um »szenarisiertes« partizipatives Theater oder tatsächlich neue Modelle, die den musealen Raum erweitern durch Einwirkung auf soziale gemeinschaftliche Beziehungen?43 Darin deutet sich eine akademische Debatte an, die sich in den Jahren nach 2002 entzünden wird. Claire Bishop schrieb darüber mit Artificial Hells 2012 gar ein ganzes Buch. Mit der Szenarisierung und Ruinenästhetik des offenen Ausstellungsraumes und der Bedeutung der historischen Schichten des Palais de Tokyo, der Sprachpolitik in Kommunikation und Programmmodellen, die auf Bourriauds Konzeption der Produktion verweisen, sind Kernpunkte des Ausstellungskonzepts von Bourriaud und Sans benannt. Glicenstein interpretiert es mit einer kinematografischen Metapher der Ausstellung. Demnach bildete die Anordnung von Werken in der Ausstellung eine Vor-Montage zu einem Film, dessen finale Schnittfassung durch die Aktivität des Besuchers entstehe.44 Das aber ist in seinen Augen nicht geeignet, die Distanz zwischen realen sozialen Beziehungen und diesem Ort aufzuheben, der schon qua seiner Geschichte weltabgewandt sei, eine »bulle à l’abri du monde«.45 Glicenstein scheint dem kuratorischen Prinzip mangelndes Geschichtsbewusstsein für den Ort vorzuwerfen. Wie sich zeigte, haben Bourriaud und Sans aber gerade diese historische Dimension konkret im Blick. Da das Palais de Tokyo historisch immer an vorderster Stelle kulturpolitischer und institutioneller Entwicklungen stand, bot es sich an, dem Projekt damit ein Image eines Ortes der Avantgarde nach der Postmoderne zu geben.
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DER CODE DER STR A SSE: GRUNDLEGUNGEN DER REL ATIONALEN Ä STHETIK IN DEN AUSSTELLUNGEN »NO MAN’S TIME« UND »TR AFFIC« Als das Projekt zum zeitgenössischen Zentrum im Palais de Tokyo im Umfeld der Kulturministerin 1998 Fahrt aufnahm, war Bourriaud gerade aus New York zurückgekehrt, wo er mit Philippe Parreno und der Mehrzahl der Künstler der 1996 in Bordeaux gezeigten Ausstellung Traffic ein Jahr zugebracht hatte, und veröffentlichte Esthétique relationnelle. Die von ihm mit herausgegebene Literaturzeitschrift Revue perpendiculaire erlebte gerade ihre letzten Momente nach einer Meinungsverschiedenheit mit dem Redakteur Michel Houellebecq.46 Mit Traffic 1996 stellten erstmals eine Ausstellung und der Begleittext deutlich die ästhetische Theorie der relationalen Ästhetik vor. Noch älter ist Bourriauds Mitarbeit an No Man’s Time in der Villa Arson in Nizza 1991. In wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der relationalen Ästhetik scheint sie bisher kaum Beachtung gefunden zu haben. In Bourriauds glossenhaften Texten für den Katalog zu dieser Ausstellung finden sich jedoch in konzentrierter Form die Ausgangslagen seiner Theorie. Ihre hier folgende Analyse ist wertvoll für eine Betrachtung ihrer Progression von Ideen zu einem Referenzsystem im Wechselspiel mit Ausstellungen. Die »relationale Ästhetik« hat ihre Ausgangslagen in der Auflösung des Kunstbegriffs in der urbanen Kultur und der zunehmenden Permeabilität des Milieus der Kunst in Netzwerken. Für die von Éric Troncy kuratierte Ausstellung No Man’s Time in der Villa Arson – Centre National d’Art Contemporain in Nizza verfasste Bourriaud Katalogbeiträge. Die Ausstellung mit zahlreichen Künstlern, mit denen Bourriaud später, besonders bei Traffic, weiter zusammenarbeitete, wurde in enger Abstimmung zwischen Troncy, dem Direktor der Villa Arson Christian Bernard, den Künstlern sowie den Beiträgern Bourriaud, Sylvie Froux und Jean-Yves Jouannais, ein »perpendiculariste« wie Nicolas Bourriaud, während einer intensiven Auf bauphase konzipiert. Über diese Arbeit gibt ein über den Katalog verteiltes Tagebuch Auskunft.47 Die Künstler waren Richard Agerbeek, Henry Bond und Liam Gillick, BP, Angela Bulloch, Sylvie Fleury, Dominique Gonzalez-Foerster, Felix Gonzalez-Torres, Manuel Ismora, Pierre Joseph, Karen Kilimnik, Richard Kongrosian, Aimee Morgana, Pruitt/Early, Johan Muyle, Philippe Parreno, Raymond Pettibon, Allen Ruppersberg, Jim Shaw, Lily van der Stokker und Xavier Veilhan. Als »guest star« ist Martin Kippenberger genannt.48 Der Katalog zu No Man’s Time enthält auch eine »Playlist« mit persönlichen Hitlisten aus fünf Einträgen zur Kunst und zur Musik von allen Beteiligten Künstlern, Kuratoren und Autoren.49 2004 kuratierte Bourriaud die gleichlautende Ausstellung Playlist im Palais de Tokyo. Er selbst schrieb im Katalog zu No Man’s Time kurze Texte zu Schlagworten – Déplacements, Hallucinations, Violence et Candeur, Just Do-it!, Trash, L’ éternel retour – mit stichpunktartigen Reflexionen zu den Werken, Künstlern und der
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zeitgenössischen Kultur, die stark geprägt sind von Punk, urbaner Kultur und Kultserien wie Twin Peaks. Déplacements definiert die Ausstellung als eine urbane Kondensation von fokussierter Aufmerksamkeit an einem Durchgangsort – »lieu de passage« – und die Bewegung der Besucher als Gradmesser ihres Erfolges. 50 In diesem Text entwickelt Bourriaud ausgehend von der etymologischen Bedeutung der »Metapher« und Werken beteiligter Künstler wie Gonzalez-Torres und Gillick die Hypothese, die zeitgenössische Kunst an der Wende der 1980er zu den 1990er Jahren sei eine gigantische »Fortbewegung« der vorangegangenen Avantgarden bis Warhol. Allgemein könne Kunst als vor- und zurückgreifende Metapher begriffen werden: »L’étymologie grecque du mot ›métaphore‹ signifie: ›moyen de transport‹. Toute métaphore, quoi de plus banal, est un déplacement. Mais émettons l’hypothèse que tout l’art de ces dernières années ne soit qu’un gigantesque déplacement, une série de métaphores plus ou moins heureuses de l’histoire des avant-gardes jusqu’à Warhol? (voir Recharges). Felix Gonzalez-Torres métaphorise l’art minimal, Lily van der Stokker métaphorise Sol Lewitt, Bond & Gillick l’art conceptuel, etc. Plus généralement, l’art m’apparaît comme une forme métaphorique qui se déplace à l’infini, un monstrueux bolide hologrammique dont l’image actuelle rassemble toutes les images passées et à venir.«51 Das hier beschworene Bild des »Boliden«, der sowohl ein Meteor als auch ein Rennwagen sein kann, korrespondiert mit dem vorangehenden Absatz, in dem er auf Wandzeichnungen des Graffiti-Künstlers BP eingeht, die Formel-1-Strecken darstellen. Dort definiert Bourriaud die allgemeine Idee des Rundlaufs, »circuit«, der in diesen Jahren der Auflösung institutioneller Strukturen Bedeutung erlangt: »Les circuits de Formule I ›taggés‹ sur le mur par BP renvoient à l’idée générale du ›circuit‹: parcours préétabli, fléché, contrôlé. Le code de la route en est la déclinaison civile, métaphore de la dictée des comportements.«52 Hier zeigt sich Bourriaud als Kritiker der kontrollierten Kreisläufe. Der »Code der Straße« ist Metapher, also ein Transportmittel der Handlungsvorgaben in der Kontrollgesellschaft. Seine Ausführung lässt an Gilles Deleuzes im Vorjahr publiziertes Postskriptum denken, das den Zusammenhang zwischen Digital-Sprech und der Definition des einzelnen Körpers in der Kontrollgesellschaft beschrieb: Die Kontrollgesellschaft benötigt keine individuelle Unterschrift mehr, ihr reicht eine Ziffer, um Informationen zu messen. 53 Noch wichtiger aber ist, dass Bourriauds Bild der Straße als Metapher der Kontrollgesellschaft schon von Deleuze definiert wurde. In seiner Vorlesung 1987 in der FÉMIS im Palais de Tokyo erklärt Deleuze an der Autobahn den Unterschied zwischen Disziplin und Kontrolle. 54 Bourriaud geht etwas weiter beim Stichwort »Just Do-It!« auf den Zusammenhang zwischen »Circuit« und Kunst ein. Es gehe in der zeitgenössischen Kunst weniger um
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ihre Definition, als darum, im losen Milieu Kunst ein Netzwerk zu finden. 55 Hier zeigt sich in nuce schon der Ausgang eines theoretischen Entwurfs und zugleich ein ihm inhärentes Problem. Wenn, wie Bourriaud schreibt, eine aktuelle Künstler- und Kritikergeneration Definitionen derart an Grenzen getrieben hat, und sich in der »Kunstszene« Disziplinen, Gattungen und Genres wie Kunst, Musik, urbane Kultur und Grafik derart mischen, dass der Kunstbegriff obsolet wird, dann kann jeder künftige Versuch, Kunstwerke theoretisch zu definieren, nur über die strukturelle Beschreibung der Praktiken erfolgen. Als einziges Unterscheidungsmerkmal bliebe die ästhetische Absicht. Wenn Kunstwerke als Fortbewegungsmittel gelesen werden, dann sind sie als Werk vielleicht Metapher vorangegangener Avantgarden, wie Bourriaud annimmt. Daraus muss aber zwangsläufig der Gedanke folgen, dass sie auch Metapher des Betrachters sind, und damit die Frage, welche Bewegung sie bei den Ausstellungsbesuchern auslösen – ein Vorgriff auf relationale Ästhetik, die Beziehungen herstellt. Daneben ergibt sich das Problem des Kreislaufs: Die Kunst, wie die Arbeiten von BP in No Man’s Time, könnte im Sinne von Deleuze zum Versuch einer Gegeninformation über die Kreisläufe der Kontrollgesellschaft werden. Zugleich sind sie aber Teil einer Kunstwelt, in der die Zugehörigkeit zum »circuit« im Sinne des »Netzwerks« zentrale Bedeutung hat. Dass ein Kunstwerk kaum im Sinne von Deleuze zum Widerstandsakt gegen den »circuit« der Kontrollgesellschaft werden kann, wenn es selbst Teil eines gesellschaftlichen Milieus ist, deutet auf innere Widersprüche hin, die, wie noch näher zu sehen sein wird, auch Bourriauds spätere theoretische Entwürfe mitunter aufweisen. Das Problemfeld »Circuit« des Rundkurses der Formel 1 beziehungsweise der Straße führt Bourriaud in gewisser Weise vier Jahre weiter in der Gruppenausstellung im CAPC musée d’art contemporain de Bordeaux fort, für die er die englische Schreibweise des Begriffs für Verkehr wählte, Traffic. Wie sich hier früh zeigt, arbeitet Bourriaud im engen dialogischen Verhältnis von Ausstellungen und theoretischen Texten mit Verkehrsbildern. Die grundlegende Bedeutung dieser Metapher hat er im kleinen Katalog in Nizza 1991 erläutert. Dem ikonografischen Umfeld der mobilen Beschleunigung bleibt er mit Traffic 1996 treu und führt die Ausdehnung dieses Blickes auf Bewegung in einem weiteren Heraus-Zoomen 2003 im Palais de Tokyo fort mit der Ausstellung GNS Global Navigation System. Jérôme Glicensteins oben betrachtete Kritik der Eröffnungsausstellung des Palais de Tokyo von 2002 liest mit der »kinematografischen Metapher« das Bewegungsmomentum in der Ausstellung anders, als es der vorliegende Rückgriff auf frühere und spätere Ausstellungsprojekte Bourriauds von 1991 bis 2004 zulässt, die das Bild des Verkehrs in den Vordergrund rücken. Schon Bourriauds Texte zu No Man’s Time 1991 zeigen seine Auseinandersetzung mit Kunstwerken als Fortbewegungsmitteln in Netzwerken und Kreisläufen. Dem liefe eine Lektüre seiner Ausstellungsszenarios als geschlossener Blasen mit konditionierten Besuchern, wie Glicenstein sie deutet, zuwider. Vielmehr sollte die Konzeption der relationalen Ästhetik in der Fortführung einer Linie des Kunstwerks
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als metaphorischem Fortbewegungsmittel von No Man’s Time zu Traffic 1996 zu sehen sein. Bourriaud kuratierte Traffic mit 28 jüngeren Künstlern einer Generation, die er in der Textsammlung Esthétique relationnelle 1998 immer wieder als »Avantgarde« bezeichnet. 56 In seinem Katalogtext trägt der erste von drei Abschnitten die Überschrift »Introduction à l’esthétique relationnelle«. Hier führt er ein, was diese unterschiedlichen Künstler, etwa Vanessa Beecroft, Angela Bulloch, Liam Gillick, Dominique GonzalezFoerster, Douglas Gordon, Carsten Höller, Gabriel Orozco oder Rirkrit Tiravanija, eint: Sie arbeiten alle mit oder über menschliche Beziehungen. Bourriaud differenziert dabei die Modi von menschlichem Austausch, Interaktion mit dem Betrachter in der ästhetischen Erfahrung und Kommunikationsprozesse. Der Fokus liegt auf einem Prinzip der Nähe des Betrachters: »Leurs œuvres mettent en jeu les modes d’échanges sociaux, l’interactivité avec le regardeur à l’intérieur de l’expérience esthétique qu’il se voit proposer, et les processus de communication, dans leur dimension concrète d’outils servant à relier des individus et des groupes humains entre eux. Tous œuvrent donc au sein de ce que l’on pourrait nommer la sphère relationnelle. Tous ancrent leur pratique artistique dans une proximité qui, sans déprécier la visualité, relativise la place de celle-ci dans le protocole de l’exposition: l’œuvre d’art des années 90 transforme le regardeur en voisin, en interlocuteur.«57 Den Einführungstext zu Traffic wird Bourriaud 1998 an verschiedenen Stellen der Esthétique relationnelle erneut publizieren, was Text und Ausstellung als eine Art Manifest der relationalen Ästhetik ausweist. 58 Während eine vorangegangene Künstlergeneration der 1980er Jahre, von Richard Prince über Jeff Koons bis Jenny Holzer sich auf den visuellen Aspekt der Kommunikation bezog und damit auch einen Rückgriff auf die 1960er Jahre und die Pop-Art übte, nähme diese Generation der 1990er, ganz im Einklang mit ihrem Zeitalter der »Krise«, eher die »armen« und experimentellen Formensprachen der 1970er Jahre mit Vorgängern wie Gordon Matta-Clark, Robert Smithson oder der »Junk Art« Paul Theks in den Blick. Statt der Visualität privilegierten sie den »Kontakt« und die »Taktilität«. 59 Dennoch stütze sich damit erstmals seit der Konzeptkunst der 1960er Jahre eine Gruppe von Künstlern in keiner Weise auf eine Reinterpretation einer ästhetischen Bewegung der Vergangenheit. Die Grundlage der menschlichen Beziehungen in diesen Werken sieht er, auch wenn sie sich a posteriori als modernistisches Thema darstelle, als kunsthistorisch einzigartig an. Bourriaud wendet sich hier schon gegen Erneuerungsbewegungen der Moderne. Aufrufe zu einer besseren Welt seien von gestern, die Utopie lebe sich heute im Alltag, in konkreten Experimenten. Das Kunstwerk öffne einen sozialen »Zwischenraum«, in dem neue Lebensweisen möglich erscheinen: »L’œuvre d’art se présente comme un interstice
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social à l’intérieur de laquelle ces expériences, ces nouvelles ›possibilités de vie‹ s’avèrent possibles: il semble plus urgent d’inventer au présent des relations possibles avec ses voisins que de faire chanter les lendemains.« 60 In seinem Katalogtext spielt Bourriaud die theoretischen Implikationen bei aller Kürze vollständig durch. Missverständnisse – er sagt nicht, welche – der Kunst der 1990er Jahre resultierten aus einem Mangel an theoretischem Diskurs, dem er seine Theorie entgegensetzt, mit der er die »drängendste Aufgabe des Kritikers« erfüllen will, das komplexe Spiel von Problemen einer Epoche zu erfassen.61 Er stellt daher die Formenfrage: Wie sind diese scheinbar ungreif baren künstlerischen Praktiken, seien sie prozessual oder verhaltensbasiert, zu dekodieren? Rirkrit Tiravanija, der bei einem Sammler ein Essen organisiere und diesem das Material zur Zubereitung einer Thai-Suppe überlasse; Philippe Parreno, der am 1. Mai Menschen einlade, auf einem Fabriklauf band ihren Lieblingshobbies nachzugehen (L’ établi, Mai 1995); Vanessa Beecroft, die in der Galerie Schipper & Krome in Köln zwanzig Frauen identisch mit roten Perücken ausstatte, die nur von der Tür aus angesehen werden können (November 1994); Maurizio Cattelan, der mit »Bel paese«-Käse Ratten füttere und diese als Multiples verkaufe; Christine Hill, die in einem Supermarkt als Kassiererin arbeite oder in der Galerie Eigen + Art in Berlin eine wöchentliche Gymnastik-Klasse anbiete (1994); Carsten Höller, der chemisch Moleküle des Gehirns im Zustand des Verliebtseins herstelle (Love, 1993) oder Buchfinken neue Laute beibringe; Pierre Huyghe, der Menschen zu Castings einlade oder unweit ihrer Baustelle Fotos von Arbeitern ausstelle? Bourriaud kommt auf den Begriff zurück, den er schon in Nizza 1991 entwickelte, und identifiziert für diese »Fahrzeuge« auf drei Ebenen ein typologisches Repertoir gemeinsamer Formen: Ästhetisch (Umsetzung), historisch (kunsthistorische Referenzspiele) und sozial. 62 Der Unterschied zur Konzeptkunst liege darin, dass keiner dieser Künstler die Immaterialität des Werkes privilegiere. Der Arbeitsprozess dominiere so nicht mehr die materielle Erscheinung des Werks: »En un mot: il n’existe plus de primat du processus du travail sur les modes de matérialisation de ce travail (à l’opposé du process art et de l’art conceptuel [...]). Dans les mondes que construisent ces artistes, les objets font au contraire partie intégrante du langage, tous deux fondant des relations à l’autre: d’une certaine manière, l’objet est tout aussi immatériel qu’un coup de fil; et une œuvre qui consiste en un dîner autour d’une soupe, aussi matérielle qu’une statue.« 63 Das Kunstwerk in diesem Sinne bilde auch nicht mehr den Wert seiner abstrakten Arbeit und das Bild des Warenwertes schlechthin im Marxschen Sinne ab. Vielmehr stellt es einen Sinn-Tausch dar, der von der vom Künstler hergestellten Beziehung abhänge, die man zum Werk eingehe: »Mais l’art d’aujourd’hui s’attache aussi à produire des situations d’échange, des espace-temps relationnels: il est la contre-marchandise.« 64
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Seine Überlegungen verbreitete Bourriaud in manifestähnlichen Essays weiter. Der Katalog der Venedig-Biennale 1997, in den Kurator Germano Celant auch Texte von Theoretikern und Wissenschaftlern aufnahm, enthält seine Definition der relationalen Ästhetik.65 In Documents sur l’Art publizierte er 1997–1998 das mit der bündigen Kurzdefinition der Theorie ebenfalls oben schon zitierte Begriffslexikon zu Themen und Schlagworten der relationalen Ästhetik.66 Dies bildet auch, um die letzten beiden Einträge gekürzt, das Glossar zur Esthétique relationnelle von 1998.67
POSTPRODUC TION UND SEMIONAU TEN: DIE AUSSTELLUNGEN »HARDCORE«, »GLOBAL NAVIGATION SYSTEM«, »LIVE« UND »PL AYLIST«, 2003 –2004 Unter Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans zeigte das Palais de Tokyo neben zentralen großen Gruppenausstellungen mit zumeist etwa viermonatiger Laufzeit zahlreiche kürzere Einzelausstellungen. Dazu kamen im Jahr 2006 zahlreiche eintägige Ausstellungsprojekte des Formats La Cabane des Pavillon. Unter Marc-Olivier Wahler ab Herbst 2006 setzten sich Nebenformate mit den Ausstellungen der beiden Les Modules – Fondation Pierre Bergé Yves Saint Laurent fort. Sie hatten jeden ersten Donnerstag des Monats eine Vernissage.68 Als Archiv der Einzel- und Gruppenausstellungen fungieren die Homepages des »ersten« Palais de Tokyo der Jahre 2002 bis 2006 und des »zweiten« unter Wahler von 2006 bis 2012. 69 Eine Übersicht der Ausstellungen findet sich vorliegend als Liste im Anhang. Stellvertretend für die Vielfalt der Einzelausstellungen können die im ersten Jahr 2002 gezeigten Künstler stehen: Navin Rawanchaikul, Melik Ohanian, Monica Bonvicini, Laurent Perbos, Franck David, Pascale Marthine Tayou, Joseph Havel, Tatiana Trouvé, Erwin Wurm, Wolfgang Tillmans, Kendell Geers, Laurent Moriceau, Hanayo, Boris Achour, Maria Marshall, Tobias Bernstrup, Ed Templeton, Tobias Rehberger, Rebecca Horn und Franck Scurti. Auch wenn Bourriaud und Sans zu zweit Direktoren sind, verbinden sich in der kuratorischen Praxis relationale Kunst und ihre Theorie derart, dass man fast sagen könnte, das Palais de Tokyo dieser Jahre ist die relationale Ästhetik. In der Geschichte dieses Ortes ist Bourriaud, in dessen Arbeit sich Theorie und kuratorische Praxis so stark bedingen, der erste Ausstellungsmacher, der die institutionelle Konzeption und die eigene theoretische Reflexion so aufeinander beziehen konnte. Dem sind allenfalls die museologischen Reflexionen Louis Hautecoeurs in den 1930er Jahren und sein Einfluss auf den Bau vergleichbar. Schon das Konzept von Bourriaud und Sans für einen belebten Ausstellungsort, dessen innere Dynamik einem Markt oder Basar ähneln soll, zeigt die Übereinstimmung mit den Prinzipien der relationalen Ästhetik. Zu Beginn der Esthétique relationnelle
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spricht Bourriaud Ausstellungen an, wie Traffic oder Les Ateliers du Paradise, eine Ausstellung, für die Pierre Joseph, Philippe Parreno und Philippe Perrin im August 1990 die Galerie Air de Paris in Nizza buchstäblich bezogen – Bourriaud spricht von »habiter«. Sie sind über ihre gesamte Dauer in Evolution und stellen damit ein »weiches Material« für die Arbeiten der Künstler dar und weisen dem Besucher die Aufgabe zu, die Ausstellung durch seine Interaktion mit Werken zu definieren. 70 Dass Bourriaud in diesem Zusammenhang vom »Bewohnen« einer Galerie spricht, korrespondiert grundlegend mit der »maison d’hôtes« aus dem Konzept des Palais de Tokyo von 1999, das er und Sans schaffen wollen, ein »Gasthaus«, das Relationen und Beziehungen in und zu einer Welt ermöglicht, in der diese zunehmend unmöglich werden. An den Beginn der Esthétique relationnelle stellt er den Einfluss der Globalisierung auf westliche Gesellschaften. Implizit nimmt er Rekurs auf die von Deleuze konstatierte disziplinierte Kommunikation in der Kontrollgesellschaft, der er ein eigenens Konzept der »société des figurants«, eine Gesellschaft der Statisten, der Stellvertreter, beiordnet. Er bleibt dem Bewegungsbild des Werks als Vehikel treu und nimmt Verkehr dort wieder auf mit dem Begriff der »Datenautobahnen«, die alle Räume menschlicher Beziehungen vereinheitlichen. Alles nicht Kommerzialisierbare werde verschwinden. 71 Die richtungslenkenden »Autobahnen« dienten als Beispiel in Gilles Deleuzes Vorlesung im Palais 1987 über die Kontrollgesellschaft, in der Kunstwerke als soziale Experimentierformen Widerstand gegen Verhaltensuniformierung leisten könnten. Bourriaud sieht dies genauso: Sie versuchten, Passagen zwischen Räumen zu öffnen. Die wichtigste Frage mit der Globalisierung sei, ob in der Kunstgeschichte, die traditionell der Repräsentation von Beziehungen zur Welt vorbehalten sei, noch die Produktion echter solcher Beziehungen möglich ist: »C’est là que se situe la problématique la plus brûlante […]: est-il encore possible de générer des rapports au monde, dans un champ pratique – l’histoire de l’art – traditionnellement dévolu à leur ›représentation‹? [...] la pratique artistique apparaît aujourd’hui comme un riche terrain d’expérimentations sociales, comme un espace en partie préservé de l’uniformisation des comportements.«72 Dies impliziert wohl auch, ob noch Kunstgeschichte möglich ist. Bourriaud beansprucht für relationale Kunst einen historischen Stellenwert. Seine »Ästhetik« positioniert ihn auch selbst als Theoretiker in der Kunstgeschichte, der »Beziehungen zur Welt« »generiert«.
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HARDCORE (2003): POSTPRODUCTION STATT POLITISCHER AGITATION Die Frage des Widerstandes steht damit am Beginn der Esthétique relationnelle. Im Buch folgen verschiedene Abschnitte, die zunächst das Problem der »Form« relationaler Kunstwerke thematisieren, danach die Kunst der 1990er Jahre und ihre mögliche Typologie, gefolgt von einer Reflexion der Ausstellung als »Zwischenraum« in der Ökonomie, Abschnitten über das theoretische Erbe des 1996 an den Folgen von Aids verstorbenen Künstlers Felix Gonzalez-Torres, das Verhältnis zu Bildschirmen und Technologie sowie einer theoretischen Lektüre Félix Guattaris für ein »ästhetisches Paradigma« der relationalen Kunst. Der Aspekt des Widerstandes bleibt jedoch zentral, da sich mit ihm die Frage stellt, ob relationaler Kunst politische Wirkung zugesprochen werden kann oder verwehrt bleibt. Sie ist damit auch von Bedeutung für die erste große Gruppenausstellung im Palais de Tokyo, die Jérôme Sans kuratierte. Hardcore – vers un nouvel activisme / towards a new activism zeigte vom 27. Februar bis 18. Mai 2003 Künstler, die sich mit der Frage von Radikalität und Gewalt auseinandersetzten. 73 Gianni Motti etwa lud zur Vernissage die kurdische Gemeinde von Paris zu einer Kundgebung ihrer Forderungen ein (Abb. 105). Das Inhaltsverzeichnis des Katalogs zeigt zu den Künstlernamen ihre Fingerabdrücke und etabliert so ein erstes Bild des gegen die Mehrheitsgesellschaft gerichteten Widerständlers, der von den Exekutivorganen gesucht wird. Es bezeugt zugleich wie Künstler als »isolierte Aktivisten« keine Bewegung mehr formieren, wie Sans in der Einleitung schreibt. Mit dem Begriff »Hardcore« bezeichnet Sans die Art, wie Künstler Realität infiltrieren, besetzen und eine »rohe« Wahrheit über die Welt zutage fördern: »Le terme ›Hardcore‹ s’applique à la façon dont les artistes présentés dans l’exposition infiltrent la réalité, occupent d’une certaine manière le terrain de l’actualité et renvoient l’expression d’une vérité crue [...] avec la virulence d’un propos verbal et visuel qui démasque et fustige les initiatives sociales et politiques démagogues.«74 In der Pornografie bezeichnet dieser Begriff die explizite Darstellung sexueller Handlungen. Hier bezeichnet er demnach ein ungefiltertes Bild der Wirklichkeit, das »demagogische« soziale und politische Initiativen entlarven soll. Die Künstler der Ausstellung sieht Sans als Erben der Protestbewegungen der 1960er und 1970er Jahre, deren Denken sie aber überwunden hätten. Nach dem »Fall der Ideologien« gäbe es nur noch Einzelkämpfer, keine Bewegung: »Ce sont autant de stratégies individuelles, de ›groupuscules‹ contestataires qui repositionnent un des versants de l’art comme un levier de transgression, pour brouiller les cartes et les déviances du système.«75 Das gemeinsame Kennzeichen der Künstler sieht Jérôme Sans darin, dass Kunst für sie nicht mehr auf Kontemplation ziele, sondern ein realer Fakt sein soll, der eine mediale, soziale oder politische Lücke fülle.76 Er meint Arbeiten wie die des Politologen Jota Castro, der Formen der politischen Meinungsbildung wie Wahlen, Partisanentum und
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105 Gianni Motti: Libérez Öcalan, Eröffnung der Ausstellung Hardcore – vers un nouvel activisme / towards a new activism, Palais de Tokyo 2003
Slogans aufgreift; der mexikanischen Künstlerin und kapitalismuskritischen Sozialaktivistin Minerva Cuevas (Abb. 106); des Franzosen Alain Declercq, der in Performances und Interventionen auf die Dysfunktionalität gesellschaftlicher Autorität aufmerksam macht; des Südafrikaners Kendell Geers, der sich mit Material wie Stacheldraht, Schlagstöcken, Bruchglas oder Scheinwerfern mit Apartheid, Polizeigewalt und dem Überwachungsstaat auseinandersetzt; von Johan Grimonprez, der sich in Magazinen wie Inflight (2000) und dem Film Dial H-I-S-T-O-R-Y (1997) über die Geschichte von Flugzeugentführungen mit Hacktivism, Terrorismus und Katastrophenkultur auseinandersetzt; oder von Santiago Sierra, der die globale wirtschaftliche Ungerechtigkeit und geopolitische Machtsysteme thematisiert und bekannt ist für Aktionen wie die 1999 in Havanna realisierte 250cm line tattooed on six paid people. Im Katalog erläutert der italienische Kunsthistoriker Roberto Pinto Radikalität und politische Aktion in der Kunstgeschichte.77 Am Ende seines geschichtlichen Überblicks stellt er die berechtigte Frage, warum sich Galerien und Museen, die im Zentrum der Kulturpolitik und damit der Wirtschaft stehen, für solche Kunstformen interessieren, die gerade diese Macht bekämpfen; er mutmaßt, es könne Katastrophenlust, eine Tendenz des Kunstmarktes sein oder letztlich ein allgemeines küntlerisches Infragestellen der Welt – er gibt bewusst keine Antwort.78
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106 Minerva Cuevas: Del Montte, 2003, Ausstellungsansicht Hardcore – vers un nouvel activisme / towards a new activism, Palais de Tokyo 2003
Damit enthält der Katalog von Hardcore auch die Kernfrage an relationale Werke: Die ihrer politischen Bedeutung in einem institutionellen Ausstellungskontext. Die Werke dieser aktivistischen Künstler fallen unter das, was Nicolas Bourriaud als die prozessualen oder verhaltensbasierten Produktionen der relationalen Kunst definiert. Schon dass die Ausstellung hier auf eine historische Einordnung im Katalog angewiesen ist, zeigt die Problematik ihrer eigenständigen Wirkung. Hardcore fragt nach dem Erbe der politischen Bewegung der 1960er Jahre und deckt damit die politische Facette einer Entwicklung ab, die Bourriauds formales Hauptargument der relationalen Ästhetik ist: Die Konzeptkunst der 1960er Jahre sei von neuen Standards künstlerischer Produktion abgelöst. 79 Eines der Eingangsbeispiele Bourriauds ist die Arbeit Smashed parking ground von Jes Brinch und Henrik Plenge Jacobsen, die dafür 1994 auf einem Platz in Kopenhagen einen Bus auf die Seite legten und beschädigte Autos so darum arrangierten, dass sie wie das Ergebnis gewalttätiger Ausschreitungen aussahen. 80 Plenge Jakobsen stellte auch in Hardcore aus, mit Arbeiten, die Angst als sozialen Faktor thematisieren. »Postproduction« bezeichnet eine Nachbearbeitung im Film- und Musikbereich. Das Buch selben Titels sieht Bourriaud als Fortführung von Esthétique relationnelle an, das
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auf die Sensibilität fürs Kollektive konzentriert war. 81 Mit einem Fokus auf Produktionsmodi liefert Bourriaud hier den theoretischen Hintergrund zu einer Ausstellung wie Hardcore, indem er Ambitionen, Methoden und Postulate einer neuen Generation jenen ihrer Vorgänger gegenüberstellt, besonders der institutionellen Kritik Daniel Burens, Dan Grahams, Michael Ashers, Hans Haackes oder Gordon Matta-Clarks. Wie diese wollten sie unsichtbare ideologische Strukturen sichtbar machen und Repräsentationssysteme dekonstruieren. Anders als für die sozialkritischen Künstler der 1960er Jahre sei der Ausstellungsort heute aber kein Medium mehr, sondern nur ein Ort der Kodifizierung von Relationen unter vielen: »Tandis que le lieu d’exposition constituait un médium en soi pour les artistes conceptuels, il est aujourd’hui devenu un lieu de production parmi d’autres. Il s’agit désormais moins d’analyser ou de critiquer cet espace, que d’en situer la position à l’intérieur de systèmes de productions plus vastes, avec lesquels il s’agit d’établir et de codifier des relations. [...] Le centre d’art ou la galerie sont des cas particuliers, mais font partie intégrante d’un ensemble plus vaste: la place publique.« 82 Nach der Motivation zur Soziabilität untersucht Bourriaud in Postproduction neue künstlerische Produktionsnormen, die sich auf Formen der Wissensaneignung im Netzwerkzeitalter konzentrieren. 83 Dazu entwirft er mit Beispielen eine Typologie künstlerischer Strategien. 84 Alle bezögen sich auf schon existente Formen; diese Künstler würden damit zu »Semionauten«, die ihre Kunstwerke in ein Netzwerk von Zeichen und Bedeutungen stellen, statt sie als autonome Formen zu begreifen. Wie der DJ im Sampling und der Surfer im Web produzieren sie einen Parcours von Zeichen als »sémionautes qui produisent avant tout des parcours originaux parmi les signes«. 85 Damit lässt sich auch das Postulat von Hardcore erfassen, wonach neue künstlerische Aktivismen nach dem »Fall« einheitsstiftender Ideologien individuelle Strategien statt Bewegungen ausbilden. Denn Bourriaud sieht den »Mix« bestehender Formen als »moralische Haltung«, die »experimentiere«, statt kritisch zu kommentieren: »Tel que ces artistes le pratiquent, le mix est une attitude, une posture morale, davantage qu’une recette. La postproduction du travail permet à l’artiste d’échapper à la posture d’interprétation. Au lieu de se livrer à un commentaire critique, il faut expérimenter.« 86
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LIVE (2004) UND GLOBAL NAVIGATION SYSTEM (2003): KÜNSTLER AL S SEMIONAUTEN Mehr noch als zu Hardcore liefert Nicolas Bourriauds Postproduction den theoretischen Überbau zu der zweiten großen Ausstellung von Jérôme Sans, Live vom 14. Mai bis 27. Juni 2004. Live erkundete das Verhältnis von zeitgenössischer Kunst und experimenteller Musik in einer Serie von 14 Etappen über 45 Tage, mit Videoclips, Konzerten, Performances, DJ Sets, Fotografien, Installationen und Wandbildern (Abb. 107–108). Vor dem historischen Hintergrund früher experimenteller Sound-Arbeiten, der Verbindung von Kunst und Musik in Warhols Factory, der Künstler-Musiker der 1970er (wie Robert Longo, Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Steven Parrino, Mike Kelley, Jim Shaw oder Tony Oursler) und der Bedeutung von Kunsthochschulen, die Musiker hervorbrachten (Bowie, Eric Clapton, Keith Richards) sowie Musikvideos von Künstlern (Damien Hirst für Pulp, Doug Aitken für Fatboy Slim) thematisiert Sans eine neue internationale Generation von Künstlern, für die Musik künstlerisches Material und Ausdrucksmittel ist, und ein allgemein wieder erstarktes Interesse an Live-Auftritten. 87 Zu den eingeladenen Künstlern gehörten als Musiker bekanntere Künstler wie Chicks on Speed oder Aphex Twin, aber auch solche, die für Musik wie Ausstellungstätigkeiten gleichermaßen bekannt sind wie Martin Creed oder Gerwald Rockenschaub. 88 Das kuratorische Interesse gilt weniger »Tonexperimenten« als der Arbeit mit dem Erlebnis. DJ-Sets wie Rockenschaubs, aber auch die Arbeit von Chicks on Speed zeigen eine Nähe von Kunst und Musik, mit der Bourriaud seine Theorie des Samplings und DJ-ings in der zeitgenössischen Kunst begründet; die Live-Mitwirkenden Alexander Györfi und Daniel Pflumm greift er selbst in Postproduction auf. 89 »Deejaying et art contemporain: les figures sont similaires. [...] On peut produire une œuvre musicale sans savoir jouer une seule note de musique, en se servant de disques existants [...] Le producteur n’est pour le producteur suivant qu’un simple émetteur, et tout artiste écoule désormais dans un réseau de formes contiguës qui s’emboîtent à l’infini.« 90 Die Künstlermusiker in Live sind nicht weniger Semionauten im Sinne der relationalen Postproduktion als bildende Künstler, deren Werke formal der DJ- und Videokultur vergleichbar sind. Alle diese Konzeptionen verbindet ein Verständnis des Künstlers als Zeichennavigator, der in einer globalisierten Welt der überbordenden Kommunikationskanäle Wege aufzeigt, die den Betrachter oder Teilnehmer zu Bedeutungszusammenhängen führen. Es bildet die Brücke zwischen der Theorie der sozialen relationalen Ästhetik und der Theorie der postproduktiven Form des Kunstwerks. Die erste produziert Bezugnahmen auf die Welt und mögliche Utopien, die zweite neue mögliche »Szenarios«. 91 Im Verkehrsbild mobiler Bewegung, das allen Schriften Bourriauds zu eignen scheint, steuern die Künstler als Semionauten ihre Kunstwerke als Metaphern-Vehikel. Das System der Erfassung des Kunstwerks als Vehikel im sozialen Kontext hat sich vom Boliden auf dem Rundkurs in Nizza 1991 weiterentwickelt zum Verkehr in Traffic 1996,
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107 Blick in die Ausstellung Live, Palais de Tokyo 2004
108 Blick in die Ausstellung Live, Palais de Tokyo 2004
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109 Marjetica Potrcˇ: Caracas: Growing House, 2003, Baumaterialien und Vorrichtungen für Energieversorgung, Ausstellungsansicht GNS Global Navigation System, Palais de Tokyo 2003
in den die Künstler eingreifen um neue Wege abseits vorgeschriebener Autobahnen zu erschließen, und wird zur Navigationskarte des Semionauten in der Kulturgeschichte und Welt. Das Recycling von Tönen, Bildern und Formen aus der Kulturgeschichte sei eine Navigation, die letztendlich selbst zum Inhalt des Kunstwerks werde. 92 Genau diese Definition erhebt Nicolas Bourriaud konsequenterweise zum Prinzip seiner Gruppenausstellung im Palais de Tokyo, GNS Global Navigation System vom 5. Juni bis 7. September 2003 (Abb. 109). GNS zeigt Werke, die eine Repräsentation der Realität und der Welt nicht auf dem Weg des Dokumentarischen suchen, der Arbeitsweise, die Bourriaud in den frühen 2000er Jahren als die vorherrschende ansieht. 93 Am Dokumentarischen beklagt er einen Verlust von Vertrauen in die Fähigkeit, mit den Mitteln der Kunst menschliche Beziehungen zur Welt auszudrücken. Das Aktualitäts-Paradigma falle in der Kunstwelt auf fruchtbaren Boden, die mit Mode, Film und Fernsehen um öffentliche Aufmerksamkeit konkurriere und sei eine kaum verhohlene Kritik am Modernismus: »Synonyme de cette perte de confiance envers les modes de pensée propres de l’art, le recours au ›réalisme médiatique‹ ou ›réalisme CNN‹ comme forme privi-
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légiée de l’art dissimule mal une critique larvée du modernisme et de son histoire, quand il ne s’agit pas de sa négation pure et simple.« 94 Das »authentische Dokument« versuche, sich als Alternative zu den Formen zu etablieren, die aus der modernen Kunst hervorgegangen seien. Bourriaud grenzt seine Betrachtung aber klar ab vom Formalismus eines Clement Greenberg, den er zu Recht mit Benjamin Buchlohs Begriff des »conservative formalism« identifiziert sieht. Zwar sei auch das dokumentarische Video eine Reaktion auf konservativen Formalismus, aber auf falsche Weise »postmodern«, denn ein »CNN-Realismus« führe nicht die Moderne fort indem das Paradigma der Avantgarde hinterfragt werde. Dem stellt er die Idee der modernen Malerei entgegen, dass künstlerische Formen aus sich selbst heraus Bedeutungen produzieren können. 95 Er zielt auf Werke, die sich neuer medialer Formate bedienen und zugleich die Prinzipien der modernen Kunst aktualisieren, »[...] s’inscrire dans un champ de pratiques et dans celui des modes de productions contemporains, développer une pensée critique qui dépasse le niveau des bonnes intentions, travailler la forme (qui se lit) plutôt que le signe (qui se décode)«. 96 GNS stellt damit die Frage, wie die Darstellung der Welt zeitgenössisch gelingen kann, ohne dass die beiden modernen Traditionslinien des Ready-made und der Abstraktion durch figurative Darstellung verdrängt werden. Vielmehr ergänzten sich die Techniken heute, man solle nicht meinen, zwischen Abstraktion und Fotografie, Video und malerischer Figuration wählen zu müssen. 97 Damit will Bourriaud Künstler zeigen, die neue »topografische Instrumente« entwickeln wie Wim Delvoye, Mark Lombardi, Julie Mehretu, Franz Ackermann, Dominique Gonzalez-Foerster, Henrik Olesen, oder Ocean Earth, die 1980 in New York von Peter Fend gegründete Agentur, die schon an der Ausstellung Hardcore beteiligt war. 98 Marjetica Potrč untersucht Architekturen informell gewachsener städtischer Strukturen. Mark Lombardi (1959–2000) stellt in seinen Zeichnungen von Diagrammen und Strukturen Ergebnisse investigativer Recherchen über die globalen Verstrickungen von Konzernen, Unternehmen, Privatpersonen, Terrororganisationen und kriminellen Vereinigungen dar. Henrik Olesen zeigt in der Arbeit Lack of Information (2001) mit 240 Fotografien mit Texten die juristische Benachteiligung oder strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen in den Ländern der Welt. Die Schwedin Aleksandra Mir schlug ein stärker topografisches Projekt vor, indem sie im Palais de Tokyo einen Plan von Tokyo, wo westliche Besucher sich aufgrund der fehlenden Straßennahmen oft nicht zurecht finden, installierte, um allen Straßen Bezeichnungen aus der Kultur der westlichen Welt zu geben, die sie aus Vorschlägen sammelte und auf verschiedene Weisen in Gebrauch bringen wollte. Für Bourriaud zeigen diese Arbeitsweisen, dass sich die Welt nach dem »Ende der großen Erzählungen« von Kommunismus, Avantgarde und Fortschrittsglaube als Katalog potentieller Narrationen darstelle, aus dem sich neue Szenarios entwickeln lassen. 99 Proportional zur Nichtdarstellbarkeit der Welt nehme die Bedeutung von Investigation, Untersuchung und Expedition zu. Wissen werde zum Material dieser Künstler einer
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Topokritik: »C’est le savoir, en tant que matériau, qui fonde la pratique de ces artistes topocritiques qui explorent les sédimentations sociales ou les archives cachées. Outre [...] la géopolitique et la métaphysique, l’essentiel de cette topocritique contemporaine concerne les conditions sociales, économiques ou politiques des contextes dans lesquels nous vivons.«100 Im Navigationssystem der Kunst sieht er auch eine Möglichkeit für Widerstand gegen die televisuelle Verflachung und Überwachung und für eine »démocratie des points de vue« gegen eine Monotonie der Information.101 Sowohl in Hardcore wie GNS blieb die Präsentation und Hängung aber »klassisch«. Die Präsentation deutet auf eine Entwicklung von der »Baustelle« zu einem institutionellen Ausstellungsraum. Der daraus folgende Widerspruch zu sozialkritischen Arbeiten wurde von beteiligten Künstlern thematisiert und führte, im Fall der Künstlergruppe Syndicat potentiel, sogar zur öffentlich begründeten Ablehnung der Teilnahme.102
PL AYLIST (2004): DIE POSTPRODUKTION DER SEMIONAUTEN Während Bourriaud in GNS Werke noch stärker im Sinne der Esthétique relationnelle als eine »topokritische« Erfassung narrativer Bezüge zur Welt fasst, wird der Semionaut in seiner folgenden Gruppenausstellung zum eigentlichen Thema. Dies entspricht der in Postproduction analysierten Entwicklung als »navigation qui finit par devenir le sujet même de la pratique artistique«.103 Playlist zeigte vom 12. Februar bis 25. April 2004 Künstler als Seismografen einer untergegangenen Moderne und Navigatoren in neuen Wissensstrukturen des 21. Jahrhunderts: »Le réseau Internet, où repose la quasi-totalité des savoirs disponibles, suggère une méthode (la navigation raisonnée, intuitive ou aléatoire) et fournit la métaphore absolue de l’état de la culture mondiale [...]. Un principe, une méthode, semblent se dégager: cette capacité de navigation dans le savoir est en passe de devenir la faculté dominante pour l’intellectuel ou l’artiste.«104 Das Internet allen verfügbaren Wissens wird absolute Metapher einer Welt, zu der Künstler nun Roadmaps liefern. Navigationsfähigkeit wird ihre wichtigste Fertigkeit. Playlist steht in der Linie der Thematisierung des künstlerischen Umgangs mit Wissen von GNS, ist aber eine Ausstellung zum Konzept des Semionauten (Abb. 110–111). Einige der Künstler in der Ausstellung, wie Angela Bulloch und John Armleder werden auch in Postproduction ausführlich besprochen, wo jedoch die Künstler aus GNS wie Pierre Joseph, Jakob Kolding, Matthieu Laurette, Dominique Gonzalez-Foerster oder Pierre Huyghe stärker im Vordergrund stehen.105 Bourriaud selbst schreibt, Playlist sei gewissermaßen die Ausstellung zum »Libretto« des Essays Postproduction.106 Im Fokus
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110 Blick in die Ausstellung Playlist, Palais de Tokyo 2004
111 Blick in die Ausstellung Playlist, Palais de Tokyo 2004
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112 Thomas Hirschhorn: 24h Foucault, Palais de Tokyo 2004, temporäre Ausstellung, Installation, Festival und Happening mit stündlichem Wechsel von Autoren und Philosophen anlässlich der zwanzigsten Jährung von Michel Foucaults Tod
steht die künstlerische Methode, Formen durch das Sammeln von Informationen zu produzieren. Er thematisiert den Künstler als Navigator, der sich auf Universen von Formen oder Fantasien bezieht, und schreibt der Kunst die Funktion einer Orientierungshilfe in der digitalisierten Welt zu.107 Das Konzept ist weit gefasst und meint einen Zugriff auf globalisierte Welt durch die Benutzung kulturellen Materials: »L’usage du monde, à travers l’usage des œuvres du passé et de la production culturelle en général, tel pourrait être encore le schéma directeur des travaux présentés dans cette exposition.«108 Schon No Man’s Time in Nizza 1991 enthielt »Playlists«, in denen die Beteiligten für sie wichtige Künstler und Musiker nannten. Die Ausstellung Playlist thematisiert das Prinzip als künstlerische Methode. In Postproduction vergleicht Bourriaud sie mit der Playlist eines DJ, die aus Elementen eines persönlichen Parcours durch die Musik ein eigenes Werk schafft, das sich durch Struktur und Atmosphäre auszeichnet.109 Das Schema ist auch geeignet, das erfolgreiche und innovative Programm von Bourriaud und Sans in den Jahren 2002 bis 2006 und ihre großen kuratorischen Arbeiten zu beschreiben: Sie schaffen einen Ausstellungsort, indem sie sich auf alle möglichen Formen der kulturellen Produktion aus Kunst, Musik, Architektur, Design, Mode, Video und Games beziehen, und zugleich auf die Kunstgeschichte und die Moderne. Prinzipien der modernen Avantgarden dienen zur Standortbestimmung der Kunst der Gegenwart.
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Wie die Künstler in Playlist, GNS, Hardcore und Live, zeigen die Kuratoren des Palais de Tokyo ab 2002 eine zeitgenössische kulturelle Produktion, die in der globalisierten Welt des Informations- und Internetzeitalters neue Wege und Wissenstopografien liefert, die Erfahrung des Augenblicks der Teilhabe an einem kulturellen Erlebnis betont und immer wieder die sozialen Belange der Globalisierung und der neuen Formen des Zusammenlebens und der Überwachung in der vernetzten Welt thematisiert (Abb. 112).
NACHLEBEN DER MODERNE UND ALTERMODERNITÄT: IMPLIZITE Ä STHETISCHE THEORIE 2006 –2011 Schon früh zeichnete sich eine Institutionalisierung des Palais de Tokyo als Herausforderung ab, die allen öffentlichen Unkenrufen, die sich in der Anfangszeit am Erscheinungsbild der »Baustelle« oder »Squats« störten, widerspricht.110 Schon aus finanziellen Gründen hätte wenig dem Zufall überlassen werden können. Gleichwohl konnte dieser Eindruck entstehen. In einer frühen Analyse wies Jérôme Glicenstein auf einen Widerspruch hin zwischen dem Konzept des Palais de Tokyo als ständig belebtem Zentrum und Absperrbändern, Bodenmarkierungen und Hinweisen, Werke nicht zu berühren.111 Institutionalisierung und museale Präsentation führten zwangsläufig auch zu möglichen inhaltlichen Widersprüchen, etwa wenn Bourriaud sich in GNS gegen einen Formalismus in der Tradition Greenbergs wendet und zugleich ein neues Verständnis von Formalismus und Abstraktion sucht, was wiederum dem sozialen Aktivismus mancher ausgestellten Künstler zuwiderläuft.112 Im Palais fanden stets zahlreiche Projekte gleichzeitig statt. Kunstwerke selbst, besonders Installationen, erschufen ein partizipatorisches, sich ständig wandelndes experimentelles Ausstellungshaus in Einklang mit der relationalen Ästhetik. Tatsächlich wurde von Seiten der Pariser Künstler-Hausbesetzerszene der Vorwurf erhoben, ihre Arbeitsweisen zu klauen und viel Geld für die Institutionalisierung eines Formats auszugeben, während zeitgleich Künstler aus besetzten Häusern vertrieben wurden und Ateliers in Paris kaum zu finden waren. Aus dieser Kritik entsprang im Herbst 2002 eine Zusammenarbeit mit dem Kollektiv Interface für ein erstes Festival Arts et Squats im Palais, das die Geschichte der Pariser Hausbesetzungen thematisierte und zu ihrem Besuch einlud.113 Dass bei konservativen Kritikern ein Eindruck der »Squats« entstehen konnte, verweist damit letztlich schon auf das zentrale Problem der relationalen Ästhetik: Die Frage, ob solche Werke im musealen oder institutionellen Umfeld überhaupt sozial wirken können, oder dort nur formal beurteilt werden, womit ihr ästhetischer Gehalt überwiegt und sie der sozialen Bedeutung enthebt. Die großen zentralen Gruppenausstellungen machen das Konzept der relationalen Ästhetik und der Postproduktion bekannter, stehen als Leuchttürme aber auch über dem experimentellen übrigen Programm.
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Unter Marc-Olivier Wahler, der das Palais de Tokyo von 2006 bis 2011 leitete, setzte sich der Prozess einer Institutionalisierung fort. Am deutlichsten wird dies in der Programmstruktur, die in der Katalogproduktion gespiegelt wird. Ausstellungen wurden unter übergeordneten »Programmen« der Saisons gezeigt. Die zentralen Publikationen sind statt Katalogen fünf Bände, die unter dem Titel Du Yodel à la physique quantique von 2008 bis 2011 erschienen und das vollständige Programm erfassen.114 Die Form eines Lexikons aller Ausstellungen, Projekte, Themen und verhandelter Diskurse mit Querverweisen ist eine intelligente Fortführung einer Publikationspolitik, die sich von herkömmlichen Katalogen abhebt, und setzt sich zugleich von den Vorgängern ab. Der Titel beschreibt Kulturevolution von lautähnlichem traditionellem folkloristischem Gesang hin zum höchsten Produkt geistiger Arbeit und intellektueller Vorstellungskraft in der Erfassung der Welt, der Quantenphysik. So heißt es zum »Yodel«: »Brouillant tous les codes, le yodel s’affirme comme une performance physique particulièrement forte: s’y mêlent d’ailleurs souvent des cris d’animaux, l’appel du coucou, le jappement du coyote, le mugissement de la vache, révélant in fine la part joyeusement bestiale de l’être humain.«115 Auch die Typografie und der grafische Auftritt des Palais wurden verändert. Statt der Schrift Tokyo Palace von M/M wurde eine serifenlose, breite Schrift gewählt, die einheitlich in Schwarz verwendet wurde, wobei Titel und Überschriften durchgehend in Großbuchtsaben erscheinen. Damit ergibt sich ein übersichtlicherer und zugleich weniger experimenteller Eindruck als unter Bourriaud und Sans. Unter dem Theoretiker Bourriaud spiegelte das Palais de Tokyo dessen ästhetischen Entwurf wieder. Nun passen das lexikalische Gerüst und die Struktur übergeordneter Programme zu MarcOlivier Wahlers Veständnis der Rolle des Kurators und Direktors, dessen Aufgabe er darin sieht, die bestmöglichen Strukturen zu schaffen, so dass die Qualitäten des Ausstellungsortes und der Werke am besten zur Geltung kommen.116 Wahler sieht es zum Nachteil von Ausstellungen, dass sich in den 1980er und 1990er Jahren unter dem Einfluss von Messen, Auktionen und Biennalen ihr Eventcharakter verstärkte. Vielmehr könne das Kunstzentrum als Laboratorium einer Reflexion über die Ausstellung als Mittel zur Wissensaneignung dienen.117 Dementsprechend wurden Gruppen- und parallele Einzelausstellungen und die beiden Module unter Programmthemen konzipiert.118 Die Ausstellung sollte kein zeitlich fixiertes Event sein, sondern Prolog eines evolutiven Programms.119 Das erste Programm war Cinq Milliards d’Années vom 14. September 2006 bis 14. Januar 2007. Der Titel bezieht sich auf die Zeit, die seit der beschleunigten Ausdehnung des Universums unter dem Einfluss der dunklen Energie vergangen ist.120 Für Wahler war dieses erste Programm mit den Gruppenausstellungen 5’000’000’000 d’années (Abb. 113) und Une Seconde, Une Année ein Experiment über die »Elastizität« einer in Ausdehnung begriffenenen Kunstwelt, wobei die zweite das Zeitempfinden der Besucher auf die Probe stellte mit Werken, die großteils zu einem bestimmten – meist unbe-
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113 Blick in die Ausstellung 5’000’000’000 d’années, Palais de Tokyo 2006–2007
kannten – Zeitpunkt eine Aktion vollzogen, wie etwa im Falle der bekannten Arbeit von Alighiero e Boetti aus einer Schachtel mit einer Glühbirne, die nur einmal jährlich aufleuchtet.121 Die kuratorische Anordnung, die von alltäglicheren Dingen zu abstrakteren Werken führte, sah er als Experiment über die Elastizität der Wirklichkeit. Dieses setzte er mit dem Folgeprogramm M. Nouvelles Du Monde R enversé fort, das Bezug nimmt auf die physikalische Designation von Antimaterie. Es zeigte Künstler, in deren Werken Realität zwar präsent, aber durch unbekannte Kräfte verändert sei, wie Tatiana Trouvé, Michel Blazy, Dewar & Gicquel, Peter Coffin, Joe Coleman und David Noonan.122 Im Sommer 2007 folgte das Programm La Marque Noir, das rund um das Werk des 2005 verstorbenen Steven Parrino konzipiert wurde. Im August und September 2007 wurde im Château de Vassivière erstmals das Format Château de Tokyo ausgerichtet, das verschiedene Werke aus den drei Phasen der ersten Saison versammelte. Solche Formate außer Haus wurden fortgesetzt, etwa 2008 mit Château de Tokyo in Fontainebleau, wo zur Ausstellung im Schloss auch eine Summer University ausgerichtet wurde, und dem Format Chalet de Tokyo, das Ausstellungsprojekte im Ausland entwickeln sollte und im Sommer 2008 im UFO Museum and Research Center in Roswell, New Mexico, ausstellte.123 Zum Saisonprogramm kamen die beiden parallel bespielten Module. Mitunter wird das Format als Modules hors-les-murs auf andere Bereiche des Palais wie die Eingangshalle oder die seinerzeit noch brach liegenden unteren Flächen ausgedehnt.
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PROGRAMME STATT AUSSTELLUNGEN Marc-Olivier Wahler strukturierte das Ausstellungsjahr im Palais de Tokyo in »Saisons« oder »Sessions« mit solchen Titeln, die ein Programm aus Einzel- und Gruppenausstellungen, Modulen, Spezialprojekten und Rahmenveranstaltungen umfassten. Die Themen scheinen Impulse für Denk- und Rezeptionsrichtungen zu geben, da sie assoziative Bedeutungszusammenhänge entstehen lassen. Während die Themen unter Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans dem Feld menschlicher Interaktion in der kulturellen Produktion entstammen, beziehen sich Wahlers stärker auf Bilder von Strukturen der Kultur und der Naturwissenschaft. 2008 zeigte Loris Gréaud das Programm C ellar Door , das in drei Akten die Herstellung eines ständig neu erfundenen Künstlerateliers thematisierte.124 Im Jahr 2008 inspirierte das Stadion Superdome in New Orleans, das zahlreichen SuperBowls, einem Papstbesuch, Konzerten und der Unterbringung von Opfern des Hurricans Katrina diente, zum Programm Superdome mit fünf Einzelausstellungen, die die Erprobung der »Elastizität des Kunstwerks« fortsetzten. Spektakuläre Installationen waren etwa Christoph Büchels Müllhalde Dump mit einem hindurchführenden Rohr (Abb. 114) oder Daniel Firmans Elefant, der auf seinem Rüssel steht, Würsa (à 18.000 Km de la terre) (Abb. 115), oder die Ausstellung Last Manoeuvres in the Dark von Fabien Giraud und Raphaël Siboni, für die in Anlehnung an die chinesische Terrakotta-Armee 300 schwarze emaillierte Terrakotta-Repliken der Maske von Darth Vader aus Star Wars per Ethernet mit einem Server verbunden wurden, der versuchte synthetisch den »absolut dunklen Hit« zu kalkulieren und durch sie abzuspielen.125 Die Programme verfolgten immer weiter Grenzen der Kunst und Wahrnehmung: »Que se passe-t-il lorsqu’on questionne les limites du visible? On sort de spectres lumineux, on tombe d’un côté ou de l’autre du spectre électromagnétique, dans les infrabasses, les ultrasons, les ultraviolets, dans un domaine qui échappe au visible.«126 2009 folgte das Programm Gakona . Inspiriert von den Arbeiten Nikola Teslas bezieht es sich auf den Namen eines Ortes in Alaska, an dem das amerikanische Militär angeblich Experimente zur Ionosphäre durchführt. Installationen wie Roman Signers Parapluie (2009) (Abb. 116), die einen elektrischen Lichtbogen zwischen zwei Regenschirmen schlug, oder von Micol Assaël, der sich in seiner Arbeit Chizhevsky Lessons (2007) auf den russischen Forscher Alexander Chizhevsky bezog, der zum Einfluss der ionischen Ladung der Luft und der Sonne auf den Menschen arbeitete, und den Besucher die Kraft von mehreren zehntausend Volt in elektromagnetischen Strömen spüren und hören ließ, sind Beispiele der von Wahler angesprochenen Auflösung des Sichtbaren. Weiter in dieser Richtung griff Spy Numbers 2009 zunächst Radiowellen auf in einer Ausstellung rund um einen Turm, der in Zahlenreihen codierte Nachrichten aussandte.127 Der Titel bezieht sich auf Funkstationen unbekannter Herkunft, die auf Kurz-
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114 Christoph Büchel: Dump, 2008, Ausstellungsansicht Superdome , Palais de Tokyo 2008
wellen Zahlencodes aussenden und wahrscheinlich von Geheimdiensten genutzt werden. Das Programm mit Künstlern, die etwa von mathematischer Kodierung, Sensorik, Linsen und dem Verschwinden Gehängter fasziniert seien, liest sich wiederum sehr assoziativ und wie ein Code, den der Besucher selbst entziffern muss.128 Die Richtung wurde fortgeführt mit der Frage, was passiere, wenn der Mensch das elektromagnetische Feld verlässt. Formen von Verschwinden und Unsichtbarkeit wurden 2009–2010 thematisiert unter dem Saisontitel C hasing Napoleon. Ausgestellt wurden Werke, die Anleitungen dazu gaben, sich der Sichtbarkeit zu entziehen, so eine Reproduktion der Hütte des Unabombers in echtem Maßstab von Robert Kusmirowski, Unacabine (2008), Christoph Büchels Spider Hole (2006) nach dem Loch, in dem Saddam Hussein sich versteckte, und das Werk des Amerikaners Paul Laffoley, der überzeugt ist, 1961 bei einer Sitzung mit Elektroschocks die physikalische Welt verlassen und die fünfte Dimension betreten zu haben.129 P ergola war 2010 wiederum programmiert als Reflexion auf eine Moderne, die von dem, was sie unterdrückt, heimgesucht wird, wofür etwa Valentin Carron das »Universum eines schlechten Traumes« eines Museumswächters erschuf, Laith Al-Amiri ein Monument des Schuhs, den ein irakischer Journalist 2008 auf George W. Bush geworfen hatte, Serge Spitzer seine große Installation pneumatischer Rohre Bread and Butter with the ever present Question of How to define the difference between a Baguette and a Croissant (II) (Abb. 117) durch den ganzen Raum installierte und die minimalistischen
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115 Daniel Firman: Würsa à 18 000 km de la terre, 2006–2008, präparierter Elefant, 570 × 250 × 140 cm, Ausstellungsansicht Superdome , Palais de Tokyo 2008
Skulptur-Installationen der deutschen Charlotte Posenenske (1930–1985) in ihrer ersten französischen Retrospektive gezeigt wurden.130 2010 fand auch die große Gruppenausstellung D ynast y mit vierzig Künstlern statt, die als Kooperation des MAM Paris und des Palais de Tokyo in beiden Flügeln gezeigt wurde mit der monumentalen Installation Respublica von Nicolas Milhé auf dem Dach (Abb. 118). Hier präsentierte Laëtitia Badaut Haussmann ihre oben angesprochenen Installationen No One returns I & II, zur Unsichtbarkeit der historischen Vergangenheit des Ausstellungsortes (siehe Abbildungen 91–92). Wie sie nutzten Künstler hier auch schon das brache Untergeschoss und erlaubten einen Eindruck von der künftigen Größe, wie Florian Pugnaire und David Raffini mit der Installation In Fine – ein Schaufeltraktor, der seine zerstörerische Kraft gegen sich selbst richtet. Die kuratorische Strategie scheint sich auf einen Kurzschluß des hybriden Eindrucks aus Überbleibseln der Moderne, die in einer Archäologie der rezenten Vergangenheit zu entdecken wären, und der Zeit und Raum übergreifenden globalen Vernetzung in der Gegenwartskunst zu richten. Es folgten 2011 die vier Phasen des letzten Programms L’Odysées des E spaces, das wieder stärker Einzelpositionen zeigte.131 Zusätzlich erhielten in den Jahren 2007 bis 2011 eingeladene Künstler eine »Carte blanche«. So konzipierte Ugo Rondinone 2007–2008
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116 Roman Signer: Parapluies, 2009, Ausstellungsansicht Gakona , Palais de Tokyo 2009
117 Serge Spitzer: Re/Search: Bread and Butter with the ever present Question of How to define the difference between a Baguette and a Croissant, 1995–2010, Ausstellungsansicht P ergola , Palais de Tokyo 2010
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118 Nicolas Milhé: Respublica, 2009, Stahl, Aluminium, Kabel, Glühbirnen, 370 × 1240 × 150 cm, Ausstellungsansicht D y nast y, Palais de Tokyo & Musée d’Art moderne de la Ville de Paris/ARC 2010
das Programm The Third Mind, Jeremy Deller 2008–2009 D’Une R évolution à L’Autre, Adam McEwen 2010–2011 Fresh H ell und John M. Armleder im Rahmen der vierten Session von L’Odysées des E spaces 2011 die Gruppenausstellung A ll of the A bove . Das kuratorische Programm sollte eine Kartografie der sonst unsichtbaren Universen ästhetischer Wünsche und Bezüge dieser Künstler sein.132 Das Ausstellungsprogramm in den Jahren unter Wahler stellt sich dar als ein groß angelegter narrativer Versuch, der Wissenszusammenhänge, Bedeutungswelten und ästhetische Erfahrungen erschließen soll und auf einer schier unüberblickbaren Menge von Anknüpfungs- und Bezugspunkten in Geschichte, Wissenschaft und Populärkultur basiert. Die genannten Beispiele können dies nur andeutungsweise vermitteln. Es erinnert damit an den interdisziplinären und intermedialen Zugriff in Jean-François Lyotards Ausstellung Les Immatériaux, die 1985 im Centre Pompidou die Repräsentierbarkeit des Immateriellen thematisierte.133 Die »naturwissenschaftliche« Untersuchung der Wahrnehmung und Programme als Ausgangspunkte einer Narration stehen im Vordergrund. Wahler selbst spricht von einem »Labor«: »Le Palais de Tokyo est ainsi devenu un laboratoire pour la définition et l’élaboration du ›médium programme‹, compris comme un outil de réflexion, de connaissance et de mise en perspective, non seulement des œuvres et des expositions, mais également du programme lui-même.«134
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Mit dem Programm als Instrument erschließt sich dem Besucher von Ausstellung zu Ausstellung ein Universum, eine »Geschichte, die dabei ist, sich zu schreiben«.135 Konsequenterweise bildet die Website der Jahre 2006 bis 2011 daher auf der landing page auch das gesamte Programm als Sonnensystem ab, in dem die einzelnen Formate des Rahmenprogramms Planeten sind. Im Zentrum überlappen sich als verschiedenfarbige Gaswolken oder Sonnen die einzelnen Sessions der Programme. Ganz in der Mitte steht Cinq Milliards d’Années, das Programm, das den Urpunkt der Ausdehnung des Universums thematisierte. Wahler möchte im »Programm« die zeitliche und örtliche Begrenzung von Ausstellungen überwinden. Auf den ersten Blick erscheint dies als Unterschied zu Bourriaud, der die Erfahrung in der Situation des Werks betont. Tatsächlich aber vollziehen diese Programme-als-Instrumente-der-Wissensaneignung im Bereich des Kuratorischen die Bewegung, die Bourriaud in der künstlerischen Praxis an der Wende zum 21. Jahrhundert analysiert hat. Wahler überträgt die Funktion des »Semionauten« auf die Tätigkeit des Kurators und der Künstler-Kuratoren. Bourriaud beschreibt diese Funktion des »Navigators«, der neue Wege und Zusammenhänge erschließt, als absolute Metapher der Kultur im Informationszeitalter.136 Diese Navigation werde selbst zum Sujet der künstlerischen Arbeit.137 Genauso erschließen sich bei Wahler dem Besucher in einer vernetzten Ordnung Wissenselemente der Kulturgeschichte, zwischen denen sich neue Weltbezüge auftun: In den Programmen der »Geschichte, die sich selbst schreibt«, den Querverweisen von Du Yodel à la physique quantique und der Homepage, und Veranstaltungsformaten des Palais im Ausland. Der Schwerpunkt auf dem Konzept »Programm« bildet die institutionelle Entwicklung seit den Zeiten von Bourriaud und Sans ab: Die experimentelleren und installativen Formate, die oftmals mit prekären Materialien arbeiteten, weichen langsam einer musealeren Präsentation. Das Ephemere des Moments weicht dem Langfristigen. Wo Programme Mittel der Reflexion der vorangehenden und folgenden sind, ist die Ausstellung Thema der Ausstellung und ein kuratorisches Konzept institutionalisiert.
VON WARBURG UND BENJAMIN ZUR ALTERMODERNE: GEGENWARTSDIAGNOSEN IM SPIEGEL DER MODERNE Ähnlich wie bei Bourriaud dient die historische Moderne auch unter Wahler als Linse, durch die Veränderungen der Gesellschaft und der künstlerischen Praxis betrachtet werden. In GNS stellte Bourriaud die Frage nach der formalen Aktualität von Readymade und Abstraktion und beschrieb zu Playlist die Arbeit der zeitgenössischen »Semionauten« als Durchmessung des »paysage effondré du modernisme«.138 Ganz ähnlich liest sich die Beschreibung zu Wahlers P ergola , wo ebenfalls eine untergegangene Moderne als Bezugspunkt für Diagnosen in der zeitgenössischen Kunst dient.139
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Bezugnahmen auf Aby Warburgs Bilderatlas Mnemosyne und Walter Benjamins Passagen-Projekt unterstreichen dies: Band 4 von Du Yodel à la physique quantique enthält Reproduktionen fotokopierter Textauszüge mit Anstreichungen. Darunter finden sich Warburgs Einleitung zum Bilderatlas und ein Auszug aus Benjamins Konvoluten zum Passagen-Projekt.140 Dies könnte als methodische Bezugnahme auf das Vorhaben Benjamins gedeutet werden, in neuen Wegen der Montage von Objekten und Zitaten eine Geschichte des 19. Jahrhunderts und der Grundlagen der Moderne zu schaffen. Im Lexikon-Teil wiederum wird Warburgs Methode im Bilderatlas als Verdichtung des Raumes und Beschleunigung der Zeit beschrieben und mit filmischer Montage verglichen.141 Die Analogie im Interesse am formalen Nachleben einer früheren Schaffensphase ließe sich gedanklich weiterführen: In Warburgs Fall, der Antike in der Renaissance, im Falle des Palais de Tokyo, der Moderne in der Gegenwart. Bekannten Eckpunkten der Weltausstellung 1937, des MNAM, und der nachfolgenden sukzessiven Nutzungsprojekte waren sich die zeitgenössischen Akteure stets bewusst. Im Palais de Tokyo zeitgenössische Werke als Navigationskarten durch die Gegenwart und Kulturgeschichte auszustellen bedeutet nahezu zwangsläufig, in die Zeitdiagnostik die Frage des Nachlebens der Moderne aufzunehmen. Dem entspricht eine Kunsttheorie, die alternative Modelle zu einer als überkommen empfundenen »Postmoderne« sucht. Der Rekurs auf die historische Moderne scheint dieser einen festen Bezugspunkt entgegenzusetzen, von dem aus ein neues Modell der veränderten Gegenwart entwickelt wird. Nicolas Bourriaud hat diesem Modell im Jahr 2009 in seinem Buch Radicant. Pour une esthétique de la globalisation die Bezeichnung »Altermodern« gegeben. Es ist auch Titel der von ihm 2009 kuratierten Tate Triennale. Der Einführungstext zu Altermodern ist ein manifestartiger Text, der ein Jahr zuvor Nicolas Bourriauds Beitrag zu einem zweitägigen Manifesto Marathon von Hans Ulrich Obrist und Julia Peyton-Jones in Frank Gehrys temporärem Pavillon für die Londoner Serpentine Gallery 2008 war. 70 Personen aus der Kulturwelt lancierten dort 52 Manifeste. Viviana Birolli sieht darin eine Aktualität des Manifests im 21. Jahrhundert und konstatiert eine Ausweitung der Form solcher »Alter-Manifeste« in Texten von Kuratoren und Museen, Ausstellungstiteln und Magazinen. Altermodern gilt ihr als Prototyp eines Manifests, das als konzeptueller Rahmen einer Ausstellung die Bezüge der Werke zur These bestimme.142 Altermodern ist vor allem aber Bourriauds Hypothese sowohl für künstlerische Praktiken, als auch Kultur. Der Begriff lehnt sich an das Konzept der »Alterglobalisierung« an, das vielfältige lokale Widerstandsformen gegen die Globalisierung bezeichnet. Er will damit eine Alternative zum modernen Fortschritts-Telos und zirkulären Figuren der Postmoderne benennen: »The term ›altermodern‹, which serves both as the title of the present exhibition and to delimit the void beyond the postmodern, has its roots in the idea of ›otherness‹ [...] and suggests a multitude of possibilities, of alternatives to a single route.«143 Als gedankliche Einleitung zur Ausstellung nennt er den Archipel als
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ein »example of the relationship between the one and the many«, sowie die Schriften des in Englang lebenden deutschen Schriftstellers und Germanisten W.G. Sebald (1944– 2001). Besonders Die Ringe des Saturn. Eine englische Wallfahrt (1995), in dem Sebald einen Reisebericht einer Wanderung durch Suffolk mit historischen und biografischen Betrachtungen zu Geschichte, Literatur und Menschen kombiniert, konstruierten im Zusammenspiel aus sprachlichen und fotografischen Bildern »a kaleidoscope of fragments that reflect the footsteps of history«.144 Wie schon in Esthétique relationnelle (1998) und Postproduction (Englisch 2001, Französisch 2003) sowie dem dazwischen liegenden Buch Formes de vie (1999) steht die Beziehung der künstlerischen Form zur globalen kulturellen Gegenwart im Zentrum.145 Die Postmoderne sei tot. Unter dem Druck der Globalisierung müsse die Kunst einen neuen Modernismus entwickeln. Bourriaud definiert Modernismus als Phänomen in der Kunst mit dessen historischer Rolle, aus kultureller Vereinheitlichung herauszuführen.146 Dank der postkolonialen Kritik habe die Postmoderne ein komplexes Netzwerk von Zeitlichkeiten durchgesetzt. Als zweites Kennzeichen der Postmoderne sieht Bourriaud Multikulturalismus. Er will ihn überwinden, da er auf identitären Herkunftszuschreibungen basiere.147 Bourriaud liest die Entwicklung von der Moderne zur Postmoderne ausgehend vom weltweiten Energieverbrauch. Die Ölkrise von 1973, mit der sich ein Bewusstsein von der Endlichkeit der fossilen Brennstoffe etablierte, das Ende des europäischen Wirtschaftswunders einläutete und der Kapitalismus von Ressourcen abzukoppeln begann, sieht er als Ende der Moderne.148 Zeitgleich kam der Begriff der »Postmoderne« in Charles Jencks’ architekturtheoretischen Schriften und Lyotards Gedanken zur Condition Postmoderne auf; Bourriaud sieht diese erste Periode der Postmoderne als vom »Verlust der Richtung der Geschichte« geprägt und daher als depressiv gestimmte »philosophy of mourning«.149 In der Kunst habe sich dies im Rekurs auf erkennbare kunsthistorische Formen und substitutive Simulakren geäußert. Er bezieht sich dazu auf Fredric Jameson (Postmodernism, or, The Cultural Logic of Late Capitalism, 1990), Douglas Crimp (On the Museum’s Ruins, 1993) und Slavoj Žižek (Did Somebody say Totalitarianism?, 2001). Rund um die Wegmarken von Jean-Hubert Martins Les Magiciens de la Terre im Centre Pompidou und Fall der Mauer 1989 sieht er den Postkolonialismus kritisch als zweite Phase, die den Multikulturalismus etablierte und das Ende der Geschichte aussprach: »Thus postmodernism has moved on from the depression of the Cold War to a neurotic preoccupation with origins typical of the era of globalisation.«150 Im globalen Dialog aber erfinde sich Kunst neu. Aus Werkbeispielen liest er eine neue Synthese von Modernismus und Postkolonialismus ab, die er Altermodernismus nennt.151 In dieser Sicht verbinden sich das lineare Modell des Modernismus und das postkoloniale Konzept verschiedener Zeitlichkeiten zu einem positiven Modell der »Desorientierung«, der Erforschung in Netzwerken. Der Künstler werde zum Kulturno-
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maden, in dessen Werken Nomadismus als Wissensaneignung und zurückgelegte Strecken Form annehmen.152 Das Modell der Altermodernität, die sich aus einem Chaos vernetzter Zeitlichkeiten zusammensetzt, in dem Künstler in alle Richtungen raumzeitliche Bezugslinien in der Erforschung von Geografie, Geschichte und soziokultureller Zeichen herstellen, ist im Kern das des Künstlers als Semionaut, der für den Betrachter die unübersichtlich gewordene globalisierte Welt erforscht, der Vereinheitlichung der Kultur und dem Druck der Ökonomisierung des sozialen Lebens alternative Passagen entgegensetzen möchte und alternative Utopien der Relationen zu Werk, Künstler, anderen Menschen und der Welt ermöglichen soll. Viele der in Altermodern ausgestellten Künstler waren in den Jahren zuvor im Palais de Tokyo zu sehen.153 Bourriauds theoretische Ausführungen zur Altermodernität sind eine logische Fortführung der kuratorischen und ästhetischen Arbeit, die er zu Beginn der 2000er Jahre im Palais de Tokyo begonnen hatte.154 Sie zeigen auch, inwiefern diese Linie dort unter Marc-Olivier Wahler fortgeführt wurde. »Programme« als Medium im Ausstellungsort entsprachen Bourriauds zeitgleicher Überlegung in Altermodern. Sie reflektierten Technologie, Wissenschaft, Zeitlichkeit und Wissensbruchstücke in den Randbereichen des Visuellen. Wenngleich der sozialpolitische Bezug weniger ausgeprägt erscheint, entspricht dies Bourriauds Interesse an einer »altermodernen« Kunst, die in zurückgelegten Strecken, Versetzungen, Reisen, Migration und Übersetzungen ihre Form so wandelt, dass sie ursprüngliche statische Formen auflöst.155 Wahlers Logik des Programms als Narration mit Vorgriffen und Rückbezügen gleicht jener, die Bourriaud am einzelnen Werk als »narratives of their very own production, but also their distribution and the mental journey that encompasses them« sucht.156 Werke, die die sie umfassende mentale Reise abbilden, illustriert Bourriaud mit den Elektroenzephalogrammen, die Loris Gréaud beim Nachdenken über Ausstellungen aufzeichnet.157 Gréaud hatte 2008 mit Wahler das Programm C ellar Door realisiert, in dem ein Atelier erdacht wurde.
RADICANT: EINE NEUE ÄSTHETISCHE THEORIE DES GLOBALEN NOMADENTUMS Auch wenn stets ein neuer Modernismus von Suchen, Erforschen, Entdecken, Reisen und Aufdecken propagiert wird, zeigt sich, dass für die Ästhetik, die im Palais de Tokyo ab 2002 erprobt und theoretisiert wurde und zu internationaler Prominenz gelangte, ein Bezug auf die historische Moderne entscheidend bleibt. Bourriaud selbst schreibt, Grundlage aller kritischen Prozesse in der extrem globalisierten Weltkultur sei eine Rückbesinnung auf die emblematische Geste der Moderne, den »Exodus«: »This may be defined as a wrenching separation from the traditions, customs, everything in fact that anchors an
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individual to a ›territory‹ and the habits of a culture petrified by fixed ways of doing and saying things.«158 Kein Zufall also, dass auch emblematische Denker implizit aufscheinen. Bourriaud setzt das globale Nomadentum der Künstler gleich mit der Flânerie Baudelaires: »What remains of the Baudelairean model of modernism is no doubt this flânerie, transformed into a technique for generating creativeness and deriving knowledge.«159 Tatsächlich verdanken wir Walter Benjamin die Reflexion der Flânerie als Technik der Wissensgenerierung. Sie ist nicht erst heute zu einer Technik der Kreativität gewandelt. Vielmehr wandte Benjamin selbst sie schon als Technik an, als er neue Formen des Zugangs zur Moderne suchte, deren Zeitzeuge er war. Schon auf seinen Reisen verfolgte er eine »topografische«160 Methode der zufälligen Stadterschließung, die er auch seinen Städtebildern zugrundelegte – wobei er sich einer cineastischen Technik der Montage bediente.161 Er greift damit schon einer »cinematographic metaphor« vor, die Bourriaud in Altermodern als »clearest introduction to an event like Altermodern« beschreibt.162 Bourriauds Ausführungen zu Sebalds The Rings of Saturn als Modell einer raum-zeitlichen Narration erinnern an Benjamins Aufsatz aus dem Passagen-Projekt, Der Saturnring oder etwas vom Eisenbau.163 Dort geht Benjamin auf das Bild aus Grandvilles Un autre monde von 1844 ein, das jene Eisenbrücken zwischen Planeten illustriert, die in der Erzählung bis auf den Saturn führen. Auch das Buch Radicant. Pour une esthétique de la globalisation von 2009 liest »Vagabondage« spezifisch »altermodern«. Als Prinzip des Einflusses der Bewegung des Autors auf das Werk kommt sie ebenfalls schon bei Benjamin zu entscheidender Geltung.164 Bourriauds Einleitung zu Radicant benennt den formalen Bezug seines Essays auf das fragmentarische und vagabundierende Schreiben der modernen Autoren Benjamin und Bataille.165 Zugleich zeigt sich darin erneut eine Überlappung von ästhetischem Entwurf und kuratorischer – wie publizistischer – Praxis. Altermodern ist, wie die beschriebenen Werke, ein Abbild der eigenen Produktion, wie auch Radicant, wo das Bewegungs- und Arbeitsmodell der Ausstellung zur ästhetischen Theorie der globalen Gegenwart ausformuliert werden soll. Der erste Teil von Radicant trägt den Titel »Altermodernité« und stellt der »Obsession des modernistischen 20. Jahrhunderts mit der Wurzel« (»racine«), der im »Multikulturalismus« betonten »Verwurzelung« (»enracinement identitaire«) und der »modernistischen Radikalität« (»radicalité moderniste«) des »Phantasmas des Neubeginns« entgegen, dass Subjekte ohne festen Bezugspunkt möglich sind – »que l’on puisse constituer un sujet individuel ou collectif sans ancrage, sans point fixe, sans ammarres«.166 Die botanische Familie der »Radikanten« bildet je nach Umgebung neue Wurzeln an der Oberfläche in neue Richtungen statt einer zentralen unterirdischen. Sie dient Bourriaud als Bild für das heutige nomadische Subjekt und eine Theorie der Übersetzung als Anpassung an neue Umgebungen, mit der er zeitgenössische Kunst charakterisiert.167 Diese Übersetzungspraxis wird nun zum Sinnbild einer post-multikulturellen Welt, in der Identitäten stets neu erzeugt werden und künstlerische Arbeit Zeichen organi-
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siert, die dem Individuum Modelle der steten Wiederverwurzelung anbieten.168 Das hat Bourriaud 1990 erstmals angedacht zur Mobilität in der zeitgenössischen Kunst: »En réflechissant à l’importance prise par le voyage et à l’iconographie de la mobilité dans l’art contemporain, je me suis souvenu d’un texte que j’avais publié en 1990 dans la Revue New Art International, intitulé ›Notes on radicantity‹: je ne fais ici que développer cette intuition de jeunesse [...].«169 Bourriaud ist mindestens seit seinem Beitrag zu No Man’s Time in Nizza 1991, wo er das Kunstwerk als Metapher – Vehikel der Kunstgeschichte – theoretisierte, auf der Suche nach Metaphern der zeitgenössischen Kunstproduktion: Der Bolide und der Rennkurs in No Man’s Time, der Verkehr in Traffic, globale Navigationssysteme in GNS, der Semionaut der Navigation durch Zeichen in Playlist und der Radikant im Entwurf der Altermodernität.170 Die von Bourriaud hier angesprochene »Ikonografie der Mobilität« ist nicht bloß Gegenstand von Radicant. Sie ist auch ein Kern seiner eigenen Theorien, die bestimmende Ikonografie der Ausstellungskonzepte und das zentrale Bindeglied zwischen theoretischer und kuratorischer Arbeit. Sie kann als Abbild des technischen Fortschritts der Fortbewegungsmittel und ihrer Steuerung gelesen werden. So sehr Bourriaud sich in allen hier zitierten Arbeiten gegen den Fortschrittstelos des Modernismus wendet, sollte vorliegend am steten Bezug auf die Moderne doch deutlich werden, dass die relationale Ästhetik und ihre Auswurzelungen sowohl in der Theorie als auch in der kuratorischen Praxis, im Palais de Tokyo und darüber hinaus, auf einer teleologischen Entwicklungslogik beruhen. Sie reicht von der Moderne, für die das Palais de Tokyo als Monument steht, zur Altermodernität, die dort in Ausstellungen ihren Ausgangspunkt nimmt. Der Ausstellungsort macht damit deutlich, dass letztlich in der historischen Sukzession der ästhetische Entwurf der offenen, vernetzten, Zeichen navigierenden Kunst der Gegenwart zwangsläufig auf die Kunst der Moderne und die Postmoderne – die Bourriaud als »linear vision of history«, respektive »petrified kind of time advancing in loops« beschreibt – folgen muss, um dem Monument etwas entgegenzusetzen.171 Denn das Palais de Tokyo verkörpert in Stein ebendiese Vergangenheit wie auch manche seiner institutionellen Projekte ein ebensolch versteinertes Voranschreiten »in loops«, und Bourriauds theoretische Entwürfe sind ebenso wie schon der Name »Palais de Tokyo« nicht weniger modern in ihrer teleologischen Hoffnung auf eine globale gemeinschaftsstiftende Vernetzung durch Kunst, als etwa Walter Benjamins auf neuen künstlerischen Ausdrucksformen begründete Vision einer porösen Architektur der sozialen Gemeinschaft in den 1920er und 1930er Jahren.
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»INTENSE PROXIMIT Y«: DIE ERWEITERUNG DES PAL AIS DE TOKYO UND DIE TRIENNALE 2012 Die Aktualisierung der rezenten Vergangenheit der Moderne des Palais de Tokyo für einen Zugang zur Gegenwart prägt auch die Erweiterung auf die volle Fläche des Westflügels 2012 und die von Okwui Enwezor kuratierte große internationale Ausstellung La Triennale – Intense Proximity, die auf die Neueröffnung des Hauses mit einem dreißigstündigen Festival im April 2012 folgte (Abb. 119).172 Anne Lacatons und Jean-Philippe Vassals Reflexion der Erweiterung und Enwezors Ausstellung sind von einem Rekurs auf die Moderne zur Vermessung der fragmentiert wahrgenommenen Räume der Gegenwart geprägt. Bei der Erweiterung ging es Lacaton und Vassal darum, Möglichkeiten für einen Raum zu schaffen, der sich aus unendlich vielen Mikro-Räumen zusammensetzt.173 Nachdem sich ihr erstes Projekt auf den Platz Jamaâ el-Fna bezogen hatte und horizontal orientiert war, wählten sie nun eine Referenz, die horizontale und vertikale Verbindungsachsen überkreuzte: Das unrealisierte Projekt Fun Palace von Cedric Price in London 1959–1961, das auf eine Verbindung von Theater und Freizeitpark zielte. Für das Palais de Tokyo wünschten sie sich eine cineastische Qualität, die Architektur sollte aus einer Konzeption des Raumes um die Bewegungen der Personen hervorgehen. Dies impliziere eine Auffassung von Raumfragmenten, addiert als Collage oder Montage.174 Das ist, wie gesehen, nicht die erste Zuschreibung cineastischer Qualitäten an die Architektur. Schon Dominique Païni, der Direktor der Cinémathèque, und der Architekt Alain Guiheux hatten im Rückblick auf das Palais du Cinéma die Qualität des Gebäudes in Vergleichen mit dem spezifisch modernen Medium Film hervorgehoben. Lacaton und Vassal greifen die nicht zuletzt im MNAM im Palais de Tokyo selbst zur institutionellen Anerkennung gelangte moderne künstlerische Technik der Collage und die filmische Montage auf. In beiden Fällen verbindet sich eine Qualität der Wirklichkeitswahrnehmung mit einem Bild der historischen Moderne. Enwezors Triennale dagegen gilt künstlerischen Antworten auf das globale Erbe der Moderne und deren Diskursen in Kolonialismus, Rassen- und Identitätskonstruktion und der Erforschung des Anderen. Sie zeigt, wie ein Gedanke multipler Modernitäten, den er zu Bourriauds Altermodern entwickelt, auf die Herausforderung der Gegenwart weist: Den konfliktreichen Kontakt kultureller Sphären in Gemeinschaften. Okwui Enwezor war 2008 einer der Hauptredner beim ersten von vier Prologue-Events von Nicolas Bourriauds Tate Triennale 2009 rund um die Themen »Altermodern«, »Exiles«, »Travels« und »Borders«.175 Das Konzept der »Altermoderne« überführt an der Schwelle zu den zehner Jahren des 21. Jahrhunderts das Konzept der relationalen Ästhetik und der Postproduktion von einer Formenphilosophie in eine Sozialtheorie der kulturellen Bewegung in der Globalisierung. Im Katalog der Tate Triennale folgt Enwezors Beitrag direkt auf Bourriauds Einführung. Es ist eine Antwort auf dessen Konzept der »Altermodernität«. Er hinterfragt
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119 30h, (Entre)ouverture, Palais de Tokyo, 12.–13. April 2012
Bourriauds Modell einer Dezentralisierung der künstlerischen »offshore«-Produktion, das nicht notwendigerweise identisch ist mit einem in seinen Augen weltweit aufkommenden Prinzip multipler Standpunkte und Zeitlichkeiten.176 In seiner Betrachtung unterscheidet Enwezor zwei Modernitätsnarrative, »grand modernity« und »petit modernity«. Die erste meint die auf Europa und den Westen zentrierte Auffassung der Modernität mit den universalen Prinzipien von Vernunft als wissenschaftliche Rationalität und der Entwicklung des Kapitals, sprich Privateigentum, seit der Aufklärung. Die zweite bezeichnet ihre Ausprägung als im Kolonialismus exportierte und damit »a sort of quotation, which some would go so far as to designate a mimic modernity«.177 Er weist darauf hin, dass Bourriauds »Altermodernität« künstlerische Arbeit in der Globalisierung an der »grand modernity« und damit an einem vereinheitlichenden Prinzip misst. Problematisch sei dies, da Bourriauds Untersuchung der ex-zentrischen und dialogischen Natur der zeitgenössischen Kunst und ihrer zerstreuten Bewegungsbahnen und Zeitlichkeiten nicht notwendigerweise eine Zurückweisung der Konzepte von Moderne und Modernismus sei.178 Enwezor macht auch zurückhaltend darauf aufmerksam, dass die relationalen Kriterien der Altermodernität in der Nachfolge von Édouard Glissants (1928–2011) Poetik der Relation179 den Eindruck erwecken, sich auf einen großen Korpus von Wissenschaft und Literatur zu beziehen. Dagegen stellt er jedoch die Frage, ob
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künstlerische Praktiken nicht ohnehin immer schon auf neuen Bewegungen und Richtungen basierten, und weist auf umfangreiche jüngere kunsthistorische Studien außerhalb der global dominanten Zentren hin.180 Er stellt damit Bourriauds Theorie in gewisser Weise vom Kopf auf die Füße. In der Folge entwickelt Enwezor in der Auseinandersetzung mit postkolonialer Theorie die Überzeugung, dass Altermodernität als Idee allenfalls im jeweils einzelnen Werk selbst feststellbar sei.181 Ein vierstufiges Modell der Modernität scheint ihm besser geeignet, Hierarchien und ihren Einfluss auf alltägliche Lebenskultur und Kunst zu erfassen.182 Als erste Stufe bezeichnet er mit »Supermodernity« das »grand narrative« der entwickelten und fortschrittlichen Welt, die seit der Aufklärung auf den Prinzipien von Freiheit, Fortschritt, Rationalität und Empirie beruht. Im dominanten Diskurs werden an ihr kulturelle Sphären als vormodern, modern oder antimodern beschrieben. Dem folge als zweite Stufe eine »Modernität in Entwicklung«, die er als »Andromodernity« bezeichnet. Es handle sich um die Form aus beschleunigter Entwicklung und alternativen Modellen, die Teile Asiens, besonders China, Indien und Südkorea auszeichnet, die aber keine Kräfte gegen die dominanten Systeme der Supermodernität wie Museen, Märkte und Hochschulen entwickle. Die dritte Stufe wiederum beschreibt er als »trügerische« Moderne, »Speciousmodernity«. Damit bezeichnet er die scheinbare Modernität des politischen Islam, der seit der Revolution im Iran 1979 eine Radikalisierung erfahren habe und, bis hin zu den Ausprägungen von Al-Quaida und den Herrschaftsformen auf der arabischen Halbinsel, in einer »altermodernen Beziehung« zur Supermodernität stehe. Seit der Gründung der Muslimbruderschaft im Ägypten der 1920er Jahre sei er als Antwort auf die koloniale Modernität entworfen worden und damit als Gegenmodell zur Supermodernität. Als vierte Stufe wiederum entwickelt er ein Konzept der Modernität für den afrikanischen Kontinent, der traditionell epistemologisch durch die Abwesenheit von Modernität charakterisiert worden sei. Erst nach der Überwindung des kolonialen Erbes könnte dort eine von der Supermoderne unabhängige Modernität entstehen. Diese stellt er als »Nachmodernität« Bourriauds Altermoderne entgegen, erst in ihr könnte Afrika nicht mehr nur Nachahmer der Moderne sein.183 Die am Beispiel Afrikas entwickelte Überzeugung, dass Modernität ein unvollständiges Konzept im Sinne von Jürgen Habermas184 ist, prägt 2012 auch Enwezors Konzept der Triennale Intense Proximity (Abb. 120–121).185 Zu der Ausstellung gab er neben einem Führer eine große Anthologie mit Referenztexten heraus, zu denen Aufsätze von Kunsthistorikern, Künstlern und Philosophen sowie zentrale Texte des postkolonialen Diskurses von Autoren wie Aimé Césaire, Frantz Fanon, Léopold Sédar Senghor, Manthia Diawara und Édouard Glissant gehören.186 In seinem Text zur Ausstellung behandelt Enwezor Auswirkungen der Modernität auf außereuropäische Gesellschaften und den Eurozentrismus ihrer Reflexion am Beispiel von Claude Lévi-Strauss’ Tristes Tropiques. Das utopische ethnografische Modell, am sogenannten primitiven Menschen eine Essenz der menschlichen Kultur zu suchen, sei wie die Idee des »Primitiven« selbst
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120 Triennale Intense Proximity, Palais de Tokyo 2012, Ausstellungsansicht
überkommen – zugleich könne an diesem Beispiel aber die »relation épistémologique que la pensée européenne entretient avec le monde des autres« nachvollzogen werden, wobei diese »Welt der anderen« als unbekannt oder unberührt konzipiert sei.187 Anders als die soziale Relation in Bourriauds Modell der Altermodernität ist die Relation, auf die Enwezor abstellt, »epistemologisch«. Er stellt damit die erkenntniskritische Frage, die Bourriauds Modell fehlt. Bei Bourriaud ist das Nomadentum der Künstler auch das des Kurator-Theoretikers. Enwezor differenziert den kuratorischen Betrachterstandpunkt. Mit Susan Sontags Kritik an Lévi-Strauss fragt er nach dem »nomadischen Geist« des Anthropologen als Forscher, der in der Begegnung mit Kulturen zwischen den Zeiten ein Heilmittel gegen den Schwindel bieten könnte, den die Beschleunigung der Geschichte auslöst. Bei Lévi-Strauss sei jedoch das Etablieren von Nähe und Distanz zwischen Forscher und beobachteten Kulturen Voraussetzung.188 Das Verhältnis von Nähe und Distanz bestimme auch die Aufgabe des global agierenden Kurators, der sich heute kulturellen Desorientierungen stellen müsse. Damit nimmt er den Kurator in den Blick, anders als Bourriaud, der auf die »Topokritik« der Semionauten abstellte.189
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121 Triennale Intense Proximity, Palais de Tokyo 2012, Ausstellungsansicht
Enwezor bezieht dazu auch die Konfliktdimension ein. Die intensivierte Nähe, die der Triennale den Titel gibt, definiert er als ständigen aktiven Kontakt verschiedener Gemeinschaften, die Konfliktmanagement lernen müssen: »Plutôt que des pratiques de bon voisinage et d’espace partagé, la proximité intensifiée, c’est-à-dire le contact actif et incessant entre différentes communautés culturelles, a provoqué des disjonctions spatiales et temporelles. Cela implique que les sociétés contemporaines doivent apprendre à gérer le conflit [...].«190 Spannungen zwischen sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Gemeinschaften seien ein Merkmal heutiger multikultureller Gesellschaften. Das Problem der »intensiven Nähe« resultiere aus der Aufhebung von Distanzen und der Migration von außen kommender Bevölkerungsgruppen, die nationale kulturelle Vektoren aufstöre. Dieses Bewusstsein, das drei Jahre später im Europa der »Flüchtlingskrise« 2015 neue Dringlichkeit erhielt, stellt den Kern der Triennale: Diese frage danach, wie sich nach der kolonialen Modernität Nähe und Distanz durch Migration, Kreolisierung, Globalisierung und Kontakt konstituieren.191 Im Grenzgebiet von Ethnografie, die ihre Wahrnehmungsmodelle zum rhetorischen Argument mache, und zeitgenössischer Kunst, die
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soziale Subjektivität kritisch hinterfrage, untersuche die Ausstellung das Verhältnis kultureller Sphären zueinander und epistemologische Modelle: »Ce projet d’exposition examine et affronte la dialectique qui se joue entre les faits sociaux que le réalisme ethnographique cherche à démêler, et les formes spéculatives que produit l’art contemporain.«192 Auch vor Enwezors Intense Proximity 2012 und Bourriauds Altermodern 2009 gab es wichtige internationale Ausstellungen, die fragten, wie zeitgenössische Kunst neue Perspektiven auf die globale Vergangenheit und die Herausforderungen des sozialen Miteinander durch Migration und Dekolonisation schafft – zu denken wäre etwa nur an Daniel Birnbaums Venedig-Biennale 2009 Fare Mondi – Making Worlds, Robert Storrs Konzept für die Venedig-Biennale 2007, Think with the Senses – Feel with the Mind. Art in the Present Tense 193, oder die große Ausstellung Kunst-Welten im Dialog: Von Gauguin zur globalen Gegenwart im Museum Ludwig zur Jahrtausendwende.194 Die Besonderheit von Enwezors Triennale liegt darin, dass sie das Konfliktpotential zum Thema der Ausstellung macht. Seine Ausgangsinspiration war ein Ende 2006 in Paris öffentlich geführter Streit um eine rechtsgerichtete Gruppierung, die im Winter Suppe mit Schweinefleisch ausgab, um Migranten, vor allem Muslime, fernzuhalten.195 Die »soupe au cochon« wurde zum ideologischen Instrument der Gruppe, die den Vorwurf erhob, Frankreich gäbe Hilfeleistungen bevorzugt an Migranten (Slogan »Les nôtres avant les autres«). Die Praxis wurde später vom obersten Verwaltungsgericht verboten.196 Enwezor umreißt Konfliktpotential mit Mary Louise Pratts Konzept der »Kontaktzonen« und in Anlehnung an Hans Beltings Überlegungen zu nichtwestlichen Künstlern, die als »postethnische Kunst« ihre Festgelegtheit auf ethnische Herkunft hinterfragen und westliche »posthistorische« Künstler, die versuchten, der klassischen Erzählung der europäischen Geschichte auszukommen. Nicht nur Künstler, auch Museen und akademische Kunstgeschichte müssten ihre disziplinären Grenzen epistemologisch hinterfragen.197 Zeitgenössische Kunst hinterfrage zwar den Umstand, dass die Moderne Konzepte von Rasse, Differenz, Identität und Primitivismus integriert habe, diese aber nachgelagert zu einem Selbstbewusstsein der Aufklärung.198 Die Konfliktpotentiale der Migration heutiger Zeit ergäben sich auch daraus, dass nomadische Migranten mitunter keine Integration, Ästhetik oder Philosophie suchten – sondern viel materiellere Dinge, wie wirtschaftliche Möglichkeiten und politische Stabilität.199 Er nimmt das neu erwachte ethnografische Interesse zeitgenössischer Künstler mit der Analyse Hal Fosters in den Blick, wonach das frühere künstlerische Interesse von Anthropologen sich heute in ein anthropologisches Interesse von Künstlern gekehrt habe. 200 Foster wirft er jedoch vor, postkoloniale Künstler nicht ausreichend zu berücksichtigen, die im Hinweis auf Rasse und Identität institutionelle Kritik in den USA übten und verweist auf Édouard Glissants Poétique de la relation (1990), in der die Anerkennung eines solchen Bewusstseins in ein Denken von Beziehungen münde. Enwezor gibt einige Beispiele für solche ethnografischen Interessen in künstlerischen Arbeiten, die seit Michel Leiris’ neuem schriftstellerischen Ansatz in der Reise- und Ritualbeschrei-
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bung L’Afrique fantôme (1934), die auf die Forschungsreise »Dakar-Djibouti« unter Leitung von Marcel Griaule von 1931 bis 1933 folgte, den Beobachter zum aktiven Teilnehmer machten und das Verhältnis von Nähe und Distanz neu bestimmten. 201 Auch die Debatten um diese Distanzfragen sind Material der Ausstellung in der Anthologie zu Intense Proximity: Die wichtigsten Beiträge der Kontroverse um die Ausstellung »Primitivism« in 20th century art: Affinity of the Tribal and Modern im MoMA 1984, das Interview, das Benjamin H. D. Buchloh mit Jean-Hubert Martin anlässlich der Ausstellung Les Magiciens de la Terre 1989 führte, wie auch Fosters Text. 202 Der rote Faden in Enwezors Ausführungen ist, dass Kontakt Konfliktpotential birgt. Am Beispiel der »Schweinesuppe« in Paris legt er ausführlich dar, dass neue Oppositionsformen Brüche zwischen kulturellen Überzeugungen und Symbolen ausnutzen können und das fragile soziale Miteinander bedrohen. Die »identitäre Suppe« sei Emblem des gespannten Verhältnisses von sozialer Distanz und kultureller Nähe im laizistischen Frankreich. 203 Er liest sie mit Marcel Mauss’ bekanntem Text über die Gabe Essai sur le don. Forme et raison de l’ échange dans les sociétés archaïques (1923–1924), wonach der Gebende auch Nehmender sein müsse. Aus diesem Grund rechtfertigt sich das Verbot der Suppenausgabe, denn Feindseligkeit könne keine Quelle von Großzügigkeit sein. 204 Dass Rirkrit Tiravanija – von Nicolas Bourriaud in vielen Arbeiten zur relationalen Ästhetik besprochen und besonders für seine Zubereitung von Suppen in Galerien und Ausstellungsräumen bekannt – im Rahmen der Triennale im Grand Palais am Samstag, den 7. April 2012 von Mittag bis Mitternacht eine Tom Ka Suppe ausgab und damit die große Versammlung mit dem Titel Soup / No Soup realisierte, ist nur konsequent. Sein Werk verdeutliche im Sinne der »Gabe« von Mauss weniger den Exotismus als die kollektive Teilhabe an einer Erfahrung. 205 Tiravanijas prominente Arbeit steht stellvertretend für die transkulturelle Ausrichtung der Triennale. Enwezor hegte Zweifel an einem Format, dessen oberstes Ziel zunächst sei, die französische Kunstszene zum globalen Diskurs aufschließen zu lassen und verweist auf die Kritik am nationalen Charakter von Biennalen. 206 Um die seinem Gefühl nach schismatische Situation der Identitätsdiskussion der französischen Gesellschaft zu überwinden, habe er diese »stratégie d’exploration territorialisée de la scène artistique française« mit der Ausstellung überwinden wollen. Ausgangspunkte aber sind Ideen, die Räume der Kunstproduktion von außen her bestimmten: Das Erbe des Kolonialismus, die Gewalt der Sklaverei, die Geschichte postkolonialer Migration, Globalisierung und die Diskussion von Nationalismus in Frankreich. Letzten Endes sollte Intense Proximity die Systeme der zeitgenössischen Kunst dahingehend befragen, ob sie stark genug seien, ihre Reflexionen auch außerhalb des gut abgesteckten Feldes ihrer eigenen Werte zu leisten. 207 Im Gesamteindruck erscheint Enwezors Ausstellungskonzept sehr komplex. Es versucht, postkolonialen und posthistorischen Implikationen gerecht zu werden, die sich ergeben, wenn die Frage nach der Rolle der zeitgenössischen Kunst und ihrer Formen
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in der globalisierten Welt vermeiden soll, dass das Narrativ der europäischen Moderne erneut zum Maßstab jener multiplen Modernitäten wird, in deren Einflussbereich die Kunstwerke Kontaktzonen vermessen. Dazu soll sie auch formal dokumentarischen und ethnografischen Arbeitsweisen nachspüren. Enwezor koppelt seine Überlegungen so stärker an eine tatsächliche Realität der Materialität als Bourriaud. Bourriauds Universum der Zeichen ist für ihn die »forêt de signes« der Ausstellung. 208 Wo Bourriaud Künstler als »Topokritiker« ausstellte, richtet er den Blick auf den Kurator und die Evolution der ästhetisch-methodologischen ethnografischen Form seit der Moderne und einen dokumentarischen Realismus, gegen den wiederum Bourriaud sich in GNS so vehement zur Wehr setzte und nicht zuletzt in Postproduction formale Konzeptionen von Recycling und Sampling stellte. Die Anthologie zu Intense Proximity enthält ein Interview der Co-Kuratorin Claire Staebler mit Nicolas Bourriaud, in dem sie ihn zur Tate Triennale, dem Konzept der Altermodernität und seiner Meinung zum »Rückstand« Frankreichs in postkolonialen Fragen und den Cultural Studies befragt. 209 Es verdeutlicht die Nachbarschaft der Positionen Enwezors und Bourriauds. Wie Enwezor teilt Bourriaud die große Skepsis gegenüber national konzipierten Ausstellungsformaten. Für seine Tate Triennale legte er deren Konzept, britische Künstler zu zeigen, so aus, dass sie auch in England geborene, lebende und »passers-by« umfasste. 210 Aber auch Unterschiede werden deutlich. Auch hier stellt Bourriaud die Konzeption der Altermodernität mit relationalen Konstellationen und Semionauten in den Vordergrund. 211 Der »Semionaut« ist ein Künstler, der in der globalen Gegenwartskultur Übersetzungsleistungen vornimmt, aber die Form seines Werks bleibt jene des Samplings der Video- und DJ-Kultur. Es erscheint berechtigt zu fragen, wie damit mögliche altermoderne Werke aus Regionen erfasst werden könnten, deren petits Modernitäten im Sinne Enwezors in den 1980er und 1990er Jahren materiell eine solche Unterhaltungskultur noch nicht kannten oder zuließen. Referenzen an Modi der globalen Unterhaltungskultur als gemeinsamer Nenner erscheinen nur vordergründig geeignet, heterochrone und räumliche Realitäten zu integrieren. Wo bliebe etwa die Überwindung der Nachwirkungen des Kolonialismus auf dem Weg zu einer »Aftermodernity« Afrikas? Die vielfachen Rückbezüge auf die Moderne in Theorien, Ausstellungen, Konzepten und Planungen der ersten zehn Jahre des Palais de Tokyo erscheinen überzeugend für die Phase der Herstellung einer Plattform für die zeitgenössische Kunst in Frankreich. In den zehner Jahren des 21. Jahrhunderts aber überzeugt Enwezors Entwurf, der für die Poetik des Kunstwerks nach ethnografischen Formen fragt und für ihre konzeptuelle Erfassung eine Relektüre der postkolonialen Theorie und solcher kunsthistorischer Modelle vorschlägt, die, oft schon qua ihres ex-zentrischen Entstehungsortes, nicht am Modell der Modernität und Moderne messen. Das Konzept seiner Triennale ist zwar etwas sperrig, und es sei auch dahingestellt, ob es möglich ist, einem solchen heute unter dem allseits dominanten Einfluss des globalen Kunstmarktes überhaupt gerecht zu werden. Schon
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wenige Jahre danach aber hat sich der Druck der Migration auf die europäischen Gesellschaften und damit auf den Ursprungshort des Narrativs der Modernität exponentiell verstärkt. Intense Proximity macht auf gelungene Weise klar, dass Ausstellungen zeitgenössischer Kunst heute universale Konzeptionen künstlerischer Produktion vermeiden müssen, da solche den Realitäten der globalen Gegenwart kaum standhalten.
KRITISCHE REFLE XIONEN DER REL ATIONALEN Ä STHETIK UND DES PAL AIS DE TOKYO Das Palais de Tokyo war zu allen Zeiten ein Seismograf aktueller Entwicklungen der Kunst und der Reflexion ihrer gesellschaftlichen und politischen Bedeutung. Bourriauds relationale Ästhetik und eine im Kern als relational begriffene Ausstellungspraxis des Palais de Tokyo stehen historisch in der Nachfolge von Jean Cassous Überlegungen zur bewusstseinsbildenden Funktion der modernen Kunst und Entwürfen für ein Museum des 20. Jahrhunderts, vom Palais de Tokyo ausgehenden Projektplanungen zum Centre Pompidou, Entwürfen für Institutionen einer transmedialen Bildkultur im Palais de Tokyo der 1980er und frühen 1990er Jahre, und nicht zuletzt dem Entwurf eines neuen Lehrmodells im IHEAP. Mit Bourriauds theoretischen Entwürfen und der angepassten architektonischen Umgebung schließt sich in gewisser Weise ein Kreis zum Palais de Tokyo der 1930er Jahre und der Schaffung des MNAM. Nicht nur die Argumente für eine neue Institution gleichen sich. Nicolas Bourriaud und seine Mitstreiter sind vielleicht die einzigen in der Geschichte des Palais de Tokyo, die so stark den Ausstellungsort im Rückbezug auf eigene Überlegungen prägen konnten wie seinerzeit Louis Hautecoeur. Die auktoriale Geste ist bei Hautecoeur ungleich größer. Bourriauds Schriften und ihrem Echo kommt dagegen eine stärkere kunsttheoretische und kunsthistorische Bedeutung zu. So schrieb Claire Bishop in einem Überblick über Kunsttheoretiker 2007: »Bourriaud’s ›toolbox‹ approach to critical theory, and the apparent contradiction between his left-leaning discourse and the commercial phenomenon of the Palais de Tokyo, has prompted intense debate; it has also occasioned a backlash among a subsequent generation of artists for whom recent world events have prompted the need for a more politically engaged art that addresses specific contexts less opaquely.« 212 Die historische Entwicklung im Palais de Tokyo führt damit von der zu Beginn besonders dominanten Kunstpolitik zu einer »Politik der Kunst« im Sinne Jacques Rancières: Der ästhetischen Auffassung von Kunst als Zugang zu Perspektiven, Räumen und individuellen Übersetzungsleistungen, die auf soziale Gemeinschaften wirken kann.
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Ihre Politik ist nach Rancière am Paradigma der ästhetischen Emanzipation zu messen, um einen Beitrag zur Gemeinschaft leisten zu können. Abschließend zur Untersuchung der Ideengeschichte des Palais de Tokyo wird nun ein Überblick über Debatten zur relationalen Ästhetik gegeben. Sie verdeutlichen, wie stark das Palais de Tokyo international wahrgenommen wird. In einem ersten Schritt werden im Folgenden allgemeine Kritiken der relationalen Ästhetik, deren Rezeption oftmals in eins fiel mit jener der Ausstellungspraxis des Palais, nachvollzogen. 213 Separat davon, aufgrund von Umfang und Bedeutung der Diskussion, erfolgt im Anschluss eine vertiefte Betrachtung der kritischen Auseinandersetzung mit der Position im New Institutionalism bei Claire Doherty und der Problematisierung der partizipativen Einbindung des Ausstellungsbesuchers bei Claire Bishop. Bishops Kritik mündete auf den Seiten der Zeitschrift October in eine Auseinandersetzung mit dem Künstler Liam Gillick und schließlich in ihr Buch Artificial Hells. Participatory Art and the Politics of Spectatorship (2012). Shannon Jackson, die in einer Untersuchung sozialorientierter Kunstpraxis Bishop kritisch gegenliest, konstatiert eine Verwirrung der Debatte, die sie als typisch für Diskussionen ansieht, die Politik und Ästhetik verquicken. Sie plädiert für eine komplexere Betrachtung der von Bishop aufgeworfenen Antinomien von künstlerischer Autonomie und sozialer Intervention. Dabei dient ihr zwar Bourriauds Esthétique relationnelle als Ausgang, sie bleibt jedoch auf Bishop orientiert. 214 Daher erfüllt der folgende Überblick auch die Funktion, einen Nachvollzug der Genese der Diskussionen der relationalen Ästhetik als schon »historischer« Debatte der jüngeren Kunstgeschichte zu ermöglichen. In einem dritten Schritt wird abschließend Jacques Rancières Kritik an der relationalen Ästhetik betrachtet. Ihr kommt besondere Bedeutung zu, da sie für eine mögliche emanzipatorische Wirkung der Kunst die in Bourriauds Modell unzufriedenstellend behandelte Position des Betrachters aufgreift und nach der tatsächlichen politischen Wirkung relationaler Kunst fragt. In den Jahren nach der Eröffnung des Palais de Tokyo 2002 weitet Nicolas Bourriaud seine ästhetischen Entwürfe zu einer Theorie der globalisierten Gegenwartskunst aus. Es sind Jahre, in denen aufgrund der Globalisierung und der weltweiten Entstehung neuer Biennalen, Triennalen und Museen in nicht-westlichen Ländern nach der neuen Stellung von Museen gefragt wird. Ab 2006 unternahmen etwa das ZKM Karlsruhe und IFK Wien eine Konferenzserie, die in das Forschungsprojekt Global Art and the Museum und 2011–2012 in die Ausstellung The Global Contemporary. Kunstwelten nach 1989 mündete. 215 Im ersten Projektband stellen Andrea Buddensieg und Peter Weibel bündig die Fragen, die sich durch die Globalisierung für das Verhältnis der zeitgenössischen Kunst zur Moderne und modernen Kunst ergeben: »How is contemporary art currently understood in institutions located in different cultures? How does its exhibition practice differ from that of ›modern‹ art? Is it true that so-called modernism is nowadays considered as synonymous with the ideology
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of the modern in general? […] Does global art practice substantially change the concept of contemporary versus modern art?« 216 Das Palais de Tokyo schreibt sich, wie gesehen, in diesen Kontext ein. Ursprünglich erdacht als »arme Lösung« eines Kulturministeriums mit knappen Mitteln, wirbt es von Anfang an private Gelder ein und arbeitet international mit anderen Institutionen zusammen. Hinter solchen Entwicklungen stehen die Erosion von westlichen Wohlfahrtstaaten und neue Arbeitsweisen eines »corporative institutionalism«. 217 Hans Belting weist im selben Kontext darauf hin, dass bei der Betrachtung der globalen Entwicklung von Kunstinstitutionen zwischen globaler Kunst, »global art«, und einem universalen visuellen Kulturerbe, »world art«, im Sinne von André Malraux unterschieden werden müsse. Postethnische und posthistorische nicht-westliche Künstler stellten auch in Bezug auf das eigene Kulturerbe Funktionen des Museums als bloßer Speicher und zur Definition nationalen Bewusstseins in Frage. Besonders »ephemere lebendige Kunst« werfe die Frage der Institutionalisierung der globalen Kunst auf. 218 Im Folgeband definiert Belting »globale Kunst« weiter: Sie ist durch chronologische, symbolische und ideologische Zeitgenossenschaft bestimmt und untrennbar mit einem globalen Kunstmarkt verbunden. 219 Weibel, Buddensieg und Belting machen darauf aufmerksam, dass sich das Verständnis von Museen zukünftig ändern werde, da sie lange für Sammlungen, nicht aber als Plattformen von Ereignissen gedacht wurden. 220 Im Palais de Tokyo ist diese Entwicklung vorweggenommen. Relationale Ästhetik und radikante Altermodernität scheinen auch das theoretische Konzept zu einem Museum in der Globalisierung zu liefern. Belting aber nimmt an, dass »global art« keine spezifische Ästhetik impliziert und für die westliche Kunstkritik eventuell schwer als echte Neuheit – »novelty, and not just the new geographical reach« – zu akzeptieren sei, da sie sich nur ex negativo durch den Verlust fokalisierender Kontexte auszeichne. 221 Damit wäre Bourriauds ästhetischer Entwurf als letztlich zum Scheitern verurteilter Versuch eines westlichen Kunstkritikers anzusehen, der sich auf die Neuheit der globalen Dispositionen stützt, nur um Gegenwartskunst mit Konzepten in den Grenzen der eigenen Institutionen zu erfassen. Mit Beltings Gedanken wird deutlich, dass sich Bourriauds Überlegungen am eigenen Anspruch, eine Ästhetik zu liefern, das heißt, eine Theorie der Kunst und der Voraussetzungen ihrer Wahrnehmung, messen lassen müssen. Eignet sich relationale Ästhetik als Theorie der Ausstellungsorte im 21. Jahrhundert? Dem geht implizit eine der frühen kritischen Auseinandersetzungen nach. Brian Holmes fragt, ob Museen in der Globalisierung zu sozialen Laboren werden können. Dazu betrachtet er die Ausstellungen Century City in der Tate Britain (2001) und Au-delà du spectacle im Centre Pompidou (2000–2001)222 und stellt sie dem MACBA in Barcelona gegenüber, das Begegnungen zwischen Künstlern und sozialen Bewegungen organisierte. Mit Ulrich Beck, der in Risikogesellschaft (1986) auf die Unfähigkeit moderner
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demokratischer Verwaltungen und Regierungen zur Kritik der gewichtigen Leitlinien hinwies, fragt er, ob in Museen die notwendige kritische Reflexion des modernen Fortschrittskonzepts der Globalisierung geleistet werden kann. 223 An der Ausstellung in der Tate Britain diskutiert Holmes die Frage, welcher Bezug zwischen dem Inviduum und dem Museum in einem Zeitalter besteht, in dem urbane Welten wie Bilder in einer globalisierten Tourismuswirtschaft konsumiert werden. Für die transnationale kapitalistische Klasse lieferten solche Museen nach der Krise des Wohlfahrtstaates einen ästhetischen Gebrauchswert für das eigene Vorankommen in der Wirtschaftsordnung: »Visiter le musée, consommer l’expérience avec justesse, c’est devenir un flâneur mondial – et par là même, accroître ses chances de devenir propriétaire, voire rentier, dans une ville de marque comme Londres.« 224 Die relationale Ästhetik wiederum sieht er neben den Cultural Studies als prägend für die Ausstellung im Centre Pompidou, die seinerzeit über Guy Debords Thesen zur Gesellschaft des Spektakels hinaus die angenommene Passivität des Publikums in Frage stellen wollte. Cultural Studies sieht Holmes hier repräsentiert als »célébration de la différence locale infinie«, und die relationale Ästhetik als Kampfansage, einen Gebrauchswert kommerzieller Massenbilder zu finden; dies geschehe durch die Individualisierung ihrer Rezeption zu mehr oder weniger intimen Kommunikationsmitteln. 225 Er bezieht sich auf die 1996 erschienene soziologische Studie Le Bassin de travail immatériel (BTI) dans la métropole parisienne von Antonella Corsani, Maurizio Lazzarato, Antonio Negri und Yann Moulier-Boutang, die zeigte, dass der Gebrauchswert geistiger Güter ihren Produktionszyklus auto-alimentiert. Damit verdeutlicht Holmes, dass Ausstellungen wie diese auch eine produktive ökonomische Funktion erfüllen, als Gebrauchswert für Menschen, die geistige Arbeit leisten und einen Großteil der Ausstellungsbesucher ausmachen. Daraus ergibt sich seine kritische Frage: »Peut-on parler de ›musée réfléchissant‹ quand le public se reflète au miroir de son propre narcissisme, pour alimenter un cycle productif?« 226 Anders als sein Positivbeispiel des MACBA leiste weder Beaubourg noch die relationale Ästhetik eine soziale Reflexion der Richtung, in die die Gesellschaft sich entwickle. Die relationale Ästhetik situiere Werke als Operatoren zwischen Produktionssphären, wie das zu dieser Zeit noch zu öffnende Palais de Tokyo: »L’exposition de Beaubourg [...] situe l’expérience initiale, la valeur d’usage, dans le pur espace du produit, fût-ce un produit ›relationnel‹. L’art n’est alors qu’un opérateur de transferts entre les domaines de la mode, du design, de la musique, et du cinéma (ce qui est exactement le projet du nouveau Palais de Tokyo, ›site de création contemporaine‹ à Paris).« 227 Brian Holmes konstatiert, um eine Unterscheidung zwischen Wahrnehmung und Denken zu leisten, müsste zunächst die Überzeugung aufgegeben werden, dass Kultur, Politik und Wirtschaft untrennbar miteinander verbunden sind. 228 Genau hier liegt ein springender Punkt der relationalen Ästhetik: Es ist die Theorie zu einer Kunst, in der Kultur, Politik und Wirtschaft aufs Engste verbunden sind. Auf dieser Grundlage wurde das Palais de Tokyo errichtet.
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Mit dieser Sicht kann vorliegend auch kritisch hinterfragt werden, ob Bourriauds Altermodern und Enwezors Intense Proximity tatsächlich die Kunstinstitution zum Ort der Reflexion der Globalisierung machten, oder doch eher im Sinne von Holmes dem Publikum kulturelles Kapital für die interpretative Produktion des eigenen Ichs in der globalen Gegenwart lieferten, da sie auf die kreativen Prozesse der Aneignung von Bildmaterial konzentriert blieben. In dieser Richtung hinterfragt Stephen Wright zeitgleich mit Holmes den Werkbegriff der Gegenwartskunst. Diese stelle sich zunehmend dar als Derivat von Erfahrungen, die der Künstler an anderen Orten mache. Vorliegend ist daran zu denken, dass darunter gerade solche Werke fallen, die Bourriaud als Archipele auffasst, die der »Semionaut« entdeckt, oder Okwui Enwezor als anthropologisches Interesse der Künstler thematisiert. Wright nennt diese unfreiwillig entwurzelte Konzeptkunst »enttäuschende« (»art déceptuel«), da die Erfahrung, von der sie zeugt, bewusst unerfahrbar bleibt. Es sei eine »deaktivierte« Kunst, »de fades ersatz d’une activation qui a eu lieu ailleurs«. 229 Da er einen nicht-normativen Werkbegriff sucht für Kunst, die sich nicht im materiellen Objekt, sondern im Entstehen konstituiert, kommt Wright auf relationale Ästhetik zu sprechen. Er lehnt sie als normativ ab, da sie am Werkbegriff festhalte. Warum unternehme die Esthétique relationnelle solche Verrenkungen (»contortionnisme«), das einzelne Werk – für Bourriaud ein »Punkt auf einer Linie« – beizubehalten, wenn doch für den Künstler die Mäander der »Linie« zählten? 230 Wright argumentiert, es handele sich gar nicht um eine ästhetische Theorie, sondern eine »parteiische Theoretisierung« einer »Tendenz« in der Kunst der Gegenwart. 231 Er schlussfolgert, die soziale Architektur der Museen sei dringend zu klären – andernfalls drohten mehr Enttäuschungen: »Tant que l’on aura pas repensé de fond en comble l’architecture sociale de nos musées – à savoir, leur valeur d’usage – nous devrons nous satisfaire d’un art toujours plus déceptuel.« 232 Holmes und Wright weiten den Gebrauchswert der Kunst auf Museen aus. Die Unterscheidung von »Gebrauch« und »Gewöhnung« nahm schon Benjamin im Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit vor, besonders eingehend am Beispiel der Architektur. Den Gebrauchswert betonen, heißt, die Rezeption des Werks an ihre ursprüngliche kultische Funktion in der Konstitution einer sozialen Gemeinschaft zurückzuführen. Der Ausstellungswert dagegen ist wiederum Ausgangspunkt einer der frühesten kritischen Analysen des Verhältnisses des Palais de Tokyo zur relationalen Ästhetik. Der Ausstellungshistoriker Jérôme Glicenstein monierte im Jahr der Eröffnung 2002 die Distanz der Ausstellungssituationen zur gesellschaftlichen Realität. In einem Schlussabschnitt seines Textes vertieft er unter der Überschrift »Post-scriptum sur la question des ›modèles‹ et de la ›modélisation‹« die Kritik, dass die kuratorischen Szenarien die abgeschlossene Blase des Museums von der sozialen Realität entfernten. Damit bezieht er sich auf Bourriauds Begriff der »modélisation«, wonach zeitgenössische Kunst zukünftige Weltentwürfe »modelliere«. 233 Dagegen wendet Glicenstein ein, als Labor neuer Kunstmodelle verstärke das Palais de Tokyo mit seinen diversen
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Formaten gerade die »sakralisierende«, »ästhetisierende« Wirkung des Museums. 234 Er zitiert dazu Bourriaud, der in der Esthétique relationnelle diesen Gedanken schon vorwegnahm. Bourriaud argumentierte, es wäre »absurd«, ein relationales Kunstwerk nur nach seinem sozialen oder politischen Inhalt beurteilen zu wollen, und seinen ästhetischen Wert zu vernachlässigen. 235 Glicenstein findet es schwierig, so zu tun, als sei die Wertzuschreibung an kollektives Verhalten als soziale Plastik in einer Ausstellung als »Zwischenraum« nicht eine vollständige Absage an soziale oder politische Effektivität. 236 Was Glicenstein kritisiert, ist letzten Endes die Verstärkung des Ausstellungswertes im Sinne Benjamins. Damit zeigt sich die ganze Dimension des Problems: Die Sakralisierung der Alternative zur passiven Rezeption des Kunstwerks trägt letztlich nur zur Ästhetisierung der Rezeptionserfahrung und des Ausstellungswertes bei. Während diese ersten drei Positionen der Kritik relationale Ästhetik an der sozialen Gemeinschaft und globalisierten Gegenwart messen, haben andere ihren Bezug auf die Moderne und die damit einhergehende geschichtliche Hybridisierung des Kunstwerks im Palais de Tokyo erkannt. Die Frage, die sie im Kern verbindet, ist: Kann eine Gegenwartskunst, die die eigene Aktualität und zeitliche Begrenztheit derart zum Prinzip erhebt, noch transhistorisch sein, oder ist sie selbstgenügsam, auf sich selbst bezogen, bei aller intendierter »Offenheit« solipsistisch? Die Kritikerin Carole Boulbès hegte in einem Aufsatz über die ersten vier Monate des Palais de Tokyo Zweifel in dieser Richtung. Als Grundlage des Hauses erkennt sie die Thematisierung des Ausstellungsortes als Monument, die in der Nachfolge von JeanHubert Martins Les Magiciens de la Terre 1989 gegen die Geschlossenheit eines historischen Entwicklungsmodells der Moderne eingesetzt wird. Sie zitiert dazu die Absicht der Gründungsdirektoren, eine Plattform der »offenen ästhetischen Debatte« zu schaffen. Durch die Betonung von Dekonstruktion und Flexibilisierung werde das Monument als Bezugspunkt zum wichtigen Baustein einer hybriden Konzeption »offener« Geschichte »im Werden«. 237 In der Verbindung von Globalisierung und Humanismus sieht sie ein zunehmend häufiges Kennzeichen von Ausstellungskatalogen und Biennalen. Der Aussage von Jérôme Sans, es handele sich nicht darum, einen neuen Humanismus zu schaffen, sondern »dem Publikum die Hand zu reichen« und ihm die Mittel »zum verstehen und dialogieren« zu geben, stellt sie den Titel des Programm-Manifestes des Zentrums gegenüber, Penser global et agir local. 238 Sie weist darauf hin, dass dieser wohl erstmals 1972 von René Dubos auf einer Umweltkonferenz der UNO geprägte Slogan des »Think global, act local« für ein experimentelles Kunstzentrum banal erscheine, zumal Kommunikationswissenschaftler gezeigt hätten, dass er vor allem den Diskurs der Legitimation globaler Expansion und wirtschaftlicher Konzentration in den 1980er und 1990er Jahren begleitet habe. 239 Boulbès zitiert weiter Jérôme Sans’ Vergleich der Arbeit eines Kurators mit der eines Botschafters, der geografische Grenzen überwinde, um neue Dialoge in der »grande culture pop internationale« zu erschaffen. 240 Sie kritisiert zunächst das Schlagwort von den
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»neuen Dialogen«: »L’omniprésence de cette notion est à la fois rassurante (elle va de soi) et d’une inquiétante banalité.« Zudem sei nicht klar, wie die Auswahl der vielen Veranstaltungen erfolge. Der Begriff »Dialog« solle wohl einen intimeren Eindruck schaffen und die Assoziation von manipulativen Methoden der kommerziellen Werbung seit den 1980ern verhindern, die sich häufig mit dem Ausdruck »Kommunikation« verbänden. 241 Die wahre Neuerung sieht sie nicht in relationaler Ästhetik oder »internationaler Popkultur«, sondern den Ausstellungen des Kameruners Pascale Marthine Tayou, dem von Meschac Gaba aus Benin gestalteten Salon und Kay Hassans Arbeit über Johannesburg: Transnationale, interindividuelle Begegnungen statt einer Aneinanderreihung internationaler Werke. 242 Boulbès kritisierte die selbstgestellten Ansprüche des Zentrums als letztlich banal. Sie seien inadäquate Prinzipien für eine »histoire en devenir«. Man kann darin aber auch ein grundlegendes Problem des zeitgenössischen Kunstwerks erkennen, in das sich die relationale Ästhetik einschreibt: Die Unfähigkeit des Umgangs mit der eigenen zukünftigen Historizität. Der Kunsttheoretiker Norbert Hillaire hat dies als Symptom einer seit der Moderne anhaltenden Krise der Transmission des Kunstwerks beschrieben und dazu Versuche der modernen Kunst, mit der historischen Tradition einer künstlerischen Technik zu brechen, nachvollzogen. Sie wollten den ganzen poetischen Gehalt, die künstlerische Produktion, statt aus der Übersetzungsleistung der techné aus der Realisierung des Werks selbst herleiten. Nach Hillaire entspricht diese Haltung der ständigen Orientierung der Gesellschaft auf Zukunft und Erneuerung und verbindet unsere Zeit mit jener der Avantgarden. 243 Unter diesem Blickwinkel finden relationale Werke und solche, die Ausdruck der eigenen zurückgelegten Wegstrecken sind, in Hillaires Worten, in ihrer eigenen »prophétie autoréalisatrice« den Sinn und das Modell ihrer Schaffung, frei von allen technischen Zwängen der Vergangenheit. Damit riskiere das zeitgenössische Werk aber, wie die avantgardistische Moderne, solipsitisch zu erscheinen und müsse Gegenstrategien entwickeln. Diese »Krise der Transmission« sei aktuell, denn wenn es sich nicht mehr mit einer definierten Sache identifiziere, und dauerhaft erkennbar und Gegenstand von Interpretation sein kann, stelle sich die Frage, welchen Wert das einzelne Kunstwerk außer seinem Warenwert noch haben könne? 244 Relationale Ästhetik dient Hillaire als Beispiel für Werke, die sich den traditionellen Regeln der Rezeption und Interpretation entziehen, und auch aus hermeneutischen Modellen herausführen, in denen die Partizipation in sogenannten »offenen« Werken noch vollständig vom Künstler bestimmt wurde. Er fragt, ob Gegenwartskunst wie die relationale einem gänzlichen Verzicht auf alles transhistorische Nachleben gleichkomme. Als Reaktion auf diese Krise identifiziert er ein Modell, das die Inanspruchnahme von Gegenwärtigkeit zum Prinzip von Kunstwerken erklärt, dem auch die theoretischen Modelle Bourriauds entsprechen – Hillaire spricht von »présentification« der Werke. 245 Allerdings hätten schon die Avantgarden die Krise der Transmission zum Prinzip erklärt und einen Zugang zur eigenen Historizität
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gesucht. Hillaire bestimmt diese Kunstwerke im Sinne des »futur antérieur« mit Walter Benjamins »Engel der Geschichte« als Wunsch, Kunstwerke ungeachtet der unaufhaltsamen Gewalt des Fortschritts in einer Bewegung in die Zukunft ohne »Jetzt« zu denken, in der zugleich eine kommende Vergangenheit sichtbar wird: »Non pas de purs ›voici‹, ni des ›ce sera‹, encore moins des ›ça a été‹, mais plutôt des ›ça aura été‹. [...] Au sens où, tel l’ange de Paul Klee [...] le futur et le mouvement du progrès sont cette tempête irrésolue qui nous pousse vers l’avant [...]. La modernité est elle-même cette crise des modèles de transmission, et de la temporalité comme crise.« 246 Hillaire, ein Theoretiker des Verhältnisses von Kunst und neuen Technologien, sieht eine gegenwärtige Entsprechung dazu in Werken, die besonders den digitalen Einfluss auf Erinnerungsformen nutzen, um eine räumliche und zeitliche Öffnung zu realisieren. Vorliegend hilft seine Analyse aber vor allem deutlich zu machen, dass die relationale Ästhetik in ihrer Betonung der situativen Gegenwart riskiert, das Werk als sein eigenes Modell interpretativen und hermeneutischen Zugängen zu verschließen. Anders als seinerzeit avantgardistische Kunst kann sie nicht nach einer Lösung der Krise der Transmission suchen, da sie nicht diese Krise, sondern die Aktualität zum Grundprinzip macht. Dass sie immer wieder den Bezug auf Avantgarden und Moderne sucht, wird damit verständlich, löst aber nicht das Grundproblem. Das Problem der Transmission wird dort aktualisiert, wo relationale Kunst zwischenzeitlich selbst historisch geworden ist. So beklagte Christina Linden in einer Besprechung von theanyspacewhatever im Guggenheim New York 2008–2009, dass diese Ausstellung mit Künstlern, die Nicolas Bourriaud gefördert hatte und die in Europa häufig zusammen ausstellten – Angela Bulloch, Maurizio Cattelan, Dominique Gonzalez-Foerster, Liam Gillick, Douglas Gordon, Carsten Höller, Pierre Huyghe, Jorge Pardo, Philippe Parreno und Rirkrit Tiravanija – nur Kennern der Geschichte der Diskurse um die »relationale Ästhetik« voll verständlich gewesen sei. 247 Mit der Schau solle eine Kanonisierung vorgenommen werden. Dass Kuratorin Nancy Spector den Begriff »relationale Ästhetik« vollständig vermeide sei aber problematisch. Sie habe wohl eine solche Generalisierung vermeiden wollen, wie sie Bourriaud selbst 2005 im Vorwort zur zweiten englischen Auflage von Postproduction als zwischenzeitliche Kodifizierung der Werke dieser Künstler beklagte. Aber nicht jeder verfüge über das nötige Hintergrundwissen. Der bloße partizipative Charakter der Werke mache diese noch lange nicht allen zugänglich, zumal andere künstlerische Vergleichsmodelle fehlten: »The show was caught somewhere between trying to resist generalization and needing to present a historical context. [...] Herein lies the problem with attempting to present the exhibition as something other than a historicizing move: without something to push off against, these projects as a group get lost in a wash of their own mutability.« 248 Das Ausstellungsproblem weitet wiederum Éric Alliez auf den Kontext der sozialen Wirkung aus, wobei er den Bezug auf Deleuze und besonders Félix Guattari in Bourriauds Esthétique relationnelle kritisch untersucht. Der Wunsch, mit Prinzipien der
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Konzeptkunst der Jahre der Protestbewegungen zu brechen, und gleichzeitig »MikroUtopien« sozialer Gemeinschaften im Alltag herzustellen, sei ein postmoderner Widerspruch. Der Bruch gelinge nur, indem die relationale Ästhetik Praktiken der 1960er und 1970er Jahre aufgreife – Räume der Geselligkeit neu zu interpretieren, nachhaltige Formen für Entwicklung und Konsum suchen, »zarte« Energie in Zwischenräume existierender Bilder einschieben – und diese zugleich in eine »Mikropolitik der Intersubjektivität« lenke, wo sie nur für ihren formalen Ausstellungswert stehen, »une micropolitique de l’intersubjectivité censée valoir pour forme-exposition exclusive (du jeu et des enjeux) de l’art contemporain«. 249 Sie formuliere sich als eine auf Kategorien des Konsens aufbauende »Alternative« zur Postmoderne. Das Ergebnis sei im Effekt gegenteilig zu einer Politik, in der Kunst zum Leben wird; die Struktur zwischenmenschlichen Austauschs werde künstlerisch formalisiert zur Basis einer Ethik einer ästhetisch-relationalen Gemeinschaft, die als Haltung vom normalen Leben getrennt ist. 250 Einen ähnlichen Gedanken formulierte George Baker 2002 in einem Katalog- und Essayband, den Yilmaz Dziewior am Kunstverein in Hamburg zur Ausstellung Zusammenhänge herstellen herausgab, die gesellschaftsrelevante, ortsspezifische und konzeptuelle Strategien vor dem Hintergrund der in den 1990er Jahren prominenten Ansätze von recherchierender, kontextbezogener und institutionenkritischer Kunst in den Blick nahm. In einem offenen Brief an Nicolas Bourriaud sieht Baker dort Postulate von Relationalität als Kunst, die den »Nutzen« von Institutionen erhöhten, die – wie das junge Palais de Tokyo – neue öffentliche Positionen anstrebten. Er mutmaßt, künstlerisch lasse sich dies wohl am ehesten als »kompensatorische Maßnahme angesichts des erschütternden Mangels von Relationalität im gegenwärtigen sozialen Leben dekodieren«. 251 Dagegen wollte Baker eine künstlerische Strategie setzen, die er als »gegen-relationale« Ästhetik bezeichnete, die »statt einer unmittelbaren Gemeinschaftlichkeit und Geselligkeit eher den Bruch oder Riss in sozialen Ordnungen« abbilde. 252 Die Kritik von Éric Alliez trägt nicht ohne Grund im Titel den Rekurs auf die Auseinandersetzung von Deleuze mit der Kontrollgesellschaft in Post-scriptum sur les sociétés de contrôle. Der Rekurs auf Deleuze und Guattaris Analyse der Bedeutung des Marketings im Dienstleistungskapitalismus als Labor der Kontrollgesellschaft dient ihm zur Analyse der Produktionsmodi des Kommunikationszeitalters in der relationalen Ästhetik. Das vorletzte Kapitel von Bourriauds Esthétique relationnelle, das sich mit dem »Nouveau paradigme esthétique« Guattaris auseinandersetzt, führe deren Entwicklung eines Dissens der künstlerischen Praxis auf eine Formenpolitik zurück, die Kunst bloß zu einem Wiedererleben der politischen Erfahrung der Protestjahre stilisiere. Diese vermeintliche »re-Humanisierung« der Postmoderne beruhe tatsächlich auf Re-Stilisierung und entziehe der Kunst ihr Potential. 253 Guattari sah künstlerische Praxis als Möglichkeit, der wirtschaftlichen Zentralisierung der Produktion von Subjektivität entgegenzutreten. Alliez sieht eine »Schizophrenie« der relationalen Ästhetik in der Annahme, kapitalistische Kommunikationsstrukturen nutzen zu können um Alternativen zur Ausdehnung
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der Produktionslogik auf alle Lebensbereiche in der Kontrollgesellschaft zu finden: »C’est toute la ›schizophrénie‹ de l’esthétique relationnelle quand elle veut consensuellement conférer à ses effets de surf sur les nouveaux universaux de la communication une fonction de démocratisation alternative...« 254 Relationale Ästhetik sei ein Symptom der Entwicklung »diagnostiqué et dénoncé par Deleuze et Guattari, où ›les seuls événements sont des expositions, et les seuls concepts, des produits qu’on peut vendre‹«. 255 Die Frage der Stichhaltigkeit des demokratischen Wertes der relationalen Ästhetik bestimmt auch eine kritische Auseinandersetzung von Toni Ross aus dem Jahr 2006. Er greift wie Alliez den Aspekt des Konsens auf, sucht jedoch aufzuzeigen, dass Bourriauds Konzept Vorläufer sowohl im marxistischen Denken von Demokratie als auch bei Kant hat. Er konstatiert, dass relationale Ästhetik zwei gegenläufigen Annahmen zu ensprechen versucht. Dem Marx entlehnten Konzept des »Zwischenraumes« für Lücken in einem größeren System, die dessen Regeln nicht unterliegen, widerspreche, dass die Theorie eine Dekonstruktion der modernen Autonomie des Werks fortsetzt, wonach Kunst kein autonomer, symbolischer Bereich sei, sondern mit allen anderen Aktivitäten des menschlichen Lebens in Verbindung steht. 256 Damit stünde das Werk einerseits im Netzwerk des globalen Kapitalismus, andererseits solle es Freiräume schaffen, die von den vorgegebenen Verhaltensmustern des Alltags abweichen und nach Bourriaud in Guy Debords Sinn zur Bekämpfung der Unterhaltungsformen neue Bezüge zwischen Menschen herstellen. Mit der Frankfurter Schule und Adorno, für den Ästhetik ein Gegenmittel zur modernen Herrschaft der instrumentellen Vernunft in ökonomischen Systemen zur Standardisierung von Verhalten und uniformer Geschmäcker gewesen sei, vermutet Ross, dass eine ältere Idee des »Zwischenraumes« aus der marxistischen Ästhetik in Bourriauds Idee übertragen wurde. 257 Er weist auf die heutige, formelhafte Verbreitung der Konzeption des ästhetischen Bereiches als Raum nicht-formelhaften Denkens hin. Schon Kant habe ästhetische Wahrnehmung in der Kritik der Urteilskraft als eine »konzeptuelle Opazität« verstanden, da zur Beurteilung eines Objekts kognitive Transparenz und utilitaristische Zweckmäßigkeit überwunden werden müssen zugunsten einer Reflexion der potentiell unendlichen Gefühlsreaktion, die durch Sinneseindrücke ausgelöst wird. Bourriauds Konzept erkläre zwar, Kant zu überwinden, unterscheide sich aber nur graduell davon, da es eine kognitive Nicht-Greif barkeit impliziert aufgrund der sowohl induzierten, als auch unmöglich gemachten Erkenntnis von Konzepten. 258 Ebenso erscheint Ross das Gewicht, das dem Konsens zugesprochen wird, nicht neu. Bourriaud verstehe »Demokratie« in relationalen Kunstwerken als Struktur, in der disparate Elemente sozial zusammengeführt werden, um ein größeres Ganzes alternativ zu kapitalistischen Netzwerkstrukturen zu bilden. 259 Das entspreche einer liberalen Konzeption von Demokratie, deren Konsens-Politik darauf abziele, alle Sektoren und Differenzen der Gesellschaft einzugliedern. 260 In einem weiteren Schritt betont er mit Rancière, wie wichtig ein Element des Dissenses für die demokratische Bedeutung von
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Kunst ist. Demokratische Gemeinschaftlichkeit konstituiere sich eben, anders als in der Auffassung der Gleichheit aller an einem Werk beteiligter Elemente, auch durch möglichen Dissens. 261 Die Frage, ob relationale Kunstwerke politisch radikal sind, hat an selber Stelle auch Anna Dezeuze in einem Beitrag über Verhältnisbestimmungen von Kunst und alltäglichem Leben aufgegriffen. Sie stellt dabei Arthur C. Dantos ontologische Auseinandersetzung mit der Polarität von Kunst und Alltäglichem, mit der dieser Pop Art und Fluxus betrachtete, Nicolas Bourriauds »fluiderem« Konzept der Kunst als »Zwischenraum« gegenüber. 262 Dezeuze macht darauf aufmerksam, dass Bourriaud wie Danto eine universelle Definition des Alltäglichen voraussetzen. Mit Michel de Certeaus L’invention du quotidien (1: Arts de faire, 1980) zeigt sie, dass die alltägliche Handlung, die Bourriaud im »Zwischenraum« nicht weniger studierenswert erscheint als die »messianischen Utopien« der Moderne, mit jenen Handlungen korrespondiert, die Certeau als »Taktiken« von »Strategie« unterschied. 263 Letztere sei nach Certeau ein manipulatives Machtmittel in Situationen, in denen der eigene Raum und der eines anderen nicht klar getrennt seien. Taktiken dagegen setzen sich im Raum des anderen mit dominanten Strukturen zu eigenen Gunsten auseinander. 264 Die Frage der politischen Radikalität der relationalen Ästhetik muss daher mit Dezeuze und Certeau gemessen werden an ihrem Potential zur Subversion der alltäglichen Handlung, in die sie sich einschreibt. Für Dezeuze ist problematisch, dass Bourriaud nicht klar macht, gegen welche Form von Kommerzialisierung und Verdinglichung sozialer Beziehungen sich relationale Kunst richtet: »Perhaps there is even a deliberate decision on the part of Bourriaud to elude, for the sake of packaging a new generation of artists, the crucial question of how exactly interpersonal relations have become commercialized and spectacularized, and how getting together to have a curry with Tiravanija somehow resists this state of things.« 265 Tiravanijas Werk etwa bediene sich der Register des »symbolischen Kapitals« in der Globalisierung und offenbare die symbolische Homogenisierung von Kulturen. Relationale Kunst träume nicht, wie seinerzeit Fluxus, von einer Befreiung des Alltags vom Warencharakter sondern nehme institutionelle Strukturen und Autorenkonzepte wieder bereitwillig an. 266 Die Kritik der relationalen Ästhetik als einer konsensual apolitischen Theorie, die den Dissens und die Revolution explizit überwinden wolle, findet sich auch in einem Beitrag von Aude de Kerros über öffentliche Debatten zur Definition der zeitgenössischen Kunst in Frankreich seit den 1970er Jahren. Sie stellt die These auf, dass mit Jack Langs Übernahme des Kulturministeriums 1981 und der folgenden Schaffung der Délégation aux Arts plastiques eine Bürokratisierung der zeitgenössischen Kunst eingesetzt habe. Erst um 1975 habe der Begriff »Art Contemporain« die Bezeichnung »Art Conceptuel« sukzessive ersetzt, um letztere als »zeitgenössische« von »moderner« Kunst zu unterscheiden. Langs DAP habe diese dann durch besondere Förderung als »avant-garde institutionelle« gefestigt. 267 Damit sei es zu einer paradoxen Situation gekommen, denn
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die in den USA und vor allem New York etablierte konzeptuelle »zeitgenössische« Kunst als Abbild des amerikanischen Liberalismus sei in Frankreich damit zur »offiziellen« Kunst der Linken unter Mitterand geworden und im Diskurs als »revolutionär« ausgelegt worden. Die institutionelle Legitimierung habe ihr aber das subversive Potential geraubt. 268 Aude de Kerros zeichnet die Legitimitätskrise und die öffentlichen Debatten nach, die besonders heftig ausgetragen wurden nach einem Artikel Jean Baudrillards in Libération 1996, der stark kritisierte, dass zeitgenössische Kunst Gegenstandslosigkeit zum Programm erkläre. 269 In ihrer Abrechnung mit der »Kunstbürokratie« Frankreichs kritisiert sie Theorien wie Bourriauds als Versuche, öffentlich geförderte Kunst zu legitimieren. Sie wirft ihnen eine Vermengung von Diskurs und Kritik zu einer »Autokritik« vor, die möglicher tatsächlicher Kritik vorgreife. 270 In der Zurückweisung des revolutionären Potentials von Kunst und der Akzeptanz der Verhältnisse sieht sie den Ausdruck eines »totalen Pluralismus«, in dem Kultur zum kapitalistischen Gebrauchssymbol wird. Pointiert kritisiert sie das in Postproduction entwickelte Bild vom »formalen Kommunismus« des partizipativen Kunstwerks: »[...] les nouveaux théoriciens veulent se dégager de l’utopie du progrès qui a fait le lit des idéologies totalitaires du XXe siècle. Ils s’en déclarent exempts par l’affirmation d’un pluralisme total. [...] Nicolas Bourriaud va trouver quelques finalités nouvelles. [...] C’est le ›communisme formel‹. Ainsi, il a fallu que le mur de Berlin tombe pour que l’utopie communiste se réalise enfin, de façon symbolique et ›spirituelle‹, au coeur du monde capitaliste!« 271 In eine ähnliche Richtung argumentiert der Kunsthistoriker und Kritiker Tristan Trémeau. Schon 2002 identifizierte er zusammen mit Amar Lakel in einem Konferenzbeitrag am Centre Pompidou relationale Ästhetik als Symptom einer bürgerlichen reaktionären Haltung, die eine Tradition der Pastorale in der Gegenwartskunst fortführe als »Rückkehr« zu »natürlichen Werten« und damit ideologisch einem Klassenstandpunkt Vorschub leiste. 272 Sie kritisieren, dass das Kunstwerk epistemologisch letztlich nur als Kommunikationsmittel begriffen werde. 273 In einem 2011 in Buchform publizierten Essay setzt sich Trémeau kritisch mit dem 2004 gegründeten, in New York ansässigen Artist Pension Trust (APT) auseinander. Er fragt, »Et si l’esthétique relationnelle avait été avant tout une économie?«, und argumentiert, in der Nachwirkung des Börsenkrachs Ende der 1980er Jahre sei die relationale Ästhetik ein Abbild der kollaborativen Ökonomie der Arbeit und Vernetzung von Kuratoren, Künstlern und Institutionen. 274 Die Sprache vieler ihrer Ausstellungen in Frankreich 275 zeige eine Verdrängung des Kollektivs durch das Netzwerk und die von Jean-François Lyotard beschriebene Versachlichung von Wissen zur informationellen Warenform. 276 Mit Bedenken Robert Storrs, des Kurators der Venedig-Biennale 2007, gegen den APT weist er darauf hin, dass dieses Modell Künstler zu Warenproduzenten reduziere und die Arbeit von Kuratoren, die mit APT
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und dessen Nebenformaten assoziiert sind, auf Prozesse der Spekulation. Darin sieht er eine Spiegelung der relationalen Netzwerke der 1990er Jahre, und mit der Bezahlung des Personals von Institutionen als Berater einen Verstoß gegen Verhaltensregeln des ICOM. 277 Wie das Konzept einer »zeitgenössischen Kunst« aber überhaupt in der ästhetischen Kunstphilosophie Einzug hielt, hat Aleš Erjavec untersucht. Er zeichnet die Postmoderne als erstmalige Möglichkeit zur Historisierung der Moderne, die damit erst eine Befreiung von deren »Totalisierungen« leistete und nachfolgenden Theoriebildungen den Weg ebnete. 278 In dieser Zeit hätte sich die Mehrzahl der ästhetischen Theorien aber von der Kunst entfernt und stärker politischen, moralischen und ethischen Aspekten zugewandt. Mit drei Positionen zeichnet er eine Wiederannäherung der ästhetischen Theorie an die zeitgenössische künstlerische Praxis nach – Nicolas Bourriauds relationaler Ästhetik für die 1990er Jahre, Jacques Rancières Arbeiten zu ästhetischen und repräsentativen Regimen in der abendländischen Geschichte zehn Jahre später, und den Arbeiten des Kunsthistorikers Terry Smith zur zeitgenössischen globalen Kunst. Zu Recht nimmt er an, dass Bourriaud eine theoretische Lücke schloß. Er macht die wichtige Beobachtung, dass diese zu einem Zeitpunkt Aufmerksamkeit erregte, als neue kreative Kunstentwicklung auch in den ehemaligen Staaten des Ostblocks stattfand. 279 Dass eine solche Theorie bis dato fehlte, könnte an der postmodernen Idee von Kunst als bedeutungslosem Zeichenträger gelegen haben, die keine »kognitive Kartografie« zuließe. Mit Erjavec kann abschließend auf den verdienstvollen Einfluss der relationalen Ästhetik auf die zeitgenössische Kunstkritik hingewiesen werden. Mit Bourriaud sei der zwischenmenschliche Austausch durch Kunst wieder in den Fokus gerückt: »Il a souligné à juste titre que l’une des principales charactéristiques de l’art – de tout art – est et demeure l’instauration de la communication et de l’échange interpersonnel.« 280
REL ATIONALE Ä STHETIK IN DISKUSSIONEN DES NEW INSTITU TIONALISM UND PAR TIZIPATIVER KUNST Von der allgemeinen Kritik setzen sich zwei Bereiche der Auseinandersetzung mit der relationalen Ästhetik im akademischen Diskurs ab: Zunächst der »New Institutionalism«, die Auseinandersetzung mit neuen Arbeitsweisen von Ausstellungsorten, die um 2003 geprägt wurde und seither selbst Gegenstand einer kritischen Diskussion wurde. Daneben die kritische Auseinandersetzung Claire Bishops mit Formen partizipativer Kunst. Ihre Kritik der relationalen Ästhetik führte 2006 zu einer Debatte mit dem Künstler Liam Gillick in der Zeitschrift October und ihrem Buch Artificial Hells: Participatory Art and the Politics of Spectatorship (2012). Da Strukturen und Modi partizipativer Kunstwerke auch Gegenstand des New Institutionalism sind, werden diese beiden Bereiche hier zusammen behandelt.
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NEW INSTITUTIONALISM UND REL ATIONALE ÄSTHETIK Zentrale Figur der akademischen Auseinandersetzung mit dem New Institutionalism ist die Wissenschaftlerin und Kuratorin Claire Doherty. Kurz nach Aufkommen des Konzepts »New Institutionalism« griff sie es 2004 in der engage review auf und untersuchte die Verbindung zu Bourriauds relationaler Ästhetik. 281 Mit der großen Publikation Contemporary Art: From Studio to Situation, die Texte maßgeblicher Autoren, darunter auch Bourriaud, umfasste, gab sie der kritischen Auseinandersetzung mit neuen Formen der Produktion und Ausstellung zeitgenössischer Kunst im selben Jahr eine weitere Grundlage. 282 Das Palais de Tokyo sei eine der »key organisations at the forefront of such debates«. 283 Der Begriff des »New Institutionalism« wurde 2003 vom norwegischen Künstler und Museumsleiter Jonas Ekeberg in der ersten Nummer des vom norwegischen Office for Contemporary Art herausgegebenen Magazins Verksted eingeführt, die Veränderungen der Auseinandersetzung mit Kunst und Publikum in Kunstinstitutionen seit den 1990er Jahren thematisierte. 284 Etwa zur selben Zeit fand eine von Kurator Jens Hoffmann organisierte Ausstellung mit einem Symposium am KIASMA in Helsinki statt, die den Titel Institution 2 trug. Zehn Institutionen der zeitgenössischen Kunst in Europa, darunter das Palais de Tokyo, stellten ihre Arbeitsweisen vor, um »flexible und progressive« Herangehensweisen und Formen des Austauschs mit dem Publikum zu reflektieren. 285 Einige der Teilnehmer von Institution 2 wurden schon in Verksted 1 besprochenen. 286 Im Kunstverein München fand am 25. und 26. Oktober 2003 das Symposium Curating with light luggage statt im Kontext des Projekts Telling Histories: An Archive and Three Case Studies, für das die Direktorin Maria Lind zusammen mit ihren Mitarbeitern Søren Grammel und Katharina Schlieben sowie den Künstlern Mabe Bethônico und Liam Gillick die eigene institutionelle Geschichte anhand von drei Ausstellungsprojekten untersuchte. 287 An diesen drei Ereignissen macht Claire Doherty Kennzeichen des New Institutionalism fest, der sich durch selbst-reflexive Befragung der Rolle und Funktion von Kunstinstitutionen auszeichne. 288 Sie definiert ihn als Bezeichnung einer kuratorischen Praxis, institutionellen Reform und ihrer kritischen Debatte, die Merkmale von zeitgenössischen Kunstwerken übernehmen, die dialogisch und partizipativ vorgehen. 289 Er zeige, dass Kunstinstitutionen heute ein Programm zwischen herkömmlicher Präsentation und der Arbeit »performativer Kuratoren« leisten müssen. 290 Das Palais de Tokyo ist für Doherty Beispiel einer gelungenen Balance zwischen visueller Erfahrung und selbstreflexiven Programmen und Bourriauds relationale Ästhetik in Ausstellungen und Publikationen koinzidiere mit den vielen Impulsen des New Institutionalism. Doherty verhandelt in ihrem Aufsatz die Frage nach politischer Wirkung und sozialem Engagement partizipativer Formen. Der New Institutionalism stehe klar in der vierzigjährigen Tradition institutioneller Kritik, die auf so einflussreiche Künstler wie
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Daniel Buren, Hans Haacke, Michael Asher und Mierle Laderman Ukeles zurückgeht und sei historisch rückverfolgbar bis zum Kurator des Landesmuseums in Hannover Alexander Dorner, der in den 1920er Jahren forderte, das Museum müsse wie ein »Kraftwerk« ein Produzent »neuer Energie« werden. 291 Hier erinnert diese Forderung an die beim Bau des Palais de Tokyo gewünschte Einbindung des Museums in den urbanen Rhythmus oder die Ausschreibung zum Centre Pompidou, die einen »dynamischen Generator im urbanen Umfeld« forderte. Die Besonderheit des New Institutionalism liegt darin, dass erstens relationale oder sozial engagierte Arbeitsweisen dominant werden in der Mainstream-Strömung der zeitgenössischen Kunst, zweitens öffentliche Gelder und Projekte zur urbanen Erneuerung die Konzeption neuer Ausstellungsorte ähnlich begünstigen, wie drittens die globale Biennale-Kultur den Austausch über experimentelle Präsentationsmodelle. 292 Doherty weist auf die Gefahr hin, dass kuratorisches Interesse an Vermittlungsmodellen eine künstliche Nachfrage nach einschlägigen Werken schaffen könne. Nicolas Bourriaud habe dies vermieden durch die Unterscheidung zwischen seiner theoretischen Arbeit und der kuratorischen am Palais. 293 Demgegenüber hat sich vorliegend allerdings gezeigt, dass eine Trennung von Bourriauds theoretischen Arbeiten und seiner kuratorischen Praxis am Palais de Tokyo kaum haltbar ist. 294 Dass relationale Ästhetik zu einer vermeintlichen Doktrin des New Institutionalism geworden ist, führt Doherty auf ein Missverständnis des Konzepts der »Partizipation« zurück. Dieses müsse von »Interaktion« und »Kollaboration« unterschieden werden. Relationale Ästhetik beschreibe nicht die Rolle der Kunstinstitution und unterscheide sich auch von künstlerischen Formen des direkten sozialen Engagements. 295 Doherty nimmt sie damit implizit in Schutz gegen den Vorwurf der unzureichenden politischen oder gesellschaftlichen Wirkung. Die eigentliche Herausforderung liege in einer durch den institutionellen Kontext vorkonditionierten »role play« und passiven Rezeptionshaltung, der institutionelle Rahmen unterscheide sie vom »real play«. 296 Dagegen habe sich das Palais de Tokyo in einem »spezifischen sozialen und kulturellen Kontext« angesiedelt und zahlreiche flexible Formen der Arbeit mit Künstlern gefunden, wobei die herkömmliche Ausstellung als Medium nicht aufgegeben werde sondern kombiniert mit anderen Formen. Damit gelinge eine Balance zwischen visueller Erfahrung und selbstreflexivem Programm. 297 Einige Jahre später nahm Doherty ihren Text im Reader zum Ausstellungsformat Protections in Graz 2006 wieder auf. Der Hauptteil folgt dem früheren, jedoch hat sie eine Schwerpunktverlagerung vorgenommen: Statt »Contemporary Art and New Institutionalism« behandelt sie nun New Institutionalism and the Exhibition as Situation. 298 Auch fiel die Auseinandersetzung mit der relationalen Ästhetik Bourriauds weg. An ihre Stelle trat, mit dem neuen Ziel »to go beyond the rhetoric of New Institutionalism«, eine Auseinandersetzung mit der Ausstellung als »Situation«, sowie mit Miwon Kwons Untersuchungen zu dem immer stärkeren Druck auf Ausstellungsprojekte, lokal
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mit Beteiligungsformen zu agieren und gleichzeitig global zu sprechen; dies führe dazu, potentielle »Gemeinschaften« herauszuheben und Kunst auf eine bestimmte Agenda festzulegen. 299 Das Konzept der »Situation« scheint besser geeignet als relationale Ästhetik, die Frage der Partizipation auf die Stellung der Kunstinstitution in der Gesellschaft zu übertragen. 300 So sieht Nina Möntmann eine Gefahr konzernbestimmter Logiken in Institutionen, die abhängig sind von Sponsoren und Politik, die von einem homogenen Konzept der »Öffentlichkeit« ausgehen. 301 Kuratorin Maria Lind, eine zentrale Akteurin des Diskurses, bezeichnet selbst das Konzept des New Institutionalism in einem Rückblick 2013 als etwas beschränkend. Die gegenwärtige Arbeit an Institutionen wie dem Van Abbemuseum und Stockholms Tensta Konsthall stehe in Verbindung zum seinerzeitigen Versuch, Institutionen zu verändern. Aber in den frühen 2000er Jahren sei die Situation eine andere gewesen, da es hieß, sich zu immer offensichtlicheren Auswirkungen der Globalisierung und dem Abbau des Sozialstaates in Nordeuropa zu verhalten. 302 Dass in den Jahren nach Bourriaud und Sans die Zahl selbstreflexiver Formate im Palais de Tokyo abnahm, scheint damit Claire Dohertys Einschätzung zu bestätigen, dass es sich bei solchen Impulsen um Ausnahmen handelt: »It seems perhaps that such projects may continue to remain the exception rather than the norm, best produced through the institutions’ off-site programmes and for international biennales, than within the walls of the institution itself.«303
CL AIRE BISHOPS KRITIK AN BOURRIAUD IN OCTOBER 2004: ANTAGONISMEN VERSUS KONSENS Relationale Ästhetik steht auch im Zentrum der kritischen Frage nach der künstlerischen und politischen Natur partizipativer Formen. Als eine der »artikuliertesten Kritikerinnen partizipativer Kunst und der ihr zugrunde liegenden theoretischen Legitimationen« (Texte zur Kunst)304 gilt Claire Bishop. Sie legte 2004 die komplexeste unter den frühen Kritiken der relationalen Ästhetik vor und anschließend das Buch Artificial Hells, eine Geschichte der sozialorientierten partizipativen Kunst. Das »baustellenartig« belassene entkernte Palais de Tokyo – das sie fälschlicherweise als ehemaligen japanischen Pavillon der Expo 1937 bezeichnet – gilt Bishop als Eingangsbeispiel für ein neues kuratorisches und institutionelles »laboratory paradigm«, den Versuch, den »White Cube« mit experimentellen Ausstellungsformaten neu zu konzipieren. 305 Bishop stellt das Palais de Tokyo an den Ausgangspunkt der Frage, ob sich die politische Relevanz relationaler Kunstwerke daran entscheidet, ob sie als demokratisch anzusehen sind. Statt der sich immerfort wandelnden Interpretation eines Werkes werde nun das Werk selbst als in einer ständigen Entwicklung befindlich angesehen. Die Distanzierung von »bürokratiebeladenen« sammlungsbasierten Museen gäbe Kunstinstitutionen
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im Zeitalter der Erfahrungswirtschaft eine »aura of being at the vanguard of contemporary production«. 306 Eine solche Aura strebten auch Bourriaud und Sans mit ihrem Konzept für das Palais de Tokyo an: »L’impression d’ensemble doit être celle d’une proximité avec la création contemporaine des acteurs.«307 Bishop nennt dies »institutionalized studio activity«; die Bevorzugung von »open-endedness over aesthetic resolution« diene oft genug nur dem Statusgewinn des Kurators als Bühnenmanager der Laborerfahrung. 308 Als Beispiele solcher Praxis nennt sie Michael Lins Gestaltung des Bar- und Café-Bereichs und die wechselnde Gestaltung des Salon im Palais de Tokyo. Bishop konzentriert sich auf das Palais de Tokyo aufgrund von Bourriauds relationaler Ästhetik, und besonderes sein Argument, relationale Werke vollzögen zwar einen Bruch mit den Prinzipien und Zielen der Kunst der 1960er Jahre, seien aber nicht weniger politisiert. 309 In der selbstgemachten Gegenwart sähe er politische Bedeutung der relationalen Ästhetik. 310 In einer kritischen Prüfung widmet sie sich zunächst dem Problem der Form des relationalen Werks. Anders als die formal konservativen Werke der Young British Artists sei die formale Natur der relationalen Kunst aufgrund der schwer zu entziffernden Bezüge und häufigen Zusammenarbeit der Künstler schwer zu erfassen. 311 Für Bishop handelt es sich um formale Installationskunst: »It is basically installation art in format, but this is a term that many of its practitioners would resist [...] rather than forming a coherent and distinctive transformation of space [...] relational art works insist upon use rather than contemplation.«312 Die zentrale Kritik Bishops richtet sich auf das theoretische Modell des Kunstwerks als Stifter sozialer Beziehungen. Sie führt jüngere kunstgeschichtliche Vorläufer an wie Happenings, Fluxus, Performancekunst und die Arbeiten von Joseph Beuys sowie Vorgänger, die sich theoretisch mit der aktiven Rolle des Rezipienten befassten, etwa Walter Benjamin in Der Autor als Produzent 1934, Roland Barthes in Der Tod des Autors 1967/1968 und Umberto Eco in Das offene Kunstwerk 1962. Eco habe darauf aufmerksam gemacht, dass jedes Werk potentiell »offen« sei, und seit der Moderne Werke als Spiegel der fragmentierten kulturellen Umwelt für den Rezipienten neue kommunikative Situationen zwischen Gebrauch und Kontemplation schaffen. Bourriaud aber missverstehe dies, indem er die Frage auf bestimmte Werke, die Interaktion forderten, limitiere und damit von der Rezeption zurück zur künstlerischen Intentionalität führe. Eco gehe vom Werk als Spiegel der Existenzbedingungen in einer fragmentierten modernen Welt aus. Bourriaud davon, dass das Werk diese selbst produziere. Aus der Annahme, das Werk könne als soziale Form positive menschliche Beziehungen stiften, folge die zwangsläufige Annahme, es sei politisch und emanzipatorisch. 313 Schon die feministische Kunst der späten 1960er und der 1970er Jahre habe aber, wie sie mit Bezug auf Lucy Lippard festhält, eher in der Form denn im Inhalt des Kunstwerks dessen politische Wirkung gesucht. Mit den Untersuchungen von Rosalyn Deutsche weist sie darauf hin, dass auch Institutionenkritik wie die von Hans Haacke darauf aufmerksam machte, dass die Rahmung des Werks definitorisch sei, während eine Nach-
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folgegeneration mit Cindy Sherman, Barbara Kruger oder Sherrie Levine das Bild selbst als soziale Beziehung behandelte, durch die sich der Betrachter als Subjekt konstruiere. Davon ist der Schritt zur relationalen Ästhetik nicht weit: »It is only a short step from regarding the image as a social relationship to Bourriaud’s argument that the structure of an art work produces a social relationship.«314 Ohne Begriff davon, was das Medium von Installationskunst sei, könne der selbst-reflexive Gehalt aber nicht gemessen werden. Zugleich kompliziere Bourriaud das Problem durch seine Annahme, dass partizipative Kunstwerke nicht bloß ästhetisch, sondern politisch und ethisch zu beurteilen seien – daher müssten die vom Werk produzierten »Relationen« beurteilt werden. 315 Dann stelle sich das Problem, was denn zu seiner »Struktur« gehöre, die bestimmt, welche Relationen es produziere. Die Interaktion mit einem der »pinboards« von Liam Gillick etwa, auf denen Material angeordnet werden kann, sei nur dem zugänglich, der eines besitze; Bourriaud spreche aber nicht vom präzisen Material, wie im Falle Rirkrit Tiravanijas auch nicht von der Frage, was, wie und für wen der denn koche. Sie kritisiert, dass Bourriauds Modell sozialer Beziehungen zu konsensual ist. Was bedeute »Demokratie« dann in diesem Kontext und welche Formen von Beziehungen entstehen?316 Sie bedient sich dazu des Modells des »Antagonismus«, das Chantal Mouffe und Ernesto Laclau in ihrem 1985 erschienenen einflussreichen Buch Hegemony and Socialist Strategy: Towards a Radical Democratic Politics entwickelten. 317 Mouffe und Laclau nehmen darin eine Relektüre von Marx mit Gramscis Hegemonialtheorie und Lacans Verständnis des Subjekts vor. Letzteres ist für Bishop von Interesse, da es Mouffes und Laclaus Verständnis von Antagonismus bedingt: Antagonismus sei die Beziehung, die zwischen unvollständigen Entitäten entstehe, die nach Identifikation streben, um ihre strukturell gespaltene subjektive Identität zu vervollständigen. Das sei ein Kernbestandteil von Demokratien, die Konflikte aushalten müssen, statt danach zu suchen, sie einzuebnen, um pluralistisch soziale und identitäre Grenzen zu definieren. 318 Relationale Werke aber produzierten Mikrotopien – also Gemeinschaften, die auf Gemeinsamkeiten beruhen: »This is why Tiravanija’s works are political only in the loosest sense of advocating dialogue over monologue.« Liam Gillick wiederum beziehe Architektur auf konkrete soziale Modelle, artikuliere aber keine spezifische Position. 319 Als Beispiele für Künstler, die dagegen Antagonismen im Spannungsbereich der getrennten Sphären Kunst und Gesellschaft ausloteten, analysiert Bishop Thomas Hirschhorns Bataille Monument zur documenta XI, 2002 und Santiago Sierras Arbeiten 250cm Line Tatooed on Six Paid People in Havanna 1999, Persons Paid to Have Their Hair Dyed Blond mit 133 blond gefärbten Straßenverkäufern zur Venedig-Biennale 2001 und Wall enclosing a Space, den zugemauerten, nur für spanische Nationalbürger zugänglichen und leeren spanischen Pavillon auf der Venedig-Biennale 2003. 320 Bishop plädiert dafür, die ästhetische Qualität von Partizipation zu beurteilen und auf ästhetische Kriterien zurückzukommen, die durch die Postmoderne von heute überwiegenden politischen, moralischen und ethischen verdrängt worden seien. Mit Walter
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Benjamins Aufsatz über den Autor als Produzent (1934) drückt Bishop ihre Überzeugung aus, dass aber jedes Kunstwerk von vorneherein die Tiefe der Partizipation determiniere, weshalb genau hieran sein demokratischer Gehalt gemessen werden müsse. Auch die von Benjamin wegen des Leserbriefes, der den Leser zum Beitragenden mache, gelobte Zeitung habe schließlich Redakteure, die über diese und die anderen Seiten bestimmen. 321
KONTROVERSE IN OCTOBER: LIAM GILLICKS ANT WORT AN BISHOP 2006 Es war wiederum ein Leserbrief, mit dem Liam Gillick, dessen Kunstwerke sie in ihrem Aufsatz umfassend besprach, zwei Jahre später auf Bishops Kritik antwortete. Er wirft Bishop ihre journalistische Arbeit für den Evening Standard vor, da dieser eine rechte Vergangenheit und die Apartheid und Thatcher unterstützt habe. 322 Ihrem Essay hält er Fehler, Fehlinterpretationen, Missverständnisse und unzulässige Vereinfachungen vor. Seine Entgegnung enthält eine wichtige Stellungnahme über Bourriauds Esthétique relationnelle und die Beziehung der dort besprochenen Künstler zur Theorie. Der Inhalt des Buches sei den Künstlern seinerzeit schon seit einem Jahrzehnt bekannt gewesen, und seit dessen Erscheinen hätten sie, wie auch Bourriaud selbst, die darin enthaltenen Gedanken weiter entwickelt. Es sei Ergebnis von Austausch und auch Dissens. Es enthalte Widersprüche, sei aber eine direkte Antwort auf die Kunstwerke und besonders im Umfeld der Ausstellung Traffic 1996 in einer Zeit entstanden, in der Bourriaud kritischen Abstand zur engen Verbindung mit den Künstlern habe gewinnen müssen. 323 Liam Gillick rekapituliert Traffic als Wendepunkt. Eine missverständliche Kommunikation des Ausstellungszentrums habe zu einem Fokus auf die »Interaktivität« der Werke geführt, wodurch Bourriaud sich gegenüber Künstlern, die ihre Positionen als komplexer ansahen als es dadurch den Anschein hatte, in Erklärungsnot gebracht sah. Dies habe ihn dazu gebracht, jüngere Essays zu versammeln und weiterzuentwickeln, was in den prägenden Jahren der frühen 1990er zuvor nicht nötig erschienen sei. 324 Gillick weist Bishop zahlreiche kleinere Fehler nach, so etwa, Bourriaud sei nicht der sondern ein Redakteur von Documents sur l’art gewesen, das Palais de Tokyo sei nicht »unfinished« belassen worden, sondern zwei Monate vor Eröffnung fertig gewesen, bis hin zum Hinweis auf die orthografisch richtige Schreibweise von Esthétique relationnelle (die fehlerhafte Bezeichnung des Palais de Tokyo als japanischer Pavillon entgeht ihm). 325 Er wirft ihr einen zu simplen Dualismus von Liberalismus und Demokratie, eine Missinterpretation von Chantal Mouffe und eine einseitige Lektüre von Künstlerbeispielen vor. »In her text, Bishop simplistically posits Tiravanija and me in the role equivalent to the ›third-way‹ politician against the apparently engaged work of Hirschhorn and
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Sierra. Another reading of Mouffe would place Hirschhorn, Sierra and Bishop herself in the role of the populist opportunist who overwrites the complexity of a true engagement with the unresolvable tension between liberalism and democracy.«326 Für Sierra und Hirschhorn arbeite Bishop Reflexionen aus, während sie zu Tiravanija und ihm, Gillick, nur Kataloge und Artikel zitiere. Zudem verstehe Bishop Mouffe falsch, denn diese fordere nicht mehr Reibungskräfte in einem etablierten Kontext wie dem der Kunst, sondern argumentiere gegen Strukturen, die eine solche »Kunstwelt« erst entstehen lassen: »Mouffe is not calling for more friction within some of the structures proposed within such a context, but is elaborating an argument against the kind of social structuring that would produce a recognizable art ›world‹ in the first place.«327 Dagegen hätten Sierra, Hirschhorn, Tiravanija und er selbst mehr gemeinsam, als Bishop zuließe, denn sie alle thematisierten die Unterdrückung von echtem bedeutungsvollen Austausch in einer Konsenskultur, »all of these gestures outline new approaches to addressing the suppression of meaningful exchange in a consensus culture«. Bishop hingegen wende Mouffe falsch auf die vier Künstler an: »Bishop has misapplied Mouffe’s visionless construction of agonistic social binarism, overstating its potential and thereby rendering Hirschhorn and Sierra too democratic and Tiravanija and me too neoliberal.«328 Ein Problem des Streits liegt damit sicher darin, dass Bourriauds ästhetisches Modell über das Mittel einer politischen Theorie beurteilt wird. Das sind viele Variablen in einer Gleichung, die mit unterschiedlichen Vorzeichen aufgestellt wird. Gillick fühlt sich auch persönlich als Künstler angegriffen und macht auf unberücksichtigte Elemente seines Werkes aufmerksam, wie etwa weitere seiner Bücher und deren Beziehungen zu Werkgruppen. 329 Sein zentrales Argument erscheint gegen Ende. Weder er, Bourriaud noch Tiravanija basierten ihre Arbeit auf der simplen Annahme, dass Dialog per se demokratisch sei; Bishop konstruiere daher das Ziel ihrer Kritik selbst. 330 Unter Gillicks Aufsatz publizierte Bishop eine kurze Antwort. Sie bedauert dort, dass er »rhetorisch« und nicht »theoretisch« antworte. Sie sei für faktische Berichtigungen dankbar, Gillicks Entgegnung aber gehe nicht auf den Kern ihres Aufsatzes ein. Ihr Ziel sei gewesen, in der Kritik der relationalen Kunst als politisierter Form künstlerischer Praxis eine neue Methode zur Evaluierung von »politischer Kunst« zu finden: »To recap: my essay drew on the work of Gillick, Rirkrit Tiravanija, Thomas Hirschhorn, and Santiago Sierra to mobilize a critique of Nicolas Bourriaud’s claim that relational art is a politicized mode of artistic practice. It sought to find a new way of evaluating ›political art‹ – namely, by considering the role and experiences of the viewers.«331 Sollte ihre Diskussion der vier Künstler diese verletzt haben, entschuldige sie sich. Sie stellt fest: »Much work remains to be undertaken in relation to the critical and relational practices in the 1990s.«332 Sie selbst setzte diese Arbeit fort und publizierte 2012 Artificial Hells. Participatory Art and the Politics of Spectatorship.
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BISHOPS DIAGNOSE EINES SOCIAL TURN 2006 UND HISTORIOGRAFISCHE ANT WORT Artificial Hells versteht sich als die erste Geschichte einer Orientierung auf den sozialen Kontext in künstlerischen Arbeiten, die partizipativen Formen in der Gegenwartskunst einen historischen Hintergrund gegenüberstellt. 333 Ausgangspunkt des Buches ist Bishops Artikel The Social Turn: Collaboration and its Discontents von 2006. 334 Dort diagnostizierte sie, in sprachlicher Anlehnung an den »Linguistic Turn« in den Geistesund den »Spatial Turn« in den Kulturwissenschaften, einen »Social Turn« in der zeitgenössischen Kunst. Der erweiterte Aufsatz bildet das erste Kapitel von Artificial Hells. Das Buch möchte die Geschichte eines Kollektiv-Denkens von Kunst seit der Moderne nachzeichnen um Vorläufer des Interesses der Gegenwartskunst der 1990er und 2000er Jahre an sozial kollaborativen Arbeitsformen und sozialen Zusammenhängen aufzuzeigen. In dieser Hinsicht ist es eine formale Kunstgeschichte. Sie möchte den »social turn« als »return« verstanden wissen, dessen zwei entscheidende historische Momente die europäische Avantgarde um 1917 und die sogenannte neo-Avantgarde im Vorfeld von 1968 seien. Der dritte Entwicklungspunkt sei das Ende revolutionärer Utopien mit dem Fall des Kommunismus um 1989. 335 In drei Teilen zeigt das Buch die theoretischen Ausgangslagen in einem europäischen Kontext auf, beleuchtet danach Themen des »social engagement« in der zeitgenössischen Kunst mit historischen Fallstudien und abschließend mit zwei zeitgenössischen Tendenzen der partizipativen Kunst, der »delegated Performance«, »in which everyday people are hired to perform on behalf of the artist« sowie pädagogischen Projekten, »in which art converges with the activities and goals of education«. Fallbeispiele sind performative Methoden des italienischen Futurismus ab 1910, das Proletkult-Theater und Massenspektakel in Russland um 1917 und ihre Verhandlung von kollektiver Autorschaft und Arbeiterklasse, und partizipatorische Formen in der französischen Dada-Bewegung rund um Breton und die Pariser Dada-Saison 1921; danach nimmt sie Formen sozialer Partizipation in ideologischen Kontexten der Nachkriegszeit in den Blick: In Frankreich in den 1960er Jahren mit der situationistischen Internationale, die sie der Groupe de Recherche d’Art Visuel GRAV und Jean-Jacques Lebels Happenings gegenüberstellt; in Südamerika ab Mitte der 1960er Jahre in Reaktion auf Militärdiktaturen, besonders in Argentinien mit Oscar Masotta und dem Ciclo de Arte Experimental der Rosario Group 1968 sowie Theaterarbeiten des Brasilianers Augusto Boal; in Osteuropa und Russland mit dem Kollektivismus sozial orientierter performativer Arbeiten der 1960er und 1970er Jahre in Kunstszenen in Bratislava und Prag und Arbeiten der Collective Actions Group in Moskau Mitte der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre unter dem Einfluss Ilya Kabakovs; und schließlich im Großbritannien der 1970er Jahren im Kontext eines sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaates mit der 1966 gegründeten Artist Placement Group und dem Community Arts Movement.
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Die Auseinandersetzung mit theatralen Formen dient als neue Linse der Reflexion des Verhältnisses zum Zuschauer. 336 In einer Rezension merkte Tom Holert an, Bishops Kriterien partizipativer Kunst liefen hinaus auf eine »Distinktion zwischen Kunst und Nichtkunst«. 337 Tatsächlich ist dies ihr wichtigster Ausgangspunkt. Es ist aufschlussreich, in der Genese ihrer Arbeiten das Basisargument mit dem Palais de Tokyo und Bourriauds relationaler Ästhetik nachzuverfolgen. Auf der zweiten Seite von Artificial Hells grenzt sie ihre Untersuchung von Bourriaud ab. Sie schreibt ihm jedoch den Verdienst zu, dialogische und diskursive Arbeiten für Museen und Galerien zugänglicher gemacht zu haben. Reaktionen auf seine Theorie hätten entscheidend dazu beigetragen, dass sozial orientierte Kunst von der Peripherie ins Zentrum der Kunstwelt gerückt sei. 338 Die Abgrenzung ist ein Hinweis darauf, wie stark sie mit ihrer Kritik in October 2004 identifiziert wird. Tatsächlich fungiert ihr Aufsatz von 2006 über den »Social Turn« als theoretische Basis ihrer Untersuchung der Geschichte der partizipativen Kunst. Dieser selbst steht jedoch in enger Verbindung zu dem zwei Jahre älteren Artikel. Auch im Aufsatz zum »Social Turn« erwähnt sie Bourriaud eingangs als einen der Autoren, die argumentierten, dass sozial orientierte Kunst eine Gegenbewegung zur Entfremdung in der repressiven Instrumentalität des Kapitalismus vollziehe. 339 Statt einer Kritik der ästhetischen Modelle formuliert sie nun aber ein allgemeines Problem: Kollaborative Kunstformen würden aufgrund der politischen Dringlichkeit automatisch auch als künstlerisch wichtige Gesten des Widerstandes aufgefasst. In einer Zeit – 2006 – in der etwa die New Labour-Regierung in Großbritannien ihre Kunstförderung am sozialen Effekt ausrichte, sei es umso wichtiger zu fragen, wie solche Arbeiten als Kunst zu beurteilen seien. Ihr Hauptargument ist, dass der »social turn« der Kunst zu einem »ethical turn« der Kunstkritik geführt habe, der ästhetische Kriterien als überkommen zurückweise. Werke würden an ihrem kollaborativen Gehalt bemessen danach wie stark ein Künstler sich als Autor zurücknehme und Gleichheit zu seinen Subjekten herstelle. 340 Diesen »ethical turn« und das Fehlen konkreter ästhetischer Kriterien zur Beurteilung kollaborativer sozial orientierter künstlerischer Arbeit entwickelt sie an verschiedenen Beispielen und deren Rezeption. So stellt sie die Arbeit des türkischen Frauenkollektivs Oda Projesi, die pädagogische und Nachbarschafts-Projekte realisieren und den Begriff »ästhetisch« als »gefährlich« zurückweisen, Künstlern wie Thomas Hirschhorn, Phil Collins, Artur Żmijewski, Jeremy Deller und Carsten Höller gegenüber, die zwar auch mit der Beteiligung von Personen arbeiten, bei denen Autorschaft und kalkulierte Artifizialität aber spürbar bleiben. Kritik, die etwa Hirschhorns Bataille Monument (2002) zur documenta in einem sozial schwachen Teil von Kassel als »Form der Sozialpornografie« kritisiere, Oda Projesi demgegenüber aber für bessere Künstler hält, operiere auf einer »Ethik des auktorialen Verzichts«, statt die konzeptuelle Bündigkeit des Werks zu beurteilen. 341
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Die formale Beurteilung der Soziabilität der Werke gerate in den Hintergrund: »authorial intentionality (or a humble lack thereof ) is privileged over a discussion of the work’s conceptual significance as a social and aesthetic form.«342 Dominante Kriterien seien die Opposition zum kapitalistischen System und jenes christliche einer »guten Seele«, die keine Autorschaft beanspruche. Dagegen möchte Bishop ästhetische Kriterien für die Beurteilung partizipativer Kunst finden. Sie bezieht sich auf Jacques Rancière, der in seiner Untersuchung des »ästhetischen Regimes« der westlichen Welt seit Schiller und den Romantikern gezeigt habe, dass Ästhetik genau das produktive Denken des Gegensatzes zwischen Autonomie der Kunst und ihrem Versprechen einer besseren Zukunft sei. 343 Hirschhorn, Collins, Żmijewski, Deller und Höller verzichteten nicht auf ein künstlerisches Konzept und konzentrierten sich dennoch auf soziale Realität. Bishop sieht sie in einer historischen Tradition, deren Geschichte es zu schreiben gelte. 344 Sechs Jahre später legte sie selbst diese Geschichte mit Artificial Hells vor. Tatsächlich aber handelt es sich dabei um nichts anderes als die Weiterverfolgung des Fazits ihrer Kritik relationaler Ästhetik in October 2004: Die Frage, wie politisiert relationale Kunst qua ihrer Struktur sei, führte sie dort zur Schlussfolgerung, Kunstwerke würden zunehmend ethisch und moralisch statt ästhetisch nach Form und Arbeitsweise beurteilt. Die entscheidende Frage von Antagonism and Relational Aesthetics ist auch die in The Social Turn und Artificial Hells: »Today, political, moral and ethical judgements have come to fill the vacuum of aesthetic judgement [...]. The tasks facing us today are to analyze how contemporary art addresses the viewer and to assess the quality of the audience relations it produces.«345 Daher ist sie auch gegen einen inflationären Gebrauch der Bezeichnung »politisch« in der Gegenwartskunst, wie sie in einer Umfrage in Texte zur Kunst sagt: »Ich meine, dass wir die Anwendung des Adjektivs ›politisch‹ auf eine Kunst überdenken müssen, die sich einer solchen Vision der Welt widersetzt, da uns damit keine Begrifflichkeit verbleibt, mit der das visuelle Machtsystem beschrieben werden könnte [...]. Und gleichzeitig benötigen wir ein neues Vokabular für die Beschreibung einer Kunst, die sich vom kritischen Anschluss an eine Anklage (die immer Mimesis erfordert) unabhängig macht [...].«346 Bishop geht es um ein Vokabular ästhetischer Kriterien. Dessen Begründung kann jedoch ebenso sollipsistisch sein wie relationale Kunst. Shannon Jackson verweist auf die Parallele von Bishops Argumentation zu Adornos Besorgnis um ästhetische Autonomie und zurück auf die Moderne. Sie plädiert dafür, die Logik aufgeworfener Kategorien zu hinterfragen und erinnert dazu an die schon klassischen Debatten zwischen Adorno, Lukács, Brecht und Benjamin. 347 In diesem Sinne wollen wir uns nun der Frage der Widerständigkeit mit Rancière und Benjamin zuwenden.
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JACQUES R ANCIÈRES KRITIK DER REL ATIONALEN KUNST IM Ä STHETISCHEN REGIME DER GEGENWAR T Der französische Philosoph Jacques Rancière erlangte besonders durch die Übersetzungen seiner Arbeiten zur Ästhetik internationale Aufmerksamkeit. In ihnen setzt er sich damit auseinander, wie Wahrnehmung kulturell und gesellschaftlich definiert ist und welche »Regime« beeinflussen, was als Kunst gilt. Zentral ist Rancières Auseinandersetzung mit dem »ästhetischen Regime«, dessen Ausbildung er Ende des 18. Jahrhunderts ansetzt. Besonders in seinem Buch Malaise dans l’esthétique (2004) fragt er, was »Ästhetik« eigentlich bezeichne, und warum der Begriff heutzutage einen so schweren Stand hat. Er argumentiert, »Ästhetik« sei zuallererst sowohl ein Regime der Funktionsweise von Kunst als auch Matrize des Diskurses über Kunst. Das Regime »Ästhetik« identifiziert, was Kunst ist und konfiguriert kulturell Formen der sinnlichen Wahrnehmung neu. 348 Rancière besteht darauf, dass »Ästhetik« nicht zunächst eine Disziplin, sondern dieses Regime der Identifikation von Kunst ist. Philosophen seit Kant hätten es gedacht, aber nicht erfunden. Sie beschrieben nur den historischen Bruch, der darin besteht, dass Kunstgegenstände nicht mehr nach Kriterien der Herstellung, sondern nach Kriterien des Sinnlichen beurteilt wurden. 349 Damit unternimmt er eine bedeutsame Unterscheidung: »Ästhetik« ist nicht das Denken von Empfindsamkeit, sondern des Empfindungsvermögens zur Definition von Kunst: »L’esthétique n’est pas la pensée de la ›sensibilité‹. Elle est la pensée du sensorium paradoxal qui permet désormais de définir les choses de l’art.«350 In Malaise dans l’esthétique setzt sich Rancière mit dem Übergang zum ästhetischen Regime und seiner Bedeutung in der Gegenwart auseinander. Er tritt gegen ästhetische Urteile an, die künstlerische Arbeitsvorgänge und politische Praxis vermengen – ein Umstand, den er als »ethische Wende«, »tournant éthique«, der zeitgenössischen Kritik bezeichnet. 351 Der zentrale Ausgangspunkt liegt im »Unbehagen« der Gegenwart an einer »ästhetischen Utopie«. Rancière will nachweisen, dass die Mehrheitsmeinung, Kunst könne nicht zu einer Veränderung der kollektiven Lebensbedingungen führen, auf falschen Grundannahmen basiert. 352 An dieser Stelle setzt er sich mit der relationalen Ästhetik auseinander, da diese eine Absage an politische Utopien der Herstellung sozialer Gemeinschaft formuliert. Diese Kritik vertiefte er in Bezug auf den räumlichen Rahmen der relationalen Kunstwerke in Le spectateur emancipé (2008). 353 Vereinfacht gesagt, befasst Rancière sich mit der Frage, was bestimmt, welche Bereiche in einer Gesellschaft von wem, welchen Gruppen oder Klassen, wie wahrgenommen werden können und wie die jeweilige Gesellschaftsform diese Wahrnehmung organisiert. Damit Kunst als solche wahrgenommen wird, muss sie Rancière zufolge identifiziert werden. Diese komplexe Differenzierung beruhe auf zwei Bedingungen: Einmal einer Fertigkeit, »l’exercice réglé d’un savoir-faire«; und dazu auch »autre chose«. Bis ins
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18. Jahrhundert hinein sei diese andere Sache eine Geschichte gewesen. Um die narrative Kategorie zu fassen, bezieht sich Rancière auf die griechischen Begriffe der »Mimesis«, »Poiesis« und »Aisthesis«. Bedingung der Kunst in diesem vor-ästhetischen Regime sei die Frage, ob sie eine Geschichte erzähle, eine Mimesis sei. 354 Er nennt dieses Regime, das bis Ende des 18. Jahrhunderts gültig war, das »repräsentative«. Die Identifikation von bildenden Künsten beruhte auf durch Mimesis definierten Regeln der Beziehung zwischen Anfertigung (Poiesis) und wahrnehmbarer Seinsart (Aisthetis). 355 Mit dem ästhetischen Regime tritt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aber eine Auflösung der Einheit von Produktion, sinnlicher Wahrnehmung und dem Gesetz der Mimesis ein. In diesem neuen »Regime der Identifikation der künstlerischen Dinge« stehen »Poiesis« und »Aisthesis« nunmehr in einer direkten Verbindung. 356 Im Zentrum steht der Gedanke der »Aufteilung des Sinnlichen« aus dem gleichnamigen Buch Le partage du sensible (2000), in dem er ein »ethisches« Regime definiert. Es wurzelt wie das repräsentative Regime in der Antike. Der radikale Bruch, den das ästhetische Regime einleitet, besteht besonders, wie Ruth Sonderegger zusammenfasst, in der Aufhebung solcher Einteilungen im Feld der Kunst »in hohe, niedrige und kunstunwürdige Sujets oder mit der hierarchischen Aufteilung der Künste in Gattungen und Genres«: »Gegenüber den eher autoritären Dispositiven des Ethischen sowie des PoetischRepräsentativen verhält sich das dritte Regime Rancière zufolge befreiend und demokratisierend. [...] Um 1750 hält eine Wahrnehmung Einzug in die Kunst, vor der alle vormals hierarchisierten Inhalte – seien es Thesen, Situationen oder Gegenstände – gleich (kunstwürdig) sind.«357 Die demokratisierende Wirkung des ästhetischen Regimes sieht Rancière jedoch nicht nur in der Kunstwürdigkeit von Themen. Sie vollzieht sich in der Gesellschaft. Kunstgegenstände, die vormals Funktionen für bestimmte soziale Klassen und Rezipienten erfüllten, sind nun nicht zuletzt in Museen einem neuen undifferenzierten Publikum zugänglich. 358 Durch die revolutionären und napoleonischen Verbringungen von Kunstwerken seien die Singularität der Kunstwerke betont und die früheren Hierarchien von Gegenständen und Genres verdrängt worden. Zudem beginne eine »Erosion des figürlichen Sujets«, an dessen Stelle die Geste des Malens und das Material treten. Dies bereitete die Grundlage für die malerischen Revolutionen des 19. Jahrhunderts, mit denen das Bild zum Archiv seines eigenen Prozesses wurde: »Ainsi s’est engagé le mouvement de transformation du tableau en archive de son propre processus conduisant aux révolutions picturales spectaculaires du siècle suivant.«359 Für Rancière ist das ästhetische Regime daher immer schon politisch. Er lehnt die zeitgenössische Auffassung von einer »postutopischen« Kunst ab. Diese sieht er in zwei Haltungen ausgedrückt. Die erste definiert er als die von Philosophen oder Kunsthistorikern, die davon ausgehen, dass künstlerische Utopien sich in den großen totalitä-
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ren Projekten und der Ästhetisierung des Lebens in Warenform kompromittiert hätten. Für sie ist künstlerische Radikalität eine singuläre Kraft der Erscheinung im Jetzt, die gewöhnliche Erfahrung zerreißt. 360 Rancière sieht sie in der Nachfolge zu Kants Konzeption des »Sublimen«, die nicht reduzierbare heterogene Präsenz einer Kraft im sinnlich Wahrnehmbaren, die über dieses hinausgeht. Diese Konzeption habe in der Gegenwart wiederum zwei Ausprägungen. Eine erste in der Sichtweise, in der die einzigartige Kraft des Kunstwerks in der Lage sei eine Zusammengehörigkeit zu begründen, die allen einzelnen politischen Formen vorausgehe. Und eine zweite, die er vor allem mit der Position Jean-François Lyotards identifiziert, in dessen Konzeption des Sublimen die Einzigartigkeit des Kunstwerks Zeugnis der Existenz von Nicht-Repräsentierbarem ist; das Abzielen auf die Ununterscheidbarkeit von Kunst und Warenobjekt sei in dieser Sichtweise eine nihilistische Erledigung der ästhetischen Utopie. Er weist darauf hin, dass beide Punkte eine Auffassung der Herstellung von Gemeinschaft durch das Kunstwerk beinhalten, die durch das Empfinden von sublimer Heterogenität und Anwesenheit von etwas nicht Sichtbarem ausgelöst wird. Das sei zugleich eine Absage an politische Emanzipation, wie sie die moderne Vision einer kollektiven Gemeinschaft leitete: »Mais cette communauté s’élève sur la ruine des perspectives d’émancipation politique auxquelles l’art moderne a pu se lier. Elle est une communauté éthique qui révoque tout projet d’émancipation collective.«361 Die zweite Haltung der »postutopischen Kunst« macht Rancière bei Kuratoren und Kritikern aus, die sich sowohl von künstlerischer Radikalität als auch von ästhetischer Utopie distanzieren. Ihre Affirmation einer »bescheidenen« Kunst ist nicht mehr von der Kraft der Kunst, die Welt zu verändern, aber auch nicht von der Einzigartigkeit von Werken überzeugt. 362 In der Beschreibung dieser Kunstauffassung richtet sich Rancière auf die relationale Ästhetik, die eine Gemeinschaft durch Kunst begründet sehen will nicht wie die Denker des »Sublimen« durch die Erfahrung der Einzigartigkeit des Kunstwerks, sondern durch Situationen, in denen Elemente des gemeinschaftlichen Lebens so angeordnet werden, dass auf Einstellungen zur kollektiven Umwelt gewirkt wird. Er meint direkt die Theorien Bourriauds zu »Mikro-Utopien« in Kunstwerken, in denen Alltagshandlungen studierenswert sind und »Utopien der Moderne« als »messianisch« abgetan werden. 363 Rancière erkennt durchaus, dass interdisziplinäre und intermediale zeitgenössische Kunst eine Entspezifizierung der einzelnen Künste ist. Diese kann für ihn aber keine Enthierarchisierung sein, die als Gegenbewegung zu einer Aufteilung des Sinnlichen demokratisch wäre. Die Entspezifizierung führt zunächst dazu, dass »Kunst« ganz allgemein zu einer Praxis wird, einen Ort zu besetzen, an dem sich Beziehungen zwischen Körpern, Bildern, Räumen und Zeiten neu verteilen. »Kunst« definiert zunächst diesen Raum, der gewöhnliche Formen der Sinneserfahrung aufhebt (»suspense«). Aber nicht in erster Linie durch ihre Botschaften über die Welt oder durch ihre Repräsentation der sozialen Strukturen, Konflikte oder Gruppen sei Kunst politisch, sondern durch die Art
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und Weise, wie sie diesen Raum einer nicht-alltäglichen Sinneswahrnehmung definiert, in dem ihre Gegenstände als Kunst identifiziert werden. 364 Sowohl die anti-utopistische »sublime« Haltung als auch die relationale Kunst definierten solche Ausschnitte, die erste durch die Konfrontation der passiven Rezeption mit der Erfahrung der Heterogenität – ein Konflikt zweier Sinnesregime – und die zweite durch die Konstruktion einer ephemeren Situation, in der die Wahrnehmung von der Position des Betrachters auf die des Teilnehmenden verlagert werde. Hier berührten sie die Frage der Gemeinschaft und damit die Frage der Politik. »Politik« ist für Rancière zunächst eine ebensolche Konfiguration eines bestimmten Raumes, in dem Erfahrung möglich ist, und Subjekten die Fähigkeit zuerkannt wird, sich zu als gemeinschaftlich definierten Objekten zu verhalten und sich zu äußern. 365 Im Rückgriff auf Platons Aussage, Handwerker hätten keine Zeit, woanders als bei ihrer Arbeit zu sein – womit sie von Versammlungen ausgeschlossen sind – erläutert Rancière, dass Politik darin besteht, die Aufteilung des Sinnlichen neu zu konzipieren, die definiert, was in einer Gemeinschaft gemeinschaftlich ist, und wer dazu Zugang hat. Diese Arbeit sei eine Schaffung von Dissens und konstituiere eine »Ästhetik der Politik«, die Rancière scharf abgrenzt von Walter Benjamins Verständnis der »Ästhetisierung der Politik« im Nachwort zum Aufsatz über Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit: »La politique consiste à reconfigurer le partage du sensible qui définit le commun d’une communauté, à y introduire des sujets et des objets nouveaux, à rendre visible ce qui ne l’était pas et à faire entendre comme parleurs ceux qui n’étaient perçus que comme animaux bryants. Ce travail de création de dissensus constitue une esthétique de la politique qui n’a rien à voir avec les formes de mise en scène du pouvoir et de mobilisation des masses désignées par Benjamin comme ›esthétisation de la politique‹.«366 Rancière unterscheidet damit die Arbeit an der »esthétique de la politique« als Arbeit an der Politik im Dissens von der »politique de l’esthétique«, der Politik der Ästhetik selbst. Die Politik der Ästhetik fragt danach, wie die Praktiken und Formen der Kunst selbst an der Aufteilung des Sinnlichen und seiner Neukonfiguration – an der Politik – teilhaben, welche Räume und Zeiten, Subjekte und Objekte, Einzelnes und Gemeinsames sie daraus ausschneiden. Dahingehend entsprächen sowohl die Ästhetik des Sublimen als auch relationale Kunst einer Logik der »Politik« der Kunst, »qui consiste à suspendre les coordonnées normales de l’expérience sensorielle«. 367 Kunst und Politik sind jenseits ihrer selbst für Rancière immer miteinander verbunden, da sie Formen der Anwesenheit von Körpern in einem bestimmten Raum zu einer bestimmten Zeit sind, die von einer Aufteilung des Sinnlichen definiert werden; bei Platon sieht Rancière eine »ethische« Gemeinschaft ohne Politik entworfen, die dazu
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sowohl Theater als auch Demokratie ausschließen muss. 368 Im ästhetischen Regime der Neuzeit aber ist die »Politisiertheit« (»politicité«) der Kunst, worunter Rancière »l’implication de l’art dans la constitution des formes de la vie commune« versteht, paradoxerweise verbunden mit ihrer zeitgleichen Autonomie. 369 Die Analogie der Befreiung von der Macht der Form über die Masse, der Befreiung aus dem Regelsystem des repräsentativ-poetischen Regimes, ist die Befreiung von der Macht des Staates über die Masse, der intelligenten Klasse über jene des Gefühls (»classe de la sensation«), des Kulturmenschen über den Naturmenschen. Das neue ästhetische Regime als neue Art, Kunst zu erkennen und zu definieren, ist damit fähig, eine neue Gemeinschaft zu begründen, da sie eine Opposition zwischen intelligenter Form und sensibler Materie zurückweist, mit der sonst zwei Menschheiten unterschieden werden. 370 Rancière weist darauf hin, dass die Legitimation der Dominanz immer auf der Evidenz einer solchen sinnlich erfahrbaren Teilung in zwei verschiedene Menschheiten beruhte. 371 Das ästhetische Regime weist diese Aufteilung zurück. Anders als Benjamin, der die Instrumente der Macht und jene der Kunst aufeinander bezieht, sieht er ästhetische Erfahrung und, mit Schiller gesprochen, Erziehung nicht als Rettung der politischen Emanzipation durch die Formen der Kunst. Rancière muss diese Differenzierung vornehmen, denn er möchte auf die wesenhaft politische Natur der Ästhetik hinaus, weshalb er keinen Konflikt zwischen »pureté« des Kunstwerks und »politisation« sehen darf. Die Politik der Ästhetik ist bei Rancière dieser eigen und stellt sich neben den Dissens der politischen Subjekte. Daher spricht er neben einer »Politik der Ästhetik« auch von einer »Metapolitik der Ästhetik«. 372 Das Paradox der Kunst, ihre Einbindung in die Konstitution von Formen des Lebens und zeitgleiche Autonomie, bedingt diese Metapolitik. Im ästhetischen Regime ist das Wirken der Kunst auf Gemeinschaft wie ihre Autonomie ihre Existenzbedingung. Das autonome Werk trägt das Versprechen einer Emanzipation in sich, aber erfüllt sich diese, entfällt die Autonomie der Kunst. Aus diesem Grund muss Rancière einen Bruch der Postmoderne mit der Moderne und der zeitgenössischen Theorie mit der Postmoderne ablehnen. 373 Diese Ablehnung richtet sich damit gegen die Grundlagen sowohl der postmodernen ästhetischen sublimen Theorie, als auch der zeitgenössischen relationalen Ästhetik, die, wie gesehen, die Abgrenzung zur Postmoderne, wenn nicht gar ein Ende der Geschichte und der Utopien postuliert. Stattdessen erlaubt Rancières Blick, die zwei großen dominanten Figuren der Politik der Ästhetik im ästhetischen Regime zu identifizieren, die »politique du devenir-vie de l’art« und die »politique de la forme résistance«. Die erste ist der Versuch, politischen Dissens und ästhetische Heterogenität gleichermaßen hinter sich zu lassen zugunsten der Konstruktion neuer Formen und Strukturen des Lebens. Dieses Programm sieht Rancière um 1920 sowohl in der künstlerischen als auch in der marxistischen Anvantgarde Gestalt annehmen. 374 Eine Politik der Kunst, die Form des Lebens wird, sieht er auch in Arts and Crafts, Werkbund und Bauhaus bis hin zur »sozialen Plastik« von Joseph Beuys.
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Die zweite konkrete Figur der Politik der Ästhetik ist die Figur der Kunst als Widerstand, der widerständigen Form, in der das Leben selbst Gestalt genommen hat. Sie ist vorliegend schon einmal thematisiert worden im oben beschriebenen Entwurf von Deleuze über die Kontrollgesellschaft, in der das Kunstwerk zu einer Form des Widerstandes werden kann. Das Versprechen gemeinschaftlicher Gleichheit liegt nach Rancière hier in der Selbstgenügsamkeit des Werks. Als Beispiele nennt er Adornos Ästhetik mit dem Verweis auf das politische Potential des Werks, das darin liege, dass es sich radikal von den ästhetisierten Warenformen und der verwalteten Welt unterscheidet, sowie Lyotards »sublime« Ästhetik, in der sowohl heteronome als auch autonome Werke politisch aufgrund ihrer Distanz zu jedem politischen Willen sind. 375 Immer schon oszilliere im ästhetischen Regime bis heute daher die Metapolitik der widerständigen Form zwischen dem Widerstand im Beharren auf der materiellen Andersartigkeit der Kunst und dem Punkt, an dem das Kunstwerk zum bloßen Zeugen der Übermacht des »anderen« wird, von dem es sich abgrenzt. In dieser »ethischen« Arbeit an der Aufgabe, Zeugnis abzulegen, sieht Rancière dann Kunst und Politik wieder in eins fallen, da die ästhetische Heterogenität zum Bezeugten entfällt. 376 »Kritische« Kunst ist aber auch für Rancière möglich, wenn sie den Spannungsbereich dieser beiden Politiken auslotet. Auch hier wieder weist er darauf hin, dass dies keinesfalls die Annahme eines postmodernen Bruches voraussetzt. 377 Die Frage nach der Politik in der zeitgenössischen Kunst entscheide sich an solcher »dritten« Politik der Ästhetik, dem Spiel des Austauschs und der Verlagerungen zwischen der Welt der Kunst und der Nicht-Kunst. 378 An den beiden Politiken der Ästhetik sind daher Versuche zu messen, eine Kunst der Gegenwart als »politisch« zu definieren, wie relationale Ästhetik. Ihre Ausgangsprämisse eines Bruches mit der Postmoderne und deren Bruch mit der Moderne ist mit Rancières Position schon zurückzuweisen. Indem Rancière die Politik als Konfigurationsordnung der Ästhetik seit dem 18. Jahrhundert nachweist, zeigt er, dass relationale Ästhetik mit der Zurückweisung der Utopie, die auf Formen abzielt, die den Dissens in der Politik betreffen, nicht die richtige Frage stellt. Sie fragt nicht nach der Politik der Ästhetik als Konfigurationsordnung der Wahrnehmung zwischen zwei Polen – Kunst als Leben, Kunst als Widerstand – sondern überträgt diese Pole ins Feld der Politik. Dahingestellt bleibt, ob sie sich damit überhaupt als »Ästhetik« bezeichnen darf. In seiner Analyse unter diesem Gesichtspunkt zeigt sich für Rancière der Hauptunterschied zwischen einander ähnelnden Dispositiven der kritischen Konzeptkunst der 1960er Jahre und einer zeitgenössischen Kunstpraxis darin, dass frühere dialektische Provokationen durch neue Figuren der Komposition von Heterogenitäten ersetzt werden. Er analysiert sie mit den Figuren des »Spiel«, des »Inventars«, der »Begegnung« und des »Mysterium«. 379 Künstler, die Nicolas Bourriaud in der relationalen Ästhetik behandelt, fallen bei Rancière besonders unter die dritte Form »Begegnung«, die er auch als »Einladung« bezeichnen würde. 380 Rancière nennt hier Beispiele von Dominique Gonzalez-Foerster, Pierre Huyghe, Rirkrit Tiravanija und Christian Boltanski.
615 | Jacques Rancières Kritik der relationalen Kunst im ästhetischen Regime der Gegenwart
Das Problem der relationalen Ästhetik sei, dass sie in einer zu simplen Opposition von Objekt und Situation an die Stelle der kritischen Distanz zur Warenform bloß den Entwurf neuer sozialer Vebindung stelle: »L’art relationnel se propose ainsi de créer non plus des objets mais des situations et des rencontres. Mais cette trop simple opposition entre objets et situations opère un court-circuit. [...] La distance prise hier avec la marchandise s’inverse maintenant en proposition de proximité nouvelle entre les êtres, d’instauration de nouvelles formes de relations sociales.«381 In Le spectateur emancipé (2008) hat Rancière die Kritik am relationalen Modell und dessen Absagen an »Umwandlung der Gesellschaftsverhältnisse« erneut aufgegriffen. Er vertieft dort den Gedanken vom Spiel des Werks zwischen der Welt der Kunst und Nicht-Kunst als Voraussetzung des kritischen Gehalts. In der relationalen Kunst werde die Produktion neuer »Verhältnisse zur Welt« angenommen, aber der Innenraum des Museums mit dem Außenraum der Gesellschaft gleichgesetzt. Dabei ist die Ausstellung das einzige, das die symbolische Wirksamkeit des Hinausgehens der Kunst in die Wirklichkeit der Gesellschaftsbeziehungen sicherstellt, »Cet aller et retour entre la sortie de l’art vers le réel des relations sociales et l’exhibition qui en assure seule l’éfficacité«. 382 Damit zeigt sich die »Kehrseite« dieser »Banalisierung«: »L’intérieur de l’espace muséal et l’extérieur de la vie sociale apparaissent alors comme deux lieux équivalents de production de rapports. Mais cette banalisation montre aussitôt son envers: la dispersion des œuvres de l’art dans la multiplicité des rapports sociaux ne vaut qu’a être vue, soit que l’ordinaire de la relation où il n’y a ›rien à voir‹ soit exemplairement logé dans l’espace normalement destiné à l’exhibition des œuvres; soit qu’à l’inverse la production de liens sociaux dans l’espace public se voit pourvue d’une forme artistique spectaculaire.«383 Er weist auf die Gefahr hin, die Urteilskriterien von individuellen Handlungen auf eine politische Form kollektiven Handelns zu übertragen, denn daraus bezieht kollektive Aktion keine Kräfte gegen solche der Herrschaft, sondern wird zur Annahme einer Realisierung einer einzigen kollektiven Intelligenz. 384 In dieselbe Richtung operierten Figuren des »Mysteriums« in der zeitgenössischen Kunst, die den Eindruck einer Verbindung zwischen heterogenen Elementen herstellen. Ebenso in Opposition zur kritischen Dialektik der Konzeptkunst der 1960er Jahre wie »Begegnung«, betonen sie die Verwandtschaft der Dinge. Kritik an relationaler Ästhetik wird deutlich: Wenn Verbindung und Gemeinsamkeit statt Heterogenität gesucht werden, kann das ästhetische Erlebnis nicht mehr Ausdruck der realen politischen Antagonismen sein. 385 Diese Kritik richtet sich gegen Konsens. Sie geht aber noch weiter, denn sie greift das strukturelle Modell der Theorie der künstlerischen Praxis in der globalisierten Welt an. Die am »entferntesten« erscheinenden Realitäten, deren »Vernähung« in ein und denselben Stoff Rancière kritisiert, hat
616 | Von der Kunstpolitik zur »Politik der Kunst«
Nicolas Bourriaud in Radicant in der Arbeit mit Zitaten und Übersetzungen in der zeitgenössischen künstlerischen Praxis von Künstlern als »Semionauten« und als »StreckenForm« theoretisiert. 386 Das Leitbild des Internet war in Playlist die »métaphore absolue de l’état de la culture mondiale«, und diesen Text nimmt er in Radicant wieder auf. 387 Verbindungen zwischen unterschiedlichen Realitäten herzustellen sieht Rancière mit der Godard’schen Formel der »fraternité des métaphores« als zu einfach an; KunstwerkMetaphern, wie sie Bourriaud in No Man’s Time 1991 entwarf, und diese in Rancières Augen »absolute« Metapher eint, dass sie in Rancières Sicht unkritisch sind, da sie nicht die Antagonismen der Welt abbilden. Dieser Kritik setzen sich Bourriauds Modelle besonders aus, da er sich stark auf formale Strukturen konzentriert. Dass künstlerische Produktionsweisen wie die »Postproduction« dennoch nicht zwangsläufig auf Konsens zusteuern müssen, hat T.J. Demos gezeigt. Für ihn ist Postproduktion neben dem »archival impulse« und der historischen Arbeit von Künstlern Teil eines allgemeinen Trends zum »Storytelling« in Formen der Wissensproduktion, die Verbindungen zwischen heterogenen Objekten, Bildern und Kontexten herstellen. Wo dies in subjektiven, erfahrungs- und erinnerungsbasierten Repräsentationen zur Konstruktion von oftmals hoch (geo-)politischen Erzählungen dient, die, mit Rancière gedacht, auch als Fiktionen mit der soziopolitischen Realität verbunden bleiben, sieht er ein Potential, auf die Veränderungen der Globalisierung zu reagieren und Gemeinschaften zu begründen. 388 Claire Bishops initiale Kritik der relationalen Ästhetik mit dem Politik-theoretischen Modell der Antagonismen von Laclau und Mouffe dürfte von Rancières Überlegungen zum Verlust realer Antagonismen in Kunst inspiriert sein. In ihrem späteren Aufsatz über den »Social Turn« der partizipativen Kunst baute sie auf Rancières Kritik der »ethischen Wende« auf. Dass die Einebnung von Differenzierungen auf zwei Phänomenen beruht – ein mächtiges Gesetz, das keine Wahl lässt, bürdet sich der Beurteilung auf; seine Radikalität beruht auf einer einfachen Einengung der Sachlage – illustrierte Rancière mit Lars von Triers Film Dogville von 2002, der die Radikalisierung christlicher Moral zu Gewalt verhandelt. Claire Bishop illustriert in ihrem Aufsatz ihren Gedanken der Selbstaufgabe des Künstlers als Autor im »ethischen« Imperativ der Kunstkritik ebenfalls mit Dogville, gibt aber nicht Rancière als Stichwortgeber an. 389 Die Frage von Shannon Jackson in ihrer Kritik an Bishop, »Why is the other-directed work of social art cast as a capitulation to the ›Christian ethic of the good soul‹ (a religious equation that is surely the fastest route to damnation in critical humanities circles)?«, findet damit eine Antwort. Allerdings scheint Bishop Rancières »ethische Wende« falsch verstanden zu haben. Er versteht darunter gerade nicht, dass die Validität der Prinzipien von Kunst heutzutage immer stärker moralisch beurteilt wird. Das aber ist Bishops Punkt in The social turn. 390 Rancière versteht Ethik als ein Denken, das Gleichheit zwischen einer Umgebung, einer Seinsart und einem Handlungsprinzip herstellt. 391 Die »ethische Wende« bedeutet die Schaffung einer Sphäre, in der die Beurteilung von politischen oder künstlerischen
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Praktiken nicht mehr zwischen Sein und Sollen unterscheidet. 392 Dieses tendenzielle Verschwinden der Unterschiede von Politik und Recht in der ethischen Indifferenz definiert für Rancière auch eine bestimmte Gegenwart der Kunst und der ästhetischen Reflexion. 393 In der Kunst träten an die Stelle von Zeugnissen des Widerspruchs in einer von Unterdrückung gekennzeichneten Welt zunehmend Dispositive, die »tendent à témoigner aujourd’hui d’une commune appartenance éthique«. Kategorien des Konsens bestimmten solche Praxis, besonders in der Figur des »Inventars« oder der »Archivierung«. Man kann darunter besonders relationale Kunst verstehen: »Ce rassemblement s’inscrit alors dans la perspective d’un art marqué par les catégories du consensus: redonner le sens perdu d’un monde commun ou réparer les failles du lien social.«394 Neben solche Tendenzen zur »fonction de médiation sociale«, die zur »participation à une communauté indistincte« einladen, sieht Rancière ein weiteres Dispositiv treten, in dem er die Radikalisierung von Zeugnissen des Nicht-Darstellbaren, des Schlechten oder Katastrophalen erkennt. 395 Die Shoah als Katastrophe des 20. Jahrhunderts habe nach dem Fall der Ideologien 1989 im Zentrum des philosophischen, politischen und ästhetischen Denkens die Revolution als Bezugspunkt verdrängt, die bis dahin politische und ästhetische Radikalität an einen Ausschnitt aus der historischen Zeit, an eine sinnliche raum-zeitliche Konfiguration, angebunden hatte. 396 Das ist wesentlich bedeutsamer, als es Bishops Bezug der »ethischen Wende« auf moralisierende kunstkritische Werturteile ahnen ließe. Rancière möchte die in ein davor und danach teilende zeitliche Konzeption der Moderne als Katastrophe hinterfragen, da sie die Kontinuität des ästhetischen Regimes aufhebt. Erfindungen der Kunst und der Politik sollen wieder als aus sich heraus eigenständige zeitliche und räumliche Ausschnitte erfassbar sein, um ihrem prekären und streitbaren Charakter gerecht zu werden. 397 Im Magazin Open publizierte Nicolas Bourriaud 2009 eine offene Antwort an Rancière, die sich allerdings nur auf dessen Spectateur émancipé bezog und nicht auf die grundlegende Kritik in Malaise dans l’esthétique. Rancière ziehe falsche Verbindungen zwischen seiner Bibliothek und dem Studio eines Künstlers, heißt es da. Er erkenne nicht, dass die relationalen Werke selbst genau jenen Ort markieren, an dem die Beziehungen zwischen Kunst und Politik neu verteilt würden. Zu keiner Zeit würden in Esthétique relationnelle künstlerische Positionen als soziale Beziehungen beschrieben, die nicht durch Formen medial vermittelt wären. 398 Bourriaud zeigt sich erstaunt, dass relationale Ästhetik die Frage nach dem Verhältnis von Ethik, Politik und Ästhetik aufgeworfen habe, denn das Buch behandle »a new state of the form [...] and hardly ventures into the domain of ethics, which is considered as a kaleidoscopic backdrop reserved for the interpersonal dimension that connects the viewer to the work he encounters«. 399 Anschließend entwirft Bourriaud im Rückgriff auf sein im gleichen Jahr erscheinendes Buch Radicant eine Antwort auf die Frage, ob aus zeitgenössischer Kunst eine Ethik ableitbar ist. Als Basis ethischer Reflexion nimmt er ihre Definition von Realität; die Realität der zeitgenössischen Kunst bestehe in Prekarität.400 Im Rückgriff auf Zygmunt
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Baumans Zeitdiagnose der »liquid modernity«, in der Prekarität wirklich innovative relationale Praktiken definiere, führt Bourriaud aus, dass die informationelle Dauer des Werks von der physikalischen entkoppelt ist und seine konzeptuelle oder materielle Prekarität mit neuen ethischen und ästhetischen Werten verbunden wird. Er nimmt eine »ontologische Prekarität« der zeitgenössischen Kunst an: »The contemporary artwork does not rightfully occupy a position in a field, but presents itself as an object of negotiation, caught up in a cross-border trade which confronts different disciplines, traditions or concepts. It is this ontological precariousness that is the foundation of contemporary aesthetics.« 401 Ihr politisches Programm bestehe darin, die vergängliche und nebensächliche Natur der Institutionen, die menschliches Handeln bestimmen, zu unterstreichen; damit soll Kunst die uns umgebende Welt als Montage analysieren und neu erzählen.402 Bourriaud antwortet nicht direkt auf Rancières Kritik und deren wichtigsten Kritikpunkt, die Gleichsetzung von institutionellem und gesellschaftlichem Raum. Eine Heranziehung von Rancières Malaise dans l’esthétique hätte deutlich gemacht, dass Bourriaud die Frage der Kunst und des Dissenses im Feld der Ästhetik der Politik verhandelt, während Rancière tiefer zielt, auf die Politisiertheit des Kunstwerks im ästhetischen Regime. Er wirft der relationalen Ästhetik vor, unkritisch zu sein, da sie das Spiel zwischen Kunst und Nicht-Kunst, den Hinweis auf Heterogenitäten und das ästhetische Erleben von realen politischen Antagonismen verlässt zugunsten von sozialen Verbindungen. Die »Verbreitung der Prekarität« durch die zeitgenössische Kunst – »the world in which we live is a pure construct [...] and it is the function of art to analyse and renarrate it« – erscheint da als Antwort unbefriedigend und geht an der Sache vorbei. Es ist fraglich, ob »exposing its intrinsic fragility« tatsächlich, wie Bourriaud annimmt, »real effects« generiert und damit eine geeignete Strategie ist für Gegenmodelle »that subvert this reality«.403 Auch verlagert er Rancières Kritik auf den von anderer Seite, Claire Bishops, geäußerten Vorwurf des ethisch-moralischen Herangangs.404 Wie schon Bishop missversteht er Rancière, der mit der »ethischen Wende« nicht einen Einzug christlicher Moral meint. Sondern die Konstruktion einer Sphäre, in der Unterschiede zwischen künstlerischen und politischen Praktiken aufgelöst werden.405 Genau eine solche Sphäre konstruiert Bourriaud, wenn seine Antwort ein politisches Programm darin sieht, die »Miseen-scène« der Welt künstlerisch neu zu erzählen: »It is because our social reality has proven to be artificial that we can envisage to change it.« 406 Armut, Ausbeutung, Klassenunterschiede, Krieg, Unterdrückung sind globale soziale Realität und kaum Teil dieser Sphäre. Sie sind keineswegs artifiziell.
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Ä STHETIK DER POLITIK UND U TOPIE DER POROSITÄT: R ANCIÈRE , BOURRIAUD UND BENJAMIN Nicolas Bourriaud und Jacques Rancière eint ihr Bezug auf Walter Benjamin. Rancière grenzt seine »Ästhetik der Politik« deutlich von Benjamins Verständnis einer »Ästhetisierung der Politik« ab. Bourriaud bezieht sich in der Esthétique relationnelle explizit auf Benjamin, zieht aber, wie gezeigt werden soll, irreführende Schlüsse aus einer Lektüre der »Aura« des Kunstwerks, da er Benjamins Verständnis von Gemeinschaft verkennt. Benjamin taucht auch schon implizit am Beginn der Esthétique relationnelle auf. Bourriaud sucht dort die Chance der Kunst nicht im Projekt der Kunst der Moderne, die Welt tatsächlich zu verändern, sondern in der möglichen Anpassung an die Welt, zu der die Kunst beitragen könne: »Cette ›chance‹ tient en peu de mots: apprendre à mieux habiter le monde, au lieu de chercher à le construire d’après une idée préconçue de l’évolution historique. En d’autres termes, les œuvres ne se donnent plus pour but de former des réalités imaginaires ou utopiques, mais de constituer des modes d’existence ou des modèles d’action à l’intérieur du réel existant [...].« 407 Den »utopies messianistes ou les ›nouveautés‹ formelles qui la caractérisaient hier« erteilt Bourriaud an dieser Stelle eine Absage. Das ist auch eine Absage an Benjamin. Wenn nicht den Benjamin, der sich in seiner Sprach- und Geschichtsphilosophie deutlich mit der messianischen Konzeption auseinandersetzte, dann zumindest den, der im Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit das Kennzeichen der modernen Kunst gerade in solchen »formalen Neuheiten« erkannte. Die technischen Möglichkeiten im Einfluss auf die Kunst tragen in Benjamins Aufsatz den Kerngedanken der Utopie von einer emanzipatorischen Wirkung der Kunst auf politische Realitäten und der Antwort auf den Faschismus. Obwohl Rancière wiederum ja gegen einen Bruch mit der Moderne in Theorien wie jenen Bourriauds ansetzt, wendet er sich ebenso gegen Benjamin. Rancière muss dies, da er die Praxis der Politik in der Ästhetik von der Praxis des Dissenses der politischen Subjekte unterscheidet. Er definiert Politik als die Rekonfiguration der Aufteilung des Sinnlichen, die das Gemeinschaftliche einer Gemeinschaft bestimmt. Wie gesehen, beharrt er darauf, dass diese Arbeit, die Dissens herstellt, nichts mit Benjamins »Ästhetisierung der Politik« zu tun habe.408 Rancière will Benjamin ausschließen – vielleicht, um sich in seinem auf die deutsche Philosophie und die Romantiker zurückgehenden Modell des ästhetischen Regimes nicht eingehender mit dessen Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik (1920) auseinandersetzen zu müssen. Tatsächlich aber fragen Rancières »Ästhetik der Politik« – die Konfiguration der Aufteilung des Sinnlichen im Feld der Politik – und Benjamins »Ästhetisierung der Politik«
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nach denselben Mechanismen. Nur denkt Benjamin von der seinerzeit Dominanz ausübenden Macht her: »Der Faschismus läuft folgerecht auf eine Ästhetisierung des politischen Lebens hinaus.« 409 Rancières Definition des »Politischen« der Kunst im ästhetischen Regime ergibt sich daraus, dass die »Suspension« der Kunst »en même temps un nouvel art de vivre« begründet. Die Politik ist der Kunst verbunden, weil sie die Dinge nach ihrer Zugehörigkeit zu einem anderen Sensorium als jenem der Dominanz beurteilt.410 Inwiefern Benjamin dem widerspricht, bleibt er schuldig. Der Unterschied zu Benjamins Gedanken zur »Ästhetisierung der Politik« durch den Faschismus liegt nur darin, dass Rancière Ästhetik der Politik, die Rekonfiguration der Aufteilung des Sinnlichen im Feld der Politik, vom Dissens der einzelnen Subjekte her denkt. Ästhetisierung in der Politik ist dort die Arbeit am Dissens. Benjamin hat diese Betrachtungsrichtung aber nicht ausgeschlossen. Die »Ästhetisierung der Politik« durch den Faschismus ist nur eine mögliche. Seine Kritik zielt vor allem darauf, dass der Faschismus Tausch und Konsum der Logik der Ausstellung unterwirft und die Eigentumsverhältnisse und Produktion von Kultwerten bewahrt.411 Benjamins Überlegung hat für die Auseinandersetzung der Kunst mit der Gegenwart sogar an Bedeutung gewonnen, da computergenerierte Bilder das Problem der Distanz in dokumentarischen Verweisen und das der Kommerzialisierung des Lebens verstärken. Catherine Perret hat dies an Harun Farockis Auseinandersetzung mit solchen »operativen Bildern« nachvollzogen: »L’écart ontologique entre l’enregistrement et l’inscription à l’époque du numérique est la réplique de l’écart ontologique entre l’enregistrement et la reproduction.« 412 Benjamin verstehe Ästhetisierung als Missbrauch emanzipatorischen Potentials: »La difficulté que rencontre l’artiste lorsqu’il s’agit de savoir quand, comment et où ses choix sont politiques renvoie à ce que Walter Benjamin identifiait comme une ›esthétisation de la politique‹. Cette expression visait les conséquences du détournement de la technique à des fins de profit dans les sociétés industrielles modernes. Les moyens techniques, dès lors qu’ils ne sont pas politiquement mis en œuvre pour ce qu’ils sont, à savoir l’accomplissement prothétique, potentiellement émancipateur, des fonctions humaines, dès lors qu’ils ne servent pas la cause de l’extraterritorialité qui définit l’existence humaine, deviennent des armes dans la guerre que le capital mène au nom de ses intérêts. Et dans un contexte où l’industrialisation a pris la forme de la programmation, puis de l’information et enfin de la communication, et où par le biais du design elle s’étend des objets produits aux sujets producteurs, ces armes sont nécessairement esthétiques.« 413 Bildrhetorik ist heute ein Problem der »Ästhetisierung der Politik« im Sinne Benjamins, Kommunikation und Design weiten die Industrialisierung auf alle Lebensbereiche aus.414
621 | Ästhetik der Politik und Utopie der Porosität: Rancière, Bourriaud und Benjamin
Darüber hinaus hat Benjamin eine mögliche Rekonfiguration der »Aufteilung des Sinnlichen« formuliert, um mit Rancière zu sprechen: Die Antwort des Kommunismus auf den Faschismus sei die »Politisierung der Kunst« 415; zwingend muss hier die Kritik daran mitgelesen werden, dass der Faschismus die Eigentumsverhältnisse wahrt. Sie zielt gerade auf die revolutionäre Veränderung der kollektiven Verhältnisse für die Herstellung einer Gemeinschaft, wie sie auch Rancière denkt. Diese Gemeinschaft thematisiert Benjamin etwa in der letzten These XV, in der er darauf beharrt, dass beim Nachdenken über Rezeption in »geschichtlichen Wendezeiten« die taktile Dimension zwingend zur optischen Wahrnehmung dazugedacht werden muss 416 – eine Differenzierung des »Sinnlichen«, die Rancière übrigens nicht vornimmt. Einbindung ins Leben und optische Kontemplation sind auch die Pole, die Rancière als die »Politiken der Ästhetik« bezeichnet, zwischen denen ein Kunstwerk oszilliert: Politik der Kunst als Leben; und Politik als Widerstand, denn Rancière denkt die Widerständigkeit des Kunstwerks von seiner Differenz zur ästhetisierten Warenform und administrierten Welt her, als Selbstgenügsamkeit. Der Unterschied ist recht banal: Rancière denkt vom Kunstwerk, während Benjamin seinen Aufsatz beschreibt als »Versuch, vom Verhältnis der Massen zum Kunstwerk sich Rechenschaft abzulegen«.417 Tatsächlich eint Rancière mit Benjamins Versuch noch mehr. Rancières Kriterium der Auseinandersetzung mit der relationalen Ästhetik ist die Herstellung von Gemeinschaft. »L’esthétique relationnelle rejette les prétentions à l’autosuffisance de l’art comme les rêves de transformation de la vie par l’art, mais elle réaffirme pourtant une idée essentielle: l’art consiste à construire des espaces et des relations pour reconfigurer matériellement et symboliquement le territoire du commun.« 418 Gemeinschaft ist auch Leitgedanke der letzten These des Kunstwerk-Aufsatzes. Der Erläuterung der »taktilen« und »optischen« Rezeption legt Benjamin seine Erfahrung der Architektur aus Neapel 1925 zugrunde.419 Die Erfahrung der porösen Durchdringung der Architektur durch »Ströme des Gemeinschaftslebens«, in der »Existieren« »Kollektivsache« ist420, an der die kontemplative Rezeption italiensehnsüchtiger Kunstreisender scheitern muss, ist ein Paradebeispiel der dort formulierten kollektiven Rezeption in der Gemeinschaft.421 Der Gemeinschaftsbegriff in der Kunstrezeption wird in Neapel an der Architektur so deutlich wie in keinem anderen Text Benjamins. Hier beschreibt er die Felder der sozialen Durchdringung sehr genau: Familie und Öffentlichkeit, Kirche und Kneipe, Kommerz mit Erwerb, Lotto, Auktion und Handel, Stadt- und Landleben bis hin zur andeutungsweisen Aufhebung räumlicher Trennungen zwischen sozialen Klassen, und die Wahrnehmung als ständiges Spiel zwischen Gebrauch und Optik auf allen Treppen, Plätzen und Bühnen der Architektur. Dass die Wahrnehmung der Kunst auf die Konstitution einer Gemeinschaft weist, verbindet Rancières Beschäftigung mit der Aufteilung des Sinnlichen in der Konfiguration des Gemeinschaftlichen mit Benjamin, der in Neapel das Aufgeteilte zusammenschießen sieht: »Ist aber Politik oder Kalender irgend danach angetan, so schießt all dieses Heimliche und Aufgeteilte zum
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lauten Fest zusammen.« 422 Das Verständnis des »Aufgeteilten« ist wie bei Rancière kategorial. Rancière grenzt seine Betrachtung des ästhetischen Regimes auch von soziologischen Untersuchungsmodellen wie denen Pierre Bourdieus zur ästhetischen Praxis als Mittel der sozialen Distinktion einer Klassengesellschaft ab, die selbst nur eine »Aufteilung des Sinnlichen« vornähmen: »Sans doute la sociologie, au temps de Bourdieu, a-t-elle abandonné ses rêves originaires de réorganisation sociale. Mais elle continue à vouloir, pour le bien de la science, ce que l’ordre représentatif voulait pour le bien des distinctions sociales et poétiques: que les classes séparées aient des sens distincts.« 423 Auch Benjamin wahrt Distanz zur soziologischen Aufteilung. Sein soziografisches Bild von Neapel beinhaltet eine Auseinandersetzung mit der Sozialanthropologie in der Nachfolge Kants und verschiedenen Wahrnehmungstheorien. Wahrscheinlich ist, dass Benjamin auf dem Philosophie-Kongress in Neapel 1924 neben dem Vortrag seines Mentors Gottfried Salomon-Delatour über »Bemerkungen zum Stand der Soziologie« ein Grundlagenreferat von Ferdinand Tönnies »Einteilung der Soziologie« hören konnte, in dem dieser ausgehend von einer Unterscheidung der Begriffe »Gemeinschaft« und »Gesellschaft« soziologische Untersuchungsbereiche der Gesellschaft systematisiert. Benjamins soziologisches Interesse in Neapel kann als Absage an solche aufteilenden Systeme und zahlreiche Kategorien gelten. Dagegen setzt er auf eine induktive, empirisch soziologische Wahrnehmung.424 Die Kritik der soziologisch-aufteilenden Vermessung ist im Kunstwerk-Aufsatz sogar im Bereich der Theorie das Pendant zur Zertrümmerung der Aura: »Die Entschälung des Gegenstandes aus seiner Hülle, die Zertrümmerung der Aura, ist die Signatur einer Wahrnehmung, deren ›Sinn für das Gleichartige in der Welt‹ so gewachsen ist, daß sie es mittels der Reproduktion auch dem Einmaligen abgewinnt. So bekundet sich im anschaulichen Bereich was sich im Bereich der Theorie als die zunehmende Bedeutung der Statistik bemerkbar macht.« 425 Dass Benjamin den Verlust der Aura des Kunstwerks mit der zunehmenden Bedeutung der Statistik im Problemfeld der »Ausrichtung der Realität auf die Massen und der Massen auf sie« verbindet, geht zurück bis auf seine soziologiekritische Haltung in Neapel 1925.426 Es ist viel nach den Ursprüngen der Konzeption des »Aura«-Begriffs von Benjamin geforscht worden. Der tatsächliche Entstehungskontext des Begriffs ist der NeapelAufenthalt und Aufsatz Benjamins 1924–1925.427 Zeitgleich mit Benjamin hielt sich Ernst Bloch dort auf. Briefe Benjamins berichten von engem Austausch und dass Bloch »alles inne« habe, was er selbst je geschrieben habe, und »jedes gesprochene Wort von vor Jahren«.428 Er schreibt dies 1926, als Bloch gerade in der Weltbühne, ein Jahr nach Benjamins Aufsatz über das poröse Neapel, einen Aufsatz Italien und die Porosität publiziert hatte.429 Bloch beschreibt die Porosität der Neapolitaner wie Benjamin im Fokus
623 | Ästhetik der Politik und Utopie der Porosität: Rancière, Bourriaud und Benjamin
auf die soziale Durchdringung. Dem Fremden stelle sie sich dar als eine Missachtung der persönlichen Aura, »stupfend und betastend, zerrend, knallend und schreiend, beliebig in die andre Person hineingreifend, ohne jedes Gefühl für die trennende Aura«.430 Bloch illustriert also Benjamins Begriff der Porosität mit der persönlichen Aura; es gilt zu vermuten, dass auch dieser Begriff in einer der von Benjamin genannten Unterhaltungen gefallen ist. Entscheidend ist, dass Bloch die Porosität an »porösen« Figuren ohne Ränder bei Luigi Pirandello weiter ausführt und Benjamin wiederum im Kunstwerk-Aufsatz Pirandello heranzieht, um den Verlust der persönlichen Aura im Film zu illustrieren:431 »So muss die Aura, die um den Darstellenden ist, fortfallen – und damit zugleich die um den Dargestellten.« 432 Der Sachverhalt gilt analog für die bekanntere Formulierung vom Verlust der Aura des Kunstwerks. Tatsächlich ist die Aura aber damit ursprünglich nicht nur eine soziale, menschliche Eigenschaft. Sie wird von der sozialen Porosität beeinflusst – und ist eine Kategorie, die eine Wirkung dieser Porosität sinnlich erfahrbar macht. Die »Zertrümmerung der Aura des Kunstwerks« findet deshalb bei Benjamin ihre Entsprechung in der zunehmenden Bedeutung der Statistik, weil die Statistik Menschen isoliert. Sie verhindert die Erfahrung sozialer Porosität und Gemeinschaft. Nun könnte man glauben, dass die relationale Ästhetik Bourriauds die Antwort auf den Verlust dieser »Aura« gefunden hat. Bourriaud selbst bezieht sich auf Walter Benjamin als Kronzeugen der Herstellung von Gemeinschaft in relationalen Werken und theoretisiert eine Verlagerung der Aura des Kunstwerks auf das Publikum: »L’aura des œuvres d’art s’est déplacée vers son public.« 433 Allerdings stellt Bourriaud auf die landläufig bekannte weitere Definition der Aura als »Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag« 434 ab; und nicht auf die naheliegendere Auseinandersetzung Benjamins mit der Aura des Schauspielers: »depuis quelques années se multiplient les projets artistiques [...] qui explorent de multiples potentialités de la relation à l’autre. Comme si désormais, cette ›unique apparition du lointain‹ qu’est l’aura artistique se voyait fournie par lui: comme si la micro-communauté qui se regroupe devant l’image devenait la source même de l’aura, le ›lointain‹ apparaissant ponctuellement pour auréoler l’œuvre [...]«.435 Die »Aura« finde sich nunmehr in der zeitlich begrenzten kollektiven Form, die die Form des Werks produziere. Darin sieht Bourriaud den gemeinschaftlichen Effekt – »C’est dans ce sens là que l’on peut parler d’un effet communautaire dans l’art contemporain«.436 Künstler reagierten auf das »Regime intensiver Begegnung« der Urbanisierung mit entsprechenden Praktiken: »L’art est le lieu de production d’une socialité spécifique: reste à voir quel est le statut de cet espace dans l’ensemble des ›états de rencontre‹ proposés par la Cité. Comment un art centré sur la production de tels modes de convivialité se trouvet-il à même de relancer, en le completant, le projet moderne d’emancipation?« 437
624 | Von der Kunstpolitik zur »Politik der Kunst«
Bourriauds Antwort auf diese Frage nach dem Emanzipationsprojekt der Moderne ist das erwähnte Konzept des »Zwischenraumes«, den Werk und Ausstellung in der allgemeinen Verdinglichung und Mechanisierung sozialer Funktionen auftun. Hier sieht er das politische Projekt: »L’art contemporain développe bel et bien un projet politique quand il s’efforce d’investir la sphère relationnelle en la problématisant.« 438 Die These einer Wiederaufnahme des Projekts der Moderne verweist auf die Konzeption eines zeitlichen »Davor und Danach«, die Rancière in der »ethischen Wende« kritisiert. Emanzipation ist nicht mehr auf ein Ziel gerichtet, sondern auf die Wiederherstellung von etwas Verlorenem, auf soziale Beziehung: »Deux traits caractérisent ainsi le tournant éthique. [...] le temps tourné vers la fin à réalisier – progrès, émancipation, ou autre – est remplacé par le temps tourné vers la catastrophe qui est en arrière de nous. Mais c’est aussi un nivellement des formes mêmes de cette catastrophe.« 439 Rancière nennt hier Benjamin nicht, aber dessen »Engel der Geschichte« aus den Thesen Über den Begriff der Geschichte kommt in den Sinn, der auf die sich hinter uns auftürmende Katastrophe blickt.440 Antonio Negri und Michael Hardt dagegen sahen in Empire Benjamins Thesen über den Begriff der Geschichte als eine der Analysen der Krise der Moderne, die mögliche Formen des Widerstandes zeigen.441 Sie zitieren die zweite These. Sie beschreibt, wie jede Generation in den Erwartungen der vorangegangenen in die Pflicht genommen wird. »Die Vergangenheit führt einen heimlichen Index mit, durch den sie auf die Erlösung verwiesen wird. [...] ist nicht in Stimmen, denen wir unser Ohr schenken, ein Echo von nun verstummten? [...] Ist dem so, dann besteht eine geheime Verabredung zwischen den gewesenen Geschlechtern und unserem. Dann sind wir auf der Erde erwartet worden. Dann ist uns wie jedem Geschlecht, das vor uns war, eine schwache messianische Kraft mitgegeben, an welche die Vergangenheit Anspruch hat.« 442 Für Hardt und Negri ist Benjamin ein Beispiel, wie der Erste Weltkrieg eine »säkulare eschatologische« Hoffnung auf Aufhebung der Krise in einer negativen Dialektik zerschlug. Aber gerade im Anspruch der Vergangenheit an eine kommende Gegenwart lässt sich eine Form des Widerstandes erkennen, die Deleuze, wie gesehen, in seinem Vortrag 1987 über die Kontrollgesellschaft mit dem Kunstwerk verband. Widerstand und Kunstwerk richteten sich immer auch an ein erst noch kommendes Volk: »Il n’y a pas d’œuvre d’art qui ne fasse pas appel à un peuple qui n’existe pas encore«.443 In No Man’s Time in Nizza 1991 entwarf Bourriaud neben dem Vorschlag, das jüdisch-christliche »tragische« Modell vergehender Zeit durch »Karma« zu ersetzen, noch eine Kunst, die freiwillig Möglichkeiten der Kommunikation mit Vorgänger-Generationen aufgab.444 In der Esthétique relationnelle wiederum bemüht er sich, die langfristige Wirkung der relationalen Kunst damit zu begründen, dass es gerade ihre punktuelle und zeitliche Beschränktheit sei, die sie mit der Ewigkeit in Verbindung bringe: »L’art
625 | Ästhetik der Politik und Utopie der Porosität: Rancière, Bourriaud und Benjamin
actuel n’a rien à envier au ›monument‹ classique pour ce qui est de produire des effets de longue durée. L’œuvre contemporaine est plus que jamais [...] une résolution formelle qui touche à l’éternité précisément parce qu’elle est ponctuelle et temporaire.« 445 Dies entfernt sich von einer materiellen emanzipatorischen Wirkung der Kunst, wie sie Benjamin in der Moderne entwarf, wenn mit »messianischen Utopien« alle echten Ansprüche an eine kommende Generation aufgegeben werden, da das Ziel ist »apprendre à mieux habiter le monde, au lieu de chercher à le construire d’après une idée préconçue de l’évolution historique«.446 Kunstwerke nur auf die Herstellung von sozialen Beziehungen im Hier und Jetzt zu lesen, gibt jeden Anspruch an eine kommende Generation auf. Umgekehrt kann mit Benjamin solche Kunst dann in einer späteren Generation kaum noch als »Echo« wirken, als »Verabredung zwischen den gewesenen Geschlechtern und unserem«. Mit dem Anspruch »apprendre à mieux habiter le monde« lässt sich abschließend auch auf das Missverständnis in der Annahme der relationalen Ästhetik von einer Verlagerung der »Aura« des Kunstwerks in Benjamins Sinne auf das Publikum hinweisen. Richtig ist, dass diese Aura eine Kategorie der intersubjektiven Wahrnehmung ist. Aber in der Erfahrung echter sozialer Durchdringung in einer Gemeinschaft, in »Strömen des Gemeinschaftslebens« wie Benjamin sie in Neapel erlebte, ist sie in der Porosität der sozialen Beziehungen aufgehoben. Ihre Aufhebung ist allgemein ein Kennzeichen der Erfahrung des sozialen Durchdringungsprozesses. Und in den neuen Medienapparaten, die Benjamin im Kunstwerk beschreibt, ist der Verlust der persönlichen Aura Kennzeichen der »Durchdringung der Wirklichkeit« mit der »Apparatur«.447 Dies ist nicht per se negativ, denn Benjamin macht gerade auch deutlich, wie die neuen Medien zur Herstellung einer sozialen Gemeinschaft beitragen könnten. Die durch ein relationales Kunstwerk produzierte soziale Struktur ist aber nie »Kollektivsache« wie die der Existenz in Benjamins Neapel. Gerade dadurch, dass Aura spürbar ist und das Kunstwerk kennzeichnet, wie Bourriaud analysiert, zeigt sich, dass kein sozialer Durchdringungsprozess stattfindet, der in der Rezeption des Werks eine Gemeinschaft herstellen könnte, vergleichbar der taktilen und optischen Rezeption der Architektur durch eine Gemeinschaft, die zugleich in dieser Architektur lebt. Dagegen ist relationale Ästhetik auch weit entfernt von dem emanzipatorischen Potential, das Benjamin dem Film in der Durchdringung von Kunst und Leben zugeschrieben hat. Zwar schreibt Nicolas Bourriaud 2009 zur Tate Triennale Altermodern von der Beziehung des modernen Lebens zur Explosion, von den Futuristen bis zur Pop Art.448 Diese Verbindung dient zur Illustration der Lektüre des 20. Jahrhunderts mit dem Bild des Energieverbrauchs. Benjamin dagegen formulierte eine Verbindung von Explosion und modernem Leben 1927, als er auf die Kritik der »kollektivistischen« russischen Kunst von Oscar A. H. Schmitz erwidert und dem »Dynamit der Zehntelsekunden« des Films zuschreibt, eine der »gewaltigsten« Bruchstellen der künstlerischen Formation zu sein: »Er hat dann diese ganze Kerkerwelt mit dem Dynamit der Zehntelsekunden
626 | Von der Kunstpolitik zur »Politik der Kunst«
gesprengt, so daß nun zwischen ihren weitverzweigten Trümmern wir weite, abenteuerliche Reisen unternehmen.« 449 Diese Formulierung vom »Dynamit der Zehntelsekunden« zitiert er wieder im Kunstwerk-Aufsatz. Auf die Sprengkraft des Films folgt, dass er »völlig neue Strukturbildungen der Materie sichtbar« macht und den »ungeahnten Spielraum« der »Erforschung banaler Milieus« eröffnet.450 Damit meint Benjamin nicht, wie Bourriaud in der Esthétique relationnelle, dass »l’invention du quotidien« ein kunstwürdiges Thema wird.451 Sondern der Film trägt dazu bei, dass die Architektur der Gesellschaft selbst porös wird. Sein Kennzeichen ist der Verlust der Aura – sein Gewinn ein Beitrag zu einem sozialen Durchdringungsprozess. Statt die »Gemeinschaft« als »micro-communauté qui se regroupe devant l’image« zu denken wie Bourriaud, und dieser eine Aura zuzuschreiben, betrachtet Benjamin den Verlust der Aura als Kennzeichen der Möglichkeit, im Makro-Maßstab zu einem sozialen Durchdringungsprozess beizutragen, der auf eine echte Gemeinschaft zielt. Das ist zu Benjamins Zeitpunkt nicht nur ein utopisches Ziel, sondern diese Utopie selbst ist durch den unmenschlichen Faschismus bedroht. Dieses emanzipatorische Projekt ist auch heute fortzuführen.
627 | Ästhetik der Politik und Utopie der Porosität: Rancière, Bourriaud und Benjamin
1 Elisabeth Caillet: Profession et organisation: le cas paradoxal des arts plastiques, in: Culture &
Musées 2/2003, S. 53–76, S. 71.
2 Ibid., S. 69 f. 3 Leccia 2008, S. 45: »[…] cette dimension éphémère ne doit pas avoir de prise sur une structure
comme le Pavillon dont l’activité implique le long terme. Faire de la prospection induit de s’inscrire dans la durée«.
4 http://archives.palaisdetokyo.com/index2002.php und http://archives.palaisdetokyo.com/
fo3/low/programme/index.php?page=../../../newhome/index.php (26. Januar 2016).
5 Im Material ist ein ausführlicherer Lebenslauf Bourriauds enthalten. Seit Ende der 1980er Jahre
organisierte er Ausstellungen, wie Territoires 1987 in der Galerie Daeppen in Frankfurt und structures idéales 1989 bei Pierre Huber in Genf. Für eine Bibliographie vgl. http://www.archivesdelacritiquedart.org/outils_documentaires/critiques_d_art/220/bibliographie (24. Februar 2016). 6 Nur der guten Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass der ehemalige Leiter der 2010 auf-
gelösten DAP, Olivier Kaeppelin, 2009 von Kulturministerin Christine Albanel zum Projektleiter des »Palais de Tokyo: Un quartier d’art contemporain« berufen wurde. Catherine Grenier für das Centre Pompidou und danach er hatten ein Programm für die Nutzung der freien Fläche entworfen; der 2009–2012 amtierende Kulturminister Frédéric Mitterand übertrug schließlich 2011 Jean de Loisy die Leitung des neuen Palais de Tokyo, vgl. dazu seine Einweihungsrede vom 12. April 2012, in: http://discours.vie-publique.fr/notices/123000768.html. Kaeppelin oblag damit seit 2009 die Planung der Erschließung. Mitterands Vorgängerin Albanel entschied, diese Flächen nicht dem Centre Pompidou zuzuschlagen, und zugunsten einer Erweiterung des Palais de Tokyo. Sie übertrug Kaeppelin die Verantwortung für die Verdoppelung bis 2012, er sollte auch die künstlerische Leitung nach Wahler übernehmen. Kurz darauf wurde Mitterand Kulturminister. Die Ernennung Kaeppelins zum Präsidenten des Projekts wurde im August 2010 unterzeichnet, aber die nötige Publikation im Journal Officiel verzögerte sich; daher entschied er sich im Mai 2011, Direktor der Fondation Maeght zu werden. Unterstützer und Gegner Kaeppelins veröffentlichten Petitionen. Zum 1. Juni 2011 wurde Jean de Loisy ernannt und der Verein in eine »société par action simplifiée unipersonnelle« (SASU) mit dem Staat als einzigem Aktionär umgewandelt. Das Palais erhielt mehr Autonomie und sein Ausstellungsauftrag wurde von der »scène contemporaine émergente« erweitert um die etabliertere französische Kunst. Vgl. Palais de Tokyo: Rapport d’Activité 2012, S. 7. Tristan Trémeau und Cédric Loire – Unterzeichner für Kaeppelin – haben die Ereignisse im Mai 2011 nachgezeichnet, vgl. id.: Palais de Tokyo: quelle histoire?, 24. Mai 2011, in: http:// heterotopiques.blogspot.fr/2011/05/palais-de-tokyo-quelle-histoire.html. Zu Projekt Kaeppelins, Chronologie und den Auseinandersetzungen vgl. Catherine Millet: Arts: un ministre sans signature, 5. Mai 2011, in: http://next.liberation.fr/culture/2011/05/05/arts-un-ministre-sanssignature_733491; Emma Aurange: Le Palais de Tokyo râle contre les »branchouilles« de Mitterand, 9. Mai 2011, in: http://rue89.nouvelobs.com/2011/05/09/palais-de-tokyo-les-artistes-en-rognecontre-mitterrand-et-les-branchouilles-203114 (alle Links 31. März 2016). 7 Bourriaud 2001, S. 48. 8 Ibid., S. 13. 9 AN 20050502/12. Nicolas Bourriaud u. Jérôme Sans: »Palais de Tokyo. site de création con-
temporaine«, paginiert, signiert, 25 S., Kopie, S. 4. (An David Cameo vor Treffen mit Ministerin Tasca im September 2000).
10 Genannt werden: PS1 (1971 von Alanna Heiss, die es bis 2008 leitete, im Umfeld der Bewe-
gung zur Wiedernutzung verlassener urbaner Räume gegründet und seit 2000 institutionell dem MoMA assoziiert), Clocktower Gallery (ebenfalls von Alanna Heiss gegründet), New Museum, Grey Art Gallery (Museum der bildenden Künste der NYU) und Whitney Biennial; diese zögen viele internationale junge Künstler an und trügen zur Dynamik des amerikanischen Kunstmarktes bei; London mit Serpentine Gallery, Institute of Contemporary Arts ICA und Whitechapel Gallery
628 | Von der Kunstpolitik zur »Politik der Kunst«
werde sehr wahrscheinlich die dynamischste Hauptstadt Europas dank der Tate Modern (eröffnet im Mai 2000); Amsterdam biete Stedelijk Museum und De Appel Centre for Contemporary Art; Berlin habe die KW und den Hamburger Bahnhof. Vgl. ibid., S. 6. 11 Ibid., S. 7, die folgenden Angaben S. 7 ff. 12 Ibid., S. 10 f. 13 Vgl. Mathilde Gautier: La librairie de musée en tant que médium, in: Culture & Musées 1/2008,
S. 37–57.
14 AN 20050502/12. Bourriaud u. Sans, Dossier »Palais de Tokyo«, S. 12 ff.: »Le site web ref-
létera les activités du palais de Tokyo, tout en représentant un espace de production artistique au même titre que ses salles«.
15 Vgl. Annick Lantenois: La chair du texte, in: Communication et langages 134/2002, S. 41–58,
S. 50.
16 Vgl. M/M: Tokyo Palace, Interview in: PALAIS 15/2012, S. 165–167. 17 AN 20050502/12. Bourriaud u. Sans, Dossier »Palais de Tokyo«, S. 13. 18 Vgl. Sarah Cordonnier: L’ édition des centres d’art, de l’archive à renonciation éditoriale, in:
Communication et Langages 154/2007, S. 99–110.
19 AN 20050502/12. Bourriaud u. Sans, Dossier »Palais de Tokyo«, S. 14 ff. 20 Ibid., S. 24. 21 AN 20050311/2, Archives du cabinet de Lionel Jospin. Dossier Palais de Tokyo, Schreiben von
Bourriaud u. Sans an David Caméo, o.D. (zwischen Mitte Februar und Mai 2001). 22 Bourriaud u. Sans 2012, S. 124.
23 Ibid., S. 126. Vgl. Douglas Crimp: On the museum’s ruins, photographs by Louise Lawler, Cambridge Mass. 1993. 24 AN 20050502/13, Palais de Tokyo. Inauguration. »Projet de discours de Monsieur Lionel
Jospin, Premier Ministre, à l’occasion de l’ouverture du Site de Création Contemporaine du Palais de Tokyo le 21 janvier 2001«, PNO/13:04/13:04, 16 S., S. 3. 25 Ibid., S. 6: »Combien de jeunes qui sont autour de nous ce matin, savent que fut créé, dans ce lieu
même, le premier musée national d’art moderne en 1947? Combien savent que, jusqu’à l’ouverture du centre Pompidou, les plus exceptionnelles expositions d’art moderne et contemporain y furent présentées?« (vgl. auch AN 20050311/2, Archives du cabinet de Lionel Jospin. Dossier Palais de Tokyo, Unterdossier »Inauguration«). 26 Ibid., Dossiers des Eröffnungsprogramms, hier Dossiers »Module Exposition Personelle«.
Rawanchaikuls Installation, courtesy Air de Paris und Shugoarts, Tokyo, wurde unterstützt vom Außenministerium, der AFAA, Agnès B., der Sammlung Claudine und Jean-Marc Salomon und Point d’ironie, Ohanians durch die DAP und die Firma Image mouvement. 27 Ibid., Pressedossier zur Eröffnung, 43 S., S. 15. Vgl. Harry Bellet: Le Palais de Tokyo, laboratoire des arts, in: Le Monde, 14. Dezember 2001, S. 33. Ibid., Dossier »Complément revue de Presse«. Vgl. Pressemeldung der Caisse des dépôts in AN 20050311/2, cabinet de Lionel Jospin, Dossier Palais de Tokyo. 28 Ibid., Dossier »Grande Galerie, Exposition de groupe«: Virginie Barré (*1970, Qui a tué Kenny,
Installationen verschiedener Körper um das Thema Tod und Gewalt, 2001, Zoo Galerie Nantes); Christophe Berdaguer/ Marie Péjus (*1968 u. 1969, Black Bloc, Installation eines schwarzen Felsen mit Aussonderung Angst auslösender Substanzen, 2001); Alain Declercq (*1969, Instinct de
629 | Anmerkungen
Mort, Installation einer Palisade, auf die Eliteschützen schießen, 2002); Wang Du (*1956, No Comment, Installation mit Euronews auf Fernsehern und Tonnen Altpapier in überdimensionalem Metalleimer, zum Thema Recycling und Informationskultur, 2001); Elmgreen & Dragset (*1961 u. 1969, Demolished Prison, Powerless Structures, Fig. 272, Installation aus der Serie Powerless structures, die Ausstellungsarchitekturen hinterfragt, hier die Kontrolle von Menschen im öffentlichen Raum, 2002, courtesy Gallery Tanya Bonakdar New York, Klosterfelde Berlin, Nicolai Wallner, Kopenhagen); Naomi Fischer, Gelatin, Subodh Gupta (*1964, High Life, Installation von Töpfen, Pfannen, Pistolen und Eimer um Themen des Alltags in Indien, 2001, Galleria Continua, San Gimignano, Collection AGI, Verona), Kay Hassan (*1956, Johannesburg by Day, Installation einer Spurendokumentation im urbanen Raum, 2002), Alexander Györfi, Gunilla Klingberg (*1966, Transtube System, IKEA-Papierlampen, 2001, Spar Loop, Video, 10 min., 2000, um das Thema Massenkonsum und das Spar-Supermarktlogo), Surasi Kusolwong (*1965, Minimal Market (Welcome 1 euro), Laden mit thailändischen Produkten die vom Besucher zu je einem Euro erworben werden können, 2002), Michel Majerus (*1967, Running in Circles, 5 × 7,5 m, Malerei auf PVC mit Motiven einer früheren Installation in Skateboardbahn, 2001, courtesy neugerriemschneider Berlin, 6. November 2002), Paola Pivi (*1971, o.T., Installation mit Gips, Erde, Video und Fotos nach Skulptur-Performance von zwanzig Männern in orangenen Overalls, die über Erdhügel rennen, 2002), Matthew Ritchie, Franck Scurti (*1965, Insert, Malerei auf Holz, 2,4 × 1,7 m, Grafik auf Basis eines früheren Kataloginserts zum Thema der Veröffentlichung von Kunstwerken, 2001, courtesy Galerie Anne de Villepoix Paris), Sislej Xhafa (*1970, Sleeping Beauty Life, Performance und Installation zum Thema Illegalität und Identität, zwei eingeladene Künstler aus Nordafrika oder dem mittleren Osten realisieren das Portrait eines schlafenden arabischen Freundes des Künstlers, 2002, courtesy Galleria Laura Pecci, Mailand) und Jun’ya Yamaide (*1970, Nowhere, Digitaldruck und Fettkreide, 6 × 10 m, auf einer Wand zur Ausmalung durch Besucher, 2002). 29 Zu diesen und den folgenden Angaben vgl. ibid. Dossier »Niveau 2 Expositions«, Unterdos-
siers »Audiolab«, »Loris Cecchini«, »Le Salon«, »Exterieur«.
30 Vgl. Meschac Gaba: Musée d’Art Contemporain Africain, Interview in: PALAIS 15/2012,
S. 147–148.
31 Das Programm Identité, métissage et autres arrangements von Alexandre Pollazzon zeigte im Januar 2002 als erstes Video Georges Tony Stolls What does the Minotaure do when he is alone? 97 (2nd part) (1997, 10 min.). 32 Charlotte Beaurepaire, Emmanuelle Delage, Meschac Gaba, Emily Joyce, Matthew Ritchie,
Surasi Kusolwong, Heidi Sill, Fabien Verschaere, Apichatpong Weerasethakul.
33 Monica Bonvicini, Genital modes, klebende Briefe auf Plexiglas, 2001, courtesy Galleria Emi Fontana, Mailand, und What does your wife/girlfriend think of your rough and dry hands?, Tinte auf Papier, 218 Blatt A4, 1999–2001, courtesy Chouakri Brahms Berlin / Emi Fontana Mailand, vgl. AN 20050502/13. Dossier »Niveau 3 Expositions«. 34 Ibid., Dossier »Niveau 1, Les Jardins«. 35 Ibid. Dossier »Grande Galerie, Exposition de groupe«, Blatt. 36 Jérôme Glicenstein: Le Palais de Tokyo: un »cinéma de situations«, in: Revue d’esthétique
42/2002, S. 97–110, S. 99. 37 Ibid., S. 99. 38 Ibid., S. 100.
39 Vgl. Palais de Tokyo (Hrsg.): Qu’attendez-vous d’une institution artistique du 21e siècle? / What do you expect from an art institution in the 21st century?, Paris 2001. 40 Glicenstein 2002, S. 100 ff.
630 | Von der Kunstpolitik zur »Politik der Kunst«
41 Ibid., S. 104. 42 Ibid. 43 Ibid., S. 106. 44 Vgl. ibid. S. 107 f. Er verweist auf das in Bourriauds Werk wiederkehrende Bild des Scripts,
seine Verwendung der Begriffe der »art de réalisateurs« seit den 1980ern und sein Konzept einer Ausstellung als Kurzfilm im Stillstand, Venedig-Biennale 1990, »Courts-métrages immobiles«. 45 Ibid., S. 108.
46 Bourriaud u. Sans 2012, S. 121. Die Société Perpendiculaire gründete Bourriaud mit Chris-
tophe Duchatelet, Jean-Yves Jouannais, Laurent Quintreau und Christophe Kihm, dazu stießen Michel Houellebecq und Jacques-François Marchandise. Sie versammelte sich mittwochabends im Bistrot Les Marronniers in der Rue des Archives. 1995–1996 in den Éditions Michalon erschienen, wurde die bis 1998 bestehende Revue 1997 vom Verlag Flammarion aufgekauft. Vgl. Olivier Le Naire: Une provoc’ qui tombe à pic, in: L’Express, 25. September 1997, in: http://www.lexpress.fr/ informations/une-provoc-qui-tombe-a-pic_624381.html (22. Januar 2016). 47 No Man’s Time, Ausstellungskatalog, Villa Arson, Nizza 1991. Vgl. ibid. Éric Troncy: Boîte
noire, S. 20 f., 38 f., 60 f., 68 f., 92 f., 122 f., 138 f., 152 f., 168 f., 188 f. Claire Bishop nennt diese Ausstellung als Beispiel von Ausstellungen mit langer Residenz, die Anfang der 1990er Jahre aufkamen. Sie bezieht sich auf einen Artikel Troncys in Flash Art 261/2008, dieser Katalog und Bourriauds Beteiligung entgehen ihr, vgl. id. 2012, S. 207 ff.
48 Die Villa Arson zeigte Kippenberger 1990 solo (2.–25. Februar 1990) und in Le désenchante-
ment du monde (8. Juli–30. September 1990, Georg Herold, Mike Kelley, Jon Kessler, Kippenberger, Meuser, Joachim Mogarra, Harald F. Müller, A.R. Penck, Peter Weibel, Heimo Zobernig, Buchal & Clavel, Clegg & Guttmann, Fischli & Weiss, Judith Bartolani & Claude Caillol), vgl. http://archives.villa-arson.org/archives_des_expositions.php?page=expositions_par_artiste&prenom=Mar tin&nom=Kippenberger (30. Januar 2016).
49 Vgl. Playlist, in: No Man’s Time 1991, S. 204 –213. 50 »Nous appréhendons l’exposition avant tout comme un lieu de passage, une variante urbaine
et condensée de la promenade du dimanche. On ralentit devant une œuvre, comme devant un feu orange; on ne stationne pas devant la porte; la plus ou moins grande fluidité des déplacements dans un vernissage est l’indice de son succès, comme on pourrait juger de l’importance d’un jour férié au nombre de kilomètres de bouchons qu’il provoque sur le périphérique«, vgl. Nicolas Bourriaud: Déplacements, in: No Man’s Time 1991, S. 32–33, S. 32. 51 Bourriaud 1991, S. 32. 52 Ibid.
53 Deleuze 1990, S. 244: »Le langage numérique du contrôle est fait de chiffres, qui marquent
l’accès à l’information, ou le rejet. On ne se trouve plus devant le couple masse-individu«.
54 Vgl. Deleuze 1987: »Voyez en quoi un contrôle ce n’est pas une discipline. Je dirai, par exemple,
d’une autoroute, que là vous n’enfermez pas les gens, mais en faisant des autoroutes, vous multipliez des moyens de contrôle. [...] des gens peuvent tourner à l’infini et sans être du tout enfermés, tout en étant parfaitement contrôlés. C’est ça notre avenir«. 55 »Le statut d’artiste n’est revendiqué que comme une commodité. [...] L’art ne serait, en fin de
compte, qu’un milieu, dont les bords s’effilochent de jour en jour. L’actuelle génération d’artistes et de critiques aura porté à son comble la suspicion quant à la notion d’art, et ses prétendues limites. Art ou pas, peu importe, c’est fait. Il s’agit moins de correspondre à un genre que de trouver un circuit«, vgl. Nicolas Bourriaud: Just Do-It!, in: No Man’s Time 1991, S. 97 f.
631 | Anmerkungen
56 Laut Katalog: Vanessa Beecroft, Henry Bond, Angela Bulloch, Jes Brinch & Henrik Plenge
Jacobsen, Maurizio Cattelan, Andrea Clavadetscher & Eric Schumacher, Honoré d’O, Liam Gillick, Dominique Gonzalez-Foerster, Douglas Gordon, Jens Haaning, Lothar Hempel, Christine Hill, Noritoshi Hirakawa, Carsten Höller, Pierre Huyghe, Peter Land, Miltos Manetas, Gabriel Orozco, Jorge Pardo, Philippe Parreno, Jason Rhoades, Christopher Sperandio & Simon Grennan, Rirkrit Tiravanija, Xavier Veilhan, Gillian Wearing, Kenji Yanobe. 57 Nicolas Bourriaud: Traffic: Espaces-temps de l’ échange, in: Traffic, Ausstellungskatalog, CAPC,
Bordeaux 1996, unpaginiert, 4 S., S. 1.
58 Vgl. die einführende Liste von Künstlern in Bourriaud 2001, S. 7 f., mit: id. 1996 (S. 2), u. id.
1996 als Hauptteil des Unterkapitels »Les espaces-temps de l’échange« in: id. 2001, S. 43–50. 59 Bourriaud 1996, S. 1. 60 Ibid. 61 Ibid., S. 2.
62 Ibid.: »Ces procédés ›relationnels‹ (invitations, castings, rencontres, espaces conviviaux, ren-
dez-vous, etc.) ne sont qu’un répertoire de formes communes, des véhicules par lesquels se développent des pensées singulières et des rapports au monde personnels. […] ces artistes appréhendent leur travail d’un triple point de vue, à la fois esthétique (comment le ›traduire‹ matériellement?), historique (comment s’inscrire dans un jeu de références artistiques?) et social (comment trouver une position cohérente par rapport à l’état actuel de la production sociale?)«.
63 Ibid., S. 3. 64 Ibid., S. 4. 65 Vgl. Bourriaud 1997. 66 Vgl. Bourriaud 1997–1998. 67 Gekürzt um »Tas« (Haufen) und »Tatouage«. 68 Vgl. Palais de Tokyo: Les Modules – Fondation Pierre Bergé – Yves Saint Laurent. Laboratoire de
la jeune création en France. Un vernissage tous les premiers jeudis du mois, in: http://archives.palaisdetokyo.com/fo3/low/programme/index.php?page=projets.php&cat2=3 (25. Februar 2016).
69 Palais de Tokyo: Les Expositions au Palais de Tokyo, 2002–2012, in: http://archives.palaisde-
tokyo.com/index 2002.php, Rubrik »Mémoire«, Unterrubrik »Expositions« (25. Februar 2016).
70 Bourriaud 2001, S. 39. 71 Ibid., S. 8 f., wie auch das folgende Zitat. 72 Ibid., S. 9 f. 73 A.A.A. CORP. / Jota Castro / Minerva Cuevas / Alain Declercq / Michel Dector / Michel
Dupuy / etoy.C orporation / Kendell Geers / Johan Grimonprez / Guerilla Girls on Tour / Clarisse Hahn / Henrik Plenge Jakobsen / Gianni Motti / Ocean Earth / Anri Sala / Shu Lea Cheang / Santiago Sierra / Sislej Xhafa. 74 Jérôme Sans: Hardcore. Vers un nouvel activisme, in: Hardcore. Vers un nouvel activisme, Aus-
stellungskatalog, Palais de Tokyo, Paris 2003, S. 6–7, S. 6. 75 Ibid.
76 Ibid., S. 7: »L’œuvre devient une matière à réagir, à interrogations, plus qu’à contemplation«. 77 Roberto Pinto: Une histoire de la radicalité en art, ibid., S. 8–16.
632 | Von der Kunstpolitik zur »Politik der Kunst«
78 Pinto 2003, S. 16. 79 Bourriaud 2001, S. 7. 80 Ibid., S. 8. 81 Vgl. Bourriaud 2009, S. 6. 82 Ibid., S. 69. 83 Ibid., S. 6: »Mais Esthétique relationnelle traitait du versant convivial et interactif de cette révo-
lution (pourquoi les artistes s’attachent à produire des modèles de socialité, à se situer à l’intérieur de la sphère interhumaine), tandis que Postproduction appréhende les formes de savoir générées par l’apparition du réseau: en un mot, comment s’orienter dans le chaos culturel et comment en déduire de nouveaux modes de production«.
84 Ibid., S. 6 ff: Reprogrammierung existierender Werke (Mike Kelley, Paul McCarthy, Video
Fresh Acconci, 1995; Tiravanija, One Revolution per Minute, Installation mit Werken von Olivier Mosset, Allan McCollum und Ken Lum, 1996; Pierre Huyghe, Projektion des Films Conical Intersect von Matta-Clark auf den Drehort, Light Conical Intersect, 1997); Belegung historischer Stile und Formen (Vokabular der Minimal-Art aufgegriffen und neu orientiert durch Felix GonzalezTorres, Liam Gillick und Dominique Gonzalez-Foerster; Maurizio Cattelan führt das Zorro-»Z« in der Art Lucio Fontanas in einer Leinwand aus, 1993; Angela Bulloch, Tobias Rehberger, Carsten Nicolai, Sylvie Fleury und andere bedienten sich des Vokabulars der Minimal- Pop- und Konzeptkunst); Gebrauch von bestehenden Bildern (Angela Bulloch bespricht die Tonspur von Andrei Tarkovskys Solaris, Aperto Venedig 1993; Douglas Gordon verlangsamt Hitchcocks Psycho auf 24 Stunden, 24 Hour Psycho, 1997); Gebrauch der Gesellschaft als Formenrepertoir (Swetlana Heger und Plamen Dejanoff üben Berufe aus und arbeiten das ganze Jahr 1999 für BMW; Michel Majerus erforscht Verpackungen); Mode und Medien (Sylvie Fleury zeigt Glamour-Produktion der Luxusbranche; Wang Du reproduziert Bilder aus Medien, Vanessa Beecroft verschränkt Performance und Protokolle der Modefotografie). 85 Ibid., S. 9 f., Zitat S. 10. 86 Ibid., S. 80. 87 Jérôme Sans: Live, ou la scène de l’art, in: Live, Ausstellungskatalog, Palais de Tokyo, Paris
2004, S. 22–24, S. 24.
88 Beteiligte Künstler: Aï / Tobias Bernstrup / Chicks on Speed / Carles Congost / Martin
Creed / DJ Spooky / Echopark / Vincent Epplay / Erikm / Exchpoptrue / FMdD / Janine Gordon / Alexander Györfi / Hanayo / Hsia-Fei Chang / Richard D. James (Aphex Twin) / Kyupi Kyupi / Arnaud Maguet / Daniel Pflumm / Prototypes / Gerwald Rockenschaub / Stereo Total / Annika Ström / Sidney Stucki / Terrestre vs PlanktonMan vs Falcon. 89 Vgl. Bourriaud 2009, S. 71 u. 75. 90 Ibid., S. 35. 91 Ibid., S. 10: »Toute œuvre est issue d’un scénario que l’artiste projette sur la culture, considérée
comme le cadre d’un récit qui projette à son tour de nouveaux scénarios possibles, en un mouvement sans fin«. 92 Ibid., S. 11. 93 Nicolas Bourriaud: Topocritique: L’art contemporain et l’investigation géographique, in: GNS
Global Navigation System, Ausstellungskatalog, Palais de Tokyo, Paris 2003, S. 9–37, S. 13 f. Zur Dominanz dokumentarischer Werke, vor allem Filme, führt er große Ausstellungen wie die Manifesta 3 in Ljubljana 2000, die Venedig-Biennale 2001 und die documenta 2002 an. 94 Ibid., S. 14.
633 | Anmerkungen
95 Ibid., S. 15. 96 Ibid., S. 18. 97 Ibid., S. 19. 98 Ibid., S. 21. Beteiligt: Franz Ackermann / Nathan Carter / Wim Delvoye / Peter Fend / Domi-
nique Gonzalez-Foerster / Thomas Hirschhorn / Laura Horelli / Pierre Huyghe / Pierre Joseph / Jakob Kolding / Matthieu Laurette / Mark Lombardi / Julie Mehretu / John Menick / Aleksandra Mir / Ocean Earth / Henrik Olesen / Kirsten Pieroth / Marjetica Potrcˇ / Matthew Ritchie / Pia Rönicke / Sean Snyder / Stalker / Simon Starling.
99 Ibid., S. 29. 100 Ibid., S. 34. 101 Ibid., S. 37. 102 Vgl. Jérôme Glicenstein: Deux expositions au Palais de Tokyo, in: Marges 02/2004, S. 106–
107.
103 Bourriaud 2009, S. 11. 104 Nicolas Bourriaud: Playlist. Le collectivisme artistique et la production de parcours, in:
Playlist, Ausstellungskatalog, Palais de Tokyo, Paris 2004, S. 11–65, S. 18.
105 Künstler in Playlist: Saâdane Afif / Jacques André / John Armleder / Carol Bove / Angela Bulloch / Cercle Ramo Nash / Clegg & Guttmann / Sam Durant / Pauline Fondevila / Bertrand Lavier / Rémy Markowitsch / Bjarne Melgaard / Jonathan Monk / Dave Muller / Bruno Peinado / Richard Prince / Allen Ruppersberg / Samon Takahashi. Vgl. in Postproduction: Bourriaud 2009, zu Laurette S. 8; Hirschhorn S. 25 ff.; Bulloch S. 36 f.; Armleder S. 38 ff.; Huyghe S. 45 ff.; Gonzalez-Foerster S. 50 ff.; Kolding S. 91. 106 Bourriaud 2004, S. 18. 107 Vgl. Bourriaud 2004, S. 18. Folgendes Zitat ibid. 108 Ibid. 109 Bourriaud 2009, S. 34. 110 Vgl. Carole Boulbès: Le Palais de Tokyo, hybridation et mondialisation, in: Rue Descartes
37/2002, S. 98–103.
111 Glicenstein 2002, S. 106. 112 Vgl. Glicenstein 2004, S. 107. 113 Festival vom 10. September bis 2. Oktober 2002. Vgl. Vincent Prieur: Revendications des
Squats d’Artistes et Institutions, in: Marges 21/2015, S. 74 –95.
114 Palais de Tokyo (Hrsg.): Du Yodel à la physique quantique, Paris 2007 ff. Volume 1, 2007;
Volume 2, 2009; Volume 3. 2009 A–Z, 2010; Volume 4. 2010 A–Z, 2011; Prestige. Palais de Tokyo A–Z, 2011 (Überblick zum Programm seit 2006 mit Verweisen auf die Vorbände). 115 Du Yodel à la physique quantique 1, S. 223.
116 »Il [le curateur] est celui qui peut permettre la production des conditions optimales de la
présence, voire de l’éfficacité des œuvres dans un contexte donné«, vgl. Marc-Olivier Wahler: De l’exposition au programme, Interview in: PALAIS 15/2012, S. 182–190, S. 184. 117 Wahler 2012, S. 183.
634 | Von der Kunstpolitik zur »Politik der Kunst«
118 Vgl. die Publikationsbände. Einen Überblick gibt die archivierte Homepage des Palais de Tokyo
2006–2012, http://archives.palaisdetokyo.com/fo3/low/programme/index.php?page=avant.inc. php (2. März 2016). 119 Cinq Milliards d’Années. Session 14/09/2006–31/12/2006, in: Du Yodel à la physique quan-
tique 1, S. 42.
120 5.000.000.000, ibid., S. 6. 121 Vgl. 5.000.000.000 und Seconde une année (Une), ibid., S. 6 u. 187. 122 Vgl. Wahler 2012, S. 185. 123 Vgl. Chalets de Tokyo und Château de Tokyo in: Du Yodel à la physique quantique 1, S. 37 u.
39; Chalets de Tokyo und Château de Tokyo/ Palais de Fontainebleau, in: Du Yodel à la physique quantique 2, S. 31 f. 124 Cellar Door, ibid., S. 28. Dazu wurden in Echtzeit von einem Studio und einem Ingenieur
inmitten des Ausstellungsraumes Kunstwerke aktiviert und Klangassemblagen produziert. 125 Vgl. Last Manoeuvres in the Dark, ibid., S. 101. 126 Wahler 2012, S. 185. 127 Ibid.
128 Spy Numbers, in: Du Yodel à la physique quantique 3, S. 130: »[...] le Palais de Tokyo expéri-
mentait dans cette session des formes d’art échappant à toutes velléités d’interprétations figées, tout comme les stations de nombres [...]. S py Numbers réunissait des artistes passionés par l’encodage mathématique, la production d’aurores boréales, l’archivage de lentilles de contact, les capteurs sismiques, la disparition des pendus […]«. 129 Chasing Napoleon, ibid., S. 31. 130 Vgl. Pergola, in: Du Yodel à la physique quantique 4, S. 143. 131 Der Titel wird im letzten Band von Du Yodel à la physique quantique von 2012, der Begriffe
und Konzepte der Jahre 2006 bis 2011 indiziert, auch nicht erläutert.
132 »Cartographie du cerveau de l’artiste, de ses désirs, de ses influences […]«, vgl. Fresh Hell, in:
Du Yodel à la physique quantique 4, S. 68.
133 vgl. Immatériaux (Les), in: Du Yodel... Prestige (5), S. 102: »Elle a marqué l’histoire des expo-
sitions pour plusieurs raisons. Non seulement en raison de sa scénographie innovante et de son caractère pluridisciplinaire, mêlant art et science, multimédia, nouvelles technologies et audioguides pour la première fois, mais aussi à cause de son sujet: l’immatériel et sa représentation«.
134 Wahler 2012, S. 186. 135 Ibid., S. 187: »Le visiteur doit être intégré dans une histoire en train de s’écrire, il doit perce-
voir les indices qui se dévoilent d’expositions en expositions, de sessions en sessions, et comme dans un bon film à suspens, imaginer des potentialités multiples comme autant de réponses [...]«.
136 Bourriaud 2004, S. 17. 137 Id. 2009, S. 11. 138 Id. 2004, S. 11. 139 »PERGOLA s’élevait sur le fond d’une modernité hantée par tout ce qu’elle a supprimé«, vgl.
Pergola, in: Du Yodel à la physique quantique 4, S. 143. 140 Ibid., T-06 – T-12 und T-46 – T-49.
635 | Anmerkungen
141 Du Yodel... Prestige (5), S. 137. 142 Vgl. Viviana Birolli: Manifestes à la carte: Serpentine Gallery Manifesto Marathon, in: Marges 21/2015, S. 61–71, S. 64 f. Vgl. Nicolas Bourriaud: Petit manifeste sémionaute, in: Technikart 47/2000, S. 34. 143 Nicolas Bourriaud (2009a): Altermodern, in: id. (Hrsg.): Altermodern. Tate Triennial, London
2009, S. 11–24, S. 12.
144 Ibid., S. 11–13 , Zitate S. 11 f. u. 13. 145 Vgl. id.: Formes de vie. L’art moderne et l’invention de soi, Paris 1999. 146 Id. 2009a, S. 12: »Instead of aiming at a kind of summation, altermodernism sees itself as
a constellation of ideas linked by the emerging and ultimately irresistible will to create a form of modernism for the twenty-first century. [...] The historical role of modernism, in the sense of a phenomenon arising within the domain of art, resides in its ability to jolt us out of tradition; it embodies a cultural exodus, an escape from the confines of nationalism and identity-tagging, but also from the mainstream whose tendency is to reify thought and practice«. 147 Ibid., S. 13. 148 Vgl. ibid., S. 16–20. 149 Einen Auszug von Jencks The Language of Post-modern Architecture (New York 1977) hatte
Marc-Olivier Wahler auch in Du Yodel à la physique quantique 4, T-16–20, aufgenommem.
150 Bourriaud 2009a, S. 20. 151 Ibid.: »Numerous contemporary artistic practices indicate […] that we are on the verge of a
leap, out of the postmodern period and the (essentialist) multicultural model from which it is indivisible, a leap that would give rise to a synthesis between modernism and post-colonialism. Let us then call this synthesis ›altermodernism‹«. 152 Ibid., S. 13. 153 Beteiligte Künstler der Tate Triennale 2009 Altermodern: Franz Ackermann / Darren
Almond / Charles Avery / Walead Beshty / Spartacus Chetwynd / Marcus Coates / Peter Coffin / Matthew Darbyshire / Shezad Dawood / Tacita Dean / Ruth Ewan / Loris Gréaud / Subodh Gupta / Rachel Harrison / Carsten Höller / Joachim Koester / Nathaniel Mellors / Gustav Metzger / Mike Nelson / David Noonan / Katie Paterson / Olivia Plender / International Necronautical Society / Seth Price / Navin Rawanchaikul / Lindsay Seers / Simon Starling / Pascale Marthine Tayou / Tris Vonna-Michell / Bob & Roberta Smith. 154 Im Katalog zu Altermodern ist ein Brief Bourriauds an den Künstler Peter Coffin abgedruckt,
in dem er schreibt: »I invented a word to describe the contemporary artist – the semionaut – someone who invents paths using signs«, vgl. Bourriaud 2009a, S. 68. 155 Ibid., S. 13. 156 Ibid., S. 14. 157 Ibid., S. 15. 158 Ibid., S. 22. 159 Ibid., S. 13.
160 GB II, S. 502: »[…] völlig induktive Weise, mich mit der Topographie der Orte bekannt zu
machen und jedes große Bauwerk in seiner labyrinthischen Umgebung [...] aufzusuchen«. 161 Fellmann 2014, S. 49 ff. u. S. 78 ff.
636 | Von der Kunstpolitik zur »Politik der Kunst«
162 Bourriaud 2009a, S. 11. 163 GS V.2, S. 1060–1063. 164 Fellmann 2014, S. 59 ff. 165 Nicolas Bourriaud (2009b): Radicant. Pour une esthétique de la globalisation, Paris 2009,
S. 8.
166 Ibid., S. 57 u. 58. 167 Ibid. :»L’immigré, l’exilé, le touriste, l’errant urbain, sont pourtant les figures dominantes de
la culture contemporaine. L’individu de ce début de XXIe siècle évoque […] ces plantes qui [...] progressent en tous sens sur les surfaces qui s’offrent à elles en y accrochant de multiples piton, tel le lierre. Celui-ci appartient à la famille botanique des radicants, qui font pousser leurs racines au fur et à mesure de leur avancée, contrairement aux radicaux dont l’évolution est déterminée par l’ancrage dans un sol. [...] Le radicant se […] traduit dans les termes de l’espace où il évolue«. 168 Ibid., S. 58 f.: »Là où le modernisme procédait par soustraction afin de désenfouir la racine-
principe, l’artiste contemporain procède par sélection, ajouts, puis multiplications: il ne recherche pas un état idéal du Moi, de l’art ou de la société, mais organise les signes afin de multiplier une identité par une autre«. 169 Ibid., S. 8. 170 Die Einführung zur Ausstellung Playlist, die wiederum Postproduction aufgreift, fand als
vorletztes Kapitel Eingang in Radicant, vgl. ibid., S. 184 –203.
171 Bourriaud 2009a, S. 13. 172 Enwezor war kurz zuvor zum neuen Direktor des Hauses der Kunst in München ernannt wor-
den, das er bis 2018 leitete. Kurator unter anderem der documenta XI 2002, der Gwangju- (2008) und der zweiten Johannesburg-Biennale (1996–1997), sollte er im Folgejahr zum Kurator der Venedig-Biennale 2015 ernannt werden. Sein zu früher Tod im März 2019 nach schwerer Krankheit bedeutet einen großen Verlust für die internationale Kultur.
173 »Nous voulons montrer qu’une forme résulte d’une quantité infinie de micro-espaces, micro-
situations, et que c’est l’addition, l’assemblage, la recomposition de ces formes qui créent le projet«, vgl. Anne Lacaton u. Jean-Philippe Vassal (2012b): Le Scénario comme programme, in: PALAIS 15/2012, S. 106–108, S. 107. 174 Ibid., S. 108. 175 Vgl. Bourriaud 2009a, S. 26. 176 Okwui Enwezor: Modernity and Postcolonial Ambivalence, ibid., S. 27– 40, S. 31: »This multi-
ply located off-centre – which might not be analogous to Bourriaud’s notion of offshore-based production – is not the same as the logic of decentred locations. Rather, the off-centre is structured by the simultaneous existence of multiple centres. In this way [...] it becomes instead, the emergence of multiplicity, the breakdown of cultural or locational hierarchies [...]«. 177 Ibid., S. 27. 178 Ibid. 179 Vgl. Édouard Glissant: Poétique de la Relation. Poétique III, Paris 1990. 180 Enwezor 2009, S. 32. 181 Ibid., S. 33–35, besonders S. 35. 182 Vgl. zu den folgenden Ausführungen ibid., S. 36–39.
637 | Anmerkungen
183 Ibid., S. 39: »If Bourriaud posits the entire structure of his project as altermodernist, Africa, it
may be said, at the very least is aftermodern not only because the narratives of modernity in Africa are predicated on an encounter of antagonism but also in the invention of a new African character of modernity that emerges after the end of modernity. […] It is in this sense that situations of modernity in Africa are aftermodern, because, having no relation to history-making, its modernity can only emerge after the end of the modern«.
184 Vgl. Jürgen Habermas: Die Moderne: Ein unvollendetes Projekt. philosophisch-politische Auf-
sätze 1977–1990, Leipzig 1990. Vgl. Enwezor 2009, S. 39.
185 Die Triennale Intense proximity kuratierte Enwezor mit Mélanie Bouteloup, Abdellah Kar-
roum, Émilie Renard und Claire Staebler auch im Bétonsalon – Centre d’Art et de recherche (Gruppenausstellung Tropicomania: La vie sociale des plantes, ausgehend vom 1899 gegründeten kolonialen Versuchsgarten im Bois de Vincennes), Centre d’Art Contemporain d’Ivry – le Crédac, Palais Galliera – Musée de la mode de la Ville de Paris (El Anatsui, Fassadenprojekt) und Grand Palais (Rirkrit Tiravanija). Vgl. La Triennale 2012. Guide de l’exposition / Exhibition Guide, Paris 2012.
186 Okwui Enwezor (Hrsg.): Intense proximité: Une anthologie du proche et du lointain. Triennale,
Paris 2012.
187 Id.: Intense proximité: De la disparition des distances, ibid., S. 18–36, S. 20. 188 Ibid., S. 20 f. 189 Ibid., S. 21. 190 Ibid., S. 22. 191 Ibid., S. 22. 192 Ibid., S. 23. 193 Ein Symposium im Vorfeld thematisierte auch multiple Modernitäten, vgl. La Biennale di
Venezia (Hrsg.): Where art worlds meet: Multiple modernities and the global salon. International Symposium, Istituto veneto di scienze, lettere ed arti, 09.–12.12.2005, Venedig 2007.
194 Vgl. Marc Scheps (Hrsg.): Kunst-Welten im Dialog. Von Gauguin zur globalen Gegenwart, Aus-
stellungskatalog, Museum Ludwig, Köln 1999.
195 Enwezor 2012, S. 31. 196 Enwezor zitiert: Craig S. Smith: Poor and Muslim? Jewish? Soup Kitchen Is Not for You, in:
New York Times, 28. Februar 2006, in: http://www.nytimes.com/2006/02/28/international/ europe/28soup.html?_r=0; Vgl. Catherine Coroller: Le Conseil d’État ne goûte pas la »soupe au cochon«, in: Libération, 6. Januar 2007, in: http://www.liberation.fr/france/2007/01/06/leconseil-d-etat-ne-goute-pas-la-soupe-au-cochon_81188 (8. März 2016). 197 Enwezor 2012, S. 23. Vgl. Mary Louise Pratt: Imperial Eye: Travel Writing and Transcultura-
tion, London u. New York 1992; Hans Belting: Das Ende der Kunstgeschichte? München 1983; id.: Das Ende der Kunstgeschichte: Eine Revision nach zehn Jahren [1995], München 22002.
198 Enwezor 2012, S. 24. 199 Ibid., S. 25: »les voyageurs d’aujourd’hui sont en quête de choses bien plus prosaïques et
basiques, bien plus matérielles qu’esthétiques ou philosophiques. Ils veulent des opportunités économiques, la stabilité politique. [...] La contingence de leur situation, tout comme notre propre impression d’instabilité et d’insécurité face à leurs refus militant de s’intégrer ou de se laisser assimiler, peut être perturbante«. 200 Ibid., S. 26 f. Vgl. Hal Foster: The Return of the Real, Cambridge Mass. 1996.
638 | Von der Kunstpolitik zur »Politik der Kunst«
201 Ibid., S. 28. 202 Thomas McEvilley: Doctor, Lawyer, Indian Chief: »›Primitivism‹ in 20th Century« au Museum of Modern Art, in: Enwezor 2012, S. 284 –296; William Rubin, Kirk Varnedoe u. id.: Lettres à l’ éditeur au sujet de »Doctor, Lawyer, Indian Chief: ›Primitivism‹ in 20th Century« au Museum of Modern Art en 1984, ibid., S. 297–321; Benjamin H.D. Buchloh u. Jean-Hubert Martin: Entretien, ibid., S. 336–344; Hal Foster: Portrait de l’artiste en ethnographe, ibid., S. 346–360. 203 Enwezor 2012, S. 34. 204 Ibid., S. 32. 205 Vgl. Triennale 2012. Guide, S. 265 f. 206 Enwezor 2012, S. 34. 207 Vgl. ibid., S. 35. 208 Ibid., S. 27. 209 Pour une pensée de la destination: Entretien avec Nicolas Bourriaud, in: Enwezor 2012,
S. 61–65.
210 Ibid., S. 61. 211 Vgl. ibid., S. 62 f. 212 Claire Bishop: Nicolas Bourriaud, in: Diarmuid Costello u. Jonathan Vickery (Hrsg.): Art: key
contemporary thinkers, Oxford u. New York 2007, S. 49–52, S. 52.
213 Der Fokus liegt auf akademischen Publikationen. Im schon zitierten Kurzüberblick zu Bour-
riaud nennt Claire Bishop sieben kritische Beiträge zur relationalen Ästhetik überwiegend aus Kunstzeitschriften, Zeitungen und Ausstellungspublikationen, vgl. id. 2007; dort und in ihren späteren einschlägigen Publikationen nennt sie aber keine der vorliegend betrachteten Auseinandersetzungen. Die »prominenteren«, ihre eigene Kritik, Liam Gillicks Antwort darauf und Jacques Rancières Kritik in Malaise dans l’esthétique (2004), werden vorliegend separat behandelt. Besonders französische Beiträge scheinen in angloamerikanischen Publikationen über Kritik an Bourriauds Theorien vernachlässigt zu werden. So finden sich alle hier behandelten Beiträge auch nicht in der eingehenden Auseinandersetzung mit Bourriaud, Bishops und Rancières Kritik von Shannon Jackson: Social Works. Performing art, supporting publics, New York 2011.
214 Jackson 2011, S. 45 ff. »The concerns of this debate are symptomatic of the kind of discourse
and confusion that often emerges when a discussion of politics and aesthetics is under way«.
215 Vgl. The Global Contemporary. Kunstwelten nach 1989, Homepage zur Ausstellung am ZKM
| Museum für Neue Kunst, 17. September 2011–5. Februar 2012, in: http://www.global-contemporary.de/ (10. Februar 2016).
216 Peter Weibel u. Andrea Buddensieg: Editorial, in: id. (Hrsg.): Contemporary Art and the Museum. A Global Perspective, ZKM, Ostfildern 2007, S. 6–13, S. 7. 217 Ibid., S. 11. 218 Hans Belting: Contemporary Art and the Museum in the Global Age, in: Weibel u. Buddensieg
2007, S. 16–38, S. 34.
219 Id.: Contemporary Art as Global Art. A Critical Estimate, in: id. u. Andrea Buddensieg (Hrsg.): The Global Art World. Audiences, Markets and Museums, ZKM, Ostfildern 2009, S. 38–73, S. 39. 220 Weibel u. Buddensieg 2007, S. 12. 221 Belting 2009, S. 40.
639 | Anmerkungen
222 Zuerst als Let’s Entertain. Life’s Guilty Pleasures im Walker Art Center, Minneapolis. 223 Brian Holmes: Musées réfléchissants. L’art au miroir de l’ économie politique, in: Mouvements
17/2001, S. 52–60, S. 58.
224 Ibid., S. 53 ff., Zitat S. 55. 225 Ibid., S. 55. 226 Ibid., S. 57. 227 Ibid., S. 57 f. 228 Ibid. S. 58. 229 Stephen Wright: Le dés-oeuvrement de l’art, in: Mouvements 17/2001, S. 9–13, S. 12. 230 Ibid., S. 10 f. 231 Vgl. ibid., S. 10: »Contrairement aux théories esthétiques fortement normatives qui prédomi-
naient au XXe siècle, qui faisaient de l’art le ›baromètre de la condition humaine‹, voire un ›ersatz d’activisme‹, l’esthétique se doit de maintenir une neutralité de principe si elle veut être en mesure de saisir la production artistique dans son ensemble. C’est pourquoi L’esthétique relationnelle de Nicolas Bourriaud ne constitue pas une théorie esthétique, mais une théorisation partisane d’une tendance au sein de l’art d’aujourd’hui«.
232 Ibid., S. 13. 233 Vgl. Bourriaud 2001, S. 13: »Il modélise aujourd’hui des univers possibles«. 234 Vgl. Glicenstein 2002, S. 109. 235 Ibid. Vgl. Bourriaud 2001, S. 86. Bourriaud wiederholt dieses Argument in seinem Berlin Letter about Relational Aesthetics, in: Doherty 2004, S. 44 – 49. 236 Glicenstein 2002, S. 109. 237 Vgl. Boulbès 2002, S. 99. 238 Ibid., S. 99 f. 239 Ibid., S. 100 f. Vgl. Philippe Breton: L’utopie de la communication – Le mythe du »village pla-
nétaire«, Paris 1992; Armand u. Michèle Mattelart: Histoire des théories de la communication, Paris 1995.
240 Ibid., S. 101 f. 241 Ibid., Fn. 14. 242 Ibid., S. 102 f. 243 Norbert Hillaire: Le futur antérieur de l’œuvre d’art, in: Multitudes 5/2007, S. 145–160,
S. 148: »On pourrait croire que le modèle de nos sociétés est celui de la projection incessante vers le futur, une sorte de culte du nouveau lié au principe d’obsolescence [...] Culte du nouveau qui se traduit dans la volonté de substituer au modèle d’une œuvre héritée du passé, et de la transmission d’une techné sur laquelle repose entièrement la poïèse de l’œuvre, le principe d’une œuvre et autoréférentielle, œuvre qui trouverait en elle-même et dans sa propre prophétie auto-réalisatrice le sens et le modèle de son faire, en dehors de toute contrainte technique héritée du passé«. 244 Ibid., S. 150. 245 Ibid. 246 Ibid., S. 151.
640 | Von der Kunstpolitik zur »Politik der Kunst«
247 Christina Linden: Review: theanyspacewhatever, in: Women & Performance 3/2009, S. 433–
435, S. 433.
248 Ibid., S. 434. 249 Éric Alliez: Post-scriptum sur l’esthétique relationnelle: capitalisme, schizophrénie et consensus, in: Multitudes 34/2008, S. 121–125, S. 122. 250 Ibid., S. 122: »[...] une formalisation artistique décalée de la vie ordinaire (un art de posture)
dont la structure interlocutive (›le commerce inter-humain‹) vaudrait pour base éthique d’une communauté esthétique-relationnelle alimentant différentiellement les ›micro-utopies quotidiennes‹«.
251 George Baker: Beziehungen und Gegenbeziehungen: Ein offener Brief an Nicolas Bourriaud, in:
Yilmaz Dziewior (Hrsg.): Zusammenhänge herstellen / Contextualize, Ausstellungsdokumentation, Kunstverein in Hamburg, Köln 2003, S. 126–133, S. 128. 252 Ibid.
253 Alliez 2008, S. 123: »Elle participe en effet de cet effet rétroviseur qui fait dépendre la réhu-
manisation esthétique de la postmodernité de la dé-potentialisation et de la re-stylisation de l’art comme expérience politique ›transversaliste‹ des années contestataires. La transversalité dissensuelle des nouvelles pratiques micropolitiques et microsociales [...] s’en trouve rabattue sur une mise en récit consensuelle post-produite pour ce théâtre trans-media de la petite forme auquel donne lieu l’espace relationnellement revisité de l’exposition«, mit Bezug auf Deleuze u. Guattari: Qu’est-ce que la philosophie? (1991), Anti-Oedipe. Capitalisme et schizophrénie 1 (1972) und Mille Plateaux. Capitalisme et schizophrénie 2 (1980).
254 Ibid., S. 123. 255 Ibid., S. 124. Deleuze u. Guattari: Qu’est-ce que la philosophie?, Paris 1991, S. 15. 256 »Relational Aesthetics thus continues the post-modern dismantling of the modernist axiom of aesthetic autonomy, especially in its formalist incarnations«, vgl. Toni Ross: Aesthetic autonomy and interdisciplinarity: a response to Nicolas Bourriaud’s »relational aesthetics«, in: Journal of Visual Art Practice 3/2006, S. 167–181. Vgl. ibid. S. 168 f., Zitat S. 168. 257 Ibid., S. 169. 258 Ibid., S. 170. 259 Ibid., S. 170 f. 260 Ibid., S. 171: »According to political theorist John Rawls’ influential thesis, liberal theories of
democratic equality are based on the fraternal assumption of the ›symmetry of everyone’s relation to each other‹. Relational aesthetics is articulated in precisely this way. [...] More specifically, relational aesthetics echoes the central values of liberal consensus politics. Seeking to ameliorate social or political dissent, consensus politics assumes that every sector of society, along with their specific differences, can be incorporated and adjusted to the given political order«. Vgl. John Rawles: A Theory of Justice, Cambridge Mass. 1971, S. 93. 261 Ibid., S. 173. 262 Anna Dezeuze: Everyday life, »relational aesthetics« and the »transfiguration of the common-
place«, in: Journal of Visual Art Practice 3/2006, S. 143–152. Vgl. Arthur C. Danto: The Transfiguration of the Commonplace. A Philosophy of Art, Cambridge Mass. 1981.
263 Vgl. Bourriaud 2001, S. 14. 264 Dezeuze 2006, S. 149. 265 Ibid., S. 147.
641 | Anmerkungen
266 Ibid., S. 150. 267 Aude de Kerros: Art moderne, art contemporain: l’impossible »débat«, in: Le Débat 150/2008,
S. 116–133, S. 117.
268 Vgl. ibid., S. 118 f. 269 Vgl. ibid., S. 120 ff. Vgl. Jean Baudrillard: Le complot de l’art, in: Libération, 20. Mai 1996, in:
http://www.liberation.fr/tribune/1996/05/20/le-complot-de-l-art_170156 (15. März 2016).
270 de Kerros 2008, S. 125 ff. 271 Ibid., S. 127. 272 Tristan Trémeau u. Amar Lakel: Le Tournant Pastoral de l’Art Contemporain, in: Caillet u. Per-
ret 2007, S. 101–123, S. 110. 273 Ibid., S. 115 f.
274 Tristan Trémeau: In Art We Trust. L’art au risque de son économie, Brüssel 2011, S. 7 f. u. 20 ff. 275 Er nennt neben Bourriauds Traffic 1996 beispielsweise Christine Macels und Jean de Loisys Ausstellungen Transit und Connexions implicites 1997 in der École nationale des Beaux-Arts, Paris und Artikel wie jene von Éric Troncy (Kurator von No Man’s Time in Nizza 1991). 276 Ibid., S. 22–27. Er sieht das ökonomische Netzwerk im APT umgesetzt, da die Künstler die-
sem Werke abgeben, und diese Sammlung an Institutionen verliehen, und damit ihr Wert gesteigert, und verkauft wird, um Einnahmen zu generieren, die als Pensionen an die Künstler verteilt werden. Er wirft ihm Lobbyismus vor, da im Advisory Board Mitglieder sitzen, die Boards internationaler Institutionen angehören.
277 Ibid., S. 37 f. u. 42 f. 278 Aleš Erjavec: Art et esthétique: Du moderne au contemporain, in: diogène 233–234/2011,
S. 211–225.
279 Ibid., S. 218. 280 Ibid., S. 220. 281 Claire Doherty (2004a): The institution is dead! Long live the institution! Contemporary Art and New Institutionalism, in: engage review 15/2004, Art of Encounter, S. 6–13. Pdf, 9 S., in: http://engage.org/downloads/152E25D29_15.%20Claire%20Doherty.pdf (16. März 2016). 282 Doherty 2004. 283 Doherty 2004a, S. 2. 284 Zur historischen Entwicklung des Konzepts vgl. den Überblick von Lucie Kolb u. Gabriel Flü-
ckiger: New Institutionalism revisited, in: Oncurating.org 21/ 2013 (Januar 2014), (New) Institution (alism), S. 6–17, in: http://www.on-curating.org/index.php/issue-21.html (16. März 2016).
285 KIASMA, 3. Dezember 2003–5. Januar 2004, mit: BAK basis voor actuele kunst, Utrecht /
Contemporary Art Center, Vilnius / Foksal Gallery Foundation, Warsaw / Index, Stockholm / Kunstverein Frankfurt, Frankfurt / Oslo Kunsthall, Oslo / Palais de Tokyo, Paris / Platform Garanti, Istanbul / Rooseum, Malmö / Witte de With, Rotterdam, vgl.: Discussion, Exhibition, Institution 2, in: http://www.wdw.nl/event/kiasma-institution-2/ (16. März 2016). 286 Darunter Palais de Tokyo, Rooseum Malmö, Platform Garanti Istanbul, vgl. Kolb u. Flückiger
2013, S. 7.
287 Ibid., S. 6.
642 | Von der Kunstpolitik zur »Politik der Kunst«
288 Doherty 2004a, S. 1 f. 289 Ibid., S. 1: »A term poached from social science, it classifies effectively a field of curatorial
practice, institutional reform and critical debate concerned with the transformation of art institutions from within. New Institutionalism is characterised by the rhetoric of temporary/ transient encounters, states of flux and open-endedness. It embraces a dominant strand of contemporary art practice – namely that which employs dialogue and participation to produce event or process-based works rather than objects for passive consumption«. 290 Vgl. ibid., S. 2 u. 4. 291 Ibid., S. 3. 292 Ibid. 293 Ibid, S. 4: »New Institutionalism risks setting up an unnecessary polarisation between self-
reflexive, open-ended practices and those works which do not subscribe to a ›post-medium‹ condition. This is certainly something Nicolas Bourriaud has consciously avoided, distinguishing his theoretical treatise on relational aesthetics from his programme at the Palais de Tokyo«. Sie stützt diese Aussage auf ein unpubliziertes Gespräch mit Bourriaud, vgl. ibid. Fn. 11. 294 Bourriaud selbst wies wiederholt darauf hin, dass die theoretischen Arbeiten nicht von den
begleitenden Ausstellungen zu trennen sind. Dies hat sich vorliegend etwa im Falle des Essays Postproduction und der Ausstellung Playlist gezeigt oder des Manifestes zu Altermodern und der gleichnamigen Tate-Triennale; zu letzterer vgl. sein Interview in der Anthologie zu Okwui Enwezors Triennale Intense Proximity 2012. 295 Doherty 2004a, S. 4. 296 Ibid., S. 6. 297 Ibid. 298 Id.: New Institutionalism and the Exhibition as Situation, in: Peter Pakesch et al. (Hrsg.): Pro-
tections: This is not an exhibition, Gutshaus Kranz am Landesmuseum Joanneum Graz, Köln 2006, in: http://situations.org/media/files/New_Institutionalism.pdf (17. September 2012).
299 Ibid., S. 3 f. Vgl. Miwon Kwon: One Place After Another: Site-Specific Art and Locational Iden-
tity, MIT 2002.
300 Doherty weist aber auf die Bedeutung einzelner Personen hin, etwa Bourriauds Abschied
vom Palais de Tokyo und Direktorenwechsel in Malmö und München. 301 Vgl. Möntmann 2006, S. 9.
302 Vgl. Maria Lind: We want to become an institution, Interview in: Oncurating.org 21/2013,
S. 29–34, in: http://www.on-curating.org/index.php/issue-21.html (16. März 2016). 303 Doherty 2006, S. 7.
304 Tom Holert: Teilnahmebedingungen. Über »Artificial Hells. Participatory Art and the Politics
of Spectatorship« von Claire Bishop, in: Texte zur Kunst 87/2012, Streit/Conflict, S. 165–169.
305 Claire Bishop: Antagonism and Relational Aesthetics, in: October 110/2004, S. 51–79, S. 51. 306 Ibid., S. 52. 307 AN 20050496/51, Bourriaud u. Sans: Palais de Tokyo … Un projet…, Mai 1999, S. 6. 308 Bishop 2004, S. 52 f. Bishop bezieht sich dazu auf Hal Fosters The Artist as Ethnographer, vgl.
id. 1996, S. 171–204.
643 | Anmerkungen
309 Ibid.: »It is with this situation in mind that I focus on the Palais de Tokyo as my starting point
for a closer inspection of some of the claims made for ›open-ended‹, semifunctional art works, since one of the Palais’ codirectors, Nicolas Bourriaud, is also their leading theorist«.
310 Ibid., S. 54: »This DIY, microtopian ethos is what Bourriaud perceives to be the core political
significance of relational aesthetics«. 311 Vgl. ibid., S. 55 f. 312 Ibid., S. 54. 313 Vgl. ibid., S. 62.
314 Ibid., S. 63. Vgl. Rosalyn Deutsche: Evictions: Art and Spatial Politics, Cambridge Mass. 1996. 315 Ibid., S. 64. 316 Vgl. ibid., S. 64 f. 317 Deutsch: Hegemonie und radikale Demokratie. Zur Dekonstruktion des Marxismus, Wien
1991.
318 Vgl. Bishop 2004, S. 66 f. 319 Als Beispiel führt Bishop auch den Erfahrungsbericht einer Ausstellung Rirkrit Tiravanijas
von Kunstkritiker Jerry Saltz an, der klar zeige dass die resultierende Gemeinschaft eine homogene des Kunstbetriebes sei. Zwar stelle Bourriaud heraus, dass nach dem »Wozu« der Situation relationaler Werke gefragt werden müsse, aber sie wirft ihm vor, das Problem nicht in Bezug auf die von ihm geförderten Künstler, wie Tiravanija, anzusprechen, vgl. ibid., S. 67 ff., Zitat S. 68. 320 Ibid., S. 78. 321 Ibid., S. 77 f. 322 Liam Gillick: Contingent Factors: A Response to Claire Bishop’s »Antagonism and Relational Aesthetics«, in: October 115/2006, S. 95–106, S. 95, Fn. 1. 323 Ibid., S. 96. 324 Ibid., S. 96 f. 325 Ibid., S. 98. 326 Ibid., S. 99, Fn. 8. 327 Ibid., S. 101. 328 Ibid., S. 101 u. 102. 329 Ibid., S. 102 ff.: »If one accepts the existence of a decade or more of writing that exists in par-
allel to physical objects and other manifestations of ideas, it is impossible to state, as Bishop does in her essay, that ›[Gillick’s] entire output is governed by the idea of ›scenario thinking‹ (p. 61)‹«.
330 Vgl. Gillick 2006, S. 105: »Similarly, we know that Bourriaud’s book, Tiravanija’s work, and
my own projects are not based on the assumption that dialogue is in and of itself democratic. But we are forced to sit through an explanation of why this wouldn’t be good enough if it were true [...]«. 331 Claire Bishop: Claire Bishop Responds, in: October 115/2006, S. 107. 332 Ibid. 333 Bishop 2012, S. 2 f. 334 Id.: The Social Turn: Collaboration and its Discontents, in: Artforum 2/2006, S. 178–183.
644 | Von der Kunstpolitik zur »Politik der Kunst«
335 Ibid., S. 3 u. 6. Vgl. S. 3: »In an article from 2006 I referred to this art as manifesting a ›social
turn‹, but one of the central arguments of this book is that this development should be positioned more accurately as a return to the social, part of an ongoing history of attempts to rethink art collectively«. Folgendes Zitat ibid. 336 Vgl. Ibid., S. 3. 337 Vgl. Holert 2012, S. 167. 338 Ibid., S. 2. 339 Neben Kester zur »Kommunikation« als Medium in der zeitgenössischen Kunst, vgl. Bishop
2006, S. 180. Vgl.: Grant H. Kester: Conversation Pieces: Community and Communication in Modern Art, Berkeley 2004. 340 Bishop 2006, S. 180. 341 Vgl. Ibid., S. 181. Sie bezieht sich hier auf den Beitrag von Maria Lind in Doherty 2004. 342 Ibid. 343 Ibid., S. 183. 344 Ibid. 345 Bishop 2004, S. 77 f. Ihr Aufsatz zum »Social Turn« ist in gewisser Weise auch eine Ant-
wort auf Liam Gillick, der die »exploitation« der Subjekte in Sierras Arbeiten anmahnte und dass sie keine weiblichen Künstler thematisiere. Darauf reagierte sie mit der Thematisierung des »hint of potential exploitation« in »ethischer« Kunstkritik und der Feststellung, dass es drei Frauen seien, die Oda Projesi bilden, vgl. id. 2006, S. 180. 346 Claire Bishop: Kunst und Politik, in: Texte zur Kunst 80/2010, Politische Kunst, S. 84 –87,
S. 86.
347 Vgl. Jackson 2011, S. 49: »For anyone with an allegiance to the Adornoian vision of aesthetic
commitment sounded in Bishop’s language of antimony, it is hard not to argue with some of her conclusions. [...] At the same time, we might wonder about the terms by which such antimonies are formed. By what logic are artistic autonomy and social intervention made ›contradictory‹ in the first place? [...] If we go back to those classic debates among Theodor Adorno, Georg Lukács, Bertolt Brecht and Walter Benjamin, we are reminded both of the political stakes behind such terms as well as the variation in interpretation about what they might mean«. 348 Vgl. Rancière 2004, S. 25 f.: »Mon propos n’est pas de ›défendre‹ l’esthétique, mais de contri-
buer à éclairer ce que ce mot veut dire, comme régime de fonctionnement de l’art et comme matrice de discours, comme forme d’identification du propre de l’art et comme redistribution des rapports entre les formes de l’expérience sensible«.
349 Ibid., S. 17 u. 20. 350 Ibid., S. 22. 351 Ibid., S. 26. Zum »tournant éthique« vgl. ibid., S. 143 ff. 352 Vgl. ibid., S. 31. 353 Id. 2008. 354 Rancière 2004, S. 16. 355 Ibid.: »La mimesis est, en effet, ce qui distingue le savoir-faire de l’artiste de celui de l’artisan
comme de celui de l’amuseur. Les beaux-arts sont dits tels parce que les lois de la mimesis y définis-
645 | Anmerkungen
sent un rapport reglé entre une manière de faire – une poiesis – et une manière d’être – une aisthesis – qui est affectée par elle«. 356 Ibid., S. 17. 357 Ruth Sonderegger: Grenzübergang geboten. Ein Kommentar zu Jacques Rancière, in: Texte zur
Kunst 72/2008, Design, S. 71–75, S. 71 f.
358 Rancière 2004, S. 18. 359 Ibid., S. 18. 360 Zu den folgenden Ausführungen vgl. ibid., S. 31 ff. 361 Ibid., S. 33. 362 Ibid. 363 Ibid., S. 34: »Cet art n’est pas l’instauration du monde commun à travers la singularité abso-
lue de la forme, mais la redisposition des objets et des images qui forment le monde commun déjà donné, ou la création de situations propres à modifier nos regards et nos attitudes à l’égard de cet environnement collectif. Ces micro-situations, à peine décalées de celles de la vie ordinaire et présentées sur un mode ironique et ludique plutôt que critique et dénonciateur, visent à créer ou recréer des liens entre les individus, à susciter des modes de confrontation et de participation nouveaux. Tel est, par exemple, le principe de l’art dit relationnel«.
364 Vgl. ibid., S. 35 f. 365 Ibid., S. 37: »La politique, en effet, n’est pas l’exercice du pouvoir et la lutte pour le pouvoir.
C’est la configuration d’un espace spécifique, le découpage d’une sphère particulière d’expérience, d’objets posés comme communs et relevant d’une décision commune, de sujets reconnus capables de désigner ces objet […]«. 366 Ibid., S. 38 f. 367 Ibid. 368 Ibid., S. 40.
369 Ibid., S. 41 ff. Er leitet dies eingehend aus Friedrich Schillers Überlegungen zur »freien
Erscheinung« der Juno Ludovisi in den Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795) her. Ihre »freie« Erscheinung, die Schiller im Begriff des »Spiels« der Wahrnehmung der Skulptur beschreibt, weist auf ein Regime, das jenseits der reinen Formgebung oder ihrer Übereinstimmung mit einer definierten künstlerischen Fähigkeit im repräsentativen Regime liegt, in dem das »Spiel« keine Ziele und keine Machtaneignung über die Dinge verfolgt. Diese ästhetische »Suspension« (wenn man so will: der Machtverhältnisse in der Wahrnehmung) macht die Kunst im ästhetischen Regime »politisch«, da sie die Dinge der Kunst mit einem anderen Sensorium beurteilt als jenem der Dominanz – einfach ausgedrückt: sie eröffnet einen neuen Raum, in dem die Dinge anders beurteilt werden als außerhalb davon, wo die Beurteilung nach Dominanz sucht. 370 Ibid., S. 46: »Si le ›jeu‹ et l’›apparence‹ esthétiques fondent une communauté nouvelle, c’est
parce qu’ils sont la réfutation sensible de cette opposition de la forme intelligente et de la matière sensible qui est proprement la différence de deux humanités«. 371 Ibid., S. 47. 372 Vgl. ibid., S. 49. 373 Ibid., S. 53: »Nous n’avons donc pas besoin d’imaginer quelque fin pathétique de la moder-
nité ou explosion joyeuse de la postmodernité, mettant fin à la grande aventure moderniste de l’autonomie de l’art et de l’émancipation par l’art. Il n’y a pas de rupture postmoderne. Il y a
646 | Von der Kunstpolitik zur »Politik der Kunst«
une contradiction originaire et sans cesse à l’œuvre. La solitude de l’œuvre porte une promesse d’émancipation. Mais l’accomplissement de la promesse, c’est la suppression de l’art comme réalité séparée, sa transformation en une forme de vie«. 374 Ibid., S. 55. 375 Ibid., S. 57 f. u. zu Lyotard S. 60 f. 376 Ibid., S. 62: »La politique de la forme résistante parvient alors, elle aussi, au point où elle
s’annule. Elle le fait, non plus dans la métapolitique de la révolution du monde sensible, mais dans l’identification du travail de l’art à la tâche éthique du témoignage, où art et politique sont, à nouveau, annulés ensemble«. 377 Ibid., S. 69: »L’art critique, l’art qui joue sur l’union et sur la tension des politiques esthétiques,
est possible grâce au mouvement de translation qui, depuis longtemps déjà, a traversé dans les deux sens la frontière entre le monde propre de l’art et le monde prosaïque de la marchandise. Nul besoin d’imaginer une rupture ›postmoderne‹ brouillant la frontière qui séparait le grand art et les formes de la culture populaire. Le brouillage des frontières est aussi vieux que la ›modernité‹ elle-même«. 378 Ibid., S. 72. 379 Ibid., S. 74 ff. 380 Ibid., S. 78 f. 381 Ibid. 382 Rancière 2008, S. 78 f. 383 Ibid. 384 Ibid., S. 83. 385 Ibid., S. 81: »En opposition à la pratique dialectique qui accentue l’hétérogénéité des éléments
pour provoquer un choc témoignant d’une réalité marquée par des antagonismes, le mystère met l’accent sur la parenté des hétérogènes. Il construit un jeu d’analogies où ils témoignent d’un monde commun, où les réalités les plus éloignées apparaissent comme taillées dans le même tissu sensible et peuvent toujours être liées par ce que Godard appelle la ›fraternité des métaphores‹«. 386 Bourriaud 2009b. 387 Vgl. Bourriaud 2004, S. 17 u. id. 2009b, S. 184 –203. 388 Vgl. T.J. Demos: Storytelling in/as Contemporary Art, in: Claire Gilman u. Margaret Sundell (Hrsg.): The Storyteller, Zürich 2010, S. 83–107. 389 Vgl. Rancière 2004, S. 146–148 und Bishop 2006, S. 183 (»The self-effacing implications
of the artist/activist bring to mind the character Grace in Lars von Trier’s 2003 provocation, Dogville«).
390 Rancière 2004, S. 145: »Ansi entendu, le tournant éthique signifierait que la politique ou l’art
sont aujourd’hui de plus en plus soumis au jugement moral portant sur la validité de leurs principes et les conséquences del leurs pratiques [...] je ne crois pas que ce soit cela qui se passe aujourd’hui«. 391 Ibid., S. 146. 392 Ibid., S. 145. 393 Ibid., S. 159, folgende Zitat ibid. 394 Ibid., S. 160 f. 395 Ibid., S. 162.
647 | Anmerkungen
396 Ibid., S. 171. 397 Ibid., S. 173. 398 Nicolas Bourriaud (2009c): Precarious constructions. Answer to Jacques Rancière on Art and Politics, in: Open 17/2009, A precarious existence. Vulnerability in the Public Domain, S. 20–36, S. 21. 399 Ibid. 400 Ibid., S. 23. 401 Ibid., S. 32. 402 Vgl. ibid., S. 36. 403 Ibid. 404 Er benennt diese Kritik als Vorwurf, die relationale Ästhetik hebe »morals above form, gene-
rating a purely ›social‹ or even ›Christian‹ or ›compassionate‹ art; they have been accused of proposing an angelic ethical model, masking the exisiting conflicts in society«, vgl. ibid., S. 21. 405 Rancière 2004, S. 145: »[...] la constitution d’une sphère indistincte où se dissolvent la spéci-
ficité des pratiques politiques ou artistiques«.
406 Bourriaud 2009c, S. 36. 407 Bourriaud 2001, S. 13 f. 408 Rancière 2004, S. 39. 409 GS I.2, S. 506. 410 Ibid., S. 46. 411 Vgl. Perret 2007, S. 24 f. 412 Catherine Perret: Politique de l’archive et rhétorique des images, in: Critique 759–760/2010,
S. 694 –706, S. 697. 413 Ibid., S. 694. 414 Ibid., S. 700 f. 415 GS I.2, S. 508. 416 Ibid., S. 503 f. 417 Ibid., S. 505.
418 Rancière 2004, S. 35. 419 Fellmann 2014, S. 175 ff. 420 GS IV.1, S. 314. 421 GS I.2, S. 505. 422 GS IV.1, S. 312. 423 Rancière 2004, S. 23. Vgl. zu Bourdieu auch ibid., S. 9 u. 12. 424 Vgl. Fellmann 2014, S. 135 ff. 425 GS I.2, S. 479 f.
648 | Von der Kunstpolitik zur »Politik der Kunst«
426 Ibid. 427 Fellmann 2014, S. 225 ff. 428 GB III, S. 150. 429 Ernst Bloch: Italien und die Porosität, in: Die Weltbühne, 1. Halbjahr 1926, S. 995–999. 430 Ibid., S. 995. 431 Ibid., S. 997. 432 GS I.2, S. 489. 433 Bourriaud 2001, S. 60 f. 434 GS I.2, S. 479. 435 Bourriaud 2001, S. 62. 436 Ibid., S. 63. 437 Ibid., S. 16. 438 Ibid., S. 17 f. 439 Rancière 2004, S. 158. 440 GS I.2, S. 697. 441 Hardt u. Negri 2000, S. 376 f. 442 GS I.2, S. 693 f. 443 Deleuze 1987. 444 Vgl. Bourriaud 1991, S. 176 f.: »La notion de Karma s’avère, pour définir le temps de l’art, comme une hypothèse plus efficace que celle judéo-chrétienne d’un temps tragique et irréversible, ou que l’idée nietschéenne d’éternel retour. Le Karma est impersonnel, simple émanation des actes humains [...]. La théorie du karma implique une perpétuelle dette envers le passé. Ainsi chaque œuvre est-elle déterminée par la précédente [...]. Un art de l’instant, qui sacrifierait délibérement toute possibilité de communiquer avec les générations précédentes, telle est peut-être l’hypothèse monstrueuse de No man’s time?«. 445 Bourriaud 2001, S. 56. 446 Ibid., S. 13. 447 GS I.2, S. 496. 448 Bourriaud 2009a, S. 16. 449 Benjamin 1927, S. 8. 450 GS I.2, S. 499 f. 451 Bourriaud 2001, S. 14.
649 | Anmerkungen
MONUMENT DER MODERNE , MONUMENT EINER ÄSTHETIK DER GEGENWART Benjamin Fellmann
Das Palais de Tokyo ist dem Paris-Besucher heute als internationales Ausstellungszentrum ein Begriff. Schon die zweiflügelige Anlage des Ensembles mit der Trennung in eine staatliche und eine städtische Institution führt aber immer noch zu Verwirrungen. Am wenigsten bekannt ist die komplexe Geschichte des staatlichen Westflügels. Die vorliegende Untersuchung hat diese anhand umfangreichen Quellenmaterials aus den Archiven der französischen Kunstpolitik und Institutionen aufgearbeitet und als dynamische Ausstellungsgeschichte der zeitgenössischen Kunst und Medien zugänglich gemacht. Es ist zu hoffen, dass das Palais de Tokyo, das seit seiner Konstruktion unter den vielen Pariser Monumenten und Sehenswürdigkeiten ein stiefmütterliches Dasein führte und erst zur Jahrtausendwende durch eine positive Umdeutung des historischen Schauplatzes Wertschätzung erfuhr, damit als das sichtbar wird, was es tatsächlich ist: Der zentrale Ort der Geschichte der zeitgenössischen Kunst im 20. und 21. Jahrhundert in dieser Welthauptstadt der Kunst, Paris. Schon mit dem Palais du Cinéma in den 1990er Jahren sprach man davon, ihn aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken. Das Palais de Tokyo hat mit der unüberblickbaren Fülle von Ausstellungsprojekten und Veranstaltungen seit 2002 genau dies getan und es sich zum Ziel erklärt, hier erneut, wie schon zu Zeiten des MNAM, die Speerspitze der internationalen Kunstentwicklungen zu zeigen. Darzustellen, wie es dazu kam, dass dies überhaupt möglich wurde, war eines der Ziele in der Aufarbeitung der Geschichte dieses Schauplatzes. Bildlich gesprochen, galt das Interesse dabei den Träumen, die den Dornröschenschlaf der in Vergessenheit geratenen Geschichten des Palais de Tokyo bevölkern: Ideen, Wünsche, Programme, Refle-
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xionen, Ziele und Verordnungen, denen allen das Ziel gemeinsam ist, der zeitgenössischen Kunst, und zeitweise der visuellen Kultur im Allgemeinen, einen öffentlichen Platz in der Gesellschaft einzurichten. In der Betrachtung von Institutionen, Ausstellungen, Sammlungen und ästhetischer Theorie und ihren jeweiligen Beziehungen zu kulturpolitischen Intentionen und öffentlichen Diskursen zeigt sich die Geschichte der französischen Kunstpolitik auf dem Gebiet der zeitgenössischen Kunst genauso wie ihre Infragestellung. Über ein Jahrhundert hinweg ist das Palais de Tokyo Seismograf einer kulturgeschichtlichen Entwicklung vom Museum moderner Kunst, für das der architektonische Bau Funktionsträger ist, zu einem Knotenpunkt im Netzwerk des globalen Ausstellungsbetriebes. Gleichwohl konnte schon die umfangreiche Studie seiner Planung und Entstehung zeigen, dass die Entwicklung keinesfalls simpel als historischer Fortschritt von einer national gedachten Institution zu einer internationalen Gegenwart verläuft. Der öffentlichen Wahrnehmung ist heute der Grad der Komplexität des internationalen Austausches vor dem Zweiten Weltkrieg zu wenig bewusst. Wie sehr dieser den Bau des ersten Museums moderner Kunst in Paris prägte und welchen Raum er dort im Kontext der Expo 1937 einnahm, ist eine der zahlreichen in Vergessenheit geratenen Facetten, die hier aufgedeckt wurden. Die zwei Hauptgesichtspunkte dieser Untersuchung waren einerseits die Ideengeschichte des Ausstellungsortes, die sich in der dynamischen Ausstellungsgeschichte zeigt, und andererseits die Betrachtung des Palais de Tokyo als Monument eines Denkens der Kunst in der Gesellschaft. Unter den ersten Punkt fällt neben seiner Entstehung besonders die Geschichte verschiedener Institutionen, die der Politik unterliegen. Mit dem zweiten konnte aufgezeigt werden, wie das Palais de Tokyo selbst verschiedene ästhetische Reflexionen in seiner Nutzungsgeschichte verkörpert; wie es seit den 1980er Jahren zu einem Monument der historischen Moderne wurde; und wie es heute ein Monument der Suche nach zeitgenössischen Kunsttheorien für die Kunst im globalisierten 21. Jahrhundert ist, besonders in Debatten der relationalen Ästhetik und aus ihr hervorgegangener Modelle der zeitgenössischen Kunstproduktion aus dem Reservoir einer globalen visuellen Gegenwartskultur, sowie der Konzeptionen eines Verständnisses von Moderne, das dieser globalen Dimension und postkolonialen Anforderungen gerecht werden muss. In der historischen Entwicklung ist eine Verschiebung des Gewichts vom ersten auf den zweiten Gesichtspunkt feststellbar. Im gleichen Maße, wie Institutionen seit den 1980er Jahren unter dem Einfluss finanzpolitischer Kürzungen, aber auch der Ausbildung neuer Sichtweisen auf das Erfordernis der Einbindung des Besuchers porös wurden, neue flexible Modelle entwickeln mussten und sich die Institution vom Bau als Funktionsträger löste, nahm die Bedeutung monumentaler Bezugnahmen auf kulturund geistesgeschichtliche Bilder der Moderne zu. Industrielle Produktionsästhetik wird zum erstrebenswerten Merkmal in Konzeptionen des Ausstellungsortes für die visuelle
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Kultur der Gegenwart. Die Institution Palais de Tokyo ist als »Plattform« konzipiert und könnte jeden Raum bespielen. Indem sie sich auf die Geschichte des Ausstellungsortes bezieht, gewinnt sie an Kontur und ein Merkmal, das sie von vergleichbaren Institutionen wie MoMA PS1 oder den KW Berlin unterscheidet. Das Palais de Tokyo wiederum verliert dadurch an sichtbarer Definiertheit, seine historische Festigkeit wird aufgelöst in seiner Dynamisierung als Monument. Moderne wird zur Marke. Die ästhetischen Reflexionen der Kunst in der Gesellschaft und der Aufgaben ihrer Institutionen konnten mit der modernen »archivischen Relation« des Palais de Tokyo zur Kunst im Sinne Hal Fosters am umfangreichen vielseitigen Quellenmaterial nachvollzogen werden. Dabei zeigt sich die Aktualität der in der Moderne neuen Sicht auf Status und Verdinglichung des Kunstwerks unter dem Einfluss der Reproduktion im Sinne Walter Benjamins und seiner Wiederbelebung im Sinne Erwin Panofskys. Als Nebeneffekt dieser Untersuchung zeigt sich, dass ihr Problembewusstsein seither eher an Bedeutung gewonnen denn verloren hat. Mit Benjamins Blick auf die Kategorien von Porosität und Durchdringung in der Rezeption von Architektur als zentralem Beispiel der Bedeutung der Kunst für Gemeinschaft werden entscheidende Qualitäten der Verbindung von Kunstpolitik und Architektur im Palais de Tokyo erst verständlich: Ein moderner Antimodernismus in den 1930er Jahren in der Privilegierung der neoklassizistischen Ästhetik sowohl im Bau als auch der Konzeption des Ausstellungshauses, die geprägt sind von der zeitgenössischen Krise der Demokratien; das kulturpolitische Bedürfnis nach einem »neuen Monumentalismus« mit dem Centre Pompidou, der sich vom »alten« des Palais de Tokyo unterscheiden soll; die Auflösung des Gebäudes als Funktionsträger und die institutionelle Flexibilisierung im Projekt eines transmedialen Ausstellungshauses in den 1980er Jahren; und die Kulmination dieser Entwicklung in Rückbezügen auf die Moderne in zeitgenössischen ästhetischen Reflexionen des Kunstwerks und der Ausstellung bei Nicolas Bourriaud, Marc-Olivier Wahler und Okwui Enwezor. Es zeigt sich, dass die Fragen, die sich heute an die gesellschaftliche Funktion von Kunst auftun, dieselben modernen Ausgangslagen teilen wie jene, die sich in der Geschichte der Architektur dieses Ausstellungsortes in verschiedenen Ausprägungen zeigten. Benjamin betont das revolutionäre Potential von Kunst, ihre Fähigkeit, Architekturen der Gesellschaft zu sprengen und Durchblicke und Durchdringungen herzustellen. Nicolas Bourriaud weist in der relationalen Ästhetik solch ein »utopisches« Projekt der Moderne zurück und formulierte, was zwischenzeitlich zum Hauptmerkmal des überwiegenden Teils weltweiter Ausstellungen zeitgenössischer Kunst wurde: Sind sie nicht schon selbst Anpassung an die marktdominierte Ordnung der Gegenwart, dann zumindest indirekt als Handreichung der Anpassung an solch eine Ordnung durch die Bereitstellung von Wissen und Vermessungen der Welt. Mit Jacques Rancière, der nach 1989 die Revolution als Fluchtpunkt ästhetischer Beurteilung abgelöst sieht durch die Katastrophe des 20. Jahrhunderts, die Shoah, zeigte sich im letzten Teil der Arbeit eine mögliche geistesgeschichtliche Erklärung für solche Absagen der Gegenwart an eine
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Moderne, auf die sie sich gleichwohl bezieht. Benjamins Kritik an der Ästhetisierung der Politik von 1939 macht aber deutlich, dass der entscheidende Blick der auf die materielle Abhängigkeit von Produktionsmitteln sein muss. In diesem Bewusstsein wurde in der vorliegenden Untersuchung der Schwerpunkt auf solches Quellenmaterial gelegt, das auch Auskunft gibt über kultur-, kunst- und finanzpolitische Hintergründe der Geschichte des Palais de Tokyo, der Schaffung der Institutionen, die es belegten und ihrer Ausstellungstätigkeit. Wirtschafts- und kulturpolitische Sichtweisen auf Kunst als Handelsware, Berufszweig, Wirtschaftsfaktor, internationales Aushängeschild und Faktor des Tourismus sind stets Entscheidungsgrundlage für die Schaffung von Strukturen, in deren Rahmen dann ästhetische und museologische Reflexionen angestellt werden. Darin erwies sich wiederum die Aktualität von Panofskys Sicht auf Wiederbelebungen. In der archivischen Relation des Palais de Tokyo zum Quellenmaterial zeigt sich, dass die dynamische Ausstellungs- und Institutionengeschichte eine Abfolge von Projekten ist, die auf Vorgänger Bezug nehmen oder sich von ihnen abgrenzen. Das Gebäude ist ab 1937 interner Kritik ausgesetzt, das MNAM der Besatzungszeit ist negatives Abgrenzungsmodell des MNAM von 1947 und das Palais de Tokyo als Einheit von Gebäude und Museum wird in den 1960er Jahren und in den Planungen zum Centre Pompidou zu einem erst negativ, dann ab den 1980er Jahren graduell positiv belegten Monument. In unterschiedlichen Konstellationen der evolutiven Institutionen in seinem Inneren wird es immer wieder aktiviert. Wie sich zeigte, schließt sich ein Kreis im sinnhaften Bild der Benennung des Palais de Tokyo durch Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans ab 1999. Im Bewusstsein des ikonologischen Erkenntnisinteresses Erwin Panofskys bestätigte sich so in der Untersuchung, dass in solchen Wiederbelebungen die Verknüpfung von Bedeutungen zu Formen über Schriftquellen erfolgt. Auf der historisch-philologischen Grundlage konnten in der detaillierten Quellenuntersuchung auch die ästhetischen Fragestellungen der unterschiedlichen Phasen oder Epochen des Palais de Tokyo untersucht werden. Das Material bestätigt nicht nur eine »Verzahnung von politischer Wirklichkeit und visueller Vermittlung«1, an den Bildern, die sich vom Palais de Tokyo gemacht werden und dem, was vorliegend einleitend ein »Bildwerden der Ästhetik« genannt wurde – die prägende Einschreibung ästhetischer Reflexionen in nachfolgende Konzeptionen des Palais de Tokyo. Die »rationale archäologische Analyse« des Materials unter Heranziehung aller verfügbaren Quellen, die für Panofsky die Arbeit des Kunsthistorikers kennzeichnet, lässt, ergänzt um eine »historische Exemplifikation« der Kunsttheorie und Ästhetik 2, im ikonologischen Erkenntnisinteresse »Grundeinstellungen« dieser Epochen in der Kunstpolitik des Staates, Entwürfen von Institutionen und ihrer Reflexion, Ausstellungen und ästhetischen Theorien deutlich werden. Durch die Untersuchung sind nun in umfangreichem Maße die Entwicklungslinien der Geschichte des Palais de Tokyo über knapp ein Jahrhundert hinweg zugänglich.
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Zugleich setzt sie sich aus einer Vielzahl von Studien einzelner historischer Objekte zusammen. Versucht wurde, sowohl einer übersichtlichen Darstellung dieser komplexen, ausgreifenden und verästelten Geschichte des Palais de Tokyo, als auch der Geschichte der Kunstpolitik und Institutionen gerecht zu werden, die sich in diesen wichtigen Objekten der Kunst- und Kulturgeschichte ausdrückt. Erstmals ausführlich rekonstruiert wurden seine exakte Entstehungsgeschichte, die museografischen Reflexionen und der internationale Kontext seiner Planung, das künstlerische Programm seiner Ausstattung und seine nachfolgende Geschichte als Sitz verschiedener Institutionen und als kulturgeschichtliches Monument. Diese Entwicklungslinien berühren auch Institutionen, die mit ihm in indirekter Verbindung stehen. Hervorzuheben ist, neben dem vergleichenden Studium der Architektur des ebenfalls 1937 eingeweihten Münchner »Haus der deutschen Kunst«, diesbezüglich besonders das erstmalige ausführliche Studium der Entstehung des Centre Pompidou anhand der Planungsakten, aus denen hervorgeht, wie das Projekt und seine Anforderungen im Palais de Tokyo ihren Ausgang nehmen – und in Verbindung stehen zum ebenfalls erstmals ausführlich studierten Projekt eines Museums für das 20. Jahrhundert, das im Palais de Tokyo und MNAM entworfen wurde. Ebenfalls hervorzuheben ist dahingehend die Untersuchung der Einrichtung des im wörtlichen Sinne Schule machenden IHEAP von Pontus Hultén, Sarkis und Daniel Buren Ende der 1980er Jahre, dessen Entwurf eines neuen pädagogischen Modells für die Arbeit mit und zwischen internationalen jungen Künstler zum Vorbild späterer Akademieformate wie Ange Leccias Pavillon im Palais de Tokyo wurde und in der Gegenwart aufgrund seines erfolgsversprechenden Beiklangs zum Gegenstand kontroverser Versuche, es neu aufzulegen. Vor allem aber betrifft dies die Geschichte von Institutionen im Palais de Tokyo, ihre kulturpolitischen Konzeptionen, museografischen, museologischen und programmatischen Entwürfe und architektonischen Visionen, die vorliegend teils erstmals in dieser Ausführlichkeit, teils überhaupt erstmals untersucht wurde: Den Kontext der Weltausstellung 1937, das MNAM, das Musée d’Art et d’Essai und Préfiguration d’Orsay, das Centre National de la Photographie, die Cinémathèque im Palais mit FÉMIS und BIFI und verschiedenen Trägerstrukturen vom Palais des Images bis zum Palais du Cinéma, schließlich den Palais de Tokyo – Site de Création Contemporaine. Hinzu kam die ergänzende Betrachtung des MAM Paris und ARC, der Biennale de Paris und des CNAC. Neben diese Institutionengeschichten treten viele Aspekte, die verdienten, vertieft zu werden. Ihnen wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt, um zu wichtigen kunsthistorischen Forschungsbereichen neue Erkenntnisse zu liefern. Die Untersuchung zeigte auf, wie Überlegungen einer Öffnung des MNAM im Kriegsgeschehen angestellt werden. Sie zeigt ebenfalls, dass in der Pariser Kunstadministration 1939 erwogen wurde, auf der Auktion sogenannter »entarteter Kunst«, die die Nationalsozialisten in Luzern durchführen ließen, Werke nach Frankreich zurückzuholen und Lücken in der staatlichen Sammlung zu schließen.
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Zur Zweckentfremdung des Kellers des MNAM zur Lagerung der geplünderten Flügel und Klaviere aus jüdischem Besitz wurden die entsprechenden Akten der französischen Administration erstmals eingehend ausgewertet und zum Anlass genommen, bei der Untersuchung der binationalen Zusammenarbeit im MNAM in deutsch-französischen Kunstbeziehungen der Nachkriegszeit auf die Rolle von Bernhard von Tieschowitz im Kunstschutz während der Besatzungszeit bei dieser Lagerung, und später als Kulturbeauftragter der deutschen Botschaft bei Ausstellungsprojekten hinzuweisen. Sowohl die Rezeption der Auktion »entarteter Kunst« in der Galerie Fischer in Luzern 1939 durch die französische Kunstadministration als auch die Person Bernhard von Tieschowitz stellen sich als Desiderate dar, die weitere Forschung verdienen. Die Geschichte der französischen Kunstadministration im Krieg und unter Vichy hält bis heute viel Forschungspotential vor. Besonders die Rolle Louis Hautecoeurs in der Kunstadministration bleibt unscharf. Dazu wurde vorliegend Grundlagenarbeit beigetragen, die von der genauen Untersuchung seiner Planungen, seines Einflusses auf den Bau des Palais de Tokyo und seiner nachfolgenden Kritik bis zu seinen apologetischen Einlassungen über seine Rolle als Directeur des Beaux-Arts unter Vichy reichen; erstmals ausführlich untersucht wurde die Korrespondenz rund um die Anklage Jean Cassous 1940 und die Bitte an Hautecoeur, ein Zeugnis zu Cassous Gunsten einzulegen, die zeigt, wie er sich aus der Schusslinie bringt. Erstmals aufgezeigt wurde auch die wichtige Rolle des Palais de Tokyo im Prozess nationaler Bewusstseinsbildung nach der Befreiung, die von der Ausstellung Art et Résistance bis zur Einrichtung eines eigenen Raumes mit künstlerischen Zeugnissen über die Konzentrationslager im MNAM reicht. Sie setzt sich außerhalb Frankreichs fort durch die eingehend analysierte internationale Ausstellungstätigkeit des MNAM, den Einsatz für die französische moderne Kunst und die Beteiligung an internationalen Biennalen und Preisen. Die Betrachtung der Ausstellungen des Museums nach 1947 zeigt die Entwicklung der Ausstellungsstrategien zu einer Ästhetik des »White Cube« und den Abschied von hierarchischen didaktischen Modellen, ebenso wie die zunehmende Entfernung von der jungen zeitgenössischen Kunst. Die Untersuchung des Projekts zu einem Museum des XX. Jahrhunderts war besonders aufschlussreich, denn stellt man es der öffentlichen Kritik am MNAM in den 1960er Jahren von Wortführern wie Pierre Restany gegenüber, zeigt sich, dass viele der monierten Probleme intern durchaus reflektiert wurden, wie das Erfordernis der Entwicklung neuer, aktueller Ausstellungsformate. Dass sich das Palais de Tokyo kurz darauf als Ort der Entwicklung neuer Ausstellungsformate erweist, zeigt die erstmalige Untersuchung der Geschichte, Ziele und Aktivitäten des Musée d’Art et d’Essai ebenso wie die systematische Aufarbeitung der Geschichte des Palais de Tokyo als Maison de la Photographie und Palais des Images bis zum Palais du Cinéma von 1983 bis 1998. Diese innovative Rolle setzt sich im Projekt des Palais de Tokyo – Site de Création Contemporaine fort, dessen Entstehungs-
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geschichte hier zum ersten Mal untersucht werden konnte, insbesondere aufgrund der Erlaubnis zur Einsicht in junge Akten. Im Bereich der Ästhetik liefert diese historische Untersuchung den Hintergrund zur Entwicklung der institutionellen Wechselwirkung zwischen kuratorischer Praxis und ästhetischer Theorie und zur theoretischen Kritik dieses Verhältnisses. Die ästhetischen Debatten der Gegenwart haben historische Vorläufer, die bis in die internationale Diskussion moderner Kunstmuseen im Umfeld des internationalen intellektuellen Austausches im Völkerbund in den 1920er und 1930er Jahren zurückreichen. Die Diskussionen der Demokratisierung des Zugangs zur Kunst durch museumspädagogische und didaktische Modelle im Kontext der museografischen Modellausstellung van Goghs im Palais de Tokyo 1937 gehören ebenso dazu wie Louis Hautecoeurs zahlreiche Reflexionen bei der Konzeption des neuen MNAM, die stark einer wirtschaftspolitisch orientierten, utilitaristischen und konservativ-akademistischen staatlichen Förderungspolitik im Bereich der Kunst in der Dritten Republik unterliegen. Noch stärkeres Gewicht kommt daher den Reflexionen Jean Cassous zu, bei dem sich in biografischer Konsequenz antifaschistische politische Überzeugung und Aktion mit der Arbeit als Museumsdirektor, Ausstellungsmacher, Vertreter Frankreichs und der französischen Kunst in der Welt, und der Reflexion der Aufgaben und sozialen Funktion des Museums verbinden. Dies zeigt sich auf den zahlreichen komplexen Ebenen seiner Tätigkeit, in der publizistischen Tätigkeit gegen Faschismus und Nationalsozialismus, der Verbindung mit Benjamin, im Widerstand, besonders aber in der Nachkriegszeit, von der Ausrichtung von Ausstellungen wie Art et Résistance und der UNESCO-Ausstellung 1946 im Palais de Tokyo bis zu den Sources du XXème siècle und der Zusammenarbeit mit internationalen, europäischen und schließlich auch deutschen Museen. André Malraux’ Überlegungen zum imaginären Museum prägen nicht nur ein kulturpolitisches Umfeld, in dem Cassou und seine Mitarbeiter im MMAM agieren, sondern sind auch eine Bezugsfolie für ästhetische Reflexionen des kuratorischen Einsatzes von Fotografie und Kunst in Ausstellungen, ihrer Möglichkeiten zur ästhetischen Erziehung des Menschen nach den Katastrophen des Holocaust und Hiroshima, wie das Beispiel des aufgefundenen Ausstellungsprojektes für die UNESCO L’Art accuse la guerre zeigte. Pierre Restany und weitere Kritiker zeigen, wie in den 1960er Jahren die Institutionenkritik neue Anforderungen an ein Museum formuliert, die in letzter Konsequenz bedeuten, dass staatliches Handeln im Bereich der Kultur nach den Jahren de Gaulles überdacht werden muss, wie es Pierre Gaudibert im ARC formuliert und Pontus Hultén seiner Vision eines neuen MNAM zu Grunde legt. Gaudiberts Kritik richtet sich aber auch schon gegen eine kulturindustrielle Neuausrichtung unter Pompidou, als deren transparentes Monument Jean Baudrillard die Schaffung des Centre Pompidou in den 1970er Jahren analysiert. In dieser Zeit nehmen Ausprägungen der von Gilles Deleuze 1987 im Palais de Tokyo in der Vorlesung an der FÉMIS diagnostizierten Gesellschaft allgegenwärtiger ökonomischer Kontrolle ihren deutlichen Anfang, die in postmo-
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dernen ästhetischen Reflexionen über die Stellung des Kunstwerks im wirtschaftlich dominierten gesellschaftlichen System reflektiert werden. Sie sind, wie gezeigt werden konnte, ein Ausgangspunkt der Anfänge von Nicolas Bourriauds Überlegungen zur relationalen Ästhetik. Viele der untersuchten kunsthistorischen Aspekte könnten in eigenen Untersuchungen vertieft werden. Die ohnehin umfangreiche Untersuchung musste sich beschränken. Nicht thematisiert werden konnte die Frage, wie sich möglicherweise kuratorische Strategien in Wechselausstellungen des MNAM, die Leihgabenpraxis oder die Arbeit und Verantwortungsbereiche einzelner Mitarbeiter von 1947 bis 1977 entwickeln, für die weitere vergleichende Studien mit dem Aktenmaterial, Katalogen und Ansichten der vielen Ausstellungen nötig wären. Die exemplarische Betrachtung der Ausstellungen konzentrierte sich vorliegend auf die großen Entwicklungslinien und die internationale Tätigkeit. Die Entwicklung der Sammlung ist in den Publikationen des MNAM aufgearbeitet und wurde daher nur am Rande thematisiert. Die Geschichte der einzelnen Institutionen im Palais de Tokyo könnte in Hinblick auf ihre Ausstellungen vertieft werden. Insbesondere die Geschichte des CNP und der FÉMIS sind lohnenswerte Untersuchungsbereiche, wie sich vorliegend zeigt, da sich an ihnen die Geschichte der Wertschätzung der Fotografie als Kunstform und der Ausbildung im Filmbereich kristallisieren. Hier wurden Grundlagen gelegt, auf denen weitere Forschung auf bauen kann. Auch für das zeitgenössische Palais de Tokyo gilt, dass eine genauere Betrachtung der Arbeit einzelner Kuratoren aus den Teams interessant sein könnte, ebenso wie die mögliche Untersuchung, mit welchen Institutionen, Galerien und Sponsoren kooperiert wird und welche formalen Trends der ausgestellten Werke bis heute eventuell feststellbar sind. Dies betrifft auch die Frage, inwiefern möglicherweise eine Entfernung von relationalen Formen eine bewusste Entwicklung ist, oder die natürliche Verdrängung durch andere Schwerpunkte in der zeitgenössischen Kunstentwicklung bedeutet. Es bleibt abzuwarten, ob in der Zukunft weitere Forschungsmöglichkeiten in dieser Richtung entstehen. Auch die Frage nach Auswirkungen des Palais de Tokyo auf die Pariser Kunstszene und seinem an den Ursprungsintentionen zu messenden Nutzen müsste eine weitere kunstsoziologische Studie klären. In dieser Hinsicht wären auch vergleichende Studien über das Palais de Tokyo und ähnliche internationale Institutionen denkbar, die in den 1990er Jahren Bedeutung erlangen, wie das MoMA PS1 oder die KW Berlin. Freilich betrifft dies nur die zeitgenössischen Institutionen, da letzteren die historische Genese des einzigartigen Palais de Tokyo fehlt. Bewusst wurde, wie ausgeführt, auch auf eine Untersuchung der kulturpolitischen Entwicklung des Palais de Tokyo in der jüngsten Zeit verzichtet, um einen gebotenen historischen Abstand zum Gegenstand zu wahren und mit der Wiedereröffnung 2012 einen sinnvollen Abschluss zu finden. Die vorliegende Arbeit hat es sich auch zum Ziel gesetzt, den ersten umfassenden Überblick über Nicolas Bourriauds relationale Ästhetik zu geben, der ihre Ausgangslagen aufzeigt, ihre Wechselwirkung mit der Konzeption des Palais de Tokyo und den
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Ausstellungen und Programmen in diesem Zentrum der Gegenwartskunst über die Phase unter Marc-Olivier Wahler hinweg bis zu Okwui Enwezors Triennale Intense Proximity 2012, sowie Schwerpunkte ihrer Kritik aufarbeitet. Von den Anfängen in Theoretisierungen des Kunstwerks als Metaphern-Vehikel Anfang der 1990er bis zum Konzept der Altermodernität im globalen Zeitalter 2009 konnte nachvollzogen werden, wie Bourriauds theoretische Entwürfe über zwei Jahrzehnte hinweg einem evolutiven Modell der Fortbewegung entsprechen, das in sich die zeitgleiche Entwicklung beschleunigter Möglichkeiten globaler Mobilität abbildet. Auch der umfassende Überblick über verschiedene Kritiken der Entwürfe Bourriauds sowie die Diskussion der relationalen Ästhetik in den Bereichen des New Institutionalism und der partizipativen Kunst zeigt, wie eng das Palais de Tokyo verbunden ist mit der Suche nach einer Kunsttheorie der globalen Gegenwart. Die ästhetische Untersuchung wurde fortgesetzt mit Jacques Rancières Kritik an Bourriaud und mündete abschließend in die kritische Betrachtung beider Positionen mit Walter Benjamin. Dabei zeigte sich, dass Benjamins Hoffnung auf eine politische, gemeinschaftsstiftende Funktion neuer Kunstformen heute ästhetisch und künstlerisch allenfalls partiell erfüllt ist. Eingangs wurde die Frage aufgeworfen, warum Benjamin sich wohl so wenig seinerzeit in Paris mit dem Palais de Tokyo befasst hat. Dessen Monumentalismus von einst ist heute selbst in Benjamins Sinne porös geworden. Die Porosität ist aber nur eine der institutionellen Architektur. Diese konnte unter den gegebenen ökonomischen und sozialen Bedingungen nicht zu einer Architektur werden, die in einem echten sozialen Durchdringungsprozess steht – und diesen mit hervorbringt. Durch Transparenz trägt sie aber zu einer Sichtbarkeit der Strukturen der Produktionsmittel bei und erlaubt einen Blick auf das heutige Verhältnis der Massen zum Kunstwerk. Benjamin schätzte Theatralität des öffentlichen Raumes als »Schauplatz und Bühne zugleich« im sozialen Durchdringungsprozess. Auch Partizipation von Besuchern lässt den Ausstellungsraum in der gegenwärtigen Aufmerksamkeitsökonomie kaum vom Schauplatz zur Bühne werden, da die Vereinzelung der Rezeption nicht im Kollektiv aufgehoben wird, sondern ein jeder auch dort, wo er selbst Darsteller ist, Zuschauer und Beobachter seiner selbst bleibt. Die Bühne ist heute stets andernorts, sie ist online. Die Untersuchungsbereiche der kunsthistorischen und der ästhetischen Studie zeigen sich damit, wie eingangs antizipiert, als ineinander übergehende Felder. In der Moderne errichtet, wird das Palais de Tokyo im Verlauf des 20. Jahrhunderts zu einem Monument, in dem und durch das historische Diskurse, die sich mit ihm verbinden oder ihm eingeschrieben sind, thematisiert werden. Als hervorstechendstes Merkmal der Ideengeschichte und des Denkens von Kunst im Palais de Tokyo zeigen sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts die zahlreichen Thematisierungen seiner Geschichte und damit Rückgriffe auf die Moderne. Dies betrifft einerseits die institutionellen und architektonischen Projekte, angefangen beim Centre Pompidou über das Palais des Images und Palais du Cinéma bis zum Palais de Tokyo, in denen die Rückbezüge vielfach
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als Argumente der Schaffung neuer Institutionen dienten und damit am Aktenmaterial deutlich werden ließen, dass sich die Geschichte des Palais de Tokyo diesem tatsächlich buchstäblich einschreibt. Zuletzt erwiesen sich die Rückbezüge auf die Moderne aber andererseits auch als prominentes Merkmal von Ausstellungen und ästhetischen Theorien im Zentrum der zeitgenössischen Kunst. Abschließend zu dieser umfangreichen Untersuchung der komplexen kunsthistorischen und ästhetischen Ideengeschichte bleibt daher zuletzt zu fragen, wie heute solche Rückgriffe auf die Moderne in Ausstellungsprojekten und theoretischen Entwürfen für eine Ästhetik der globalisierten Gegenwart im Monument Palais de Tokyo zu bewerten sind. Was sagen sie über die Theorieproduktionen wie die relationale Ästhetik und ihre Derivate aus? Diese Fragen werden verständlich, wenn man sie im Kontext der historischen Entwicklung des Faches Kunstgeschichte und der Kunstkritik seit dem 19. Jahrhundert betrachtet, wie dies Hans Belting 1983 in der viel rezipierten Vorlesung Das Ende der Kunstgeschichte? tat. Das Alter des Textes spricht nicht dagegen, die vorliegend untersuchten ästhetischen Entwürfe daran zu messen. Okwui Enwezor begründete seinen Blick auf postethnische und posthistorische Künstler in Intense Proximity mit Belting. Mit Bourriauds Altermodernität teilt Belting wiederum die Ausgangslagen. Schon als Zeitzeuge sieht auch Belting die Postmoderne und ihre Konsequenzen äußerst kritisch und fordert einen neuen Weg der kunsthistorischen Betrachtung. 3 Belting gründet seine Befragung der Legitimität kunsthistorischer und kunstkritischer Modelle auf einem historischen Überblick ihrer epistemologischen Entwicklungen und der Abtretung von Kernfunktionen der Kunst an Massenmedien. Das Ende der Kunstgeschichte? stellt die Frage, wie eine Zukunft des Faches zu denken sei, wenn zeitgenössische Künstler nicht zu einem teleologischen Geschichtsmodell beitragen möchten und Kunsthistoriker andererseits keine neue Entwicklungsgeschichte begründen können, zugleich aber »der Versuch, Kunstgeschichte zu machen«, »ebenso für die Künstler wie für die Kunstkritiker, aber auch für Museumsleute« gilt.4 Wenn Werke als »Abbild oder Gegenbild« in einem Dialog mit der »jeweils erfahrbaren Form von Realität« stehen, würde eine »interne Formengeschichte« sie als Stilkritik ihres »vollen Realitätsgehaltes« berauben. 5 Umgekehrt eigne sich Kunst, die »idealistisch« dem Stil entzogen werde, nicht für eine geschichtliche Darstellung. Dies erscheint wie die epistemologische Voraussetzung von ästhetischen Entwürfen wie Bourriauds, die den Realitätsdialog der künstlerischen Form betonen, aber keine Stilkritik üben. Sie können damit aber keine fundierte kunstgeschichtliche Perspektive umfassen: »Andererseits hat die zu sich selbst befreite Kunst, die idealistisch sogar dem Kontext des Stils entzogen wird, immer wieder ihre Panegyriker gefunden. Sie eignet sich in dieser Einschätzung besonders wenig für eine geschichtliche Darstellung. Man kann sie zum Thema von Kunstphilosophie machen, aber nicht zum Thema von Kunstgeschichtsschreibung.« 6 Die im Kunstwerk bezeugte Weltauffassung des
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Menschen wie auch die Ausdrucksform sind jedoch geschichtlich gebunden und insofern trete die Geschichtlichkeit des Werks zu Tage. An die Stelle des alten einheitlichen Begriffs stilistischen Fortschritts tritt das Werk selbst: »Es ist genauso an Traditionen gebunden wie an einen zeitgenössischen Horizont der Erfahrung.«7 Die Grundstruktur der Modelle Bourriauds, mit denen er die teleologische Moderne und die Postmoderne überwinden möchte, ist hier vorweggenommen. Das Werk als Zentrum von Relationen, neuen Konstellationen und Utopien möglicher Beziehungen zur Welt, dessen Form die zurückgelegte Strecke und der Produktionsprozess des navigierenden »Semionauten« ist, hat Belting seinerzeit sehr einfach auf den Punkt gebracht: »Wie in einem Focus sammelt es [das Kunstwerk] zahllose Bedingungen, die in es eingegangen sind, und Wirkungen, die von ihm ausgegangen sind, zur Einheit.« 8 Der folgende Satz könnte von Bourriaud stammen und trifft auf dessen eigene Arbeit zu: »Die heutige Umgebung, in der Kunstforschung betrieben wird, ist nicht nur durch den Umstand charakterisiert, daß die Kunstproduktion selber die Grenzen ästhetischer Autonomie durchbricht und traditionelle Kunsterfahrung boykottiert. Vielmehr sucht die Kunst den Rückbezug zu ihrer sozialen und kulturellen Umgebung, trägt also den Konflikt dessen aus, was in einer berühmten Formel ›Kunst und Leben‹ heißt.« 9 Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass Belting vom historischen Horizont der problematischen Kunstgeschichtsschreibung und der epistemologischen Modelle her denkt, um dann auf die zeitgenössische Kunst zu kommen, die den Blick auf die heutige Situation der Kunst im Allgemeinen erweitert. Bourriaud dagegen geht nur punktuell auf Kunstgeschichte ein, und setzt Moderne und die Avantgarde als historische Prinzipienmodelle ein. Wie die übrigen Bezüge auf die Moderne in den ästhetischen Entwürfen der jüngeren Geschichte des Palais de Tokyo, etwa im Projekt des Palais des Images, besonders Franck Hammoutènes Entwurf, in den Konzepten von Bourriaud und Jérôme Sans zur Gründung des zeitgenössischen Kunstzentrums und der Architekten Lacaton und Vassal, oder Okwui Enwezors Reflexionen zur Triennale 2012, reproduzieren Bourriauds Überlegungen einen Bruch, mit dem in der Moderne eine Diskontinuität zwischen »heutiger« und alter Kunst Einzug hielt, der auch das Fach prägt.10 Nahezu alle prägenden Kunsthistoriker seien an der modernen Kunst vorbeigegangen, so Belting. Zumindest für heute prägende Kuratoren und Theoretiker gilt dies nicht mehr. Dafür werden aber neue Diskontinuitäten produziert, wie in Bourriauds Schriften, die nach dem Ende der Avantgarde eine »Neo-Avantgarde« von Konzeptkunst und Pop Art als Ausgangspunkt annehmen und der »alten« Kunst gegenüberstellen, um neue Züge an der Gegenwartskunst sichtbar zu machen. In diese Feststellung ist explizit auch Okwui Enwezors Auseinandersetzung mit dezentralisiertem Kunstschaffen einzuschließen. Auch sie ist eine
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für die »Erfahrungswissenschaft« Kunstgeschichte charakteristische Neukonfiguration, zu der neue Rezeptionen in neuen Generationen einladen.11 Hans Belting leitete daraus seinerzeit die Forderung ab, dass gerade der Blick auf die Gegenwart neue Fragen an historische Kunst nach sich ziehen müsste. Er wirft auch »Anwälten der Moderne« vor, die Diskontinuität weiterzutragen: »Auch sie [...] fragen schon gar nicht danach, wie die moderne Kunst möglicherweise das Verständnis vormoderner Kunst verändert [...]. Man hat immer wieder den Eindruck, daß die eine Kunstgeschichte dort endet, wo die andere erst beginnt.«12 Damit gab Belting die Losung einer »dritten Kunstgeschichte« aus: »Seit die Avantgarde selber zur Tradition wurde, ist das von ihr inspirierte Modell für die Geschichtsdarstellung der modernen Kunst nicht mehr zwingend. Eine dritte Kunstgeschichte wird damit möglich«; diese dritte Kunstgeschichte solle beide, alte und moderne Kunst, kritisieren und erweitern, und sie an Gegenargumenten und Kanon aneinander messen.13 Form müsste dann mit Impulsen aus Funktions- und Rezeptionsästhetik erfasst werden. »Man kann Stilgeschichte nicht einfach durch Sozialgeschichte oder ein Erklärungsmodell ersetzen, das nur auf andere Weise genauso einfach gebaut ist. Vor allem hat keine Deutungsstrategie Sinn, die der Form des Kunstwerks ausweicht und sie nicht zum Hauptthema der Analyse macht. [...] Funktions- und Rezeptionsästhetik halten aktuelle Möglichkeiten bereit, das Spezifische des Kunstwerks mit der sozialen Umgebung, auf die es bezogen war, zusammen zu bringen.«14 Besonders Bourriauds und Enwezors Entwürfe können an dieser Forderung gemessen werden. Bourriaud stellt, ebenso wie Enwezor in seiner Entgegnung auf »Altermodern« und in Intense Proximity über den Umweg des epistemologischen Modells, die Form des künstlerischen Werks ins Zentrum seiner Betrachtungen. Man könnte daher versucht sein, die Reflexionen einer Altermoderne wie die relationale Ästhetik, als Impulse einer »dritten Kunstgeschichte« im Sinne Beltings zu lesen. Aber sowohl bei der Lektüre von Bourriaud als auch Enwezor stellt sich das Gefühl ein, Zeuge eines Bruchs zwischen einer vorhergehenden und einer neuen, zeitgenössischen Kunstgeschichte zu sein. »Altermoderne« nach dem Ende der Geschichte lässt Funktions- und Rezeptionsästhetik, die sich aus der Erkenntnis der Geschichtlichkeit ergäben, aus. Bourriaud bleibt auf die Beschreibung der Produktionsstrukturen beschränkt. Rezeption ist in seinem Modell der Nachvollzug eines Erkenntnisweges, der der Produktionsweg des Werks in einem Universum kultureller Zeichen ist, aber er öffnet den Blick nicht auf seine funktionale Rezeption: Hat die relationale Kunst der 1990er Jahre einen besonderen Platz eingenommen? Sind Bedeutungen feststellbar, die ihr in Gemeinschaften zukommen? Wie verändert die von ihm beschriebene Struktur unseren Blick auf die Kunstströmungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts oder gar der Moderne?
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Es soll kein Plädoyer für eine Bildwissenschaft im Sinne Beltings an die Stelle von Bourriauds ästhetischen Entwürfen und Enwezors Ausführungen gestellt werden. Aber seine Überlegungen helfen, die Grundproblematik der vorliegend zu Tage getretenen Bezüge auf die Moderne sichtbar zu machen. In keinem der Texte Bourriauds und Enwezors wird trennscharf zwischen »Moderne« und »Modernität« unterschieden – als Epochen- oder überhistorische Eigenschaftsbeschreibungen werden sie in ihren oben dargelegten Ausführungen mal unterschieden und mal gleichbedeutend verwendet. Daher können sie in ihren Entwürfen die zeitgenössische Kunst letztlich nicht in einer kunsthistorischen Perspektive darstellen, die soziale Kontexte erst umfassend einschließen könnte: »Wenn man das moderne Bewusstsein und die Moderne als Thema auseinanderhält, dann kann der Interpret sein Bewusstsein auch auf Gegenstände außerhalb der Moderne anwenden.«15 Man kann Bourriauds ästhetische Theorie mit dem oben zitierten Gedanken Hans Beltings als »Panegyrik« einer idealistisch der Stilgeschichte entzogenen Kunst sehen, die »zum Thema von Kunstphilosophie aber nicht von Kunstgeschichtsschreibung« gemacht werden kann.16 Sieht man ihre Diskussion als Gegenstand der Disziplin, so haben Kritik und Debatten aber einen Beitrag zum Fach Kunstgeschichte geleistet und damit partiell auch jene kunsthistorische Einordnung ihrer Gegenstände, die den Entwürfen selbst fehlt. Das Palais de Tokyo wurde ihr Medium und zeigt sich uns heute daher als Monument der Moderne und der Ästhetik der Gegenwart: Es ist ein Monument der Suche nach dem öffentlichen Platz der zeitgenössischen Kunst in einer globalisierten Welt.
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1 Wie sie in der politischen Ikonografie untersucht wird, vgl. Fleckner, Warnke u. Ziegler 2011,
S. 9.
2 Panofsky 1975a, S. 19 u. 23; vgl. Einleitung. 3 Hans Belting: Das Ende der Kunstgeschichte? Überlegungen zur heutigen Kunsterfahrung und
historischen Kunstforschung, in: id.: Das Ende der Kunstgeschichte?, München 1983, S. 11–61, S. 48–50. Belting hat seinen Text später einer Revision unterzogen. Vgl. id. 1995, 22002. Zitiert wird die erste, international vielfach übersetzte und rezipierte Fassung von 1983 um zu verdeutlichen, dass diese Gedanken schon über ein Jahrzehnt vor Bourriauds gefordertem Bruch mit der Postmoderne, mitten in derselben, geäußert wurden. 4 Ibid., S. 47. 5 Ibid., S. 32. 6 Ibid. 7 Ibid., S. 34. 8 Ibid. 9 Ibid., S. 35 f.
10 Ibid., S. 39: »Die Diskontinuität [...] setzt nicht erst mit dem Ausbruch aus den traditionellen
Kunstgattungen und der Verweigerung des von ihnen symbolisierten Kunstbegriffs ein, so früh auch dieser Vorgang mit den ersten Aktionen Marcel Duchamps beginnt. Vielmehr ist sie bereits in der sogenannten Abstrakten Kunst sichtbar, die den angestammten Gegenstand der Kunst zu verlieren schien«. 11 Ibid., S. 37. 12 Ibid., S. 39. 13 Ibid., S. 40. 14 Ibid., S. 35. 15 Ibid., S. 51. 16 Ibid., S. 32.
664 | Monument der Moderne, Monument einer Ästhetik der Gegenwart
ANHANG
AUSSTELLUNGEN DES MNAM IM PAL AIS DE TOKYO 1944 –1976 Gelistet sind die Ausstellungen des MNAM, die von der Befreiung bis zum Übergang ins Centre Pompidou 1977 überwiegend im Palais de Tokyo organisiert wurden, sowie die wichtigsten auswärtigen. Es wurden zwei Quellen, die geringfügig voneinander abweichen, verglichen und gegebenenfalls stillschweigend anhand von Katalogen korrigiert: −−
Eine vierseitige getippte Liste »Expositions temporaires 1944 –1974. Principales expositions organisées au Musée National d’Art Moderne / Principales expositions organisées à l’extérieure« mit wenigen handschriftlichen Ergänzungen der Archives des musées nationaux (AMN/2HH64(1)) vor den Ausstellungsdossiers in der Serie 2HH zählt 182 Ausstellungen.
−−
Catherine Lawless publizierte 1986 im Anhang zu ihrem Buch über das MNAM Listen unterteilt nach Ausstellungen im Palais de Tokyo bis 1976 (id. 1986, S. 177–179), Ausstellungen des 1967 gegründeten Centre National d’Art Contemporain (nur einige im Palais de Tokyo, Hauptsitz war bis 1977 das Hôtel Salomon de Rothschild, ibid. S. 180 f.) und im Centre Pompidou ab 1977 (ibid. S. 182 f.). Die Ausstellungen des CNAC im Palais de Tokyo werden ausgewiesen.
Eine Liste der Ausstellungen des MNAM im Centre Pompidou erarbeiten das Exzellenzlabor Arts H2H und die Bibliothèque Kandinsky online, vgl. http://histoiredesexpos.hypotheses.org/ presentation/catalogue-raisonne-des-expositions und die Liste in: http://catalogueexpositions. referata.com/wiki/Accueil. Bei Catherine Lawless finden sich auch folgende Listen, auf die hier hingewiesen werden soll: −−
Chef kuratoren, später Direktoren, des MNAM im Palais de Tokyo und Centre Pompidou und der Kuratoren, nach Eingangsdatum ins Museum bis 1981 (Lawless 1986, S. 170).
−−
Wichtigste Zugänge in die Sammlung des MNAM 1945–1974, nach Gabe – »Don« ohne Vertragswerk, Schenkung mit Vertragswerk »Donation« –, Legat und »Dation«, Begleichung von Sukzessions-Steuern mit Werken von außergewöhnlicher Qualität. Die Liste ist unterteilt in die wichtigsten Ankäufe zum Zeitpunkt der Gründung des MNAM 1947, die wichtigsten Schenkungen von Künstlern 1947–1967, Schenkungen und Legate von Familien von Künstlern, zentrale Schenkungen und Legate von Sammlern sowie Schenkungen von Vereinigungen und Freundeskreisen (ibid., S. 171–176). 1974 verteilte sich die Herkunft der Werke demnach wie folgt: 60 % aus Schenkungen und Legaten, 10 % Ankäufe aus Mitteln der Musées de France, 30 % Ankäufe mit Mitteln des Service de la Création Artistique (Fonds national d’art contemporain).
Zu den Ausstellungen kommen, wie unzählige Ausstellungsdossiers in den Archiven des MNAM in den AMN zeigen, noch etliche Wechselausstellungen hinzu, die nicht vom MNAM selbst, sondern etwa von anderen Museen oder der Association Française d’Action Artistique organisiert wurden. Daher fehlen in der ersten Ausstellungsliste beispielsweise die oben analysierte Ausstellung Haitianischer Maler 1950–1951, in beiden die Ausstellung des MNAM in Südafrika 1951 oder die Teilnahmen des MNAM an Biennalen wie Venedig oder São Paulo. Aufgrund der Vielzahl der Ausstellungen kann hier keine Auflistung aller jemals im Palais de Tokyo während der Zeit des MNAM gezeigten Ausstellungen geleistet werden. Die Liste gibt jedoch einen guten Überblick über die zentralen Hauptausstellungen, die das MNAM organisierte, und damit über kuratorische Schwerpunktsetzungen. Die Orthografie folgt den Listen, Ergänzungen des Verfassers in eckigen Klammern. Temporäre Ausstellungen des MNAM im Palais de Tokyo: 1944 –1945 1945 1945
666 | Anhang
Henri Rousseau Maurice Denis, 1870–1953 [Amédée] de La Patellière, peintures 1890–1932
1946 1946 1946
La Tapisserie Française du Moyen-Age à nos jours Art et Résistance Exposition International d’Art Moderne [UNESCO-Ausstellung]
1947 1947–1948
Marc Chagall, peintures 1908–1947 Constant Permeke
1948 1948 1948 1948 1948 1948
Paul Klee Hommage à Suzanne Valadon [1867–1938] [Fritz] Wotruba Albert Marquet, 1875–1947 Laethem Saint-Martin (colonie d’artistes en Flandre, 1890–1940) Emile Terry
1949 1949 1949 1949 1949 1949 1949–1950
L’Art Hongrois Contemporain L’œuvre de Zadkine Henri Matisse, Œuvres récentes, 1947–1948 Quatre Années de Tapisserie Française Fernand Léger, rétrospective 1905–1949 Henry Moore Charles Walch [peintures, gouaches, dessins, gravures, sculptures, 1928–1948]
1950 1950 1950 1950 1950 1950 1950
Quelques artistes contemporains [?] Christian Bérard [Francis] Gruber L’Art Moderne [Contemporain] Italien La Jeune Gravure Contemporaine Roger de La Fresnaye Dix-neuf peintres d’Haïti
1951 1951 1951 1951 1951 1951 1951 1951 1951
Collection Monfreid [Schenkung Mme Huc de Monfreid: Werke Gauguins] L’Art sacré, œuvres françaises des XIXe et XXe siècles [Jacques] Villon L’Art mural norvégien, 1920–1950, esquisses, projets et cartons de fresques Art Cubain Contemporain Henri Laurens Le Fauvisme Paul Signac [Joseph] Kutter
1952 1952 1952 1952 1952 1952
Julio Gonzalez [sculptures] La Jeune Gravure Contemporaine Art Mexicain (du précolombien à nos jours) Henry de Waroquier [sculptures] Georges Rouault Graham Sutherland
1953 1953 1953 1953 1953–1954 1953–1954
[Sesostris] Vitullo (sculpteur argentin) Le Cubisme (1907–1914) Douze Peintres et Sculpteurs Américains Contemporains Raoul Dufy, 1877–1953 Le Corbusier (œuvres plastiques) De Corot à nos jours au Musée du Havre
1954 1954
James Ensor La Jeune Gravure Contemporaine
667 | Ausstellungen des MNAM im Palais de Tokyo 1944–1976
1954 1954 1954 –1955
Le Dessin de Toulouse Lautrec aux Cubistes Le Dessin Contemporain aux Etats Unis [André] Derain
1955 1955 1955 1955 1955
Ben Nicholson Cinquante Ans d’Art aux Etats Unis (Collection du MoMA) Bonnard, Vuillard et les Nabis, 1888–1903 Jeunes peintres [exposition internationale] [Joaquín] Torres García
1956 1956 1956 1956 1956 1956–1957
Gajin Kosaka, 1877–1953 Nicolas de Staël Henri Matisse (Rétrospective) Germaine Richier Antoine Pevsner [Second] Prix Guggenheim
1957 1957 1957 1957 1957 1957–1958 [1957–1958
Ivon Hitchens et Lynn Chadwick [Wien, München, Amsterdam, Brüssel, Paris] La Jeune Gravure Contemporaine Depuis Bonnard [présenté par la Société des amis du Musée national d’art] Robert Delaunay, 1885–1941 Rik Wouters Kandinsky (44 œuvres du Musée Guggenheim de New York) Traditions et arts populaires polonais, du XVIe au XXe siècle]
1958 1958 1958 1958 1958
[Jean] Pougny L’Art Hollandais depuis Van Gogh [František] Kupka [Jean] Lurçat [André] Lhote
1959 1959 1959 1959 1959 1959
Jackson Pollock et la Nouvelle Peinture Américaine La Jeune Gravure Contemporaine [Roger] Bissière Jacques Lipchitz L’École de Paris dans les Collections Belges Max Ernst
1960 L’Art Moderne Suisse de Hodler à Klee 1960 L’Art Israélien Contemporain 1960 La Peinture Russe et Soviétique 1960 Prix Marzotto: Exposition internationale de peinture contemporaine [Exposition de Peinture Contemporaine, Communauté Européenne, ouverte à Valdagno, puis Milan, Bruxelles, Munich et Paris. Jury: Emile Langui (B), Jean Cassou (F), Kurt Martin (D), Willem Sandberg (NL), Roberto Longhi (I)] 1960–1961 Les Sources du XXe Siècle, les arts en Europe de 1884 à 1914 [Conseil d’EuropeAusstellung Frankreichs] 1961 1961 1961
Douze Peintres Polonais Modernes Le Dessin Belge de James Ensor à nos jours Hommage à [Aristide] Maillol [1861–1944, centenaire de sa naissance]
1962 1962 1962 1962 1962–1963
L’Art Contemporain de Yougoslavie Hans Arp August Strindberg, peintures Joan Miró Le Corbusier
668 | Anhang
1963 1963 1963 1963 [1963 [1963 1963–1964
Jean Atlan La Jeune Gravure Contemporaine Vassily Kandinsky, rétrospective 1866–1944 Marcel Gromaire Eric Grate, sculpteur suédois] Trois artistes britanniques. Robert Adams, Hubert Dalvood, Ceri Richards] Art Argentin Actuel
1964 1964 1964 1964 1964 1964 –1965
Collection André Lefèvre Sophie Taeuber-Arp Collection Staechelin [Fondation Rodolphe Staechelin, de Corot à Picasso] [Louis] Marcoussis Le Monde des Naïfs [Albert] Gleizes, rétrospective 1881–1953
1965 1965 1965 1965
Henri Michaux André Masson [Alexander] Calder [Jean] Bazaine
1966 1966 1966 1966 1966 1966 1966 1966 1966–1967
Fauves Français et Expressionnistes Allemands Paris – Prague, 1906–1930 Donation Kupka [Henri-Georges] Adam Édouard Pignon Félix Vallotton Zoltan Kemeny Donation Gonzalès Dada [exposition commémorative du cinquantenaire – mit Kunsthaus Zürich]
1967 1967 1967 1967 1967 1967
Willi Baumeister Suzanne Valadon [Charles] Lapicque [Société des Amis du Musée national d’Art moderne] Marcel Duchamp [Gino] Severini Kees van Dongen [mit Museum Boijmans-van Beuningen Rotterdam]
1968 1968 1968 1968 1968 1968 1968
Sonia Delaunay Canada. Art d’Aujourd’hui Alberto Magnelli Raoul Ubac, rétrospective [mit Palais des Beaux-Arts in Charleroi u. Brüssel] [Henri] Hayden, soixante ans de peinture 1908–1968 Max Beckmann [Paris, München, Brüssel] Joseph Sima (CNAC)
1969 1969 1969 [1969 1969–1970
Hans Hartung [rétrospective] Bauhaus [mit Musée d’Art moderne de la Ville de Paris] [Maria Helena] Vieira da Silva [peintures, 1935–1969] (CNAC) Biennale de Paris mit Beteiligung MNAM] [Paul] Klee
1970 L’Expressionisme Européen 1970 Pierre Reverdy [À la rencontre de Pierre Reverdy et ses amis: Picasso, Braque, Laurens, Gris...] 1970 Serge Poliakoff
669 | Ausstellungen des MNAM im Palais de Tokyo 1944–1976
1971 1971 1971 1971 1971 1971
Bram van Velde (CNAC) Giorgio Morandi [Serge] Charchoune (CNAC) Georges Rouault Naum Gabo Picasso dans les Musées Soviétiques
1972 1972 1972 1972 1972 1972–1973
Man Ray Mark Rothko Alberto Burri Victor Brauner (1913–1966) [Yaacov] Agam (CNAC) [collaboration] Paul Mansouroff & Vladimir Baranoff-Rossiné
1973 1973 1973 1973 1973 [1973
Camille Bryen Gaston Chaissac Etienne Hajdu Le Futurisme [1906–1916] Inauguration des salles Henri Laurens Biennale de Paris mit Beteiligung MNAM]
1974 1974 1974
Richard Lindner Edvard Munch, 1863–1944 [München, London, Paris] Les Dessins du Musée National d’Art Moderne
Schon als Centre National d’Art et de Culture Georges Pompidou, MNAM: 1975 1975 1975 1975 1975 1975
Dessins et gravures de Suzanne Valadon 1865–1938, Legs Robert Le Masle Henri Matisse, Dessins et Sculptures Dessins de Victor Brauner François Rouan: Portes: Douze peintures Art abstrait 1910–1940, dessins Contemporains I
1976 Brâncus‚i, 25 dessins 1976 Contemporains II 1976 Hommage à Sonia Delaunay 1976 Simon Hantaï Wichtige auswärts vom MNAM organisierte Ausstellungen: 1961–1962
L’Atelier de Braque (Louvre)
1963
Donation Dufy
1964 1964 1964 1964 –1965
Paul Signac (Louvre) Georges Rouault, œuvres inachevées données à l’État Donation Delaunay (Louvre) Collection Besson
1965
Donation Braque (Louvre)
1966 1966
Donation Pougny (Orangerie des Tuileries) Hommage à Picasso (Grand Palais)
1967 1967
Donation Laurens (Grand Palais) Le Message biblique de Chagall (Grand Palais)
670 | Anhang
1969 1969 1969–1970
Mondrian (Orangerie des Tuileries) Les Picassos de la Donation Cuttoli-Laugier (Orangerie des Tuileries) Alberto Giacometti (Orangerie des Tuileries)
1970 1970
Hommage à Marc Chagall (Grand Palais) André Beaudin, 1921–1970 (Grand Palais)
1971 1971–1972
Henri Matisse, Exposition du Centenaire (Grand Palais) Fernand Léger (Grand Palais)
1973 1973–1974
Chaïm Soutine (Orangerie des Tuileries) George Braque (Orangerie des Tuileries)
1974 1974 1974
Jean Paulhan [à travers ses peintres] (Grand Palais) Juan Gris (Orangerie des Tuileries) Joan Miró (Grand Palais)
1975
Max Ernst (Grand Palais)
671 | Ausstellungen des MNAM im Palais de Tokyo 1944–1976
AUSSTELLUNGEN DES PAL AIS DE TOKYO 2002–2012 Die Liste gibt die wichtigsten Ausstellungen unter Auslassung der zahlreichen Events des Rahmenprogramms wieder ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Sie basiert auf einer unvollständigen Liste der Ausstellungen des Palais de Tokyo 2002 bis 2012 auf der archivierten ersten Website des Palais de Tokyo der Jahre 2002 bis 2006 unter den Direktoren Nicolas Bourriaud und Jérôme Sans, in: http://archives.palaisdetokyo.com/index2002.php, Rubrik »Mémoire«, Unterrubrik »Expositions« (25. Februar 2016). Die Daten wurden abgeglichen mit den Online-Ausgaben von Tokyonews, bei Abweichungen wurde diesem seinerzeit aktuell informierenden Online-Newsletter gefolgt. Die Liste wurde zudem abgeglichen mit dem Programm der Jahre unter Marc-Olivier Wahler von September 2006 bis zur Schließung für den Umbau 2012, das die archivierte zweite Website verzeichnet, in: http://archives.palaisdetokyo.com/fo3/low/programme/index. php?page=avant.inc.php (25. Februar 2016). Ausstellungstitel werden um Details und für die Jahre unter Wahler um die Programme der Ausstellungszyklen ergänzt, um einen Eindruck von der Vielfalt der ausgestellten Künstler zu geben.
2012 L a Triennale Intense Proximité [Kurator: Okwui Enwezor, 20. April–31. August 2012] Entreouverture [Zwischeneröffnung für 30 h auf allen vor der Eröffnung am 20. April zugänglichen Flächen, 12. u. 13. April 2012 mit 35.000 Besuchern]
MARC-OLIVIER WAHLER (SEPTEMBER 2006–2012) 2011 Nomiya [Installation von Laurent Grasso auf dem Dach des Palais de Tokyo: Tafel für 12 Gäste des Spitzenkoches Gilles Strassart unterstützt von Electrolux, 1. Juli 2009–30. April 2011] Programm L’Odyssée des E spaces – 4 [18. Oktober–31. Dezember 2011] Gruppenausstellung All of the above, Carte blanche à John M. Armleder [18. Oktober–31. Dezember 2011] Wallace Berman / Troy Brauntuch / Valentin Carron / Delphine Coindet / Guy de Cointet / Bruce Conner / Philippe Decrauzat / Emilie Ding / Sylvie Fleury / Poul Gernes / Fabrice Gygi / Scott King / Stéphane Kropf / Alix Lambert / Bertrand Lavier / Robert Longo / Allan McCollum / Mathieu Mercier / John Miller / Olivier Mosset / Peter Nagy / Steven Parrino / Mai-Thu Perret / Walter Robinson / Gerwald Rockenschaub / Peter Schuyff / Jim Shaw / Laurie Simmons / Michael Smith / Blair Thurman / John Tremblay / Xavier Veilhan Spezialprojekte Christian Andersson, From Lucy with love [7. Oktober–6. November 2011] Morag Keil, Moarg kiel, Prix Lafayette 2010 [7.–30. Oktober 2011] Modules Module 1, Rosa Maria Unda Souki, Expropriation [4.–27. November 2011] Module 3, Ken Sortais, Dernier tour [4.–27. November 2011]
672 | Anhang
Module 2, Clément Cogitore, Un Archipel [4.–27. November 2011] Module 2, Clotilde Viannay, W – Watchmen [7.–30. Oktober 2011] Programm L’Odyssée des E spaces – 3 [8. Juli–2. Oktober 2011] Einzelausstellungen Robin Meier & Ali Momeni, The Tragedy of the Commons [8. Juli–2. Oktober 2011] Olaf Breuning, The Art Freaks [8. Juli–31. Dezember 2011] Modules Module 2, Mïrka Lugosi, Off Modern [9. September–2. Oktober 2011] Module 1, Théodore Fivel, Off Modern [9. September–2. Oktober 2011] Module hors-les-murs, Galeries Lafayette Paris & Création, Jean-François Leroy, généreux mais pas gras [12. Juli–5. August 2011] Module 1, Hervé Coqueret, Le cercle [8. Juli– 4. September 2011] Module vidéo, Anne-Julie Raccoursier, Crazy Horse [8. Juli– 4. September 2011] Module 3, Vincent Chevillon, Spermwhaler’s dream [8. Juli– 4. September 2011] Programm L’Odyssée des E spaces – 2 [22. April–19. Juni 2011] Einzelausstellungen Alexandre Singh, La Critique de l’École des objets [22. April–19. Juni 2011] Marnie Weber, The Autumn Bear [22. April–19. Juni 2011] Modules Le Pavillon Neuflize OBC, Le Rayon Vert [10. Juni–3. Juli 2011] Jérôme Allavena / Einat Amir / Elisabeth S. Clark / Alexandra Ferreira & Bettina Wind / Morten Norbye Halvorsen / Estelle Nabeyrat / Fabrice Pichat / Charlotte Seidel Module 2, Bertille Bak, Urban Chronicle [6. Mai–5. Juni 2011] Module 1, Julien Tiberi, L’amicale des tours de main hors classe [6. Mai–5. Juni 2011] Module 2, Mikaël Dufresne, Cohorte [8. April–30. April 2011] Module 1, Emad Aleebrahim Dehkordi, 1388undo [8. April–30. April 2011] Module vidéo, Olwen Gaucher, Insurrection d’un songe [8. April–5. Juni 2011] Programm L’Odyssée des E spaces – 1 [28. Februar–27. März 2011] Einzelausstellung Karsten Födinger, Cantilever [18. Februar–3. April 2011] Spezialprojekte João Onofre, Projet spécial [4.–13. März 2011] João Onofre, Box Sized Die featuring No Return [18. Februar–3. April 2011] [Performance einer Death Metal-Band in einer Box, variable Länge je nach Luftknappheit] Modules Module 1, Sandra Lorenzi, La Nébuleuse de l’ homoncule [4. März–3. April 2011] Module 1, John Cornu, Assis sur l’obstacle [4.–27. Februar 2011] Module 2, Sébastien Vonier, Névés [4.–27. Februar 2011] Module vidéo, Hakima El Djoudi, Quand la ville dort [4.–27. Februar 2011]
673 | Ausstellungen des Palais de Tokyo 2002–2012
2010 Chalets de Tokyo à Coimbra [Centro de Artes Visuais, 13. November 2010–27. Februar 2011] João Onofre, Lighten up Chalets de Tokyo à New York [4. März 2010, 18.30–21.30 Uhr, The New York Palace Hotel] Renaud Auguste-Dormeuil, Performance Blackout New York Programm Fresh Hell [20. Oktober 2010–16. Januar 2011] Gruppenausstellung Fresh Hell: Carte blanche à Adam McEwen [19. Oktober 2010–16. Januar 2011] Bas Jan Ader / Barbara Bloom / Jonathan Borofsky / Angela Bulloch / Maurizio Cattelan / Anne Collier / Martin Creed / Gino De Dominicis / Walter De Maria / Jessica Diamond / Matias Faldbakken / Isa Genzken / Geert Goiris / Dan Graham / Philip Guston / Raymond Hains / David Hammons / Georg Herold / Martin Kippenberger / Michael Landy / Hanna & Klara Liden / Nate Lowman / Sarah Lucas / Ana Mendieta / Henri Michaux / Reinhard Mucha / Bruce Nauman & Frank Owen / Michelangelo Pistoletto / Rob Pruitt / Steven Shearer / Roman Signer / Agathe Snow / Rudolf Stingel / Rosemarie Trockel / Valie Export / H. C. Westermann / Werke aus dem Musée de Cluny – Musée National du Moyen Âge, Paris Einzelausstellung Serge Spitzer [19. Februar 2010–19. Juni 2011] Installation Re/Search: Bread and Butter with the ever present Question of How to define the difference between a Baguette and a Croissant (II), (1995–2010) Spezialprojekte Sophie Calle [20. Oktober–28. November 2010, Installation Rachel, Monique, Brache im Palais] Le Pavillon, Index of [18. u. 19. Dezember 2010] Proposition d’Alain Declercq, Ausstellung im noch brach liegenden Bereich des Palais de Tokyo Jérôme Allavena / Einat Amir / Elisabeth S. Clark / Alain Declercq & Jeanne Susplugas / Gintaras Didžiapetris / Alexandra Ferreira & Bettina Wind / Morten Norbye Halvorsen / Ange Leccia / Christian Merlhiot / Estelle Nabeyrat / Fabrice Pichat / Charlotte Seidel D ynasty Gruppenausstellung D ynast y [MAM Paris & Palais de Tokyo, 11. Juni–5. September 2010] Gabriel Abrantes et Benjamin Crotty / Farah Atassi / Laëtitia Badaut Haussmann / Gaëlle Boucand / Mohamed Bourouissa / Guillaume Bresson / Pierre-Laurent Cassière / Yuhsin U. Chang / Stéphanie Cherpin / Pauline Curnier Jardin / Mélanie Delattre-Vogt / Alain Della Negra & Kaori Kinoshita / Dewar & Gicquel / Bertrand Dezoteux / Rebecca Digne / Antoine Dorotte / Julien Dubuisson / Vincent Ganivet / Fabien Giraud & Raphaël Siboni / Camille Henrot / Louise Hervé & Chloé Maillet / Armand Jalut / Laurent Le Deunff / Benoît Maire / Vincent Mauger / Robin Meier & Ali Momeni / Théo Mercier / Nicolas Milhé / Benoît-Marie Moriceau / Jorge Pedro Núñez / Masahide Otani / Florian Pugnaire & David Raffini / Jean-Xavier Renaud / Raphaëlle Ricol / Bettina Samson / Alexandre Singh / Oscar Tuazon & Eli Hansen / Cyril Verde + Mathis Collins / Duncan Wylie / Chen Yang Modules Module hors-les-murs, Vitrines des Galeries Lafayette, Giuliana Zefferi, Les Jeunes Filles Horribles [12. Juli–5. August 2010] Florian Pugnaire & David Raffini, In Fine [1. Juli–5. September 2010, auf der Brache im Palais] Collectif KIT, Coulis de framboises [13.–30. Mai 2010] Module hors-les-murs, hall d’entrée, Jean-Marie Blanchet, Off [Projektion, 6.–30. Mai 2010]
674 | Anhang
Programm PERGOLA [19. Februar–23. Mai 2010] Laith Al-Amiri, Symbol of Courage [19. Februar–23. Mai 2010] Valentin Carron, Pergola: Monsieur [19. Februar–23. Mai 2010] Charlotte Posenenske [19. Februar–23. Mai 2010] Serge Spitzer [19. Februar–19. Juni 2011] Raphaël Zarka, (A list of which I could tediously extend ad infinitum) [19. Februar–23. Mai 2010] Modules [2010–2015: Modules Fondation Pierre Bergé – Yves Saint Laurent] Florian Fouché, Constellation basse [1. April–2. Mai 2010] Franziska Furter, squall lines [1. April–2. Mai 2010] Module hors-les-murs, hall d’entrée: Alexis Guillier, Reworks [1. April–2. Mai 2010] Emilie Pitoiset, Comme on fait disparaître les miroirs [4.–28. März 2010] Emmanuel Régent, Mes plans sur la comète / Drifting away [4.–28. März 2010] Luc Kheradmand, Postvsnow [4.–28. März 2010] Isabelle Frémin, Perspective cavalière [4.–28. Februar 2010] Benjamin Swaim, Fertilité du diable [4.–28. Februar 2010] Module hors-les-murs, hall d’entrée, Videos, Burn out & Ghost Riders [4.–28. Februar 2010] Marion Tampon-Lajarriette, Dead End [8.–31. Januar 2010] Bertrand Dezoteux, Le Corso [8.–31. Januar 2010]
2009 Hôtel Everland [16. November 2007–30. April 2009] Sabina Lang u. Daniel Baumann: Installation eines Hotelzimmers auf dem Dach des Palais Chalets de Tokyo à Séoul [3.–25. September 2009] Vincent Ganivet, Roue Programm Chasing Napoleon [15. Oktober 2009–17. Januar 2010] Gruppenausstellung C hasing Napoleon [16. Oktober 2009–17. Januar 2010] Dave Allen / Micol Assaël / Christoph Büchel / Dora Winter / Gardar Eide Einarsson / David Fincher / Tom Friedman / Ryan Gander / Robert Gober / Robert Kusmirowski / Paul Laffoley / Tony Matelli / Ola Pehrson / Charlotte Posenenske / Hannah Rickards / Dieter Roth / Tony Smith / John Tremblay Modules Module 1, Bad Beuys Entertainment, Fluo Brown & Final Count Of The Collision Between Us And The Damned [15. Oktober–29. November 2009] Module 2, Julien Dubuisson, Basse Def [15. Oktober–29. November 2009] Module 3, Pierre Labat, Affinity [15. Oktober–29. November 2009] Module 4, Hall d’entrée, Hugo Pernet, Postface [15. Oktober–29. November 2009] Alain Della Negra & Kaori Kinoshita, The Den (La Tanière) [3. Dezember 2009–3. Januar 2010] Aurélien Porte, La main ne saurait perdre la raison de son ennui. Enfin presque [3. Dezember 2009– 3. Januar 2010] Antoine Dorotte, A la playa [3. Dezember 2009–3. Januar 2010]
675 | Ausstellungen des Palais de Tokyo 2002–2012
Programm Spy Numbers [28. Mai 2009–20. September 2009] Gruppenausstellung S py Numbers [28. Mai–20. September 2009] Dove Allouche & Évariste Richer / Pascal Broccolichi / Luca Francesconi / Ken Gonzales-Day / Norma Jeane / Arthur Mole & John Thomas / Matt O’dell / Felix Schramm / Jim Shaw / Tony Smith / Stéphane Vigny Modules Module hors-les-murs, Vitrines des Galeries Lafayette, Vincent Ganivet, Rivières [7.–25. Juli 2009] Module 1, Julien Dubuisson, Same Time [3.–20. September 2009] Module 2, Hugo Pernet, Incomplete [3.–20. September 2009] Les artistes du Pavillon: Le plan méthodique de F. Le Play [2. Juli–16. August 2009] Pedro Barateiro / Emma Dusong / Isa Griese / Louise Hervé & Chloé Maillet / Matteo Rubbi / Axel Straschnoy / Iris Touliatou / Gilles Toutevoix / participation de Thomas Lannette Adrien Missika, HMI (Hydragyrum Mittlere Bogenlänge Iod) [28. Mai–28. Juni 2009] Jean-Marc Chapoulie, Festival Spirits [Videoauswahl, 7.–31. Mai 2009] Programm Gakona [12. Februar 2009–3. Mai 2009] Einzelausstellungen Micol Assaël, Chizhevsky Lessons [12. Februar–3. Mai 2009] Laurent Grasso, H aarp [12. Februar–3. Mai 2009] Roman Signer [12. Februar–3. Mai 2009] Ceal Floyer [12. Februar–3. Mai 2009] Modules Bettina Samson, Replica [2. April–3. Mai 2009] Clément Rodzielski, Une haine sans pardon [2. April–3. Mai 2009] Mathilde du Sordet, Un Ensemble [6.–29. März 2009] Florian Pugnaire et David Raffini, Expanded Crash [6.–29. März 2009] Etienne Chambaud, Color Suite [6. Februar–1. März 2009] Dominique Blais, Module 1 [5. Februar–1. März 2009] Tony Matelli, Abandon [8. Januar–1. Februar 2009]
2008 Chalets de Tokyo à Roswell [7.–31. August 2008; International UFO Museum and Research Center, Roswell/ New Mexico, USA] Renate Beckmann / Milena Calaverese / Chu Hai Fan / Jin-Hyung Kim / Christian Leimer / Marco Leval / Nazih Mousiah / Elena Szymanski / Dora Winter Chalets de Tokyo, Medio Dia Media Noche, Museo de Arte Contemporáneo de Rosario (Argentinien) [10. Januar–2. März 2008] John Armleder / Renaud Auguste-Dormeuil / Philippe Decrauzat / Fischli & Weiss / Lucio Fontana / Douglas Gordon / Fabrice Gygi / Carlos Herrera / Jorge Macchi / Mathieu Mercier / Philippe Parreno / Bruno Peinado / Tatiana Trouvé Chalets de Tokyo à Randolph Cliff, Edinburgh [13.–27. April 2008] Ei Arakawa / Gela Patashuri
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Programm D’Une R èvolution à L’Autre [26. September 2008 –18. Januar 2009] Gruppenausstellung Carte blanche à Jeremy Deller [26. September 2008–18. Januar 2009] Ed Hall / Alan Kane / Scott King / Matt Price / William Scott / Andrey Smirnov / Marc Touché / White Columns Modules Module 2, Carte blanche à 220 jours, Les Feuilles [5. Dezember 2008– 4. Januar 2009; Kuratoren 220 jours (Yoann Gourmel, Elodie Royer, temporär, 8. September 2007–30. März 2008)] Barbara Bloom / Robert Breer / Isabelle Cornaro / Julien Crépieux / Aurélien Froment / Ryan Gander / Mark Geffriaud / Ji ř í Kolá ř / Benoît Maire / Clément Rodzielski / Raphaël Zarka Module 1, Carte blanche à La Station [5. Dezember 2008– 4. Januar 2009, kuratiert von der Künstlervereinigung la Station, gegründet Nizza 1996] David Ancelin / Julien Bouillon / Jean-Baptiste Ganne / Alexandra Guillot / Jacques Julien / Natacha Lesueur / Ingrid Luche / Marion Orel / Émilie Perotto / Cédric Teisseire Module 1, Carte blanche à l’association DCA [6.–30. November 2008; Associations française de développement de centres d’art, Vereinigung von 46 französischen Kunstzentren] Künstlerfilme IV (Programm Andrea Bruciati): Roberto Cuoghi / Simona Denicolai & Ivo Provoost / Julien Prévieux / Markus Schinwald Peur et désir (Programm Bettina Steinbrügge): Mounir Fatmi / Arnaud Maguet / Alice Anderson / Antoinette Ohannessian / Emre Hüner / Gail Pickering / Markus Schinwald / Bettina Hutschek De A à Y (DCA): A Constructed World / Neal Beggs / Simon Boudvin / Jean-Marc Chapoulie / Veaceslav Druta / Anne Durez / Maria Loura Estevão / Frédéric Garnier / Kang Hyun Wook / Seulgi Lee / Fleur Noguera / Claire-Lise Petitjean / Elisa Pône / Laurent Terras / Laurent Vicente / Virginie Yassef Module 2, TR AM [6.–30. November 2008; Tram – réseau art contemporain, Île-de-France, Vereinigung von 29 Kunstzentren; Programm von kurzen Künstlervideos] Grace Ndiritu / Marion Bocquet-Appel / Marie Preston / Giasco Bertoli / Ilanit Illouz / Seulgi Lee / A Constructed World / Jan Kopp / Régis Perray / Lydie Jean-Dit-Pannel / Stéphane Pichard / Dominique Petitgand / Marie-Jeanne Hoffner / Lionel Monier / Eva Keil / Denis Savary / Daniela Franco / Diego Sarramon / Edouard Sautai / Bertille Bak / Vincent Meessen & Adam Leech / Kimsooja / Kolkoz / Delphine Kreuter / Anne Deguelle / Charlotte Moth / Nicolas Boone & Johann Van Aerden / Katinka Bock Module 1, Melvin Moti, No show [26. September–26. Oktober 2008] Module 2, Benoît Maire, La géométrie (toucher Cordélia) [26. September–26. Oktober 2008] Weitere Château de Tokyo / Palais de Fontainebleau [6. September–17. November 2008] [Programm in Fontainebleau mit Summer University, Residenz u. Ausstellung] Etienne Bossut / Jeremy Deller / Dewar & Gicquel / Daniel Firman / Urs Fischer / Luca Francesconi / Roman Signer & Ceal Floyer / Fabrice Gygi / Henrik Plenge Jacobsen / Jonathan Monk / Gianni Motti / Werner Reiterer / Arcangelo Sassolino / Unabomber Programm Superdome [29. Mai–24. August 2008] Einzelausstellungen Daniel Firman, Würsa (à 18 000 Km de la terre) [29. Mai–24. August 2008] Arcangelo Sassolino, Afasia 1 [29. Mai–24. August 2008] Fabien Giraud & Raphaël Siboni, Last Manoeuvres in the Dark [29. Mai–24. August 2008] Jonathan Monk, Time Between Spaces [29. Mai–24. August 2008] Christoph Büchel, Dump [29. Mai–24. August 2008]
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Modules Yann Sérandour, Inside the White Cube (Expanded Edition) [4. Juli–24. August 2008] Lina Jabbour, Carole Manaranche, You talking to me? [4. Juli–24. August 2008] Aurélien Froment, La ligne dure [6.–29. Juni 2008] Aleister Crowley, La Chambre des Cauchemars: peintures inédites [5.–29. Juni 2008] Programm Cellar Door [14. Februar–27. April 2008] Einzelausstellung Loris Gréaud, Cellar Door Modules Emmanuelle Lainé, Goldfingia [3.–27. April 2008] Mark Geffriaud, Polka Dot [7.–30. März 2008] Gyan Panchal, cairn [7. Februar–2. März 2008] Weitere Le Pavillon, exposition pavillon 7 [11.–16. März 2008]
2007 Chalets de Tokyo, Medio Dia Media Noche, Centro Cultural Recoleta, Buenos Aires [8. November–30. Dezember 2007] John Armleder / Renaud Auguste-Dormeuil / Philippe Decrauzat / Fischli & Weiss / Lucio Fontana / Douglas Gordon / Fabrice Gygi / Carlos Herrera / Jorge Macchi / Mathieu Mercier / Philippe Parreno / Bruno Peinado / Tatiana Trouvé Dream Machines [Konzert, 1. November 2007] Vente aux enchères [16.–19. Oktober 2007, zugunsten des Palais de Tokyo] Fotoautomat [27. September 2007, Installation eines Automaten, Kollektiv Photoautomat] Château de Tokyo 2007 [Ausstellung und Summer University, château des Centre international d’art et du paysage de Vassivière, 3. August–30. September 2007] Tokyo Redux Michel Blazy / Philippe Decrauzat / Daniel Dewar & Grégory Gicquel / Renaud Auguste-Dormeuil / Fabien Giraud & Raphaël Siboni / Amy Granat / Mark Handforth / Žilvinas Kempinas / Joachim Koester / Vincent Lamouroux / Jonathan Monk / Gianni Motti / David Noonan / Roman Signer Programm The Third M ind [27. September 2007–3. Januar 2008] Gruppenausstellung The Third Mind, Carte Blanche à Ugo Rondinone (ganzes Palais) Ronald Bladen / Lee Bontecou / Martin Boyce / Joe Brainard / Valentin Carron / Vija Celmins / Bruce Conner / Verne Dawson / Jay DeFeo / Trisha Donnelly / Urs Fischer / Bruno Gironcoli / Robert Gober / Nancy Grossman / Hans Josephsohn / Brion Gysin & William S. Burroughs / Toba Khedoori / Karen Kilimnik / Emma Kunz / Andrew Lord / Sarah Lucas / Hugo Markl / Cady Noland / Laurie Parsons / Jean-Frédéric Schnyder / Josh Smith / Paul Thek / Andy Warhol / Rebecca Warren / Sue Williams
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Spezialprojekt Aloha Xmas Party 2007 Modules [hors-les-murs während The Third Mind] Vincent Ganivet, Débordé [7. Dezember 2007–3. Januar 2008] Oscar Tuazon, Where I lived and what I lived for [9. November–2. Dezember 2007] Frédéric Pradeau, Local technique [4. Oktober– 4. November 2007] Programm L a M arque Noir . Steven Parrino. Retrospective, Prospective [24. Mai–26.August 2007] Steven Parrino, Rétrospective 1981–2004 Before (plus ou moins) [»An exhibition of artists who influenced Steven Parrino«] Vito Acconci / Kenneth Anger / Donald Judd / Robert Smithson / Frank Stella / Elaine Sturtevant / Andy Warhol Bastard Creature [»Based on two exhibitions curated by Steven Parrino (in 1999 and 2003)«, Künstler, die von Steven Parrino gefördert oder beeinflusst wurden] Richard Aldrich / Gardar Eide Einarsson / Amy Granat / Richard Kern / Jutta Koether / Michael Lavine / Chuck Nanney / Amy O’Neill / Mai-Thu Perret / Blair Thurman / Elizabeth Valdez / Banks Violette / Andy Warhol / Cinema Zero Modules Carte blanche au Commissariat: Lucas Lenglet [5. Juli–26. August 2007] Claire Fontaine, Get Lost [5. Juli–26. August 2007] Adriana García Galán, Programme de gouvernement [3. Mai–3. Juni 2007] Lonnie van Brummelen & Siebren de Haan, European Benchmark [3. Mai–3. Juni 2007] Versus [Modules, Künstler des Pavillon, kuratiert von Alain Declercq] II: 21. Juni–1. Juli 2007: Mati Diop / Manu Laskar / Jaime Lutzo / Cova Macías / Jean-Luc Vincent I: 7.–17. Juni 2007: Alex Cecchetti / Duvier del Dago Fernandez / Denis Savary Weitere Le Palais de Tokyo au Grand Palais [Rahmenprogramm zur Monumenta-Ausstellung von Anselm Kiefer, 30. Mai–8. Juli 2007] L’Inde peut-être, artistes du Pavillon, Centre d’art Passages, Troyes [5.–11. Mai 2007] Alex Cecchetti / Duvier del Dago Fernandez / Mati Diop / Manu Laskar / Jaime Lutzo / Cova Macías / Denis Savary / Jean-Luc Vincent Programm M. Nouvelles du Monde R enversé [1. Februar–6. Mai 2007] Einzelausstellungen Michel Blazy, Post Patman [1. Februar–6. Mai 2007] Tatiana Trouvé, Double Bind [1. Februar–11. März 2007] Joe Coleman, 14 Paintings [1. Februar–11. März 2007] David Noonan [22. März–6. Mai 2007] Daniel Dewar & Grégory Gicquel [22. März–6. Mai 2007] Spezialprojekte ETATS ( faites-le vous-même) [1. Februar–6. Mai 2007] [Gruppenausstellung kuratiert von Peter Coffin]
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Musique pour plantes vertes [1. Februar–11. März 2007] [Gewächshaus von Peter Coffin für Konzerte] Noël Akchoté / Andy Bolus / Xavier Boussiron / Vincent Epplay / Lionel Fernandez / Hendrik Hegray / Gwen Jamois / Pierre-Yves Macé / Erik Minkkinen / Minitel / Jean-Marc Montera / Jean-François Pauvros / Port Radium / Andrew Sharpley / Samon Takahashi / Dan Warburton / u.a. Modules Bernadette Genée & Alain Le Borgne, Unités élémentaires [5.–29. April 2007] Koki Tanaka, Setting Up and Taking Down [1. März–1. April 2007] Lucas Ajemian & Jason Ajemian, From Beyond [1. März–1. April 2007] Camille Henrot, King Kong Addition2 [1.–25. Februar 2007] David Ancelin, Avis de grand frais [1.–25. Februar 2007] Loris Cecchini, Empty Walls – Just Doors [11.–21. Januar 2007]   présente L’Iceberg (X ploitation, L ove , etc./volet 1) [11.–21. Januar 2007] 10 artistes, 10 jours, 10 vidéos [11.–21. Januar 2007] [Videos von 10 Studenten der École Nationale Supérieure des Beaux Arts de Paris und der École Nationale Supérieure des Arts Décoratifs de Paris: Neïl Beloufa / Lætitia Bénichou / Elvire Bonduelle / Antonia Carrara / Daniela Franco / Victoire Gounod / Thomas Hachette / Mathieu Kleyebe Abonnenc / Raphaël Larre / Shingo Yoshida]
2006 Programm Cinq M illiards D’A nnées [14. September 2006–14. Januar 2007] Gruppenausstellungen 5’000’000’000 d’années [14. September–31. Dezember 2006] Artists Unkown / Lang & Baumann / Christian Andersson / Michel Blazy / Mike Bouchet / Loris Cecchini / Philippe Decrauzat / Marcel Duchamp / Urs Fischer / Ceal Floyer / Mark Handforth / Joachim Koester / Vincent Lamouroux / Tony Matelli / Jonathan Monk / François Morellet / Gianni Motti / Charles Ray Une Seconde, Une Année [14. September–31. Dezember 2006] Alighiero e Boetti / François Curlet / Lara Favaretto / Graham Gussin / Leopold Kessler / Krištof Kintera / Jonathan Monk / Fernando Ortega / Werner Reiterer / Roman Signer / Kris Vleeschouwer Einzelausstellungen Joachim Koester, Le matin des Magiciens [7. Dezember 2006–14. Januar 2007] Renaud Auguste-Dormeuil, The Day Before [14. September–23. November 2006] Žilvinas Kempinas, Flying Tape [14. September–23. November 2006] Spezialprojekte Loris Cecchini, Empty Walls – Just Doors [11.–21. Januar 2007] Olivier Mosset, Fenêtres [14. September–31. Dezember 2006] [Arbeit im Bereich der Fenster des Restaurants mit dem Satz Ellsworth Kellys: »En octobre 1949, au Musée d’art moderne de la Ville de Paris, je remarquai que les fenêtres m’intéressaient plus que les œuvres exposées dans les salles.«]
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Modules Stéphane Vigny, Mécanique Populaire [7. Dezember 2006–3. Januar 2007] Virginie Yassef, Fantômes, parachutes, dragons, projectiles [7. Dezember 2006–3. Januar 2007] Raphaël Siboni, Kant Tuning Club [2.–24. November 2006] Jean-Marc Chapoulie, TDF06, Chant I [2.–24. November 2006] Ulla von Brandenburg, Around [6.–29. Oktober 2006] Fabien Giraud, Sans titre (Rodage) [14. September–29. Oktober 2006] Ghost Rider [14. September–1. Oktober 2006] [Video, anonymer schwedischer Motorradfahrer, der den Périphérique von Paris 2004 in 9 min., 57 s. absolviert – Hommage an die 11 min., 4 s. des sogenannten »Prince Noir«] Weitere Frimousses de créateurs, au profit de l’Unicef [11. u. 12. November 2006] [Versteigerung von Lumpenpuppen großer Designhäuser wie Saint-Laurent, Cacharel, Versace, Chloé, Vuitton zugunsten von Unicef durch Auktionator Pierre Cornette de Saint Cyr] Les œuvres primées du Concours de sculpture à la tronçonneuse [6.–15. Oktober 2006]
NICOL AS BOURRIAUD & JÉRÔME SANS (2002–AUGUST 2006) Programm Tropico-Végétal Kuratoren Akiko Miki, Marc Sanchez, in Zusammenarbeit mit Claire Staebler und Daria Joubert 5 Einzelausstellungen [9. Juni–27. August 2006] Sergio Vega, Crocodilian Fantasies Jennifer Allora & Guillermo Calzadilla, Land Mark Henrik Håkansson, A travers bois pour trouver la forêt Salla Tykkä, Zoo Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger, Grottes sauvages sur forêt cérébrale civilisée La Cabane Vidéo [Mathilde Rosier / François-Xavier Courrèges / Fabiano Marques / Louidgi Beltrame / Christian Merlhiot / Melvin Moti / Angela Detanico & Rafael Lain / Caecilia Tripp / Wagner Morales] Pavillon, Ultra Peau, un voyage sensoriel [25. April–11. Juni 2006] [In Zusammenarbeit mit Nivea-Werk im Raum Paris] Liliana Basarab / Isabelle Cornaro / Adriana García Galán / Benoît Maire / Mihnea Mircan / Wagner Morales / Emilie Pitoiset / Koki Tanaka / Adam Vackar / Fanny Adler / Anne-Laure Maison / Christelle Lheureux / Louidgi Beltrame / Julien Loustau / Marie Maillard / Ange Leccia / Christian Merlhiot und Werke von Hicham Benohoud / Carla van de Puttelaar / Nicole Tran Ba Vang / Qiu Zhijie / Isabelle Lévénez / Ingrid Mwangi / Julianne Rose / Gérard Rancinan / Irina Ionesco Faux-semblants, 2 sessions [realisiert in Zusammenarbeit mit dem Kollektiv Synesthésie] Session I [7. April–25. Mai 2006] Jean-François Chermann, Le syndrome frontal du touriste Régine Cirotteau, Les confiseries succurulentes Eric Maillet, Le générateur de critique d’art V1–F1 Session II [28. April–25. Mai 2006] Stani Michiels, Öffentliches Café Copacabana Cybercafé
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Neterotopia [16.–31. März 2006] [11 Künstler, die visuelle Interventionen auf den Online-Seiten großer Medien realisieren, vom 16. bis 31. März 2006 ausgestellt im Palais de Tokyo, NICC Antwerpen und Careof Mailand] Christophe Bruno / Ghazel / Susan Hefuna / Nathalie Hunter / Yuji Oshima / Peter Lemmens & Eva Cardon / Adam Vackar / Stephen Vitiello / Luca Vitone / Version (Gabriela Vanga, Ciprian Muresan, Mircea Cantor) / 0100101110101101.org (Eva & Franco Mattes) Thierry Fontaine, André Lozano, Elli Medeiros, Le Hurloir Montevideo – Paris [23. Februar– 12. März 2006] Notre histoire..., une scène artistique française émergente [21. Januar–25. Mai 2006] Adel Abdessemed / Boris Achour / Saâdane Afif / Kader Attia / Olivier Babin / Jules de Balincourt / Virginie Barré / Rebecca Bournigault / Mircea Cantor / Alain Declercq / Leandro Erlich / Laurent Grasso / Loris Gréaud / Kolkoz / Arnaud Labelle-Rojoux / Matthieu Laurette / Michael Lin / Mathieu Mercier / Jean-François Moriceau & Petra Mrzyk / Nicolas Moulin / Valérie Mréjen / Bruno Peinado / Bruno Serralongue / Nathalie Talec / Agnès Thurnauer / Barthélémy Toguo / Tatiana Trouvé / Fabien Verschaere / Wang Du La Cabane [Im Eingangsbereich parallel zu notre histoire täglich neu, 20. Januar–12. Februar 2006] [Aktuelle und frühere Künstler des Pavillon, Performances, Installationen und Screenings. Gastkurator: Pascal Beausse, Architekt der Cabane: Boris Vapné] La Cabane #21: Mihnea Mircan invite Romain Sein La Cabane #20: Gérald La Cabane #19: Wagner Morales La Cabane #18: Benoît Maire La Cabane #17: Isabelle Cornaro La Cabane #16: Liliana Basarab La Cabane #15: Koki Tanaka La Cabane #14: Angela Detanico & Rafael Lain La Cabane #13: Adam Vackar La Cabane #12: Fanny Adler La Cabane #11: Emilie Pitoiset La Cabane #10: Adriana García Galán La Cabane #9: Ziad Antar La Cabane #8: Gerald Petit La Cabane #7: Seulgi Lee La Cabane #6: Louidgi Beltrame La Cabane #5: Julien Loustau La Cabane #4: Marie Maillard La Cabane #3: Davide Bertocchi La Cabane #2: Hsia-Fei Chang La Cabane #1: Christelle Lheureux & Apichatpong Weerasethakul
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2005 Shu Lea Cheang, Baby Love [8. Dezember 2005–8. Januar 2006] Pour Raymond Matthieu Laurette présente, Raymond Hains au Musée Grévin [7. Dezember 2005–8. Januar 2006] Brigitte Cornand présente, Trois films avec Raymond Hains [8.–11. Dezember 2005] Une galette pour Raymond [8. Januar 2006] Artur Barrio, Réflexion...(s)... [2. Dezember 2005–8. Januar 2006] Robert Malaval, kamikaze [8. Oktober 2005–8. Januar 2006] Sarah Morris, Endeavor [Los Angeles] [8. Oktober 2005–8. Januar 2006] Saâdane Afif, Lyrics [8. Oktober 2005–20. November 2005] Rebecca Bournigault, La Chambre interdite [8. Oktober 2005–20. November 2005] Nobuyoshi Araki, Arakinema [8. Oktober 2005–1. November 2005] Nadav Kander, Keep your distance [21.–25. September 2005] Valéry Grancher, The shiwiars project [1. September 2005–20. November 2005] L’Espace Graff du Palais de Tokyo [1. September 2005–13. Mai 2007, Graffiti-Palisade, 40 × 3 m] Translation [operated by M/M, Werke aus der Dakis Joannou Collection, 23. Juni–18. September 2005] Vanessa Beecroft / Michael Bevilacqua / Ashley Bickerton / Cai Guo-Qiang / Maurizio Cattelan / Verne Dawson / Matt Greene / Mike Kelley / Jeff Koons / Joseph Kosuth / Liza Lou / M/M (Paris) / Takashi Murakami / Ningura Napurrula / Shirin Neshat / Cady Noland / Chris Ofili / Gabriel Orozco / Yinka Shonibare / Shahzia Sikander / Kara Walker / Nari Ward / Christopher Wool Le Pavillon, The Final Cut [25. Mai–5. Juni 2005] Kurator: Corentin Hamel. Pavillon in Zusammenarbeit mit Candice Breitz: Marcelline Delbecq / Alice Guareschi / André Guedes / Nicolas Juillard / Anne-Laure Maison / Benjamin Lee Martin WA-Surface d’autonomie temporaire [25. Mai–20. November 2005] Stéphane Dafflon / Olivier Millagou [1. Station der Wandbilderserie, kuratiert von Anne Roussel und Pascale Samuel mit 15 Künstlern] Katharina Grosse, Constructions à cru [28. April–5. Juni 2005] M/M, Tokyo Palace [28. April–31. Juli 2005] [Installation zur Seine während der Bauarbeiten zur Einrichtung einer Climespace-Zentrale im Keller] Candice Breitz, All Cut Up [14. April–12. Juni 2005] Alain Séchas, Jurassic Pork II [31. März–5. Juni 2005] Jota Castro, Exposition Universelle 1 [4. Februar–3. April 2005] Orlan & Philippe Chiambaretta, Pièce Lumineuse [17. Februar–20. März 2005] Liam Gillick, Texte court sur la possibilité de créer une économie de l’ équivalence [26. Januar– 27. März 2005] Davide Bertocchi, Top 100 [26. Januar–20. Februar 2005]
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2004 G.WEN (Gwenaël Billaud), Monkey Night Club [17. Dezember 2004 –9. Januar 2005] Marina Abramović & Jan Fabre, Virgin-Warrior/ Warrior-Virgin [14. Dezember 2004] Barthélémy Toguo, The Sick Opera [13. Oktober 2004 –23. Januar 2005] Thomas Hirschhorn, 24h Foucault [2. u. 3. Oktober 2004] Wang Du, Wang Du Parade #4 [17. September 2004 –2. Januar 2005] Richard Kern [9. Juli–22. August 2004, präsentiert in Zusammenarbeit mit dem Magazin UOVO] Surasi Kusolwong, Energy Storage (Quand les objets rêvent) [9. Juli–19. September 2004] Live [13. Mai–27. Juni 2004] Aï / Tobias Bernstrup / Chicks on Speed / Carles Congost / Martin Creed / DJ Spooky / Echopark / Vincent Epplay / Erikm / Exchpoptrue / FMdD / Janine Gordon / Alexander Györfi / Hanayo / Hsia-Fei Chang / Richard D. James (Aphex Twin) / Kyupi Kyupi / Arnaud Maguet / Daniel Pflumm / Prototypes / Gerwald Rockenschaub / Stereo Total / Annika Ström / Sidney Stucki / Terrestre vs PlanktonMan vs Falcon Bruno Peinado, Perpetuum Mobile [14. Mai–22. August 2004] Daniel Buren, Quatre fois moins ou quatre fois plus? [14. Mai–22. August 2004] Yoshihiro Suda [9. April–3. Juli 2004] Playlist [13. Februar–25. April 2004] Saâdane Afif / Jacques André / John Armleder / Carol Bove / Angela Bulloch / Cercle Ramo Nash / Clegg & Guttmann / Sam Durant / Pauline Fondevila / Bertrand Lavier / Rémy Markowitsch / Bjarne Melgaard / Jonathan Monk / Dave Muller / Bruno Peinado / Richard Prince / Allen Ruppersberg / Samon Takahashi Daniel Pflumm [13. Februar–28. März 2004] Pavillon, Code Unknown [12.–22. Februar 2004] Ziad Antar / Pascal Beausse / Louidgi Beltrame / Davide Bertocchi / Sophie Dubosc / Johannes Fricke Waldthausen / Shiho Fukuhara / Agnieszka Kurant / Ange Leccia / Christian Merlhiot / Gérald Petit / Jean-Luc Vilmouth. Gäste: Saâdane Afif / Heike Baranowsky / Charles Lopez / Aimee Morgana / Rupert Sheldrake / Georg Tremmel
2003 Mathieu Briand, Le Monde Flottant [4. Dezember 2003–18. Januar 2004] [1. Teil, Palais de Tokyo, Koproduktion Musée d’art contemporain de Lyon, 2. Teil in Lyon Derrière le Monde Flottant 6. März–9. Mai 2004] Chen Zhen, Silence Sonore [1. Oktober–18. Januar 2004] Pierre Joseph, Action restreinte [1. Oktober–23. November 2003] Michael Lin, Spring 2003 [1. Oktober–30. November 2003] Fabien Verschaere, A Novel for Life [8. Juli–7. September 2003]
684 | Anhang
GNS (Global Navigation System) [5. Juni–7. September 2003] Franz Ackermann / Nathan Carter / Wim Delvoye / Peter Fend / Dominique Gonzalez-Foerster / Thomas Hirschhorn / Laura Horelli / Pierre Huyghe / Pierre Joseph / Jakob Kolding / Matthieu Laurette / Mark Lombardi / Julie Mehretu / John Menick / Aleksandra Mir / Ocean Earth / Henrik Olesen / Kirsten Pieroth / Marjetica Potrč / Matthew Ritchie / Pia Rönicke / Sean Snyder / Stalker / Simon Starling Lars Nilsson, Game is Over [6. Mai–29. Juni 2003] Tricky (Adrian Thaws), Waiting for god [29. April–18. Mai 2003] Guillaume Paris, We Are the World [17. April–25. Mai 2003] Kyupi Kyupi, The Wide Show [19. März–11. Mai 2003] Pierre Ardouvin, Nasseville [14. März–27. April 2003] Rivane Neuenschwander, Superficial Resemblance [27. Februar–20. April 2003] Hardcore – Vers un nouvel activisme [27. Februar–18. Mai 2003] A.A.A. CORP. / Jota Castro / Minerva Cuevas / Alain Declercq / Michel Dector / Michel Dupuy / etoy.CORPORATION / Kendell Geers / Johan Grimonprez / Guerilla Girls on Tour / Clarisse Hahn / Henrik Plenge Jakobsen / Gianni Motti / Ocean Earth / Anri Sala / Shu Lea Cheang / Santiago Sierra / Sislej Xhafa Ana Laura Aláez, Beauty Cabinet prototype [14. Februar–6. April 2003] Agnès Thurnauer, Les circonstances ne sont pas atténuantes [11. Januar–9. März 2003]
2002 Pavillon, OO: une exposition qui grandit par le milieu [18. Dezember 2002– 4. Januar 2003] Quentin Armand / Angela Detanico / Andreas Fogarasi / Rafael Lain / Adriana Lara Dominguez / Lucas Mancione / Nicolas Milhé / Emilie Renard / Ji ří Skala / Johann Van Aerden / Gabriela Vanga Franck Scurti, Before and After [3. Dezember 2002–16. Februar 2003] Rebecca Horn, Lumière en prison dans le ventre de la baleine [28. November 2002–26. Januar 2003] Tobias Rehberger, Night Shift [24. Oktober 2002–12. Januar 2003] Kollektiv Topokosm, Topokosm, compte rendu [23. Oktober–17. November 2002] Christian Francelet / Olivier Gendre / Hervé Gio / Nicolas Moulin / Albane du Plessix / Clémentine Roy / Jimmy T Louise Bourgeois, Le jour la nuit le jour [8. Oktober–24. November 2002, Salon bis 6. April 2003] Ed Templeton, The Essential Disturbance [3. Oktober–17. November 2002] Tobias Bernstrup, Nekropolis [3. Oktober 2002–12. Januar 2003] Maria Marshall, Playground [22. September–17. November 2002] Festival Art et Squats, Ausstellung Squats d’artistes: documents [10. September–2. Oktober 2002] Boris Achour, Cosmos [10. September–13. Oktober 2002] Hanayo [18. Juli–15. September 2002]
685 | Ausstellungen des Palais de Tokyo 2002–2012
Sofia Sanchez, Mauro Mongiello, Prix Picto jeune photographie de mode [29. Juni–14. Juli 2002] Stand des Magazins Têtu während der Gay Pride [Juni–Juli 2002] Laurent Moriceau, Le Projet des perméables [27. Juni–25. August 2002] Kendell Geers, Sympathy for the Devil [1. Juni–8. September 2002] Wolfgang Tillmans, Vue d’en haut [1. Juni–15. September 2002] Erwin Wurm, Fat Car & Jakob-Jakob Fat [28. Mai–8. September 2002] Tatiana Trouvé, Polders [7. Mai–16. Juni 2002] Jean Pierre Raynaud, Campagne communication-drapeau [19. April 2002] Joseph Havel, Desire [13. April–26. Mai 2002] Pascale Marthine Tayou, Qui perd gagne [13. April–30. Juni 2002] Franck David, Celluloïd [30. März–28. April 2002] Buy-Sellf, Stand, catalogue de vente d’œuvres d’art par correspondance und Installationen Nicolas Milhé, Tuning, Laurent Thiry, Satisfied rage [26.–31. März 2002] Laurent Perbos [16.–24. März 2002] Guillaume Poulain, Tour de Babybel [8.–14. März 2002] Monica Bonvicini [29. Januar–10. März 2002] Melik Ohanian, Island of an Island & Peripherical Communities [29. Januar–17. März 2002] Navin Rawanchaikul, Super(M)art [29. Januar–9. Juni 2002] Exposition collective [29. Januar–9. April 2002] Virginie Barré / Christophe Berdaguer & Marie Péjus / Alain Declercq / Elmgreen & Dragset / Naomi Fisher / Subodh Gupta / Alexander Györfi / Kay Hassan / Gunilla Klingberg / Surasi Kusolwong / Michel Majerus / Paola Pivi / Matthew Ritchie / Franck Scurti / Wang Du / Sislej Xhafa / Jun’ya Yamaide
686 | Anhang
BIBLIOGR AFIE
ARCHIVALIEN Aus den Archivbeständen zitierte Unterdossiers und Dokumente sind in den Endnoten ausführlich eingeführt und beschrieben, hier aber nicht separat aufgeführt. Sofern es sich um Zeitungsartikel oder anders publiziertes Material handelt, wird es in der Quellenliteratur gelistet. Genannt werden die Titel der Kartons oder Einheiten, aus denen Dokumente zitiert wurden, und in Einzelfällen die ersten Titel der Unterpartitionierung.
ARCHIVES NATIONALES, PIERREFITTE-SUR-SEINE (AN) Série F/21 Beaux-Arts Bâtiments civils et Palais nationaux (F/21/2907–3500, 3701–3966): AN F/21/3837
Musée d’Art Moderne. Plans d’aménagement du Musée de l’Etat. 1938–1941.
Archives des Directeurs et Sous-secrétaire des Beaux-Arts et archives des Travaux d’art, musées et expositions (XIXe –XXe s.) (F/21/3967– 4522, 4711– 4918): AN F/21/3976 Protection des œuvres d’art et des monuments pendant la guerre. AN F/21/3982/A + B Documents relatifs à l’organisation des services de l’administration des Beaux-Arts. AN F/21/4082 Expositions artistiques diverses de Paris, 1935–1937, 1940; 1891–1937. AN F/21/4423/2 Musées nationaux, rapports administratifs et conseil des musées nationaux. AN F/21/4468 Dossiers des musées nationaux et musées d’état relevant des Beaux-Arts situé à Paris et hors Paris. Musée d’art moderne: organisation pendant la période des hostilités, 4 novembre–30 décembre 1939. AN F/21/4484 Dossiers des musées nationaux et musées d’état relevant des Beaux-Arts situés à Paris et hors Paris, école du Louvre et musée du Luxembourg. AN F/21/4719 Commerce des œuvres d’art. AN F/21/4727 Grandes expositions internationale en France et à l’étranger, 1937. Paris. Exposition internationale. 1. Organisation générale, 2. Comités, commissions et conseils, 3. Constructions. AN F/21/4729 Paris. Exposition internationale, 1937–1942. AN F/21/4899 Musées: généralités et musées de France. AN F/21/4900 Projets de musées et Musées nationaux. AN F/21/4903/B Musées nationaux. Musée national d’art moderne. AN F/21/4905 Musées nationaux: Luxembourg, Marine, Gustave Moreau, Rodin. AN F/21/4917 Musées à l’étranger. Bureau des Travaux d’art: Commandes et achats d’œuvres d’art par l’Etat, dossiers d’artistes, salons et expositions, fontes de 1941– 42, érections de monuments, décorations des édifices (XXe siècle): AN F/21/7027 AN F/21/7030
688 | Bibliografie
Salons et expositions périodiques. Salon des Indépendants: correspondance, demandes d’achats, achats, 1941–1960. Salons et expositions divers à Paris: catalogues, correspondance, demande d’achats, achats. Classement par ordre alphabétique, 1886–1959: A.
Bâtiments civils et Palais nationaux (F/21/7123–7220). Direction de l’Architecture. Bureau des marchés et de la liquidation des dépenses des bâtiments civils (1910–1951, F/21/7161–7220): AN F/21/7205
Musées, Musées Nationaux (1937–1938), Musée d’Art moderne (1940– 1947).
Enseignement, manufactures, mobilier (XIXe –XXe s.) (F/21/7463–7631): AN F/21/7463
Organisation des services des Beaux-Arts. 1921–1948.
Louis Hautecoeur, Directeur Général des Beaux-Arts 1940–1944 (F/21/8085–8101): AN F/21/8090
Musées
Série F/12 Commerce et Industrie Exposition Internationale de 1937 à Paris (F/12/12114 –12856, suppl. F/12/12857–13086): I. Documentation générale. Coupures de presse (série générale, classement alphabétique, F/12/12124 –12151): AN F/12/12126 AN F/12/12142 AN F/12/12143
Art, Arts. Militaires-Nettoyage [Musées (généralités). Musées divers réalisés ou projetés]. Paix-Patronat. [Participations étrangères, généralités et dossiers classés par pays].
II. Direction des Travaux d’art: Dossiers des commandes et travaux: bâtiments provisoires (F/12/12161–12174): AN F/12/12171
»Monnaie« à »Presse« [Classe de la Muséographie].
Dossiers des commandes et travaux: bâtiments définitifs (F/12/12175–12184): AN F/12/12175 AN F/12/12180
Musée d’art moderne: commandes et achats de l’Etat (sculpture, peinture, vitrail). Musée d’art moderne: achats de la ville de Paris (divers), correspondance, plans, etc.
Administration et affaires générales (F/12/12190–12197): AN F/12/12190
Correspondance générale et administrative.
V. Direction de la propagande (F/12/12224 –12301): AN F/12/12254 AN F/12/12255 AN F/12/12263/1
Propagande par le cinéma: généralités et affaires diverses. Propagande par le cinéma. Films réalisés pour le comte de l’exposition. Affaires diverses classés par pays: Afghanistan à Autriche.
VI. Service des exposants (Section Française, F/12/12302–12355): AN F/12/12354 AN F/12/12355
689 | Archivalien
Groupements artistiques et artisanaux. Union des artistes modernes (UAM): comptabilité.
VII. Service des exposants (Sections étrangères, F/12/12356–12373): Dossiers des nations participantes: AN F/12/12358
Albanie et Allemagne.
XII. Direction de l’Architecture: Pavillons français (F/12/12428–12490): AN F/12/12436 AN F/12/12486
Artistes modernes (ou U.A.M.) Tissus et U.C.A.F. (Union corporative de l’art français)
Bâtiments divers (F/12/12606–12627): AN F12/12606 AN F/12/12607
Ambassade de Pologne: correspondance, plans d’un projet d’installation dans l’hôtel Montijo. Ambassade de Pologne: adjucations, marche des travaux, dossier du service de la Révision (avec plans).
Musées d’art moderne (F/12/12771–12789): AN F/12/12771 AN F/12/12772 AN F/12/12784
Concours pour l’édification des musées (dossiers Martzloff et Greber). Correspondance et documentation du directeur (Martzloff ). Adjudications: salons du Commissariat général et expositions provisoires (groupe III, muséographie, ville de Paris)
XIV. Secrétariat général et Cabinet du commissariat général: Affaires générales AN F/12/12905
Préparation et organisation de l’exposition (suite). 1. Rapports avec le Bureau international des expositions; 2. Convention entre l’État et la ville de Paris; 3. Projets de loi; 4. Décrets et arrêtés ministériels; 5. Arrêtés et notes du commissaire général; 6. Programme, règlement général, etc; 7. Notes sur le financement de l’exposition.
XV. Archives ministérielles sur l’exposition de 1937 (1): AN F/12/12999 AN F/12/13011
Organisation générale de l’exposition: convention du 15 mai 1934 entre l’Etat et la ville de Paris, loi du 6 juin 1934 (préparation, discussion et textes) Liquidation mobilière et immobilière de l’exposition.
XX. Suppléments divers: AN F/12/13080
690 | Bibliografie
Inventaire des objets exposés aux musées d’art moderne (crédit Ville de Paris, ch. 10, art. 5, indiquant l’affectation provisoire et la destination finale des œuvres
Série AP Archives Privés 310AP Fonds Jean Locquin (310 AP 1–157) 60–66 Commissaire général de l’Exposition de 1937. 1925–1939: AN 310AP/63
Exposition de 1937. – Fête de l’Exposition. – Trocadéro. – Liquidation de l’Exposition. – Inauguration du Musée d’Art Moderne (1937–1939).
Nouvelles Séries Ministre de la Culture; Cabinet et services rattachés au Ministre; Cabinet; Conseiller technique Fonds du conseiller technique C. Duhamel 1986–1988 (AN 19890346/1–19890346/3) AN 19890346/3
Dossiers thématiques de Catherine Duhamel, conseiller technique de François Léotard. Commande publique, enseignement et formation, métiers d’art, projet Grand Versailles, Mobilier National, loi sur les droits d’auteurs – Dossier Einseignement / Formation. Institut des Hautes Études en Arts Plastiques. Unterdossier »Institut de Pontus Hultén«
Ministre de la Culture; Cabinet et services rattachés au Ministre, 1986–1988 Cabinet de Philippe de Villiers, secrétaire d’État auprès du ministre de la Culture et de la Communication (AN 19890353/1–19890353/13) AN 19890353/5 AN 19890353/6
Cabinet de Philippe de Villiers, secrétaire d’État auprès de François Léotard. Dossiers thématiques (INIS, IDHEC, INA, FÉMIS, Palais de Tokyo), Fonds du directeur de cabinet du Secrétaire d’État, E. Vinassac. Art. Enseignementformation, Art. 4 –6: Inis-femis, création et installation au Palais de Tokyo, aménagement des locaux. – Art. 5: INIS/FÉMIS; Art. 6: Palais de Tokyo
Ministère de la Culture et de la Communication; Délégation aux enseignements et aux formations, 1981–1989 (AN 19900422/1–19900422/40) AN 19900422/9
Arts plastiques: Écoles d’art: – Création d’un institut des hautes études en arts plastiques (par Pontus Hultén): projets, notes DAP, rapport de préfiguration (1987)
Ministre de la Culture; Cabinet et services rattachés au Ministre; Cabinet; Conseiller technique 1986–1992 Fonds de Dominique Charvet, Louis Gauthier et Patrice Mottini, conseillers techniques pour les musées et les Arts plastiques (cabinet Jack Lang), 1986–1992 (AN 19940556/1–19940556/13; Dossiers thématiques: Art. 5–13) AN 19940556/11
691 | Archivalien
Dossiers thématiques de Dominique Charvet, Louis Gauthier et Patrice Mottini (Cabinet Jack Lang): Institut des hautes études en art plastiques, Foire internationale d’art contemporain, Fondation Van Gogh, projet de Fondation Daniel Templon, LRMF, Maison de Zola à Médan, exposition d’art canaque à Nouméa, projet de loi sur l’exportation des œuvres d’art, protection sociale des artistes – Institut des hautes études en arts plastiques: budget de fonctionnement, dossier par session exploratoire, étude architecturale: 1988.
Ministère de la Culture et de la Communication; Mission interministérielle de coordination des grande opérations dites »mission des grands travaux«, 1982–1998 (AN 20010197/1– 20010197/18) Dossiers de Jean-Claude Moreno, Président de la MIGT (1993–1998, EPMOTC –2000), 1984 – 2000 (AN 20010197/6–20010197/11; Les Grands Projets: AN 20010197/7–20010197/10) AN 20010197/9 AN 20010197/10
– Projet de transformation du Palais de Tokyo en Palais du Cinéma, 1996– 1997 – Projet de transformation du Palais de Tokyo en Palais du Cinéma, 1997– 1999
Ministre de la Culture; Cabinet et services rattachés au Ministre; Cabinet; Conseiller technique. Archives de Pierre Encrevé, conseiller au cabinet de la Ministre de la Culture 1997–2000 (Cabinet C. Trautmann) 1994 –1999 (AN 20030484/1–20030484/11; Art. 3–7: Suivi des grands projets des établissements culturels, 1994 –2000) AN 20030484/7
Dossiers relatifs aux grands projets d’établissements culturels (INHA, Musée de la Marine, Palais du Cinéma) (1997–1999)
Premier Ministre; Cabinet du Premier ministre et services rattachés; Cabinet; conseiller technique. Dossiers de David Caméo, conseiller technique pour la culture de juin 2001 à avril 2002 (AN 20050311/1–20050311/6) AN 20050311/2
Musées et projets de musées. Livres. 2001–2002 (Extrait). Inauguration par Lionel Jospin, Premier ministre, du site de création contemporaine du Palais de Tokyo, le 21 janvier 2000. Préparation et suite (5 septembre 2000–20 février 2002)
Ministre de la Culture; Cabinet et services rattachés au Ministre; Cabinets de Catherine Trautmann (juin 1997–mars 2000) et Catherine Tasca (mars 2000–avril 2002). Grands dossiers de la mandature de C. Tasca (AN 20050496/1–20050496/73). Suivi des actions menées par le cabinet dans le domaine des archives, architecture et patrimoine, archéologie, musée, livre, art plastique, cinéma, photographie, média (AN 20050496/34 –20050496/64, Art plastiques: 20050496/50– 20050496/51) AN 20050496/51
Cabinet de Catherine Tasca. Création de l’INHA et transfert des collections de l’ENSBA (2000–2002). - Palais de Tokyo, Centre de la jeune création (2000–2001)
Ministre de la Culture; Cabinet et services rattachés au Ministre; Cabinet; Conseiller technique. Dossiers de Pierre Nore conseiller technique chargé des Arts plastiques et des musées auprès de Catherine Tasca (juillet 2001–mai 2002), 1994 –2002 (AN 20050502/1–20050502/35; Relations avec les musées: AN 20050502/9–20050502/20) AN 20050502/12
AN 20050502/13
692 | Bibliografie
Palais de Tokyo. Réhabilitation du bâtiment et transformation en centre de la jeune création (déclarations de Catherine Trautmann, examen des candidatures à la direction, avis de la commission, projet architectural, place dans les réseaux d’art contemporain, projet de budget, recours décision du comité de décentralisation) (1999–2000) Palais de Tokyo, suite. Ouverture: travaux, projet architectural, projets artistiques, soirée d’inauguration (2001)
Ministère de la Culture: Centre National de la Cinématographie française (CNC) Fonds des directeurs généraux du CNC, 1949–1995 (AN 20050582/1–20050582/474) Fonds Jean Grundler, Directeur général adjoint et Directeur adjoint honoraire, 1973–1988 (AN 20050582/127–20050582/155; Relations du centre national de la cinématographie avec ses services, les établissements et les associations: AN 20050582/138–20050582/155; AN 20050582/141–20050582/147: Palais de Tokyo. Jean Grundler chargé de mission, coordinateur des opérations de la Maison de l’Image. 1984 –1988) AN 20050582/141 AN 20050582/142 AN 20050582/146
Aménagement de la Maison de l’Image, pour l’installation de la Cinémathèque, de l’Institut Supérieur de l’Audiovisuel et du Musée du Cinéma (1984, 1985) Opération de remaniement du Palais de Tokyo, déroulement des activités (1984 –1986) Rénovation, opérations préliminaires du Palais de Tokyo, Mission pour la création de l’Institut de formation aux métiers du cinéma et de l’audiovisuel, occupation des locaux restaurés (1985–1987)
Fonds Jérôme Clément, Directeur Général de 1984 à 1989 (AN 20050582/156–20050582/266) AN 20050582/173 Relations avec le ministère de la culture. Palais de Tokyo. Projet d’aménagement en »Maison de l’image« regroupant la Cinémathèque française, le Centre national de la photographie et l’Institut de formation aux métiers du cinéma et de l’audiovisuel, 1984 –1987 Fonds Alain Auclaire Directeur général adjoint de 1984 à 1989 (AN 20050582/267– 20050582/428; Relations avec le Ministère de la Culture AN 20050582/271–20050582/281; Relations avec les établissements et associations liées au centre national de la cinématographie AN 20050582/387–20050582/410) AN 20050582/280 Projet de création d’une »Maison de l’image et du son« au Palais de Tokyo, AN 20050582/281 1984 –1989. Art. 280: Budget, travaux, programmes. Projet de bibliothèque du cinéma; Art. 281: Projet de médiathèque, collections de la bibliothèque de la Cinémathèque française et de l’IDHEC. Salles de projections AN 20050582/409 Institut des hautes études cinématographiques (IDHEC) et Fondation AN 20050582/410 européenne des métiers de l’image et du son (FÉMIS), 1978–1989 Fonds Dominique Wallon Directeur général de 1989 à 1995 (AN 20050582/429–20050582/459) AN 20050582/435
Relations avec le ministère de la culture. Projet de création d’une »Maison de l’image et du son« au Palais de Tokyo. Association de préfiguration pour l’aménagement du Palais de Tokyo en Maison de l’image et du son (AMIS), 1989–1990
Premier ministre; Cabinet du Premier ministre et services rattachés; Cabinet; Chef du cabinet, 1997–2002. Cabinet de Lionel Jospin. Dossiers d’Olivier Courson, conseiller pour la culture (AN 20060354/1–20060354/18) AN 20060354/6
693 | Archivalien
Art contemporain. Objets d’arts. Archéologie. 1997–2002. – Art contemporain: Installation au Palais de Tokyo du centre de la jeune création artistique (10 juillet 1998–28 février 2002)
Archives du Groupement d’Intérêt Public (GIP) pour le Cinéma (= Mission pour l’aménagement du Palais de Tokyo AMIS / Association de préfiguration du Palais du cinéma / Mission de réalisation de la Maison du cinéma), 1984 –2004 (AN 20080594/1–20080594/207) AN 20080594/13
Fonctionnement des structures d’appui. AMIS. Relations avec les autres structures. Cinémathèque française (1991–1995) AN 20080594/14 Fonctionnement des structures d’appui. AMIS. Relations avec les autres structures. Institut de formation et d’enseignement pour les métier de l’image et du son (FÉMIS) (1990–1995) AN 20080594/15 Fonctionnement des structures d’appui. AMIS. Relations avec les autres structures. Centre national de la photographie (CNP) (1992–1993) AN 20080594/68 Définition des projets. Palais de l’Image. Suivi du projet. Projet architectural de Franck Hammoutène, architecte (1986–1989) AN 2008594/69 Définition des projets. Palais des arts de l’Image. Suivi du projet (1990– 1994) AN 2008594/72 Définition des projets. Palais des arts de l’Image. Etude du public (1994) AN 2008594/73 Définition des projets. Palais du Cinéma. Projet, présentation et information générale (1985–1998) AN 20080594/115 Aménagement des bâtiments. Palais de Tokyo. Projet architectural. Programmation architecturale du bâtiment (1985, 1987, 1990) AN 20080594/118 Aménagement des bâtiments. Palais de Tokyo. Entretien courant du bâtiment. Salles de cinéma. Fonctionnement (1988, 1990–1991), Equipement technique (1987–1991) AN 20080594/130 Aménagement des bâtiments. Palais de Tokyo. 1er projet architectural. Programmation architecturale. Muséographie Cinématographique, Suivi du projet (1990–1994) AN 20080594/139 Aménagement des bâtiments. Palais de Tokyo. Avant-projet sommaire (APS). Secteurs spécifiques, études (1987–1996). – Salle 1937 (de projection) (1993–1994) Service National des Travaux (–1997) et Etablissement Public de Maîtrise d’Ouvrage de Travaux Culturels (EPMOTEC, 1997–). Transformation du Palais de Tokyo en Palais des Arts de l’image, 1934 –1999 (AN 20144769/1–20144769/111) AN 20144769/19 AN 20144769/21 AN 20144769/29 AN 20144769/109 AN 20144769/110 AN 20144769/111
Mise en place du projet, 1985–1998. Concours architectes 1984 –1986 Concours 1987, Programme d’aménagement, J.-F. Séris Novembre 1987 Programme muséographique 1993–1997. 1995–1997: Programmation Fermeture du chantier, 1991–1999. Dossier marché 1991–1999 Résiliation des marchés, 1997–1998 Suivi du chantier, 1994 –1998. Dossier suspension des travaux
Centre National de la Photographie. Archives. AN 20120143. Activités du CNP. 1982–2004. Fonctionnement du CNP. Dossiers d’organisation des expositions, 1991–2004 (AN 20120143/1–20120143/108)
694 | Bibliografie
ARCHIVES DES MUSÉES NATIONAUX (AMN) Die Archivbestände der Archives des musées nationaux (AMN) unterstanden der 1998 eingerichteten nationalen Dienststelle des Service des bibliothèques, des archives et de la documentation générale des musées de France (SBADG) der DMF (Direction des musées de France). Sie wurden seit 2014 durch die Mission des archives du ministère de la Culture sukzessive in die Nationalarchive (AN) in Pierrefitte-sur-Seine überführt. Um dem Übergang Rechnung zu tragen, werden die Signaturen der AMN angegeben und dahinter die neuen Konkordanzen der AN. Ausgewertete Serien: L (Musée du Luxembourg et Musée d’Art moderne), 2HH (Archives du musée du Luxembourg, Archives du musée d’Art moderne), 16HH (Palais de Tokyo – Musée d’Art et d’Essai), KK (Organismes divers, 3KK Beaubourg – Musée national d’Art moderne). Ergänzendes Material findet sich unter anderem in den Serien X (X 19: Ausstellungsprojekte 1931–1964; X-Expositions: Ausstellungen in den nationalen Museen 1902–1971; X 30.Expositions: von der Réunion des musées nationaux (RMN) organisierte Ausstellungen, 1932–1964). Zu den Ausstellungsdossiers der Serie 2HH werden auch Unterdossiers hervorgehoben. Série L Archives des musées nationaux, Musée du Luxembourg et Musée national d’Art moderne L 1 Organisation et Historique (1808–1961): M.N.A.M. 1931–.
Projet d’aménagement partiel du MNAM, soumis par B. Dorival au Directeur des musées nationaux, 1942, 8 juillet / Inauguration de l’exposition permanente d’œuvres appartenant au MNAM, 1942, 6 août / Fermeture provisioire du musée, 1942 (difficulté de chauffage), 1 décembre / Réouverture partielle du musée d’art moderne, 1943, 16 avril / Fermeture provisoire du musée (difficultés de chauffage), 1943, 1 octobre) / Articles de presse consacrés à la création, à l’inauguration du musée national d’art moderne, ainsi qu’à la critique des œuvres qui y sont exposées. 1947 / Carton d’invitation à la présentation par Jean Cassou des collections d’art français contemporain. 1947, 9 juin / Carton d’invitation à l’inauguration de l’art français contemporain. 1947, 10 juin / Inauguration de la salle des Primitifs du XXe siècle. 1948, 30 juin (AN 20144785/1)
L2 Administration (1799–1966): M.N.A.M. 1934 –1945.
M.N.A.M. 1946–1966.
695 | Archivalien
Note à propos du projet d’installation du service des prisonniers de guerre dans les locaux du musée, 1944, 26 février / Protestation contre le dépôt de mobilier installé par les Allemands dans les sous-sols du Musée d’Art Moderne. 1943-5 juin (AN 20144785/4) Note sur l’organisation du musée d’art moderne. 1947, 13 juin / Dossier relatif aux pianos entreposés dans les sous-sols du musée d’art moderne. 1948, 13 janvier / Note sur le musée (pour le Commissariat général du tourisme...). 1948, 3 mars / Projet de fusion des deux musées d’art moderne (État et ville de Paris). 1945–1950. 1950, 21 octobre / Protestation contre le projet d’installation de la Cinémathèque dans la salle de conférences. 1951, 2 novembre / Projet d’installation d’un musée du cinéma au MNAM. 1955, 1er février (AN 20144785/4)
Série 2HH Archives du Musée du Luxembourg (–1937), Archives du Musée national d’Art moderne (1937– 1975) (2 HH1 à 2 HH70): Construction du Musée d’Art moderne (2HH34): 2HH34 (1) 2HH34 (2)
1934 –1941 Programme, aménagements, décoration; Photographies (AN 20144707/64) Photographies »Exposition internationale 1937, Musée d’art moderne« (AN 20144707/65) Plans du Musée d’Art moderne, 1935–1936 (AN 20144707/66)
Musée du Jeu de Paume (reliquat), 1921–1952 (2HH58) Entrées et sorties, inventaires des œuvres, expositions, correspondance de André Dezarrois: 2HH58(1)
1921–1937 (AN 20144707/95) Exposition Origines et developpement de la peinture internationale contemporaine
Correspondance de M. Cassou, Dorival, Leymarie, expositions, acquisitions, dons, et legs, collectionneurs, restaurateurs, lettres d’artistes ou en rapport avec les artistes et les copistes (2HH59 (1)–(21)): 2HH59 (1)
Correspondance 1941–1948 (AN 20144707/98)
Dons et Acquisitions (2HH61 (1)–(15)): 2HH61 (2)
Propositions d’acquisition (1940–1955) (AN 20144707/130)
Expositions organisées par le MNAM en France et à l’Étranger, 1945–1977 (2HH64 (1)–(84)): 2HH64 (1) 2HH64 (2) 2HH64 (3) 2HH64 (4) 2HH64 (5) 2HH64 (6) 2HH64 (8) 2HH64 (10) 2HH64 (12)
696 | Bibliografie
1945–1947 (AN 20144707/184) 2-Exposition en Autriche et en Allemagne (1946) 10-Le mois de l’Unesco (1946–1947) 1948–1949 (AN 20144707/185) 1-Marc Chagall [Paris] (1947) 5-Inauguration de la salle des Primitifs [Paris] (1948) 1949 (AN 20144707/186) 1950 (AN 20144707/187) 3-Les peintres d’Haïti 1950 (AN 20144707/188) 1-Art italien contemporain [Paris] (1950) 1951 (AN 20144707/189) 10-Peinture française contemporaine [Afrique du Sud] 1952 (AN 20144707/191) 25-Biennale de Venise 1952–1953 (AN 20144707/193) 7-Le cubisme [Paris] (1953) 1953–1954 (AN 20144707/195) 34-Biennale d’architecture brésilienne [São Paulo] (1953) 35-Exposition des œuvres françaises et vénézuéliennes de la décoration de la cité universitaire de Caracas (1953) 41-James Ensor [Paris] (1954)
2HH64 (13) 1954 (AN 20144707/196) 1-Le dessin de Toulouse-Lautrec aux cubistes [Paris] (1954) 2HH64 (15) 1955–1956 (AN 20144707/198) 3-Troisième biennale de São Paulo (1955) 2HH64 (17) 1956–1957 (AN 20144707/200) 11-Depuis Bonnard [Paris] (1957) 14-Exposition d’art français contemporain (projet Afrique du Sud) (1957) 2HH64 (18) 1957–1958 (AN 20144707/201) 1-Biennale de São Paulo (1957–1961) 4-Projet d’exposition vénézuélienne moderne pour 1960 (1958) 2HH64 (20) 1958–1959 (AN 20144707/203) 1-L’art hollandais depuis Van Gogh [Paris] (1958) 5-J. Pollock et la jeune peinture américaine [Paris] (1959) 2HH64 (21) 1960–1961 (AN 20144707/206) 8-Les sources du XXe siècle : I. Allemagne (première partie) [Paris] (1960–1961) 2HH64 (22) 1960–1961 (AN 20144707/207) 1-Sources du XXe siècle : I. Allemagne (seconde partie), II. France [Paris] 2HH64 (23) 1960–1961 (AN 20144707/208) 1-Les sources du XXe siècle: III. Angleterre, IV. Autriche, V. Belgique, VI. Danemark [Paris] 2HH64 (24) 1960–1961 (AN 20144707/209) 1-Les sources du XXe siècle : VII. Espagne, VIII. Hollande, IX. Suède, X. Italie, XI. Norvège [Paris] 2HH64 (25) 1961 (AN 20144707/210) 6-Biennale de São Paulo (participation française) 2HH64 (26) 1961–1962 (AN 20144707/211) 6-Braque [Paris] (1961–1962) 7-Exposition allemande (1961–1962) 2HH64 (27) 1962 (AN 20144707/212) 6-L’art accuse la guerre [Unesco] 2HH64 (30) 1963 (AN 20144707/215) 2-Septième biennale de São Paulo (participation française) 2HH64 (32) 1963–1964 (AN 20144707/218) 7-Peinture australienne (refusée) (1964) 2HH64 (50) 1967–1968 (AN 20144707/238) 8-Willy Baumeister [Paris] (1967) 2HH64 (53) 1968 (AN 20144707/242) 1-Max Beckmann [Paris, Munich, Bruxelles] 2HH64 (54) 1968–1969 (AN 20144707/243) 2-Hans Hartung (1969) 2HH64 (84) 1960–1976 (AN 20144707/274) Projets et propositions d’expositions 6-Présentation dons et acquisitions (1974 –1975) Fonds photographiques du musée du Luxembourg et du musée d’Art moderne (2HH65 à 2HH70): 2HH65 (2) 2HH65 (5) 2HH65 (6)
697 | Archivalien
Clichés d’expositions, 1921–1972 (AN 20144707/287) – Exposition Origines et développement de l’art international contemporain 1937 Salles du Musée national d’Art moderne, 1966-1969-1970-1972-19741975-1976 (AN 20144707/292) Salles du musée national d’art moderne avant 1960 jusqu’en ’72 (AN 20144707/293)
2HH65 (11) + (12) 2HH65 (13) 2HH65 (14) 2HH65 (15) 2HH65 (16)
Salles du musée national d’art moderne avant 1960 (AN 20144707/297) Salles et réserves du MNAM en 1971 et 1973 (AN 20144707/298) Salles et réserves du MNAM en 1971 (AN 20144707/298) Salles du MNAM en 1972 (AN 20144707/299) Salles du MNAM en 1974 (AN 20144707/300)
2HH66 (a) 2HH66 (b)
Vie du Musée; relations avec la presse 1963–1965 (AN 20144707/301) Du Musée national d’Art moderne à Beaubourg 1970–1977 (AN 20144707/302)
Série X Expositions Archives des musées nationaux Expositions, Salons, Expositions universelles X-Expositions, Expo universelle de 1937 (Cartons 33 à 43, AN 20150042/41–20150042/51): Exposition Art français: chefs-d’œuvre de l’art français du Moyen-Âge au XXe siècle; musée d’art moderne (Cartons 33– 42, AN 20150042/41–20150042/50): Carton 33 Carton 43 Carton 55 Carton 62
Art français: chefs-d’œuvre de l’art français du Moyen-Âge au XXe siècle; Musée d’Art moderne; 25 juin... (AN 20150042/41) 1937. Van Gogh. Musée d’Art moderne. Exposition dans le cadre de l’Exposition internationale (AN 20150042/51) 1944 –1946 (AN 20150042/63) – Art et Résistance; Musée d’Art moderne, palais de Tokyo; 15 février 1946... 1950–1951 (AN 20150042/70) – Les peintres de Haïti; Musée d’Art moderne; 13 octobre–8 novembre 1950
Série KK Pièces étrangères à l’administration des musées Série 3KK Centre national d’art et culture Georges Pompidou (Beaubourg – Musée national d’Art Moderne) 3KK1 3KK2 3KK3 3KK4 3KK5 (1) 3KK5 (2) 3KK5 (3) 3KK6 3KK7 3KK8 3KK9 (1)
698 | Bibliografie
Projet, Presse, Documentation, Avant-Projet, Concours, 1959–1977 (AN 20150336/5) Gestion du Musée, 1966–1980 (AN 20150336/6) Acquisitions, dons, legs et prêts, 1974 –1983 (AN 20150336/7) Plateau Beaubourg, Avant-projet, –1971 (AN 20150336/8) Programmation architecturale, 1970–1971 (AN 20150336/8) Notes et correspondances, 1971 (AN 20150336/8) Notes et correspondances, 1972 (AN 20150336/8) Concours International pour la réalisation du Centre Beaubourg et Mise en œuvre du chantier, 1972–1975 (AN 20150336/9) Mise en œuvre du chantier, 1972–1973 (AN 20150336/9) Mutation et Organisation/ Du MNAM au CNAC Beaubourg 1973–1977 (AN 20150336/10) Organisation du Centre Beaubourg (AN 20150336/10)
Archives des musées nationaux parisiens (sous-séries 3HH à 19HH) Série 16 HH Archives du Musée d’Art et d’Essai (Palais de Tokyo) (1977–1986) Palais de Tokyo: Fonctionnement du Musée (16HH5 1 à 11, AN 20144739/62): 16HH5 (1) 16HH5 (3) 16HH5 (4) 16HH (5) 16HH (10)
Règlement intérieur du Musée, 1977–1985 Action culturelle, 1977–1986 Action culturelle: statistiques de fréquentation, 1978–1985 Publications du musée, 1979–1985 Direction du Patrimoine: expositions, mission photographique concession de locaux, 1985–1986
Palais de Tokyo: œuvres, expositions (16HH6 1 à 7, AN 20144739/63): 16HH6 (4) 16HH6 (5) 16HH6 (7)
Fonds National d’Art Contemporain, 1980–1985 Service de la création artistique / Dépôt des œuvres d’art de l’Etat / Dépôt des objets de l’Inventaire, 1977–1981 Rapports avec le Musée d’Art moderne de la Ville de Paris, 1979–1984
Palais de Tokyo: audiovisuel (16HH9 1 à 8, AN 20144739/66): 16HH9 (4) 16HH9 (5)
Projet: Maison de la Photographie / Maison de l’Image, 1985 Concession de locaux au Centre National de la Photographie, 1985/86
Palais de Tokyo: projet d’installation de l’école du Louvre, 1980–1981: 16 HH13 (1)–(7) (AN 20144739/70–20144739/76)
Palais de Tokyo: Musée d’Art et d’Essai, Expositions (16HH14 1 à 21): 16HH14 16HH15 16HH16 16HH17 16HH18 16HH19 16HH20 16HH21 (1)–(3) 16HH21 (4)
Expositions 1978 (AN 20144739/77) Expositions 1979 (AN 20144739/78) Expositions 1980 (AN 20144739/79) Expositions 1981 (AN 20144739/80) Expositions 1982 (AN 20144739/81) Expositions 1983 (AN 20144739/82) Expositions 1984 (AN 20144739/83) Expositions 1985 (AN 20144739/84, 20144739/85) Manifestations au Palais de Tokyo, 1983–1985 (AN 20144739/86) 2-Exposition: projet d’un nouvel Opéra de Paris à la Bastille [3 décembre 1983–22 janvier 1984] 8-Centre National de la Photo 1981–1984 [fehlt in Inventar] 10-Palais de l’Image 1986 [fehlt in Inventar]
Musée d’Art et d’Essai: Presse 1978–1985: 16HH22 (1)–(13) (AN 20144739/87–20144739/88)
Palais de Tokyo: Musée d’Art et d’Essai: Travaux et Aménagements 1984 –1986 (16HH23 1 à 8, AN 20144739/89): 16HH23 (1) 16HH23 (3) 16HH23 (5)
699 | Archivalien
Travaux Palais de Tokyo Projet d’exposition Willy Ronis 1985 Locaux Concession de locaux au Centre National de la Photographie et Patrimoine 1984 –1986
16HH23 (6)
Plans. Travaux. Installations 1985–1986
Musée d’Art et d’Essai: Activités éducatives et public, 1979–1986 (16HH26 1 à 6, AN 20144739/92): 16HH26 (3) 16HH26 (5)
Public. Sondages. Graphiques 1977–1986 Communication du musée, sa perception par le public: enquête et conclusions
BIBLIOTHÈQUE KANDINSKY, CENTRE POMPIDOU Fonds Malraux 1764 –. Walter Benjamin: L’œuvre d’art à l’ époque de sa reproduction mécanisée, traduit par Pierre Klossowski, in: Zeitschrift für Sozialforschung (herausgegeben im Auftrag des Instituts fur Sozialforschung von Max Horkheimer), Sonderdruck, Jahrgang V, 1936 Heft 1, Paris, Librairie Félix Alcan, 30 Seiten. Mit einer deutschen Zusammenfassung Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (S. 29) und einer englischen The Work of Art in the Age of Technical Reproducibility (S. 29 u. 30). Handschriftliche Zueignung Walter Benjamins an André Malraux auf dem ersten Innenblatt. Online zugänglich gemacht in: http://bibliothequekandinsky.centrepompidou.fr/cataloguedoc/fondsphoto/cg i-bin/image. asp? ind= R X0 0 0 0 0 0138 & no = FondsMa lr au x176 4 & id =RX000000138 (21. Oktober 2015).
700 | Bibliografie
VER ZEICHNIS DER QUELLEN- UND SEKUNDÄRLITER ATUR SIGLEN UND KÜRZEL Die Kürzel werden hier zum besseren Verständnis aufgelöst. Die einzelnen Titel werden im Verzeichnis der Quellenliteratur aufgeführt. AS Michel Foucault: L’Archéologie du Savoir [1969], Paris 2008. Concours Concours ouvert par le commissariat général de l’exposition internationale de 1937 pour la construction de musées d’art moderne destinés à abriter les collections de l’ état et de la ville de Paris sur un terrain situé avenue de Tokio et avenue du président Wilson. I. Conditions du concours. II. Programme des constructions. III. Plan de l’emplacement et de ses abords, Imprimerie Nationale, J. 2765, 1934. DiE Michel Foucault: Dits et Écrits 1954–1988, 2 Bde. (hrsg. v. Daniel Defert u. François Ewald unter Mitarbeit v. Jacques Lagrange), Paris 1994, Bd. I: 1954–1969. GB Walter Benjamin: Gesammelte Briefe, 6 Bde. (hrsg. v. Theodor W. Adorno Archiv, Christoph Gödde u. Henri Lonitz), Frankfurt am Main 1995 ff. GB II
Briefe 1919–1924, 1996.
GB III
Briefe 1925–1930, 1997.
GS Walter Benjamin: Gesammelte Schriften. Unter Mitw. v. Theodor W. Adorno u. Gershom Scholem hrsg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt am Main 1972–1999. GS I
Abhandlungen, 3 Bde. (hrsg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann Schweppenhäuser), 1974.
GS II Aufsätze, Essays, Vorträge, 3 Bde. (hrsg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann Schweppenhäuser), 1977. GS IV
Kleine Prosa, Baudelaire-Übertragungen, 2 Bde. (hrsg. v. Tillman Rexroth), 1972.
GS V 1982.
Das Passagen-Werk, 2 Bde. (hrsg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann Schweppenhäuser),
GS VI Fragmente vermischten Inhalts. Autobiographische Schriften, (hrsg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann Schweppenhäuser), 1985. GS VII Nachträge, 2 Bde. (hrsg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann Schweppenhäuser. Unter Mitarb. v. Christoph Gödde, Henri Lonitz u. Gary Smith), 1989. PAM Société des Nations, IICI, OIM (Hrsg.): Louis Hautecoeur: Conférence de Madrid. Rapport Général N°1. Le programme architectural du musée. – Principes généraux. Typoskript, 27 S., 1934 (AN F/21/4899, Dossier 2c). Abgedruckt in: Société des Nations, OIM, IICI (Hrsg.): Muséographie. Conférence Internationale de Madrid 1934, Paris 1936, Bd. I, S. 12–37. WuN Walter Benjamin: Werke und Nachlaß. Kritische Gesamtausgabe (ca. 21 Bde.). Im Auftrag der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur hrsg. v. Christoph Gödde u. Henri Lonitz zusammen mit dem Walter Benjamin Archiv, Frankfurt am Main 2008 ff.
701 | Siglen und Kürzel
WuN 3 Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik (hrsg. v. Uwe Steiner). Werke und Nachlaß. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 3, 2008. WuN 8 Einbahnstraße (hrsg. v. Detlev Schöttker). Werke und Nachlaß. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 8, 2009. WuN 13 Kritiken und Rezensionen, 2 Bde. (hrsg. v. Heinrich Kaulen). Werke und Nachlaß. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 13, 2011.
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702 | Bibliografie
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1, 10, 26, 27, 35–37, 50, 51 © Archives nationales, Pierrefitte-sur-Seine, Foto H. Baranger / Cliché atelier photographique des Archives nationales; 2 © The artist & Galeria Millan, São Paulo / Courtesy Palais de Tokyo / André Morin; 3 © Archives nationales, Pierrefitte-sur-Seine, Foto H. Baranger / Cliché atelier photographique des Archives nationales / Carole Bauer; 4, 5 Jean Cassou, Le Musée national d’Art moderne, o.S., Auszug aus: Médecine de France (Panorama de la pensée médicale littéraire et artistique française) 65/1955 / Coll. Bibliothèque Kandinsky, Musée national d’Art moderne/CCI, Centre Pompidou, Paris; 6, 9, 30, 34, 39– 42, 45, 49, 60, 61, 66–70, 73–88, 94, 95 © Archives nationales, Pierrefitte-sur-Seine; 7 Exposition Internationale, Paris 1937, Catalogue Général Officiel, 2 Bände, Paris 1937 / Coll. Bibliothèque Kandinsky, Musée national d’Art moderne/CCI, Centre Pompidou, Paris; 8, 38 © Archives nationales, Pierrefittesur-Seine, Foto H. Baranger / Cliché atelier photographique des Archives nationales / Pierre Grand; 11–22, 24, 25, 28, 29, 31–33 Archiv des Autors; 23 Privatarchiv Didier Schulmann; 43, 44, 101 © Archives nationales, Pierrefitte-sur-Seine / Cliché atelier photographique des Archives nationales; 46, 56 Exposition Internationale des Arts et techniques Paris 1937. Rapport Général, Bd. 2, Réalisation du Programme (Architecture, Parcs et Jardins. Travaux d’Ingénieurs), Paris 1940, Tafeln XXXII u. LXXIII / Coll. Bibliothèque Kandinsky, Musée national d’Art moderne/ CCI, Centre Pompidou, Paris; 47 Dynasty, Ausstellungskatalog, ARC Musée d’Art moderne de la Ville de Paris / Palais de Tokyo, Paris 2010, S. 127; 48 © Bayerische Staatsbibliothek München / Bildarchiv, Fotoarchiv Heinrich Hoffmann L.38, hoff-16553 / Firma Heinrich Hoffmann / Foto Kaminski; 52, 53 L’Amour de l’Art 6/1937, numéro spécial: La Muséographie à l’exposition internationale, o.S. u. 16 f. / Coll. Bibliothèque Kandinsky, Musée national d’Art moderne/CCI, Centre Pompidou, Paris; 54, 55 Louis Gallié (Hrsg.): Les Échanges Intellectuels à Travers le Monde. Exposition Internationale Paris 1937, Album, Paris 1938; 57, 58 © Bayerische Staatsbibliothek München / Bildarchiv, Fotoarchiv Heinrich Hoffmann L.38, hoff-15378 u. hoff-69437 / Firma Heinrich Hoffmann / Foto H. Hoffmann; 59 © Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München, Fotothek, 4° D2-Tro 352/12 R / Paul Ludwig Troost oder Atelier, Verzeichnis der Aufnahmen verschiedener Arbeiten, um 1935; 62, 63 © Bundesarchiv, B 323 Bild-0311-084 u. Bild-0311085 / Fotos: o. Ang.; 64, 65 Art et Résistance, Ausstellungskatalog, Palais de Tokyo, Paris, Éditions Pierre Seghers, Februar 1946 / Coll. Bibliothèque Kandinsky, Musée national d’Art moderne/CCI,
741 | Bildnachweis
Centre Pompidou, Paris; 71 Jean Cassou, Bernard Dorival, Geneviève Homolle: Musée National d’Art Moderne. Catalogue-Guide, Paris 1947 / Coll. Bibliothèque Kandinsky, Musée national d’Art moderne/CCI, Centre Pompidou, Paris; 72 Coll. Bibliothèque Kandinsky, Musée national d’Art moderne/CCI, Centre Pompidou, Paris / mit freundlicher Erlaubnis von Évelyne Taslitzky; 89 Sarkis. Das Licht des Blitzes Der Lärm des Donners, Ausstellungskatalog, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Wien 1995, S. 34; 90 © Courtesy Liam Gillick / Palais de Tokyo / Aurélien Mole; 91, 92 © Courtesy Laëtitia Badaut Haussmann et galerie Allen; 93 © Courtesy Xavier Juillot / Arnaud Legrain; 96 © Bernard Baudin, Le Bar Floréal; 97, 100 Hubert Tonka: Architecture & Cie. Le Palais de l’Image. Rénovation du Palais de Tokyo, Paris, par Franck Hammoutène, Automne/ Hiver 1988, o.S. / Archives nationales, Pierrefitte-sur-Seine; 98 Team Franck Hammoutène: Paris 1988 Ministère de la Culture et de la Communication. Concours pour le Réaménagement du Palais de Tokyo, S. 96 / Archives nationales, Pierrefitte-sur-Seine; 99 © Jacques Lebar; 102 © Lacaton Vassal; 103 © Courtesy the artist, Studiok – Navin Production; 104 © Courtesy Michael Lin; 105 © Courtesy Gianni Motti; 106 © Courtesy Minerva Cuevas/ kurimanzutto, Mexico City; 107, 108, 110–112 © Daniel Moulinet; 109 © Courtesy Marjetica Potrcˇ and Galerie Nordenhake, Berlin/ Stockholm / Daniel Moulinet; 113 © Courtesy Palais de Tokyo / Marc Domage; 114 © Christoph Büchel, Courtesy the artist & Hauser & Wirth / Stefan Altenburger; 115 © Courtesy Daniel Firman, Collection Vranken-Pommery Monopole, Reims / Palais de Tokyo / Didier Barroso; 116 © Courtesy Galerie Art:Concept (Paris) / Palais de Tokyo / André Morin; 117 © Courtesy Magazzino Arte Moderna, Roma / Palais de Tokyo / André Morin; 118 © Courtesy Nicolas Milhé / Damien Lafargue; 119 © Courtesy Palais de Tokyo / Frederic Louot; 120, 121 © Courtesy Palais de Tokyo / André Morin.
742 | Bildnachweis
INDE X
Aalto, Alvar 139 Aballéa, Martine 501 Abbal, André 119, 121, 151 Abel, Adolf 234 Abelard, Gesner 342 Abella, Charles 138 Abetz, Otto 267 Abraham, Marcel 255 Abramovic´, Marina 388 Achour, Boris 552 Ackermann, Franz 495, 561 Adenauer, Konrad 360–362 Adhémar, Hélène 402 Adorno, Theodor W. 596, 609, 615 Agache, Alfred 197 Agam, Yaacov 390 Agerbeek, Richard 547 Aillagon, Jean-Jacques 464, 493 Aitken, Doug 558 Akakçe, Haluk 502 Al-Amiri, Laith 569 Alary, Luc 23, 27, 50, 313 Alibert, Raphaël 252 Alix, Charlotte 130 Alix, Yves 325, 331 Alliez, Éric 594 –596 Allirol, Joseph 67 Amsellem, Guy 494, 495, 498 Anquetin, Louis 239, 328
743 | Index
Ant Farm 387 Anthonioz, Bernard 392, 395 Aphex Twin 558 Apollinaire, Guillaume 354 Arago, Étienne 91 Aragon, Louis 301 Archipenko, Alexander 107 Ardenne, Paul 493 Arendt, Hannah 185 Arman 380, 371, 372, 381 Armleder, John M. 562, 572 Arnal, François 381 Arndt, Karl 230 Arnold, Jean-Michel 482 Arp, Hans 221, 222 Artist Placement Group 607 Arup, Ove 399 Asher, Michael 483, 557, 601 Assaël, Micol 568 Asselin, Maurice 325 Assmann, Aleida und Jan 29, 446 Astier de la Vigerie, Emmanuel d’ 255 Ataman, Kutlug 446 Atlan, Jean 338 Atwood, Jane Evelyn 462 Aubert, André 15, 50, 101, 138–140, 142, 147, 149, 441, 472, 473 Auguste, Toussaint 342 Auguste-Dormeuil, Renaud 545
Aujame, Jean 331 Autant-Lara, Claude 468 Aveline, Claude 254, 255 Azéma, Léon 50, 137, 138 Bacon, Francis 392 Badaut Haussmann, Laëtitia 444 – 447, 570 Bagge, Eric 192 Baker, George 595 Balzac, Honoré de 193 Baroni, Nello 198 Barr, Alfred H. 34, 73, 74 Barthes, Roland 603 Bartholdi, Auguste 123 Bartning, Ludwig 226 Bassi, Michel 478 Bataille, Georges 577, 604, 608 Batault, Georges 252 Baudelaire, Charles 30, 78, 577 Baudrillard, Jean 33, 35, 309, 310, 389, 393, 400, 401, 598, 657 Baudry, Léon 109, 111 Bauer, Rudolf 221 Bauer, Ute Meta 495 Baulieu, Étienne-Émile 483 Bauman, Zygmunt 619 Baumeister, Willi 221, 362, 363 Bazaine, Jean 262, 332 Bazile, Castera 342 Bazin, Germain 205, 322, 365, 452 Beach, Sylvia 321 Bearden, Romare 324 Beaurepaire, Charlotte 503 Beck, Ulrich 589 Becker, Howard S. 493 Beckett, Samuel 483 Beckmann, Max 361, 362, 364 Beecroft, Vanessa 550, 551 Beethoven, Ludwig van 235 Behr, Kurt von 263 Beier, Ottohans 226 Belluschi, Pietro 75, 76 Belting, Hans 584, 589, 660–663 Benat, Laetitia 543 Bénédite, Léonce 53, 94 Benglis, Lynda 388 Benjamin, Walter 13–15, 18, 21, 22, 29–34, 40, 52, 69, 70, 74, 75, 83, 106, 107, 143, 145, 180, 182–186, 188–191, 203, 207– 211, 296, 298–305, 307–310, 313, 321, 322, 341, 353, 382, 400, 437, 446– 448, 454, 475, 476, 501, 539, 573, 574, 577, 578, 591, 592, 594, 603, 605, 609, 613, 614, 620–627, 653, 654, 657, 659
744 | Index
Benoist, Luc 89 Benoit, Rigaud 342 Bentham, Jeremy 87 Berardi, Pier Niccolò 198 Berendsohn, Walter A. 225 Bergson, Henri 77, 360 Berio, Luciano 483 Berlage, Hendrik Petrus 89 Bernard, Christian 547 Bernard, Émile 328 Bernard, François-René 334 Bernard, Tristan 334 Bernstrup, Tobias 552 Bertaux, Félix 208 Bertaux, Pierre 254 Berthod, Aimé 237 Bertini, Francesca 476 Bertoux, Quentin 462 Bertrand Dorléac, Laurence 256–260, 262 Besnard, Albert 239, 333, 375 Besset, Maurice 350, 362, 365 Bethônico, Mabe 600 Beuys, Joseph 309, 365, 482, 603, 614 Beyer, Andreas 24 Beyme, Klaus von 39 Bianchini, Alexandre 495 Bianco, Remo 482 Bigaud, Wilson 342 Bigot, Paul 138 Bigot, Pierre 197 Bihalji-Merin, Oto 363, 375 Billotey, Louis 242 Bing, Gertrud 223 Birnbaum, Daniel 495, 584 Birolli, Viviana 574 Bishop, Claire 539, 546, 587, 588, 599, 602–609, 617–619 Bismuth, Pierre 495 Bissière, Roger 329 Bizette-Lindet, André 127, 128, 130 Bizot, Jean-François 501 Blair, Tony 488 Blanc, Charles 86 Blanchard, Maria 326, 329 Blanche, Jacques-Émile 239 Blanckart, Olivier 494 Blazy, Michel 567 Bless 495, 541 Bloch, Ernst 299, 623, 624 Bloch, Jean-Richard 301 Blomberg, Werner von 227 Blum, André 248 Blum, Léon 102, 145, 147, 206, 217, 219– 222, 241, 472
Boal, Augusto 607 Boccioni, Umberto 221, 345 Bode, Wilhelm von 72, 243 Boetti, Alighiero e 567 Boileau, Louis-Hyppolite 50, 137, 138 Boisnard, Annick 481 Bollaert, Émile 64 Boltanski, Christian 368, 381, 400, 615 Bond, Henry 547, 548 Bonin, Cosima von 495 Boninsegni, Kim Seob 503 Bonnard, Abel 66, 256, 258 Bonnard, Pierre 256, 257, 301, 313, 315, 319, 325–329, 344, 365, 375, 451 Bonnenfant, Katya 541 Bonnevie, Kristine 77 Bontecou, Lee 380 Bonvicini, Monica 544, 552 Bordaz, Robert 373, 396, 402, 403 Borletti Cosulich, Nella 345 Borsi, Franco 136, 143 Botticelli, Sandro 31, 114, 115 Bouchain, Patrick 504 Bouchard, Henri 332 Boucher, Jacqueline 213 Bouglé, Célestin 213, 301 Boulbès, Carole 592, 593 Bourdelle, Antoine 123–125, 130, 228, 326, 332 Bourdieu, Pierre 35, 59, 297, 381, 384, 385, 389, 623 Bourgeois, Léon 214 Bouroullec, Ronan und Erwan 543 Bourriaud, Nicolas 15, 17, 18, 22, 26, 28, 34, 352, 437– 441, 443, 449, 474, 486, 488, 491, 492, 494 – 496, 498–501, 504, 535–542, 545–553, 556–558, 560–562, 564 –566, 568, 573–582, 584 –589, 591– 606, 608, 612, 615, 617–620, 624 –627, 653, 654, 658–663 Boussignault, Jean-Louis 325 Bouzou, Georges-Henri 198 Bowie, David 558 Bozo, Dominique 241, 398, 401, 402, 458, 481 BP 547–549 Brâncu ş i, Constantin 119, 221, 222, 326, 328, 332, 378, 482 Braque, Georges 108, 109, 207, 208, 221, 256, 257, 315, 316, 319, 325–330, 365, 366, 376, 378 Brecht, Bertolt 253, 609 Breitner, George Hendrik 205 Breker, Arno 226, 232, 239, 261, 262
745 | Index
Breton, André 222, 607 Breuer, Marcel 306 Brianchon, Maurice 331 Brinch, Jes 556 Brinkmann, Woldemar 226, 227 Broodthaers, Marcel 400 Brossolette, Pierre 254 Bruckmann, Hugo und Elsa 232 Bruegel, Pieter d. Ä. 357, 358 Brunel, Jean-Jacques 468 Bruni, Laure 130 Büchel, Christoph 568, 569 Buchheister, Carl 360 Buchloh, Benjamin H. D. 561, 585 Buddensieg, Andrea 588, 589 Buhot, Félix 239 Bulloch, Angela 547, 550, 562, 594 Buren, Daniel 381, 436, 479, 481– 483, 485, 501, 502, 557, 601, 655 Bürger, Peter 58 Burri, Alberto 371, 392 Burri, René 461 Busch, Günther 364 Bush, George W. 569 Bustamante, Jean-Marc 494 Buy-Sellf (Zébra3) 541 Byron, Lord 219 Caillard, Christian 331 Caillebotte, Gustave 70, 108, 109 Caillet, Elisabeth 18, 535 Cain, Julien 334 Calder, Alexander 324, 338, 347, 397 Camoin, Charles 108, 325 Camondo, Moïse de 220 Campana, Giampietro 453 Campe, Carl von 225 Capa, Robert 463 Carcopino, Jérôme 66, 267 Carline, Richard 322 Carlu, Jacques 50, 137, 138, 146 Carolus-Barré, Louis 402 Carolus-Duran (Charles Durand) 239 Caroly, Claude 461 Carrière, Eugène 333 Carrière, Jean-Claude 468 Carron, Valentin 569 Cartier-Bresson, Anne 464 Casanova, Laurent 316 Casorati, Felice 347 Cassirer, Ernst 31, 37, 38, 80 Cassou, Jean 20, 28, 34, 64, 108, 206, 209, 240, 241, 248, 251–255, 257, 267, 293– 295, 300–304, 310–313, 315, 319–323,
326, 327, 333–335, 337, 339, 340–342, 344 –351, 356, 358–368, 373–380, 383, 392, 465, 502, 587, 656, 657 Castro, Jota 554 Cattelan, Maurizio 551, 594 Cauer, Hanna 227 Caujolle, Christian 462 Cavaillès, Jean Jules Louis 331 Cecchini, Loris 543, 545 Cecilie, Herzogin zu Mecklenburg 231 Cédor, Dieudonné 342 Celant, Germano 552 Ceria, Edmond 325 Certeau, Michel de 597 Césaire, Aimé 581 César 349, 380, 381 Cézanne, Paul 204, 221, 243, 245, 257, 319, 359, 483 Chabas, Paul 375 Chabert, Pierre 483 Chagall, Marc 221, 294, 315, 319, 327, 331, 337, 340, 344, 348 Chalumeau, Camille 197 Chamberlain, John 380 Champaigne, Philippe de 330 Chamson, André 315 Chapelain-Midy, Roger 331 Chaplin, Charlie 184 Chapsal, Fernand 99, 102, 103 Chardin, Jean-Baptiste-Siméon 330 Charlemagne, Paul 325 Chastel, André 454 Chastel, Françoise 495 Chastel, Roger 331 Chatelain, Jean 397, 401, 402 Chautemps, Camille 221, 241 Chauvel, Georges 119, 121, 151 Chen, Zhen 498 Chevojon, Jacques 458 Chicks on Speed 558 Chirac, Jacques 403, 479, 480, 481 Chirico, Giorgio de 221, 331, 345 Chizhevsky, Alexander 568 Chryssa 380 Clair, Jean 381, 389, 400, 401 Clair, René 145 Clapton, Eric 558 Clark, T. J. 71 Claude, Thierry 460 Clert, Iris 380 Cocteau, Jean 143, 144, 236, 261 Coffin, Peter 567 Cognaq, Gabriel 250 Cogniat, Raymond 322, 347, 386
746 | Index
Cohen, Gustave 200 Cohn, Danièle 25, 35 Colbert, Jean-Baptiste 132 Coleman, Joe 567 Collamarini, René 120, 151 Collective Actions Group 607 Collins, Phil 608, 609 Colombier, Pierre du 206 Comenius, Johann Amos 214 Community Arts Movement 607 Cone, Michèle C. 262 Cornell, Joseph 482 Cornette de Saint Cyr, Pierre 488 Corot, Camille 73, 330 Corsani, Antonella 590 Costa-Gavras 473 Cottet, Charles 248 Coudert, Amédée 226 Courrèges, Léon 226 Courtauld, Samuel 74 Coutaud, Lucien 331, 332 Couÿba, Charles-Maurice 63 Crary, Jonathan 35, 487, 491 Creed, Martin 558 Crevel, Edouard 103 Crimp, Douglas 543, 575 Croce, Benedetto 78 Cross, Henri-Edmond 221, 328 Cuevas, Minerva 555, 556 Curie, Marie 77 Cürlis, Hans 204 Curtis, Penelope 107, 120, 307 Daladier, Édouard 241 Dalí, Salvador 221, 331 Danis, Robert 67 Danto, Arthur Coleman 597 Darbel, Alain 35, 297, 384 Dastugue, Marcel 50, 138, 140, 247, 250, 255, 266 Dauchez, André 239 Daumier, Honoré 73, 74, 80 Daurat, Maurice André 192 David, Franck 544, 552 Davidson, Bruce 461 David-Weill, David 250 Davis, Stuart 324 Debarre, Jean René 120, 130, 151 Debat-Ponsan, Jacques 198 Debord, Guy 496, 590, 596 Declercq, Alain 502, 555 Degas, Edgar 221, 243, 319 De Greeff, Étienne 253 Dejean, Louis 117–119, 242
De Kooning, Willem 392 Delacroix, Eugène 109, 193, 317 Delarbre, Léon 334 Delaunay, Charles 339 Delaunay, Robert 145, 221, 222, 256, 325–327, 329, 339, 344, 378 Delaunay, Sonia 145, 222, 339, 378, 381, 390 Delbos, Yvon 250 Deleuze, Gilles 35, 489– 491, 548, 549, 553, 594 –596, 615, 625, 657 Deller, Jeremy 446, 572, 608, 609 Delpire, Robert 459, 460, 461, 464 Deluermoz, Henri 240 Delvoye, Wim 561 Demokrit 184 Demos, T.J. 488, 489, 617 Denis, Maurice 242, 325, 328–330 Depardon, Raymond 462 Derain, André 108, 221, 319, 320, 326, 329, 347, 392 DeRoo, Rebecca J. 382 Dervaux, Adolphe 196 Deshayes, Frédéric 242 Desnoyer, François 316, 332 Despiau, Charles 115, 121, 123, 256, 262, 319, 326, 332, 333, 402 Destrée, Jules 77 Desvallières, Georges 242, 325, 402 Deutsche, Rosalyn 603 De Vries, Willem 265 Dewar, Daniel 567 Dezarrois, André 256, 257, 261 Dezeuze, Anna 597 Diawara, Manthia 581 Dideron, Louis 125, 126, 130 Diderot, Denis 78 Didi-Huberman, Georges 25, 184, 185, 188, 189 Dix, Otto 231 Doherty, Claire 588, 600–602 Doisneau, Robert 462 Donatello 86 Dondel, Jean-Claude 15, 50, 101, 138–140, 142, 147, 149, 150, 441, 472, 473 Dongen, Kees van 319 Dorine_Muraille (Julien Locquet) 543 Dorival, Bernard 240, 255, 260, 262, 303, 322, 326–328, 331, 333, 335, 337, 342, 347, 363, 367, 368, 378 Dorner, Alexander 601 Doucet, Jacques 74, 468 Douchet, Jean 483 Drivier, Léon-Ernest 117, 118, 121 Drouin, René 376
747 | Index
Dubos, René 592 Dubuffet, Jean 338 Duca, Curd 543 Duchamp, Marcel 256, 341, 397, 447, 482, 483 Ducos de la Haille, Pierre Henri 242 Duffaut, Préfète 342 Dufrêne, François 380 Dufresne, Charles 325 Dufy, Raoul 325, 326, 329, 331, 367, 369 Duhamel, Georges 213 Dujardin, Édouard 301 Dunand, Jean 130 Dunoyer de Segonzac, André 319, 328, 367, 466 Dupont, Pierre 132 Durand, Régis 459, 462, 464 Dürer, Albrecht 86 Durkheim, Émile 29 Dziewior, Yilmaz 595 Eco, Umberto 603 Eggeling, Viking 145 Ehrlich, Georg 324 Eichhorst, Franz 226 Einstein, Albert 77 Einstein, Carl 87, 231, 325, 354, 366 Eisenstein, Sergej 184 Ekeberg, Jonas 600 Elmgreen & Dragset 545 Encrevé, Pierre 493 Enwezor, Okwui 17, 22, 486, 537, 538, 579–586, 591, 653, 659–663 Erasmus von Rotterdam 213 Erjavec, Aleš 599 Ernst, Max 221, 256, 260, 319, 326 Escholier, Raymond 131, 192, 221, 237, 240 Espagnat, Georges d’ 239 Estève, Maurice 262 Eumorfopoulos, George Aristides 250 Export, Valie 388 Fabro, Luciano 483 Faloci, Pierre-Louis 466 Fanon, Frantz 581 Farocki, Harun 621 Fatboy Slim 558 Fauchereau, Serge 481– 483 Fautrier, Jean 256, 331 Fend, Peter 561 Fénéon, Félix 329 Ferry, Jules 70, 86 Fett, William 324 Févola, Félix-Pascal 119
Feyerabend, Erich 226 Fiehler, Karl 223 Figari, Pedro 321 Finsterer, Alfred 226 Firman, Daniel 568, 570 Fischer, Theodor 244, 246 Fiss, Karen 225, 226, 228 Flandin, Pierre-Étienne 237 Flandrin, Jules 242 Flechtheim, Alfred 70, 87 Fleckner, Uwe 29, 30, 59, 179, 231, 315, 317, 366, 441 Fleiss, Elein 493, 495 Fleury, Sylvie 547 Foch, Ferdinand 215 Focillon, Henri 77, 78, 82, 213, 219, 222, 223 Fontana, Lucio 371 Forces Nouvelles 331 Forestier, Gabriel 127–130 Fosca, François 206 Foster, Hal 30, 584, 585, 653 Foucart, Bruno 142, 207 Foucault, Michel 30, 31, 34, 35, 55–59, 87, 88, 489, 492, 564 Fougeron, André 262, 316–318, 330, 332 Foujita, Tsuguharu (Léonard) 331 Foundoukidis, Euripide 81 Fournier, Alain 254 Francastel, Pierre 262 Franchini, Gianfranco 60, 308, 399 Francis, Sir Frank 399 Franco, Francisco 179 François 1er, König von Frankreich 84 François, Andre 463 François, Michel 501 François-Poncet, André 63 Frank, Robert 462 Frankfurter, Alfred 246 Franklin, Benjamin 213 Freed, Hermine 388 Frege, Gottlob 56 Freud, Sigmund 207, 447 Freund, Gisèle 21, 313, 321, 322, 353, 459 Freundlich, Otto 222, 261 Frick, Wilhelm 231 Froux, Sylvie 547 Fuchs, Eduard 34, 74, 75 Fukuyama, Francis 440, 537 Fuller, Richard Buckminster 387 Furtwängler, Wilhelm 235 Gaba, Meschac 543, 545, 593 Gabo, Naum 221, 376 Gadamer, Hans-Georg 55, 56, 58
748 | Index
Gaehtgens, Thomas W. 36, 72 Gajos, Jack 468 Gall, Leonhard 230 Gallibert, Geneviève 194 Gallié, Louis 213 Galliera, Maria de Brignole-Sale De Ferrari, Herzogin von 94 Gamberini, Italo 198 Gassiot-Talabot, Gérald 389 Gaudibert, Pierre 297, 309, 384, 388–390, 394, 546, 657 Gauguin, Paul 20, 109, 205, 221, 239, 242–246, 249, 319, 328, 359, 584 Gaulle, Charles de 60, 360, 372, 657 Gaumont, Marcel 109–111 Gaxotte, Pierre 206 Gay, Georges 130 Geers, Kendell 552, 555 Gehry, Frank 437, 479, 574 Gelder, Hendrik Enno van 89 Genet-Delacroix, Marie-Claude 97, 221 Gensburger, Sarah 264, 444 Gérald 503 Géricault, Théodore 219 Gerigk, Herbert 265 Germain-Martin, Louis 237 Gérôme, Jean-Léon 108, 130 Giacometti, Alberto 125, 315 Gicquel, Grégory 567 Gide, André 144, 301 Giedion, Sigfried 33, 52, 105, 106, 143, 307–309, 448 Giesler, Hermann 228 Gili, Marta 464 Gillet, Louis 220, 224 Gillick, Liam 443, 547, 548, 550, 588, 594, 599, 600, 604 –606 Ginzburg, Carlo 38 Giraud, Fabien 568 Giscard d’Estaing, Valéry 60, 61 Gischia, Léon 332 Gleizes, Albert 328, 329 Glicenstein, Jérôme 545, 546, 549, 565, 591, 592 Glissant, Édouard 580, 581, 584 Godard, Jean-Luc 617 Goebbels, Joseph 223, 243, 244 Goerg, Édouard 325 Goethe, Johann Wolfgang von 214 Gogh, Vincent van 20, 34, 74, 192, 199, 205–208, 210, 221, 244, 245, 319, 345, 385, 657 Gogh, Vincent Willem van 74 Goldschmidt, Ernst 482
Goldschmidt, Léo 482 Goldschmidt, Paul N. 482 Gombrich, Ernst 223, 353 Gondouin, Emmanuel 327 Gonzales, Mark 495 Gonzalez-Foerster, Dominique 502, 503, 547, 550, 561, 562, 594, 615 Gonzalez-Torres, Felix 547, 548, 554 Gordon, Douglas 550, 594 Göring, Hermann 245, 312 Gorky, Arshile 392 Gorsemann, Ernst 227 Gorska, Adrienne 198 Goujon, Jean 104, 118, 189, 207 Gourgue, Jacques-Enguerrand 342 Gourvenec, Jacques 480 Gouvion Saint-Cyr, Agnès de 459 Graeff, Werner 145 Graetz, René 324 Graham, Dan 557 Grammel, Søren 600 Gramsci, Antonio 389, 604 Grandville 70, 577 Grant, Duncan 324 Grasskamp, Walter 353, 354, 383 GRAV (Groupe de recherche d’art visuel) 381, 607 Gréaud, Loris 568, 576 Gréber, Jacques 94, 103, 146, 225, 228 Green, Julien 301 Greenberg, Clement 561, 565 Griaule, Marcel 585 Griffith, David Wark 476 Grimonprez, Johan 555 Gris, Juan 108, 221, 319, 325, 328, 329, 355 Grisogono, Xénia (Ksenija) 197 Grohmann, Will 363 Gromaire, Marcel 261, 316, 325, 331 Gropius, Walter 142, 231, 364 Grote, Ludwig 361, 364 Grotemeyer, Fritz 227 Grotius, Hugo 214 Groupe 70 390, 391 Gruber, Francis 316, 332 Gründler, Jean 460, 463 Guarneri, Sarre 198 Guattari, Félix 554, 594 –596 Guénot, Auguste 118 Guerrero, Antoine 495 Guignebert, Vincent 331 Guiheux, Alain 441, 475, 579 Guilloux, Louis 301 Gulbransson, Olaf 226 Günther, Karin 498
749 | Index
Gustala, Pierre 322 Guttuso, Renato 345, 360 Guy, Michel 392 Györfi, Alexander 558 Haacke, Hans 482, 483, 557, 601, 603 Habermas, Jürgen 297, 581 Hains, Raymond 380, 501 Halbwachs, Maurice 446 Halley, Charles 130 Hammacher-van den Brande, Renilde 375 Hammarskjöld, Dag 356 Hammoutène, Franck 22, 437, 441, 448, 468– 470, 472, 474, 478, 488, 661 Hamy, Ernest Théodore 135 Hanayo 552 Handel-Mazetti, Eduard 229 Happ, Hans 226 Hardouin-Mansart, Jules 104, 128–130 Hardt, Michael 35, 487, 491, 625 Harth, Philipp 226 Hartung, Hans 221, 338, 362, 364, 371, 390 Hassan, Kay 545, 593 Haubrich, Josef 362 Hausenstein, Wilhelm 361 Hautecoeur, Louis 14, 20, 28, 33, 34, 53, 64, 66, 71, 75, 76, 81–87, 89–96, 100, 101, 103, 108, 131, 135, 136, 149–151, 187– 190, 220, 237–243, 245–250, 252–255, 257, 259, 260, 262, 263, 296, 311–313, 337, 351, 374, 398, 552, 587, 656, 657 Havel, Joseph 552 Heinrich IV., König von Frankreich 132 Heise, Wilhelm 226 Hekking, Léon 334 Hell, Willi 226 Henriot, Philippe 255 Henry, Hélène 130 Herbin, Auguste 330 Héron de Villefosse, René 192 Herriot, Édouard 63, 125, 213 Herskovits, Melville Jean 343 Hilaire, Georges 257 Hill, Christine 551 Hillaire, Norbert 593, 594 Himmelreich, Adrien 495 Hindemith, Paul 236 Hirschfeld-Mack, Ludwig 145 Hirschhorn, Thomas 564, 604 –606, 608, 609 Hirst, Damien 558 Hitler, Adolf 180–182, 198, 199, 223, 224, 229–232, 234 –236, 240, 244, 253–255, 261, 262, 320, 321, 358
Hodgkins, Frances Mary 324 Hodler, Ferdinand 359 Hoffmann, Jens 600 Hoffmann, Ludwig 72 Höf ken-Hempel, Annie 227 Hofmann, Franz 244 Holert, Tom 608 Höller, Carsten 550, 551, 594, 608, 609 Holmes, Brian 589–591 Holst, Niels von 204 Holzer, Jenny 550 Homer 115 Homolle, Geneviève 248, 335 Hoog, Michel 436, 451, 457, 463 Horkheimer, Max 74, 301 Horn, Rebecca 552 Hou, Hanru 495 Houellebecq, Michel 547 Hubert, René 321 Hugo, Victor 453 Hugonenq, André 226 Huillet, Danièle 483 Huisman, Georges 64, 81, 82, 109, 146, 217, 221, 250, 458 Huisman, Philippe 378 Hultén, Pontus 28, 33, 296, 304, 367, 373, 380, 397, 401, 402, 436, 451, 479– 484, 486, 502, 655, 657 Humbert, Agnès 206, 254, 255, 322, 347 Humblot, Robert 331 Hussein, Saddam 569 Huyghe, Pierre 551, 562, 594, 615 Huyghe, René 204 –208, 220, 262, 315, 322, 385 Hybert, Fabrice 494 Hyppolite, Hector 342, 343 Ingres, Jean-Auguste-Dominique 219, 223 Iofan, Boris 228 Ismora, Manuel 547 Israëls, Isaac 205 Issac, Maurice 50 Jackson, Shannon 588, 609, 617 Jacob, Joseph 342 Jacob, Max 261, 334 Jacopo della Quercia 86 Jacquet, Alain 371, 501 Jaguer, Édouard 361 Jahns, Rudolf 360 Jakovsky, Anatole 373–376, 379 Jankowski, (François) Boleslas de 226 Jameson, Fredric 575
750 | Index
Janniot, Alfred Auguste 104, 105, 109, 110, 112–116, 239 Jannot, Henri 331 Janssen, Ulfert 226 Jaujard, Jacques 67, 217, 250, 252, 256, 266, 267, 312, 315, 465 Jeanneret, Pierre 143, 146 Jencks, Charles 575 Jeuthe, Gesa 243, 244, 246 Joffre, Félix 242 Joffre, Joseph 215 Johns, Jasper 380 Joinville, Général (Alfred Malleret) 316 Joseph, Jasmin 342 Joseph, Pierre 503, 547, 553, 562 Jospin, Lionel 28, 494, 543 Jouannais, Jean-Yves 547 Jouhandeau, Marcel 301 Jourdain, Frantz 144 Jourdan-Morhange, Hélène 236 Joyce, Emily 503 Juillot, Xavier 450, 451 Juppé, Alain 480 Kabakov, Ilya 607 Kahnweiler, Daniel-Henry 70, 108, 109, 361 Kalenberg, Angel 388 Kandinsky, Wassily 87, 221, 231, 256, 324, 338, 354, 361 Kant, Immanuel 213, 214, 596, 610, 612, 623 Kantorowicz, Alfred 195 Karl X., König von Frankreich 134 Karlsgodt, Elizabeth Campbell 313 Kaspar, Hermann 227 Kawara, On 482 Keitel, Wilhelm 261 Kelley, Charles Fabens 71 Kelley, Mike 558 Kemeny, Kalman 324 Kennedy, John F. 356 Kern, Guido Joseph 245 Kerr, Alfred 190, 195 Kerros, Aude de 597, 598 Kilimnik, Karen 547 Kippenberger, Martin 547, 558 Kisch, Egon Erwin 195 Kisling, Moïse 70, 331 Klee, Paul 221, 231, 256, 260, 337, 338, 594 Klein, Willliam 461, 462 Klein, Yves 371, 372, 380, 390, 482 Klemm, Walter 226 Klimsch, Fritz 226 Klingberg, Gunilla 502 Klotz, Clemens 228
Knecht, Richard 226 Koenigs, Franz Wilhelm 219 Kohlmann, Étienne 130 Kokoschka, Oskar 324 Kolbe, Georg 226, 227 Kolding, Jakob 562 Kongrosian, Richard 547 Koons, Jeff 550 Korine, Harmony 495 Kowalski, Piotr 372, 390 Kowarzik, Pauline 245 Kramer, Robert 483 Kriegel, Willi 226 Kruger, Barbara 604 Kubelka, Peter 373 Kubrick, Stanley 445 Kümmel, Otto 204 Kundera, Milan 468 Kusmirowski, Robert 569 Labbé, Edmond 55, 62, 102, 150, 195, 225 Labeyrie, Émile 250 Labro, Georges 198 Lacan, Jacques 604 Lacaton, Anne 22, 89, 437, 441, 448, 449, 469, 470, 486, 488, 504 –506, 542, 579, 661 Laclau, Ernesto 604, 617 Laclotte, Michel 397, 399, 402, 452, 453, 457 Ladoué, Pierre 94, 240, 255, 256, 260, 266, 312 Laffoley, Paul 569 La Fresnaye, Roger de 325, 329 Lagriffoul, Henri 151, 242 Laillard, Jeanne 331 Lakel, Amar 598 Lambert, Maurice de 201 Lammers, Heinrich 224 La More, Chet 324 Lamoureux, Lucien 237 Landais, Hubert 402 Landowski, Paul 332 Lang, Fritz 483 Lang, Jack 28, 61, 436, 459, 463, 467– 469, 474, 483, 597 Langlois, Henri 437, 465, 468, 475, 477, 478 Langlois, Hugue 477, 478 Langlois, Jean-Louis 477, 478 Langlois-Meurine, Aimery 488, 501 Langui, Emile 356, 359 Lanzmann, Claude 334 La Patellière, Amédée de 325, 327 Lapicque, Charles 262 Laprade, Pierre 325
751 | Index
Lardat, Roger 139 Lartigue, Jacques Henri 459 Lasne, Jean 331 Lassaigne, Jacques 323, 324, 386 Latournerie, Marie-Aimée 391, 394, 395 Laurencin, Marie 325, 327 Laurens, Henri 221, 326, 328, 332, 466 Laurent, Jeanne 52, 108, 109 Laurette, Matthieu 562 Laval, Charles 328 Laval, Pierre 257 Laver, James 71 Lawler, Louise 498 Lawless, Catherine 26 Lazzarato, Maurizio 590 Le Balto, Atelier 545 Lebasque, Henri 325 Lebel, Jean-Jacques 607 Lebrun, Albert 60, 147, 181, 192, 195, 219, 222, 238, 240, 241 Le Brun, Charles 115 Leccia, Ange 436, 486, 494, 497, 502–504, 536, 655 Le Corbusier (Charles-Édouard Jeanneret) 20, 33, 52, 87, 89, 106, 136, 139, 143, 144, 146, 147, 149, 198, 231, 295, 307, 308, 324, 344, 350, 352, 363, 364 Lee, Bul 502 Le Fauconnier, Henri 325 Lefranc, Jules 376 Le Gac, Jean 381 Léger, Fernand 108, 144 –146, 221, 256, 260, 261, 307, 315, 318, 319, 325, 327, 329, 355, 363 Legueult, Raymond-Jean 331 Leguillon, Pierre 495 Lehmbruck, Anita 363 Lehmbruck, Wilhelm 231, 362, 363 Leiris, Michel 584 Lejeune, Louis-Aimé 119, 121, 151 Leloup, Jean-Yves 543 Le Moal, Jean 332 Lemoine, Bertrand 51, 52 Le Nain, Louis 330 Lenoir, Alexandre 85, 86, 134 Le Nôtre, André 115 Léon, Paul 64, 73, 74, 82, 102, 201, 250, 458 Leontus, Adam 342 Léotard, François 28, 469, 480, 481 Leskow, Nikolai 301 Letrosne, Charles 103 Levine, Sherrie 604 Lévi-Strauss, Claude 581, 582 Lévy, Maurice 488
Lévy-Bruhl, Lucien 301 Lewin-Funcke, Arthur 227 Lewitsky, Anatole 254, 255 Lewitt, Sol 548 Leymarie, Jean 353, 367, 392, 397, 401 Leyris, Pierre 255 L’Herbier, Marcel 468 Lhote, André 316, 319, 325, 328, 329 Lichtenberger, Henry 301 Ligeti, György 444 Limouse, Roger 331 Lin, Michael 543, 544, 603 Lind, Maria 495, 600, 602 Linden, Christina 594 Lipchitz, Jacques 107, 119, 221, 315, 317, 318, 332, 344, 347 Lippard, Lucy 388, 603 Locquin, Jean 220 Loisy, Jean de 17, 449, 486, 537 Lombardi, Mark 561 Longo, Robert 558 Lorente, J. Pedro 26, 27, 69 Lorentz, Hendrik Antoon 77 Loste, Sébastien 306, 397 Lotiron, Robert 325 Louis-Philippe I., König der Franzosen 85 Louppe, Marguerite 331 Lourdet, Simon 132 Luce, Maximilien 328 Ludwig I., König von Bayern 230 Ludwig XII., König von Frankreich 132 Ludwig XIV., König von Frankreich 84, 115, 129, 132 Ludwig XV., König von Frankreich 84 Ludwig XVIII., König von Frankreich 62, 94 Lukács, Georg 299, 475, 501, 609 Luke, Carola 322 Lumière, Auguste und Louis 476 Lurçat, Jean 325, 331, 354 Lusanna, Leonardo 198 Lye, Len 482 Lyotard, Jean-François 297, 354, 360, 572, 575, 598, 612, 615 Macel, Christine 449, 493, 494, 495, 498 Magnelli, Alberto 381 Maguet, Richard 334 Maillol, Aristide 120, 121, 123, 256, 262, 319, 326, 332, 364, 402, 451 Malewitsch, Kasimir 482 Malfray, Charles (Alexandre) 119, 121, 151 Mallarmé, Stéphane 301 Malle, Louis 468
752 | Index
Mallet-Stevens, Robert 20, 33, 51, 52, 136, 144, 146, 149 Malraux, André 21, 28, 30, 34, 60, 67, 108, 205, 240, 293, 295, 301, 303, 305, 341, 350, 353–355, 357, 358, 365, 381, 382, 386, 389, 394, 395, 468, 476, 490, 589, 657 Manessier, Alfred 262, 332 Manet, Édouard 30, 71, 109, 219, 221, 243, 319 Manguin, Henri 325 Mann, Thomas 225 Man Ray 145, 221, 392 Mansart, François 129 Manuel, Gaston 458 Manuel, Henri 457, 458 Manuel, Lucien 458 Manzoni, Piero 482 Marc, Franz 87, 244, 354 March, Werner 229 Marchand, Jean 332 Marcoussis, Louis 328, 329 Margerie, Emmanuel de 403 Margiela, Martin 495 Marliave, François de 201 Marquet, Adrien 102 Marquet, Albert 108, 261, 301, 313, 315, 317, 325, 329, 337, 365 Marshall, Maria 552 Martin, Etienne 379 Martin, Henri 333 Martin, Jean-Hubert 368, 482, 575, 585, 592 Martin, Kurt 360 Martin-Chauffier, Louis 255 Martinez, Rosa 495 Marty, André Edouard 99 Martzloff, Robert 102 Marx, Karl 207, 551, 596, 604 Maselli, Francesco 461 Masereel, Frans 315, 316 Masotta, Oscar 607 Massé, Georges 197 Masson, André 260, 316, 319, 328, 331 Matarazzo, Ciccillo 347 Mathelin, Lucien 389 Mathey, François 379 Matisse, Henri 108, 109, 212, 221, 256, 257, 261, 301, 313, 315, 317–319, 325–327, 329, 365, 367, 369, 482, 484 Matta-Clark, Gordon 550, 557 Maupin, Stéphane 504 Mauss, Marcel 585 Mauve, Anton 205 McEwen, Adam 572
Medici, Lorenzo de’ 84 Medici, Maria de’ 61, 132 Mehretu, Julie 561 Mekas, Jonas 373 Ménil, Dominique de 482 Metzinger, Jean 328 Meyer, Hannes 142 Meyer-Lévy, Claude 197 Meyer-Lévy, Paul 197 Michaud, Éric 234 Michaud, Yves 70 Michelangelo Buonarroti 86, 130 Michelucci, Giovanni 198 Mikaeloff, Hervé 543 Milhé, Nicolas 570, 572 Milin, Robert 545 Milles, Carl 121 Minnaert, Jean-Baptiste 139, 142 Mir, Aleksandra 561 Miró, Joan 221, 256, 260, 325, 326, 338 Mitterand, François 61, 436, 456, 459, 598 Mitterand, Frédéric 537 M/M 495, 503, 541, 566 Modigliani, Amedeo 319, 326, 330, 331, 345 Moholy-Nagy, Laszlo 106 Moisdon-Trembley, Stéphanie 495, 496 Mollard, Claude 393 Mondrian, Piet 221, 368, 482 Monet, Claude 109, 243, 319 Monnier, Adrienne 208, 209, 301, 321, 322 Monnier, Gérard 27, 36, 108, 295 Montaigne, Michel de 214 Montenach, Jean-Daniel de 82 Monterosso, Jean-Luc 464 Monticelli, Adolphe 205 Möntmann, Nina 489, 602 Monzie, Anatole de 63 Moore, Henry 324, 344 Moreau, Luc-Albert 325 Morel, Gaëlle 458 Moreno, Jean-Claude 478 Morgana, Aimee 547 Moriceau, Laurent 552 Mortier, Pierre 102 Mosset, Olivier 381 Motti, Gianni 502, 554, 555 Mouffe, Chantal 604 –606, 617 Moulène, Jean-Luc 494 Moulier-Boutang, Yann 590 Moulin, Raymonde 338 Mouly, Marcel 332 Moussinac, Léon 468 Mouveau, Georges 194 Mühler, Ernst Alfred 204
753 | Index
Mukhina, Vera 227, 228 Munch, Edvard 359 Murray, Gilbert 77 Mussolini, Benito 142, 254 Muyle, Johan 547 Nagel, Hanna 226 Nancy, Jean-Luc 336, 337 Napoleon I. Bonaparte, Kaiser der Franzosen 62, 342, 343, 611 Nash, Paul 324 Negri, Antonio 35, 487, 491, 590, 625 Neto, Ernesto 495 Nicholson, Ben 324 Nicolas, Marc 478 Nicolin, Paola 27 Nielsen, Asta 476 Niemeyer, Oscar 399 Niepce, Nicéphore 380 Nitzschke, Hans 361 Nolde, Emil 231 Noonan, David 567 North, Xavier 476 Oberlé, Jean 334 Obin, Philomé 342, 343 Obrist, Hans Ulrich 496, 574 Ocean Earth 561 Oda Projesi 608 Oddon, Yvonne 254, 255 Oddos, Christian 440, 473, 474 O’Doherty, Brian 368 Oehlen, Albert 558 Ohanian, Melik 543, 552 Oldenburg, Claes 397, 482 Oldendorf, Rainer 495 Olère, David 336, 337 Olesen, Henrik 561 Oliveira, Henrique 15 Orlan 501 Orloff, Chana 107 Orozco, Gabriel 550 Ory, Pascal 50, 51, 60, 145, 205, 220 Osouf, Jean 120, 151 Ott, Carlos 457 Oudot, Roland 331 Oursler, Tony 558 Owen, Robert 214 Ozenfant, Amédée 87, 221, 363 Pagé, Suzanne 388, 482, 493 Païni, Dominique 441, 475, 476, 579 Palucca, Gret 99
Panamarenko 371, 390 Pane, Gina 381 Panofsky, Erwin 24, 25, 29–31, 35–39, 58, 59, 71, 78–80, 86, 385, 653, 654 Pardo, Jorge 594 Paris, Luce 317 Parkinson, Mary-Ann 462 Parmentier, Michel 381 Parreno, Philippe 443, 502, 547, 551, 553, 594 Parrino, Steven 558, 567 Pascali, Pino 482 Pascaud, Jean 130 Pascin, Jules (Julius Pincas) 331 Paulhaun, Jean 301 Paulsson, Gregor 79, 80 Pedrosa, Mario 349 Pelée de Saint-Maurice, Jean 197 Penn, William 213 Penrose, Roland 356 Perbos, Laurent 552 Permeke, Constant 337 Perret, Auguste 50–52, 87, 125, 131, 146, 149, 198, 220 Perret, Catherine 18, 31, 184 –186, 189, 190, 447, 535, 621 Perret, Gustave 50, 198 Perriand, Charlotte 144, 146 Perrin, Alain Dominique 464 Perrin, Philippe 553 Perzel, Jean 130 Pétain, Philippe 60, 215, 237, 239–241, 250, 252, 253, 257, 261 Peters, Eric 334 Peters, DeWitt 342, 343 Petitjean, Hippolyte 347 Pettibon, Raymond 547 Pevsner, Antoine 221, 376, 377, 378 Pevsner, Nikolaus 359 Pevsner, Virginie 376, 378 Peyrefitte, Alain 382 Peyton-Jones, Julia 574 Pflumm, Daniel 558 Piano, Renzo 60, 308, 352, 399 Picabia, Francis 70, 256, 260, 331 Picart Le Doux, Jean 331 Picasso, Pablo 108, 109, 119, 143, 144, 179, 207, 208, 212, 221, 242, 246, 256, 260, 261, 301, 313, 315–319, 325–329, 364, 365, 367, 369, 370, 376, 403, 466, 482 Picon, Gaëtan 366, 378, 394, 399 Pierre, Jean-Baptiste Marie 132 Pierre, André 342
754 | Index
Pignon, Édouard 332 Pindar 116 Pingusson, Georges-Henri 146, 149 Pinto, Roberto 555 Piper, John 324 Pirandello, Luigi 624 Pius VII., Papst 84 Planson, André 331 Platon 613 Plenge Jakobsen, Henrik 544, 556 Plinius 201 Poincaré, Raymond 125 Poirier, Anne und Patrick 451 Poisson, Louverture 342 Poli, Vincent 67 Poliakoff, Serge 338 Polizian (Angiolo Poliziano) 114 Pollazzon, Alexandre 503 Pollock, Griselda 71 Pollock, Jackson 338, 345, 371, 392 Pomey, Evelyne 481 Pompidou, Claude 480, 481 Pompidou, Georges 22, 60, 297, 306, 352, 372, 390, 396, 657 Pompon, François 257, 332, 367 Poncelet, Maurice Georges 331 Poncins, Léon de 252 Ponge, Francis 399 Popineau, François-Emile 119, 151 Porteneuve, Alfred 130 Posenenske, Charlotte 570 Potrč, Marjetica 560, 561 Poulot, Dominique 27, 36, 61, 294, 297 Poupelet, Jane 332 Pourtier, Jean-Claude 469 Power, John Joseph Wardell 221 Pratt, Mary Louise 584 Prey, Claude 457 Price, Cedric 579 Prince, Richard 550 Profili, Arturo 348 Protzen-Kundmüller, Henriette (Henny) 226 Prouvé, Jean 399 Pruitt/Early 547 Pugnaire, Florian 570 Pulp 558 Quadflieg, Dirk 56 Quincy, Quatremère de 62 Quinquaud, Anna 14, 120 Raffael 86 Raffaëlli, Jean-François 333 Raffini, David 570
Ragon, Michel 380 Ragot, Gilles 146, 147 Rancière, Jacques 18, 22, 23, 34, 539, 587, 588, 596, 599, 609–623, 625, 653, 659 Rang, Florens Christian 189 Raphaël, Max 222 Rapin, Henri 130 Rauschenberg, Robert 380 Ravel, Maurice 236 Rawanchaikul, Navin 542, 543, 545, 552 Raysse, Martial 380 Rebay, Hilla von 340 Reber, Gottlieb Friedrich 74 Redon, Arï 453 Redon, Odilon 221, 451, 453 Redon, Suzanne 453 Regnault, Pierre Alexandre 340 Rehberger, Tobias 552 Reidemeister, Leopold 363 Reifferscheid, Heinrich 226 René-Jean 323 Renoir, Auguste 221 Renoir, Jean 364 Restany, Pierre 21, 33, 305, 349, 371, 373, 375–383, 389, 401, 486, 488, 501, 502, 536, 656, 657 Rey, Robert 67, 240, 315, 326 Reynaud, Paul 240, 241 Ribettes, Jean-Michel 495 Richards, Keith 558 Richter, Hans 145 Richter, Klaus 226 Riefenstahl, Leni 226 Riegl, Alois 78 Riera, Albert 316 Ripert, Georges 252 Rist, Pipilotti 498 Ritchie, Matthew 502 Ritschel, Friedrich 226 Rivet, Paul 135, 254 Rivière, Georges-Henri 135, 213 Rivoirard, Philippe 51 Robert (Dom Robert) 331 Robin, Gabriel 332 Rockenschaub, Gerwald 495, 558 Rodin, Auguste 124 Rogers, Richard 60, 308, 352, 399 Rohe, Mies van der 142, 143, 145, 231, 306 Rohner, Georges 332 Rol-Tanguy, Henri (Colonel Rol) 316 Romains, Jules 213, 301 Rometti, Julia 503 Rondinone, Ugo 570 Ronis, Willy 460, 463
755 | Index
Roosevelt, Franklin D. 102 Rosenberg, Alfred 260, 261, 267 Rosenberg, Léonce 109 Rosenberg, Paul 327, 328 Rosenberg, Raphael 232 Rosny, Marc de 381 Ross, Toni 596 Rotella, Mimmo 380 Roth, Dieter 309 Rothko, Mark 371, 392 Rouault, Georges 319, 325–329, 348, 378, 466 Rousseau, Henri 108, 221, 340, 357 Rousseau, Jean-Jacques 213 Roussel, Ker-Xavier 325, 329, 330, 367, 369 Roux, Antoine de 462 Rubens, Peter Paul 61, 204 Rudier, Eugène 125, 128 Ruff, Franz 229 Ruppel, Julius 225, 236 Ruppersberg, Allen 547 Ruttmann, Walter 145 Saarinen, Eliel 121 Saint Phalle, Niki de 371, 380, 381, 390 Saint-Saëns, Marc 331 Saint-Simon, Henri Comte de 213 Salles, Georges 34, 108, 207–212, 315, 325, 361, 366, 378, 385, 465 Salmony, Alfred 353 Salomon-Delatour, Gottfried 298, 623 Sánchez Cantón, Francisco Javier 82 Sandberg, Willem 399 Sanejouand, Jean-Michel 381 Sans, Jérôme 15, 17, 22, 437– 441, 449, 474, 486, 488, 492, 494 – 496, 498–501, 504, 535–538, 540, 542, 543, 545, 546, 552–554, 558, 564, 566, 568, 573, 592, 602, 603, 654, 661 Saouma, Samia 462 Sardou, Pierre 139 Sarkis 29, 368, 390, 436, 441– 443, 479, 481– 484, 494, 503, 504, 655 Saupique, Georges Laurent 120, 130, 151 Saussure, Ferdinand de 56 Savoy, Bénédicte 204 Schacht, Hjalmar 227 Schaub-Koch, Émile 78 Scheurich, Paul 226 Schieder, Martin 21, 319, 320, 361 Schiller, Friedrich 62, 607, 614 Schinkel, Karl Friedrich 230 Schlemmer, Oskar 231 Schlieben, Katharina 600
Schlosser, Julius 78 Schmid-Ehmen, Kurt 226 Schmitz, Oscar A. H. 299, 626 Schönleber, Hans Otto 226 Schtschukin, Sergei Iwanowitsch 245 Schulmann, Didier 257, 258 Schultze-Naumburg, Paul 231, 232 Schwarzer, Max 227 Schwitters, Kurt 360 Scurti, Franck 552 Sebald, W. G. 575, 577 Seewald, Richard 229 Seiderer, Anna 448 Sekula, Allan 446 Sellier, Henri 190 Senghor, Léopold Sédar 581 Séraphine de Senlis (Séraphine Louis) 327, 340 Séris, Jean-François 466, 469 Serlio, Sebastiano 84 Sert, Josep Lluís 307 Sérusier, Paul 325, 328 Seurat, Georges 221, 249, 328, 451 Severini, Gino 345 Shaw, Jim 547, 558 Sherman, Cindy 604 Siboni, Raphaël 568 Sierra, Santiago 555, 604, 606 Signac, Paul 108, 220, 328 Signer, Roman 568, 571 Signorelli, Luca 86 Simon, Lucien 239 Simon, Paul 119, 120, 121, 151 Simons, Raf 495 Smith, Terry 599 Smithson, Robert 309, 550 Sonderegger, Ruth 611 Sorbé, Didier 462 Soulages, Pierre 338, 371 Soutine, Chaïm 326, 330 Spector, Nancy 594 Speer, Albert 181, 182, 226, 228–230, 232, 262 Spielberg, Steven 336 Spies, Werner 361 Spitzer, Serge 569, 571 Spoerri, Daniel 371, 380, 390 Springer, Rudolf 313, 319, 320, 347 Staebler, Claire 586 Staël, Nicolas de 338 Stalin, Josef 253 Stankiewicz, Richard 380 St. Brice, Robert 342 Stein, Clarence 87 Stendhal 62
756 | Index
Stéphane, Micius 342 Steppes, Edmund 226 Steur, Ad van der 205 Steyerl, Hito 446 Stokker, Lily van der 547, 548 Storr, Robert 584, 598 Straub, Jean-Marie 483 Straub, Karl Willy 231 Strawinsky, Igor 143, 144, 441, 443 Suisse, Gaston 130 Superflex 541 Supports/Surfaces 349, 368, 371, 390, 391 Sutherland, Graham 338 Taeuber-Arp, Sophie 390 Tagore, Rabindranath 217 Tal-Coat (Pierre-Louis Jacob) 316 Tanguy, Yves 221, 222, 256, 331 Tàpies, Antoni 338 Tasca, Catherine 28, 439, 492, 497, 501 Taslitzky, Boris 315–317, 334, 336 Tayou, Pascale Marthine 552, 593 Teige, Karel 145 Templeton, Ed 552 Templon, Daniel 480 Terechkovitch, Constantin gen. Kostia 316, 331 Terroine, Émile-Florent 268 Tesla, Nikola 568 Thatcher, Margaret 488, 605 Thek, Paul 550 Thiers, Adolphe 60 Thorak, Josef 226 Thurnauer, Agnès 494 Tieschowitz, Bernhard von 266, 294, 362, 363, 656 Tillion, Germaine 254, 255 Tillmans, Wolfgang 552 Tillon, Charles 316 Tinguely, Jean 309, 371, 380, 381, 390, 397, 482 Tiravanija, Rirkrit 550, 551, 585, 594, 597, 604 –606, 615 Todt, Fritz 229 Tonka, Hubert 469, 472 Tönnies, Ferdinand 203, 298, 300, 623 To Rococo Rot 543 Toroni, Niele 381 Toscan du Plantier, Daniel 468 Toubon, Jacques 474 Toulouse-Lautrec, Henri de 248, 249, 325, 344, 451, 453 Trautmann, Catherine 28, 437, 439, 478, 486, 492– 494
Trémeau, Tristan 598 Trier, Lars von 617 Troncy, Éric 536, 547 Troost, Gerty 229, 230 Troost, Paul Ludwig 223, 229–232 Trouvé, Tatiana 552, 567 Tschudi, Hugo von 243 Tuby, Jean-Baptiste 115 Tunnard, John 324 Turner, Percy Moore 74 Tzara, Tristan 145, 222, 341 Ubac, Raoul 381 Uhde, Wilhelm 108, 109, 340, 342, 344, 354 Uhlman, Fred 324 Ukeles, Mierle Laderman 601 Unold, Max 228 Utrillo, Maurice 325, 326, 328, 402 Vago, Pierre 149 Vaisse, Pierre 143 Valadon, Suzanne 250, 325, 328, 337, 390, 402 Valéry, Paul 52, 192, 213, 301 Valland, Rose 248, 260, 261, 267, 312 Vallat, Xavier 267 Valloton, Félix 108, 325, 328 Varda, Agnès 462 Vasarely, Victor 315 Vassal, Jean-Philippe 22, 89, 437, 441, 448, 449, 469, 470, 486, 488, 504 –506, 542, 579, 661 Veilhan, Xavier 543, 547 Venturi, Lionello 78, 79 Vergne, Philippe 495 Verne, Henri 213, 242, 245, 246 Viard, Paul 50, 138, 140 Vieira da Silva, Maria Helena 125, 349, 390 Vigneau, André 354 Vigoureux, Pierre Octave 120, 122 Viktor & Rolf 495 Vildé, Boris 254, 255 Viljoen, Johannes Hendrikus 347 Villeglé, Jacques 371, 380 Villey-Desmeserets, Achille 237 Villon, Jacques (Gaston Duchamp) 325, 329, 349 Vilmouth, Jean-Luc 494 Viollet-le-Duc, Eugène-Emmanuel 86, 135 Vitoria, Francisco de 214 Vlaminck, Maurice de 261, 319, 320, 329, 347 Vollard, Ambroise 70 Vollard-Bockelberg, Alfred von 261 Vordemberge-Gildewart, Friedrich 361
757 | Index
Vuillard, Édouard 108, 312, 315, 325, 328, 329 Waetzoldt, Wilhelm 72, 73 Wagner, Adolf 223 Wagner, Richard 235, 236 Wahler, Marc-Olivier 17, 19, 22, 439, 486, 536–538, 552, 566, 568, 572, 573, 576, 653, 659 Walch, Charles 316, 332 Waldemar-George (Jerzy Waldemar Jarocinski) 118, 126, 206, 207, 220, 224 Walden, Herwarth 361 Walusinski, Gilles 464 Warburg, Aby 25, 29, 31, 35, 37, 38, 40, 58, 59, 79, 80, 86, 87, 114, 115, 185, 186, 189, 223, 358, 441, 446, 447, 573, 574 Warhol, Andy 548, 558 Warnke, Martin 25 Waroquier, Henry de 325, 330 Weerasethakul, Apichatpong 503 Weibel, Peter 588, 589 Weill, Berthe 70 Weill, Kurt 236 Wescher, Herta 361 White, Harrison und Cynthia 100 Wickhoff, Franz 78 Wiener, Jean 235, 236 Wigman, Mary 99 Wildenstein, Daniel 376, 378 Wildenstein, Georges 71, 220 Wilhelm II., Deutscher Kaiser 75 Wilhelm, Prinz von Preußen 231 Wilson, Woodrow 214 Wilson, Sarah 232, 242 Wind, Edgar 80 Wittgenstein, Ludwig 56 Wlérick, Robert 332 Wolf, Laurent 439 Wölfflin, Heinrich 360 Wolff-Metternich, Franz 362 Wols (Alfred Otto Wolfgang Schulze) 338 Worringer, Wilhelm 360 Wotruba, Fritz 344 Wright, Stephen 591 Wright, Frank Lloyd 307, 340 Wulff, Oscar 72 Wurm, Erwin 552 Xenakis, Constantin 381 Xhafa, Sislej 502 Young, John 399 Yvon, Geneviève 466, 469
Zacharopoulos, Denys 495 Zadkine, Ossip 107, 256 Zahm, Olivier 493, 495 Zak, Eugène (Eugeniusz) 331 Zay, Jean 54, 63, 66, 116, 180, 206, 213, 217, 219, 221–223, 237, 238, 242, 252, 255, 458
758 | Index
Zervos, Christian 242 Ziegler, Adolf 226, 244, 245 Žižek, Slavoj 575 Żmijewski, Artur 608, 609 Zobernig, Heimo 495, 498 Zola, Émile 78 Zumbusch, Cornelia 37
ISBN 978-3-11-062373-4 eISBN (PDF) 978-3-11-062661-2 Library of Congress Control Number: 2019946496 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abruf bar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Coverabbildung: Nicolas Milhé, Respublica, 2009, Ausstellungsansicht Dynasty, Palais de Tokyo & Musée d’Art moderne de la Ville de Paris/ARC, 2010 © Courtesy Nicolas Milhé / Damien Lafargue Covergestaltung: Petra Florath Satz: Satzstudio Borngräber, Dessau-Roßlau Druck und Bindung: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH, Altenburg www.degruyter.com