Otto Philipp Braun (1798-1869): Eine transatlantische Biographie 9783412217679, 9783412223786


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Otto Philipp Braun (1798-1869): Eine transatlantische Biographie
 9783412217679, 9783412223786

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LATEINAMERIKANISCHE FORSCHUNGEN Beihefte zum Jahrbuch für Geschichte Lateinamerikas

Herausgegeben von

Thomas Duve, Silke Hensel, Ulrich Mücke, Renate Pieper, Barbara Potthast Begründet von

Richard Konetzke (†) und Hermann Kellenbenz (†) Fortgeführt von

Günter Kahle (†), Hans-Joachim König, Horst Pietschmann, Hans Pohl, Peer Schmidt (†)

Band 44

Otto Philipp Braun (1798–1869) Eine transatlantische Biographie von

Robin Kiera

2014 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Das Portrait zeigt Otto Philipp Braun im Jahr 1830 als General der bolivianischen Kavallerie und als Präfekt von La Paz.

© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Meinrad Böhl, Leipzig Satz: Reemers Publishing Services, Krefeld Reproduktionen: Satz + Layout Werkstatt Kluth, Erftstadt Druck und Bindung: Strauss, Mörlenbach Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-22378-6

Für Hendrik „Henk“ Streefkerk 22. März 1919 bis 14. September 1944 Ein niederländischer Widerstandskämpfer

Danksagung Es ist unmöglich, die vielen Unterstützer und Helfer in Archiven, Bibliotheken, Forschungseinrichtungen und Universitäten, die mich auf diesem Weg begleiteten, aufzuzählen. Einigen bin ich jedoch zu besonderem Dank verpflichtet. Zuallererst muss ich Ludwig Georg Braun danken. Ohne seine außergewöhnliche, großzügige und jahrelange Unterstützung und ohne sein persönliches Interesse wäre es nicht möglich gewesen, einen auf mehreren Kontinenten und einem halben Dutzend Ländern verstreuten Quellenkorpus zusammenzutragen und eine so umfangreiche Arbeit zu verfassen. Vielen Dank an ihn, die Familie Braun sowie an viele Mitarbeiter der Kommunikationsabteilung der B. Braun Melsungen AG. Gerne möchte ich Professor Ulrich Mücke danken. Er begleitete meine Arbeit nicht nur formell als Doktorvater über viele Jahre, sondern nahm sich – wie für alle seine Doktoranden – über das reguläre Maß hinaus Zeit, um meiner Arbeit wertvolle Impulse zu geben, inhaltliche Diskussionen mit mir zu führen und so die Arbeit weiterzuentwickeln. Die Betreuung hätte weder fruchtvoller noch anspruchsvoller sein können. Ferner möchte ich mich bei Professor David Armitage für eine unvergessliche Zeit an der Harvard University bedanken. Besonders profitierte ich von der ungeheuren Offenheit und Ermutigung, etablierte Thesen vor dem Hintergrund meiner empirischen Ergebnisse und theoretischen Erwägungen zu hinterfragen – David Armitages frühe Arbeiten zur Atlantic History an allererster Stelle. Unvergessen sind auch meine Gespräche mit Professor Bernard Bailyn und Professor David Blackbourn. Sie schenkten mir nicht nur ihre Zeit, sondern führten intensive und gewinnbringende Diskussionen mit mir. Alle drei sowie viele Kommilitonen, deren Bekanntschaft ich in Cambridge machen durfte, brachten meine Arbeit enorm weiter. Für die großzügige Einladung, die herzliche Aufnahme und die intellektuelle Inspiration – auch über meine wissenschaftliche Arbeit hinaus – möchte ich mich noch einmal ausdrücklich bedanken. Auf dem langen Weg von der Idee einer Biographie über Otto Philipp Braun bis zur Veröffentlichung dieses Buches unterstützten mich viele Menschen – besonders bei der Korrektur des Manuskriptes: Vielen Dank an meinen Vater, Dr. Hans-Georg Kiera, an meine Schwester Maren Kiera-Nöllen, an Stephan Mumm, Cornelia Petersen, Jan Kruse, Jörg Berning, Klaus Glaesner und die Designerin Nina Schumann, und über allen Dr. Katja Glaesner.

Inhaltsverzeichnis

Danksagung................................................................................................. 7 1. Einleitung........................................................................................... 13 2.

Transatlantische Jugend 1800–1820.............................................. 43

3.

Militärische Leistungen 1820–1825................................................ 73

4.

Politische Loyalität 1825–1828......................................................... 136

5.

Transfer von Prestige und Einfluss 1828–1830.............................. 197

2.1 Die Familie Braun zwischen Revolution, Reform und Restauration.......................................................................... 44 2.2 Militärische Erfahrungen während des Befreiungs­krieges 1814..................................................................................... 49 2.3 Europäische Expertise aus Hörsaal und Reitstall 1815–1818. 57 2.4 Scheitern und Anpassung: USA und Haiti 1818–1820......... 62

3.1 Ereignis- und strukturgeschichtliche Umbrüche in Südamerika und Europa........................................................ 74 3.2 Militärgeschichtsschreibung.................................................. 78 3.3 Braun im südamerikanischen Unabhängigkeitskrieg.............. 81 3.4 Militärisch-situative Leistungen: Junín und Ayacucho........... 106 3.5 Militärisch-strukturelle Leistungen: Das Kavallerie-Regiment Brauns.................................................................................. 125 3.6 Krieg als Katalysator und Risikofaktor politischer Karrieren............................................................................... 130

4.1 Postrevolutionäres Südamerika 1825–1828........................... 137 4.2 Braun fällt bei Sucre in Ungnade 1826.................................. 149 4.3 Politische Loyalität und militärische Leistungen in Krisensituationen als Karriere-Katalysatoren......................... 167

5.1 Der peruanisch-großkolumbianische Krieg 1828–1829........ 197 5.2 Berufliche Etablierung in Südamerika. Eine interna­tionale Diskussion zwischen Simón Bolívar, Andrés de Santa Cruz, Juan José Flores und Agustín Gamarra.................................. 211 5.3 Private Etablierung in Südamerika: Die Heirat in die Familie Rivero....................................................................... 218

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Inhaltsverzeichnis

6.

Kontakte durch Karriere 1830–1839............................................... 224

7.

Der Sturz: Rettung durch Prestigetransfer 1839........................... 326

8.

Wiederaufstieg: Einfluss in der atlantischen Welt 1839–1841... 347

9.

Unternehmer: Ökonomische Ressourcen und langfristige Investitionen..................................................................................... 380

6.1 Die Administration Santa Cruz und die peruanischbolivianische Konföderation.................................................. 225 6.2 Brauns Karriere und Netzwerk unter Santa Cruz 1830–1839........................................................................... 238

7.1 Der Zusammenbruch der Administration Santa Cruz im Februar 1839................................................................... 327 7.2 Karriereende Brauns: Prestige trotz Attentat, Arrest und Ausweisung........................................................................... 333 7.3 Prestige und Netzwerk mobilisieren internationale Hilfe....... 340

8.1 Machtkämpfe in Südamerika................................................ 348 8.2 Transatlantischer Agent 1839–1841...................................... 352 8.3 Die britische Außenpolitik: Braun und Lord Palmerston 1840..................................................................................... 356 8.4 Das politische Netzwerk Brauns im atlantischen Raum 1840 bis 1841....................................................................... 367

9.1 Unternehmerische Verbindungen in Europa.......................... 383 9.2 Unternehmerische Verbindungen in Südamerika................... 387 9.3 Zugang zum kurhessischen Kaufmannskapital...................... 389

10.

Kontinuierlicher Einfluss in der atlantischen Welt 1841–1855.... 393

10.1 Rückkehr und Restaurationsversuche von Andrés de Santa Cruz 1841–1843......................................................... 394 10.2 Geschäftsmann und Familienmensch Braun.......................... 413 10.3 Braun als historische Persönlichkeit und Zeitzeuge................ 416 10.4 Zwischen Präsidenten: José Ballivián und José Miguel Velasco 1843–1848 .......................................................................... 419 10.5 Rehabilitation, Bündnis und Bruch: Manuel Isidoro Belzu 1848–1853........................................................................... 427 10.6 Erneut transatlantischer Agent für Andrés de Santa Cruz 1854–1855........................................................................... 450 10.7 Europäische Spitzenpolitik: Braun und Louis Napoleon 1851..................................................................................... 461

Inhaltsverzeichnis

11.



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Elder Statesman 1855–1869............................................................ 464

11.1 Versöhnung: Braun und Belzu in Europa 1857–1859........... 465 11.2 General und Gentleman: Einblicke von Ernst Mossbach 1858–1861........................................................................... 469 11.3 Vermittler zwischen rivalisierenden Fraktionen: Die Präsidenten José María Linares und José María de Achá 1861........................................................................ 474 11.4 Die letzte Audienz: Braun beim französischen Außenminister Édouard Drouyn de Lhuys 1864 .......................................... 480 11.5 Lebensabend in Europa......................................................... 481

12. Zusammenfassung........................................................................... 484 13. Abbildungsverzeichnis..................................................................... 503 14. Abkürzungsverzeichnis.................................................................... 504 15.

Literatur- und Quellenverzeichnis.................................................. 505

Quellenbestände........................................................................... 505 Literatur....................................................................................... 508

Register......................................................................................................... 542

1. Einleitung Dies ist keine Biographie – zumindest keine im traditionellen Sinne. Diese Arbeit soll daher weder als Dekonstruktion einer Heldenfigur noch als Lobeshymne auf eine historische Person missverstanden werden. Es ist Ziel dieser Arbeit, den Aufstieg und Fall eines Menschen, nämlich des deutsch-südamerikanischen Politikers und Militärs Otto Philipp Braun, sowie seine transatlantische Karriere erstmals auf breiter Quellengrundlage zu rekonstruieren. Dies geschieht jedoch nicht als Selbstzweck. Vielmehr sollen durch die Rekonstruktion der Biographie auch bisher unbekannte empirische Daten und Zusammenhänge zu verschiedenen Aspekten der südamerikanischen Geschichte des 19. Jahrhunderts der Forschung und dem interessierten Leser zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus zielt diese Arbeit darauf, einige Fragen der Atlantic History aufzuwerfen, zu diskutieren und auf diese Weise einen Beitrag zu deren Weiterentwicklung zu leisten. Otto Philipp Brauns Karriere begann auf dem europäischen Kontinent. Kaum 16  Jahre alt, hatte sich der aus einer aufstrebenden bürgerlich-kosmopolitischen Familie stammende Braun Anfang des Jahres 1814 als Kavallerist für den Feldzug gegen Napoleon gemeldet und erste militärische Erfahrungen gesammelt. Nach dem Studium der Veterinärmedizin sowie einer militärischen und höfischen Reitausbildung wanderte Braun im Frühling 1818 in die USA aus. Sowohl dort als auch später auf Haiti machte er wichtige interkulturelle Erfahrungen. Seine beruflichen Pläne, sich dort als Tierarzt oder Rittmeister seinen Lebensunterhalt zu verdienen, erfüllten sich jedoch nicht. Nach diesen erfolglosen Stationen trat Braun Mitte 1820 in die Armee Simón Bolívars ein. Mit ihr nahm er an den Feldzügen in Kolumbien, Venezuela, Ecuador und Peru teil. Er tat dies lange Zeit als unbedeutender und unbekannter Offizier. Dies änderte sich erst im August 1824 auf dem Schlachtfeld von Junín in Peru. Dort trug Braun mit seiner gut ausgebildeten Schwadron und durch persönlichen Einsatz erheblich zum Sieg der Unabhängigkeits­armee über das spanisch-royalistische Heer bei. Diese Arbeit zeigt, dass das in der Schlacht gezeigte Verhalten Braun in das direkte Umfeld der militärischen und politischen Führung der Unabhängigkeitsarmee um Simón Bolívar und Antonio José de Sucre brachte. In den nächsten Jahren setzte Braun seinen Aufstieg trotz einiger Rückschläge fort. Mit Sucre zog Braun 1825 als Teil der siegreichen Unabhängigkeitsarmee in Hoch-Peru (Bolivien) ein. Während der dortigen Präsidentschaft Sucres zeichnete sich Braun gerade in den schweren Stunden des Zusammenbruchs der Regierung durch bedingungslose politische und persönliche Loyalität unter Einsatz seines Lebens aus. Nach weiteren Stationen und dem Tod Bolívars trat Braun in die Dienste des neuen bolivianischen Präsidenten Andrés de Santa Cruz. Hier entwickelte sich Braun von einem militärischen Experten zu einem

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Einleitung

engen politischen Vertrauten des Präsidenten. Dies zeigen nicht nur Diskussionen hinter den Kulissen, sondern auch Brauns immer verantwortungsvoller werdende Positionen als Präfekt, Kriegsminister und Regierungsmitglied. Für den Sieg im peruanisch-bolivianisch-argentinischen Krieg belohnte Santa Cruz Braun 1838 schließlich mit der höchsten militärischen Ehre: dem Rang eines Großmarschalls. Wenig s­päter jedoch stürzten Rebellionen in Peru und Bolivien die Regierung der kurzlebigen peruanisch-bolivianischen Konföderation. Nach Attentat, Haft und Hausarrest musste Braun Bolivien Mitte des Jahres 1839 verlassen. Er reiste dank der Unterstützung einflussreicher Freunde nach Europa. Die Rückkehr auf die andere Seite des Atlantiks war jedoch nicht die Heimkehr eines Gescheiterten. Im Gegenteil: Als Otto Philipp Braun nach der Überfahrt in Großbritannien von Bord ging, wartete auf ihn die Einladung des britischen Außenministers Lord Palmerston. Einer der wohl mächtigsten Politiker seiner Zeit lud den Großmarschall offiziell zu Gesprächen ins Außenministerium ein. Dies war für Braun der Auftakt zu einer umfassenden politischen Betätigung. In den folgenden Jahrzehnten agierte Otto Philipp Braun kontinuierlich auf beiden Seiten des Atlantiks als Politiker. Für Jahrzehnte pflegte er ein hochkarätiges Netzwerk zu unterschiedlichen politischen Fraktionen der bolivianischen, aber auch der peruanischen, ecuadorianischen, kolumbianischen, chilenischen und argentinischen Politik. Viele Akteure versuchten, den einflussreichen Großmarschall für ihre jeweiligen Projekte zu gewinnen. Zuerst arbeitete Braun in Europa und nach seiner Rückkehr im Jahre 1841 in Südamerika als Agent des gestürzten Santa Cruz an dessen Wiedereinzug in den bolivianischen Präsidentenpalast. Nach dem Scheitern mehrerer Versuche, die Macht in Bolivien für Santa Cruz zurückzuerobern, floh Braun Ende 1843 erneut nach Europa. Von dort nahm er über den persön­ lichen Kontakt mit Akteuren südamerikanischer Politik in Europa sowie über Briefe an Akteure vor Ort weiterhin an südamerikanischer Politik teil. Braun verließ zwar häufig den südamerikanischen Kontinent für längere Zeit, er war jedoch stets Teil des dazugehörigen politischen Raumes. Die große Distanz und die geringe Kommunikationsgeschwindigkeit scheinen Braun hierbei kaum behindert zu haben. Fast genau zehn Jahre nach der Ausweisung aus Bolivien trat Braun im Februar 1849 – wieder in Südamerika – als zentrale Figur der Allianz zwischen der Fraktion von Santa Cruz und des neuen bolivianischen Präsidenten Manuel Isidoro Belzu aus dem politischen Hintergrund hervor. Braun übernahm sogar kurzzeitig die Kommandantur des Regierungssitzes La Paz. Er erwies sich als wichtige Stütze der Administration seines ehemaligen Untergebenen Belzu. Nach dem Bruch dieser Allianz reifte auf beiden Seiten des Atlantiks die Idee, Santa Cruz 16 Jahre nach dem Ende

Einleitung



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Karte 1

seiner Präsidentschaft als Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen in Bolivien 1855 aufzustellen. Hierbei fungierte Braun als transatlantischer Wahlkampfkoordinator. Nach dem Scheitern dieses Projektes wandelte sich Braun von einem aktiven politischen Akteur zum Elder Statesman. Als dieser trat er vor allem in Krisensituationen als Vermittler zwischen unterschiedlichsten politischen Frak-

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Einleitung

tionen in Bolivien auf. Braun verfügte jedoch nicht nur in Südamerika über viele Jahrzehnte hinweg über politischen Einfluss und gesellschaftliches Ansehen. Ihm war es auch gelungen, beides über die Grenzen von Ländern und Kontinenten nach Europa zu transferieren. Denn auch in Europa erhielt er immer wieder Zugang zur Spitzen­politik. Am Anfang stand das Gespräch mit dem britischen Außenminister Lord Palmerston 1840. Weitere wichtige Begebenheiten waren ein Treffen mit dem französischen Präsidenten Louis Napoleon 1851 sowie die Einladung des französischen Außenministers Éduard Drouyn de Lhuys 1864. Brauns gesellschaftliches Prestige und sein politischer Einfluss blieben auf beiden Seiten des Atlantiks für viele Jahrzehnte – fast bis zu seinem Tod 1869 – erhalten. Trotz der Bedeutung von Otto Philipp Braun als südamerikanisch-europäischem Militär und Politiker hat seine Biographie erstaunlicherweise bisher keine wissenschaftliche Beachtung gefunden. Dies ist leider für viele politisch einflussreiche Akteure des 19. Jahrhunderts in Südamerika der Fall. Bis auf einige prominente Protagonisten des Unabhängigkeitskrieges und eine Reihe von bedeutenden Staatsoberhäuptern existieren für die Mehrheit südamerikanischer Politiker des 19. Jahrhunderts im Gegensatz zu ihren europäischen Pendants nur wenige wissenschaftliche, auf breiter Quellengrundlage beruhende Biographien. Dies hat seine Gründe zum einen in der häufig schwierigen Quellensituation, vor allem aber in der Geschichte der südamerikanischen Historiographie selbst. Diese war bei ihrer Entstehung um eine scharfe Abgrenzung zu den methodisch fragwürdigen Heldengeschichten ihrer Vorgänger bemüht. In der Folgezeit mieden Historiker südamerikanischer Geschichte häufig das biographische Genre. Als Konsequenz existiert in Südamerika keine ausgeprägte wissenschaftliche Biographik.1 Aus wissenschaftlicher Sicht wäre eine eingehende Beschäftigung mit den fehlenden Biographien jedoch wünschenswert. Schließlich haben wissenschaftliche, also auf breiter Quellengrundlage beruhende und methodisch reflektierte Biographien das Potenzial, das mittels strukturalistischer Ansätze gezeichnete Bild einer historischen Epoche um eine wichtige Perspektive zu ergänzen. Ohne die Ergänzung akteurszentrierter, mikrohistorischer biographischer Forschung besteht die Gefahr, Geschichte als logisches Ergebnis abstrakter Strukturen ohne menschlichen Entscheidungsspielraum, also letztlich als natürlichen, nicht menschlichen Prozess, misszuverstehen. Gerade Biographien können jedoch zeigen, dass das Leben von Individuen zwar deutlich von Strukturen geprägt wird, diese Individuen dennoch in ihren Kontexten selbstständig agieren. Es ist Hauptziel der vorliegenden Arbeit, erstmals eine wissenschaftlich fundierte Biographie über die wesentlichen Lebensabschnitte Otto Philipp 1

Monteón, Biography and Latin American History, 2005, S. 193f. Die bolivianische Historiographie ist hier ein besonders deutliches Beispiel: Barnadas, Biografías, 2002, S. 319f.

Einleitung



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Brauns vorzulegen. Hierbei soll gezeigt werden, dass trotz aller logistischen Unwägbarkeiten und quellentechnischen Herausforderungen Biographien südamerikanischer Politiker des 19. Jahrhunderts nicht nur erkenntnisreich, sondern auch durchführbar sind. Dabei soll die Biographie über Otto Philipp Braun nicht nur neue empirische Daten über seinen Lebensweg erarbeiten, sondern auch Aussagen über seine Zeit treffen. Denn zu einer Reihe von Themen, wie etwa der bolivianischen Präsidentschaft Sucres Ende der 1820er Jahre oder der Administration von Santa Cruz in den 1830er Jahren, liegen nur sehr wenige wissenschaftlich tragfähige Überblickswerke und nahezu keine auf breiter Quellengrundlage beruhende Detailstudien vor. Zu trans­ atlantischen Prozessen der südamerikanischen Politik in den 1840er bis 1860er Jahren existieren keine biographisch gestützten Detailunter­suchungen. Zum südamerikanischen Unabhängigkeitskrieg in den 1820er Jahren liegen zwar Studien und auch einige Biographien insbesondere über die Protagonisten der militärisch-politischen Führung vor, jedoch nur äußerst wenige Arbeiten zu wichtigen Akteuren in deren unmittelbarem Umfeld. Vor allem der Mangel an empirisch dichten Werken zum politischen Tagesgeschäft erschwerte die Untersuchung, da häufig selbst grundlegende Daten und Zusammenhänge kaum zu eruieren waren. Hier lag jedoch auch die Chance der Arbeit, aufgrund der hohen Anzahl und Aussagekraft vieler bisher von der Forschung nicht herangezogener Quellen auch einige grundlegende empirische Daten und bisher unbekannte Zusammenhänge zu rekonstruieren. Beispielsweise trifft diese Arbeit Aussagen über die Mechanismen des Einstiegs und Aufstieges eines europäischen Auswanderers in die politische Elite Südamerikas Anfang des 19. Jahrhunderts. Neben transatlantischen Faktoren, wie militärischem Wissen und einer akademischen Ausbildung, waren es vor allem von hohen Offizieren als herausragende militärisch-situative und militärisch-strukturelle Leistungen interpretierte Handlungen Brauns, die ihn in den Führungszirkel der bolivarischen Unabhängigkeitsarmee brachten und ihn dort etablierten. Diese Faktoren – zusammen mit einer außergewöhnlichen politischen Loyalität, administrativ-politischen Leistungen und einem hochkarätigen Netzwerk – bildeten das Fundament des gesellschaftlichen Ansehens und politischen Einflusses Brauns. Im Laufe seines Lebens gelang es Braun immer wieder und scheinbar mühelos, dieses Ansehen und den Einfluss über biografische Brüche und über die Grenzen politischer Fraktionen, Länder und Kontinente hinweg zu transferieren. Dabei zeigte sich, dass Braun, so oft und so lange er Südamerika auch verließ, dennoch stets Teil des politischen Raumes blieb, in dem südamerikanische Politik verhandelt wurde. Diese Beobachtungen können als Hinweise auf die Durchlässigkeit sozialer und politischer Grenzen in der atlantischen Welt jener Zeit dienen. Diese Arbeit möchte sich diesen Themen durch die Biographie Brauns empirisch nähern.

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Neue Biographik Diese Arbeit möchte sich methodisch von der sogenannten ‚Alten Biographik abgrenzen. So wertvoll die Impulse der frühen Vertreter der Alten Biographik, wie beispielsweise Wilhelm Dilthey und Johann Gustav Droysen, auch waren, ihre Methodik hielt späterer Kritik nicht stand. Beispielsweise hatten viele Anhänger der Alten Biographik das in sich geschlossene Selbst eines Individuums betont.2 Der Protagonist der Biographie, meist ein als welthistorisch bedeutend angesehener Mann, erschien als „eine kleine Welt für sich“3, herausgelöst aus gesellschaftlichen Strukturen. Dabei ließen die Autoren häufig eine kohärente und stringente Persönlichkeit entstehen.4 Folglich prägten lineare Erzählstrukturen, lebensgeschichtliche Kontinuität sowie narrativ hergestellter Determinismus die damaligen Biographien. Es war auch nicht unüblich, Informationen, die dieses Bild trüben konnten, bewusst oder unbewusst aus den Werken fernzuhalten.5 Schon in den 1920er Jahren hatte etwa Siegfried Kracauer vor dieser „Harmonisierungstendenz“6 und der „Geschlossenheit der alten Romanform“7 gewarnt und die Biographie als „neubürgerliche Kunstform“8 kritisiert. Dies hatte jedoch den Erfolg der Biographik – auch als wissenschaftliches Genre – vorerst nicht mindern können. In der westdeutschen Geschichtswissenschaft wirkte das alte historistische Paradigma bis in die frühen 1970er Jahre fort.9 Der Siegeszug der strukturalistisch-quantitativen Sozialgeschichte jedoch drängte die Alte Biographik an den Rand der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung.10 Wie 2

Dilthey, Geisteswissenschaften, 1883, S. 13. Droysen, Historik, 1960, S. 219. Zur Biographik im 19. Jahrhundert siehe: Hähner, Historische Biographik, 1999. Hamerow, Die Kunst der historischen Biographik, 1982, S. 30ff. Kruckis, Biographie als literaturwissenschaftliche Darstellungsform im 19.  Jahrhundert, 1994, S. 550ff. Scheuer, Die Biographie, 1979. 3 Droysen, Historik, 1960, S. 219. 4 Bödeker, Biographie, 2003, S. 30. Klein, Biographik, 2002, S. 7. 5 Hoffmann, Lüge und Fälschung, 2001, S. 15ff. 6 Kracauer, Die Biographie als neubürgerliche Kunstform, 1970 [=1927], S. 75ff. 7 Ebd. 8 Ebd. Wie eine Biographie jenseits dieser Kritik aussehen könnte, demonstrierte Kracauer in einem Werk, das vor allem Wert auf das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft legte. Kracauer, Jacques Offenbach, 1976. 9 Hähner, Historische Biographik, 1999, S. 4ff. Als herausragende, aber wenig beachtete biographische Gegenbeispiele dieser Zeit gelten: Enzensberger, Duruttis Leben, 1972. Hildesheimer, Mozart, 1977. 10 Konstruktivistische Fundamentalkritiken, wie etwa von Pierre Bourdieu, sprachen gar von einer „biographischen Illusion“. Bourdieu, Die biographische Illusion, 1998, S. 75ff. (Original: Bourdieu, L’illusion biographique, 1986, S. 69ff.) Zur anschließenden Diskussion siehe: Le Goff, Biographie historique, 1989, S. 49f. Niethammer, Kommentar zu Pierre Bourdieu, 1990, S. 91ff. Liebau, Eine Bourdieu-Lektüre,

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viele historiographische Wenden zuvor löste aber auch die Durchsetzung der stark auf gesellschaftliche Strukturen fokussierten Sozialgeschichte ab Anfang der 1980er Jahre eine neue Gegenbewegung aus. Eine Reihe junger Historiker begann, sich mit Themen wie der Alltagsgeschichte, der Kulturgeschichte, der Historischen Anthropologie und anderer Sachgebiete zu beschäftigen, welche die als menschenleer kritisierte Sozialgeschichte vernachlässigte. Dabei führten sie innovative Methoden ein, etwa die Mikrogeschichte. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie sehr begrenzte Forschungsgegenstände detailliert untersucht, dies jedoch nicht als Endziel betrachtet. Sie erforscht vielmehr eng gefasste Objekte, um hierdurch neue Erkenntnisse für übergeordnete Fragen der Makrogeschichte herauszuarbeiten.11 Im Fahrwasser dieser Entwicklung kehrte auch das zuvor verbannte Individuum wieder in die Geschichts­wissenschaft zurück.12 Bald ­lagen erste biographisch-mikrohistorische Arbeiten vor.13 Inzwischen erschienen auch konzeptionelle Erörterungen, allen voran von Hans-Erich Bödeker sowie Christian Klein, welche die neuen biographischen Arbeiten zu einer Neuen Biographik zusammenführten.14 Diese Neue Biographik zielt nicht mehr auf die Konstruktion einer Heldengeschichte ab. Sie sieht die Biographie vielmehr als mikrohistorische Methode zur Erweiterung der historiographischen

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1990, S. 83ff. Scheuer, Biographie, 1995, S. 125. Ferner: Bari, Die Biographie ist akademischer Selbstmord, 2001, S. 38f. Dainat, Biographie, 1997, S. 237. Kaulen, Die literaturwissenschaftliche Monographie, 1993, S. 164. Siehe zur Forschungsgeschichte etwa: Blackbourn, Das Kaiserreich transnational, 2004, S. 302. Daniel, Kulturgeschichte, 2006, S. 195ff. Daniel, Kultur und Gesellschaft, 1993, S. 69ff. Daniel, Kulturgeschichte, 2003, S. 186ff. Die Mikrogeschichte trieben vor allem voran: Ginzburg, Mikro-Historie, 1993, S. 169ff. Schlumbohm, Mikrogeschichte-Makrogeschichte, 2000, S. 7ff. Lüdtke, Alltagsgeschichte, MikroHistorie, 1998, S. 565ff. Medick, Mikro-Historie, 1994, S. 40ff. Ulbricht, Mikro­ geschichte, 1994, S. 351ff. Berlepsch, Die Wiederkehr des ‚wirklichen Menschen‘, 1989, S. 488ff. Blackbourn, Das Kaiserreich transnational, 2004, S. 302ff. La Vopa, Contextual Biographer, 2003, S. 114. Medick, Ethnologische Erkenntnisweisen, 1984, S. 295ff. Schulze, Die Biographie, 1978, S. 508ff. Hierbei besaß Carlo Ginzburgs „Der Käse und die Würmer“ als Pionierarbeit Signalcharakter. Ginzburg, Der Käse und die Würmer, 1979. In diese Reihe gehören auch: Davis, Le retour de Martin Guerre, 1982. Meier, Cäsar, 1986. Hildesheimer, Marbot, 1981. Gradmann, Kritische Anmerkungen, 1992, S. 1ff. Klein, Christian, Lebensbeschreibung, 2002, S.  69ff. Klein, Biographik, 2002, S. 1ff. Koller, Biographie, 1993, S. 33ff. Margadant, The New Biography, 1996, S. 145ff. Meier, Faszination, 1989, S. 108. Moote, New Bottles, 1996, S. 911ff. Trischler, Individuum und Gesellschaft, 1998, S. 43f. Soriga, La biographie, 1996, S. 211ff. Hans Erich Bödecker definierte dabei die Neue Biographik als „Spielart der Mikro-Historie“ (Bödeker, Diskussionsstand, 2003, S. 17). Auch: Raulff, Biographik, 2002, S. 55ff. Zur amerikanischen Diskussion siehe: Backsheider, Reflections on Biography, 1999, S. 60ff.

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Einleitung

Perspektive.15 Dabei vermeidet die Neue Biographik, den Objektivitätsgestus ihrer Vorgängerin, indem sie in Anlehnung an den von der Literaturwissenschaft vorangetriebenen Linguistic Turn die schriftlich-textliche Konstruktion wissenschaftlicher Arbeiten betont.16 Dies gilt auch für diesen Text. Auch der Autor der vorliegenden Arbeit organisierte diese aus Quellen und aus wissenschaftlicher Literatur. Ferner gliederte und re-konstruierte er sie zu einer text­ lichen Einheit.17 Neben diesem konstruktivistischen Bewusstsein weist die Neue Biographik zudem auf fehlende Quellen und Wissenslücken hin.18 Im Fall von Otto Philipp Braun gilt es, trotz der ungewöhnlich guten Quellenlage vor allem auf deren abnehmende Quantität für die späteren Lebensjahre sowie auf sektorale Lücken hinzuweisen. Beispielsweise sind keine Briefe an seine beiden Ehefrauen, fast keine Briefe an seine Schwiegerfamilie und keine Briefe an seine Kinder erhalten.19 Folglich ist eine Untersuchung der privaten und familiären Seite Otto Philipp Brauns äußerst schwierig bis unmöglich. Dies ist vermutlich auf die langen transatlantischen Reisen, auf verstreute Postadressen20 und unterschiedliche Wohnorte zurückzuführen, eventuell auch auf ein zurückgehendes Interesse des Protagonisten an einer systematischen Registrierung im Verlauf der Jahrzehnte, nicht zuletzt aber auch auf bewusste Vernichtung. Darüber hinaus ersetzt die Neue Biographik die teleologischen Erzählmuster, Metageschichten und stringenten Kausalitäten durch das offene Eingeständnis

15 Vereinzelte Vertreter der Neuen Biographik forderten eine moralische Lektion moderner Biographien. Diese Position konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Söderqist, Tugendethische Gattung, 2003, S. 290ff. Dagegen argumentierte explizit: Gradmann, Anmerkungen, 2003, S. 266. Neben der moralischen Bewertung wird auch diskutiert, ob eine Gesamtdeutung einer historischen Person überhaupt möglich ist. Zur Diskussion siehe: Nowak, Das „Ich“ und seine Umwelt, 2003, S. 207ff. 16 Maßgeblich zu dieser Diskussion siehe: White, Auch Klio dichtet, 1986. Zur Geschichtswissenschaft und Diskurstheorie: Keller, Diskursanalyse, 2006, S. 8ff. Sarasin, Diskurstheorie, 2006, S. 56ff. 17 Alt, Biographik, 2002, S. 28ff. Bödeker, Diskussionsstand, 2003, S. 18f. Frijhoff, The Biography of Everhardus Bogardus, 2003, S. 65ff. Klein, Lebensbeschreibung, 2002, S. 69ff. Koller, Biographie, 1993, S. 33ff. Rooijakkers, Contextuele biografie, 2000, S. 310ff. Hermann Kurzke sprach sich dagegen aus, die Methode einer Arbeit zu thematisieren. Dies würde das „Ergebnis zum bloßen Produkt einer Maschinerie“ degradieren „und [...] ihm damit das Leben [rauben].“ (Kurzke, Zur Rolle des Biographen, 2002, S. 173). Folgende Autoren stehen dem – wie der Verfasser – entgegen: Bödeker, Diskussionsstand, 2003, S. 52. Meier, Faszination, 1989, S. 108. 18 Alt, Biographik, 2002, S. 33. Borchard, Lücken schreiben, 2003, S. 211ff. 19 Zu postalischen Quellen siehe: Weigel, Zum postalischen Prinzip, 2002, S. 41ff. 20 In Zeiten der Abwesenheit ließ Braun in Südamerika, aber sicherlich auch in Deutschland Briefe an sich bei Freunden und Geschäftspartnern sammeln. Gerade in den Jahren des Exils existierte kein exklusiver Ort hierfür.

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von Brüchen, Fehlern und Wendungen im Leben des Protagonisten.21 Die Neue Biographik zeichnet sich dadurch aus, dass sie Offenheit und Zufälligkeit von Geschichte thematisiert und an gegebener Stelle durchaus auch kontrafaktische Überlegungen zulässt.22 So möchte auch diese Arbeit den Eindruck einer Abfolge aufeinander aufbauender, kausal bedingter Erfolge vermeiden. Brauns Karriere soll auch als ein von Zufällen und Rückschlägen gezeichneter Weg verstanden werden. Dort allerdings, wo Quellen dies nahelegen, wird das Kausalitätsprinzip nicht gänzlich aufgegeben. Auch folgt diese Arbeit trotz aller Inspiration durch die Neue Biographik und diverser thematischer Einschübe zur Entwicklung der Argumentation häufig chronologischen Erzählstrukturen. Als weitere Neuerung thematisiert die Neue Biographik die Widersprüchlichkeiten und die Unterschiedlichkeit der Rollen ihrer Protagonisten.23 Dabei betont sie eine chronologische und sektorale Diskontinuität. Bei Otto Philipp Braun unterschied sich – als Beispiel für die chronologische Diskontinuität – seine Rolle als unbedeutender Kavallerie­offizier in den 1820er Jahren erheblich von der späteren sozialen Realität eines erfolgreichen Kriegsministers oder gar Großmarschalls. Als Beispiel für eine sektorale Diskontinuität kann Brauns unterschiedlicher Umgang mit Untergebenen, Vorgesetzten und Familienmitgliedern zur gleichen Zeit gelten. Um diese Diskontinuitäten zu unterstreichen, verwendet der Autor immer wieder die deutsche und spanische Bezeichnung des Protagonisten, also Otto Philipp bzw. Felipe Braun.24 Ferner werden am Ende der Arbeit drei unterschiedliche, jedoch gleichberechtigte Interpretationen der Biographie Brauns nebeneinandergestellt, um aufzuzeigen, dass dieselben historischen Daten unterschiedlich gedeutet werden können. Zur Neuen Biographik ist es abschließend wichtig zu unterstreichen, dass sie weder wie früher als „einzig wahre Geschichte“25 noch als radikaler Ge21 Alt, Biographik, 2002, S. 29. Bödeker, Biographie, 2003, S. 42. Dies betonen auch diskurstheoretische Ansätze: Sarasin, Diskurstheorie, 2006, S. 60. 22 Dabei gibt diese Arbeit Kausalität nicht gänzlich auf. Frijhoff, The Biography of Everhardus Bogardus, 2003, S. 73. Klein, Biographik, 2002, S. 12. 23 Die Inkonsistenz von Lebensläufen betonen auch: Bödeker, Biographie, 2003, S. 14, 26f. Frijhoff, Biography, 2003, S. 73. Raulff, Biographik, 2002, S. 57. Söderqvist, Science biography, 1996, S. 55. Weigel, Zum postalischen Prinzip, 2002, S. 44. 24 Neben den in dieser Arbeit verwendeten Namen Otto Philipp Braun und Felipe Braun existieren noch weitere Schreibweisen und einige Verwechslungsmöglichkeiten, etwa: Felipe Broune oder Felipe Brown. Darüber hinaus gibt es in derselben Epoche und in derselben Region eine Person, die mitunter mit Otto Philipp Braun verwechselt wurde. Dabei handelt es sich um den in argentinischen Diensten stehenden irischen Admiral William Brown (1777–1857), der auch als General Brown bezeichnet wird. Zu William Brown siehe: Vogel, Río de la Plata, 1992, S. 349. 25 Dies hatte der schottische Historiker Thomas Carlyle stellvertretend für viele Vertreter der Alten Biographik formuliert. 13.01.1832 Journal of Thomas Carlyle, in: Froude, Thomas Carlyle, Bd. 2, 1882, S. 187.

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genentwurf, sondern als ergänzende Perspektive zu strukturalistischen Ansätzen verstanden werden soll. So ist es ihr Ziel, Verbindungen zwischen der historischen Person und den sie umgebenden Strukturen und Ereignissen herauszuarbeiten, ohne diese allerdings abschließend erklären zu wollen oder zu können. Der Mehrwert der Arbeit soll daher – neben neuen empirischen Daten – darin bestehen, mit einer individualbiographischen P ­ erspektive neue Erkenntnisse zu ermög­lichen.26 Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Atlantic History.

Atlantic History Biographien von politisch-militärischen Akteuren des 19. Jahrhunderts wurden häufig in einer nationalgeschichtlichen Perspektive verortet. Dies kann bei einigen Vertretern dieser Gruppe durchaus sinnvoll sein. Im Fall des deutsch-südamerikanischen Militärs und Politikers Otto Philipp Braun legen es der ausgedehnte Aktionsradius und die Lebensrealität des Akteurs allerdings nahe, auf einen nationalstaatlich orientierten Zugriff zu verzichten. Stattdessen bietet sich eine globalgeschichtliche Verortung an, da Otto Philipp Brauns Biographie etwa der Definition eines globalen Lebenslaufes von Bernd Hausberger entspricht.27 Der Verfasser zieht allerdings die Einbettung der Biographie Brauns in die Atlantic History vor. Erstens entspricht der Atlantik dem Handlungsraum Otto Philipp Brauns. Zweitens lassen aktuelle Debatten der Atlantic History vermuten, dass Brauns Biographie hier womöglich die interessantesten Fragen aufwerfen könnte.28 Dies gilt besonders für die Periodisierung der Atlantic History. Für viele Vertreter dieser historischen Subdisziplin scheint die atlantische Geschichte nach der Unabhängigkeit der ehemaligen 26 Bödeker, Biographie, 2003, S. 20ff. Borchard, Lücken schreiben, 2003, S. 214. Frij­ hoff, Biography, 2003, S. 99. Meier, Cäsar, 1986. Nowak, Das „Ich“ und seine Umwelt, 2003, S. 173ff. La Vopa, Contextual Biographer, 2003, S. 127. 27 Hausberger, Globalgeschichte als Lebensgeschichte, 2006, S. 13. 28 Dass sich viele andine Länder, in denen Otto Philipp Braun agierte, nicht am Atlantik, sondern am Pazifik befinden, mindert seine Bedeutung für die atlantische Geschichte nicht. Denn Europa war sowohl für ihn persönlich als auch für andine Länder, wie Peru und Bolivien, ein wichtiger politischer, kultureller und ökonomischer Referenzpunkt – was sich auch durch die beschränkten logistischen Möglichkeiten im Pazifik und ein „geschlossenes Kommunikationssystem“ im Atlantik erklären lässt. Dabei stand die britische Hauptstadt London für das politische und die französische Hauptstadt Paris für das kulturelle Zentrum der (atlantischen) Welt. Siehe auch: Bailyn, Atlantic History, 2005, S. 83. Zu Paris als lateinamerikanischem Referenzpunkt siehe: Nelle, Atlantische Passagen, 1996, S. 10ff. Streckert, Lateinamerikaner in Paris, 2013, S. 8ff. Zur Untersuchung des Pazifiks als historischen Raum siehe: Armitage/Bashford, The Pacific, 2013, S. 1ff.

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Kolonien zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu enden.29 Neben explizit formulierten Zeitgrenzen erwecken viele Studien, Sammelbände und Aufsätze mit ihren auf den Anfang des 19. Jahrhunderts gelegten Zeitgrenzen implizit den Eindruck, diese Zeitgrenze als Zuständigkeitsgrenze der Atlantic History zu verstehen.30 Hinzu kommt die Tendenz, das 19. Jahrhundert den nationalen Historiographien der unabhängigen Staaten zu überlassen.31 Zwar mag dies für einige Untersuchungsgegenstände sinnvoll sein, doch wurde dieses Vorgehen in letzter Zeit häufiger kritisch reflektiert.32 Die bisherige Forschung der Atlantic History legt ihren inhaltlichen Fokus vor allem auf die Untersuchung des nach den ersten Ozeanüberquerungen einsetzenden demographischen, ökonomischen und ideengeschichtlichen Austauschs zwischen den Kontinenten.33 Die Atlantic History zielt durch die Analyse dieser 29 David Armitage und Horst Pietschmann sprechen explizit von einer Grenze: Armitage, Three Concepts of Atlantic History, 2002, S. 11f. Zwar unterstreicht Horst Pietschmann das „atlantische Potenzial“ des 19. Jahrhunderts. Gleichzeitig definiert er jedoch 1830 als Grenze seiner Periodisierung. Pietschmann, Atlantische Geschichte, 2003, S. 69. Ähnlich: Pietschmann, Atlantic History, 2002, S. 11ff. Für eine stärkere Betrachtung des 19. Jahrhunderts sowie seiner atlantischen Verbindungen argumentiert etwa: Osterhammel, In Search of a Nineteenth Century, 2003, S. 10f, S. 23. Bernard Bailyn spricht sich trotz aller Unterschiede auch für das 19. Jahrhundert für eine atlantische Kultur aus: Bailyn, Atlantic History, 2005, S. 109. 30 Zwar sprechen folgende Studien nicht von einem Ende der Atlantic History, jedoch gehen sie nicht über die Grenze des beginnenden 19. Jahrhunderts hinaus: Canny, Altantic History, 2002, S. 55 ff. Muldoon, The Americas and World Order, 2002, S. 65f. Emmer, The Atlantic Economy 1500–1800, 2002, S.169ff. Armitage / Braddick, Introduction, 2002, S. 1ff. Blackburn, The Making of New World Slavery, London 1997. 31 Pietschmann, Atlantische Geschichte, 2003, S. 68f. 32 Egerton, Rethinking Atlantic Historiography, 2011, S. 79ff. Bender, Introduction, 2007, S. XXf. Fröschl, Atlantische Geschichte, 2003, S. 8. 33 Elliott, Atlantic History, 2002, S. 239. Fröschl, Atlantische Geschichte, 2003, S. 3. O’Reilly, The Atlantic World and Germany, 2005, S. 35. Pieper/Schmidt, Introduction, 2005, S. 16. Pietschmann, Atlantic History, 2002, S. 40. Zum demographischen Austausch: Games, Migration, 2002, S. 31ff. Games, Migration and the Origins of the English Atlantic World, 1999. Explizit zum Sklavenhandel siehe: Blackburn, The Making of New World Slavery, 1997. Eltis, The Rise of African Slavery in the Americas, 1999. Klein, The Atlantic Slave Trade, 1999. Meißner/Mücke/Weber, Schwarzes Amerika, 2008. Zum ideengeschichtlichen Austausch: Godechot, France and the Atlantic Revolution, 1965. Linebaugh/Rediker, Hidden History of the Revolutionary Atlantic, 2000. Palmer, The Age of the Democratic Revolution, 1959/1964. Verlinden, Les origines de la civilisation atlantique, 1966. Zum ökonomischen Austausch: Bailyn, The New England Merchants, 1955. Chaunu/Chaunu, Séville et l’Atlantique, 1955–1959. Emmer, The Atlantic Economy 1500–1800, 2002, S.169ff. Garcia-Baquero González, Cádiz y el Atlántico, 1976. McCusker, Essays in the Economic History of the Atlantic World, 1997. O’Rouke/Williamson, The Evolution of a Nineteenth-Century Atlantic Economy, 1999.

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Verbindungen darauf, vor allem nationalstaatlich orientierte Begrenzungen aufzubrechen und transatlantisch-transnationale Dimensionen historischer Prozesse zu verdeutlichen.34 Der Vorteil der Atlantic History besteht hierbei darin, dass sie Gegenstände gemeinsam betrachtet, die von einer eher nationalstaatlich orientierten Kolonialgeschichtsschreibung oftmals getrennt voneinander untersucht wurden. Dadurch legt die Atlantic History bisher verdeckte historische Verhältnisse, Interdependenzen und Verbindungen offen und verbessert das Verständnis historischer Prozesse.35 Die inhalt­liche Fokussierung der Atlantic History liegt vor allem in ihrer methodischen Abgrenzung zur Kolonialgeschichtsschreibung begründet. Letztere hatte sich nicht nur an sprachlichen und staatlichen Grenzen orientiert, sondern sich auch methodisch an die Alte Biographik angelehnt und eine Reihe später stark kritisierter Biographien über „Entdecker und Eroberer“ vorgelegt. Um deren methodische Problematik zu vermeiden, bedient sich die Atlantic History vor allem strukturgeschichtlicher Vorgehensweisen, die sie auf hierfür zugäng­liche Gegenstände wie Demographie, Ökonomie und Ideen­ geschichte anwendet.36 Hierbei geraten allerdings die politischen Verbindungen der politischen ­Akteure häufig aus dem Blick. Dabei könnte auch hier gezeigt werden, dass politische Verbindungen sowie politische Räume in der atlantischen 34

Armitage (u.a.), Nationalism and Internationalism, 2011, S. 455ff. Armitage, Three Concepts of Atlantic History, 2002, S. 14f. Armitage/Braddick, Introduction, 2002, S. 1ff. Bailyn, Atlantic History, 2005. Bailyn, Preface, 2002, S. XVII. Bailyn, The Idea of Atlantic History, 1996, S. 19ff. Birmingham, Trade and Empire in the Atlantic, 2000. Canny, Atlantic History and Global History, 2005, S. 34. Canny, Altantic History 1492–1700, 2002, S. 55ff. Canny, Atlantic History: What and Why? 2001, S. 399ff. Davis, The Rise of the Atlantic Economies, 1973. Elliott, ‚Introduction’, 1987, S. 3ff. Erdmann, Internationale Historikerkongresse, 1987, S. 315. Fröschl, Atlantische Geschichte, 2003, S. 3ff. Hancock, London merchants and the integration of the British Atlatnic community, 1995. Israel, Spain, the Low Countries and the Struggle for World Supremacy, 1997. Karras/McNeil, Atlantic American societies, 1992. Liss, Atlantic Empires,1983. Mauro, Le Portugal et l’Atlantique, 1960. McNeill, Atlantic empires of France and Spain, 1985. Moya, Atlantic World, 2007, S. 179. O’Reilly, The Atlantic World and Germany, 2005, S. 35ff. Pieper/Schmidt, Introduction, 2005, S. 17f. Pietschmann, Atlantische ­Geschichte, 2003, S. 67ff. Pietschmann, Atlantic History, 2002, S. 12. Steele, The English Atlantic, 1986. Verlinden, Les origines de la civilisation atlantique, 1966. 35 Dies betonten vor allem David Armitage, Michael Braddick und Thomas Fröschl: Armitage/Braddick, Introduction, 2002, S. 1ff. Fröschl, Atlantische Geschichte, 2003, S. 3. 36 Nur wenige Arbeiten der Atlantic History untersuchen ihren Gegenstand akteursbezogen. Wenn dies geschieht, dann oft in einer gruppenbiographischen Perspektive. Schnurmann, Atlantische Welten, 1998. Weber, Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel. 2004. Nur äußerst wenige Publikationen konzentrieren sich auf einzelne Akteure: Dunkerley, The Americas in the world around 1850, 2000. Wenn dies unternommen wird, so meist in ideengeschichtlicher Perspektive: Prutsch, Die atlantische Perspektive, 2003, S. 98ff

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Welt über staatliche Grenzen und Kontinente hinweg existierten und von einzelnen Akteuren als konkreter Handlungsraum genutzt wurden, dass sie also Teil einer konkreten, individuellen Lebensrealität waren.37 Aus diesem Grund soll diese Arbeit empirisch zeigen, dass und wie im 19. Jahrhundert ein konkreter Akteur in einem über die geographischen Grenzen von Staaten, Kontinenten und Ozeanen hinausreichenden politischen Raum agierte.

Netzwerkanalyse, Prestige und soziales Kapital Neben der Atlantic History und der Neuen Biographik nimmt diese Arbeit die Anregungen der von Pierre Bourdieu vorangetriebenen Erweiterung des Kapitalbegriffs auf. Bourdieu fächert den stark – vor allem von Karl Marx – ökonomisch geprägten Kapitalbegriff in drei Kategorien auf.38 Er unterscheidet ökonomisches Kapital (wie mobile und immobile materielle Ressourcen), kulturelles Kapital (wie persönlich erworbene, nicht übertragbare Titel und inkorporiertes Wissen) und soziales Kapital (wie Netzwerke und gesellschaftlich anerkanntes Prestige). Im Leben Otto Philipp Brauns spielte vor allem das soziale Kapital eine entscheidende Rolle. Wichtige Zeitgenossen werteten Brauns Verhalten im Kontext des Südamerikas der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts häufig positiv als militärische Leistung und politische Loyalität. Hieraus folgten für Braun bei diesen, aber auch bei anderen Akteuren hohes Prestige, starker politischer Einfluss und ein tragfähiges Netzwerk. Die Erlangung ökonomischen Kapitals sowie der Erwerb kulturellen Kapitals gingen im Falle Brauns also mit dem Gewinn sozialen Kapitals einher. In dieser Arbeit wird aus stilistischen Gründen vor allem von gesellschaftlichem Prestige und politischem Einfluss gesprochen. Bourdieus Kapitalbegriffe liegen diesen jedoch zugrunde.39 Diese Arbeit knüpft auch an die Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Diskurs- und Netzwerkanalyse an. Denn auf diese Forschungstradition geht 37 Es wird bewusst von einem sozialen und politischen Raum gesprochen, um die grenzüberschreitende Dimension der zu rekonstruierenden Interaktionen und Kommunikationen der Akteure zu beschreiben: Blackbourn, Das Kaiserreich transnational, 2004, S. 305. Faist, Transnational Social Spaces, 2000, S. 196ff. Osterhammel, Transnationale Gesellschaftsgeschichte, 2001, S. 473. Pries, Transnational Space, 1999, S. 1ff. 38 Karl Marx verstand Kapital vor allem als im marktwirtschaftlichen Produktions- und Zirkulationsprozess befindlichen Wert, der durch Arbeitskraft vermehrt wird. Siehe hierzu vor allem: Marx, Das Kapital. Bd. 1. 1998 [=1867], Marx, Das Kapital. Bd. 2. 1989 [=1885], Marx, Das Kapital. Bd. 3. 1989 [=1894]. 39 Siehe: Bourdieu, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, 1983, S. 183ff. Bourdieu, Die feinen Unterschiede. 1982, bes. S. 238. Auch: Wehler, Pierre Bourdieu, 1998, S. 17ff.

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die Idee der Notwendigkeit der gegenseitigen Zuerkennung von Prestige zurück.40 Darüber hinaus handelt es sich bei der Arbeit über die Entstehung und Entwicklung des Netzwerkes von Otto Philipp Braun – sozialwissenschaftlich gesprochen – um die Untersuchung eines egozentrierten Netzwerkes.41 Dieser Ansatz konzentriert sich auf das Netzwerk einer Person, im Gegensatz zur Erhebung eines Gruppen- oder gar eines Gesamtnetzwerkes. Braun dient also als Referenz- und Orientierungspunkt bei der Auswahl der zu betrachtenden historischen Ereignisse und Quellen. Dabei konzentriert sich der Verfasser auf die qualitative Auswertung der Quellen.42

Die Quellen So vielversprechend und reizvoll die Rekonstruktion einer transatlantischen Biographie ist, so herausfordernd ist es, dieses Vorhaben empirisch umzusetzen. Schließlich hinterlässt ein Leben an vielen Aufenthaltsorten – und manchmal darüber hinaus – Spuren. Im Falle einer transatlantischen Biographie kann dies große Teile der atlantischen Welt umfassen; so auch bei Otto Philipp Braun. Die Arbeit stützt sich daher auf zahlreiche, in verschiedenen Ländern aufbewahrte und in ihrer großen Mehrheit von der Forschung noch nicht berücksichtigte, meist handschriftliche Briefe, Akten und Dokumente sowie Editionen und ­Memoiren auf Spanisch, Französisch, Englisch und Deutsch.

Der Nachlass Otto Philipp Brauns Als wichtigster Quellenkorpus ist der im bolivianischen Nationalarchiv lagernde Nachlass Otto Philipp Brauns zu nennen. Diese über 5.500 Seiten umfassende Sammlung konnte in einem Digitalisierungsprojekt vervielfältigt und nach Deutschland überführt werden.43 Bei aller Freude über den Nachlass muss betont werden, dass es sich dabei nicht um eine vollständige Sammlung aller Briefe von 40 Bernhard, Netzwerkanalyse und Feldtheorie, 2008, S. 121ff. Jansen, Netzwerkanalyse, 2006, S. 30ff, 80ff, 142ff. Keller (u.a.), Zur Aktualität sozialwissenschaftlicher Diskursanalyse, 2006, S. 7ff. Stegbauer, Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie, 2008, S. 11ff. 41 Jansen, Netzwerkanalyse, 2006, S. 65ff, S. 80ff. 42 Zu Diskurstheorie und Geschichtswissenschaft siehe: Evans, In Defence of History, 1997, S. 75ff. Hanisch, Die linguistische Wende, 1996, S. 212ff. Sarasin, Diskurs­ theorie und Geschichtswissenschaft, 2006, S. 55ff. 43 Zur Vermeidung von Verwechslungen sei darauf hingewiesen, dass der Nachlass Brauns im bolivianischen Nationalarchiv unter der Bezeichnung „Archivo del General Felipe Brawn [sic]“ und nicht unter dem korrekten Namen „Felipe Braun“ geführt wird.

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und an Braun handelt, sondern um einen Teilnachlass mit starken Ordnungsund Selektionsspuren. Nach jahrelangen, zähen Verhandlungen mit einigen Nachfahren des Großmarschalls in Deutschland war es dem bolivianischen Historiker Joséf Maria Barnadas mithilfe der deutschen Botschaft in La Paz im Jahre 1993 gelungen, den Nachlass aus privater Hand in das bolivianische Nationalarchiv zu überführen, wo er seitdem lagert.44 Leider kamen die von Braun an seine Familie in Kassel geschriebenen und vorher in der Sammlung enthaltenen Briefe nie in La Paz an. Darüber hinaus fehlen auch jene Briefe, die Braun als Freiwilliger im Feldzug gegen Napoleon an seine Eltern geschrieben hatte. Erfreulicherweise sind viele davon publiziert worden.45 Abgesehen von diesen posthumen Verlusten geht die Ordnung des Nachlasses höchstwahrscheinlich auf Otto Philipp Braun selbst zurück.46 Hierfür sprechen vor allem handschriftliche Kommentare in den Briefen, die er nachweislich Jahrzehnte nach deren Eingang eigenhändig vornahm, sowie einige Ausgangsregister, zu denen die entsprechenden Abschriften und Eingänge fehlen.47 Bei seiner geschäftlichen Korrespondenz mit bolivianischen, peruanischen, französischen, britischen und deutschen Geschäftspartnern notierte sich der Minen- und Großgrundbesitzer Otto Philipp Braun darüber hinaus oft nur die wichtigsten unternehmerischen Inhalte. Deswegen sind aus diesem Bereich auch nur wenige Quellen komplett erhalten. Während die Quellenverluste aus dem familiären und unternehmerischen Bereich vielleicht nur auf die geringe Wertschätzung des Protagonisten und auf möglicherweise eher unbewusste Prioritätensetzungen zurückzuführen sind, kann umgekehrt davon ausgegangen werden, dass Braun seine politische Korrespondenz bewusst archivierte, aber auch Schriftstücke bewusst vernichtete. Hierauf weist ein detaillierter Codeschlüssel aus den 1830er Jahren hin. Dieser 44 Zur gesamten Dimension der nervenaufreibenden Geschichte der Sicherung des Nachlasses von Otto Philipp Braun siehe die Beschreibungen: Barnadas, El Mariscal Braun, 1998, S. 14ff. Barnadas, Un nuevo fondo, 1998, S. 307ff. Barnadas, Mariscal Braun, Hilfe!, 1994, S. 83f. 45 Zwar können wir daher auf die Briefe Brauns an seine Eltern zurückgreifen. Die Briefe seiner Familie an ihn bleiben jedoch bis heute verschollen. Die Korrespondenz während seiner Zeit als Freiwilliger Hessischer Jäger zu Pferde wurden 1912 veröffentlicht: Familienausschuss, Braunsche Familienblätter, 1912, S. 17f. Die Briefe an seine Eltern sind in der Familiengeschichte der Familie Braun zu finden: Braun, Grundlagen zu einer Geschichte der Familie Braun, 1914, S. 226ff. 46 Dies ist, neben den komplett erhaltenen Briefen, aus dem Register im Nachlass Brauns ersichtlich. Siehe: Archiv Braun Bd. 816 (AA). 47 Dies gilt beispielsweise für Briefe von Agustín Gamarra, auf denen er später vermerkte: „der jetzige Präsident von Peru“. Siehe etwa: 04.02.1830 Lima. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun Bd. 102. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden bei den Verweisen auf Primärquellen Datum, Entstehungsort, beteiligte Personen und Aufbewahrungsort der Quelle genannt.

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hatte Braun dazu gedient, sich – wie in jenen Tagen üblich – mit seinen Gesprächspartnern im Geheimen auszutauschen.48 Bis heute ist nur eine Handvoll entsprechend chiffrierter Dokumente überliefert.49 Aus Nennungen in erhaltenen Briefen geht hervor, dass Otto Philipp Braun und seine Korrespondenzpartner einen Großteil der verschlüsselten Briefe vernichteten. Neben den bewusst verschlüsselten Briefen existierte noch eine zweite Form der Geheimhaltung. Es sind einige Briefe überliefert, die neben dem Adressaten den Zusatz „geheim“ enthalten – oftmals mit der direkten Aufforderung, den Brief nach Erhalt zu vernichten. Es kann davon ausgegangen werden, dass dies in der Regel geschah. Daher ist es heute oftmals schwer, Einblick in die geheimsten Teile der Kommunikation Brauns zu erhalten. Dies gelingt nur noch ausschnittsweise durch einige gegen die Regel und gegen den Willen der Autoren archivierte Briefe.50 Neben der bewussten Vernichtung gingen Otto Philipp Braun im Laufe seines Lebens auch immer wieder unverschuldet wichtige Schreiben verloren – etwa im Jahre 1829, als ihm ein Teil seiner Korrespondenz gestohlen wurde.51 Neben diesen zufälligen Verlusten und der bewussten Vernichtung von Dokumenten grenzen auch die Form und die postalische Struktur den Inhalt der Quellen erheblich ein. Beispielsweise beschränken sich die meisten erhaltenen Briefe an und von Braun auf ein bis zwei Briefbögen. Längere Briefe sind die Ausnahme. Diese strukturelle Beschränkung in Kombination mit den kulturell bedingten umfassenden Anreden, Freundschafts- und Abschiedsformeln schränkte den Platz für Informationen erheblich ein. Nicht selten enthalten die Briefe nur zwei oder drei formulierte Anliegen – oftmals auch nur eines.52 Ferner gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Absender niemals sicher sein konnten, ob ihr 48 Nicht nur Otto Philipp Braun verwendete Codierungstechniken, sondern auch beispielsweise Präsident Andrés de Santa Cruz. Dies ist nur überliefert, da die Gegner Santa Cruz‘ den Codierungsschlüssel zur Korrespondenz mit seinem Vertreter in London, José Joaquín de Mora, nach dessen Fall veröffentlichten: Zinny, La Gaceta mercantil de Buenos Aires, 1912, S. 423f. Für Brauns Schlüssel siehe: Codierungsschlüssel zum ver- und entschlüsseln, in: Archiv Braun Bd. 811. 49 Siehe beispielsweise: 12.12.1838 Cochabamba, Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p274/140). 04.01.1839 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p277/141v). 50 Im Nachlass Brauns sind für die Jahre 1827, 1828, 1831, 1832, 1834, 1835, 1837, 1838 und 1858 etwa zwei Dutzend „Geheim“-Briefe enthalten. Die meisten enthalten die Aufforderung, diesen zu vernichten. 51 Dies war während der Feldzüge nicht außergewöhnlich. Selbst dem Generalstab der Unabhängigkeitsarmee war dies 1824 noch kurz vor der Schlacht von Ayacucho geschehen. Dies schildert der Zeit- und Augenzeuge Francisco Burdett O‘Connor: O‘Connor, Recuerdos, 1915, S. 134f. Auch im Dezember 1820 war dies geschehen: Lecuna, La Guerra en 1820, 1941, S. 325. Zu Brauns Verlusten siehe: 20.06.1829 Valparaiso. Braun an seine Eltern, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 248. 52 Zu Briefen als Quelle siehe etwa: Weigel, Zum postalischen Prinzip, 2002, S. 41ff.

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Brief überhaupt seinen Adressaten erreichte oder etwa vom politischen Gegner abgefangen wurde. Dieser konnte abgefangene oder gefälschte Briefe als politisches Druckmittel verwenden oder als Propaganda­mittel veröffentlichen. Gelangten Briefe mit militärischen Informationen in die Hände des Gegners, konnte dies für die eigene Armee gravierende Folgen haben. Im Nachlass Brauns sind beispielsweise diverse Geheimschreiben argentinischer Militärs während des bolivianisch-argentinischen Krieges zu finden, an die Braun durch Spione gelangte.53 Dies geschah nicht selten und wird zu den genannten Verschlüsselungstechniken geführt haben, aber sicherlich auch zu gewählten Worten und bewussten Auslassungen. Dies erschwert die Lektüre, Analyse und Kontextualisierung zusätzlich. Es gilt bezüglich des Nachlasses von Otto Philipp Braun zu betonen, dass sich darin nicht nur Briefeingänge befinden. In einem bisher nicht erschlossenen Teil des Nachlasses entdeckte der Verfasser dieser Arbeit Hunderte Ausgangsabschriften und teils eigenhändig verfasste Briefentwürfe Brauns. Der Autor stellte im Rahmen seiner Untersuchungen fest, dass Braun ab Mai 1827 die wichtigsten seiner Briefe abschreiben ließ und Entwürfe aufbewahrte.54 In vielen Fällen konnten Ein- und Ausgänge jedoch nicht systematisch oder chronologisch rekonstruiert werden. Es existieren viele Eingänge, deren entsprechende Gegenstücke heute verschollen sind, sowie registrierte Ausgänge, denen keine Eingänge entsprechen. Bei der Sichtung von Ausgängen in Editionen und Archiven mit den entsprechenden Entwürfen im Nachlass konnte festgestellt werden, dass die dort befindlichen Entwürfe und Abschriften den versandten Reinschriften entsprechen. Darüber hinaus konnten Ein- und Ausgängen im Nachlass viele Quellen aus anderen Beständen zugeordnet werden.

53 Im Jahre 1838 konnte Braun durch diese Einblicke in die Korrespondenz, etwa seines direkten Widersachers Alejandro Heredia, die innerargentinischen Diskussionen um militärische und politische Planungen verfolgen. 11.04.1837 Salta. Felipe Heredia an Justo Olivia, in: Archiv Braun Bd. 405. 12.05.1838 Chuquisaca. Santa Curz an Braun, in: Archiv Braun Bd. 537. 26.06.1838 Centa. Alejandro Heredia an José Manuel Colque, in: Archiv Braun Bd. 564. Braun gelangte selbst an geheime Briefe des argentinischen Offizierskorps: 10.03.1837 Salta. Reservada. Felipe Heredia an Justo Oliva, in: Archiv Braun Bd. 397. 28.04.1837 Orán. Justo Oliva an Tomás Ruiz, Geheim, in: Archiv Braun Bd. 408. 54 Siehe etwa: 1827–1828: Archiv Braun Bd. 815 (AA 1). Komplettabschriften für die Jahre 1828, 1830, 1832–39, 1843, 1846, 1848–50, 1853, 1855, 1857: Archiv Braun Bd. 818 (AA 2). Teilabschriften und Ausgangsregister 1840–1845: Archiv Braun Bd. 816 (AA). 1833–1839, 1855: Archiv Braun Bd. 817 (AA). 1828, 1831–1832, 1834: Archiv Braun Bd. 814 (AA).

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Administrative Quellen aus bolivianischen Archiven Der Nachlass Brauns erwies sich als historiographisch wertvoller Quellen­ bestand. Dennoch würde eine Arbeit über Braun, die sich allein auf diese Quellen stützt, Gefahr laufen, ein eventuell vom Ordner des Nachlasses gewolltes Bild zu zeichnen. Deswegen war die Ergänzung dieses Korpus um Quellen aus anderen Archiven unabdingbar. Darüber hinaus hätte die Beschränkung auf den Nachlass dazu geführt, für die Fragestellung der Arbeit wichtige Aspekte von Brauns Leben nicht zu erfassen, denn sein Nachlass enthält nur wenige administrative Quellen. Doch gerade administrative Quellen sind wichtig, um ein Bild vom Aufstieg, von der Kommunikation und vom Interagieren Brauns zu zeichnen und damit einen Vergleich mit seinem privat-politischen Handeln hinter den Kulissen zu ermöglichen. Nur so lassen sich tragfähige Aussagen über das für sein Agieren im atlantischen Raum so wichtige Netzwerk treffen. Denn im betrachteten Zeitraum existierten zwei tendenziell voneinander getrennte Kommunikationsstränge. Auf der einen Seite tauschten Amtsträger Akten und Korrespondenz auf einer beruflichen Ebene aus. Auf der anderen Seite pflegten dieselben Akteure einen politisch-privaten Austausch. Dies lässt sich vor allem an den Anreden ablesen. Während die offizielle Korrespondenz meist auf gedrucktem Briefpapier mit offiziellem Briefkopf geschrieben wurde und hier Amtsbezeichnungen ohne Personennamen als Anreden dominierten, verfassten die Akteure private Briefe oft auf Blankopapier und sprachen sich mit Namen, vor allem aber als „mein geschätzter Freund“ oder „mein verehrter General“ an. Teilweise verließen offizielle und private Korrespondenz an denselben Empfänger mit demselben Kurier den Absender.55 Darüber hinaus unterschieden sich bei der privaten und offiziellen Korrespondenz die Inhalte grundlegend. Während in der offiziell-administrativen Kommunikation Dinge des tages­ politischen Regierungsgeschäftes die Schriftwechsel prägten, tauschten sich die politischen Akteure in der privat-politischen Kommunikation über Privates, aber vor allem über politische Projekte, Persönlichkeiten und Neuigkeiten aus. Dabei muss betont werden, dass die administrative Position einer Person nicht ihrer machtpolitischen Nähe zu den obersten Entscheidungsträgern entsprechen musste. Für die 1830er Jahre etwa lässt sich zwischen Otto Philipp Braun in seiner Funktion als Präfekt und dem Präsidenten Andrés de Santa Cruz keine administrative Korrespondenz feststellen. Schließlich hatte der Präfekt dem Vizepräsidenten zu berichten. Privat-politisch jedoch tauschte sich Braun mit Santa Cruz in dieser Zeit regelmäßig aus. Dieses asymmetrische Verhältnis 55 Wie etwa im April 1835, als der Innenminister Mariano Enrique Calvo dem Präfekten von La Paz, Otto Philipp Braun, offiziell, aber auch privat schrieb: 12.04.1835 Chuquisaca. Geheim. Calvo an Präfekt Braun, in: Archiv Braun Bd. 256. 12.04.1835 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Archiv Braun Bd. 255.

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zwischen offizieller und privat-politischer Kommunikation liefert jedoch nicht nur Hinweise auf persönliche Nähe zwischen Akteuren, sondern kann auch auf Distanz hindeuten. So tauschte Otto Philipp Braun von 1830 bis 1835 mit dem Vizepräsidenten und Kriegsminister José Miguel de Velasco zwar hunderte Akten und Briefe auf offiziellem Wege aus, jedoch kaum einen privaten Brief. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf persönliche Distanz, die auch andere Quellen nahelegen.56 Um neben dem Nachlass Otto Philipp Brauns auch über die ertragreichen administrativen Quellen zu verfügen, wurden Quellen in folgenden bolivianischen Archiven gesichtet: Archivo y Biblioteca Nacionales de Bolivia (Sucre), Casa de la Libertad (Sucre), Centro Documental de la Universidad Xavier (Sucre), Archivo del Excelentísima Corte Suprema de Justicia de la Nacion (Sucre), Archivo del Honorable Congreso Nacional de Bolivia (La Paz), Casa Nacional de la Moneda de Potosí (Potosí). Auf diese Weise flossen über 3.500 Seiten administrativer Akten und offizieller Dokumente in diese Arbeit ein. Im Zuge dieses Projektes wurden vor allem Akten aus denjenigen administrativen Einheiten herangezogen, in denen Braun entweder selbst tätig gewesen war oder mit denen er in den 1820er, 1830er und 1840er Jahren in engem Kontakt gestanden hatte. Das Präsidialamt, das Kriegsministerium, der Generalstab der Armee, das Finanzministerium, das Innen- und Außenministerium sowie einzelne Präfekturen und Militärkommandanturen lieferten dabei die meisten und aussagekräftigsten Ergebnisse. Diese offiziellen, nahezu vollständig erhaltenen Akten bestehen bis auf einige Aufstellungen, Haushaltsplanungen und Register vor allem aus Korrespondenz der einzelnen Regierungsstellen untereinander. Noch vor der inhaltlichen Auswertung der Quellen stellte häufig die Identifizierung von Absender und Empfänger eine große Herausforderung dar. Nur in den seltensten Fällen fügte der Absender und Unterzeichner der reinen Amtsbezeichnung des Empfängers auch einen individuellen Namen des Adressaten hinzu. Beispielsweise ging die Post an den „Staatsminister für das Amt des Inneren“ oder an den „Präfekten von La Paz“. Ferner nannte der Unterzeichner nur in den seltensten Fällen seine eigene Position in der ministeriell-militärischen Hierarchie. Deswegen ging aus den einzelnen Quellen häufig nicht hervor, ob ein Dokument vom Minister, Staatssekretär oder einem untergeordneten Beamten unterzeichnet wurde. Die Stellung des Korrespondenzpartners in der politischen Hierarchie ist für die Beurteilung des Netzwerkes Otto Philipp Brauns und dessen eigener Stellung jedoch sehr wichtig. Deswegen musste trotz häufig wechselnden Personals zuerst eine eindeutige Identifizierung der Korrespondenzpartner sichergestellt werden. Dies gelang letztlich für die überwiegende Mehrheit der Briefe, vor allem auf Basis mithilfe von zufälligen Nennungen in den Quellen und durch 56 Im Jahr 1832 ist ein Brief, im Jahr 1838 sind zwei Briefe und 1839 ist wiederum ein Brief fassbar. Siehe zum Verhältnis von Braun und Velasco den Abschnitt „Erbitterte Gegner: Präsident José Miguel Velasco“.

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das Hinzuziehen der Arbeiten von Carlos Mesa Gisbert und Rolando Ardúz.57 Hierdurch war es beispielsweise möglich, zu zeigen, wie langlebig zahlreiche Beziehungen von Otto Philipp Braun waren und dass er zu Politikern ihm eigentlich feindlich gesonnener Regime ausgedehnte Kontakte pflegte.

Quellen aus Deutschland, Kolumbien, Peru und Großbritannien Neben Bolivien ist Deutschland das Land, in dem die meisten Quellen für diese Arbeit gesichtet wurden. Hier wurden Bestände des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes (Berlin), des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz (Berlin), der Bayerischen Staatsbibliothek (München), des Hessischen Staatsarchivs (Marburg), des Stadtarchivs Kassel, des Verwaltungsarchivs der Stadt Kassel, der Murhardschen Bibliothek zu Kassel, des Stadtarchivs Bad Wildungen, des Stadtarchivs Bad Oeynhausen, der Universitäts- und Landesbibliothek Halle (Saale) sowie des Familienarchivs Pawel-Rammingen (Bonn), des Familienarchivs Appelhoff (Bremen) und des Firmenarchivs der B. Braun Melsungen AG (Melsungen) herangezogen. Ferner wurden Quellen aus dem Archivo General de la Nacion in Bogotá (Kolumbien), aus dem Archivo General de la Nación in Lima (Peru) sowie dem National Archive in London (Großbritannien) verwendet.

Editionen und zeitgenössische Memoiren Zusätzlich zu diesen Archivmaterialien wurden auch für diese Arbeit relevante Quelleneditionen verwendet. Hierbei standen vor allem Sammlungen über Simón Bolívar58, Antonio José de Sucre59, Andrés de Santa Cruz60, Juan José 57 Ardúz, Estructura Administrativa, 2002. Mesa Gisbert, Presidentes de Bolivia, 1990. 58 Maßgeblich sind hier die 34-bändigen Memoiren von Francis O’Leary. O’Leary, ­Memorias, Bd. 2, 1883. O’Leary, Correspondencia, 1920. O’Leary, Memorias, Narracion. Bd. 3, 1952. Perez Vila, Indice O’Leary, 1956. Daneben existieren noch weitere Editionen, etwa: Grisanti, Colección de Juan Francisco Martín, 1956. Herrera Campins, Documentario de la Libertad, 1983. Lecuna, Simón Bolívar. Obras completas, Bd. 1, 1947. Sociedad Bolivariana de Venezuela (Hrsg.), Escritos del Libertador, 1964. 59 Boulton (Hrsg.), Correspondencia del Libertador 1819–1829, 1974. Botero, El ­Capitán, 1968. Fundacion Vicente Lecuna (Hrsg.), Archivo de Sucre, Bd. 8, 1989. Lecuna, Archivo Sucre, Bd. 4, 1976. Sucre, Documentos de la guerra de 1828–1829, 1928 [= 1828]; Sucre, Archivo de Sucre, Mayo- Agosto 1828, 1979. Vargas, Nuestra casa militar, 1995. 60 Rojas, Bolívar y Santa Cruz. Epistolario, 1975. Santa-Cruz, El General Adrés de Santa Cruz, 1924. Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 4 1835, 1991.

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Flores61, José María Cordóva62, Salvador Córdova63, Ramón Castilla64, Diego Portales65, William Miller66 und weitere Akteure67 im Fokus. Diese generell bekannten, aber im Zusammenhang mit Otto Philipp Braun noch nicht ausgewerteten Quellen halfen, das eigenständig erhobene Archivmaterial und ­damit das Bild von Braun zu ergänzen. Das oben beschriebene Quellenmaterial erlaubt es, administrative Prozesse und institutionalisierte Beziehungen sowie privat-politische Kommunikation und Zusammenhänge detailliert zu rekonstruieren. Aufgrund ihres dokumentarisch-situativen Charakters geben diese Quellen jedoch meist nur wenig über alltägliche sowie inoffizielle Aspekte des Politgeschehens oder über die Einordnung politischer Prozesse in ihre Zeit preis. Bedauerlicherweise ist über Reisen, Treffen und persönliche Gespräche in den genannten Quellen nur wenig überliefert. Aussagen hierüber können jedoch aus einer Reihe zeitgenössischer Memoiren und Tagebücher gewonnen werden. Hier sind die Memoiren des britischen Generals William Miller68 sowie diejenigen des irischen Adjutanten Simón Bolívars, Daniel F. O‘Leary69, oder die Schriften der Südamerikaner José Antonio Páez70, Francisco de Paula Santander71, Tomás Cipriano de Mosquera72, Jorge Mallo73, Antonio Gallenga74, Manuel Antonio López75, des spanisch-roya-

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Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 2: 1829–1831, 1981. Santa-Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 1: 1820–1828, 1976. Sotomayor Valdés, Campaña del ejército chileno, 1896. Villalba, Correspondencia Libertador / Flores, 1977. De Angel, Correspondencia, Bd. 2–3, 1974. Posada, Biografía de Córdoba, 1914. Camargo Pérez, Archivo Salvador Córdova, 1955. Mesa Nicholls, Biografia de Salvador Cordoba, 1920. Instituto Libertador Ramón Castilla (Hrsg.), Archivo Castilla, Bd. 3, 1961. Cruz, Epistolario Portales, Bd. 3, 1938. Denegri Luna, Junin y Ayacucho en las cartas del Mariscal Miller, 1969f. Aranda, Colección de los tratados, Bd. 3, 1892. Arduz Ruíz, La Confederacion PeruBoliviana, 1999. Escipión Vernaza, Recopilación, 1894. Gangotena y Jijón, Documentos referentes a la Batalla de Ibarra, 1992. Lecuna, Documentos referentes a la creación de Bolivia, Bd. 2, 1924. Ortiz, de Zevallos, Confederación Perú-Boliviana 1835–1839, Bd. 1, 1972. Pike, The United States and the Andean Republics, 1977. Porras Troconis, Campañas bolivarianas, 1953. Sotomayor Valdés, Historia de Chile, Bd. 3, 1902. Zinny, La Gaceta mercantil de Buenos Aires, 1912. Miller, Memoirs, 2 Bde., 1829. O’Leary, Memorias. Narracion, 3 Bde., 1952. Rodríguez (Hrsg.), Autobiografía del General José Antonio Páez, Bd. 1–2, 1945. Briceño (Hrsg.), Diario del General Francisco de Paula Santander, 1963. Mosquera, Memoria sobre la vida del General Simón Bolívar, 1940. Mallo, Administración del Jeneral Sucre, 1871. Gallenga, South America, 1880. López, Recuerdos históricos, 1919.

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listischen Offiziers Camba76 sowie des bolivianischen Politikers Manuel Sánchez de Velásco77 zu nennen. Als besonders ergiebig erwiesen sich die Erinnerungen des irischen Generals Francisco Burdett O‘Connor78. Dieser geht nicht nur immer wieder auf den jungen und während des Unabhängigkeitskrieges noch unbedeutenden Braun ein, sondern beschreibt ihn auch in seinen bolivianischen Ämtern als Präfekten, Kriegsminister und kommandierenden General. Neben diesen in der Forschung bekannten Ego-Zeugnissen stützt sich diese Arbeit auch auf die bisher wenig berücksichtigten Erinnerungen des ehemaligen Bergwerksdirektors Ernst Mossbach. Dieser hatte Ende der 1850er Jahre für Otto Philipp Braun dessen Kupferminen in Corocoro (Bolivien) verwaltet. Mossbachs Bericht über diese Zeit ermöglicht einen einzigartigen Einblick in das Privatleben des Hauses Braun und dessen gesellschaftliche Stellung. Weitere zeitgenössische Beschreibungen runden das Gesamtbild dieser Jahre ab.79 Otto Philipp Braun selbst scheint keine Lebenserinnerungen verfasst zu haben. Die Erinnerungsliteratur hilft, wertvolle Einblicke in das Leben und Netzwerk Otto Philipp Brauns zu erhalten, auch wenn die Beschreibungen vor allem in Hinblick auf die Selbstdarstellung der Autoren kritisch reflektiert werden müssen. Dennoch helfen gerade Memoiren – solange nicht andere Quellen dem entgegenstehen –, Aufschluss über die Wahrnehmung fast vergessener Ereignisse, Handlungen und Sichtweisen der Zeitgenossen zu erhalten, die sonst nicht in schriftlichen Quellen festgehalten wurden und folglich nicht hätten berücksichtigt werden können. Dies betrifft vor allem alltägliche Situationen, mündliche Kommunikation zwischen den Akteuren, geheime Hintergründe,

76 García Camba, Memorias, 1916. 77 Sánchez de Velasco, Memorias, 1938. 78 Entgegen seiner Behauptung, für seine Memoiren keine andere Quelle als seine Erinnerung zur Verfügung gehabt zu haben, konnte Burdett O’Connor auf eine Sammlung von Briefen, von denen er Dutzende zitierte oder ganz abdruckte, umfangreiche Bibliotheksbestände in Tarija sowie auf fünf Bände detaillierter Tagebuchaufzeichnungen zurückgreifen. O’Connors Memoiren zeichnen sich – im Gegensatz vor allem zu denen von Miller und O’Leary – durch ihren unmittelbaren Charakter aus, während es sich bei den anderen Werken oftmals um allgemeinhistorische Darstellungen und phasenweise nicht immer um Egowerke im klassischen Sinne handelt. O’Connor verstarb, bevor er sein Werk fertigstellen konnte. Vgl. Dunkerley, Francisco Burdett O‘Connor, 2007, S. 282ff. O‘Connor, Recuerdos, 1915, S. 376. 79 Tschudi, Reiseskizzen aus den Jahren 1838–1842, 1963 [=1846], Bd. 1, S. 82f. Tschudi, Reiseskizzen aus den Jahren 1838–1842, 1963 [=1846], Bd. 2, S. 141f. Kaulicke, Einleitung, 2003, S. XIIIff. Middendorf, Peru, Bd. 1, 1893, S.512, 531. Middendorf, Peru, Bd. 2, 1894, S. 356. Sutcliffe, Sixteen years in Chile and Peru, 1841.

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das Privatleben, die Freizeit sowie das Gesellschaftsleben und die gegenseitige Wahrnehmung.80

Forschungsstand zur Person Das Leben Otto Philipp Brauns gilt als „gut erforscht“.81 Auf den ersten Blick scheint dieses Urteil des deutschen Lateinamerika-Historikers Günter Kahle aus dem Jahre 1990 zutreffend zu sein. Seit dem Tod des Großmarschalls im Jahre 1869 erschienen über sein Leben acht Monographien82 und über 20 Artikel.83 Warum also noch eine Arbeit über den Großmarschall? Diese Frage beantwortet ein genauerer Blick auf die bisherigen Arbeiten über Otto Philipp Braun. Denn häufig halten deren Aussagen einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Ein Großteil der Darstellungen enthält darüber hinaus oftmals falsche Informationen, vernachlässigt historische Zusammenhänge oder verfolgt außerwissenschaftliche Zielsetzungen. Diese falschen und fragwürdigen Zuschreibungen mögen auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass sich die bisherigen Arbeiten nur auf wenige publizierte Quellen stützen. Noch nie wurden zu Otto Philipp Braun systematisch Quellenbestände oder Quelleneditionen in Nord- und Südamerika sowie Europa gesichtet und analysiert. Daher ist das Plädoyer von Charles Arnade aus dem Jahr 2000 für eine fundierte Biographie Brauns gerechtfertigt.84 Insbesondere muss sich kritisch mit der deutschen Forschung über Otto Philipp Braun auseinandergesetzt werden. Das im Jahre 1939 vom Journalisten Otto Grube publizierte Buch „Ein Leben für die Freiheit“ zum Beispiel ent80 Bei der Sichtung der unterschiedlichen Quellengattungen fiel immer wieder auf, dass sowohl zeitgenössische als auch später entstandene Quellen nicht immer den korrekten militärischen Rang Otto Philipp Brauns nannten. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass der jeweilige Autor noch nicht Kenntnis von einer Beförderung Brauns hatte. Auch wenn einige Zitate in dieser Arbeit also inkorrekte Rangbezeichnungen enthalten, werden die Textstellen dennoch verwendet, da sie in einem anderen Zusammenhang ein Argument empirisch belegen können. Dies gilt besonders für Brauns Rangbezeichnungen in den 1820er Jahren. 81 Kahle, Friedrich Rasch und Carl Sowersby, 1990, S. 201. 82 Barnadas, El Mariscal Braun, 1998. Bock, El Gran Mariscal de Montenegro, 1926. Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945. Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939. Martin, Der unbesiegte Soldat, 1942. Nölle, La vida de Otto Felipe Braun, 1969. Kiera, Otto Philipp Braun als Symbol lokaler Geschichtspolitik, 2009. Walbaum, Otto Philipp Braun, 2001. 83 Zur Auseinandersetzung mit den bisherigen Arbeiten siehe zum Beispiel: Kiera, Otto Philipp Braun als Symbol lokaler Geschichtspolitik, 2009. Eine Auflistung der wichtigsten Artikel über Otto Philipp Braun siehe weiter unten Fußnote 95. 84 Siehe etwa: Arnade, El Mariscal Braun, 2000, S. 56.

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stand im Umfeld nationalsozialistischer Außenpolitik und volkspädagogischer Heldenverehrung. Neben diesen deutlich sichtbaren Einflüssen griff Grube lediglich auf eine Handvoll Quellen zurück. Er füllte – wenn ideologisch geboten – die Lücken mit literarischen Ausschmückungen und verzerrte die Person bis zur Unkenntlichkeit. Daher ist die Arbeit historiographisch wenig verlässlich, zumal sie nach dem Fall von Braun im Jahre 1839 abbricht.85 Das zweite deutsche Buch über Braun, „Der unbesiegte Soldat“86 aus dem Jahre 1942 von Karl Martin, kann genauso wie Grubes Werk als nationalsozialistisch inspirierter historischer Roman mit eindeutiger Propagandafunktion angesehen werden und ist wissenschaftlich ebenso wenig haltbar. Drei Jahre später erschien das erste in Südamerika verfasste Buch über Braun. Der ehemalige bolivianische Offizier Julio Díaz hatte es sich zur Aufgabe gemacht, dem um die nationale Unabhängigkeit so verdienten General und Großmarschall posthum die „Dankbarkeit des bolivianischen Volkes“87 durch eine würdigende Biographie auszudrücken. Trotz dieses teleologischen Ansatzes trug Díaz aufgrund einiger zitierter Primärquellen in Verbindung mit zeitgenössischer Forschung bis dahin unbekannte Informationen zusammen. Diese beschränken sich allerdings vornehmlich auf militärisch-taktische Aspekte der Biographie Brauns und thematisieren weder die Zeit nach 1839 noch das politische Netzwerk oder gar atlantische Aspekte der braunschen Vita.88 Ein weiteres nicht offen tendenziöses Werk über Braun publizierte der an der deutschen Botschaft in La Paz eingesetzte deutsche Diplomat Wilfried Nölle im Rahmen der Rückführung der „sterblichen Überreste“89 bzw. von „Erde aus dem Grab“90 Otto Philipp Brauns von Kassel nach La Paz im Jahre 1969.91 Dieses Buch konzentriert sich auf die in deutscher Sprache publizierten Quellen, ergänzt diese aber um in Bolivien lagernde Dokumente. Der Autor betont in seinem Nachwort ausdrücklich, dass er sein Buch nicht als wissenschaftliches Werk, sondern als fundiertes Lesebuch versteht. Zwar bietet 85 Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939. Zum Hintergrund der Entstehung des Buches siehe auch das Kapitel „Das Integrationssymbol Otto Philipp Braun als Vertreter ‚Deutschen Soldatentums‘ im Dienste deutsch-bolivianischer Diplomatie und als Vorbild nationalsozialistischer Volkspädagogik in den 1930er Jahren“ in: Kiera, Otto Philipp Braun als Symbol lokaler Geschichtspolitik, 2009, S. 65ff. 86 Martin, Der unbesiegte Soldat, 1942. 87 Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 3. 88 Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945. 89 Zur geschichtspolitischen Diskussion siehe: o. A., Teure Erde. Otto Philipp Braun, 1969, S. 48. o. A. Kostbare Krumen, 1969, S. 3 sowie: Kiera, Otto Philipp Braun als Symbol lokaler Geschichtspolitik, 2009, S. 104ff. 90 O. A., Teure Erde. Otto Philipp Braun, in: Der Spiegel Nr. 29 (1969), S. 48. 91 Zur Diskussion über die Benennung der rückgeführten Urne sowie die gesamten politischen Prozesse des Jahres 1969 siehe: Kiera, Otto Philipp Braun als Symbol lokaler Geschichtspolitik, 2009, S. 78ff.

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Nölles Buch wertvolle Einblicke, es beschränkt sich jedoch vornehmlich auf die Dokumentation militärischer Aspekte und widmet Brauns Leben nach 1839, seiner administrativen Tätigkeit und seinen politischen Handlungen ebenfalls keinen nennenswerten Raum.92 Eine weitere wichtige Publikation über Otto Philipp Braun verfasste der bolivianische Historiker Joséf Maria Barnadas, der die Überführung des braunschen Nachlasses in das bolivianische Nationalarchiv organisiert hatte. Barnadas veröffentlichte im Jahre 1998 die für die bolivianische Geschichte wichtigsten Briefe des braunschen Nachlasses und stellte seinem Band ein kleines Portrait Brauns voran.93 So sehr diese Arbeit sich qualitativ von ihren Vorgängern positiv abhebt, ersetzen die 60 dort veröffentlichten Briefe dennoch keine intensive Auseinandersetzung mit dem restlichen Nachlass oder mit den in weiteren südamerikanischen und europäischen Archiven und Bibliotheken verstreuten administrativen Akten sowie mit den in Editionen publizierten Korrespondenzen oder zeitgenössischen Memoiren.94 Neben den gerade genannten Monographien erschienen über 20 Artikel zu Otto Philipp Braun.95 Hier gilt jedoch festzuhalten, dass diese Artikel sich nahezu alle auf die oben genannten Monographien stützen und nicht viel Neues 92 Nölle, La vida de Otto Felipe Braun, 1969. 93 Barnadas, El Mariscal Braun, 1998. 94 Neben Barnadas hatte schon Mitte der 1920er Jahre ein Nachfahre Brauns einige deutsche Briefe Brauns an seine Eltern ins Spanische übersetzen und drucken lassen. Allerdings blieb das Buch aufgrund seiner geringen Auflage und Benutzung als Marketing- und Kommunikationsinstrument für das Unternehmen des Nachfahren in der Forschung nahezu unbeachtet: Bock, El Gran Mariscal de Montenegro, 1926. Ferner ging der vorliegenden Arbeit eine Vorgängerstudie über die posthume Inanspruchnahme Brauns durch geschichtspolitische Akteure der deutsch-bolivianischen Diplomatie und der nordhessischen Politik voraus: Kiera, Otto Philipp Braun als Symbol lokaler Geschichtspolitik, 2009, S. 35ff. 95 Altmann, Otto Philipp Braun, 2000. S. 82ff. Barnadas, Un nuevo fondo, 1998, S. 307ff. Barnadas, Otto Philipp Braun, 2002, S. 371ff. Bock, Braun, 1955, S. 547ff. Braun, Der „unbesiegte Soldat“, 1938, S. 22ff. Brocke, Otto Philipp Braun, 1938, S. 273ff. Crespo, Un soldado de la Libertad, 1978, S. 133ff. Damerau, Der bolivianische Großmarschall aus Kassel, 1972, S, 305ff. Diaz, Mariscal Otón Felipe Braun, 1929, S. 36ff. Grube, Otto Philipp Braun, 1938/39, S. 372ff. Kahle, Otto Philipp Braun, 1980, S. 83ff. Lozano y Lozano, Otó Felipe Braun, S. 902ff. Martin, Otto Philipp Braun, 1940, S. 83ff. Mench, Bolivien hat ihm viel zu verdanken, 1984, S. 20ff. Michaelis-Braun, Braun, 1914a, S. 219ff. Neugebauer, Marschall Otto Philipp Braun von Monte Negro, 1973, S. 18ff. Nielsen-Reyes, Der Großmarschall Otto Philipp Braun, 1937, S. 67ff. Nölle, Soldat im Dienste Boliviens, 1969, S. 110ff. Panhorst/Faupel, Otto Philipp Braun, 1935/36, S. 243ff. Rosenwald, Otto Philipp Braun, 1995, S. 23ff. Worninger, Otto Philipp Braun von Montenegro, 1915, S. 24ff. o. A., Ordens- und Auszeichnungsgruppe von Großmarschall Otto Philipp Braun, 1994, S. 138ff.

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zur Biographie Brauns beitragen. Darüber hinaus treffen die oben genannten Kritikpunkte auch auf die überwiegende Mehrzahl der Artikel zu. Dies gilt allen voran für die während des Nationalsozialismus entstandenen deutschen Artikel.96 Lediglich der von Manuel Michaelis-Braun, einem Enkel des Großmarschalls, im Jahre 1914 publizierte Text hebt sich positiv von den anderen ab, da er die heute verschollenen Briefe Brauns an seine Eltern in Kassel der Öffentlichkeit zugänglich macht.97 Auch gilt es, den Artikel von Lozano y Lozano als eigenständige Arbeit zu erwähnen, da er erstmals südamerikanische Quellen und die Ergebnisse der historischen Forschung berücksichtigte.98 Otto Philipp Braun fand schon zu Lebzeiten Eingang in die Reiseliteratur, die Historiographie und Belletristik der atlantischen Welt. Europäische Abenteurer, wie Thomas Sutcliffe 184199, Johann Jakob von Tschudi 1846100 oder nach Brauns Tod Ernst W. Middendorf 1893101, hatten mit ihren Berichten hierfür gesorgt. Ebenfalls früh hielten Historiographen einige Ereignisse aus dem Leben Brauns fest, wie etwa Georg Gottfried Gervinus 1859102 und Wilhelm Friedrich Stricker 1850103. Militärs nahmen einige Manöver Brauns zum Anlass für taktisch-strategische Reflexionen, wie beispielsweise 1841 ein unbekannter Autor.104 Und die Schriftstellerin Juana Manuela Gorriti beispielsweise behandelte einen Teil des Lebens Brauns in ihrem Roman „El pozo del Yocci“ literarisch.105 Neben eigenständigen Monographien und Artikeln über Otto Philipp Braun sowie seinen frühen Erwähnungen noch im 19.  Jahrhundert streiften später die unterschiedlichsten Autoren diverse Abschnitte aus dem Leben Brauns.106 96 Brocke, Otto Philipp Braun, 1938, S. 273f. Grube, Otto Philipp Braun, 1938/39, S. 372ff. Martin, Otto Philipp Braun, 1940, S. 83ff. Panhorst/Faupel, Otto Philipp Braun, 1935/36, S. 243ff. Nielsen-Reyes nimmt als bolivianischer Diplomat eine Sonderrolle ein: Nielsen-Reyes, Der Großmarschall Otto Philipp Braun, 1937, S. 67ff. 97 Michaelis-Braun, Braun, 1914a, S. 219ff. 98 Lozano y Lozano, Otón Felipe Braun, 1939. S. 902ff. 99 Sutcliffe, Sixteen years in Chile and Peru, 1841. 100 Tschudi, Reiseskizzen aus den Jahren 1838–1842, 1963 [=1846], Bd. 1, S. 82f. Tschudi, Reiseskizzen aus den Jahren 1838–1842, 1963 [=1846], Bd 2, S. 141f. Kaulicke, Einleitung, 2003, S. XIIIff. 101 Middendorf, Peru, Bd. 1, 1893, S. 512, 531. Middendorf, Peru ,Bd. 2, 1894, S. 356 102 Gervinus, Geschichte des 19. Jahrhunderts, Bd. 4, 1859, S. 583 und 642. 103 Stricker, Die Deutschen in Spanien und Portugal, 1850. 104 O. A., Einige Notizen über den Krieg gegen Bolivia im Jahr 1838, 1841, S. 276ff. 105 Siehe zur Rolle Otto Philipp Brauns in Belletristik und darstellender Kunst vor allem Kapitel 3.4: „Militärisch-situative Leistungen: Junín und Ayacucho“. 106 Auf die geschichtspolitische Dimension der Biographie Otto Philipp Brauns in Deutschland, in den deutsch-südamerikanischen Beziehungen sowie in den einzel-

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In Deutschland betraf dies etwa Bücher über seine Wirkungsstätten Bolivien107 und Haiti108 oder über seinen zivilen Beruf als Veterinärmediziner.109 Sie berichteten über Otto Philipp Braun jeweils aus ihrer Perspektive und ergänzten mitunter wissenswerte Details. Hauptsächlich jedoch zogen deutsche Historiker Braun als Beispiel eines erfolgreichen deutschen Auswanderers oder als Integrationssymbol deutsch-südamerikanischer Beziehungen heran.110 Die Nationalsozialisten missbrauchten ihn für ihre tagespolitischen oder propagandistischen Zwecke.111 Braun erschien auch in Globalstudien oder Überblickswerken.112 Er kann jedoch außerhalb des diplomatischen Korps in Berlin und Interessierter aus Brauns Heimatregion als historische Person in Deutschland als fast vergessen gelten. Dies kann über die Historiographie der südamerikanischen Republiken Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Chile, Peru, Bolivien und Argentinien nicht gesagt werden. Im Gegenteil: Hier erwähnen seit 190 Jahren nahezu alle relevanten Standardwerke Braun und sein Agieren im Kontext ihrer Zeit. Am häufigsten verweisen die Werke auf Brauns entscheidendes Handeln in der Schlacht von Junín. Darüber hinaus haben die Schilderungen der zeitgenössischen Autobiographien und Memoiren eine Flut an Verweisen auf Braun in unterschiedlichsten Werken zur Folge.113 In Bolivien sind zudem Straßen (La Paz und Sucre)114, Plätze (La Paz),

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nen Ländern Lateinamerikas soll hier nicht eingegangen werden. Siehe hierzu: Kiera, Otto Philipp Braun als Symbol lokaler Geschichtspolitik, 2009. Schlumberger, Bolivien, schwankende Wiege der Freiheit, 1985, S. 213. Schüller, Die deutsche Rezeption haitianischer Geschichte, 1992. Froehner, Kulturgeschichte der Tierheilkunde, 1954, S. 19. Tierärztliche Hochschule (Hrsg.), Die Tierärztliche Hochschule in Hannover, 1953, S. 79 Henze, Deutschland und Lateinamerika, 1991, S. 11ff. Fröschle, Die Deutschen in Lateinamerika, 1979 S. 146ff. Kahle, Deutsche Landsknechte, Legionäre und Militärinstrukteure in Lateinamerika, 1996, S. 35ff. Kahle, Deutsche Freiwillige in den amerikanischen Unabhängigkeitsbewegungen, 1992, S. 223ff. Kahle, Friedrich Rasch und Carl Sowersby. 1990, S. 199ff. Schrader, Deutsche Beziehungen zu Lateinamerika, 1991, S. 14. Schramm, Deutschland und Übersee, 1950. Walter, Venezuela und Deutschland 1815–1870, 1983, S. 36. Deutsches Ausland Institut, Deutschtum im Ausland, 1939. Dietrich, Simón Bolívar, 1934. Göß, Deutsche Leistung in Amerika, 1940, S. 111. Kübler, Deutsche in Bolivien, 1936, S. 61ff. Mindt, Der Erste war ein Deutscher, 1943. Quelle, Geschichte Amerikas außer Kanada, 1942. Quelle, Geschichte von Iberoamerika, 1942. Quelle/Schneider, Bolivien, 1933, S. 487. Schoen, Geschichte Mittel- und Südamerikas, 1953. Stadtmüller, Die lateinamerikanische und griechische Unabhängigkeitsbewegung, 1982, S. 85. Aufgrund der schieren Masse an Zitaten, Verweisen und Schilderungen wird auf eine Auflistung der Werke verzichtet. Ciudad de La Paz (Hrsg.), Guía breve de La Paz, 1948, S. 281.

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eine Schule (La Paz)115, ein Fußballverein116 („Mariscal Braun“ in La Paz) und sogar ein ganzer Verwaltungsbezirk („Mariscal Braun“ im Departement Chuquisaca)117 nach ihm benannt. Von allen südamerikanischen Nationalgeschichten räumt ihm die bolivianische aufgrund seiner langen Tätigkeit dort in den 1830er Jahren den größten Platz ein.118 Kaum eine bolivianische Nationalgeschichte kam bisher ohne einen Verweis auf den Mariscal Felipe Braun aus. Sie alle schildern seinen Beitrag zur Geschichte Boliviens in unterschiedlichem Umfang.119 Neben der bolivianischen Geschichtswissenschaft widmete sich auch die peruanische dem General Braun in diversen Werken – schließlich hatte er mit dem Sieg von Junín zur Unabhängigkeit des Landes beigetragen.120 Brauns Teilnahme am südamerikanischen Unabhängigkeitskrieg hatte die häufige Nennung in der venezolanischen, kolumbianischen und ecuadorianischen Geschichtswissenschaft zur Folge.121 Viele der bisher genannten Nationalgeschichten bewerten die historische Person Otto Philipp Braun positiv. Dies kann über die Geschichtswissenschaften Argentiniens und Chiles nicht immer gesagt werden. Denn Braun hatte sich während des ­Krieges 115 Ciudad de La Paz (Hrsg.), Guía breve de La Paz, 1948, S. 183. 116 Mesa (u.a.), La Paz 450 años 1548–1998, 1998, S. 137. 117 Corte Nacional Electoral (Hrsg.), Geografía electoral, 2004, S. 35. Peña y Lillo Escóbar, Síntesis Geográfica de Bolivia, 1947, S. 78. 118 Aufgrund der wahren Flut an Nennungen, Perspektiven und Beschreibungen werden in den Anmerkungen 120 bis 123 nur die prägnantesten Werke genannt 119 Als Auswahl siehe: Arguedas, La fundación de la república, 1981. Arguedas, Historia general de Bolivia, 1922. Diaz Villamil, Curso de historia de Bolivia, Bd. 3, 1953. Fellmann Velarde, Historia de Bolivia, 1970. Guzman, Historia de Bolivia, 1998. Macedonio Urquidi, Nuevo Compendio de la historia de Bolivia, 1921. Mesa (Hrsg. u.a.), Historia de Bolivia, 2003. Valda Palma, Historia del Parlamento Boliviano, 1993. 120 Als Auswahl siehe: Arduz Ruíz, La Confederacion Peru-Boliviana, 1999. Basadre, Reconsideraciones, 1977, S. 93ff. Basadre, Historia de la República del Perú, Bd. 1, 1963. Basadre, Chile, Perú y Bolivia independientes, 1948. Basadre, Historia de la República del Perú, Bd. 1, 1963 [=1946]. Bulnes, Ultimas campañas, 1897. Dellepiane, Historia militar del Perú, Bd. 1, 1931. Flores, Independencia del Perú, 1984, S. 641ff. Navarro, Ensayo sobre la Confederacion Peru-Boliviana, 1968, S. 53ff. Ortiz de Zevallos, Confederación Perú-Boliviana 1835–1839, Bd. 1, 1972. Sivirchi, Historia del Peru, 1933. Vargas Ugarte, Historia general del Perú, Bd. 7, 1971. Vargas Ugarte, Historia general del Perú, Bd. 6, 1966. 121 Als Auswahl siehe: Andrade, Ecuador, 1909. Baralt, Resumen de la Historia de Venezuela, 1960. Chiriboga, Las fuerzas del poder, 1989, S. 263ff. Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad del Perú, Bd. 1, 1945. Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad del Perú, Bd. 2, 1945. González Guinán, Historia contemporánea de Venezuela, Bd. 15, 1954. Plazas Olarte, Historia militar, 1971. Restrepo, Historia de la Revolution de la República de Colombia, Bd. 1,1969 [=1827]. Restrepo, Historia de la Revolution de la República de Colombia, Bd. 6, 1969 [=1827]. Thibaud, Repúblicas en Armas, 2003. Vivanco, Participacion del ­Departamento del Ecuador, Bd. 19, 1940, S. 29ff.

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von Argentinien und Chile gegen die peruanisch-bolivianische Konföderation auf der gegnerischen Seite befunden. Nichtsdestotrotz trugen diverse Arbeiten argentinischer und chilenischer Historiker mit ihrer jeweiligen Perspektive wichtige Informationen zu dieser Arbeit bei.122 So hilfreich viele dieser Arbeiten sind, eine empirische Auseinandersetzung ersetzen sie nicht.123

Gliederung der Arbeit Nach dem ersten, einleitenden Kapitel folgen zehn aufeinander aufbauende Abschnitte über das Leben Otto Philipp Brauns sowie am Ende eine Zusammenfassung. In chronologischer Reihenfolge werden große Teile der Biographie Brauns rekonstruiert und die Argumente der Arbeit entwickelt. Wo dies für die These der Arbeit notwendig ist, widmen sich einzelne Abschnitte und Einschübe speziellen Themen. Im zweiten Kapitel dieser Arbeit steht die Herkunft, Jugend und Auswanderung Otto Philipp Brauns nach Amerika im Fokus. Hier wird gezeigt, dass schon zu einem frühen Zeitpunkt transatlantische Faktoren und Transferprozesse eine Rolle in seinem Leben spielten. Denn Braun wanderte nicht voraussetzungslos aus, sondern nahm umfangreiche Ressourcen mit über den Atlantik. Bei den ersten Stationen in der neuen Welt sammelte Braun trotz anfänglichen Scheiterns wichtige Erfahrungen. Das dritte Kapitel rekonstruiert, wie Braun während des südamerikanischen Unabhängigkeitskrieges durch militärische Leistungen auf dem Schlachtfeld und als fähiger Ausbilder von einem unbedeutenden Offizier in den militärischen Führungszirkel der Unabhängigkeitsarmee aufstieg und hiermit auch seine Nachkriegskarriere begründete. Kapitel vier zeigt, wie Braun trotz Rückschlägen in den Wirren nach der Unabhängigkeit durch eine bedingungslose politische Loyalität innerhalb der Fraktion von Simón Bolívar zu einer festen politischen Größe wurde. Dies setzt sich in Kapitel fünf fort. Es rekonstruiert nicht nur Brauns Rolle im peruanisch-großkolumbianischen Krieg 1828–1829, sondern es zeigt vor allem erste Transferprozesse von Prestige und Einfluss über die Grenzen von Ländern und politischen Fraktionen. Kapitel sechs zeichnet Brauns fast neunjährige Karriere unter Andrés 122 Als Auswahl siehe: Levene, Historia de la nación argentina, Bd. 7/2, 1962 [=1939]. Pavoni, El noroeste argentino en la época de Alejandro Heredia, Bd. 1, 1981. Pavoni, El noroeste argentino en la época de Alejandro Heredia, Bd. 2, 1981. Rosa, Historia Argentina, Bd. 4, 1970. Sotomayor Valdés, Historia de Chile, Bd. 3, 1902. Sotomayor Valdés, Campaña del ejército chileno, 1896. Suárez, Atlas histórico-militar argentino, 1974. Zinny, La Gaceta mercantil de Buenos Aires, 1912. O. A. Campero y Campero, 1953, S. 84f. 123 Hierzu vor allem: Arnade, El Mariscal Braun, 2000, S. 56.

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de Santa Cruz nach. Hier wird vor allem deutlich, dass es Braun gelang, sein Ansehen und seinen Einfluss erheblich zu steigern und sein hochkarätiges Netzwerk in Südamerika nochmals auszubauen. Kapitel sieben widmet sich dem Zusammenbruch der Administration von Santa Cruz und den unmittelbaren Überlebensbemühungen Brauns Anfang des Jahres 1839. Es zeigt insbesondere, dass hier genauso wie bei Brauns späterem transatlantischen Agieren Prestige, Einfluss und Netzwerk entscheidende Faktoren waren. Kapitel acht, neun und zehn untersuchen Brauns politisches und unternehmerisches Agieren als Akteur in der atlantischen Welt. In diesen Kapiteln wird deutlich, dass Brauns transatlantisches Agieren ohne seine vorherige Karriere, ohne den Erwerb von Prestige, Einfluss und eines internationalen Netzwerkes sowie einer ökonomischen Basis undenkbar gewesen wäre. Darüber hinaus zeigen die Kapitel, dass Otto Philipp Braun in der Lage war, Prestige und Einfluss nicht nur über die Grenzen von Ländern, politischen Fraktionen und über biographische Brüche hinweg zu transferieren, sondern auch über die Grenzen von Kontinenten. Otto Philipp Braun verließ zwar mehrfach den südamerikanischen Kontinent Richtung Europa, er blieb jedoch stets Teil des dazugehörigen politischen Raumes, da er durch Briefe und Treffen kontinuierlich hinter den Kulissen an politischen Prozessen teilnahm. Er tat dies nahezu unabhängig von seinem geographischen Aufenthaltsort. Diese Phänomene wiederum weisen auf einen politischen Raum in der atlantischen Welt. Das elfte und gleichzeitig letzte inhaltliche Kapitel beschreibt Brauns Wandel vom aktiven Akteur zum Elder Statesman. Auch wenn sich Braun zum Ende seines Lebens immer weiter aus der Tagespolitik zurückzog, sind auch in den 1850er und 1860er Jahren transatlantische Transferprozesse von Prestige und Einfluss greifbar. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse und Argumente schließt die Arbeit ab.

2. Transatlantische Jugend 1800–1820 „Die Gärung hat den höchsten Grad erreicht […]. Die Verzweiflung der Völker, die nichts mehr zu verlieren haben, weil man ihnen schon alles genommen hat, ist zu fürchten.“ Jérôme an Napoleon124

In der alten Biographik ist es üblich, die Jugend eines Protagonisten zu beschreiben. Denn die Kindheit und Jugend einer Person präge deren Charakter. An dieser Stelle soll diese Lebensphase Brauns jedoch nicht betrachtet werden, um dieser Tradition Genüge zu tun. Ziel dieses Kapitels ist es vielmehr, die frühe Lebensphase Brauns zu rekonstruieren, da die während dieser Zeit gesammelten Ressourcen und vor allem im historischen Kontext gemachten Erfahrungen seinen erfolgreichen Ein- und Aufstieg in der Armee Simón Bolívars erklären helfen. Schließlich trat der am 13. Dezember 1798 in eine bürgerlich-kosmo­ politische Familie hineingeborene Otto Philipp Braun seine erste transatlan­ tische Reise im Sommer 1818 weder mittellos noch unerfahren oder ungebildet an. Otto Philipp Braun nahm umfangreiche finanzielle Mittel seines Vaters, des kurfürstlichen Hofwagenbauers Ludwig Theodor Braun, sowie wichtige Erfahrungen mit. Neben dem Wissen um die stürmischen historischen Ereignisse des frühen 19. Jahrhunderts konnte Braun auch auf seine militärischen Erfahrungen als junger kurhessischer Freiwilliger im Feldzug der alliierten Truppen gegen Napoleon im Frühling 1814 zurückgreifen. Beim Aufmarsch moderner Massenheere und Kavallerieeinheiten hatte Braun unmittelbare militärische Kenntnisse erworben. Auch brachte er nach einem Studium (1815–1818) als gut ausgebildeter Tierarzt ein hohes Maß akademischer Bildung sowie aufgrund einer intensiven Ausbildung im militärischen und höfischen Reiten wertvolle praktische Kenntnisse mit nach Amerika. Die Auswanderung Brauns wird auch vor dem kosmopolitischen Hintergrund der Familie Braun erklärbar. Die Überwindung von Grenzen und sogar Kontinenten war in der nahen Verwandtschaft schon vor Otto Philipp Brauns eigener Entscheidung, den Atlantik zu überqueren, mehrmals praktiziert und damit auch für ihn denkbar geworden. Dies gilt ähnlich für die berufliche Nähe des Vaters Ludwig Theodor Braun als kurfürstlicher Wagenbauer zum Militär im Allgemeinen und zur Kavallerie im Besonderen. Dabei gilt es zu betonen, dass diese familiären Aspekte im Kontext der historischen Ereignisse zu Beginn des 19. Jahrhunderts verstanden werden müssen. Die Brüche, Revolutionen und Regimewechsel, die Otto Philipp Braun in seiner Jugend miterlebte, machten 124 Zit. n. Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress, 2001, S. 54.

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den Zeitgenossen deutlich, wie sehr Geschichte und Gesellschaft gestaltbar waren. Dass Otto Philipp Braun als hochgebildete, militärisch erfahrene und vor allem vermögende Person auswanderte, garantierte jedoch keineswegs seinen Erfolg. So soll in diesem Kapitel gezeigt werden, dass Braun sowohl in den USA als auch auf Haiti bei der beruflichen Etablierung scheiterte. Diese persönlich bitteren Erfahrungen bewirkten jedoch keinen endgültigen Bruch in der Vita Brauns, sondern bereiteten ihn auf seine späteren Stationen in Südamerika vor. Bei seinem Scheitern in den USA lernte Braun nicht nur mit Englisch eine neue Sprache, sondern erwarb auch interkulturelle Kompetenzen, indem er dort kulturelle Unterschiede und die Notwendigkeit der eigenen Anpassung reflektierte. Auf Haiti scheiterte Braun – trotz eines erstmals nachweisbaren transatlantischen Wissenstransfers – ebenfalls. Doch lässt sich auch bei diesem Aufenthalt ein positiver Effekt feststellen. Denn auf Haiti passte sich Braun in einem geschützten Umfeld an das gesundheitlich gefährliche Klima an und sammelte am Hof des haitianischen Herrschers Henri I. erste machtpolitische Erfahrungen.

2.1 Die Familie Braun zwischen Revolution, Reform und Restauration Otto Philipp Braun wurde in eine Epoche radikaler politischer, sozialer und ökonomischer Umwälzungen hineingeboren. Die Revolutionen, Reformen und Restaurationsversuche der vorvorletzten Jahrhundertwende machten weder vor seiner Heimat Hessen-Kassel noch vor seiner Familie oder ihm selbst halt. Schließlich hatten europäische Aufklärung, Siebenjähriger Krieg, Amerikanische Unabhängigkeit, Französische Revolution, die sich anschließenden Revolutions- und Koalitionskriege sowie der Aufstieg Napoleons sowohl die Staatenwelt tief erschüttert als auch das Denken, Handeln und Leben der Menschen nachhaltig beeinflusst. Grenzen verschoben sich, jahrhundertealte Staaten und Institutionen brachen im Zuge von Säkularisierung, Mediatisierung und napoleonischer Eroberung zusammen. Im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts war ersichtlich: Die Welt war durch Menschen veränder- und gestaltbar.125 Dabei war der glanzlose Untergang des fast tausendjährigen Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation durch die von Napoleon erzwungene Niederlegung der deutschen Kaiserkrone durch Kaiser Franz II. im Sommer 1806 eines der augenfälligsten Ereignisse.126 Spätestens mit dem Frieden von Tilsit ein Jahr spä125 Blackbourn, The Long Nineteenth Century, 2003, S. 35ff. Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress, 2001, S. 19ff. Für Hessen-Kassel siehe: Wolff, Ab­ solutismus und Aufklärung in Hessen-Kassel, 1983, S. 133ff. 126 Burgdorf, 1806 „Deutsche Katastrophe“?, 2009, S. 25ff. Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress, 2001, S. 71ff bes. S. 80.

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ter hatte der revolutionäre Geist, der durch Europa ging, auch die erst kürzlich zum Kurfürstentum erhobene Landgrafschaft Hessen-Kassel endgültig erreicht. Nach der Flucht des Kurfürsten Wilhelm I. vor den einrückenden französischen Truppen wurde das Kurfürstentum aufgelöst und in das neu geschaffene Königreich Westphalen integriert. Wenig später zog Napoleons Bruder Jérôme Bonaparte in das Stadtschloss ein und machte die kurhessische Residenzstadt zum Regierungssitz des neuen, zum napoleonischen Musterstaat ausgerufenen Königreichs Westphalen. Mit dieser Revolution gingen – wie in vielen deutschen Ländern – tief greifende ökonomische und politische Reformen einher. Während in den meisten anderen Regionen Deutschlands Veränderungen schritt- oder auch oft nur teilweise eingeführt wurden, übernahm die neue Führung im Königreich Westphalen das französische System am konsequentesten und am vollständigsten.127 Innerhalb nur eines einzigen Jahres erfolgten im neuen Königreich eine ganze Reihe revolutionärer Maßnahmen. Ziel war es vor allem, den französischen Machtbereich administrativ tiefer zu durchdringen und durch die Integration der Bevölkerung machtpolitisch zu konsolidieren. Der Modellstaat sollte auch den anderen besiegten Ländern die Vorteile einer französischen Vorherrschaft gegenüber den verkrusteten Fürstenverwaltungen deutscher Kleinstaaterei aufzeigen.128 Im Zuge dieser Reformen wurden jahrhundertealte Strukturen innerhalb kürzester Zeit grundlegend modernisiert – sehr zur Freude des Hofwagenbauers Ludwig Theodor Braun, dem Vater von Otto Philipp Braun. Denn mit dem Beginn der Herrschaft des von der Kasseler Bevölkerung als „König Lustik“ titulierten Bruders Napoleons fielen auch die Schranken des Zunftwesens. Die Gewerbefreiheit hielt Einzug. Dies war für den ehema­ligen kurfürstlichen Hofwagenbauer von großem Vorteil. Denn nun konnte er frei aller Restriktionen wirtschaften. Hierfür war er bestens vorbereitet. Schon 1796 hatte er beim Landgrafen Wilhelm IX. (ab 1803 Kurfürst Wilhelm I.) das Privileg erwirkt, in seinem Betrieb „fabrikmäßig“ produzieren zu dürfen – gegen den merkantilistischen Widerstand von Zünften und unteren Verwaltungsstellen.129 Dieses Beispiel des Strebens nach Innovation und Fortschritt soll verdeutlichen, dass die Familie Ludwig Theodor Braun Teil des sich 127 Berding, Das Königreich Westphalen, 2009, S. 74ff. Berding, Napoleonische Herrschaft, 1994, S. 8. Demandt, Geschichte des Landes Hessen, 1972, S. 544ff. Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress, 2001, S. 53. Seier, Kurhessen und sein Ende, 1983, S. 160f. 128 Berding, Das Königreich Westphalen, 2009, S. 74ff. Berding, Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik, 1973, S. 19ff. Demandt, Geschichte des Landes Hessen, 1972, S. 540ff. Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress, 2001, S. 53. Jäger/Burmeister, Das Königreich Westphalen, 2006, S. 8f. KrauseVilmar, Zur Bildungs- und Schulpolitik im Königreich Westphalen, 2009, S. 176ff. 129 Braun, Grundlagen, 1914, S. 153f. Dieses Privileg ist im Zusammenhang mit dem landesfürstlichen Bestreben zu sehen, die Verwüstungen des Siebenjährigen Krieges

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gerade entwickelnden progressiven deutschen Bürgertums war. Dies wiederum hilft nachzuvollziehen, in welchem familiären und gesellschaftlichen Umfeld die Kinder – darunter ab 1798 auch Otto Philipp Braun – aufwuchsen. Zu dieser sich im fundamentalen Wandel befindlichen Umwelt gehörte auch die langsam von England auf das europäische Festland übergreifende Industrialisierung und die Durchsetzung des modernen Kapitalismus. Auch wenn die deutschen Länder noch viele Jahrzehnte benötigten, Anschluss an diese Entwicklung zu finden, verdeutlichen die Fabrikationsbemühungen Ludwig Theodor Brauns die auch auf dem Kontinent allmählich einsetzenden Veränderungen im Wirtschaftsleben. Dass gerade Ludwig Theodor Braun die Zeichen der Zeit erkannte und sich von der Zunft weg und hin zur Fabrik bewegte, war kein Zufall, sondern vor allem seinem langjährigen Aufenthalt als Lehrling bei einem englischen Lederfabrikanten in London (1774–1779) geschuldet. Dort kam er außer mit strukturellen Veränderungen, wie der explosionsartigen Zunahme der Bevölkerung, der Verstädterung, der Agrarrevolution, dem sektoralen Wandel der Beschäftigungsstruktur, dem Wirtschaftsboom oder dem auf diese Entwicklung flexibel reagierenden britischen politischen System, mit neuen Fertigungstechniken, Organisierungsprinzipien und ökonomischen Ideen in Berührung, weshalb er nach der Rückkehr den Rückstand des elterlichen Handwerksbetriebes und dessen „nicht blühenden Zustande“130 erkannte.131 Es sollen nun aber nicht die Bemühungen Ludwig Theodor Brauns um den Aufbau einer ansehnlichen Wagenfabrik mit Kutscherei­gewerbe im Fokus stehen, sondern die Tatsache, dass im Hause Braun die Überwindung staatlicher und kultureller Grenzen durch ausgedehnte Reisen und längere Aufenthalte im deutschen und europäischen Ausland sowie eine fundierte bürgerliche Ausbildung, also eine systematische Vorbereitung der Söhne auf das spätere Leben, selbstverständliche Realität waren. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Ludwig Theodor Braun seinem fünften Sprössling Otto Philipp ebenfalls eine fundierte Ausbildung ­finanzierte und darüber hinaus ermöglichte, sein Glück in der Ferne zu suchen. Auch scheint dieser unternehmerische, gebildete und bürgerliche Kontext erklären zu helfen, warum der junge Otto Philipp Braun überhaupt auf die Idee kam, einerseits zu studieren und andererseits nach gescheiterten Etablierungsversuchen in der Heimat in die USA auszuwandern. Diese bürgerlich-kosmopolitische Grundhaltung lag in der Familie. Denn nicht nur Ludwig Theodor Braun hatte längere Zeit in Großbritannien verbracht, auch seine Brüder Jacob und Johannes Braun hatten jahrelang dort gedurch eine Belebung der Wirtschaft zu beheben Wolff, Absolutismus und Aufklärung in Hessen-Kassel, S. 139. 130 Braun, Lebenserinnerungen 1833, in: Braun, Grundlagen, 1914, S. 157. 131 Zum strukturellen Wandel in Großbritannien siehe: Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress, 2001, S. 5ff.

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lebt.132 Bruder Friedrich August Braun hatte ganze elf Jahre in der Schweiz und im Elsass verbracht.133 Ein weiterer Bruder, Ludwig Melchior Braun, war Sattler bei den hessischen Jägern aufseiten der britischen Truppen im US-amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gewesen.134 Aber nicht nur seine Brüder sammelten im Ausland jahrelang wertvolle Erfahrung und berufliche Bildung, Ludwig Theodor Braun schickte auch seine Kinder in die Ferne. Seinen Nachfolger im familieneigenen Hofwagenbaubetrieb, Christian Friedrich Braun, schickte er zu Ausbildungszwecken nach England und ließ ihn ausgiebig Deutschland und Frankreich bereisen.135 Heinrich August Braun, der später in Kassel die LöwenApotheke gründete und als Mineralwasserproduzent vermögend wurde, hatte in Bremen und Hamburg gelebt.136 Der jüngste Bruder, Julius Braun, wurde ebenfalls Apotheker, nachdem er in Berlin, Bremen und Hamburg seine Lehrjahre verbracht hatte. Er begründete mit der Übernahme der Rosen-Apotheke in Melsungen das heute weltweit operierende Medizintechnikunternehmen B. Braun Melsungen AG.137 Parallel zur Bereitschaft, seine Kinder in die Ferne zu schicken, sorgte Ludwig Theodor Braun dafür, dass seine jüngeren Geschwister sowie alle seine Söhne eine fundierte, teilweise akademische Ausbildung erhielten. Der älteste Sohn Friedrich Wilhelm Braun etwa wurde Arzt und sogar Doktor der Medizin.138 Die Familie Braun hatte zudem beruflich bedingten Kontakt zum Militär. Die ganz in der Nähe von Werkstatt und Privathaus der Familie einquartierten kurhessischen und westphälischen Regimenter nahmen die Dienste des Wagenbauers und Sattlers Ludwig Theodor Braun oft in Anspruch. Darüber hinaus war er unter König Jérôme selbst Capitan der Kasseler Nationalgarde und von 1809 bis 1813 Bataillonschef des Regiments – wie er nach der Restauration Kurhessens Jahrzehnte später zähneknirschend in seinen Memoiren zugab.139 132 Braun, Grundlagen, 1914, S. 155 133 Ebd., S. 346. 134 Ludwig Melchior Braun war als einer der wenigen überlebenden Veteranen 1783 nach Hessen-Kassel zurückgekehrt. Braun, Grundlagen, 1914, S. 147ff. Zur Rolle hessischer Soldaten in Nordamerika siehe auch: Demandt, Geschichte des Landes Hessen, 1972, S. 282f. Wolff, Absolutismus und Aufklärung in Hessen-Kassel, 1983, S. 141. 135 Braun, Grundlagen, 1914, S. 160ff. 136 Ebd., S. 198f. 137 Aus der Melsunger Rosen-Apotheke entstand in wenigen Generationen der heutige Großkonzern B. Braun Melsungen AG. Siehe: B. Braun Melsungen AG, B. Braun Melsungen heute, 1972. Bippig, Beiträge zur Geschichte der Familie Braun, Melsungen 1968, S. 105. Neher, 125 Jahre B. Braun Melsungen, 1964. Schmidt, Melsungen, 1978. Schröder, Rosen-Apotheke in Melsungen, 1978. 138 Braun, Grundlagen, 1914, S. 156f. 139 Braun, Lebenserinnerungen 1833, in: Braun, Grundlagen, 1914, S. 159.

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Sein Bruder Ludwig Melchior Braun war – wie erwähnt – mit Tausenden junger Männer vom Landgrafen an das britische Königshaus als Söldner und Sattler verkauft worden. Sein Bruder Wilhelm Braun hatte „die Reitkunst erlernt“140 und war viele Jahre im preußischen Kürassierregiment von Württemberg Stallmeister gewesen. Militär, Kavallerie und Soldatentum waren also genauso wie Reisen in die Ferne und eine fundierte Ausbildung Bestandteil des braunschen Familienlebens zu Beginn des 19. Jahrhunderts und damit selbstverständlicher Teil der kindlichen und jugendlichen Realität Otto Philipp Brauns. Parallel zu diesem familiären Kontext beeinflussten den jungen Otto Philipp Braun sicherlich auch die Erfahrungen während der französischen Besatzung. Zwar hatte Napoleon das Königreich Westphalen zum Musterstaat französischer Reformen und zivilisatorischen Fortschritts erkoren, doch aufgrund konträrer Realpolitik in Form hoher Kriegskontributionen, Ausplünderung der Staatsdomänen sowie der für die hessische Wirtschaft katastrophalen Kontinentalsperre drohte dem Vasallenstaat von Beginn an der Staatsbankrott. Um dies zu verhindern, zog König Jérôme die Steuerschraube bis zum Äußersten an, womit er die Bevölkerung des traditionell armen und kargen Landes in Not und Elend stürzte. Die anfängliche Begeisterung über die Modernisierung und Reformierung schlug in offene Ablehnung um. Truppenaushebungen für die napoleonischen Kriege in Spanien, Österreich und Russland sowie desaströse Heeresdurchzüge bluteten das Land zusehends aus.141 Daher verwundert es nicht, dass Hessen-Kassel zu einem Zentrum politischen und militärischen Widerstandes wurde.142 Elisabeth Fehrenbach beschrieb dies einmal pointiert: „Das als Musterstaat geplante Westfalen wurde so zum Land der Bauernunruhen.“143 Alle diese Geschehnisse und deren Nachwehen ereigneten sich in der Kindheit und Jugend Otto Philipp Brauns. Otto Grube behauptet in seiner 1939 veröf140 Braun, Lebenserinnerungen 1833, in: Braun, Grundlagen, 1914, S. 158. 141 Berding, Das Königreich Westphalen, 2009, S. 80ff. Jäger/Burmeister, Das Königreich Westphalen, 2006, S. 17f. 142 Während früher nationale und marxistisch-nationale Interpretationen die Diskussion um den Widerstand gegen die französische Herrschaft dominierten, hat die Rheinbundforschung diese Tendenzen in den letzten 30 Jahren relativiert: Hartmann, Zu den inneren Verhältnissen im Königreich Westphalen, 2006, S. 165ff. Speitkamp, Widersetzlichkeit gegen die napoleonische ‚Fremdherrschaft‘, 2009, S. 135ff. Für ältere Arbeiten siehe: Goecke, Das Königreich Westphalen, 1988. Heitzer, Insurrectionen zwischen Weser und Elbe, 1959, S 122ff. Losch, Geschichte des Kurfürstentums Hessen, 1922, S. 39ff. Woringer, Der Dörnbergsche Aufstand 1809, 1909/10, S. 7ff. Für Preußen gilt Ähnliches, wenngleich hier das Herrscherhaus erhalten blieb: Hagemann, Nation, Militär und Geschlecht zur Zeit der Antinapoleonischen Kriege Preußens, 2002, S. 20ff. Heitzer, Insurrectionen zwischen Weser und Elbe, 1959, S. 122ff. Helmert/Usczek, Europäische Befreiungskriege, 1976, S. 134ff. 143 Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress, 2001, S. 84.

Militärische Erfahrungen während des Befreiungs­krieges 1814



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fentlichten Biographie, dass der achtjährige Braun mit gefangenen hessischen Aufständischen zusammengetroffen sei. Grube tut dies jedoch ohne jede Angabe historischer Quellen. Zwar werden die genannten Ereignisse Einfluss auf Braun gehabt haben, von einer zeitlichen Parallelität eine inhaltliche Verbindung ohne Belege zu konstruieren, wie Grube dies tut, ist jedoch schlichtweg unzulässig. Aus diesem Grund ist die Darstellung ­Grubes wenig glaubwürdig.144 Dennoch verdeutlichen die Ereignisse, die sich in den ersten Lebensjahren Brauns vollzogen, wie sehr sich seine Umgebung im gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Umbruch befand. Dieser Umbruch führte den Zeitgenossen vor Augen, dass staatliche, kulturelle und soziale Grenzen überwindbar waren. Otto Philipp Brauns Familie mit einem Vater, diversen Onkeln und Brüdern, welche die kurhessische Heimat verließen, um im europäischen oder gar außereuropäischen Ausland Erfahrungen zu sammeln, steht geradezu für diese immer rasanter werdende Entwicklung. Otto Philipp Braun wuchs in dieser bürgerlich-kosmopolitischen Umgebung auf, die seinen Entschluss, in ein fremdes kulturelles Umfeld auszuwandern und sich nach Rückschlägen geographisch neu zu orientieren, erklärbar machen. Auswandern war in einem bürgerlich-kosmopolitischen Kontext wie dem der hochmobilen Familie Braun eine naheliegende Option. Ebenfalls hilft der familiäre, städtische sowie historische Kontext zu erklären, warum sich Otto Philipp Braun im Januar 1814 freiwillig für den Feldzug seines Fürsten meldete.

2.2 Militärische Erfahrungen während des Befreiungs­ krieges 1814 Als beim preußisch-französischen Krieg im Jahre 1806 Kurhessen seine Neutralität erklärte, aber zugunsten Preußens taktierte, ließ Napoleon kurzerhand seine Truppen in Hessen-Kassel einmarschieren. Der Kurfürst musste fliehen. Seine Armee kapitulierte kampflos.145 Von 1807 bis Ende 1813 regierte – wie erwähnt – König Jérôme das neu geschaffene Königreich Westphalen. Mit vielen Tausend westphälisch-hessischen Soldaten half er seinem kaiser­lichen Bruder, 1807 in Spanien einzumarschieren und damit einen Dominoeffekt auszulösen, der in Südamerika 144 Bei dieser Anekdote, wie bei vielen bei Grube, handelt es sich um zielgerichtete Konstruktionen zur stringenten Darstellung und Erzählung einer imaginierten Lebensgeschichte oft ohne jeglichen Beleg durch historische Quellen. Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939, S. 12. 145 Jäger/Burmeister, Das Königreich Westphalen, 2006, S. 8f. Seier, Kurhessen und sein Ende, 1983, S. 160ff. Speitkamp, Widersetzlichkeit gegen die napoleonische ‚Fremdherrschaft‘, 2009, S.  138 Wolff, Absolutismus und Aufklärung in Hessen-Kassel, 1983, S. 144.

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zum Erstarken der Unabhängigkeitsbewegung führte – eine Entwicklung, die für Otto Philipp Brauns zukünftigen Lebensweg entscheidend sein würde. Weitere Kontingente stellte Jérôme für den Russlandfeldzug seines Bruders im Sommer 1812 bereit. Dieser endete in einer völligen Niederlage und dem Rückzug der geschlagenen Grande Armée aus dem brennenden Moskau. Die bis zu diesem Zeitpunkt eng an Napoleons Herrschaft geketteten deutschen Fürsten und deren Militärs witterten nun die Chance, die bedrückenden Umstände zu beseitigen. Im Dezember 1812, als sich die Niederlage Napoleons in Russland abzuzeichnen begann, erklärte das preußische Hilfsheer im russisch-französischen Krieg seine Neutralität. Dies wirkte als Fanal. In Ostpreußen bildeten sich Landwehr und Landsturm – noch gegen den Willen des zögernden preußischen Königs. Nach dem Aufflammen nationaler Begeisterung und der massenhaften Mobilisierung von Freiwilligen erklärte Preußen am 16. März 1813 Frankreich den Krieg. Zwar konnte Napoleon im Frühjahr noch einige taktische Siege gegen die preußischrussische Allianz verzeichnen, doch spätestens mit dem Eintritt Englands und Schwedens begann sich das Kriegsglück für die Grande Armée endgültig zu wenden.146 König Jérôme in Kassel betrachtete in Ermangelung schlagkräftiger Einheiten das Geschehen aus einiger Distanz – allerdings mit zunehmender Nervosität. Denn seine Herrschaft zerfiel in atemberaubendem Tempo, etwa aufgrund nicht abreißender Aufstände und Unruhen im eigenen Land sowie wegen der massenhaften Desertion innerhalb seiner schwachen westphälischen Streitkräfte. Als im Sommer 1813 in der Umgebung von Hannover und Kassel vereinzelte russische Streifkorps erschienen, begann die französische Elite im Königreich Westphalen mit der Vorbereitung der Flucht, inklusive des Raubes landgräflicher Kunstschätze und Vermögen. Nach einer kurzzeitigen Stabilisierung der Herrschaft von König Jérôme besiegelte die Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 auch sein Schicksal. Eine Woche später verließ er das von Russen und Franzosen fast völlig geplünderte Kassel für immer.147 Der Jubel bei der Rückkehr des Kurfürsten am 21. November 1813 muss sehr groß gewesen sein. Über 40.000 Menschen sollen dem Kurfürsten zugejubelt haben – was in Anbetracht von 23.000 Einwohnern, die zu dieser Zeit in der Stadt lebten, mehr als beträchtlich war. Die damalige Stimmung der Bürger drückte Wilhelm Grimm wie folgt aus: „Ich habe 146 Beißwenger, Der Befreiungskrieg von 1813, 2008, S. 102ff. Blackbourn, The Long Nineteenth Century, 2003, S. 35ff. Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress, 2001, S. 126ff. Hagemann, Nation, Militär und Geschlecht zur Zeit der Antinapoleonischen Kriege Preußens, 2002, S. 27ff. Krüger, Der Frankreichfeldzug von 1814, 2008, S. 187ff. 147 Heitzer, Insurrectionen zwischen Weser und Elbe, 1959, S. 257ff. Kleinschmidt, Aus den letzten Tagen des Königreichs Westfphalen, 1891, S. 244ff. Losch, Geschichte des Kurfürstentums Hessen 1922, S. 69ff. Renouard, Die Kurhessen im Feldzuge von 1814, 1857, S. 86ff. Wegner, Der Abschied der kurhessischen freiwilligen Jäger, 1995, S. 173ff.

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niemals etwas Bewegenderes und Ergreiferendes gesehen als den feier­lichen Einzug der fürstlichen Familie. Das Volk zog die Wagen [nachdem es die Pferde ausgespannt hatte, Anm. RK] nicht mit einem tobenden, für den Augenblick erregten Eifer, sondern wie jemand, der ein lang entbehrtes, von Gott wieder gewährtes Gut in die Heimat zurückführt. Mir schien in diesem Augenblick, als könne keine Hoffnung auf die Zukunft unerfüllt bleiben.“148 Zwar sollte sich Wilhelm Grimm gerade in letzterem Punkt – wie viele Kurhessen – sehr schnell täuschen, da die bald einsetzende Restaurationspolitik die erzreaktionäre Auffassung des Kurfürsten offenbarte. Für den Augenblick herrschte jedoch Begeisterung.149 Der Kurprinz und sein Vater beeilten sich sodann, schnell die aufgelösten Regimenter von 1806 und umfangreiche Kriegsressourcen zu mobilisieren. Denn die tatsächliche Rückkehr an die Macht im von alliierten Truppen besetzten Kurfürstentum war alles andere als sicher. Preußen spekulierte darauf, sich Hessen-Kassel einverleiben oder zumindest einem preußisch dominierten Zentralstaat unterordnen zu können. Diese Politik betrieb der preußische Freiherr Heinrich vom Stein auch auf der Versammlung europäischer Fürsten in Frankfurt. Um das Ende seiner Herrschaft zu verhindern, war der machtlose Kurfürst auf den Beitrag seiner Untertanen an Soldaten und Geld sowie nicht zuletzt auch auf eine plebiszitäre Legitimation in Form triumphaler Empfänge in den hessischen Städten angewiesen. Daher begab er sich nach Frankfurt. Dort verpflichtete er sich gegenüber den europäischen Fürsten im Frankfurter Akzessionsvertrag (Dezember 1813), im Gegenzug für die Anerkennung seiner Herrschaft beträchtliche Geldmittel und 24.000 Soldaten für den weiteren Krieg gegen Frankreich zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund führte er die allgemeine Wehrpflicht ein. Alle Männer im Alter von 17 bis 43 Jah148 Zit. n. Losch, Geschichte des Kurfürstentums Hessen, 1922, S. 79. Neben der euphorischen Beschreibung Wilhelm Grimms zogen andere Zeitzeugen, etwa der preußische Offizier von Borcke, ein ehemaliger Bediensteter von König Jérôme, die Rückkehr des Kurfürsten und die Reaktion der Kasseler Bevölkerung ins Lächerliche: Brocke, Der Kurfürst von Hessen-Kassel, 1966, S. 204ff. 149 Es sei darauf hingewiesen, dass die Begeisterung der Bevölkerung aufgrund der erzreaktionären Restaurationspolitik des Kurfürsten und seines Nachfolgers schnell verflog. Die folgenden Jahrzehnte waren von der kontinuierlichen Auseinandersetzung zwischen fortschrittlichem Bürgertum und Herrscherhaus gekennzeichnet. Dieses war bis zum Schluss nicht in der Lage, die durch die neue Zeit akkumulierten Strukturprobleme zu lösen, und blieb in den Denk- und Handlungsmustern des 17. und 18. Jahrhunderts verhaftet. Als preußische Truppen Hessen-Kassel dann im Jahre 1866 besetzten, waren große Teile der Bevölkerung über das Ende des Kurfürstentums erleichtert. Siehe: Flemming, Die Rückkehr des Kurfürsten, 2009, S. 237ff. Hartmann, Kurhessens Schicksal auf dem Wiener Kongress, 2001, S. 176ff. Heitzer, Insurrectionen zwischen Weser und Elbe, 1959, S. 283ff. Kleinschmidt, Aus den letzten Tagen des Königreichs Westphalen, 1891, S. 244ff. Renouard, Die Kurhessen im Feldzuge von 1814, 1857, S. 94. Seier, Kurhessen im Deutschen Bund, 2001, S. 197ff.

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ren wurden rekrutiert. Männer jenseits dieser auf den Schlachtfeldern Spaniens und Russlands ausgebluteten Alterskohorten konnten sich freiwillig melden.150 Dieser machtpolitische Prozess wurde von einer Woge der patriotischen Begeisterung der kurhessischen Bevölkerung getragen, die an dem eindrucksvollen Empfang von Kurprinz und Kurfürst in Kassel ablesbar war. In dieser Atmosphäre meldete sich der 16-jährige Schüler Otto Philipp Braun zu den am 3. Januar 1814 gegründeten Freiwilligen kurhessischen Jägern zu Pferde.151 Vater Ludwig Theodor Braun stellte ihm Ausrüstung, Proviant und Geldmittel zur Verfügung. Welche Motive Otto Philipp Braun aber ganz konkret zu dieser Tat bewogen, kann nicht mehr rekonstruiert werden. Seine drei erhaltenen Feldpostbriefe aus dem Jahre 1814 jedenfalls lassen weder auf explizit patriotische Begeisterung noch auf eine direkte Order des Vaters schließen, der als ehemaliger westphälischer Offizier beim neuen Machthaber einiges gutzumachen hatte. Letztlich ist diese Frage aber auch nicht von entscheidender Bedeutung. Viel wichtiger sind die Erfahrungen, die Braun während des Feldzuges sammelte. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass alle bisherigen Arbeiten über Otto Philipp Braun behaupten, dieser habe von 1813 bis 1815 zweieinhalb Jahre Feldzug erlebt. Dies ist vor dem Hintergrund der heute vorliegenden Quellen jedoch als nicht richtig zurückzuweisen. Zwar datiert Hans Braun die von ihm veröffentlichten Feldpostbriefe in die Jahre 1813 bis 1814. Doch kann dies aufgrund des historischen Kontextes nicht stimmen. Denn die Freiwilligen Jäger zu Pferde wurden erst im Januar 1814 ins Leben gerufen und verließen Kassel im Frühling desselben Jahres. Daher kann Braun keine Briefe im April und Oktober 1813 aus dem Feld an seine Eltern verfasst haben.152 Auch ein aus 150 Flemming, Die Rückkehr des Kurfürsten, 2009, S. 240ff. Hartmann, Kurhessens Schicksal auf dem Wiener Kongress, 2001, S. 176f. Losch, Geschichte des Kurfürstentums Hessen, 1922, S. 79ff. Wegner, Der Abschied der kurhessischen freiwilligen Jäger, 1995, S. 176. Zum Akzessionsvertrag siehe: Martens, Nouveau Recueil de Traites des Puissances, Bd. 5, 1817, S. 651f. Wacker, Die alliierte Besetzung Frankreichs, 2001, S. 30ff. 151 Renouard, Die Kurhessen im Feldzuge von 1814, 1857, S.86 und 98. Zur Uniform siehe: Große-Löscher, Kurhessische freiwillige Jäger und Pioniere, 1988, S. 21. 152 Zwei der drei von Hans Braun in den „Braunschen Familienblättern“ veröffentlichten Feldpostbriefe Otto Philipp Brauns sind in der Veröffentlichung falsch datiert. Es ist vielmehr anzunehmen, dass es sich bei dem ersten abgedruckten Brief in Wirklichkeit um den letzten handelt, der während der letzten Kriegstage im April 1814 entstand. Der zweite Brief mag im Januar/Februar 1814 entstanden sein, während der Brief Nr. 3 vom 16. Februar 1814 aufgrund der Kontextinformationen korrekt datiert scheint. Es sei darauf hingewiesen, dass alle Arbeiten über Braun diese inkorrekten Daten übernahmen und Braun einen mehrjährigen Aufenthalt im Krieg sowie eine Rekrutierung als 15-Jähriger andichteten. So etwa: Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939, S. 17ff aber auch: Barnadas, Mariscal Braun, S. 9. Heute sind die Originale der Briefe sowie die Antworten seiner Eltern leider verschollen. Die

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dem Jahre 1829 stammender, also zeitgenössischer Artikel in der „Kasselschen Allgemeinen Zeitung“ über den schon zum General avancierten Braun, der in enger Abstimmung mit der Familie entstand, bestätigt, dass Braun lediglich im ersten Halbjahr 1814 für einige Monate als Freiwilliger diente.153 Trotz dieser Reduzierung der Dienstzeit Brauns im Befreiungskrieg auf wenige Monate wird diese Zeit das Leben des jungen Braun aufgrund der außergewöhnlichen Erfahrungen und ungeheuren Ausmaße des Feldzuges nachhaltig beeinflusst haben. Ludwig Emil Grimm, der Bruder der Märchensammler Jacob und Wilhelm Grimm, hielt beispielsweise seine Erlebnisse als freiwilliger Offizier im Dritten Landwehrregiment der kurhessischen Armee fest und bietet in seinen Beschreibungen des „Feldzug[es] nach Frankreich“154 Einblicke in die damaligen Abläufe. Besonders den Auszug der Kolonnen aus Kassel gilt es zu erwähnen: „Den […] Sonntag marschierten wir zum Königsplatz, und die Offiziere gingen in die Große Kirche, wo wir alle auf die Fahnen schwuren. […] [Ich] nahm bei all meinen Lieben Abschied. Dann marschierten wir durch die Königsstraße, salutierten den Fürstlichkeiten, die auf dem Balkon standen, und dem Frankfurter Tor hinaus.“155 Ähnlich wird es Otto Philipp Braun erlebt haben.156 Auf einen 16-jährigen Schüler, der noch nie die Grenzen der Region verlassen hatte, mussten diese Ereignisse tiefen Eindruck hinterlassen haben. Dennoch scheint er sie ziemlich unbekümmert aufgenommen zu haben. Seine Briefe schildern weniger militärische Überlegungen oder politische Reflexionen als den Alltag des als Abenteuer wahrgenommenen Auszuges als kurhessischer Kavallerist. So bittet er seine Eltern aus Koblenz: „[W]ollten [Sie] die Güte haben, mir drei bis vier Louisdors zu schicken, denn ich muss mir einen Mantelsack kaufen, weil kein Bagagewagen mehr da ist. Übrigens gefällt es mir hier ziemlich, es ist hier sehr

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abgedruckten Briefe galten viele Jahrzehnte ebenfalls als verschollen, da die geringe Auflage der „Familienblätter“ öffentlich nicht zugänglich war. Es sei an dieser Stelle nochmals Ludwig Georg Braun gedankt, der den Autor auf diese im Firmenarchiv der B. Braun Melsungen AG lagernden Quellen aufmerksam machte. 12.12.1829 Kassel. F.F., Züge aus den südamerikanischen Kriegen und dem Feldleben des kolumbischen Generals Braun, in: Kasselsche Allgemeine Zeitung, S. 1795. Grimm, Erinnerungen aus meinem Leben, 1950 [=1915], S. 62ff. Ebd., S. 64. Dies bestätigt: Losch, Geschichte des Kurfürstentums Hessen, 1922, S. 83. Detaillierte Rekonstruktionen der kurhessischen Entwicklungen im Frühjahr 1814 liegen aus heutiger Zeit nicht vor, sondern datieren aus dem 19. Jahrhundert und wurden größtenteils von damaligen Akteuren historistisch rekonstruiert. Dennoch verdanken wir ihnen nicht nur unzählige publizierte Dokumente, sondern die bis heute einzigen Darstellungen: Has, Geschichte des I. Kurhessischen Feldartillerie-Regiments, 1913, S. 332ff. Renouard, Die Kurhessen im Feldzuge von 1814, 1857, S. 100ff, 116. Specht, Das Königreich Westphalen und seine Armee, 1848, S. 311. Zum allgemeinen militärischen Verlauf siehe: Helmert/Usczek, Europäische Befreiungskriege, 1976, S. 132ff. Wacker, Die alliierte Besetzung Frankreichs, 2001, S. 30ff.

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teuer, das Essen ist sowohl anders.“157 Ferner schilderte er ihnen die Marschroute von Kassel über Warburg, Paderborn, Lippstadt, Hamm, Elberfeld und Köln. In Bonn blieb Otto Philipp Braun mit seiner Einheit „zwei Nächte und einen Tag […], und in dem Wirtshaus, wo ich logierte, war Kirmesse, wo ich recht lustig war. […] Ich und noch einige hatten ein Schiffer gemietet, wo wir zwei bis drei Stunden in einem Kahn auf dem Rhein fuhren.“158 In Trier beeindruckten ihn die „Alterthümer, die sich hier befinden [und] die himmlische Gegenden.“159 Zu diesem Zeitpunkt hoffte er schon, bald wieder nach Kassel zurückkehren zu können. Doch es ging nicht in die Heimat, sondern weiter nach Koblenz und Trier, immer auf das Ziel der kurhessischen Armee zu: die von französischen Kräften besetzten Abschnitte im französischen Festungsgürtel von Luxemburg – Metz – Saarlouis. Der Großteil der alliierten Armeen hatte parallel zu den diplomatischen Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien zu diesem Zeitpunkt bereits die französischen Linien durchbrochen und diesen Abschnitt längst in Richtung Paris passiert. So auch der Großteil des schlesischen Kriegsheeres unter Feldmarschall Gebhard Leberecht Blücher, der schon an Neujahr 1814 mit der Überschreitung des Rheins begonnen hatte und anschließend nach Frankreich vorgestoßen war. Lediglich leichte Kräfte versuchten derweil, die genannten überrannten französischen Festungen zu belagern. Das Vierte Deutsche Bundeskorps – so der offizielle Name der zu diesem Zeitpunkt erst in der Aushebung befindlichen kurhessischen Einheiten – war formal Bestandteil der schlesischen Kriegsarmee. Sie operierten jedoch eher als eine Art Nachhut.160 So war es die Aufgabe der rund drei Wochen später als der Haupttross im Kriegsgebiet erscheinenden hessischen Einheiten, die sich in den Festungen Luxemburg (2.500 Mann Besatzung), Thionville (2.000 Mann Besatzung), Metz und Saarlouis verschanzenden französischen Einheiten von Ausbrüchen abzuhalten, den Belagerungsring fest zu verschließen und auf diese Weise den alliierten Armeen den Rücken freizuhalten.161 Die schnell aufgestellten hessischen Einheiten griffen also nicht entscheidend in die massiven Kämpfe der Alliierten im Feldzug von 1814 ein, der mit der Einnahme von Paris am 31. März bzw. dem Waffenstillstand vom 23. April 1814 157 Zitate aus den Briefen Brauns werden nach Interpunktion und Rechtschreibung den modernen Regeln angepasst, um die Lesbarkeit zu erleichtern. Die Grammatik bleibt als historischer Verweis jedoch erhalten. Datum unklar [1814] Koblenz. Braun an Ludwig Theodor Braun, in: Braun, Feldzugsbriefe, in: Familienausschuss (Hrsg.) Braunsche Familienblätter, 1912, S. 17. 158 Ebd. 159 16.02.1814, Setrech, Braun an seinen Vater, in: Ebd., S. 17f. 160 Renouard, Die Kurhessen im Feldzuge von 1814, 1857, S. 11. Wacker, Die alliierte Besetzung Frankreichs, 2001, S. 30ff. 161 Renouard, Die Kurhessen im Feldzuge von 1814, 1857, S. 106ff.

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endete. Auch nahmen sie an keiner größeren Schlacht teil. Dennoch hatten sie Feindkontakt, wie Carl Renouard, Offizier im kurhessischen Generalstab, Jahre später festhielt: „[Auch wenn zugestanden werden muss, dass, Anm. RK] größere, eine besondere Denkwürdigkeit beanspruchende, Leistungen von Seiten der [kurhessischen] Blockadetruppen [im Vergleich zu den restlichen alliierten Einheiten, Anm. RK.] unter den Verhältnissen nicht erwartet werden konnten und auch in der Tat nicht stattgefunden haben. Immerhin leisteten die jungen hessischen Soldaten das, was man von alten Kriegern erwarten darf. Sie schlu-

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gen stets mit Mut und Unerschrockenheit die häufigen zum Teil bedeutenden Ausfälle aus Luxemburg und Thionville zurück, verloren 350 Mann an Toten und Verwundeten, machten 1 Oberstleutnant, 5 Offiziere und 100 Mann zu Gefangenen […].“162 Es ist auch aus den Briefen Otto Philipp Brauns ersichtlich, dass er mit seiner Einheit bis zur Unterzeichnung der Friedensverträge an der Belagerung der gerade genannten Festungen, vor allem Thionvilles, teilnahm und dabei die einzelnen Gefechte und Ausfälle der französischen Besatzung im Februar 1814 erlebte, „wo sich die tapferen Hessen sehr ausgezeichnet haben und der Feind in die 162 Renouard, Die Kurhessen im Feldzuge von 1814, 1857, S. 108.

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Festung zurückgeschlagen wurde“163, wie er an seine Eltern im heimatlichen Kassel nicht ohne Stolz berichtete. Allein an diesem unbedeutenden Frontabschnitt fielen ungefähr gleich viele Soldaten wie in der für die südamerikanische Unabhängigkeit so entscheidenden Schlacht von Junín zehn Jahre später.164 Im Vergleich zu den Schlachten der Alliierten mit mehreren Zehntausend Toten war der Kampfeinsatz der kurhessischen Armee aber bescheiden. Dies hatte seinen Grund vor allem in der schlechten Ausrüstung, mangelnden Erfahrung und dem relativ späten Eintreffen auf dem Schlachtfeld. Im Gegensatz zu den kampferprobten Einheiten Preußens und Österreichs zogen die ersten Kolonnen Kurhessens praktisch ohne Uniformen und Waffen Richtung Frankreich – daher auch Otto Philipp Brauns Klage über einen fehlenden Mantel, den er sich vom erbetenen elterlichen Geld kaufen wollte. Ein preußischer Offizier kommentierte die kurhessischen Truppen folgendermaßen: „Am beklagenswertesten aber scheinen mir die ohne Montierung und Mäntel in ihren leinenen Wämsern der Armee nachziehenden Kurhessen: Opfer für Spitäler.“165 Zwar verbesserte sich die Ausrüstung und Verfassung der kurhessischen Einheiten schnell und gehörten die Freiwilligen Jäger zu Pferde zu den besser ausgerüsteten Schwadronen, doch letztlich mögen die beschriebenen Umstände die Heeresleitung dazu bewogen haben, den Kurhessen eine untergeordnete Rolle im Befreiungskrieg zuzuweisen. Nach der Kapitulation oder Übergabe der Festungen im Zuge des Pariser Friedensabkommens kehrten die Freiwilligen Jäger zu Pferde schon wenige Monate nach dem Auszug im Juli 1814 nach Kassel zurück, wo sie offiziell entlassen wurden.166 So auch Otto Philipp Braun. Daher nahmen weder er noch andere Freiwilligenverbände Kurhessens an den letzten Kriegszügen der Alliierten gegen den von Elba zurückgekehrten Napoleon und an der Schlacht von Waterloo im Sommer 1815 teil.167

163 16.02.1814, Setrech, Braun an seinen Vater, in: Familienausschuss (Hrsg.), Braunsche Familienblätter, 1912, S. 17. Renouard, Die Kurhessen im Feldzuge von 1814, 1857, S. 116. 164 Siehe hierzu den Abschnitt „Die Schlacht von Junín“. 165 Hauptmann Meyer in Pertz, Das Leben des Ministers Freiherrn vom Stein, Bd. 3, 1851, S. 522. Meyer war mit Max von Schenkendorf unter Oberstleutnant Rühle von Lilienstern im General-Commissariat für die Bewaffnung Deutschlands verantwortlich. Selbst kurhessische Protagonisten bestätigen den wenig schmeichelhaften Eindruck von Meyer – wie etwa: Renouard, Die Kurhessen im Feldzuge von 1814, 1857, S. 99f. 166 Ebd., S. 278. Has, Geschichte des I. Kurhessischen Feldartillerie-Regiments Nr. 1, 1913, S. 332ff. 167 Hartmann, Kurhessens Schicksal auf dem Wiener Kongress, 2001, S. 177. Helmert/ Usczek, Europäische Befreiungskriege, 1976, S. 302ff bes. S. 311ff. Herrmann, Kurhessische freiwillige Jäger, 1988, S. 21. Krüger, Der Frankreichfeldzug von 1814, 2008, S. 185ff. Losch, Geschichte des Kurfürstentums Hessen, 1922, S. 84. Renouard, Die Kurhessen im Feldzug, S. 40ff, 272ff.

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Trotz der oben skizzierten beschränkten geostrategischen und militärhistorischen Bedeutung des kurhessischen Beitrags bei den Befreiungskriegen bleibt zu betonen, dass Otto Philipp Braun aus der individuellen Perspektive eines jungen Freiwilligen während des Feldzugs im Winter und Frühling des Jahres 1814 wertvolle Erfahrungen sammelte. Denn er war mit den Freiwilligen Jägern zu Pferde fester Bestandteil der kurhessischen Armee, die weit über 20.000 Mann zählte. Damit nahm Braun an einem Truppenaufmarsch teil, der alles in den Schatten stellte, was er später während des Unabhängigkeitskampfes in Südamerika erleben sollte. Denn dort umfasste eine Armee aufgrund anderer Strukturbedingungen selten mehr als 12.000 Mann.168 Braun konnte während der Befreiungskriege lernen, wie ein Heer von solcher Dimension, ganz abgesehen von den mehrere Hunderttausend Mann zählenden Truppen der Alliierten, aufgestellt, ausgebildet und versorgt wurde – von der logistischen Leistung, die Einheiten geordnet zu verlegen, im Feld zu versorgen und einzuquartieren, ganz zu schweigen. Er erlebte auch die Belagerung und Bombardierung großer, moderner Festungsanlagen sowie die Organisation der Ablösung, Rotation und Erholung der Alarm- und Beobachtungsposten. Er nahm an Patrouillen, Alarmen und Vorpostenwachen teil. Er erlebte den militärischen Tagesablauf und Alltag. Er erhielt während seiner Zeit im Feld detaillierte Einblicke in das innere Funktionieren moderner Massenheere, etwa in Führung, Aufrechterhaltung der Disziplin und militärische Hierarchien. Er erlebte beispielsweise, wie Offiziere Plünderungen verhinderten oder zumindest minimierten. Dabei wird er auch als junger Freiwilliger gesehen haben, welche Führungsinstrumente funktionierten und welche nicht. Otto Philipp Braun nahm dieses erstklassige militärische Erfahrungswissen sowie erste handfeste Kampferfahrung zusammen mit seinem akademischen Studium und praxisorientierter Reitausbildung der nächsten Jahre bei seiner Auswanderung im April 1818 über den Atlantik zu seinen nächsten Stationen mit.169

2.3 Europäische Expertise aus Hörsaal und Reitstall 1815–1818 Bevor Otto Philipp Braun jedoch seine erste transatlantische Reise antrat, die zu diesem Zeitpunkt noch außerhalb der Erwägungen lag, absolvierte er eine fundierte akademische Ausbildung. Ob er nach seiner Rückkehr aus Frankreich im Juli 1814 noch einmal die allgemeinbildende Schule in Kassel besuchte, ist unklar. Klar hingegen ist, dass er sich im September 1815 an der Königlichen Tier168 Vogel, War, Society and the State in South America, 2001, S. 39ff. Siehe auch das Kapitel 3.3 : „Braun im südamerikanischen Unabhängigkeitskrieg“. 169 Detailliert berichtet: Renouard, Die Kurhessen im Feldzuge von 1814, 1857, S. 120ff.

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arzneischule in Hannover einschrieb, um dort bis April 1817 Tierarzneikunde, also Veterinärmedizin, zu studieren. Parallel zu dieser Ausbildung nahm er noch Unterricht im militärischen Reiten bei einem Hannoveraner Kavallerieoffizier, da Braun zu diesem Zeitpunkt auf eine Anstellung als Regimentsbereiter und Fähnrich (Offiziersanwärter) im Zweiten Hannoverschen Husaren-Regiment spekulierte.

Veterinärmedizin und Reitausbildung in Hannover 1815–1817 Während der anderthalb Jahre in Hannover logierte er beim Direktor der Tierarzneischule und väterlichen Freund Konrad August Havemann.170 Zwischen diesem und Brauns Vater, Ludwig Theodor Braun, sowie zwischen Vater und Sohn fand ein reger Briefverkehr statt.171 Hauptgegenstand der heute verschollenen Briefe scheinen die Mahnungen des Vaters an die Sparsamkeit seines Sprösslings und seinerseits das Bitten um mehr Geld zu sein, da seine „Kasse nur aus einem leeren Geldbeutel besteht […], denn Schuhmacher, Schneider und alles, was einen hier in Hannover ansieht, will Geld haben“172. Trotz dieser Situation nutzte Otto Philipp Braun offensichtlich die Zeit in Hannover für seine berufliche Bildung gut, da er von Direktor Havemann stets vorzüg­liche Zeugnisse erhielt. Seine regelmäßigen Berichte an den Vater im fernen Kassel beschreiben seinen Alltag zwischen Hörsaal und Reitstall – zumindest jenen Teil, dem er seinen Vater mitteilen wollte. Otto Philipp Braun scheint, seiner eigenen Darstellung gemäß, von früh bis spät entweder den theoretischen Erörterungen im Hörsaal gefolgt zu haben oder im Sattel vier bis fünf Pferde pro Tag zugeritten zu haben. Daneben nahm er noch Privatunterricht in Zeichnen und Französisch.173 Gerade Letzteres dient uns als ein Hinweis auf Otto Philipp Brauns Fremdsprachenkenntnisse und seine Fähigkeit, neue Sprachen zu erlernen – was für seine spätere Auswanderung ja nicht ohne Bedeutung war. Zur besseren Einordnung des Studiums von Otto Philipp Braun sei darauf verwie170 Michaelis-Braun, Braun, 1914a, S. 224f. Hieronymi, Die Tierärztliche Hochschule in Hannover, 1953, S. 78f. 171 Hierauf deuten die vielen Zitate in einem Artikel des Nachfahren Manuel MichaelisBraun von 1914 hin, der für Jahrzehnte den Nachlass seines Großvaters verwaltete. Aber schon in den 1930er Jahren hatte der Autor Otto Grube, der einen historischen Roman über Braun verfasste, auf diese Dokumente wohl keinen Zugriff mehr. Sie waren auch nicht Bestandteil der Quellen, die im Jahre 1998 ins bolivianische Nationalarchiv gelangten. Sie gelten heute leider als verschollen. 25.03.1838 Suderode, Grube, Inventarliste des Nachlasses von Otto Philipp Braun, in: Sparkasse Kassel Ordner 2, Stadtarchiv Kassel. Barnadas, El Mariscal Braun, 1998, S. 16, Anm. 5. 172 Zit. n. Michaelis-Braun, Braun, 1914a, S. 225. 173 Ebd.

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sen, dass sowohl die Königliche Tierarzneischule Hannover als auch die Tierheilkunde des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts noch am Beginn ihrer Entwicklung standen.174 Als Otto Philipp Braun nach Hannover übersiedelte, existierte die als Rossarzneischule gegründete und bald zur Tierarzneischule erweiterte Einrichtung als eine der ersten ihrer Art in Deutschland noch keine 40 Jahre. Das Fach war gerade erst dabei, sich zu institutionalisieren und zu professionalisieren. Die Königliche Tierarzneischule Hannover steht hierbei für den Differenzierungsprozess zwischen akademisch gebildeten Veterinären und den angewandten Tierärzten, die bei ihrer bäuerlichen Kundschaft im Ruf standen, mehr abergläubischer Quacksalberei als akademischer Erkenntnis zu folgen.175 Bei den Studien in Hannover war dies – nach den Verhältnissen der Zeit – anders. Neben handwerklicher Ausbildung beim richtigen Schmieden und Beschlagen von Pferden standen Vorlesungen über äußere und innere Krankheiten, Osteologie, Anatomie, Physiologie, Geburtshilfe, Gesundheitslehre, Pharmazie, Hufkunde, Theorie des Hufbeschlags, aber auch angewandte Botanik und Naturwissenschaften wie Chemie auf dem Lehrplan. Klinische Demonstrationen und Operationen an kranken Tieren sowie Übungen an anatomischen Präparaten ergänzten das Curriculum.176 Hierbei konzentrierte sich das Lehrpersonal besonders auf das Pferd. Erst langsam entwickelte sich die Einrichtung zu einer richtigen Arzneischule für alle Tiere. Dies war für Otto Philipp Braun, der sich vornehmlich für Pferde, Reiten und Kavallerie interessierte, aber nicht von Nachteil. Der Unterricht war insgesamt sehr auf die spätere Praxis als Rittoder Stallmeister abgestimmt. Vormittags standen Schmieden, Unterricht und die Untersuchung kranker Tiere (8–11 Uhr), nachmittags anatomische Übungen und Vorlesungen (13–16 Uhr) auf dem Programm. Im Wintersemester beschränkte sich der Nachmittagsunterricht auf eine Stunde Vorlesungen mit den oben genannten akademischen Themen.177 Die aus knapp 20 Kommilitonen bestehende Studentenschaft setzte sich vornehmlich aus jungen Kadetten sowie 174 Diese Institution besteht als Tierärztliche Hochschule noch immer. Otto Philipp Braun wird immer wieder als einer ihrer berühmtesten Studenten erwähnt. Etwa bei: Froehner, Kulturgeschichte der Tierheilkunde, Bd. 2, 1954, S. 19. Hieronymi, Die Tierärztliche Hochschule in Hannover, 1953, S. 78f. 175 Froehner, Kulturgeschichte der Tierheilkunde, Bd. 2, 1954, S. 252ff. Hieronymi, Die Tierärztliche Hochschule in Hannover, 1953, S. 11ff. Johannes, Die Klinik für Geburtshilfe, 1983, S. 6f. Kielmansegge, Königlich Großbritannisch Hannoverscher Staats-Kalender, 1818, S. 79f. Lochmann, Tierärztliche Hochschule Hannover, 1978, S. 13ff, 19ff. Meyer, Institutes für Pathologie, 1980, S. 15ff. Tütken, Privatdozenten im Schatten der Georgia Augusta, 2005, S. 778. 176 Für das Studienjahr 1815/16 siehe den Lehrplan: Havemann, Auf der Königlichen Thierarzneyschule wird von Michaelis 1814–1815 (resp. 1815–1816) vorgetragen, in: Breickmann, Entwicklung der anatomischen Forschung, 1984, S. 50. 177 Tierärztliche Hochschule, Die tierärztliche Hochschule Hannover, 1929, S. 9.

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fortbildungswilligen älteren Militärs zusammen. Adelige Zivilisten oder Kinder aus bürgerlichem Hause bildeten eine Minderheit. Das komplette Studium war auf ein Jahr angelegt. Es war jedoch vorgesehen, dass die Studenten diesen Kursus zwei- bis dreimal durchliefen, da es zwar Mindestanforderungen an die Eignung der Erstsemester sowie einen persönlichen Auswahlprozess gab, aber keine expliziten medizinischen Vorkenntnisse vorgeschrieben waren.178 Otto Philipp Braun verließ Hannover zu Ostern 1817, nachdem er anderthalb Kurse besucht hatte. Parallel hierzu hatte er anderthalb Jahre zusätzlich Unterricht in militärischem Reiten bei Rittmeister Eisendecker sowie in Französisch und Zeichnen erhalten.

Studium und höfisches Reiten in Göttingen 1817–1818 Otto Philipp Braun schien seine Ausbildung jedoch nicht als ganz abgeschlossen betrachtet zu haben, da er nach Göttingen umzog, um sein Studium an der Georg-August-Universität fortzusetzen.179 Dort spielte neben der Veterinärmedizin das universitätseigene Reitinstitut von Beginn an eine große Rolle. Es war für damalige Verhältnisse mit einem großzügigen Reitplatz und überdachter Reithalle vorzüglich ausgestattet.180 Im Gegensatz zur militärisch geprägten Reitausbildung in Hannover prägte in Göttingen die hohe Schule des klassischen, höfischen Reitens die Lehre. Die Göttinger Schule war zu Beginn des 19. Jahrhunderts neben Dresden und Wien als Stätte formstrenger Manegereitkunst, also für traditionelle, am höfischen Zeremoniell orientierte Reitformen, europaweit berühmt. Diese Fokussierung auf die höfische Tradition lag in der Person des Stallmeisters und ordentlichen Professors Johannes Heinrich Ayrer (Lehrzeit: 1760–1817) und seines ihm nachfolgenden Sohnes Ernst Ferdinand Ayrer (1817–1832) begründet. Vater Ayrer legte mit seiner „akademischen Reitschule“ Mitte des 18. Jahrhunderts den Grundstein für den internationalen Ruf der Göttinger Reitschule. Parallel hierzu gaben Vater und – nach dessen Tod im Februar 1817 – auch Sohn Vorlesungen zur Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Pferdes an der Universität Göttingen. 178 Breickmann, Entwicklung der anatomischen Forschung, 1984, S. 34ff. Froehner, Kulturgeschichte der Tierheilkunde, Bd. 2, 1954, S. 254. Hieronymi, Die Tierärzt­ liche Hochschule in Hannover, 1953, S.  52ff, 64ff, 72. Schwetje, Geschichte der ­Klinik, 1988, S. 12ff. Tierärztliche Hochschule, Die tierärztliche Hochschule Hannover, 1929, S. 12f. 179 Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 224. 180 Wagener, Das Dienstpersonal an der Georg-August-Universität, 1996, S. 67. Wegener, Der Reitsport in Göttingen, 1952, S. 87ff. Wilhelm, Die Sportstätten der Universität, 1989, S. 263. Zimmermann, Geschichte des Reitinstitutes der Universität Göttingen, 1930, S. 11f.

Europäische Expertise 1815–1818



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Neben Vater und Sohn Ayrer boten verschiedene Dozenten der Medizinischen und Philosophischen Fakultät Vorlesungen zur Tierheilkunde an.181 Von diesen wird Otto Philipp Braun einige gehört haben. In Göttingen verbrachte Otto Philipp Braun ab Ostern 1817 ein ganzes Jahr, trotz der Mahnungen des Vaters, früher nach Kassel zurückzukehren. Aber der Sohn war der Meinung, erst nach einem weiteren halben Jahr fähig zu sein, „jeden Dienst, welcher es auch sei, antreten zu können“182. In den zweieinhalb Jahren in Hannover und Göttingen eignete sich Otto Philipp Braun nicht nur die zeitgenössischen akademischen Kenntnisse der Tier- und vor allem Pferdemedizin an, sondern ergänzte seine theoretisch-medizinischen Kenntnisse bei angesehenen Vertretern des Faches um eine praxisorientierte Ausbildung in militärischem und höfischem Reiten – Letzteres sogar bei einem führenden Vertreter seines Faches. Dennoch brachte ihn diese hervorragende und teure Ausbildung nicht an das Ziel seiner beruflichen Wünsche. Denn im Frühling 1818 erreichte ein Brief des hannoverschbritischen Generals Carl August von Alten sein Kasseler Elternhaus. Zwar hatte General von Alten Otto Philipp Braun einst eine Stelle als Offizier in einem seiner Regimenter in Aussicht gestellt, nun aber nahm er davon Abstand. Otto Philipp Braun war jetzt weit davon entfernt, bald den von ihm gewünschten Militärdienst anzutreten. Die Chancen hierfür standen aufgrund der tiefen Wirtschaftskrise in Kontinentaleuropa generell sehr schlecht.183 Ihm standen beruflich unsichere Zeiten bevor. Zufällig weilte gerade ein in den USA zu Vermögen gekommener kurhessischer Auswanderer und Freund der Familie in Kassel.184 Dieser versprach Ludwig Theodor Braun, seinem Sohn in Amerika 181 Beaucamp, Johann Christian Polycarp Erxleben, 1994. Froehner, Kulturgeschichte der Tierheilkunde, Bd. 2, 1954, S. 230. Henze, Schwerpunkte einer Leibeskultur an der Universität. Reiten, 1989, S. 103ff. Königliche Gesellschaft der Wissenschaften (Hrsg.), Göttingsche gelehrte Anzeiger, Bd. 3, 1818, S. 1512. Saalfeld, Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte, 1820, S. 575. Schlotter, Georg-August-Universität Göttingen, 1994, S. 285f. Tütken, Privatdozenten im Schatten der Georgia Augusta, Bd. 1, 2005, S. 427. Wegener, Der Reitsport in Göttingen, 1996, S. 371ff. Wilhelm, Die Sportstätten der Universität, 1989, S. 263. Zimmermann, Geschichte des Reitinstitutes der Universität Göttingen, 1930, S. 12, 36ff, 53ff. 182 Zit. n. Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 224. 183 Abel, Agrarkrisen und Agrarkonjunktur, 1978, S. 220ff. Langewiesche, Europa zwischen Restauration und Revolution, 2007, S. 22ff. Pierenkemper, Industrialisierung im 19. Jahrhundert, 1998, S. 110ff. 184 Der Vorname des „Herrn Geise“ geht aus den Quellen nicht hervor. Zwar nennt Karl Martin in seinem historischen, von nationalsozialistischen Deutungsmustern durchtränkten Roman „Der unbesiegte Soldat“ aus dem Jahre 1942 den Vornamen Herrmann, doch belegt er diese Aussage nicht. Aus diesem Grund wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit bei Herrn Geise kein Vorname genannt. Martin, Der unbesiegte Soldat, 1942, S. 21. Siehe zur Kritik des Romans auch: Kiera, Otto Philipp Braun als Symbol lokaler Geschichtspolitik, 2009, S. 65ff.

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bei der Suche nach einer Anstellung als Tierarzt oder Dressurreiter behilflich zu sein. Diese Idee schien nicht abwegig, da der Auswanderer schon über ein ausgeprägtes Netzwerk vor Ort verfügte und die Chancen, mit dem Freund des Vaters ein Auskommen zu finden, höher waren, als wenn er alleine oder im in der Rezession befindlichen Europa suchte. Kurzerhand entschloss sich Otto Philipp Braun zur Auswanderung in die Neue Welt.185 Zu diesem Zeitpunkt war er gerade einmal 19 Jahre alt.

2.4 Scheitern und Anpassung: USA und Haiti 1818–1820 Otto Philipp Braun nahm ein stattliches Vermögen mit nach Amerika: Sein Vater hatte ihm 1.877 Taler als Startkapital mitgegeben. Otto Philipp Braun ging also nicht als bettelarmer Auswanderer oder Vertreter der europäischen Unterschicht in die Neue Welt, sondern als Angehöriger des aufstrebenden deutschen Bürgertums – Habitus, Vermögen und Ausbildung inklusive.186 Wie es ganz konkret zu Brauns Entscheidung kam, auszuwandern, kann heute nicht mehr genau rekonstruiert werden. Aber es scheint, dass die Entscheidung in sehr kurzer Zeit gefällt wurde. Denn Ende März 1818 befand sich Braun noch an der Universität Göttingen. Aber schon wenige Wochen später reiste er mit dem Freund des Vaters in Richtung Frankreich ab. Am 12. April 1818 traf der junge Veteran des Befreiungskrieges von 1814 in Paris ein. Hier hielten sich Braun und sein Begleiter sechs Tage lang auf und nahmen sich ausreichend Zeit für die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Anschließend reisten sie weiter nach Le Havre, das die Reisenden am 20. April erreichten. Einen Tag später schifften sich die beiden auf dem Segelschiff „Manchester Packet“187 nach New York ein.188 Otto Philipp Braun fiel der Abschied aus Europa schwer, wie aus einem im Juni 1818 aus Philadelphia an seine Eltern gerichteten Brief ersichtlich wird: „Wir gingen am 22. April mit günstigem Wind unter Segel. Die Gefühle, welche mich in dem Augenblicke bestürmten, in einem ganz mir fremden Weltteil von Ihnen, teure Eltern, Geschwister, Verwandte und Bekannte, zu leben, können Sie sich eher vorstellen, als dass ich dieselben beschreiben kann. Kaum waren wir einige Stunden gesegelt, so verschwand meinen Augen das freundliche Gestade Europas und ich sehe weiter nichts als Himmel und Wasser.“189 Detailliert be185 Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 225. 186 Ebd. 187 Das Boot verkehrte regelmäßig zwischen New York und Le Havre. Russell, Memoir of Charles H. Russel, 1903, S. 41f. Steuart, Passenger Ships Arriving in New York Harbor, 1991, S. 220. 188 10.06.1818 Philadelphia. Braun an Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 226. 189 Ebd.

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schrieb der junge Auswanderer die Überfahrt entlang Grönland und vorbei an imposanten Eisbergen. Er berichtete vom Seehundejagen und beeindruckenden Begegnungen mit Walen. Der Eindruck dieser Erlebnisse wurde nur vom gesundheitlichen Zustand Brauns getrübt. Braun wurde seekrank, er musste die Kajüte hüten sowie „des Tages 5 bis 8 mal vomieren“190, wie er seinen Eltern nicht vorenthielt. Am 36. Reisetag erblickten die Passagiere zum ersten Mal den amerikanischen Kontinent. Die Freude wurde jedoch von Schrecken abgelöst, da das Schiff zweimal auf ein Riff lief und zu sinken drohte. Otto Philipp Braun schildert die Situation wie folgt: „Der Gedanke nur einige Meilen vom amerikanischen Boden entfernt zu sein und denselben nicht betreten zu können war keiner von den angenehmsten. Zu diesem gestellte sich dann noch das Geschrei der Weiber und Kinder und die Mutlosigkeit der Passagiere […] Man steckte Notflagge auf und schoss die ganze Nacht durch, aber alles war vergebens, wir blieben bis den anderen Tag 1 Uhr mittags in dieser schrecklichen Lage.“191 Letztlich ­rettete ein US-Kriegsschiff die 28 Reisenden und Teile der Besatzung.

Enttäuschungen in den USA Die „Manchester Packet“ kam Stunden nach Otto Philipp Braun und seinen Mitreisenden im Hafen von New York an – in einem äußerst lädierten Zustand. Diese Anekdote verdeutlicht, mit welchen Gefahren die transatlantische Überfahrt damals verbunden war. Das Passagierschiff hätte ohne Weiteres an einem Eisberg zerschellen oder nach einer der beiden Havarien untergehen und die Passagiere – auch Braun – mit in die Tiefe und damit in den Tod reißen können.192 Otto Philipp Braun sollte in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch diverse lebensgefährliche Situationen erleben. Letztlich überlebte er sie zwar alle, dies war jedoch keineswegs von vornherein selbstverständlich. Ein kleiner Zufall, etwa eine Schussverletzung im Befreiungskrieg oder ein weiteres Schiffsunglück bei der Überfahrt, hätte gereicht, sein Leben frühzeitig zu beenden. Dies unterstreicht, wie sehr Zufälle und Glück die Biographie Brauns – wie letztlich alle Lebensgeschichten – begleiteten.193 Es kann retrospektiv also nicht von einer aufsteigenden, stringenten Lebenskurve ausgegangen werden – auch nicht nach seiner geglückten Ankunft in den USA. Denn der Aufenthalt Brauns dort war alles andere als erfolgreich.

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10.06.1818 Philadelphia. Braun an Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 226. Ebd., S. 227. Siehe viele Beispiele in: Stolz, Norddeutsche Amerika-Auswanderung, 2009, S. 31. Siehe hierfür auch die Einleitung.

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Zuerst jedoch genoss Braun parallel zur Erledigung der Einreiseformalitäten das imposante Stadtleben.194 Insgesamt schwärmte Braun geradezu von der pulsierenden Großstadt: „New York ist ein schöner äußerst lebhafter Seehafen mit 80.000 Einwohnern, und treibt unstreitig den größten Handel in der Welt. Das Rathaus (Statehall) ist eines der schönsten und geschmackvollsten Gebäude, das ich bisher gesehen habe, es ist ganz von Marmor gebaut […]. Dies Gebäude kostete 900.000 spanische Dollar. Auch hatten Herr Geise und ich die Gelegenheit, eine Washington Fregatte von 74 Kanonen und eine Steamfregatte zu sehen.“195 Nach sechs Tagen in New York reisten beide mit einem modernen Dampfboot nach Philadelphia, das sie am 3. Juni 1818 erreichten. Auch über diese Stadt geriet Braun ins Schwärmen: „Wie erstaunte ich, als ich eine Stadt schöner, als eine in ganz Europa ist, hier in einem noch neuen Weltteile erblickte. Die Einrichtungen sind überhaupt ganz vortrefflich.“196 So sehr ihn die Städte, Dampf- und Kriegsschiffe begeisterten, so sehr enttäuschten ihn die beruflichen Aussichten, für die er ja über den Atlantik gereist war. Schon zwei Wochen nach seiner Ankunft in Philadelphia äußerte er wenig Hoffnung, sich als Tierarzt, Reitlehrer oder Dressurreiter dauerhaft niederlassen zu können: „Was meine künftige Praxis anbetrifft, so verspreche ich mir nicht viel, die gemeine und vornehme Klasse von Menschen kurieren ihre Pferde größtenteils selbst. Es sind hier schon einige Tierärzte von England, die aber aus Mangel an Praxis schon im Jail gesessen haben!“ Im gleichen Atemzug registrierte Braun kulturelle Unterschiede: „Was das Zureiten der Pferde und das Unterrichtgeben in demselben anbetrifft, da wird es noch schwerer halten, indem die Arroganz so schrecklich stark ist, dass sie glauben, dass keiner besser reiten könne als sie.“197 So sehr Braun hier noch sein Unverständnis und seine Kritik fremden kulturellen Werten gegenüber ausdrückt, so sehr nehmen diese Schilderungen in den nächsten Briefen schnell und spürbar ab, bis sie gänzlich verschwinden. Braun hatte wohl bald gelernt, in fremden Kontexten adäquat zu agieren. Bis dahin versuchte er jedoch, nach dem Scheitern in Philadelphia in Charleston, South Carolina, Fuß zu fassen. Doch hier rieten ihm schon vor Reiseantritt dort lebende kurhessische Auswanderer ab. Im Oktober 1818 befand sich Braun in Baltimore, wo er endlich sein über Bremen verschifftes Gepäck entgegenneh194 Bis 1855 existierte in den USA keine wirksame Einwanderungskontrolle. Nach einer formellen Registrierung konnten die Einwanderer ihres Weges gehen. Erst im August 1855 richteten die Behörden erste zentrale Durchgangslager ein. Dies erklärt Brauns problemlose Einreise. Vgl. Stolz, Norddeutsche Amerika-Auswanderung, 2009, S. 37. 195 10.06.1818 Philadelphia. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 228. 196 Ebd. 197 10.06.1818 Philadelphia. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 228.

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men konnte. Von hier aus berichtete er seinen Eltern von dem Entschluss, die USA zu verlassen und woanders sein Glück zu versuchen.198 Die genannten beruflichen und interkulturellen Probleme bewegten Braun dazu, nach Haiti überzusetzen und beim dortigen König Henri I. um eine Anstellung zu ersuchen. Dies gestaltete sich jedoch langwieriger und schwieriger als gedacht. Die für das ganze restliche Leben geplante Auswanderung in die USA entpuppte sich letztlich nur als kurzer Zwischenstopp. Dieser ist jedoch aus drei Gründen wichtig. Erstens muss der Aufenthalt in den USA als Scheitern qualifiziert werden, was verdeutlicht, wie wenig prädestiniert Braun zu diesem Zeitpunkt für eine nachhaltige Karriere war. Dieses Scheitern war Braun völlig bewusst, und er war zutiefst enttäuscht. Auf die Vorwürfe seines Vaters, nicht in den USA geblieben zu sein, erwiderte der Sohn mit einem bitteren Resümee seiner dortigen Zeit. Er sprach davon, dass von zehn Auswanderern es nur einem gelinge, „anständig sein Auskommen zu schaffen“199, und dass „in Europa sehr falsche Ansichten, sowohl von dem Staate selbst, als auch von der Unabhängigkeit der Menschen“200 herrschten. Er würde jedem Europäer abraten, ohne feste Stellenzusage in die USA zu reisen. Dennoch gewann Otto Philipp Braun seinem Aufenthalt viel Positives ab. Er wurde nicht nur „einigermaßen zum Meister der englischen Sprache“201, sondern lernte in Bezug auf die Amerikaner „ihre Sitten, ihre Art und Weise, zu leben“202, kennen und erweiterte seine Menschenkenntnis. Sowohl die neuen Sprachkenntnisse als auch seine neuen interkulturellen Kompetenzen befähigten ihn erst – so die hier vertretene These – die nächsten Stationen zu bewältigen und letztlich aufgrund dieser und der auf Haiti folgenden Erfahrungen gut vorbereitet in das Heer Simón Bolívars einzutreten und die jahrelangen harten Feldzüge zu überleben. Hierin unterschied er sich von vielen anderen europäischen Freiwilligen, die direkt und ohne vorherige sprachliche, kulturelle oder klimatische Vorbereitung nach Südamerika reisten und oftmals scheiterten, nicht selten starben.203 Als dritter und letzter Faktor darf nicht vergessen werden, dass Otto Philipp Braun in den USA zum ersten Mal eine republikanische Demokratie mit eigenen Augen sah. Zwar klingt eine kritische Distanz zwischen dem europäischen Idealbild und der angetroffenen Realität des Staates an, doch begleiteten Otto 198 10.06.1818 Philadelphia. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 228. 199 23.06.1819 Cap Henri, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 229. 200 Ebd. 201 23.06.1819 Cap Henry. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 229. 202 Ebd. 203 Siehe hierfür auch die Anmerkungen zu Beginn des Kapitels.

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Philipp Braun auch diese Erfahrungen auf seinem weiteren Lebensweg.204 Allerdings muss an dieser Stelle betont werden, dass die Vereinigten Staaten in den Jahren 1818–1819 weit entfernt von einer dominierenden Stellung auf dem Kontinent waren. Denn die USA versuchten in jenen Jahren unter Präsident James Monroe gerade, sich nach dem Britisch-Amerikanischen Krieg (1812– 1814) innen- und außenpolitisch zu konsolidieren. Die Vereinigten Staaten hatten zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal ein Drittel ihrer heutigen territorialen Ausdehnung erreicht. Noch standen britische Truppen im nördlichen Kanada und spanische im südlichen Florida und in Texas. Darüber hinaus verhinderten unabhängige und oftmals widerständige Indianerstämme die freie Durchfahrt zum Pazifik sowie eine rasche und problemlose Durchdringung des gesamten nordamerikanischen Kontinents. Die USA spielten auch noch während des transatlantischen Agierens Brauns in den 1840er und 1850er Jahren in der lateinamerikanischen Politik keine dominante Rolle. Selbst als Präsident Monroe 1824 – dem Jahr der für Braun so wichtigen Schlacht von Junín – seine nach ihm benannte Doktrin formulierte, handelte es sich um starke Worte eines bis dahin schwachen Amerikas.205 Trotz dieser retrospektiven Einschränkung dürfen weder die gerade genannten kurz- und mittelfristigen Konsequenzen des Aufenthaltes von Otto Philipp Braun in den USA noch die von Brauns Zeit auf Haiti unterschätzt werden.

Bittere Erfahrungen und klimatische Anpassung auf Haiti Als Otto Philipp Braun um die Jahreswende 1819/20 von den USA aus kommend nach Haiti übersetzte, besaß er weder eine feste Berufsvorstellung noch gar die lang ersehnte Stellenzusage. Er hegte lediglich die vage Hoffnung, unter dem haitianischen König Henri Christophe als Stallmeister, Tierarzt oder Offizier eine Anstellung zu finden.206 Er war offen dafür, entweder im militärischen oder zivilen Bereich beim König tätig zu werden. Dieser regierte zu dieser Zeit den nördlichen Teil des heutigen Haiti. Henri I. – so sein offizieller Name – hatte sich nach jahrzehntelangen Unabhängigkeitskriegen, Sklavenaufständen und Bürgerkriegen im nördlichen Teil der Insel festgesetzt. Diese äußerst bru204 Siehe auch Kapitel 5.2 „Berufliche Etablierung. Eine internationale Diskussion zwischen Simón Bolívar, Andrés de Santa Cruz, Juan José Flores und Agustín Gamarra“. 205 Zu den USA unter Präsident Monroe siehe: Heideking, Geschichte der USA, 2003, S. 104ff. May, The Making of the Monroe Doctrine, 1975, S. 65ff. Pike, The United States and the Andean Republics, 1977, S. 143ff. Sautter, Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, 2006, S. 120ff. 206 Dies geht wohl aus einem heute verschollenen aber von Manuel Michaelis-Braun paraphrasierten Brief vom 16.10.1818 aus Baltimore an seine Eltern hervor: MichaelisBraun, Braun, 1914, S. 228.

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tal ausgetragenen, teilweise auch in europäische Kriege verwickelten Konflikte hatten die ehemals reichste Kolonie Frankreichs in ein ­Armenhaus verwandelt. Die ökonomische Grundlage war stark angegriffen, und auf der Insel nahm ein verhängnisvoller, rückwärtsgewandter Strukturwandel von zeitgenössisch fortschrittlichen Mechanisierungs- und Wirtschaftsstrukturen hin zur einfachen Subsistenzwirtschaft seinen Lauf. Während in dem von Alexandre Pétion regierten Süden weiter eine tiefe Rezession herrschte, gelang es der autoritärdespotischen Regierung Henri Christophes jedoch, die Landwirtschaft und den Handel wiederzubeleben. Dies wiederum ließ die staatlichen Einnahmen und damit den Spielraum des Königs steigen. Henri Christophe nutzte die ihm nun zur Verfügung stehenden Ressourcen – darin dem restaurativen Geist in Europa entsprechend – um in seinem Herrschaftsbereich eine höfisch-aristokratische Struktur nach europäischem Vorbild zu installieren.207 Er verlieh an seine Kampf- und Weggefährten Adelstitel, erließ eine strenge höfische Etikette und führte vom Zeremonienmeister bis hin zur Dienerschaft einen kompletten Hofstaat ein. Im Juni 1811 vollzog er eine prunkvolle Krönung. Neben gigantomanischen Verteidigungsanlagen, die er aus Furcht vor neuerlichen Invasionen errichten ließ, überzog Henri I. sein Reich mit Lustschlössern und Herrschaftshäusern. Nicht zuletzt ließ er einen Versailles nachempfundenen Regierungs­ palast bauen, den er zu Ehren Friedrichs des Großen Sanssouci taufte. Der illustre König füllte seine repräsentativen Bauten mit entsprechend höfischem Leben.208 Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass sich ein junger Tierarzt und ausgebildeter Dressurreiter der klassisch-höfischen Schule Hoffnung machte, auf Haiti eine Anstellung zu finden. Dieser Gedanke war auch deshalb nicht abwegig, da Henri I. diverse europäische Experten anwarb. Entsprechend positiv berichtete Otto Philipp Braun seinen Eltern aus Cap-Henri (heute: Cap-Haïtien) von seinem beruflichen Fortkommen. Nach einem halben Jahr ohne feste Aufgabe (Winter 1818/Frühling 1819) gelang es Braun nach mehreren Anläufen, dem König einen Bauplan für ein Reithaus sowie einen Stall für insgesamt 150 Pferde zukommen zu lassen. Henri I. stimmte dem Vorhaben 207 Bernecker, Kleine Geschichte Haitis, 1996, S. 37ff. Brown, Haitian Revolution, 2005, S. 126ff. Cole, Christophe. King of Haiti, 1967, S. 140ff. Coupeau, The History of Haiti, 2008, S. 37ff. Gliech, Saint-Domingue, 2011, S. 42ff. Gonzales Quintana, La independencia de Santo Domingo, 1992, S. 301ff. Menzel, Haiti seit 1804, 2001, S.42ff. Moya Pons, Haiti and Santo Domingo, 1985, S. 237ff. Nicholls, From Dessalines to Duvalier, 1979, S. 33ff. Oostindie, Die Karibik 1760–1820, 1992, S. 360ff. Scheina, Latin America’s Wars. 2010, S. 1ff. Schottelius, Haiti und Santo Domingo, 1980, S. 137ff. Schüller, Die deutsche Rezeption haitianischer Geschichte, 1992, S. 22ff. 208 Bernecker, Kleine Geschichte Haitis, 1996, S. 62ff. Cole, Christophe. King of Haiti, 1967, S. 191ff. Menzel, Haiti seit 1804, 2001, S. 45f. Moya Pons, Haiti and Santo Domingo, 1985, S. 250f.

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Brauns zu und erteilte den Befehl zum Bau beider Komplexe. Auf der von Otto Philipp Braun geleiteten Baustelle arbeiteten – nach eigenen Angaben – über 200 Menschen. Parallel hierzu ritt Braun eine ganze Reihe von Pferden für den König und die Prinzen ein. Am 7. Januar 1820, also fast ein Jahr nach seiner Ankunft auf Haiti, erhielt er endlich eine Audienz beim König. Dieser ließ sich bei dieser Gelegenheit gleich Brauns Reit- und Dressurkünste vorführen. Henri I. scheint zufrieden gewesen zu sein. Denn er befahl, die Arbeiten an dem noch nicht ganz fertiggestellten Reithaus schneller voranzutreiben, und wies nach weiteren Gesprächen seinen Hofstaat an, die bisherige Zusammenarbeit mit Braun vertraglich zu regeln. Dieser war stolz, „der erste Stifter eines Reithauses in Westindien gewesen zu sein“209. Zwar sollte die historische Bedeutung dieser Leistung nicht überbewertet werden. Sie kann uns jedoch als Illustration dienen, wie jenseits des Atlantiks erworbenes Wissen mit einer Person in die Neue Welt gelangte und hier zur Produktion von Institutionen, Strukturen und Infrastruktur eingesetzt wurde. Der Bau des braunschen Reithauses und der Aufbau eines professionellen Gestüts zeigen den ersten transatlantischen Wissenstransfer im Leben Brauns. Es soll an dieser Stelle jedoch ergänzt werden, dass es sich hierbei nicht um einen eindimensionalen Prozess handelte. Schließlich sammelte Braun während seiner Zeit in Amerika und Haiti eine ganze Reihe von Erfahrungen, unter deren Eindruck sich auch seine Persönlichkeit verändert und weiterentwickelt haben dürfte. Trotz all dieser wertvollen Erfahrungen hatte Braun bis zu diesem Zeitpunkt jedoch noch kein Gehalt bezogen. Ganz im Gegenteil: Braun hatte den Großteil der Kosten für Tiermedizin, Reisen sowie Gerät aller Art ausgelegt – in der Hoffnung, diese nach geglückten Verhandlungen erstattet zu bekommen. Aber auch in dieser Periode des nicht klar geregelten Arbeitsverhältnisses pflegte der junge Otto Philipp Braun ein luxuriöses und wenig bescheidenes Leben, wie er seinem sehr auf Sparsamkeit bedachten Vater nicht vorenthielt: „Was meine Wenigkeit anbetrifft, so genieße ich […] in vollem Maße, werde alle Tage dicker, stärker und vollblütiger.“210 Ferner schwärmt er von der beeindruckenden Landschaft und den exotischen – für die Eltern in Kurhessen unerreichbaren – Früchten. Er schildert auch detailliert seinen der „französischen Lebensart“211 entsprungenen Tagesablauf: „Sowie der Tag graut, steht man auf, trinkt eine Tasse Kaffe ohne Milch und verrichtet seine Geschäfte bis zur Frühstückszeit, welches um 10 oder 11 Uhr ist. Welches Frühstück man aber ein superbes Mittagsmahl nennen könnte: Während des Mals trinkt man gewöhnlich nichts weiter als Rotwein mit Wasser. Nachher aber pflegt man 209 28.09.1819 Cap-Henri, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 232f. 210 23.06.1819 Cap-Henri, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 229. 211 Ebd., S. 230.

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Longcochon oder Rheinwein etc. zu trinken, wo denn eine gute Tasse Kaffee darauf folgt. Nach dem Frühstück legt man sich ein wenig auf das Ohr, weil die Mittagshitze zu stark ist, und beginnt hernach wieder seine Geschäfte. Um 6 Uhr geht man zum Mittagessen, das denn auch ganz nach französischer Art eingerichtet ist: Bei dieser Mahlzeit trinkt man übrigens guten Madeirawein, Rheinwein, Portwein, Champagner etc., und nach dem Essen nimmt man auch ein Glas guten Grog. So bleibt man denn gewöhnlich bis 8 Uhr bei Tisch sitzen, worauf man noch einen kleinen Spaziergang nimmt und [sich] um 9 Uhr gewöhnlich zu Bett legt. Außer gutem Essen und Trinken hat man hier übrigens weiter keine Vergnügungen als die Jagd […].“212 Es ist sicher nicht unberechtigt, zu formulieren, dass Otto Philipp Braun sein Leben auf Haiti in vollen Zügen genoss – obwohl er seit seiner Abreise im April 1818, also seit über zwei Jahren, keiner bezahlten Tätigkeit nachgegangen war. Höchstwahrscheinlich hat ihm das väterliche Vermögen diesen Lebensstil und den kulturellen Kontakt zum haitianischen Hof erlaubt. Neben solch angenehmen Tagen verbrachte Otto Philipp Braun aber auch viele Wochen krank im Bett. Wiederholt berichtet er, wie das für Fremde abträgliche Klima und diverse Krankheiten ihn mehrmals für längere Zeit ans Bett fesselten. Im Winter 1819/20 grassierte eine tödliche Fieberkrankheit auf Haiti – vor allem unter den Ausländern. Auch Braun erkrankte. Neun Tage war er nicht in der Lage, das Bett zu verlassen. Seine Freunde hatten ihn zu diesem Zeitpunkt schon aufgegeben und erwarteten seinen baldigen Tod. Doch Braun erholte sich. Danach schätzte er sich glücklich, zu den Überlebenden zu gehören, und war „recht froh, dadurch klimatisiert zu sein“213. Der Tierarzt Braun führte seine medizinische Diagnose nicht weiter aus. Neben der Erfahrung am haitianischen Hof war die Akklimatisierung an karibische und tropische Umweltbedingungen – so die hier vertretene These – für Brauns späteres Überleben genauso wichtig wie die Fähigkeiten, die harten Bedingungen der Feldzüge zu akzeptieren und sich kulturell adäquat in Kolumbien und Venezuela zu verhalten. Viele andere europäische Freiwillige, die direkt aus ihren Ländern nach Südamerika gereist waren, gingen in großer Zahl an exotischen Krankheiten zugrunde, wollten sich nicht an die einfacheren und härteren Bedingungen gewöhnen oder konnten sich aufgrund ihrer Sozialisation nicht anpassen und scheiterten und starben daher oft. Bei Braun war dies anders. Seine Aufenthalte in den USA und auf Haiti spielten daher für seine Biographie eine wichtige und bisher unterschätzte Rolle.214 212 23.06.1819 Cap-Henri, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 230f. 213 18.05.1820 Cap-Henri, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 234. 214 Sowohl Zeitgenossen als auch die moderne Forschung sahen in der allmählichen Akklimatisierung die einzige Überlebenschance für nicht-resistente Europäer: Earle, Disease, Death, and the Spanish-American Revolutions, Bd. 3, 1996, S. 371ff.

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Neben der gerade skizzierten Akklimatisierung und seinen ersten eigenständigen Arbeitserfahrungen als zwar unbezahlter, aber immerhin verantwortlicher Stall- und Baumeister kam Braun in Haiti auch zum ersten Mal in seinem Leben mit einer politischen Elite – hier in Gestalt des Königs und seines Hofstaates – in Berührung. Braun gelang es, schon relativ kurz nach seiner Ankunft auf Haiti ein Netzwerk bis in Hofkreise hinein aufzubauen. Maßgeblicher Kontakt war hier der Feldmarschall Baron de Dupuy, der ihm mehrmals eine Audienz beim König zusagte und letztlich – nach langer Wartezeit – auch erreichte.215 Wie erwähnt, beauftragte dieser seine Hofverwaltung, mit Braun schriftlich einen längerfristigen Vertrag abzuschließen. Hierzu kam es jedoch nicht, wie Braun spürbar erbost schildert: Nach dem Vorreiten „erhielt ich ein Schreiben, vom Baron Dupuy, um mich zu ihm zu begeben, indem ihn der König befohlen hätte, er Arrangements mit mir zu machen, worauf ich so lange gewartet hatte. Er machte mir nämlich ein Anerbieten von 1.200 spanische Dollars jährlich Gehalt, welches ich indessen ausschlug und ihm sagte, dass ich nicht unter 3.000 hier bleiben könnte. Denn er müsse annehmen, dass ich in wenigen Jahren meine Gesundheit dabei zusetzen könnte. Ferner, wenn ich das Unglück hätte, welches doch gar nicht wahrscheinlich wäre, einen Arm oder Bein zu brechen, und so zu fernerem Dienste unbrauchbar gemacht würde, wer würde mir denn eine Pension aussetzen? Gewiss nicht der König. Nach langem hin- und herdisputiren sagte er, dass er dem Könige Bericht abstatten wolle, indessen wüsste er schon zum voraus, dass der König nie gesonnen sei, soviel zu geben, worauf ich ihm positiv erklärte, dass ich unter keinem anderen Preis die Stelle annehmen könnte.“216 Die Reaktion des Hofstaates ließ nicht lange auf sich warten: „Und was war das Resultat? Nämlich nachdem ich mit unermüdetem Fleiß und Anstrengung ein Paradepferd für den König, einige Pferde für den Prinz Royal zu deren größten Zufriedenheit zugritten, viele von den königlichen Leibpferden vom Tode gerettet, wovon ich alle Medizin und alle Aufwartungen usw. aus meiner Tasche bezahlt habe, viele Mühe und Anstrengung bei der Errichtung des Reithauses und des neuen Stalles gehabt habe, nach den Gestüten natürlich nicht ohne Expensen gereist bin usw. dass man, sage ich, mir weder einen Centime vergütet, noch mir viel weniger meine Expensen während meines Aufenthaltes hier bezahlt, welches sie von Gott- und Rechtswegen durch ihre Aussagen und Versprechungen und laut ihren Briefen verpflichtet sind. Nein die Schändlichkeit geht zuletzt noch so weit, dass man mir noch zu verstehen gibt, wenn ich mich nicht ruhig verhalte, man mich noch verantwortlich machen wollte für die Unkosten das Reithaus gebaut zu haben“217 Braun resümiert: „Ich 215 23.06.1819 Cap-Henri, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 229. 18.05.1820 Cap-Henri, Braun an seinen Vater, in: Ebd., S. 234. 216 18.05.1820 Cap Henry. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 234. 217 Ebd., S. 234f.

USA und Haiti 1818–1820



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bin herzlich froh und glücklich, nach dem, was ich neulich gesehen habe, nicht hier zu bleiben: Für keinen Preis.“218 Neben seinem eigenen Schicksal erwähnt Braun weitere Europäer, welche für König Henri I. Dienste erbrachten, hierfür aber nicht bezahlt wurden. Darunter befand sich auch sein kurhessischer Freund Ludwig Neuber, der nach seiner Rückkehr nach Kassel Brauns Eltern weitere Details persönlich schildern würde. Braun war noch immer um Rechtfertigung bei seinem Vater bemüht. Doch zu seiner Entlastung sei darauf hingewiesen, dass die schlechte Zahlungsmoral des Königs ein Phänomen seiner ausgehenden Regierungszeit gewesen zu sein scheint – wie die Forschung mittlerweile betont.219 Die Zeit auf Haiti zeigt, dass Braun neben der erneuten Erfahrung des Scheiterns und der Ohnmacht gegenüber staatlichen Stellen Einblicke in staatliche Institutionen und herrschaftliche Strukturen erhielt. Zwar ist unbekannt, ob der König selbst ein adäquates Gehalt für Braun ablehnte oder Kräfte aus dem Hofstaat versuchten, auf diese Weise Braun als einen mög­lichen Konkurrenten um die königliche Aufmerksamkeit von der Insel zu vertreiben. Dennoch wird Braun seine Zeit auf Haiti eine große, wenn auch bittere Lehre gewesen sein. Diese bittere Erfahrung bereitete ihn aber auf seine nächsten Stationen vor. Nun traf er dort nicht mehr völlig unvorbereitet auf Ränkespiele und Intrigen, die im Heer von Simón Bolívar auch schnell vor einem Erschießungskommando enden konnten.220 Abgesehen von Akklimatisierung und höfischen Erfahrungen lernte Otto Philipp Braun für seine weitere berufliche und persönliche Zukunft einen wichtigen Personenkreis kennen. Irgendwann zwischen Sommer 1819 und Frühling 1820 erhielt Braun persönlichen Kontakt zu Vertretern Simón Bolívars auf Haiti. Dies war nicht überraschend. Nicht nur hatte Haiti dem mehrmals gescheiterten Libertador Jahre zuvor in kritischen Situationen Asyl gewährt und das physische sowie politische Überleben gesichert, sondern im Jahre 1819/20 war auch der Wohnort Brauns, Cap-Haïtien, für die Schiffe der bolivarischen Flotte ein regelmäßiger Anlaufpunkt.221 Schon im September 1819 hatte Braun seinen Eltern von ihnen berichtet.222 Im nächsten Brief, dem letzten aus Haiti, informierte er sie, dass er „in Gesellschaft von Herrn G. Krochmann und H. von Harten in der Kriegsbrigg von der Republik Columbia nach der Spanish Maine in Südamerika […] landen werden.“223 Wie bei den ersten beiden Eta218 18.05.1820 Cap Henry. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 234. 219 Hamshere, Henry Christophe, King of Haiti, 1967, S. 188. 220 Siehe hierzu auch Kapitel 3.6 „Krieg als Katalysator und Risikofaktor politischer ­Karrieren“. 221 Lynch, Simón Bolívar, 2007, S. 99f. Rehrmann, Simón Bolívar, 2009, S. 92ff. 222 28.09.1819 Cap-Henri, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 233. 18.05.1820 Cap-Henri, Braun an seinen Vater, in: Ebd., S. 235. 223 Ebd.

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Transatlantische Jugend 1800–1820

blierungsversuchen in den USA und auf Haiti äußerte Braun auch vor dem dritten keinen konkreten Zukunftsplan. Er versprach aber seinen Eltern: „[W] enn ich meinen Plan ausführe, so hoff ich dennoch trotz allen Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten ehrlich durch die Welt zu kommen. Nur Mut, denn wer Gott vertraut, der hat auf keinen Sand gebaut. Wer arbeiten will, dem wird geholfen werden. Glauben Sie sicherlich teure Eltern, meine jugendlichen Streiche sind vorüber.“224

224 18.05.1820 Cap Henry. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 235.

3. Militärische Leistungen 1820–1825 „Die Überraschung wird […] das Mittel zur Überlegenheit […]. Wo sie in einem hohen Maße gelingt, sind Verwirrung, gebrochener Mut bei dem Gegner die ­Folgen, und wie dies den Erfolg vervielfachen, davon gibt es große und kleine Beispiele genug.“ Carl von Clausewitz225

„Am Anfang war Napoleon.“226 Diese vom deutschen Historiker Thomas ­Nipperdey an den Beginn seiner „Deutschen Geschichte“ gestellte Aussage trifft nicht nur auf den Staats- und Nationsbildungsprozess Deutschlands zu, sondern auch auf die Unabhängigkeitsbewegungen in Südamerika zu Beginn des 19. Jahrhunderts – zumindest aus einer ereignisgeschichtlichen Perspektive. Ohne die Invasion der Iberischen Halbinsel durch Napoleon, die Absetzung der bourbonischen Könige und den Ausbruch des Spanischen Befreiungskrieges wäre es wahrscheinlich nicht auf jene Weise zu jenem ­Dominoeffekt gekommen, der in den spanischen Kolonien Mittel- und Südamerikas zu den entscheidenden politischen Weichen­stellungen in Richtung politischer Unabhängigkeit führte. Ziel dieses Kapitels ist es, Otto Philipp Brauns Stationen und Rolle im südamerikanischen Unabhängigkeitskrieg zu rekonstruieren. Um diesen vielschichtigen Prozess und die Rolle Brauns darin besser zu verstehen, wird am Anfang auf den historischen Kontext eingegangen. Danach wird eine aktuelle Debatte in der Militärgeschichtsschreibung kritisch reflektiert. Im Rest des Kapitels steht Otto Philipp Brauns Biographie im Fokus. Im ersten Abschnitt werden detailliert die einzelnen Stationen Brauns rekonstruiert. Dabei soll gezeigt werden, dass Otto Philipp Braun in der ersten Hälfte der 1820er Jahre im Unabhängigkeitsheer weder militärisch eine Rolle spielte noch über nennenswerten politischen Einfluss verfügte. Braun war in dieser Zeit – entgegen bisherigen Darstellungen – militärisch und politisch schlichtweg unbedeutend.227 Im Anschluss daran soll im ersten von drei thematisch ausgerichteten Kapiteln gezeigt werden, wie sich die Rolle Brauns durch die von ihm gewonnene Schlacht von Junín schlagartig änderte. Spätestens aufgrund des in Junín gezeigten Verhaltens, das Zeitgenossen als positive (militärisch-situative) Leistung werteten, begann der Führungszirkel der Unabhängigkeitsarmee, auch die von Braun geleitete 225 Clausewitz, Vom Kriege, 2008 [=1832], S. 203. 226 Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866. 1994 [= 1983], S. 11. 227 Vor allem die deutsche Historiographie hat immer wieder versucht, dies mit einer angeblich unmittelbaren Nähe zu Bolívar und politischem Einfluss Brauns zu überdecken. Diese Behauptungen sind vor dem Hintergrund der heute zur Verfügung stehenden Quellen jedoch nicht aufrechtzuerhalten. Siehe: Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939, S. 10ff. Martin, Der unbesiegte Soldat, 1942, S. 15ff.

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Militärische Leistungen 1820–1825

Ausbildung seiner Kavallerieschwadron als positive (militärisch-strukturelle) Leistung zu werden. Dies taten sie sogar öffentlich. Nach der Schlacht von Junín rückte Braun ins politische Zentrum der Unabhängigkeitsarmee auf, mit kontinuierlichem Zugang zu den politisch und militärisch maßgeblichen Akteuren der Zeit: allen voran Simón Bolívar und Antonio José de Sucre. Für seinen Aufstieg vom unbedeutenden Kommandeur in die Elite der Unabhängigkeitsarmee hatte Braun lediglich viereinhalb Jahre benötigt. In einem zweiten thematischen Unterkapitel wird ausgeführt, wie sehr Brauns frühe strukturell-militärische Leistung mit einem transatlantischen Wissenstransfer – etwa mit dem Transfer seines akademischen Wissens als Tierarzt, seiner praktischen Reitausbildung, seiner Erfahrungen als Frei­williger, aber vor allem seiner Übersetzung und Überarbeitung der Kavallerieinstruktionen Friedrichs des Großen – verbunden war. Dieser Teil soll zeigen, wie es Braun schon als unbekanntem Offizier gelungen war, eine Basis für seinen späteren Aufstieg zu schaffen, vor allem, indem er systematisch Beziehungen zu einflussreichen Offizieren aufbaute. Dies war auch für seine spätere politische Karriere entscheidend, da aus der internationalen Unabhängigkeitsarmee später viele politisch wichtige Akteure der einzelnen südamerikanischen Republiken hervorgingen. Die Entstehung einer solchen vielversprechenden Beziehung soll im dritten thematischen Unterkapitel am Beispiel der zu B ­ eginn asymmetrischen Freundschaft zwischen Otto Philipp Braun und dem Generalstabsoffizier Francisco Burdett O’Connor gezeigt werden.

3.1 Ereignis- und strukturgeschichtliche Umbrüche in Südamerika und Europa Nach den umwälzenden Ereignissen in Europa waren die Eliten in Südamerika, von den externen Ereignissen häufig überrascht, vor die Entscheidung gestellt, entweder den von Napoleon eingesetzten Bruder Josef Bonaparte als legitimen König anzuerkennen oder weiterhin Ferdinand VII. die Treue zu halten. Wie auch immer sich die Akteure entschieden, es begann ein intensiver Diskussions- und Aushandlungsprozess, der – wie im spanischen Mutterland – zur Bildung vieler Juntas (Regierungsräte) führte. Im Zuge dieses unvorhergesehenen Positionierungsprozesses brachen lokal schon länger schwelende, dafür aber umso grundsätzlichere Meinungsverschiedenheiten hervor. Ein Großteil der Juntas übte erst im Namen des entmachteten Königs Ferdinand VII. die Regierungsgewalt aus, erklärte dann aber oftmals schon bald die vollständige Unabhängigkeit.228 Hierauf folgten in 228 Aus der großen Anzahl an Forschungsliteratur sei auf folgende Auswahl verwiesen: Bakewell, History of Latin America, 2005 [= 1997].S. 271ff. Bernecker, Spanische Geschichte, 2002, S. 61ff, 82ff. Bushnell, The Independence of Spanish South Ame-

Südamerika und Europa



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großen Teilen Südamerikas sehr schnell erste militärische Auseinandersetzungen zwischen spanisch-royalistischen Kräften und Anhängern der Unabhängigkeit. Die durch die bourbonischen Reformen im 18. Jahrhundert benachteiligten Kreolen (in Amerika geborene Spanier) sahen die Zeit gekommen, verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Die Erklärung der Unabhängigkeit erschien hierzu nun oftmals das beste Mittel. Im Jahre 1809 erklärten die Audiencia de Charcas (HochPeru)229 sowie die Audiencia de Quito (Ecuador) ihre Unabhängigkeit von Spanien. Ein Jahr später folgten die Vizekönigreiche Neu-Granada (hauptsächlich der Teil des heutigen Kolumbiens) und Río de la Plata (Argentinien) sowie das Generalkapitanat Chile.230 Das Generalkapitanat von Caracas (Venezuela) erklärte 1811 seine Unabhängigkeit.231 Nun standen sich spanisch-royalistische Truppen und diverse fragmentierte und wenig organisierte Unabhängigkeitsbewegungen gegenüber. Die an unterschiedlichen Fronten in unterschiedlichen Konstellationen und politischen Fraktionen kämpfenden Unabhängigkeitsbewegungen erlebten von 1809 bis 1819 viele schwere Niederlagen. Besonders nach der Landung eines aus Spanien entsandten Expeditionsheeres konnte die Herrschaft der Krone in weiten Teilen des nördlichen Lateinamerika restauriert werden. Erst im Jahre rica, 1985, S. 95ff. Chasteen, Latin America`s Struggle for Independence, 2008, S. 53ff. Delegado Ribas, Las Indias españolas, 1989, S. 500ff. Earle, Spain and the Independence of Colombia, 2000, S. 9ff. Guerra, Ensayo sobre las revoluciones hispánicas, 1992, S. 115ff. Kleinmann, Zwischen Ancien Régime und Liberalismus, 2005, S. 253ff. Lynch, Bourbon Spain, 1989, S. 22ff. Lynch, The Spanish American Revolutions, 1986, S. 1ff. Pietschmann, Von der Gründung der spanischen Monarchie, 1993, S. 13ff. Rodríguez, The Independence of Spanish America, 1998, S. 49ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. XXIVff. Schmidt, Absolutismus und Aufklärung, 2005, S. 209ff. Stein/Stein, Spain and New Spain, 2003, S. 11ff. 229 Die Republik Bolivien entstand erst im Jahre 1825. Vorher wurde das Gebiet „HochPeru“ genannt. Daher benutzt der Autor dieser Arbeit, wenn auf dieses historisch definierte Gebiet bis zum Jahre 1825 verwiesen wird, den Begriff „Hoch-Peru“. Der Name „Bolivien“ findet für die Bezeichnung der neuen Republik ab 1825 Verwendung. Darüber hinaus wird für die heutige bolivianische Hauptstadt Sucre der damals traditionelle Begriff „Chuquisaca“ gebraucht, da die Stadt erst im Juli 1839 nach Bolívars General Antonio José de Sucre benannt wurde. Siehe etwa: Dunkerley, The Americas in the world around 1850, 2000, S. 441. 230 Es sei zur Vermeidung etwaiger Missverständnisse darauf hingewiesen, dass in den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts Zeitgenossen das Gebiet des heutigen Venezuelas, Kolumbiens, Panamas und Ecuadors häufig als „Colombia“, also Kolumbien, bezeichneten. Erst spätere Generationen gingen dazu über, dieses historische Gebilde in Abgrenzung zu den heutigen Staaten „Gran-Colombia“, also Groß-Kolumbien, zu nennen. Trotz des retrospektiven und konstruierten Charakters des Begriffes soll hier zur Vereinfachung für den heutigen Leser der Begriff „GroßKolumbien“ verwendet werden. 231 Das überwiegend royalistisch geprägte Peru tat dies erst im Jahre 1821.

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Militärische Leistungen 1820–1825

1819, nach dem spektakulären Einfall Simón Bolívars von Ostvenezuela ins west­ liche Kolumbien und der siegreichen Schlacht von Boyacá begann sich auf dem ­kolumbianischen Schauplatz das Blatt zu wenden.

Karte 3

In den Provinzen des Río de la Plata (Argentinien) und in Chile hatten ­Akteure wie José de San Martin schon 1816 bzw. 1818 die Unabhängigkeitsbewegung militärisch durchgesetzt. Dies war in Kolumbien 1819 und in Venezuela erst 1821 der Fall. Ein wichtiger Faktor bei der Konsolidierung der republikanischen Kräfte im nördlichen Teil des Kontinents war jedoch erneut ein externes Ereignis. Als im Januar 1820 der Oberst Rafael del Riego durch einen Militäraufstand in Spanien nicht nur die Entsendung neuer Truppen in die aufständischen Kolonien verhinderte, sondern den wieder absolutistisch regierenden König zwang, die liberale Verfassung von 1812 erneut anzuerkennen, spaltete er damit die royalistisch-spanischen Kräfte in zwei Fraktionen. Dies sollte vor allem beim Unabhängigkeitskrieg in Peru (1824) und in Bolivien (1825) von entscheidender Bedeutung sein, während zugleich in Kolumbien und Venezuela die ausbleibende, aber dringend benötigte militärische Verstärkung die strategische Situation und Moral der Royalisten entscheidend schwächte. Ab 1820 nutzte Simón Bolívar dies zur Durchsetzung der politischen Unabhängigkeit Groß-Kolumbiens, bestehend aus dem heutigen Kolumbien (1819), Venezuela (1821), Panama (1821) und Ecuador (1822).232 232 Sowohl zur Ereignisgeschichte dieser Jahre als auch zu deren strukturellen Bedingungen existiert eine Fülle an Literatur, die an dieser Stelle nicht erörtert werden kann. Daher wird auf folgende Auswahl verwiesen: Bakewell, History of Latin America,

Südamerika und Europa



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So entscheidend die europäische Ereignisgeschichte die Entwicklungen in Südamerika von 1808 bis 1820 beeinflusste, so sehr ließen diese dort die über Jahrzehnte gewachsenen strukturgeschichtlichen Spannungen hervorbrechen. Das bourbonische Reformprogramm, das nach dem verlustreichen Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1714) dazu dienen sollte, neue Ressourcen zur Restauration der wankenden Weltmacht Spanien zu mobilisieren, schränkte die Selbstständigkeit der Kolonien erheblich ein. Einerseits wurden neue ­administrative Strukturen geschaffen, andererseits wurde versucht, die ökonomische Bevorteilung Spaniens durch einen einseitigen Monopolhandel rigide durchzusetzen. Für die lokale kreolische Elite bedeutete dies, dass aus Spanien entsandte Beamte ihren Einfluss auf die Kolonialverwaltung und vor allem ihre Zugriffsmöglichkeiten auf Ressourcen zurückdrängten und den fiskalischen Druck erhöhten. Neben dem zentralistischautoritären Verdrängungsprozess im Zuge der bourbonischen Reformen lasteten die gestiegenen Verteidigungsausgaben sowie die latente Bedrohung durch ein stehendes Heer und Miliztruppen sehr auf der kolonialen Elite. Daher empfanden Teile von ihnen die bourbonische Politik wie eine zweite Eroberung, wogegen die kreolische Elite durchaus protestierte. Es kam dabei auch in vornapoleonischer Zeit schon zu Aufständen und militärischen Unabhängigkeitsversuchen – genannt seien etwa die Revolte in Quito im Mai 1767, der Comunero-Aufstand von 1780 sowie das Landungsunternehmen von Francisco de Miranda im Jahre 1806. Sie scheiterten jedoch allesamt. Als dann der scheinbar problemlose Einmarsch Napoleons in Spanien und die Neugestaltung des dortigen Herrschaftsgefüges der kreolischen Elite die Schwäche des Mutterlandes vor Augen führte, nutzten Teile der Elite die Chance für einen erneuten Aufstand. Es soll jedoch betont werden, dass der Riss zwischen Republikanern und Royalisten quer durch die Kolonialgesellschaft ging und die politischen wie militärischen Auseinandersetzungen sehr schnell die Form eines kontinentalen Bürgerkrieges annahmen.233 Der Invasions2005 [= 1997], S. 382ff. Bushnell, The Independence of Spanish South America, 1985, S. 98ff. Chasteen, Latin America`s Struggle for Independence, 2008, S. 100ff, 132ff. Earle, Spain and the Independence of Colombia 1810–1825, 2000, S. 36ff. König, Geschichte Lateinamerikas, 2006, S. 224ff. Lynch, The Spanish American Revolutions 1986, S. 199ff. Zur historiographischen Diskussion siehe Anm. 245. Für eine kommentierte Bibliographie zum Thema siehe: Brading, Spain and America in the eighteenth century, 1995, S. 56ff. Buschnell, The independence of Spanish South America, 1995, S. 228ff. Lynch, The Origins of Spanish American independence, 1995, S. 219ff. Sowie die Bibliographie bei: Bernecker, Bibliographie, 1992, S. 769ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. XIVff. 233 In dieser Arbeit werden die Vertreter des Kolonialsystems nicht nur als „Spanier“ bezeichnet, sondern als „Royalisten und Spanier“. Dies soll den lokal verwurzelten Charakter des kolonialen Systems unterstreichen, das schließlich bis zuletzt auch auf lokalen und regionalen Anhängern beruhte. Ein Großteil der spanisch-royalistischen Heere (vor allem die unteren Ränge) bestand aus Einheimischen, nicht nur aus Spaniern.

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versuch von Francisco de Miranda im Jahre 1806 im venezolanischen Norden scheiterte nicht etwa an spanischen Truppen, sondern am Widerstand der eigenen Landsleute.234 Der letztlich doch erfolgreiche südamerikanische Unabhängigkeitskrieg erscheint retrospektiv manchmal als eine geradlinige und fast natürliche Entwicklung. Aus der Sicht der Zeitgenossen stand der Ausgang jedoch oft auf des Messers Schneide. Für einen jungen Freiwilligen aus Europa waren die persönlichen Zukunftsaussichten an Erfolg oder Misserfolg des Unabhängigkeitskrieges geknüpft. Schließlich boten die umwälzenden Folgen des Unabhängigkeitskrieges den Akteuren die Möglichkeit zum sozialen und politischen Aufstieg. Hierfür musste der als rangniedriger Offizier rekrutierte Otto Philipp Braun nicht nur die harten Bedingungen des militärischen Alltags sowie die blutigen Kämpfe überleben, sondern für eine mögliche spätere politische Karriere und den Eingang in die Nachkriegselite seinen Weg zu den Entscheidungsträgern der Unabhängigkeitsbewegung bahnen. Doch bevor dies beschrieben wird, sei auf eine aktuelle Debatte in der Militärgeschichtsschreibung verwiesen.

3.2 Militärgeschichtsschreibung Dieses Kapitel greift auf die Werke der klassischen Militärgeschichtsschreibung zurück.235 Diese zeichnen sich zwar häufig durch eine hohe empirische Dichte Diese waren vornehmlich im Offizierskorps vertreten. Daher trugen die Auseinandersetzungen von 1809 bis 1825 eher den Charakter eines Bürgerkrieges als den eines klassischen Kampfes um politische Unabhängigkeit gegen fremde Besatzungstruppen. Die Gegenseite wird in dieser Arbeit als „Unabhängigkeitsbewegung“ oder „Republikaner“ bezeichnet. Mit all diesen Begriffen sind keine Wertungen verbunden, sondern sie sollen der eindeutigen Identifizierung dienen. Zu den aktuellen Diskussionen siehe: Chust Calero/Serrano, Un debate actual, 2007, S. 17ff. Cuño Bonito, Conflictos civiles y militares en el viereinato de la Nueva Granada, 2008, S. 227ff. Martínez Garnica, La independencia del nuevo reino de Granada, 2007, S. 203ff. 234 Fisher, Iberische Kolonialpolitik seit 1760, 1992, S. 16ff. Lynch, Bourbon Spain, 1989, S. 116ff. Lynch, The Spanish American Revolutions, 1986, S. 2ff. Lynch, The Origins of Spanish American Independence, 1985, S. 3ff. Martínez Shaw, La Edad Moderna, 1998, S. 351ff. O’Phelan Godoy, Bourbon Taxes. Indian Resistance, 1994, S. 80ff. Phelan, Bourbon Innovation, American Responses, 1994, S. 41ff. Rodríguez, The Independence of Spanish America, 1998, S. 36ff. Tusell, Edad Contemporánea, 1998, S. 411ff. 235 Besonders die frühen Arbeiten zum Thema der Unabhängigkeitskriege tendieren dazu, die als „eigenen“ Beitrag verstandene Rolle der jeweiligen nationalen Freiwilligen zu glorifizieren – etwa: Koebel, British exploits in South America, 1917. Neben diesen offensichtlichen Wertungen dominierten lange Zeit nationalstaatlich definierte Zugriffe: Fröschle, Die Deutschen in Lateinamerika, 1979. Als eklatantes

Militärgeschichtsschreibung



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aus, doch leider mindert ebenso oft ein nationalstaatlicher Zuschnitt oder gar eine nationalistische Färbung deren Aussagekraft. Die vorliegende Arbeit nimmt trotzdem bewusst Bezug auf viele klassische Werke der südamerikanischen und europäischen Militärgeschichtsschreibung. Denn auch eine nationalstaatlich orientierte Militärgeschichtsschreibung kann, wenn sie – wie von Hans Vogel gefordert – gegen den Strich gebürstet wird und sich von ihren nationalen Missionen verabschiedet, einen Beitrag zu transatlantischen Diskussionen leisten. Ein kurzer Blick in die alte und neue militärhistorische Forschung soll darüber hinaus deutlich machen, dass aufgrund der Vielzahl europäischer Freiwilliger, die im südamerikanischen Unabhängigkeitskrieg kämpften, Otto Philipp Braun lediglich einer von vielen war. Darüber hinaus muss betont werden, wie gering eigentlich die Chancen für die letztlich erfolgreiche Karriere eines Freiwilligen wie Braun waren und wie viele Zufälle, Unglücke, Verletzungen und Erkrankungen seinen Lebenslauf jederzeit hätten beenden oder zumindest nachhaltig beeinflussen können. Die jeweiligen Situationen waren für die Akteure sehr unsicher und das Ergebnis ihrer Handlungen nur wenig vorhersehbar. Daher ist über die Vielzahl dieser Freiwilligen wenig bekannt. Ferner wirft die Rekonstruktion des Lebensweges von Otto Philipp Braun einige konkrete Fragen bezüglich der im Laufe von über 15 Jahren über 7.000  europäischen Freiwilligen236 im Heer Simón Bolívars auf.237 BeispielsBeispiel kann nationalsozialistische Literatur gelten, etwa: Mindt, Der Erste war ein Deutscher, 1942, S. 58. Auch wenn man Hans Vogels Formulierung, dass „die Militärgeschichte Lateinamerikas noch immer in großen Teilen die Domäne außer Dienst gestellter Offiziere, von Uniform-Freaks oder altmodischen Schlachtenhistorikern“ sei, nicht in ihrer Schärfe folgen muss, kann doch seinem Appell gefolgt werden, mit neuen Fragen alten Gegenständen – auch in der Militärgeschichte – neue Erkenntnisse abzugewinnen: Vogel, War, Society and the State in South America 1800–1870, 2001, S. 39ff. 236 Rodriguez spricht von allein 10.000 britischen Freiwilligen. Hasbrouck vermeidet konkrete Zahlenangaben. Brown hingegen unterfüttert seine Schätzung von 7.000  europäischen Freiwilligen mit diversen Primärquellen. Insgesamt scheinen Rodriguez‘ Angaben überhöht. Aus diesem Grund folgt diese Arbeit in dieser Hinsicht Brown. Es gilt dabei zu betonen, dass es sich bei dieser Zahl um eine Gesamtzahl europäischer Freiwilliger in Südamerika in einem Zeitraum von über 15 Jahren handelt. Aufgrund hoher Fluktuation und Sterblichkeit war die Zahl europäischer Freiwilliger, die zeitgleich in einer Region dienten, um ein Vielfaches geringer. Brown, Foreign Mercenaries, 2006, S. 1f. Hasbrouck, Foreign Legionaries 1969 [=1929]. Rodriguez, British Volunteers, Bd. 1, 2006, S. 1, 419, 597. 237 Forschungsarbeiten bezeichnen die europäischen Freiwilligen Bolívars bisher oft als „Söldner“ (Rodriguez), „Legionäre“ (Hasbrouck) oder „Abenteurer“ (Brown). Der Verfasser dieser Arbeit folgt Lambert und zieht den Begriff „Freiwillige“ vor, da dies dem Selbstverständnis und Ehrenkodex der Akteure wohl am nächsten kommt. Darüber hinaus entsprachen Rekrutierung, Einsatz und Identifikation nicht dem klas-

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Militärische Leistungen 1820–1825

weise stellte Matthew Brown im Jahre 2006 die These aur, dass rund 70% der Freiwilligen bei der Rekrutierung in die Armee der Unabhängigkeitsbewegung einen nicht-militärischen Beruf angaben. Hieraus folgerte er, dass die klassische Militärgeschichtsschreibung um Alfred Hasbrouck mit ihrer These, dass vor allem demobilisierte Soldaten der antinapoleonischen Kriege in den Jahren nach dem Wiener Kongress (1815) nach Südamerika gekommen seien und hier ihr Know-How einbrachten, nicht aufrecht erhalten werden könne.238 Sicherlich ist es bemerkenswert, dass nicht nur der Großteil der Mannschaftsränge bei der Registrierung nicht-militärische Berufe angab, sondern dass dies auch 50–70% der Offiziere taten. Das Beispiel Otto Philipp Braun macht jedoch stutzig, da dieser als Tierarzt ebenfalls über eine nicht-militärische Ausbildung verfügte. Vielleicht gab er diese sogar bei der Registrierung an. Dennoch besaß er militärische Erfahrungen als einfacher Soldat aus den Feldzügen gegen Napoleon (1814). Dies mag auch bei anderen Freiwilligen der Fall gewesen sein. So kann die bei Alfred Hasbrouck, Eric Lambert und noch bis heute an unzähligen anderen Stellen anzutreffende Behauptung, dass nachnapoleonische Auswanderung und freiwillige Meldung in Südamerika ursächlich in Demobilisierung und europäischer Nachkriegsrezession begründet liegen, nicht aufrechterhalten werden.239 Für Auswanderung und Rekrutierung konnte es viele individuelle Gründe geben. Trotz dieser Kritik an der klassischen Militärgeschichtsschreibung kann jedoch nicht – wie Brown dies tut – vom Fehlen einer militärischen Berufsangabe bei der Rekrutierung auf das Fehlen jeglicher militärischer Erfahrung der Freiwilligen geschlossen werden. Ein nicht-militärischer Beruf schließt darüber hinausgehende militärische Erfahrungen in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts nicht kategorisch aus – wie das Beispiel Otto Philipp Braun zeigt.

sischen Bild des lediglich an Entlohnung interessierten Söldners oder politischen Motiven wie bei den späteren europäischen Militärmissionen (hierfür siehe Stoker). Brown, Foreign Mercenaries, 2006, S. 4ff. Hasbrouck, Foreign 1969 [=1929]. Lambert, Voluntarios británicos e irlandeses, 1981. Rodriguez, British Volunteers, Bd 1, 2006. Stoker, foreign military advising and assistance, 2008, S. 1ff. 238 Hasbrouck, Foreign Legionaries, 1969 [=1929], S. 31ff, bes. S. 38. Ferner: Ocampo, El proceso político, militar y social de la Independencia, 1989, S. 39. Ibáñez Sánchez, La Independencia, 1993, S. 300. 239 Die Angabe handwerklicher Berufe oder des Arbeiterberufs bei der Rekrutierung macht deutlich, dass es sich nicht allein um verzweifelte Berufssoldaten ohne zivile Ausbildung oder Verwendung gehandelt haben kann. Dennoch folgte etwa Rodriguez dieser These noch 2006 vorbehaltlos. Brown, Foreign Mercenaries, 2006, S.  26f. Rodriguez, British Volunteers, Bd.1, 2006, S. 8. Thibaud, Repúblicas en ­Armas, 2003, S. 384ff.

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3.3 Braun im südamerikanischen Unabhängigkeitskrieg In den zeitgenössischen Quellen der Jahre 1820 und 1821 gibt es kaum Hinweise auf Otto Philipp Braun. Dies ist ein Indiz für seine damals geringe Bedeutung. Sowohl in den Akten der kolumbianisch-republikanischen Armee als auch in detaillierten militärhistorischen Arbeiten ist Braun in den ersten anderthalb Jahren seines Aufenthaltes in Südamerika kaum greifbar. Dies ist nicht verwunderlich, da beide Bestände zwar durchaus auch die zweite und dritte Reihe der kolumbianisch-republikanischen Offiziere nennen, Braun jedoch schlichtweg nicht zu diesem exponierten Kreis gehörte – zumindest noch nicht. Otto Philipp Braun verabschiedete sich von seinen Eltern aus Haiti mit dem Versprechen, seine „jugendlichen Streiche“240 hinter sich zu lassen und in Südamerika ein steteres Leben zu führen. Bisherige Arbeiten über Otto Philipp Braun enthalten über seine Lebensstationen zu Beginn der 1820er Jahre jedoch eine Reihe nicht belegter und oftmals auch nicht mehr haltbarer Behauptungen. So ist selbst bei genauer Betrachtung der zur Verfügung stehenden Quellen bis heute wenig über seine erste Zeit in Südamerika zu rekonstruieren, etwa wo und wie er landete oder wann genau er der Unabhängigkeitsarmee beitrat. Die häufig zu findende Behauptung, dass Braun im Vorfeld seiner Rekrutierung Simón Bolívar persönlich traf und sich ihm vorstellte, lässt ebenfalls nicht belegen. Darüber hinaus kann für die ersten anderthalb Jahre aufgrund der äußerst schwierigen Quellensituation nicht genau gesagt werden, in welchen militärischen Einheiten Braun in welchem Rang diente. Alle bis heute erschienenen Arbeiten, die dies tun, präsentieren keine Belege. Daher kann deren Zuordnung Brauns zu militärischen Einheiten auf Regiments- und Schwadronniveau für seine erste Zeit in der Unabhängigkeitsarmee schlichtweg nicht aufrechterhalten werden. Dies hat allerdings zur Folge, dass eine Reihe von Behauptungen – unter anderem, dass Braun an den Schlachten von Pichincha und Riobamba teilnahm –, revidiert werden muss. Ferner bedarf seine Beteiligung bei der Schlacht von Carabobo einer näheren Betrachtung.241 Vor dem Hintergrund der für diese Arbeit zusammengetragenen Quellen kann jedoch von folgendem Szenario ausgegangen werden: In dem oben zitierten letzten Brief Otto Philipp Brauns aus Haiti kündigt dieser an, mit einem Kriegsschiff Bolívars am 19. Mai 1820 nach Kolumbien überzusetzen.242 Es ist 240 18.05.1820 Cap-Henri, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 235. 241 Diese Behauptungen sind zu finden bei: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 16ff, Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939, S. 10ff. Martin, Der unbesiegte Soldat, 1942, S. 15ff. Nölle, La Vida de Otto Felipe Braun, La Paz 1969, S. 23ff. 242 18.05.1820 Cap-Henri, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 235.

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nicht unwahrscheinlich, dass es sich hierbei um ein Schiff des A ­ dmirals Luis Brion handelte, der in dieser Gegend operierte und in dieser Zeit tatsächlich aus der Karibik nach Kolumbien reiste. Aber dies ist – entgegen den Behauptungen bisheriger Arbeiten – nicht belegbar.243 Ebenso wenig kann die Behauptung der deutschen Arbeiten zu Braun stehen gelassen werden, dass Offiziere Bolívars Braun offiziell auf Haiti anwarben.244 Neuere Quellen zeigen, dass Braun ohne jegliche Stellenzusage nach Kolumbien reiste.245 Für die Seereise dorthin plante Braun nach eigener Aussage 8–14 Tage ein. Falls dieser Plan tatsächlich so realisiert werden konnte, kam Braun demnach Ende Mai bis Anfang Juni 1820 in Kolumbien an. Viele Arbeiten behaupten, Braun sei in Barranquilla gelandet. Zwar kündigte Braun an, über die Insel Margarita sowie über Riohacha und Puerto Cabello nach Caracas reisen zu wollen, und ist sein Aufenthalt in Barranquilla für den Sommer 1820 nachweisbar. Dennoch ist völlig unklar, wo Otto Philipp Braun von Bord ging. Wie schon erwähnt, behauptet vor allem die spanisch-sprachige Literatur, dass Braun nicht sofort in das Heer Simón Bolí243 Bei der Diskussion der bisherigen Annahmen wird lediglich auf die maßgeblichen Monographien verwiesen. Da die Artikel über Braun meist nur auf den erstgenannten Arbeiten beruhen, werden sie im Folgenden nicht eigens aufgelistet – vor allem, da dies den Raum der Fußnoten sprengen würde. Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939, S. 34. 244 Ebd., S. 32f. Barnadas, El Mariscal Braun, 1998, S. 10, Walbaum, Otto Philipp Braun, 2001, S. 61. Martin, Der unbesiegte Soldat, 1942, S. 45. 245 Die internationale Forschungsdiskussion hierzu hat in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl an Themen, Ansätzen und Kontroversen hervorgebracht, die hier aber nicht alle en détail skizziert werden können. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die dort geübte Kritik an den klassischen Werken der Militärhistoriographie, Nationalgeschichte oder Biographik, – etwa die Vernachlässigung struktureller Einflüsse und mikrohistorischer Perspektiven oder die manchmal zu schablonenhaften und kausalen Deutungen oder der Vorwurf zu enger chronologischer Zugriffe – berechtigt sind. Dennoch werden einige dieser grundlegenden Arbeiten bei der Betrachtung von Truppenverlegungen und militärstrategischen Überlegungen aufgrund ihrer empirischen Dichte und detaillierten Darstellung in dieser Arbeit herangezogen, ohne jedoch ihren häufig nicht unproblematischen Globalinterpretationen zu folgen. Dies gilt auch für Quelleneditionen. Zur Diskussion siehe: Thibaud, Formas de guerra y mutación del Ejército, 2005, S. 339ff. Oder auch: Chust Calero / Serrano, Un debate actual, 2007, S. 15ff. Contreras, Balance de la Historiografía Contemporánea, 2007, S. 100ff. Lynch, Spanish American Independence in Recent Historiography, 1999, S. 13ff. Marchena Fernández, Los Procesos de Independencia en los Países andinos, 2007, S.159ff. Martínez Garnica, La independencia del nuevo reino de Granada, 2007, S. 214ff. McFarlane, Issues in the History of Spanish American Independence, 1999, S. 1ff. Quintero, Historiografía e Independencia en Venezuela, 2007, S. 221ff. Für eine kommentierte Bibliographie siehe: Bernecker, Bibliographie, 1992, S. 790ff. Bushnell, The Independence of Spanish South America. Bibliographical Essays, 1995, S. 228ff. Lynch, The Origins of Spanish American Independence, 1995, S. 219ff.

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vars eintrat, sondern einige Zeit noch als Pferdehändler in Nordostkolumbien arbeitete. Diese Annahme ist äußerst wahrscheinlich. Denn zwischen der Ankunft der aus eigenem Antrieb nach Kolumbien gereisten Freiwilligen und einer offiziellen Rekrutierung durch hohe Offiziere oder durch Simón Bolívar selbst vergingen oft Wochen bis Monate.246 Darüber hinaus war eine Anwerbung europäischer Freiwilliger nicht von vornherein garantiert. Im Gegenteil: Dutzende fähige Offiziere kehrten, von den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort und den nicht eingehaltenen Versprechen der Werber enttäuscht, nach Europa zurück oder wurden von Bolívar und seinen Offizieren abgelehnt.247 Sicherlich fielen hier auch interkulturelle Missverständnisse sowie die Unfähigkeit europäischer Freiwilliger, sich auf die fremden Umstände einzulassen, ins Gewicht. Dies war bei Braun, wie im letzten Kapitel über seine Akkulturationsprozesse in den USA und auf Haiti gezeigt, jedoch nicht mehr der Fall.248

Anwerbung und Rekrutierung 1820 Die erste Zeit in Kolumbien verbrachte Otto Philipp Braun in Barranquilla im Hause eines der beiden deutschen Kaufmänner, mit denen er aus Haiti abgereist war.249 Der Ire Francisco Burdett O’Connor250, Chef des Generalstabs der 246 Hasbrouck, Foreign Legionaries, 1969 [=1929], S. 374. Thibaud, Repúblicas en ­Armas, 2003, S. 386. 247 Dies schildern verschiedene Freiwillige in ihren Erinnerungen. Zwar überspitzten vor allem die Berichte der Abgelehnten häufig die Verhältnisse vor Ort, doch der Rekrutierungsmechanismus an sich sowie die Bedingungen in Kolumbien und Venezuela bestätigen auch andere Quellen: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 54. Richard, Briefe aus Columbien, 1992 [= 1822]. Für Literatur siehe: Brown, Foreign Mercenaries, 2006, S. 39ff. Hasbrouck, Foreign Legionaries, 1969 [=1929], S. 374ff. Thibaud, Repúblicas en Armas, 2003, S. 385f. 248 Südamerikanische Autoren geben oft dem schlechten Ressourcenmanagement der Republik Kolumbien und den daraus folgenden schlechten Bedingungen für europäische Soldaten die Schuld an deren Scheitern und nicht etwa interkulturellen Problemen der Europäer. Siehe etwa: Thibaud, Repúblicas en Armas, 2003, S. 385ff, bes. S. 391. 249 18.05.1820 Cap-Henri, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 235. Die Kaufleute stammten aus Hamburg: Zeuske, Haiti und Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, 1991, S. 296f. 250 Der im von Großbritannien besetzten Irland geborene Francisco (engl. Francis) Burdett O’Connor (1791–1871) kam nach einer militärischen Ausbildung nach Südamerika, vor allem, da ihm eine Karriere aufgrund der Repressionswellen nach dem irischen Aufstand von 1798, an dem auch seine irisch-aristokratische Familie teilgenommen hatte, verwehrt war. O’Connor stieg in Südamerika sehr schnell in den entscheidenden Kreis um Bolívar auf, dem er mehrmals als Generalstabsoffi-

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Nordarmee Bolívars und späterer Weggefährte Brauns, schildert dessen erste Zeit in Kolumbien in seinen Memoiren: „Als wir in Barranquilla ankamen, befanden sich dort Admiral Brion, Coronel Montilla und weitere Kommandeure und Offiziere. Wir quartierten uns in das Haus eines deutschen Herrn […] ein, der dort mit einem jungen Kaufmann von der Insel Curacao […] lebte. In demselben Haus trafen wir einen Jüngling namens Felipe Braun, der gerade von der Insel Santo Domingo herübergekommen war.“251 Zwar ist der erste historiographische Hinweis auf den Aufenthalt des sich langsam zu Felipe Braun wandelnden Otto Philipp Braun Francisco Burdett O’Connor zu verdanken, dennoch lässt die Beschreibung des Zusammentreffens von O’Connor und Braun nicht auf eine schon erfolgte Rekrutierung schließen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Braun noch einige Zeit als Pferdehändler tätig war. Hierauf deuten O’Connors weitere Schilderungen hin. Einige Zeit nach dem ersten Zusammentreffen der beiden erschien O‘Connor erneut in Barranquilla, wo er wieder im Hause des deutschen Kaufmanns auf „Don Felipe Braun“252 traf. Dieser schlug dem irischen Offizier vor, ihm ein Kunststück vorzuführen, nämlich ein Pferd nur mit den Sporen zu reiten. Der interessierte O’Connor nahm das Angebot gerne an und schaute zu, wie Braun zuerst das Pferd auf aufbäumen ließ, es freihändig nur mit den Sporen balancierte und dann mit einem Sprung auf die gegenüberliegende Seite des Hofes positionierte. Hier schöpfte Braun wohl aus dem Repertoire seiner höfischen Reitausbildung in Göttingen und seinen Erfahrungen als Rittmeister auf ­Haiti. Noch Jahre später hielt Francisco Burdett O’Connor in seinen Lebenserinnerungen sichtlich erstaunt fest: „Dieses Tier hatte am zurückliegenden Tag 36 Leguas [=200 Km, Anm. RK] zurückgelegt – ohne sich auszuruhen. Am folgenden Tag kaufte ich es ihm für 52 Pesos ab.“253 Bald nach diesem Geschäft, etwa im August des Jahres 1820, trat Felipe Braun dem Heer Simón Bolívars bei. Der genaue Zeitpunkt und die Umstände liegen nach wie vor im Dunkeln. Zwar schilderte Otto Philipp Braun seinen Eltern in Briefen aus Cartagena, Bogotá und Quito das von 1820 bis 1823 Er-

zier und Regimentskommandeur diente. Bei der Schlacht von Junín assistierte er Bolívar als Chef des Generalstabes. Den bolivianischen Präsidenten Sucre und Santa Cruz diente er loyal. O’Connor begleitete Braun bei der Schlacht von Montenegro, zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr als sein Vorgesetzter, sondern als sein Untergebener. Später verfasste O‘Connor seine „Recuerdos“, die zu den wichtigsten Quellen jener Zeit gehören. Dunkerley, Francisco Burdett O’Connor, 2007, S. 278ff. O’Connor, Recuerdos, 1916. Rivero Adriázola, Recuerdos del General Francisco Burdett O’Connor, 2006. 251 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 45. 252 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 47. 253 Ebd.

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lebte, doch erreichten diese Zeilen Hessen-Kassel nie.254 In einem Brief aus dem August 1823 fasst Braun kurz seine Karriere zusammen und verweist darauf, dass er „den Feldzug von Cartagena im Jahre 1820“255 mitmachte. Dies beweist, dass Braun im Jahr 1820 in das Heer Simón Bolívars aufgenommen wurde. Vielleicht geschah dies sogar nach einem Treffen mit Simón Bolívar selbst, als dieser Barranquilla am 23. August 1820 besuchte.256 Zwar ist ein solches Treffen nicht belegt, aber es scheint immerhin möglich.257 Trotz dieser Unsicherheiten ist davon auszugehen, dass Braun spätestens im September 1820 in das Heer aufgenommen wurde. Denn nach dem 24. September desselben Jahres verbot Simón Bolívar trotz dringend benötigter Soldaten und dem Mangel an fähigen Offizieren die weitere Aufnahme von ausländischen, also vor allem europäischen Freiwilligen in die Armee Groß-Kolumbiens.258 Dies war auf eine Reihe schlechter Erfahrungen mit europäischen Freiwilligen zurückzuführen. Neben der hohen Todesrate aufgrund der klimatischen Bedingungen und den beträchtlichen Sprachproblemen häuften sich die Beschwerden einheimischer Offiziere und Soldaten über arrogante oder gar rassistische Behandlungen durch europ­ äische Freiwillige. Dies hatte unter den eigenen Leuten teilweise zu erheblicher Unruhe geführt, sodass hohe Offiziere öffentlich das Verhalten der Europäer entschuldigen mussten. Als im März 1820 die irische Legion ihre Gefolgschaft aufkündigte sowie einige Monate später die englische Division meuterte, gaben diese damit für südamerikanisch-republikanische Einheiten, die sowieso schon mit massenhafter Desertion zu kämpfen hatten, ein gefährliches Beispiel. Folglich war Bolívars anfängliche Begeisterung für europäische Militärs in Ernüchterung umgeschlagen.259 Trotz dieser unerfreulichen bis gefährlichen Entwicklung leisteten diejenigen europäischen Offiziere, die das Klima überlebten und sich kulturell anpassten, in der Armee Simón Bolívars bei der Ausbildung und Disziplinierung der Truppen wertvolle Dienste. Denn sie, wie beispielsweise Daniel Florencio O’Leary, Francisco Burdett O’Connor, Johann von Uslar oder Wil254 Dies geht aus einem späteren Brief hervor: 08.08.1823 Guayaquil, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 236. 255 Ebd. 256 Lecuna, La Guerra en 1820,1941, S. 309. Diesen Aufenthalt bestätigen auch O’Connor und O‘Leary: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 45. O‘Leary, Memorias. Narracion. Bd. 2, 1952, S. 43. 257 Dennoch ist es nicht gerechtfertigt, dies als Tatsache zu behaupten, wie etwa: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 16. Martin, Der unbesiegte Soldat, 1942, S. 57. 258 24.12.1820 San Cristóbal, Kriegsminister Pedro Briceño Méndez an Vizepräsident Santander, in: O’Leary, Memorias del General O’Leary, Bd. 17, 1981 [=1882], Doc. 439, S. 467. 259 Thibaud, Repúblicas en Armas, 2003, S. 386. Brown, Rebellion at Riohacha 1820, 2005, S. 77ff.

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liam Miller, brachten militärisches Wissen und Kampferfahrung aus Europa mit – was Bolívar sehr schätzte.260 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass seine Ausbildung und Erfahrungen Braun den Einstieg in die sich Europäer verschließende Unabhängigkeitsarmee Simón Bolívars ermöglichten. Schließlich grenzte sich Braun mit seinem für damalige Verhältnisse sehr hohen Ausbildungsgrad positiv von vielen anderen Offizieren ab, deren Schreib- und Lesefähigkeit nicht immer garantiert war.261 Nichtsdestotrotz dürfte Otto Philipp Braun aufgrund des Dekretes von Bolívar einer der letzten europäischen Freiwilligen gewesen sein, der im Sommer 1820 in das kolumbianisch-republikanische Heer eintrat.

Die Belagerung von Cartagena und die Schlacht von Santa Marta Dabei stieß Otto Philipp Braun auf folgendes militärisch-politische Szenario: Die gesamtstrategische militärische Situation hatte sich für die Unabhängigkeitsarmee nach der Schlacht von Boyacá ein Dreivierteljahr zuvor entscheidend verbessert.262 Bolívar kontrollierte von da an das venezolanische und kolumbianische Binnenland, während sich die spanisch-royalistischen Kräfte in der Nähe der Küste und in den befestigten Städten festgesetzt hatten. Dies war auch im Nordosten Groß-Kolumbiens um Cartagena, Barranquilla und Santa Marta der Fall. 260 Neben Bolívar schätzten auch südamerikanische Offiziere ihre Kollegen aus Europa, wenn sie sich den kulturellen Regeln und den militärischen Anforderungen entsprechend, also „ehrenhaft“ verhielten. Schon kurz nach seiner Rekrutierung zählte Otto Philipp Braun zu ihnen, wie etwa der spätere mehrfache kolumbianische Präsident Tomás Cipriano de Mosquera (1798–1878) in seinen Erinnerungen betont. Während des südamerikanischen Unabhängigkeitskrieges hatte Mosquera als Adjutant und Sekretär Bolívars sowie als Generalstabschef gedient. Nach dem Sieg blieb er als Präfekt, General und Diplomat politisch aktiv, bis er im Jahre 1845 (bis 1849) zum ersten Mal Präsident Kolumbiens wurde. Von 1861–1863, 1864 sowie 1866–1867 übte er dieses Amt erneut aus. Im Jahre 1829 hatten Braun und er nachweislich Kontakt. Siehe den Abschnitt „Die Vereinbarung von Girón und Brauns diplomatische Mission“. Mosquera, Memoria sobre la vida del General Simón Bolívar, 1940, S. 5f und 377. Siehe auch: Castrillón Arboleda, Tomás Cipriano de Mosquera, 1994. Lofstrom, Tómas Cipriano de Mosquera, 1996, S. 21ff. Uribe Urán, Cartas inéditas, 1999, S. 209ff. 261 Den Bildungsgrad der Offiziere untersuchte detailliert: Brown, Foreign Mercenaries, 2006, S. 21. 262 Albi, El ejército realista en America, 1990, S. 227ff. Ibáñez, La Independencia, 1993, S. 287ff. Lecuna, Bolívar y el Arte Militar, 1955, S. 111ff. Porras Troconis, Campañas Bolívarianas de la Libertad, 1953, S. 201ff. Salmoral, Neu-Granada / Großkolumbien, 1992, S. 228. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 36ff. Thibaud, Repúblicas en Armas, 2003, S. 411ff.

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Hier war es Coronel Mariano Montilla und Admiral Luis Brion Anfang des Jahres 1820 durch ein Landungsmanöver von der See aus gelungen, die Städte Soledad und Barranquilla zu besetzen. Hiermit kappten sie die Verbindung zwischen den in spanischer Hand befindlichen Küstenstädten und öffneten die Häfen für republikanische Schiffe. Eine weitere Kommandoaktion öffnete den Magdalenafluss und ermöglichte damit eine Belagerung von Cartagena.263 Otto Philipp Braun nahm nach seiner Rekrutierung im Sommer 1820 unter Mariano Montilla, José María Córdova und dessen Generalstabschef Francisco Burdett O’Connor als einfacher Offizier an den nun folgenden militärischen Ausein263 Ibáñez, La Independencia, 1993, S. 334. Plazas Olarte, Historia Militar, Bd. 3, 1971, S. 204ff.

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andersetzungen teil.264 Vielleicht war er auch schon bei den Abwehrkämpfen gegen einen spanischen Ausfall und Überraschungsangriff aus Cartagena am 28. August 1820 als Offizier unter José María Córdova dabei.265 Spätestens bei den blutigen Kämpfen um Ciénaga und Santa Marta im Oktober und November 1820 wird jedoch Braun teilgenommen haben, als Montilla die Belagerung von Cartagena unterbrach, da sich eine strategisch günstige Gelegenheit ergab, die beiden genannten Orte anzugreifen.266 Bei diesen Operationen wird Braun auch ein Charakteristikum des Unabhängigkeitskrieges kennengelernt haben. Denn nach knapp einem Jahrzehnt erbitterter Kämpfe und einem achtjährigen, gnadenlosen „Guerra a Muerte“ waren die Kämpfe um Ciénaga mit über 600 Toten und 350 Verletzten nicht nur blutig, sondern äußerst grausam. Der Augenzeuge Francisco Burdett O’Connor beschrieb noch nach vielen Jahren sichtlich entsetzt, wie die Sieger den schwer verletzten Spaniern die Kehlen durchschnitten oder wie die Gefangenen massenweise geköpft und ihre Überreste in eine Schlucht nahe Santa Marta geworfen wurden.267 Nach den Siegen im Osten bei Santa Marta kehrte Mariano Montilla mit seinen Einheiten wieder zur Belagerung von Cartagena zurück. Diese stark befestigte Stadt ergab sich aber erst knapp ein Jahr später, im Oktober 1821.268

264 Besonders José María Córdova und Francisco Burdett O’Connor spielten in den nächsten Jahren bzw. Jahrzehnten eine wichtige Rolle im Leben Brauns. Ende der 1820er Jahre übernahm Braun von Córdova den Befehl über das großkolumbianische Hilfsheer in Bolivien. Mit O’Connor pflegte er eine jahrzehntelange Freundschaft. Siehe hierzu besonders die Abschnitte „Aus Kameraden werden Freunde: Braun und O’Connor“ und „Freunde fürs Leben: Francisco Burdett O’Connor“. 265 Lecuna, La Guerra en 1820, 1941, S. 312. 266 Lecuna behauptet, dass Braun in Santa Marta dem Heer beitrat. Aufgrund des allgemeinen Aufnahmeverbotes ab September 1820 ist diese – darüber hinaus nicht belegte – Angabe wenig wahrscheinlich. Darüber hinaus betont der Zeitzeuge Tomas Cipriano de Mosquera in seinen Erinnerungen, dass Braun schon im Sommer 1820 an den militärischen Operationen im Nordosten Großkolumbiens teilnahm. Lecuna, La Guerra en 1820, 1941, S. 328. Mosquera, Memoria sobre la vida del General Simón Bolívar, 1940, S. 377. 267 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 51. Generell zum „Guerra a Muerte“ siehe: Thibaud, Formas de guerra y mutación del Ejército, 2005, S. 350ff. 268 Plazas Olarte, Historia Militar, Bd. 3, 1971, S. 203. Porras Troconis, Campañas Bolívarianas de la Libertad, 1953, S. 265ff.

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Bei Francisco de Paula Santander in Bogotá 1821 Zu diesem Zeitpunkt befand sich Otto Philipp Braun jedoch nicht mehr unter diesen Einheiten. Dies legt ein Brief an seine Eltern nahe.269 In diesem berichtet er, wie er nach der „Campagne von Cartagena im Jahre 1820“270 den schon zuvor von Einheiten Bolívars unter Kontrolle gebrachten Fluss Magdalena entlang nach Bogotá reiste und dort elf Monate „in der Husarengarde von dem Vicepresidente Santander mit Ehren als Rittmeister“271 diente. Ein weiter unten noch relevanter Befehl Bolívars bestätigt die seinen Eltern geschilderte Versetzung von den Húsares de Bogotá zur Guardia und legt diesen zeitlich auf den Dezember 1821 fest. Hieraus folgt, dass Braun in Anbetracht der elf in Bogotá verbrachten Monate wohl im Januar 1821 gleich nach der ersten Belagerung von Cartagena und den Kämpfen von Santa Marta die kolumbianische Hauptstadt erreichte. Es gilt dabei zu beachten, dass Bogotá damals das administrative Zentrum der noch nicht konsolidierten Republik Kolumbien war. Vizepräsident Francisco de Paula Santander versuchte in jenen Monaten, inmitten des Kriegschaos die von Bolívar befehligten Truppen zu versorgen und zu finanzieren. Hierfür stand ihm eine bescheidene Administration inklusive eines Stabes zur Verfügung.272 Otto Philipp Braun war also von den Schlachtfeldern der Nordostküste in das politisch-administrative Zentrum versetzt worden. Allerdings diente Braun hier lediglich als einfacher Offizier der Húsares de Bogotá ohne politische Bedeutung oder jeglichen Einfluss – auch wenn er hier sicherlich Einblicke in die politischen Prozesse der Hauptstadt gewonnen haben wird. Zwischen der Ankunft Brauns in Bogotá und seiner Versetzung zur Garde vergingen, wie bereits erwähnt, elf Monate. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Braun diese Zeit nicht nur mit Regimentsdienst verbracht hat, sondern dass er mit seiner Einheit als einer von über 3.300 Kavalleristen auch an der für Venezuela historischen Schlacht von Carabobo teilnahm. Bolívar hatte nach dem Scheitern des Waffenstillstandes im April 1821 seine Armee in Zentralvenezuela zusammengezogen und begann, die royalistisch-spanischen Einheiten, die zu 269 Wenn Rodriguez dies behauptet, dann irrt er: Rodriguez, British Volunteers Bd. 1, 2006. S. 186. Siehe: 08.08.1823 Guayaquil, Braun an seinen Vater, in: MichaelisBraun, Braun, 1914. 270 08.1823 Guayaquil, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 236. 271 Ebd. 272 Armas Chitty, La independencia de Venezuela, 1992, S. 135ff. Bushnell, The Independence of Spanish South America, 1985, S. 143. Bushnell, The Santander Regime, 1954, S. 26ff. Lecuna, Bolívar y el Arte Militar, 1955, S. 131. Montaña, Santander y los ejercitos patriotas, 1989, S. XIXff. Moreno de Angel, Santander, 1989, S. 253ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 36ff. Siehe auch: O’Leary, Memorias. Narracion. Bd. 2, 1952, S. 103.

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diesem Zeitpunkt weite Landstriche nahe der Küste hielten, zurückzudrängen. In den Hügeln und der Ebene von Carabobo kam es am 21. Juni 1821 zur entscheidenden Schlacht. Es siegte das Unabhängigkeitsheer mit seinen insgesamt über 6.000 Soldaten. Die geschlagenen spanisch-royalistischen Truppen flohen in die wenigen noch von eigenen Besatzungen gehaltenen Festungen entlang der venezolanischen Küste. Damit war Venezuela und also seit Boyacá (1819) fast das gesamte Groß-Kolumbien unabhängig.273 Die übrig gebliebenen royalistischen Stellungen ergaben sich sukzessive in den nächsten Monaten. Eine persönliche Beteiligung Brauns an der Schlacht von Carabobo kann durch eine Nennung in Primärquellen nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Sie ist dennoch wahrscheinlich. Denn die Einheit Brauns, die „Husaren von Bogotá“, werden zwar nicht mit dieser genauen Bezeichnung in den Schlachtaufstellungen explizit genannt, doch handelt es sich bei den dort erwähnten „Husaren der dritten Division“ der republikanischen Armee höchstwahrscheinlich um die Husareneinheit, in der Braun diente.274 Aufgrund der überschaubaren Anzahl der Regimenter und der oftmals unpräzisen und verkürzten Bezeichnung von Einheiten und dem Fehlen anderer Kavallerieschwadronen, die als Husaren bezeichnet wurden, hält der Verfasser dieser Arbeit diese Übereinstimmung für wahrscheinlich. Hierfür spricht auch, dass es aufgrund der sich abzeichnenden Entscheidungsschlacht in Venezuela und der begrenzten Ressourcen unwahrscheinlich erscheint, dass Bolívar ganze Kavallerieeinheiten, wie die Husaren von Bogotá, nicht in die Schlacht beorderte. Vor dem Hintergrund der militär273 Albi, El ejército realista en America, 1990, S. 295ff. Armas Chitty, La Batalla de Carabobo, 1971, S. 77ff. Bencomo Barrios, Campaña de Carabobo, 1971, S. 43ff. Florez Alvarez, Campaña Libertadora de 1821, 1971 [=1921], S. 147ff. Harvey, Latin America’s Struggle for Independence, 2000, S. 188ff. Hasbrouck, Foreign Legionaries, 1969, S. 230ff. Lambert, Carabobo, 1974, S. 11ff. Lecuna, Carabobo 1821, 1970, S. 280ff. Lecuna, Bolívar y el Arte Militar, 1955, S.129ff. Lecuna, Crónica razonada de las guerras de Bolívar, Bd. 3, 1950, S. 10ff. Lynch, The Spanish American Revolutions, 1986, S. 218f. Porras Troconis, Campañas Bolívarianas de la Libertad, 1953, S. 277ff. Santana, La Campaña de Carabobo, 1921, S. 63ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 37ff. Thibaud, Repúblicas en Armas, 2003, S. 503. Für zeitgenössische Berichte siehe: O‘Leary, Memorias. Narracion. Bd. 2, 1952, S. 79ff. Páez, Autobiografia, 1945 [=1867], S. 203ff. Zur kritischen Würdigung der Historiographie zum Unabhängigkeitskrieg in Venezuela siehe: Quintero, Historiografía e Independencia en Venezuela, 2007, S. 225f. 274 Diese Einheit nahm jedoch nicht am entscheidenden Angriff auf der linken Flanke der Schlacht teil und stach nicht hervor, was auch die geringe Behandlung der Husaren durch die militärhistorische Forschung sowie die wenigen Nennungen in Primärquellen erklärt. Im Unterschied zu den britischen Freiwilligen, die einen großen Beitrag zum Sieg der Patrioten leisteten. Brown, Foreign Mercenaries, 2006, S. 46ff. Frey, The British Soldier in America, 1981. Hasbrouck, Foreign Legionaries, 1969, S. 236. Rodriguez, British Volunteers. Bd. 1, 2006.

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historischen Forschung kann also mit einiger Berechtigung vermutet werden, dass Otto Philipp Braun an der für die Geschichte Venezuelas so entscheidenden Schlacht von Carabobo am 21. Juni 1821 teilnahm.275

Der Feldzug des Südens 1821–1822 Nach seinen Stationen in Bogotá und Carabobo blieb Felipe Braun wenig Zeit zum Ausruhen. Im Oktober 1821 zog Simón Bolívar in Bogotá ein, um den Südfeldzug zur Durchsetzung der Unabhängigkeit Südkolumbiens (heute: Ecuador) vorzubereiten. Sechs Wochen später, am 10. Dezember 1821, gab Simón Bolívar den Befehl zur Vereinigung seiner Garderegimenter. Er zog sie aus dem ganzen Land in Bogotá zusammen. Bolívar befahl ferner die Aufrüstung der Gardeeinheiten – auch auf Kosten der Húsares de Bogotá, in denen Braun zu diesem Zeitpunkt diente. Diese mussten alles benötigte und verfügbare Kriegsmaterial der durchziehenden Garde zur Verfügung stellen. Doch nicht nur Sättel, Säbel und Schusswaffen wechselten das Regiment. Bolívar verfügte in seinem Befehl vom 10. Dezember in §  13 ebenfalls, dass der Capitan Felipe Braun sich der Garde anschließen solle, um gemeinsam mit anderen Offizieren und einer Reihe einfacher Soldaten der Husaren die Regimenter aufzufüllen.276 Die Garderegimenter Bolívars dienten im Jahre 1821 schon lange nicht mehr allein dem persönlichen Schutz des Oberbefehlshabers, sondern stellten mit über 4.000 Mann einen Großteil der gesamten Armee.277 Auf der einen Seite ist es daher vollkommen übertrieben – wie in bisherigen Arbeiten oft geschehen – von der Zugehörigkeit Brauns zu diesen Einheiten auf eine persönliche Nähe zu Simón Bolívar zu schließen.278 Auf der anderen Seite jedoch handelte es sich bei der Garde um eine schlagkräftige Eliteeinheit, bei der zu dienen als große Ehre galt. Bolívar verlieh verdienten Einheiten oder einzelnen Offizieren, die sich hervorgetan hatten, das Privileg, sich der Garde anzuschließen. Ein ganz konkreter Grund, warum Bolívar – neben anderen – Braun zur Garde beor275 Die Ungenauigkeit der Bezeichnung oder die Umbenennung einzelner Einheiten ist in jenen Jahren nicht ungewöhnlich. Siehe: Plazas Olarte, Historia Militar, 1971, S. 125. Santana, La Campaña de Carabobo, 1921, S. 68.Soto Tamayo, Campaña de Carabobo, 1966, S. 36f. Thibaud, Repúblicas en Armas, 2003, S. 493. 276 10.12.1821 Bogotá, Bolívar. Befehl für die Garde, in: O’Leary, Memorias, Bd. 18, 1981, Doc. 589, S. 596. Siehe hierzu auch: Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 2, 1975, S. 20ff. 277 Die Guardia del Libertador hatte sich schon lange zuvor von einem reinen Leibregiment zu einem Kampfverband entwickelt. Siehe hierzu: Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 1, 1975, S. 19ff. 278 Dies taten vor allem deutsche Arbeiten: Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939, S. 35. Martin, Der unbesiegte Soldat. 1942, S. 76 ff.

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derte, ist jedoch nicht überliefert.279 Zwar beweist der schon zitierte Befehl die Versetzung Brauns von den Husaren zur Garde, aber er enthält keine Angabe, in welches Regiment Braun genau eingegliedert wurde. Dies ist erst für August 1823 belegbar, als er als Mayor bei den Granaderos a Caballo de la Guardia del Libertador, den berittenen Grenadieren der Leibwache des Libertadors, diente. Doch aufgrund der für Offiziere häufigen Versetzungen quer durch die Regimenter und Schwadronen ist es nicht gesichert, dass er schon im Dezember 1821 dort aktiv war.280 Letztlich ist bis August 1823 somit nicht sicher, in welcher konkreten Einheit Braun diente. Dies macht eine eindeutige geographische Lokalisierung häufig schwierig. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass der für das spätere Leben Brauns so wichtige Freund und mehrfache ecuadorianische Präsident Juan José Flores während des Südfeldzuges eine Gardeschwadron, die Cazadores Montados, befehligte.281 Vielleicht lernte Felipe Braun Flores schon zu diesem frühen Zeitpunkt kennen. Es gehört zum Charakteristikum des Unabhängigkeitskrieges, dass während dieser Jahre häufig Beziehungen zwischen Kameraden entstanden, die später in der Politik der Nachkriegsrepubliken über Jahrzehnte großen Einfluss haben sollten.282 Wenige Tage nach dem Wechsel Brauns zur Garde verließ das gesamte Heer Mitte Dezember 1821 Bogotá und zog Richtung Pasto. Damit war der Feldzug des Süden eröffnet. Diesem waren einige politische Entwicklungen vorangegangen: Die Bewohner von Guayaquil, am südlichsten Rand Groß-Kolumbiens gelegen, hatten im Oktober 1820 unter dem Eindruck des Sieges von Bolívar in Boyacá, der von Rafael del Riego angeführten Revolution in Spanien und der Ankunft einer weiteren wichtigen Führungsfigur des südamerikanischen Unabhängigkeitskrieges, José de San Martin, mit ihrer schon in Chile erfolgreichen Armee in Peru die Unabhängigkeit erklärt. Allerdings standen in den nördlichen Provinzen Quito und Pasto noch starke spanisch-royalistische Kräfte.283 Simón 279 Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 1, 1975, S. 15ff. Vargas, La Guardia de Honor, Bd.  2, 1975, S. 20ff. 280 Otto Philipp Braun nennt diesen Rang und Regiment als Postadresse seinen Eltern: 08.08.1823 Guayaquil, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 237. 281 Plazas Olarte, Historia Militar, Bd. 3, 1971, S. 325. 282 Siehe hierzu Kapitel 3.6 „Krieg als Katalysator und Risikofaktor politischer Karrieren“. 283 Zur Geschichte der Unabhängigkeit des südlichen Groß-Kolumbiens, des späteren Ecuadors, sei auf folgende Auswahl verwiesen: Bushnell, The Independence of Spanish South America, 1985, S. 143ff. Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 1, 1924, S. 15f. Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 123ff. Harvey, Latin America’s Struggle for Independence, 2000, S. 193ff. Lynch, The Spanish American Revolutions, 1986, S. 236ff. McDonald, Nineteenth Century Ecuador, 1987, S. 15ff. Núñez, El Ecuador en Colombia, 1983, S. 211ff. Scheina, La-

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Bolívar zögerte nicht lange, neben den besten Glückwünschen zur mutigen Erhebung auch Waffen und Munition Richtung Süden zu schicken. Anfang 1821 folgte Antonio José de Sucre, der vielleicht fähigste General Simón Bolívars, mit einem kleinen Expeditionsheer von 600 Mann über die offene See.284 Sucre organisierte in den Folgemonaten den militärischen Widerstand der unabhängigen Stadt gegen die Bedrohung aus dem Norden sowie den politischen Rückhalt für eine Inkorporation der Provinz in den großkolumbianischen Staatsverband. Während Bolívar nach der Schlacht von Carabobo (1821) an der Spitze einer Armee zur Entlastung und zur Sicherung der bis dahin offenen Südflanke nach Süden zog, versuchte Sucre, Royalisten und Spanier mit seiner Expeditionsarmee sowie lokalen Freiwilligen zu schlagen. Zwar war es Bolívar in der Region Pasto gelungen, die royalistisch-spanischen Truppen am 7. April 1822 bei Bomboná zu besiegen – eine Schlacht, an der Felipe Braun teilnahm.285 Jedoch hatten der strapaziöse Marsch, das ungesunde Klima sowie das waghalsige und heftige Gefecht viele Todesopfer gefordert und die überlebenden republikanischen Einheiten sehr geschwächt. Ohne weitere Verstärkung aus Zentralkolumbien, die aufgrund finanzieller Probleme der Republik auf sich warten ließ, konnte Bolívar nicht weiterziehen oder gar den Widerstand endgültig brechen. Daher verlegte er sein Hauptquartier zurück ins nördlich gelegene Popayán. Sicher war es Bolívar nicht endgültig gelungen, den Widerstand von Pasto trotz der siegreichen Schlacht von Bomboná zu brechen, doch verhinderte er allein durch die Präsenz seiner Armee in der Region, dass sich die spanisch-royalistischen Kräfte von Pasto und Quito vereinigen konnten. Durch diese strategische Ablenkung ermöglichte er es Sucre, tin America’s Wars, 2003, S. 38ff. Rodríguez, La revolucion polítiva durante la época de la independencia, 2006, S. 61ff. Rodríguez, La antigua provincia de Guayaquil durante la época de la independencia, 2005, S. 511ff. Rodríguez, The Independence of Spanish America, 1998, S. 144ff. Trotz des klassisch-militärhistoristischen Duktus siehe: Fazío Fernández, El Guayaquil colombiano, 1988, S. 11ff. Ibáñez Sánchez, La Independencia. Campaña del Sur, Bd. 2, 1993. S. 13ff. Landázuri Camacho, La independencia del Ecuador, 1983, S. 79ff, 117ff. Für eine ausführliche Diskussion der einzelnen Schulen, Deutungen und Wertungen dieses Themas siehe: Marchena Fernández, Los Procesos de Independencia en los Países andinos, 2007, S. 167ff. 284 21.01.1821 Bogotá. Proklamation des Libertadors, in: O’Leary, Memorias, Bd. 18, 1981 [=1882], Doc. 26, S. 31ff. Bolívar soll laut O‘Leary einmal über Sucre gesagt haben: „Sucre ist einer der besten Offiziere der Armee. Er vereinigt das Wissen von Soublette, den gutmütigen Charakter von Briceño, das Talent von Santander und die Aktivität von Salmon” O‘Leary, Memorias. Narracion. Bd. 2, 1952, S. 68. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 439. 285 Die Teilnahme der Garderegimenter und damit auch Otto Philipp Brauns in Bomboná sowie weiteren kleineren Gefechten ist gesichert: Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 2, 1975, S. 36ff.

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mit seiner Armee von Guayaquil aus Quito erfolgreich anzugreifen. Dessen Sieg bei Pichincha am 24. Mai 1822 besiegelte das Ende der spanischen Herrschaft im südlichen Groß-Kolumbien. Auch die sich so erfolgreich widersetzenden Einheiten in Pasto ergaben sich nun. Nun war der Weg für Bolívar nach Quito und Guayaquil frei, wohin er nach der Nachricht vom Sieg bei Pichincha dann auch umgehend aufbrach. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch Otto Philipp Braun als einer seiner Kavallerieoffiziere am 15. Juni 1822 in Quito mit einzog und den dortigen Triumphzug Bolívars erlebte.286 Drei Wochen später begab sich Bolívar nach Guayaquil, um die politisch-administrative Integration dieser Region in seinen Einflussbereich voranzutreiben.287 Als am 13. Juli 1822 die Provinz ihre Zugehörigkeit zu Groß-Kolumbien erklärte, konnte Bolívar in aller Ruhe die Ankunft San Martins abwarten. Denn dessen Wunsch, Guayaquil und Quito dem von ihm kontrollierten peruanischen Territorium hinzuzufügen, war damit gescheitert. Auch Otto Philipp Braun siedelte von Quito nach Guayaquil über. Nach über zwei Jahren kontinuierlichen Feldzuges und Kriegszustands fand er das erste Mal für mehrere Monate Ruhe „in diese[m] schönen Hafen“288, wie er Guayaquil im August 1823 beschrieb. Die bisherigen Arbeiten zu Otto Philipp Braun gehen davon aus, dass er sowohl an der Schlacht von Riobamba als auch an der für die Unabhängigkeit Südkolumbiens (Ecuadors) entscheidenden Schlacht von Pichincha mit den Granaderos a Caballo teilnahm.289 Dies muss heute jedoch revidiert werden. Denn royalistische Kräfte um Pasto blockierten den Durchzug republikanischer Einheiten auf dem Landweg. Ein unbemerkter Durchbruch der er286 08.08.1823 Guayaquil, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 236. Siehe auch: Jurado Noboa, La migración internacional a Quito, Bd. 1, 1989, S. 202. 287 Bushnell, The Independence of Spanish South America, 1985, S. 143ff. Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 1, 1924, S. 32ff. Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 125ff. Harvey, Latin America’s Struggle for Independence, 2000, S.193ff. Ibáñez Sánchez, La Independencia. Campaña del Sur, Bd. 2, 1993. S. 17ff. Lecuna, Bolívar y el Arte Militar, 1955, S. 145ff. Lecuna, Crónica razonada de las guerras de Bolívar, Bd. 3, 1950, S. 79ff. Lynch, The Spanish American Revolutions, 1986, S. 236ff. Núñez, El Ecuador en Colombia, 1983, S. 220ff. Plazas Olarte, Historia Militar, Bd. 3, 1971, S. 259ff. Porras Troconis, Campañas Bolívarianas de la Libertad, 1953, S. 295ff. Rodríguez, The Independence of Spanish America, 1998, S. 144ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 38ff. Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 1, 1975, S. 23ff. Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 2, 1975, S. 26ff. 288 08.08.1823 Guayaquil, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 236. 289 Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939, S. 35. Barnadas, El Mariscal Braun, 1998, S. 10. Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 35. Nölle, La Vida de Otto Felipe Braun, 1969, S. 26.

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schöpften Gardeeinheiten der Republik Kolumbien nach Guayaquil wäre nicht nur äußerst riskant und unwahrscheinlich gewesen, sondern fand schlichtweg nicht statt. Zwar hatte General Sucre seinen Oberbefehlshaber Simón Bolívar flehentlich um Verstärkung aus dem Norden gebeten – schließlich hatten ihn die Royalisten mehrmals, teils empfindlich, geschlagen. Doch aufgrund des Widerstandes von Pasto erreichten ihn keine frischen Einheiten. Daher wandte er sich – entgegen der geostrategischen Planung Bolívars – an San Martin und bat diesen um militärische Unterstützung. Dieser schickte einige schlagkräftige Einheiten. Darunter befanden sich nicht nur Infanterieregimenter, etwa der für die weitere Biographie Brauns noch sehr wichtige Andrés de Santa Cruz, sondern auch zwei Schwadronen Granaderos a Caballo.290 Dabei handelte es sich allerdings um eine argentinische Einheit, die aufgrund ihres Namens nicht mit den kolumbianischen Granaderos a Caballo de la Guardia del Libertador verwechselt werden darf, die zu diesem Zeitpunkt bei Pasto bzw. Popayán lagen. Das Heer Bolívars und damit auch Felipe Braun zog erst nach dem Sieg von Pichincha und der Kapitulation von Pasto in Guayaquil ein – ohne an der Schlacht von Pichincha und Riobamba teilgenommen zu haben. Dies bestätigt auch ein Brief Otto Philipp Brauns an seine Eltern, in dem er betont, dass er „mit dem großen und talentvollen General Bolívar“291 den Feldzug des Südens mitmachte und eben nicht mit General Sucre. Bei den von Braun erwähnten, aber nicht konkret benannten „vier verschiedenen [siegreichen] Aktionen“292 waren die Schlachten von Pichincha und Riobamba aus besagten Gründen auf jeden Fall nicht dabei. Bei den in den Schlachtaufstellungen, Befehlen und in der Literatur über die Schlacht von Pichincha genannten Granaderos a Caballo handelte es sich also um die von San Martin entsandten Schwadronen argentinischer Kavallerie, nicht um die Garderegimenter Bolívars. Wenig später wurden die argentinischen Granaderos a Caballo in Granaderos de Riobamba umbenannt, womit sich auch die Verwechselungsgefahr verminderte.293 290 Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 123ff. Ibáñez Sánchez, La Independencia. Campaña del Sur, Bd. 2, 1993. S. 38ff. Lecuna, La misión de Sucre al Perú, 1970, S. 289ff. Lecuna, Bolívar y el Arte Militar, 1955, S. 155f. Plazas Olarte, Historia Militar, Bd. 3, 1971, S. 297ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 38ff. 291 08.08.1823 Guayaquil, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 236. Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 1, 1924, S. 26. 292 08.08.1823 Guayaquil, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 236. 293 Mitunter wurden sie auch als Granaderos a Caballo de los Andes bezeichnet. Zu den argentinischen Granaderos siehe: Anschütz, Granaderos a caballo, 1945, S. 330ff. Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 128. Ibáñez Sánchez, La Independencia. Campaña del Sur, Bd. 2, 1993. S. 39, 42. Plazas Olarte, Historia Militar, Bd. 3, 1971, S. 339. Ruiz Moreno, Granaderos a Caballo, 1996, S. 101ff. Auch aus

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Otto Philipp Braun verbrachte nach dem Sieg der kolumbianisch-republikanischen Truppen über die royalistisch-spanischen Kräfte die nächsten anderthalb Jahre (vom Sommer 1822 bis zum Herbst 1823) im südlichen Teil Großkolumbiens. Der im August 1823 von Guayaquil aus an seine Eltern abgeschickte und tatsächlich in Kassel auch angekommene Brief deutet an, dass er sich die meiste Zeit hiervon in Guayaquil aufhielt.294 Dort wird er – inzwischen von Simón Bolívar vom Capitán zum Sargento Mayor befördert – Regimentsdienst verrichtet und am Garnisonsleben teilgenommen haben.295 Die folgende Zeit verlief allerdings nicht so ruhig und friedlich, wie man es von einem „befreiten“ Land erwarten würde. Einige Monate nach dem Einzug Bolívars in Quito und Guayaquil rebellierten Royalisten in der Region um Pasto.296 Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch Otto Philipp Braun an den Niederwerfungsund Strafexpeditionen Simón Bolívars gegen diese Region teilnahm.297 In einem Schreiben an den kolumbianischen General Juan Paz del Castillo deutet Carlos Eloy Demarquet, ein Adjutant von Simón Bolívar, Brauns Anwesenheit bei der Schlacht von Ibarra an.298 Dies würde auch erklären, warum José D. Espinar, ein weiterer Sekretär von Bolívar, im Zuge der Vorbereitung der Expedition nach Peru dem hiermit beauftragten Antonio José de Sucre schon einen Tag nach

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dem Standardwerk zur Garde Bolívars geht hervor, dass diese nicht an der Schlacht von Pichincha teilnahm. Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 2, 1975, S. 52ff. 08.08.1823 Guayaquil, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S.  236. Dies bestätigt auch: Jurado Noboa, La migración internacional a Quito, 1989, S. 202. 03.01.1823 Simón Bolívar. Befehl Nr. 293, in: Archivo General de la Nacion de Colombia, Bogotá, Sección: República. Fondo: Despachos Militares. Bd. 4, fol. 101v / 102r. Bushnell, The Independence of Spanish South America, 1985, S. 143ff. Cacua Prada, La batalla de Ibarra, 2006, S. 81ff. Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 1, 1924, S. 163ff. Gangotena y Jijón, Documentos referentes a la Batalla de Ibarra, 1992, S. 13ff. Lecuna, Bolívar y el Arte Militar, 1955, S. 166f. Lecuna, Crónica razonada de las guerras de Bolívar, Bd. 3, 1950, S. 263. Lynch, Simón Bolívar, 2007, S. 175ff. Morales Almeida, Bolívar, Agualongo y la batalla de Ibarra, 2000, S. 253ff. Núñez, El Ecuador en Colombia, 1983, S. 225ff. Plazas Olarte, Historia Militar, Bd. 3, 1971, S. 373ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 38ff. Varela Jara, Libertador en Ibarra, 2000, S. 323ff. Zur Vorgeschichte der Rebellion: Earle, Indian Rebellion and Bourbon Reform, 1993, S. 114ff. Die Granaderos a Caballo nahmen an der Expedition im Juli 1823 sowie an den entsprechenden Kämpfen gegen die Royalisten teil: Gangotena y Jijón, Documentos referentes a la Batalla de Ibarra, 1992, S. 22ff. Siehe ferner: 18.07.1823 Ibarra, Demarquet, Carlos Eloy al señor Secretario encargado del Despacho de Guerra y Marina, in: O’Leary, Memorias, Bd. 20, 1981 [=1883], Doc. 1153, S. 207. 18.07.1823 Ibarra. Demarquet an Paz del Castillo, in: Gangotena y Jijón, Documentos referentes a la Batalla de Ibarra, 1992, S. 109.

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dem Brief von Demarquet die Rückkehr Brauns nach Guayaquil ankündigte.299 Zwar begann schon sehr bald die Einschiffung erster Einheiten Richtung Lima, doch Felipe Braun blieb noch lange, bis Herbst 1823, in Guayaquil und traf mit der von ihm kommandierten ersten Schwadron der Granaderos a Caballo de la Guardia als einer der letzten Heeresteile der Expeditionsarmee erst am 30. Oktober 1823 in Lima ein.300

Der Feldzug in Peru 1823–1824 Dem Eingreifen der kolumbianisch-republikanischen Armee in den peruanischen Unabhängigkeitskrieg ab März 1823 war in den Jahren zuvor eine ganze Reihe komplexer soziopolitischer Prozesse in Peru vorausgegangen. Im Gegensatz zu den meisten anderen spanischen Kolonien Südamerikas hatte die kreolische Elite Perus nicht in der republikanischen Unabhängigkeit, sondern noch lange Zeit in kolonialen Verhältnissen die beste Perspektive für sich gesehen. Besonders Lima galt im damaligen Amerika als Hochburg der Royalisten – und das zu Recht. Erst sehr spät, lange, nachdem sich die Verhältnisse auf dem Kontinent aufgrund der militärisch abgesicherten Unabhängigkeit von Argentinien, Chile und Groß-Kolumbien gewandelt hatten, erklärte Peru Mitte 1821 seine Unabhängigkeit.301 Wie schon angedeutet, nahm das Vizekönigreich Peru trotz ähnlicher innerer Entwicklungen (Rezession des 18. Jahrhunderts) und äußerer Einflüsse (bourbonische Reformen) sowie der politischen Entwicklungen im Mutterland (Invasion Napoleons, Bildung der Cortes, absolutistische Restauration und aufstrebender Liberalismus) eine andere Entwicklung als viele seiner Nachbargesellschaften. Dies mag unter anderem an einer Reihe fähiger Vize­ könige gelegen haben, welche die negativen Effekte der bourbonischen Reformen durch administrative Begleitmaßnahmen relativierten. So versuchte noch 299 17.03.1823 Guayaquil. Espinar an Sucre, in: Boulton, Correspondencia del Libertador, 1974, S. 25. 300 Dies ungewöhnlich späte Auslaufen, anderthalb Monate nach Bolívar, bestätigt jedoch nicht nur ein Brief von Braun an seine Eltern, sondern auch ein Schreiben von Bolívar an Santander: 09.09.1825 La Paz. Braun an seinen Vater, in: MichaelisBraun, Braun, 1914, S. 238. Lecuna, Liberacion del Peru, 1941, S. 5. Anm. 9. Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 2, 1975, S 98. 301 Bushnell, The Independence of Spanish South America, 1985, S. 144ff. Lynch, The Spanish American Revolutions, 1986, S. 158ff, 267ff. Moreno, Cebrián / Martínez Riaza, Peru, Hochbolivien, Bolivien, 1992, S. 249ff. Puente Candamo, La independencia, 1994, S. 85ff, 279ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 54ff. Villanueva Sotomayor, Historia del Perú, 1995, S. 267ff. Zur historiographischen Diskussion der letzten Jahre siehe: Contreras, Balance de la Historiografía Contemporánea, 2007, S. 99ff.

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der Vizekönig Abascal (Amtszeit: 1806–1816), die Interessen der Krone mit denen der kreolischen Elite zu verbinden – was ihm über einen längeren Zeitraum, seinen Nachfolgern aber immer weniger gelang. Eine Motivation für den Großteil der peruanischen Kreolen, der Krone sehr lange die Treue zu halten, mag sicherlich auch im abschreckenden Túpac-Amaru-Aufstand (1780–1783) sowie in weiteren, die soziale Struktur bedrohenden Erhebungen unterprivilegierter Schichten gelegen haben. Letztlich blieb jedoch auch Peru nicht von den Unabhängigkeitsbewegungen im restlichen Südamerika verschont. Konspirative Zirkel entstanden, und die allgemeine ökonomische und politische Krise des spanischen Kolonialsystems beschleunigte auch in Peru den Prozess umwälzender Veränderungen. Spätestens als der argentinische General José de San Martin nach der im Jahre 1818 vollendeten Unabhängigkeit Chiles im August 1820 in Paracas die peruanische Szenerie betrat und Pisco besetzte, wurde den Zeitgenossen die politische und militärische Herausforderung der Royalisten deutlich. Diese waren unterdessen, ab 1816 unter dem Vizekönig Joaquín de Pezuela (Amtszeit: 1816–1821), nicht in der Lage gewesen, die politische oder ökonomische Situation zu stabilisieren. Im Gegenteil: Meinungsverschiedenheiten und militärische Auseinandersetzungen im eigenen Lager beschleunigten den inneren Verfall des Vizekönigreiches. Der machtpolitische Erosionsprozess manifestierte sich unter anderem in den ab 1818 massenhaft einsetzenden Desertionen und in den Unabhängigkeitserklärungen einiger peruanischer Städte. Im Juli 1821, nachdem Pezuela zur Abdankung gezwungen und durch José de la Serna ersetzt worden war, mussten die Royalisten in Anbetracht der Bedrohung durch San Martin zum ersten Mal Lima räumen und sich in den vermeintlich sichereren Süden absetzen. Einige kreolische Gruppen, die frustrierende Erfahrungen in den letzten Jahren gesammelt hatten, arbeiteten schon einige Zeit mit San Martin zusammen. Mitte Juli 1821 begrüßten sie ihn als Libertador in der peruanischen Hauptstadt. Wenig später erfolgten die Erklärung der Unabhängigkeit und die Ausrufung eines Protektorats unter San Martin. Doch dieser war aufgrund seines teilweise ungeschickten Agierens nicht in der Lage, die Gesamtsituation von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft zu konsolidieren. Hinzu kamen grundsätzliche Kritik und Opposition zu dessen monarchistischen Plänen. Zwar hatte San Martin von seinem Vorhaben, einen europäischen Aristokraten auf einen peruanischen Thron zu setzen, schnell wieder Abstand genommen. Doch als er im Juli 1822 in Guayaquil auf Simón Bolívar traf, kam er nicht als selbst­bewusster Akteur auf Augenhöhe, sondern als Bittsteller mit wenig politischem Rückhalt.302 Bolívar war sich dessen wohl bewusst und nutzte die ange302 Bushnell, The Independence of Spanish South America, 1985, S. 106ff. Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 59ff. Lynch, The Spanish American Revolutions, 1986, S.172ff. Lynch, The Origins of Spanish American Independence, 1985, S. 11, 37ff. Melli, Emancipación Sudamericana, 1997, S. 9ff. Puente Candamo, La

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schlagene Position seines Konkurrenten aus. Am Ende des mehrtägigen Treffens der beiden, während dem sich wohl auch Otto Philipp Braun in der Hafenstadt aufhielt, überließ San Martin seinem Konkurrenten die Vollendung der Unabhängigkeit Perus.303 Bolívar konnte nach dem Verdrängen San Martins jedoch nicht sofort zur militärischen Durchsetzung der Unabhängigkeit Perus aufbrechen. Nicht nur hielten ihn royalistische Erhebungen im kolumbianischen Pasto in Atem, sondern die peruanische Elite zog es vor, sich selbst zu regieren, und plante in Eigenregie, die royalistische Bastion in Südperu zu überwinden. Diese Bemühungen endeten jedoch in einer militärischen Katastrophe, welche die Ablösung des einige Monate im Amt befindlichen Regierungskomitees im Februar 1823 und die Ernennung José Mariano de la Riva Agüero zum ersten Präsidenten Perus zur Folge hatte. Als eine seiner ersten Maßnahmen richtete er ein Hilfegesuch an Simón Bolívar. Darüber hinaus gelang es dem inzwischen zum General beförderten Andrés de Santa Cruz, mit einer erstmals rein peruanischen Armee einige symbolische Siege gegen die sich im Süden verschanzenden Royalisten zu erringen. Für seinen Sieg von Zepita wurde er zum Marschall erhoben – obwohl sein letztlich doch noch scheiternder Feldzug schlussendlich wenig strategischen Wert besaß. Nach der kurzzeitigen Besetzung Limas durch royalistische Einheiten im Sommer 1823 setzte der peruanische Kongress Riva Agüero ab. Dieser erkannte die Entmachtung jedoch nicht an und verschanzte sich mit einigen Getreuen im nordperuanischen Trujillo. In der inzwischen wieder in republikanischer Hand befindlichen Hauptstadt wurde José Bernardo Torre Tagle zum Präsidenten gewählt. In dieser chaotischen Situation mit zwei Präsidenten, einem Vizekönig und diversen sich gegenseitig bekämpfenden

independencia, 1994, S. 205ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 64ff. Sivirichi Tapia, El Ejercito en la independencia del Peru, 1984. Villanueva Sotomayor, Historia del Perú, 1995, S. 281ff. Über den Unabhängigkeitskrieg in Peru liegt eine Vielzahl an Werken vor, von denen hier nur eine Auswahl genannt wird. Einen Überblick über die teils erheblich voneinander abweichenden Interpretationen, etwa nationaloffiziöse, transnationale, regionalistische, interventionistische, wirtschaftshistorische, politikgeschichtliche, marxistische und konservative, bietet: Contreras, Balance de la Historiografía Contemporánea, 2007, S. 100ff. 303 Chasteen, Latin America`s Struggle for Independence, 2008, S. 148f. Colombres, San Martín y Bolívar, 1979, S. 51ff. Colombres, La entrevista de Guayaquil, 1972, S. 21ff. Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 1, 1924, S.45ff. Harvey, Latin America’s Struggle for Independence, 2000, S. 199ff. Lecuna, Bolívar y el Arte Militar, 1955, S. 163f. Lecuna, Crónica razonada de las guerras de Bolívar, Bd. 3, 1950, S. 181ff. Lynch, The Spanish American Revolutions, 1986, S. 185ff. Valencia Tovar, Campaña Libertadora del Peru, Bd. 2, 1993. S. 58f. Vargas Ugarte, Historia General del Perú. Emancipación, 1966, S. 227ff. Nach einer kurzen Rückkehr nach Peru ging San Martin ins französische Exil, wo er 1850 starb.

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unkoordinierten Heeren wurde erneut der Ruf nach Simón Bolívar laut.304 Dieser nahm die Rolle des Hoffnungsträgers und Heilsbringers gerne an. Nachdem das Eingreifen kolumbianischer Truppen vertraglich geregelt worden war, sandte Bolívar seinen General Sucre mit einem Vorauskommando nach Lima. Er selbst wartete auf die formelle Erlaubnis des kolumbianischen Kongresses, etwa 6.000 kolumbianische Soldaten zu entsenden, um die südamerikanische Unabhängigkeit in Nieder- und Hoch-Peru zu vollenden. Als Bolívar am 1. September 1823 in Lima einritt, begegnete er sowohl Begeisterung als auch Skepsis. Unter seinen Augen wurde im November 1823 eine liberale Verfassung verabschiedet und damit die peruanische Republik begründet. Der Realisierung dieses Projektes standen jedoch die Royalisten mit über 19.000 Soldaten sowie der abtrünnige und inzwischen mit den Royalisten paktierende Ex-Präsident Riva Agüero in Trujillo entgegen. Bolívar entschied sich, dieses Problem als Erstes anzugehen, und zog gegen den ersten Präsidenten Perus ins Feld. Ironischerweise war es genau dieser gewesen, der Bolívar ursprünglich offiziell um Hilfe gebeten und damit eine juristische Grundlage für das Eingreifen in Peru geschaffen hatte.305 Otto Philipp Braun, der im Oktober 1823 von Guayaquil nach Lima gekommen war, beteiligte sich mit der von ihm befehligten Schwadron berittener Grenadiere an dem zweimonatigen Feldzug gegen Riva Agüero. Dabei kam es jedoch nicht zu nennenswerten Kampfhandlungen, da die Truppen des Ex-Präsidenten in A ­ nbetracht der heranrückenden Übermacht ihren Ober­ befehlshaber absetzten und sich ergaben.306 Bolívar zog kampflos, aber dennoch siegreich in Trujillo ein. Nach der Lösung des ersten großen politischen und militärischen Problems in Peru begann er damit, seine Armee systematisch für den Feldzug gegen die zahlenmäßig überle-

304 Bushnell, The Independence of Spanish South America, 1985, S. 145f. Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 1, 1924, S. 63ff. Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 144ff. Lynch, The Spanish American Revolutions, 1986, S. 187ff. Puente Candamo, La independencia, 1994, S. 359ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 66ff. Vargas Ugarte, Historia General del Perú. Emancipación, 1966, S. 257ff. 305 Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 1, 1924, S. 268ff. Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 188ff. Espinoza Soriano, Bolívar en Cajamarca, 2006, S. 35ff. Lecuna, Bolívar y el Arte Militar, 1955, S. 172ff. Plazas Olarte, Historia Militar, Bd. 3, 1971, S. 435ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 66ff. Valencia Tovar, Campaña Libertadora del Peru, Bd. 2, 1993. S. 69f. Vargas Ugarte, Historia General del Perú. Emancipación, 1966, S. 288ff. Vergara Arias, El Ejercito peruano y las fuerzas aliadas del Norte, 1984, S. 628. Villanueva Sotomayor, Historia del Perú, 1995, S. 317ff. 306 09.09.1825 La Paz. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 238.

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genen spanisch-royalistischen Truppen in Süd-Peru zu reorganisieren.307 Hierfür stationierte er seine Truppen im Hochtal zwischen den weißen und schwarzen Kordilleren um Yungay und Huaraz. Er befahl Mayor Braun, mit seinen in Otuzco und Huamachuco (nahe Trujillo) stationierten Granaderos nach Caraz (in der Nähe von Yungay) zu ziehen und sich mit 100 Mann unter das Kommando von General Antonio José de Sucre zu stellen.308 Mit diesen Befehlen vom 22. und 25. Dezember 1823 wird noch einmal deutlich, dass Bolívar erst weit nach Abschluss des ecuadorianischen Feldzuges Braun an Sucre übergab und nicht – wie in bisherigen Arbeiten behauptet – schon vor der Schlacht von Pichincha.309 Nach der erfolgreichen Niederwerfung Riva Agüeros stationierte Simón Bolívar im Winter 1823 einen Großteil seiner Armee im Hochtal von Yungay. Darunter befand sich auch die von Felipe Braun befehligte Schwadron der be307 Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 193. Lecuna, Bolívar y el Arte Militar, 1955, S. 181f. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 67f. Valencia Tovar, Campaña Libertadora del Peru, Bd. 2, 1993, S. 57ff, 75ff. 308 22.12.1823 Trujillo. Espinar an Sucre, in: Boulton, Correspondencia del Libertador, 1974, S. 72. 22.12.1823 Trujillo, Manuel de Torres Valdivia (Generalstab) an Sucre, in: Ebd. S. 74. 25.12.1823 Trujillo. Bolívar an Sucre, in: Lecuna, Simón Bolívar. Obras completas, 1947, S. 859. Siehe auch: Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 2, 1975, S. 100ff. 309 Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939, S. 35. Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 19. Nölle, La Vida de Otto Felipe Braun, 1969, S. 26.

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rittenen Grenadiere.310 Die wichtigste Aufgabe der folgenden Monate bestand für die Offiziere der Armee darin, ihre Einheiten weiter auszubilden und zu disziplinieren sowie die Ausrüstung für die kommenden Feldzüge nach Süd- und Hoch-Peru instand zu setzen. Nach einem guten Dutzend Schlachten und über 5.000 auf den Feldzügen von 1820 bis 1824 zurückgelegten Kilometern gab es hier großen Bedarf.311 Als kriegserfahrener Offizier, ausgebildeter Tierarzt und Rittmeister widmete sich Felipe Braun intensiv der Ausbildung und der Ausrüstung seiner Einheit. Im Mai 1824 inspizierte Simón Bolívar den Zustand des Heeres. Hierfür besuchte er jede Einheit. Derweil spitzte sich die militärische Lage für die internationale Unabhängigkeitsarmee zu. Aus dem Süden erreichten beunruhigende Meldungen über peruanisch-republikanische Niederlagen das Winterlager in Huaraz. Darüber hinaus zählte ihr Heer nur knapp 8.000 Mann, während die Royalisten auf über 19.000 Soldaten zurückgreifen konnten – zumindest theoretisch. Denn politisch-ideologische Differenzen im eigenen Lager, die sogar in militärischen Gefechten ausgetragen wurden, führten bei diesen zu einer Aufsplitterung der Kräfte, sodass ein Sieg der Unabhängigkeitsarmee trotz des Ungleichgewichtes der Truppenstärken zumindest im Bereich des Möglichen lag.312 Im Juni 1824 setzte Simón Bolívar seine verstreut einquartierten Einheiten in Bewegung und zog sie im Gebiet von Cerro de Pasco zusammen. Am 2. August 1824 nahm er eine große Truppenparade auf der Pampa von Pasco ab. Wenige Tage später, am 6. August 1824, kam es auf der Ebene von Junín zum Aufeinandertreffen der republikanischen und spanisch-royalistischen ­Armeen.

310 Dies belegen nicht nur die oben schon herangezogenen Befehle Bolívars, sondern auch die Korrespondenz von Braun: 09.09.1825 La Paz. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 238. Ferner sei auf die Beförderung von Braun zum Sargento Mayor verwiesen: 05.05.1824 Yungay, Liste für die monatliche Inspektion, unterschrieben von Antonio Ayaldeburu/Braun, in: Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 3, 1924, S. 70f. Siehe auch: Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 2, 1975, S. 109. 311 Dies wird neben der Literatur vor allem in der Korrespondenz von Simón Bolívar und Antonio José de Sucre im Winter 1823–1824 deutlich. Besonders in: Boulton, Correspondencia del Libertador, 1974. Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 2, 1975, S. 109. Siehe hierzu auch das Kapitel 3.5 : „Militärisch-strukturelle Leistungen: Das Kavallerie-Regiment Brauns“, sowie auch die entsprechende Literatur: Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 201. Lecuna, Bolívar y el Arte Militar, 1955, S. 187f. Lecuna, Crónica razonada de las guerras de Bolívar, Bd. 3, 1950, S.  375ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 67ff. Valencia Tovar, Campaña Libertadora del Peru, Bd. 2, 1993. S. 73f. 312 Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S.68ff. Valencia Tovar, Campaña Libertadora del Peru, Bd. 2, 1993. S. 77f.

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Es war Felipe Braun, der mit einem riskanten Frontalangriff sowie einem militärtaktischen Trick die sicher scheinende Vernichtung der numerisch weit unterlegenen republikanischen Kavallerie nicht nur verhinderte, sondern durch persönlichen Mut sowie durch die Führung der von ihm über lange Zeit ausgebildeten Einheit den Sieg Bolívars ermöglichte – obwohl er durch Lanzenstiche mehrfach verletzt worden war. Dieser Aktion folgte nicht nur eine Beförderung, sondern sie katapultierte den bis dahin unbekannten und schlichtweg unbedeutenden Offizier aus Hessen-Kassel in den exklusiven Kreis um Bolívar und Sucre. Diese Sternstunde im Leben Brauns legte auch die Grundlage für sein jahrzehntelanges Prestige in der atlantischen Welt. Zwar bedeutete der Erfolg von Junín nicht die entscheidende Vernichtung aller spanischen Einheiten auf dem Schlachtfeld – es waren nur 400 Royalisten gefallen oder in Gefangenschaft geraten – doch führte der Sieg den Zeitgenossen und vor allem Bolívars Soldaten vor Augen, dass ein Triumph gegen die scheinbar übermächtigen und von der lokalen Bevölkerung teilweise unterstützten spanisch-royalistischen Armeen durchaus möglich war. Im unterlegenen Heer machten sich derweil selbst unter den Offizieren und Generälen Resignation und Verzweiflung breit. Daher verwundert es nicht, dass auf dem Rückzug der Royalisten gen Süden massenweise Soldaten aus dem Kolonialheer desertierten. Auf diese Weise verlor es weit mehr Soldaten, als auf der Ebene von Junín tot oder verletzt zurückgeblieben waren. Die damals nicht unüblichen Zwangsrekrutierungen konnten die Verluste nur um ein Drittel wieder auffüllen.313 313 Auf die Schlacht von Junín wird weiter unten noch näher eingegangen. Als Literaturauswahl siehe: Chasteen, Latin America`s Struggle for Independence, 2008, S. 157f. Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 1, 1924, S. 131ff. Dellepi-

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Dieser strategische und psychologische Vorteil sowie die politische Zerstrittenheit der royalistischen Seite trugen maßgeblich zum Sieg General Sucres in der blutigen Schlacht von Ayacucho am 8. Dezember 1824 bei. Bolívar, der diese nicht persönlich befehligt hatte, organisierte derweil in Lima die politische Nachkriegsordnung und seinen politischen Rückhalt. Anschließend erhob er General Sucre zum Großmarschall von Ayacucho. Felipe Braun hatte sich mit seiner Einheit ebenfalls in Ayacucho ausgezeichnet – wenn auch nicht so schlachtentscheidend wie in Junín. Nach der Gefangennahme des gesamten spanischen Generalstabs sowie der Kapitulation des Vizekönigs José de La Serna waren nach über 3.000 Toten in Ayacucho die spanische Kolonialherrschaft und die royalistische Dominanz in Peru endgültig zusammengebrochen – jedoch nicht in ganz Peru. In Hoch-Peru hielt sich zu dieser Zeit, trotz der nun strategisch ausweglosen Lage, noch der spanische Absolutist General Pedro Antonio de Olañeta. Ihn niederzuwerfen, war die Aufgabe des Generals Sucre für das Jahr 1825.314

Hoch-Peru (Bolivien) 1825 Zuerst jedoch zog die Unabhängigkeitsarmee Mitte Dezember 1824 in Cuzco, der ehemaligen royalistischen Bastion, ein. Von hieraus bemühte sich Sucre, die ane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 206ff. Harvey, Latin America’s Struggle for Independence, 2000, S. 225ff. Lecuna, Junín 1824, 1970, S. 292ff. Lecuna, Bolívar y el Arte Militar, 1955, S. 189ff. Lecuna, Crónica razonada de las guerras de Bolívar, Bd. 3, 1950, S. 385ff. Lecuna, Liberacion del Peru, 1941, S. 1ff. Melli, Emancipación Sudamericana, 1997, S. 41ff. Puente Candamo, La independencia, 1994, S. 404ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 68. Slatta, Simón Bolívar, 2003, S. 248ff. Valencia Tovar, Campaña Libertadora del Peru, Bd. 2, 1993. S. 78ff. Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 2, 1975, S. 116ff. Vargas Ugarte, Historia General del Perú. Emancipación, 1966, S. 338ff. Vergara Arias, El Ejercito peruano y las fuerzas aliadas del Norte, 1984, S. 642ff. Villanueva Sotomayor, Historia del Perú, 1995, S. 321f. 314 Weiter unten wird noch ausführlicher auf die Schlacht von Ayacucho eingegangen. Als Auswahl siehe: Bacacorzo, El Ejercito Peruano en la Campaña de Ayacucho, 1984, S. 692ff. Chasteen, Latin America`s Struggle for Independence, 2008, S. 157f. Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 1, 1924, S. 232ff. Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S.219ff. Harvey, Latin America’s Struggle for Independence, 2000, S. 227ff. Lecuna, Bolívar y el Arte Militar, 1955, S. 201ff. Lecuna, Crónica razonada de las guerras de Bolívar, Bd. 3, 1950, S. 431ff. Lecuna, Liberacion del Peru, 1941, S. 37ff. Melli, Emancipación Sudamericana, 1997, S. 85ff. Puente Candamo, La independencia, 1994, S. 404ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 69. Slatta, Simón Bolívar, 2003, S. 248ff. Valencia Tovar, Campaña Libertadora del Peru, Bd. 2, 1993. S. 82ff. Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 2, 1975, S. 130ff. Vargas Ugarte, Historia General del Perú. Emancipación, 1966, S.343ff. Villanueva Sotomayor, Historia del Perú, 1995, S. 322ff.

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Unabhängigkeit Hoch-Perus auf diplomatischem Wege zu erreichen. Doch der absolutistische General Pedro Antonio de Olañeta, der mit seiner Rebellion gegen den peruanischen Vizekönig La Serna und der dadurch bewirkten Aufsplitterung der Kräfte maßgeblich zur schnellen Niederlage der Royalisten in Peru beigetragen hatte, setzte den militärischen Kampf fort. In Anbetracht der aussichtslosen Lage begannen aber das Heer und die Administration Olañetas zu zerfallen. Selbst in dessen direktem Umfeld zeigten sich Auflösungserscheinungen. Sein persönlicher Sekretär und Neffe Casimiro Olañeta315 begann hinter dem Rücken seines isolierten Onkels, mit dessen republikanischen Gegnern zusammenzuarbeiten. Daneben liefen ganze Einheiten zur Unabhängigkeitsarmee über. Anfang Februar 1825 zogen Sucre und Córdova mit peruanischen bzw. kolumbianischen Divisionen in La Paz ein – kampflos.316 Otto Philipp Braun befand sich unter ihnen.317 Allein die Nähe der Unabhängigkeitsarmee führte nun zu einer ganzen Reihe von Aufständen gegen die royalistisch-spanische Verwaltung und Armee. Am 1. April 1825 kam es in Hoch-Peru (dem späteren Bolivien) zum letzten Gefecht des südamerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Coronel Carlos Medinacelli, der sich kurz zuvor von seinem Vorgesetzten Olañeta losgesagt hatte, lieferte sich mit ihm und seinen letzten treuen Truppen ein Scharmützel, an dessen Ende Pedro Antonio de Olañeta von seinen eigenen Leuten ermordet wurde.318

315 In den folgenden Jahrzehnten gehörte Casimiro Olañeta zu den wichtigsten Politikern Boliviens. 316 Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 248ff. Valencia Tovar, Campaña Libertadora del Peru, Bd. 2, 1993. S. 57ff., 94. Vargas Ugarte, Historia General del Perú. Emancipación, 1966, S. 374ff. 317 Brauns Einzug in La Paz bestätigt sowohl eines seiner Schreiben aus dem Jahre 1825 als auch ein Zeitungsbericht. Die vorangegangene Überquerung des Grenzflusses Desaguadero (am 1. Februar 1825) beweist ein administratives Dokument aus dem Jahre 1827. Siehe: 09.09.1825 La Paz. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 239. 28.05.1827 La Paz. Aufstellung des Grenadierregimentes zu Pferde Junín. Cristobal Dueñas, in: ANB MG 1827 Nr. 35, Bd. 14. Serie: Regimiento Húsares de Piquiza. 18.12.1829 Kassel, F.F., Züge aus den südamerikanischen Kriegen und dem Feldleben des kolumbischen Generals Braun, in: Kasselsche Allgemeine Zeitung, S. 1830. 318 Zur Unabhängigkeit Boliviens siehe den Abschnitt „Antonio José de Sucre in HochPeru“. An dieser Stelle kann leider nicht die umfangreiche historiographische Diskussion um die verschiedenen Aspekte der bolivianischen Unabhängigkeit nachgezeichnet werden. Daher sei auf folgende Zusammenfassung verwiesen: Marchena Fernández, Los Procesos de Independencia en los Países andinos, 2007, S. 188ff.

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3.4 Militärisch-situative Leistungen: Junín und Ayacucho Als Otto Philipp Braun im August 1824 der oben erwähnten Truppenabnahme von Simón Bolívar auf der Ebene von Pasco beiwohnte, war er gerade einmal 25 Jahre alt. In diesen jungen Jahren hatte er nicht nur schon an den Befreiungskriegen in Europa gegen das napoleonische Frankreich teilgenommen (1814), sondern auch an den Unabhängigkeitskriegen der Republiken Venezuela, Kolumbien, Ecuador und Peru (1820–1824). Braun hatte sich jedoch weder während der nun schon über vier Jahre dauernden strapaziösen Feldzüge noch bei den politischen Prozessen in der Etappe oder in einzelnen der teils heftigen Schlachten aus der Masse der Offiziere und Soldaten hervorgetan. Bis zum 6. August 1824 war Braun lediglich ein einfacher Offizier unter vielen im Heer Simón Bolívars.

Die Schlacht von Junín Dies änderte sich jedoch mit der Schlacht von Junín grundlegend. Daher soll hier näher auf sie eingegangen werden: Nach der Vereinigung der Truppen in der Ebene von Pasco ließ Simón Bolívar sein Heer Richtung Süden marschieren. Jeder Soldat erhielt ausreichend Munition, um in kürzester Zeit kampfbereit zu sein. Der spanische General José de Canterac hatte derweil geplant, seinen Gegner auf der Ebene von Pasco zu stellen. Bolívar war aber in der Zwischenzeit schon am westlichen Ufer des Lago de Chinchaycocha Richtung Süden gezogen in der Absicht, die Kommunikations- und Versorgungslinien der Royalisten zu unterbrechen und ihnen in den Rücken zu fallen. Nachdem Canterac dies bemerkt hatte, kehrte er umgehend um und befahl, im Eilmarsch Richtung Süden zu ziehen – an der Ostseite des Sees entlang. Am 6. August 1824 erblickten die ersten Soldaten Bolívars den sich auf der Ebene von Junín formierenden Gegner. Dieser befand sich in einer günstigeren Position, da er sich breit auf dem Gelände aufstellen konnte, während die Armee Bolívars erst noch eine Bergkette überwinden bzw. durch eine Schlucht marschieren musste, um auf das Schlachtfeld zu gelangen. Dort angekommen, behinderten der Berg zur Rechten und ein zum See gehörender Sumpf zur Linken die geordnete Aufstellung der republikanischen Regimenter. Zwar sah Bolívar die potenzielle Gefahr, doch wollte er endlich die Entscheidungsschlacht erzwingen. Daher ließ er umgehend die Kavallerie auf die Kampfpferde aufsitzen.319

319 Das reguläre Fortbewegungsmittel der Kavallerie war während des Unabhängigkeitskrieges der Maulesel. Pferde wurden während der Feldzüge häufig geschont.

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„Der regelmäßigen Ablösung gemäß führte an diesem Tag der Mayor Felipe Braun die Vorhut der Marschkolonnen, und dies war – ohne Zweifel – ein großes Glück für uns“320, berichtet Francisco Burdett O’Connor, Generalstabsoffizier Simón Bolívars und Augenzeuge der Schlacht, in seinen Memoiren. Als Anführer der Vorhut war es auch Felipe Braun, der mit seinem Pferd als Erster seiner Schwadron durch die enge Schlucht das Schlachtfeld betrat.321 General Mariano Necochea folgte dicht hinter ihm. Nach ihnen trafen weitere Reiter auf der Pampa ein. Den Royalisten waren die logistischen Schwierigkeiten ihrer Gegner nicht entgangen. Kaum hatten sich die ersten beiden Schwadronen republikanischer Reiter mit kaum 200 Reitern in Kampfformation aufgestellt, ließ es sich der spanische General Canterac nicht nehmen, die 14 Kavallerieschwadronen seiner Armee mit 1.400 Reitern höchstpersönlich anzuführen, um die Rebellen zu vernichten. Er war zu diesem Zeitpunkt so siegesgewiss, dass er keine mit Gewehren bewaffneten Infanterieeinheiten als Rückendeckung hinterherschickte, sondern diese weiter Richtung Cuzco zurückziehen ließ. Dies erwies sich als schwerwiegender Fehler. Der Militärtaktik der Zeit gemäß hätte Otto Philipp Braun in Anbetracht der heranrasenden Gegner eigentlich zum Gegenangriff übergehen und den feindlichen Schwadronen entgegenreiten

320 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 113 . 321 Der in diversen Arbeiten zu Braun immer wieder kolportierte Mythos, Braun habe nur zufällig die Granaderos a Caballo geführt und sei eigentlich Kommandeur der Leibwache Bolívars gewesen, ist schlichtweg falsch – zumal die Granaderos per Definition zur Guardia del Libertador (also der Leibwache) gehörten. Vielmehr gilt es zu betonen, dass Braun bis nach dem Feldzug von Bolivien nur Kommandeur einer Schwadron der Granaderos war. Erst mit seiner Beförderung zum Coronel im Jahre 1825 übernahm er den Befehl über das gesamte Regiment, womit er auch Garnisonskommandant von Cochabamba wurde. Wenn Zeitzeugen wie Miller, O’Connor oder O’Leary von Brauns Granaderos sprechen, dann bezeichnen sie – bis zum Jahr 1825 – das von Braun befehligte Schwadron und nicht das gesamte Regiment. Dass selbst Zeitzeugen dennoch von „Brauns“ Granaderos sprechen, überrascht nicht, da er sowohl das erste, als auch das zweite Schwadron kommandierte und ausbildete, aber – bis 1825 – nie gleichzeitig den Oberbefehl über beide Schwadronen innehatte. 05.05.1824 Yungay. Liste für die monatliche Inspektion des berittenen Gardegrenadierregiments, unterzeichnet von Ayaldeburu/Braun, in: Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 3, 1924, S. 70f. 16.12.1824 Huamanga. Aufstellung des berittenen Gardegrenadierregiments, unterschrieben von Paredes/ Carvajal, in: Ebd., S. 187. 16.12.1824 Huamanga. Aufstellung der Offiziere des berittenen Gardegrenadierregiments, unterzeichnet von Lucas Carvajal, bestätigt von Agustín Geralindo, in: Ebd., S. 70f. 19.12.1824 Huamanga. Aufstellung der nach der Schlacht von Ayacucho gewährten Beförderungen, unterschrieben von Sucre, in: Ebd., S. 188f.

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müssen.322 Doch Braun befahl seinen Einheiten, in einer Kampf­linie stehen zu bleiben. Der Ausbildungsgrad und die Disziplin seiner Kavallerie sowie das Vertrauen seiner Soldaten in ihn waren so hoch, dass sie sich von der Übermacht der 1.400 in vollem Galopp auf sie zureitenden spanischen Kavalleristen nicht verunsichern ließen – mit Erfolg. „Die Neuigkeit [des braunschen Verhaltens, Anm. RK] beeindruckte unsere Reiter sichtlich“323, kommentierte der hochrangige spanisch-royalistische Offizier Andrés García Camba später das ungewöhnliche Kampfverhalten der hoffnungslos unterlegenen gegnerischen Reiterei. Aufgrund dieser ungewöhnlichen Reaktion der Granaderos verlangsamten die Royalisten ihr Tempo, bis sie einen Augenblick lang gänzlich anhielten. In diesem Moment ließ Braun seinerseits zum Angriff blasen. „In einem glänzenden und kühnen Stoß durchbrach er die Mitte der feindlichen Linien“324, berichtete O’Connor. Letztlich bewirkte der unerwartete Durchbruch Brauns eine Verwirrung und teilweise Auflösung der Kampfformation der spanischen Kavallerie, da sie mit ihm im Rücken und der räumlichen Enge zwischen Berg, Sumpf und massenweise nachströmenden republikanischen Einheiten aus der Schlucht sowie dem Geröll auf dem Schlachtfeld nicht mehr geordnet agieren konnten. Beim Durchbruch Brauns waren Dutzende seiner Granaderos a Caballo gefallen oder verletzt worden. Auch er war durch zwei Lanzenstiche schwer verwundet worden, kämpfte aber weiter.325 Braun schien nach dem Zusammenprall mit dem übermächtigen Gegner mit seinen überlebenden Granaderos sein Heil in einer ungeordneten und wilden Flucht zu suchen. Daher verfolgte ein großer Teil der spanischen Reiterei die scheinbar geschlagenen Republikaner und löste 322 Schon Friedrich der Große hatte in seinen Kavallerieinstruktionen, Reglements und Befehlen, die noch weiter unten eine Rolle spielen, immer wieder betont: „Bei der Attaque vom Feinde müssen die Offiziere allezeit dahin trachten, dass sie zum ersten attaquieren und sich nicht attaquieren lassen.“ Auch der spanische Offizier Andrés García Camba betonte, wie unerwartet das Verhalten der braunschen Granaderos war und der traditionellen Militärdoktrin widersprach. Siehe: Friedrich II. König von Preußen, Reglement für die königlich preußischen Dragoner-Regimenter vom 1. Juni 1743, 1975 [=1902], S. 159ff. García Camba, Memorias, Bd. 2, 1916, S. 257. 323 García Camba, Memorias, Bd. 2, 1916, S. 257. 324 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 114. 325 Zwar betonte Braun in einem Schreiben an seine Eltern, dass er nur eine leichte Wunde aus der Schlacht von Junín davongetragen habe, Zeitzeugen und offizielle Dokumente der Heeresadministration halten jedoch fest, dass er schwer verletzt wurde. Darüber hinaus plagte ihn diese Verletzungen ein Leben lang, wie sein bei ihm angestellter Bergwerksdirektor Ernst Mossbach in den 1850er Jahren bemerkte und für die Nachwelt festhielt: López, Recuerdos históricos, 1919, S. 181. 07.08.1824 Reyes. Tomas de Heres (Sekretariat von Simón Bolívar) an den peruanischen Gesandten, in: Humberto Delgado, Album de Ayacucho, 1924, S. 57ff0. 09.09.1825 La Paz. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 239. Mossbach, Bolivia, 1875, S. 46.

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hierfür ihre Kampfformation weiter auf. Darauf hatten Braun und seine Granaderos jedoch nur gewartet. Denn sobald sich eine Abteilung royalistischer Reiter einem scheinbar fliehenden Granadero näherte, machte dieser kehrt und stieß mit seiner viel längeren Lanze reihenweise Gegner vom Pferd. Manuel Antonio López, Adjutant im Generalstab Bolívars, betonte in seinen Memoiren, dass nun im Rücken des Hauptteils der spanischen Kavallerie zwischen Braun und seinen Verfolgern ein „Kampf auf Leben und Tod“326 entbrannte.327 Braun und seine Schwadron kämpften tatsächlich ums Überleben, da sie nirgendwohin fliehen konnten. Im Westen lag der unpassierbare See und im Osten die unüberwindlichen Berge. Nach Norden konnten sie sich auch nicht absetzen, da hier die royalistische Infanterie entlangzog und mit ein paar Gewehrsalven die republikanische Schwadron hätte vernichten können. Es blieb nur, sich der Schlacht im Süden zu stellen. Hätte General Canterac im Übrigen nicht siegesgewiss auf seine Kavallerie vertraut und ihr eine Infanterieabteilung für den Fall eines Durchbruchs folgen lassen, hätten diese Braun nach seinem Durchbruch vernichten und die Schlacht für die Royalisten entscheiden können.328 Für die spanische Kavallerie bedeutete der Durchbruch Brauns aber, dass sie einerseits gegen die in ihrem Rücken befindliche Schwadron Brauns angehen und andererseits gegen die aus der Schlucht herausströmenden republikanischen Einheiten kämpfen musste. Trotz der scheinbaren Übermacht der Spanier begann sich langsam das Kriegsglück zu wenden. Danach hatte es zu Beginn der Schlacht allerdings nicht ausgesehen. Denn die andere, beim ersten spanischen Angriff auf dem Schlachtfeld befindliche republikanische Schwadron unter General Mariano Necochea hatte ihrerseits nicht die spanisch-royalistischen Linien durchbrechen können, sondern war nach einem heftigen Zusammenprall in große Bedrängnis geraten und drohte aufgerieben zu werden. Necochea war erst mehrfach verletzt und dann gefangen genommen worden. Im Gefühl des sicheren Sieges und aufgrund der örtlichen Enge und der sich unerbittlich wehrenden Patrioten lösten – ähnlich wie die Verfolger Brauns – auch diese spanischen Schwadronen ihre Kampfformation immer weiter auf. Inzwischen hatte eine andere Abteilung der spanischen Reiter die strategisch so wichtige Schlucht erreicht und begonnen, unermüdlich auf die dort hereinströ326 O’Connor schildert die Ausweglosigkeit des Kampfes ähnlich: López, Recuerdos históricos, 1919, S. 178. O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 158. 327 Manuel Antonio López (1803–1891) diente während des Peru-Feldzugs von 1822 bis 1824 als Generalstabsoffizier und Adjutant Simón Bolívars. Er veröffentlichte die hier zitierten Erinnerungen im Jahre 1878. Siehe: Castellanos, El General Manuel Antonio López, 1972, S. 45ff. Quijano Otero, Introducción, 1919 [=1878], S. 10ff. Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 2, 1975, S. 127. 328 Auch Zeitgenossen erkannten diesen taktischen Fehler des spanischen Generals: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 116.

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menden und nicht kampfbereiten Soldaten einzuschlagen. Vor der drohenden Niederlage begannen erste Einheiten der Unabhängigkeitsarmee zu fliehen. Doch was für Bolívar und Canterac wie eine sichere Niederlage ausgesehen haben dürfte, verwandelte sich sehr bald in einen Sieg. Denn die spanische Reiterei war nicht in der Lage, flexibel zu agieren, und wurde durch die riskanten Manöver von Offizieren und Soldaten der republikanischen Kavallerie überwältigt und langsam aufgerieben. Nun konnten die aufgrund des durch Braun geschaffenen Platzes auf dem Schlachtfeld eintreffenden Husaren und argentinischen Grenadiere zu Pferde unter Manuel Isidoro Suárez, Laurencia Silva und Lucas Carvajal mit waghalsigen Aktionen den bedrängten Pass wieder freikämpfen und die spanische Kavallerie zurückdrängen.329 Auch William Miller konnte mit seinen peruanischen Reitern, welche die Nachhut des Vereinigten Heeres gebildet hatten, nach einiger Zeit eingreifen.330 Felipe Braun kam, nachdem der Großteil der Verfolger vernichtet worden war, den auf engstem Raum kämpfenden Einheiten zu Hilfe. Die spanisch-royalistische Reiterei löste sich zunehmend auf. Diejenigen, die konnten, begannen 45 Minuten nach dem ersten Angriff, der eigentlich die republikanische Kavallerie hätte vernichten sollen, in Richtung ihrer südwärts abziehenden Infanterie zu fliehen. Die republikanische Kavallerie – darunter auch Felipe Braun331 – verfolgte sie bis in die Reichweite der royalistischen Gewehre. Junín war ein zwar unerwarteter, aber dafür umso vollkommenerer Sieg.332 329 Bei den argentinischen Grenadieren zu Pferde handelt es sich um die Reste jener Einheit, die bei Pichincha gekämpft hatte. Siehe den Abschnitt „Der Feldzug des Südens“. 330 Über die Beteiligung der peruanischen Kavallerie stritten sich sowohl die Zeitzeugen in ihren Memoiren als auch später die Historiographen. Während Miller als Kommandeur der peruanischen Kavallerie ihren Beitrag zum Sieg unterstrich, betonte der Generalstabsoffizier O’Connor, dass diese lediglich aus propagandistischen Gründen später lobend erwähnt wurden und eigentlich nur eine sekundäre Rolle in der Schlacht von Junín gespielt hätten. Die Meinungsverschiedenheit lässt sich jedoch nicht mehr klären, obwohl vieles für die Version von O‘Connor spricht – etwa, dass Millers Einheiten die Nachhut stellten und viel Zeit benötigten, um überhaupt auf das Schlachtfeld zu gelangen. Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 211. Miller, Memoirs, Bd. 2, 1829, S. 161ff. O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 118. Vergaras Quellenauswahl erscheint einseitig: Valencia Tovar, Campaña Libertadora del Peru, Bd. 2, 1993. S. 57ff. S. 80f. Vergara Arias, El Ejercito peruano y las fuerzas aliadas del Norte, 1984, S. 652f. 331 07.08.1824 Reyes, Santa Cruz, Andrés de, Parte Oficial de la Batalla de Junín. Emitido por el Estado Mayor Independiente, in: Santa-Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 1, 1820–1828, 1976. S. 141. 332 Die Beschreibung der Schlacht von Junín geht auf folgende Primärquellen zurück: López, Recuerdos históricos, 1919, S. 175ff. Miller, Memoirs, Bd. 2, 1829, S. 161ff. Mosquera, Memoria sobre la vida del general Simón Bolívar, 1954, S. 477.

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Francisco Burdett O’Connor, der die Schlacht von den Hügeln beobachtet und sie als Generalstabsoffizier mit geleitet hatte, begab sich zu Bolívar und stieg mit ihm zum Schlachtfeld hinab. Als die Kommandeure Lucas Carvajal und Laurencia Silva zum Libertador ritten, riefen sie ihm zu: „Victoria.“333 Ferner hielt O‘Connor Brauns Reaktion fest: „Braun, der am meisten geleistet hatte, kam schweigend – ohne auch nur ein Wort von sich zu geben.“334 Vielleicht ahnte dieser, was für Konsequenzen sein Handeln nicht nur für sein Heer, die Unabhängigkeit Perus und Südamerikas, sondern auch für ihn persönlich haben würde. Der Sieg von Simón Bolívar, der diese reine Kavallerieschlacht persönlich befehligt hatte, zählte doppelt.335 Aus militärisch-strategischer Sicht schwächten die über 400 Toten und Gefangenen der gegnerischen Seite sowie viele Desertionen die royalistische Kavallerie empfindlich.336 Daneben besaß der Sieg von Junín aber auch eine psychologische Wirkung. Denn die royalistische Kavallerie hatte bis dahin als unbesiegbar gegolten. Die symbolische Bedeutung des Sieges der Vereinigten Kavallerie über die spanischen Schwadronen war auch den Zeitgenossen klar. Vor der Monate später stattfindenden Schlacht von Ayacucho etwa erinnerte Antonio José de Sucre seine Kavallerie bei seiner O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 111ff. O’Leary, Memorias. Narracion. Bd. 2, 1952 [=1840], S. 257ff. 07.08.1824 Reyes, Santa Cruz, Andrés de, Parte Oficial de la Batalla de Junin. Emitido por el Estado Mayor Independiente, in: Santa -Cruz Schuhkrafft, Archivo Histórico del Mariscal Andrés de Santa Cruz. Bd. 1, 1820–1828, 1976. S. 139ff. Für die royalistisch-spanische Sicht siehe: García Camba, Memorias, Bd. 2, 1916, S. 256ff. 333 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 116. 334 Ebd. 335 Zu den Schlachten von Junín und von Ayacucho existiert eine überwältigende Anzahl an Sekundärliteratur, die aber häufig nur auf die oben genannten Primärquellen verweist. Daher sei an dieser Stelle lediglich auf eine Auswahl verwiesen: Chasteen, Latin America`s Struggle for Independence, 2008, S. 157f. Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S.207ff. Harvey, Latin America’s Struggle for Independence, 2000, S. 225ff. Lecuna, Junín 1824, 1970, S. 292ff. Lecuna, Liberacion del Peru, 1941, S. 20ff. Lecuna, Bolívar y el Arte Militar, 1955, S. 191ff. Lecuna, Crónica razonada de las guerras de Bolívar, Bd. 3, 1950, S. 431ff. Melli, Emancipación Sudamericana, 1997, S. 41ff. Puente Candamo, La independencia, 1994, S. 404ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 68f. Slatta, Simón Bolívar, 2003, S. 248ff. Valencia Tovar, Campaña Libertadora del Peru, Bd. 2, 1993. S. 78ff. Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 2, 1975, S. 117ff. Vergara Arias, El Ejercito peruano y las fuerzas aliadas del Norte, 1984, S. 642ff. Villanueva Sotomayor, Historia del Perú, 1995, S. 321f. 336 Gegenüber 45 Toten und 99 Verletzten aufseiten der Patrioten: 07.08.1824 Reyes, Santa Cruz, Andrés de, Parte Oficial de la Batalla de Junin, in: Santa-Cruz Schuhkrafft, Archivo Histórico del Mariscal Andrés de Santa Cruz. Bd. 1 1820–1828, 1976. S. 139ff. Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 1, 1924, S. 131ff.

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Ansprache am Vorabend daran, dass „ihr seit Junín wisst, dass die dort drüben keine Reiter haben, dass sie dort keine ebenbürtigen Gegner für euch haben, sondern nur ein- oder zweitausend Pferde. […] Es ist Zeit, sie sich zu holen.“337 Dieser propagandistische Effekt hatte weitreichende Folgen. Während die Republikaner – trotz der eher feindlich gesonnenen Umgebung – die endgültige Unabhängigkeit Südamerikas in greifbare Nähe gerückt sahen, hielt auf royalistischer Seite selbst in der Generalität Resignation Einzug.338

Folgen für Felipe Braun Die Schlacht von Junín beeinflusste nicht nur die strategische Gesamtlage, sondern besaß auch für Otto Philipp Braun persönlich entscheidende Konsequenzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein europäischer Freiwilliger die vier Jahre langen, harten Feldzüge (1820–1824) und ein gutes Dutzend blutiger Schlachten überhaupt überlebte, war äußerst gering. Darüber hinaus hatten schon vor dem Feldzug des Südens, spätestens jedoch nach der Unabhängigkeit des südlichen Großkolumbiens (Ecuador) viele Europäer – ehrenhaft oder auch weniger ehrenvoll – das Unabhängigkeitsheer verlassen.339 Allein die Tatsache, dass Felipe Braun überhaupt an der Schlacht von Junín teilnahm, machte ihn aus militärhistorisch-statistischer Perspektive somit zu etwas Besonderem. Aus militärisch-strategischer oder gar allgemeinhistorischer Sicht war Felipe Braun bis zu diesem Zeitpunkt jedoch vollkommen unbedeutend gewesen. Er hatte weder an den strategisch-militärischen Planungen im Generalstab teilgenommen, noch war er – wie etwa Antonio José de Sucre, Andrés de Santa Cruz, Juan José Flores, Agustín Gamarra, William Miller, Francisco Burdett O’Connor oder Daniel Florencio O’Leary – Teil des politisch-persönlichen Zirkels um Simón Bolívar gewesen. Dies änderte sich jetzt schlagartig.

337 12.1824 Sucre, Antonio José, Arengas de Sucre al Ejercito antes de la Batalla de Ayacucho, Once veces America, diez veces Libertad, in: Salcedo Bastardo, Antonio José de Sucre, 1981, S. 182. 338 Diesen psychologischen Effekt sahen schon zeitgenössische Historiographen, etwa: Torrente, Historia de la revolución hispano-americana, Bd. 3, 1830, S. 477. Auch die spanische Geschichtswissenschaft betont Junín als Wendepunkt, gerade was die Kavallerie anbelangt: Albi de la Cuesta, La Caballería en América, 1992, S. 183ff. 339 Dies geht auch aus einer Aufstellung der an der Schlacht von Ayacucho beteiligten Offiziere hervor. Hier sind – im Vergleich zur Zeit von 1819 bis 1822 – nicht mehr viele Europäer zu finden: 1824 Relación de Jefes y Oficiales Combatientes, in: Dammert Léon/ Cusmán Cárdenas, Ayacucho, 1976, S. 203ff. Die abnehmende Zahl europäischer Freiwilliger ab 1822 in der Unabhängigkeitsarmee schildern auch: Brown, Foreign Mercenaries, 2006, S. 54ff. Hasbrouck, Foreign Legionaries, 1969 [=1929], S. 360ff.

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Symbolische Anerkennung Zuallererst ist die zweimalige Nennung Felipe Brauns im offiziellen Bericht des Chefs des Generalstabs, Andrés de Santa Cruz, am Tag nach der Schlacht zu würdigen. Diese Art von Bericht wurde nach jeder Schlacht vom jeweiligen Generalstabschef formuliert und als politisches Instrument publiziert.340 Einheiten, die sich aus dem Heer der mehreren Tausend Soldaten ausgezeichnet hatten, wurden hier zur Ehrung genannt. Die Erwähnung einzelner Personen – bis auf Generäle und Marschälle – war außerordentlich selten. Felipe Braun war bis zum 7. August 1824 niemals in einem solchen Bericht genannt worden, obwohl er schon mindestens ein Dutzend Schlachten erfolgreich bestanden hatte. Felipe Braun – zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als ein unbedeutender Offizier – wurde im Bericht von Junín allerdings nicht einfach nur erwähnt. Vielmehr schilderte dessen Autor Santa Cruz, wie die spanische Übermacht auf die eigene Kavallerie traf und alle Schwadronen bis auf eine von den spanischen Einheiten überrollt wurden. Santa Cruz führt seine Narration auf einen einzigen Wendepunkt hin, als gerade „noch rechtzeitig die Granaderos de Colombia […] durch das heldenhafte Vorbild ihres […] Kommandanten, Mayor Felipe Braun, die linke Flanke des Feindes durchbrachen“341. Dadurch war es den hinter Braun auf das Schlachtfeld strömenden Einheiten möglich gewesen, in das Geschehen einzugreifen. Kein anderer der von Santa Cruz genannten Akteure, die ebenfalls wichtige Beiträge zum Erfolg von Junín geleistet hatten, erhielt in diesem ersten Teil des Berichtes, welcher den Schlachtablauf faktenorientiert beschreibt, eine derart positive Bewertung und schlachtentscheidende Bedeutung zugeschrieben. Im letzten Absatz würdigt der Bericht dem militärischen Rang nach die wichtigsten Akteure, wie etwa General Necochea, General Miller oder auch die Coronels Carvajal oder Silva. Auch Braun wird genannt – seiner Position entsprechend als Letzter. Auch der Tagesbefehl Simón Bolívars vom 7. August 1824 unterstreicht, dass die Granaderos de Colombia,342 genauer: die Schwadron unter Braun, am Vortag die schlachtentscheidende Aktion durchgeführt hatten. Bolívar drückt in § 1 seines Erlasses „voller Genugtuung durch den Triumph, den gestern die Kavallerie auf der Ebene von Junín errang, […] den Einheiten der Granaderos de Colombia 340 07.08.1824 Reyes, Santa Cruz, Offizieller Bericht der Schlacht von Junin, in Boletín No. 2, in: 25.09.1824 Gaceta del Gobierno, No 42 T 6, in: Fundacion Eugenio Mendoza, Gaceta del Gobierno del Peru, Bd. 2, 1967, S. 195f sowie in: Santa-Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 1, 1976, S. 140. 341 07.08.1824 Reyes, Santa Cruz, Offizieller Bericht der Schlacht von Junin, in: SantaCruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 1, 1976. S. 140. 342 Diesen umgangssprachlichen Namen erhielten die Granaderos a Caballo de la Guardia del Libertador in Peru und behielten ihn bis zu ihrer Rückkehr nach Großkolumbien im Jahre 1829 bei.

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den Dank aus“343. Beide so exponierten Nennungen sicherten dem bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbedeutenden Felipe Braun nicht nur die Aufmerksamkeit der nachfolgenden Generationen und einen bis heute wirkenden Nachruhm, sondern er erhielt – erstmalig – die explizite Aufmerksamkeit von und Zugang zu Simón Bolívar und dessen Umfeld.344 Ob ihn dieser tatsächlich noch auf dem Schlachtfeld „mit Tränen in den Augen“345 umarmte und ad hoc beförderte, wie Otto Philipp Braun einige Zeit später in einem Brief seinen Eltern voller Stolz berichtete, mag dahingestellt bleiben. Doch dass Simón Bolívar Braun für seinen 343 07.08.1824 Reyes, Bolívar, Generalbefehl, in: Plazas Olarte, Historia Militar, Bd. 3, 1971, S. 612. Als Zweites wird der peruanischen Kavallerie gedacht. Ob diese tatsächlich maßgeblich zur Schlacht beitrug oder, wie O’Connor mehrfach betont, nur aus politisch-propagandistischen Gründen zur Beförderung des Images der Unabhängigkeitsbewegung gelobt wurde, obwohl sie wenig loyal und nur mäßig zuverlässig war, da viele Peruaner – so O’Connor – „royalistischer sind als die Spanier selbst“, wird wohl nie abschließend geklärt werden können. Die Einschätzung der Peruaner teilte Simón Bolívar und bezog die Elite mit ein, denn er schrieb an seinen kolumbianischen Vizepräsidenten: „Es scheint, dass der Groll, den die Mitglieder der [peruanischen] Regierung uns gegenüber empfinden, größer ist als ihre Angst vor den Spaniern.“ Zit. n. Arciniegas, Cartas Santander-Bolívar, Bd. 4, 1988, S. 31. Vgl. ferner: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 118. 344 Der Ruhm und das Prestige Brauns spiegeln sich nicht nur in zeitgenössischen Reaktionen, die auch in dieser Arbeit betrachtet werden, sondern auch in unzähligen Würdigungen sowohl der Historiographien als auch immer wieder der deutsch-­ bolivianischen Diplomatie. Nicht zuletzt wurde Braun mehrmals zum Gegenstand der südamerikanischen Literatur. Darüber hinaus existiert eine Fülle an längeren oder auch kürzeren Verweisen in diversen historischen Romanen, etwa bei: Lema, La huella es el olvido, 1998, S. 47ff, Hogg, Yerba vieja, 1945, Aguilera Malta, La caballeresa del sol, 1964, S. 251ff. Sánchez, A Bolívar, 1997, S. 115, 142. Besonders gilt es Juana Manuela Gorritis (1818–1896) Roman „El Pozo del Yocci” zu erwähnen. Gorriti war mit Isidoro Belzu (1808–1865), einem früheren Untergebenen Brauns und späteren bolivianischen Präsidenten verheiratet. Gorriti, El pozo del Yocci. Novela, 1929. Braun scheint auch Gegenstand von Theateraufführungen in Bolivien und Dichtung in Peru gewesen zu sein: Avila Echazú, Literatura boliviana, 1974, S. 580ff. Monguió, Poesías de Don Felipe Pardo y Aliaga, 1973, S. 377. Es darf auch nicht vergessen werden, dass sich Régis Debray bei dem Gerichtsprozess wegen seiner Beteiligung an der Guerilla von Ernesto „Che“ Guevarra u. a. auf Otto Philipp Braun als Beispiel eines guten ausländischen Militärs bezog, siehe: Lara Claros, El mejor del convento, 1991, S. 175. All dies näher zu untersuchen, bleibt aber die Aufgabe weiterer Forschungen. Einen Anfang bietet die Vorgängerstudie dieser Arbeit: Kiera, Otto Philipp Braun als Symbol lokaler Geschichtspolitik, 2009 sowie Arango-Keeth, Tradición narrativa de la escritora latinoamericana, 1999, S. 434. Finot, Historia de la Literatura Boliviana, 1981, S.193f. Gorriti, Páginas literarias, 1930, S. 39ff. Martorell, Juana Manuela Gorriti, Bd. 1, 1995, S. 5ff, 257ff. Molina, Juana Manuela Gorriti, 1999, S. 11ff, S. 270. Zu Belzu siehe: Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007. 345 09.09.1825 La Paz. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 239.

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Sieg bei Junín reich belohnte, steht vollkommen außer Zweifel. Drei Tage nach der Schlacht beförderte Simón Bolívar in Tarma den jungen Felipe Braun bei dem zentralen Bankett zur Feier des Sieges von Junín – und zwar in Anwesenheit des gesamten Offizierskorps, aus dem später viele Freunde (wie auch Feinde) Brauns hervorgingen. Die gefällige Geste Simón Bolívars, während eines Banketts, das eigentlich zu seinen Ehren stattfand, Braun vor allen Mitoffizieren an seine Seite zu setzten und ihn zu befördern, besaß große symbolische Bedeutung.346 Denn Nähe und Zugang zum Libertador fungierten als direktes politisches Kapital und als Maßstab politischen Einflusses – unabhängig vom militärischen Rang einer Person. Die formelle Beförderung manifestierte auf diese Weise die tatsächliche Bedeutungssteigerung Brauns im Heere Bolívars. In Kombination mit dem offiziellen Schlachtbericht von Santa Cruz und dem Tagesbefehl von Bolívar war Braun die Ehre, den Sieg von Junín durch persönlichen Einsatz erst möglich gemacht zu haben, im offiziellen Diskurs nicht mehr zu nehmen. Diese Konsequenz ist selbst in der privaten, nie für die Öffentlichkeit bestimmten Korrespondenz der Akteure ablesbar. Beispielsweise ist dies bei dem Briefwechsel von General William Miller mit seinem Bruder John Miller der Fall. Zwar versuchte William Miller sowohl in seinen Memoiren als auch in seiner Korrespondenz, den von ihm befehligten peruanischen Reitern den Sieg zuzuschreiben. Doch trotz dieser tendenzösen Sichtweise kam er nicht umhin, ausdrücklich Felipe Brauns „exzellente Dienste“347 in einem Schreiben an seinen Bruder am 9. August, also am Tag des Festbanketts Simón Bolívars, zu erwähnen und das damit zu begründen, dass dies „einfach nur gerecht wäre“348. Anderthalb Jahre später erreichte Felipe Braun ein Schreiben seines ehemaligen Generals Mariano Necochea.349 Dieser erinnerte 346 Die Beförderung wurde erst am folgenden Tag rechtskräftig: 16.12.1824 Huamanga, Aufstellung des berittenen Gardegrenadierregiments, in: Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 3, 1924, S. 187. Peñaloza Jarrín, Huancayo, 1995, S. 142. 347 09.08.1824 Tarma. Miller an seinen Bruder John, in: Flores, Independencia del Perú, 1984, S. 673. 348 Ebd. 349 Mariano Necochea (1792–1849) stammte aus Argentinien und war mit den Einheiten San Martins nach Peru gekommen, wo er sich der Unabhängigkeitsarmee Simón Bolívars anschloss. Nach seinen schweren Verletzungen in Junín konnte er nicht an der Schlacht von Ayacucho teilnehmen. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Unabhängigkeitskrieges ernannte ihn Simón Bolívar zum Direktor der Casa de Moneda. In dieser Funktion schrieb er aus Lima seinem ehemaligen Untergebenen und Freund Otto Philipp Braun. Schon wenig später musste er aufgrund politischer Intrigen Peru verlassen. Nach seiner Rückkehr dorthin befehligte er im peruanisch-großkolumbianischen Krieg die peruanische Kavallerie und kämpfte einige Jahre später gegen die peruanisch-bolivianische Konföderation. Necochea stand damit mehrmals seinem ehemaligen Kamerad Felipe Braun als Gegner gegenüber – eine für die nachrevolutionäre Zeit typische Konstellation. Martínez Zuviría, Mariano Necochea, 1969,

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Braun daran, dass ausschließlich die von Braun befehligten „Tapferen von Junín […] uns den Sieg schenkten“350. General Necochea betonte in seinem Brief unter anderem, dass all jene Lobesreden, die er selbst als General für die Schlacht von Junín erhalten habe, eigentlich den kolumbianischen Granaderos unter Braun gebührten.351 In diesem Schreiben erklärte der ehemals kommandierende General offiziell seinen Verzicht auf das ihm aufgrund seiner höheren Stellung immer wieder zugeschriebene Lob. Zwar kämpfte General Necochea in Junín unter Einsatz seines Lebens und bezahlte dafür mit sieben schweren Wunden, doch waren die von ihm befehligten Aktionen nicht schlachtentscheidend. Es spricht für ihn, dass er seinem ehemals Untergebenen die Lorbeeren überließ. Nun hielt Braun neben den offiziellen Dokumenten einen wichtigen Brief in Händen, den er etwa in eigenen Lebenserinnerungen hätte veröffentlichen können. So etwas taten andere Akteure häufig. Schon wenige Jahre nach dem Ende des Unabhängigkeitskrieges erschienen die ersten Memoiren über diese Zeit, etwa von William Miller, von Daniel Florencio O’Leary, Manuel Antonio López und nicht zuletzt von Francisco Burdett O’Connor. Als einer der ersten Veteranen veröffentlichte William Miller im Jahre 1829 seine Erlebnisse in Südamerika. In diesen versuchte er – wie in dem Brief an seinen Bruder John – seine eigenen Leistungen in der Schlacht von Junín zu betonen. Doch im Gegensatz zum erwähnten Brief lobte Miller zugleich auch Brauns Verhalten in Junín in den höchsten Tönen und an entscheidender Stelle. So beschreibt er, wie der „tapfere Mayor Braun“352 sich als Einziger mit einigen Überlebenden seiner Granaderos durch die angreifenden Spanier hindurchgeschlagen hatte und damit den Schlachtausgang positiv beeinflusste. Letztlich kam Miller zu dem Schluss, dass sich der Offizier Braun – zusammen mit Manuel Isidoro Suárez – am meisten in der Schlacht ausgezeichnet hatte.353 Daniel Florencio O’Leary vermied in seinen 1840 verfassten Memoiren explizite Bewertungen bei der Beschreibung der Schlacht. Er betonte jedoch, dass Brauns Granaderos a Caballo nach ihrem Durchbruch die sie verfolgenden Feinde in die Flucht geschlagen hätten und so maßgeblich zum Sieg beitrugen.354 Manuel Antonio López schilderte diese schlachtentscheidende

350 351 352 353 354

S. 385ff, 460ff. Siehe auch den nicht immer zuverlässigen Essay: Hudson, Mariano Necochea, 2006, S. 81ff. 02.12.1825 Lima. Necochea an Braun, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 35. Dieser Brief ist als Faksimile abgedruckt in: Bock, El Gran Mariscal de Montenegro, 1926, S. 27. 02.12.1825 Lima. Necochea an Braun, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 35. Miller, Memoirs, Bd. 2, 1829, S.162. Ebd., S.165. O’Leary, Memorias, Bd. 2, 1952, S. 259.

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­ ktion ähnlich und ließ Felipe Braun seine volle Anerkennung zuteilwerden.355 A Einer der ausführlichsten und einflussreichsten Berichte ist in den Erinnerungen von Francisco Burdett O’Connor zu finden. O’Connor beschreibt nicht nur detailliert die Schlacht, sondern hebt auch die Rolle von F ­ elipe Braun mehrmals hervor. So beschreibt er ihn als „furchtlosen“356, „mutigen und verwegenen Braun“357, der mit „einem glänzenden und kühnen Stoß […] die Mitte der feindlichen Linien [durchbrach]“358 und dadurch den Sieg ermöglichte. Ferner nennt O’Connor ihn bei der Aufzählung der verdienten Offiziere als Ersten, noch vor Miller, Necochea, Carvajal und Súarez – was in Anbetracht der sonst streng eingehaltenen formellen Hierarchisierung ins Auge fällt. Der erst 25-jährige Felipe Braun erlebte in der Schlacht von Junín den ersten Höhepunkt seiner bisher unscheinbaren Karriere. Spätestens nach der Schlacht von Junín war der Name des deutschen Freiwilligen Bolívar und Sucre sowie deren Mitstreitern geläufig. Braun war anschließend in der Lage, dieses Prestige und diesen Einfluss in der Endphase des Unabhängigkeitskriegs für seinen weiteren Aufstieg zu nutzen und in eine außergewöhnliche Nachkriegskarriere zu kanalisieren. Spätere Kapitel werden zeigen, dass ihm sein in Junín erworbenes Prestige noch Jahre später half, existenzielle Krisensituation zu überleben. Darüber hinaus war Braun in der Lage, sein stets wachsendes Prestige über die Grenzen von Ländern, politischen Fraktionen und Kontinenten zu transferieren – und das für Jahrzehnte.359

Materielle Anerkennung Neben der Beförderung und der Zuerkennung des maßgeblichen Beitrags zum Sieg und dem nun offenen Zugang zu Simón Bolívar schenkte dieser Felipe Braun im August 1825 als Dank 10.000 Pesos. Er tat dies explizit nicht für die nunmehr fünf Jahre Dienst im Unabhängigkeitskampf, sondern für die während 45 Minuten gezeigte „außerordentliche Tapferkeit und die heldenhafte Tat“360 und sein „brillantes Verhalten in Junín“361. Diese Art der Belohnung, 355 López, Recuerdos históricos, 1919, S. 178ff. 356 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 115. 357 Ebd., S. 114. 358 Ebd. 359 Siehe die Kapitel: 5. „Transfer von Prestige und Einfluss 1828–1830“, 7. „Sturz 1839: Rettung durch Prestigetransfer“, 8. „Wiederaufstieg: Einfluss in der atlantischen Welt 1839–1841“, 10. „Kontinuierlicher Einfluss in der atlantischen Welt 1841–1855“. 360 31.08.1825 Lima. Sekretär Bolívars an den Finanzminister von Peru, in: Anze, El sueño truncado, 1996, S. 348. 361 20.02.1827 Caracas. Bolívar an Santa Cruz, in: Rojas, Bolívar y Santa Cruz. Epistolario, 1975, S. 70f. Für die Auseinandersetzung um die Gratifikation Brauns siehe auch Kapitel 9. „Der Unternehmer: Ökonomische Basis für politische Projekte.“

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gerade nach den Auszahlungen der Republiken Peru und Bolivien an die Unabhängigkeitsarmeen, war für Offiziere normal. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass etwa der langjährige Generalstabsoffizier Francisco Burdett O’Connor, dessen Rang beim Einstieg in die Armee deutlich über dem Brauns gelegen hatte und der über Jahre wertvolle strukturelle und strategische Leistungen vollbracht hatte, im Vergleich zu Braun „nur“ 5.000 Pesos erhielt.362 Braun legte dieses Geld gut an und erwarb in den 1830er Jahren Kupferminen im bolivianischen Corocoro und ausgedehnten Haciendabesitz in den Yungas.363 Dieser ökonomische Reichtum – in Kombination mit später erworbenen Ressourcen aus hochbezahlten Posten in Staat und Militär – versetzte Braun auch nach seinem Sturz im Februar 1839 in den 1840er bis 1860er Jahren in die Lage, ausgedehnte Reisen in der atlantischen Welt zu unternehmen und für Jahrzehnte als politischer Akteur in diesem Raum zu agieren. Doch bevor all diese Entwicklungen Wirklichkeit wurden, musste er im Jahre 1824 noch eine letzte Schlacht bestreiten.

Die Schlacht von Ayacucho Simón Bolívar nahm an dieser Schlacht am 9. Dezember 1824 nicht teil. Er war an der Spitze eines kleinen Expeditionskorps Richtung Norden aufgebrochen, um das mittlerweile erneut in royalistische Hände gefallene Lima zu besetzen und den politischen Rückhalt für seine Expeditionstruppen zu organisieren. Bolívars politische Macht erodierte nicht nur im royalistisch geprägten Peru, sondern auch in seiner groß-kolumbianischen Heimat. In dieser kritischen Situation überließ Bolívar seinem loyalen Freund und General A ­ ntonio José de Sucre die Armee mit dem Auftrag, die Spanier und Royalisten in Südperu endgültig zu schlagen.364 Im Folgenden wird auf die Schlacht von Ayacucho eingegangen, da sie zeigt, wie sehr sich Braun innerhalb des halben Jahres nach Junín im Kreis der wichtigsten, leistungsstärksten und fähigsten Offiziere etabliert hatte. Die Schlacht von Ayacucho muss als militärischer Höhepunkt des südamerikanischen Unabhängigkeitskrieges verstanden werden. An keiner Schlacht des langen Krieges nahmen so viele Soldaten teil wie in Ayacucho: über 16.000. Von diesen starben über 2.000. Allein diese Zahlen verdeutlichen, dass es sich dabei um ein Aufeinandertreffen von gänzlich anderer Dimension handelte als bei der Kavallerieschlacht von Junín, an der insgesamt rund 2.300 Reiter beteiligt waren. Genauso wie in Junín aber 362 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 191. 363 Siehe hierzu auch Kapitel 9. „Der Unternehmer: Ökonomische Basis für politische Projekte“. 364 Lynch, Simón Bolívar, 2007, S. 169. Rehrmann, Simón Bolívar, 2009, S. 133. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 68. Slatta, Simón Bolívar, 2003, S. 251.

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war die Ausgangssituation für das republikanische Heer unter Antonio José de Sucre in Ayacucho unvorteilhaft. Während das spanisch-royalistische Heer auf über 9.300 Soldaten zurückgreifen konnte, boten ihre Gegner nur knapp 7.000 auf.365 Die Spanier griffen zuerst die schwache linke Flanke der Unabhängigkeitsarmee an, wo die peruanischen Einheiten des Generals La Mars standen. Diese gerieten tatsächlich in Bedrängnis, aber aufgrund von Abstimmungsschwierigkeiten bei den Royalisten und entscheidender Hilfe des Generals Jacinto Lara gelang es den Peruanern, das angreifende Bataillon Valdez komplett aufzureiben. Die zu Hilfe geeilte nachrückende spanisch-royalistische Division Monet wurde dann von der republikanischen Division des Generals Córdova aufgehalten, bis Kavallerieeinheiten General Millers, darunter auch die Granaderos a Caballo unter Braun,366 die Division Monet völlig vernichteten und von der herbeigeeilten KavallerieSchwadron San Carlos „nur ein Skelett übrig ließen“367. Dabei war es vor allem das Verdienst Brauns, die in Unordnung geratenen Kavallerie-Schwadronen wieder zu organisieren.368 Als Nächstes rückte die royalistische Division Villalobos der rechten Flanke entgegen. General Córdova besiegte mit seinen Infanterieregimentern auch sie. Der spanische Vizekönig José de la Serna, der die Truppen höchstpersönlich befehligte, erkannte, dass die Schlacht verloren war. Um nicht seine ganze Armee der Vernichtung preiszugeben, hielt er seine Reserven und die Nachhut zurück. Die royalistisch-spanischen Soldaten, die hierzu in der Lage waren, ergriffen die Flucht und überrannten den eigenen Generalstab samt Vizekönig, sodass diese sich noch selbst gegen die nachsetzende republikanische Kavallerie – darunter auch Braun – verteidigen mussten.369 Die Schlacht von Ayacucho war 365 Die Angaben zur Anzahl der beteiligten Soldaten schwanken stark. Dies ist auf die hohe Desertion auf beiden Seiten zurückzuführen. Letztlich ist davon auszugehen, dass ungefähr die genannte Anzahl am Feldzug von Ayacucho teilnahm. Siehe hierzu auch: Valencia Tovar, Campaña Libertadora del Peru, Bd. 2, 1993. S. 57ff, S. 88. 366 Braun befehligte die zweite Schwadron des Regimiento de Granaderos a Caballo. Siehe: 19.12.1824 Huamanga. Aufstellung der nach der Schlacht von Ayacucho gewährten Beförderungen, unterschrieben von Sucre, in: Lecuna, Archivo de Sucre, Bd. 4, 1976, S. 550. 367 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 148. 368 Mosquera, Memoria sobre la vida del General Simón Bolívar, 1940, S. 536. 369 Miller, Memoirs, Bd. 2, 1829, S. 172ff. O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 147ff. 11.12.1824 Antonio José de Sucre, Parte oficial sobre la batalla de Ayacucho, in: 18.12.1824 Lima Gaceta del Gobierno. Aviso al Publico. Victoria de Ayacucho, in: Fundacion Eugenio Mendoza, Gaceta del Gobierno del Peru, Bd. 2, 1967, S. 243ff. Sekundärliteratur: Bacacorzo, El Ejercito Peruano en la Campaña de Ayacucho, 1984, S. 692ff. Chasteen, Latin America`s Struggle for Independence, 2008, S. 157f. Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 1, 1924, S. 232ff. Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 223ff. Harvey, Libertadors. Latin America’s Struggle for Independence, 2000, S. 227ff. Lecuna, Bolívar y el Arte Militar, 1955, S. 209ff. Lecuna, Crónica razonada de las guerras de Bolívar, Bd. 3, 1950,

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Militärische Leistungen 1820–1825

für die Royalisten verloren. Vizekönig und Stabschef erkannten die aussichtlose Lage und unterschrieben alsbald die Kapitulation von Ayacucho. Diese läutete auch formell das Ende der spanischen Kolonialherrschaft ein – außer in Hochperu. Doch dass sich auch dort die Unabhängigkeitsarmee durchsetzen würde, war nur eine Frage der Zeit. In Ayacucho verloren 300 Republikaner und über 1.800 Royalisten ihr Leben. Hinzu kamen noch 600 bzw. 700 Verwundete. Felipe Braun hatte großes Glück. Denn während fünf seiner Pferde im Kampf starben, blieb er selbst unverletzt.370 So sehr Felipe Braun im Anschluss an die Schlacht von Junín Ehrungen und Beförderungen zuteilwurden, so galt der Dank Sucres und Bolívars in Ayacucho vornehmlich anderen Akteuren, etwa den Generälen Córdova, Lara oder Gamarra. Auch wenn Felipe Braun – wie übrigens die meisten Europäer – nicht im offiziellen Schlachtbericht erwähnt wurde, fanden Zeitzeugen in ihren Memoiren lobende Worte für den Beitrag des Kommandanten der zweiten Schwadron der Granaderos a Caballo.371 General William Miller, der oberste Befehlshaber der republikanischen Kavallerie und damit Vorgesetzter Brauns, zählte ihn zu dem halben Dutzend fähiger Offiziere, die sich von mehreren Hundert als wertvoll erwiesen „und sich in Ayacucho erneut auszeichneten“372. Francisco Burdett O’Connor seinerseits schilderte nicht nur detailliert die Schlacht inklusive diverser Beschreibungen von Brauns Aktionen, sondern qualifizierte ihn auch als „unerschrockenen ­Teniente Coronel“373. Der unmittelbare Vorgesetzte Brauns, Coronel Lucas Carvajal, bescheinigte dem Kommandanten der zweiten Schwadron, dass „sein militärisches Verhalten in diesem Akt [= in der Schlacht von Ayacucho, Anm. RK] aufgrund seines Mutes ausgezeichnet

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S. 440ff. Lecuna, Liberacion del Peru, 1941, S. 58ff. Melli, Emancipación Sudamericana, 1997, S. 85ff. Puente Candamo, La independencia, 1994, S. 404ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 69f. Slatta, Simón Bolívar, 2003, S. 248ff. Valencia Tovar, Campaña Libertadora del Peru, Bd. 2, 1993. S. 86ff. Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 2, 1975, S 130ff. Villanueva Sotomayor, Historia del Perú, 1995, S. 322ff. 09.09.1825 La Paz. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 239. Francisco Burdett O’Connor, der sich ebenfalls in dieser Schlacht durch persönlichen Einsatz ausgezeichnet hatte, bemerkte verbittert, dass die europäischen Helden der Schlacht aus politischen Gründen übergangen worden seien: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 149. 19.12.1824 Huamanga. Aufstellung der nach der Schlacht von Ayacucho gewährten Beförderungen, unterschrieben von Sucre, in: Lecuna, Archivo de Sucre, Bd. 4, 1976, S. 550. Miller, Memoirs, Bd. 2, Lima 1975 [=1829], S. 143. O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 149. Neben Miller und O’Connor beeindruckte Braun auch andere Teilnehmer der Schlacht durch seine Furchtlosigkeit und seinen Mut: Vargas, La Guardia de Honor, Bd. 2, 1975, S. 144.

Junín und Ayacucho



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war und dass sein Elan während der Schlacht auf seine Einheit überging“374. Felipe Braun stach in Ayacucho nicht so stark persönlich hervor, wie er dies in Junín getan hatte. Doch seit Junín hatte sich etwas grundlegend verändert: Braun wurde von nun an wie selbstverständlich als Bestandteil der wichtigsten Kommandeure der Unabhängigkeitsarmee genannt. Dies zeigt, dass Braun kein niederer ­Offizier mehr war, der durch Glück eine Sternstunde erlebt hatte und von dem man später nie wieder etwas hören sollte. Ganz im Gegenteil, Braun gelang es, sich im Führungszirkel um Bolívar und Sucre zu etablieren. Dies zeigen auch die folgenden zwei Begebenheiten.

Einer der 18 wichtigsten Offiziere Wie oben erwähnt, hatte der großkolumbianische Kongress im Jahre 1823 Simón Bolívar die formelle Genehmigung erteilt, die Expeditionsarmee nach Peru zu führen und dort die Unabhängigkeit Südamerikas zu vollenden. Im nächsten Jahr jedoch widerrief der großkolumbianische Kongress von Bogotá sämtliche Vollmachten und verbot Bolívar – und zwar in einem veröffentlichten Beschluss – die gleichzeitige Ausübung des Oberkommandos der Armee und des Präsidentenamtes. Dies kam faktisch einem Entzug der militärischen Befehlsgewalt gleich.375 Schon die Zeitgenossen sahen dies als offenen Angriff der kolumbianischen Legislative auf Bolívar, und der Vorfall zeigt deutlich dessen immer stärker werdenden politischen Probleme in Groß-Kolumbien. Als Antonio José de Sucre von dieser „schrecklichen Beleidigung der Exekutive durch den Kongress“376 erfuhr, formulierte er im November 1824 ein für die politische 374 16.12.1824 Huamanga, Aufstellung der Offiziere des berittenen Gardegrenadierregiments, unterzeichnet von Carvajal, bestätigt von Geralindo, in: Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 3, 1924, S. 70f. Aufgrund ihrer Tapferkeit und herausragenden Leistung erhielten die Granaderos a Caballo den Ehrennamen Granaderos de Junín: 09.09.1825 La Paz. Dekret von Bolívar. Verliehene Ehren, in: Sociedad Bolívariana de Venezuela, Decretos del Libertador, Bd. 1, 1961, S. 434. 375 Boulton, Miranda, Bolívar y Sucre, 1959, S. 80f. Carrillo Moreno, Bolívar, 1971, S. 132f. Castillo Lara, José Laurencio Silva, 1973, S. 170ff. Cortés Vargas, Participación de Colombia en la libertad de Perú, Bd. 1, 1924, S. 162ff. Libermann, Tiempo de Bolívar, Bd. 2, 1989, S. 669ff. Lynch, Simón Bolívar, 2007, S. 193. Porras Troconis, Campañas Bolívarianas de la libertad, 1953, S. 347ff. Rehrmann, Simón Bolívar, 2009, S. 135f. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 68f. Vargas Ugarte, Historia General del Perú. Emancipación, 1966, S. 347. 376 Der Befehl befindet sich auch in den „Memorias“ (Narracion) von O’Leary. Jedoch unterlief ihm bei der Datierung ein Fehler. Der Brief stammt – aufgrund der Kontextbezüge – eindeutig aus dem Jahre 1824 und nicht von 1823. Siehe: 10.11.1824

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Auseinandersetzung bestimmtes Schreiben an Simón Bolívar, in dem er aufs Heftigste gegen die öffentliche Beleidigung seines Vorgesetzten protestierte und ihn seiner vollen Loyalität versicherte. Alle wichtigen Offiziere der kolumbianischen Unabhängigkeitsarmee – 18 Personen von über 6.000 Kolumbianern in Peru – unterschrieben diesen politischen Unterstützungsbrief. Otto Philipp Braun war einer von ihnen.377 Simón Bolívar allerdings beugte sich dem politischen Druck aus Bogotá, um die politischen Gemüter zu beruhigen. Um nicht den geringsten Verdacht verfassungswidrigen Verhaltens zu erwecken, akzeptierte er den Beschluss des Kongresses. Deswegen ließ er das vehemente Protestschreiben seiner wichtigsten Offiziere in einer Schublade verschwinden.378 Nichtsdestotrotz verdeutlicht die Unterschrift Brauns unter dieses Dokument seine Zugehörigkeit zu den 18 politisch einflussreichsten und auch in Kolumbien angesehensten Offizieren der Expeditionsarmee.379

Bolívar und Braun auf dem Cerro Rico in Potosí Neben der Unterschrift Felipe Brauns unter das politische Unterstützungsschreiben von Sucre an Bolívar verdeutlicht eine spätere Begebenheit ebenfalls, wie sehr Braun von einem unbedeutenden Offizier zu einem wichtigen Akteur im unmittelbaren Umkreis des Libertadors geworden war. Simón Bolívar hatte nach der Kapitulation von Ayacucho Marschall Antonio José de Sucre mit der militärischen Durchsetzung der Unabhängigkeit und politischen Neuordnung Hoch-Perus beauftragt. Nach der ihm erst unpassend erscheinenden, aber dann doch genehmigten Gründung eines nach ihm selbst benannten Staates reiste Bolívar im Sommer 1825 nach Bolivien. Auf seinem Triumphzug durch die bolivianischen Städte und nach unzähligen Truppeninspektionen und diplomatischen Gesprächen mit den neuen Nachbarländern erreichte Bolívar Anfang Oktober 1825 die Stadt Potosí. Am 25. des gleichen Monats bestieg der LiPichirgua. Sucre (u.a.) an Bolívar, in: Lecuna, Archivo de Sucre, Bd. 4, 1976, S. 441. 10.11.1823 Petition, unterzeichnet von Sucre und seinen Kommandeuren (darunter Braun) an Bolívar, in: O‘Leary, Bolívar y la emancipación de Sur-América, 1915, S. 336ff. 377 10.11.1824 Pichirgua. Sucre (u.a.) an Bolívar, in: Lecuna, Archivo de Sucre, Bd. 4, 1976, S. 442. 378 Boulton, Miranda, Bolívar y Sucre, 1959, S. 80f. Carrillo Moreno, Bolívar, 1971, S. 135. Castillo Lara, José Laurencio Silva, 1973, S. 174f. Lynch, Simón Bolívar, 2007, S. 193. Porras Troconis, Campañas Bolívarianas de la libertad, 1953, S. 348f. Rumazo Gonzáles, Antonio José de Sucre, 2006, S. 169f. 379 Der Bolívar-Biograph Jacobo Libermann zählt Braun aufgrund dieser Nennung sogar zu den elf wichtigsten Offizieren des Libertador – nach Sucre, Lara, Córdova, Sanders und O’Connor: Libermann, Tiempo de Bolívar, Bd. 2, 1989, S. 669f.

Das Kavellerie-Regiment Brauns



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bertador in Erfüllung eines 20 Jahre zuvor geleisteten Schwures den berühmten Silberberg Cerro Rico. Dort entrollte er die Fahnen der befreiten Länder und schloss die Unabhängigkeit Südamerikas symbolisch ab. Auf dem Gipfel des über der Stadt thronenden Berges bilanzierte Bolívar den 15 Jahre langen „Kampf der Giganten“380, an dessen Ende „wir das Gebäude der Tyrannei eingerissen haben“381. Bei der symbolträchtigen Besteigung des Cerro Rico, der für Hunderte Jahre den Reichtum und die Macht der spanischen Krone in Südamerika symbolisiert hatte, begleiteten Bolívar neben den Stadt- und Provinzhonoratioren und ausländischen Diplomaten seine engsten Offiziere. Darunter befanden sich nicht nur Marschall Sucre, General Miller, General O’Leary, Córdova, Lara, La Mar, sondern auch der 26-jährige Felipe Braun.382 Alle diese Begebenheiten legen nahe, dass Braun sich im Führungszirkel der siegreichen Unabhängigkeitsarmee etabliert hatte. Türöffner waren zum einen die in Junín gezeigten militärisch-situativen Leistungen. Doch es gilt zu unterstreichen, dass Brauns Verhalten in Junín und auch in Ayacucho den einflussreichen Akteuren vor allem die militärisch-strukturellen Leistungen Brauns vor Augen geführt hatten. Als fähiger Offizier hatte Braun in den Jahren zuvor eine disziplinierte und schlagkräftige Schwadron geformt. Dies war die nun von vielen Akteuren registrierte zweite große, nämlich die militärisch-strukturelle Leistung Felipe Brauns im südamerikanischen Unabhängigkeitskrieg.

3.5 Militärisch-strukturelle Leistungen: Das KavallerieRegiment Brauns Ob Otto Philipp Braun tatsächlich „das schönste Kavallerie-Regiment in ganz Amerika“383 kommandierte, wie er im Jahre 1825 an seine Eltern schrieb, mag dahingestellt sein. So wenig bescheiden diese Selbsteinschätzung Brauns klingt, so ist sie doch nicht vollkommen von der Hand zu weisen. Denn sie deutet 380 26.10.1825 Potosí. Bolívar. Rede in Potosí, in: Lecuna, Simón Bolívar. Obras Comletas, Bd. 3, 1950, S. 756. 381 Ebd. 382 20.06.1829 Valparaíso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 249. Ferner: Costa de la Torre, Bolívar y Sucre, 1985, S. 163. Díez de la Medina, El Libertador en Bolivia, 1954, S. 132. Gisbert, La Independencia 1800–1828, 2003, S. 353. Lynch, Simón Bolívar, 2007, S. 200. Mendieta Pacheco, Potosí, 1988, S. 128. Miller, Memoirs, Bd. 2, 1829, S.309f. Nielsen-Reyes, Santa Cruz y el Libertador, 1978, S. 51. O’Leary, Memorias, Narracion, Bd. 1, 1952, S. 387f. Siles Salinas, La Independencia de Bolivia, 1992, S. 350f. Subieta Sagarnaga, Bolívar en la cumbre de Potosí, 1995, S. 168. Subieta Sagarnaga, Bolívar y Bolivia, 1975, S. 88. 383 05.12.1825 Cochabamba. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 244.

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Militärische Leistungen 1820–1825

auf seine im fünf Jahre währenden Krieg gezeigten militärisch-strukturellen Leistungen, vor allem bei der Ausbildung der von ihm kommandierten Kavallerie-Schwadronen. Seine herausragenden Fähigkeiten als Offizier erkannten auch seine Vorgesetzten und Kameraden an. Dies führte – vor allem nach der Schlacht von Junín – zu einem exzellenten Ruf Brauns. Genauso wie Braun während seiner Tätigkeit für den haitianischen König beim Bau des Reithauses und beim Einreiten der königlichen Pferde auf sein aus Europa mitgebrachtes Wissen zurückgreifen konnte, fand während seiner Beteiligung am südamerikanischen Unabhängigkeitskrieg ein transatlantischer Wissenstransfer statt, diesmal im militärisch-strukturellen Bereich.

Transatlantischer Wissenstransfer: Braun als Ausbilder und Übersetzer Nichts illustriert den transatlantischen Transfer militärischer Expertise besser als die von Braun persönlich und handschriftlich ins Spanische übersetzten und mit eigenen Kommentaren an die südamerikanischen Verhältnisse adaptierten „Geheimen Instruktionen des Königs von Preußen an die Offiziere seiner Armee, hauptsächlich von der Cavallerie“384. Bisherige Forschungen erwähnen zwar immer, dass Braun die „Kavallerieinstruktionen“ Friedrichs des Großen (1712–1786) ins Spanische übersetzte. Sie bleiben allerdings den Beweis schuldig, dass Brauns Übersetzung tatsächlich auf eine Abhandlung des preußischen Königs zurückging. Auch war bisher vollkommen unklar, welchen der unzähligen militärtaktischen und militärpädagogischen Traktate Friedrichs des Großen Otto Philipp Braun übersetzte.385 Dies kann nach einem Vergleich der Braunschen Übersetzung mit 384 Friedrich, König von Preußen, Geheime Instruction des Königs von Preußen an die Offiziere seiner Armee, hauptsächlich von der Cavallerie, 1778 (eines der wenigen Exemplare ist zu finden in der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle/Saale). So geheim, wie das Titelblatt verspricht, waren die gesammelten Instruktionen nicht, da sie Anfang des 19. Jahrhunderts teilweise schon veröffentlicht und sogar ins Französische und Spanische übersetzt waren. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Braun diesen Text persönlich übersetzte, da die von ihm benutzte Version keiner der zeitgenössischen Übersetzungen entspricht, wie etwa: Sanchez Boado, Instruccion destinada a las tropas ligeras de infanteria y caballeria, 1804. Neben Braun sind noch einige andere ausländische Offiziere bekannt, die – wie etwa James Fraser die britische „Drill Instruction und Anweisung“ – militärische Werke ins Spanische übersetzten und so den transatlantischen Wissenstransfer begründeten: Brown, Foreign Mercenaries, 2006, S. 61. 385 Es kann hier nicht auf die unzähligen Schriften Friedrichs des Großen hingewiesen werden. Maßgeblich im Hinblick auf die Kavallerie waren vor allem: Bleckwenn, Friedrich der Große, Reglement Husaren-Regimenter, 2 Bde., 1976 [=1743]. Bleck-

Das Kavellerie-Regiment Brauns



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dem im Zuge des Bayerischen Erbfolgekrieges entstandenen Originals aus dem Jahr 1778 nun endgültig beantwortet werden.386 Brauns Leistung bestand darin, die „Geheimen Instruktionen“ an die südamerikanische Umgebung anzupassen und mit entsprechenden Kommentaren zu versehen. Darüber hinaus ließ er seine Erfahrungen aus den Befreiungskämpfen gegen Napoleon einfließen, indem er auch auf französische Besonderheiten hinwies. Dabei ließ er es sich nicht nehmen, auf – seiner Meinung nach – „Fehler“ Friedrichs des Großen hinzuweisen und ihn zu korrigieren.387 Die Anpassungen aufgrund von Erlebnissen vor Ort verweisen auf die Mehrdimensionalität des hier beschriebenen Prozesses. Denn es kann hier nicht von einer eurozentristischen Eindimensionalität eines mechanischen Wissenstransfers ausgegangen werden. Zwar transferierte Braun ohne Zweifel militärisches Wissen, seine persönlichen Erfahrungen und seine akademischen Kenntnisse aus Europa nach Südamerika. Doch beeinflussten ihn seine Erlebnisse und Erfahrungen dort auch in seinem eigenen Verhalten als Offizier. Dies ist an den Modifikationen der Instruktionen ablesbar – was die Wechselseitigkeit der Einflüsse bei der Entstehung von Wissen im transatlantischen Raum unterstreicht. Otto Philipp Braun hatte nicht nur die „Instruktionen“ Friedrichs des Großen übersetzt, sondern bereits als unbedeutender Kavallerieoffizier seine Schwadron systematisch ausbildet und diszipliniert. Zeitzeugen war die besondere Qualität der von Braun kommandierten Granaderos nicht verborgen geblieben. Als Francisco Burdett O‘Connor beispielsweise im Frühling 1824, also noch vor den Entscheidungsschlachten von Junín und Ayacucho, als Generalstabsoffizier das Winterlager der Granaderos a Caballo in Yungay besuchte und inspizierte, wohnte er einer eindrucksvollen Demonstration des Ausbildungsstandes Felipe Brauns bei. Dieser ließ seine Schwadron auf dem Hauptplatz der Stadt Aufstellung nehmen und einige Manöver „mit der größten Perfektion eindrucksvoll“388 durchführen. Dann rief er einen beliebigen Soldaten der unteren Ränge aus der Formation zu sich und ließ ihn die Schwadron befehlen und weitere Manöver wenn, Friedrich der Große, Reglement Preußische Dragoner-Regimenter, 2 Bde., 1976 [=1743]. Bleckwenn, Friedrich der Große, Reglement Preußische KavallerieRegimenter, 2 Bde., 1976 [=1743], 25.07.1744 Disposition, wie sich die Officiere von der Cavallerie in einem Treffen gegen den Feind zu verhalten haben, in: Volz, Die Werke Friedrich des Großen, Bd. 6, 1913, S. 175. Zu den unterschiedlichen Kavallerie-Reformen Friedrichs des Großen siehe: Meyer, Geschichte der Reiterkrieger, 1982, S. 182ff. Pelet-Narbonne, Brandenburg-Preußischen Reiterei, 1905, S. 109ff. Schmidt, Der Werdegang des preußischen Heeres, 1975 [=1902], S. 159ff. 386 1824 Braun, Geheim-Instruktionen des Königs Friedrich II. von Preußen, in: Archiv Braun, Bd. 793. Friedrich, König von Preußen, Geheime Instruction des Königs von Preußen an die Offiziere seiner Armee, hauptsächlich von der Cavallerie, 1778. 387 1824 Braun, Geheim-Instruktionen des Königs Friedrich II. von Preußen, in: Archiv Braun, Bd. 793, S. 65ff. 388 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 97.

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Militärische Leistungen 1820–1825

vorführen – „mit der größten Präzision“, wie O’Connor in seinen Lebenserinnerungen festhielt.389 Diese Geschichte illustriert, wie einzelne Teile der braunschen Schwadron auch nach einem möglichen Verlust ihrer Offiziere oder nach der Trennung von diesen nach einer Versprengung noch immer in der Lage waren, als militärische Einheit auf dem Schlachtfeld geordnet zu agieren. Dies war in Junín mehrmals der Fall gewesen. Nachdem die Granaderos die nach dem Durchbruch zur Verfolgung provozierten Gegner vernichtet hatten, fanden sie wieder zu einer festen Kampfeinheit zusammen und ritten zur Entlastung der in Bedrängnis geratenen Einheiten in den Rücken der spanischen Kavallerie.390 Darüber hinaus gelang es Braun durch seine Arbeit, großes Vertrauen bei seinen Soldaten zu erwerben. Dies ermöglichte es ihm, eine hohe Disziplin in seiner Einheit aufzubauen. Ohne dieses große Vertrauen und ohne diese besondere Disziplin lässt sich der Gehorsam der Soldaten Brauns auf dem Schlachtfeld von Junín, als 1.400 spanische auf 200 eigene Reiter zurasten und der Offizier Braun den jeder gängigen Militärlogik widersprechenden Befehl zum Abwarten gab, nicht erklären. Es war eine beeindruckende Leistung Brauns, Einheiten geformt zu haben, die dieser Situation standhielten. Jedoch nicht nur in Junín zeigten sich der hohe Ausbildungsgrad und die Fähigkeiten der Truppen und damit des Offiziers Felipe Braun. Auch in der Schlacht von Ayacucho hatte sich dieser Ruf ausgezahlt, wie folgendes Beispiel verdeutlichen soll: General Sucre hatte ganz zu Beginn der Schlacht die Order gegeben, dass die Granaderos a Caballo unter dem Befehl Brauns die gegnerische Kavallerie am Fuße des Berges zur Rechten angreifen sollten. Kaum 80 Schritte von ihren Gegnern entfernt ließ Braun den Angriff jedoch abbrechen und zog sich aufgrund unvorteilhaften Terrains wieder zum Ausgangspunkt zurück. Dieser Abbruch hatte den Spaniern die Gelegenheit gegeben, die sich wendende Schwadron der Republikaner im Rücken anzugreifen. Doch sie zögerten, und Augenzeugen berichten, dass die spanischroyalistischen Offiziere heftig untereinander diskutierten. Nach der siegreichen Schlacht von Ayacucho hatte der Generalstabsoffizier Francisco Burdett O’Connor im Rahmen eines Banketts die Gelegenheit, sich bei seinem ehemals gegnerischen spanischen Tischnachbarn General Valentín Ferraz zu erkundigen, warum er nicht den ungeplanten Rückzug der Granaderos genutzt habe, diese anzugreifen und zu vernichten. Ferner fragte er ihn, was er in dieser für sie so günstigen Situation mit seinen Offizieren so vehement besprochen habe. General Ferraz antwortete, dass er seinen Soldaten nachdrücklich verboten habe, hinter den Granaderos herzureiten, da es deren in Junín gezeigter Kampftechnik entspreche, eine wilde Flucht vorzutäuschen, aber dann den hinterher reiten389 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 97. 390 Dieses Schauspiel beobachtete etwa Tomás Cipriano Mosquera: Mosquera, Memoria sobre la vida del General Simón Bolívar, 1940, S. 477.

Das Kavallerie-Regiment Brauns



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den Gegner niederzumachen.391 Die von Braun ausgebildete Schwadron hatte beim spanischen General den Eindruck eines geplanten militärischen Manövers erweckt – obwohl es sich diesmal tatsächlich um einen Rückzug gehandelt hatte. Diese Interpretation der Spanier bewahrte die Granaderos in Ayacucho vor einer unvorteilhaften Begegnung mit der spanischen Kavallerie und ermöglichte es ihnen, im weiteren Verlauf an entscheidenden Stellen in die Schlacht einzugreifen. Dieser Vorgang am Rande der Schlacht von Ayacucho zeigt, dass sich die braunsche Kavallerie nicht nur bei Freund, sondern auch bei Feind einen respektablen Ruf erarbeitet hatte. Dies bestätigt auch der hohe spanische ­Offizier Andrés García Camba in seinen Memoiren.392 Neben der Ausbildung und Disziplinierung der Truppe, die beide zu dem exzellenten Ruf Brauns beitrugen, war es vor allem während der Feldzugspausen seine Aufgabe, für die adäquate Ausrüstung und Ausbesserung seiner Einheit zu sorgen. Er erarbeitete sich dabei über seine Schwadron hinaus einen guten Ruf als verlässlicher Spezialist und fähiger Organisator. Dies ist vor allem der Heeresadministration während des Winterlagers in Yungay/Huaraz in der ersten Jahreshälfte 1824 zu entnehmen.393 In einem Befehl ­Antonio José de Sucres vom März 1824 beispielsweise beauftragte dieser Braun mit dem Schmieden neuer Hufeisen und Nägel sowie mit dem Beschlagen nicht nur seiner eigenen Schwadron, sondern aller Kavallerieeinheiten im Tal von Yungay.394 Wenig später befahl er Braun, im Winterlager ankommenden Kavallerieeinheiten seine Sattler zur Verfügung zu stellen, sodass diese deren Ausrüstung aufbessern konnten.395 Es scheint also ein Merkmal der braunschen Truppe gewesen zu sein, nicht nur gute Soldaten, sondern auch gute Handwerker in ihren Reihen zu haben. Daher setzte Braun nicht nur die militärische Infrastruktur seiner eigenen Einheit instand, sondern kümmerte sich nachhaltig auch um Einheiten außerhalb seines eigentlichen Zuständigkeitsgebietes. Die militärisch-strukturellen Leistungen Brauns helfen auch erklären, warum Brauns Stern nicht nach kurzer Zeit unterging, sondern stetig weiter stieg. Denn mit der systematischen 391 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 157f . 392 García Camba, Memorias, Bd. 2, 1916, S. 257. 393 Siehe etwa: 05.01.1824 Huánuco. Sucre an den Sekretär Bolívars, in: Fundacion Vicente Lecuna, Archivo de Sucre, Bd. 4, 1976, S. 49ff. 07.01.1824 Huánuco. Sucre an den Sekretär Bolívars, in: Ebd., S. 54f. 13.01.1824 Huáncano. Sucre an Bolívar, in: Ebd., S. 60f. 02.04.1824 Huarás. Sucre an den Generalstabschef, in: Ebd., S. 253f. 394 Es sei daran erinnert, dass während seines Studiums in Hannover das richtige Beschlagen und die Pflege der Pferde regelmäßig auf dem Stundenplan standen, siehe Kapitel 2.3 „Europäische Expertise aus Hörsaal und Reitstall 1815–1818“. 24.03.1824 Huarás. Sucre an den Generalstabschef, in: Fundacion Vicente Lecuna, Archivo de Sucre, Bd. 4, 1976, S. 224f. 395 30.03.1824 Huarás. Sucre an den Generalstabschef, in: Fundacion Vicente Lecuna, Archivo de Sucre, Bd. 4, 1976, S. 236f.

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Militärische Leistungen 1820–1825

Ausbildung eines schlagfertigen, disziplinierten und dafür geachteten und gefürchteten Kavallerie-Regiments hatte er ein materielles Fundament für seinen nachhaltigen Erfolg gelegt. Gleichzeitig dienten ihm dieser Erfolg und sein gesammeltes Prestige auch als Sprungbrett für eine große Nachkriegskarriere.

3.6 Krieg als Katalysator und Risikofaktor politischer Karrieren Der südamerikanische Unabhängigkeitskrieg war nicht nur ein militärisches oder politisches Ereignis, sondern er fungierte für die beteiligten Akteure auch als Katalysator für persönliche Beziehungen, politische Karrieren und sozialen Aufstieg. Wem es gelang, sich im exklusiven Kreis um die politisch-militärische Führung der Unabhängigkeitsbewegungen zu etablieren, verfügte nach dem erfolgreichen Abschluss der Feldzüge über beste Kontakte in die Regierungs- und Präsidentenpaläste – zumal die geteilte Erfahrung der harten Feldzüge und blutigen Schlachten einen eigenen Korpsgeist hervorgebracht hatten.396 So wurden aus früheren Generälen Präsidenten, aus deren Offizieren oftmals Minister oder Politiker. Wie sich eine solche Beziehung anbahnte, soll am Beispiel der Freundschaft zwischen Braun und dem – damals – viel höhergestellten Generalstabsoffizier Francisco Burdett O’Connor nachgezeichnet werden. Am Ende des Kapitels weist das nicht vollstreckte Todesurteil gegenüber Braun noch einmal darauf hin, wie fragil die Situation eines Offiziers – trotz aller persönlichen Verdienste – sein konnte und wie wichtig mächtige Fürsprecher aus einem einflussreichen Netzwerk waren. Zuerst sei jedoch auf die Unabhängigkeitsarmee als Beziehungskatalysator hingewiesen: So glorreich viele Erzählungen der Zeitgenossen oder Historiker über diesen Abschnitt der südamerikanischen Geschichte klingen, so sehr müssen doch die oftmals katastrophalen, schrecklichen und elenden Alltagsbedingungen der Soldaten benannt werden. Gerade von den europäischen Freiwilligen starben viele Hunderte, wenn nicht sogar Tausende.397 Sie starben aber nicht vornehmlich in 396 Dies galt jedoch nicht für alle europäischen Freiwilligen in Südamerika. Viele Offiziere und vor allem Soldaten ohne tragfähige Netzwerke in die Präsidentenpaläste hinein oder ohne direkten Zugang zu Simón Bolívar mussten für ihre Pensionsansprüche, Löhne und Gratifikationen oft lange kämpfen – oftmals vergeblich. Viele der einfachen Soldaten kehrten ohne Entlohnung nach Europa zurück oder mussten ohne große Ressourcen vor Ort einen Neuanfang wagen. Ab Mitte der 1820er Jahre mussten viele sogar um ihre durch ihre Beteiligung am Unabhängigkeitskrieg gewonnenen staatsbürgerlichen Rechte bangen – im Gegensatz zum gut vernetzten und hoch angesehenen Otto Philipp Braun. Brown, Foreign Mercenaries, 2006, S. 156ff. 397 Gerade bei Quellen aus der Feder zurückgekehrter europäischer Freiwilliger gilt es zu beachten, dass sie die Zustände in Südamerika häufig überzeichneten, um ihre – oft wenig glorreiche – Rückkehr oder gar Desertion zu legitimieren. Siehe etwa: Brown, For-

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Schlachten oder bei Belagerungen, sondern an tropischen Krankheiten, Hunger, Erschöpfung, Raubtierangriffen, mangelnder medizinischer Versorgung oder harten Disziplinarstrafen und Misshandlungen durch moralisch nicht immer einwandfrei agierende Offiziere. Auch die Infrastruktur der Unabhängigkeitsarmee war in den Jahren 1819 bis 1822 oftmals prekär. Es gab Kavallerieeinheiten ohne Pferde und Artilleriekompanien ohne Kanonen. Die Essensrationen waren oftmals mangelhaft. Vielfach mussten die Soldaten mit einer kärglichen Ration aus Reis, Wasser und Keksen auskommen. Sold gab es in den seltensten Fällen. Das Heer versorgte sich überwiegend im Felde – also durch Raub. Aufgrund all dieser Unzulänglichkeiten waren unter den Soldaten Desertion, Aufstände und Meutereien an der Tagesordnung und gefährdeten das Leben loyaler Offiziere – wie auch Felipe Brauns – zusätzlich. Neben diesen Faktoren bedrohten selbstverständlich auch Scharmützel, Überfälle und große Schlachten das Leben der Beteiligten.398 Die Umstände waren für Soldaten und Offiziere also äußerst hart. Dies blieb nicht ohne Folgen: Vor dem Hintergrund der gemeinsam nicht nur erlebten, sondern auch erlittenen Feldzüge und der gemeinsam bestrittenen Schlachten formte sich – gerade unter den Offizieren – eine „Imagined Community“, eine Identitäts- und Schicksalsgemeinschaft, inklusive Habitus und geteilten Deutungsmustern.399 Otto Philipp Braun war ein Teil davon. Denn im Gegensatz zu den eign Mercenaries, 2006, S. 202ff und besonders: Richard, Briefe aus Columbien, 1992 [=1822]. Zu den hohen Todesraten siehe auch: Hasbrouck, Foreign Legionaries, 1969 [=1929], S. 85ff. Dies betont Rodriguez bei der Abhandlung jeder europäischen Einheit eingehend. Rodriguez, British Volunteers, 2 Bde., 2006, besonders aber: Brown, Foreign Mercenaries, 2006, S. 40, 42, 62. Bei den royalistisch-spanischen Truppen waren die Todes- und Desertionsraten aufgrund ebenfalls katastrophaler Versorgungsbedingungen ähnlich hoch: Brown, Foreign Mercenaries, 2006, S. 66ff. Marchena Fernández, Oficiales y soldados en el ejército de América, 1983, S. 325f. 398 Als Zeitzeuge sei auf O’Connor verwiesen, der dies mehrmals eindringlich schildert: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 22ff. Die Forschung bestätigt die Umstände: Brown, Foreign Mercenaries, 2006, S. 202ff. Earle, Disease, Death, and the Spanish-American Revolutions, 1996, S. 371f. Hasbrouck, Foreign Legionaries, 1969 [=1929], S.85ff. Marchena Fernández, Oficiales y soldados en el ejército de América, 1983, S. 325f. Rodriguez, British Volunteers, 2 Bde., 2006. 399 Diesen Effekt unterstützten auch die Aktivitäten der Offiziere während der Feldzugspausen. Oftmals, wenn genügend Ressourcen vorhanden waren, veranstalteten sie große Feste oder Bälle. Alltäglicher waren allerdings Karten- und Glücksspiele sowie der gemeinsame Tabak- und Alkoholkonsum. Aber nicht nur die tatsächlich gemeinsam erlebten Umstände führten zu Netzwerken und einer eng verbundenen Gemeinschaft. Allein die Unterstellung von Gemeinsamkeiten und imaginierte geteilte Erfahrungen und Erinnerungen lassen schon eine Gemeinschaft, genauer eine „Imagined Community“ nach Benedict Anderson, entstehen: Anderson, Die Erfindung der Nation, 2005 [=1983], S. 14f. Für die Republikaner vermutete dies auch: Marchena Fernández, Los Procesos de Independencia en los Países andinos, 2007, S. 161.

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meisten europäischen Freiwilligen hatte er nicht in vorher in Europa zusammengestellten, rein europäischen Einheiten gedient, die schon früh wieder den südamerikanischen Kontinent verließen, sondern von Beginn an Seite an Seite mit Südamerikanern. Aus diesem Grund lernte Braun viele einflussreiche südamerikanische Offiziere, aus deren Kreis sich später viele wichtige Politiker rekrutierten, unmittelbar kennen. Darüber hinaus durchlitt Braun gemeinsam mit seinen südamerikanischen Kameraden die Härten der Feldzüge und die Gefahren der blutigen Schlachten. Der Unabhängigkeitskrieg mit seinen harten Bedingungen war das zentrale gemeinsame, sinnstiftende und gemeinschaftsbildende Erlebnis für eine ganze Generation südamerikanischer Politiker. Die gemeinsame Teilnahme am Unabhängigkeitskrieg begünstigte für Braun die Bildung eines tragfähigen, weitreichenden und nachhaltigen Netzwerkes zu den zukünftigen Entscheidern des Kontinents. Darüber hinaus erwarb Braun aufgrund seiner kontinuierlichen Leistungen Zutritt zur Imagined Community der Veteranen des südamerikanischen Unabhängigkeitskrieges.400

Aus Kameraden werden Freunde: Braun und O‘Connor Otto Philipp Braun baute zu vielen seiner Mitstreiter freundschaftliche Beziehungen auf – wie etwa zum hochrangigen Generalstabsoffizier Francisco Burdett O’Connor. Die für die Entstehung einer solchen Freundschaft notwendigen zwischenmenschlichen Interaktionen, wie Gespräche, Begegnungen und Verhältnisse, nachzuzeichnen, ist aufgrund der Quellenlage und des flüchtigen Charakters solcher Momente nicht einfach. Die Memoiren von O’Connor erlauben jedoch einige Einblicke in die Entstehung eines solchen wechselseitigen Verhältnisses. Felipe Braun hatte Francisco Burdett O’Connor kurz nach seiner Ankunft in Barranquilla kennengelernt.401 Von einigen Treffen in dieser nordkolumbianischen Hafenstadt im Jahr 1820 abgesehen, sahen sich Braun 400 Die Gemeinschaft der Offiziere des Unabhängigkeitskrieges erklärt auch, warum in den Diadochenkämpfen nach der Unabhängigkeit zwischen den einzelnen Fraktionen des Unabhängigkeitsheeres nicht nur bei der Kommunikation zwischen den Akteuren die Form eingehalten wurde, sondern warum die Protagonisten oftmals das Leben und Eigentum ihres (geschlagenen) Feindes respektierten – außer wenn ein Akteur, wie General Salaverry in den 1830er Jahren, gegen diese ungeschriebene Regel verstieß. Spätere Generationen, die nicht mehr dieses gemeinsame Erlebnis teilten, zeigten oftmals nicht mehr diesen gegenseitigen Respekt. Der kaltblütige und persönlich ausgeführte Mord Mariano Melgarejos am bolivianischen Präsidenten Manuel Isidoro Belzu im März 1865 kann hierfür als Beispiel dienen. Siehe hierzu auch Kapitel 11. „Elder Statesman 1855–1869“. 401 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 45. Siehe hierzu auch den Abschnitt „Anwerbung und Rekrutierung 1820“.

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und O’Connor bis zum Winterlager in Yungay (1824) nicht mehr, da Bolívar O’Connor mit einer Reihe wichtiger Aufträge betraute und an verschiedene Orte – etwa nach Panama – sandte. Spätestens ab der gemeinsamen Zeit in Yungay scheint sich jedoch ein intensives freundschaftliches Verhältnis zwischen dem hohen Generalstabsoffizier O’Connor und dem einfachen Kommandeur Felipe Braun entwickelt zu haben.402 Am Anfang dieser asymmetrischen Beziehung zwischen Vorgesetztem und Untergebenem stand eine Reihe einseitiger Dienstleistungen Brauns. Als O’Connor beispielsweise kurz nach einer Inspektion der braunschen Truppen in Yungay schwer erkrankte, schickte Braun ihm den Arzt seines Regiments und stellte ihm für die Zeit seines Krankenlagers seine Ordonanz zur kontinuierlichen Pflege zur Verfügung.403 Ein zweites Beispiel verdeutlicht dies ebenfalls: Als nach der Schlacht von Junín in den Wirren des Sieges dem Generalstab des Vereinigten Heeres die Pferde gestohlen wurden, schickte Braun seinem irischen Freund eines seiner besten Exemplare, und von da an „versorgte er mich während des ganzen Feldzuges mit Pferden, so viel ich wollte“404. Inwieweit Braun diese Leistungen aus rein freundschaftlichem Altruismus erbrachte und nicht vielmehr aus politischem Kalkül, um auf diese Weise zu einem der höchsten Offiziere der Armee mit direktem Zugang zu Bolívar und Sucre eine engere Beziehung und gegenseitige Verpflichtungen aufzubauen, kann nicht beurteilt werden. Ohne Zweifel stabilisierte Braun seine Beziehung zu O’Connor über diese einseitigen Dienstleistungen und Geschenke. Diese sollten sich im Falle O’Connors noch existenziell auszahlen.405 Über die persönliche Beziehung hinaus teilten Braun und O’Connor die Härten des Feldzugs, selbst wenn sie sich an geographisch unterschiedlichen Orten aufhielten. Auch nahmen sie beide an Schlachten teil – in Junín und Ayacucho sogar an denselben. Bei Letzterer, bei der O’Connor nicht nur als Generalstabsoffizier fungierte, sondern als Kavallerist persönlich an den Kampfhandlungen teilnahm, ist davon auszugehen, dass Braun und O’Connor Seite an Seite an den Kavallerieangriffen unter General Miller teilnahmen. Diese gemeinsamen Erlebnisse trugen – n ­ eben den Dienstleistungen und Geschenken Brauns – zu einer Festi402 Reise- und Erlebnisberichte aus dieser Zeit lassen vermuten, dass gerade in den Ruhephasen der Feldzüge zwischen den einzelnen Offizieren über alle Waffengattungen und oftmals auch Hierarchiestufen hinweg Kontakte stattfanden. Die Schilderungen etwa von O’Connor, Miller oder O‘Leary sind voll von solchen Beispielen, auch wenn Felipe Braun nur wenig Erwähnung findet. Für die Zeit in Huaraz siehe beispielhaft: Opúsculo escirto por un Oficial distinguido de la Marina de los Estados Unidos que, en comisión del Comodoro Hull, entró por el Callao en Mayo 1824, in: Busaniche, Bolívar, 1981, S. 132ff. 403 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 99. 404 Ebd., S. 117. 405 Francisco Burdett O’Connor rettete Felipe Braun später einmal das Leben. Siehe hierzu den Abschnitt „Standgericht und Todesurteil“.

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gung ihrer ­Beziehung bei. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Felipe Braun auch bei anderen Akteuren, deren freundschaftliche Beziehungen später erkennbar, aber während des Unabhängigkeitskrieges nicht in den Quellen fassbar sind, wie etwa bei Andrés de Santa Cruz, Hugo Wilson, William Miller, Agustín Gamarra, Tómas Cipriano Mosquera und Juan José Flores, seine Expertise sowie, als verantwortlicher Kavallerieoffizier, seinen privilegierten Zugang zu der raren Ressource Pferd anbot und dafür im Gegenzug deren Aufmerksamkeit, Wohlwollen und letztlich den Zugang zu ihrem – höherwertigen – Netzwerk erkaufte.406 Mit dem Gelingen solcher Operationen baute Braun natürlich selbst seine eigenen Verbindungen aus. Dass Felipe Braun dies gelang, ist unbestreitbar.

Standgericht und Todesurteil Bis hierhin scheint der Weg Brauns einer stets aufsteigenden Kurve zu gleichen. Diesen Eindruck haben auch die bisherigen Arbeiten zu Braun zu erwecken versucht.407 Dem gilt jedoch entgegenzuhalten, dass Brauns Leben kurz vor der Schlacht von Ayacucho – trotz seiner herausragenden Rolle in Junín – fast vor einem Exekutionskommando jäh geendet hätte: Ende November 1824 lagerte das Vereinigte Heer in der Nähe der südperuanischen Siedlung Uripa. Dort war es am 24. des Monats zwischen den Offizieren Lucas Carvajal und Pedro Alcántara Herrán408 zu einem heftigen Streit gekommen. Herrán erkundigte sich daraufhin bei Felipe Braun, einem Offizier gleichen Ranges, ob der Befehl, den er von Carvajal erhalten habe, mit den Vorschriften übereinstimme und rechtmäßig sei. Braun verneinte dies. Hierauf verweigerte Herrán den Befehl, was die Verhaftung durch Caravajal und ein Verhör durch General Sucre zur Folge hatte. Diesem gestand Herrán, aufgrund eines Rates von Braun den Befehl missachtet zu haben. Als Sucre hiervon erfuhr, „ließ er Braun verhaften und gab den Befehl, unverzüglich einen Zug des Bataillons Rifles antreten zu lassen, um den Besagten sofort zu erschießen. Der Oberkommandierende schäumte vor Wut.“409 Als sich das Exekutionskommando formierte, um Braun hinzurichten, intervenierte – nach eigenen Angaben – O’Connor nach einem Gespräch mit 406 Es sei darauf hingewiesen, dass der Quellenkorpus, der dies am ehesten zeigen könnte, das Archiv Otto Philipp Brauns, erst Briefe ab dem Jahr 1826 enthält. Alle von Braun vorher gesammelten Briefe gingen verloren. Siehe hierzu den Abschnitt „Die Quellen“ in der Einleitung. 407 Dies gilt allen voran für die deutschen Werke von Grube und Martin: Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939. Martin, Der unbesiegte Soldat, 1942. 408 Pedro Alcántara Herrán (1800–1872) war später der fünfte Präsident Kolumbiens (1841–1845). Arizmendi Posada, Gobernantes Colombianos, 1983, S. 41ff. Posada/ Ibáñez, Vida de Herrán, 1903, S. 40. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 497. 409 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 131.

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dem Gefangenen bei General Sucre. „Zum Glück konnte ich ihn beruhigen und erklären, wie es sich in Wirklichkeit abgespielt hatte. Nämlich dass Herrán nicht mehr gemacht hatte, als Braun eine einfache Frage zu stellen, ohne ihm mitzuteilen, dass er den besagten Befehl tatsächlich als solchen erhalten hatte. Wäre dies so geschehen, dann hätte Braun ihm diesbezüglich weder seine Meinung noch seinen Rat mitgeteilt“410, versicherte O’Connor dem erbosten General. Die Erklärung des irischen Offiziers schien General Sucre zu beruhigen. Denn tatsächlich ließ dieser das Erschießungskommando abtreten und Braun freilassen. Dieser Vorfall verdeutlicht, dass Brauns Leben nicht nur am 24. November 1824 an einem seidenen Faden hing, sondern dass Intrigen, Missverständnisse und Unfälle – trotz aller jahrelangen strukturellen und situativen militärischen Leistungen – die eigentlich konsolidierte Position Brauns schnell untergraben konnten und seine Karriere sowie sein Leben hätten beenden können. Es zeigt sich auch, dass Brauns Vita bei genauerer Betrachtung eben keiner kontinuierlich aufsteigenden Erfolgskurve entspricht. Die Schilderungen von O’Connor zeigen auch, dass es tägliche Kommunikation oder Interaktion zwischen den Akteuren gab – sozusagen auf dem kurzen Dienstweg. Wie das Verhältnis von Braun, Herrán, Caravajal, O’Connor und Sucre zeigt, kommunizierten und interagierten die höheren Offiziere auch quer zu den einzelnen militärischen Einheiten und quer zu offiziellen Hierarchien. Dies erklärt auch die Kontakte Brauns über alle Waffengattungen, Nationalitäten und späteren politischen Fraktionen hinweg – auch wenn deren Entstehung nur sehr selten Niederschlag in bis heute überlieferten Quellen fand. Das Verhältnis von Sucre und Braun sollte sich zwar bald wieder normalisieren. Schließlich betraute Sucre als bolivianischer Präsident Braun mit dem Befehl über den Garnisonsdienst mit seinen Granaderos in Cochabamba. Doch sollte der von Domingo ­Matute organisierte Aufstand seiner Schwadron im November 1826 Braun bei Sucre in Ungnade fallen lassen. Dieses Auf und Ab im Leben Brauns Ende der 1820er Jahre beschreibt das nächste Kapitel.

410 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 131.

4. Politische Loyalität 1825–1828 „In dieser faustischen Revolution ist der Sieg genauso faustisch wie die Niederlage: [...] Die Spanier sind sehr bald am Ende. Aber wir wann? Einem verwundeten Reh vergleichbar, tragen wir in unserer Brust den Pfeil, der uns den sicheren Tod bringt.“411 Simón Bolívar (November 1824)

Dieses Kapitel zeigt, dass sich Braun in der zweiten Hälfte der 1820er Jahre zu einem noch gewichtigeren politischen Akteur mit erheblichem Einfluss und Kontakten zu vielen relevanten Politikern seiner Zeit entwickelte. Um Brauns Karriere besser zu verstehen, wird im ersten Teil des Kapitels auf die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen im postrevolutionären Südamerika mit Fokus auf Groß-Kolumbien, Peru und Bolivien eingegangen. Im restlichen Kapitel werden die Stationen und relevanten Ereignisse aus diesem Lebensabschnitt Brauns rekonstruiert. Dabei soll deutlich werden, dass Braun sich immer mehr im politischen und militärischen Führungszirkel der Fraktion um Simón Bolívar, Antonio José de Sucre und Juan José Flores etablierte. Gleichzeitig entstand eine scheinbar paradoxe Situation. Die in der zweiten Hälfte der 1820er Jahre das Leben Otto Philipp Brauns erschütternden schwerwiegenden persönlichen und politischen Krisen schwächten seine ­Position nicht. Im Gegenteil: Aus der Ungnade nach dem Aufstand der braunschen Granaderos, dem Zusammenbruch der Präsidentschaft Sucres in Bolivien und dem Niedergang der bolivarischen Fraktion in Großkolumbien ging Braun letztlich gestärkt und einflussreich wie nie hervor. Hierbei spielte nicht nur von wichtigen Akteuren als militärisch-situative, militärisch-strukturelle, politische oder propagandistische Leistung wahrgenommenes Verhalten Brauns eine Rolle, sondern Otto Philipp Braun setzte sich mitten im Nachkriegschaos, der Diadochenkämpfe und selbst während des Zusammenbruchs der Administration Sucre durch eine konsequente, bedingungslose politische und persönliche Loyalität zu Simón Bolívar und Antonio José de Sucre von anderen Akteuren ab. Auch dies nahmen entscheidende Akteure positiv wahr. Darüber hinaus wird das Kapitel zeigen, dass die Desintegration der ­kolumbianischen Hilfsarmee in Bolivien genauso wie die innen- und außen­ politischen Konflikte dieser Jahre in einem kontinentalen Zusammenhang sich überlappender politischer Räume verstanden werden müssen, vor allem, da der Aktionsradius der Akteure nicht auf einzelne Staaten beschränkt war. Er reichte vielmehr vom kolumbianischen Bogotá über das peruanische Lima, die bolivianischen Städte La Paz, Cochabamba, Chuquisaca und die Grenzprovinz Tarija 411 10.11.1824 Bolívar an Marqués de Toro, zit. n. Hernández Sánchez-Barba, Simón Bolívar, 2004, S. 201.

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bis in die argentinischen Nordprovinzen und sogar noch nach Buenos Aires. Auch die dortigen Akteure, mitunter politische Gegner der bolivarischen Partei, registrierten die politische Verlässlichkeit Brauns. Dies war für seine spätere nationalstaatliche Karriere von Vorteil. Ende der 1820er Jahre zerbrach die bolivarische Vision eines föderativen Südamerikas. Zwar war dies in der unmittelbaren Nachkriegszeit noch nicht entschieden, doch war auch schon die postrevolutionäre Zeit ab 1825 vom Verfall ehemaliger Bündnisse und von neuen Konflikten zwischen ehemaligen Kameraden gekennzeichnet. Dies zwang Akteure wie Otto Philipp Braun dazu, sich zu den einzelnen Interessensgruppen und politischen Fraktionen zu positionieren.

4.1 Postrevolutionäres Südamerika 1825–1828 Für Akteure wie Otto Philipp Braun waren Mitte der 1820er Jahre in Südamerika die Umstände zur Gewinnung politischer Macht und gesellschaft­lichen Prestiges sehr günstig. Auf dem ganzen Kontinent eröffneten revolutionäre Prozesse für entsprechende Akteure Möglichkeiten für den politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufstieg. Diese epochalen Veränderungen manifestierten sich nach der militärischen Durchsetzung der politischen Unabhängigkeit unter anderem darin, dass die neuen Staaten ihre kolonialen Bezeichnungen ablegten: Aus dem Vizekönigreich Neu-Granada wurde die Republik Groß­ kolumbien, das die ehemalige Audiencia de Quito, das Generalkapitanat Venezuela und die Provinzen Kolumbiens umschloss. Das Vizekönigreich Peru wandelte sich in eine Republik, und aus dem Vizekönigreich Río de la Plata entstanden die unabhängigen Staaten Paraguay (1811), Uruguay (1815/28) und die Vereinigten Provinzen (Argentinien). Die erst 1776 vom Vizekönigreich Peru der Verwaltung in Buenos Aires übertragene Audiencia de Charcas (Hoch-Peru) versuchte, als República de Bolívar einen gegenüber Peru und Argentinien eigenständigen Weg zu gehen. Das ab dem Jahre 1778 vom Vizekönigreich Peru losgelöste Generalkapitanat Chile hatte sich hierzu schon nach der militärischen Durchsetzung der Unabhängigkeit (1818) entschieden. In einem Großteil der genannten Gebiete übernahmen nach dem militärischen Sieg über die spanisch-royalistischen Truppen die militärisch-politischen Anführer der Unabhängigkeitsbewegungen die politische Macht. Simón Bolívar wurde Präsident von Groß-Kolumbien (1819–1830), fungierte zeitweilig als Präsident von Peru (1824–1827) und war in Bolivien – wenn auch nur kurzzeitig – Staatsoberhaupt (1825). Während seiner dreijährigen Abwesenheit aus Kolumbien (1823–1826), in der Bolívar mit der Vollendung der Unabhängigkeit Südamerikas in Peru und Hoch-Peru beschäftigt war, hatte er seinem Vizepräsidenten,

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General Francisco Paula de Santander, die Regierungsgewalt übertragen. Andere wichtige ehemalige Kameraden, wie der Venezolaner José Antonio Páez, erhielten hochrangige Verwaltungsposten, etwa als Militärchef von Venezuela. In Quito hatte Simón Bolívar Juan José Flores als Kommandanten der südlichen Provinzen Groß-Kolumbiens zurückgelassen. In Peru übertrug er – nachdem er das Land einige Zeit selbst geführt hatte – dem Marschall von Zepita, Andrés de Santa Cruz, die Regierungsgewalt (1826–1827).412 In Bolivien regierte derweil der vielleicht engste Mitstreiter und Freund Bolívars, der Marschall von Ayacucho, José Antonio de Sucre (1825–1828).413 In dieser strategischen Situation standen die Chancen für die Realisierung des bolivarischen Traumes einer andinen Union oder Föderation aus Groß-Kolumbien, Peru und Bolivien eigentlich nicht schlecht. Überall waren Bolívars Untergebene oder Mitkämpfer an den entscheidenden Schaltstellen der Macht installiert. Gegen den Willen Simón Bolívars schien auf den ersten Blick nirgendwo Politik machbar. Die Realität sah aber inzwischen, wie die im letzten Kapitel diskutierte Absetzung Bolívars als Oberbefehlshaber des kolumbianischen Expeditionsheeres im Sommer 1824 andeutete, anders aus. Die Zeichen der Zeit deuteten nicht auf ein panamerikanisches Staatengebilde, noch nicht einmal auf eine lose Föderation hin. Im Gegenteil: Desintegration, Zerfall und Bruderkrieg standen auf der Tagesordnung. Als eines der ersten Beispiele hierfür kann Bolívars Auseinandersetzung mit seinem ehemaligen Kampfgefährten José Antonio Páez gelten. Aus einer militärisch-administrativen Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und Santander entwickelte sich ein Aufstand mit einer gefährlichen sozialen und politischen Dynamik. Dem aus Peru herbeigeeilten Bolívar gelang es zwar, Páez wieder einzubinden und eine schon geplante Loslösung Venezuelas zu verhindern. Die politischen Differenzen zwischen Vizepräsident Santander in Kolumbien und den Anhängern von Páez in Venezuela – mit deutlichen Separationstendenzen – waren jedoch nicht mehr zu über­sehen. Beide Seiten, sowohl die Zentralgewalt in Bogotá mit den zentralkolumbianischen Provinzen als auch die venezolanischen Gebiete, fühlten sich in den Folgejahren vom jeweils anderen übervorteilt. Retrospektiv scheint vor allem die Person Bolívars die Regionen zusammengehalten zu haben. Neben sozialen, demographischen und ökonomi412 Bakewell, History of Latin America, 2005, S. 411ff. Cebrián Moreno/Martínez Riaza, Peru, Hochperu, Bolivien, 1992, S. 286ff. Chasteen, Latin America’s Struggle for Independence, 2008, S. 159ff. König, Geschichte Lateinamerikas, 2006, S. 333ff. Lynch, Simón Bolívar, 2007, S. 226ff. Núñez, El Ecuador en Colombia, 1983, S. 246ff. Rehrmann, Simón Bolívar, 2009, S. 146f. Salmoral, Neu-Granada/Großkolumbien, 1992, S. 237ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 54ff. 413 Zur historischen Person Antonio José de Sucres und seiner Präsidentschaft in Bolivien existiert eine Fülle an Darstellungen und Einzelstudien. Für eine detaillierte Besprechung des Forschungsstandes siehe: Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 67ff Anm. 74.

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schen – also strukturellen – Differenzen ging vor allem ein persönlicher Bruch durch die Eliten. Der Aufstand von Páez war nicht die einzige Herausforderung für den bolivarischen Großstaat. Auch Vizepräsident Francisco Paula de Santander fühlte sich aufgrund der Nachsicht gegenüber seinem venezolanischen Widersacher Páez hintergangen. Denn eigentlich hatten Santander und Bolívar vereinbart, die Separatisten militärisch zu schlagen. Darüber hinaus war es schon vorher zwischen Präsident und Vizepräsident zu schwerwiegenden Differenzen gekommen, die durch den von Santander vorangetriebenen Entzug der Vollmachten Bolívars in Peru im Sommer 1824 schon einmal spektakulär zum Ausdruck gekommen waren. Als Bolívar seinen Vizepräsidenten im Frühling 1827 absetzte, kam es zum endgültigen Bruch der beiden und in der Folge zur Gegnerschaft ihrer Fraktionen. Santander und seine Anhänger kämpften von nun an politisch gegen den ab August 1827 zum Diktator von Großkolumbien erhobenen Bolívar.414 Nach einem gescheiterten Attentatsversuch gegen ihn ließ dieser eine Reihe prominenter Putschisten und ehemaliger Mitkämpfer erschießen. Den zum Tode verurteilten Santander rettete nur die Fürsprache General Sucres.415 Dennoch musste er die politische Bühne Südamerikas verlassen und über den Atlantik nach Europa ins Exil gehen.416 Sowohl der Aufstand von Páez als auch der Bruch mit Santander zeigten die langsam, aber stetig zunehmende Dynamik regionaler Zentrifugalkräfte und damit den ­Zerfall der machtpolitischen Basis von Simón Bolívar. Als es im Jahre 1828 zwischen Peru und Bolivien sowie kurz danach zwischen Peru und Groß­kolumbien zum Krieg kam, standen sich erstmals einstige Kameraden gegenüber. Viele der nun verfeindeten Generäle und Offiziere hatten wenige Jahre zuvor auf den Schlachtfeldern von Junín und Ayacucho noch für die gemeinsame Sache gekämpft. Beispiele hierfür waren Otto Philipp Braun auf großkolumbianischer und dessen im vorangegangenen Kapitel erwähnter ehemaliger Vorgesetzter, General Mariano Necochea, auf peruanischer Seite.417 Diese postrevolutionären, oftmals äußerst 414 Moreno de Angel, Santander, 1989, S. 393ff. Rehrmann, Simón Bolívar, 2009, S. 154f. Restrepo, Historia de la Revolución de la República de Colombia, Bd. 3, 1969, S. 412ff. Valencia Tovar, El Ejéricto en la Gran Colombia, 1993. S. 111f. 415 Bakewell, History of Latin America, 2005.S. 411ff. Cebrián Moreno / Martínez Riaza, Peru, Hochperu, Bolivien, 1992, S. 286ff. Chasteen, Latin America’s Struggle for Independence, 2008, S. 159ff. König, Geschichte Lateinamerikas, 2006, S. 333ff. König, Ecuador, Kolumbien, Venezuela, 1992, S. 578ff, 590ff, 606ff. Lynch, Los Caudillos de la Independencia, 1984, S. 199ff. Núñez, El Ecuador en Colombia, 1983, S. 257ff. Salmoral, Neu-Granada/Großkolumbien, 1992, S. 237ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. XIVf. 416 Dort besuchte er im Übrigen das Kurfürstentum Hessen-Kassel und die Familie seines ehemaligen Rittmeisters Felipe Braun. Siehe etwa das Kapitel: 8.2 „Transatlantischer Agent 1849–1841“ 417 Siehe auch die Abschnitte „Die Schlacht von Junín“ sowie „Folgen für Felipe Braun“.

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blutigen Bruderkriege verdeutlichen – ähnlich wie die Beispiele Páez und Santander – dass die Integration aller andinen Länder in einer von Bolívar geplanten solidarischen Föderation völlig illusorisch war. Zwar versuchte Bolívar etwa, das Auseinanderbrechen Großkolumbiens durch diktatorische Maßnahmen zu verhindern, doch provozierte er dadurch Erhebungen und Verschwörungen, etwa die des einstigen „Helden von Ayacucho“, General José María Córdova (1799–1829). Selbst der Rücktritt Bolívars und die Übertragung der Macht an Joaquín Mosquera konnten diesen Erosionsprozess nicht mehr aufhalten.418 Wenig später erklärte Venezuela seine Unabhängigkeit. Panama folgte. In Ecuador trieb der ehemalige bolivarische General Juan José Flores die Loslösung voran. Peru war Bolívars panamerikanischen Plänen und liberalen Reformansichten sowieso schon immer skeptisch, wenn nicht gar feindselig gegenübergestanden. Neben all diesen für die einstige bolivarische Vision eines geeinten, starken Amerikas abträglichen Ereignissen erreichte Bolívar kurz vor der geplanten Einschiffung ins europäische Exil die Nachricht von der Ermordung seines engen Freundes Antonio José de Sucre. Noch bevor Bolívar Südamerika verlassen konnte, starb er am 17. Dezember 1830 in Santa Marta in Kolumbien.419 Dies zeigt, dass Bolívar nicht verstanden hatte, dass, nachdem kaum der gemeinsame Gegner, die royalistisch-spanische Allianz, ausgeschaltet war, unter den früheren administrativen Großgebilden schier unüberbrückbare strukturelle und politische Differenzen hervorgebrochen waren. Darüber hinaus bildeten sich auf der Ebene der Akteure unterschiedliche Fraktionen. Die einen folgten Bolívar (Bolivaristen/Kontinentalisten), andere hielten zu Santander oder Páez (Regionalisten/Nationalisten). Liberale bekämpften Konservative, und Zentralisten mussten sich mit Föderalisten auseinandersetzen. Diese Konstellation war in vielen Provinzen des andinen Raums anzutreffen. Für Akteure wie Otto Philipp Braun bedeutete diese kontinentale Desintegration, dass er sich nach jedem Putsch, jeder Verschwörung und in jedem Krieg in einem Gewirr der Fraktionen, ehemaliger Freundschaften und unterschiedlicher Abhängigkeiten positionieren musste. Otto Philipp Braun zeichnete sich dabei mehrmals durch eine konsequente Loyalität zu Simón Bolívar und Antonio José de Sucre aus – auch nach der Niederlage dieser politischen Fraktion in Bolivien.

418 Hierbei handelt es sich um den Bruder von Tomás Cipriano Mosquera. Dieser war nicht nur Autor der im letzten Kapitel mehrmals herangezogenen Memoiren, sondern in den Jahren 1829/30 auch ein Korrespondenzpartner Otto Philipp Brauns. Siehe hierzu den Abschnitt „Die Vereinbarung von Girón und Brauns diplomatische Mission“. 419 Kieffer Guzmán, Antonio José de Sucre, 1995, S. 439f. Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 118f. Lynch, Simón Bolívar, 2007, S. 273ff. Rehrmann, Simón Bolívar, 2009, S. 157ff.

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Antonio José de Sucre in Hoch-Peru Doch bevor diese Entwicklungen nach dem militärischen Sieg über Royalisten und Spanier für die Akteure erkennbar waren, stellte sich den Protagonisten der Unabhängigkeitsarmeen im jeweils von ihnen eroberten Gebiet vor allem die Herausforderung, eine neue Verwaltung aufzubauen. Denn das Ende des Feldzugs zur militärischen Durchsetzung der politischen Unabhängigkeit von Spanien bedeutete nicht nur den Abzug des spanischen Teils der geschlagenen Kolonialarmee, sondern oftmals auch die Flucht hochrangiger, aus Spanien stammender Beamter und damit den Zusammenbruch der bestehenden Regierungs- und Verwaltungsstrukturen. Es war daher nach dem militärischen Sieg die Aufgabe der Anführer der Unabhängigkeitsarmeen, die Administration der eroberten Gebiete zu übernehmen und oftmals neue staatliche Strukturen aufzubauen oder deren rudimentäre Überreste mit so wenig wie möglich belasteten Beamten neu zu strukturieren.420 Auf diese Weise wurden aus den Führern der bolivarischen Unabhängigkeitsarmeen hochrangige Regierungsmitglieder, oftmals sogar Präsidenten. Diese griffen zur Auffüllung des machtpolitischen Vakuums, welches das Chaos des Unabhängigkeitskrieges hinterlassen hatte, oft auf ihre Offiziere als Mitarbeiter und auf ihre Soldaten als bewaffnete Garantie ihrer Macht zurück. Dies war auch in Hoch-Peru unter Antonio José de Sucre der Fall. Otto Philipp Braun beispielsweise war dort als Offizier der groß-kolumbianischen Armee einer dieser neuen Funktionäre. Es war seine Aufgabe als Coronel,421 die Granaderos de Junín von einer aktiven Kriegseinheit zu einer Garnisonstruppe umzuwandeln. Gleichzeitig sollte Braun erst in La Paz und dann in Cochabamba Sicherheit und Ordnung garantieren, während Sucre ein ambitioniertes Reformprogramm sowie ein bolivarisches Verfassungsprojekt in La Paz und Chuquisaca vorantrieb.422 Doch diese gerade angedeutete Aufgabe war nicht frei von Problemen. Braun 420 Buisson, Formacion del Estado Boliviano, 1984, S. 499ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S.  107. Lofstrom, A case study in bureaucratic change. Bolivia, 1973, S. 184ff. Dies war ebenfalls in anderen Ländern der Fall: Ayala Mora, Ejército y Estado en Ecuador, 2008, S. 279ff. Thibaud, Ejércitos, guerra y la construcción de la soberanía, 2007, S. 171ff. 421 Am 9. September 1825 war er offiziell vom Teniente Coronel zum Coronel befördert worden: 09.09.1825 Befehl Nr. 21, in: Archivo General de la Nacion (de Colombia/ Bogotá), República, Fondo Despachos Militares, Bd. 12, fol. 35v. 422 Die Granaderos a Caballo de la Guardia erhielten nach der Schlacht von Ayacucho aufgrund ihrer Tapferkeit und Leistung den Ehrenamen Granaderos de Junín. Siehe: 09.09.1825 La Paz. Dekret von Símon Bolívar, in: Sociedad Bolivariana de Venezuela, Decretos del Libertador, Bd. 1, 1961, S. 433. Ebenfalls nach der Schlacht (am 16.12.1824) bat Brauns Vorgesetzter Carvajal General Sucre, Felipe Braun zum Coronel zu erheben. Mit einem Befehl Bolívars (vom 09.09.1825) wurde dieser Bitte entsprochen: 09.09.1825 Befehl Nr. 21, in: Archivo General de la Nacion (de Co-

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und seine Untergebenen bereiteten ihrem Präsidenten in den Jahren 1826–1828 mit Aufständen und Desertionen mehrmals großes Kopfzerbrechen. Nachdem sich das persönliche Verhältnis von Sucre und Braun nach dem kurzfristigen Todesurteil gegen Braun im Herbst 1824 wieder erholt hatte, erlebte es nach der Desertion eines großen Teils der von Braun befehligten Einheit zur Jahreswende 1826/27 einen neuen Tiefpunkt. Sucre billigte sogar ein Ermittlungsverfahren gegen Braun zur Vorbereitung eines möglichen Kriegsgerichtsprozesses. Aus diesem Tal kämpfte sich Braun jedoch durch militärisch-situative Leistungen sowie eine kompromisslose Loyalität in den folgenden politischen Krisen wieder heraus. Diese Loyalität belohnte Sucre, indem er Braun später als einen seiner besten Offiziere würdigte.423 Dies zeigt, dass Braun aus der persönlichen und politischen Krise gefestigt und gestärkt hervorging. Neben den zunehmenden Belastungen durch die kolumbianische Unabhängigkeitsarmee stand Präsident Sucre vor gewaltigen Herausforderungen; er machte sich zielstrebig daran, ein revolutionäres Reformprogramm – vielleicht das ambitionierteste des Kontinentes – umzusetzen. Für das von Sucre angestrebte Reformprogramm waren die Umstände jedoch denkbar ungünstig.424 Hoch-Peru war einer der ersten Teile des spanischen Kolonialreiches in Südamerika gewesen, der sich im Jahre 1809 für unabhängig erklärt hatte. Diesem Emanzipationsversuch war jedoch nur wenig Erfolg beschieden, da sich die Royalisten durchsetzen konnten. Aus diesem Grund vergingen bis zur endgültigen Unabhängigkeit durch Antonio José de Sucre und seine internationale Armee 16 weitere Jahre. In dieser Zeit überzogen Guerillakriege und diverse militärische Expeditionen aus Buenos Aires das Land, ohne die Unabhängigkeit zu erreichen. Dabei hinterließen sie Chaos, Zerstörung und geplünderte Staatskassen sowie eine ruinierte Gesellschaft.425 Ein lombia/Bogotá), República, Fondo Despachos Militares, Bd. 12, fol. 35v. Lozano y Lozano, Oton Felipe Braun, 1939, S. 913. 423 Siehe hierzu die Abschnitte „Sucre schützen: Krise als Beziehungskatalysator“ sowie „Ankunft Brauns im südlichen Großkolumbien“. 424 Zur bolivianischen Historiographie siehe: Arnade, The Historiography Modern Bolivia, 1962, S. 333ff. Dunkerley, Reassessing Caudilismo in Bolivia, 2007, S. 255ff. Irurozqui/Peralta, La Historiografia boliviana, 1993, S. 11ff. Für eine aktuelle Diskussion über den Caudillismo in Bolivien siehe: Peralta Ruiz/Irurozqui Victoriano, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S.13ff. 425 Bis 1825 hatten nur 500 Guerilleros überlebt. Arnade, La dramática insurgencia de Bolivia, 1972, S. 47ff. Arnade, Emerge of Bolivia, 1957, S. 57ff. Bidondo, Alto Perú, 1989, S. 41ff. Buisson, Formacion del Estado Boliviano, 1984, S. 499. Gisbert, La Independencia. 1800–1828, 2003, S. 329ff. Just, Comienzo de la independencia, 1994, S. 140ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 89ff. Mendoza, Tambor Mayor Vargas. Diario, 1952.Siles Salinas, La Independencia de Bolivia, 1992, S. 139ff.

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irischer Geologe, der Hoch-Peru kurz nach dem Unabhängigkeitskrieg bereiste, beschrieb, wie es dort „nicht eine einzige Kirche gäbe, die von den Verwerfungen des Krieges verschont geblieben wäre“426. Neben der traditionellen Isolierung der Region verstärkte der Unabhängigkeitskrieg eine ohnehin schon lange schwelende ökonomische, soziale und kulturelle Krise. Vom sagenhaften Reichtum Boliviens, wofür vor allem der Silberberg von Potosí, der Cerro Rico, über Jahrhunderte gestanden hatte, war nur wenig übrig geblieben – zumal dessen Ressourcen größtenteils nach Lima oder Buenos Aires geflossen und nicht in die Region investiert worden waren. Von den beispielsweise 40 funktionierenden Schmelzöfen im Jahre 1803 und Hunderten Minen in Potosí waren im Jahr der Unabhängigkeit nur noch 15 Schmelzereien und ungefähr 50 Minen übrig geblieben. Im ganzen Land waren rund 10.000 Minen aufgegeben worden, die langsam verfielen und verrotteten. Dies hatte gravierende demographische und strukturelle Folgen. Während sich in den einstigen Minenzentren die Bevölkerungszahl halbierte, erlebten die Agrarzentren einen großen Aufschwung. Dies war Ausdruck eines rückwärtsgewandten sektoralen Strukturwandels in Richtung landwirtschaftlichen Primärsektors. Dieser Prozess konnte erst Mitte des 19. Jahrhunderts wieder umgekehrt werden, als die bolivianische Silberproduktion wieder das Niveau des 18. Jahrhunderts erreichte.427 Als Antonio José de Sucre mit seinem Expeditionsheer den Desaguadero überquerte und Richtung La Paz marschierte – Felipe Braun in seinen Reihen – fand der Marschall von Ayacucho ein ausgeblutetes Land mit einer zusammengebrochenen Wirtschaft, einer zertrümmerten Verwaltung und einer krisengeschüttelten Gesellschaft vor. Trotz dieser immensen Herausforderungen begann er, vorläufig getragen von einer allgemeinen Euphorie, das Land radikal neu zu ordnen: Am 9. Februar 1825 veröffentlichte Sucre ein gemeinsam mit Casimiro Olañeta ausgearbeitetes Dekret, in dem er die Provinzen einlud, sich in Chuquisaca zu einer konstituierenden Versammlung zusammenzufinden, um über die staatliche Zukunft zu entscheiden. Mit dieser Autonomieperspektive 426 Pentland, Informe sobre Bolivia 1826, 1975, S. 100. 427 Bieber, Bolivia 1825–1850, 1989, S. 344ff. Cebrián Moreno /Martínez Riaza, Peru, Hochperu, Bolivien, 1992, S. 288f. Gisbert, La Independencia. 1800–1828, 2003, S. 352f. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 103. Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 41ff, 63ff. Lofstrom, Bolivia under Antonio José de Sucre, 1970, S. 280f. Peralta Ruiz/Irurozqui Victoriano, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 34ff. Zum Werk von William Lofstrom gilt es zu ergänzen, dass es sich bei seinem Buch „La presidencia de Sucre en Bolivia” aus dem Jahr 1987 um eine aktualisierte, aber in weiten Teilen deckungsgleiche Ausgabe seines fünf Jahre zuvor erschienenen Werkes: Lofstrom, El Mariscal Sucre en Bolivia, La Paz 1983 handelt. Um Redundanzen zu vermeiden, wird nur auf die aktuelle Ausgabe verwiesen. Für eine zeitgenössische Beschreibung der Krise der jungen Republik siehe: Pentland, Informe sobre Bolivia 1826, 1975, S. 100f. Abecia Baldivieso, Bolívar y Sucre en la fundación de Bolivia, 1983, S. 187ff.

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stand Sucre in diametralem Gegensatz zu den kontinentalen Vereinigungsplänen Simón Bolívars. Trotz einer Fülle an Darstellungen kann nicht gesagt werden, ob Sucre deshalb seinem Freund zuwiderhandelte, weil ihn einige Hoch-Peruaner um Casimiro Olañeta dazu bewegt hatten, weil er keine genauen Anweisungen von Bolívar erhalten hatte oder weil er als Großkolumbianer einen Pufferstaat zwischen Argentinien und Peru sehen wollte. Höchstwahrscheinlich spielten alle drei Faktoren eine Rolle. Im Juli 1825 trafen sich dann in Chuquisaca 48 Abgeordnete aus den hoch-peruanischen Provinzen. Unter der Leitung von José Mariano Serrano und José María Mendizábal entschieden sie sich mit einer überwältigenden Mehrheit für einen eigenständigen Staat. Während einige Abgeordnete sich für die Integration in die peruanische Republik ausgesprochen hatten, erhielt der Vorschlag, sich Buenos Aires anzuschließen, aufgrund der schlechten Erinnerungen an dessen Militärexpeditionen keine Stimme.428 Am 6. August 1825 – zum Jahrestag der Schlacht von Junín – erklärten die Abgeordneten die Unabhängigkeit. Der erst erzürnte Bolívar gab dann, von der Benennung nach ihm geschmeichelt, doch seinen Segen und erwirkte die Einwilligung Perus. Nach der Erklärung der Unabhängigkeit taufte der Kongress nicht nur den neuen Staat República de Bolívar und beschloss die mittelfristige Benennung der Hauptstadt nach General Sucre, sondern setzte auch eine Belohnung für die Unabhängigkeitsarmee von einer Million Pesos fest. Dies war ein Betrag, über den der junge Staat jedoch nicht verfügte. Dafür weckte er aber umso mehr Begehrlichkeiten – vor allem in der Expeditionsarmee. Darüber hinaus erklärte der Kongress, dass „jeder Mann, der in Junín und Ayacucho für die Freiheit kämpfte, sich würdig erweist, Gebürtiger und Bürger der República Bolívar zu sein“429. Dies bedeutete nicht weniger als die Verleihung der Bürgerrechte an die Mitglieder des Unabhängigkeitsheeres – was nicht nur die Euphorie der Akteure im Sommer 1825 verdeutlicht, sondern auch die bolivianische Staatsbürgerschaft Brauns sowie seiner Nachkommen erklärt. Neben diesen politischen Akten begannen die Abgeordneten, die Strukturen der neuen Republik, Exekutive, Legislative und Judikative, zu schaffen.430 Zu dieser Zeit reiste Simón Bolívar persönlich nach Bolivien und unternahm einen Tri428 In der Armee Sucres gab es jedoch eine Reihe argentinischer Offiziere, die der Idee einer argentinischen Provinz Hoch-Peru anhingen und in der Folgezeit dieses Projekt betrieben: Buisson, Formacion del Estado Boliviano, 1984, S. 501f. 429 11.08.1825 Chuquisaca. La Asemblea del Alto Perú, firmado por José Mariano Serrano/Angel Mariano Moscoso/José Ignacio San Ginés, in: Lecuna, Documentos referentes a la creación de Bolivia, Bd. 1, 1924, S. 306. 430 Abecia Baldivieso, Bolívar y Sucre en la fundación de Bolivia, 1983, S. 187ff. Arnade, Emerge of Bolivia, 1957, S. 183ff. Fifer, Bolivia, 1972, S. 9ff. Gisbert, La Independencia 1800–1828, 2003, S. 344ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 98ff. Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 74ff. Mendoza, Sucre y la organización de la República de Bolivia en 1825, 1998, S. XVIIff. Siles Salinas, La Independencia de Bolivia, 1992, S. 334. Valda Palma, Historia del Parlamento

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umphzug durch die bolivianischen Städte. Währenddessen übte er auch die an ihn herangetragene Präsidentschaft – in enger Abstimmung mit Antonio José de Sucre – persönlich aus. Als sich Bolívar nach Lima verabschiedete, übergab er seinem treuen General formell die Macht. Im Mai 1826 wählte der bolivianische Kongress Sucre offiziell zum Präsidenten der Republik. Ein halbes Jahr später nahm das Parlament die von Bolívar ausgearbeitete Verfassung – inklusive einer umstrittenen Präsidentschaft auf Lebenszeit – an. Die Kombination von liberalen Reformen und autoritärer Verfassung illustriert auch die Ambivalenz des Regierungssystems von Sucre. Während er grundlegende liberale Maßnahmen zur Reformierung der bolivianischen Gesellschaft vorantrieb, akzeptierte er die von Bolívar entworfene autokratische Verfassung. Diese stieß bei Liberalen in GroßKolumbien genauso wie die dortige Diktatur Bolívars auf Widerstand. Ebenfalls griffen Konservative in Bolivien die lebenslange Präsidentschaft an. Sie taten dies aber vor allem, um unter diesem Deckmantel die liberalen Reformen Sucres zu verhindern und den ihnen genehmen Status quo aufrechtzuerhalten.431 Trotz aller strukturellen Probleme Boliviens initiierte der liberale General Sucre sehr schnell ein ambitioniertes Reformprogramm. Nicht nur aus Geldnot, sondern auch aus antiklerikaler Überzeugung zerschlug er beispielsweise in seinem Herrschaftsbereich wie kein anderer südamerikanischer Politiker seiner Zeit die politische und ökonomische Stellung der katholischen Kirche. Er ließ kleine Klöster schließen, Stiftungen konfiszieren und kirchliches Eigentum rigoros beschlagnahmen. Von den gewonnenen Ressourcen ließ er Schulen und Krankenhäuser errichten, von denen nicht wenige jedoch sehr bald wieder schließen mussten. Um die zusammengebrochene Wirtschaft wieder in Gang zu setzen, eröffnete Sucre erneut die staatliche Münzprägeanstalt, die Casa de Moneda, sowie die staatseigene San-Carlos-Bank in Potosí. Im gleichen Zug ließ er alle verlassenen Minen verstaatlichen und suchte nach ausländischen Geldgebern für die Rekapitalisierung des Minensektors. Dieses Projekt scheiterte jedoch am Zusammenbruch der Londoner Börse im Jahre 1825. Die für die Entwässerung der vollgelaufenen Minen dringend benötigte Technik erreichte Bolivien erst Ende des 19. Jahrhunderts. Ein weiteres wichtiges Reformvorhaben Sucres war die Abschaffung der regressiven, bei Indios verhassten Kopfsteuer (Mita). Die Einführung der fortschrittlichen und gerechteren direkten Einkommens- und Immobiliensteuer scheiterte jedoch an der mangelnden Leistungsfähigkeit der Verwaltung sowie am Widerstand der besitzenden und an Steuern nicht gewöhnten Oberschicht. Um dem drohenden Staatsbankrott zu entgehen, ließ Boliviano, 1993, S. 32ff. Zur historiographischen Diskussion siehe: Ovando Sanz, El surgimiento de la nacionalidad, 1997, S. 228ff. 431 Quino, Memoria Histórica de la Provincia Ingavi, 1997, S. 324f.

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Sucre die Mita – wenn auch verringert – wenig später wieder einführen.432 Um diese inhaltlichen Maßnahmen durchzusetzen, benötigte Sucre eine verlässliche, loyale und fähige Bürokratie, die zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht existierte. Daher befahl Sucre als eine seiner grundlegendsten Maßnahmen über seinen Innenminister Facundo Infante, „dass kein [öffentlicher, Anm. RK] Posten mehr zu verkaufen oder zu vermieten ist, ganz gleich, wie hoch die Einnahme für die öffentlich Hand dabei ist“433. Dies war revolutionär. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte für Jahrhunderte ein ausgeprägter Ämterkauf in der Kolonialverwaltung dafür gesorgt, dass die Beamten vor allem auf ihr eigenes Wohl bedacht waren. Dies hatte zu einer geringen Leistungsfähigkeit und einem schlechten Ansehen staatlicher Institutionen bei der Bevölkerung geführt.434 Um dies zu ändern, reformierte Sucre die gesamte Verwaltung grundlegend. Während Sucre die administrativen Grundstrukturen des Staates, die kolonialen Departements, weitgehend übernahm, hatte er noch vor der offiziellen Gründung der Republik Präfekturen neu errichten lassen und schwerwiegende Personalentscheidungen getroffen. Bei der Besetzung Dutzender administrativer Posten in der Verwaltung hatte Sucre zunächst versucht, lokale Wünsche zu berücksichtigen, technische Experten zu halten sowie loyale und fähige Funktionäre die entsprechenden Ämter führen zu lassen. Aus diesem Grund hatte General Sucre schon im Februar 1825 eine Reihe lokaler Räte ins Leben gerufen, welche die verbliebenen Kolonialbeamten überprüfen und Vorschläge für die Besetzung vakanter Stellen und für die Abschaffung nicht weiter benötigter Stellen unterbreiten sollten. Neben der persönlichen Eignung sollte vor allem der Patriotismus des Bewerbers bei der Auswahl ausschlaggebend sein. Denn, so Sucre, „die Menschen erzürnt nichts mehr, als zu sehen, wie alte spanische Beamte sie regieren – und sie haben recht“435. Das Ergebnis war jedoch niederschmetternd. Sehr schnell stellte sich heraus, dass die Räte die Kriterien Sucres ignorierten. Auf der einen Seite erhielten selbst völlig Unqualifizierte hohe Ämter, auf der anderen Seite waren viele verdiente und anerkannte Unabhängigkeitskämpfer noch immer arbeitslos. Daher ging Sucre sehr bald zu einer rigiden Personalauswahl über und überging in vielen Fällen die Vorschläge der einflussreichen 432 Gisbert, La Independencia. 1800–1828, 2003, S. 351ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 105ff. Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 85ff. Lofstrom, Bolivia under Antonio José de Sucre, 1970, S. 282ff. Peralta Ruiz/Irurozqui Victoriano, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 35ff. 433 24.06.1826 Chuquisaca. Infante an den Präsidenten von Potosí, in: ANB, MI, Bd. 6, Nr. 19 (155). 434 Parry, Sale of Public Offices, 1953, S. 5. Hieran änderten die späten Reformversuche des Mutterlandes wenig: Pietschmann, Burocracia y corrupción en Hispanoamerica, 1982, S. 11ff. Stein, Bureaucracy and Business 1981, S. 27f. 435 11.02.1825 La Paz. Sucre an den Divisionskommandanten in Cochabamba, in: ANB, MI, Bd. 2, Nr. 9 (46).

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Räte. Dies schmälerte dort sein Ansehen erheblich. Hinzu kam, dass Sucre die höchsten Posten im Staate ohnehin schon mit Offizieren seiner Armee besetzt hatte. Auch nach den ersten Monaten änderte er an dieser Praxis bei Um- und Neubesetzungen aufgrund seiner bitteren Erfahrungen mit den Räten nichts. Von 20 Präfekten seiner Regierungszeit waren 18 Offiziere seiner Armee – die meisten stammten dabei nicht aus Bolivien. Die höchsten Führungsorgane des Staates errichtete Sucre komplett neu. In seinem dem Generalstab sehr ähnelnden ersten Kabinett dominierten ausländische Militärs. Das von ihm geschaffene Kriegsministerium leitete sein Adjutant, der kolumbianische ­Coronel Agustín Geraldino.436 Das Innenministerium führte der spanische Offizier Facundo Infante. Seine Nationalität führte trotz seiner unzweifelhaften Loyalität zu erheblichen Diskussionen und bot innenpolitischen Gegnern eine dankbar angenommene Angriffsfläche.437 Die Vorwürfe gewannen in Anbetracht der Tatsache, dass Infante neben dem Ressort des Inneren auch das Despacho General, also das Büro des Präsidenten leitete, an Schärfe. Denn damit besaß er einen hohen Gestaltungsspielraum und aufgrund seines ständigen Zugriffs auf den Präsidenten auch erhebliche Macht. Nur der Finanzminister, Juan Bernabé y Madero, war Bolivianer und dazu als Zivilist eine Ausnahme in der Regierung von Präsident Sucre. Doch dieser hatte viele Jahre außerhalb von Bolivien gelebt, was ebenfalls von der Opposition kritisiert wurde.438 Auf Juan Bernabé folgte im März 1828 der bolivianische Ökonom Miguel María de Aguirre. Bis auf einige lokale Neueinstellungen dominierten entweder die meist ausländischen Offiziere Sucres oder, in staatlichen Spezialinstitutionen wie der Casa de Moneda, ehemalige Kolonialbeamte. Auf diese wollte Sucre aufgrund ihrer technischen oder administrativen Kenntnisse nicht verzichten. Sucre zog seine Offiziere Einheimischen vor, da er ihnen mehr vertraute und sie gesamtstaatliche Bedürfnisse über regionalistische Interessen stellten.439 Diese Personalpolitik stabilisierte aufgrund der zentralstaatlichen Verlässlichkeit der Präfekten und Departementschefs die nationalstaatliche Einheit der jungen Republik. Gleich436 Ihm folgte ab Dezember 1827 der bolivianische General José María Perez de Urdinínea (1784–1865). Zu diesem Zeitpunkt war diese Maßnahme jedoch nicht mehr in der Lage, die gekippte Stimmung wieder zugunsten von Präsident Sucre zu wenden. Kaum drei Monate später implodierte dessen Herrschaft. 437 Berruezo León, La emigración liberal española, 1992, S. 118ff. 438 Sánchez de Velasco, Memorias, 1938, S. 174ff. 439 Berthin Siles, El Estado y sus instituciones, 1999, S. 359f. Buisson, Formacion del Estado Boliviano, 1984, S. 499ff, 508. Costa Ardúz, Estructura Administrativa, 2002, S. 9ff. Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 85ff. Lofstrom, A case study in bureaucratic change. Bolivia, 1973, S. 180ff. Peralta Ruiz / Irurozqui Victoriano, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 36ff. Mesa Gisbert, Presidentes de Bolivia, 1990, S. 179ff, 264. Auf Letzteres weist der Zeitzeuge Sánchez de Velasco mehrmals ausdrücklich hin: Sánchez de Velasco, Memorias, 1938, S. 174.

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zeitig provozierte sie jedoch – in Kombination mit der heftig umstrittenen lebenslangen Präsidentschaft des großkolumbianischen Generals – den Unmut einer wichtigen Personengruppe: der „Generation von 1824“440. Diese Gruppe bolivianischer Politiker drängte gerade auf die politische Bühne des Landes. Der bolivianische Jurist und formal dieser Fraktion angehörende Manuel Sánchez de Velásco441 beschrieb die Reaktion auf die frustrierten Ambitionen seiner Landsleute wie folgt: „Man bildete Klubs und erinnerte dort daran, dass die Befreier Ausländer waren, die das Territorium mit den kolumbianischen Truppen unterdrückten. Und dass man die Republik mit der lebenslangen Präsidentschaft versklavt hätte, und zwar an einen Ausländer, der niemals die Macht abgeben würde, auch wenn er anbiete, zurückzutreten.“442 Letztlich trug dieser Unmut – zusammen mit den radikalen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Reformen sowie der desaströsen wirtschaftlichen Lage, den kargen Staatsfinanzen, aber vor allem mit den Vorfällen um das sich desintegrierende kolumbianische Hilfsheer und mit dem politischen Druck aus dem peruanischen Ausland – zum Sturz General Sucres bei.443 440 In Bolivien hatten die Vertreter der frühen Unabhängigkeitsbewegungen von 1809 in den seltensten Fällen die von außen nach Bolivien getragene Unabhängigkeit erlebt. Die nachrevolutionäre Politik wurde daher von der als „Generation von 1825“ bzw. „Generación de 1825“ bezeichneten konservativen, kreolischen Elite Chuquisacas dominiert. Diese Elite jedoch, die bis weit in das Jahr 1824 hinein royalistisch geblieben war und erst nach der alles entscheidenden Schlacht von Ayacucho die Seiten gewechselt hatte, war bestrebt, den sozialen und ökonomischen Status quo der Kolonialzeit zu erhalten. Die liberalen Radikalreformen Sucres bedrohten daher die unmittelbaren Interessen dieser Gruppe und provozierten den Widerstand dieser einflussreichen Personen. Siehe: Arnade, La dramática insurgencia de Bolivia, 1972, S. 207ff. Buisson, Formacion del Estado Boliviano, 1984, S. 508. Peralta Ruiz/Irurozqui Victoriano, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 34ff. 441 Manuel Sánchez de Velásco (1784–1864) gehörte zwar aufgrund seines Alters, seiner Herkunft und seiner Ausbildung der Generación de 1824 an, verteidigte jedoch Sucre gegen die Angriffe seiner Zeitgenossen und protestierte gegen die peruanische Invasion 1828. In den Folgejahren wurde er ein hoher Richter, Präfekt und Minister. Seine Memoiren erschienen erst posthum im Jahre 1938. Siehe auch: Castro, Presidentes de la Corte Suprema de Bolivia, 1989, S. 59f. Sánchez de Velasco, Memorias, 1938. 442 Ebd., S. 174. Francisco Burdett O’Connor beschreibt dies ähnlich: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 250ff. 443 Mit dem Sturz Sucres endete auch die Ära liberaler Reformen. Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S.7ff. Armaza Perez del Castillo, Bolivia, 1992, S. 9ff. Buisson, Formación del Estado Boliviano, 1984, S. 508ff. Gisbert, La Independencia. 1800–1828, 2003, S. 357. Kieffer Guzmán, Ingavi, 1991, S. 110f. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 105ff. Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 118f, 473ff. Lofstrom, A case study in bureaucratic change. Bolivia, 1973, S.  183ff. Ovando Sanz, El surgimiento de la nacionalidad, 1997, S. 235f. Peralta

Braun fällt bei Sucre in Ungnade 1826



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Trotz der bald militärisch wie auch politisch aussichtslosen Lage hielt Otto Philipp Braun seinem Präsidenten die Treue und riskierte für diesen mehrmals sein Leben. Dies musste er nach dem Aufstand der von ihm kommandierten kolumbianischen Grenadiere, der Braun ein Ermittlungsverfahren eingebrachte hatte, jedoch auch aus ganz persönlichen Motiven tun. Letztlich gelang es Braun, sich trotz der im nächsten Kapitel beschriebenen Probleme aufgrund seiner militärischen Leistungen, aber vor allem aufgrund seiner p ­ olitischen Loyalität im engen Führungszirkel um Antonio José de Sucre und auch später Simón Bolívars zu etablieren.

4.2 Braun fällt bei Sucre in Ungnade 1826 Das kolumbianische Hilfsheer in Bolivien – wie sich die kolumbianische Unabhängigkeitsarmee jetzt offiziell nannte – besaß einen hervorragenden Ruf. Es bestand aus mehrfach auf den Schlachtfeldern Südamerikas ausgezeichneten Regimentern. Dennoch entwickelte sich die Umwandlung dieser aktiven Kampftruppen zu fest stationierten Garnisonseinheiten zu einem erheblichen sicherheitspolitischen Problem für Sucre. Denn das Überschwappen politischer Konflikte zwischen Bolívar und Santander über die Unabhängigkeitsarmee nach Bolivien, die Versuche peruanischer Kräfte, die geostrategische Umklammerung durch die bolivarische Fraktion aufzubrechen, sowie die prekäre finanzielle Lage des bolivianischen Staates ließen die Regimenter nicht zur Ruhe kommen. Eines der ersten Anzeichen dieser Entwicklung war der Aufstand der Granaderos de Colombia im November 1826 in Cochabamba: Dies war gleichzeitig die erste große Staatskrise der Präsidentschaft General Sucres. Der Kommandeur der Granaderos de Colombia, Otto Philipp Braun, fiel durch diesen Aufstand seiner Truppen und sein anschließendes Verhalten beim bolivianischen Präsidenten in Ungnade.444 In einem eigens angesetzten Ermittlungsverfahren musste sich Braun vom Verdacht der Mittäterschaft befreien. Die Rekonstruktion des Aufstandes und der Konsequenzen soll dabei drei Dinge zeigen: Erstens soll deutlich werden, dass sich Braun trotz all seiner Meriten und seines kontinuierlichen Aufstieges generell in einer fragilen Situation befand. Zweitens soll dargelegt werden, wie Aufstand, Ungnade und Ermittlungsverfahren Brauns spätere Loyalität und den mehrmaligen Einsatz seines Lebens erklären helfen. Drittens sollen der tiefe Fall Brauns und dessen anschließender

Ruiz/Irurozqui Victoriano, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 37ff. Querejazu, Bolivia, 2003, S. 116ff. Sanabria, Las invasiones peruanas, 1990, 22f. 444 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 7ff. Buisson, Formacion del Estado Boliviano, 1984, S. 502ff.

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Wiederaufstieg zeigen, dass er letztlich gestärkt aus seiner persönlichen Krise sowie der politischen Niederlage seiner Fraktion hervorging.

Garnisonsdienst in La Paz und Spannungen in Cochabamba Es sei noch einmal betont, dass sich den Akteuren all die oben schon angedeuteten Probleme der jungen Republik nicht unmittelbar offenbarten. Otto Philipp Braun beispielsweise scheint nach den vielen Jahren harter Feldzüge in den ersten Monaten der Unabhängigkeit eher sehr froh und erleichtert gewesen zu sein, sich endlich länger in einer Region aufhalten zu können. Der militärische Sieg über die spanisch-royalistischen Truppen erlaubte es ihm beispielsweise, endlich wieder regelmäßiger mit seinen Eltern, Verwandten und Freunden im heimat­lichen Kassel zu kommunizieren. Seine Briefe strahlen Ruhe, Selbstzufriedenheit und eine von der allgemeinen Euphorie der Unabhängigkeit getragene Ausgeglichenheit aus. Braun berichtet etwa über seine Freizeit: „Meine müßigen Stunden verbringe ich mit wenigen englischen, französischen und spanischen Büchern, deren viele gute Ansammlungen hier sind. Und nur was mich sehr schmerzt, ist, dass [ich] keine deutschen Bücher erlangen kann, welche ich am meisten bedarf, wie Sie wohl aus meinem Stile gesehen haben. Übrigens darf ich nicht das hiesige schöne Geschlecht in Vergessenheit lassen und muss diesen Gerechtigkeit zulassen, indem der größte Teil derselben schön und lebhaft ist und schon viel Bildung und Erziehung erhalten hat, die täglich besser wird.“445 Über sich selbst führt Braun aus, „dass das von der lieben Mutter so oft gesagte Phlegma ganz und gar in einer unermüdeten Tätigkeit verwandelt worden ist – auch habe ich weiter keinen großen Fehler für meinen lieben Vater, als dass ich rauche. Das Spielen hat ganz und gar seinen Reiz für mich verloren. Trinker bin ich nicht, obgleich mir ein gutes Glas Wein sehr angenehm ist. Verschwender bin ich ebenfalls nicht, muss aber aufrichtig gestehen, dass ich nicht sparsam bin. Ungeachtet ich mich vielen Zwang antue, es zu sein. Dieser Fehler, hoffe ich, wird sich mit den Jahren verlieren.“446 Stolz schildert der 26-jährige Braun seinen ansehnlichen Lebensstandard: „Mein monatliches Gehalt als Obrist besteht aus 280 spanischen oder 400 hessischen Talern. Meine Garderobe und Equipage ist ziemlich gut und hat mir 3.000 spanische Taler gekostet – ein schönes Tischservice eingeschlossen. Meine Kasse besteht aus 1.000 spanischen Talern und würde übrigens mehr ersparen, wenn nicht mein glorreicher Dienst mich in große Unkosten versetzte und [ich nur] einen ehr445 05.12.1825 Cochabamba. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 245. 446 Ebd., S. 244.

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lichen deutschen Bediensteten hätte. Außerdem habe ich sechs schöne Pferde und zwölf Maulesel.“447 Multipliziert man nun diese Ressourcen mit den mehreren Dutzend hoher Offiziere und beachtet man anteilig das Vermögen der Tausenden Soldaten der Unabhängigkeitsarmee und die Notwendigkeit von deren Versorgung unter Berücksichtigung der strukturellen Krise Boliviens, erhält man einen plastischen Eindruck von der hohen Belastung, welche die junge Republik in ihren ersten Jahren durch die Anwesenheit ihrer Befreier zu schultern hatte. Braun konnte sich in dieser Situation jedoch eines hohen Lebensstandards erfreuen. Seine Briefe erwecken einen harmonischen bis legeren Eindruck seiner Lebensumstände. Schon wenige Monate nach der Unabhängigkeit Boliviens deuteten sich aber erste Probleme bei der Transformation der schlagkräftigen Kampfverbände in friedliche Garnisonstruppen an. Noch während seines Aufenthaltes in La Paz (Februar bis Oktober 1825) musste sich Braun mit Beschwerden einiger seiner Offiziere – darunter auch des später noch relevanten Domingo López Matute – über das Verhalten Sucres sowie seines eigenen Vorgesetzten, General José María Córdova, auseinandersetzen. Letzterer hatte nach einem Übergriff eines Granadero-Offiziers auf das Eigentum eines bolivianischen Bürgers den Offizier öffentlich beschimpft und bestraft. Gegen diese aus ihrer Sicht empörende Behandlung wandten sich neun sichtlich irritierte Offiziere und beschwerten sich bei ihrem Kommandanten Braun, der das Schreiben an General Sucre weiterleitete. Dieser gab aber jedoch General Córdova recht und verurteilte den Übergriff auf die Bevölkerung.448 Dieses Beispiel zeigt nicht nur die Schwierigkeiten des Zusammenlebens der Bevölkerung mit ihren Befreiern, denen es nach Jahren raubähnlicher Versorgung während der Feldzüge nicht nur in La Paz sichtlich schwerfiel, Eigentumsrechte von Zivilisten zu respektieren.449 Das Beispiel zeigt auch, dass sich im Offizierskorps erste Risse gebildet hatten. Die Transformationsschwierigkeiten der Armee wurden von einem allgemeinen Verfall der Disziplin begleitet. Dies äußerte sich in mehreren Kriegs­ gerichtsverfahren gegen Soldaten und Offiziere, denen Braun oftmals als Richter beisaß. Einige Angeklagten waren des „Umherschweifens mit der Truppe 447 05.12.1825 Cochabamba. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 244. 448 16.03.1825 La Paz. Ureña, Sebastián/Matute, Domingo L./Ferrer, Antonio an Sucre, in: Lecuna, Documentos referentes a la creación de Bolivia, Bd. 2, 1924, S. 77. 16.03.1825 La Paz. Braun an Sucre, in: Ebd., S. 78. Diese Auseinandersetzung zog noch weitere Kreise: 04.04.1826 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun Bd. 1. 21.04.1826 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun Bd. 2. Ferner: Moreno de Angel, José María Córdova, 1995, S. 340f. 449 Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 107f. Dieses Problem skizziert auch der Zeitzeuge Francisco Burdett O’Connor eindringlich: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 106, 232f.

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und der Trunkenheit“450 oder „des Verlassens der Wache und des schlechten Verhaltens“451 beschuldigt. Neben solchen kleineren Verstößen, die nichtsdestotrotz meist hart bestraft wurden, musste sich der Richter Felipe Braun aber auch mit Anklagen wegen Mordes452, der Misshandlung von Soldaten durch ­Offiziere453 und immer wieder der Insubordination454 auseinandersetzen. Coronel Felipe Braun trat jedoch bei (juristischen) Auseinandersetzungen innerhalb der Unabhängigkeitsarmee nicht nur als Richter in Erscheinung, sondern agierte auch hinter den Kulissen. Als es etwa im Winter 1825 zwischen Pedro A. Herrán, demjenigen, dem Braun im Herbst 1824 sein nicht vollstrecktes Todesurteil zu verdanken hatte, und José de la Cruz Paredes, einem seiner Offiziere, zu einem Streit kam, intervenierte Braun zugunsten Herráns beim Oberbefehlshaber der kolumbianischen Truppen, General José María Córdova.455 Braun verfing sich aber auch persönlich im Kompetenzwirrwarr und dem Durcheinander von staatlicher, militärischer und sozialer Hierarchie. Ein halbes Jahr später kam es zwischen ihm und Juan Bautista Arévalo, einem venezolanischen Generalstabsoffizier, über Fragen der inneren Heeresverfassung und Kompetenzverteilung zum Streit.456 Es waren Spannungen auf allen Ebenen, zwischen Offizieren und Soldaten, innerhalb des Offizierskorps und in der Beziehung zur bolivianischen Bevölkerung spürbar. Otto Philipp Braun musste sich in diesem Kontext bewegen und Stellung beziehen. Ein Ort, an dem die Spannungen zwischen dem ausländischen Militär und der lokalen Zivilbevölkerung auf einen gefährlichen Siedepunkt zuliefen, war die 450 28.06.1825 La Paz. Kriegsgericht (u. a. Braun). Urteil gegen Matías Espinosa, in: Herrera Campins, Documentario de la Libertad, 1983, S. 145. 451 27.06.1825 La Paz. Kriegsgericht (u.  a. Braun). Urteil gegen Manuel Pontón, in: Herrera Campins, Documentario de la Libertad, 1983, S. 144. 452 22.06.1825 Chuquisaca. Urteil gegen Francisco Coquis, unterzeichnent u. a. von Braun und Sucre, in: Fundacion Vicente Lecuna, Archivo de Sucre, Bd. 6, 1979, S. 334f. 453 11.08.1825 La Paz. Urteile gegen Francisco Coquis und Domingo Verde, unterschrieben u.  a. von Braun, in: Fundación John Boulton, Decretos marginales del Libertador, 1960, S. 274 f. 454 02.11.1825, Cochabamba. Urteil gegen Manuel Baquero, unterzeichnet u.  a. von Braun, in: Fundación John Boulton, Decretos marginales del Libertador, 1960, S.  277. 01.04.1826 Cochabamba. Hilario Plaso an Kriegsminister, Agustín Geraldino, in: ANB, MG (1826) Nr. 9, Bd. 1. 455 03.12.1825 Cochabamba. Córdova an Sucre, in: Moreno de Angel, Correspondencia de Córdova, Bd. 2, 1974, S. 164f. 27.12.1825 Cochabamba, Córdova an Pedro A. Herrán, in: Moreno de Angel, Correspondencia de Córdova, Bd. 2, 1974, S. 166f. Schließlich berief Bolívar Herrán nach Guayaquil: Posada/Ibáñez, Vida de Herrán, 1903, S. 41. Zu Córdova in Bolivien siehe insgesamt: Botero Saldarriaga, José María Córdova, 1970, S. 358ff. 456 03.08.1826 Cochabamba. Córdova an Sucre, in: Moreno de Angel, Correspondencia de Córdova, Bd. 2, 1974, S. 200.

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in Zentralbolivien gelegene Stadt Cochabamba.457 Hier war der argentinische Coronel Antonio Saturnino Sánchez im Januar 1825 mit einem Großteil der royalistischen Garnison auf die Seite der Unabhängigkeit gewechselt. Von da an überzog er die Bevölkerung mit Forderungen nach Nahrungsmitteln, Pferden, Eseln, Geld und Rekruten. Wenn die lokale Elite diesen Forderungen nicht nachkam, nahm sich Sánchez die gewünschten Ressourcen mit Gewalt. Damit aber provozierte er den Widerstand der lokalen Honoratioren.458 Dieses Verhalten legten jedoch nicht nur die in letzter Minute übergelaufenen Einheiten an den Tag, sondern auch Veteranen aus Kolumbien. In Potosí etwa zwangen diese neben der raubähnlichen Versorgung die indianische Lokalbevölkerung zu Frondiensten und weiteren unfreiwilligen Dienstleistungen, etwa „die Baracken zu säubern oder ihren Proviant zu tragen“459 – ohne dafür zu bezahlen.460 Die Verständigungsschwierigkeiten zwischen ausländischen Soldaten und indigener Bevölkerung, die oftmals nur Quechua oder Aymara sprach, erhöhten die (interkulturellen) Missverständnisse und Frustrationen auf beiden Seiten. Die Ablösung von Sánchez im März 1825 durch Coronel José María Plaza beruhigte die Lage in Cochabamba ein wenig. Dessen Nachfolger, Francisco López de Quiroga (Juli 1826 bis Dezember 1827), stabilisierte die Beziehung zur Bevölkerung weiter. Als Otto Philipp Braun Anfang Oktober 1825 mit seinen über 300 Granaderos nach Cochabamba versetzt wurde, traf er dort jedoch auf eine vorbelastete Situation.461 Leider fehlen bis auf die an seine Eltern gerichtete Beschreibung seiner Freizeit dichte Schilderungen seiner konkreten Arbeit in Cochabamba. Aus einer Reihe überlieferter Dokumente geht jedoch hervor, dass Brauns Arbeitstag vor allem mit administrativen Tätigkeiten angefüllt war. Hierzu zählten die Beschaffung und Instandsetzung von Ausrüstung und Waffen462 sowie die Sicherstellung der Bezahlung der Truppe463. Eine der wichtigsten Aufgaben für Braun war es aber, die Disziplin und Einheit zwischen Offizieren und einfachen 457 Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 108ff 458 24.02.1825 Cochabamba. Stadtrat von Cochabamba an Sucre, in: ANB, MI, Bd. 5, Nr. 17. 13.05.1825 Cochabamba, José María Plaza an Sucre, in: ANB MI, Bd. 3, Nr. 12. Siehe auch: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 233, 163 und 170. 459 Temple, Travels in Peru, Bd. 1, 1930, S. 375f. 460 Dies berichtet auch der Präfekt Chuquisacas, Casimiro Olañeta: 31.01.1826 Chuquisaca. Casimiro Olañeta an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1826), Nr. 10 Br. 1. 461 30.01.1826 Chuquisaca. Aufstellung und Ausrüstung des kolumbianischen Heeres in Bolivien, in: ANB, MG (1826), Nr. 25 Bd. 4. 462 20.07.1826 Cochabamba. Waffen und Ausrüstung der Grenadiere von Junín, unterzeichnet von Braun, in: ANB MG (1826), Nr. 27 Bd. 4. 14.07.1826 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 3. 27.11.1826 Cochabamba. Nr. 34, Francisco Lopez an Kriegsminister Geraldino, in: ANB, MG (1826), Nr. 9. 463 27.11.1826 La Paz. Nr. 132, Gregorio Fernández an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1826), Nr. 11 Bd 1.

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Soldaten aufrechtzuerhalten. Antonio José de Sucre betonte in einem privaten Schreiben an den „geschätzten Coronel“464 Braun in Anbetracht der Beschwerden einiger Offiziere gegen General Córdova, dass „das ganze Land überzeugt ist nicht nur von der Disziplin des kolumbianischen Heeres, sondern von der engen und herzlichen Bindung zwischen Generälen, Kommandeuren, Offizieren und der Truppe“465. Er mahnte Braun eindringlich, dass, wenn sich dies verändere, die Folgen „unkalkulierbar“466 seien. Hiermit sollte Sucre letztlich recht behalten. Braun, so Sucre weiter, solle darauf achten, dass er in seiner Einheit nicht nur die Disziplin, sondern auch die „herzliche Bindung“467 aufrechterhält, denn diese „mache sie unbesiegbar“468.

Der Aufstand der Granaderos de Colombia unter Domingo Matute Da Braun zu den wichtigsten Offizieren im kolumbianischen Hilfsheer zählte, bedeutete eine Stationierung in einer Stadt nicht notwendigerweise einen kontinuierlichen Aufenthalt dort. Braun reiste beispielsweise im Mai 1826 nach Chuquisaca, um diverse militärische und politische Angelegenheiten mit dem Präsidenten persönlich zu besprechen. Dieser berichtete sogar Bolívar von Brauns Besuch.469 Über welche Themen der Präsident mit dem Kommandeur der ­Granaderos sprach, ist nicht überliefert. Vielleicht diskutierten sie den wenige Wochen vorher von Sucre an Braun gesendeten Brief mit der Mahnung, die Einheit und Disziplin der Truppen aufrechtzuerhalten. Dass dies nicht gelang, wurde ihnen ein halbes Jahr später vor Augen geführt. In der Nacht des 14. Novembers 1826 sattelten 173 Granaderos, also über die Hälfte des braunschen Regiments, ihre Pferde und setzten sich unter der Führung von Capitán Domingo López Matute heimlich aus Cochabamba ab.470 Die folgende Rebellion bestätigte die schlimmsten, im erwähnten Brief an Braun bereits angedeuteten Befürchtungen Sucres. Die Offiziere der Einheit Brauns, die bis auf den Anführer der Aufständischen loyal geblieben waren, bemerkten das Verschwinden ihrer Kameraden erst, als diese die Stadt schon verlassen hatten. Trotz des Vorsprungs ließ Braun die an der Rebellion nicht beteiligte Infanterieeinheit 464 04.04.1826 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 1. 465 Ebd. 466 Ebd. 467 Ebd. 468 Ebd. 469 27.05.1826 Chuquisaca. Sucre an Bolívar, in: O’Leary, Cartas de Sucre al Libertador, 1919, S. 27. 470 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 233. Ferner: Castillo Lara, Capitán Domingo López Matute, 1996, S. 3f.

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Bogotá zur Verfolgung antreten und entsandte einen Offizier nach Chuquisaca, der den Präsidenten am Morgen des 18. November 1826 über die Ereignisse im Norden der Republik informierte.471 Capitán Matute legitimierte seinen Aufstand in einem Abschiedsschreiben politisch, indem er beispielsweise seine Ablehnung der lebenslangen Präsidentschaft Sucres anführte.472 Diese Argumentation ähnelte sehr stark derjenigen der liberalen Partei von Santander in Bogotá. Francisco Burdett O’Connor behauptete diesbezüglich aber, Matute hätte die politischen Motive nur vorgeschoben. Vielmehr habe er aus persönlichen Motiven die Granaderos aufwiegelt, weil er als zwar schwieriger, aber nichtsdestotrotz verdienter Offizier bei einer Beförderung unfairerweise übergangen worden sei. Aus dieser individuellen Benachteiligung habe er eine generelle, rassistische Diskriminierung konstruiert, mit der er auch die unteren Truppenteile aufhetzen konnte.473 Präsident Sucre hingegen verdächtigte als Anstifter vor allem politische Kreise in Peru, vornehmlich Andrés de Santa Cruz. Auch wenn dessen Beteiligung am Aufstand der Granaderos nicht nachgewiesen werden kann, steht die erbitterte politische Feindschaft zwischen Sucre und Santa Cruz spätestens ab dieser Zeit außer Frage.474 Neben diesen politischen 471 18.11.1826 Chuquisaca. Sucre an Galindo, in: Blanco Galindo, Cartas de Sucre, 1918, S. 117f. 472 14.11.1826 Cochabamba. Despedida del Capitán Domingo L. Matute, in: Lecuna, Documentos referentes a la creación de Bolivia, Bd. 2, 1924, S. 287f. Der Aufstand erlangte auch in Großkolumbien Aufmerksamkeit, wo Matutes Rechtfertigungsschreiben abgedruckt wurde: 14.11.1826 Cochabamba. Despedida del Capitán Domingo L. Matute, in: Gaceta de Colombia, Nr. 288, 22.04.1827, S. 1. 473 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 233. Die Beförderungspolitik sieht auch Castillo Lara als einen der Hauptgründe des Matute-Aufstandes: Castillo Lara, Capitán Domingo López Matute, 1996, S. 5. 474 Die freundliche Korrespondenz zwischen Sucre und Santa Cruz sollte nicht über deren politische Gegnerschaft Ende der 1820er Jahre hinwegtäuschen. Diese zeigt sich vor allem in Äußerungen gegenüber Dritten, etwa wenn Santa Cruz vom „Tyrannen Sucre“ spricht: 18.08.1828 Santiago de Chile, Santa Curz an den peruanischen ­Außenminister, in: Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 1, 1976, S. 341. Sucre bezeichnete seinerseits Santa Cruz gegenüber Bolívar als „armen Teufel” und „Verräter aufgrund seines Charakters und seiner Veranlagung“: 04.09.1827 Chuquisaca, Sucre an Bolívar, in: O’Leary, Cartas de Sucre al Libertador, 1919, S. 188. Wenig später wiederholte er seine abfälligen Bemerkungen: 19.09.1827 Chuquisaca, Sucre an Bolívar, in: Ebd., S. 191. Auch Zeitzeugen wie Manuel Sánchez de Velásco bemerkten dies bereits. Santa Cruz hatte sich von einem Parteigänger Bolívars zu einem eigenständigen Politiker mit eigenen Interessen entwickelt, auch wenn es öffentlich nie zu einem Bruch kam. Ein deutliches Anzeichen hierfür ist die mehrjährige Unterbrechung der Korrespondenz mit Bolívar, mit dem dieser von ihm abgefallene Weggefährten zu bestrafen pflegte. Die Entwicklung der Beziehung von Sucre und Santa Cruz, die mit der von ihnen gewonnenen Schlacht von Pichincha gemeinsam Geschichte geschrieben hatten, steht exemplarisch für die tragische Konstellation je-

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Gründen spielten beim Granadero-Aufstand auch profanere Dinge eine Rolle. Es sei etwa auf die einfache Tatsache verwiesen, dass die kolumbianischen Hilfstruppen nicht immer ihren Sold erhielten und vor allem seit Monaten auf die Ausbezahlung ihrer Gratifikation für die militärische Durchsetzung der Unabhängigkeit Boliviens warteten, die ihnen der bolivianische Kongress im Sommer 1825 – noch voller Euphorie – zugebilligt hatte.475 Die Einlösung dieses Versprechens gestaltete sich aufgrund der Wirtschafts- und Staatskrise jedoch schwieriger als gedacht. Zu diesen strukturellen Problemen kamen noch situative Faktoren hinzu. Denn dem ohnehin schon verarmten Staat waren über 20.000 Pesos Sold für in die Cochabamba stationierten Truppen beim Transport dorthin gestohlen worden.476 Es kam auch vor, dass Grenadiere um ihre Gratifikation betrogen wurden.477 Ferner drängten die so weit von ihrer groß-kolumbianischen Heimat entfernten Soldaten und Offiziere auf eine baldige Rückkehr – allerdings nicht, ohne vorher bezahlt worden zu sein. Hierzu war die wirtschaftlich tief zerrüttete Republik Bolivien jedoch ad hoc nicht in der Lage.

ner Tage. Siehe: Llosa, Prologo a las cartas del Mariscal Andrés de Santa Cruz, 1976, S. Xf. Sobrevilla Perea, Andrés de Santa Cruz, 2011, S. 105. Siehe auch die folgenden Arbeiten, auch wenn diese versuchen, eine gleichbleibend positive Beziehung von Santa Cruz zu Sucre und Bolívar zu konstruieren: Nielsen-Reyes, Santa Cruz y el Libertador, 1978, S. 52ff. Pérez del Castillo, Bolivia, 1992, S. 12. Rojas, Bolívar y Santa Cruz. Epistolario, 1975, S. 33ff. Sánchez de Velasco, Memorias, 1938, S. 175. Valencia Tovar, El Ejéricto en la Gran Colombia, 1993, S. 121. 475 Dies geht vor allem aus den Vernehmungen bei den Ermittlungen im Vorfeld eines möglichen Kriegsgerichtsverfahrens gegen Braun hervor. Mehrere Zeugen bestätigten, dass für zwei bis drei Monate der Sold fehlte – von der Gratifikation ganz zu schweigen. Auch Otto Philipp Braun selbst musste für die Ausbezahlung der von Bolívar zuerkannten Gratifikation von 10.000 Talern sein gesamtes Netzwerk bis hin zu Bolívar und Sucre mobilisieren. 31.08.1825 Lima. Sekretär Bolívars an den Finanzminister von Peru, in: Anze, El sueño truncado, 1996, S. 348. 27.10.1826 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun Bd. 6. 11.11.1826 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 7. 03.07.1827 La Paz, Nr. 35, Braun an Kriegsminister Geralindo, in: ANB, MG (1827) Nr 34 Bd. 14. 20.02.1827 Caracas. Bolívar an Santa Cruz, in: Rojas, Bolívar y Santa Cruz. Epistolario, 1975, S. 70f. 21.02.1827 Caracas. Belford Wilson an Braun, in: Archiv Braun Bd. 11. 10.03.1827 La Paz. Aufstellung der geschuldeten Gratifikationen, in: ANB, MG (1827) Nr. 33 Bd. 14. 476 19.09.1826 La Paz. Nr. 76. Gregorio Fernández an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1826), Nr. 11 Bd. 1. Bolivien schuldete den kolumbianischen Truppen noch bis weit in das nächste Jahr hinein Tausende Pesos: 19.02.1827 La Paz. Nr. 35. Gregorio Fernández an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1827) Nr. 18 Bd. 5. 477 09.02.1827 La Paz. Ignacio Ureña an Córodova, unterzeichnet und kommentiert von Braun am 10.02.1827, in: ANB, MG (1827) Nr. 36 Bd 14.

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In der Zwischenzeit langweilten sich die Soldaten beim wenig abwechslungsreichen Garnisonsdienst in einem ungewohnt kalten Klima.478 Selbst General José María Córdova fragte Sucre sichtlich unzufrieden: „Wollen Sie mich wirklich für zwei Jahre Garnisonsdienst in der neuen Republik haben? Sagen Sie mir die Wahrheit. Denn anstatt mich während der schönsten Tage meines Lebens lebendig zu begraben, wäre es besser, zu sterben.“479 All diese Faktoren mündeten in einen allgemeinen Verfall der Moral und der Disziplin sowie in eine generelle Unzufriedenheit. Aus dieser Gemengelage heraus entwickelte sich eine explosive Stimmung, in der es einer Einzelperson wie Matute – ob von Peru beauftragt oder aus individuellen Motiven – gelingen konnte, die Loyalität eines großen Teils der Truppen zu untergraben.480 Der Kommandeur der Granaderos, Otto Philipp Braun, musste sich allerdings die Frage gefallen lassen, warum er die Anzeichen dieses Aufstandes nicht erkannt und die Vorbereitungen nicht entdeckt hatte. Die Desertion der 173 Granaderos war nicht der erste Konflikt in der Präsidentschaft Sucres gewesen. Schon vorher hatte sich Sucre mit royalistischen oder argentinischen Verschwörungen sowie indianischem Widerstand auseinandersetzen müssen. Auch hatte es im Oktober 1826 schon ein Attentat auf ihn gegeben.481 Der Aufstand der Granaderos hatte jedoch weitreichendere Folgen: Er löste die erste Staatskrise der Republik Bolivien aus. Denn die Fahnenflüchtigen plünderten nicht nur rücksichtslos bolivianische Dörfer und Städte, sondern durch die sich schnell verbreitende Nachricht von ihrem Aufstand war für jeden ersichtlich, dass Präsident Sucre nicht mehr auf die unumschränkte Unterstützung seiner einstigen Garderegimenter zählen konnte. Sucre war noch nicht einmal in der Lage, 173 aufständische Kavalleriesoldaten aufzuhalten und damit die innere Sicherheit der Republik zu garantieren. Die Erosion seiner Macht wurde offensichtlich. Die Dimension des Aufstands ging jedoch über die Grenzen Boliviens hinaus. Die Insubordination der Granaderos zog Kreise bis nach Großkolumbien und Argentinien. Dort feierten bolívarkritische Zeitungen und Unterstützer Santanders den Aufstand als Niederlage Bolívars.482 In Buenos 478 Das kalte Klima in Cochabamba scheint tatsächlich ein maßgeblicher Unruhefaktor gewesen zu sein: 19.08.1827 La Paz. Nr. 120, Gregorio Fernández an den Kriegs­ minister, in: ANB, MG (1827) Nr. 18 Bd. 5. 479 20.02.1826 Cochabamba. Córdova an Sucre, in: Moreno de Angel, Correspondencia de Córdova, Bd. 2, 1974, S. 171. 480 Arguedas, La fundación de la república, 1981, S. 269ff. Buisson, Formacion del Estado Boliviano, 1984, S. 502ff. Castillo Lara, Capitán Domingo López Matute, 1996, S. 4ff. Moreno de Angel, José María Córdova, 1995, S. 341f. 481 Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 475f . 482 Sowohl der bolivianische Innenminister als auch Präsident Sucre beschwerten sich über diese Berichte bei der kolumbianischen Regierung bzw. bei Bolívar wegen der katastrophalen Auswirkungen auf die Moral und Disziplin der in Bolivien stationierten kolumbianischen Truppen: 19.08.1827 Chuquisaca, Facundo Infante an den

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Aires liefen regelrechte Pressekampagnen gegen Bolívar und seine Anhänger. In Peru stand man dessen Plänen ohnehin kritisch gegenüber. Sucre erkannte die politische Gefahr der Ereignisse auch. Entsprechend heftig war seine Reaktion. Er alarmierte umgehend alle relevanten Präfekten, vor allem an der südlichen Grenze zu Argentinien, darunter auch Francisco Burdett O’Connor.483 Sucre befahl ihnen – sichtlich erzürnt – alle gefangen genommenen Deserteure ohne weiteres Verfahren sofort zu erschießen. Lediglich ihr Anführer Matute sollte verschont werden, um von Sucre vor seiner Hinrichtung verhört zu werden.484 Erst nachdem sich der Präsident wieder beruhigt und die kontraproduktive Wirkung seines Befehls erkannt hatte –schließlich ermutigte dieser Befehl die Meuterer ja nicht gerade dazu, sich zu ergeben –, revidierte er seine Order. Stattdessen versprach er reumütigen Deserteuren nun eine Amnestie.485 Trotz aller getroffenen militärtaktischen Maßnahmen erreichten die Aufständischen argentinisches Territorium. Dort nahm sie der General Juan Antonio Álvarez de Arenales gern in seine Regionalstreitkräfte auf. Schon sehr bald entwickelten sich die Granaderos jedoch auch in den argentinischen Nordprovinzen zu einem unkalkulierbaren Risiko und sicherheitspolitischen Problem, da sie bei innerargentinischen Auseinandersetzungen immer wieder die Seiten wechselten. Etwa von der Zentralregierung und General Gregorio Araoz de la Madrid auf diejenige von Manuel Puch und Francisco Gorriti,486 nur um wenig später zu einer wieder anderen Fraktion, der um General ­Facundo Quiroga, überzugehen. In der Folgezeit konspirierte Matute mit General Quiroga gegen

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kolumbianischen Außenminister, in: Lecuna, Documentos referentes a la creación de Bolivia, Bd. 2, 1924, S. 450. 27.01.1828 La Paz. Sucre an Bolívar, in: O’Leary, Cartas de Sucre al Libertador, 1919, S. 231f. Dieser spielte bei der Verfolgung der Granaderos aufgrund seines Zuständigkeitsbereiches eine wichtige Rolle: 13.12.1826 Tupiza. Nr. 6. O’ Connor an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1826), Nr. 7 Bd. 2. Siehe auch: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 216ff. Die Emotionalität Sucres geht deutlich aus seinen Schreiben und Dekreten hervor, die er kurz nach dem Aufstand verfasste. Sie sind – entgegen damaligen Gepflogenheiten – äußerst deutlich und direkt: 11.1826 Generalbefehl von Sucre, in: Lecuna, Documentos referentes a la creación de Bolivia, Bd. 2, 1924 S. 293. 20.11.1826 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 9. Trotz dieser revidierten Anordnung starben eine Reihe von Deserteuren durch Erschießungskommandos: 27.11.1826 Cochabamba. Braun an Geralindo, in: ANB MG (1826), Nr. 27 Bd. 4. Ferner: Castillo Lara, Capitán Domingo López Matute, 1996, S. 6f. Später zeigte die Amnestie die erwünschte Wirkung. Nach dem Tot Matutes kehrten viele Granaderos nach Bolivien zurück und schrieben sich erneut in die Armee ein: Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 476, Anm. 9. Vor allem Manuel Puch spielte später, nach dem Sturz Brauns im Jahr 1839, bei der Ermöglichung eines politischen Asyls eine große Rolle. Siehe hierzu das Kapitel: 7.3. „Prestige und Netzwerk mobilisieren internationale Hilfe”.

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die Regierung Puch/Gorriti, weshalb er gefangen genommen und hingerichtet wurde. Die Granaderos unter Matute waren von einer der ruhmreichsten Einheiten der bolivarischen Unabhängigkeitsarmee – es sei an die durch sie gewonnene Schlacht von Junín erinnert – zu Söldnern geworden.487 Sucre zog aus diesem Aufstand eine grundlegende Konsequenz. Hatte er zuvor noch im kolumbianischen Hilfsheer den Garanten zur Absicherung seiner radikalliberalen Reformen gesehen, so betrieb er ab Frühling 1827 dessen möglichst schnellen Abzug.488 Mit diesem Gedanken hatte er – etwa Felipe Braun gegenüber – schon zuvor gespielt.489 Denn auch die bolivianische Bevölkerung hatte ihre anfänglich euphorische Meinung über die Befreier nach unzähligen Vorfällen, Missverständnissen und Konflikten mit dem kolumbianischen Heer, von dem der Matute-Aufstand nur die Spitze des Eisberges war, geändert. Sie wünschte sich nun einen schnellen Abzug der inzwischen als Besatzer empfundenen Truppen. Wegen dieser Streitkräfte und auch wegen der umstrittenen bolivarischen Verfassung mit ihrer Garantie der lebenslangen Präsidentschaft Sucres und den hohen Unterhaltskosten für das Hilfsheer begann die politische, meist konservative Opposition in Bolivien, ihre Kritik an Sucre zu verstärken.

Reaktion von Antonio José de Sucre Antonio José de Sucre muss, als er vom Aufstand der Granaderos erfuhr, außer sich vor Wut gewesen sein.490 Noch eine Woche später berichtete er Simón Bolívar sichtlich entsetzt, „mit was für einer Plumpheit“491 sich die Beteiligten 487 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 7ff. Arguedas, La fundación de la república, 1981,S. 269ff. Buisson, Formacion del Estado Boliviano, 1984, S. 502ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 28. Castillo Lara, Capitán Domingo López Matute, 1996, S. 3ff. Centeno, Los Llaneros de Colombia en Salta, 1912, S. 52ff. Kieffer Guzmán, Antonio José de Sucre, 1995, S. 393ff. Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 474ff. Moreno de Angel, José María Córdova, 1995, S. 340ff. Pinilla, La Creación de Bolivia, 1975, S. 337. Valencia Tovar, El Ejéricto en la Gran Colombia, 1993. S. 121f. Als Originalquelle siehe: 27.11.1826 Chuquisaca. Sucre an Bolívar, in: O’Leary, Cartas de Sucre al Libertador, 1919, S. 125 ferner O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 225. 488 Buisson, Formacion del Estado Boliviano, 1984, S. 506. 489 Schon einige Monate vor dem Aufstand der Granaderos erörterte Sucre mit Braun deren baldige Rückkehr nach Kolumbien: 16.09.1826 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 5. 490 18.11.1826 Chuquisaca. Sucre an Galindo, in: Blanco Galindo, Cartas de Sucre, 1918, S. 117f. 491 27.11.1826 Chuquisaca. Sucre an Bolívar, in: O’Leary, Cartas de Sucre al Libertador, 1919, S. 125.

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verhalten hätten. Präsident Sucre griff vor allem den seiner Ansicht nach Hauptverantwortlichen, „Herrn Braun“492, an. Dieser hatte nach der Abwesenheit von General Córdova, der zu einer Besprechung nach Chuquisaca aufgebrochen war, das militärische Oberkommando über die Stadt innegehabt.493 Von den sonst üblichen Bezeichnungen Sucres für den „verehrten Coronel“494 oder „geschätzten Freund“495 war nichts mehr übrig. Sucre beschrieb Bolívar, wie der „Herr Braun“496 im Anschluss an den Aufstand der Granaderos diese mit zwei Infanteriekompanien noch vor dem Morgengrauen des 15. November 1826 in der Nähe von Tarata eingeholt habe, anstatt sie aber mit ein paar Gewehrsalven zu vernichten, es vorgezogen habe, mit ihnen zu sprechen und sie zur Rückkehr nach Cochabamba zu überreden. Als diese seinen Vorschlag ablehnten, schlugen ihm seine restlichen, loyalen Offiziere vor, die kampierenden Granaderos doch noch anzugreifen und zu vernichten. „Aber der Herr Braun wandte sich dagegen, da er keinen seiner geliebten Soldaten töten wollte“497, berichtete der sichtlich aufgebrachte Sucre seinem Vorgesetzten Bolívar. Nach diesem Intermezzo hätten sich die Aufständischen, lachend über die Naivität der nachgefolgten Offiziere, weiter abgesetzt. Zwar sei es Braun gelungen, seine ehemaligen Untergebenen weitere 85 Kilometer zu verfolgen, „hier aber beging Braun den zweiten Witz. Er kehrte zur Stadt zurück, ohne einen einzigen Offizier oder zumindest einen Beobachtungsposten zurückzulassen, damit diese die genaue Richtung der Aufständischen für die weitere Verfolgung hätten feststellen können. Auf diese Weise war ich vier Tage lang ohne Kenntnis, wohin sie sich begeben hatten.“498 Über das konkrete Verhalten hinaus warf Sucre Braun vor, die Disziplin der Truppe vernachlässigt zu haben, und ordnete neben einer Untersuchung des Aufstandes auch eine genaue Kontrolle der Regimentsfinanzen an. Sucre schien den Verdacht zu hegen, dass es hier zu Unregelmäßigkeiten gekommen war. Auch bei anderen, etwa beim Coronel León Galindo, beschwerte sich Sucre über die eklatanten Fehler Brauns.499 Insgesamt verurteilte Sucre das Verhalten Brauns aufs Schärfste und formulierte bei Simón Bolívar einen schwerwiegen-

492 27.11.1826 Chuquisaca. Sucre an Bolívar, in: O’Leary, Cartas de Sucre al Libertador, 1919, S. 125. 493 12.10.1826 Cochabamba. Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1826), Nr. 9. Ferner: Moreno de Angel, José María Córdova, 1995, S. 340. 494 04.04.1826 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun Bd. 1. 495 14.07.1826 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun Bd. 3. 496 27.11.1826 Chuquisaca. Sucre an Bolívar, in: O’Leary, Cartas de Sucre al Libertador, 1919, S. 125. 497 Ebd. 498 Ebd. 499 26.11.1826 Chuquiaca. Sucre an Galindo, in: Blanco Galindo, Cartas de Sucre, 1918, S. 134.

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den Vorwurf: „Braun hat sich ungeschickt verhalten, und es gibt Anlass für den Verdacht, dass er den Aufstand tolerierte.“500 Diesen schweren Vorwürfen ließ Sucre schnell Taten folgen. Er befahl in einem Rundschreiben die Enthebung des Regimentskommandeurs Braun sowie aller Offiziere in Cochabamba von ihren Posten und deren Inhaftierung im Fort von Oruro bis zum Beginn ihres jeweiligen Kriegsgerichtsverfahrens.501 Ob Braun und die weiteren Offiziere tatsächlich inhaftiert wurden, ist unklar, da seine Korrespondenz darauf schließen lässt, dass er sich die ganze nächste Zeit in Cochabamba und nicht in Oruro aufhielt. Darüber hinaus hob Sucre ja auch andere Teile seines in der Wut der Situation diktierten Befehls, etwa die erwähnte sofortige Erschießung ergriffener Deserteure, bald wieder auf. Braun scheint die Dimension der Ereignisse schon früh begriffen zu haben. Schon wenige Tage nach dem Aufstand beantragte er selbst bei Sucre, Ermittlungen bzw. einen Prozess gegen ihn führen zu lassen, „um die Tat aufzuklären. Sei es, um den Schuldigen zu bestrafen oder diesen als unschuldig freizusprechen.“502 Mit dieser vorauseilenden und selbstkritischen Geste versuchte Braun, den Präsidenten milde zu stimmen. Er machte in einem ­Schreiben – neben einer Reihe von Ehrerbietungen, Loyalitätsbekundungen und Freundschaftsbeteuerungen – für den Aufstand seines Regiments vor allem die Tatsache verantwortlich, dass ihn sein Glück verlassen habe.503 Doch Sucre antwortete hierauf trocken: „Es ist wichtig, zu wissen, dass das Glück nicht erlaubt, dass man sich zu sehr darauf verlässt.“504 Ferner teilte ihm Sucre unmissverständlich mit, dass er ihn zwar nicht vorverurteile, ohne ihm die Gelegenheit zu geben, zu den schweren Vorwürfen Stellung zu nehmen, dass sich Braun aber trotz aller Meriten einem Verfahren werde stellen müssen.505 In der Begründung seiner Entscheidung wird noch einmal Sucres tiefe persönliche Enttäuschung deutlich, wenn er schreibt: „Der Aufruhr Ihres Regiments ist so beschämend für das Befreiungsheer, dass es die Gefühle aller Kolumbianer beleidigt. […] Ich bin noch immer voller Scham, und jedes Mal, wenn ich an unsere Truppen denke, werde

500 27.11.1826 Chuquisaca. Sucre an Bolívar, in: O’Leary, Cartas de Sucre al Libertador, 1919, S. 125. 501 11.1826 Generalbefehl von Sucre, in: Lecuna, Documentos referentes a la creación de Bolivia, Bd. 2, 1924 S. 293. 502 19.11.1826 Cochabamba. Braun an Sucre, in: Archiv Braun, Bd. 8 (Ermittlungs­ akten). 503 Leider ist das Schreiben Brauns vom 9. Dezember 1826 nicht mehr erhalten. P ­ räsident Sucre nimmt jedoch in seiner Antwort vom 19. Dezember 1826 hierauf Bezug und referiert dessen Inhalt: 19.12.1826 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: A ­ rchiv Braun, Bd. 10. 504 Ebd. 505 Ebd.

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ich trauriger und trauriger […].“506 Zwar betonte Sucre, dass „ich immer gesagt habe, ohne Ihnen zu schmeicheln, dass Sie ein exzellenter Kommandeur sind“, und dass er es für wahrscheinlich halte, „dass Ihre Leistung, nachdem sie ihre Unschuld daran, den Aufstand nicht aufgehalten oder verhindert zu haben, bewiesen haben, aufgrund dieser Erfahrung noch größer wird“.507 Doch kann dies auch als zynischer Kommentar verstanden werden. Schließlich lag es allein in der Entscheidung des Präsidenten, ob ein Verfahren gegen Braun eröffnet, abgebrochen oder vertagt würde. Auch hatte er – hinter den Kulissen – einen großen Einfluss auf das Ergebnis. Es ist offensichtlich: Sucre wollte seinem Coronel eine „schreckliche Lektion“508 erteilen. Zu den fast freundschaftlichen Titulierungen in den vorangegangenen Briefen und den lobenden Erwähnungen gegenüber dem Libertador, die auf ein hohes Ansehens Brauns bei Sucre hinweisen, stehen die Zuschreibungen nach dem 14. November 1826 in krassem Gegensatz. Braun war sichtlich beim bolivianischen Präsidenten in Ungnade gefallen. Dies war hinter den Kulissen auch am Abbruch der direkten und privaten Kommunikation Sucres mit Braun abzulesen. Das Beispiel von Brauns Regiment sollte keine Schule machen. Das Verfahren gegen Braun sollte andere Kommandeure dazu ermahnen, noch engagierter an der Aufrechterhaltung von Disziplin und Moral zu arbeiten. Von Mitte November 1826 bis Ende Februar 1827 wurden systematisch Ermittlungen gegen Braun geführt. Diese sollten im Anschluss als Entscheidungsgrundlage für die mögliche Eröffnung eines ordentlichen Kriegsgerichtsverfahrens gegen Braun dienen. General Córdova ließ, in Absprache mit Präsident Sucre, in Cochabamba und La Paz Zeugen befragen. Córdova, den Sucre nebenbei auch heftig wegen der Verletzung seiner Aufsichtspflicht gegenüber Braun kritisierte, sollte die Hintergründe des Aufstandes, vor allem etwaige Verantwortliche im Offizierskorps, ermitteln.509 Dabei stand eine aktive Beteiligung Brauns und der anderen Offiziere am Aufstand zu diesem Zeitpunkt schon wieder außer Frage. Vielmehr sollte herausgefunden werden, „wie es möglich war, dass der Großteil der Truppen verführt werden konnte, ohne dass ein einziger Offizier hiervon erfuhr“510. Darüber hinaus sollte das Verhalten Brauns bei der Verfolgung der Granaderos kritisch beleuchtet werden, vor allem warum er diese nicht mit seiner Infanterie angegriffen habe. General Córdova übergab Juan Bautista Arévalo die Ermittlungen. Dabei handelte es sich um je506 19.12.1826 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun Bd. 10. 507 Ebd. 508 Ebd. 509 13.12.1826 Chuquisaca. Notiz von Sucre, in: Archiv Braun Bd. 8 (Ermittlungs­ akten). 510 14.12.1826 Chuquisaca. Notiz von Corodva, in: Archiv Braun, Bd. 8 (Ermittlungsakten).

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nen Offizier und Adjutanten im Generalstab, mit dem sich Braun noch wenige Monate zuvor über Verfahrensfragen gestritten hatte.511 Nun befragte dieser 13 Zeugen. Auch wenn die Schilderungen dieser Zeugen vor dem Hintergrund des Verfahrens verstanden werden und auf ihren materiellen Gehalt hin kritisch betrachtet werden müssen, sei darauf hingewiesen, dass ein solches Verfahren politischen Gegnern Brauns die Gelegenheit gegeben hätte, gegen ihn zu intrigieren und auf die Eröffnung eines ordentlichen Kriegsgerichtsverfahrens mit entsprechendem Urteil hinzuwirken. Hierzu kam es jedoch nicht. Alle Zeugen beschrieben Braun als fähigen und ehrlichen Kommandeur, darunter auch ­politisch einflussreiche Funktionäre, wie der Präfekt Francisco López de Quiroga.512 Neben Fragen zu den Vorfällen im November 1826 nutzten die Ermittler die Gelegenheit, nach Brauns Fähigkeiten als militärischem Kommandeur und ­politischem Funktionär zu fragen. Auch hier prägten positive Darstellungen die Aussagen der Zeugen. Coronel Trinidad Morán etwa lobte Brauns militärische Kenntnisse, die er in unzähligen Vorträgen über Militärtheorie unter Beweis gestellt habe. Der Adjutant Sebástian Ayala sprach von einem „nicht verbesserbaren Verhalten“513. Teniente Ignacio Fernández schilderte den moderaten und dezenten Umgang Brauns mit der Truppe bei gleichzeitiger Bestrafung krimineller Soldaten.514 Teniente Coronel Antonio Sandoval berichtete, dass Braun berühmt für seine Ehrlichkeit und Gerechtigkeit sei. Ganz besonders talentiert sei Braun bei der Moderation zwischen Offizieren und der Truppe sowie innerhalb der Truppe.515 Teniente Coronel Antonio Ayaldeburu ergänzte, dass Braun einerseits schon die geringsten Verstöße in der Truppe bestraft habe, aber andererseits hierbei immer objektiv und gerecht vorgegangen sei.516 Ferner schilderte Morán die Bewunderung der gesellschaftlichen Elite von La Paz und Cochabamba, die Braun vor allem aufgrund seiner umfassenden Bildung genieße.517

511 Siehe den Abschnitt „Garnisonsdienst in La Paz und Spannungen in Cochabamba“. 512 28.12.1826 Cochabamba. Francisco Lopez. Aussage, in: Archiv Braun Bd. 8 (Ermittlungsakten). Francisco López de Quiroga (1788–1838). Zwölf Jahre später saß Braun als Richter einem Kriegsgerichtsverfahren gegen López wegen Insubordination gegenüber Präsident Santa Cruz vor. Gemeinsam mit dem als Schöffen fungierenden Francisco Burdett O’Connor verhängte er jedoch – sehr zum Unwillen des Präsidenten – eine milde Strafe: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 285f. 513 Aussage des 5. Zeugen, Sebastian Ayala, in: Archiv Braun, Bd. 8 (Ermittlungsakten). 514 Aussage des 6. Zeugen, Ignacio Fernandez, in: Ebd. 515 Aussage des 2. Zeugen, Antonio Sandobal, in: Ebd. 516 29.01.1826 Aussage des 1. Zeugen, Antonio Ayaldeburu, in: Ebd. So auch: Aussage des 2. Zeugen, Antonio Sandobal, in: Ebd. 517 Aussage des 11. Zeugen, Trinidad Morán, in: Ebd.

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Bezüglich des Vorwurfs von Präsident Sucre, dass Braun „seine geliebten Soldaten“518 nicht angegriffen habe, kristallisierte sich bei den Zeugen heraus, dass dies aus drei Gründen nicht möglich war. Erstens hätten den über 170 Aufständischen nur 74 Verfolger mit viel zu wenigen Pferden gegenübergestanden. Zweitens wären diese niemals in die für einen Angriff notwendige Nähe der Granaderos gekommen, und drittes seien viele der Verfolger junge Rekruten gewesen, die gegen die kampferfahrenen Veteranen wohl keine Chance gehabt hätten.519 Auf die Frage, warum denn keiner der Offiziere, allen voran Braun, etwas von dem sich anbahnenden Aufruhr gemerkt habe, antworteten viele, dass nach so vielen Jahren des gemeinsamen Kampfes und eines ausgeprägten Vertrauensverhältnisses eine solche Insubordination schlichtweg undenkbar gewesen sei. Zwar hätte es Verzögerungen bei der Bezahlung der Soldaten von insgesamt zweieinhalb Monaten gegeben und hätten diese auch immer wieder ihre Gratifikation verlangt, aber Anzeichen für einen solch radikalen Schritt wollte keiner der Befragten entdeckt haben. Die Hauptschuld am Aufstand gaben diese Capitán Domingo Matute.520 Im Zuge der Ermittlungen wurde auch immer wieder gefragt, wie es zu dem fehlenden Sold gekommen war, und eruiert, ob sich der Regimentskommandeur Braun nicht am Geld seiner Soldaten bereichert habe. Hier schilderten jedoch alle Befragten, dass das die Garnison erreichende Geld immer ausbezahlt worden sei, dass aber einfach nur zu wenig Geld in Cochabamba eingetroffen sei.521 Ob all die in den Aussagen geschilderten Ereignisse, Bewertungen und Analysen dem tatsächlichen Geschehen entsprachen oder nicht vielmehr dem Schutz der eigenen Position dienten, lässt sich nicht überprüfen.522 Auffällig 518 27.11.1826 Chuquisaca. Sucre an Bolívar, in: O’Leary, Cartas de Sucre al Libertador, 1919, S. 125. 519 Aussage des 2. Zeugen, Antonio Sandobal, in: Archiv Braun, Bd. 8 (Ermittlungsakten). 20.01.1827 Cochabamba. Aussage des 3. Zeugen, Francisco Segobia, in: Ebd. Aussage des 4. Zeugen, Benancio Astajona, in: Ebd. Aussage des 5. Zeugen, Sebastian Ayala, in: Ebd. Aussage des 12. Zeugen, Antonio Rindon, in: Ebd. 520 Wobei an dieser Stelle erwähnt werden muss, dass selbst Brauns enger Mitarbeiter und seit 1823 Adjutant, Manuel Torres, desertierte. Dies deutet auf eine tiefe Zerrüttung und komplexe Gemengelage hin. Der simple Verweis auf den Aufrührer Matute greift hier zu kurz und deutet auf die argumentative Verteidigungsstrategie der Befragten: 29.01.1826 Aussage des 1. Zeugen, Antonio Ayaldeburu, in: Archiv Braun Bd. 8 (Ermittlungsakten). Aussage des 9. Zeugen, Felis Paredes, in: Ebd. O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 222f. 521 Aussage des 2. Zeugen, Antonio Sandobal, in: Archiv Braun, Bd. 8 (Ermittlungsakten). Diesen Faktor zieht auch immer wieder die Forschung heran: Buisson, Formacion del Estado Boliviano, 1984, S. 505. Castillo Lara, Capitán Domingo López Matute, 1996, S. 4ff. 522 Die in der Forschung immer wieder vorgetragene Vermutung, die Soldaten hätten gemeutert, da Braun seine und ihre Gratifikation beim Spielen verloren hätte, ist in

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waren jedenfalls die durchweg positiven Schilderungen der Kameraden und Untergebenen Brauns sowohl hinsichtlich der grundsätzlichen Leistungen des Kommandanten Braun als auch hinsichtlich seines Verhaltens am 14. und 15.  November 1826. Niemand versuchte, die prekäre Situation des Coronel Braun für eine personalpolitische Intrige zu nutzen. Dies deutet auf ein hohes Ansehen und einen erheblichen Einfluss Brauns im kolumbianischen Heer hin. Entsprechend positiv fielen das Urteil des zuständigen Richters Manuel María Urcullu und dessen Empfehlung an Präsident Sucre aus.523 Urcullu sprach Braun von allen Vorwürfen frei und bestätigte ihm sein ehrenhaftes Verhalten. Hierbei übernahm er größtenteils die Argumentation der Zeugen. Urcullu urteilte: „Braun arbeitete so gut er konnte daran, die Desertion zu verhindern. Er begab sich sogar in die Mitte der Meuterer, um sie aufzuhalten, womit er sein Leben gefährdete.“524 Urcullu führte ferner aus: „Es gibt keinen Grund, diese Ermittlungen zu einem Prozess weiterzuführen. Es ist eindrucksvoll gezeigt worden, dass Coronel Braun nicht nur tapfer ist und sein Leben für das Wohl des Vaterlandes eingesetzt hat. Er ist auch ein würdiger Kommandeur und dazu bestimmt, zu führen. Seine Liebe für die Ordnung, seine Aufsicht im Dienst, seine Uneigennützigkeit und sein ehrenhaftes Verhalten empfehlen ihn über alle Maßen. Ihre Exzellenz sollten anordnen, dass dieser verdienstvolle Kommandeur eine Wiedergutmachung […] erhält.“525 Mit diesem Urteil sprach Urcullu am 28. Februar 1827 Coronel Braun von allen Vorwürfen frei und stellte ihm ein eindrucksvolles Ehrenzeugnis aus. Felipe Braun erfuhr von diesem positiven Ergebnis jedoch offenbar erst einmal nichts; noch Ende Mai erkundigte er sich beim Präfekten von La Paz nach dem Ergebnis der für ihn so wichtigen Ermittlungen.526 Im Juli erging jedoch ein Generalbefehl

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den Quellen nicht zu finden. Dies wäre auch gar nicht möglich, da Braun erste Teile seiner Gratifikation erst viele Monate später ausbezahlt erhielt. Manuel María Urcullu (1785–1856) war in Bolivien ausgebildeter Jurist. Er wirkte viele Jahre auf diesem Gebiet als Präsident des Obersten Gerichtshofes (1827, 1832, 1835, 1844–1847) sowie bei der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches (1832) mit. Im Jahre 1839 kam er in Bezug auf Braun zu einem nicht ganz so positiven Urteil wie 1826. Unter Präsident Ballivián arbeitete er an einer neuen Verfassung, die durch den Staatsstreich von Manuel Isidoro Belzu allerdings obsolet wurde: Arnade, La dramática insurgencia de Bolivia, 1972, S. 108ff. Castro, Presidentes de la Corte Suprema de Bolivia, 1989, S. 23f. 28.02.1827 Chuquisaca. Urcullu an Sucre, in: Archiv Braun Bd. 8 (Ermittlungsakten). Im Gegensatz zu Präsident Sucre betont dies auch immer wieder die Forschung, etwa: Moreno de Angel, José María Córdova, 1995, S. 341. 28.02.1827 Chuquisaca. Urcullu an Sucre, in: Archiv Braun Bd. 8 (Ermittlungs­ akten). 31.05.1827 La Paz. Nr. 249. Miguel Figueredo an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1827) Nr. 35 Bd. 14.

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(Orden Jeneral), in dem offiziell das Urteil den anderen Kommandeuren armeeintern mitgeteilt wurde.527 Im Oktober 1827 folgte dann die öffentliche Wiedergutmachung, indem eine der wichtigsten Zeitungen des Landes, der „Condor de Bolivia“, das positive Urteil Urcullus veröffentlichte, um „die gute Reputation und den Ruhm dieses verdienstvollen Kommandeurs wiederherzustellen“528. Der Kriegsminister Großkolumbiens und spätere mehrmalige Präsident Kolumbiens, Carlos Soublette, bestätigte im November 1827 den Freispruch Brauns.529 In der kolumbianischen Zeitung „Gaceta de Colombia“ erhielt Braun im Februar 1828 eine öffentliche Rehabilitation.530 Mit den in das Regimentsarchiv überstellten Akten und der Empfehlung Urcullus wurde ebenfalls klar, dass definitiv nie ein Kriegsgerichtsverfahren gegen Braun stattfand, wie von der bisherigen Forschung immer wieder behauptet wurde.531 Es wurden lediglich Vorermittlungen zur Klärung der Eröffnung eines möglichen Verfahrens geführt. Braun stand also niemals vor einem Kriegsgericht.532 Dies bedeutet, dass formaljuristisch der Knick in Brauns Militärlaufbahn nicht so stark war, wie bisher angenommen. Dennoch wird Braun dieses unerfreuliche Erlebnis sicherlich die von Sucre beabsichtigte „schreckliche Lektion“533 gewesen sein. Es ist davon auszugehen, dass auch nach dem Ende der Ermittlungen und dem nicht erfolgten Prozess Brauns Position bei Präsident Sucre immer noch angeschlagen war. Denn nachdem dieser seine Korrespondenz mit Braun nach dem Aufstand eingestellt hatte, fand auch in den Monaten nach dem Ende des Ermittlungsverfahrens zwischen dem Coronel und dem bolivianischen Präsidenten keine direkte und schon gar keine private Kommunikation statt. Darüber hinaus musste Braun bis zum Urteil ein halbes und 527 06.07.1827 Chuquisaca. Generalbefehl, in: 25.10.1827 Chuquisaca. El Condor de Bolivia No 99 in: ANB PBCh El Condor de Bolivia. 528 25.10.1827 Chuquisaca. Arévalo, in: El Condor de Bolivia No 99 in: ANB PBCh El Condor de Bolivia. 529 22.11.1827 Bogotá. Kolumbianisches Kriegsministerium, Carlos Soublette an Sucre, in: Archiv Braun, Bd. 18. 530 Orden General de la Division Auxiliar en Bolivia, in: Gaceta de Colombia, Nr. 332, 24.02.1828, S. 2. 531 09.07.1827 La Paz. Miguel Figueredo, in: Archiv Braun, Bd. 8 (Ermittlungsakten). Es ist davon auszugehen, dass Braun als späterer Divisionskommandeur die originalen Ermittlungsakten an sich nahm. Damit säuberte er nicht nur das Divisionsarchiv, sondern half, diese Quelle zu erhalten. 532 Barnadas, El Mariscal Braun, 1998, S. 11. Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939, S. 68. Karl Martin etwa verschweigt diese unangenehme Episode, so auch Nölle und Diaz: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945. Martin, Der unbesiegte Soldat, 1942. Nölle, La Vida de Otto Felipe Braun, 1969. Otto Philipp Braun im Übrigen berichtete seinen Eltern und Verwandten ebenfalls weder über den Aufstand noch über das Verfahren gegen ihn: 20.06.1829 Valparaiso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 248ff. 533 19.12.1826 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 10.

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bis zur öffentlichen Wiederherstellung seines guten Rufes in Bolivien ein knappes Dreivierteljahr, in Kolumbien sogar über ein Jahr warten.

4.3 Politische Loyalität und militärische Leistungen in Krisensituationen als Karriere-Katalysatoren Man kann also davon ausgehen, dass Braun trotz der formellen Einstellung des Verfahrens gegen ihn nicht mehr in der Gunst des Präsidenten stand. Erst durch persönlichen Mut, situativ-militärische Leistungen und konsequente politische Loyalität während der bald folgenden innen- und außenpolitischen Krisen konnte sich Braun vom Makel des Matute-Aufstandes befreien. Wie dies Braun konkret gelang, soll anhand der Rekonstruktion seiner Rolle während des Aufstandes des Voltíjero-Regiments in La Paz, der peruanischen Invasion Boliviens 1828 und des peruanisch-großkolumbianischen Krieges 1828/29 gezeigt werden. Zur besseren Einordnung der folgenden Ereignisse sei kurz auf das Agieren Brauns in den Monaten nach dem Matute-Aufstand und damit auf die Umstände der weiteren Entwicklung verwiesen: Noch während die Verfolgung des aufständischen Teils der Granaderos andauerte, hatte Antonio José de Sucre die verbliebenen Truppenteile von Cochabamba nach La Paz beordert, wo sie am 18. Januar 1827 eintrafen.534 In der Folgezeit, in der auch die Ermittlungen gegen Braun stattfanden, war die Administration Sucre sichtlich darum bemüht, zumindest die gröbsten Missstände bei der Bezahlung und bei der Gratifikation der noch rund 170 verbliebenen Granaderos und der anderen ausländischen Truppenteile zu beseitigen.535 Bei einer Aufstellung im März 1827 kam das Ausmaß der bis zu diesem Zeitpunkt fehlenden Beträge zum Vorschein. Allein das Offizierskorps der braunschen Granaderos besaß noch Ansprüche auf über 20.000 Pesos allein an Gratifikationen, fehlenden Sold nicht mit einberechnet.536 Otto Philipp Braun bemühte sich in den Folgemonaten unermüdlich darum, eine vollständige Ausbezahlung der Gratifikation für seine Soldaten und Offiziere zu erreichen. Dies gelang ihm auch nach einigen Monaten zu einem 534 11.12.1826 La Paz. Nr. 137. Gregorio Fernández an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1826) Nr. 11 Bd. 1. 19.01.1827 La Paz. Nr. 10. Gregorio Fernández an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1827) Nr. 18 Bd. 5. 535 03.05.1827 Achocalla. Braun an Kriegsminister Infante, in: ANB MG 1827) Nr. 34 Bd. 14. 536 10.03.1827 La Paz. Aufstellung der geschuldeten Gratifikationen, in: ANB, MG (1827) Nr. 33 Bd. 14. 30.04.1827 La Paz. Aufstellung Paradeuniformen der zweiten Division, unterzeichnet von Duñas und Figueredo, in: ANB, MG (1827) Nr. 35 Bd. 14.

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großen Teil.537 Erst im Oktober 1827 war der Staat in der Lage, einen Großteil seiner Gratifikations-Schulden bei den Angehörigen der Unabhängigkeitsarmee zu bezahlen. Um das Risiko von Überfällen, Korruption oder Desertion zu vermindern, reiste Coronel Braun höchstpersönlich von La Paz nach Chuquisaca, um alle seine Einheit betreffenden Unterlagen und Belege persönlich zu überreichen.538 Zwar hatte Sucre hiermit eine der wichtigsten Forderungen der Unabhängigkeitsarmee größtenteils erfüllt, doch erregte die Umsetzung neuen Unmut. Denn bei der Bezahlung der Gratifikation hatte sich der bolivianische Präsident eines Tricks bedient. In Ermangelung von Bargeld ließ Sucre staatliche Schuldverschreibungen ausstellen, mit denen die Soldaten der Unabhängigkeitsarmee entweder in Staatsbesitz befindliche Ländereien erwerben oder diese Gutschriften Bolivianern verkaufen konnten. Leider erwies sich dies jedoch als äußerst schwierig.539 Denn dies gelang, wenn überhaupt, nur mit hohen Abschlägen – zumal sich die Summe auf nur 500.000 anstatt der 1 Million versprochenen Pesos belief. Nicht wenige Soldaten und Offiziere fühlten sich betrogen.540 Hinzu kam, dass sich bis November 1827 erneut ein großer Schuldenberg von über sechs Monaten nicht bezahlten Soldes angehäuft hatte.541 Bei dem benachbarten Voltíjero-Regiment fehlten drei Monate Bezahlung. Trotz dieser Bemühungen und der scheinbaren Lösung des Gratifikationsproblems wuchs im Laufe des Jahres 1827 beim kolumbianischen

537 Neben den folgenden Briefen geht dies vor allem aus den über 60 überlieferten Kopien der Ausgangsschreiben Brauns (05.05. bis 22.12.1828) hervor. Braun organisierte bei zivilen und militärischen Behörden unverdrossen Ausrüstung, Bezahlung und Nahrung für seine Soldaten, siehe: Archiv Braun, Bd. 8 (Ermittlungsakten). 04.07.1827 La Paz. Nr. 36. Braun an Kriegsminister Geraldino, in: ANB, MG (1827) Nr. 34. Bd. 14. 03.05.1827 Achocalla. Braun an Kriegsminister Infante, in: Ebd.; 05.10.1827 La Paz. Nr. 249. Miguel Figueredo an den Kriegsminister, in: ANB MG (1827) Nr. 35 Bd. 14. 24.10.1827 Sapaqui. Aufstellung der Gratifikation von Ayacucho für die kolumbianische Kavallerie, unterzeichnet von Braun, in: Ebd. 538 22.10.1827 La Paz. Nr. 249. Miguel Figueredo an den Kriegsminister. 1p, in: ANB, MG (1827) Nr. 35 Bd. 14. 24.10.1827 Sapaqui. Aufstellung der Gratifikation von Ayacucho für die kolumbianische Kavallerie, unterzeichnet von Braun, in: Ebd. 539 Beispielsweise erwarb Francisco Burdett O’Connor in Südbolivien zwei ausgedehnte Haciendas: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 253ff. 540 Buisson, Formacion del Estado Boliviano, 1984, S. 504f. Millington, The funding conflict in Bolivia, 1992, S. 89ff. Ferner wird hier deutlich, dass Otto Philipp Braun neben den 10.000 Pesos aus Peru noch über 30.000 Pesos (in Schuldverschreibungen) vom bolivianischen Staat erhielt. Es ist nicht unberechtigt, zu sagen, dass Braun ein vermögender Mann war. 541 08.11.1827 Bogotà. Kolumbianisches Kriegsministerium. C. Sou Beleua an Sucre, in: ANB MG 1827) Nr. 29 Bd. 10. Dies scheint auf alle Regimenter zugetroffen zu haben: Buisson, Formacion del Estado Boliviano, 1984, S. 505.

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Hilfsheer daher „das Verlagen der Division, in ihre Heimat zurückzukehren“542, wie der General Miguel Figueredo an den großkolumbianischen Kriegsminister Agustín Geraldino schrieb. Präsident Sucre war dies nicht verborgen geblieben, und er wollte diesem Wunsch auch entsprechen. Daher betrieb er ab Anfang 1827 die Vorbereitungen für einen schnellen Rückzug der ausländischen Regimenter. Ein Jahr später wurde mit der Umsetzung begonnen. Braun war als Kommandeur der Granaderos Teil dieser Planungen.543 Dem Abzug stand jedoch die fehlende Bezahlung entgegen, die sich immer weiter hinzog, während sich immer neue Soldrückstände aufbauten. Zu der kontinuierlich steigenden Unzufriedenheit der ausländischen Truppen, der ihnen gegenüber wachsenden Feindseligkeit der Bevölkerung und politischen Elite und dem schlechten Beispiel des GranaderoAufstandes gesellte sich eine immer stärker werdende Opposition gegen den auf Lebenszeit ernannten Präsidenten und seine liberalen Reformen. Nach dem Aufstand der Granaderos rissen daher die Verschwörungen, Revolutionsversuche und Meutereien gegen Sucre von kolumbianisch-santanderistischer, argentinischer oder peruanischer Seite nicht mehr ab. Im März 1827 wurde in Potosí eine Verschwörung vereitelt, die darauf zielte, Bolivien an Argentinien anzuschließen. Im August 1827 kam es, wiederum in Potosí, zu einer Verschwörung und in Camargo zu einem Aufstand der Bürger. In Chuquisaca wurden fast gleichzeitig einige Offiziere aus ähnlichem Anlass gefangen genommen. Mitte des Jahres wurde in La Paz eine Militärverschwörung entdeckt. Diese – ebenfalls vereitelte – Verschwörung war besonders brisant. Denn ein abgefangener Brief schien die Beteiligung des peruanischen Präsidenten Andrés de Santa Cruz zu beweisen. Auch wenn heute die Echtheit des Briefes angezweifelt wird und Santa Cruz eine Beteiligung strikt dementierte, bestimmte Sucres Politik von nun an die Angst vor einer peruanischen Invasion – ob dies zu diesem Zeitpunkt gerechtfertigt war oder nicht. Hatte in den Jahren zuvor noch Argentinien als gefährlichster Gegner Boliviens gegolten, schien nun alles auf eine Konfrontation mit Peru hinauszulaufen.544 In dieser gespannten und aufgeladenen Atmosphäre kam es im August 1827 fast zum zweiten Aufstand einer kolumbianischen Einheit. Einige Verschwörer des in Potosí 542 05.10.1827 La Paz. Miguel Figueredo an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1827), Nr. 35 Bd. 14. 543 08.11.1827 Bogotá. Kolumbianisches Kriegsministerium. Carlos Soublette an Miguel Antonio Figueredo, in: Archiv Braun Bd. 16. 22.11.1827 Bogotá. Kolumbianisches Kriegsministerium. Carlos Soublette an Sucre, in: Archiv Braun Bd. 17. 05.02.1828 Bogotá. Generalstab Kolumbiens. Carlos Soublette an Braun, in: Archiv Braun Bd. 22. 12.03.1828 La Paz. Facundo Infante an Braun, in: Archiv Braun Bd. 28. 544 Die Unterschrift scheint mit anderen zu dieser Zeit entstandenen Signaturen des peruanischen Präsidenten nicht übereinzustimmen, darüber hinaus weicht auch der sprachliche Ausdruck vom Stil Andrés de Santa Cruz‘ ab: Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 478f.

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stationierten Gardebataillons Voltíjero, das sich besonders in der Schlacht von Ayacucho ausgezeichnet hatte, planten, sich am 22. August zu erheben. Hauptgrund war wohl der von Präsident Sucre schon gegenüber Braun im Jahre 1826 befürchtete tiefe Riss zwischen Mannschaft und Offizieren. Die Soldaten warfen diesen vor, sie wie Rekruten in ihre Baracken einzusperren, während sie selbst den Sold der Soldaten verspielten.545 Über diese situative Ursache hinaus heizten immer wieder politische Gegner Sucres solche Aufstände und Meutereien durch Bestechungen und Propaganda weiter an. Erst gegen Ende des Jahres schien sich die Lage ein wenig zu beruhigen. Präsident Sucre schrieb Anfang Dezember 1827 voller Optimismus an Bolívar: „In Bolivien ist alles ruhig.“546

Der Aufstand des Voltíjero-Regiments in La Paz 1827 Sucre täuschte sich jedoch gewaltig. Wenig später, an Heiligabend 1827, erhob sich das nach der entdeckten August-Verschwörung nach La Paz versetzte Voltíjero-Regiment, diesmal – zumindest vorerst – erfolgreich. Wie geplant, nahmen die Aufständischen sämtliche in La Paz befindliche Offiziere, darunter auch Otto Philipp Braun, gefangen, plünderten die Stadtkasse und raubten das Waffenarsenal aus. Gleichzeitig konnten sie ihre Kameraden aus den anderen in La Paz stationierten Einheiten, „Bogotá“ und „Granaderos“, bewegen, sich ihrem Aufstand anzuschließen. In der Zwischenzeit befreite ein loyaler Soldat die Gefangenen Fernández, Urdinínea und Braun. Fernández ritt schnellstens davon, um eine in der Nähe stationierte bolivianische Einheit zu Hilfe zu holen. Braun zeigte sich – wie viele Zeitungen und Zeitzeugen berichteten – währenddessen entschlossen, den Aufstand unter Einsatz seines Lebens doch noch zu vereiteln. Ein treuer Assistent Brauns hatte während des Chaos‘ bei der Gefangennahme der Offiziere und der anschließenden Plünderung ihres Eigentums zwei Pferde gerettet. „Mit diesen ritten beide zum Haus von Braun, wo sich drei Granaderos aufhielten, die sich ihm sofort anschlossen. Mit ihnen marschierte er zum ersten Haus im Kaufmannsviertel. Dort stellte sich Braun zehn oder zwölf Soldaten der gleichen Einheit gegenüber und rief ihnen zu: ‚Granaderos, wo ist die kolumbianische Ehre?‘ Diese antworteten: ‚Bei uns.‘ Braun erwiderte seinerseits: ‚Also folgt mir.‘“547 Und sie folgten ihrem Kommandeur – und zwar auf den Hauptplatz. Dort stellten sich die Aufständischen gerade zum Abmarsch 545 Francisco Burdett O’Connor beschreibt dies ähnlich: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 237. 546 04.12.1827 Chuquisaca. Sucre an Bolívar, in: Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 67f Anm. 74. 547 12.1827 Gaceta de Colombia, Rebelión de Voltíjeros, in: Lecuna, Documentos referentes a la creación de Bolivia, Bd. 2, 1924, S. 496.

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auf, nachdem sie den ganzen Tag den Bürgern von La Paz weitere Zahlungen abgepresst hatten. Braun betrat die Plaza Mayor mit seinen Begleitern und erkundigte sich nach dem Anführer des Aufstandes. „In dem Moment, in dem man ihm den Verantwortlichen zeigte, galoppierte Braun ihm entgegen und schoss mit seiner Pistole auf ihn, ohne ihn allerdings zu treffen. Der Sargento General Grado [ein Aufständischer, Anm. RK] zog seinen Degen, aber der Assistent von Braun zähmte ihn mit einem Schuss aus seinem Karabiner.“548 Braun nutzte den Moment der allgemeinen Verwirrung und „schrie: ‚Granaderos, Viva Colombia!‘, und im gleichen Augenblick schloss sich die Kavallerie Braun an und hinterließ einen verblüfften Anführer des Aufstandes“549. Mit diesen wieder auf die Seite der Republik gebrachten Soldaten stieg Braun in einem Gewaltmarsch ins höher gelegene El Alto auf, um sich dort mit den anderen loyalen Einheiten unter Urdinínea zu vereinigen. Von hier aus dominierten sie La Paz strategisch und schnitten den Aufständischen den Weg nach Peru ab. Als die über 500 Rebellen am 27. Dezember 1827 über El Alto nach Peru aufbrachen, wurden sie von General Urdinínea und Coronel Braun bei der Kirche von San Roque mit über 600 loyalen Soldaten überrascht. Das folgende Gefecht entschieden Braun und Urdinínea für sich. Für den Sieg war jedoch ein hoher Preis zu entrichten. Denn auf beiden Seiten fielen zusammen 139 Soldaten, 108 wurden verwundet – darunter auch Otto Philipp Braun.550 Am nächsten Tag wurden die 13 Anführer der Meuterei auf dem Plaza de San Pedro in La Paz standrechtlich erschossen. Die restlichen Truppen wurden bis auf Weiteres in ihren Barracken eingeschlossen.551 548 12.1827 Gaceta de Colombia, Rebelión de Voltíjeros, in: Lecuna, Documentos referentes a la creación de Bolivia, Bd. 2, 1924, S. 496. 549 Sánchez de Velasco, Memorias, 1938, S. 177. 550 26.12.1827 San Roque. José María Perez de Urdíninea/Miguel Figueredo an den Präfekten von La Paz, in: Suplemento al Condor de Bolivia No. 108, 31.12.1827, in: ANB PBCh El Condor de Bolivia. 551 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 8ff. Basadre, Historia de la República del Perú, Bd. 1, 1963 [=1946], S. 69ff. Buisson, Formacion del Estado Boliviano, 1984, S. 502. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 28f. Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 482ff. Salmón, La Paz en su IV. centenario, Bd. 2, 1948, S. 148ff. Reyes Villa, Capítulos negros de la historia boliviana, 2003, S. 22, 27f. Sanabria, La Paz en la historia nacional, 1991, S. 189f. Valencia Tovar, El Ejéricto en la Gran Colombia, 1993. S. 121ff. Siehe auch die zeitgenössische Beschreibung: Baralt, Resumen de la Historia de Venezuela, 1960S. 487ff. Restrepo, Historia de la Revolution de la República de Colombia, Bd. 6, 1969, S. 78ff. Originalquelle: 26.12.1827 La Paz. Präfektur von La Paz. Nr. 203, in: Suplemento al Condor de Bolivia No. 108. 31.12.1827, in: ANB PBCh El Condor de Bolivia. Sánchez de Velasco, Memorias, 1938, S. 176ff. 28.12.1827 Oruro. Manluel Valdes an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1827), Nr. 9, Bd. 6. 11.01.1828 La Paz. Leserbrief eines anonymen Bürgers von

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Der Aufstand zeigt, dass sich der Riss zwischen den einstigen Waffenbrüdern jetzt nicht mehr nur durch die Republiken, ihre Politiker oder einzelne Armeeteile, sondern auch durch die Regimenter, Bataillone und Schwadronen zog. Als Präsident Sucre am 5. Januar 1828, aus Chuquisaca herbeigeeilt, in La Paz eintraf, hatten Braun und Urdinínea zwar die Ordnung wiederher­gestellt. Dennoch war es der Anfang vom Ende der Präsidentschaft Sucres wie auch der Herrschaft der bolivarischen Partei in Bolivien. Diese Entwicklung hatte sich schon im Winter 1826 beim Matute-Aufstand in Cochabamba angedeutet. Die von Sucre gegenüber Braun im April 1826 prophezeiten „unkalkulierbaren“552 Folgen einer Desintegration der Unabhängigkeits­armee bewahrheiteten sich zunehmend. Sucre gelang es im Laufe der nächsten Monate nicht mehr, auch nicht mit dem vorangetriebenen Abzug einzelner kolumbianischer Einheiten oder gar der Auflösung der Voltíjeros, die Lage in Bolivien zu beruhigen. Inmitten der Zuspitzung der allgemeinen politischen Lage für Präsident Sucre hatten das eben skizzierte Verhalten Brauns und die militärische Zerschlagung des Aufstandes sehr positive Folgen für ihn. Sucre war so sehr über die erfolgreiche Bewältigung dieser Krise erleichtert,553 dass er kurz nach seinem Eintreffen in La Paz in der ersten Januarwoche 1828 Braun und seine Einheit zu den „Besiegern der Sieger“554 erklärte. Schon vorher, als Glockengeläut die Nachricht des Sieges in der bolivianischen Hauptstadt Chuquisaca verkündet hatte und das Armeeorchester musizierend durch die Straßen gezogen war, war Brauns mutiges Verhalten wie ein Lauffeuer durch die Stadt gegangen. Als sich die Bevölkerung auf dem Hauptplatz versammelte, erklangen, nach der Darstellung der Regierungszeitung, „Vivas auf die Republik, auf den Präsidenten, auf die Generäle Urdinínea, Figueredo und Braun, auf die Nummer zwei Boliviens“555. Dies wird Braun nicht nur persönlich gefreut haben, sondern zeigt, dass Braun – kaum zwei Monate nach seiner öffentlichen Rehabilitierung und ein Jahr nach dem Aufstand seiner Granaderos in Cochabamba mit der darauf folgenden Ungnade bei Sucre – wieder zum engsten Kreis der Führung der Republik zählte. Die Zeitungen und Akteure sparten nicht mit positiven Wertungen. Allesamt lobten sie den kurz zuvor noch des Verrats beschuldigten Braun in den höchsten Tönen: Die einflussreichen Generäle José María Perez de Urdíninea und General Miguel Figueredo nannten

552 553 554 555

La Paz, in: El Condor de Bolivia, in: Lecuna, Documentos referentes a la creación de Bolivia, Bd. 2, 1924, S. 513ff. 04.04.1826 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun Bd. 1. 05.01.1828 La Paz. Proklamation. Sucre an die Bürger von La Paz, in: Archiv Braun, Bd. 19. Dies war eine Anspielung auf den Sieg der Voltijeros in der Schlacht von Ayacucho im Dezember 1824: Kieffer Guzmán, Antonio José de Sucre, 1995, S. 395. Suplemento al Condor de Bolivia No. 108 31.12.1827, in: ANB, PBCh, El Condor de Bolivia.

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ihn öffentlich „den mutigen und tapferen Coronel Braun“556. Der Präfekt von La Paz stand dem in nichts nach und beschrieb, wie Braun „bei diesem Vorfall ein einzigartiges Beispiel des Mutes“557 abgegeben habe. Andere Zeitungsartikel beschrieben, wie Urdinínea, Figueredo und „der unerschrockene Braun […] die Loyalität der Einheiten in La Paz sicherten und den Aufstand unterdrückten“558. Die drei Genannten hätten „ihre Pflicht auf eine so ehrenhafte Weise erfüllt, dass sie einen Platz im Buch der Helden erhalten und die Schreiber in Lima mit diesem großen Beweis des Patriotismus und Mutes Lügen strafen“559. Neben diesen für Braun schmeichelhaften Berichten und Zuschreibungen in den Zeitungen des Landes bzw. Berichten seiner Kameraden rehabilitierte Sucre Braun im Zuge seiner ersten Maßnahmen nach dem Aufstand endgültig, indem er ihn wieder in die wichtigen politischen Prozesse des Landes mit einbezog. Die Rehabilitierung und machtpolitische Reintegration Brauns zeigte sich aber vor allem, nachdem General Figueredo den Oberbefehl abgeben und Bolivien verlassen musste.560 Im Februar 1828 erhielt Otto Philipp Braun nämlich den Oberbefehl über die Reste des in Bolivien verbliebenen kolumbianischen Hilfsheeres – und zwar mit der Befehlsgewalt eines Kommandierenden Generals, auch wenn er als Coronel diesen Rang noch nicht bekleidete.561 Für Braun bedeutete diese Beförderung, dass er 556 26.12.1827 San Roque. José María Perez de Urdíninea/Miguel Figueredo an den Präfekten von La Paz, in: Suplemento al Condor de Bolivia No. 108 31.12.1827, in: ANB, PBCh, El Condor de Bolivia. Später wiederholte Urdinínea diese Zuschreibung in einem privaten Brief: 22.04.1828 Pucarani. Geheim. José María Pérez de Urdinínea an Braun, in: Archiv Braun Bd. 38. 557 26.12.1827 La Paz. Präfektur von La Paz. Nr. 203, in: Suplemento al Condor de Bolivia No. 108. 31.12.1827, in: ANB, PBCh, El Condor de Bolivia. 558 Suplemento al Condor de Bolivia No. 108 31.12.1827, in: ANB PBCh El Condor de Bolivia. 559 Ebd. 560 Sucre verdächtigte Figueredo der Intrige. Dieses Misstrauen ging über die Amtsenthebung hinaus. Sucre entzog Figueredo im März 1828 jedwede Befehlsgewalt: 11.01.1828 La Paz. Sucre an Bolívar, in: Fundacion Vicente Lecuna, Archivo de Sucre, Bd. 8, 1989, S. 13. 11.03.1828 La Paz. Sucre an Bolívar, in: Ebd., S. 81ff. 12.03.1828 La Paz. Facundo Infante an Braun, in: Archiv Braun Bd. 24. 561 Sucre hatte Bolívar diese Personalie im Januar 1828 vorgeschlagen. Braun scheint spätestens ab dem 9.  Februar diese Funktion ausgefüllt zu haben und dann am 25. Februar offiziell ernannt worden zu sein. Schon seit Mai 1827 war Braun offiziell Oberbefehlshaber der kolumbianischen Kavallerie und nicht mehr nur für die Granaderos verantwortlich. Sehr bald begann Braun, mit Coronel Comandante General zu unterschreiben: 03.05.1827 Achocalla. Braun an Kriegsminister Facundo Infante, in: ANB, MG (1827) Nr. 34 Bd. 14. 11.01.1828 La Paz. Sucre an Bolívar, in: Fundacion Vicente Lecuna, Archivo de Sucre, Bd. 8, 1989, S. 13. 09.02.1828 La Paz. Infante an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 23. 25.02.1828 La Paz. Infante an Braun, in: Archiv Braun Bd. 26. 20.02.1828 La Paz. Aufstellung der einsatzbereiten Ein-

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nicht mehr nur militärischer Kommandeur über Kavallerieeinheiten war, sondern erstmals auch Infanterieregimenter befehligte. Braun war also von einem militärischen Spezialisten zu einem breiter aufgestellten Kommandeur geworden. Dies war aufgrund der politischen Situation eine riskante Mission. Die Übertragung dieses heiklen Amtes verdeutlicht, wie sehr Sucre dem einst in Bausch und Bogen verdammten Braun nun wieder vertraute und dessen Dienste schätzte. Daher verwundert es nicht, dass auch die seit über einem Jahr abgerissene Korrespondenz Sucres mit dem „geschätzten Coronel und Freund“562 wieder auflebte und nichts an der vormaligen Herzlichkeit, Privatheit und den Freundschaftsbeteuerungen vermissen ließ.563 Sucres Wertschätzung äußerte sich auch in mehreren Schreiben des bolivianischen Präsidenten an seinen kolumbianischen Amtskollegen und Freund Simón Bolívar. Sucre berichtete ihm, wie Braun seine Granaderos aus dem Aufruhr herausgeholt hatte.564 Darüber hinaus lobte er Brauns Vorzüge – auch ganz explizit im Vergleich zu anderen Akteuren, wie General Figueredo.565 Ganz konkret formulierte Sucre gegenüber Bolívar: „Dieser Braun ist ein Mann, der ihnen nicht nur zugeneigt ist, sondern sie verehrt. Er wird diesem Land mit Eifer und Loyalität dienen.“566 Simón Bolívar höchstpersönlich skizzierte wenig später in einem Schreiben an Coronel Daniel F. O’Leary, dass der Aufstand von Peru nur unter dem Vorwand fehlenden Soldes hervorgerufen worden sei, als eigentliches Ziel aber die Zerstörung Boliviens anvisiert habe. Dieses Vorhaben sei jedoch „aufgrund des Mutes von Braun“567 gescheitert. Die lobenden Worte der Zeitungen, der Generäle und Präfekten sowie von Sucre und von Bolívar zeigen, dass sich Braun nach seinem als äußerst mutig wahrgenommenen Verhalten bei der Rebellion der Voltíjeros vom Matute-Aufstand mehr als erholt hatte. Braun ging mit dem Oberbefehl über die kolumbianischen Einheiten in Bolivien sogar

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heiten der zweiten kolumbianischen Division, unterzeichnet Diego Marreynol und Felipe Braun, in: ANB, MG (1828) Nr. 37 Bd. 16. 29.02.1828 La Paz. Aufstellung der einsatzbereiten Einheiten der zweiten kolumbianischen Division, unterzeichnet Diego Marreynol, in: ANB, MG (1828) Nr. 37 Bd. 16. 12.03.1828 La Paz. Braun an Infante, in: ANB, MG (1828) Nr. 37 Bd. 16. 02.04.1828 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 31. 26.03.1828 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun Bd. 29. 02.04.1828 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun Bd. 31. 10.04.1828 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun Bd. 33. 12.04.1828 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun Bd. 35. 11.01.1828 La Paz. Sucre an Bolívar, in: Fundacion Vicente Lecuna, Archivo de ­Sucre, Bd. 8, 1989, S. 11. Ebd., S. 11f. 11.03.1828 La Paz. Sucre an Bolívar, in: Ebd., S. 81ff. 12.04.1828 Chuquisaca. Sucre an Bolívar, in: Ebd., S. 103ff. 12.03.1823 Bogotá. Bolívar an O’Leary, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 47.

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gestärkt und mit neuen, in den nachrevolutionären Diadochenkämpfen erworbenen Meriten aus der Krise hervor. Die Motive des Aufstandes schienen auf den ersten Blick ähnlich wie bei den Granaderos fast ein Jahr zuvor: Es fehlten drei Monate Sold, und der Garnisonsdienst und das Zusammenleben mit den Bolivianern gestalteten sich auch schwieriger als gedacht – zumal ein Großteil der Soldaten endlich wieder in die Heimat wollte. Diese Faktoren allein konnten den Aufstand jedoch nicht auslösen. Denn Sucre trieb die Bezahlung der Regimenter voran. Darüber hinaus war der Abzug des kolumbianischen Hilfsheeres nicht nur beschlossen, sondern hatte auch schon begonnen. Sogar der Rücktritt Sucres von der unpopulären lebenslangen Präsidentschaft stand im Raum. Beim Aufstand der Voltíjeros spielten – viel mehr als bei der Rebellion von Matute – internationale Verwicklungen und kontinentale Fraktionskämpfe, also Faktoren außerhalb der Grenzen der Republik eine Rolle. Sucre besaß beispielsweise nicht mehr den Oberbefehl über die großkolumbianischen Truppen. Diesen hatte sich die liberale Fraktion um Santander in Groß-Kolumbien bis Anfang 1827 einstweilig gesichert. In dieser Situation betrieb sie eine gegen Sucre und damit gegen den eigentlichen Gegner, Simón Bolívar, gerichtete Zermürbungstaktik. Zwar konnte sich Sucre einen Teil seines Einflusses bewahren, aber seine Autorität im Heer nahm spürbar ab.568 Als Sucre im September 1827 den Oberbefehl zurückerhielt und begann, das Offizierskorps von Anhängern Santanders zu säubern, konnte dies seine Situation nicht mehr konsolidieren.569 Außerdem war es im Jahre 1827 zwischen Groß-Kolumbien und Peru zu erheblichen Spannungen gekommen, als peruanische Kräfte Guayaquil besetzt und die südkolumbianische Provinz annektiert hatten.570 Zwar hatte dieser feindliche Akt durch eine Intrige von General Juan José Flores ohne Blutvergießen wieder rückgängig gemacht werden können, doch der Konflikt war nicht entschieden. Er drohte, jederzeit zu einem ausgewachsenen Krieg zu eskalieren. Die Verantwortlichen in Peru zielten darauf ab, einem gefährlichen Zweifrontenkrieg mit Sucres Bolivien im Süden und Bolívars Groß-Kolumbien im Norden unter allen Umständen zuvorzukommen. Aus diesem Grund hatte der peruanische General Gamarra eine Armee an der 568 04.06.1827 Potosí. Sucre an Bolívar, in: O’Leary, Cartas de Sucre al Libertador, Bd, 2, 1919, S. 163. 04.10.1827 Chuquisaca. Sucre an Bolívar, in: Ebd., S. 197. 27.10.1827 Chuquisaca. Sucre an Bolívar, in: Ebd., S.  203f. 27.01.1828, La Paz. Sucre an Bolívar, in: Ebd., S. 230f. Ferner: Restrepo, Historia de la Revolution de la República de Colombia, Bd. 6, 1969, S. 80ff. 569 15.10.1827 Bogotá. Kolumbianisches Kriegsministerium. Carlos Soublette an Sucre, in: Archiv Braun Bd. 15. 08.11.1827 Bogotá. Soublette an Figueredo, in: Archiv Braun, Bd. 16. 12.03.1828 La Paz. Kriegsminister Infante an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 24. Ferner: Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 483ff. 570 Maßgebliche Akteure auf peruanischer Seite waren hier General La Mar sowie Andrés de Santa Cruz.

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Grenze zu Bolivien zusammenziehen lassen und bewegte sich auf sie zu. Die Gerüchte über eine kurz bevorstehende peruanische Invasion, getragen von einer entsprechenden Propaganda und Berichterstattung in Lima bzw. La Paz, trugen wohl auch zum Aufstand der Voltíjeros bei. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass die peruanische Generalität über die im Hilfsheer befindlichen Peruaner einen gehörigen Einfluss auf die einzelnen Regimenter und Bataillone besaß. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass der Aufstand mit Hochrufen auf Peru und auf General Santa Cruz begann.571 Zwar hatte die Ernennung Brauns zum Oberbefehlshaber der kolumbianischen Truppen in Bolivien die Wiedererlangung seiner Reputation und sogar einen Aufstieg signalisiert, doch konnte Braun seine neue Position nicht in Ruhe genießen. Nach der Niederschlagung des Voltíjero-Aufstandes beschleunigte Sucre den Abzug der immer wieder meuternden großkolumbianischen Veteranen. Brauns heikles Mandat besaß also ein Verfallsdatum. Denn es war klar, dass bis auf einige wenige in Bolivien verbleibende Offiziere sehr bald fast alle Einheiten das Land in Richtung Heimat verlassen haben würden. Größtes Hindernis beim Abzug der kolumbianischen Truppen waren fehlende Ressourcen und mangelnde Transportmöglichkeiten, weshalb sich das Vorhaben immer wieder verzögerte, wie Braun etwa dem Präfekten von Cuzco, General Agustín Gamarra, im März 1828 mitteilte.572 Im selben Monat hatte Braun den endgültigen Befehl erhalten, die restlichen kolumbianischen Truppen abreisebereit zu machen und zur Küste zu führen.573 Die zwei loyalen Schwadronen der Granaderos sollten vorerst noch in Bolivien bleiben. Dennoch hörte mit diesem Befehl das kolumbianische Hilfsheer, das einst mit über 9.000 Soldaten den Desaguadero überquert hatte, letztlich auf zu existieren.574 Sucre setzte nun alle Hebel in Bewegung, die einst gefeierten Befreier abzuziehen. Braun gegenüber formulierte er diesbezüglich deutlich: „Ich sehne mir den Tag herbei, an dem Sie mir aus Arica mitteilen, dass die ganze Infanterie an Bord eines Schiffes ist.“575 Mitte April 1828 zog Braun mit den Resten des kolumbianischen Hilfsheeres aus La Paz ab und traf zehn Tage später in Tacna und Anfang Mai 1828 in Arica ein.576 571 12.1827 Gaceta de Colombia, Rebelión de Voltíjeros, in: Lecuna, Documentos referentes a la creación de Bolivia, Bd. 2, 1924, S. 496. 26.12.1827 Pomata. Comandante del Batallón Voltíjeros an General Gamarra, in: Ebd., S. 503. 572 31.03.1828 Braun an Gamarra, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p35/17v). 573 12.03.1828 La Paz. Infante an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 24. 02.04.1828 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun Bd. 31. 12.04.1828 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun Bd. 35. 574 Kieffer Guzmán, Antonio José de Sucre, 1995, S. 395. 575 12.04.1828 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun Bd. 35. 576 28.04.1828 Tacna. Braun an den Präfekten von La Paz, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p49/24v) 07.05.1828 Arica. Braun an den Kommandanten von Guayaquil, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p52–53/26–26v).

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Das Ende der Präsidentschaft Sucres Die gesamte Entwicklung bereitete Sucre und seinen Militärs große Sorgen. Zwar kam es nach der Niederschlagung des Voltíjero-Aufstandes nicht sofort zu einem peruanisch-bolivianischen Krieg, aber die Truppenbewegungen an der Grenze zu Bolivien sowie die Entdeckung peruanischer Spione in La Paz verdeutlichten die Gefahr einer peruanischen Invasion. Der während der Präsidentschaft Sucres in dessen Administration tätige Ökonom Jorge Mallo beschrieb die Situation wie folgt: „Aufgrund der sich wiederholenden Vorfälle, der vom General Gamarra unterstützten Gegner [Sucres, Anm. RK] sowie einer offenen Polemik in der Presse von Tacna schien alles auf eine neue Konfrontation hinauszulaufen.“577 Diese sollte nicht nur Sucres Administration destabilisieren, sondern vor allem die kolumbianischen Einheiten neutralisieren. Sucre erkannte die Gefahr und begann, einerseits das kolumbianische Angebot einer Verteidigungsallianz in Erwägung zu ziehen578 und andererseits konkrete Vorbereitungen für den Ernstfall zu treffen.579 In einer letzten diplomatischen Initiative berief er im März 1828 ein persönliches Treffen mit seinem ehemaligen Generalstabsoffizier in Ayacucho, nun aber politisch-militärischen Widersacher Agustín Gamarra ein. Darin versuchte Sucre den von ihm spätestens seit Anfang 1825 verachteten General zu überzeugen, dass er schon bald die Präsidentschaft abgeben werde und schon lange Maßnahmen zum Abzug des kolumbianischen Hilfsheeres getroffen habe. Bei dem mehrstündigen Gespräch legte Sucre sogar Kopien von Befehlen vor, welche die Vorbereitungen des Abzuges belegen sollten. Gamarra seinerseits beteuerte, keine Interventionspläne zu verfolgen, sondern lediglich die kolumbianische Armee in Bolivien von einem möglichen Eingreifen im Falle eines peruanisch-großkolumbianischen Krieges abhalten zu wollen. Der stets an einer einvernehmlichen Lösung interessierte Sucre glaubte „den guten Absichten“580 des peruanischen Generals. Voll der Überzeugung – die von mehreren freundschaftlichen Briefen Gamarras bestärkt wurde – dass es zu keiner peruanischen Invasion kommen würde, kehrte Sucre nach Chuqui-

577 Mallo, Administración del Jeneral Sucre, 1871, S. 65. 578 02.04.1828 Chuquisaca. Sucre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 31. 579 Basadre, Historia de la República del Perú, Bd. 1, 1963 [=1946], S. 68ff. Buisson, Formacion del Estado Boliviano, 1984, S. 501ff. Gisbert, La Independencia. 1800–1828, 2003, S. 358f. Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 486f. Querejazu, Bolivia, 2003, S. 116ff. Restrepo, Historia de la Revolution de la República de Colombia, Bd. 6, 1969, S. 76ff. Valencia Tovar, El Ejéricto en la Gran Colombia, 1993. S. 111ff. 580 11.03.1828 La Paz. Sucre an Bolívar, in: O’Leary, Cartas de Sucre al Libertador, Bd. 2, 1919, S. 491.

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saca zurück. Dort erwartete ihn jedoch die politische Realität.581 In der Nacht des 18. April 1828 meuterte das in der Hauptstadt stationierte und von Bürgern bestochene Granaderobataillon. Kurz nachdem der Präsident hiervon erfahren hatte, bestieg er sein Pferd und ritt in Begleitung seines Innenministers Facundo Infante und zweier Adjutanten zum Ort des Geschehens. Er gedachte, dort durch seine alleinige Präsenz und gestützt auf sein hohes Ansehen die Lage zu beruhigen. Die Aufständischen empfingen ihn jedoch mit Schüssen, die einen seiner Begleiter trafen. Als der Präsident seinen Säbel zog, verwundeten ihn Kugeln an der rechten Schulter schwer. Beim Rückzug brach der Marschall von Ayacucho auf der Straße zusammen und fiel bewusstlos vom Pferd. Einige Bedienstete brachten ihn in den Präsidentenpalast. Dort übertrug er – um ein Machtvakuum zu verhindern – dem Kriegsminister Urdinínea die Präsidentschaft des Ministerrates und damit die Macht in Bolivien. Sucre selbst besaß in der Folge keinen direkten Einfluss auf die weiteren politischen Entwicklungen mehr. Am 23. April erreichte die Nachricht des Aufstandes General Urdinínea in La Paz. Dieser verließ daraufhin umgehend die Stadt und traf am 3. Mai 1828 in Chuquisaca ein, wo er die Regierung übernahm. In der Zwischenzeit herrschte dort Chaos. Die Aufständischen nahmen Sucres engste Mitarbeiter gefangen, verlegten ihn in sein Privathaus und plünderten unter anarchischen Umständen die Stadt. Das bolivianische Bürgertum versuchte, die Gunst der Stunde für sich zu nutzen. Casimiro Olañeta beispielsweise hatte zuvor nach einer persönlich vorgetragenen Bitte vom Präsidenten die Erlaubnis erhalten, die Bürger der Stadt im Rat einzuberufen, um Maßnahmen gegen den Aufstand zu beraten. Olañeta, einer der führenden Köpfe des bolivianischen Bürgertums, rief allerdings die Bevölkerung zum bewaffneten Widerstand gegen Sucre und gegen die kolumbianische Armee auf. Olañeta hatte Sucre verraten.582 Zwar gelang es Coronel Francisco López de Quiroga mit einigen loyalen Truppen aus Potosí, in Chuquisaca wieder die öffentliche Ordnung herzustellen und die Anführer der Aufständischen mit Lanzenstichen auf dem Plaza Mayor grausam hinrichten zu lassen, doch hatte sich das Blatt für die Regierung Sucre endgültig

581 Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 296. Gisbert, La Independencia, 1800–1828, 2003, S. 358. Kieffer Guzmán, Antonio José de Sucre, 1995, S. 400ff. Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 487f. 582 Diese politische Flexibilität sollte Olañeta in den nächsten Jahrzehnten noch mehrfach demonstrieren: Basadre, Historia de la República del Perú, Bd. 1, 1963 [=1946], S. 70ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 39. Gantier, Casimiro Olañeta, 1965, S. 135ff. Kieffer Guzmán, Antonio José de Sucre, 1995, S. 402ff. Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 492. Pérez del Castillo, Bolivia, 1992, S. 42f. Reyes Villa, Capítulos negros de la historia boliviana, 2003, S. 18ff. Vargas Ugarte, Historia general del Perú, Bd. 7, 1971, S.108.

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gewendet.583 Für Otto Philipp Braun bedeuteten diese Entwicklungen die Notwendigkeit, sich inmitten der unterschiedlichen Fraktionen zu positionieren. Er wählte dabei die bedingungslose Loyalität zu Präsident Sucre und zu Bolívar.

Die peruanische Invasion Boliviens 1828 Der sichtlich schockierte Interims-Regierungschef Urdinínea hatte Braun im weit entfernten Arica, kurz nachdem er selbst von den Vorkommnissen erfahren hatte, über das Attentat auf Sucre informiert. Dabei befahl er, die Einschiffung teilweise abzubrechen.584 In einem geheimen Zusatzschreiben flehte er geradezu seinen „Kameraden von San Roque“585 an, „die Regierung zu schützen“586. Urdinínea schrieb, er zweifle nicht, „dass Sie sich nun an die Spitze ihrer zwei Schwadronen […] setzen und blitzschnell zurückkehren werden“587. Er verabschiedete sich von seinem „geliebten Schützling und Kameraden“588 mit der Aufforderung, dass Braun sich eiligst zu ihm begeben solle, „um die Beleidigung unseres Sucres zu rächen: Sie an der Spitze der Hilfstruppen, die sich noch in Bolivien befinden, und ich an der Spitze der Bolivianer. Gemeinsam werden wir die Ehre der Regierung […] wiederherstellen.“589 Sucre appellierte selbst vom Krankenlager aus an Braun: „Bolivien braucht Sie in den heutigen Zeiten, in denen die Peruaner es bedrohen. Dienen Sie ihm so großzügig wie Kolumbien. Dienen Sie ihm wie ein Sohn Bolívars. Sagen Sie allen Kolumbianern, dass es das Interesse unseres ­Vaterlandes ist, diese Aggression, diese perfide Ungerech583 Bei den Kämpfen in Chuquisaca starb der wichtige Akteur des bolivianischen Unabhängigkeitskampfes General José Miguel Lanza (1779–1828), siehe: Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S.11ff. Basadre, Historia de la República del Perú, Bd. 1, 1963 [=1946], S. 70ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 29ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 37ff. Gisbert, La Independencia. 1800–1828, 2003, S. 358ff. Kieffer Guzmán, Antonio José de Sucre, 1995, S. 402ff. Kieffer Guzmán, Ingavi, 1991, S. 157ff. Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 491ff. Pérez del Castillo, Bolivia, 1992, S. 20ff. Querejazu, Bolivia, 2003, S. 117. 584 22.04.1828 Pucarani. José María Pérez de Urdinínea an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 37. Die Regierung hielt Braun im weiteren Verlauf stets auf dem Laufenden: 23.04.1828 Chuquisaca. Rundbefehl Nr. 116. Innenminister Infante an den Präfekten von Oruro, in: Archiv Braun, Bd. 39. 12.05.1828 Chuquisaca. Vicente E. Andrade an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 42. 585 Bei der Kirche von San Roque hatten Braun und Urdinínea den Voltijero-Aufstand gemeinsam niedergeschlagen: 22.04.1828 Pucarani. Geheim. José María Pérez de ­Urdinínea an Braun, in: Archiv Braun Bd. 38. 586 Ebd. 587 Ebd. 588 Ebd. 589 Ebd.

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tigkeit und diesen Verrat zurückzuschlagen.“590 Braun antwortete am 26. April, dass seine Einheiten „immer bereit sind, die derzeitige Regierung von Bolivien zu schützen und zu verteidigen“591, und dass er mit Gehorsam der Regierung von Kolumbien und mit Dankbarkeit derjenigen von Bolivien dienen werde. Braun blieb loyal, obwohl er durchaus auch anders hätte handeln können. Er hätte sich etwa nach Kolumbien absetzen und den Ausgang der Ereignisse weit abseits der Gefahr abwarten können. Auch hätte Braun– wie andere kolumbianische Offiziere – Schmiergeld aus Peru akzeptieren und gegen Sucre rebellieren können. Dass Braun hier Entscheidungsspielraum besaß und dies den Zeitgenossen bewusst war, zeigt die nahezu euphorische Reaktion des bolivianischen Innenministers, nachdem dieser von der Entscheidung Brauns, sich an der Verteidigung Boliviens zu beteiligen, erfahren hatte. Laut Facundo Infante war Brauns Entscheidung für die Loyalität „tröstender Balsam für alle“592. Bevor Braun nach Zentralbolivien zurückkehrte, musste er jedoch zuerst die Einschiffung der bei ihm befindlichen Pichincha-Einheiten beenden, in die die Regierung wenig Vertrauen hatte, aber auch, um bei den Peruanern nicht den Verdacht innenpolitischer Probleme aufkommen zu lassen.593 Dieser Wunsch erfüllte sich indes nicht. Am 1. Mai 1828 überschritten als Reaktion auf das Attentat auf Sucre 5.000 peruanische Soldaten unter dem Befehl von Agustín Gamarra den peruanisch-bolivianischen Grenzfluss Desaguadero. Damit lösten sie den ersten peruanisch-bolivianischen Krieg aus. Braun erfuhr hiervon Mitte Mai. Nun sollte er doch mit allen ihm zur Verfügung stehenden Einheiten, auch mit den ungeliebten Pichincha-Bataillonen, nach Oruro eilen und zuvor General Juan José Flores im südlichen Großkolumbien über die Ereignisse informieren.594 Für Ersteres war es jedoch zu spät. Am 7. Mai 1828 hatte Braun die genannten Einheiten eingeschifft.595 Nach Erledigung dieser Aufgabe und 590 Sucre selbst konnte aufgrund seiner Verletzung seine Briefe nicht mehr unterschreiben, diktierte diese aber seinem Sekretär Vicente Andrade, der die Briefe in seinem Namen unterschrieb und abschickte. 12.05.1828 Chuquisaca. Sucre/Andrade an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 42. 591 26.04.1828 Braun an José M. Perez de Urdinínea, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p46/23). 592 02.06.1828 Chuquisaca. Infante an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 45. 593 24.04.1828 Chuquisaca. Infante an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 40. 594 15.05.1828 Oruro. José María Pérez de Urdinínea an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 43. 595 07.05.1828 Arica. Braun an den Komandanten von Guayaquil, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p52–53/26–26v). 07.05.1828 Arica. Braun an den kolumbianischen Kriegsminister, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p54/27). 07.05.1828 Arica. Braun an den Sekretär des kolumbianischen Kriegsministers, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p54/27).07.05.1828 Arica. Braun an den kolumbianischen Kriegsminister, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p55/27v). 07.05.1828 Arica. Braun an den Kommandanten von Guayaquil, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p55/27v).

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nach dem Bekanntwerden der peruanischen Invasion begab sich Braun mit seinen verbliebenen Einheiten ins Hauptquartier der bolivianischen Armee unter General Urdinínea.596 Die dortige Lage war alles andere als glücklich. Präsident Sucre war schwer verletzt und die politische Situation sehr instabil. Dies versuchte Gamarra durch zielgerichtete Propaganda auszunutzen. Den bolivianischen Politikern und Anhängern Sucres erklärte er, er komme nicht persönlicher Ambitionen wegen, sondern allein, um Präsident Sucre – aus Dankbarkeit für die Befreiung Perus – vor Intrigen und Mördern zu schützen.597 Den Soldaten des kolumbianischen Hilfsheeres schmeichelte er als Befreier ganz Amerikas und schilderte, dass er auf Bitten der Bevölkerung nach Bolivien gekommen sei, um die „derzeitige Politik, die sie so verachten“598, zu beenden. Er forderte sie auf, sich ihm anzuschließen. Der Bevölkerung gegenüber legitimierte er hingegen die Invasion mit dem Ziel, Bolivien von einer „grausamen Besatzung“599 zu befreien, ohne sich in die inneren Angelegenheiten der Nachbarrepublik einmischen zu wollen.600 Nach anfänglichem Widerstand gegen die peruanische Invasion zog sich die bolivianische Armee nach Paria bei Oruro zurück, um sich mit weiteren Verbänden aus dem Süden zu vereinigen und sich unter den Oberbefehl General Urdiníneas zu stellen. Mit diesem Manöver entblößte die Generalität jedoch La Paz, das Gamarra am 8. Mai 1828 ohne größeres Blutvergießen einnehmen konnte. Schon rein nominell wäre es für die bolivianische Armee gemeinsam mit den Resten des kolumbianischen Hilfsheeres sehr schwierig gewesen, sich gegen die doppelt so starke Invasionsarmee zu behaupten. Als jedoch Teile der bolivianischen Armee offen mit Gamarra gegen Sucre agierten, verschlechterten sich die Chancen noch mehr. Am 17. Mai weigerte sich beispielsweise Coronel Pedro Blanco, der schon lange mit Gamarra in Kontakt gestanden und ihn aufgefordert hatte, Bolivien von den ausländischen Kräften zu befreien, mit seinen bolivianischen Einheiten Bolivien unter dem Befehl Urdiníneas zu verteidigen. Nun begann Blanco, im Rücken der loyalen 596 Siehe etwa: 02.06.1828 Chuquisaca. Infante an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 45. 20.06.1829 Valparaiso. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. S. 248. 597 30.04.1828 Zepita. Agustín Gamarra an León Galindo, in: ANB, MG, Bd. 16, Nr. 40. 598 02.05.1828 Hauptquartier. Agustín Gamarra, Oberbefehlshaber der peruanischen Armee, an die kolumbianischen Truppen in Bolivien, in: El Telegrafo de Lima, T 5 No. 39, Lima 22.05.1828, in: ANB, Mss GRM (1828), No 76. 599 22.05.1828 Proclamación. Agustín Gamarra, in: El Telégrafo de Lima No 355, in: BNB Copia de Moreno. 600 Dem stand jedoch Gamarras Besatzungspolitik gegenüber. In La Paz beispielsweise tauschte er systematisch die Verwaltung aus und usurpierte die kargen Ressourcen des Staates für die Versorgung seiner Armee. Dies durchschauten die Zeitgenossen sehr schnell.

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Armeeteile zugunsten der peruanischen Invasion zu manövrieren.601 Darüber hinaus liefen etwa 200 Soldaten und einige Offiziere der auf dem Rückweg nach Kolumbien befind­lichen Kompanie der „Husaren von Ayacucho“ zur peruanischen Armee über, nachdem sie ein Bestechungsgeld akzeptiert hatten. Kriegsminister Urdinínea befahl General López, den abtrünnigen Coronel Blanco im Süden weitab des Geschehens zu verfolgen. Dies schwächte die ohnehin schon begrenzten Kräfte der Hauptarmee um fast die Hälfte. Blanco wich aber den Truppen von López aus und vereinigte sich mit der peruanischen Streitmacht, die sich nun in der Nähe der bolivianischen Kräfte befand. Neben Coronel Blanco sympathisierten und konspirierten weitere bolivianische Kommandeure mit Gamarra. Einige liefen sogar über. In dieser Situation kam es auch zu einer Meuterei im bolivianischen Feldlager, die aber unterdrückt werden konnte.602 Zeitgenossen formulierten, dass in jenen Tagen lediglich auf den Chef des Generalstabs, General León Galindo, sowie auf General Fernández und auf den Kommandeur der kolumbianischen Resttruppen, Felipe Braun, Verlass gewesen zu sein schien.603 Als diese drei dem Oberbefehlshaber General Urdinínea einen nächtlichen Überraschungsangriff auf das peruanische Heer mit dem taktischen Ziel vorschlugen, die Pferdeherde des Gegners zu vernichten, lehnte dieser zuerst ab. Als er dann – nachdem ihn die loyalen Kommandeure angefleht hatten – doch zustimmte, war General Gamarra über den Angriff schon informiert und verlegte sein Lager. Dennoch wurde an dem Plan festgehalten, auch wenn General Urdinínea ihm nur in reduzierter Form zugestimmt hatte. Er erlaubte lediglich den Einsatz von 50 Granaderos.604 Mit diesen unternahm Coronel Felipe Braun einen Gewaltmarsch Richtung feindliches Heer. Durch eine fälschlicherweise genommene Abzweigung – also durch Zufall – entdeckte Braun das inzwischen verlegte gegnerische Lager. Die dortigen Soldaten erwar601 Basadre, Historia de la República del Perú, Bd. 1, 1963 [=1946], S. 70ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 31ff. Díaz Arguedas, Fastos militares de Bolivia, 1943, S. 135ff. Gisbert, La Independencia. 1800–1828, 2003, S. 358f. Guzman, Historia de Bolivia, 1998, S. 147ff. Kieffer Guzmán, Antonio José de Sucre, 1995, S. 395. Kieffer Guzmán, Ingavi, 1991, S. 179ff. Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 494ff. Pérez del Castillo, Bolivia, 1992, S. 11ff. Querejazu, Bolivia, 2003, S. 118f. Vargas, Historia general del Perú, Bd. 7, 1971, S. 110ff. 602 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S.15ff. 603 Sánchez de Velasco, Memorias, 1938, S. 189. 604 Einige Quellen nennen 500 Soldaten. Hiergegen spricht, dass Sanchez 50 nennt und es nur noch 150 Granaderos in Bolivien gab. Wenn über 600 Soldaten Blanco verfolgt hätten, hätte Urdinínea noch 1.000 Soldaten gehabt. Dies bedeutet, Braun hätte über die Hälfte der Armee mit sich geführt. Dies klingt in den meisten Quellen jedoch anders: 31.05.1828 Cauto, Urdinínea an den Innenminister, in: Díaz Arguedas, Fastos militares de Bolivia, 1943, S. 142f. Folgender Bericht nennt 300: 18.07.1828 El Telegrafo de Lima, Nr. 380, in: ANB, Mss GRM (1828), Nr. 89.

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teten keinen Angriff aus Brauns Richtung. Manuel Sanchez de Velasco hielt in seinen Erinnerungen fest: „Braun griff die Garde unverzüglich an. Diese floh daraufhin entsetzt, und das ganze peruanische Heer geriet aufgrund der Attacke dieser wenigen Granaderos in Durcheinander. Die Pferde des Gegners galoppierten in alle Richtungen über die Landschaft davon. Dies setzte die Soldaten in solche Furcht und Schrecken, dass sie sich an verschiedenen Punkten sammelten und sich gegenseitig beschossen.“605 General Urdinínea berichtete einen Tag nach diesem Ereignis seinem Innenminister, dass der Überraschungsangriff Brauns „im gegnerischen Truppenlager Tod und Entsetzten verbreitete. […] Unsere Kavallerie verursachte im Invasionsheer ein schreckliches Sterben. […] Der Feind muss mehr als 200 Tote und Verletzte und eine noch größere Anzahl an Versprengten haben. Unserer Verlust hingegen beläuft sich lediglich auf zwei verletzte Soldaten.“606 Der Überraschungsangriff vom 30. Mai 1828 schien erfolgreich. General Gamarra höchstpersönlich war beispielsweise – die nahende Niederlage vor Augen – vom Ort des Geschehens geflohen. Trotz dieser Tatsache und der oben angeführten nahezu euphorischen Schilderungen musste sich Braun zurückziehen, als die gegnerische Infanterie anfing, auf die nur mit Lanzen und Degen ausgerüstete Kavallerie zu schießen, und sich die numerische Übermacht der Invasoren auszuzahlen begann. Sánchez de Velasco hielt es allerdings (wie viele seiner Zeitgenossen und spätere Historiker) für sicher, dass, „wenn Coronel Braun, wie er es vorher verlangt hatte, 50 bei seinen Granaderos hinten aufgesessene Schützen dabeigehabt hätte, die Niederlage [der Peruaner, Anm. RK] sicher gewesen wäre. Aber so wurde er zwangsläufig zurückgeschlagen und kehrte vor dem Ende des Tages zurück, allerdings ohne einen einzigen Mann verloren zu haben.“607 Auch war Urdinínea nicht, wie ursprünglich geplant, mit seiner Armee Brauns Überfallkommando hinterhergezogen, wodurch er die fliehenden und in Unordnung befindlichen peruanischen Truppen hätte vernichten können. Aufgrund dessen kam die vom Mut der Verzweiflung getragene Aktion Brauns mit seinen Granaderos nicht über eine kurzfristige Wirkung hinaus. Der peruanische General Blas Cerdeña608 organisierte das Invasionsheer neu, womit die Wirkung von Brauns Bemühungen verpuffte. Die bolivianische Armee hingegen zog sich, nachdem die peruanische wieder geord605 Sánchez de Velasco, Memorias, 1938, S. 189. 606 31.05.1828 Cauto. Urdinínea an den Innenminister, in: Díaz Arguedas, Fastos militares de Bolivia, 1943, S. 142f. 607 Sánchez de Velasco, Memorias, 1938, S. 189. Dies sehen bolivianische Historiker mitunter ähnlich, beispielsweise: Díaz Arguedas, Fastos militares de Bolivia, 1943, S.147. 608 Hier handelt es sich um einen späteren Verbündeten von Andrés de Santa Cruz und damit auch Brauns während der peruanisch-bolivianischen Konföderation. Siehe den Abschnitt „Netzwerk zwischen Freundschaften, Verdächtigungen und Verrat“.

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net war, fluchtartig zurück und hinterließ große Mengen an Ausrüstung und Proviant. General Urdinínea teilte sogar seine Kräfte auf, als er die kolumbianische Kavallerie vom bolivianischen Heer trennte, das er völlig unzureichend ausgerüstet nach Potosí befahl. Die Kälte und die fehlende Nahrung senkten die Kampfkraft der Armee erheblich.609 In der Zwischenzeit war es Brauns Aufgabe, mit 300 Mann Kavallerie General Gamarra durch ständiges Flankieren abzulenken und dessen Bewegungen zu neutralisieren. Nach über 20 Tagen derartigen Manövrierens setzte sich Braun Richtung La Paz ab. Er erreichte die Stadt nach einem 80-stündigen Gewaltmarsch.610

Otto Philipp Braun als Präfekt und Militärkommandeur von La Paz Um dort im Rücken des Gegners aktiv zu werden, hatte ihn die bolivianische Regierung mit politischen Exekutivvollmachten ausgestattet, also zum Präfekten ernannt. Darüber hinaus hatte sie ihm ein militärisches Mandat erteilt, also zum Militärkommandeur der Departements La Paz, Cochabamba und Oruro gemacht.611 Als Otto Philipp Braun am 1. Juli 1828 in La Paz eintraf und die wenigen Statthalter Gamarras in die Flucht schlug, empfing ihn die Bevölkerung mit euphorischem Jubel.612 Braun nutzte diese Atmosphäre propagandistisch und veröffentlichte Appelle wie den folgenden: „Bürger von La Paz! Eure Klagen über die Unterdrückung eurer heiligen Rechte durch den perfiden peruanischen Invasor haben die höchste Aufmerksamkeit der Obersten Regierung von Bolivien erweckt. Da der Ruf dieses so noblen Departements, das der Stolz des Vaterlandes ist, nicht ignoriert werden konnte, hat mich die Regierung mit euren Brüdern, der kolumbianischen Hilfsarmee, zu euch geschickt. 609 Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 297ff. Díaz Arguedas, Fastos militares de Bolivia, 1943, S. 141ff. Valencia Tovar, El Ejéricto en la Gran Colombia, 1993, S. 121ff. 610 Detailliert siehe: 20.06.1829 Valparaiso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 249, sowie folgende Literatur: Basadre, Historia de la República del Perú, Bd. 1, 1963 [=1946], S. 71f. 611 16.07.1828. La Paz. Braun an den Sekretär des Präsidenten des Regierungsrates, in: ANB, MG (1828), Nr. 37 T. 16. 30.06.1828 Sicasica. Proklamation. Braun an die Bewohner des Departements von La Paz, in: 06.08.1828 El Telegrafo de Lima, No. 394, in: ANB Mss GRM (1828) No 89. 21.06.1828 Peñas. Allgemeine Befehle. Urdinínea an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 52. 612 Díaz Arguedas, Fastos militares de Bolivia, 1943, S.134ff. Salmón, La Paz en su IV. centenario, Bd. 2, 1948, S. 151. Sanabria, La Paz en la historia nacional, 1991, S. 193f. Sanabria, Las invasiones peruanas, 1990, S. 39. Ferner: 20.06.1829 Valparaiso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 249.

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Im Gegensatz zu den Feinden der Freiheit wollen sie mit den lokalen Verteidigern zu eurer Unabhängigkeit beitragen. […] [S]ie haben kein anderes Ziel, als die Würde der Schwesterrepublik aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus nähert sich schon der Libertador mit einer respektablen Armee, um euch ein zweites Mal zu besuchen und die Beleidigung zu rächen, die seine Lieblingstochter erlitten hat.“613

Zwar bediente sich Braun hier einer sehr einseitigen Darstellung und war die herannahende Armee Bolívars reine Erfindung, doch verfehlte dieser Aufruf seine Wirkung nicht. Zwei Tage später lenkte Braun diese positive Stimmung in ganz konkrete politische Kanäle. Er schwor die Bewohner nicht nur auf eine Verteidigung ihres Landes und der Administration von Antonio José de Sucre ein, sondern forderte sie zu ganz konkreten Leistungen auf: „Aufgrund der Umstände, in welchen sich die Republik befindet, sind wir dazu gezwungen, einen nationalen Kampf gegen das peruanische Invasionsheer zu führen. Daher ist es notwendig, alle Söhne Boliviens zu ihrer Pflicht zu rufen – auch jene, die aufgrund ihrer Schwäche die Reihen der Armee verlassen haben. Um die Liebe des Vaterlandes wieder zurückzuerlangen, müssen sie erneut in die Armee eintreten und ihre heilige Pflicht erfüllen. […] Wer diese Milde gegenüber nationalen Deserteuren, sowohl Bolivianern als auch Kolumbianern, […] genießen möchte, soll sich, wenn er sich in dieser Stadt befindet, innerhalb von zwei Tagen, wer außerhalb wohnt, innerhalb von zwölf Tagen einfinden. Wer nach dieser Frist ergriffen wird, wird mit der Härte des Gesetzes verurteilt.“614

Diese Aufrufe scheinen gewirkt zu haben. Braun gelang es innerhalb kürzester Zeit, ein komplettes Infanteriebataillon aus 1.500 Freiwilligen zu formieren und aufgrund der Spenden der Bürger entsprechend auszurüsten. Mit dieser militärischen Macht war er in der Lage, das peruanische Heer von seinen Verbindungen nach Peru und damit auch vom Nachschub abzuschneiden.615 Die strategische Stoßrichtung der nächsten operativen Maßnahmen besprach er mit den Oberbefehlshabern.616 Daneben verhandelte Braun im Hintergrund mit Gegnern Gamarras im südperuanischen Cuzco und Puno. Diese hatten Boli613 30.06.1828 Sicasica. Proklamation. Braun an die Bewohner des Departements von La Paz, in: 06.08.1828 El Telegrafo de Lima, No. 394, in: ANB, Mss GRM (1828) 614 02.07.1828 La Paz. Braun an die Bewohner von La Paz, in: 12.08.1828 El Telegrafo de Lima No. 399, in: ANB Mss GRM 1828 No 89. 615 07.07.1828 La Paz. Braun an den Präsidenten des Regierungsrates, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p63/33). 07.1828 Braun an den Präsidenten des Regierungsrates, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p1/1). 20.06.1829 Valparaiso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 249. 616 01.07.1828 Potosí. Urdinínea an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 54.

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vien ihre Hilfe angeboten. Darüber hinaus baute Braun neue Präfekturen und verlässliche Militärkommandaturen im Umkreis seines Departements auf.617 Aus all diesen Maßnahmen konnte sich eine existenzielle Bedrohung für die peruanische Armee und das politische Projekt Gamarras entwickeln. Beide oben skizzierten Aufrufe Brauns zeigen, dass er nicht nur ein loyaler Militär war, sondern auch in der Lage, als fähiger Administrator und geschickter Propagandist politischen Rückhalt für ein in Bedrängnis geratenes politisches System zu organisieren. Sie zeigen, dass Braun schon lange kein einfacher Kommandeur mehr war, der sich nur auf das Militärische beschränkte, sondern geschickt im politischen Raum agierte. In Potosí beriet derweil der engste Kreis um General Urdinínea über weitere Handlungsoptionen. Während vor allem General López versuchte, diesen zu überreden, sich zumindest eine Schlacht mit den Peruanern zu liefern, um erstens das Kriegsglück zu testen und zweitens sich von Gamarra nicht vollends demütigen zu lassen, entschied sich Urdinínea gegen eine militärische Konfrontation. Nach ersten Verhandlungen hinter den Kulissen entsandte er eine Kapitulationsdelegation zum peruanischen General in die kleine Ortschaft Piquiza. Dort einigten sich am 6. Juli 1828 die bolivianische und peruanische Delegation auf einen Vertrag, der den Namen des Ortes erhielt. Es wurde vereinbart, dass das kolumbianische Heer sowie alle ausländischen Offiziere618 innerhalb von 15 Tagen Bolivien verlassen mussten. Ferner sollte eine Verfassungsgebende Kongress einberufen werden, um den formalen Rücktritt Präsident Sucres anzunehmen und eine neue Regierung zu ernennen. Brauns vielversprechende Verteidigungsbemühungen konnten vor diesem Hintergrund ihre Wirkung nicht mehr entfalten.619 Denn „ab dem Moment, in dem ich die Verträge [von Piquiza, Anm. RK] erhielt“620, stoppte Braun alle Verteidigungsmaßnahmen und unterstellte sich den neuen Machthabern, indem er auch alle zuvor von der bolivianischen Regierung erhaltenen Vollmachten 617 Beispielsweise, indem er in den Yungas den pensionierten Teniente Coronel Esteban Carenas zum Militärkommandeur erhob: 07.07.1828 Braun an Esteban Cardenas, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p64/33v). 618 Lediglich einige, wie der mit einer Bolivianerin verheiratete Francisco Burdett O’Connor, erhielten eine Ausnahmegenehmigung. Hierbei ist allerdings anzumerken, dass dieser sich auch nicht derart für Sucre und dessen Administration engagiert hatte wie Felipe Braun und daher nicht so belastet war wie dieser. O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 244 und 261. 619 Sánchez de Velasco, Memorias, 1938, S. 193. Ferner: Díaz Arguedas, Fastos militares de Bolivia, 1943, S. 145. Gisbert, La Independencia. 1800–1828, 2003, S. 358f. Kieffer Guzmán, Ingavi, 1991, S. 199ff. Pérez del Castillo, Bolivia, 1992, S. 29ff. Urdinínea informierte Braun wenige Tage nach der Unterzeichnung der Kapitulation: 09.07.1828 Potosí. Urdinínea an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 55. 620 16.07.1828. La Paz. Braun an den Sekretär des Regierungsrates, in: ANB, MG (1828) Nr. 37 Bd. 16.

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als Präfekt und Militärkommandeur von La Paz niederlegte. Hierbei betonte er ausdrücklich, dass er sich „nicht weiter […] in die Angelegenheiten der Republik einmischen“621 und lediglich noch den Abzug der letzten Schwadronen durchführen werde. Braun unterstrich dabei, die geschlossenen Verträge respektieren zu wollen.622 Dieses Verhalten zeigt die politische Loyalität Brauns, dessen Respektierung formaljuristischer Legalität und nicht zuletzt sein politisches Gespür, aussichtslose Lagen zu erkennen. Brauns 15-tägige Herrschaft in La Paz wurde offensichtlich von breiten Kreisen der Bevölkerung getragen. Zum politischen Widerstand gegen die peruanische Invasion kam deren militärische Bedrohung durch die neuen Freiwilligenverbände unter einem entschlossenen Kommandanten Braun. Diese Faktoren führten dazu, dass Gamarra von seinem ursprünglichen Plan, Bolivien Peru anzugliedern, Abstand nahm. Diese strategische Bedeutung gab jedenfalls Präsident Sucre dem Agieren des Departements unter der Führung Brauns bei seiner ­Abschiedsbotschaft an den bolivianischen Kongress. Dort hielt er fest, dass der mutige Widerstand von La Paz „die Peruaner überzeugte, dass die Söhne Boliviens ihre Unabhängigkeit lieben und nicht in die für sie vorbereiteten verschlagenen und geheimen Schlingen fallen würden“623. Vielleicht ist es nicht unberechtigt, zu formulieren, dass Brauns fähiges Krisenmanagement, sein politisches Gespür und sein propagandistisches Geschick im Juli 1828 dazu beitrugen, die staatliche Unabhängigkeit Boliviens zu erhalten. Braun allerdings nutzte auch den Spielraum, den ihm seine Grenadiere als nicht zu unterschätzende militärische Macht boten. Er formulierte für einen reibungslosen Abzug zwei Bedingungen: Erstens müsse entweder Peru oder Bolivien die ausstehende Bezahlung seiner Soldaten übernehmen624 und zweitens müsse „der peruanische General“625, wie Braun Agustín Gamarra abschätzig nannte, die Sicherheit seiner Soldaten während des Abzuges über peruanisches Territorium garantieren. Auch die Regierung in Lima solle garantieren, dass der Weg nach Guayaquil „frei von Überraschungen jeglicher Art“626 sei. 621 16.07.1828. La Paz. Braun an den Sekretär des Regierungsrates, in: ANB, MG (1828) Nr. 37 Bd. 16. 622 Sánchez de Velasco, Memorias, 1938, S. 193. Ferner: Díaz Arguedas, Fastos militares de Bolivia, 1943, S. 144f. 623 Zit.n. Díaz Arguedas, Sintesis Historica de la Ciudad de La Paz, 1978, S. 244. 624 18.07.1828 La Paz. Braun an Präsident des Ministerrates Urdinínea, in: ANB, MG (1828) Nr. 37 Bd. 16. 625 16.07.1828 La Paz. Braun an den Präsidenten des Ministerrates, in: ANB, MG (1828) Nr. 37 Bd. 16. 626 Dies hatte Präsident Sucre Braun schon vor dem Abschluss des Vertrages von Piquiza in einem Schreiben geraten: 22.06.1828 Ñucchu. Sucre/Andrade an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 51. 16.07.1828 La Paz. Braun an den Präsidenten des Ministerrates, in: ANB, MG (1828) Nr. 37 Bd. 16. Siehe auch: 17.07.1828 La Paz. Braun an ­Gamarra, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p81/43).

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Braun seinerseits versprach einen friedlichen Abzug – allerdings nur unter seinen Bedingungen. Drohte Braun hier den Siegern mit dem Gegenteil? Etwa mit der Führung eines Guerillakrieges, wie von Sucre ins Gespräch gebracht?627 Eines war auf jeden Fall klar, Braun misstraute General Gamarra und der peruanischen Regierung zutiefst.628 Bis zu dem Tag, als er wieder kolumbianischen Boden unter den Füßen hatte, legte Braun seine Skepsis gegenüber den Beteuerungen seiner Korrespondenzpartner nicht ab und blieb wachsam.629 Hierzu hatte er in Anbetracht der diversen, letztlich aber wertlosen Friedensbekundungen gegenüber Präsident Sucre im Vorfeld der Invasion auch allen Anlass – zumal sich Peru mit Großkolumbien im Krieg befand. Braun befürchtete, dass peruanische Einheiten diesen Umstand dazu nutzen könnten, die nach Südkolumbien aufbrechenden und damit die gegnerische Seite verstärkenden Einheiten Brauns fernab jeglicher Hilfe mit wenig Risiko zu vernichten.630 Der entmachtete Präsident Sucre teilte diese Befürchtungen und mahnte Braun: „Gamarra schreibt von gutem Willen, aber er und seine Regierung lachen selbst über unsere bescheidensten Bitten. Es ist unabdingbar, mit großem Misstrauen vorzugehen und die Waffen jederzeit bereitzuhalten.“631 Schon kurz nach der Unterzeichnung des Vertrages von Piquiza hatte General Gamarra Braun dazu gedrängt, sofort mit dem Abzug der unter seinem Befehl stehenden Truppen zu beginnen. Braun pochte jedoch zuvor auf die Erfüllung seiner Bedingungen und spielte auf Zeit. Beispielsweise befolgte er den Befehl, seine Truppen aus La Paz in einen von Gamarra definierten Raum außerhalb der Stadt zu führen, nicht.632 Auch gegenüber der personell veränderten bolivianischen Regierung blieb Braun hart und verlangte sowohl ausreichend Ressourcen als auch explizite Sicherheitsgarantien, bevor er mit dem Hilfsheer

627 22.06.1828 Ñucchu. Sucre/Andrade an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 51. 628 Dieses Misstrauen gegenüber Gamarra ist nahezu allen Schreiben Sucres an Braun zu entnehmen: 16.07.1828 La Paz. Braun an den Präsidenten des Ministerrates, in: ANB, MG (1828) Nr. 37 Bd. 16. 629 20.09.1828 Arica. Braun an den Präfekten von Guayaquil, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p96/50v). 630 16.07.1828 La Paz. Braun an den Präsidenten des Ministerrates, in: ANB, MG (1828) Nr. 37 Bd. 16. 631 28.07.1828 Ñucchu. Sucre/Andrade an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 64. Diese Mahnung wiederholte Sucre mehrmals, etwa: 28.07.1828 Ñucchu. Sucre/Andrade an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 66. 632 10.07.1828 Potosí. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 56.

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abziehen könne.633 Braun schaltete sogar den gestürzten Präsidenten Sucre ein.634 Zwar beteuerte Braun immer wieder seinen guten Willen, betonte aber, dass er, solange die Bedingungen nicht erfüllt seien, leider nicht abziehen könne.635 Der Konflikt ging so weit, dass der sichtlich genervte General Gamarra Ende Juli 1828 dem General der kolumbianischen Resteinheiten bei weiterer Weigerung, seinen Befehlen zu folgen, unmissverständlich drohte, seine Armee gegen ihn und seine hoffnungslos unterlegenen Einheiten einzusetzen.636 Es scheint jedoch, dass Brauns politisches Manöver aufging. Die ausstehenden Schulden wurden größtenteils beglichen und Gamarra mobilisierte persönlich Ressourcen aus Peru zur Bezahlung derjenigen Schiffe, die Braun und seine Einheit nach Großkolumbien bringen sollten.637 Darüber hinaus beteuerten Braun gegenüber sowohl Gamarra als auch der neue Ministro General des Interimspräsidenten Urdiníneas, José ­Mariano Serrano, mehrmals die Sicherheit der kolumbianischen Truppen.638 Am 1. August 1828 verließ Braun dann La Paz und bewegte sich mit seinen Einheiten Richtung bolivianische Küste.639 Bei seinem Abschied aus La Paz, in das er im Frühling 1825 als Held von Junín eingezogen war, in dem er insgesamt mehr als anderthalb Jahre gelebt hatte und in dem er sich während des peruanischbolivianischen Krieges große Sympathien erworben hatte, hinterließ Braun ein geschichtspolitisches Manifest: „Bolivianer! Ich muss mit den letzten Einheiten des Hilfsheeres nach Kolumbien marschieren, das eure Unabhängigkeit und eure Würde aufrechterhalten hat. Die Kapitulation mit Peru hat bewirkt, dass weitere Dienste von uns nicht mehr not633 28.07.1828 Chuquisaca. Minister José Mariano Serrano an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 65. 30.07.1828 Chuquisaca. Serrano an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 67. 30.07.1828 Chuquisaca. Serrano an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 68. 30.07.1828 Chuquisaca. Serrano an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 69. 634 28.07.1828 Ñucchu. Sucre/Andrade an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 64. 28.07.1828 Ñucchu. Sucre/Andrade an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 66. 635 22.07.1828 Braun an Gamarra, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p84/44v). 22.07.1828 Braun an Urdinínea, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p86/45v). 636 26.07.1828 Potosí. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 63. 637 13.07.1828 Potosí. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 58. 30.07.1828 Potosí. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 70. 638 Es war kein Geringerer als der einflussreiche bolivianische Politiker José Mariano Serrano, der im Jahre 1825 die Verfassungsgebende Versammlung geleitet und die bolivianische Unabhängigkeitserklärung – gemeinsam mit Casimiro Olañeta – entworfen hatte, mit dem Braun über den Abzug verhandelte. 13.07.1828 Potosí. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 58. 28.07.1828 Chuquisaca. Serrano an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 65. 30.07.1828 Chuquisaca. Serrano an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 67. 30.07.1828 Potosí. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 70. 639 28.07.1828 La Paz. Braun an Gamarra, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p89/47). 20.06.1829 Valparaiso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 249.

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wendig sind. Es ist uns eine Ehre, diesen freundlichen Boden zu verlassen, ohne eine Beschwerde, die unseren Dienst in der unparteiischen Geschichte Boliviens entwürdigen könnte. Bürger von La Paz! Die Kolumbianer nehmen in ihrem Herzen ein Gefühl der ewigen Dankbarkeit euch gegenüber mit. Niemals wird uns euer Glück oder Unglück gleichgültig sein. Zu jeder Zeit und an jedem Ort werden wir an eurem Schicksal teilhaben. Die Verbindungen zwischen Kolumbien und Bolivien können niemals getrennt werden. Beide sind Kinder der Freiheit. Beide Völker öffnen ihre Arme, und keine Macht kann je groß genug sein, uns zu trennen. Bürger von La Paz! Ich verlasse euch mit zärtlichen Gefühlen.“640

Eine ursprüngliche, nicht veröffentlichte Version dieses Manifestes mahnte die Leser noch, nicht zu vergessen, wem Sie ihre Unabhängigkeit und Würde schuldeten und dass beide, Bolivien und Kolumbien, von ausländischen Ambitionen – eine Anspielung auf Peru – bedroht würden. Vielleicht waren Braun diese beiden Passagen zu heikel. Dennoch zeigt dieses Dokument, dass er nicht mehr nur ein militärischer Kommandeur war, sondern sich schon längst zu einem Politiker seiner Zeit entwickelt hatte – propagandistische Veröffentlichungen inklusive. Dies verdeutlicht vor allem ein Aufruf von dem Tag, an dem die Nachricht von der Kapitulation Boliviens am 16. Juli 1828 La Paz erreichte. In diesem verortete Braun das Verhalten des Departements – unter seiner Führung – im Kontext der politisch-militärischen Niederlage als Sieg und brachte den Widerstand des Departements als Aspekt in die Nachkriegsverhandlungen ein. Auf ihn selbst, als Präfekten und Militärkommandeur des Departements, strahlte das Lob natürlich indirekt zurück, als er formulierte: „Bürger von La Paz! Heute ist der Tag eures unsterblichen Ruhmes. Ich grüße Euch mit Jubel, […] mit Dankbarkeit […] und mit Bewunderung […]. Es war in diesen Tagen vor 19 Jahren, als der mutige und heldenhafte Ruf nach Freiheit in beiden Welten ertönte. Euer unendliches Echo hat überrascht und das alte Amerika in seinen Grundfesten erschüttert. Ihr habt es erreicht, weil ihr es wolltet. Können Verträge, die euch unterdrücken, sich nun damit rühmen, die noble Standhaftigkeit eures Charakters vernichtet zu haben? Ah! Zuerst müssten die erhabenen Anden über euren Köpfen zusammenbrechen, bevor euer unbeugsamer und unerbittlicher Patriotismus schwach werden könnte. Paz de Ayacucho, du bist das große Departement und das edle Numantia641 Boliviens. Seele der Unabhängigkeit, weil du sie als Erstes ausgerufen hast, Seele der 640 22.07.1828 La Paz. Abschiedsbrief. Braun an die Bolivianer, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p87/46). 641 Dies war eine Anspielung auf die keltiberische Stadt Numantia, die während der iberischen Kriege 154–133 v. u. Z. jahrzehntelang römischen Angriffen widerstan-

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Freiheit […]. Eine lange und zerstörerische Erfahrung hat dich dazu inspiriert, in deiner tugendhaften Laufbahn nicht zurückzuweichen […]. Der nationale Geist ist mit deiner Existenz verschmolzen. Welch heldenhafte Tugend, wozu nur die Größe der Bürger von La Paz in der Lage war! Dein Verhalten an diesem 16. Juli ist das Symbol für die Festung im Angesicht von Tausenden Bajonetten der Aggressoren. Es ist es das Vorbild der unbeirrbaren Gelassenheit im Moment der gerechten Empörung deiner Helden. […] Dein Enthusiasmus wird durch Gewalt unterdrückt und vom Terror verfolgt. Die Spionage zeigt sich bei Leuten aller Klassen und auf tausend außergewöhnliche Weisen. Bürger von La Paz! Ich sende Euch die aufrichtigsten Glückwünsche für eure Heldentaten, die euer politisches Leben kennzeichnen, für eure konstante Energie in den Konflikten der Republik. Das Vaterland ruft laut nach eurer Rache und klagt die Beleidigungen an. Seine Ehre und Rettung hängt von euren Anstrengungen ab. Diese werden besiegelt durch mein Blut und durch meine Tapferen.“642

Sowohl seine Proklamation zur Kapitulation als auch sein Abschiedsmanifest geben wie nur sehr wenige andere Schriften Brauns in diesen Jahren Aufschluss über sein Denken und Verhalten als Politiker.643 Sie zeigen auch, wie tief er schon zu diesem Zeitpunkt in internationale, nationale und regionale Politik involviert war. Seine private Korrespondenz mit wichtigen internationalen Akteuren wie Juan José Flores, Belford Wilson, Francisco Burdett O’Connor, William Miller, William Ferguson oder gar Antonio José de Sucre belegt dies ebenfalls. Dies gilt auch für die regelmäßige Kommunikation Brauns mit offiziellen bolivianischen, aber auch peruanischen und kolumbianischen Stellen, etwa Kriegsminister Carlos Soublette, sowie dem Widerhall in der Korrespondenz Dritter, wie der Bolívars, O’Learys und Córdovas.

Sucre schützen: Krise als Beziehungskatalysator Neben der Bezahlung seiner Einheiten, der Bereitstellung von Reiseressourcen und Transportmöglichkeiten und der Gewährleistung der Sicherheit der letzten Reste seines kolumbianischen Hilfsheeres formulierte Braun noch eine weitere Bedingung für seinen Abzug: Er forderte von José Mariano Serrano eine Sicherden hatte. Siehe auch: Curchin, The Romanization of Central Spain, 2003, S. 62ff. Maier, Die Kelten, 2000, S. 90ff. 642 16.07.1828 La Paz. Proklamation. Braun an die Bewohner von La Paz, in: Díaz Arguedas, Sintesis Historica de la Ciudad de La Paz, 1978, S. 243f. 643 22.07.1828 La Paz. Abschiedsbrief. Braun an die Bolivianer, in: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p87/46).

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heitsgarantie für den inzwischen politisch isolierten und schutzlosen Antonio José de Sucre.644 Braun schien sich, für den noch verwundeten Marschall von Ayacucho verantwortlich zu fühlen. Schließlich war Braun der letzte Vertreter der Unabhängigkeitsarmee, der über militärische Macht und damit über Drohpotenzial verfügte. Daneben kümmerte sich Braun ganz konkret um den Transport Sucres. Er organisierte eine Fregatte, die ihn unter dem Schutz der französischen Flagge nach Guayaquil bringen sollte.645 Als Braun sich schon in Tacna befand, reiste er im August eigens in das weit entfernte Cobija, um sicherzustellen, dass der Marschall sicher nach Guayaquil gelangte.646 Zwar verpasste er ihn dort und entschied sich Sucre nicht für das von Braun angebotene Schiff, sondern für eine kleinere Fregatte, doch unterstreicht dies einmal mehr die Ernsthaftigkeit der Bemühungen Brauns um die Sicherheit des gestürzten Präsidenten. Nachdem die Abfahrt des Großmarschalls von Ayacucho gesichert war und alle braunschen Bedingungen von der peruanischen Regierung erfüllt waren, schiffte sich Braun am 29. September 1828 mit seinen Grenadieren Richtung Groß-Kolumbien in Arica ein.647 Damit verließ der letzte Soldat der einstigen internationalen Unabhängigkeitsarmee, die in Venezuela, Kolumbien, Ecuador und Peru sowie nicht zuletzt in Bolivien gekämpft hatte, Bolivien. Spätestens jetzt war der südamerikanische Unabhängigkeitskrieg vorbei. Entgegen den Beteuerungen in Brauns geschichtspolitischem Manifest an die Bevölkerung von La Paz bedeutete der Abzug der letzten großkolumbianischen Einheiten auch eine Ent-Internationalisierung, also Nationalisierung der bolivianischen Politik. Nun betraten und dominierten vor allem bolivianische ­Akteure die politische Bühne ihres Landes. Parallel dazu nahmen der Einfluss und die personellen, strukturellen und politischen Verbindungen zwischen Bolivien und Groß­kolumbien spürbar ab. Lediglich die direkt angrenzenden Länder, wie Peru, Argentinien oder auch Chile, sollten in den nächsten Jahrzehnten die ­Politik ihres Nachbarn mitbestimmen. Brauns vehementer Einsatz für Sucre erklärt sich nicht nur aus einem abstrakten Verantwortungsgefühl dem Marschall von Ayacucho gegenüber, sondern 644 28.07.1828 Chuquisaca. José Mariano Serrano an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 65. 645 27.08.1828 Arica. Vertrag zwischen Antonio Escudero und dem Kapitän der „Francis Adrien Laure“, Adolfo Wilhelm, in: Archiv Braun, Bd. 71. 02.09.1828 an Bord der Fregattte „Porles-Pin“”. Sucre/Andrade an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 72. 646 02.09.1828 an Bord der Fregattte “Porles-Pin”. Sucre/Andrade an Braun, in: Archiv Braun Bd. 72. 647 Die 140 Pferde der Granaderos gingen in den Besitz der Republik Bolivien über: 29.09.1828 an Bord der Fregatte „Catalina“. Braun an den bolivianischen Kriegsminister, in: ANB, MG (1828) Nr. 37 Bd. 16. 29.09.1828 Arica. Quittung. José Manuel Verass/Veraff an bolivianischen Coronel, in: ANB, MG (1828) Nr. 37 Bd. 16. 20.06.1829 Valparaiso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 249.

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auch aus ihrem persönlichen Verhältnis. Während der Krise der Präsidentschaft Sucres, vor allem nach dem Voltíjero-Aufstand, setzte ab Anfang April 1828 langsam, aber dann immer regelmäßiger eine kontinuierliche Korrespondenz zwischen den beiden ein, die immer privater und vertrauter wurde. Besonders, nachdem Braun trotz der Entmachtung und Isolierung Sucres nach dem 18. April 1828 zu ihm hielt und kompromisslos dessen Sicherheit und persönliches Schicksal auch nach dem Verlust seiner politischen Machtbasis zu garantieren versuchte, näherten sich beide sichtbar an. Sucre, der zwar noch über einige Verbündete verfügte, aber in seinem Hausarrest letztlich seinen Gegnern schutzlos ausgeliefert war, diskutierte detailliert militärische, politische und strategische Fragen mit Braun und teilte ihm persönliche Meinungen zu heiklen Themen mit. So schrieb er ihm auch, dass er die öffentlich verteidigte lebenslange Präsidentschaft als Fehler einsehe, und folgerte: „Dieses Amt können nur die Söhne und die Kommandeure und Offiziere dieses Landes erfolgreich ausfüllen.“648 Dieses enge persönliche Verhältnis ist auch an den unzähligen Freundschaftsbeteuerungen Sucres abzulesen. Dieser formulierte beispielsweise Mitte Juni 1828 seine „ehrliche und herzliche Wertschätzung“649, die er für Braun hege. Auch die weiteren Briefe des verbitterten und von so vielen alleingelassenen Sucre an Braun drücken eine tiefe Dankbarkeit für dessen Loyalität aus.650 Im Juli 1828, kurz vor seiner Abreise, schrieb Sucre etwa: „Ich danke Ihnen für die Ausführungen bezüglich meiner Person. Ich werde aber nichts dazu sagen, da solche Beweise der Anteilnahme mir die Tränen in die Augen treiben.“651 Auch nachdem Sucre seine prekäre sicherheitspolitische Lage in Bolivien hinter sich gelassen hatte und sich wieder im Kreis seiner Anhänger in Quito befand, vergaß er die Loyalität Brauns in schwerer Stunde nicht. Aus Quito schrieb er Braun, dass die „liebenswürdigen Äußerungen, die Sie mir machen, meinem Herz schmeicheln, vor allem, da sie ein Freund sind, von dessen Aufrichtigkeit ich überzeugt bin. […] Sie dürfen mich also als ihren ewigen und leidenschaftlichen Freund betrachten.“652 Grundsätzlich gehörten gegenseitige Freundschaftsbeteuerungen und schmeichelnde Worte zum guten Ton zwischen Politikern und Militärs jener Tage – selbst unter Feinden. Der häufige Dank Sucres und die wiederholte Betonung der Wertschätzung der Leistung und Loyalität Brauns nicht nur als Begrüßungs- oder Abschiedsformel, sondern an zentralen Stellen in mehreren Briefen gehören aber nicht zur selbstverständlichen Kommunikationskultur. Sie drücken vielmehr tatsächliche Wertschätzung und ein persönlich-freundschaft648 22.06.1828 Ñucchu. Sucre/Andrade an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 51. 649 15.06.1828 Ñucchu. Sucre/Andrade an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 47. 650 Die tiefe Enttäuschung darüber, weder an den politischen noch an den militärischen Prozessen beteiligt zu sein, spricht Sucre in Briefen an Braun offen aus: Ebd. 651 28.07.1828 Ñucchu. Sucre/Andrade an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 64. 652 28.10.1828 Quito. Sucre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 73.

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liches Verhältnis aus. Dies unterstreichen private Nachrichten und Grüße an Ehepartner und Freunde.

Konsequenzen für Braun Die in Bolivien demonstrierte Leistung und Loyalität hatte – trotz der Niederlage des Gesamtprojektes – eine Reihe positiver Konsequenzen für Braun. Neben der in Bolivien gezeigten politischen Loyalität registrierten Sucre und andere Zeitgenossen natürlich auch Brauns militärische Leistungen im peruanisch-bolivianischen Krieg. Brauns waghalsiger Überfall mit einer kleinen Truppe auf die überraschte peruanische Armee brachte diesem am darauffolgenden Tag, dem 31. Mai 1828, die lang ersehnte Erhebung zum Brigade-­General – im Alter von nur 29 Jahren.653 Sucre gratulierte ihm ausdrücklich „zu Ihrer Beförderung zum General. Ich habe aber viel, viel größere Freude, dies zu tun, aufgrund ihres edlen und brillanten Verhaltens während des Feldzuges.“654 Dabei betonte der Großmarschall: „Während alle anderen an Rückzug dachten, waren sie es, die mit ihren 30 Kolumbianern gekämpft haben. Akzeptieren Sie daher meine Glückwünsche, zur Ehre Kolumbiens beigetragen zu haben, die sie immer und immer mit der gleichen Beständigkeit und Tapferkeit verteidigt haben.“655 Ferner stellte er Braun nach seiner Rückkehr nach Quito ein beeindruckendes Ehren- und Arbeitszeugnis aus, indem er unter anderem formulierte: „Inmitten der Ambitionen, die alle haben, konnte ich immer auf Ihr Kommando zählen. Es gab mir Vertrauen und Sicherheit, dass sie mich retten würden.“656 Dieses positive Urteil schickte er auch der großkolumbianischen Regierung, wo er nochmals die „verlässliche Treue und herausragenden Dienste“657 Brauns betonte. Noch während sich Braun in Bolivien befand, hatten ihn aus dem fernen Kolumbien Glückwünsche erreicht, etwa vom Adjutan-

653 Zwar sind hierzu keine offiziellen Dokumente der Regierung mehr erhalten, aber Braun datiert die Beförderung in einem Brief an seine Eltern auf den 31. Mai 1828. Darüber hinaus bestätigt eine ganze Reihe an Glückwunschschreiben diese Datierung: 09.06.1828 Poopó. Urdinínea an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 46. 15.06.1828 Ñucchu. Sucre/Andrade an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 47. 19.06.1828 Potosí. Infante an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 49. 27.06.1828 Bogotá. William Ferguson an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 53. 20.06.1829 Valparaiso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 249. 654 15.06.1828 Ñucchu. Sucre/Andrade an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 47. 655 Ebd. 656 28.10.1828 Quito. Sucre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 73. 657 Ebd.

Politische Loyalität und militärische Leistungen



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ten Bolívars, Guillermo Ferguson.658 Sowohl die Leistung als auch die Loyalität Brauns spiegeln sich auch in den Darstellungen der Zeitgenossen wider. Der enge Vertraute Bolívars, O’Leary, schrieb dem Libertador bei einer Gelegenheit etwa, wie „Braun, immer tapfer wie ein romanischer Held“659, Gamarra einige Schläge versetzt und das Gefühl gegeben habe, „dass die kolumbianische Kavallerie gut geführt ist“.660 Dies sah auch General Gamarra so. Nach seinem Sieg genoss der schnellstmögliche Abzug der gefährlichen kolumbianischen Einheiten mit ihrem fähigen Kommandeur Braun bei Gamarra oberste Priorität und wurde von diesem daher mit höchstem Nachdruck betrieben.661 Die militärische Gefahr, die von Braun und seinen Soldaten ausging, wurde in der Presse jener Tage deutlich. Noch während des Krieges war Braun Zielscheibe peruanischer Propaganda. So wies eine Zeitung in Lima auf die „Gefahr durch den Coronel Browns [sic!] mit seinen 300 Männern“662 hin, den sie als „Caudillo ohne Vaterland“663 bezeichnete. Auch die Veröffentlichungen der peruanischen Armee attackierten den „unerfahrenen und […] verzweifelten“664 Braun. Diese Aufmerksamkeit der gegnerischen Propaganda kann als Kompliment verstanden werden. Der umstrittene Interimspräsident Boliviens, General Urdinínea, hatte Braun bei dessen Verabschiedung aus Bolivien die „Dankbarkeit dieser Republik für die wichtigen Dienste, die Sie geleistet haben“665, ausgedrückt und eine glückliche Zukunft gewünscht. Urdinínea betonte, dass Braun „seine bolivianischen Brüder mit den süßesten Erinnerungen seiner Tapferkeit und Standhaftigkeit zurücklasse“666. Diese Zeilen müssen sicherlich vor dem Hintergrund der sichtbaren Erleichterung des Großteils der politischen und militärischen 658 Guillermo/William Ferguson (1800–1828) kam drei Monate später bei einem Attentatsversuch auf Simón Bolívar um, als er diesem zu Hilfe eilte. Er wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung – als Protestant – in der Kathedrale von Bogotá beigesetzt. 27.06.1828 Bogotá. William Ferguson an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 53. Ferner: Lynch, Simón Bolívar, 2007, S. 241. Der Brief an Braun ist nicht nur aufgrund seiner Schnelligkeit interessant, sondern vor allem, da Braun als Verbindung zwischen Ferguson und seinem Landsmann O’Connor gedient zu haben scheint. 659 25.08.1828 Pasto. O’Leary an Bolívar, in: O’Leary, Memorias. Narracion, Bd. 3, 1952, S. 375. 660 25.08.1828 Pasto. O’Leary an Bolivar, in: O’Leary, Memorias, Narracion, Bd. 3, 1952, S. 375. 661 10.07.1828 Potosí. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 56. 662 18.07.1828 Lima. El Telégrafo de Lima. Nr. 380, in: ANB, Mss GRM (1828), Nr. 89. 663 Ebd. 664 07.1828 Bulletin der peruanischen Südarmee zur Hilfe in Bolivien, in: Vicuña ­Mackenna, Antonio José de Sucre, 1917, S. 275. 665 13.07.1828 Potosí. Urdinínea an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 57. 666 Ebd.

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Politische Loyalität 1825–1828

Elite Boliviens über den Abzug verstanden und relativiert werden.667 Dennoch hinterließ Braun in Bolivien tatsächlich ein breites Netzwerk an Kontakten und nicht zuletzt viele freundschaftliche Verbindungen und Personen, die sich seiner Leistungen und Loyalität erinnern würden.668 Dies hatte er mit seiner kontinuierlichen Leistung sowie seinem geschichtspolitischen Manifest noch einmal unterstrichen.

667 Zu diesem Netzwerk zählte General Urdinínea allerdings nicht. Braun bezeichnete ihn – genauso wie im Übrigen Sucre – als Verräter: 12.08.1828 Atocha. Sucre an O’Connor, in: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 244. 20.06.1829 Valparaiso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 249. 668 Braun hatte nach seinem Abzug ein sicherheitspolitisches Vakuum hinterlassen, das die peruanischen Einheiten nicht ausfüllen, sondern eher verschlimmerten. Auch daher erinnerte sich die Bevölkerung von La Paz sehr positiv an die Regentschaft Brauns: Castro Rodríguez, Historia judicial de Bolivia, 1987, S. 92

5. Transfer von Prestige und Einfluss 1828–1830 „Sie dürfen mich also als Ihren ewigen und leidenschaftlichen Freund betrachten.“669 Sucre an Braun (1828)

Im Laufe der zweiten Hälfte der 1820er Jahre erhöhte Otto Philipp Braun durch sein Verhalten, das von wichtigen Akteuren positiv als militärische Leistung und persönlich-politische Loyalität interpretiert wurde, sein Prestige kontinuierlich. Dieses Kapitel möchte dabei ganz konkret zeigen, dass Braun nach dem Zusammenbruch der Administration Sucres in Bolivien Mitte 1828 in der Lage war, das auf den Schlachtfeldern Perus und in den Diadochenkämpfen Boliviens durch militärische Leistung und politische Loyalität erworbene Prestige wie auch seinen politischen Einfluss über die Grenzen der jungen Republiken hinweg nach Großkolumbien zu transferieren und dort in konkreten militärischen und politischen Einfluss umzuwandeln. Dies zeigen vor allem die im ersten Teil dieses Kapitels skizzierte Rolle Brauns im peruanisch-großkolumbianischen Krieg von 1828/29 und seine anschließende diplomatische Mission nach Peru. Hier deutet die Rekonstruktion des Werbens diverser politischer Akteure um die Dienste des Militärs und Politikers Otto Philipp Braun in den Jahren 1829–1830 im zweiten Teil des Kapitels an, dass sich gesellschaftliches Ansehen und politischer Einfluss nicht nur über die Grenzen von Staaten, sondern auch über die Grenzen politischer Fraktionen hinweg transferieren ließen. Braun gelang es, sein im Dienste einer anderen politischen Gruppierung erworbenes Prestige für den Eintritt in eine nationalstaatliche Karriere unter einem ehemals gegnerischen Politiker zu verwenden. Nicht nur die mit den Transferprozessen einhergehenden Kommunikationen und Interaktionen machen deutlich, wie selbstverständlich Braun mittlerweile zur militärischen und politischen Elite des andinen Südamerikas gehörte. Die im letzten Teil des Kapitels zu skizzierende Heirat Brauns in eine einflussreiche, im andinen Raum weitverzweigte Familie hinein unterstreicht dies ebenfalls. Sie markiert darüber hinaus die erhebliche Erweiterung und jahrzehntelange Festigung des Netzwerkes von Otto Philipp Braun.

5.1 Der peruanisch-großkolumbianische Krieg 1828–1829 Es war eine dunkle und stürmische Nacht an jenem Abend des 13. Oktobers 1828, als Braun per Schiff im südlichen Großkolumbien eintraf. Die geostrategisch-politische Lage hatte sich grundlegend gewandelt.670 Von der Euphorie der 669 28.10.1828 Quito. Sucre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 73. 670 20.06.1829 Valparaíso. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 249.

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Transfer von Prestige und Einfluss 1828–1830

Befreiung aus den frühen 1820er Jahren war nicht mehr viel spürbar. Während Simón Bolívar in Zentralkolumbien versuchte, sein größtes innenpolitisches Problem, die regionalen Zentrifugalkräfte, durch diktatorische Maßnahmen und politische Repression zu bändigen, steuerten Peru und Großkolumbien auf eine außenpolitische Konfrontation zu. Nachdem Simón Bolívar im September 1826 Peru in Richtung Großkolumbien verlassen und Andrés de Santa Cruz als Präsidenten zurückgelassen hatte, brachen sich dort 1827 antikolumbianische und bolívarfeindliche Positionen Bahn – begleitet von einer regelrechten Pressekampagne gegen Bolívar und seine Anhänger in Peru, Großkolumbien und Bolivien. Bei einer außerordentlichen Verfassungsgebenden Versammlung setzte sich im August 1827 Marschall José de la Mar gegen den Kandidaten Andrés de Santa Cruz als neuer Präsident Perus durch. Letzterer ging als peruanischer Gesandter nach Chile, der einflussreiche Agustín Gamarra in die Opposition. Schon zuvor waren peruanische Truppen im März 1827 unter General La Mar nach Südkolumbien eingedrungen und hatten Guayaquil eingenommen. Zwar konnte dies von dem Bolívar gegenüber (noch) loyalen General Juan José Flores noch im selben Jahr in einem Handstreich rückgängig gemacht werden, doch ebbten die lange zurückreichenden und auch strukturell begründeten Konflikte in Südkolumbien nicht ab. Im Oktober 1828, also gerade, als Otto Philipp Braun mit dem restlichen kolumbianischen Expeditionsheer aus Bolivien zurückkehrte, rebellierten Militärs in Cauca und Popayán – auch in der Hoffnung, strategische Hilfe aus Peru zu erhalten. Damit waren Kommunikation, Versorgung und Nachschub zwischen dem wieder in großkolumbianischer Hand befindlichen Südkolumbien und der Hauptstadt Bogotá unterbrochen. Zeitgleich nahm eine neue militärische Konfrontation mit Peru seinen Lauf. Bolívar schickte den verdienten General José María Córdova, einen ehemaligen Vorgesetzten Brauns, zur Lösung dieser heiklen Situation voraus und begab sich im Januar 1829 selbst an den Ort des Geschehens. Doch vorerst waren der militärische Statthalter Juan José Flores, der jüngst aus Bolivien zurückgekehrte Antonio José de Sucre sowie bald auch Otto Philipp Braun vollkommen isoliert und von zwei Seiten, aus dem Norden von den Aufständischen, aus dem Süden von Peru, bedroht. Diese Bedrohung wurde immer größer. Nach der Niederlage der bolivarischen Partei und der Abdankung Sucres im Juli 1828 in Bolivien nutzte der peruanische Präsident La Mar die taktisch günstige Gelegenheit der neutralisierten Südfront und bereitete eine Annexionsexpedition gegen Großkolumbien vor. Er plante, eine Reihe südkolumbianischer Provinzen, die ja erst wenige Jahre zuvor aus der Konkursmasse des spanischen Kolonialimperiums von Simón Bolívar für das von ihm angeführte Staatengebilde annektiert worden waren, zu besetzen – vor allem seine dortige Heimatregionen Cuenca und Guayaquil. In diesen Regionen besaß Präsident La Mar große ­politische Rückendeckung einer autonomistisch-nationalistischen, gegen Quito gerichte-

Der peruanisch-großkolumbianische Krieg



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ten Fraktion, während sein militärisch-politischer Gegenspieler General Flores das Vertrauen der nördlich-zentralen Oligarchie um Quito besaß. Neben dem Rückhalt in Cuenca und Guayaquil verfügte La Mar über die politische Unterstützung der Santander-Fraktion in Großkolumbien, welche ihrerseits Bolívar mittels einer peruanischen Invasion, innerkolumbianischen Aufständen und ­Attentatsversuchen zu schwächen versuchte.671 Der Konflikt verdeutlicht einige Charakteristika der postrevolutionären Phase: Es waren beispielsweise weder Grenzverläufe oder Zugehörigkeiten ganzer Regionen noch Verfahren zur Beilegung von Grenzstreitigkeiten kodifiziert oder institutionalisiert. Dies eröffnete Politikern aller Seiten einen bedeutenden machtpolitischen Spielraum. Sie versuchten, diesen mit ihren kampferprobten Veteranenverbänden aus dem Unabhängigkeitskrieg zu nutzen. Darüber hinaus besaß jede Seite des Konfliktes meist eine historische Legitimation, etwa weil eine Region zu einem Zeitpunkt mal zu diesem oder jenem administrativen Zentrum gehört hatte. Auch konnte häufig auf plebiszitäre Zustimmung verwiesen werden, da starke grenzüberschreitende familiäre Verbindungen und Netzwerke bestanden und – wie im Falle der Invasion La Mars – jeweils mobilisiert werden konnten. Ferner zeigen die über Grenzen, Regionen, ja fast den ganzen Kontinent hinwegreichenden Bündnisse und Allianzen politischer Fraktionen die internationalen Zusammenhänge der p ­ olitischen Lage jener Tage. Beim peruanisch-großkolumbianischen Konflikt im Jahre 1828–1829 jedenfalls befand sich der peruanische Präsident und General La Mar in einer vorteilhaften Ausgangssituation. Denn neben Verbündeten in Zentral- und Südkolumbien gegen Bolívar und seine Anhänger verfügte La Mar zusammen mit den aus dem Süden an die Nordgrenze verlegten Streitkräften Gamarras über 8.000 Mann. Großkolumbien konnte unter General José Juan Flores und später unter Antonio José de Sucre derweil nur die Hälfte an Soldaten aufbieten. Diese waren jedoch besser ausgebildet und erfahrener als ihre peruanischen Gegner. So nahm der Krieg den folgenden Verlauf: Im September 1828 blockierte eine peruanische Flotte ohne Kriegserklärung die pazifische Küste Großkolumbiens. Bis Mitte November lagen sich beispielsweise vor Guayaquil die großkolumbi671 Aguirre Abad, República del Ecuador, 1972, S. 215ff. Basadre, Historia de la República del Perú, Bd. 1, 1963 [=1946], S. 73ff. Cebrián Moreno/Martínez Riaza, Peru, Hochperu, Bolivien, 1992, S.  286ff. Fazío Fernández, El Guayaquil colombiano, 1988, S. 61ff, 207ff. Lynch, Simón Bolívar, 2007, S. 252ff. McDonald, Nineteenth Century Ecuador, 1987, S. 21ff. Núñez, El Ecuador en Colombia, 1983, S. 237ff. Rehrmann, Simón Bolívar, 2009, S. 157ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 105ff. Valencia Tovar, El Ejéricto en la Gran Colombia, 1993. S. 124ff. Vargas Ugarte, Historia general del Perú, Bd. 7, 1971, S. 139ff. Zook, The EcuadorPeru Dispute, 1964, S. 15ff. Für eine stark peruanisch geprägte Sicht der Dinge, aber abgesehen davon empirisch reichhaltig, siehe: Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 302ff.

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Transfer von Prestige und Einfluss 1828–1830

anischen Garnisonstruppen und die peruanische Flotte gegenüber, bis Letztere nach eingetroffenen Verstärkungen die Stadt angriff und im Januar 1829 einnahm. Der Oberbefehlshaber der großkolumbianischen Truppen hatte Guayaquil bewusst geopfert, um die Verteidigung im ressourcenreichen Raum Cuenca zu konzentrieren und dort die militärische Entscheidung zu suchen. Parallel zum Angriff auf Guayaquil und anschließender Landung peruanischer Truppen hatte eine zweite peruanische Armee unter La Mar auf dem Landweg von Paita aus den Feldzug gegen die strategische Achse Loja – Cuenca – Quito eröffnet. Das peruanische Expeditionskorps traf zu Beginn des Feldzuges auf wenig kolumbianischen Widerstand, da dieser sich um die Stadt Cuenca konzentrierte. Folglich nahm die peruanische Armee am 10. Dezember 1828 Loja ohne Probleme ein.672 Zur Zeit dieser peruanischen Offensive verübten Anhänger des entmachteten Vizepräsidenten Santander ein Attentat auf Simón Bolívar. Gleichzeitig brachen in Cauca und Popayan Militärrebellionen aus. Der Fraktion um Simón Bolívar wurde offen die politische und militärische Machtfrage gestellt.

Ankunft Brauns im südlichen Großkolumbien „Unsere Lage wurde täglich kritischer“673, beschrieb Otto Philipp Braun diese Zeit. Daher trieben Sucre und Flores die Verteidigung Südkolumbiens voran. Die rechtzeitige Ankunft des fähigen Generals Braun mit seinen schlagkräftigen Veteranen aus Bolivien wurde in dieser Situation sehnlichst von vielen maßgeblichen Akteuren der bolivarischen Fraktion, wie Simón Bolívar, Antonio José de Sucre, Juan José Flores, Daniel F. O’Leary und José María Córdova, erwartet.674 Neben 672 Auch beim peruanisch-großkolumbianischen Krieg gilt bezüglich der existierenden Militärhistoriographie, dass sie meist stark nationalistisch gefärbte Globalinterpretationen und Bewertungen enthält. Nichtsdestotrotz bezieht sich diese Arbeit auf ihre empirisch dichten Rekonstruktionen der militärischen Abläufe. Deren Interpretationen und Bewertungen hingegen übernimmt sie nicht: Basadre, Historia de la República del Perú, Bd. 1, 1963 [=1946], S. 74ff. Cebrián Moreno / Martínez Riaza, Peru, Hochperu, Bolivien, 1992, S. 286ff. Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 310ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 105ff. Valencia Tovar, El Ejéricto en la Gran Colombia, 1993. S. 124ff. Vargas Ugarte, Historia general del Perú, Bd. 7, 1971, S. 159ff. Für eine Diskussion der älteren Darstellungen siehe: Guzmán Polanco, Doctrinas ecuatorianas, 1974, S. 163ff. 673 20.06.1829 Valparaíso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 249. Vargas Ugarte, Historia general del Perú, Bd. 7, 1971, S. 159ff. 674 01.09.1828 Quito. O’Leary an Bolívar, in: O’Leary, Memorias, Narracion, Bd. 3, 1952, S. 376. 06.09.1828 Cuenca. Flores an Bolívar, in: Villalba, Correspondencia Libertador / Flores, 1977, S. 412. 18.09.1828 Guayaquil. Sucre an Bolívar, in: Salcedo Bastardo, Antonio José de Sucre, 1981, S. 363. 05.10.1828 Bogotá. Boli-

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der Verstärkung durch sein militärisches Potenzial brachte Braun wichtige Informationen über innerperuanische Verhältnisse mit. Diese deuteten darauf hin, dass La Mar in Zentral- und Südperu über nur wenig Rückhalt für seinen Krieg im Norden verfügte und sich unter anderen Gamarra und Santa Cruz schon gegen ihn in Stellung brachten.675 Braun seinerseits besaß genauso wie Sucre nach seiner Ankunft in Großkolumbien kein offizielles Mandat mehr, da dies mit der Rückführung der Truppen erloschen war. Darüber hinaus hatten sich die realpolitischen Verhältnisse innerhalb der bolivarischen Fraktion in den letzten fünf Jahren weiterentwickelt. Vor diesem Hintergrund musste sich Braun sehr schnell im Kontext und in der Hierarchie dieser Fraktion neu positionieren. Die positive Erwartungshaltung der genannten Akteure bedeuteten für Felipe Braun jedoch gute Startbedingungen. Es gelang Braun sehr schnell, ähnlich wie Sucre auf einem höheren Niveau, sein in Peru und Bolivien erworbenes Prestige und seinen Einfluss nach Großkolumbien zu transferieren und in den dortigen politischen Prozessen einzusetzen. Hierbei konnte er auf die Unterstützung seines Freundes Juan José Flores zählen.676 Dieser hatte einen Artikel in der Zeitung „Gaceta de Colombia“ über Felipe Braun veröffentlichen lassen und sich hinter den Kulissen für eine Integration Brauns in die Verteidigungsanstrengungen Südkolumbiens eingesetzt. Vor allem hatte er sich bei Bolívar aufgrund „seiner in jeglicher Hinsicht herausragenden Dienste“677 für die Anerkennung des in Bolivien verliehenen var an Pedro Briceño Méndez, in: Lecuna, Simón Bolívar. Obras completas, Bd. 1, 1947, S.  474f. 14.10.1828 Guayaquil. Flores an Bolívar, in: Villalba, Correspondencia Libertador / Flores, 1977, S. 425. 20.10.1828 Guayaquil. O’Leary an Bolivar, in: O’Leary, Memorias, Narracion, Bd. 3, 1952, S. 408. 21.10.1828 Guayaquil. Flores an Bolívar, in: Villalba, Correspondencia Libertador / Flores, 1977, S. 426ff. 21.10.1828 José María Córdova an Salvador Córdova, in: Moreno de Angel, Correspondencia, Bd. 3, 1974, S. 121. 28.10.1828 Bogotá. José María Córdova an Salvador Córdova, in: Moreno de Angel, Correspondencia, Bd. 3, 1974, S. 145. 675 20.10.1828 Guayaquil. O’Leary an Bolivar, in: O’Leary, Memorias, Narracion, Bd. 3, 1952, S. 408. Siehe hierzu besonders: Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 107. 676 Der erste Kontakt zwischen Flores und Braun lässt sich erst im Januar 1828 mit Quellen nachweisen. Jedoch ist aufgrund des privaten Inhalts und freundschaftlichen Duktus ihres ersten überlieferten Briefes davon auszugehen, dass sich beide schon vorher kennen- und schätzen gelernt hatten. Es ist höchst wahrscheinlich, dass beide gemeinsam ab 1822 den Feldzug zur Durchsetzung der Unabhängigkeit Südkolumbiens bestritten und damals Freunde geworden waren. Für den ersten nachgewiesenen Kontakt siehe: 13.01.1828 Cuenca. Flores an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 20. Manuel Pérez Vila zeichnet in seiner Biographie von Daniel F. O’Leary eine enge Freundschaft zwischen O’Leary, Flores sowie einer ganzen Gruppe großkolumbianischer Militärs – darunter auch Otto Philipp Braun: Pérez Vila, Vida de Daniel Florencio O‘Leary, 1957, S. 389. 677 21.10.1828 Guayaquil. Flores an Bolívar, in: Villalba, Correspondencia Libertador/ Flores, 1977, S. 428.

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Generalsranges ausgesprochen. Dies war in jenen Tagen nicht selbstverständlich. Juan José Flores hatte in dem erwähnten Zeitungsartikel auch die Kommentierung und Veröffentlichung eines Briefes von Braun veranlasst. In diesem hatte Braun dem großkolumbianischen Kriegsminister seine „verdienten und heldenhaften Soldaten“678 empfohlen und um deren korrekte Behandlung durch die kolumbianische Regierung gebeten. Braun begründete dies damit, dass „sie den Stolz und den Glanz der Waffen ihrer Republik [Großkolumbien, Anm. RK] in Bolivien aufrechterhalten haben“679. Brauns positive Wertungen müssen natürlich vor dem Hintergrund der diversen Aufstände und Rebellionen, die nicht zuletzt zur entscheidenden Destabilisierung der bolivarischen Administration Sucres beigetragen hatten, als Versuch der eigenen geschichtspolitischen Positionierung – wie zuvor schon durch seine Manifeste in La Paz – verstanden werden. Die Veröffentlichung und Brauns anschließende Tätigkeit an zentraler Stelle im politischen und militärischen Führungszirkel zeigen, dass ihm dies gelungen war. Brauns Rückkehr wurde also nicht nur unter den Militärs herbeigesehnt und dann mit Erleichterung aufgenommen, sondern auch als öffentliches Ereignis durch die bolivarische Fraktion zelebriert. Dies ging neben der Veröffentlichung und Kommentierung des braunschen Briefes durch Flores auch aus einem ausführlichen Artikel einer Zeitung in Guayaquil hervor. Der heute namentlich nicht bekannte Autor informierte den Leser am 18. Oktober 1828 über die Ankunft „des kühnen Coronel Braun mit dem Rest der Mutigen, die Peru die Freiheit und Bolivien seine Existenz gaben“680, in der südlichen Hafenstadt Großkolumbiens. Anschließend folgten eine ausführliche Hommage an Braun und eine Aufzählung seiner militärischen Leistungen während des Unabhängigkeitskrieges sowie seines mutigen Verhaltens beim Voltíjero-Aufstand im Dezember 1827 in La Paz. Der Autor zeichnete ein äußerst positives Bild von Braun, indem er beispielsweise formulierte: „Wenn wir über den Coronel Braun sprechen, ist es nur gerecht, wenn wir ihm unsere Bewunderung zollen, die seine exzellenten Dienste bei uns bewirken. […] Seine Bescheidenheit und Freundlichkeit im Umgang ließen ihn die Sympathien der Bewohner Boliviens gewinnen.“681 Über den Matute-Aufstand, die dann folgende Kritik an Braun, die Ermittlungen gegen ihn oder die Ungnade, in die er bei Sucre gefallen war, verlor der Autor hingegen kein Wort. Dies verdeutlicht noch einmal die propagandistisch-politische Stoßrichtung des Artikels. 678 12.10.1828 Bogotá. Gaceta de Colombia, Nr. 377, in: Lecuna, Documentos referentes a la creación de Bolivia, Bd. 2, 1924, S. 619. 679 12.10.1828 Bogotá. Gaceta de Colombia, No. 377, in: Lecuna, Documentos referentes a la creación de Bolivia, Bd. 2, 1924, S. 619. 680 18.10.1828 Guayaquil. El Colombiano de Guayas, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 51f. Braun war allerdings noch in Bolivien zum General ernannt worden. 681 Ebd.

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Nach seiner positiv aufgenommenen Rückkehr nach Guayaquil begab sich Braun sofort ins zentrale Armeelager nach Cuenca, das er am 6. November 1828 erreichte. Hier wurde er umgehend zum Oberbefehlshaber der Kavallerie der Süd-Armee ernannt.682 In Cuenca versuchte unterdessen General Flores, der seit mehreren Jahren im südlichen Großkolumbien die Fäden in der Hand hielt, den Oberbefehl über die Region gegen Ansprüche des renommierten Sucre zu verteidigen.683 Der zeitgenössische Journalist Pedro Moncayo hielt fest, dass es im Angesicht des herannahenden feindlichen Heeres zwischen den bolivarischen Offizieren aufgrund der Pläne von Flores zu einer ernsten Meinungsverschiedenheit kam. Bei den detaillierten Schilderungen Moncayos ist jedoch Vorsicht geboten, da sie nicht durch andere Quellen bestätigt werden und er ein politischer Gegner von Flores war. Sie könnten also auch auf retrospektiv konstruierte, negative ­Zuschreibungen zurückgehen. Allerdings können diese Ereignisse auch so stattgefunden haben, wie Moncayo sie berichtet, da bis heute keine anderen Quellen oder Forschungsarbeiten seinen Darstellungen widersprochen haben. Laut Moncayo kritisierte Flores bei einer Besprechung der obersten Offiziere in Cuenca, dass Bolívar den abwesenden Sucre und nicht ihn zum Oberbefehlshaber ernannt hatte. Diese offene Kritik allein war schon ein Affront. Als Flores darüber hinaus noch andeutete, Sucres Mandat nicht anzuerkennen, ergriff Braun bei diesem Putschversuch seines Freundes Flores gegen seinen anderen Freund Sucre wohl deutlich Partei für Letzteren. Braun soll Flores, wenn Moncayo geglaubt werden soll, gar mit den Worten gedroht haben: „Wenn man ihn [Sucre, Anm. RK] nicht mit den Ehren und dem Respekt empfängt, den man dem Großmarschall von Ayacucho schuldet, werde ich meine Kavallerie auflösen und mich nach Bolivien zurückziehen.“684 Dies führte dazu, dass Flores 682 Dies geht aus folgendem Schreiben hervor: 14.11.1828 Quito. Sucre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 74. 683 Zwar betonte Flores in offiziellen Briefen an Bolívar, wie wichtig die Einbindung des amtsmüden Sucre sei, doch gegenüber Dritten konnte er seinen Ärger über diese Herabsetzung nicht verbergen – beispielsweise in einem Schreiben an General Rafael Urdaneta: 27.03.1830 Quito. Flores an General Rafael Urdaneta, in: O’Leary, Correspondencia de extranjeros, 1920, S. 288. Siehe zum Konflikt auch: Núñez, El Ecuador en Colombia, 1983, S. 255f. Pérez Vila, Vida de Daniel Florencio O‘Leary, 1957, S. 399. Flores Biograph entgeht dieser Konflikt: Van Aken, Juan José Flores, 1989, S. 22f. 684 Der Versuch von Flores, selbst oberster Befehlshaber zu werden, fand zweifellos statt. Ob allerdings die oben zitierten Worte wirklich so fielen und Braun hier tatsächlich eine oppositionelle Position einnahm, kann aufgrund der politischen Absicht des Autors, die Regierung Flores zu diskreditieren, nicht mit Sicherheit gesagt werden. Da der Streit aber tatsächlich stattfand und auch Brauns Einschreiten für Sucre vor dem Hintergrund seiner Loyalität zu ihm nicht undenkbar ist, wird das Ereignis – wenn auch mit großer Vorsicht – geschildert. Siehe zu Moncayo auch die folgende Anmerkung 685. Eloy Alfaro zitiert einen Zeitungsartikel von Moncayo, siehe: Alfaro, Obras

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von seinem Vorhaben Abstand nahm und den Oberbefehl Sucres akzeptierte. Trotz dieses Vorfalles wurde Flores aufgrund seines politischen Gewichts zweiter Mann hinter Sucre, was wiederum Daniel F. O’Leary herabsetzte und verärgerte. Neben der Auseinandersetzung um den Oberbefehl kam es – wiederum nach Moncayo – zu einem weiteren Schlagabtausch zwischen Braun und Flores. Bei einem Vorschlag von Flores, das Departement Azuay in Anbetracht des übermächtigen Feindes aufzugeben, äußerte Braun seinem Gesprächspartner gegenüber wohl die Worte „vorher sterbe ich“685. Selbst wenn Moncayo diese Worte erfand, zeugt ihre Erwähnung davon, dass er davon ausging, dass ihm sein Publikum glauben würde. Deshalb unterstreicht diese Begebenheit – ob sie sich nun so zugetragen hat oder nicht – Brauns politischen und militärischen Einfluss im südlichen Groß­kolumbien Ende der 1820er Jahre.686

Eskalation des Konfliktes mit Peru zum Krieg Ein derartiger Streit zwischen den wichtigsten Offizieren der Verteidigungsarmee schwächte in Anbetracht der gefährlichen Situation aufgrund numerischer Unterlegenheit, geographischer Isolation und begrenzter Ressourcen die militärische und politische Position der bolivarischen Fraktion im südlichen Großkolumbien. Als die Beteiligten von der Einnahme Lojas durch La Mar erfuhren, schoben sie ihre Differenzen beiseite und agierten geschlossen gegen die militärische Bedroescodigas, 1959, S. 332. Siehe auch: Andrade, Ecuador, 1909, S. 63. Jurado Noboa, La migración internacional a Quito, Bd. 1, 1989, S. 202. Dass all das so nicht stattgefunden hat, behauptet Brice. Bei seiner Begründung misst er den kulturell bedingten Freundschaftsbeteuerungen bei Begrüßung und Abschied in Briefen jedoch zu viel Gewicht bei. Die klaren Aussagen im Brief an Urdaneta (siehe die vorige Anmerkung 683) zieht er hingegen nicht in seine Bewertung mit ein: Brice, Juan José Flores, 1971, S. 30. 685 Hiervon berichtet vor allem der zeitgenössische Journalist, Politiker und spätere Gegner von General Flores, Pedro Moncayo (1807–1888). Einerseits messen heutige Historiker dem Chronisten Moncayo einen hohen Wert bei (Ayala). Andererseits gibt es Stimmen, welche die ideologisch gegen Flores gerichtete Gesamtkonzeption des hier zitierten Werkes „El Ecuador de 1825 a 1875“ kritisieren (Bustos). Analog zur vorangegangenen Anmerkung über den Streit zwischen Flores und Braun ist auch hier die Schilderung von Moncayo mit größter Vorsicht zu genießen. Doch auch wenn dieser Vorfall so nie stattfand, spricht die Inanspruchnahme Brauns durch Moncayo für dessen gewichtige Rolle: Moncayo, El Ecuador, Bd. 1, 1979 [=1885]. Aktuellere Arbeiten berichten ebenfalls von diesem Ereignis, allerdings ohne weitere Angaben dazu zu machen: Andrade, Ecuador, 1909, S. 63. Ayala Mora, Pedro Moncayo, 1993, S. 22ff. Bustos, „El Ecuador de 1825 a 1875“, 1993, S. 101ff. Jurado Noboa, La migración internacional a Quito, Bd. 1, 1989, S. 202. Villegas Domínguez, Pedro Moncayo, 1993, S. 27ff. 686 Siehe auch die vier vorangegangenen Anmerkungen.

Der peruanisch-großkolumbianische Krieg



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hung.687 Den ganzen Krieg über sollte der Konflikt in der großkolumbianischen Generalität nicht mehr aufbrechen. Wie erwähnt, war General La Mar nach dem Angriff von der See auf Guayaquil und nach dem Aufstand in Cauca und Popayan auf dem Landweg vom peruanischen Paita über die Grenze ins großkolumbianische Loja eingezogen. Als die großkolumbianische Generalität hiervon erfuhr, intensivierten sie ihre Verteidigungs­bemühungen und schickten eine Vorhut zur Beobachtung des Gegners in Richtung Loja. Diese 120 Mann starke Einheit kommandierte Felipe Braun. Am 3. Januar 1829 überraschte ein peruanischer Coronel den bei Oña kampierenden Braun und drohte, diesen mit seinen 600 Soldaten zu vernichten. Braun gelang es jedoch, den Angriff trotz hoher Verluste abzuwehren und sich nach Nabón zurückzuziehen.688 In der Zwischenzeit erreichten ungenaue Berichte über das Gefecht das Hauptquartier. General Flores befürchtete, da er keine Nachricht von Braun erhalten hatte, das Schlimmste. Im Falle von Brauns „Tod, Verletzung oder Gefangenschaft“689 schickte Flores schon einmal einen Ersatzkommandeur. In einem privaten Schreiben drückte Flores aber seine Hoffnung aus, „vielleicht werde ich so glücklich sein, nicht den Verlust eines meiner Freunde beweinen zu müssen“690. Nachdem sich die Situation noch am selben Tag geklärt hatte,691 lobte die großkolumbianische Propaganda Brauns „heldenhaften Widerstand“692 gegen einen so übermächtigen Gegner öffentlich. Auch hinter den Kulissen ging Braun gestärkt aus dem Überfall hervor. Flores dankte Braun in einem offiziellen Schreiben „für Ihr brillantes Verhalten am gestrigen Tag“693. Darüber hinaus bat er ihn, „meine Genugtuung und Anerkennung den Mutigen und den sich am meisten Ausgezeichneten unter Ihrem Befehl“694 auszurücken. Flores informierte auch Simón Bolívar über den Überfall, der „umfassend und gut ausgeführt war, der Coronel Braun verhielt sich

687 Pérez Vila, Vida de Daniel Florencio O’Leary, 1957, S. 399ff. 688 20.06.1829 Valparaíso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 249. Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 314f. Restrepo, Historia de la Revolution de la República de Colombia, Bd 6, 1969, S. 175. Valencia Tovar, El Ejéricto en la Gran Colombia, 1993. S. 101ff, 133. Vargas Ugarte, Historia general del Perú, Bd. 7, 1971, S. 177f. Vivanco, Participacion del Departamento del Ecuador, 1940, S. 35. 689 04.01.1829 Cuenca. Flores an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 82. 690 Ebd. 691 04.01.1829 Cuenca. Flores an Braun, in: Archiv Braun Bd. 82. 692 13.02.1829 Oña. Leon de Fébres Cordero (Generalstabschef ), in: Boletin del Ejército colombiano. Nr. 1, in: Blanco/Azpurua, Documentos Libertador, Bd. 13, 1979, S. 399. 693 04.01.1829 Cuenca. Flores an Braun, in: Archiv Braun Bd. 84. 694 Ebd.

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Karte 9

jedoch mit dem Mut, der nur ihm eigen ist“695 – womit er Braun vor dem einflussreichen Bolívar lobte und dort dessen Position stärkte. In den Tagen nach diesem ersten Aufeinandertreffen peruanischer und großkolumbianischer Einheiten initiierte Sucre Friedensverhandlungen. Er tat dies, um weiteres Blutvergießen zwischen den vor wenigen Jahren noch gemeinsam auf den Schlachtfeldern von Junín und Ayacucho kämpfenden Soldaten und Offizieren zu verhindern. Die Gespräche zwischen den kolumbianischen Generälen Daniel F. O’Leary und Tomás de Heres sowie auf peruanischer Seite Luis de Orbegoso696 und José Villa scheiterten jedoch. Folglich kam es nach einer ganzen Reihe von militärischen Manövern in der Region Cuenca in den frühen

695 11.01.1829 Cuenca. Flores/O’Leary an Bolívar, in: Villalba, Correspondencia Libertador / Flores, 1977, S. 441f. Es sei darauf verwiesen, dass Braun schon in Bolivien zum General ernannt worden war. 696 Wenige Jahre später war Luis de Orbegoso zeitweilig einer der engsten Verbündeten von Andrés de Santa Cruz und Otto Philipp Braun. Siehe hierzu auch Kapitel 6.

Der peruanisch-großkolumbianische Krieg



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Stunden des 26. Februar 1829 zur Schlacht von Tarqui.697 Hier gelang es General Sucre mit seinen numerisch weit unterlegenen Einheiten, die peruanische Expeditionsarmee zu schlagen. Braun nahm ebenfalls an dieser Schlacht teil, bei der er leicht verletzt wurde und sich mit seinem „herausragenden Mut“698 auszeichnete.699 Die lobende Erwähnung im offiziellen Schlachtbericht und in den internen Kommunikationen, etwa von Sucre an Bolívar, unterstreicht dabei, wie sehr Braun integraler Bestandteil des obersten politischen und militärischen Zirkels der bolivarischen Fraktion im südlichen Großkolumbien war.700 Im Anschluss an diese Schlacht wurde Braun offiziell zum Brigadegeneral von Kolumbien erhoben und damit auch sein in Bolivien erworbener Titel in Großkolumbien endgültig anerkannt.701

Die Vereinbarung von Girón und Brauns diplomatische Mission Sucre zielte – im Einverständnis mit Bolívar – auf einen Verständigungsfrieden mit Peru. Daher ließ er die fliehenden und zerstreuten peruanischen Einheiten nicht verfolgen und vernichten, sondern bot dem geschlagenen Präsidenten La Mar eine ehrenvolle Kapitulation an. Mit einem ähnlichen Angebot hatte er bereits in Ayacucho die spanische Generalität zur Aufgabe bewegt und weiteres Blutvergießen verhindert. Auf diese Weise kam es am 28. Februar 1829 zur Vereinbarung von Girón. Diese zwischen Flores und O’Leary sowie Orbegoso und Gamarra ausgehandelte vorläufige Vereinbarung beinhaltete vor allem den Abzug der peruanischen Einheiten, eine Begrenzung der Truppen beider

697 Basadre, Historia de la República del Perú, Bd. 1, 1963 [=1946], S. 75ff. Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 321ff. Fazío Fernández, El Guayaquil colombiano, 1988, S. 239ff. Guzmán Polanco, Doctrinas ecuatorianas, 1974, S. 163ff. Pérez Vila, Vida de Daniel Florencio O’Leary, 1957. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 109ff. Valencia Tovar, El Ejéricto en la Gran Colombia, 1993. S. 135f. Vargas Ugarte, Historia general del Perú, Bd. 7, 1971, S. 184ff. Vivanco, Participacion del Departamento del Ecuador, 1940, S. 42ff. Siehe auch folgende Primärquelle: 20.06.1829 Valparaíso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 249. 698 02.03.1829 Tarqui. Sucre. Offizieller Bericht der Schlacht von Tarqui, in: Chiriboga Navarro, Documentos, 1928, S. 67. 699 Ebd., S. 60ff. Restrepo, Historia de la Revolution de la República de Colombia, Bd. 6, 1969, S. 182. 700 11.03.1829 Quito. Sucre an Bolívar, in: O’Leary, Memorias, Narracion, Bd. 3, 1952, S. 451. 701 Zwar hatten viele Korrespondenzpartner Brauns dessen Generalstitel anerkannt, jedoch offenbar noch nicht offizielle Stellen, da vor allem Zeitungen und offizielle Dekrete ihn weiter als Coronel betitelten.

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Länder an der Grenze sowie Verhandlungen über definitive Grenzziehungen.702 Ein endgültiger Friedensvertrag sollte erst nach Erfüllung dieser Bedingungen verhandelt werden. Wenige Tage nach der Unterzeichnung der Vereinbarung ernannte Simón Bolívar Felipe Braun zum Vertreter der großkolumbianischen Armee im Hauptquartier des peruanischen Kommandierenden.703 Brauns Aufgabe war es dabei nicht nur, formell den Abzug des peruanischen Heeres nach § 9 des Vertrages von Girón zu überwachen, die Freilassung von Kriegsgefangenen zu verhandeln704 und Informationen über den Gegner zu sammeln,705 sondern auch, mit seinem „Talent und Scharfsinn“706 bei seinem Aufenthalt die „Meinung der peruanischen Bevölkerung, der Armee und Funktionäre“707 in eine kolumbienfreundlichere Richtung zu lenken. Im Falle des Sturzes des Präsidenten La Mar sollte Braun dessen Nachfolger ebenfalls positiv im Sinne Großkolumbiens beeinflussen.708 Brauns Mission bestand also nicht nur in der Überwachung des militärischen Abzuges, in Verhandlungen und Spionage, sondern auch in der Beeinflussung seiner peruanischen Gesprächspartner. Ein Vergleich dieser politisch-strategisch wichtigen diplomatischen Mission mit seiner sehr viel begrenzteren Rolle als einfacher Kommandeur einer einzelnen Kavallerieschwadron bei seinem letzten Aufenthalt in Südkolumbien (1822–1823), als sich Braun vor allem um Hufeisen, Lederarbeiten und die Ausbildung der Soldaten zu kümmern hatte, verdeutlicht, wie sehr sich Braun in den engsten Kreis der bolivarischen Fraktion emporgearbeitet hatte. Auch sein Aufgabenbereich und seine Fähigkeiten hatten sich in den letzten Jahren entscheidend erweitert. Aus einem reinen militärischen Kommandeur war in den Jahren in Peru und in Bolivien ein wichtiger politischer Akteur geworden. Für seine Mission begab sich Braun sofort nach Loja, das er am 10. März 1829 erreichte. Hier beobachtete er den Abzug der peruanischen Truppen und leitete seine Lageeinschätzung an General Sucre weiter.709 Anschließend reiste 702 28.03.1829 Girón. Vereinbarung von Girón, in: O’Leary, Memorias, Narracion, Bd. 3, 1952, S. 454ff. 703 Ebd., S. 456. 704 02.04.1829 Quito. Sucre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 89. 705 Diese Aufgabe erfüllte Braun konsequent und leitete detaillierte Berichte über die peruanische Armee sowie seine politischen Einschätzungen über das zukünftige Verhalten von deren Führung an General Sucre weiter: 14.03.1829 Loja. Braun an Sucre, in: O‘Leary, Correspondencia de extranjeros, 1920, S. 121. 706 02.03.1829 Portete de Tarqui. O‘Leary an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 86. 707 Ebd. 708 Ebd. Braun besaß eine Kopie dieses Vertrages: 28.02.1829–01.03.1829 Girón. O‘Leary. Beglaubigte Kopie der Vereinbarung zwischen Peru und Kolumbien, unterzeichnet von Flores, O’Leary, Gamarra und Orbegoso, in: Archiv Braun, Bd. 85. 709 14.03.1829 Loja. Braun an Sucre, in: O’Leary, Correspondencia de extranjeros, 1920, S. 121.

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Braun weiter ins peruanische Hauptquartier, wo er am 4. April 1829 eintraf. Dort war es seine Aufgabe, weiter den Abzug zu kontrollieren sowie später nach Lima zu reisen und die Übergabe zweier peruanischer Kriegsschiffe an die kolumbianische Flotte zu bewirken.710 Hierzu kam es jedoch nicht. Denn schon vorher erreichte ihn die Nachricht, dass die peruanische Seite die Vereinbarung nicht mehr anerkannte. Dies hatte Braun allerdings schon Wochen zuvor vermutet.711 Braun legte unverzüglich sein Amt als diplomatischer Vertreter des kolumbianischen Heeres im peruanischen Hauptquartier nieder und bat Sucre, Großkolumbien verlassen und sich nach Arequipa zu seiner per Ferntrauung geheirateten Frau begeben zu dürfen.712 Beim peruanischen Präsidenten beantragte er ebenfalls die Erlaubnis, dorthin reisen zu dürfen. Dies wurde ihm jedoch verweigert.713 Braun befand sich nun in einer gefährlichen Situation. Schließlich verfügte er über keine militärischen Ressourcen inmitten Tausender gegnerischer Soldaten und Dutzender nach der Niederlage von Tarqui frustrierter Offiziere. Braun fürchtete um sein Leben. Auch war ihm der Weg nach Arequipa erst einmal versperrt. Heimlich floh er aus dem peruanischen Hauptquartier Richtung Süden. Denn „die Gefahr, der ich mich unterworfen hätte, nach Kolumbien zurückzukehren, nachdem man die Kapitulation von Girón so unverschämt verletzt hatte, und da ich gar keiner persönlichen Garantie trauen konnte, nötigte mich eine listige Führung zu beobachten, um mich aus ihren Klauen zu befreien“714, beschrieb Braun seine Situation später. Am 8. April 1829 gelang es ihm, sich in Paita in Richtung Lima einzuschiffen. Er erreichte die peruanische Hauptstadt am 5. Mai. Höchstwahrscheinlich versuchte er hier, eine Reiseerlaubnis für Arequipa zu erhalten. Doch nach neun Tagen sah er sich genötigt, nach Valparaíso in Chile zu reisen. Am 7. Juni 1829 erreichte er sein Ziel.715 „Hier erwarte ich also das Resultat von den von Neuem ausgebrochenen Streitigkeiten“716, wie er seinen Eltern aus dem sicheren chilenischen Hafen 710 18.03.1829 Quito. Bolívar an Flores, in: Villalba, Correspondencia Libertador/Flores, 1977, S. 248. 711 14.03.1829 Loja. Braun an Sucre, in: O’Leary, Correspondencia de extranjeros, 1920, S. 121. 17.03.1829 Gonranamá. José de la Mar an Sucre, in: Archiv Braun, Bd. 87. 04.04.1829 Piura. Mariano Castro, Sekretär des Präsidenten, an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 90. 712 20.06.1829 Valparaíso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 249. 713 04.04.1829 Piura. Mariano Castro, Sekretär des Präsidenten, an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 90. 714 20.06.1829 Valparaíso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 250. 715 06.08.1829 Lima. Carlos E. Demarquet an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 98. 716 20.06.1829 Valparaíso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 249.

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berichtete. Wie erwähnt, erkannte die Regierung La Mar die Vereinbarung von Girón nicht mehr an, nachdem sie ihre verstreuten Truppen abgezogen und diese auf peruanischem Territorium wieder gesammelt und verstärkt hatte. So wurde die vereinbarte Rückgabe der besetzten Stadt Guayaquil verweigert, wurden die Befestigungen weiter ausgebaut und erste Kampfhandlungen wieder aufgenommen. Alles schien auf eine erneute, großangelegte kriegerische Auseinandersetzung zwischen Großkolumbien und Peru hinauszulaufen – zumal Bolívar mit frischen Truppen aus Zentralkolumbien eingetroffen war. Die von General Sucre gewährte, auf Verständigung, Versöhnung und Stabilität abzielende ehrenhafte Kapitulation von Girón erwies sich als schwerer politischer Fehler. Doch die Gefahr eines erneuten Ausbrechens der Feindseligkeiten verhinderte ein von Agustín Gamarra (Präfekt von Cuzco), Andrés de Santa Cruz (peruanischer Botschafter für Argentinien, Aufenthalt in Chile) und Antonio Gutiérrez de La Fuente (Präfekt von Arequipa) von langer Hand vorbereiteter Putsch in Peru. In dessen Folge wurde Präsident La Mar abgesetzt und ins Exil verbannt. Neuer Präsident wurde La Fuente. Dieser nahm unverzüglich Verhandlungen mit Kolumbien zur Beendigung des Konfliktes auf, räumte Guayaquil und schloss im September 1829 einen Friedensvertrag. Im gleichen Monat wurde Gamarra Präsident. Dieses Amt hatte er bis Dezember 1833 inne und entwickelte sich in dieser Funktion noch als wichtiger politischer Gegner Brauns.717 All diese Entwicklungen wartete Braun seit Anfang Juni 1829 in Chile ab. Allein mit Abwarten ließ es Braun jedoch nicht auf sich beruhen. Er mobilisierte sein Netzwerk in Lima, etwa den dortigen großkolumbianischen Gesandten und ihm spätestens seit dem Jahre 1822 persönlich bekannten Carlos Eloy Demarquet. Dieser sollte versuchen, den neuen peruanischen Präsidenten La Fuente dazu zu bewegen, Braun eine Reisegenehmigung für Arequipa auszustellen.718 Darüber hinaus pflegte er seine sonstigen Verbindungen, etwa mit Antonio José de Sucre, Juan José Flores oder dem nach der Abberufung von Demarquet neuen Vertreter Großkolumbiens in Peru, Tomás Cipriano Mosquera.719 Auch fällt in diese Zeit einer von zwei erhaltenen direkten Briefen 717 Fazío Fernández, El Guayaquil colombiano, 1988, S. 239ff. Núñez, El Ecuador en Colombia, 1983, S. 256f. Für eine sehr La-Mar-freundliche Sicht siehe: Basadre, Historia de la República del Perú, Bd. 1, 1963 [=1946], S. 78ff. Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 326ff. Guzmán Polanco, Doctrinas ecuatorianas, 1974, S. 179ff. McDonald, Nineteenth Century Ecuador, 1987, S. 22f. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 109f. Valencia Tovar, El Ejéricto en la Gran Colombia, 1993. S. 136f. Vargas Ugarte, Historia general del Perú, Bd. 7, 1971, S. 123ff, 197ff. Zook, The Ecuador-Peru Dispute, 1964, S. 18ff. 718 06.08.1829 Lima. Carlos E. Demarquet an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 98. Später wirkte er für Flores als Agent und lebte auch in Paris. 719 07.10.1829 Quito. Sucre an Bolívar, in: Salcedo Bastardo, Antonio José de Sucre, 1981, S. 390. 04.11.1829 Lima. C.A. an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 100. 19.02.1830 Lima. Tomás Cipriano Mosquera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 103.

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Otto Philipp Brauns an Simón Bolívar.720 Das ausführliche Dankesschreiben für den gewährten Generalsrang enthält dazu noch eine Reihe privater Informationen. Diese lassen nicht auf eine kontinuierliche, enge und persönliche Kommunikation der beiden schließen, wie etwa zwischen Bolívar und Sucre. Doch bestätigen sie erstens, dass Braun Zugang zu Bolívar besaß, zweitens, dass Braun für Bolívar alles andere als ein Unbekannter war, und drittens, dass Braun in den engen Kreis militärischer und politischer Mitstreiter um Bolívar, Sucre, Flores und O’Leary gehörte. Dies belegen auch die vielen Berichte dieser engen Mitarbeiter über den Verbleib, das Agieren und das Privatleben Brauns an Bolívar. Leider ist jenseits der schon angeführten Korrespondenz wenig über Brauns dreimonatigen Aufenthalt in Valparaíso bekannt. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass er diesen dazu nutzte, auch zu Vertretern der chilenischen Elite und zur britisch-deutschen Kaufmannschaft Kontakte aufzubauen. Dies würde auch seine in den 1840er Jahren nachweisbaren intensiven Verbindungen nach Chile sowie seinen dortigen Exilaufenthalt erklären helfen. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass sich bei dieser Gelegenheit die wichtige Beziehung zu dem politisch aktiven Veteranen des chilenischen Unabhängigkeitskrieges Benjamín Viel entwickelte.721

5.2 Berufliche Etablierung in Südamerika. Eine interna­ tionale Diskussion zwischen Simón Bolívar, Andrés de Santa Cruz, Juan José Flores und Agustín Gamarra Im Zuge der bis hierher geschilderten Ereignisse ordnete sich in den Jahren 1829/30 der andine Raum politisch neu. Dies führte neben unzähligen anderen individualbiographischen Entwicklungen auch zum chilenischen Exil Brauns im Jahre 1829. Dort befand er sich zwar in Sicherheit, aber auch weit entfernt von seinen Netzwerkpartnern und seinem politischen Einflussgebiet in Groß­ kolumbien, Peru und Bolivien. In dieser unvorteilhaften Lage des Exils und inmitten der chaotischen politischen Entwicklungen musste sich Braun beruflich neu positionieren. Dies war jedoch aufgrund der politischen Bedeutung Brauns und seiner internationalen Kontakte kein rein privater Vorgang, sondern ein Prozess, der diverse Akteure diverser politischer Fraktionen in diversen Staaten einschloss. Über Brauns berufliche Zukunft sprachen Akteure wie der groß­ 720 10.09.1829 Valparaíso. Braun an Bolívar, in: O’Leary, Correspondencia de extranjeros, 1920, S. 118f. 20.03.1830 Arequipa. Braun an Bolívar, in: O’Leary, Correspondencia de extranjeros, 1920, S. 119f. 721 Siehe zu Benjamín Viel auch Kapitel 8: „Wiederaufstieg: Einfluss in der atlantischen Welt 1839–1841“, und Kapitel 10: „Kontinuierlicher Einfluss in der atlantischen Welt 1841–1855“.

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kolumbianische Präsident, der bolivianische Präsident, der peruanische Präsident sowie der Präfekt des südlichen Großkolumbien und spätere Präsident Ecuadors miteinander, untereinander und nebeneinander. Braun mobilisierte zur gleichen Zeit auch sein Netzwerk in Großkolumbien, bei Diplomaten in Lima und Akteuren in Bolivien und Peru. Unterdessen befand er sich in Valparaíso (Chile), später in Arequipa (Peru) und reiste nach Bolivien. Er kommunizierte mit Vertretern der bolivarischen Fraktion in Großkolumbien, mit deren peruanischem Gegner, Präsident Gamarra, und traf sich mit dem einstigen politischen Gegner Bolívars und Sucres, Andrés de Santa Cruz, in Bolivien. Während dieses Prozesses vermittelte Braun – fast nebenbei – Kontakte zwischen Santa Cruz und dessen einstigem Gegner Simón Bolívar. All diese im Folgenden rekonstruierten Verbindungen, Beziehungen und Kommunikationen legen nahe, dass die Anwerbung Brauns ein offener politischer und transnationaler Prozess war, in dem verschiedene, im ganzen andinen Raum befindliche Akteure versuchten, ihre Interessen durchzusetzen. Ferner wird an diesem Beispiel deutlich, dass es Braun gelang, sein in Groß­kolumbien, Peru und Bolivien im Dienste der bolivarischen Fraktion erworbenes Prestige nicht nur über die Ländergrenzen Chiles, Perus, Boliviens und Großkolumbiens, sondern auch über die Grenzen der politischen Fraktionen hinweg zu transferieren. Damit lenkte Braun seine international begonnene Karriere in nationalstaatliche Kanäle, und zwar zu einem Zeitpunkt, als alle Visionen einer panamerikanischen Föderation schon lange an der politischen Realität der jungen Republiken gescheitert waren. Mitte des Jahres 1829 neigte sich das unfreiwillige Exil Brauns dem Ende zu. Am 11.  September 1829 verließ er Chile Richtung Arequipa. Denn dort lebte seine am 17. April 1828 durch eine Fernhochzeit geheiratete junge Frau, die Tochter einer einflussreichen peruanisch-bolivianischen Familie. Von der erlaubten Einreise berichtete Braun Bolívar voller Euphorie.722 Dieser Brief an Bolívar sollte diesen jedoch nicht nur über den Verbleib seines Offiziers informieren, sondern diente auch als disziplinarrechtliche Absicherung. Zwar hatte Braun eine Einreiseerlaubnis peruanischer Behörden erhalten, doch eine offizielle Zustimmung der großkolumbianischen Führung, sich nach dem Scheitern seiner diplomatischen Mission im peruanischen Hauptquartier nach Chile abzusetzen oder im September 1829 nach Arequipa zu begeben, besaß Braun nicht. Doch er zählte auf das Verständnis von Bolívar und Sucre – schließlich war er schon nach seiner Ferntrauung nur ihnen zuliebe im bolivianisch-großkolumbianischen Dienst geblieben und hatte darüber hinaus erneut gute Arbeit 722 Braun schickte diesen Brief nicht direkt an Bolívar, sondern über Antonio José de Sucre. Dieser wiederum riet seinem Freund Bolívar, Brauns Bitte, in den Dienst von Andrés de Santa Cruz treten zu dürfen, zu entsprechen: 10.09.1829 Valparaíso. Braun an Bolívar, in: O’Leary, Correspondencia de extranjeros, 1920, S. 118f. 07.10.1829 Quito. Sucre an Bolívar, in: Salcedo Bastardo, Antonio José de Sucre, 1981, S. 390.

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geleistet.723 Ferner besaß er aufgrund seines politischen Gewichts ausreichenden Handlungsspielraum für eigenständiges Agieren. Trotz des deutlichen Wunsches Brauns, endlich seine Frau kennenzulernen, betonte er Bolívar gegenüber nicht nur seine Bewunderung und Loyalität, sondern unterstrich, dass er zu jeder Zeit „an jedem Ort“724 dem Libertador zu Diensten sei. Er signalisierte also seine Bereitschaft, weiter in großkolumbianischen Diensten tätig sein zu wollen – wenn der Ruf Bolívars ihn erreichte. Erst einmal war Braun aber ohne Kommando. Neue politische Spannungen brachten Braun jedoch schnell ein neues berufliches Angebot: Denn es war zwar in der Zwischenzeit – nach dem erfolgreichen Putsch gegen La Mar – zwischen Großkolumbien und Peru zu ernsthaften Friedensverhandlungen gekommen, doch misstraute Simón Bolívar den neuen Vereinbarungen. Schließlich befürchtete er erneute Auseinandersetzungen an seiner Südgrenze – zumal er mit schwerwiegenden innenpolitischen Problemen, vor allem dem Aufstand seines ehemaligen Weggefährten José María Córdova zu kämpfen hatte.725 Daher mahnte er seinen für den Süden Großkolumbiens verantwortlichen General Juan José Flores, die Verteidigungsanstrengungen zu verstärken und sich um das wenige fähige Personal zu bemühen. Bolívar, der in der Zwischenzeit den Brief Brauns erhalten hatte, empfahl Flores Mitte Oktober 1829, Braun zu rufen, „da er in jeder Hinsicht nützlich ist“726. Flores, der inzwischen zum Präfekten des südgroßkolumbianischen Departements ernannt worden war, nahm diesen Rat an. Wenig später bot er aus Guayaquil heraus Felipe Braun den Befehl über die gesamte Kavallerie des südlichen Departements an und forderte ihn auf, schnell nach Großkolumbien zurückzukehren.727 Braun verfolgte jedoch andere Pläne. Denn mittlerweile hatte er Arequipa erreicht und endlich seine junge Ehefrau und seine einflussreiche Schwiegerfamilie Rivero kennenlernen können. Wie sich all diese persönlichen und privaten Begegnungen zutrugen, ist leider nicht überliefert. Braun wird sich jedoch sehr bald um eine mögliche neue Anstellung und politische Positionierung gekümmert haben. Im Januar 1830 schrieb er etwa dem peruanischen Präsidenten und einstigen politischen Gegner Agustín Gamarra. Dieser antwortet ihm in einem privaten Schreiben auf äußerst freundliche Art und wohlwollende Weise – Freundschaftsbeteuerungen und Ehrerbietungen inklusive.728 Dies war für 723 10.09.1829 Valparaíso. Braun an Bolívar, in: O’Leary, Correspondencia de extranjeros, 1920, S. 118f. Siehe hierzu auch das Kapitel 5.1: „Der peruanisch-großkolumbianische Krieg 1828–1829“. 724 10.09.1829 Valparaíso. Braun an Bolívar, in: O’Leary, Correspondencia de extranjeros, 1920, S. 118. 725 Zum Kontext siehe auch Kapitel 4. „Postrevolutionäres Südmerika 1825–1828“. 726 22.10.1829 Quito. Bolívar an Flores, Villalba, Correspondencia Libertador/Flores, 1977, S. 265f. 727 05.11.1829 Guayaquil. Flores an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 101. 728 04.02.1830 Lima. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 102.

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Braun sehr wichtig. Auf diese Weise signalisierte Gamarra, dass er als einer der wichtigsten und mächtigsten politischen Akteure Perus nicht offen gegen Braun agieren und ihn etwa als Rache für den hartnäckigen Widerstand gegen die peruanische Invasion Boliviens und das anschließende Taktieren im Jahre 1828, vom Sieg im peruanisch-großkolumbianischen Krieg 1828/29 ganz zu schweigen, verfolgen würde, sondern ihn als Gesprächspartner anerkannte. Diese beiderseitige politische Flexibilität und das Herunterspielen früherer ­politischer und militärischer Feindschaften eröffneten Perspektiven für mög­liche Allianzen in der Zukunft.729 Dies zeigt, wie flexibel und wie wenig ideologisch politische Fraktionen in jener Zeit agierten. Mit dieser Rückendeckung konnte Braun in aller Ruhe politische Handlungsfelder und berufliche Möglichkeiten ausloten. Dabei befand er sich in der komfortablen Position, zwischen verschiedenen Optionen wählen zu können. Denn er konnte nach dem Angebot von Flores jederzeit nach Großkolumbien zurückkehren, über seine Schwiegerfamilie Anstellung in Peru finden oder sich in den Nachbarstaaten umhören. Dies tat er auch. Kurz nach seinem Brief an Gamarra reiste Braun nach Bolivien, wo er mit dem bolivianischen Präsidenten Andrés de Santa Cruz zusammentraf. Von wem hier die Initiative ausging und wie der Kontakt zustande kam, kann nicht mehr rekonstruiert werden. Sicher ist jedoch, dass Andrés de Santa Cruz Braun bei dessen Besuch anbot, in bolivianische Dienste zu treten.730 Dass Braun bei Santa Cruz großes Ansehen genoss, war schon sechs Jahre zuvor nach der Schlacht von Junín deutlich geworden. Es war jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass sie zwischenzeitlich auf unterschiedlichen Seiten gestanden hatten. Während Braun loyal zu Sucre ­gestanden hatte, hatte sich Santa Cruz vor und hinter den Kulissen zu einem erbitterten Gegner des ersten bolivianischen Präsidenten und Anhängers Simón Bolívars entwickelt.731 Trotz der Offerte von Andrés de Santa Cruz im Jahre 1830 gestaltete sich die Anwerbung Brauns nicht ganz einfach. Zwar tendierte Braun zum Angebot des bolivianischen Präsidenten, doch stand er offiziell noch immer in großkolumbianischen Diensten und hatte darüber hinaus auch ein aktuelles Arbeitsangebot von Flores vorliegen – auch wenn Großkolumbien gerade vor dem Auseinanderbrechen 729 Siehe auch den Abschnitt „Früher Ausbau des innen- und außenpolitischen Netzwerkes“. 730 Dies geht aus folgendem Brief hervor: 20.03.1830 Arequipa. Braun an Bolívar, in: O’Leary, Correspondencia de extranjeros, 1920, S. 119f. 731 Siehe Kapitel 4: „Politische Loyalität 1825–1828“, sowie: Llosa, Prologo a las cartas del Mariscal Andrés de Santa Cruz, 1976, S. Xf. Sobrevilla Perea, Andrés de Santa Cruz, 2011, S. 105. Diese Situation war nicht neu für Braun und Santa Cruz. Denn im Jahre 1820 hatte Santa Cruz für die Royalisten gekämpft, während Braun schon auf der Seite der Unabhängigkeitsbewegung stand. Santa Cruz schloss sich im Januar 1821 San Martín an.

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stand.732 Um sich aus dieser problematischen Situation zu befreien, wandte sich Braun erneut an seinen obersten Befehlshaber, Simón Bolívar, und schilderte die politischen Verhältnisse in Bolivien in den schillerndsten Farben und unterstrich den guten Willen von Andrés de Santa Cruz, mit Großkolumbien einen Offensiv- und Defensivpakt abschließen zu wollen.733 Dies war nicht weniger als ein diplomatischer Vermittlungsversuch zwischen den einstigen Gegnern. Braun vermittelte hier zwischen Bolívar und Santa Cruz, indem er einen Brief des bolivianischen Präsidenten, den er bei seinem Aufenthalt in Bolivien erhalten hatte, über Peru nach Groß­kolumbien an den Libertador weiterleitete und positiv kommentierte. Denn die Kommunikation zwischen Bolívar und Santa Cruz war nach dem Abbruch Ende 1827 aufgrund politischer Meinungsverschiedenheiten erst im Juni 1829 wieder kurzfristig aufgeflammt.734 Brauns Brief und Fürsprache für Santa Cruz dynamisierten diese Beziehung deutlich. Vor diesem Hintergrund wird ersichtlich, dass Braun hier vor allem als Vermittler und kommunikative Verbindung zwischen den beiden Präsidenten fungierte. Braun nutzte seine internationalen Kontakte aber nicht nur für andere, sondern agierte auch in eigener Sache. Er informierte Bolívar beispielsweise über „das heftige Verlangen“735 von Andrés de Santa Cruz nach seinen Diensten in Bolivien. Braun deutete an, dass er diesem Wunsch nachkommen wolle, „wenn Sie [Bolívar, Anm. RK] einverstanden sind und dies den Interessen Kolumbiens entspricht“736. Braun führte neben dem politischen Grund einer strategischen Allianz, die er als kolumbianischer Offizier in bolivianischen Diensten fördern würde, auch private Gründe an. Denn seine Frau sei aufgrund ihrer Umstände nicht in der Lage, lange Reisen zu unternehmen.737 Braun betonte immer wieder, dass er trotz eines mög­lichen Kommandos in Bolivien immer im Dienst seines „adoptierten Vaterlandes“738 Großkolumbien und Bolívars stehen werde. Deswegen versprach Braun, dass er sich sofort nach Großkolumbien zurückziehen werde, wenn er in Bolivien gegen die Interessen Großkolumbiens gerichtete politi732 04.03.1830 Guayaquil. Flores an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 104. 733 20.03.1830 Arequipa. Braun an Bolívar, in: O’Leary, Correspondencia de extranjeros, 1920, S. 120. 734 Zwar hatte Santa Cruz mehrere Briefe an Bolívar geschrieben. Dieser hatte ihm jedoch nicht geantwortet. Erst im Juni 1829 schrieb Bolívar zurück. Zu einem regelmäßigen Kontakt kam es aber erst, nachdem Braun den Brief von Santa Cruz im März 1830 weitergeleitet hatte. Rojas, Bolívar y Santa Cruz. Epistolario, 1975, S. 34. 735 20.03.1830 Arequipa. Braun an Bolívar, in: O’Leary, Correspondencia de extranjeros, 1920, S. 120. 736 20.03.1830 Arequipa. Braun an Bolívar, in: O’Leary, Correspondencia de extranjeros, 1920, S. 120. 737 Justa Germana de Rivero erwartete zu diesem Zeitpunkt ein Kind. Darüber hinaus besaß sie generell eine sehr anfällige Gesundheit. 738 20.03.1830 Arequipa. Braun an Bolívar, in: O’Leary, Correspondencia de extranjeros, 1920, S. 120.

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sche Prozesse entdeckte. Diese Beteuerungen lassen letztlich zwei Interpretationen zu: Entweder quälten Braun tatsächlich politische Gewissensbisse und persönliche Identitätsprobleme oder seine Loyalitäts- und Freundschaftsbekundungen sollten vor allem rhetorische Wirkung entfalten, um den Wechsel vom einen ins andere politische Lager und damit den berufsbiographischen und politischen Bruch zu übertünchen. Obwohl diese Frage nicht endgültig beantwortet werden kann, sprechen für Brauns tiefes Bedürfnis, Bolívar gegenüber loyal zu bleiben, verschiedene Gründe: Vor allem unterstrich Braun in der Selbstdarstellung gegenüber seinen aller tagespolitischen Opportunität enthobenen Eltern und Geschwistern seine strikte Loyalität und Affinität zu Simón Bolívar und verteidigte ihn gegen alle Angriffe politischer Gegner.739 Dafür, dass er dies wohl ernst gemeint hat, spricht, dass die auf Deutsch verfassten Inhalte selbst nach dem Abfangen durch politische Gegner für diese fast nicht entschlüsselbar gewesen sein dürften.740 Mit seinen Schilderungen ließ Braun sehr seltene Einblicke in seine verfassungspolitischen Vorstellungen zu. Er sprach sich aufgrund des von der „wütenden Demokratie“741 verursachten „Unglück[s] und [der] Unruhen in diesen unaufgeklärten Ländern“742 für eine „konstitutionelle Monarchie“743 im andinen Raum aus. Dennoch verstand sich Braun als „Republikaner“744, wie er seinem Bruder Friedrich Braun gegenüber betonte. Doch schätzte er, „frei gesprochen“745, die Chancen, wahrhaft demokratische und republikanische Verhältnisse zu schaffen, als schlecht ein. Braun schrieb hierzu: „[E]s sind doch sehr wenige in diesen Ländern von ihren Grundsätzen [Republikaner, Anm. RK]. Vielleicht in ein paar Jahrhunderten, wenn der Fanatismus und der Aberglaube, das Erbteil der Spanier, gänzlich verbannt sind, werden sie den nordamerikanischen Staaten nahekommen. Bis jetzt ist noch alles Theorie.“746 Neben dem gerade zitierten Schreiben an seine Verwandten in Kassel deutet auch folgende Begebenheit auf ernsthafte Entscheidungsschwierigkeiten und Loyalitätskonflikte hin: Trotz der erodierten Machtposition und veränderten politischen Verhältnisse in Großkolumbien und seiner Nachfolgestaaten – schließlich existierte der Staat, dem er einst bedingungslose Loyalität geschworen hatte, ab Anfang 1830 nur noch 739 20.06.1829 Valparaíso. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 250. 740 Braun korrespondiert mit anderen Kontakten gerade vor diesem Hintergrund auf Deutsch. Siehe beispielsweise: 01.06.1829 Lima C.A. an Braun in: Archiv Braun, Bd. 95. 22.05.1835 Arequipa. Clemente Althaus an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 269. 741 20.06.1829 Valparaíso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 250. 742 Ebd. 743 Ebd. 744 Ebd., S. 252. 745 Ebd. 746 Dieser Kommentar unterstreicht auch noch einmal, wie wichtig Brauns Aufenthalt in den USA auch in politischer Hinsicht gewesen war. 20.06.1829 Valparaíso. Braun an Ludwig Theodor Braun, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 252.

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auf dem Papier – widerstand Otto Philipp Braun dem Werben von Andrés de Santa Cruz und trat, solange die Zustimmung Bolívars fehlte, nicht in bolivianische Dienste. Braun handelte so, obwohl gerade Santa Cruz betonte, dass aufgrund des Zerfalls Großkolumbiens Braun von allen Verpflichtungen diesem Staat gegenüber befreit sei.747 Braun beschritt diese vom bolivianischen Präsidenten argumentativ gebaute goldene Brücke jedoch nicht. Erst nachdem im September 1830 der todkranke Bolívar Santa Cruz bezüglich Braun geschrieben und seine Einwilligung signalisiert hatte, begab sich Braun nach La Paz. Er erreichte die Stadt im Oktober 1830 nach zweijähriger Abwesenheit – sehr zur Freude des ­bolivianischen Präsidenten.748 Im genannten Brief hatte Simón Bolívar General Braun aus seiner Pflicht entlassen und beglückwünschte Andrés de Santa Cruz zur Wahl Brauns, „da Sie Männer wie ihn brauchen“749. Inzwischen besaßen diese Worte jedoch nur noch symbolischen Wert, da Bolívar im Mai desselben Jahres endgültig von der Präsidentschaft Großkolumbiens zurückgetreten war. Wenig später brach der Staatenverbund mit dem Austritt Venezuelas (unter der Führung von José Antonio Paez) und Ecuadors (unter der Führung von Juan José Flores) endgültig auseinander. Nachdem sich im November 1830 Großkolumbien auch formaljuristisch aufgelöst hatte, starb Bolívar einen Monat später.750 Trotz dieser größtenteils schon lange absehbaren politischen Entwicklungen hatte sich Braun geweigert, ohne formelle Zustimmung Bolívars in den Dienst Boliviens und der Administration von Andrés de Santa Cruz zu treten. Dies weist auf das Bedürfnis Brauns hin, seinem Handeln im Allgemeinen und seinem Wechsel der politischen Fraktionen im Besonderen Legitimität und Legalität zu sichern. Dies ist umso bemerkenswerter, da andere Akteure selten solche Skrupel zeigten. Mit Braun hatte Santa Cruz nicht nur einen fähigen General, sondern auch einen politischen Akteur mit den besten Verbindungen nach Ecuador und Kolumbien angeworben. Noch während Braun sich zierte, offiziell in den Dienst des bolivianischen Präsidenten zu treten, hatte Braun schon für Andrés de Santa Cruz auf dessen Wunsch hin hinter den Kulissen Kontakte vermittelt, etwa zu Tomás 747 Andrés de Santa Cruz warb immer eindringlicher um Braun und drängte ihn, aufgrund der veränderten politischen Rahmenbedingungen auch ohne offizielles Entlassungsschreiben nach Bolivien zu kommen. Beide kommunizierten regelmäßig: 23.04.1830 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 106. 30.07.1830 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 110. 31.08.1830 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 111. 748 12.10.1830 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 115. 749 14.09.1830 Caracas. Bolivar an Santa Cruz, in: Rojas, Bolívar y Santa Cruz. Epistolario, 1975, S. 79. 750 Bakewell, A History of Latin America, 2005 [= 1997].S. 411ff. Cebrián/Martínez, Peru, Hochperu, Bolivien, 1992, S. 286ff. Chasteen, Latin America`s Struggle for Independence, 2008, S. 159ff. König, Geschichte Lateinamerikas, 2006, S. 333ff. König, Ecuador, Kolumbien, Venezuela, 1992, S. 578ff, 590ff, 606ff. Núñez, El Ecuador en Colombia, 1983, S. 257ff. Salmoral, Neu-Granada/Großkolumbien, 1992, S. 237ff.

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Transfer von Prestige und Einfluss 1828–1830

Cipriano Mosquera, dem kolumbianischen Botschafter in Peru, nach Lima sowie nach Guayaquil zum Präsidenten des neuen Staates Ecuador, Juan José Flores.751 Nach den Turbulenzen in Großkolumbien und in dessen Nachfolgestaaten Venezuela, Kolumbien und Ecuador eröffneten sich für die Akteure neue Möglichkeiten, die Machtverhältnisse zu verschieben. Andrés de Santa Cruz schmiedete in dieser offenen Situation neue Allianzen und Partnerschaften für seine strategischen Pläne. Hierfür nutzte er Brauns Kontakte.

5.3 Private Etablierung in Südamerika: Die Heirat in die Familie Rivero Wie oben beschrieben, stieg in der zweiten Hälfte der 1820er Jahre das Ansehen Brauns kontinuierlich. Er war von einem unbedeutenden Kommandeur zu einem wichtigen politisch-militärischen Akteur in der großkolumbianischen und bolivianischen Politik sowie zu einer wohlhabenden Person geworden. Damit erhöhte sich auch sein Ansehen bei der einheimischen Elite und ihren einflussreichen Familien. Diese verfolgten nach dem Ende des Unabhängigkeitskrieges nicht selten die Strategie, hohe und angesehene Offiziere der Unabhängigkeitsarmeen in ihre Familien einzuheiraten, um bessere Beziehungen zu den neuen Regierungen zu erlangen.752 Otto Philipp Braun war Ende der 1820er Jahre in dieser Hinsicht ein attraktiver Kandidat. Bezüglich seiner persönlichen Zukunft hatte er im September 1825 jedoch an seine Mutter in Kassel geschrieben, sie solle für ihn eine deutsche Frau suchen, die er dann bei einem für die nächste Zeit geplanten Heimaturlaub ehelichen wolle. Er plane, keine Südamerikanerin zu heiraten.753 Doch schon sehr schnell änderte Braun seine Meinung. Am 17. April 1828 – also zum Zeitpunkt des ersten Abzuges aus La Paz – heiratete er per Vollmacht die in Arequipa lebende Justa Germana de Rivero y Abrill.754 Er selbst hatte sie noch nie gesehen, sondern er war in La Paz mit einem Zweig der Familie in Kontakt gekommen, welcher die Ehe vermittelte. Dies geschah über die in La Paz lebende Halbschwester seiner zukünftigen Frau, Juana Rivero de Segovia, und ihren Mann Pablo Manuel Segovia del Risco.755 Braun schilderte den Ablauf der Eheanbahnung folgendermaßen: 751 19.02.1830 Lima. Tomás Cipriano Mosquera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 103. 04.06.1830 Lima. Tomás Cipriano Mosquera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 107. 19.07.1830 Lima. Tomás Cipriano Mosquera an Braun, in: Archiv Braun Bd. 109. 31.08.1830 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 111. 20.09.1830 Guayaquil. Tomás Cipriano Mosquera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 112. 752 Brown, Foreign Mercenaries, 2006, S. 176ff. 753 09.09.1825 La Paz. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 240. 754 Dies bestätigt auch: Martínez, La catedral de Arequipa y sus capitulares, 1931, S. 107. 755 Pablo Manuel Segovia hatte als Bankdirektor und Funktionär der Finanzverwaltung des Departements La Paz schon in den Jahren 1825 engen Kontakt zu Sucre und

Die Heirat in die Familie Rivero



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„Am Ende des Jahres 1827 hörte ich in La Paz den Ruf von einem sehr schönen und liebenswürdigen jungen, 15-jährigen Fräulein, Justa Germana de Rivero […]. Nachdem ich nun nach langer Korrespondenz mit der Familie in Arequipa führte und zu gleicher Zeit ein Auswechseln von unseren beiderseitigen Portraits stattfand, schickte ich meine Vollmacht dahin, kraft der ich […] am 17. April mit ihr vermählt wurde.“756 Bevor Otto Philipp Braun jedoch seine Ehefrau persönlich kennenlernen durfte, musste er aufgrund der politischen Entwicklung noch über anderthalb Jahre, zwei Kriege und ein Exil überstehen. Durch die Hochzeit Brauns mit Justa Germana ­Rivero heiratete Braun in eine in Peru, Bolivien und auch in Argentinien weitverzweigte, überregional angesehene und einflussreiche Familie ein.757 Vor allem in La Paz und in Arequipa gehörte die Familie Rivero zur politischen und ökonomischen Elite. Neben dem verschwägerten Bankdirektor Pablo Manuel Segovia del Risco und der mit ihm verheirateten Juana Rivero de Segovia lebte dort mit José Manuel Rivero ein weiterer Verwandter.758 Dieser unterschrieb beispielsweise mit anderen Vertretern des vornehmen Bürgertums des Bolívar gesucht und dann gepflegt: 02.11.1825 La Paz, Pablo Manuel Segovia an Sucre, in: Grisanti, Colección de Juan Francisco Martín, 1956, S. 99. 25.01.1827 Chuquisaca, Facundo Infante an Ignacio Ortiz de Ceballos, in: Ortíz de Zevallos Paz-Soldán, Ortiz de Zevallos en Bolivia, 1956, S. 215. Siehe auch: Alvarez Brun, Misiones peruanas, Bd. 1, 1972. Zum Kontakt zu Sucre siehe: 01.08.1825 La Paz. Sucre an José Ruiz de Sorzano/Pablo Manuel de Segovia, in: Mendoza, Sucre y la organización de la República de Bolivia en 1825, 1998, S. 359f. 02.08.1825 La Paz. Sucre an Segovia, in: Ebd., S. 362f. 03.08.1825 La Paz. Sucre an Segovia, in: Ebd, S.  363; sowie: Lofstrom, La Presidencia de Sucre en Bolivia, 1987, S. 379, 387f. Martínez, La catedral de Arequipa y sus capitulares, 1931, S. 105. 756 20.06.1829 Valparaíso, Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 250. 757 Über die Hochzeit der Großmutter Justa Germana Riveros, María Gertrudis Araníbar y Fernández Cornejo (1724-?), mit Manuel Pedro de Rivero y Salazar (1724-?) bestanden Kontakte zur Familie Cornejo in Arequipa, aber vor allem nach Salta (Argentinien). Der dorthin ausgewanderte Zweig etablierte sich in den 1760er Jahren vor allem mit Unternehmungen in der Zuckerindustrie, wirkte jedoch auch lange Jahre in Politik und Militär. Durch die Ehe der älteren Halbschwester Justa Germana de Riveros, Juana Felipa de Rivero, mit Pablo Manuel Segovia del Risco erhielt Braun über deren Sohn José de Tezanos Pinto, einen der einflussreichsten Cascarilla-Unternehmer seiner Zeit, nicht nur gute unternehmerische Verbindungen nach Cobija (Bolivien), sondern sicherlich auch zu dessen Sohn, dem späteren argentinischen Präsidenten José Evaristo Uriburu (1831–1914, Amtszeit: 1895–1898) sowie zu dessen Tochter und dessen Schwiegersohn Indalecio Gómez (1850–1929), dem Innenminister Argentiniens. Auch wenn deren Amtszeiten nach Brauns politischem und unternehmerisch aktivem Wirken liegen, verdeutlichen diese Kontakte die Verbindungen in die politische Elite des Nachbarlandes hinein: Cornejo, Los Fernández Cornejo del Perú, 1949, S. 127ff. Martínez, La catedral de Arequipa y sus capitulares, 1931, S. 105. 758 Díaz Villamil, La Paz, Bd. 2, 1948, S. 181.

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Departements von La Paz eine Protestnote gegen die Invasion Agustín Gamarras im Jahre 1828, was als Hinweis auf seine hohe Stellung dort verstanden werden kann.759 Die Familie in Arequipa konnte ihrerseits auf eine lange Reihe adeliger Vorfahren verweisen. Über lange Zeit fungierten viele Familienmitglieder als hohe Funktionäre im kolonialen Vizekönigreich – was auf den jahrzehntelangen Erhalt ihres Status hinweist.760 Diese royalistische Karriere endete erst, als der Vater von Justa Germana de Rivero, Manuel José de Rivero y Araníbar, im Jahre 1814 auf dem Hauptplatz von Arequipa seine Adelstitel verbrannte, seine Sklaven entließ und einen Aufstand gegen die spanische Krone und ihre royalistischen Anhänger mit anführte.761 Zwar wurde dieser Aufstand niedergeschlagen, doch galt der Vater seitdem als früher und konsequenter Anhänger der Unabhängigkeit. Den großen Einfluss dieses Mannes verdeutlicht auch, dass sein Sohn, Mariano Rivero, wenige Jahre zuvor als Vertreter der Region Arequipa in die Cortes nach Cádiz gewählt worden war. Dort war er vor allem als liberaler Anhänger der Unabhängigkeit und Gegner des absolutistisch regierenden Ferdinand VII. und dessen peruanischen Vizekönigs José Fernando de Abascal aufgetreten, wofür er auch mit einem langen Gefängnisaufenthalt bezahlte.762 Durch die Heirat seiner Schwester mit einem großkolumbianischen Offizier deutscher Herkunft vereinigte sich die Generation der alten Unabhängigkeitskämpfer mit derjenigen, welche die Unabhängigkeit letztlich auf den Schlachtfeldern von Junín und Ayacucho durchgesetzt hatte. Die Familie war also nicht nur alteingesessen und verfügte über Verbindungen bis nach Bolivien und Argentinien, sondern war auch frühzeitig auf die Seite der Unabhängigkeit gewechselt. Eine eheliche Verbindung mit einem hohen Offizier der siegreichen Unabhängigkeitsarmee festigte diese Position. Aus all diesen Gründen war die Familie Rivero in der Lage, ihren sozialen, politischen und ökonomischen Status auch über den politischen Bruch von 1824 zu retten 759 05.05.1828 La Paz. Manifestacion del cuerpo electoral, in: Díaz Arguedas, Sintesis Historica de la Ciudad de La Paz, 1978, S. 239f. 760 Cornejo, Los Fernández Cornejo del Perú, 1949, S. 105ff. Martínez, La catedral de Arequipa y sus capitulares, 1931, S. 92ff. Rivero y Rios, Los Rivero de Arequipa, 1951, S. 23ff. Rivero y Rios, Los Rivero de Arequipa, 1949, S. 137ff. Rivero y Rios, Los Rivero de Arequipa, 1948, S. 5ff. 761 Alayza/Soldán, La constitución de Cádiz, 1946, S. 70. Dunbar Temple, Prologo, 1972, S. LIX Lozano y Lozano, Otón Felipe Braun, 1939. S. 917f. Málaga Medina, Historia de Arequipa, 1981, S. 120. Martínez, La catedral de Arequipa y sus capitulares, 1931, S. 92ff. Pardo Gámez de Belaunde, Arequipa, 1967, S. 27, 85, 89. 762 Alayza/Soldán, La constitución de Cádiz, 1946, S. 70. Berruezo, La participación americana en las Cortes de Cadiz, 1986, S. 141f. Cornejo, Los Fernández Cornejo del Perú, 1949, S. 129. Laure Rieu-Millán, Los dipudados americanos en las Cortes de Cádiz, 1990, S. 24, 308f. Martínez, La catedral de Arequipa y sus capitulares, 1931, S.103. Roel, Historia general del Perú, 1988, S. 129ff. Suárez, Las Cortes de Cádiz, 2002, S. 51.

Die Heirat in die Familie Rivero



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– im Gegensatz zu manch anderer Familie in jener Zeit. Dies belegen auch die vielen administrativen Funktionen von Familienmitgliedern nach der Unabhängigkeit. Beispielsweise fungierte in den 1830er Jahren ein Familienmitglied als hoher Präfekturbeamter in Arequipa (José Tadeo Rivero), ein anderer als hoher Zollfunktionär in Arica (José Rivero) und ein dritter war in der Deputiertenkammer des süd­peruanischen Departements aktiv (Mariano Rivero).763 Während der peruanisch-bolivianischen Konföderation (1836–1839) gelang es Manuel Rivero darüber hinaus, als Dekan der Kathedrale von Arequipa zum Komtur der Ehrenlegion Perus ernannt zu werden. Sein angeheirateter Verwandter Felipe Braun war derweil hoher Ritter dieses Ordens.764 Ferner wirkte José Rivero kurzzeitig 1837 sowie von 1838–1839 als Präfekt des Departements Arequipa.765 Auch nach dem Zerfall der peruanisch-bolivianischen Konföderation, in welcher Braun eine sehr prominente Rolle gespielt hatte, konnte die Familie Rivero ihre Stellung und ihre Ämter größtenteils behalten. Manuel Rivero blieb noch lange Jahre hochrangiges Mitglied in der Kirchenverwaltung der Stadt.766 Mariano Rivero war Ehrenmitglied in einer lokalen Bürgervereinigung und später peruanischer Generalkonsul in Belgien.767 In den 1850er Jahren stellte die Familie mit José Rivero sogar erneut den Präfekten des Departements von Arequipa.768 Die Familie Rivero war nicht 763 Paredes, Guia de Forasteros de Lima 1834, 1833, S. 27. Paredes, Guia de Forasteros de Lima 1833, 1832, S. 23, 54, 81. 764 Paredes, Guia de Forasteros de Lima para 1837, 1836, S. 71, 73, 74. Siehe zur Biographie von Manuel Gregorio de Rivero y Bezoaín auch: Martínez, La catedral de Arequipa y sus capitulares, 1931, S. 92ff. 765 José Rivero amtierte vom 27. September 1837 bis zum 5. Januar 1838 sowie vom 7. September 1838 bis zum 20. Februar 1839 als Präfekt von Arequipa. Nachdem Unruhen bei der Implosion der peruanisch-bolivianischen Konföderation für dessen Ablösung durch einen gamarra-treuen Nachfolger gesorgt hatten, verließ Rivero mit Santa Cruz Arequipa und ging mit seinem ehemaligen Protektor ins ecuadorianische Exil. Siehe: Basadre, Diez años, 1953, S. 77, 118. Martínez, Gobernadores de Arequipa, 1930, S. 212f. Pardo Gámez de Belaunde, Arequipa, 1967, S. 85. Siehe auch den Zeitzeugenbericht: Valdivia, Las revoluciones de Arequipa, Bd. 5, 1958 [=1873], S. 33, 94, 118. 766 Carrasco, Guia de Forasteros de Lima 1841, 1840, S. 245. 767 Ebd., S. 172. Carrasco, Guia de Forasteros de Lima 1852, 1851, S. 21. 768 Der Zeitzeuge Heinrich Witt nannte sie 1846 eine der einflussreichsten Familien von Arequipa: Witt, Diario 1824–1890, Bd. 2, 1992, S. 136. An der Universität Hamburg arbeitet Christa Wetzel zurzeit an einer Dissertation zu Heinrich Witt und seinem Tagebuch. José Rivero leitete von Ende 1851 bis Ende 1853 die Präfektur, siehe: Basadre, Diez años, 1953, S. 77, 118. Martínez, Gobernadores de Arequipa, 1930, S. 215. Siehe auch den Zeitzeugenbericht: Valdivia, Las revoluciones de Arequipa, Bd. 5, 1958 [=1873], S. 33, 94, 118. Oder folgenden Brief: 19.10.1853 Arequipa. José Rivero al Sr. Ministro de Estado en el despacho de Gobierno y Relaciones Exteriores, in: Oviedo, Colección de Leyes, Bd. 6, 1861, S. 79.

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nur einflussreich und über die Grenzen der Region hinaus vernetzt, sondern auch bei den Protagonisten des Unabhängigkeitskrieges und der unmittelbaren Nachkriegszeit bekannt, was sie durch die Ehe mit Braun noch verstärkte. Nachdem Braun seine Vermählung bekannt gegeben hatte, schrieb beispielsweise der bolivianische Präsident Antonio José de Sucre dem kolumbianischen Staatsoberhaupt Simón Bolívar, dass Braun „in La Paz sehr beliebt ist und sich mit einer Schwester der R ­ iveros verheiratet hat“769. Bolívar wird diese gesellschaftliche Neuigkeit interessiert haben, da er die Riveros gut kannte. Denn Bolívar hatte bei seinem Aufenthalt in Arequipa 1825 im Haus von Manuel José de Rivero übernachtet und den Hausherrn und frühen Protagonisten der südperuanischen Unabhängigkeitsbewegung sicherlich kennengelernt.770 Für Braun bedeutete die Heirat die endgültige Etablierung in Südamerika und wohl auch die Entscheidung, dort länger zu bleiben und nicht nach Europa zurückzukehren. Viele andere hochrangige Freiwillige aus Europa, die den Unabhängigkeitskrieg überlebt hatten, waren, wie etwa General William Miller, auf Zeit oder für immer zurückgekehrt. Mit der Hochzeit erweiterte Braun sein Netzwerk erheblich, da die Familie über Verbindungen im ganzen andinen Raum verfügte.771 Ferner schützte diese Ehe Braun, da europäische Ausländer mit einheimischen Frauen bei Regimewechseln nicht ohne Weiteres ausgewiesen werden konnten. Darüber hinaus besaß er nun viele Anlaufstätten in diversen peruanischen und bolivianischen Städten. Dies sollte sich für ihn vor allem nach seinem politischen Sturz im Jahre 1839 als existenziell erweisen. Auch in den frühen 1840er Jahren konnte er sich auf seine Verwandten verlassen. Braun pflegte noch Jahrzehnte später – selbst als er bereits zum zweiten Mal verheiratet war – Verbindungen zur Familie seiner ersten Frau.772 In diesem Kapitel wurden vor allem die machtpolitischen und ökonomischen Folgen der Hochzeit Brauns 769 Sucre schreibt Bolívar schon am 12. April 1828, dass sein Untergebener Otto Philipp Braun geheiratet habe. Allerdings wurde die Trauung formell erst am 17. April 1828 vollzogen: 12.04.1828 Chuquisaca. Sucre an Bolívar, in: Fundacion Vicente Lecuna, Archivo de Sucre, Bd. 13, 1989, S. 104. 770 Quiroz Paz Soldán, La República. Arequipa, S. 422f. Zegarra Meneses, Arequipa, Visita de Bolívar, 1973, S. 23. 771 Cornejo, Los Fernández Cornejo del Perú, 1949, S. 127. 772 Braun hielt von 1840 bis weit in die 1850er Jahre vor allem zu José „Pepe“ Rivero und María Joséfa Abrill, der Mutter von Justa Germana Rivero, aber auch zu deren Schwestern Juana und Gertrudis Rivero Kontakt. Ferner schrieb er sich mit Manuel Antonio Rivero, dem kleinen Bruder von Justa Germana Rivero. Die nach 1855 fehlenden Briefe können auch auf Brauns immer lückenhafter erhaltene Korrespondenz und auf die immer ungenauer geführten Ausgangsverzeichnisse zurückzuführen sein, sie müssen nicht auf einen Abbruch der Kommunikation schließen lassen. Siehe auch den Abschnitt „Familiäre Netzwerke: José Rivero“ sowie: Cornejo, Los Fernández Cornejo del Perú, 1949, S. 127ff.

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rekonstruiert, über seine persönlichen Motive, Justa Germana de Rivero zu heiraten, kann jedoch nur spekuliert werden. Als Brauns Frau im Jahre 1837 nach langer Krankheit in La Paz verstarb, während er als Kommandierender General an der bolivianischen Südgrenze eine argentinische Invasion abwehrte, ist in seinen Briefen eine tiefe Trauer über den Verlust feststellbar.773 Dies deutet – zumindest für die spätere Beziehung – auf eine durchaus vorhandene emotionale Dimension dieser Ehe.

773 Siehe auch den Abschnitt „Freundschaft und Privatleben“.

6. Kontakte durch Karriere 1830–1839 „Vergessen Sie dabei nicht, dass Ihnen die Bolivianer und noch mehr das Vaterland immer beistehen werden.“774 Innenminister Torrico an Braun (Dezember 1837)

Dieses Kapitel schildert Otto Philipp Brauns Karriere in den 1830er Jahren unter dem bolivianischen Präsidenten Andrés de Santa Cruz.775 Um die Bedeutung seiner späteren Ämter für Brauns Karriere und seine politische Rolle im Machtgeflecht der Region besser zu verstehen, wird im ersten Teil des Kapitels der politische und militärische Kontext jener Zeit skizziert. Im zweiten Teil des Kapitels werden Brauns berufliche Stationen und seine politische Bedeutung in dieser ereignisreichen und manchmal chaotischen Zeit rekonstruiert. Zuerst wird der konkrete Inhalt seiner Tätigkeiten nachgezeichnet, um einen Eindruck von Brauns politischem Gewicht, aber auch von seiner Lebensrealität zu geben. Es soll deutlich werden, dass Braun nach seiner Anwerbung als militärischer Experte zielstrebig den Weg in das politische Machtzentrum Boliviens weiterging, bis er als Regierungsmitglied selbst oberste Exekutivgewalt ausübte. Danach wird das Hauptaugenmerk auf Brauns immer engmaschiger werdendes administratives und persönlich-politisches Netzwerk gelegt. Hierfür wird im Zuge der Rekonstruktion von Brauns Karriere unter Santa Cruz immer wieder in Einschüben auf einzelne Netzwerkpartner Brauns sowie auf die Entstehung, den Verlauf und die Bedeutung seiner Beziehung zu diesen eingegangen. Sie sind besonders für Brauns transatlantisches Agieren nach 1839 relevant, da sich ein großer Teil der später wichtigen Interaktionspartner Brauns aus dem während der Administration Santa Cruz geknüpften Netzwerk rekrutierte. Dies soll anhand einiger Beziehungen beispielhaft gezeigt werden. Aus diesem Grund konzentriert sich dieses Kapitel bei der Analyse von Brauns Netzwerk auch auf die für Brauns spätere Rolle als transatlantischer Politiker relevanten Inter­aktionsund Kommunikationspartner.776 Brauns Netzwerk bestand vor allem aus Mitstreitern von Santa Cruz, wie etwa den eigens für den Regierungsapparat angeworbenen administrativen und militärischen Experten aus südamerikanischen Nachbarländern und aus Europa. Hierzu zählten der Brite William Miller, der Ire Francisco Burdett 774 28.12.1837 La Paz. Torrico an Braun in: Archiv Braun, Bd. 491. 775 Dabei wird auf einen Verweis auf bisherige Arbeiten über Otto Philipp Braun verzichtet, da deren Angaben sich oftmals als unzuverlässig erwiesen. Aus diesem Grund zieht der Autor eine intensive Auseinandersetzung mit den Quellen vor. 776 Andere – vor allem administrative – Kontakte, Verbindungen und Interaktionen wurden an dieser Stelle nicht näher rekonstruiert. Sie sind weiteren Arbeiten vorbehalten.

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O’Connor, der Spanier José Passamán, der Chilene Ramón Herrera, der Kolumbianer Juan García del Río sowie der Spanier José Joaquín de Mora. Neben diesen ausländischen Akteuren pflegte Otto Philipp Braun intensive Beziehungen zu bolivianischen Militärs und Politikern, aber auch zu Akteuren aus Peru, Chile, Argentinien, Ecuador und Kolumbien. Als Beispiele seien genannt: die bolivianischen Präsidenten Andrés de Santa Cruz, José Miguel de Velasco, José Ballivián, Sebastián Ágreda und Manuel Isidoro Belzu, der bolivianische Vizepräsident Mariano Enrique Calvo, der ecuadorianische Präsident Juan José Flores, die kolumbianischen Präsidenten Tomás Cipriano Mosquera und José del Carmen Triunfo, die peruanischen Präsidenten Luis José de Orbegoso und Agustín Gamarra, die bolivianischen Politiker Manuel Buitrago und Francisco de Paula Belzu, der argentinische Politiker Elías Bedoya und der chilenische ­Politiker Benjamín Viel. Diese hochkarätigen, viele Jahre zuvor geknüpften Kontakte waren für Brauns Überleben und transatlantisches Agieren nach seinem Sturz im Februar 1839 entscheidend.

6.1 Die Administration Santa Cruz und die peruanischbolivianische Konföderation Otto Philipp Braun hatte Bolivien Mitte des Jahres 1828 als General der kolumbianischen Expeditionsarmee nach der siegreichen peruanischen Invasion unter Agustín Gamarra unfreiwillig verlassen müssen. Noch während der letzten Tage seines dortigen Aufenthaltes hatte der bolivianische Kongress die Weichen für die Zeit nach der Administration Sucre gestellt und am 12. August 1828 den Marschall von Zepita, Andrés de Santa Cruz, zum Präsidenten der Republik gewählt. Nach einer turbulenten Interimszeit erreichte Santa Cruz am 19. Mai 1829 La Paz. Dort hießen ihn die Bevölkerung und die Honoratioren der Stadt willkommen. Zu dieser Zeit sahen die militärische und politische Elite des Landes sowie viele Bürger in Santa Cruz die einzige Person, die in der Lage wäre, die anarchischen Zustände und immensen Probleme Boliviens zu lösen. Diese Hoffnungen waren nicht unbegründet. Andrés de Santa Cruz war ein äußerst talentierter Administrator. Ihm gelang es nicht nur, das krisengeschüttelte Land temporär zu stabilisieren, sondern eine Epoche politischer Stabilität, relativer ökonomischer Erholung und außen­ politischer Bedeutung einzuläuten. Nach der Amtseinführung am 24. Mai 1829 in La Paz gelang es Santa Cruz innerhalb kürzester Zeit, die aktive Unterstützung der staatlichen Verwaltung, der Justiz, der katholischen Kirche und der Armee zu gewinnen.777 777 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 21ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 34ff. Gisbert, La Independencia 1800–1828, 2003, S. 359f. Klein,

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Santa Cruz scheute dabei nicht vor tief greifenden Reformen zurück. Er modernisierte die bolivianische Armee und baute sie zu einer disziplinierten und schlagkräftigen Truppe aus. Santa Cruz reformierte auch die staatliche Verwaltung und bekämpfte die grassierende Korruption.778 Darüber hinaus gelang es ihm, das chronische Haushaltsdefizit einzudämmen und die Staatsschulden deutlich herunterzufahren. Die Armee verschlang nur noch 39,5 % des Haushalts. Dies war für die Republiken Südamerikas in jener Zeit ein relativ geringer Anteil. Ein weiteres wichtiges Anliegen von Santa Cruz war die Wiederbelebung der Wirtschaft. Er versuchte, die Bergbauindustrie wieder in Gang zu bringen. Ferner baute er, um vom Transit der Importe über peruanisches Territorium unabhängiger zu sein, das Dorf Cobija zu einem maritimen Logistikknotenpunkt aus. Damit ging eine protektionistisch orientierte Reformierung des Zollsystems einher.779 Im Jahre 1831 ließ Santa Cruz eine neue Verfassung verabschieden. Diese hob vor allem einige von Bolívar und Sucre vorangetriebene, aber von vielen Bolivianern abgelehnte Strukturen auf – wie die lebenslange Präsidentschaft. Drei Jahre später wurde eine überarbeitete Fassung verabschiedet. Eine von den Zeitgenossen auch über Südamerika hinaus beachtete Leistung der Regierung Santa-Cruz war die tief greifende Umgestaltung des noch aus spanischen ­Kolonialgesetzen bestehenden bolivianischen Rechtssystems. Santa Cruz führte ein modernes, am französischen Liberalismus orientiertes Strafgesetzbuch, ein Bürgerliches Gesetzbuch und ein Handelsgesetzbuch ein. Als ebenfalls wichtige Maßnahme muss die Reformierung des Bildungssystems genannt werden. Santa Cruz eröffnete eine Reihe höherer Schulen. Er schuf darüber hinaus die Universitäten von La Paz und Cochabamba. Auch ließ er in La Paz eine Medizin- und eine Armee-Hochschule errichten. Ein Hauptgrund für die erfolgreiche Umsetzung dieser Reformen war das Talent des Präsidenten, sich mit den fähigsten Experten seiner Zeit zu umgeben und die politisch einflussreichsten Akteure – beispielsweise durch umfangreiche Amnestieerlasse – in seine Administration zu integrieren. Dies gilt nicht nur für loyale Militärs und begabte Administratoren aus dem Ausland, sondern von 1829 bis 1835 vor allem auch für bolivianische A Concise History of Bolivia, 2003, S. 110ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 373ff. O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 274ff. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 36ff. Pérez del Castillo, Bolivia entre la presidencia de Bolivar y la muerte de Gamarra, 1992, S. 44ff. 778 Der Santa Cruz nicht immer zugeneigte Zeitzeuge Francisco Burdett O’Connor betonte stets, dass Santa Cruz hier mit gutem Beispiel voranging und nicht korrupt war: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 200. Beispielsweise verweigerte Santa Cruz die Annahme großer Geldsummen, die ihm der Kongress von Huaura im August 1836 schenken wollte, und akzeptierte lediglich nicht-materielle Ehrerbietungen: Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 128. 779 So erfolgreich diese Maßnahmen auch waren, mit der Einführung eines minderwertigen Pesos schadete Santa Cruz der bolivianischen Wirtschaft nachhaltig.

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Akteure, wie José María de Lara, Mariano Enrique Calvo, José Ballivián, José Miguel de Velasco oder Casimiro Olañeta. Auf diese Weise stabilisierte er seine Regierung entscheidend. Nach drei Jahren war die Reorganisation des Staates, der Armee, des Rechtswesens und der Gesellschaft nahezu abgeschlossen. Dabei war es Santa Cruz und seinen Mitstreitern gelungen, einen Großteil der Opposition durch ihre unbestreitbaren Erfolge zu integrieren. Daher kam es bis Anfang 1839 zu keinen die politische Administration ernsthaft gefährdenden Aufstands- oder Putschversuchen.780 Die Leistungen von Santa Cruz bei der Stabilisierung und Modernisierung Boliviens erkannten auch ausländische Regierungen an. Unmittelbare Nachbarländer sahen die Konsolidierung Boliviens jedoch auch als Bedrohung an. Vor allem die seit der Invasion von 1828 schwelenden Spannungen mit Peru nahmen nicht ab. Vor dem Hintergrund der persönlichen Rivalität zwischen Agustín Gamarra und Andrés de Santa Cruz gewannen sie sogar an Dynamik und Schärfe.781 Beide Präsidenten strebten eine Vereinigung beider Länder unter jeweils eigener Vorherrschaft an. Auch erreichten Santa Cruz mehrfach Rufe, mit einer bolivianischen Armee in Peru einzumarschieren und das dort herrschende innenpolitische Chaos zu ordnen. Er wartete jedoch auf einen geeigneten Zeitpunkt und widmete sich zuerst der Konsolidierung Boliviens. Letztlich war von Beginn der Präsidentschaft von Santa Cruz an das peruanisch-bolivianische Verhältnis angespannt – Einmischungen in die inneren Angelegenheiten des jeweils anderen inklusive. Diplomatische Bemühungen unter der Leitung von Casimiro Olañeta, auch unter Vermittlung dritter Regierungen, strittige Grenzfragen und Zollprobleme zu lösen, machten nur äußerst langsam Fortschritte. Anfang 1831 verhinderte nur die Verweigerung des peruanischen Kongresses, 780 Abecia Baldivieso, La obra legislativa del Mariscal Santa Cruz, 1976, S. 77ff. Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 25ff. Fajardo Sainz, Andrés de Santa Cruz, 2003, S. 95ff. Flores, Administración interna del Gobierno del Mariscal Andrés Santa Cruz, 1976, S. 103ff. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 79ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 110ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 373ff. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 46ff. Santa Cruz Schuhkrafft, Don Andrés Santa Cruz, Bd.1, 1976, S. 15ff. 781 Beide Kontrahenten kannten sich seit Schultagen und hatten eine lange Freundschaft und, während des Unabhängigkeitskrieges in Peru, auch Kameradschaft gepflegt. Später hatte sich jedoch eine tief greifende persönliche und politische Gegnerschaft entwickelt: Aljovín de Losada, La Confederación Perú-Boliviana, 2001, S. 69. Cusicanqui, Historia diplomática de Bolivia, 1982, S. 248f. Fajardo Sainz, Andrés de Santa Cruz, 2003, S. 109ff. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 74. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 110. O’Phelan Godoy, Santa Cruz y Gamarra, 2009, S. 24ff. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 52. Sobrevilla Perea, Andrés de Santa Cruz, 2011, S. 17, 137. Zapata Velasco, La política peruana y la Convederación Perú Boliviana, 2009, S. 100ff.

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General Gamarra umfassende Vollmachten zu erteilen, einen Krieg zwischen beiden Ländern. Zwar gelang es danach, einen Handels- und einen Friedensvertrag zu vereinbaren, letztlich nahmen die Spannungen – gerade wegen schwieriger und teilweise gescheiterter Ratifizierungsprozesse – aber nicht ab. Sowohl Gamarra als auch Santa Cruz spielten auf Zeit und versuchten, die Regierung des jeweiligen Kontrahenten mit Konspirationen und Propaganda zu destabilisieren. Der US-amerikanische Historiker Philipp T. Parkerson bezeichnete diesen gespannten Schwebezustand als „Kalten Krieg im Andenraum“782. Erst mit der Ablösung des als konservativ wahrgenommenen Agustín Gamarra im Amt des peruanischen Präsidenten durch den von liberalen Kräften unterstützten Luis Orbegoso im Dezember 1833 schien sich die Lage zwischen den beiden Ländern wieder zu beruhigen. Der Ausbruch des Bürgerkrieges zwischen konservativ orientierten Anhängern Gamarras und Liberalen wenig später machte die Hoffnung auf Frieden und Stabilität in der Region jedoch alsbald wieder zunichte. Schon im Januar 1834 baten einige Akteure des peruanischen Bürgerkriegs den bolivianischen Präsidenten Santa Cruz, in den Konflikt einzugreifen. Obwohl Santa Cruz nach wie vor eine Vereinigung von Peru und Bolivien – wenn auch auf politischem Wege – verfolgte, zögerte er. Im April 1834 schuf der peruanische Kongress die erste völkerrechtliche Grundlage für sein Eingreifen, indem er die Exekutive ermächtigte, Bolivien um militärische Hilfe zu bitten. Die Niederlage der Rebellen wenig später machte dies jedoch gegenstandslos. Der geschlagene Agustín Gamarra erhielt bei seinen Widersachern in Bolivien – maßgeblich befürwortet von Otto Philipp Braun – politisches Asyl, während Luis Orbegoso als legitimer Präsident in Lima einzog. Dieser war jedoch nicht in der Lage, die politische Situation entscheidend zu stabilisieren – zumal sowohl Gamarra als auch Santa Cruz von Bolivien aus gegen seine Regierung konspirierten. Ende Februar 1835 erhob sich General Felipe Santiago Salaverry in der strategisch wichtigen Festung Callao und ließ sich zum Präsidenten ausrufen. Sehr schnell gelang es ihm, mit seinen Truppen Kontrolle über große Teile des Landes zu gewinnen. Der verfassungsmäßige Präsident Orbegoso musste sich ins südperuanische Gebiet um Puno und Arequipa zurückziehen. Dabei verlor er durch Desertion und Meuterei nahezu seine gesamten militärischen Kräfte. Der Sieg Salaverrys schien nun nur noch eine Frage der Zeit. In dieser Situation ließ Santa Cruz den in Bolivien halb exilierten, halb gefangenen Gamarra nach Peru ausreisen, womit er das dortige Chaos noch vergrößerte.783 782 Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 73. 783 Basadre, Reconsideraciones, 1977, S. 93ff. 99f. Basadre y Chocano, Diez años, 1953, S.21ff. Cusicanqui, Historia diplomática de Bolivia, 1982, S. 237ff. Delaney, General Miller and the Confederación Perú-Boliviana, 1962, S. 215ff. Finot, Política Internacional del Mariscal Andrés de Santa Cruz, 1976, S. 316ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 114ff. Mesa /Mesa Gisbert, La República 1829–1880,

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Präsident Orbegoso richtete angesichts seiner Ohnmacht und scheinbar sicheren Niederlage ein vom peruanischen Kongress unterstütztes Hilfegesuch an seinen bolivianischen Amtskollegen. Nach kurzem Zögern schlossen Santa Cruz und Orbegoso einen Pakt. Allerdings beinhaltete dieser lediglich die Entsendung eines bolivianischen Expeditionskorps zur Beendigung des peruanischen Bürgerkrieges. Die Vereinbarung erwähnte keine weiter gehenden politischen Projekte, wie etwa eine Vereinigung beider Länder – auch wenn hierfür hinter den Kulissen schon die Entscheidung gefallen war. Am 16. Juni 1835 überschritten die ersten Einheiten der bolivianischen Armee den Grenzfluss Desaguadero. Santa Cruz und sein Generalstab erreichten am 28. Juni die peruanische Stadt Puno. Bei einem Treffen der beiden Präsidenten übergab Orbegoso alle Macht der peruanischen Exekutive dem bolivianischen Oberbefehlshaber. In der Zwischenzeit hatte sich Gamarra, der eigentlich Santa Cruz bei seiner Ausreise aus Bolivien versprochen hatte, ihn zu unterstützen, mit Salaverry darauf geeinigt, gemeinsam mit diesem Orbegoso und Santa Cruz zu bekämpfen – und Santa Cruz somit verraten. Am 13. August 1835 kam es bei Yanacocha zu einem Zusammentreffen der Armeen von Santa Cruz und Gamarra. Nach zwei Stunden blutigen Kampfes floh Gamarra und begab sich nach Costa Rica ins Exil – vorläufig. Damit war der erste Kontrahent besiegt. General Salaverry hatte mittlerweile den seit den Tagen des Unabhängigkeitskrieges nicht mehr geführten „Guerra a Muerte“ erklärt und damit den Konflikt radikalisiert. Salaverry erlangte aber weder von Nachbarstaaten noch von der von seiner Kriegsführung abgeschreckten Bevölkerung nennenswerte Unterstützung. Am 7. Februar 1836 kam es dann bei Socabaya zwischen Salaverry und den vereinten Kräften von Santa Cruz und Orbegoso zur Entscheidungsschlacht. Dabei ging die peruanisch-bolivianische Armee mit dem Generalstabschef Otto Philipp Braun als Sieger hervor und nahm ihren Gegner gefangen. Aufgrund seines Verhaltens während des von ihm selbst ausgerufenen Guerra a Muerte, vor allem während der Plünderungen des von ihm zwischenzeitlich besetzten Arequipa, verurteilte ein peruanisches Militärgericht Salaverry zum Tode. Trotz einiger Gnadengesuche wurde das Urteil auf dem Hauptplatz Arequipas durch ein Erschießungskommando am 18. Februar 1836 vollstreckt. Einige andere Todesurteile wurden später in ­Exilaufenthalte umgewandelt.784 2003, S. 382ff. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 73ff. Zapata Velasco, La política peruana y la Confederación Perú Boliviana, 2009, S. 102ff. 784 Basadre y Chocano, Diez años, 1953. S. 21ff. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 289ff. Fajardo Sainz, Andrés de Santa Cruz, 2003, S. 115ff. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 77ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 114ff. Mesa /Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S.  382ff. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 92ff. Wilde Cavero, Historia Militar de Bolivia, 1963, S. 84ff.

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Die von Santa Cruz geführte Intervention in Peru hätte nicht erfolgreicher sein können. Seine Kontrahenten, wie Gamarra, hatten eine schwere Niederlage hinnehmen oder, wie Salaverry, sogar für den Aufstand mit dem Leben bezahlen müssen. Santa Cruz verfügte nun in Peru und Bolivien über große militärische und politische Macht – zumal selbst oppositionelle Kräfte in beiden Ländern von seinem militärischen Erfolg in Peru und seinen administrativen Leistungen in Bolivien beeindruckt waren. Santa Cruz nutzte die Situation, um die politischen Verhältnisse im andinen Raum neu zu ordnen. Dabei trieb er die Vereinigung von Peru und Bolivien in einer Föderation voran. Der Plan war nicht völlig aus der Luft gegriffen. Neben einer gemeinsamen präkolumbischen und kolonialen Vergangenheit verbanden enge ökonomische, kulturelle und familiäre Beziehungen das südliche Peru und Nordbolivien. In beiden Ländern forderten viele Unterstützer die Vereinigung. Es gab jedoch auch einige kritische Stimmen, wie die des bolivianischen Vizepräsidenten Mariano Enrique Calvo. Dieser befürchtete bei einer Konföderation mit Peru einen Bedeutungsverlust für Bolivien und bezeichnete die Konföderation als „nicht realisierbare Illusion“785. Auch Francisco Burdett O’Connor riet Santa Cruz von seinem großen Vorhaben ab und plädierte für die Aufnahme südperuanischer Provinzen in die bolivianische Republik. Denn um eine Konföderation nachhaltig zu regieren, benötige Santa Cruz mindestens 50 loyale Offiziere. Er verfüge aber – laut O’Connor – nur über drei: ihn selbst, Ramón Herrera und Otto Philipp Braun. Bei den anderen Akteuren könne er sich nicht sicher sein, ob sie ihn nicht als peruanischen oder bolivianischen Präsidenten ablösen wollten. Bei den drei genannten Ausländern sei dies ausgeschlossen.786 Andrés de Santa Cruz nahm diese kritischen Stimmen zwar zur Kenntnis, letztlich entschied er sich jedoch dafür, die von ihm seit Langem angestrebte peruanischbolivianische Konföderation zu verwirklichen. Hierfür kamen in Südperu (im März 1836 in Sicuani), in Nordperu (im August 1836 in Huaura) und in Bolivien (im Juni 1836 in Tapacarí) drei verschiedene Versammlungen zusammen. Am 28. Oktober 1836 rief Santa Cruz dann die aus den Teilrepubliken Nordperu, Südperu und Bolivien bestehende peruanisch-bolivianische Konföderation aus. Andrés de Santa Cruz wurde ihr „Protektor“ und Regierungschef, Luis Orbegoso Präsident von Nordperu und Ramón Herrera von Südperu. In Bolivien übte Mariano Enrique Calvo als Vizepräsident gemeinsam mit einem Ministerrat – zu dem Otto Philipp Braun zeitweilig gehörte – für den abwesenden bolivianischen Präsidenten Santa Cruz die Regierungsgewalt aus. Am 1. Mai 1837 verabschiedeten Abgeordnete aus den drei Teilstaaten den „Pakt von Tacna“, der als Verfassung

785 20.01.1836 La Paz, Calvo an Santa Cruz und 05.03.1836 La Paz, Calvo an Santa Cruz, in: Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 123. 786 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 274.

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der Konföderation dienen sollte.787 Nach seiner Veröffentlichung wuchs jedoch der Unmut in allen Teilen der Konföderation – vor allem in dem um seine Unabhängigkeit fürchtenden Bolivien. Selbst alte Freunde und loyale Unterstützer, wie der bolivianische Vizepräsident Mariano Enrique Calvo, Casimiro Olañeta und andere, signalisierten ihr Unbehagen. Darüber hinaus nutzten grundsätzliche Gegner von Santa Cruz den Pakt, um dessen Position zu schwächen. Santa Cruz musste um die Ratifizierung des Paktes in den einzelnen Parlamenten fürchten. Deswegen plante er, zum Kongress nach Chuquisaca zu reisen. Dort traf er jedoch nie ein. Denn bei seiner Ankunft in La Paz am 21. September 1837 hatte ihn die Nachricht erreicht, dass eine chilenische Expeditionsarmee Richtung peruanische Küste ausgelaufen war, um die Konföderation zu zerstören. Daher kehrte Santa Cruz, als Oberbefehlshaber der vereinigten peruanisch-bolivianischen Armee, zurück nach Peru. Währenddessen war es Kritikern des Paktes im bolivianischen Kongress gelungen, eine Diskussion und auch eine Abstimmung über die Vereinbarung auf die Tagesordnung zu setzen. Nach ersten Beratungen wurde klar, dass der Kongress dem Pakt in dieser Form niemals zustimmen und ihn nicht ratifizieren würde. Um in Anbetracht der militärischen Bedrohung ein innenpolitisches Erdbeben zu vermeiden, beschlossen die Abgeordneten, die Entscheidung über den Pakt zu vertagen. Der bolivianische Politiker Andrés María Torrico informierte Santa Cruz darüber, dass nur ein glorreicher militärischer Sieg über die chilenische Invasionsarmee die Abgeordneten von einer offenen Ablehnung des Paktes, was im Übrigen nicht gleichzusetzen sei mit einer Ablehnung der Konföderation, abbringen könne.788 Die großen europäischen Mächte Frankreich und Großbritannien sowie regionale Akteure wie die USA, Brasilien, Kolumbien, Mexiko und, nach einigem Zögern, auch Ecuador hatten die peruanisch-bolivianische Konföderation anerkannt und teilweise sogar Handels- und Freundschaftsverträge mit ihr geschlossen. Die zwei Nachbarländer Argentinien und vor allem Chile beäugten den neuen, sich am Pazifik erhebenden Koloss jedoch mit Sorge. Besonders die 787 Diese Verfassung wies erstaunlich viele Parallelen zu der von Simón Bolívar geplanten Konföderation der Anden auf: Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 136f. 788 Aljovín de Losada, La Confederación Perú-Boliviana, 2001, S. 65ff. Cusicanqui, La Confederación Perú-Boliviana, 1976, S. 183ff. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 76ff, 96ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 115ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 382ff. Navarro, Ensayo sobre la Confederación Perú-Boliviana, 1968, S. 53ff. Ochoa, La Confederación Perúboliviana, 1936, S. 62ff. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 117ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 132ff. Sobrevilla Perea, Andrés de Santa Cruz, 2011, S. 30ff. Zapata Velasco, La política peruana y la Confederación PerúBoliviana, 2009, S. 100ff. Für eine Zusammenfassung und Abwägung bisheriger ­Arbeiten sowie zu den Forschungsdiskussionen um die peruanisch-bolivianische Konföderation siehe: Basadre, Reconsideraciones, 1977, S. 94ff.

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chilenische Regierung befürchtete, dass eine konsolidierte peruanisch-bolivianische Konföderation die herausragende Stellung von Valparaíso als wichtigster Pazifikhafen streitig machen könnte. Diese Gefahr bestand durchaus. Andrés de Santa Cruz hatte schon mit dem Ausbau des Hafenstädtchens Cobija deutlich gemacht, dass er die Position Valparaísos anfechten würde. Hierfür verfügte er über ein mächtiges Instrument: Für jedes Schiff, das von Europa kommend vorher in Chile gelandet war, erhob er Strafzölle und begünstigte damit Direktimporte. Da für europäische Kaufleute der peruanische Markt viel wichtiger als der chilenische war, bedrohte diese Maßnahme die ökonomischen Interessen Chiles. Neben dieser handelspolitischen Herausforderung hatten sich mit der Gründung der Konföderation auch die machtpolitischen Verhältnisse in der Region erheblich verschoben. Peru versank inzwischen nicht mehr im innenpolitischen Chaos, und Bolivien gewann durch den Abbau von Handelshemmnissen und verbesserte Transportmöglichkeiten an strategischem Gewicht. Auch diese Entwicklung bestärkte die chilenische sowie die argentinische Regierung in ihrer Absicht, die peruanisch-bolivianische Konföderation noch vor ihrer Konsolidierung zu zerstören.789 Darüber hinaus verband Santa Cruz mit seinem argentinischen Amtskollegen Rosas eine persönliche Feindschaft. Auch hofften beide Regierungen, mit einem außenpolitischen Konflikt von innenpolitischen Problemen ablenken zu können. Zwar kam es im Vorfeld des Krieges zwischen Chile und der peruanisch-bolivianischen Konföderation mehrfach zu diplomatischen Verhandlungen, etwa durch Casimiro Olañeta. Die Entscheidung der chilenischen Regierung, noch vor einer inneren Konsolidierung des neuen Staates im Norden anzugreifen, stand jedoch schon lange fest. Der chilenische Kriegsminister Diego Portales schrieb im September 1836 an Manuel Blanco Encalada unmissverständlich: „Die Konföderation muss für immer vom amerikanischen Kontinent verschwinden.“790 Trotz diverser militärischer Vorfälle, etwa Überfällen der chilenischen Marine, führten beide Parteien diplomatische 789 Aljovín de Losada, La Confederación Perú-Boliviana, 2001, S. 72ff. Arancibia Clavel, El Ejército de los chilenos, 2007, S. 134ff. Cusicanqui, Historia diplomática de Bolivia, 1982, S. 244ff. Cusicanqui, La Confederación Perú-Boliviana, 1976, S. 203ff. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 318ff. Fajardo Sainz, Andrés de Santa Cruz, 2003, S. 137ff. Finot, Política Internacional del Mariscal Andrés de Santa Cruz, 1976, S. 305ff. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 82ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 115ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 384ff. Parkerson, Confederación PeruBoliviana, 1984, S. 159ff. Sobrevilla Perea, Andrés de Santa Cruz, 2011, S. 163ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 132ff. Wilde Cavero, Historia Militar de Bolivia, 1963, S. 94ff. Zapata Velasco, La política peruana y la Confederación PerúBoliviana, 2009, S. 100ff. Zauritz Sepúlveda, Ejército Restaurador, 2009, S. 266ff. 790 10.09.1836 Santiago de Chile, Diego Portales an Manuel Blanco Encalada, in: Cruz, Epistolario Portales, Bd. 3, 1938, S. 453.

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Verhandlungen. Andrés de Santa Cruz war daran gelegen, auf friedlichem Wege einen Konflikt zu verhindern, um seine Konföderation zu konsolidieren. Aus diesem Grunde schlug er beispielsweise ein Schiedsgericht südamerikanischer und europäischer Regierungen vor und war zu großen Zugeständnissen bereit. Die europäischen Mächte, allen voran Großbritannien, waren darauf bedacht, über ihre diplomatischen Vertreter einen Krieg zu verhindern, da dieser sich negativ auf die Tilgung der peruanischen Schulden und den transatlantischen Handel auswirken würde. In Südamerika versuchten vor allem Ecuador unter Vicente Rocafuerte und Juan José Flores sowie Kolumbien unter Francisco Paula de Santander, den Konflikt zu entschärfen. Beide Regierungen erklärten jedoch ihre Neutralität und gaben dem Werben der jeweiligen Diplomaten, wie etwa William Miller, Juan García del Río, oder Exilanten, wie Agustín Gamarra, nicht nach. Chile nutzte mehrere bilaterale Verhandlungen mit Santa Cruz, um für die Vorbereitung seines längst beschlossenen Feldzuges Zeit zu gewinnen. Chile entsandte im Vorfeld des Angriffs auf die peruanisch-bolivianische Konföderation eine diplomatische Mission nach Buenos Aires, um mit der argentinischen Regierung unter Juan Manuel de Rosas eine strategische Allianz zu bilden. Dabei spielten in Argentinien weniger handelspolitische Überlegungen, sondern vor allem machtpolitische Erwägungen eine Rolle. Vor allem wollte die argentinische Regierung die im Jahre 1826 der bolivianischen Republik beigetretene Provinz Tarija wieder in den argentinischen Staatsverband integrieren.791 Zwar scheiterten die Verhandlungen zwischen Chile und Argentinien an unterschiedlichen Vorstellungen über die Nachkriegsordnung, die parallelen Maßnahmen zum Angriff auf die Konföderation gingen jedoch mit großer Entschlossenheit weiter. Am 19. Mai 1837 erklärte Argentinien „der Regierung des Generals Santa Cruz“792 den Krieg. Schon im Februar 1837 hatte Santa Cruz alle Verbindungen zu Chile gekappt. Alles schien auf einen Krieg hinauszulaufen. Santa Cruz schöpfte nach dem von meuternden Soldaten begangenen Mord an Diego Portales, einem der vehementesten Verfechter eines Angriffes auf die Konföderation, Hoffnung auf Frieden. Doch obwohl dieser Vorfall deutlich machte, dass die Expedition der chilenischen Regierung weder im dortigen Bürgertum noch im Militär unumstritten war, lief im September 1837 eine Invasionsarmee von 2.700 Chilenen und 400 Peruanern aus Valparaíso aus.793 791 Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 200ff. 792 Ebd., S. 203. 19.05.1837 Buenos Aires. Kriegserklärung an die Regierung Santa Cruz, in: Centeno, Guerra entre Rosas y Santa Cruz, 1907, S. 299f. 793 Arancibia Clavel, El Ejército de los chilenos, 2007, S. 134ff. Best, Historia de las Guerras Argentinas, Bd. 2, 1960, S. 161ff. Cisneros, Historia general I/3, 1998, S. 199ff. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 308ff. Finot, Política Internacional del Mariscal Andrés de Santa Cruz, 1976, S. 321. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 69ff., 100ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003,

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Entgegen den Erwartungen von Santa Cruz landete die Expedition nicht in Nordperu, wo die Konföderation über die wenigsten Anhänger verfügte, sondern im Süden. Doch trotz der Beteuerungen der mitgereisten peruanischen Exilanten stießen sie im Raum Arequipa nicht auf Unterstützung, sondern auf offene Feindseligkeit. Fast zwei Drittel der Einwohner hatten die Stadt verlassen und nahezu alle Ressourcen der Region fortgeschafft. Die chilenische Expeditions­armee besaß zwar den strategischen Vorteil, sowohl Lima als auch La Paz bedrohen zu können, doch der Zustand der Armee hatte sich durch die Überfahrt, den Marsch und die nun ausbleibende Versorgung erheblich verschlechtert. Als Santa Cruz im November 1837 mit einer Armee von 4.200 gut ausgebildeten und disziplinierten Soldaten, 800 Kavalleristen und einer Artilleriebrigade auf den Höhen vor Arequipa erschien, war die Vernichtung der dezimierten und demoralisierten chilenischen Expedition sicher. Doch Santa Cruz suchte nicht die militärische Entscheidung, sondern zog – in der Tradition eines Antonio José de Sucre – einen Verhandlungsfrieden vor. Durch Groß­ zügigkeit und Entgegenkommen wollte er die chilenische Regierung von seinen friedfertigen Absichten überzeugen und klarstellen, dass er keine panamerikanischen Annexionspläne – was ihm Chile stets vorgeworfen hatte – verfolgte. Nach dem Abschluss des Friedens- und Freundschaftsvertrages von Paucarpata, der die Differenzen der beiden Staaten lösen sollte, ließ Santa Cruz den Gegner abziehen, versorgte ihn mit Ressourcen und erlaubte ihm sogar, auf geraubten peruanischen Schiffen in die Heimat zu segeln.794 Zwar hatte die argentinische Föderation unter der Führung des Gouverneurs von Buenos Aires und starken Mannes des Landes, Juan Manuel de Rosas, den Konflikt mit seinem nördlichen Nachbarn vorangetrieben, doch aufgrund innen- und außenpolitischer Herausforderungen mussten die nörd­ lichen Provinzen Argentiniens, Salta, Tucumán und Jujuy, den Konflikt mit nur eingeschränkter Unterstützung der Zentralregierung austragen. Der mit der S.115ff. Parkerson, Confederación Per-Boliviana, 1984, S. 159ff. Payró, De Solís a ­Rosas, 2006, S. 547ff. Pérez del Castillo, Bolivia entre la presidencia de Bolivar y la muerte de Gamarra, 1992, S. 265ff. Rosa, Historia Argentina, Bd. 4, 1970, S. 255ff. Sobrevilla Perea, Andrés de Santa Cruz, 2011, S. 163ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 136. Wilde Cavero, Historia Militar de Bolivia, 1963, S. 94ff. 794 Erst danach sollten sie wieder der peruanisch-bolivianischen Flotte übergeben werden. Siehe zum Gesamtkomplex: Arancibia Clavel, El Ejército de los chilenos, 2007, S. 134ff. Betancourt Castillo, La campaña de Arequipa, 2009, S. 329ff. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 318ff. Fajardo Sainz, Andrés de Santa Cruz, 2003, S. 143ff. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 92ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 115ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 384ff. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 199ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 135ff. Wilde Cavero, Historia Militar de Bolivia, 1963, S. 94ff. Zauritz Sepúlveda, Ejército Restaurador, 2009, S. 266ff.

Die Administration Santa Cruz



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Kriegsführung beauftragte Gouverneur der Provinz Tucumán, Alejandro Heredia, traf darüber hinaus mit seinen Mitstreitern, wie seinem Bruder Felipe Heredia, Gouverneur der Provinz Salta, und Pablo Alemán, Gouverneur der Provinz Jujuy, auf eine schwierige Situation. Denn in den nördlichen Provinzen Argentiniens gab es traditionell sehr starke kulturelle, ökonomische und verwandtschaftliche Verbindungen mit Bolivien und gleichzeitig eine starke Ablehnung der Administration von Rosas und seiner regionalen Statthalter. Andrés de Santa Cruz hatte seinen Vertrauten Otto Philipp Braun mit der Führung des Krieges gegen Argentinien beauftragt. Dieser verfolgte die Strategie, den Krieg von bolivianischem Boden fernzuhalten, indem er die gegen die Herrschaft von Heredia rebellierenden Landstriche auf deren Wunsch in die bolivianische Republik integrierte und unter seinen militärischen Schutz stellte. Mitte September 1837 kam es in der Schlacht von Santa Barbara und Humahuaca zum ersten Aufeinandertreffen bolivianischer und argentinischer Einheiten. Beide Seiten beanspruchten den Sieg für sich. Bis Anfang des Jahres 1838 kam es zu keinen weiteren nennenswerten militärischen Begegnungen. Braun besetzte dann in einer zweiten Offensive ohne größeren Widerstand Humahuaca. Nachdem die bolivianische Führung im Mai 1838 aufgrund fehlenden Widerstandes von dem erfolgreichen Ende des Krieges ausging und ihre Truppen zurückgezogen und teilweise demobilisiert hatte, griff am 11. Juni 1838 die argentinische Armee die bolivianische Festung bei Iruya an. Die zahlenmäßig weit unterlegene Besatzungsmannschaft vernichtete jedoch die argentinischen Angreifer. Währenddessen war eine zweite argentinische Armee bis nach Tarija vorgedrungen und zwang Braun dazu, in Gewaltmärschen den Gegner zu suchen und zu stellen. Am 24. Juni 1838 vernichtete Braun am Berg Montenegro auch diese argentinischen Einheiten. Damit hatte er die Gefahr an der Südfront der peruanisch-bolivianischen Konföderation gebannt.795 Aus Dank für diesen strategisch so wichtigen Sieg ernannte Andrés de Santa Cruz General Otto Philipp Braun zum Großmarschall von Montenegro. Damit ist Braun – bis heute – der einzige Großmarschall Boliviens und einzige ausländische Großmarschall Südamerikas.796 795 Best, Historia de las Guerras Argentinas, Bd. 2, 1960, S. 165ff. Cisneros, Historia general I/3, 1998, S. 239ff. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 279ff., 314. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 99ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 115ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829– 1880, 2003, S. 383f. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 239ff. Payró, De Solís a Rosas, 2006, S. 556ff. Rosa, Historia Argentina, Bd. 4, 1970, S. 259ff. 796 Je nach Ansicht werden auch Andrés de Santa Cruz, José Ballivián und Bernardino Bilbao Rioja als bolivianische Marschälle gezählt. Andrés de Santa Cruz erhielt den Marschallstab jedoch von der peruanischen Regierung während des Unabhängigkeitskrieges, Bernardino Bilbao Rioja und José Ballivián wurden post mortem zu Marschällen erhoben – Ballivián über 140 Jahre nach seinem Sieg von Ingavi. Ein-

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Kontakte durch Karriere 1830–1839

Santa Cruz ließ den Friedens- und Freundschaftsvertrag von Paucarpata am 17. November 1837 ratifizieren. Die chilenische Regierung lehnte die Ratifizierung des Vertrages jedoch kategorisch ab, nachdem sie vom erfolgreichen Abzug des Expeditionskorps erfahren hatte. Mehr noch: Sie bereitete umgehend einen zweiten Feldzug zur Zerschlagung der peruanisch-bolivianischen Konföderation vor.797 Neue, von Santa Cruz lancierte Friedensinitiativen oder von Großbritannien vorgeschlagene Vermittlungen scheiterten am unerschütterlichen Willen der chilenischen Regierung, den politisch-ökonomischen Konflikt militärisch zu lösen. Schon im Januar 1838 nahm die chilenische Marine die Kampfhandlungen wieder auf und griff die peruanische Restarmada an. Als Konsequenz erklärte Santa Cruz das Kriegsrecht und mobilisierte eine ansehnliche Armee von insgesamt 17.000 Soldaten – mehr als die Heere von Simón Bolívar und Antonio José de Sucre während des Unabhängigkeitskrieges in Peru und Bolivien. Er stationierte 7.000 Soldaten in Nordperu, 5.000 Soldaten in Südperu und 5.000 Soldaten in Südbolivien – Letztere unter dem Kommando von Otto Philipp Braun. Am 10. Juli 1838 lief die zweite chilenische Expeditionsarmee mit über 5.400 Soldaten Richtung Peru aus. Es waren wieder peruanische Exilanten an Bord, diesmal aber unter der Führung von Agustín Gamarra. Im Gegensatz zur ersten Expedition hatten sich die politischen Rahmenbedingungen für Santa Cruz erheblich verschlechtert. Vor allem aus Bolivien erreichten ihn beunruhigende Nachrichten über eine wachsende Opposition und sogar über kurz bevorstehende Putsche. Insgesamt blieben die politischen Strukturen der Konföderation in der Schwebe und der innenpolitische Konflikt ungelöst. Santa Cruz stieß jedoch nicht nur in Bolivien auf wachsenden Widerstand, sondern auch in Nordperu und in Teilen der südlichen Republik. Auch wenn es aufgrund der problematischen Quellensituation heute schwierig ist, die tatsächliche Stärke der Opposition einzuschätzen, trug die politische Arbeit peruanischer Exilanten offenbar langsam Früchte. Im Juli 1838 erklärten beispielsweise einige nordperuanische Städte ihre Unabhängigkeit von der Konföderation. Der einstige Alliierte, der Präsident der nordperuanischen Teilrepublik Luis Orbegoso, fiel in der Folge von Santa Cruz ab und stellte sich an die Spitze der Revolution. Mit einigen Einheiten übernahm er in Lima die Macht – wenige Tage, bevor die chilenische Expeditionsarmee die Stadt erreichen sollte. Der Abfall von Orbegoso überraschte Santa Cruz sichtlich. Immerhin blieb General Trinidad Morán loyal und rettete zwei der drei in Peru stationierten Divisionen. zige je zu Lebzeiten von einer legitimen bolivianischen Regierung zum Großmarschall ernannte Person ist Otto Philipp Braun. 797 Nicht ganz zu Unrecht kritisierten sowohl Zeitgenossen als auch Historiker das Agieren von Santa Cruz: Aljovín de Losada, La Confederación Perú-Boliviana, 2001, S. 77. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 233. Valdivia, Memorias, S. 184. Vargas, Historia del Perú Independiente, Bd. 8, S. 196.

Die Administration Santa Cruz



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Nachdem die chilenische Armee Anfang August 1838 in Peru gelandet war, standen sich somit drei Parteien gegenüber: erstens Orbegoso, der Santa Cruz zwar verdrängen, sich aber den Chilenen nicht unterordnen wollte, zweitens Santa Cruz mit loyalen Einheiten und drittens die Chilenen und die exilierten Peruaner. Am 21. August zogen chilenische Einheiten in Lima ein. Orbegoso verschanzte sich in der Festung von Callao. Eigentlich hatte Santa Cruz geplant, sich nach Südperu zurückzuziehen und sich die Kontrahenten im Norden gegenseitig bekämpfen zu lassen. Doch immer beunruhigendere Nachrichten aus seiner eigentlichen machtpolitischen Basis, Bolivien, drängten ihn dazu, in der Offensive die Entscheidung zu suchen und mit einem militärischen Sieg die Opposition zu neutralisieren. Dabei hatte Santa Cruz seine grundsätzliche politische Strategie geändert. Er zielte spätestens seit dem Abfall von Orbegoso nicht mehr auf die Aufrechterhaltung der peruanisch-bolivianischen Konföderation, sondern visierte die Integration südperuanischer Provinzen in Bolivien an. In letzten, allerdings gescheiterten diplomatischen Anläufen hatte er seinen Gegnern sogar die Auflösung der Konföderation und seinen Rückzug auf den Posten des bolivianischen Präsidenten angeboten. Da vor dem Hintergrund der immer lauter werdenden Warnungen vor Putschversuchen in Bolivien aber selbst dieser Minimalplan gefährdet schien, versuchte Santa Cruz mit einer schnell durchgeführten Offensive, eine rasche Entscheidung zu erzwingen – auch wenn es strategisch sinnvoller erschien, die Expeditionsarmee und ihre Helfer ins südliche Peru zu locken und dort zu stellen. Santa Cruz setzte alles auf eine Karte als er nach Norden marschierte. Dort eroberte er am 10. November 1838 Lima, wo er euphorisch empfangen wurde.798 Auch wenn die folgenden Ereignisse vor allem im nächsten Kapitel detailliert geschildert werden, ist es zur Einschätzung einzelner Entwicklungen und Akteure schon jetzt wichtig, zu wissen, dass es am 20. Januar 1839 bei Yungay zur entscheidenden Schlacht kam. Nach verlustreichem Kampf verlor die numerisch, technisch und disziplinarisch eigentlich überlegene bolivianisch-peruanische Armee überraschend gegen die chilenische Expeditionsarmee und ihre peruanischen Verbündeten. Santa Cruz musste vom Schlachtfeld fliehen. Einerseits wird der schlechten strategischen Planung die Schuld für das Desaster gegeben. Andererseits gab es Stimmen, 798 Arancibia Clavel, El Ejército de los chilenos, 2007, S. 134ff. Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 26ff. Basadre, Reconsiceraciónes, 1977, S. 99ff. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 327ff. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 95ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 115ff. Mesa/ Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 382ff. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 253ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 137. Sobrevilla Perea, Andrés de Santa Cruz, 2011, S. 163ff. Wilde Cavero, Historia Militar de Bolivia, 1963, S. 99ff. Zapata Velasco, La política peruana y la Confederación Perú-Boliviana, 2009, S. 114ff. Zauritz Sepúlveda, Ejército Restaurador, 2009, S. 266ff.

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Kontakte durch Karriere 1830–1839

die behaupteten, der ambitionierte bolivianische Offizier José Ballivián hätte in einer Verschwörung wichtige Militärs dazu bewegt, die Schlacht absichtlich zu verlieren, um selbst Präsident zu werden.799 Die Niederlage und eine in Bolivien und Südperu ausbrechende Revolution bedeuteten den Untergang der Administration Santa Cruz. Der Protektor floh nach Ecuador. Braun, als loyaler Unterstützer von Santa Cruz, wurde bei einem Attentat verletzt, verhaftet, seiner Ämter enthoben und des Landes verwiesen. Im Februar 1839 endete somit auch ein wichtiger Abschnitt im Leben Otto Philipp Brauns.800

6.2 Brauns Karriere und Netzwerk unter Santa Cruz 1830–1839 Nach der ausführlichen Beschreibung des historischen Hintergrundes stehen nun Otto Philipp Brauns Karriere unter Andrés de Santa Cruz und sein während dieser Zeit geknüpftes Netzwerk im Fokus. Santa Cruz hatte den erfahrenen Offizier und loyalen Funktionär Otto Philipp Braun nach zähen Verhandlungen im Jahre 1830 angeworben.801 Am 12. Oktober 1830 informierte der bolivianische Vizepräsident José Miguel de Velasco den gerade in La Paz angekommenen Braun, dass er, Velasco, vom Präsidenten beauftragt worden sei, ihn, Braun, dazu zu beglückwünschen, dass er als Brigadegeneral der Republik Bolivien in Dienst gestellt worden sei.802 Wenig später verkündete die Zeitung „El Boliviano“ den Eintritt Brauns in den Dienst der bolivianischen Nation.803

799 Arancibia Clavel, El Ejército de los chilenos, 2007, S. 134ff. Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 26ff. Basadre, Reconsideraciones, 1977, S. 99ff. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 327ff. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 95ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 115ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 382ff. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 253ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 137. Sobrevilla Perea, Andrés de Santa Cruz, 2011, S. 163ff. Wilde Cavero, Historia Militar de Bolivia, 1963, S. 99ff. Zapata Velasco, La política peruana y la Confederación PerúBoliviana, 2009, S. 114ff. Zauritz Sepúlveda, Ejército Restaurador, 2009, S. 266ff. 800 Wie die peruanisch-bolivianische Konföderation daraufhin zusammenbrach, schildert Kapitel 7.1: „Der Zusammenbruch der Administration Santa Cruz im Februar 1839“. 801 Siehe hierfür auch den Abschnitt „Santa Cruz, Calvo und Braun: Ein schwieriger Start 1830–1832“. 802 12.10.1830 Nr. 206. Velasco an Braun, in: Jenerales Jefes y Oficiales del Ejercito 1830. Vicepresidente de la Republica, in: ANB, MG (1830), Nr. 20, Bd. 2 AA. 803 Dies geht hervor aus: 27.10.1830 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 116.

Brauns Karriere und Netzwerk



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General in La Paz und Cochabamba 1830–1832 Brauns erste Aufgabe war es, von La Paz aus als Brigadegeneral die erste Division der bolivianischen Kavallerie zu kommandieren.804 Zu Beginn seiner Tätigkeit widmete Braun sich vor allem alltäglichen Dingen, wie dem Training und der Ausrüstung der Soldaten und Pferde, der Inspektion von Truppenteilen, Disziplinarverfahren, der Verlegung einzelner Schwadronen und der Umsetzung von Befehlen des Kriegsministers, des Generalstabs oder des Präsidenten.805 Ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld war die Verwaltung, Kontrolle und Rechenschaftslegung über die Finanzen seiner Division und der untergeordneten Einheiten.806 Ein Blick auf das administrative Netzwerk Otto Philipp Brauns verrät, dass er von Beginn seines Dienstes an schon allein aus beruflichen Gründen mit den wichtigsten politischen Akteuren Boliviens interagierte. Hierzu gehörte insbesondere der Vizepräsident, gleichzeitig Chef des Generalstabes und Kriegsminister, José Miguel de Velasco, mit dem er fast wöchentlich korrespondierte.807 Zu den Kommunikationspartnern zählte ferner auch der stellvertretende Chef des Generalstabes, Francisco Burdett O’Connor.808 804 Siehe hierzu die Ausgangsabschriften des Kriegsministers ab Dezember 1830: El. S. Estado con Comunicaciones con los SS Comandantes Jenerales del División Año 1830, in: ANB, MG (1830), Nr. 22, Bd. 2 AA. 805 Für seine Arbeit standen Braun – neben diversen Offizieren – ein Adjutant und drei persönliche Diener zur Seite. Dies geht aus den regelmäßigen Aufstellungen des Haushaltes der Division hervor. Siehe beispielsweise: 10.01.1831 La Paz. Finanzhaushalt, unterzeichnet von Juan Jose Chirveches/Braun/Jose Felipe Alvarez, in: ANB, MG (1831), Nr. 35, Bd. 44. 806 Siehe die Abschriften der Ausgänge des Kriegsministeriums an die Kommandanten und Generäle der bolivianischen Armee, darunter auch an Otto Philipp Braun als Kommandeur der ersten Kavalleriedivision. Auf Einzelnachweise wird aus Platzgründen verzichtet. Siehe hierfür die Quellenbestände: El. S. Estado con Comunicaciones con los SS Comandantes Jenerales del División Año 1830, in: ANB, MG (1830), Nr. 22, Bd. 2 AA, ANB, MG (1831), Nr. 35, Bd. 44, ANB, MG (1831), Nr. 17, Bd. 40, ANB, MH (1831), Bd. 24 Nr. 3b, ANB, MG (1831–1835) Bd. 286 Nr. 7, ANB, MG (1831), Nr. 2, Bd. 38, ANB, MH (1831) Bd. 31 Nr. 17, ANB, MG (1831–1832), Copicador Nr. 9, Bd. 3. 807 Nachdem Armaza im Mai 1831 als Kriegsminister abgesetzt worden war, übernahm José Miguel de Velasco auch diesen Posten, was die Kommunikation mit Braun nochmals intensivierte: Mesa Gisbert, Presidentes de Bolivia, 1990, S. 138, 232. 808 31.01.1831. Nr. 50. Kriegsminister an Braun, in: ANB MG AA No 22 T 2. 12.02.1831 Nr. 67. Kriegsminister an Braun, in: Ebd. 24.02.1831 Nr. 179. Kriegsminister an Braun, in: Ebd. 17.03.1831 Nr. 205. Kriegsminister an Braun, in: Ebd. 26.05.1831 Nr. 141. Kriegsminister an Braun, in: Ebd. 04.06.1831 Nr. 144. Kriegsminister an Braun, in: Ebd. 11.06.1831 Nr. 152. Kriegsminister an Braun, in: Ebd. 15.06.1831 Nr. 152. Kriegsminister an Braun, in: Ebd.18.06.1831 Nr. 67. Kriegs-

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Kontakte durch Karriere 1830–1839

Santa Cruz, Calvo und Braun: Ein schwieriger Start 1830–1832 Bisherige Arbeiten behaupteten immer wieder, dass Otto Philipp Braun einer der zentralen Mitstreiter und politischen Vertrauten von Andrés de Santa Cruz war.809 Das ist nur teilweise richtig. Es muss betont werden, dass Braun und Santa Cruz nicht von Beginn ihrer Zusammenarbeit an eine persönliche oder vertrauensvolle Beziehung pflegten. Neben der problematischen Anwerbung Brauns und dessen langem Zögern begann die Zusammenarbeit mit einem heftigen Streit über einzelne Vertragsbedingungen. Braun war davon ausgegangen, dass die Administration von Santa Cruz auch Brauns vor 1828 für die Republik Bolivien geleisteten Dienste anerkennen und anrechnen würde. Das tat sie aber nicht. Die Auseinandersetzung eskalierte kurz nach Brauns Eintreffen in La Paz dermaßen, dass dieser umgehend den Dienst quittierte und seine Abreise nach Kolumbien vorbereitete. Dies akzeptierte aber weder Präsident Santa Cruz noch Innenminister Calvo. Letztlich gab Braun nach und akzeptierte die Vertragsbedingungen der Regierung.810 Über diesen Streit hinaus machte Braun in den ersten Monaten seiner Tätigkeit wohl auch als Offizier keine besonders gute Figur. Präsident Santa Cruz, der Braun noch vom peruanischen Unabhängigkeitskrieg Anfang der 1820er Jahre her kannte, hatte im Januar 1831 beispielsweise die unter dem Befehl Brauns stehenden Lanzenreiter in ihrem Quartier besucht. Dabei hatte dem Präsidenten deren Zustand missfallen. Dies ließ er anschließend über den Kriegsminister dem Kommandeur Braun auch mitteilen.811 Ganz unabhängig von diesem Vorfall ermahnte ihn der Kriegsminister, seine Administration besser zu führen.812 Braun gab diese Anweisungen schnell an seine Untergebenen weiter und intensivierte seine Ausbildungsbemühungen, sodass Beschwerden des Präsidenten über Brauns Division bald der Vergangenheit angehörten. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass diese Auseinandersetzungen und Ermahnungen auf alles andere als eine enge und vertrauensvolle Beziehung zwischen Braun und Andrés de Santa Cruz hindeuten. Dementsprechend kann auch nicht davon gesprochen werden, dass Braun von Beginn an ein enger Vertrauter von Santa Cruz war. Dies erklärt auch, warum im ersten Jahr von Brauns Tätigkeit in Bolivien nur wenig direkte Korrespondenz zwischen

809 810

811 812

minister an Braun, in: Ebd. 21.06.1831 Nr. 153. Kriegsminister an Braun, in: Ebd. 11.11.1831 Braun an Kriegsminister, in: Archiv Braun T814 (AA). Dies gilt vor allem für die deutschen Arbeiten, wie: Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939, S. 24. Martin, Der unbesiegte Soldat, 1942, S. 34. 27.10.1830 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 116. 27.10.1830 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 117. 27.10.1830 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 2, 1981, S. 265f.12.11.1830 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 119. 31.01.1831. Nr. 50. Kriegsminister an Braun, in: ANB, MG AA Nr. 22, Bd. 2. 24.02.1831 Nr. 179. Kriegsminister an Braun, in: Ebd.

Brauns Karriere und Netzwerk



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beiden greifbar ist. Santa Cruz leitete lediglich einige Informationen an Braun weiter oder Braun vermittelte Santa Cruz den Kontakt zu seinem Freund, dem ecuadorianischen Präsidenten Juan José Flores.813 Erst Ende des Jahres 1831 ist eine immer privatere und vertrauensvollere Kommunikation zwischen beiden feststellbar. Vor allem der schlechte Gesundheitszustand von Brauns Frau Justa Germana Braun fungierte als eine Art Beziehungskatalysator, da der Präsident großen Anteil daran nahm und medizinische Hilfe organisierte.814 Auch berichtete Santa Cruz Braun vom Tod seiner Mutter.815 In dieser Zeit schlug diese private Annäherung auch in politisches Vertrauen um. Denn Santa Cruz bat um Brauns Meinung hinsichtlich der Loyalität diverser bolivianischer Militärs.816 Von 1832 an bezog Santa Cruz Braun immer mehr in politische und militärstrategische Überlegungen ein. Ab der zweiten Jahreshälfte tauschten sich Braun und Santa Cruz dann fast wöchentlich in Briefen über die politische Lage, militärische Alltagsdinge oder andere Akteure aus.817 Aus diesem Grund kann die Jahresmitte 1832 als Wendepunkt in der Beziehung zwischen Braun und Santa Cruz bezeichnet werden. Ab diesem Zeitpunkt intensivierte sich das private und ­politische Verhältnis zusehends.

Außenpolitisches Netzwerk nach Kolumbien und Ecuador Brauns Tätigkeit beschränkte sich jedoch nicht nur auf seine neue Funktion als General der ersten bolivianischen Kavalleriedivision, sondern als ehemaliger großkolumbianischer Offizier diente er auch kolumbianischen und ecuadorianischen Politikern als inoffizieller Ansprechpartner. Kolumbien und Ecuador erwarteten von Bolivien die Erstattung erheblicher Kosten, die ihnen das 813 04.04.1831 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 125. 29.09.1831 Cochabamba. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun Bd. 132. 19.10.1831 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 135. 814 Santa Cruz kümmerte sich lange Zeit um die Gesundheit von Brauns Frau: 19.10.1831 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 135. 04.01.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 142. 19.01.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 145. 19.02.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 148. 04.03.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 149. 14.03.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 150. 19.03.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 151. 815 19.02.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 148. 816 04.12.1831 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 139. 817 Aus Platzgründen wird im Folgenden nicht mehr auf jeden einzelnen zwischen Braun und Santa Cruz ausgetauschten Brief verwiesen. Maßgeblich für deren Beziehung sind folgende Quellenbestände: allgemein das Archiv Braun, insbes. Bd. 817 AA, sowie: Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 2, 1981.

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Kontakte durch Karriere 1830–1839

kolumbianische Hilfsheer der Jahre 1825–1828 verursacht hatte. Aus diesem Grund wandten sich Akteure wie der kolumbianische Botschafter in Peru, Tomás Cipriano Mosquera, dessen Nachfolger José del Carmen Triunfo und der ecuadorianische Präsident Juan José Flores Anfang 1831 persönlich an Braun, um die Angelegenheit mit dessen neuem Arbeitgeber einvernehmlich zu klären.818 Nach zähen Verhandlungen und Auseinandersetzungen, die häufig über die Vermittlung Otto Philipp Brauns geführt wurden, willigte Santa Cruz schließlich ein, die Schulden der Vorgängerregierung zu übernehmen.819 Diese hinter den Kulissen geführten Verhandlungen sind deshalb erwähnenswert, da sie einen Einblick in Brauns politisches Netzwerk bieten. Der spätere mehrfache kolumbianische Präsident Tomás Cipriano Mosquera war an Braun herangetreten, um über diesen den Kontakt zu Präsident Andrés de Santa Cruz herzustellen. Im Gegenzug übermittelte Mosquera Braun die neuesten Informationen aus Peru und Kolumbien. Auch leitete er Zeitungen an Braun weiter.820 Ähnliches gilt für José del Carmen Triunfo, den Nachfolger von Mosquera und langjährigen diplomatischen Vertreter Kolumbiens in Peru.821 Das persönliche Verhältnis von Mosquera und Braun Anfang der 1830er Jahre, dessen Ursprung unbekannt ist, hilft erklären, warum Mosquera über zehn Jahre später bei einer innerkolumbianischen Auseinandersetzung Braun um Hilfe bat.822 Otto Philipp Braun stand während der 1830er Jahre kontinuierlich mit Juan José Flores in Kontakt – auch nachdem dieser 1835 den ecuadorianischen Präsidentenpalast hatte verlassen müssen.823 Neben der Vermittlung Brauns bei den Verhandlungen zwischen der bolivianischen Regierung unter Santa Cruz und der ecuadorianischen Regierung unter Flores sowie dem Angebot von 1830, in ecuadorianische Dienste zu treten, tauschte Flores mit Braun während der 818 Beispielhaft sei auf folgende Schreiben verwiesen: 20.01.1831 Lima. José del Carmen Triunfo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 124. 06.06.1831 Guayaquil. Flores an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 126. 819 Braun leitete die Briefe der genannten Akteure an Santa Cruz weiter. Siehe beispielsweise: 22.08.1832 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 159. 29.09.1831 Cochabamba. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 132. 820 Aus dieser Zeit sind zwischen Mosquera und Braun fünf Briefe erhalten. Aus Platzgründen wird hier und weiter unten verkürzt auf ihren Aufbewahrungsort verwiesen: Archiv Braun, Bde. 103, 107, 109, 112, 113. 821 Aus dieser Zeit sind zwischen Carmen Triunfo und Braun sechs Briefe erhalten: ­Archiv Braun, Bde. 118, 120, 121, 133, 141, 153. 822 Siehe hierzu auch das Kapitel 10.3: „Braun als historische Persönlichkeit und Zeitzeuge“. 823 Lara, La República del Ecuador, 1980, S. 95ff. MacDonald Spindler, Nineteenth Century Ecuador, 1987, S. 25ff. Romero Mendoza, General Juan José Flores, 1994, S. 217ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 140ff. Van Aken, Juan José Flores, 1989, S. 119ff. Vásconez Hurtado, El General Juan José Flores, 1984, S. 209ff.

Brauns Karriere und Netzwerk



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gesamten 1830er Jahre immer wieder private, persönliche und politische Neuigkeiten aus. Dabei beteuerten beide immer wieder ihre gegenseitige Wertschätzung und Loyalität. Beide gaben auch politische Informationen aus dem innersten Machtzirkel an ihren Korrespondenzpartner weiter. Auch als Mitte der 1830er Jahre der Kontakt zwischen Flores und Santa Cruz abbrach, stand Flores mit Braun weiter in Kontakt.824 Dieses kontinuierliche, wohl seit den Tagen des Unabhängigkeitskrieges, aber spätestens seit dem peruanisch-großkolumbianischen Krieg (1828–1829) bestehende Verhältnis hilft die politische Unterstützung Flores‘ für Braun im Jahre 1839 erklären.825

General der Kavallerie in Cochabamba 1831–1832 Nach knapp einem Jahr in La Paz wurde Braun im Oktober 1831 als General der Kavallerie nach Cochabamba versetzt.826 Dort widmete er sich intensiv dem Aufbau und der Ausbildung von Kavallerieeinheiten. Hierfür stand er ständig mit dem Vizepräsidenten, dem Kriegsministerium, dem Generalstab, Präfekten und Kommandierenden der Departements Oruro, Potosí, Cochabamba sowie mit Santa Cruz über offizielle Kanäle in Verbindung.827 In Cochabamba diente Otto Philipp Braun jedoch nur knapp ein Jahr. Denn Ende des Jahres 1832 rief ihn Präsident Andrés de Santa Cruz erneut nach La Paz. Dort übernahm Braun ab dem 12. Oktober 1832 das militärische Kommando über den Distrikt von La Paz.828 Dieser Auftrag hatte sich schon im März 1832 angekündigt, als Santa Cruz Braun in einem privaten Schreiben ermahnte, aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes seiner Frau nach La Paz überzusiedeln, wo die besseren 824 Andrés de Santa Cruz misstraute Juan José Flores, siehe etwa: 04.02.1837 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p151/77). 825 Aus dieser Zeit sind zwischen Flores und Braun elf Briefe erhalten: Archiv Braun, Bde. 104, 126, 128, 129, 130, 814 (AA 4), 146, 168, 814 (AA p47), 818 (AA p33/20), 329, 818 (AA p10/7). 826 Noch am 11. September 1831 hatte sich Braun in La Paz aufgehalten. Einen Monat später hielt sich Braun in Cochabamba auf: 11.09.1831 La Paz. Finanzhaushalt der Kavallerie, unterzeichnet von Juan Jose Chirvechez/Braun/Jose Felipe Alvarez, in: ANB, MG (1831), Nr. 35, Bd. 44. 09.10.1831 Cochabamba. Finanzhaushalt der Kavallerie, unterzeichnet von Juan Jose Chirvechez/Braun/Jose Felipe Alvarez, in: ANB, MG (1831), Nr. 35, Bd. 44. 827 Siehe hierzu vor allem die folgenden Quellenbestände: Ausgangsabschriften von Braun in: Archiv Braun, Bd. 814, ANB, MG (1832), Nr. 9, Bd. 51, ANB, MG (1833), Nr. 19, Bd. 62. 828 19.10.1832 La Paz. Braun an Vizepräsident, Kriegsminister und Chef des Generalstabes Velasco, in: ANB, MG (1832), Nr. 9, Bd. 51. 19.10.1832 La Paz. Nr. 1, Braun an Velasco, in: ANB, MG (1832), Nr. 9, Bd. 51.

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Ärzte, allen voran der Spanier José Passamán, zur Verfügung stünden.829 Aus diesem Grund ernannte Santa Cruz Braun auch nicht wie geplant zum Präfekten von Cochabamba, sondern kündigte an, ihn Mitte oder Ende September 1832 nach La Paz zu beordern.830 Am 26.  September reiste Braun aus seiner bisherigen Garnisonsstadt ab.831 Statt seiner wurde General Ramón Herrera Präfekt von Cochabamba.832 Santa Cruz selbst ernannte Braun zum Militärkommandeur des Departements von La Paz und erteilte ihm die Exekutivvollmacht, im Notfall auch die Macht im Departement Oruro zu übernehmen.833 Dies geschah gerade in dem Moment, als sich ein Krieg mit dem von Agustín Gamarra geführten Peru abzeichnete. Der Auftrag, das Grenzdepartement La Paz sowie im Notfall auch das Departement Oruro zu befehligen und vor allem zu verteidigen, drückte dabei nicht nur die Sorge von Santa Cruz um die Gesundheit von Justa Germana Braun aus, sondern auch das gestiegene Ansehen Otto Philipp Brauns beim bolivianischen Präsidenten – gerade in Anbetracht eines nicht reibungslosen Beginns der Zusammenarbeit. Wie verantwortungsvoll Brauns neue Aufgabe war, unterstreicht ein Schreiben von Santa Cruz vom November 1832. In diesem machte der bolivianische Präsident deutlich, dass Braun aufgrund seiner jetzigen Position der alleinige Verantwortliche für die innere und äußere Sicherheit fast ganz Nordboliviens sei.834 Wenig später übergab Santa Cruz in einem Geheimschreiben Braun umfassende Vollmachten.835 Spätestens während seiner Zeit in Cochabamba dürfte Otto Philipp Braun einen weiteren wichtigen Politiker und Militär der Administration von Santa Cruz kennengelernt haben, Ramón Herrera. Zwar ist erst ab dem Jahre 1833 ein direkter Kontakt zwischen ihnen belegbar. Die Tatsache aber, dass beide – als ausländi­ dministration von sche Experten – in Cochabamba in ähnlichen Funktionen die A Santa Cruz unterstützten, lässt ebenso wie ihre spätere private Kommunikation vermuten, dass sie sich schon vor 1833 kennenlernten – zumal sie beide 1824 in Ayacucho Seite an Seite gekämpft hatten. Spätestens nach dem gemeinsamen Feldzug 1835 in Peru gegen die Generäle Salaverry und Gamarra standen sie in engem beruflichen, aber auch privaten Kontakt. Vor allem als Ramón Herrera Präsident des südperuanischen Teilstaates der peruanisch-bolivianischen Konföderation war, diskutierten beide intensiv politische und militärische Angelegen-

829 14.03.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 150. 830 26.07.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 157. 27.08.1832 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 160. 831 11.09.1832 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 161. 832 27.09.1832 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 162. 833 Ebd. 834 09.11.1832 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 164. 835 27.11.1832 Potosí. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 167.

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heiten.836 Auch nach dem ­Zusammenbruch der Konföderation hielten sie Kontakt – auch wenn sie sich politisch voneinander entfernt hatten.837

Vom Militär zum Administrator: Präfekt und Militärkommandeur des Departements La Paz 1832–1835 Als neuer Militärkommandeur des Departements La Paz gehörte es neben den unmittelbaren militärischen Verteidigungsmaßnahmen gegen die befürchtete Invasion Perus zu Brauns neuen Aufgaben, die militärische Administration seines Departements zu führen.838 Hierzu zählten vor allem die monatliche Inspektion der Truppen sowie die monatliche Kontrolle der Ausrüstung und der Finanzen der einzelnen Einheiten.839 Dabei musste über Abweichungen zu vorherigen Inspektionen detailliert Rechenschaft abgelegt werden. Fehlte Munition, wurde auf Übungen verwiesen und die genaue Anzahl der verschossenen Patronen registriert. Fehlte einmal eine ganze Ausrüstung, so wurde dies mit der Desertion eines Soldaten inklusive der Ausrüstung begründet.840 Auch der Ressourcenfluss zwischen einzelnen Einheiten, wenn beispielsweise Kleidungsstücke von einer Schwadron an eine andere übergeben wurden, wurde detailliert kontrolliert und registriert.841 Neben der Kontrolle und der Inspektion der Truppen verantwor836 Aus dieser Zeit sind zwischen Herrera und Braun 16 Briefe erhalten: 19.09.1833 in: ANB MG 1834 Nr. 11 Bd. 70. 22.11.1835 in: ANB MG 1835 Nr. 3 Bd. 85. 25.11.1835 in: ANB MG 1835 Nr 3 Bd. 85. 23.12.1835 in: Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 4, 1991, S. 313ff sowie im Archiv Braun die Bände: 288, 290, 291, 292, 484, 511, 521, 534, 539, 545, 556, 572. 837 Siehe hierfür den Abschnitt „Warnungen privater Freunde und ehemaliger Weggefährten“ sowie zur Biographie Herreras folgende Literatur: Barros Arana, Chile 1841–1851, 1905, S. 27f, 428. Basadre, La iniciación de la República, 2002 [=1929] S. 85, 139ff. Denegri Luna, Una biografia anónima del general Ramón Herrer, 1966, S. 194ff. Díaz Arguedas, Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 79ff. Díaz Arguedas, Los generales de Bolivia, 1929, S. 157ff. Siehe auch: 01.05.1854 París. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 762. 838 19.06.1833 La Paz. Mario Pulini an Braun, in: ANB, MG (1832), Nr. 12, Bd. 53. 839 Nahezu alle im Zuge von Musterung und Kontrolle entstandenen Dokumente haben sich bis heute erhalten. Siehe: ANB, MG (1833), Nr. 12, Bd. 63. Als Beispiel für die monatliche Musterung siehe: 07.01.1833 La Paz. Finanzhaushalt, unterzeichnet von Pedro José Jañes Montenegro/Braun, in: ANB, MG (1833), Nr. 12, Bd. 63. Für die Kontrolle der Ausrüstung siehe: 01.01.1833 La Paz. Aufstellung der Ausrüstung, unterzeichnet von Montenegro/Braun, in: ANB, MG (1833), Nr. 12, Bd. 63. 840 Siehe beispielsweise: 01.05.1833 La Paz. Zustand der Ausrüstung, unterzeichnet von Montenegro/Braun, in: ANB, MG (1833), Nr. 12, Bd. 63. 841 01.10.1833 La Paz. Zustand der Ausrüstung, unterzeichnet von Montenegro/Braun, in: ANB, MG (1833), Nr. 12, Bd. 63.

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tete Braun auch die Rekrutierung und Entlassung seiner Untergebenen. Dabei befürwortete er es immer wieder, verdiente Soldaten zu unterstützen. So betonte Braun dem letztlich entscheidenden Vizepräsidenten gegenüber zum Beispiel bei der Weiterleitung eines Entlassungsantrages eines seiner Soldaten die „ehrenhaften und guten Dienste des alten Soldaten des Unabhängigkeitskrieges“842 und appellierte an „die Gerechtigkeit und die philanthropischen Gefühle“843 seines Vorgesetzten, dem Antrag des Soldaten zu entsprechen. Ein weiterer wichtiger Verantwortungsbereich für den Militärkommandeur des Departements La Paz war die Aufrechterhaltung der Disziplin der dort stationierten Einheiten. Aus diesem Grund saß Braun den Kriegsgerichtsverfahren gegen Soldaten und O ­ ffiziere vor. Im Juni 1833 wurde dem Kommandeur des vierten Infanteriebataillons und einigen Mitoffizieren vorgeworfen, Teile der Munition ihrer Einheit auf dem Schwarzmarkt verkauft und das Geld unterschlagen zu haben. Zwar stritten die Angeklagten die Beschuldigungen teilweise ab oder versuchten ihr Verhalten zu erklären, doch letztlich stieß dieses korrupte Verhalten weder beim Richter Otto Philipp Braun noch beim Präsidenten Andrés de Santa Cruz auf Verständnis.844 Während seiner Zeit als Militärkommandeur des Departements von La Paz kommunizierte Braun über offizielle Kanäle in wöchentlichen bis monatlichen Abständen vor allem mit dem Vizepräsidenten Velasco, der – wie oben erwähnt – gleichzeitig dem Generalstab vorsaß und das Kriegsministerium führte.845 Braun stand auch mit Präfekten anderer Provinzen in Kontakt und leitete Geheimschreiben, etwa über die Stimmung und die Situation an der vom Krieg bedrohten peruanisch-bolivianischen Grenze, an

842 30.03.1833 La Paz. Braun an Velasco, in: ANB, MG (1833), Nr. 16, Bd. 63. 843 Ebd. 844 Die komplette Dokumentation des Verfahrens ist zu finden in: ANB, MG (1833), Nr. 19, Bd. 62. Nachdem ein Beschuldigter ausgesagt hatte, dass Braun in seiner Rolle als Inspekteur der Kavallerie in Cochabamba den Verkauf der Munition genehmigt habe, trat dieser bis zur Klärung dieses Vorwurfs vom Prozess zurück. Die Behauptung stellte sich als falsch heraus. Siehe: 15.08.1833 Chuquisaca, Befragung Manuel Valdez/Escolastico Carrasco, in: ANB, MG (1833), Nr. 19, Bd. 62. Rücktritt Brauns vom Prozess: 02.09.1833 Chuquisaca. Valdez/Carrasco an Braun, in: Ebd. Erklärung und Vorlage von Beweisen durch Braun: 02.09.1833 Chuquisaca. Valdez an Braun, in: Ebd. 18.09.1833 La Paz. Eigenhändige Notiz Brauns, in: Ebd. 18.09.1833 La Paz. P. Riva an Braun, in: Ebd. 18.09.1833 La Paz. Eigenhändige Notiz Brauns, in: Ebd. Zur Position von Santa Cruz siehe: 27.06.1833 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 185. Eine zeitgenössiche Beschreibung ist zu finden bei: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 322. 845 Zur Tätigkeit Brauns (Militärkommandeur 1832–07/1833) siehe folgende Quellenbestände: ANB, MG (1832), Nr. 9, Bd. 51; ANB, MG (1833), Nr. 12, Bd. 63; ANB, MG (1833), Nr. 16, Bd. 63; ANB, MG (1833), Nr. 19, Bd. 62.

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seine Kollegen weiter.846 Im März 1833 erkrankte Braun so schwer, dass sich in Peru das Gerücht von seinem Tod verbreitete – was sich aber letztlich als falsch erwies.847 Am 11. Juli 1833 informierte der Innenminister Mariano Enrique Calvo den Brigadegeneral Otto Philipp Braun, dass ihn Präsident Santa Cruz zum Präfekten von La Paz berufen habe.848 Braun wehrte sich vehement gegen diese Ernennung, da er sich als Militär nicht befähigt sah, diesen politischen Posten zu übernehmen.849 Doch weder der Innenminister noch der Präsident ließen diesen Einwand gelten, zumal Braun lediglich als Vertretung für den zum Abgeordneten des bolivianischen Kongresses ernannten bisherigen Amtsinhaber bis Dezember 1833 vorgesehen war. Santa Cruz versprach über offizielle Kanäle, aber auch in privaten Schreiben, dass Braun nach dieser Vertretung wieder ein militärisches Amt erhalten werde.850 Zwar hatte sich Braun gegen diese Ernennung gewehrt, doch nachdem er einmal den Posten übernommen hatte, füllte er seine neue Funktion, die er parallel zur Militärkommandantur des Departements ausübte, gewissenhaft aus. Dennoch kann in dieser Zeit nicht gerade von einer reibungslosen Beziehung zwischen Braun und Santa Cruz gesprochen werden. Im Gegenteil: Hinter den Kulissen hatte es eine monatelange schwerwiegende Auseinandersetzung zwischen Braun und Santa Cruz gegeben, in deren Verlauf Braun mit seiner Abreise nach Europa gedroht und diese angekündigt hatte. Nur mit großer Mühe und vielen schmeichelnden Worten konnte der Präsident Braun dazu bewegen, weiter in seinen Diensten zu bleiben.851 Im Rahmen seiner neuen Tätigkeit verantwortete Braun nicht mehr nur militärische Aufgaben, sondern musste sich auch um zivile Angelegenheiten des Departements, wie die Bildungseinrichtungen, das Gesundheitssystem mit Krankenhäusern und Medikamentenbeschaffung, die staatliche 846 31.10.1832 Braun an den Gouverneur der Provinz... , in: ANB, MG (1832), Nr. 12, Bd. 53. 847 12.03.1833 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 175. 27.03.1833 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 177. 20.04.1833 Lima. José Gabriel Herboso an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 179. 848 Victor Santa Cruz irrt, wenn er in seinem Buch den 20. Juli 1833 als Ernennungsdatum Brauns zum Präfekten nennt: Santa Cruz, Treinta años, 1943, S. 306ff. Siehe: 11.07.1833 Innenminister an Braun, in: ANB, MI (1829–1833), Bd. 69 Nr. 10. 849 Dies geht hervor aus: 27.07.1833 Innenminister an Braun, in: Ebd. 850 12.07.1833 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 186. 26.07.1833 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 187. 27.07.1833 Innenminister an Braun, in: ANB, MI (1829–1833), Bd 69 Nr. 10. 851 27.01.1833 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 171. 27.06.1833 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 185. 12.07.1833 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 186. 12.08.1833 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 189.

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Post, die Kirche, das Waisenhaus, die Polizei, die Ausstellung von Passierscheinen sowie um Infrastrukturmaßnahmen, wie den Straßenbau, kümmern. Hinzu kam noch die Aufgabe, monatlich über Einnahmen und Ausgaben Rechenschaft abzulegen sowie Befehle übergeordneter Instanzen umzusetzen. Auch leitete Braun weiterhin Kriegsgerichtsverfahren.852

Ermittlungen gegen einen späteren Präsidenten: Manuel Isidoro Belzu Kurz nach seiner Ernennung zum Präfekten leitete Braun im August 1833 ein Untersuchungsverfahren gegen den bis dahin unbekannten Capitán Manuel Isidoro Belzu und einen weiteren Offizier. Auf dieses für die Biographie Belzus wichtige Verfahren wird hier zum einen hingewiesen, weil es bislang unbekannt war, zum anderen, weil es beispielhaft zeigt, dass Braun viele der für sein späteres transatlantisches Agieren wichtigen politischen Akteure teilweise schon Jahrzehnte kannte und etliche vorher sogar seine Untergebenen gewesen waren. Dies hilft, Brauns späteren, jahrzehntelangen Einfluss hinter den Kulissen zu erklären. Im Fall Belzus ist Anfang der 1830er Jahre allerdings noch keine persönliche Beziehung zu Braun oder eine Präferenz Brauns ihm gegenüber feststellbar. Zwar befürwortete Braun Anfang September 1833 die Entlassung Belzus aus der Untersuchungshaft, doch sprach sich der Interimspräfekt zugleich für die Eröffnung eines ordent­ lichen Kriegsgerichtsverfahrens aus – eine Entscheidung, die ihm Belzu Jahre ­später als bolivianischer Präsident jedoch nicht nachtrug, als er sich über Braun um eine Allianz mit der Fraktion von Andrés de Santa Cruz bemühte. Im Beisein des Interimspräfekten befragte also ein Untersuchungsrichter im Hause Brauns Mitte August 1833 über ein Dutzend Zeugen und vernahm die beiden unter Arrest stehenden Beschuldigten. Dabei erhoben einige Zeugen teils schwere Vorwürfe gegen die Angeklagten. Belzu soll Untergebene mit einer Peitsche misshandelt und sogar den Sold seiner Soldaten unterschlagen haben. Am schwersten wog jedoch der Vorwurf, sich vor einfachen Soldaten nach einem heftigen Streit mit dem mitangeklagten Offizier geprügelt und dadurch ein schlechtes Vorbild für die Moral und Disziplin der Truppe gegeben zu haben.853

852 Dies geht hervor aus: ANB, MG (1831–1833) Bd. 3 Nr. 22 AA, Prefectura y Comandancia Gral de La Paz sowie ANB, MI, Bd. 45 Nr. 26. 853 Dieser Prozess war bisher unbekannt und ist in Arbeiten zum Leben von Manuel Isidoro Belzu noch nicht enthalten: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 146ff. Peralta, El lenguaje del caudilismo en Bolivia, 1997, S. 638ff. Pérez, Manuel Isidoro Belzu and the Chinchoan Bark Trade, 1998. Richard, La época de Belzu, 1997. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007. Valencia Vega, Manuel Isidoro Belzu, 1981.

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Otto Philipp Braun befand die Aussagen der Zeugen für so glaubwürdig, dass er Mitte des Monats die Suspendierung Belzus anordnete und dem in letzter Instanz entscheidenden Kriegsminister Velasco die Eröffnung eines ordent­ lichen Kriegsgerichtsverfahrens gegen beide vorschlug. Zwar hatten die Zeugen unisono den Vorwurf der Korruption gegen Belzu entkräftet und ihm bis auf den erwähnten Streit ein gutes Leumundszeugnis ausgestellt, die Prügelei mit dem anderen Offizier vor einfachen Soldaten war jedoch nicht mehr von der Hand zu weisen. So kam es Mitte Oktober 1833 zu einem ordentlichen Kriegs­ gerichtsverfahren, in dem den vorsitzenden Generälen und Offizieren der bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte Sebastián Ágreda als Schöffe assistierte und die beiden Angeklagten zu einer zweimonatigen, in ihrem Quartier abzusitzenden Haftstrafe bei halbem Sold verurteilt wurden.854 Im Dezember 1833 löste der bisherige Präfekt von La Paz, der inzwischen von der Versammlung des Kongresses zurückgekehrt war, Braun wieder von seinem Posten ab. In den fünf Monaten seiner Amtszeit kommunizierte und interagierte Braun vor allem mit Vizepräsident Velasco und den ebenfalls von diesem geführten Kriegsministerium und Generalstab. Darüber hinaus stand Braun mit dem Innenministerium unter Calvo, dem Stadtkommandanten von La Paz, dem Polizeichef von La Paz, Offizieren einzelner Bataillone, Direktoren einiger Bildungseinrichtungen sowie diversen Bürgern in Kontakt.855

854 Die bis heute nicht eingehend untersuchten Prozessakten sind größtenteils erhalten: 12.08.1833 La Paz. El Teniente Coronel Francisco Satisaval an Braun, in: ANB, MG (1833), Nr. 16, Bd. 63. 13.08.1833 La Paz. Notiz Brauns, in: Criminal contra Belzu y Silveti, in: Ebd. 13.08.1833 La Paz. Orden de Braun, in: Ebd. 14.08.1833 La Paz. Aussage des 1. Zeugen, Francisco Satisaval, in: Ebd. 14.08.1833 La Paz. Aussage des 2. Zeugen, Pastor Riva, in: Ebd. 14.08.1833 La Paz. Aussage des 3. Zeugen, Luis Silveti, in: Ebd. 14.08.1833 La Paz. Aussage des 4. Zeugen, Bruno Aparicio, in: Ebd. 14.08.1833 La Paz. Eingangsbestätigung Braun, in: Ebd. 14.08.1833 La Paz. Aussage des 10. Zeugen. Mariano Avila, 3p, in: Ebd. 15.08.1833 La Paz. Pedro José Yañez Montenegro an Braun, in: Ebd. 18.08.1833 Aussage von Manuel Isidoro Belzu, in: Ebd. 19.08.1833 Geständnis des Beschuldigten Fran. Silveti, in: Ebd 22.08.1833 La Paz. Bestätigung der Entlassung Belzus in die Freiheit, in: Ebd. 13.09.1833 La Paz. Befehl Brauns, in: Criminal contra Belzu y Silveti, in: ANB MG 1833 No 16 T 63, in: Ebd. 10.10.1833 Chuqisaca. Bestätigung des Urteils durch Santa Cruz und Velasco, in: Ebd. 855 Siehe zur Tätigkeit Brauns als Präfekt und Militärkommandeur von La Paz (1833) die folgenden Quellenbestände: ANB, MG (1833), Nr. 12, Bd. 63. ANB, MG (1833), Nr. 16, Bd. 63. ANB, MI (1829–1833), Bd. 69 Nr. 10. ANB, MG (1833), Nr. 19, Bd. 62. ANB MG (1831–1833) Bd. 3 Nr. 22 AA. Prefectura y Comandancia Gral de La Paz. ANB, MI, Bd. 45 Nr. 26.

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Militärkommandeur des Departements La Paz 1833–1834 Nachdem Braun von Juli bis Dezember 1833 die Präfektur und die Militärkommandantur von La Paz in Personalunion geleitet hatte, übte er ab Dezember wieder allein das Amt des Militärkommandeurs von La Paz aus. Hier war es wie zuvor Brauns Aufgabe, als Oberbefehlshaber im Departement die unter seinem Befehl stehenden Truppen zu verwalten.856 Entdeckte Braun hier Unregelmäßigkeiten oder erfuhr er von Verstößen gegen die militärische Disziplin oder von kriminellen Handlungen seiner Untergebenen, so folgten Kriegsgerichtsverfahren oder die Überweisung an zivile Strafgerichte.857 Braun betonte bei der Zusammenarbeit mit ihm übergeordneten Institutionen, wie dem Innenministerium858, dem Kriegs­ministerium859, dem Generalstab860 und dem Vizepräsidenten861, immer wieder die pünktliche und genaue Umsetzung ihrer Befehle. Auch wenn er mitunter gegen einzelne Maßnahmen protestierte, setzte er sie dennoch um.862

Präfekt und Militärkommandeur von La Paz 1834–1835 Mitte April 1834 wurde Braun erneut zum Präfekten von La Paz ernannt, er blieb aber weiterhin auch Militärkommandeur des Departements.863 Mit bei856 Ein wichtiger Teilbereich war hier, die Finanzen zu organisieren und die Versorgung der in seinem Zuständigkeitsbereich befindlichen Einheiten mit Ausrüstung und Kleidung sicherzustellen. Darüber hinaus widmete sich Braun intensiv der monatlichen Inspektion der Truppen, wobei er auch den Zustand und die Korrektheit der Vorräte und der Ausrüstung von Infanterie, Kavallerie und Artillerie kontrollierte. Für seine Tätigkeit als Militärkommandeur von La Paz (1833–1834) sei auf folgende Quellenbestände verwiesen: ANB, MG (1833), Nr. 12, Bd. 63.; ANB, MI, Bd 45 Nr. 26. ANB, MG (1834), Nr. 11, Bd. Fs. 270, ANB, MG (1834), Nr. 22, Bd. 70. 857 Siehe beispielsweise: 02.06.1834 La Paz. Nr. 9. Braun an den Vizepräsidenten und Kriegsminister, in: ANB, MG (1834), Nr. 11, Bd. Fs. 270. 04.06.1834 La Paz. Nr. 8. Braun an den Vizepräsidenten und Kriegsminister, in: Ebd. 858 03.12.1833 La Paz. Nr. 124, Braun an den Innenminister, in: ANB, MI, Bd.45 Nr. 26. 859 08.12.1833 La Paz. Finanzhaushalt, unterzeichnet von Montenegro/Braun, in: ANB, MG (1833), Nr. 12, Bd. 63. 860 20.01.1834 La Paz. Nr. 2, Braun an den Generalstabschef, in: ANB, MG (1834), Nr. 11, Bd. Fs. 270. 861 02.06.1834 La Paz. Nr. 10. Braun an den Vizepräsidenten und Kriegsminister, in: ANB, MG (1834), Nr. 11, Fs. 270. 862 Siehe hierfür beispielsweise: 19.07.1834 La Paz. Braun an den Vizepräsidenten und Kriegsminister, in: Ebd. 863 Siehe etwa: 19.05.1834 La Paz. Nr. 61. Braun an den Innenminister, in: ANB, MI, Bd. 50 Nr. 23 oder: Santa Cruz, Treinta años, 1943, S. 306ff.

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den Ämtern verfügte Braun über erhebliche politische und militärische Macht. Denn aufgrund der Lage des Departements an der Grenze zu Peru und des von Santa Cruz in Erwägung gezogenen Eingreifens in den dortigen Bürgerkrieg befanden sich über 7.000 Soldaten, über 370 Offiziere und über 20 Kommandeure, also ein großer Teil der gesamten bolivianischen Armee, unter der Kontrolle des Militärkommandeurs des Departements von La Paz.864 Braun kommunizierte aus beruflichen Gründen regelmäßig mit den entscheidenden politischen Verantwortlichen auf höchster Regierungsebene: mit dem Innenminister Mariano Enrique Calvo865, dem Finanzminister José María de Lara866 und dem Vizepräsidenten José Miguel de Velasco867. Mit diesen und der regelmäßigen Korrespondenz mit den Präfekten anderer Departements besaß Braun Zugang zu vielen relevanten Akteuren der bolivianischen Politik. Beim Kontakt mit Untergebenen, wie etwa dem Offizier des ersten bolivianischen Gardebataillons José Ballivián im März 1835, erweiterte Braun sein Netzwerk auch um potenziell relevante Akteure.868 Im Gegensatz zum vorangegangenen Kurzeinsatz in der Präfektur Ende des Jahres 1833 übte Braun nun für über ein Jahr das Amt aus und kümmerte sich in dieser Zeit um die Verwaltung des Departements, vor allem um die Finanzen, den Zoll, die Post sowie die Polizei – inklusive der Überwachung von Oppositionellen.869 Darüber hinaus kontrollierte und koordinierte Braun die Arbeit der ihm unterstellten Provinzgouverneure.870 864 07.08.1834 Chuquisaca. Aufstellung Generalstab, in: ANB, MG (1834), Nr. 3, Bd. 69. Siehe ferner die Sammlung: ANB, MG (1834), Nr. 22, Bd. 70, ANB, MG (1834), Nr. 34, Bd. 76. ANB, MG (1834), Nr. 11, Bd. 70. ANB, MG (1835), Nr. 19, Bd. 79. 865 Siehe hierfür die Quellenbestände: ANB, MI Bd. 50 Nr 23, ANB, MI (1835), Bd. 54 Nr. 28. 866 Siehe hierfür die Quellenbestände: ANB, MH (1834) Bd. 43 Nr. 13, ANB, MH (1835), Br. 49 Nr. 15. 867 Siehe hierfür die Quellenbestände: ANB, MG (1834), Nr. 11, Fs. 270, ANB, MG (1834), Nr. 22, Bd. 70, ANB, MG (1834), Nr. 34, Bd. 76, ANB, MG (1834), Nr. 11, Bd. 70, ANB, MG (1835), Nr. 27, Bd. 79, ANB, MG (1835), Nr. 19, Bd. 79, ANB, MG (1835), Nr. 26, Bd. 79, ANB, MG (1835), Nr. 63, Bd. 85. 868 Siehe beispielsweise: 19.11.1834 La Paz. Braun an den Distriktkommandanten von Oruro, in: ANB, MG (1834), Nr. 11, Bd. 70, 28.03.1835 Sapaqui. Ballivián an Braun, in: ANB, MG (1835), Nr. 19, Bd. 79, 16.04.1835 Sataqui. Ballivián an Braun, in: ANB, MG (1835), Nr. 19, Bd. 79. 869 18.06.1834 La Paz. Nr. 64, Braun an den Innenminister, in: ANB, MI, Bd. 50 Nr. 23, 14.04.1835 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p55/28). 870 Siehe zur Tätigkeit Brauns als Präfekt 1834–1835 folgende Quellenbestände: ANB, MG (1835), Nr. 27, Bd. 79. ANB, MH (1834) Bd. 43 Nr. 13, ANB, MH (1835) Bd. 49 Nr. 15, ANB, MI, Bd. 50 Nr. 23, ANB, MG (1834), Nr. 11, Bd. Fs. 270, ANB, MG (1834), Nr. 22, Bd. 70, ANB, MG (1834), Nr. 34, Bd. 76, ANB, MG

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In Brauns Zuständigkeitsbereich fiel es ebenfalls, staatliche Publikationen in La Paz drucken zu lassen, wie etwa das Bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch871, das Handelsgesetzbuch872, das Bergbaugesetzbuch873, den Justizkalender, das Adressverzeichnis für Ausländer874, die Rede des Präsidenten vor dem Kongress875, 1.000 Exemplare der Verfassung von 1834876, den Staatshaushalt877, den Rechenschaftsbericht878 sowie wichtige Befehle der Regierung879. Darüber hinaus kümmerte sich der Präfekt Braun auch um ­Bildungseinrichtungen, wie die Kunsthochschule880, eine höhere Schule881 und die Universität San Andrés, wo er beispielsweise José Joaquín de Mora882 als Direktor einsetzte.883 Es kann davon ausgegangen werden, dass sich in dieser Zeit eine freundschaftliche Beziehung der beiden entwickelte, die dann Grundlage für die intensive politische und transatlantische Zusammenarbeit Anfang der 1840er Jahre war.884 Zwar ist nur wenig Korrespondenz der beiden von vor 1839 erhalten, doch lassen ausführliche und private Schilderungen des als diplomatischer Vertreter der peruanisch-bolivianischen Konföderation nach London gereisten Mora an Braun im Dezember 1838 auf eine langjährige freundschaftliche Beziehung der beiden schließen.885 Dabei muss erwähnt werden, dass Braun Mora in zwei ernsten (1834), Nr. 11, Bd. 70, ANB, MG, Bd. 4 Nr. 12 AA, ANB, MI (1835), Bd. 54 Nr. 28, ANB, MG (1835), Nr. 27, Bd. 79, ANB, MG (1835), Nr. 19, Bd. 79. 871 04.08.1834 La Paz. Nr. 75, Braun an den Innenminister, in: ANB, MI, Bd. 50 Nr. 23. 872 19.12.1834 La Paz. Nr. 129, Braun an den Innenminister, in: Ebd. 27.03.1835 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 249. 873 27.03.1835 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Ebd. 874 Braun wirkte darüber hinaus bei der redaktionellen Erstellung des Verzeichnisses mit. 18.08.1834 La Paz. Nr. 78, Braun an den Innenminister, in: ANB, MI Bd. 50 Nr. 23. 04.11.1834 La Paz. Nr. 108, Braun an den Innenminister, in: Ebd. 19.12.1834 La Paz. Nr. 126, Braun an den Innenminister, in: Ebd. 875 18.09.1834 La Paz. Nr. 88, Braun an den Innenminister, in: Ebd. 876 19.12.1834 La Paz. Nr. 125, Braun an den Innenminister, in: Ebd. 877 Ebd. 878 18.08.1834 La Paz. Nr. 197, Braun an den Finanzminister, in: ANB, MH (1834), Br. 43 Nr. 13. 879 04.12.1834 La Paz. Nr. 260, Braun an den Finanzminister, in: Ebd. 880 Siehe beispielsweise: 03.09.1834 La Paz. Nr. 81, Braun an den Innenminister, in: ANB, MI, Bd. 50 Nr. 23. Siehe auch die Sammlung: ANB, MH (1834) Bd. 43 Nr 13. 881 27.01.1835 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 244. 882 Berruezo León, La emigración liberal española, 1992, S. 123ff. Mesa/Mesa Gisbert, José Joaquín de Mora, 1965. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 82. 883 27.11.1834 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 238. 884 Dies geht hervor aus: 21.10.1834 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p28/14v). 04.11.1834 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p29/15). 885 31.12.1838 London. Geheim. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 626.

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Situationen beistand. Als beispielsweise nach nur wenigen Monaten Aufenthalt in La Paz im Jahr 1835 ein Streit zwischen Mora und der katholischen Kirche öffentlich eskalierte, ergriff Braun hinter den Kulissen für Mora und dessen liberale Lehrmethoden und -inhalte Partei. Dies führte nicht nur zu einer öffentlichen Kampagne gegen Mora, sondern auch gegen den als Ketzer verschrienen deutschen Protestanten Braun.886 Letztlich wies ein Machtwort Brauns die katholische Kirche jedoch in ihre Schranken – zumal mit dem Eingreifen in den peruanischen Bürgerkrieg andere Prioritäten galten.887 Als Zweites verteidigte Otto Philipp Braun im April 1835 José Joaquín de Mora hinter den Kulissen vehement gegen den Vorwurf von Andrés de Santa Cruz, während des Exils von Agustín Gamarra in Bolivien mit diesem gemeinsame Sache gemacht zu haben. Dies legt aufgrund der Schärfe des Vorwurfes eine enge Beziehung zwischen Braun und Mora nahe.888 Neben dem Bildungswesen kümmerte sich Braun auch um Kultureinrichtungen, wie das Universitätsmuseum.889 Das Gesundheitswesen des Departements, etwa die Einrichtung eines Krankenhauses für Frauen890 oder die Gründung der Medizinischen Hochschule891 unter José Passamán, fiel ebenfalls in seinen Zuständigkeitsbereich. Beide Einrichtungen verteidigte der ausgebildete Tierarzt Braun gegen Kritik und setzte sie gegen den Widerstand vor allem der Finanzverwaltung durch.892 Darüber hinaus setzte er sich vehement für die Instandsetzung des städtischen Krankenhauses San Juan de Dios ein.893 In diese Zeit fielen auch die Geburt und der Kindstod einer Tochter Brauns.894 Passamán und Braun hatten sich über die Vermittlung von Andrés de Santa Cruz Anfang des Jahres 1832 kennengelernt.895 Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich zwischen 886 Braun war tatsächlich Protestant, wie aus einer Meldung zu seinem Tod 1869 hervorgeht: 31.07.1869 Kassel. Gestorbene, in der evangelisch-lutherischen Gemeinde, in: Gewerbliches Tageblatt und Anzeiger, für die Provinz Hessen, in: Murhardsche Bibliothek zu Kassel. 887 Monguió, José Joaquín de Mora, 1967, S. 202ff. 888 19.04.1835 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p57/29). 22.04.1835 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p58/29). 889 03.09.1834 La Paz. Nr. 81, Braun an den Innenminister, in: ANB, MI Bd. 50 Nr 23. 890 Siehe beispielsweise: 08.10.1834 La Paz. José Passamán (Direktor der Medizinhochschule) an Braun, in: ANB MI Bd. 50 Nr. 23 sowie die Sammlung: ANB, MH (1834), Bd. 43 Nr. 13. 891 04.09.1834 La Paz. Nr. 85, Braun an den Innenminister, in: ANB MI Bd. 50 Nr. 23. 892 04.10.1834 La Paz. Nr. 99, Braun an den Innenminister, in: Ebd. 893 03.02.1835 La Paz. Nr.12, Braun an den Innenminister, in: ANB MI (1835), Bd. 54 Nr. 28. 894 04.02.1835 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p40/20v). 895 04.01.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 142, 19.01.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 145. 19.02.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 148. 04.03.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in:

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dem renommierten spanischen Arzt und dem deutschen General im Zuge der Behandlung der angeschlagenen Gesundheit von Justa Germana Braun und der Geburt seiner Kinder eine persönliche Beziehung entwickelte – zumal beide auch beruflich häufig interagierten.896 Das während der 1830er Jahre gewachsene Verhältnis erklärt die private Beziehung und das Vertrauensverhältnis der beiden im Jahre 1842 – nach dem Zusammenbruch der peruanisch-bolivianischen Konföderation.897 Braun trieb in seiner Zeit als Präfekt auch Infrastrukturprojekte, wie den Bau von Straßen898 und Brücken899, aber auch spektakulärere Bauvorhaben, wie die Errichtung der Kathedrale900 sowie den Bau des Theaters von La Paz, voran. Hierbei wurde er hinter den Kulissen energisch von Andrés de Santa Cruz unterstützt.901 Ein weiteres wichtiges Projekt des Präfekten Braun war die Einrichtung und der Betrieb einer Fabrik zur Herstellung von Sprengstoff und Schießpulver. Hierfür hatte er einen Unternehmer beauftragt, der jedoch nach mehreren Mahnungen Brauns nach Argentinien floh, womit das Projekt zunächst scheiterte. Erst nach längerer Suche fand sich Anfang des Jahres 1835 ein neuer Betreiber, der die Produktion trotz diverser Schwierigkeiten in Gang setz-

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Archiv Braun, Bd. 149. 14.03.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 150. 19.03.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 151. Aus dieser Zeit sind folgende Dokumente über die berufliche Beziehung von Braun und Passamán erhalten: 04.09.1833 in: ANB, MI, Bd. 45 Nr 26. 29.11.1833 in: Ebd. 19.09.1834 in: ANB, MI, Bd. 50 Nr. 23. 20.09.1834 in: Ebd. 01.10.1834 in: Ebd. 01.10.1834 in: Ebd. 02.10.1834 in: Ebd. 04.10.1834 in: Ebd. 04.10.1834 in: ANB MI Bd. 50 Nr. 23. 04.10.1834 in: Ebd. 07.10.1834, in: Ebd. 14.12.1836 in: ANB, MI (1836) Bd. 57 Nr. 24. Siehe hierzu den Abschnitt „Warnungen privater Freunde und ehemaliger Weggefährten“ sowie folgende Literatur: Balcázar, Historia de la medicina en Bolivia, 1956, S. 337ff, 701. Costa Ardúz, José Passamán, 2005, S. 299ff. Costa Casaretto, José de Passamán, 1984, S. 503ff. Monguió, José Joaquín de Mora, 1967, S. 203, 327. Salinas, Historia de la Universidad San Andrés, Bd. 1, 1967, S. 207ff. 19.12.1834 La Paz. Nr. 265, Braun an den Finanzminister, in: ANB, MH (1834) Bd. 43 Nr. 13. 04.01.1835, La Paz, Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p36/18v). 03.02.1835 La Paz. Nr. 17, Braun an den Innenminister, in: ANB, MI (1835) Bd. 54 Nr. 28. 04.04.1835 La Paz. Nr. 47, Braun an den Innenminister, in: Ebd. 30.06.1834 La Paz. Nr. 162, Braun an den Finanzminister, in: ANB, MH (1834) Bd. 43 Nr 13. 12.09.1834 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 231. 18.11.1834 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 237. 04.10.1834 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p25/13). Siehe auch: Querejazu Calvo, Andrés Santa Cruz, Bd. 3, 1976, S. 180. Ricketts, Un nuevo teatro para una sociedad mejor, 1997, S. 257f.

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te.902 Mitte des Jahres 1835 bereitete der Präfekt Braun zudem die Sitzungen des bolivianischen Kongresses in La Paz vor.903 Darüber hinaus bearbeitete Braun Beschwerden von Bürgern. Als etwa ein Offizier den französischen Vizekonsul in La Paz auf offener Straße willkürlich misshandelte, musste der Präfekt Braun den Angriff auf den Diplomaten aufklären.904

Früher Ausbau des innen- und außenpolitischen Netzwerkes Neben dem Sozialwesen905 betreute Braun in seinem Departement auch gestrandete politische Exilanten aus Peru, wie beispielsweise den gestürzten peruanischen Präsidenten Agustín Gamarra. Diesem hatte er politisches Asyl gewährt.906 Braun und Gamarra kannten sich wohl seit dem peruanischen Unabhängigkeitskrieg. Beide hatten am Feldzug in Peru und an der Schlacht von Ayacucho (1824) teilgenommen – und zwar auf derselben Seite. Diese Konstellation hatte sich aber geändert, als Gamarra Ende der 1820er Jahre versuchte, das bolivarische Bolivien unter seinem ehemaligen Vorgesetzten Antonio José de Sucre zu unterwerfen. Dadurch war Gamarra zum politischen Gegner Brauns geworden. Als es im Jahr 1828 zur ersten peruanischen Invasion Boliviens kam, wurden aus den ehemaligen Kameraden erbitterte politische und militärische Gegner – auch wenn sie mitunter persönlichen Kontakt pflegten.907 Dies sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Braun Gamarra auch über die militärischen 902 30.04.1834 Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p5–6/3–4). 27.06.1834 La Paz. Felipe Braun an José Antonio Alvarez (Direktor der Schießpulverfabrik), in: ANB, MH (1834) Bd. 43 Nr. 13. 04.07.1834 La Paz. Nr. 166, Braun an den Finanzminister, in: Ebd. 18.09.1834 La Paz. Nr. 222, Braun an den Finanzminister, in: Ebd. 04.10.1834 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p25/13). 04.11.1834 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p29/15). 11.05.1835 La Paz. Juan Manuel Monterrey (Schießpulverfabrikant) an Braun, in: ANB, MG (1835), Nr. 27, Bd. 79. 04.06.1835 La Paz. Nr. 14, Braun an den Vizepräsidenten und Kriegsminister, in: Ebd. 12.01.1835 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 242. 19.01.1835 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p38/19v). 903 15.07.1835 La Paz. Nr. 70, Braun an den Innenminister, in: ANB, MI (1835) Bd. 54 Nr. 28. 904 04.03.1835 Chuquisaca. Bucchet Martiguy (Generalkonsul Frankreichs) an Braun, in: ANB, MG (1835), Nr. 26, Bd. 79. 905 19.06.1834 La Paz. Nr. 157, Braun an den Finanzminister, in: ANB, MH (1834) Bd. 43 Nr 13. 906 28.05.1834 Copacabana. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 210. 12.06.1834 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 219. 907 Zum privaten Kontakt zwischen Braun und Gamarra siehe folgende Briefe: Archiv Braun, Bd. 815 (AA p35/17v), Archiv Braun, Bd. 815 (AA p81/43), Archiv Braun,

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und politischen Konfrontationen hinaus misstraute – wenn er ihn nicht gar verachtete.908 Auch im peruanisch-großkolumbianischen Krieg 1828/29 hatten beide auf unterschiedlichen Seiten gestanden. Trotz dieser großen politischen Differenzen und militärischen Konfrontationen ermöglichte Braun Ende Mai 1834 dem Gegner politisches Asyl – wofür sich dieser ausführlich bedankte.909 Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass Gamarra Braun in La Paz besuchte und persönlich sprach.910 Diese Geste entsprach der politischen Kultur jener Tage – zumal ein solches strategisch kalkuliertes Verhalten half, die Nachbarrepublik Peru weiter zu destabilisieren. Das politische Asyl hilft zu erklären, warum Gamarra seinerseits zwar Braun 1839 rigoros alle peruanischen Titel und Ehrenämter aberkannte, ihm aber wenig später eine sichere Reise durch Peru sowie den Aufenthalt in Arequipa bei der Familie Rivero ermöglichte. Diesem Zugeständnis stand auch nicht im Wege, dass beide Mitte des Jahres 1835 beim Eingreifen von Santa Cruz in den peruanischen Bürgerkrieg wieder auf gegnerischen Seiten gestanden hatten und es zwischen ihnen zu handfesten ­militärischen Auseinandersetzungen gekommen war.911 Wie bei seiner ersten Amtszeit als Präfekt von La Paz sträubte sich Braun auch nun wieder gegen dieses Amt. Er betonte immer wieder, dass er nur aufgrund der Bitte des Präsidenten die Präfektur übernommen habe. Immer wieder deutete Braun bei Santa Cruz an, dass er abgelöst werden wolle. Zwar schmeichelte ihm der bolivianische Präsident, dass nur Braun diesen so wichtigen Posten so qualifiziert ausfüllen könne, aber letztlich lehnte Santa Cruz Brauns Entlassungsgesuch strikt ab.912

908 909

910 911 912

Bd. 815 (AA p84/44v), Archiv Braun, Bd. 815 (AA p89/47), Archiv Braun, Bd. 102, Archiv Braun, Bd. 210, Archiv Braun, Bd. 220, Archiv Braun, Bd. 280. Die abschätzige Meinung Brauns geht unter anderem hervor aus: 16.07.1828 La Paz. Braun an den Vorsitzenden des Ministerrates, in: ANB, MG (1828), Nr. 37, Bd. 16. Es gilt dabei zu betonen, dass Braun Gamarra Asyl gewährte, ohne eine Antwort von Santa Cruz abzuwarten. Dieser genehmigte dann Brauns Entscheidung: 28.05.1834 Copacabana. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 210. 28.05.1834 Copacabana. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 154. 31.05.1834 La Paz. Braun an Gamarra, in: Archiv Braun, Bd. 211. 13.06.1834 Copacabana. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 220. 05.06.1834 Pocpo. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 214. 12.06.1834 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 219. Siehe etwa: 13.06.1834 Copacabana. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 220. Siehe hierzu auch die Abschnitte „General im peruanischen Bürgerkrieg 1835– 1836“. 30.04.1834 Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p5–6/3–4). 12.11.1834 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 235. 27.11.1834 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 238. 04.12.1834 La Paz. Nr. 120, Braun an den Innenminister, in: ANB, MI Bd. 50 Nr. 23.

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Braun entwickelte sich innerhalb einiger Jahre von einem regulären Untergebenen zu einem politischen Partner und persönlichen Vertrauten von Andrés de Santa Cruz. Dies zeigt vor allem ihre regelmäßige und häufige – teils mehrfach wöchentliche – Kommunikation. Dabei tauschten sie sich nicht nur über militärische und administrative Themen sowie einzelne Akteure aus, sondern diskutierten auch intensiv aktuelle politische Entwicklungen. Dabei bezog Santa Cruz Braun ab 1834 in geheime politische Pläne zum Eingreifen in den peruanischen Bürgerkrieg mit ein. Ferner erörterten beide auch andere außenpolitische Fragestellungen. Schon lange bevor offiziell von einer peruanischbolivianischen Konföderation die Rede war, besprachen Santa Cruz und Braun detailliert die Möglichkeiten eines solchen Staatenbündnisses, seiner konkreten Ausgestaltung und die Überwindung innenpolitischer Hürden.913 Santa Cruz beauftragte Braun hierfür auch mit Geheimmissionen, etwa der, Clemens Althaus, einen in Peru befindlichen deutschen General und Sympathisanten von Santa Cruz, auf Deutsch zu kontaktieren, um die Akzeptanz eines bolivianischen Einmarsches in Peru durch Teile von deren Elite, zu der Althaus zählte, auszuloten. Aufgrund der Tatsache, dass nur äußerst wenige Personen in jener Zeit im Andenraum Deutsch lesen konnten – zumal sich Braun und Althaus oftmals in Sütterlin schrieben – fungierten deutsche Sprache und deutsche Schrift als geheimer Code, der von Gegnern, wenn sie diese Briefe abfingen, nur schwer entschlüsselt werden konnte.914 In den Diskussionen über Politik, Militär und Personen waren sich Braun und Santa Cruz häufig einig. An einigen Punkten widersprach Braun jedoch seinem Präsidenten. Einmal unterstellte Braun diesem sogar, durch die Personen seines Umfeldes leicht beeinflussbar zu sein. Dies war in jenen Zeiten ein schwerer Vorwurf.915 Santa Cruz seinerseits fand mitunter ebenfalls deutliche Worte, wenn er Brauns Politik oder einzelne administrative Maßnahmen missbilligte.916 So offen und manchmal direkt die Kommunikation der beiden auch war, die vertrauensvolle Beziehung zwischen ihnen stand niemals infrage.

913 Aus Platzgründen können die Briefe zwischen Braun und Santa Cruz nicht aufgelistet werden. Maßgeblich für deren Beziehung sind folgende Quellenbestände: Archiv Braun, Bd. 817 AA und Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 4, 1991. 914 Clemens Althaus wurde in Südamerika „Clemente“ Althaus genannt. 26.04.1834 Tapacarí. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 199. 27.09.1834 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 232. 12.02.1835 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 245. 26.04.1835 Arequipa. Althaus an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 264. 22.05.1835 Arequipa. Althaus an Braun (auf Deutsch), in: Archiv Braun, Bd. 269. 30.05.1835 Arequipa. Althaus an Braun (auf Deutsch), in: Archiv Braun, Bd. 272. 915 12.09.1833 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 191. 916 27.11.1833 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 197.

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Ab Anfang des Jahres 1835 intensivierte sich auch die Beziehung zwischen Otto Philipp Braun und dem Innenminister Mariano Enrique Calvo. Nachdem dieser Mitte des Jahres José Miguel de Velasco als Vizepräsident Boliviens abgelöst hatte, kommunizierten Calvo und Braun noch intensiver. Denn in Abwesenheit von Santa Cruz als Protektor in Lima lenkten Calvo als Administrator und Braun als Militär die Geschickte des Landes. Neben unzähligen offiziellen Kommuniqués tauschten sich beide – mitunter mehrfach wöchentlich – in Briefen über administrative Fragen und die aktuelle politische Lage aus.917 Neben den bis hierher erwähnten Politikern pflegte Braun auch Kontakte zu einer Reihe von Veteranen des südamerikanischen Unabhängigkeitskrieges – wie etwa zu dem Franzosen Benjamín Viel. Diesem vor allem in Chile ausgezeichneten Mitstreiter San Martins half Braun in Absprache mit Santa Cruz finanziell in persönlich schwierigen Zeiten – was sich vor allem in den 1840er Jahren sehr bezahlt machen sollte.918

Vom Administrator zum Politiker: Mitglied der Regierung 1835 Nach der Bitte des peruanischen Präsidenten Luis José de Orbegoso und des Kongresses, in den dortigen Bürgerkrieg einzugreifen, hatten Mitte Juni erste bolivianische Einheiten damit begonnen, die Grenze zu Peru überschritten. Otto Philipp Braun befand sich nicht unter den Offizieren, die den bolivianischen Präsidenten und Oberbefehlshaber Andrés de Santa Cruz begleiteten. Es war Brauns Aufgabe, den Truppenaufmarsch im Grenzdepartement La Paz als Präfekt logistisch zu unterstützen. Am 22. Juni 1835 wurde Braun von diesem Posten abberufen. Dies geschah allerdings nicht, um ihm die Gelegenheit zu geben, als Kommandierender General am Feldzug teilzunehmen, sondern Santa Cruz hatte Braun zum Kriegsminister der bolivianischen Republik ernannt, da der bisherige Amtsinhaber General Velasco den Oberkommandierenden begleitete.919 Im Gegensatz zu Brauns Widerstand bei der Ernennung zum Präfekten von La Paz sträubte er sich diesmal nicht gegen das sehr politische und ad917 Aus Platzgründen können die einzelnen Briefe hier nicht aufgelistet werden. Es sei jedoch auf folgende Quellenbestände verwiesen: Archiv Braun, Bd. 817 AA. 918 Zu Viel gilt zu erwähnen, dass er und Braun 1814, als Viel für Napoleon und Braun für die deutschen Fürsten kämpfte, auf unterschiedlichen Seiten gestanden hatten. 11.08.1834 Tacna. Viel an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 227. Siehe ferner: Arancibia Clavel, El Ejército de los chilenos, 2007, S. 135. Barros Arana, Chile 1841–1851, 2003 [=1906], S. 386ff. Nuñez Muñoz, Poder y emancipación, 2007, S. 142f. Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 131f. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 290. 919 22.06.1835 La Paz. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 278. 22.06.1835 La Paz. Ernennungsdekret, erlassen von Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 279. 21.07.1835 Puno. Velasco an Kriegsminister Braun, 3p, in: ANB, MG (1835), Nr. 3, Bd. 85.

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ministrative Amt. Der Militär Braun schien in der Zwischenzeit seine Distanz gegenüber dieser Art von Aufgaben abgelegt zu haben. Auch in der Zukunft äußerte sich Braun nie wieder entsprechend. Somit scheint Braun Mitte der 1830er Jahre den Schritt vom Militär zum Politiker vollzogen zu haben. Mit dem Einzug in das Kriegsministerium war Braun auch endgültig an der Spitze der bolivianischen Politik angelangt. Als Kriegsminister war Braun integraler Bestandteil des dreiköpfigen Ministerrates aus Vizepräsident (Calvo), Finanzminister (Lara) und Kriegsminister. Dieses Gremium führte während der Abwesenheit des auf dem Feldzug befindlichen Präsidenten die Regierungsgeschäfte der Republik als oberstes Exekutivorgan.920 Von nun an beschäftigte sich Braun mit qualitativ anderen Dingen als bei seinen vorherigen Ämtern. Beispielsweise unterschrieb und beglaubigte Braun als Kriegsminister und Mitglied des Ministerrates völkerrechtliche Verträge921 und bestätigte mit seiner Unterschrift Dekrete des bolivianischen Kongresses.922 Darüber hinaus erließ der Kriegsminister Braun für die ganze Republik geltende Generalbefehle oder ernannte wichtige politische Funktionäre, wie den Präfekten von La Paz.923 Allerdings musste Braun sich auch in seiner neuen Funktion um administrative Angelegenheiten, wie etwa die Verwaltung der Finanzen, die Betreuung von kranken Soldaten, Anträge auf Gratifikation, Entlassung und Verfolgung von Deserteuren sowie die Versorgung der Armee mit Waffen und Ausrüstung, kümmern. Hatte sich Braun zuvor um Tausende von Soldaten und Pesos gekümmert, trug er nun die Verantwortung für Zehntausende Menschen, immense Geldströme und die Versorgung ganzer Armeekorps – zumal er dafür verantwortlich war, der Expedition des Präsidenten innenpolitisch und logistisch den Rücken freizuhalten.924 920 22.07.1835 La Paz. Erlass des regierenden Ministerrates, unterzeichnet von José María de Lara/Braun/Calvo, in: Santa-Cruz, El General Andrés de Santa Cruz, 1924. S. 92f auch in: ANB, MG (1836), Nr. 2, Bd. 86. 921 15.06./27.06.1835 Vertrag zwischen Bolivien und Peru, unterzeichnet von Calvo/ Anselmo Quiros/José Manuel Loza. Anhang unterzeichnet von José Maria de Lara Braun/Calvo, in: ANB, MRE Bol-Perú (1835), Bd. 1 Nr 49. 922 25.07.1835 La Paz. Dekret des außerordentlichen Kongresses Boliviens, unterzeichnet von der Exekutive: Lara/Braun/Calvo, in: ANB, MG (1836), Nr. 2, Bd. 86. 25.07.1835 La Paz. Deklaration des Senats der Republik, unterzeichnet von der Exekutive: Lara/Braun/Calvo, in: Ebd. 26.07.1835 La Paz. Deklaration, unterzeichnet von der Exekutive: Lara/Braun/Calvo, in: Ebd. 27.07.1835 La Paz. Dekret des regierenden Ministerrates, unterzeichnet von Lara/Braun/Calvo, in: Ebd. 923 07.07.1835 La Paz. Generalbefehl. Kriegsminister Braun, in: ANB, MG (1835– 1836) Bd. 288 Nr. 1 AA (Cuaderno de Ordenes Generales. Años 1835–1836). 17.07.1835 La Paz. Generalbefehl. Kriegsminister Braun, in: Ebd. 924 Siehe zur Tätigkeit Brauns als Kriegsminister von Juni bis Juli 1835 folgende Quellenbestände: ANB, MG (1835), Nr. 3, Bd. 85. ANB, MG (1835–1836), Bd. 288 Nr. 1 AA (Cuaderno de Ordenes Generales. Años 1835–1836). ANB, MG (1835), Nr. 26, Bd. 79. ANB, MG (1836), Nr. 2, Bd. 86. ANB, MG Bd. 3 Nr. 34 AA. ANB,

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Während seiner neuen Tätigkeit stand Braun mit seinen Ministerkollegen im Innen- und Finanzministerium, also Mariano Enrique Calvo und José María de Lara, in engem Kontakt.925 Am 25. Juli 1835, knapp einen Monat nach seiner Ernennung, berief ihn der Ministerrat von seinem Amt ab und entsandte Braun als Brigadegeneral ins Hauptquartier der bolivianischen Expeditionsarmee nach Peru.926 Der Präsident hatte Braun gegenüber schon eine Woche nach seiner Ernennung zum Minister geäußert, er wünsche ihn aufgrund seiner militärischen Fähigkeiten an seiner Seite.927 Brauns Aufgabe, die nachrückenden Armeeeinheiten als Nachhut der Expeditionsarmee zu organisieren, führte jedoch zu einer Verzögerung.928 Mitte Juli 1835 wurden die Bitten von Santa Cruz immer drängender, da es diesem auf dem Feldzug an vertrauenswürdigen Mitstreitern mangelte. Daher sollten sich Braun und andere, wie etwa Francisco Burdett O’Connor, schnell zu Santa Cruz begeben. Am 29. Juli 1835 traf Braun im Hauptquartier der bolivianischen Armee in Puno bei Santa Cruz ein – wie dieser sichtlich erleichtert dem Vizepräsidenten Calvo mitteilte.929

General im peruanischen Bürgerkrieg 1835–1836 Als Otto Philipp Braun La Paz und das Kriegsministerium verließ, endete für ihn eine fast fünf Jahre lange Etappe ausgedehnter Verwaltungstätigkeit. Mit dem Überschreiten des Grenzfluss Desaguadero wandelten sich seine Aufgaben und seine Lebensrealität grundlegend. Das erste Mal seit der Schlacht von Tarqui im peruanisch-großkolumbianischen Krieg Anfang des Jahres 1829 nahm Braun nun wieder an militärischen Auseinandersetzungen teil. Nachdem Braun im Hauptquartier der bolivianischen Expeditionsarmee in Puno Ende Juli 1835 eingetroffen war, übernahm er den Befehl über die gesamte Kavallerie. Mit dieser nahm er auch an der Schlacht von Yanacocha teil. Nachdem in der Region um Puno alle Einheiten aus Bolivien und die wenigen Truppen des peruanischen Präsidenten Orbegoso

925 926 927 928 929

MG (1836), Nr. 16, Bd. 86. ANB, MRE Bol-Perú (1835), Bd. 1 Nr. 49. ANB, MI (1835), Bd. 52 Nr. 15. ANB, MG (1835), Nr. 18, Bd. 79. 20.07.1835 Chuquisaca. Aussage von Alfarez Carlos, in: ANB, MG (1835), Nr. 26, Bd. 79. Schon Jahre zuvor hatte Santa Cruz Braun immer wieder dazu angehalten: 27.10.1832 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 163. Siehe hierfür etwa den Quellenbestand: ANB, MI (1835) Bd. 52 Nr. 15. 25.07.1835 La Paz. Dekret des regierenden Ministerrates, unterzeichnet von Lara/ Braun/Calvo, in: ANB, MG (1836), Nr. 2, Bd. 86. 01.07.1835 Puno. Santa Cruz an Braun, in: Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 4, 1991,S. 122f. 22.07.1835 Puno. Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 152f. 28.07.1835 Puno. Santa Cruz an Calvo, in: Ebd., S. 163ff. 30.07.1835 Puno. Santa Cruz an Calvo, in: Ebd., S. 163ff.

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eingetroffen waren, marschierte die „Vereinigte Armee“, wie sie sich jetzt nannte, dem inzwischen von Santa Cruz abgefallenen Agustín Gamarra Richtung Cuzco entgegen. Dieser hatte seinerseits die alte Inkastadt verlassen und nahm Kurs auf die Vereinigte Armee. Bei Yanacocha trafen am 13. August 1835 die beiden Heere aufeinander. Gamarra verfügte über 4.000 Soldaten sowie 6.000 leicht bewaffnete indigene Bauern. Santa Cruz konnte derweil auf 5.000 bolivianische und 1.000 peruanische Soldaten zurückgreifen. Otto Philipp Braun kommandierte in dieser Schlacht die Vereinigte Kavallerie. Es war dann auch der unter Brauns Befehl stehende Truppenteil, der mit einem Angriff auf die linke Flanke der Armee von General Gamarra die Schlacht eröffnete. Sie dauerte knapp zweieinhalb Stunden und endete mit einer vernichtenden Niederlage des peruanischen Generals. Dabei blieben über 1.500 Tote und 2.000 Verletzte auf dem Schlachtfeld. In der Folge löste sich fast die gesamte Armee des

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Gegners auf – bis auf zwei Kavallerieschwadronen, die Braun allerdings bis nach Cuzco verfolgte, sie dort stellte und vernichtete.930 Einen Tag nach der Schlacht 930 Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 335ff. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 292ff. Díaz Arguedas, Fastos militares de

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beförderte Santa Cruz Otto Philipp Braun ebenso wie Ramón Herrera zum Divisionsgeneral. Einige Coronels, wie etwa Ballivián und Morán, wurden Brigadegeneräle. Darüber hinaus ernannte Santa Cruz die Beteiligten der Schlacht zu „Siegern von Yanacocha“ und zeichnete die Generäle mit Brillanten verzierten Orden aus.931 Mit diesen neuen Ehren geschmückt, zog Braun gemeinsam mit Santa Cruz und dem siegreichen Heer in Cuzco ein. Dort blieb Braun einige ­Wochen.932 Dann beauftragte Präsident Santa Cruz Braun damit, nach La Paz zu reisen und dem Vizepräsidenten Calvo mündlich alle politischen und militärischen Details des Feldzuges – vor allem Geheiminformationen, die man nicht schriftlich übermitteln wollte – mitzuteilen. Darüber hinaus war es seine Aufgabe, sich um die dringend benötigten Geldmittel zur Finanzierung des Feldzuges und den ins Stocken geratenen Nachschub zu kümmern.933 Braun wurde mit diesem Auftrag die Ehre zuteil, als erster Repräsentant der Sieger von Yanacocha in La Paz einzuziehen – und entsprechend willkommen geheißen zu werden.934 Nach einem kurzen Aufenthalt sollte Braun aber so schnell wie möglich ins Hauptquartier zurückkehren, um dem Präsidenten Bericht zu erstatten und anschließend in Tacna den Befehl über die dorthin abkommandierten Einheiten zu übernehmen.935 Doch Brauns Mission in La Paz verlängerte sich immer wieder, sodass er sich Anfang Oktober 1835 noch immer dort aufhielt.936 Erst Mitte des Monats erreichte Braun das peruanische Tacna und übernahm als Kommandierender General der Kavallerie den Befehl über die dort stationierten Kavallerieeinheiten.937 Das Hauptquartier der Vereinigten Armee befand sich derweil weit entfernt in Ayacucho.938 Neben der Organisation der Verteidigung der Region Tacna verantwortete Braun auch die Bewachung des Generals und späteren peruanischen Präsiden-

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Bolivia, 1943, S. 160ff. Ochoa, La Confederación Perú-Boliviana, 1936, S. 65ff. Wilde Cavero, Historia Militar de Bolivia, 1963, S. 80ff. Siehe: 18.08.1835 La Paz. Rundschreiben und Siegesmeldung, unterschrieben von José Manuel del Castillo/ Santa Cruz, in: Archivo Histórico Casa de la Libertad (Sucre). Serie: C-2.2.4 0391. Altmann, Otto Philipp Braun, 2000, S. 85. Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 72f. Nölle, La vida de Otto Felipe Braun, 1969, S. 56. 06.09.1835 Cuzco. Liste für die Truppenabnahme, unterschrieben von Braun, in: ANB, MG (1835), Nr. 43, Bd. 85. 18.09.1835 Lampa. Santa Cruz an Calvo, in: Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 4, 1991, S. 208f. 22.09.1835 Puno. Santa Cruz an Ramón Herrera, in: Ebd., S. 219f. 03.10.1835 Arequipa. Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 227ff. 17.09.1835 Cuzco. Nr. 46. Velasco an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1835), Nr. 3, Bd. 85. 18.09.1835 Lampa. Santa Cruz an Calvo, in: Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 4, 1991, S. 208f. 12.10.1835 Arequipa. Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 242f. 18.10.1835 Tacna. Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1835), Nr. 5, Bd. 78. 18.10.1835 Tacna. Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1835), Nr. 43, Bd. 85.

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ten Ramón Castilla, der zuvor in die Hände der Vereinigten Armee gefallen war. Dieser hatte Braun gebeten, seinen Aufenthalt im Gefängnis der Stadt, wo er bis zu seiner Verbringung nach Bolivien festgehalten wurde, in eine etwas komfortablere Ehrenhaft im Haus eines britischen Kaufmanns umzuwandeln. Nachdem Castilla und der Kaufmann ihr Ehrenwort gegeben hatten, erfüllte Braun dem politischen und militärischen Gegner seine Bitte. Eine solche Geste war unter den sich als Ehrenmänner verstehenden Militärs dieser Zeit nicht unüblich – zumal die beiden sich als Akteure auf Augenhöhe kannten.939 Castilla jedoch nutzte die Gunst der Stunde, kletterte über eine Mauer und floh nach Arica, von wo aus er sich wieder den Gegnern anschloss.940

Feldzug gegen Salaverry: Kommandierender General der bolivianischen Kavallerie 1835 Insgesamt war Brauns Anwesenheit in Südperu dringend geboten. Der Sieg ­gegen Gamarra hatte zwar einen wichtigen Gegner neutralisiert, mit General Salaverry stand in Lima jedoch ein weiterer Widersacher bereit. Salaverry verfügte nicht nur über eine umfangreiche Landstreitmacht, sondern beherrschte mit der peruanischen Marine auch die Küste. Salaverry nutzte diesen Vorteil und landete im südlichen Peru. Nach einigen Manövern und Scharmützeln zog er Anfang Dezember 1835 Richtung Arequipa, wo sich Braun mit seinen Truppen seit dem 20. Oktober aufhielt.941 Braun bereitete nicht nur die in der Nähe befindliche, zahlenmäßig weit überlegene Armee von General Salaverry Sorgen, sondern vor allem die Moral seiner eigenen Truppen, da in Ermangelung ausreichender Geldmittel Soldzahlungen ausstanden.942 Er schätze die Disziplin und Moral aufgrund der akuten Bedrohungslage, ausbleibender Verstärkung und fehlenden Soldes als sehr instabil ein.943 Als Santa Cruz Braun Anfang November mehrmals ermahnte, so schnell wie möglich zu ihm ins Hauptquartier der Vereinigten Armee nach 939 09.07.1834 Puno. Castilla an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 224. 940 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 337. 06.11.1835 Castilla an Domingo Nieto, in: Instituto Libertador Ramón Castilla, Archivo Castilla, Bd. 3, 1961, S. 69. 941 Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd. 1, 1931, S. 337ff. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 299ff. Ochoa, La Confederación Perú-Boliviana, 1936, S. 67ff. Wilde Cavero, Historia Militar de Bolivia, 1963, S. 88. 29.10.1835 Arequipa. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p70/36). 942 02.11.1835 Arequipa. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p71/36). 06.11.1835 Arequipa. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p72/37). 943 02.11.1835 Arequipa. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p71/36). 06.11.1835 Arequipa. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p72/37).

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Ayacucho zu stoßen, da er jeden Moment die entscheidende Schlacht erwartete, zögerte Braun aufgrund der oben genannten Gründe lange. Als sich die Situation bei Santa Cruz zuzuspitzen drohte, schrieb Braun, dass er am nächsten Tag aufbrechen werde. Dabei fragte Braun den Präsidenten rhetorisch: „Wäre es möglich, dass ich nicht an der glorreichen Schlacht gegen Salaverry teilnähme? Nein, mein verehrter General, ich werde Gewaltmärsche unternehmen und Sie erreichen, auch wenn es auf einem Lastenmaultier ist. Denn nicht an etwas so Glorreichem teilzunehmen, wäre undenkbar. […] Ich bitte Gott darum, dass er mir ausreichend Zeit gewährt, eine Viertelstunde vor der Schlacht bei Ihnen anzukommen.“944

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Kommandierender General der Süd-Armee und Militärkommandeur der Departements Puno und Arequipa Letztlich kam es jedoch nicht dazu, da es sich bei den sich dem Hauptquartier von Santa Cruz nähernden feindlichen Einheiten nur um ein kleineres Streifkorps 944 12.11.1835 Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p76/39).

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handelte. Folglich blieb Braun in Arequipa. Am 23. November 1835 ernannte Santa Cruz, der inzwischen den Süden als potenziellen Angriffspunkt Salaverrys identifiziert hatte, Braun zum Militärchef der gesamten Süd-Armee und Militärkommandeur der Departements Puno und Arequipa.945 Hier entfaltete Braun jedoch keine reguläre administrative Tätigkeit, sondern widmete sich vollauf der militärischen Verteidigung dieses Gebietes. Hierfür erhielt Braun von Santa Cruz völlig freie Hand. Santa Cruz betonte immer wieder, dass allein das Resultat der Verteidigung des Südens zähle. Auf keinen Fall dürfe Braun Milde walten lassen und solle die 3.500 unter seinem Befehl stehenden Soldaten (davon 1.000 Kavalleristen)946 mit aller Entschlossenheit einsetzen.947 Darüber hinaus solle er mit seiner Kavallerie den auf ihn zukommenden Einheiten immer wieder durch Guerillaangriffe gezielte Nadelstiche versetzen.948 Braun schien seine Arbeit gut zu machen, da ihn Santa Cruz vor dem peruanischen Präsidenten für seine Verteidigungsanstrengungen Mitte Dezember 1835 explizit lobte.949 Als jedoch ab dem 19. Dezember klar wurde, dass Braun wohl allein gegen die gesamte Armee von Salaverry werde antreten müssen, da sich die lange versprochene Verstärkung immer wieder verzögerte, schlug Santa Cruz vor, dass Braun sich im Notfall zurückziehen und die Süd-Armee vor der Vernichtung retten sollte.950 Am 27. Dezember 1835 rückte Braun daher aus Arequipa ab und ermöglichte auf diese Weise die kampflose Einnahme der Stadt durch die Armee Salaverrys drei Tage später.951 Zwar verlor Braun weder Kriegsgerät noch Soldaten, sondern konnte in kleine945 22.11.1835 Ayacucho. Santa Cruz an den Präsidenten Perus, Luis José de Orbegoso, in: Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 4, 1991, S. 264f. 23.11.1835 Guamanga. Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 266ff. 23.11.1835 Ayacucho. Santa Cruz an Miguel María de Aguirre, in: Ebd., S. 268f. 23.11.1835 Ayacucho. Ramón Herrera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 288. 17.12.1835 Arequipa. Nr. 1, Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1835), Nr. 5, Bd. 78. 20.12.1835 Arequipa. Nr. 2, Braun an den Kriegsminister, 2p, in: Ebd. 946 17.12.1835 Cuzco. Santa Cruz an Vizepräsident Calvo, in: Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 4, 1991, S. 298ff. 947 23.11.1835 Guamanga. Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 266ff. 27.11.1835 Ayacucho. Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 271ff. 948 03.12.1835 Ayacucho. Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 281f. 949 11.12.1835 Ayacucho. Santa Cruz an Anselmo Quirós, in: Ebd., S. 291f. 17.12.1835 Cuzco. Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 296f. 18.12.1835 Puno. Santa Cruz an ­Orbegoso, in: Ebd., S. 301ff. 950 19.12.1835 Cuzco. Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 305f. 20.12.1835 Arequipa. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p86/44v). 26.12.1835 Sicuani. Blas Cerdeña an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 306. Dies teilte Santa Cruz auch anderen mit: 29.12.1835 Ayaviri. Santa Cruz an Calvo, in: Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 4, 1991,S. 327f. 26.12.1835 Sicuani. Santa Cruz an Calvo, in: Ebd., S. 321f. 951 26.12.1835 Arequipa. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p91/47).

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ren Gefechten Gefangene machen und Ausrüstung erbeuten sowie den Großteil der Bevölkerung zur Flucht bewegen, doch dem sieggewohnten Braun fiel dieser wenig ehrenhafte Rückzug sichtlich schwer.952 Dies zeigt unter anderem ein Brief an Santa Cruz: „Es schmerzt mich außerordentlich, dass ein Einfaltspinsel wie Salaverry diese Stadt einnimmt – und mich zu einem Rückzug zwingt. Aber mit der Hilfe Gottes werde ich mich schon innerhalb weniger Tage rächen.“953 Braun sollte mit seiner Zuversicht, sich innerhalb weniger Tage bei Salaverry revanchieren zu können, nicht ganz recht behalten. Denn bis zur Entscheidungsschlacht vergingen noch mehrere Wochen.

Generalstabschef der Vereinigten Armeen Vom 1. bis 21. Januar 1836 harrte Braun mit seinen Einheiten in der Gegend um Torato aus.954 Das dortige Gelände ermöglichte es ihm, sich gegen die übermächtige Armee des Gegners zumindest zu verteidigen.955 Der nach Puno herbeigeeilte Santa Cruz betonte dabei immer wieder: „Und wenn er [Salaverry, Anm. RK] über Sie herfällt, dann leisten Sie energischen Widerstand, bis ich Sie erreiche. Ich werde Ihnen fliegend zu Hilfe eilen.“956 Doch hierzu kam es lange Zeit nicht, da Santa Cruz in Puno abwartete, welchen Schritt Salaverry als Nächstes unternehmen würde. Braun befand sich derweil in der prekären Situation, ständig von einem übermächtigen Heer bedroht zu sein.957 Braun 952 07.01.1836 Puno. Braun an den Außenminister, in: ANB, MRE Bol-Perú (1836) Bd. 2 Nr. 1. 953 Braun rechtfertigte seinen mit Santa Cruz abgesprochenen Rückzug auch später noch. Dabei beteuerte er, dass er sich der Vorhut von Salaverry durchaus gestellt hätte, wenn er nur die Hoffnung auf Verstärkung hätte haben können. So aber sei die Gefahr, die strategisch günstige Verteidigungslinie in Torata zu verlieren und die Armee der Vernichtung preiszugeben, zu hoch gewesen. 25.12.1835 Arequipa. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p88/45v). 03.01.1836 Torata. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p97/50). 954 Dies geht hervor aus: 02.01.1836 Moquegua. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p96/49v). 03.01.1836 Torata. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p97/50). 21.01.1836 Torata. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p112/57v). Siehe hierzu auch die kompletten Ausgangsabschriften Brauns vom Januar 1836 in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p96ff/49vff ). 955 26.12.1835 Arequipa. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p91/47). 956 30.12.1835 Lampa. Santa Cruz an Braun, in: Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 4, 1991, S. 334ff. 957 Braun selbst verfügte über nominell 3.435, abzüglich der Kranken und Gefallenen 2.858 Soldaten. Über 300 Soldaten waren krank und über 30 bei kleineren Gefechten gefallen: 14.01.1836 Torata. Aufstellung der verfügbaren Kräfte, unterzeichnet von Manuel Rodríguez Magariños (Generalstab), in: Archiv Braun, Bd. 307.

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plädierte daher immer wieder für eine Vereinigung der A ­ rmee von Santa Cruz in Puno und seinen eigenen Einheiten, um gemeinsam Salaverry zu schlagen.958 Mitte Januar 1836 drängte Braun Santa Cruz immer energischer dazu. Denn Braun, der durch ein dichtes Netz an Spionen über die Bewegungen und Absichten der Armee Salaverrys informiert war, befürchtete, dass dieser sich aus Arequipa zurückziehen und über das Meer nach Norden absetzen könne, ohne sich einer Entscheidungsschlacht gestellt zu haben.959 Santa Cruz setzte nun seine Einheiten in Bewegung. Nachdem sich diese mit denen Brauns vereinigt hatten, besetzte die Vereinigte Armee am 30. Januar 1836 Arequipa. Im Zuge dieser Operation kam es an einer zentralen Brücke zu einem blutigen Kampf zwischen Einheiten von Santa Cruz und Salaverry. Unter den Verletzten befand sich auch José Ballivián.960 Von ihm hatte Otto Philipp Braun am 31. Januar 1836 den Befehl über den Generalstab übernommen, den er bis zum 6. März 1836 ausübte.961 Neben einigen Verwaltungsaufgaben bereitete Braun vor allem die anstehende Entscheidungsschlacht vor. Braun nahm dann auch in seiner Funktion als Generalstabschef an der Seite des Oberkommandierenden Andrés de Santa Cruz an der Schlacht von Socabaya teil. Neben der strategischen Verantwortung kommandierte Braun am 7. Februar 1836 persönlich die Kavallerie der Vereinigten Armee. Zu Beginn der dreistündigen Schlacht gelang es Einheiten des Generals Salaverry mehrere Male, in die Infanterielinien des Gegners Lücken zu schlagen und die Infanterie teilweise zurückzudrängen. Es war dann Otto Philipp Braun, der mit Reserveeinheiten 958 04.01.1836 Moquegua. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p101/52). 07.01.1836 Moquegua. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p103/52v). 15.01.1836 Torata. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p106/55). 16.01.1836 Torata. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p108/56). 959 16.01.1836 Torata. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p108/56). 960 José Ballivián verletzte sich erst am 4. Februar 1836. Aus den Quellen des Kriegsministeriums geht hervor, dass Braun schon am 31. Januar 1836 Chef des Generalstabes wurde. Daher muss die bisherige Behauptung, Braun hätte nach der Verletzung Balliviáns dessen Posten übernommen, revidiert werden. Braun muss aus einem – heute nicht mehr rekonstruierbaren – anderen Grund vor dem Gefecht von Uchumayo zum Generalstabschef ernannt worden sein. Siehe hierzu ganz konkret: 31.01.1836 Arequipa. Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1836), Nr. 10, Bd. 92. 31.01.1836 Arequipa. Braun an den Präfekten und Kommandanten von Cuzco, in: Nachlass Sieghart von Pawel-Rammingen (Privatbesitz der Familie Pawel-Rammingen, Bonn) sowie allgemein den Quellenbestand: ANB, MG (1836), Nr. 10, Bd. 92. Ferner: Diaz, Historia del Ejercito de Bolivia, 1940, S. 46f. 961 06.03.1836 Arequipa. Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1836), Nr. 10, Bd. 92. 06.03.1836 Puno. O‘Connor an den Kriegsminister, in: Ebd. Ferner: Basadre y Chocano, Diez años, 1953, S. 39. Ochoa, La Confederación Perú-Boliviana, 1936, S. 69f.

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und einigen defensiven Manövern die Reihen wieder schloss. Anschließend ging Braun zur Offensive über und überfiel in einem Überraschungsangriff die rechte Flanke des Gegners. Als Salaverry entdeckte, dass Braun seine dortigen Grenadiere fast vernichtet hatte, führte Salaverry persönlich einen Gegenangriff an und schlug Braun und seine Reiter zurück. Nach dieser Aktion schien Salaverry die Schlacht für sich zu entscheiden. Dann gerieten jedoch einige seiner Einheiten aufgrund bolivianischen Infanteriefeuers und einer Lücke in der Kampfformation in Panik, wodurch sich diese noch weiter auflöste. Als Braun dies sah, versammelte er einige verstreute Kavalleristen und griff die besagten Einheiten an und schlug damit die gesamte Armee in die Flucht.962 Francisco Burdett O’Connor, der als General an der Schlacht aufseiten von Santa Cruz teilgenommen hatte, hielt anschließend fest: „Man kann sagen, dass der Kavallerieangriff des Generals Braun […] die Schlacht entschied.“963 Dabei betonte O’Connor, dass der seiner Meinung nach operativ-militärisch wenig begabte Santa Cruz nahezu keinen Einfluss auf den Ausgang der Schlacht hatte, auch wenn offizielle Veröffentlichungen dies behaupteten. O’Connor schrieb: „Die Wahrheit ist, dass General Braun allein befehligte und letztlich die Schlacht von Socabaya gewann.“964 Braun selbst gab sich bescheidener. In einem Schreiben an Santa Cruz betonte er, dass er weiterhin „das patriotische Leben, den Ruhm und die Würde des ehrenhaften Siegers von Yanacocha und Socabaya“965 – gemeint war Santa Cruz – verteidigen werde. Santa Cruz seinerseits schrieb Braun den Sieg von Socabaya zwar offiziell nicht zu – im Gegensatz etwa zu Brauns Vorgesetztem Necochea nach der Schlacht von Junín – sondern beanspruchte ihn als Oberbefehlshaber selbst. Santa Cruz überschüttete Braun jedoch mit Ehrerbietungen. Beispielsweise ließ er im April 1836 Braun zum General von Peru ernennen.966 Diese im Übrigen auch monetär einträgliche Ehre wurde außer ihm nur noch Herrera, O’Connor, Ballivián und Aviles zuteil. Im Mai 1836 übergab Santa Cruz Braun den ersten von drei Ehrensäbeln „für die drei Mutigsten, die sich in dem […] Feldzug und in der Schlacht am meisten 962 Basadre y Chocano, Diez años, 1953, S. 40ff. Dellepiane, Historia Militar del Peru, Bd.1, 1931, S.  344ff. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 301ff. Díaz Arguedas, Fastos militares de Bolivia, 1943, S. 171ff. Martínez Zuviría, Mariano Necochea, 1969. S. 460f. Ochoa, La Confederación Perú-Boliviana, 1936, S. 69ff. Wilde Cavero, Historia Militar de Bolivia, 1963, S. 88ff. 963 Weiter merkt O’Connor an, dass, wenn der spanische General Canterac dieselbe Taktik in der Schlacht von Junín gewählt hätte, Braun wohl nicht an der Schlacht von Socabaya teilgenommen hätte: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 350. 964 Ebd., S. 353. Selbst Julio Díaz Arguedas, der die Rolle von Santa Cruz hervorzuheben sucht, erkennt Brauns taktisch-operatives Handeln eine schlachtentscheidende Bedeutung zu. Siehe: Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 303, 305. 965 13.08.1836 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p119/61). 966 23.04.1836 La Paz. Andrés María Torrico an den Außenminister, in: ANB, MRE Bol-Perú (1836) Bd. 2 Nr. 1.

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auszeichneten“967. Dabei wurde Braun nicht nur als Erster erwähnt und als Erster bedacht, sondern ganz explizit beschrieben, wie er als Kommandierender General der Süd-Armee das feindliche Heer so lange band, bis sich die verstreuten Truppenteile zu einer Gesamtarmee vereinigen konnten. Darüber hinaus wurde Braun ausgezeichnet, weil „er sich als Generalstabschef in der Schlacht von Socabaya herausragend verhielt“968. Mit diesen ehrenhaften Auszeichnungen drückte Santa Cruz wohl einem seiner wichtigsten Generäle seine Wertschätzung offiziell aus. Innerhalb des Offizierskorps und der Mitstreiter von Santa Cruz wurde Brauns Position mit diesen Auszeichnungen gestärkt.969 Andrés María Torrico, eigentlich Innenminister, aber zu diesem Zeitpunkt Sekretär von Santa Cruz, äußerte gegenüber Braun: „In der Militärgeschichte hat es […] wohl noch nie eine so noble und glorreiche Auszeichnung gegeben wie diese. Ihre Erfindung war dem Befrieder Perus [Andrés de Santa Cruz, Anm. RK] vorbehalten, um sie Ihnen vor Peru und Bolivien, als Bewunderern und Zeugen Ihres Mutes, als einem der drei Wertvollsten der Wertvollen im Befriedungsheer von Peru zu übergeben.“970 Auch wenn diese schmeichelnden Worte nicht überschätzt werden sollten, dürfen sie als Hinweis auf die Bedeutung Brauns in der Administration von Santa Cruz gewertet werden.

Machtkämpfe und Ämterwechsel in der Zwischenkriegszeit 1836–1837 Neben neuen Ehren, Orden und Titeln hatte Brauns erfolgreiches Engagement auf dem Feldzug in Peru auch handfeste politische Konsequenzen. Santa Cruz bezog Otto Philipp Braun systematisch in die politische Gestaltung der peruanischen und bolivianischen Nachkriegsordnung mit ein, indem er ihm eine Reihe hochrangiger administrativer, politischer und militärischer Aufgaben übertrug. In der chaotischen Nachkriegszeit kam es dabei zu Kompetenzüberschneidungen und Ämterhäufungen. Nachdem Braun ab Januar 1836 den Generalstab der Vereinigten Armee als Chef geleitet hatte, berief ihn Santa Cruz am 967 30.05.1836 Dekret von Santa Cruz, in: Archivo de la Excelentísima Corte Suprema de Justicia de la Nación, Collec. An. 1836, Serie: Colección anuarios administrativos de Bolivia. Siehe zum Ehrensäbel auch: 23.06.1836 Cuzco. Torrico an Braun, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 76. 968 30.05.1836 Dekret von Santa Cruz, in: Archivo de la Excelentísima Corte Suprema de Justicia de la Nación, Collec. An. 1836, Serie: Colección anuarios administrativos de Bolivia. 969 Beispielsweise erhielt Braun Glückwünsche, etwa am 26.08.1836 Cochabamba. Miguel María de Aguirre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 339. 970 23.06.1836 Cuzco. Torrico an Braun, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 76.

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6. März 1836 von diesem Posten ab. Francisco Burdett O’Connor wurde sein Nachfolger, während Santa Cruz Braun zum „Oberbefehlshaber der zwischen Oruro und Cuzco befindlichen Truppen, inklusive der Einheiten in Tacna“, ernannte.971 Am 11. Mai 1836 berief Santa Cruz Braun darüber hinaus zum bolivianischen Kriegsminister.972 Da ihn der Vizepräsident Calvo jedoch zwei Wochen später zum Präfekten von La Paz ernannte, führte der Staatssekretär ­Sebastián Ágreda die eigentlichen Amtsgeschäfte des Ministeriums.973 Neben der Präfektur leitete Braun auch die Militärkommandantur des Departements von La Paz.974 Im Oktober 1836 endete Brauns Funktion als Oberbefehlshaber der zwischen Oruro und Cuzco befindlichen Truppen und Santa Cruz ernannte ihn zum Obersten Militärchef des Süddistriktes.975 Im Dezember 1836 ernannte Santa Cruz Braun darüber hinaus zum Obersten Militärkommandeur der gesamten Republik Bolivien.976 Die folgenden Abschnitte zeigen, dass Braun mit seinen Ämtern als Kriegsminister, Präfekt und Militärkommandeur von La Paz, Oberbefehlshaber des peruanisch-bolivianischen Süddistriktes und Oberster Militärkommandeur von ganz Bolivien über eine erhebliche politische und militärische Macht verfügte.

Generalstabschef der Vereinigten Armee Januar bis März 1836 Vor der Schlacht von Socabaya war es Brauns Aufgabe als Generalstabschef gewesen, einerseits den Nachschub der Armee zu garantieren und andererseits den entscheidenden Schlag gegen das Heer von Salaverry vorzubereiten.977 Nach 971 06.03.1836 Arequipa. Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1836), Nr. 10, Bd. 92. 06.03.1836 Puno. O‘Connor an den Kriegsminister, in: Ebd. Der bolivianische Vizepräsident ratifizierte die Ernennung am 19.05.1836: 19.05.1836 La Paz. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 972 11.05.1836 Sicasica. Dekret, unterzeichnet von Calvo, in: Archiv Braun, Bd. 317. Nur in Ausnahmefällen nahm Braun das Amt selbst wahr und unterzeichnete offizielle Korrespondenz als Kriegsminister, etwa: 27.06.1836 Cochabamba. Braun an den Finanzminister, in: ANB, MH, Bd. 52 Nr. 7. 973 26.05.1836 La Paz. Nr. 57, Braun an den Innen- und den Außenminister, in: ANB, MRE Bol-Perú (1835), Bd. 1 Nr. 43. Siehe auch: 14.07.1836 Cochabamba. Dekret, unterzeichnet von Calvo, in: ANB, MG (1836), Nr. 2, Bd. 86. 974 Dies geht hervor aus: 08.08.1836 La Paz. Nr. 116, Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1836), Nr. 30, Bd. 87. 975 Süd-Distrikt: 05.11.1836 La Paz. Finanzhaushalt, unterzeichnet von Olazaval/ Braun, in: ANB, MG (1836), Nr. 59, Bd. 92. 976 05.12.1836 Nicolas Dorado an den Kriegsminister. Nr. 129, in: ANB, MG (1836), Nr. 28, Bd. 89. 977 Zur Funktion Brauns als Generalstabschef siehe die Quellenbestände: ANB, MG (1836), Nr. 10, Bd. 92. Archivo General de la Nación (Lima, Peru). Archivo Re-

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dem Sieg von Socabaya verschob sich dieser Fokus, da Braun sich in seinem Hauptquartier in Arequipa nun vornehmlich um die Abwicklung des Feldzuges, eine teilweise Demobilisierung, die teilweise Entlassung von Kriegsgefangenen978 und die Bewältigung der Folgen des Feldzuges, wie die Anträge von Soldaten, Witwen und Müttern auf Gratifikationen, Invaliden- oder Witwenrenten, kümmerte.979 Darüber hinaus begleitete Braun die politische Neuordnung vor und hinter den Kulissen.980

Oberbefehlshaber der zwischen Oruro und Cuzco befindlichen Truppen, inklusive der Einheiten in Tacna März bis Oktober 1836 Santa Cruz entsandte Braun im März 1836 nach La Paz, wo dieser als Oberbefehlshaber der zwischen Oruro und Cuzco befindlichen Truppen, inklusive der Einheiten in Tacna, wirkte.981 Braun konnte diese grenzüberschreitende Tätigkeit jedoch erst am 19. Mai 1836 aufnehmen, nachdem Vizepräsident Calvo die Ernennung gegengezeichnet hatte.982 Braun stand nun vor der immensen Aufgabe, das über 1.100 Kilometer lange und mehrere Hundert Kilometer breite Gebiet von La Paz aus zu steuern. Ein wichtiger ­Aspekt seiner Tätigkeit war die Verwaltung der unter seinem Befehl stehenden M ­ ilitäreinheiten, also die Ausrüstung und Verlegung von Truppen,983 die Aufnahme neuer Kadetten,984 die Entlassung von Invaliden,985 die Inspektion von Truppenteilen,986 die Beset-

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publicano (Palacio de Justicia). Colección Santa Maria. Ministerio de Hacienda y Comercio. Archivo Histórico. 22.02.1836 Arequipa. Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1836), Nr. 10, Bd. 92. 05.03.1836 Arequipa. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 03.03.1836 Arequipa. Braun an den Kriegsminister, in: MG 1836 Nr. 10 Bd. 92. 12.02.1836 Arequipa. Nr. 1. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 13.02.1836 ­Arequipa. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 06.03.1836 Arequipa. Braun an den Kriegsminister, 2p, in: Ebd. 06.03.1836 Puno. O‘Connor an den Kriegsminister, in: Ebd. Der bolivianische Vizepräsident ratifizierte die Ernennung am 19. Mai: 19.05.1836 La Paz. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 19.05.1836 La Paz. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 03.06.1836 La Paz. Braun an den Sekretär des Vizepräsidenten und Kriegsministers (I), in: Ebd. 18.09.1836 La Paz. Braun an das Kriegsministerium, in: Ebd. 03.06.1836 La Paz. Braun an den Sekretär des Vizepräsidenten und Kriegsministers (II), in: Ebd. 10.08.1836 La Paz. Braun an das Kriegsministerium, in: Ebd. 17.08.1836 La Paz. Braun an das Kriegsministerium, in: Ebd. Braun reiste auch selbst umher, etwa nach Cochabamba und Oruro, um Truppen zu inspizieren. Siehe etwa: 12.09.1836 La Paz. Braun an das Kriegsministerium, in: Ebd.

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zung von militärischen Posten,987 die Ausbezahlung von Gratifikationen,988 die Kontrolle und das Management der Finanzen989 und die Führung von Kriegsgerichtsverfahren.990 Dabei gilt es zu betonen, dass Brauns Aufgabe weit über diese administrative Dimension hinausging. Brauns Hauptaufgabe neben der Verwaltung des unter seinem Befehl stehenden militärischen Bereichs war es, die öffentliche Ruhe und Ordnung in seinem Territorium aufrechtzuerhalten. Hierfür erhielt er von Santa Cruz, dem er offiziell unterstand, freie Hand. Braun erhielt die Vollmacht, nach seinem Ermessen Einheiten zu verlegen – und auch bolivianische Truppen ohne Zustimmung des regierenden Vizepräsidenten Calvo außerhalb der Republik einzusetzen. Darüber hinaus unterstanden die Präfekten und Militärkommandeure von Oruro und La Paz nicht mehr der Autorität des Vizepräsidenten, sondern dem Befehl Brauns. Dies unterstreicht noch einmal die Machtfülle Brauns.991 Dabei war Brauns Mission heikel. Santa Cruz formte die politische Nachkriegsordnung in Bolivien und Peru und bereitete die von ihm anvisierte peruanisch-bolivianische Konföderation vor. Nicht jeder Akteur im von Braun befehligten Gebiet unterstützte dieses Vorhaben vorbehaltlos. Daher war es Brauns Aufgabe, mögliche Opposition gegen das politische Projekt auszuschalten und Santa Cruz politisch und militärisch den Rücken freizuhalten.992 Dies zeigt, dass Braun einer von Santa Cruz‘ engsten Vertrauten und dessen unmittelbarer Vertreter in Bolivien war – noch vor dem eigentlich regierenden Vizepräsidenten Mariano Enrique Calvo. Dieser besaß jedoch nicht mehr das Vertrauen von Santa Cruz.993 Vor dem Hintergrund der nach dem Feldzug in Peru übertragenen Ämter wird deutlich, dass Braun durch seine militärischen Leistungen und seine politische L ­ oyalität seine Rolle im Vergleich zu seiner bescheidenden Bedeutung als einfacher Kavalleriegeneral in Cochabamba Anfang der 1830er Jahre deutlich ausbauen konnte. Das zeigt auch die Tatsache, dass Braun als Vertreter der Exekutive 987 03.09.1836 La Paz. Braun an das Kriegsministerium (I), in: Ebd. 988 13.08.1836 Cocachara. Pío de Tristán an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 337. 03.09.1836 La Paz. Braun an das Kriegsministerium (II), in: ANB, MG (1836), Nr. 10, Bd. 92. 989 04.09.1836 La Paz. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 990 18.10.1836 La Paz. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 991 06.05.1836 Puno. O‘Connor (Generalstabschef ) an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 314. 11.05.1836 SicasicaJosé Ignacio Sanjinés (Kriegsministerium) an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 318. 21.06.1836 Cuzco. O‘Connor an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 324. 27.10.1836 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 371. 992 11.11.1836 Lima. Santa Cruz an Casimiro Olañeta, in: Sotomayor Valdés, Campaña del ejército chileno, 1896, S. 235. 993 Dies geht hervor aus: 04.11.1836 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p135/69). 19.11.1836 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p138/70v).

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Dekrete des bolivianischen Kongresses gegenzeichnete.994 Auf diesem Weg lässt sich auch feststellen, dass Braun beim außerordentlichen bolivianischen Kongress von Tapacarí, der von bolivianischer Seite den Weg für die peruanisch-bolivianische Konföderation ebnete, anwesend war.995 Vor dem Hintergrund der Widerstände innerhalb des bolivianischen Establishments gegen die von Santa Cruz anvisierte Konföderation sollte die politische Bedeutung Brauns, den Kongress im Sinne seines Oberbefehlshabers zu beeinflussen, nicht unterschätzt werden. Als Santa Cruz am 28. Oktober 1836 die peruanisch-bolivianische Konföderation ausrief, wurde die nach der Schlacht von Socabaya ad hoc gebildete grenzüberschreitende Funktion des „Oberbefehlshabers der zwischen Oruro und Cuzco befindlichen Truppen, inklusive der Einheiten in Tacna“, obsolet und abgeschafft.996 Institutionen des neuen südperuanischen Teilstaates sowie die Republik Bolivien übernahmen die vormaligen Aufgaben Brauns.

Kriegsminister Mai 1836 bis März 1838 Parallel zur Ernennung zum Oberbefehlshaber der zwischen Oruro und Cuzco sowie in Tacna stationierten Einheiten hatte Santa Cruz Otto Philipp Braun erneut zum bolivianischen Kriegsminister berufen. Am 11. Mai 1836 bestätigt dies ein Dekret öffentlich.997 Andrés de Santa Cruz war zu diesem Zeitpunkt zwar formell bolivianischer Präsident, die tatsächlichen Regierungsgeschäfte führte allerdings der bolivianische Vizepräsident Calvo. Dieser nutzte seine Macht, um die Berufung Brauns zum Minister zu neutralisieren, indem er ihn zusätzlich zum Präfekten ernannte. Dadurch konnte Braun nicht mehr die Amtsgeschäfte als Minister wahrnehmen. Zwar galt Braun formell ab Mai 1836 als Kriegsminister, die Amtsgeschäfte führte jedoch sein Staatssekretär Sebastián Ágreda.998 Auf diese Weise kam es dazu, 994 21.06.1836 Dekret des Kongresses, unterzeichnet u. a. von Felipe Braun, in: Archivo de la Excelentísima Corte Suprema de Justicia de la Nación, Collec. An. 1836, Serie: Colección anuarios administrativos de Bolivia. 995 20.06.1836 Tapacari. Dekret des außerordentlichen Kongresses, unterzeichnet von José Pablo de Hevia y Baca/J. M. Camacho, unterzeichnet und kommentiert von Braun (21.06.1836 Palacio de Gobierno en Tapacari)/Joachin Lemoine/Jose In. de Sanjines, in: Archivo Histórico del Congreso Nacional de Bolivia (La Paz), PL 51. 996 Siehe etwa: 26.10.1836 La Paz. Braun an Kriegsministerium, in: ANB, MG (1836), Nr. 10, Bd. 92. 997 11.05.1836 Sicasica. Dekret, unterzeichnet von Calvo, in: Archiv Braun, Bd. 317. 11.05.1836 SicasicaJosé Ignacio Sanjinés (Kriegsministerium) an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 318. 998 14.07.1836 Cochabamba. Dekret, unterzeichnet von Calvo, in: ANB, MG (1836), Nr. 2, Bd. 86.

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dass Braun in seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber der zwischen Oruro und Cuzco stationierten Truppen oder als Präfekt und Militärkommandeur von La Paz auf offiziellem Wege mit dem eigentlich von ihm geleiteten Kriegsministerium korrespondierte.999 Dabei gilt es zu beachten, dass dabei nahezu nie als Adressat der Begriff „Kriegsminister“ benutzt wurde, sondern fast immer von dem „mit der Leitung des Kriegsministeriums beauftragten Coronel“1000 die Rede war. Braun selbst wurde von Dritten in anderen Zusammenhängen mitunter als Kriegsminister angesprochen, auch wenn er die Geschäfte nicht führte.1001 Im März 1838 wurde für Braun, der inzwischen ein wichtiges militärisches Kommando erhalten hatte, auch formell ein Nachfolger als Kriegsminister ernannt.

Präfekt- und Militärkommandeur von La Paz Mai 1836 bis März 1837 Die Ernennung Brauns im Mai 1836 zum Präfekten von La Paz scheint auf den ersten Blick für die einflussreiche Stellung Brauns zu sprechen, da er wieder die Verantwortung über dieses wichtige Departement erhielt.1002 Doch hinter den Kulissen war deutlich zu spüren, dass Mariano Enrique Calvo über die Machtfülle des siegreich aus Peru zurückgekehrten Braun alles andere als erfreut war. Mit der Ernennung zum Präfekten zwang der bolivianische Vizepräsident Braun, die Führung des viel mächtigeren Kriegsministeriums abzugeben. Zwar korrespondierte Braun als Oberbefehlshaber der Truppen zwischen Oruro und Cuzco direkt mit Santa Cruz, als Präfekt war er jedoch dem Vizepräsidenten rechenschaftspflichtig.1003

Machtkampf mit Calvo Braun seinerseits ließ es vorerst nicht zu einem offenen Streit mit Calvo kommen. In der Folgezeit widmete er sich vor allem administrativen Tätigkeiten, die ganz denjenigen während der beiden vorangegangenen Amtszeiten als Präfekt von La Paz ähnelten – vor allem der Verwaltung von Finanzen, des Zolls, der Post, der ­Polizei, der städtischen Wohlfahrt, der Medizinischen Hochschule, der Univer999 Siehe die Quellenbestände: ANB, MG (1836), Nr. 30, Bd. 87. ANB, MG (1836), Nr. 6, Bd. 92. 1000 Siehe beispielsweise: 09.08.1836 La Paz. Nr. 117, Braun an das Kriegsministerium, in: ANB, MG (1836), Nr. 30, Bd. 87. Siehe aber vor allem den Quellenbestand: ANB, MG (1836), Nr. 30, Bd. 87. 1001 10.08.1836 La Paz. Finanzhaushalt, unterzeichnet von Olazábal, in: ANB, MG (1836), Nr. 59, Bd. 92. 1002 Siehe zur Ernennung das später veröffentlichte Dekret: 14.07.1836 Cochabamba. Dekret, unterzeichnet von Calvo, in: ANB, MG (1836), Nr. 2, Bd. 86. 1003 27.10.1836 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 371.

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sität San Andrés, dem Bau von Straßen, der Verfolgung von Korruption, dem Druck und der Veröffentlichung von Publikationen sowie der Bearbeitung von Anträgen und Beschwerden von Bürgern.1004 Als Präfekt sollte Braun auch Geldmittel zum Kauf eines Kriegsschiffes in seiner Präfektur mobilisieren, um den militärischen Vorteil der dominierenden Pazifikmacht Chile zu neutralisieren.1005 Braun führte auch Ad-hoc-Missionen aus. Beispielsweise wurde er von Santa Cruz beauftragt, sich nach Chuquisaca zum dort tagenden Kongress zu begeben, um dort bis zum Eintreffen des Protektors die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus sollte Braun sein gesamtes politisches und wenn nötig militärisches Gewicht in die Waagschale werfen, um eine kritische Thematisierung des Paktes von Tacna durch den bolivianischen Kongress vor Eintreffen des Protektors in Chuquisaca zu verhindern. Santa Cruz stellte Braun damit einen Blankoscheck aus. Braun erhielt alle Vollmachten, jedwede Krise zu überwinden. Darüber hinaus verbot ihm Santa Cruz, Anweisungen etwa des Vizepräsidenten Calvo zu befolgen, wenn sie seinen eigenen widersprechen sollten.1006 Der Machtkampf zwischen Otto Philipp Braun und Mariano Enrique Calvo wurde zwar nicht offen ausgetragen, aber er schwelte hinter den Kulissen weiter. Gleichwohl pflegten beide trotz aller politischen Differenzen auch private Beziehungen. Beruflich bemühten sie sich, ihre Aufgaben im Sinne von Santa Cruz und zum Wohle der Republik auszufüllen. Es sind daher auch keine das System gefährdenden Intrigen oder Grabenkämpfe in den Quellen greifbar. Vielmehr lässt sich eine intensive politische Diskussion und administrative ­Zusammenarbeit der beiden rekonstruieren.1007 Santa Cruz blieb der Machtkampf zwischen Braun und Calvo aber nicht verborgen. Dabei inszenierte sich Braun geschickt, indem er Calvos „kleinen Widerstand“1008 gegen Brauns neue Rolle beschrieb, aber gleichzeitig betonte, dass es keine Gründe gebe, dem Vizepräsidenten zu misstrauen. Denn Calvos Reaktion sei auf das Missverständnis zurückzuführen, dass dieser fälschlicherweise glaube, durch die Ernennung Brauns zum Kriegsminister werde das Ansehen seiner eigenen Person und seiner Regierung geschmälert – wozu aber kein Anlass beste1004 Siehe zu Brauns Tätigkeit als Präfekt folgende Quellenbestände: ANB, MH (1836), Bd. 53 Nr. 19. ANB, MRE Bol-Perú (1835) Bd. 1 Nr. 43, ANB, MI (1836) Bd. 57 Nr. 24, ANB, MG (1836), Nr. 30, Bd. 87, ANB, MH (1837), Bd. 61 Nr. 17, ANB MI (1837) Bd. 62 Nr. 25, ANB, MI (1837), Bd. 62 Nr. 25. 1005 03.09.1836 La Paz. Nr. 248, Braun an den Finanzminister, in: ANB, MH (1836) Bd. 53 Nr. 19. 19.01.1837 La Paz. Nr. 12, Braun an den Finanzminister, in: ANB, MH (1837) Bd. 61 Nr. 17. 1006 Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 144. 1007 Braun und Calvo tauschten Hunderte Briefe aus. Sie werden aus Platzgründen nicht aufgelistet. 1008 04.11.1836 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p135/69).

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he.1009 Anfang des Jahres 1837 nahm der Konflikt jedoch an Schärfe zu. Während der Zivilist Calvo nicht an eine Invasion Chiles oder Argentiniens glaubte, wollte der Militär Braun nichtsdestotrotz die kostenintensive Verteidigung der Republik vorantreiben.1010 Dabei distanzierte er sich vor Santa Cruz deutlich von Calvos Auffassungen, die Braun als „dummes Zeug“1011 disqualifizierte. Darüber hinaus beschwerte er sich bei Santa Cruz, dass die ständigen Interventionen des unkundigen Calvo die Früchte seiner Arbeit zunichtemachen würden. Auch würde Calvo zwar bei politischen Dingen nach der Meinung Brauns fragen, aber mit der Entscheidung nicht auf Brauns Antwort warten oder vorschnell Posten besetzen, die eigentlich Braun schon lange an andere Personen vergeben hatte. Braun machte deutlich, dass dieses Verhalten von Calvo „selbst einen Heiligen belästigen“1012 und von der eigentlichen Arbeit abhalten würde. Zwar war diese – nach Brauns Darstellung – nervenaufreibende Zusammenarbeit ärgerlich, aber nicht gravierend, da sie nicht das Funktionieren und damit den Bestand der Administration gefährdete. Mitte des Jahres 1837 entwickelte sich jedoch eine handfeste politische Konfrontation zwischen Calvo und Braun. Während der im Mai 1837 geschlossene Pakt von Tacna die Opposition in Chuquisaca zunehmend stärkte, fehlte nach Ansicht Brauns „dem Herrn Calvo die Energie“1013, dieser entgegenzutreten. Braun beschwerte sich bei Santa Cruz vehement über Calvo: Er sei einfach nicht in der Lage, mit guten Argumenten den Pakt von Tacna gegen seine Gegner zu verteidigen. „Die Unfähigkeit, mit der der Vizepräsident in dieser Angelegenheit agiert, ist eine Schande. […] Gott mag ihm verzeihen, ich kann es nicht.“1014 Kurze Zeit später stellte Braun seine Bemühungen ein, Calvo dazu zu ermutigen, sich um die politische Unterstützung des Vertrages von Tacna und dessen Ratifizierung durch den bolivianischen Kongress zu kümmern. Kurzerhand kontaktierte Braun – trotz schwerer Fiebererkrankung – von seinem Hauptquartier an der Südgrenze Boliviens aus einige Abgeordnete direkt und versuchte mittels Briefe, für die Annahme des Paktes zu werben.1015 Er begründete seine Entscheidung Santa Cruz gegenüber wie folgt: „Ich bin es leid, dem Vizepräsidenten in einem Ton zu schreiben, als ob er in der Lage wäre, die Opposition zu gewinnen.“1016 Das Misstrauen Brauns in die Fähigkeiten des Vizepräsidenten ging so weit, dass er einen seiner Adjutanten nach 1009 04.11.1836 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p135/69). 1010 19.01.1837 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p149/76). 1011 04.02.1837 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p151/77). 1012 04.02.1837 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun Bd. 817 (AA p151/77). 1013 07.08.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p189/95v). 1014 17.08.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p191/96v). 1015 24.08.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p193/97v). 17.09.1837 Sococha, Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p196/99). 1016 24.08.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p193/97v).

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Chuquisaca schickte, um zu kontrollieren, ob die Beschreibungen Calvos den Tatsachen entsprachen.1017 Zwischen Braun und Calvo kam es aber nicht zum offenen Bruch, sondern sie arbeiteten offiziell kontinuierlich zusammen und tauschten sich fortwährend auch privat aus. Dennoch gab es in dieser Runde des Machtkampfes zwischen beiden mit Braun einen Sieger und mit Calvo einen Verlierer. Santa Cruz entzog Calvo sein Vertrauen. Ende 1837 zweifelte Santa Cruz Braun gegenüber sogar an der Loyalität des Vizepräsidenten. Zwar hielt Santa Cruz weiter an Calvo fest, seine Position war jedoch beschädigt. Calvo erkannte die neuen Machtverhältnisse an, indem er Braun darum bat, für ihn ein gutes Wort bei Santa Cruz einzulegen. Calvo scheint mit der weiteren Entwicklung der Dreiecksbeziehung zwischen ihm, Braun und Santa Cruz aber nicht zufrieden gewesen zu sein. Im März 1838 teilte er Otto Philipp Braun mit, dass er das Amt des Vizepräsidenten niederlegen und Bolivien verlassen werde. Nach der Schlacht von Montenegro im Juni 1838 aber, dem Sieg Boliviens gegen die argentinische Föderation, signalisierte Calvo in einer neuerlichen Wendung, er werde nun doch weiter als Vizepräsident zur Verfügung stehen.1018

Berater und Vertrauter von Andrés de Santa Cruz Die Auseinandersetzung zwischen Braun und Calvo und damit zwischen den beiden wichtigsten Mitstreitern von Santa Cruz in Bolivien war nur eines von mehreren Themen, über die sich der Protektor mit Braun austauschte. Sobald sich beide nicht an einem Ort befanden, kommunizierten sie schriftlich regelmäßig und intensiv miteinander. Bei dieser Gelegenheit informierten sie den Korrespondenzpartner über politische, militärische und personalpolitische

1017 01.08.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p187/94v). 1018 04.11.1836 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p135/69). 19.01.1837 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p149/76). 04.02.1837 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p151/77). 19.02.1837 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun Bd. 817 (AA p158/80v). 07.08.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p189/95v). 17.08.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p191/96v). 24.08.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p193/97v). 17.09.1837 Sococha, Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun Bd. 817 (AA p196/99). 01.08.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p187/94v). 03.03.1838 Cochabamba. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 506. 04.04.1838 Cochabamba. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 523. 04.06.1838 Cochabamba. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 547. 19.07.1838 La Paz. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 576. 18.10.1837 Arque. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 460.

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Neuigkeiten oder auch private Entwicklungen.1019 Braun seinerseits teilte dem nach der Ausrufung der peruanisch-bolivianischen Konföderation häufig in Peru weilenden Santa Cruz „alles, was Ihre Aufmerksamkeit verdient“1020, mit. Damit fungierte Braun vor allem als vertrauenswürdiger Filter und Vermittler von Informationen. Braun leitete allerdings nicht nur reine Informationen weiter, sondern teilte dem Protektor auch seine persönlichen Einschätzungen zu militärischen und politischen Ereignissen mit. Dabei zeigt sich, dass Braun – im Gegensatz etwa zu Calvo – zu den „Falken“ in der Administration von Santa Cruz gehörte. Schon früh hielt Braun den Krieg mit Chile und Argentinien für unvermeidlich und plädierte für ein entschlossenes Vorgehen: „Die unter Ihrem Befehl stehenden Sieger von Yanacocha und Socabaya fürchten noch nicht einmal die Legionen des Teufels – und noch viel weniger die armen Gauchos. Bald wird der Tag kommen, an dem wir mit Valparaíso das machen werden, was Scipio1021 mit Karthago machte.“1022 Braun sah im Krieg sogar eine große Chance: „Ich bezweifele nicht einen Moment, dass der miserable Klub, aus dem die derzeitige Regierung Chiles besteht, sehr bald für seine Vermessenheit die gerechte Strafe erhalten wird. […] Das Ergebnis dieses Krieges wird für Ihren Ruhm und für die Konsolidierung der Konföderation von großer Bedeutung sein.“1023 Bei den kontinuierlichen Diskussionen über politische und militärische Angelegenheiten gehörte die Frage, ob der bolivianische Kongress den Pakt von Tacna Mitte des Jahres 1837 ratifizieren würde, zu den wichtigsten. Auch dies illustriert, wie sehr Braun Teil der höchsten politischen Zirkel war. Es wird auch ersichtlich, dass Otto Philipp Braun den Vizepräsidenten Mariano Enrique Calvo nicht nur bei Santa Cruz anschwärzte, sondern ihm tatsächlich politisch nicht vertraute. Diese Meinung teilte er mit anderen Akteuren, wie zum Beispiel mit José Ballivián.1024 Dabei muss jedoch betont werden, dass Calvo nicht zu den Freunden des Paktes von Tacna und vielleicht sogar zur moderaten Opposition gegen diesen zählte. Calvo beteiligte sich jedoch nie – entgegen allen zeitgenössischen Gerüchten – an einer Intrige oder einem Revolutionsversuch gegen die Administration 1019 Aufgrund der Fülle der Korrespondenz kann diese hier nicht aufgelistet werden. Es sei auf folgende Quellenbestände verwiesen: Archiv Braun und dort besonders Bd. 817 (AA). 1020 04.10.1936 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p130/66v). 1021 Braun spielt hier auf Scipio Aemilianus an. Dieser hatte im Jahre 146 v. u. Z. Karthago zerstört. 1022 Hierzu siehe beispielsweise: 04.11.1836 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p135/69). 19.11.1836 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p138/70v). 19.12.1836 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p143/73). 1023 19.12.1836 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p143/73). 1024 Dies geht hervor aus: 29.07.1837 Lima. Ballivián an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 433. 08.08.1837 Oruro, „Indio“ an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 436.

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Santa Cruz, sondern er war stets eine loyale Stütze des Systems, obwohl er mit der Ausgestaltung eines ihrer Teile nicht völlig einverstanden war. Diese Haltung nahmen Akteure wie Braun jedoch als große Gefahr wahr.1025 Daher entfaltete Braun Mitte des Jahres 1837 von seinem mehrere Hundert Kilometer vom p ­ olitischen Zentrum Boliviens entfernt gelegenen Hauptquartier der Südarmee aus eine umfangreiche Korrespondenz mit diversen politischen Akteuren Boliviens. Dabei zielte Braun darauf ab, die Stimmung bolivianischer Politiker gegen den Pakt ins Positive zu wenden. Einerseits trat Braun hinter den Kulissen an einflussreiche ­Politiker heran, andererseits kontaktierten ihn wichtige Akteure, um ihm entweder ihre Unterstützung zu signalisieren oder durch eine kritische Haltung Verhandlungsbereitschaft bei der Regierung zu erreichen. Es kam auch vor, dass ganze Gruppen von Politikern gemeinsam einen Brief an Braun schrieben. Dabei gelang es Braun, einige Abgeordnete von einer Reise nach Chuquisaca abzubringen, sodass der Kongress nicht ordnungsgemäß zusammentreten konnte. Dies sollte erst geschehen, wenn Santa Cruz persönlich bei den Abgeordneten für die Ratifizierung des Paktes würde werben können.1026 Letztlich kam es weder zu einer offenen Ablehnung noch zu einer Ratifizierung des Vertrages von Tacna, sondern aufgrund des Heranrückens einer chilenischen Expeditionsarmee zu einer Vertagung des Kongresses. Auch wenn Brauns Bemühungen nicht von vollem Erfolg gekrönt waren, so zeigt dessen Involvierung in diesen Prozess, dass er, obwohl er eigentlich mit dem Feldzug in Südbolivien und Nordargentinien ausreichend beschäftigt war, hinter den Kulissen sich in die nationale Politik einbrachte – und dort auch gehört wurde. Dies wiederum unterstreicht seinen großen politischen Einfluss. Auch Andrés de Santa Cruz schätzte den Einfluss und das Agieren Brauns in Boli-

1025 Calvo seinerseits beteuerte immer wieder seine Loyalität zu Santa Cruz – trotz seiner Zweifel am Pakt von Tacna. 18.08.1837 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 438. 31.08.1837 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 442. 09.09.1837 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 443. 1026 Zu Brauns politischer Rolle im bolivianischen Kongress siehe: 09.07.1837 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 425. 19.07.1837 La Paz. Ilfonso Vilamil an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 427. 24.07.1837 Ñucchu. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 428. 27.07.1837 La Paz. Fermín Eyzaguirre/José Ma. Eyzaguirre/Alfonso Villamil/José Manuel Loza an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 431. 28.07.1837 La Paz. Fermín Eyzaguirre/José Ma. Eyzaguirre/Alfonso Villamil/José Manuel Loza an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 432. 29.07.1837 Lima. Ballivián an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 433. 13.09.1837 Chuquisaca. Andrés Maria Torrico/ Francisco Leon de Aguirre/Mariano Rios/José Felipe Estrasal/Jose María Camacho/ Jose Manuel Loza/Ignacio Sarrabria, Diktat, Parlamentarische Kommission an den Präsidenten, in: Archiv Braun, Bd. 448. 23.09.1837 Chuquisaca. Torrico an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 451. 24.09.1837 Chuquisaca. Fermín Eyzaguirre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 453.

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vien und sparte nicht mit lobenden Worten für seinen „Schüler Metternichs“1027, als den er Braun mitunter bezeichnete.

Kontakt zu Luis Orbegoso Braun scheint sich streng an formelle Regeln gehalten zu haben, obwohl er aufgrund seiner offiziellen Ämter und seines inoffiziellen Einflusses hinter den Kulissen über erheblichen Spielraum verfügte. Beispielsweise hatte der peruanische Präsident Luis Orbegoso den Präfekten Braun im politischen Alltagsgeschäft kontaktiert, doch dieser antwortete nicht, sondern leitete das Schreiben an den Außenminister weiter, da er als Präfekt keinen offiziellen Kontakt mit anderen Ländern pflegen dürfe.1028 Dies galt jedoch nur für offizielle Korrespondenz. Informell tauschten sich beide vor allem im Vorfeld des bolivianischen Eingreifens in den peruanischen Bürgerkrieg intensiv und freundschaftlich aus. Dies war jedoch nicht selbstverständlich. Beim peruanisch-großkolumbianischen Krieg 1828/29 hatten beide noch auf unterschiedlichen Seiten gestanden. Während Juan José Flores und Daniel Florencio O’Leary die großkolumbianische Seite vertreten hatten, waren es Luis Orbegoso und Agustín Gamarra – damals noch auf derselben Seite – gewesen, die für Peru verhandelten. Das Ergebnis war die von Orbegoso und Gamarra zwar vereinbarte, dann aber doch nicht eingehaltene Vereinbarung von Girón gewesen, die Braun das unfreiwillige Exil in Chile im Jahre 1829 eingebracht hatte. Orbegoso und Braun waren also nicht nur Veteranen des peruanischen Unabhängigkeitskrieges gegen Spanien, sondern auch politische und militärische Gegner der nachfolgenden Diadochenkämpfe gewesen. Diese bewegte Vergangenheit stand jedoch einer politischen Partnerschaft Mitte der 1830er Jahre, als sich neue Konstellationen entwickelt hatten, nicht im Wege. Im März 1835 ließ Orbegoso die Beziehung zu Braun neu aufleben. In den folgenden Monaten diskutierten sie vor allem politische Entwicklungen und Handlungsoptionen zur Ausgestaltung des gemeinsamen politischen Projektes: der peruanisch-bolivianischen Konföderation.1029 Gerne hätte Orbegoso den General Braun als Oberkommandierenden der bolivianischen Expeditionsarmee gesehen – was durch Spannungen zwischen dem peruanischen Präsiden1027 08.06.1836 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p117/57v). 1028 26.05.1836 La Paz. Nr. 57, Braun an den Innen- und den Außenminister, in: ANB, MRE Bol-Perú (1835) Bd. 1 Nr. 43. 1029 27.03.1835 Arequipa. Orbegoso an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 250. 12.04.1835 Arequipa. Orbegoso an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 258. 11.05.1835 Arequipa. Orbegoso an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 266. 23.05.1835 Arequipa. Orbegoso an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 270. 18.06.1835 Arequipa. Orbegoso an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 277. 04.03.1836 Lima. Orbegoso an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 312.

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ten und dem aufstrebenden José Ballivián zu erklären ist.1030 Auch wenn die Form der brieflichen Kommunikation hinter den Kulissen sehr privat anmutet, war die Beziehung der beiden vor allem eine politische. Denn als Orbegoso von Gerüchten erfuhr, dass Santa Cruz vielleicht mit Gamarra eine Allianz zu seinen Ungunsten eingehen würde, ließ er sein Missfallen hierüber Braun gegenüber durchblicken.1031 Als es dann aufgrund des Verrats von Gamarra nicht zur Allianz kam, sondern Gamarra gemeinsam geschlagen wurde, verfestigte sich die Beziehung wieder.1032 Orbegoso beglückwünschte Braun beispielsweise überschwänglich für den Sieg von Socabaya „und Ihrer Rolle darin“1033. Ferner lobte Santa Cruz Braun vor dessen Amtskollegen Orbegoso.1034 Wie fragil und wenig privat die häufig informell und freundschaftlich erscheinende Beziehung zwischen Braun und Orbegoso tatsächlich war, wurde deutlich, nachdem sich der Präsident der nordperuanischen Teilrepublik in der peruanisch-bolivianischen Konföderation am Vorabend der zweiten chilenischen Expedition von Santa Cruz lossagte. Braun war außer sich und beleidigte den ehemaligen Partner als „die große Bestie Orbegoso“1035. Nach dieser erneuten persönlichen und politischen Gegnerschaft kam es nie wieder zu einer Annäherung zwischen Braun und Orbegoso – zumal Letzterer im Jahre 1847 verstarb. Die Beziehung der beiden zeigt jedoch nicht nur die taktische Natur einiger Freundschaften, sondern auch, dass Braun hinter den Kulissen Ansprechpartner für gewichtige politische Akteure im andinen Raum war.

Militärkommandeur von La Paz 1836–1837 Parallel zum Amt des Präfekten von La Paz wirkte Braun ab dem 8. August 1836 in Personalunion auch als Militärkommandeur des Departements.1036 In dieser Funktion kümmerte sich Braun um die Verwaltung der militärischen Einrichtungen des Departements und um die dort stationierten Truppen. Neben der 1030 12.04.1835 Arequipa. Orbegoso an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 258. 11.05.1835 Arequipa. Orbegoso an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 266. 1031 18.06.1835 Arequipa. Orbegoso an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 277. 1032 Gamarra hatte sich entgegen der Absprache mit Santa Cruz im peruanischen Bürgerkrieg gegen den bolivianischen Präsidenten gestellt, nachdem dieser ihm und seinen Anhängern Asyl gewährt und sie mit Waffen ausgerüstet hatte. Siehe auch den ­Abschnitt „Früher Ausbau des innen- und außenpolitischen Netzwerkes“ 1033 04.03.1836 Lima. Orbegoso an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 312. 1034 18.12.1835 Puno. Santa Cruz an Orbegoso, in: Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 4, 1991, S. 301ff. 1035 01.09.1838 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p267/136). 1036 08.08.1836 La Paz. Nr. 1, Felipe Braun an das Kriegsministerium, in: ANB, MG (1836), Nr. 30, Bd. 87.

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allgemeinen Administration, die schon aus dem Abschnitt über Brauns vormalige Position als Militärkommandeur von La Paz bekannt ist, war es vor allem Brauns Aufgabe, die Folgen des Feldzuges in Peru zu bewältigen – beispielsweise Anträge von Invaliden und Witwen zu bearbeiten, Entlassungspapiere auszustellen oder die Auszahlung von Gratifikationen zu veranlassen.1037 Auch zeigte Braun politisches Gespür für symbolische Handlungen. So setzte er sich, nachdem er zwei Fahnen des 1816 gestorbenen Helden des frühen bolivianischen Unabhängigkeitskampfes, Ildefonso de las Muñecas, erhalten hatte, trotz leerer Kassen für eine entsprechende Belohnung derjenigen ein, „welche die Fahnen all die Jahre unversehrt aufbewahrten“1038.

Der argentinisch-bolivianische Krieg 1837–1838 Im Oktober 1836 wurde das von Braun ausgeübte grenzüberschreitende Kommando über die Truppen der Vereinigten Armee zwischen Oruro und Cuzco abgeschafft. Otto Philipp Braun musste jedoch keinen großen Machtverlust hinnehmen. Anfang November 1836 ernannte ihn Santa Cruz stattdessen zum Oberbefehlshaber des Süddistriktes der Vereinigten Armee.1039 Hierunter fielen alle Truppen auf der bolivianischen Seite des Desaguadero bis zur argentinischen Grenzstadt La Quiaca.1040 Von seinem Hauptquartier in La Paz aus widmete sich Braun der Verwaltung seiner Truppen. Hierfür stand er in engem Kontakt mit dem Chef des in Lima befindlichen Generalstabes der Vereinigten Armee, José Ballivián.1041 Neben seiner regulären Administration forcierte Braun den Kauf von über 1.000 englischen Gewehren.1042 Darüber hinaus plädierte 1037 Zur Tätigkeit als Militärkommandeur von La Paz siehe folgende Quellenbestände: ANB, MG (1836), Nr. 30, Bd. 87. ANB, MG (1836), Nr. 17, Bd. 87. ANB, MG (1836), Nr. 61, Bd. 93, 1038 04.11.1836, La Paz, Nr. 129, Braun an das Kriegsministerium, in: ANB, MG (1836), Nr. 30, Bd. 87. 1039 Dies geht hervor aus: 05.11.1836 La Paz. Finanzhaushalt, unterzeichnet von Olazaval/Braun, in: ANB, MG (1836), Nr. 59, Bd. 92. 1040 Zur Ausdehnung des Süddistriktes siehe: 18.11.1836 La Paz. Braun an das Kriegsministerium, in: ANB, MG (1836), Nr. 24, Bd. 92. 1041 Zur Tätigkeit als Oberbefehlshaber des Süddistriktes der Vereinigten Armee siehe die Quellenbestände: ANB, MG (1836), Nr. 24, Bd. 92. ANB, MG (1837), Nr. 6, Bd. 94, Archivo General de la Nación (Lima, Peru). Archivo Republicano (Palacio de Justicia). Colección Santa Maria. Ministerio de Hacienda y Comercio. Archivo Historico. ANB, MG (1837), Nr. 32, Bd. 94, ANB, MG (1837), Nr. 7, Bd. 94. 1042 03.11.1836 Arica. Antonio Hernandez an den Kriegsminister, unterzeichnet von Lemoine (26.11.1836), in: ANB, MG (1836), Nr. 61, Bd. 93. 18.11.1836 La Paz. Braun an das Kriegsministerium, in: ANB, MG (1836), Nr. 24, Bd. 92.

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Braun für eine intensive Ausbildung und Disziplinierung der Nationalgarde.1043 Seine Hauptaufgabe als Oberkommandierender der Süd-Armee war es jedoch, die bolivianische Grenze zur argentinischen Föderation zu schützen. Dies war wichtig, da die chilenische und argentinische Regierung danach strebten, die politisch, ökonomisch und militärisch mächtiger werdende peruanisch-bolivianische Konföderation schon in ihrer Entstehungsphase zu vernichten – und zwar mit militärischen Mitteln.1044 Von der argentinischen Föderation ging bis Anfang des Jahres 1837 jedoch keine konkrete Gefahr aus. Erst nach dem von der argentinischen Regierung Rosas verkündeten Abbruch der Kommunikation zwischen den beiden Ländern im Februar 1837 entwickelte sich aus politischen Spannungen eine handfeste militärische Konfrontation. In dieser Situation zog Santa Cruz seine fähigsten Offiziere und Generäle von administrativen Funktionen ab und übertrug ihnen militärische Kommandos. Aus diesem Grund ernannte er auch am 31. März 1837 Otto Philipp Braun zum Oberkommandierenden der Süd-Armee.1045 In der Folge musste Braun sein Amt als Präfekt und Militärkommandeur von La Paz einem Nachfolger übergeben.1046 Mit dem Oberbefehl über die Südarmee verwaltete Braun nicht mehr – wie zuvor – nur einen militärischen Distrikt, sondern er erhielt den konkreten Marschbefehl, an der Spitze einer Armee in die Grenzregion zu ziehen und die Republik zu verteidigen. Hierfür erhielt er umfassende Vollmachten. Schon im Dezember 1836 hatte Braun die militärische Befehlsgewalt für die gesamte Republik Bolivien übertragen bekommen.1047 Wenig später stellte ihm der Generalstabschef der Vereinigten Armee, José Ballivián, im Auftrag des Protektors Santa Cruz einen „Blankoscheck“1048 aus. Braun sollte die Sicherheit Boliviens und von Teilen Südperus durch eine vehemente Verteidigung der 1043 13.12.1836 La Paz. Braun an das Kriegsministerium, in: Ebd. 1044 Dieser machtpolitische Grund der chilenischen und argentinischen Kriegsvorbereitungen war trotz aller propagandistischen Bemühungen vielen Akteuren klar, siehe etwa: 27.01.1837 Lima. Ejercito Nr. 697. Ballivián an Braun, in: ANB, MG (1837), Nr. 6, Bd. 94. 1045 31.03.1837 La Paz. Nr. 10, Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 403. Einen Tag später wurde ein Rundbefehl erlassen und den anderen Autoritäten die neue Funktion Brauns mitgeteilt: 11.04.1837 Nr. 25, Pilar Tesnra an den Vizepräsidenten, in: ANB, MG (1837), Nr. 35, Bd. 95. 1046 Hiermit endete Brauns dritte und letzte Amtszeit als Präfekt von La Paz. Von der Übergabe existiert sogar ein detailliertes Protokoll: 30.03.1837 La Paz. Aufstellung der übergebenen Dokumente. Von Braun an Manuel Sagárnaga, in: Archiv Braun, Bd. 402. 1047 05.12.1836 Nr. 129, Nicolas Dorado an das Kriegsministerium, in: ANB, MG (1836), Nr. 28, Bd. 89. 1048 27.01.1837 Lima. Ballivián an Braun, in: ANB, MG (1837), Nr. 6, Bd. 94.

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Grenze zu Argentinien garantieren – und zwar mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. Um die Bedeutung Brauns im Machtgeflecht der peruanischbolivianischen Konföderation und ihrer Teilrepublik Bolivien zu verstehen, sei auf die öffentliche Erklärung von Andrés de Santa Cruz beim Abschied aus La Paz im April 1837 verwiesen. Dort hielt der Protektor fest, dass er zwar Bolivien Richtung Lima verlasse, aber die Republik zwei Stellvertretern, nämlich dem Vizepräsidenten Calvo als fähigem Administrator und dem General Braun als erfahrenem Verteidiger, überlasse. Dabei betonte Santa Cruz: „Eure Südgrenze steht unter dem Schutz eines ebenso mutigen wie eurem Ruhm verschriebenen Generals […]“1049. Neben Calvo war also Braun der wichtigste Statthalter von Santa Cruz in Bolivien. Wenn man dann noch bedenkt, dass Braun mit der Ernennung zum Oberkommandierenden der Süd-Armee gleichzeitig die Macht erhielt, auch allen Präfekten des Landes, also die zivilen Administratoren von La Paz, Oruro, Potosí, Chuquisaca und Cochabamba, ohne Rücksprache mit dem eigentlich zuständigen Vizepräsidenten Calvo direkte Befehle zu erteilen, unterstreicht dies die Verantwortung und Machtfülle Brauns. Darüber hinaus hegte Santa Cruz – wie oben erwähnt – immer stärker werdende politische Bedenken gegen seinen Stellvertreter.1050 Aus diesem Grund gab es sogar Akteure, die Braun als „einzigen Steuermann Boliviens“1051 sahen. Kurz nach dem Erhalt des neuen Kommandos ließ Braun La Paz und seine dort lebende Familie, seine Frau und seine Kinder, hinter sich und zog über Oruro, Potosí und Cotagaita an die Südgrenze. Ende April 1837 erreichte er Tupiza, wo er das Hauptquartier für die Operationen in der Gegend einrichtete.1052 Auch während des gesamten Feldzuges musste sich Braun um die Verwaltung seiner Armee kümmern, vor allem um die Finanzen und um den Nachschub mit Kleidung, Ausrüstung, Waffen und Munition, um Anträge von Soldaten, Ordensverleihungen, Beförderungen, Ehrentitel sowie Disziplinarverfahren. Nach den ersten Gefechten kam noch die Versorgung verletzter Soldaten und 1049 11.04.1837 La Paz. Gedruckte Proklamation, Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 404. 1050 11.04.1837. Nr. 25. Pilar Tesnra an den Vizepräsidenten, in: ANB, MG (1837), Nr. 35, Bd. 95. Dies geht auch hervor aus: 29.05.1837 Tupiza. Nr. 9, Braun an den Sekretär des Vizepräsidenten, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 1051 Siehe etwa: 08.08.1837 Oruro. „Indio“ an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 436. Bei dem auch mit Calvo und Santa Cruz in Kontakt stehenden „Querido Indio“ handelte es sich um Atanacio Hernandez. Siehe: 26.06.1837 Puno. Calvo an Atanacio Hernandez, in: Archivo Centro Documental de la Universidad de San Francisco ­Xavier – (Sucre). 04.12.1837 Cochabamba. Calvo an Atanacio Hernandez, in: Archivo Centro Documental de la Universidad de San Francisco Xavier – (Sucre). 1052 19.04.1837 Potosí. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p162/82). 21.04.1837 Potosí. Braun an den Sekretär des Vizepräsidenten, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 29.04.1837 Cotagayta. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p164/83).

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argentinischer Kriegsgefangener hinzu.1053 Brauns Hauptaugenmerk aber lag in der Organisation der unmittelbaren militärischen Verteidigung der südlichen Grenze der Konföderation. Hierfür versuchte er schon auf dem Weg in die Region, die Stimmung der südbolivianischen Departements, besonders in der Provinz Tarija, zu ermitteln. Gerade dort war dies wichtig, da sie nach mehrfachen Besitzwechseln zu Kolonialzeiten und während des Unabhängigkeitskrieges sich erst Ende des Jahres 1826 von Argentinien losgesagt und Bolivien angeschlossen hatte.1054 Separatistische Tendenzen in der Bevölkerung und eine kritische Haltung der bolivianischen Zentralregierung gegenüber wären also nicht überraschend gewesen – zumal argentinische Akteure versuchten, diese zu schüren.1055 Doch Braun stellte erleichtert fest, dass die Bewohner der Grenzregion mit 1053 Zur Tätigkeit Brauns als Oberkommandierender der Südarmee siehe folgende Quellenbestände: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. ANB, MG (1837), Nr. 35, Bd. 95. ANB, MG (1837), Nr. 40, Bd. 97. ANB, MG (1837), Nr. 8, Bd. 94. ANB, MG (1837), Nr. 44, Bd. 97, ANB, MG (1837), Nr. 13, Bd. 94. ANB MH, Bd. 76 Nr. 11. Archivo: Casa de la Libertad (Sucre), Serie: C-2.2.6 0403, ANB, MG (1837), Nr. 38, Bd. 96, Archivo: Casa Nacional de la Moneda de Potosí. Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Provincia de Chichas (Tupiza). P.D. 255. Archivo General de la Nación (Lima, Peru). Archivo Republicano (Palacio de Justicia). Colección Santa Maria. Ministerio de Hacienda y Comercio. Archivo Histórico. ANB, MG (1838), Bd. 109, ANB, MH, Bd. 65 Nr. 4c. ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107, Archivo Casa Nacional de la Moneda de Potosí, Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Ministerio de Guerra. P.D. 296. ANB MI (1838), Bd. 77 Nr. 6. ANB Archivo de Raros y Curiosos 1838 ARC Nr. 31, ANB, MG (1838), Nr. 66, Bd. 100, ANB, MG (1838), Bd. 104 Nr. 65. ANB, MG (1838), Nr. 7, Bd. 103, ANB, MI (1838), Bd. 64 Nr. 11. ANB, MG (1838), Nr. 5, ANB, MG (1838), Nr. 4. Diario del Ejercito del Sud de la Confederación 1838, in: ANB, MG (1838), Nr. 5. Archivo: Casa Nacional de la Moneda de Potosí Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Ministerio de Hacienda. P.D. 290. Archivo: Casa Nacional de la Moneda de Potosí. Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Ciudad de Tarija. P.D. 298. ANB, MI (1838) Bd. 68 Nr. 32, Archivo: Casa Nacional de la Moneda de Potosí. Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Gobierno Provincia Chichas (Tupiza). Of. Nr. 115. P.D. 270. (P.D. = Partida de Documento). 1054 Best, Historia de las Guerras Argentinas, Bd. 2, 1960, S. 161ff. Cisneros, Historia general I/3, 1998, S. 22ff. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 99ff. Pérez del Castillo, Bolivia entre la presidencia de Bolívar y la muerte de Gamarra, 1992, S. 296ff. 1055 Dies geschah einmal durch Propaganda: 19.06.1837 Tucumán. Gedruckte Proklamation an die Bewohner Boliviens. Alejandro Heredia, in: Archiv Braun, Bd. 419. 13.09.1837 Humahuaca. Proklamation von Felipe Heredia, in: Archiv Braun, Bd. 446. 04.11.1837 Jujuy. Proklamation von Alejandro Heredia, in: Archiv Braun, Bd. 468. Es wurde aber auch direkt versucht, etwa durch verlockende Angebote an einflussreiche Provinzpolitiker: 28.04.1837 Orán. Justo Oliva an Timoteo Raña, in: Archiv Braun, Bd. 409.

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großer Euphorie die durchziehende Armee empfingen und entschlossen ihren Widerstandswillen gegen die als ungerecht empfundenen argentinischen Invasionsdrohungen bekundeten.1056 In Anbetracht dieser Unterstützung und der gleichzeitigen innerargentinischen Turbulenzen war Braun daher schon im Mai 1837, kurz nach seiner Ankunft im Süden, sehr siegessicher: „Die Euphorie der Bevölkerung ist so begeisternd und ihre Empörung über die perfiden Absichten der argentinischen Regierung so groß, dass man sicher sein kann, dass die Integrität, das Ansehen und der Ruhm, mit dem sich die Republik schmückt […], nicht verletzt werden.“1057 Braun war sich so sicher, dass er von seinen 2.200 Soldaten und 400 Kavalleristen sehr schnell kampferprobte Einheiten zur Zentral-Armee Richtung Peru schickte, sodass Santa Cruz sie gegen die erwartete chilenische Invasion einsetzen konnte.1058

Aufbau, Ausbau und Pflege eines persönlichen Netzwerkes Diese Siegeszuversicht Brauns hatte auch politische Folgen. Sie stärkte beispielsweise die Position des Unterhändlers William Miller bei seinen Verhandlungen mit der ecuadorianischen Regierung, durch die eine Allianz des nördlichen Nachbarn mit den Kriegsgegnern Argentinien und Chile durch einen eigenen Freundschafts- und Friedensvertrag mit der Konföderation verhindert werden sollte.1059 General William Miller hatte am chilenischen und gemeinsam mit Braun am peruanischen Unabhängigkeitskrieg teilgenommen.1060 Spätestens seit der Schlacht von Junín (1824), in der sie sich beide ausgezeichnet hatten, lernten sich die beiden Kavallerieoffiziere kennen. Auch wenn nur sehr wenige Briefe zwischen ihnen erhalten sind, ist es nicht unberechtigt, zu behaupten, dass Miller und Braun in den folgenden Jahren ein privat-freundschaftliches Verhältnis pflegten. Denn Miller, der vor allem durch seine 1828 veröffent1056 21.04.1837 Potosí. Braun an den Sekretär des Vizepräsidenten, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 29.04.1837 Cotagayta. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p164/83). 05.05.1837 Tarija. Braun an den Sekretär des Vizepräsidenten, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 1057 05.05.1837 Tarija. Braun an den Sekretär des Vizepräsidenten, in: ANB MG 1837 No 10 T 94. 1058 16.05.1837 Tupiza. Estado Mayor, unterzeichnet von Braun/Sebastián Agreda, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. Als Argentinien allerdings den Krieg erklärte und Braun eine Invasion befürchtete, forderte er diese Einheiten umgehend zurück: 17.07.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p183/92v). 1059 21.06.1837 Lima. Olañeta an den Gesandten Ecuadors, in: Ministerio de Relaciones Exteriores del Perú, Confederación Perú-Boliviana, Bd. 2, 1974, S. 204. Siehe auch: Delaney, General Miller and the Confederación Perú-Boliviana, 1962, S. 232ff. 1060 Siehe hierfür auch Kapitel 3 dieser Arbeit.

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lichten Memoiren einen unschätzbaren Beitrag zur Historiographie des südamerikanischen Unabhängigkeitskrieges geleistet hat, besuchte 1826 die Familie Braun in Kassel.1061 Bei seiner Rückkehr überbrachte er Braun Briefe sowie ein Paket aus Deutschland und leitete seinerseits Schreiben aus Bolivien nach Europa.1062 Dabei hatte er sich mit einem Bruder Brauns angefreundet, der ihn später in England besuchte.1063 Auch nach dem Ende des Unabhängigkeitskrieges kreuzten sich die Wege Brauns und Millers mehrmals. Dieser unterstützte beispielsweise Andrés de Santa Cruz als Kommandierender General, erfahrener Diplomat und angesehene Persönlichkeit in Peru. Nach dem Zerfall der Konföderation, der Miller bis zum Schluss die Treue hielt, wurde er britischer Konsul auf Hawaii. Auch wenn Braun nach seinem Sturz 1839 niemals die politische Unterstützung Millers suchte, liefert die Freundschaft zu dem britischen General auch Hinweise auf Brauns ­Kontakte zur britischen Krone.1064 Eine hierfür weitere wichtige Person war Belford Hinton Wilson, der britische Generalkonsul in Peru und Bolivien.1065 Zu diesem ehemaligen Adjutanten von Simón Bolívar pflegte Braun spätestens ab Anfang der 1830er Jahre eine freundschaftliche Beziehung – auch wenn sich beide noch aus den Tagen des kolumbianischen Unabhängigkeitskrieges kannten.1066 Mit dem kontinuierlichen Zugang zu Wilson festigten sich Brauns Verbindungen zum britischen Außenministerium. Dieses spielte bei seinem transatlantischen Agieren später eine wichtige Rolle. Für die Kriegsvorbereitungen stellte Braun eine Gruppe verlässlicher Mitstreiter zusammen, die ihn vor Ort unterstützten. So übertrug er die Verantwortung für den Generalstab der Süd-Armee Sebastián Ágreda, die Finanzaufsicht Francisco de Paula Belzu, und als Sekretär diente ihm Manuel Buitrago. Alle

1061 Miller, Memorias, Bd. 1–2, 1975 [=1829]. 1062 Siehe hierzu auch Kapitel 8.2 „Transatlantischer Agent 1839–1841“ sowie: 05.12.1825 Cochabamba. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 244. 18.12.1829 Kassel. F.F., Züge aus den südamerikanischen Kriegen und dem Feldleben des kolumbischen Generals Braun, in: Kasselsche Allgemeine Zeitung, 18.12.1829, S. 1829f. 08.07.1830 Lima. Miller an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 108. 10.02.1836 Braun an Miller, in: Miller, Resumen de los servicios del General Miller, 1861, S. 40. 08.04.1842 „por vapor Chile“, Braun an Miller in London, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v). 1063 08.07.1830 Lima. Miller an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 108. 1064 Delaney, General Miller and the Confederación Perú-Boliviana, 1962, S. 213ff. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 81. Díaz Arguedas, Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 89ff. 1065 Wu, Great Britain and Peru 1820–40, 1991, S. 53ff. Parkerson, Confederación PerúBoliviana, 1984, S. 254ff. 1066 26.02.1833 Auf dem Meer bei Cobija. Wilson an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 173.

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drei waren in den 1840er Jahren wichtige Netzwerkpartner Brauns.1067 Es stieß auch der ortskundige Veteran des Unabhängigkeitskrieges und Freund Brauns Francisco Burdett O’Connor hinzu.1068 Wie bei vielen Freunden Brauns ist auch bei Sebastián Ágreda der Anfang ihrer Beziehung nicht genau zu datieren. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass sich beide schon während des peruanischen Unabhängigkeitskrieges kennenlernten, als sie gemeinsam auf der Seite der Unabhängigkeitsarmee in Junín und Ayacucho (1824) kämpften. Anschließend hatten sie Präsident Sucre loyal gedient – wie in den 1830er und 1840er Jahren Andrés de Santa Cruz.1069 Der erste direkte Kontakt der beiden ist aber erst im Juli 1831 feststellbar, als Sebastián Ágreda als zweiter Adjutant für Braun arbeitete.1070 Als Braun im Juli 1836 das Kriegsministerium gegen die Leitung der Präfektur La Paz eintauschen musste, übernahm für ihn sein Staatssekretär Ágreda die Führung der Amtsgeschäfte.1071 In diese Zeit fällt auch die erste ausgedehnte berufliche Korrespondenz zwischen beiden.1072 Ab Mai 1837 unterstützte Ágreda Braun im Gene1067 16.05.1837 Tupiza. Nr. 5, Braun an den Sekretär des Vizepräsidenten, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 16.05.1837 Tupiza. Estado Mayor, unterzeichnet von Braun/ Sebastián Agreda, in: Ebd. Zu Ágreda siehe auch die Quellenbestände: ANB, MG (1837), Nr. 40, Bd. 97. Diario del Ejercito del Sud de la Confederación 1838, in: ANB, MG (1838), Nr. 5. Zu Belzu siehe die Quellenbestände: ANB, MG (1837), Nr. 8, Bd. 94. Diario del Ejercito del Sud de la Confederación 1838, in: ANB, MG (1838), Nr. 5. 1068 Francisco Burdett O‘Connor hatte im Auftrag von Antonio José de Sucre der Provinz Tarija die Unabhängigkeit gebracht und genoss – zumal er seit vielen Jahren dort lebte – ungeheures Ansehen und verfügte über die besten Kontakte und Kenntnisse der Gegend. 1069 Zu Sebastián Ágreda siehe: Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 34. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 38ff. Díaz Arguedas, Los generales de Bolivia, 1929, S. 31ff. Mesa Gisbert, Presidentes de Bolivia, 1990, S. 138, 232. 1070 10.06.1831 La Paz, Haushalt, unterzeichnet von Juan Jose Chirvechez/Braun/Agreda, in: ANB, MG (1831), Nr. 35, Bd. 44. 10.07.1831 La Paz, Haushalt, unterzeichnet von Juan Jose Chirvechez/Braun/Agreda, in: Ebd. 1071 14.07.1836 Cochabamba. Dekret von Calvo, in: ANB, MG (1836), Nr. 2, Bd. 86. 1072 Siehe etwa: 16.09.1836 Chuquisaca. Nr. 20, Agreda an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 353. 11.11.1836 Chuquisaca. Agreda an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 376. 20.12.1836 Chuquisaca. Nr.  16, Agreda an den Finanzminister, in: ANB, MH Bd.  52 Nr. 7. 12.02.1837 Chuquisaca. Nr. 23, Agreda an Braun, unterzeichnet und kommentiert von Braun (21.02.1837), in: ANB, MG (1837), Nr. 32, Bd. 94. 26.01.1837 Chuquisaca. Nr. 10, Agreda an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 385. 12.02.1837 Chuquisaca. Nr. 15. Agreda an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 391. 12.02.1837 Chuquisaca. Nr. 21, Agreda an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 392. 12.03.1837 Chuquisaca. Nr. 34, Agreda an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 399. 12.03.1837 Chuquisaca. Nr. 37, Agreda an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 400.

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ralstab an der Südgrenze der Konföderation.1073 Zwar ist nahezu keine private Korrespondenz zwischen beiden festzustellen, doch kann von einer positiven Beziehung zwischen ihnen ausgegangen werden, vor allem, da der Vorgesetzte Braun nach dem Abschluss des Feldzuges gegen Argentinien sich hinter den Kulissen vehement für eine Beförderung des ihm treu ergebenen und fähigen Offiziers Sebastián Ágreda einsetzte und ihn sogar als seinen Nachfolger im Kommando der Südarmee bei Andrés de Santa Cruz ins Gespräch brachte.1074 Sebastián Ágreda, der als wichtiger politischer Akteur wenige Jahre später für kurze Zeit Präsident Boliviens war, revanchierte sich für dieses Verhalten mit der politisch riskanten Unterstützung Brauns nach dem Zusammenbruch der peruanisch-bolivianischen Konföderation Anfang des Jahres 1839. Auch wirkten Ágreda und Braun in den 1840er Jahren als Agenten für den gestürzten Santa Cruz. Eine weitere wichtige Person in diesem Zusammenhang war Francisco de Paula Belzu. Braun ernannte den Haushaltsspezialisten und Finanzverwalter von Oruro schon im Mai 1837 zum Oberaufseher über die Finanzen des Süd-Heeres.1075 In der Folge überwachte Belzu – in Zusammenarbeit mit Braun – die Geldströme in dessen Armee. Hierfür stand er regelmäßig in Kontakt mit ihm oder hielt sich sogar in Brauns Hauptquartier auf.1076 Im Zuge dieser Tätigkeit entwickelte sich eine Freundschaft. Die Beziehung zu diesem Nicht-Militär und 1073 Siehe beispielsweise die Quellenbestände: ANB, MG (1837), Nr. 40, Bd. 97, ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94, ANB, MG (1837), Nr. 8, Bd. 94, ANB, MG (1837), Nr. 44, Bd. 97, ANB, MG (1838), Bd. 109, ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107, ANB, Archivo de Raros y Curiosos (1838), ARC Nr. 31, ANB, MG (1838), Nr. 5; oder auch ganz konkret: 16.05.1837 Tupiza. Aufstellung, unterzeichnet von Braun/ Agreda, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 17.05.1837 Tupiza. Finanzhaushalt, unterzeichnet von Braun/Agreda, in: Ebd. 07.09.1837 Sococha. Liste der gefangenen Offiziere, unterzeichnet von Agreda, in: Ebd. 06.01.1838 Mojo. Finanzhaushalt, unterzeichnet von José Felipe Albarez, in: ANB, MG (1838), Bd. 109. 1074 Dies geht hervor aus: 17.07.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 574. 30.07.1838 Tarija. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p264/134v). 1075 16.05.1837, Tupiza. Nr. 5, Braun an den Sekretär des Vizepräsidenten, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 1076 Siehe hierzu die Quellenbestände: ANB, MG (1837), Nr. 8, Bd. 94, ANB, MG (1838), Bd. 109, ANB, MH, Bd. 65 Nr. 4c, ANB, MG (1838), Nr. 4, Diario del Ejercito del Sud de la Confederación, Estado Mayor. Vor allem sei auf das Feldtagebuch verwiesen, das Dutzende Schreiben an den Oberaufseher der Armeefinanzen verzeichnet: Diario que rise el año presente de 1838, in: ANB, MG (1838), Nr. 5, 247p. oder auch beispielsweise konkret: 04.01.1838 Braun an den Finanzaufseher der Armee, in: Diario del Ejercito del Sud de la Confederación 1838, in: ANB, MG (1838), Nr. 5, p05. 09.09.1838 Tupiza. Liste für die Truppenabnahme, unterzeich-

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Politiker sollte sich für Braun in den 1840er und 1850er Jahren als äußerst wichtig erweisen, da Braun über ihn hervorragenden Zugang zu dessen schon erwähntem Bruder und Präsidenten Boliviens Manuel Isidoro Belzu erhalten und hinter den Kulissen intensiv mit ihm politisch zusammenarbeiten sollte.1077 Als weitere wichtige Person muss noch Manuel Buitrago genannt werden, der Braun im Feldzug gegen Argentinien als persönlicher Sekretär unterstützte und eng mit ihm zusammenarbeitete.1078 Interimsweise hatte Braun Buitrago zum Wirtschaftsprüfer seiner Armee ernannt, als der eigentliche Amtsinhaber als Abgeordneter zum bolivianischen Kongress entsandt wurde.1079 Die enge und tägliche Zusammenarbeit zwischen Buitrago und Braun Ende der 1830er Jahre führte dann auch zu einer persönlichen Vertrauensbeziehung, in der beide selbst kontroverse politische Meinungen austauschten.1080 In den unsicheren Wochen nach seinem eigenen Sturz 1839 versprach der von den politischen Säuberungen verschont gebliebene Buitrago seinem ehemaligen Vorgesetzten seine Loyalität und Unterstützung – obwohl Braun zu diesem Zeitpunkt schon lange zur Persona non grata geworden war. In den folgenden Jahren verfügte Braun dann durch den hochrangigen Regierungsfunktionär Buitrago über beste Kontakte zu den Braun eigentlich abgeneigten Präsidenten Velasco und Ballivián. Francisco Burdett O’Connor gehörte vielleicht zu den ältesten Weggefährten von Otto Philipp Braun. Beide hatten sich schon im Jahre 1820 im kolumbianischen Unabhängigkeitskrieg kennengelernt. Sie waren spätestens im peruaninet von Calisto Ascarruz, unterzeichnet und kommentiert von Francisco de Paula Belzu, in: ANB, MG (1838), Bd. 109. 1077 Siehe zu Francisco de Paula Belzu vor allem Kapitel 10.4: „Zwischen Präsidenten: José Ballivián und José Miguel Velasco 1843–1848“ sowie: Barnadas, Belzu Humérez, Francisco de Paula, 2002, S. 285. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 62, 93. Richard, La época de Belzu, 1997, S. 622ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S.  264. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 208. Valencia Vega, Manuel Isidoro Belzu, 1981, S. 68. 1078 01.11.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p209/105v). 09.09.1838 Tupiza. Liste für die Truppenabnahme, unterzeichnet von Calisto Ascarruz, unterzeichnet und kommentiert von Francisco de Paula Belzu, in: ANB, MG (1838), Bd. 109. 1079 Siehe die Quellenbestände: ANB, MG (1838), Bd. 109. ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107, ANB, MG (1838), Nr. 5 oder als Beispiel konkret: 06.01.1838 MojoHaushalt, unterzeichnet von José Felipe Albarez (2. Adjutant), in: ANB, MG (1838), Bd. 109. 26.04.1838 Potosí. Nr. 16, Andrés Mara Torrico an Braun, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. 09.05.1838 El Perchel. Nr. 19, Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. 1080 Buitrago war beispielsweise gegen den Pakt von Tacna. Siehe: 07.03.1838 Feldlager bei Tumbaya. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p235/119).

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schen Feldzug drei Jahre später zu Freunden geworden. Anschließend hatten sie sich gemeinsam für Simón Bolívar, Antonio José de Sucre und Andrés de Santa Cruz engagiert – auch wenn O’Connor Letzteren häufig kritisierte.1081 Braun und O’Connor pflegten von den 1820er Jahren bis zur endgültigen Abreise Brauns aus Südamerika im Jahre 1861 einen nicht sehr regelmäßigen, dafür aber umso persönlicheren und sehr direkten Briefkontakt. Dabei nahmen sie wenig Rücksicht auf politische Gegebenheiten, sondern scheinen ihre Meinungen offen ausgetauscht zu haben.1082 Auch kreuzten sich ihre Wege immer wieder aus beruflichen Gründen. Dabei legte der eine dem anderen aufgrund seiner Funktionen Rechenschaft ab oder erteilte ihm Befehle.1083 In der zweiten Hälfte der 1830er Jahre stieg Braun immer weiter auf, während O’Connors Karriere – auch aufgrund diverser Querelen mit dem Präsidenten Santa Cruz – eher stagnierte. Braun vergaß seinen alten Freund und dessen Leistungen aber nicht, vor allem dessen wichtige Unterstützung während des Feldzuges gegen Argentinien, und sprach sich hinter den Kulissen bei Andrés de Santa Cruz für eine Beförderung des Iren aus.1084 Als Braun Ende 1838 dringend sein Amt als Kriegsminister antreten wollte, übernahm der schwer erkrankte O’Connor interimsweise das Kommando über die Südarmee, bis er es dem späteren Putschisten José Miguel de Velasco übergab.1085 Neben diesen verlässlichen Mitstreitern vor Ort stand Braun mit nahezu allen zivilen und militärischen Institutionen der Grenzregion, der einzelnen Präfekturen sowie der zentralstaatlichen Behörden in Kontakt. Dies zeigt das bis heute erhaltene,

1081 Zu O’Connor siehe auch die Abschnitte „Aus Kameraden werden Freunde: Braun und O’Connor“ sowie „Freunde fürs Leben: Franciso Burdett O’Connor“. 1082 Es eine Reihe privater Briefe zwischen Braun und O’Connor erhalten: Archiv Braun, Bde. 13, 105, 458, 486, 632, 721, 738. 1083 Folgende ausgewählte Briefe dokumentieren das berufliche Verhältnis von Braun und O’Connor am besten: Archiv Braun, Bde. 285, 286 und 314. 29.01.1836 in: ANB, MG (1836), Nr. 10, Bd. 92. 11.07.1836, in: Archivo General de la Nación (Lima, Peru). Archivo Republicano (Palacio de Justicia). Colección Santa Maria. Ministerio de Hacienda y Comercio. Archivo Historico, SM 668. 10.11.1838, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. 15.12.1838, in: ANB, MG (1838), Bd. 109. Siehe ferner die Quellenbestände: ANB, MG (1836), Nr. 10, Bd. 92, ANB, MG (1838), Bd. 109, ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107, ANB, MG (1838), Nr. 6, Bd. 103, ANB, MG (1839), Nr. 7, Bd. 103. 1084 31.05.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p172/87). 1085 Siehe hierzu: 06.08.1838 Cuczo. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 584. 12.08.1838 Cuzco. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 589. 17.09.1838 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p270/137v). 06.10.1838 Abancay. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 609. 16.11.1838 Mojo. Nr. 15, O’Connor an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1838), Nr. 6, Bd. 103.

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über 240 Seiten starke „Feldtagebuch der Süd-Armee der Konföderation“1086. Es erfasste sämtliche vom 1. Januar bis 14. Juli 1838 auf offiziellem Wege erhaltenen sowie die von Braun abgeschickten Briefe – inklusive einer zusammenfassenden Inhaltsangabe. Diese Quelle lässt heute einen detaillierten Blick auf das administrative Netzwerk Brauns zu. Das Feldtagebuch zeigt, dass Braun neben seinen unmittelbaren Mitarbeitern regelmäßig – teilweise täglich – mit vielen zentralen Institutionen des Landes, wie etwa dem Protektor der peruanisch-bolivianischen Konföderation, Andrés de Santa Cruz, dem Generalstab der Vereinigten Armee unter José Ballivián, dem Kriegsministerium, dem Innenministerium und dem Finanzministerium, in Kontakt stand. Ferner kommunizierte Braun mit den Präfekturen und Militärkommandanturen von Potosí, Chuquisaca, Oruro, La Paz und, nach dem Ausbruch des Krieges, auch der Präfektur von La Puna sowie einer großen Anzahl von diesen Institutionen untergeordneten Provinzgouverneuren. Darüber hinaus tauschte sich Braun nahezu täglich mit Kommandeuren der einzelnen Frontabschnitte aus.1087 Eine der wichtigsten Aufgaben Brauns im Hauptquartier der Südarmee war es, Informationen über den Gegner zu sammeln, der am 19. Mai 1837 der Konföderation offiziell den Krieg erklärt hatte. Hierfür baute Braun ein dichtes Netz an Spionen und Informanten auf, etwa aus argentinischen Offizieren, Kaufleuten, Bauern und Überläufern.1088 Einer von ihnen war der Unternehmer und Politiker Pedro Sáenz. Dieser Anhänger von Santa Cruz informierte Braun detailliert über die Verhältnisse hinter den feindlichen Linien und diente darüber hinaus als Unterhändler zu Alejandro Heredia, dem Gouverneur der Provinz Tucumán und verantwortlichen argentinischen General.1089 Diese heiklen Aufgaben sprechen für ein enges Vertrauensverhältnis zwischen Braun und Sáenz, was deren Interaktion in den 1850er Jahren erklären hilft.

1086 Diario del Ejercito del Sud de la Confederación 1838, in: ANB, MG (1838), Nr. 5. Bei dem überraschenderweise erhaltenen „Feldtagebuch der Südarmee der Konföderation“ handelt es sich um eine sehr aussagekräftige, aber bisher noch nie näher betrachtete Quelle. Sie wurde für die vorliegende Arbeit untersucht. Eine systematische Erschließung darüber hinaus muss jedoch anderen Arbeiten überlassen bleiben. 1087 Siehe vor allem : Diario del Ejercito del Sud de la Confederación 1838, in: ANB MG 1838 No. 5. 24 1088 25.05.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p170/86). 22.08.1837 Esmoraca. Bericht des Bürgers Mateo Estrada, in: ANB, MG (1837), Nr. 27, Bd. 94. 04.10.1837 Aussage des Bauern Agustin, unterzeichnet von Agreda, in: Ebd. 1089 17.02.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 504. 30.03.1838 Salta. Sáenz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 522. 28.06.1838 Valle de la Concepción. Sáenz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 566. 17.07.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 574.

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Karrierehöhepunkt: Der Weg zum Marschallstab 1837–1838 Braun fielen auch immer wieder geheime Schreiben des Gegners in die Hände.1090 Auf diese Weise erfuhr der Oberkommandierende der disziplinierten und gut ausgerüsteten Süd-Armee, die ja teilweise aus kampferprobten Verbänden des Feldzuges in Peru bestand, von den immensen Problemen seiner Gegenspieler, der Brüder Alejandro und Felipe Heredia, den Gouverneuren von Tucumán bzw. Salta, sowie Pablo Alemán, dem Gouverneur von Jujuy, eine ebenbürtige Armee aufzustellen. Braun wusste von ihren erheblichen Schwierigkeiten, Ressourcen zu mobilisieren, was vor allem auf die mangelnde Unterstützung des Gouverneurs von Buenos Aires und gleichzeitig Führungsfigur der argentinischen Föderation, Juan Manuel de Rosas, zurückzuführen war.1091

Militärische Strategie des Feldzuges Braun war der Meinung, dass die argentinische Regierung um Rosas der Konföderation auf Drängen der chilenischen Administration den Krieg erklärt hatte, um die Aufmerksamkeit der peruanisch-bolivianischen Führung vom entscheidenden Kriegsschauplatz, der auf Peru zusteuernden chilenischen Expedition, abzulenken und die militärischen Kräfte der Konföderation zu zersplittern.1092 Braun schätzte 1090 Schon bevor Braun sich an der Grenze aufhielt, war er über abgefangene Briefe über den inneren Zustand der argentinischen Föderation im Bilde. Generell konnte er sich jedoch nicht sicher sein, dass diese Briefe authentisch und nicht Teil einer Kriegsstrategie waren. 10.03.1837 Salta. Geheim. Felipe Heredia an Justo Oliva, in: Archiv Braun, Bd. 397. 11.04.1837 Salta. Felipe Heredia an Justo Olivia, in: Archiv Braun, Bd. 405. 28.04.1837 Orán. Justo Oliva an Tomás Ruiz, Geheim, in: Archiv Braun, Bd. 408. 08.08.1837 Toroara. Pascual Viusugaste an Juan Cáceres, in: Archiv Braun, Bd. 435. 21.08.1837 Jujuy. Pablo Alemán an Manuel Sevilla, in: Archiv Braun, Bd. 439. 24.08.1837 Jujuy. Befehle für den Kommandeur der Kavallerie Benito Masías, unterzeichnet von Pablo Alemán, in: Archiv Braun, Bd. 440. Allerdings gelang es auch Heredia, in den Besitz von Briefen, etwa von Andrés de Santa Cruz an General William Miller, zu gelangen. Allerdings waren dieser eher strategischer als operativer Natur und auch von geringerer Anzahl. Siehe etwa: 19.02.1838 La Paz. Santa Cruz an Miller, in: Basile, Una Guerra poco conocida, Bd. 2, 1943, S. 136. 1091 31.05.1837 Tupiza. Nr. 10, Braun an den Sekretär des Vizepräsidenten, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. Braun behielt diese Einschätzung lange bei: 29.05.1837 Tarija. Nr. 12, M. l. Dorado an Braun, in: ANB, MG (1837), Nr. 40, Bd. 97. 04.10.1837 Sococha. Nr. 52, Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. Siehe auch die Dutzenden Briefe an Andrés de Santa Cruz im ­Abschriftenverzeichnis von Braun: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p165/83v ff ). 1092 Wenig später bestätigte der Befehlshaber der ersten chilenische Expedition diese Absichten: 28.12.1837 Santiago de Chile. Exposicion que hace el general Blanco

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die konkrete militärische Gefahr einer argentinischen Invasion in Bolivien jedoch für gering ein und kalkulierte, dass sie nicht vor September 1837 realisiert werden könnte. Um ihr gleichwohl zuvorzukommen, plädierte Braun ab Mitte August 1837 trotz einer drohenden chilenischen Invasion in Peru und eines damit entstehenden Zweifrontenkrieges vehement für eine Offensive und für das Überschreiten der Grenze mit der gesamten Süd-Armee. Dabei sah Braun seinen Plan aufgrund der einseitigen argentinischen Kriegserklärung, einiger Grenzverletzungen durch argentinische Streifkorps sowie der pro-bolivianischen Erhebungen in einigen argentinischen Ortschaften durch das Völker- und Kriegsrecht gedeckt.1093 Strategisches Hauptziel Brauns war es, den zu erwartenden Krieg nicht auf bolivianischem, sondern auf argentinischem Territorium auszutragen, um auf diese Weise die eigene Bevölkerung und die eigenen Ressourcen zu schonen. Darüber hinaus verfügte er dann über Verhandlungsmasse für den angestrebten Friedensvertrag.1094 Dabei betonte Braun, dass er nicht „ins Herz Argentiniens“1095 vorstoßen, sondern lediglich einen Puffer schaffen wolle.1096 Brauns Strategie half, dass sich einige argentinische Ortschaften und Provinzen, wie La Puna, die Täler von Santa Victoria, Santa Catalina, Cochinoca, Yavi und Iruya, Ende August 1837 von der argentinischen Konföderation und ihren Nordprovinzen lossagten. Anschließend baten sie um die Aufnahme in die bolivianische Republik. Dieser Bitte entsprachen Braun und Calvo gerne. Als Morgengabe hatten Bürger den Gouverneur sowie Offiziere Encalada, in: Santa-Cruz, El General Andrés de Santa Cruz, 1924, S. 486, 491. Braun seinerseits begrüßte die argentinische Kriegserklärung, da er nun ungehindert operieren konnte: 09.07.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p182/92). 1093 08.1837 Tupiza. Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 21.08.1837 Tupiza. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 31.08.1837 Tupiza. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 1094 17.08.1837 Tupiza. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 21.08.1837 Tupiza. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 31.08.1837 Tupiza. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 1095 17.08.1837 Tupiza. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 1096 Vor allem ältere, aber immer wieder auch neuere chilenische, peruanische und argentinische Literatur (etwa Jorge Saborido 2009) behaupten, dass Santa Cruz umfassende Annexionspläne gegenüber Ecuador, Chile und Argentinien verfolgt habe. Auch Brauns Operationen hätten dazu gedient, große Teile Argentiniens zu besetzen. Diese sehr eng an die Argumentation der zeitgenössischen argentinischen Propaganda angelehnte These muss aufgrund der Diskussionen der obersten militärischen und politischen Führung der peruanisch-bolivianischen Konföderation, in denen sich keine tragfähigen Hinweise darauf finden, zurückgewiesen werden. Siehe für diese Behauptungen beispielsweise: Basile, Una Guerra poco conocida, Bd. 1, 1943, S. 78. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 68, 73, 119f, 117. Saborido, La participación argentina, 2009, S. 157. Vergara, La Guerra contra el Mariscal Santa Cruz, 1938, S. 538. Zur Dikussion siehe: Cisneros, Historia general I/3, 1998, S. 212ff, 218. Pavoni, El noroeste argentino en la época de Alejandro Heredia, Bd. 1, 1981, S. 51, 84.

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und Soldaten, die als Gegner Boliviens galten, festgenommen und Braun übergeben. Darüber hinaus hatten sich 300 Grenzbewohner angeboten, freiwillig in Brauns Armee einzutreten.1097 Dabei muss einerseits betont werden, dass diese Loslösung nicht so spontan war, wie Braun dies nach außen darstellte,1098 sondern schon seit mehreren Monaten geplant und systematisch vorangetrieben worden war.1099 Andererseits kann nicht davon gesprochen werden, dass Braun diese Rebel1097 17.08.1837 Tupiza. Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 17.08.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p191/96v). 21.08.1837 Tupiza. Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 31.08.1837 Tupiza. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 07.09.1837 Sococha. Nr. 43, Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 24.09.1837 ­Sococha. Nr. 50, Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 07.09.1837 Sococha, Liste der gefangenen Offiziere, unterzeichnet von Agreda, in: Ebd. 07.09.1837 Sococha. Nr. 42, Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 02.12.1837 Mojo. Nr. 65, Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. 1098 Siehe etwa: 05.09.1837 Yavi. Braun an den Bürger Luiz Paredes, in: ANB, MI (1837), Bd. 60 Nr. 13. 1099 Braun hatte schon im Mai 1837 mit Santa Cruz über eine Abspaltung der Provinz La Puna und eine Angliederung an Bolivien gesprochen. Im Juli 1837 stand ein de-

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lion erzwungen hätte, da er mit seiner Armee die Grenze noch nicht überquert hatte und er deswegen gar kein Druckmittel vor Ort besaß. Braun konnte lediglich auf einzelne Agenten zurückgreifen. Darüber hinaus hatte es bei öffentlichen Versammlungen eine Zustimmung von Teilen der Bevölkerung für diesen Schritt gegeben.1100 Anfang September 1837 erhielt Braun umfassende Vollmachten, seinen Plan in die Tat umzusetzen.1101 Umgehend überquerte Braun an zwei verschiedenen Stellen die argentinische Grenze. Dabei rückte er mit zwei Kolonnen, einmal über La Quiaca und Cochinoca und einmal über Yavi und Iruya nach Humahuaca vor.1102 Am 12. und 13. September 1837 trafen die Gegner zum ersten Mal in Gefechten bei Humahuaca und Santa Barbara aufeinander.1103 Auch wenn sich Braun in der Folge zurückzog und seine Stellungen vom Gegner übernommen wurden, ließ Braun das Ergebnis als Sieg feiern.1104 Zwar hatte sich Heredia operativ durchgesetzt, da er Braun aus Humahuaca vertreiben konnte, Braun jedoch taillierter Plan. Am 17. August 1837 nannte Braun das konkrete Datum der für zwei Wochen später geplanten Loslösung: 31.05.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p172/87). 17.07.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p183/92v). 17.08.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p191/96v). 1100 Argentinische Militärs hatten ihrerseits versucht, prominente Bürger der Provinz ­Tarija zum Aufstand und Abfall von Bolivien zu bewegen. Braun war darüber durch abgefangene Briefe früh informiert: 28.04.1837 Orán. Justo Oliva an Timoteo Raña, in: Archiv Braun, Bd. 409. Die argentinische Historikerin Cecilia González Espul vergisst, auf die öffentliche Zustimmung der Bevölkerung und auf die offizielle ­Abspaltung der Provinzen von der argentinischen Föderation hinzuweisen: González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 112. 1101 31.08.1837 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 442. 1102 07.09.1837 Sococha. Braun an den Kriegsminster, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 07.09.1837 Sococha. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 06.09.1837 Sococha, Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p195/98v). 19.09.1837 Yaví. Nr. 44, Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 1103 Beide Seiten beanspruchten den Sieg für sich. Braun sprach von 150 argentinischen Gefallenen, Heredia von neun. Zwar sind die tatsächlichen Verluste heute nicht mehr zu klären, die Forschung geht jedoch davon aus, dass Heredia bei seinen Zahlen wahrscheinlich aus propagandistischen Gründen deutlich untertrieb. Die argentinische Historikerin Cecilia Gonzáles Espul schreibt Braun den Sieg zu, Best folgt ­Heredia. Basile, Una Guerra poco conocida, Bd. 1, 1943, S. 167. Best, Historia de las Guerras Argentinas, Bd. 2, 1960, S. 167f. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 112. 1104 15.09.1837 Yaví. Nr. 47, Braun an den Kriegsminister, in: Archivo: Casa de la Libertad (Sucre). Serie: C-2.2.6 0403. 17.09.1837 Yavi. José Valle an den Generalstabschef, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 17.09.1837 Sococha, Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p196/99). 19.09.1837 Yaví, Nr. 47, Braun an den Kriegsminister, in: Archivo Histórico del Honorable Congreso Nacional de Bolivia (La Paz), PL 264. 21.09.1837 Talina. Manuel Carrasco an Braun, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94.

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hatte seine Strategie, den Krieg weit auf argentinischem Territorium zu führen, erfolgreich umgesetzt, weshalb ihm selbst sonst wenig zugeneigte ­argentinische Militärhistoriker den strategischen Sieg zuschreiben.1105 Letztlich fühlte sich Braun aufgrund der politischen und militärischen Entwicklung, auch aufgrund innenpolitischer Erschütterungen in der argentinischen Föderation, so gestärkt, dass er Anfang Oktober 1837 wieder schlagkräftige Einheiten zurück über die Grenze schickte, da er sie nicht mehr benötigte und anderen Kriegsschauplätzen zur Verfügung stellen wollte.1106 Auch aus diesem Grund entschieden sich die bolivianischen Akteure Santa Cruz, Braun und Calvo dazu, die von Argentinien abgefallenen Landstriche in eine neue bolivianische Provinz aufgehen zu lassen und damit in die bolivianische Republik zu integrieren. Um dies zu erreichen, trieb Braun die institutionelle Verankerung der neuen Provinz La Puna in den bolivianischen Staatsverband voran. Um Fakten zu schaffen, ernannte Braun einen Gouverneur für die neue bolivianische Provinz – auch wenn es noch keine endgültige militärische Entscheidung gegeben hatte.1107 Es gilt zu betonen, dass entgegen der Meinung eines Teils der bisherigen militärhistorischen Forschung Braun im September und Oktober 1837 die argentinischen Einheiten nicht bis kurz vor die Stadt Jujuy verfolgte, sondern mit dem Großteil seiner A ­ rmee die eroberten Landstriche mit einigen Garnisonseinheiten an der Grenze und mit vorgeschobenen Posten, etwa bei 1105 Dies ist umso erstaunlicher, als der argentinische Militär und Historiker Clemente Basile, der den argentinisch-bolivianischen Krieg detailliert erforschte und viele Fakten zusammentrug, stellenweise wenig distanziert den Krieg aus der Sicht der argentinischen Beteiligten rekonstruierte. Dabei kam er nicht immer zu einem ausgewogenen Urteil, da er vor allem bei inhaltlichen Bewertungen den propagandistischen Veröffentlichungen der argentinischen Protagonisten zu großes Gewicht beimaß – sogar, wenn andere Quellen eine differenzierte Sichtweise nahelegen. Die von ihm rekonstruierten militärhistorischen Details, wie Abläufe von Schlachten und Bewegungen von Truppen, stimmen jedoch mit meinen Erkenntnissen meistens überein. Basile, Una Guerra poco conocida, Bd. 1, 1943, S. 152ff, 167. Ähnlich die argentinische Historikerin Cecilia González Espul: González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 112, 99ff. Siehe ferner: Best, Historia de las Guerras Argentinas, Bd. 2, 1960, S. 165ff. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 309ff. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 241. Rosa, Historia Argentina, Bd. 4, 1970, S. 259ff. Sotomayor Valdés, Campaña del ejército chileno, 1896, S. 59f. 1106 Braun hatte schon im April erste Einheiten zurückgeschickt: 28.04.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p165/83v). 02.10.1837 Sococha. Nr. 51, Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 1107 Braun hatte selbstständig einen Gouverneur ernannt. Später sanktionierte Santa Cruz diese Maßnahme: 05.09.1837 Yaví. Braun an den Bürger Luiz Paredes, in: ANB, MI (1837), Bd. 60 Nr. 13. 04.12.1837 Cochabamba. José Ignacio de Sanjinés (Innenministerium) an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 481. 15.12.1837 Mojo. Braun an den Innenminister, in: ANB, MI (1837), Bd. 60 No 13.

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Iruya, verteidigte.1108 Das Hauptquartier verlegte Braun sogar auf bolivianisches Territorium nach Tupiza (Oktober-­November 1837) bzw. nach Mojo (Dezember 1837-Februar 1838).1109

Politische Strategie des Feldzuges Neben militärischen Manövern bemühten sich die Kontrahenten, die Bevölkerung der Grenzregionen für ihre jeweilige Seite zu gewinnen. Der von Juan Manuel de Rosas mit der Bekämpfung Brauns beauftragte argentinische General und Gouverneur Alejandro Heredia rief die Bevölkerung der bolivianischen Grenzprovinz Tarija zum Aufstand gegen die bolivianische Zentralregierung auf und versprach im Falle einer erfolgreichen Invasion umfangreiche Reformen. Dabei betonte er, dass er keinen Krieg gegen das bolivianische Volk führen wolle, sondern nur gegen den als Tyrannen bezeichneten Santa Cruz.1110 Braun stand seinem Widersacher in dieser Hinsicht in nichts nach. Seinen eigenen Soldaten gegenüber rechtfertigte Braun die Invasion des Nachbarstaates, indem er auf die einseitige und nicht provozierte Kriegserklärung der Administration Rosas verwies und alte Ängste vor einer neuen Kolonialisierung und Beherrschung Boliviens durch Buenos Aires schürte.1111 Aber auch öffentlich versuchte Braun – vor allem mit Flugschriften – sein unbestreitbares Eindringen in argentinisches Hoheitsgebiet zu rechtfertigen und gleichzeitig die Bevölkerung zum Widerstand gegen ihre Rosas-treuen Gouverneure Heredia und Alemán aufzurufen. Ganz konkret versprach Braun, dass seine Armee die Gegend nicht plündern, sondern sich auf den Märkten gegen Bezahlung versorgen werde. Damit setzte er sich von seinem Widersacher ab. Auch Santa Cruz betonte in einem Aufruf an das Süd-Heer, die friedlichen Bewohner der Grenzregion zu respektieren und zu verteidigen.1112 Braun unterstrich, dass er nicht Krieg gegen die Bevölkerung führe, sondern nur 1108 Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 312. Díaz Arguedas, Fastos militares de Bolivia, 1943, S. 183f. Wilde Cavero, Historia Militar de Bolivia, 1963, S. 96. Auch Basile spricht von einer Pause der Kampfhandlungen Ende des Jahres 1837: Basile, Una Guerra poco conocida, Bd. 1, 1943, S. 174. 1109 Diario del Ejercito del Sud de la Confederación 1838, in: ANB, MG (1838), Nr. 5. 1110 19.06.1837 Tucumán. Proklamation an die Bewohner Boliviens. Alejandro Heredia, in: Archiv Braun, Bd. 419. 13.09.1837 Humahuaca. Proklamation von Felipe Heredia, in: Archiv Braun, Bd. 446. 04.11.1837 Jujuy. Proklamation von Alejandro Heredia, in: Archiv Braun, Bd. 468. 1111 05.09.1837 Sococha. Braun. Proklamation an die Kamaraden, in: Diaz, El Gran ­Mariscal de Montenegro, 1945, S. 86. 1112 20.09.1837 Yaví. Gedrucktes Flugblatt. Braun an die Bewohner von Salta, Jujuy, Tucman und Catamarca, in: Archiv Braun, Bd. 449. 27.09.1837 La Paz. Proklamation von Santa Cruz an die Südarmee, in: Archiv Braun, Bd. 455.

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die Integrität Boliviens gegen die Verursacher des Konfliktes verteidige. Dabei betonte er den defensiven Charakter seines Anliegens: Denn „sobald ihr eure Rechte und wir den Frieden wiedererlangt haben, […] werden wir uns wieder trennen und uns zum Abschied eine brüderliche Umarmung geben“1113. Was Braun allerdings verschwieg, waren die zu diesem Zeitpunkt schon realisierte Abspaltung der Provinz La Puna und anderer Landesteile von Argentinien und ihre Angliederung an die bolivianische Republik. Auch verschwieg Braun, dass er plante, auf Jujuy und Salta zu marschieren, um die innenpolitischen Feinde der Brüder Heredia zu deren Sturz zu motivieren. Braun hatte schon im Juli 1837 als Maximalziel formuliert, die Provinzen Tucumán, Cajamarca, Salta und Jujuy von der argentinischen Föderation abzuspalten und sie unter dem Schutz der Konföderation einen eigenen Staat bilden zu lassen. Minimalziel Brauns war es, die Santa Cruz feindlichen Gouverneure in jenen argentinischen Provinzen durch Vertreter einer ihm wohler gesonnenen politischen Fraktion zu ersetzen. Hierfür unterstützte er die Unitarier. Diese plädierten im Gegensatz zu den Föderalisten um Rosas für eine starke Zentralgewalt und gehörten zu dessen erbittertsten Gegnern. Braun strebte also einen klassischen Regimewechsel an.1114 Einige Monate später sprach er sich hinter den Kulissen für letztere Lösung aus, da die Aufrechterhaltung einer Satellitenrepublik zu teuer sei und zu viel Widerstand provozieren würde.1115 Welches der beiden Ziele auch immer realisiert werden würde: „La Puna darf niemals wieder zurückgegeben werden und muss mit Tarija das Küstendepartement [Boliviens, Anm. RK] bilden“1116, ermahnte Otto Philipp Braun den Präsidenten Santa Cruz. Die Kontrahenten lieferten sich im nun ausgebrochenen bolivianisch-argentinischen Krieg immer wieder heftige propagandistische Auseinandersetzungen. Es war auch schon zu ersten Gefechten mit Toten und Verletzten gekommen. Keiner der Protagonisten zielte jedoch auf die physische Vernichtung des anderen oder beabsichtigte einen Vernichtungskrieg. Insbesondere der peruanisch-bolivianischen Konföderation war an einer diplomatischen Beilegung des Konfliktes gelegen, vor allem, um die Gefahr eines Zweifrontenkrieges aufgrund einer in Peru erwarteten zweiten chilenischen Expedition zu verringern. Schon im Januar 1837 hatten sich Otto Philipp Braun und Andrés de Santa Cruz darauf verständigt, mit General 1113 20.09.1837 Yaví .Gedrucktes Flugblatt, Braun an die Bewohner von Salta, Jujuy, Tucman und Catamarca, in: Archiv Braun, Bd. 449. 1114 17.07.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p183/92v). Beide Ziele hielt Braun noch im Dezember 1837 für realisierbar: 23.12.1837 Mojo. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p216/109). Santa Cruz teilte Brauns Auffassung bezüglich eines Regimewechsels: 17.02.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 504. 1115 23.12.1837 Mojo. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p216/109). 1116 17.07.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p183/92v). Eine Annexion großer Teile Argentiniens war jedoch nie im Gespräch.

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John Thomond O’Brien einen Unterhändler nach Buenos Aires zu Verhandlungen mit Juan Manuel de Rosas zu schicken.1117 Gleichzeitig hatte Otto Philipp Braun Elías Bedoya, einen in Bolivien unter dem Schutz von Santa Cruz lebenden argentinischen Exilanten, mit einer geheimen Mission zu Felipe und Alejandro Heredia gesandt. Dabei sollte Bedoya mit seinen alten Freunden sprechen und sie von einer Invasion Boliviens abbringen. Hierfür bot Bedoya im Namen Brauns umfangreiche Sicherheitsgarantien und große Geldsummen an.1118 Auch wenn die persönliche Beziehung zwischen Braun und Bedoya nur schwer zu fassen ist, kannten sich beide spätestens seit Januar 1835, als der argentinische Kaufmann dem Präfekten Otto Philipp Braun wissenschaftliche Geräte zum Kauf anbot.1119 Aber Bedoya war mehr als ein nach Bolivien geflohener argentinischer Unitarier, der sich als Kaufmann betätigte.1120 Bedoya diente Santa Cruz ab 1835 als enger Vertrauter. Unter anderem diente Bedoya als Geheimagent, der im Vorlauf des bolivianischen Eingreifens in den peruanischen Bürgerkrieg im Auftrag des bolivianischen Präsidenten Kontakt zur süd- und nordperuanischen Elite aufnahm, um die politischen Realisierungschancen eines solchen Projektes auszuloten.1121 Auch fungierte Bedoya als Kurier für Geheimschreiben – beispielsweise zwischen den Generälen Blas Cerdeña und Otto Philipp Braun.1122 Auch wenn ein direktes Schreiben zwischen Braun und Bedoya erst im Mai 1836 nachweisbar ist, zeigen obige Beispiele, wie sehr der engste militärische und politische Führungszirkel um Andrés de Santa Cruz dem argentinischen Exilanten vertraute.1123 Dies hilft auch zu erklären, 1117 John Thomond O’Brien (1786–1861), Ire, hatte am argentinischen, chilenischen und peruanischen Unabhängigkeitskrieg unter José de San Martin teilgenommen, dessen Adjutant er zeitweilig war. In den 1830er Jahren schloss er sich der Armee von Santa Cruz an, der ihn 1837 nach Buenos Aires schickte. Die dortige Regierung erkannte ihn jedoch nicht an und nahm ihn gefangen. Nach diplomatischem Druck des Britischen Empires wurde O’Brien freigelassen. Während seines Lebens überquerte er mehrfach den Atlantik – unter anderem auch mit politischen Missionen. 04.01.183[7] La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p145/74). 04.02.1837 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p151/77). 16.05.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p168/85). Siehe ferner: Cutolo, O’Brien, Juan Thomond, 1978, S. 95f. Kraft, General Juan O’Brien, 1938, S. 11ff. Moreno Martín, Relaciones de O’Brien y Rosas, 1987, S. 315ff. 1118 19.01.1837 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p149/76). 1119 03.01.1835 La Paz. Nr. 2, Braun an den Innenminister, in: ANB, MI (1835), Bd. 54 Nr. 28. 1120 Basadre, La iniciación de la República, Bd. 1, 2002 [=1929], S. 318. 1121 Dies geht hervor aus: 12.05.1835 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 4, 1991, S. 78f. 14.05.1835 San Pedro. Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 80f. 22.07.1835 Puno. Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 151f. 1122 30.05.1835 Arequipa. Cerdeña an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 274. 30.05.1835 Arequipa. Anselmo Quirós an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 275. 1123 01.04.1836 Lima. Bedoya an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 313, 2p.

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warum Braun Bedoya mit der schwierigen Geheimmission beauftragte, seine militärischen und politischen Gegner durch Schmiergeldzahlungen und machtpolitische Zugeständnisse von einem Krieg abzuhalten. Diese politische Nähe und das enge Vertrauensverhältnis zwischen beiden Akteuren wiederum erklärt, warum Bedoya, der im Mai 1838 wieder nach Salta zurückgekehrt war, nachdem dort Unitarier die Regierungsgewalt erobert hatten, Otto Philipp Braun nach dem Zusammenbruch der peruanisch-bolivianischen Konföderation ein Jahr später entscheidend half und für ihn und seine Kinder ein lebensrettendes Exil in Argentinien organisierte. Brauns Versuch, mit der Mission von Elías Bedoya und der Bestechung des Gegners eine militärische Auseinandersetzung zu verhindern, war kein Erfolg beschieden. Bei ähnlichen Missionen nach Buenos Aires und Nordargentinien hatten chilenische Gesandte größeren ökonomischen und politischen Gewinn versprochen. Aus diesen Gründen trieben Rosas, Heredia und Alemán – neben innen- und machtpolitischen Motiven – die Vorbereitung einer Invasion Boliviens voran.1124 Auch nach den ersten Kampfhandlungen ebbten die Bemühungen der bolivianischen Seite um einen Verständigungsfrieden nicht ab. Ende Oktober 1837 ermächtigten Santa Cruz und Braun einen Vertrauten, mit Pablo Alemán, dem Gouverneur der Provinz Jujuy, über einen Seitenwechsel zu verhandeln. Im Gegenzug dafür sollten sich die Provinzen von Jujuy, Salta und Tucumán von Argentinien lossagen und unter den Schutz der peruanisch-­ bolivianischen Konföderation stellen – mit Alemán als neuer Führungsperson.1125 Trotz Kriegserklärung, Propaganda und Kampfhandlungen standen die Kontrahenten immer wieder in Kontakt und loteten die Möglichkeiten einer politischen Lösung des militärisch ausgetragenen Konfliktes aus. So sehr die Kriegsparteien auch immer wieder den Kontakt suchten und versuchten, ihre militärisch ausgetragenen unterschiedlichen politischen Vorstellungen auf dem Verhandlungsweg zu lösen, ohne die gegnerische Partei und deren Protagonisten zu vernichten, muss dennoch betont werden, dass Braun gegen Spione und Verräter aus den eigenen Reihen kompromisslos vorging. Der Spionage verdächtige Ausländer ließ Braun ausweisen.1126 Mit Abtrünnigen aus den eigenen Reihen verfolgte Braun eine noch härtere Linie. Als im Juni 1837 ein bolivianischer Offizier nach Argentinien floh und anschließend für die gegnerische Seite spionierte, ließ Braun ihn in einer geheimen Kommandoaktion 1124 25.05.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p170/86). 1125 24.10.1837 Puno. M. de la Cruz Méndez (Sekretär von Santa Cruz) an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 461. 1126 19.07.1837 Tupiza. Nr. 22. Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 01.08.1837 Tupiza. Nr. 25. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 16.08.1837 Tupiza. Nr. 34. Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. 27.10.1837 Puno, Dekret (Abschrift), M. de la Cruz Méndez an den Sekretär des Vizepräsidenten, in: Archiv Braun, Bd. 466. 01.01.1838 Mojo. Felipe Braun an den Sekretär des Präsidenten, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107.

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auf argentinischem Territorium – noch vor der offiziellen Invasion – gefangen nehmen. Nach einem kurzen Kriegsgerichtsprozess ließ Braun den Delinquenten öffentlichkeitswirksam auf dem Hauptplatz eines südbolivianischen Ortes erschießen.1127 Einen anderen Offizier, der Mitte des Jahres 1838 mit einigen Soldaten zu den Argentiniern übergelaufen war, ließ er – trotz eines Appells an die Barmherzigkeit und die Gnade Brauns durch einen Mitoffizier1128 – Ende Juli 1838 in Tarija durch ein Erschießungskommando hinrichten.1129 Dabei muss unterstrichen werden, dass Braun durchaus Spielraum besaß. Er besaß die Macht, Kriegsgerichtsverfahren, mit denen er nicht einverstanden war, abbrechen zu lassen.1130 Auch nutzte Braun an anderer Stelle seinen Einfluss bei Andrés de Santa Cruz, beispielsweise im Falle des aufständischen Generals Francisco López de Quiroga, um beim Protektor um Gnade für dessen Leben zu bitten – und zwar mit Erfolg.1131 Braun war also sehr wohl zu Gnade und Milde fähig und durch seinen Einfluss in der Lage, dies auch in der Staatsspitze zu durchzusetzen. Aber er setzte diese Möglichkeiten nur gelegentlich ein.

1127 26.06.1837 Tupiza. Braun an den Sekretär des Vizepräsidenten, in: ANB, MG (1837), Nr. 10, Bd. 94. 26.06.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817(AA p176/89). 01.07.1837 Tarija. Nr. 36. M. l. Dorado an Braun, in: ANB, MG (1837), Nr. 40, Bd. 97. 05.07.1837 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 424. 1128 07.1838 Caraparí. Luis Castrillo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 570. 1129 03.08.1838 Tarija. Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd.  107. 10.09.1838 Tupiza. Nr. 4, Braun an den Kriegsminister, in: Ebd. Andrés de Santa Cruz befürwortete Brauns Maßnahme: 10.07.1838 La Paz. Anselmo Quiroz an Braun, in: Ebd. 07.06.1838 Loncos. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p254/129v). 21.07.1838 Tarija. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p262/133v). 1130 Wie etwa im Fall von Sebastián Lizarraga: 24.09.1838 Cochinoea. Nr. 17. Carlos Mediaceli an den Generalstabschef, in: ANB, MG (1838), Nr. 7, Bd. 103. 1131 Zwar starb López Ende des Jahres 1838 in bolivianischer Gefangenschaft. Das Gnadengesuch Brauns jedoch führte u. a. dazu, dass in einem eigens angesetzten Kriegsgerichtsverfahren gegen López kein Todesurteil gefällt wurde. Es bleibt jedoch zu betonen, dass Braun sich zwar gegen eine Erschießung von López aussprach, dennoch dessen Verhalten zutiefst verurteilte. Der Erfolg des Gnadengesuchs geht vielleicht auf die unerschütterliche Loyalität von López gegenüber Antonio José de Sucre im Jahre 1828 zurück: 07.11.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p212/107). 24.02.1838 Perchel. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p234/118v). 24.02.1838 Perchel. Nr. 43, Braun an den Generalstabschef der Vereinigten Armee, unterzeichnet und kommentiert von Quiros (10.03.1838), in: ANB, MG (1838), Bd. 109. Zu López de Quiroga siehe ferner: Basadre, Diez años, 1953, S. 57ff, 66. Díaz Arguedas, Los generales de Bolivia, 1929, S. 161ff.

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Stellungskrieg, Offensive und Verhandlungen Wie erwähnt, stoppte Braun im Oktober 1837 seine Offensive. Die Gründe waren vor allem innenpolitische Probleme in Bolivien sowie eine militärische Bedrohung der Konföderation in Peru. Zum einen hatten bolivianische Einheiten in Oruro gemeutert und war mit López ein hoher General desertiert, zum anderen drohte der bolivianische Kongress, den Pakt von Tacna abzulehnen. Darüber hinaus war in Peru eine chilenische Expeditionsarmee gelandet mit dem Ziel, die Konföderation zu zerstören. Daher beschränkte sich Braun darauf, das gewonnene Terrain zu halten – wobei es nur zu kleineren Scharmützeln vorgeschobener Posten kam.1132 Ein namentlich unbekannter deutscher, in Nordargentinien lebender HaciendaBesitzer kommentierte als Augenzeuge des Krieges lakonisch, „dass bis jetzt bei Weitem weniger Menschen- als Ochsenblut geflossen ist. Den meisten Schaden trägt nicht der Feind, sondern das Land.“1133 Als dann jedoch bekannt wurde, dass die chilenische Regierung nach der Niederlage der Expedition in Peru den Vertrag von Paucarpata nicht anerkannte und Anfang Februar 1838 die Fortsetzung des Krieges gegen die bolivianisch-peruanische Konföderation ankündigte, befahl Santa Cruz Braun, an der südlichen Front die Entscheidung zu suchen, ehe eine zweite chilenische Expedition Peru erreichen könne.1134 Braun zögerte.1135 Doch als er wenig später erfuhr, dass Anfang Februar 1838 Teile der Armee von Alejandro Heredia gemeutert hatten und desertiert waren, also die Kampfkraft des Gegners entscheidend geschwächt war, setzte Braun seine gesamte Armee in Bewegung.1136 Dabei rechtfertigte er die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten in einer Proklamation bei seinen Soldaten.1137 Die vor Braun stehenden Herausforderungen ließen ihm jedoch wenig Zeit. Braun marschierte sehr bald in Richtung des über 160 Kilometer von der boli1132 17.10.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p204/103). 24.10.1837 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p206/104). Zu den Scharmützeln siehe: Basile, Una Guerra poco conocida, Bd. 1, 1943, S. 175ff. 1133 O. A. Einige Notizen über den Krieg gegen Bolivia im Jahr 1838, 1841, S. 276ff. 1134 16.01.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 497. 20.01.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 499. 04.02.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 500. 04.02.1838 La Paz Anselmo Quirós an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 501.12.02.1838 La Paz. Nr. 6, Eusebio Guilarte (Generalstab) an Braun, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. 1135 31.01.1838 Mojo. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p226/114). 1136 Zur Desertion von Heredia siehe: 16.01.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 497. 07.03.1838 Campamento de Tumbaya. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p235/119). Ferner: Basile, Una Guerra poco conocida, Bd. 1, 1943, S. 180 ff. 1137 14.02.1838 Cangrejos. Proklamation des Kommandierenden Generals der Süd-­ Armee Braun, in: Archiv Braun, Bd. 503.

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vianisch-argentinischen Grenze entfernten Humahuaca, das er am 18. Februar 1838 besetzte.1138 General Heredia, der hier zuvor sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, war nach dem Bekanntwerden der chilenischen Kapitulation in Paucarpata und angesichts der anrückenden Armee Brauns nach Süden geflohen. Vom besetzen Humahuaca aus setzte Braun Anfang März seinen Feldzug in Richtung der Provinzhauptstadt Jujuy fort.1139

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Dieser näherte sich Braun bis auf 50 Kilometer, er nahm sie jedoch nicht ein. Denn Brauns Ziel war nicht die Eroberung der gesamten Provinz und ihre Integration in die bolivianische Republik, sondern nur die Austragung des Krieges auf argentinischem Territorium und die Provokation eines Regimewechsels in den Nordprovinzen. Aus diesem Grund operierte Braun von März bis April 1138 18.02.1838 Humahuaca. Braun an den Innenminister, in: ANB, MI (1837) Bd. 60 Nr. 13. 18.02.1838 Feldlager bei Humahuaca. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p233/118). 1139 Dabei blieb Braun nicht für längere Zeit in Huamahuaca, wie einige behaupten: Basile, Una Guerra poco conocida, Bd. 1, 1943, S. 200. Vergara, Jujuy bajo el signo federal, 1938, S. 181f.

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1838 in der Nähe Jujuys, in der Gegend von Tumbaya und Hornillos1140 – über 230 Kilometer von der eigentlichen Grenze entfernt. In dieser Situation kontrollierte Braun fast die gesamte nordargentinische Provinz Jujuy und Teile Saltas. Trotz hervorragender Quellenlage in unterschiedlichen Archiven sind aus dieser Zeit keine administrativen Schritte Brauns überliefert, um das besetzte Gebiet, wie die nördlicheren Gebiete der Provinz La Puna, zu bolivianischem Territorium zu erklären und in dessen zivile und militärische Verwaltung einzubinden. Es handelte sich also lediglich um eine taktische und zeitlich befristete Besetzung fremden Gebietes. Um trotz der großen Distanz zur Grenze sicher das besetzte Gebiet zu beherrschen und nicht Opfer von Guerillaangriffen und Hinterhalten zu werden, flankierte Braun seine militärischen Manöver mit Zahlungen an angesehene lokale Persönlichkeiten und mobilisierte so die Unterstützung der Bevölkerung.1141 Ein weiterer Grund für Brauns so weites Vorrücken war es, seinen Gegner zu einer militärischen Entscheidungsschlacht zu zwingen. Dieser stellte sich jedoch nicht. Braun folgerte daraus, dass Heredia nicht in der Lage sei, entsprechende militärische Kräfte für eine reguläre Schlacht aufzustellen. Die strategische Bedrohung für die peruanisch-bolivianische Konföderation schien somit gebannt. Aus diesem Grund zog sich Braun ab dem 23. April 1838 langsam über Maimará, Tilcara, Huacalera, Uquia, Rodero und Cangrejillos Richtung La Quiaca nach Bolivien zurück und hinterließ lediglich einige Garnisonseinheiten in Iruya und bei Yavi zur Sicherung der neuen bolivianischen Provinz. Von Ende Mai bis Mitte Juni schlug Braun sein Hauptquartier im bolivianischen Mojo und Tupiza auf.1142 Santa Cruz sprach intern schon von der „Neutralisierung der Südfront“1143 und gab auch offiziell den erfolgreichen Abschluss des Feldzuges öffentlich bekannt. Er ließ auch Orden und Gratifikationen verteilen. In der Folge demobilisierte er eine Reihe von Freiwilligenverbänden und verlegte kampferprobte Einheiten an andere Kriegsschauplätze. Parallel zur Besetzung weiter Teile Jujuys und dem anschließenden Rückzug hatte Otto Philipp Braun mit Alejandro Heredia diplomatische Verhandlungen angestoßen. Schon im März 1838 hatte Santa Cruz Braun nahegelegt, den bedrängten Heredia vor die Wahl der militärischen Vernichtung oder eines Friedensvertrages auf Augenhöhe, inklusive umfangreicher Geldzahlungen, zu stellen. 1140 Dies ist sehr gut am Feldtagebuch abzulesen, geht aber auch aus argentinischen Arbeiten hervor: Best, Historia de las Guerras Argentinas, Bd. 2, 1960, S. 169. 1141 20.01.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 499. 31.01.1838 Mojo. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p226/114). 1142 Die einzelnen Aufenthaltsorte Brauns gehen vor allem hervor aus: Diario del Ejercito del Sud de la Confederación 1838, in: ANB, MG (1838), Nr. 5. Siehe ferner: Basile, Una Guerra poco conocida, Bd. 1, 1943, S.190ff, 201. Best, Historia de las Guerras Argentinas, Bd. 2, 1960, S. 170ff. 1143 21.05.1838 Cochabamba. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 542, 3p.

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Braun tat dies nun, auch wenn er eigentlich einen Regimewechsel und Unitarier als zukünftige Gouverneure bevorzugte.1144 Ziel der diplomatischen Offensive war es, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden, um sich aus der strategischen Umklammerung eines Zweifrontenkrieges zu lösen. Dabei bevorzugte Santa Cruz eine politische vor der riskanten militärischen Lösung.1145 Im Mai 1838 kontaktierte Braun General Heredia und schlug ein persönliches Treffen vor, bei dem sie über das bolivianische Angebot verhandeln könnten. Braun hatte dem argentinischen General jährliche Geldzahlungen für die Anerkennung der Provinz La Puna als integralen Bestandteil Boliviens angeboten.1146 Anfang Juni wies Alejandro Heredia jedoch alle Angebote Brauns – wenn auch aufs Höflichste – zurück, vor allem, weil er die Integration der Provinzen La Puna und Santa Victoria in die bolivianische Republik nicht akzeptieren könne.1147 Parallel zu seinen propagandistischen und diplomatischen Bemühungen versuchte Braun, auch durch einen ungewöhnlich humanen Umgang mit argentinischen Kriegsgefangenen die strategische Situation positiv zu beeinflussen. Schon im Februar 1838, als die militärische Entscheidung noch lange nicht gefallen war, hatte Otto Philipp Braun eine Vielzahl argentinischer Kriegsgefangener aus der Gefangenschaft entlassen und, als Multiplikatoren mit Propagandamaterial ausgestattet, nach Hause geschickt. Braun wollte mit dieser Politik die nordargentinische Bevölkerung davon überzeugen, dass er keinen Krieg gegen sie persönlich führte, sondern nur gegen ihre als „Unterdrücker“1148 bezeichneten Regierenden.1149 Diese Politik Brauns trug schnell Früchte, da sich die gute Behandlung der Kriegsgefangenen wohl stark vom Umgang seines Gegners mit dessen eigenen Soldaten unterschied. Beispielsweise wollten zehn der entlasse1144 15.03.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 512. Drei Monate später erteilte er Braun umfassende Vollmachten für den Abschluss eines Friedensvertrages: 06.06.1838 Cochabamba. Instruktionen. Anselmo Quirós (Kriegsminister) an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 550. 07.06.1838 Cochabamba. Quirós an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 551. 1145 05.06.1838 Cochabamba. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 548. 1146 Dies geht hervor aus: 25.05.1838 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p249/126v). 31.05.1838 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p251/128). 06.06.1838 Cochabamba. Quirós an Braun, geheim, in: Archiv Braun, Bd. 549. Braun hatte auch Miguel Puch, einen hochrangigen argentinischen Militär, kontaktiert, um ihn und seine Einheiten von einer Beteiligung am Krieg abzuhalten: 17.05.1838 Iruya. Braun an Puch, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p62/31). 1147 03.06.1838 Heredia an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 546. 1148 09.02.1838 Mojo. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p231/116v). 1149 Ebd. Santa Cruz unterstützte Brauns Bemühungen, durch eine gute Behandlung der Kriegsgefangenen eine positive Haltung der nordargentinischen Bevölkerung zu erreichen: 17.02.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 504.

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nen argentinischen Kriegsgefangenen „nicht zurückkehren, sondern sind in unsere Dienste getreten. Die anderen dankten Gott für die Behandlung, die sie bei uns erfuhren, und meinten, dass es besser wäre, bei uns gefangen zu sein, als den Heredias zu dienen.“1150 Diese Darstellung Brauns bestätigt der schon erwähnte deutsche Augenzeuge auf der argentinischen Seite der Front, der in seinem Bericht für eine deutsche Kriegszeitschrift betonte, wie ungenügend Heredia seine Soldaten versorgte: „Diese unglücklichen Soldaten sind schlecht bekleidet, noch schlechter bezahlt und lediglich auf eine tägliche Fleischration ohne Brot und ohne Salz angewiesen.“1151 Dies alles führte auch zu der massenhaften Desertion, die Braun bei seiner zweiten Offensive ausnutze. Diese Entwicklung hatte er mit der öffentlichkeitswirksamen Entlassung mit vorangegangener guter Behandlung der Kriegsgefangenen auch befördern wollen.1152 Aber auch nach dem erfolgreichen Abschluss des Feldzuges einige Monate später setzte Braun die gute Behandlung der Kriegsgefangenen fort und kümmerte sich um deren Versorgung.1153 Ende des Jahres 1838 ordnete Braun mit Verweis auf die „Gefühle der Menschlichkeit“1154 die Entlassung auch der letzten argentinischen Gefangenen, vornehmlich hoher argentinischer Offiziere, an. Ebenfalls befahl er, ihnen ausreichend Proviant mitzugeben, damit sie alle sicher nach Hause kämen. Es muss dabei betont werden, dass diese Politik Brauns nicht selbstverständlich war. Denn noch während des Unabhängigkeitskrieges oder beim Feldzug von General Salaverry wenige Jahre zuvor war es im Zuge des Guerra a Muerte zur massenhaften Ermordung und Misshandlung gefangener Soldaten gekommen.1155 Obwohl die Verhandlungen zwischen Braun und Heredia im Mai und Juni 1838 scheiterten, schätzen Braun und Santa Cruz, dass ihr Kontrahent nicht in der Lage sein werde, sie weiter militärisch zu bedrohen, weshalb sie auch die Armee umstrukturierten und verkleinerten. Diese Einschätzung stellte sich jedoch als falsch heraus. Im April 1838 war es zwischen chilenischen Abgesandten und argentinischen Politikern zu einer detaillierten Absprache über einen konzertierten Zangenangriff auf die Konföderation gekommen. Während Chile mit einer zweiten Expedition Richtung Peru aufbrach, war es Argentiniens Aufgabe, die Südgrenze anzugreifen. General Heredia hatte die Zwischenzeit genutzt, um 1150 09.02.1838 Mojo. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p231/116v). 1151 O. A. Einige Notizen über den Krieg gegen Bolivia im Jahr 1838, 1841, S. 276ff. 1152 Es gilt dabei zu erwähnen, dass Braun durchaus auch ganze Einheiten gefangener Argentinier rekrutierte – ohne, dass der freiwillige Charakter jedes Mal feststellbar wäre: 16.07.1838 La Paz. Quiroz an Braun, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. 1153 07.06.1838 Cochabamba. Quirós an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 552. 10.09.1838 Tupiza. Nr. 5. Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. 1154 18.12.1838 Cochabamba. Nr. 66. Braun an Velasco, in: Ebd. 1155 Siehe hierzu auch den Abschnitt „Die Belagerung von Cartagena und die Schlacht von Santa Marta“ sowie: González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 77f.

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seine Kräfte neu zu formieren. Darüber hinaus war ihm die Demobilisierung der bolivianischen Süd-Armee nicht entgangen, und er schätzte deren Kampfkraft als unbedeutend ein.1156

Karte 14

Ende Mai 1838 brach dann der argentinische Kommandeur Gregorio Paz mit neu zusammengezogenen 1.000 Soldaten von Humahuaca in nordöstliche Richtung auf mit dem Ziel, die bolivianische Provinzstadt Tarija zu erobern und anschließend auf die bolivianische Hauptstadt Chuquisaca zu marschieren. Er verfolgte die Strategie, wichtige Teile des Landes zu annektieren. Parallel hierzu bewegten sich 1.500 Soldaten unter dem argentinischen Coronel Manuel Virto auf die von 260 bolivianischen Soldaten befestigte Stellung Iruya zu.1157

1156 13.05.1838 Alejandro Heredia an Miguel Puch, in: Archiv Braun, Bd. 538. 1157 Basile, Una Guerra poco conocida, Bd. 1, 1943, S. 231. Best, Historia de las Guerras Argentinas, Bd. 2, 1960, S. 172ff. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 313f. Díaz Arguedas, Fastos militares de Bolivia, 1943, S. 185. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 113.

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Zwar konnte die zahlenmäßig völlig unterlegene Garnison von Iruya die Angreifer am 11. Juni 1838 in einem neunstündigen Gefecht vernichtend schlagen, die zweite argentinische Kolonne unter General Paz bedrohte mit ihren 1.000 Mann jedoch die Stadt Tarija. Paz hatte zuvor einige vorgeschobene Beobachtungs- sowie leichte bolivianische Grenzposten überrannt und drang nun weit auf bolivianisches Kernland bis in die Nähe der Stadt Tarija vor. Als er dort von Informanten erfuhr, dass sich General Braun mit weit unterlegenen Kräften näherte, beschloss Paz, sich einer Entscheidungsschlacht zu stellen.1158 Braun erreichte Tarija Mitte Juni 1838. Nachdem er in Tupiza von der argentinischen Invasion erfahren hatte, war er mit einigen Veteraneneinheiten sowie ad hoc aufgestellten Freiwilligenverbänden in tagelangen Gewaltmärschen dorthin geeilt. Um seinen Gegner zu einer Schlacht zu provozieren, hatte er das Gerücht gestreut, nur mit äußerst schwachen Kräften in die Gegend gezogen zu sein. Dennoch entwich General Paz immer wieder, sodass Braun das Tempo seiner 1.130 Soldaten und deren tägliche Marschdauer immer weiter erhöhen musste. Der Zustand seiner Soldaten verschlechterte sich nach sieben Tagen Dauermarsch so sehr, dass er am 23. Juni einen Großteil seiner Armee zurückließ und mit den restlichen marsch- und kampffähigen Soldaten in einem weiteren Gewaltmarsch die Verfolgung fortsetzte. Als Braun am selben Tag erfuhr, dass sein Gegner sich in einer erreichbaren Distanz befand, ließ er seine Soldaten sogar die Nacht hindurch marschieren.1159 Am 24. Juni 1838 entdeckte Braun seinen Kontrahenten, der sich auf dem Gipfel des Berges Montenegro (bei Coyambuyo) eingegraben hatte. Braun führte mithilfe seiner Offiziere Francisco Burdett O’Connor und Sebastián Ágreda einen entschlossenen Frontalangriff gegen den zahlenmäßig weit überlegenen Gegner durch. Dieser leistete erbitterten Widerstand, geriet in Anbetracht der immer mehr Gelände gewinnenden Bolivianer jedoch in Panik. Daraufhin verließen viele argentinische Soldaten die erste Stellung fluchtartig. Ein großer Teil konnte sich in nachgelagerten Schützengräben sammeln – aus 1158 Basile, Una Guerra poco conocida, Bd. 1, 1943, S. 209ff, 226ff. Best, Historia de las Guerras Argentinas, Bd. 2, 1960, S. 170ff. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 313f. Díaz Arguedas, Fastos militares de Bolivia, 1943, S. 183ff. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 113. Payró, De Solís a Rosas, 2006, S. 556. Rosa, Historia Argentina, Bd. 4, 1970, S. 263ff. 1159 Francisco Burdett O’Connor hielt in seinen Memoiren fest, dass selbst Braun von Müdigkeit und den Anstrengung übermannt wurde: „Als wir bei einer kleinen Hacienda an der Seite des Weges vorbeikamen, sagte mir der General Braun: ‚Kamerad, der Schlaf hat mich besiegt, und wenn ich mich jetzt nicht eine Stunde ausruhe, werde ich nicht weitergehen können.‘ Und während er das sagte, legte er sich auf den Boden des Innenhofes, seinen Kopf auf einen Stein. Ich setzte mich an seine Seite, mit der Uhr in der Hand. Genau nach einer Stunde weckte ich ihn.“ (O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 388.)

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denen sie jedoch auch vertrieben wurden. Auf dem Gipfel fiel eine der letzten Verteidigungsstellungen vor allem durch einen Flankenangriff im Rücken der argentinischen Linien.

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Hiernach ergriffen die argentinischen Soldaten die Flucht. Sie wurden dabei von Brauns Soldaten noch viele Kilometer weiter verfolgt und auseinandergejagt. Dabei nahmen sie mehr als ein Drittel des gesamten Expeditionskorps gefangen und erbeuteten dessen Dokumenten- und Briefarchiv. Diejenigen, denen die Flucht glückte, setzten sich nach Argentinien ab.1160 Damit war die argentinische Invasion Boliviens im Jahr 1838 abgewehrt.1161 Otto Philipp Braun war sich der Bedeutung seines Sieges wohl bewusst. Einen Tag nach der Schlacht von Montenegro wandte sich der Oberbefehlshaber der Süd-Armee in einer feierlichen Dankesrede an seine Soldaten: „Ka1160 Basile, Una Guerra poco conocida, Bd. 1, 1943, S. 250. Best, Historia de las Guerras Argentinas, Bd. 2, 1960, S. 171f. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 314ff. Díaz Arguedas, Fastos militares de Bolivia, 1943, S. 186ff. Ferner: O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 388ff. 1161 Nahezu alle Zeitgenossen sahen in der militärischen Vernichtung des argentinischen Expeditionskorps das Ende des Krieges: 17.07.1838 La Paz. Quiroz an Braun, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107.

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meraden, ich bin von eurer Ausdauer, mit der ihr die Strapazen [des Marsches und der Schlacht, Anm. RK] überwunden habt, beeindruckt. Noch mehr, mit welch erstaunlicher Kühnheit ihr euch gestern gegen den auf den fast uneinnehmbaren Höhen des Montenegro eingegrabenen Feind geworfen und ihn aus seinen vorteilhaften Positionen gejagt habt. […] Die besten Krieger der Welt werden euer heldenhaftes Leiden im Laufe der Jahrhunderte bewundern.“1162 Einen Tag später informierte Braun in einer Proklamation die Bevölkerung von Tarija über den Sieg über den nach Argentinien fliehenden Feind und lobte die Unterstützung und Loyalität der Provinzbewohner.1163 Der Sieg Brauns in der Schlacht von Montenegro und dem Gefecht von Iruya hatte sich in Windeseile in Bolivien verbreitet.1164 Am 25. Juni 1838 hatte Braun dem Protektor der peruanisch-bolivianischen Konföderation den Sieg in einem feierlichen Schreiben gemeldet – und ihm über einen seiner Adjutanten die Standarte des besiegten Gegners überbracht. Dabei betonte Braun, wie sehr „die siegreiche Division von Montenegro“1165 bei ihrem Kampf von der „Liebe und Begeisterung für den Großen Capitán“1166 getragen worden sei. Santa Cruz seinerseits beglückwünschte Braun zu diesem Erfolg.1167 Gleichzeitig rügte er jedoch Braun, in seinem Namen, aber ohne seine Zustimmung eine Reihe von Beförderungen vorgenommen zu haben.1168 Braun übernahm die Verantwortung dafür, seine Kompetenz überschritten zu haben, er betonte jedoch, dass eigentlich „alle Kommandeure, Offiziere und einfachen Soldaten einen Rang als Held verdienen“1169. Santa Cruz zeigte sich jedoch uneinsichtig. Daraufhin reagierte Braun in ungewohnt bitterem und direktem Ton: „Dies ist eine weitere Ungerechtigkeit, die Sie mir zuteilwerden lassen.“1170 Er verwies darauf, dass er während des Feldzuges bei der Süd-Armee fast sein gesamtes Ansehen verloren habe, 1162 25.06.1838 Cuyambuyo. Braun. Proklamation an die Kamaraden, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 94f. 1163 26.06.1838 Condado. Braun. Proklamation an die Bewohner von Tarija, in: Ebd., S. 95f. 1164 Der Präfekt von Tarija hatte die Siegesmeldung noch des Nachts an andere Stellen weitergemeldet: 26.06.1838 Tarija. Bernardo Trigo an den Präfekten von Potosí, in: Archivo: Casa Nacional de la Moneda de Potosí. Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Ciudad de Tarija. P.D. 298. 1165 25.06.1838 Cuyambuyo. Veröffentlichter Brief des Kommandierenden Generals Felipe Braun an den Obersten Protektor der Konföderation, Andrés de Santa Cruz, in: 02.08.1838 La Paz. „El Iris de La Paz” (Zeitung) ANB PBLP-IB (El Iris de La Paz). 1166 Ebd. 1167 04.07.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 567. 1168 Dies geht hervor aus: 11.07.1838 Tarija. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p260/132). 1169 Ebd. 1170 Ebd.

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da er seine Soldaten zu immer höheren Opfern angetrieben habe – ohne dass diese nun belohnt würden. Santa Cruz revidierte nach diesem ungewöhnlich direkten und deut­lichen Schreiben seine Position und erklärte in einem privaten Brief, dass Braun ihn aus „einem Meer der Sorge“1171 gerissen habe. Dabei betonte Santa Cruz seine Dankbarkeit gegenüber der Süd-Armee und bestätigte die Beförderungen. Ferner kündigte er an, Braun werde auf offiziellem Weg noch Dank erhalten.1172 In der Tat erreichte Braun noch am selben Tag ein für die Veröffent­lichung in den Zeitungen des Landes bestimmtes Schreiben, in dem Santa Cruz Braun für seinen Sieg und seine herausragenden Leistungen im Feldzug von Socabaya und Montenegro dankte.1173 „Der Sieg von Montenegro“, so hieß es, „wird ein enormer Antrieb für unsere Kameraden im Zentrum und im Norden [der Konföderation, Anm. RK] sein“1174, die sich ja darauf vorbereiteten, die zweite chilenische Expedition zu bekämpfen. Darüber hinaus hatte Santa Cruz Braun ein Dekret ausstellen lassen, das ihn für seine herausragende Leistung bei Socabaya, aber vor allem für sein „heldenhaftes Verhalten in der Schlacht von Montenegro“1175 zum Großmarschall von Montenegro ernannte. Außer der Verleihung dieses Titels beschloss Santa Cruz, den Berg von Montenegro zu Ehren Brauns umzubenennen.1176 Es soll hierbei unterstrichen werden, dass Braun auf der Beförderung und Belohnung seiner Untergebenen bestanden hatte, nicht aber, wie von Philipp T. Parkerson behauptet, für sich selbst bei Santa Cruz explizit die Verleihung des Marschallstabes verlangt hatte.1177

1171 17.07.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 574. 1172 17.07.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 574. 1173 17.07.1838 La Paz. Veröffentlichter Brief von Andrés de Santa Cruz an Felipe Braun, in: 02.08.1838 La Paz, „El Iris de La Paz” (Zeitung), ANB PBLP-IB. Siehe auch das Schreiben des Kriegsministers: 17.07.1838 La Paz. Quiroz an Braun, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. Die Beförderungen wurden einen Monat nach der Zusage von Santa Cruz offiziell vom Kriegsministerium bestätigt: 12.08.1838 Cuzco. Quiroz an Braun, in: Ebd. 1174 17.07.1838 La Paz. Veröffentlichter Brief von Andrés de Santa Cruz an Felipe Braun, in: 02.08.1838 La Paz. „El Iris de La Paz“ (Zeitung), ANB PBLP-IB. 1175 16.07.1838 La Paz. Ernennungsdekret, unterzeichnet von Andrés de Santa Cruz, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 99. 1176 17.07.1838 La Paz. Quiroz an Braun, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. 1177 Parkerson verweist bei seinen Behauptungen auf den sowohl im Nachlass von Braun als Kopie als auch im Archiv von Santa Cruz im Original befindlichen Brief vom 5. Juli 1838. Aus diesem geht die Behauptung von Parkerson jedoch nicht hervor, sondern eindeutig nur, dass Braun sich nur für seine Soldaten einsetzte: Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 243. 05.07.1838 Tarija. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p257/131). 05.07.1838 Tarija. Braun an Santa Cruz, in: Nölle, La vida de Otto Felipe Braun, 1969, S. 97ff.

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Mit dem Marschallstitel war Braun auf dem Höhepunkt seines Ruhmes angekommen. Die Zeitungen des Landes feierten Braun als nationalen Helden.1178 Fast genau 18 Jahre nach seiner Ankunft in Südamerika und dem Eintritt in das Heer von Simón Bolívar war er vom einfachen und unbedeutenden Offizier zur höchsten militärischen Ehre gelangt. Über die symbolische Bedeutung des Titels hinaus besaß Braun innerhalb der Konföderation große politische Macht und über deren Grenzen hinaus aufgrund seiner hervorragenden Kontakte im andinen Raum politischen Einfluss. Nach der Ernennung erreichten Braun zahlreiche Glückwunschschreiben – vor allem von politisch einflussreichen Akteuren, etwa von Vizepräsident Mariano Enrique Calvo1179, General José Ballivián1180 und sogar von General José Miguel de Velasco.1181 Neben all diesen gewichtigen Mitstreitern gab es auch in der Masse der einfachen Soldaten einige für die spätere bolivianische Geschichte wichtige Persönlichkeiten, wie etwa den Unteroffizier und späteren bolivianischen Präsidenten (1880–1884) Narcisco Campero.1182 Dieser war den Aufrufen Brauns gefolgt und hatte sich für die Verteidigung Boliviens gegen die argentinische Kriegs­ erklärung freiwillig gemeldet. Darüber hinaus soll es Otto Philipp Braun gewesen sein, der im Jahre 1838 Narcisco Campero überredete, seine militärische Karriere fortzusetzen.1183 Auch Aniceto Arce, ebenfalls späterer ­bolivianischer Präsident (1888–1892), hatte sich freiwillig gemeldet und unter Otto Philipp Braun im Feldzug gegen Argentinien gekämpft.1184

1178 02.08.1838 La Paz. „El Iris de La Paz“ (Zeitung), in: ANB PBLP-IB. 1179 19.07.1838 La Paz. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 576. 1180 Von diesem sogar zweimal: 19.07.1838 La Paz. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 576. 28.07.1838 Cebolludo. Ballivián an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 580. 1181 31.07.1838 Chuquisaca. Velasco an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 581. 1182 28.05.1838 Tupiza. Antrag von Narciso Campero, unterzeichnet und kommentiert von Felipe Braun, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. 1183 Dies behaupten vor allem: Antezana Villagrán, Militares en el Poder, 1980, S 91. Campuzano, Psicología de dos gobernantes, 1922, S. 56. Dirección General de Estadística, Hombres celebres de Bolivia, 1920, S. 133ff. Gottret Baldivieso, Imágenes y vivencias, 1992, S. 64. Macedonio Urquidi, El origen de la “noble villa de Oropesa“, 1950, S. 162. Pío Cáceres Bilbao, El Senado Nacional, 2000 [=1926], S. 282. Querejazu Calvo, Historia de la Guerra del Pacifico, 1979, S.  473. Zu Campero siehe ferner: Baptista Gumucio, Páginas escogidas, 1975, S. 274ff. Díaz Arguedas, Los generales de Bolivia, 1929, S. 247ff. O’Connor d’Arlach, Presidentes de Bolivia, 1912, S. 184ff. Siehe auch: Campero, Recuerdos, 1874, S. 9ff. 1184 Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 303ff. Gottret Baldivieso, Imágenes y vivencias, 1992, S. 67. Macedonio Urquidi, El origen de la “noble villa de Oropesa“,1950, S. 162, 213. Zu Aniceto Arce siehe ferner: Condarco Morales, Aniceto Arce, 2002, S. 63ff. Mitre, Estrectura socioeconomica de la mineria boliviana, 1981, S. 52ff. Prudencio, Aniceto Arce, 1951, S. 21ff.

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Parallel zur Verleihung des höchsten militärischen Ehrentitels war Braun am 9. Juli 1838 erneut zum Kriegsminister der peruanisch-bolivianischen Konföderation berufen worden. Doch bevor er dieses Amt antreten konnte, hatte ihn Santa Cruz beauftragt, mit Alejandro Heredia oder anderen politisch Verantwortlichen einen formellen Friedensvertrag auszuhandeln. Aus diesem Grund musste Braun, der auch aus privaten Gründen dringend nach La Paz wollte, im Grenzgebiet bleiben. Die Amtsgeschäfte führte so lange der Staatssekretär.1185 Erst Mitte August stellte Santa Cruz mit O’Connor eine ­Ablösung in Aussicht. Auch das zögerte sich jedoch noch Monate hinaus.1186 Aus Angst vor einem großen Nachsetzen Brauns und in Anbetracht der Vernichtung der eigenen Armee war der Generalstab unter Heredia im August 1838 aus Jujuy ins über 600 Kilometer von der bolivianischen Grenze entfernte Tucumán geflohen. Damit überließ er Braun die Provinzen Salta und Jujuy – ein Gebiet von über 360.000 Quadratkilometern. Dies zeigt, dass mit dem Sieg Brauns am Montenegro der Krieg zwischen der argentinischen Föderation und der peruanisch-bolivianischen Konföderation faktisch zu Ende war.1187 Santa Cruz und Braun wollten jedoch keinen weiteren territorialen Gewinn aus dem militärischen Sieg ziehen, sondern arbeiteten auf eine diplomatische Beendigung des Konfliktes durch einen formellen Friedensvertrag hin. Aus diesem Grund schickten Braun und Santa Cruz Mitte August einen Unterhändler zu Heredia, der diesem einen Brief Brauns übergab. In diesem ging Braun vor allem auf die militärischen Siege von Iruya und Montenegro ein und verwies auf die ohnmächtige Situation seines Gegenübers. Dabei beschrieb er eingehend die ihm selbst zur Verfügung stehenden Machtmitteln und verwies darauf, dass er nur aufgrund des Friedenswillens seiner Regierung nicht weiter auf argentinisches Territorium vordringe – obwohl er dazu aufgrund seiner Überlegenheit jederzeit bereit und in der Lage sei. Neben dieser unterschwelligen Drohung signalisierte Braun aber auch Verhandlungsbereitschaft und stellte Zugeständnisse bei den Verhandlungen über den zukünftigen Grenzverlauf in Aussicht. Braun schlug Heredia unverblümt vor, von Rosas und der argentinischen Regie-

1185 04.07.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 567. 16.07.1838 La Paz. Torrico an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 573. 17.07.1838 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 574. 24.07.1838 Puno. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 579. 1186 06.08.1838 Cuczo. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 584. 12.08.1838 Cuzco. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 589. 1187 Basile, Una Guerra poco conocida, Bd. 1, 1943, S. 250. Best, Historia de las Guerras Argentinas, Bd. 2, 1960, S. 173. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 316. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 115.

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rung abzufallen. Dabei betonte er, nichts würde ihn glücklicher machen, als den Kriegszustand zu beenden und einen Friedensvertrag zu schließen.1188 Alejandro Heredia lehnte die Angebote Brauns aber ab und unterstrich seine Position, indem er den Unterhändler Brauns gefangen nehmen ließ.1189 Braun war sichtlich empört über die Behandlung seines Abgesandten. Unverhohlen drohte er Ende September 1838 damit, die Feindseligkeiten fortzusetzen. Dabei verwies er indirekt auf die vielen in seiner Hand befindlichen argentinischen Kriegsgefangenen, deren Situation sich sichtlich verschlechtern könne. Braun betonte zwar, dass er vor dem Hintergrund seiner noblen Werte so etwas niemals tun würde, doch ausgesprochen war die Drohung allemal.1190 Heredia seinerseits begründete die Verhaftung des Unterhändlers damit, dass er dessen Status nicht anerkenne und ihn als argentinischen Bürger für einen Verräter halte, der vor Gericht gebracht werden müsse. Heredia kündigte an, nicht zu verhandeln, sondern den Krieg fortzusetzen.1191 Damit waren die Verhandlungen gescheitert. Braun hatte für diesen Fall aber vorgesorgt. Noch während der Verhandlungen hatte Braun politische Agenten in die Region entsandt, die einem Putsch gegen Heredia und andere Rosas-Anhänger in den argentinischen Nordprovinzen organisieren sollten – was sie mit Erfolg taten.1192 Am 12. November 1838 fiel Brauns Gegenspieler Alejandro Heredia einem Attentat zum Opfer. Anschließend setzte sich die innerargentinische unitarische Opposition gegen die anderen Rosas-treuen Gouverneure Nordargentiniens durch. Dies löste einen Bürgerkrieg zwischen den Föderalen unter Rosas und den Unitariern aus. Damit schied Argentinien als Kriegsgegner endgültig aus.1193 Braun stellte Ende 1838 gegenüber Andrés de Santa Cruz 1188 13.08.1838 Tupiza. Braun an Alejandro Heredia, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p63/32). Zu dem Unterhändler Napoleon Boneti siehe auch: 17.07.1838 La Paz. Quirós an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 575. 17.08.1838 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p266/135v). 1189 30.09.1838 Sococha. Braun an Heredia, in: Archiv Braun, Bd. 607. 1190 30.09.1838, Sococha, Braun an Heredia, in: Archiv Braun, Bd. 607. Angesichts des tatsächlichen Umgangs Brauns mit den argentinischen Kriegsgefangenen handelt es sich bei dieser Äußerung Brauns um eine rhetorische, aber letztlich nicht ernst gemeinte Drohung, da er mit der Misshandlung oder Ermordung von wehrlosen Kriegsgefangenen gegen alle seine Prinzipien bezüglich eines ehrenhaften und großzügigen Verhaltens verstoßen hätte. Es bleibt festzuhalten, dass von seiner knapp 20-jährigen Dienstzeit als Militär in Südamerika keine Beschwerden oder Berichte von Misshandlungen oder anderen Kompetenzüberschreitungen gegenüber Mitoffizieren, Untergebenen oder Konkurrenten überliefert sind. 1191 17.10.1838 Tucumán. Heredia an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 612. 1192 11.07.1838 Tarija. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p260/132). 1193 Cisneros, Historia general I/3, 1998, S. 209ff, 254ff. Payró, De Solís a Rosas, 2006, S. 557ff. Rosa, Historia Argentina, Bd. 4, 1970, S. 265ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 117ff.

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erleichtert fest, dass nun „unsere Freunde“1194 – wie Elías Bedoya – in Tucumán, Salta und Jujuy an der Macht seien. Somit war sein Plan eines dortigen Regimewechsels voll aufgegangen. Spätestens nach der Neuordnung der dortigen Machtverhältnisse war für lange Zeit mit keiner neuen argentinischen Bedrohung mehr zu rechnen.1195

Freundschaft und Privatleben Die Rekonstruktion des Agierens Brauns als Politiker und Militär zeigt bis hierher vor allem die offizielle Seite seines Handelns. Dabei erlaubt eine Untersuchung einiger Aspekte seines kaum überlieferten Privatlebens Einblicke in seine Persönlichkeit sowie in die Tiefe seiner Freundschaft zu Santa Cruz. Parallel zum stetig wachsenden politischen und militärischen Vertrauen zwischen Santa Cruz und Braun entwickelte sich im Laufe der 1830er Jahre auch ein sehr enges privates Verhältnis. Dies zeigte sich nicht nur in der Freundschaft ihrer Ehefrauen, sondern an einer stetig steigenden Teilhabe des einen am Privatleben des anderen. Beispielsweise wurde Santa Cruz im Juni 1836 Taufpate eines neugeborenen Sohnes Brauns.1196 Ein halbes Jahr später, als sich Santa Cruz als Protektor der peruanisch-bolivianischen Konföderation in Lima aufhielt, kümmerte sich Braun, der als Präfekt in La Paz war, intensiv um dessen dort lebende Ehefrau. Braun berichtete Santa Cruz nicht nur detailliert über die hochschwangere „Madame Presidente“1197, sondern stand dieser auch bei der Geburt ihrer jüngsten Tochter persönlich bei. Die Frau von Santa Cruz war von der konkreten Unterstützung und folgenden Betreuung durch Braun so gerührt, dass sie ihn zum Patenonkel des neuen Kindes ernannte. Dies war eine außerordentliche Ehre für Braun, da eine politische Patenschaft die Eltern in eine untergeordnete Position drängte, weshalb Braun bei Santa Cruz auf das Bescheidenste nachfragte, ob er diese asymmetrische Ehre überhaupt annehmen könne.1198 Es war dann auch der sichtlich verzückte Braun, der dem Vater den Namen des neuen Kindes mitteilte.1199 Immer wieder berichtete Braun seinem Oberbefehlshaber über dessen Frau. 1194 19.12.1838 Cochabamba. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p275/140v). 1195 18.12.1838 Cochabamba. Nr. 67, Braun an Velasco, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. 1196 08.06.1836 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p117/57v). 19.11.1836 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p138/70v). 1197 07.01.1837 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p146/74v). 1198 10.01.1837 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p149/76). 1199 19.01.1837 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p149/76).

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Den schonungslosesten und von kulturellen Konventionen am wenigsten verstellten Blick auf die Beziehung zwischen Santa Cruz und Braun bietet ein den „Helden von Junín“, General und Kriegsminister Braun bis ins Mark erschütterndes Ereignis: Anfang Dezember 1837 verstarb Brauns Frau Justa Germana Braun nach kurzer Krankheit.1200 Noch am 7. Dezember hatte Braun von der Südfront aus seinem Freund Santa Cruz von einer Krankheit seiner Frau berichtet – allerdings hatte nichts auf eine Gefahr für ihr Leben hingedeutet. Umso erschütterter war Braun, als er zwei Tage später vom Tod seiner Frau erfuhr. Braun ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Verzweifelt rief er den „ewigen und allmächtigen Gott an“1201, der ihm seine „Justita, meine geliebte Kameradin und Mutter meiner kleinen Söhne“1202 geraubt habe. Braun rief die Barmherzigkeit und Gnade der Heiligen, aber auch der obersten Regierung an, sie möge ihn von seinen Pflichten an der Front entbinden, „welche die glücklichste Zeit mit meiner Frau so sehr verkürzt hat“1203. Braun flehte Santa Cruz an: „Ich muss meine verwaisten Kinder sehen und ihnen die väterliche Liebe zuteilwerden lassen. Die Natur und mein Herz verlangt dies von mir.“1204 Doch Braun fehlte die offizielle Genehmigung, die Front verlassen zu dürfen. Aus diesem Grund setzte er all sein Prestige bei Santa Cruz ein: „Gott und Sie sind Zeugen meiner Loyalität und unendlichen Freundschaft, die ich Ihnen stets gewidmet habe. Und ich weiß von Ihren großzügigen und noblen Gefühlen, mit denen Sie mich ehren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese mich jetzt verlassen sollten […], gerade unter diesen Umständen. Gewähren Sie meinen Kindern das einzige Erbe, das ihnen noch bleibt, die Ehre und Loyalität ihres Vaters. Gewähren Sie mir die Erlaubnis, nach La Paz zurückzukehren.“1205 Brauns akute Trauer war noch bis weit in den Januar 1838 in privaten ­Schreiben an Santa Cruz spürbar.1206 „Ich kämpfe kontinuierlich darum, den 1200 Entgegen der bisherigen Annahme starb Justa Germana Braun nicht am 13.10.1837, sondern zwischen dem 7. und 9. Dezember 1837. Siehe zum falschen Datum: Braun, Grundlagen zu einer Geschichte der Familie Braun, 1914, S. 262. Pawel-Rammingen, Sieghart von, Otto Philipp Braun, Nachfahrentafel, in: Appelhoff, Gisela, Material 2006. Das tatsächliche Todesdatum geht hervor aus: 02.12.1837 Mojo. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p39/24). 09.12.1837 Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p43/26). 16.12.1837 Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p43/26). 1201 09.12.1837 Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p43/26). 1202 Ebd. 1203 Ebd. 1204 Ebd. 1205 Ebd. 1206 16.12.1837 Mojo. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p43/26). 23.12.1837 Mojo. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p216/109). 10.01.1838 Mojo. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p221/111v).

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herben, durch den fürchterlichen und unheilvollen Verlust meiner Justita verursachten Schmerz zu besiegen. […] Ich finde weder Beistand in der Religion noch in der Philosophie. Die Abwesenheit meiner süßen Kinder zerbricht mir mein Herz.“1207 Zwar drückte Santa Cruz seine Trauer über den Verlust seines Freundes aus und bot dessen Kindern umfangreiche – auch materielle – Unterstützung an, aber in Anbetracht der prekären Lage an der Front verwehrte er seinem treuen General dessen Wunsch.1208 Braun lehnte das Unterstützungsangebot des Protektors ab, aber akzeptierte dessen Entscheidung – auch wenn er Santa Cruz immer wieder bat, nach La Paz reisen zu dürfen. Dies sollte ihm allerdings für über ein Jahr nicht gelingen. Inzwischen hatte er auch die Betreuung seiner Kinder durch seine aus Arequipa herbeigeeilte Schwiegermutter organisiert. Mitte Januar 1838 äußerte Braun noch immer seine Trauer, gleichzeitig betonte er jedoch, er sei nach wie vor loyal und leistungsfähig. Er werde seine Mission erfüllen.1209 Braun entschuldigte sich auch mehrmals für seine sentimentalen und melancholischen Ausbrüche.1210 Die Art der Kommunikation zwischen Braun und Santa Cruz zeigt dabei aber, dass deren persönliche und freundschaftliche Beziehung ein solches Verhalten aushielt. Santa Cruz setzte weiterhin sein Vertrauen in Braun. Neben den tröstenden Worten von Santa Cruz drückten auch andere Akteure, etwa der machtpolitische Rivale Brauns, Vizepräsident Mariano Enrique Calvo, oder der Innenminister Andrés María Torrico,1211 ihr Beileid aus.1212 Gerade Letzterer versuchte, seinen Freund zu trösten und gleichzeitig für die anstehenden Aufgaben zu motivieren. Torrico unterstrich, dass nur die Zeit die Schmerzen Brauns lindern könne. Er solle sich daher in die Arbeit stürzen, um sich abzulenken. Gerade für seine Kinder müsse er seine Mission zum Erfolg führen. Denn 1207 16.12.1837 Mojo. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p43/26). 1208 Dies geht hervor aus: 10.01.1838 Mojo. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p221/111v). 1209 10.01.1838 Mojo. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun Bd. 817 (AA p221/111v). Immer wieder bat Braun Santa Cruz, für die Ordnung seiner Angelegenheiten und zum Besuch seiner Kinder nach La Paz reisen zu dürfen, siehe: 19.03.1838 Hornillos. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p240/121). 13.06.1838 Tarija. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p255/130). 1210 10.01.1838 Mojo. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p221/111v). 23.12.1837 Mojo. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p216/109). 1211 Otto Philipp Braun pflegte zu Andrés María Torrico über viele Jahre eine freundschaftliche Beziehung. Da diese für die Zeit nach 1839 jedoch nicht relevant ist, wird sie ausgespart. Zur Freundschaft der beiden wird auf folgende Quellenbestände verwiesen: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107, Archiv Braun sowie Casa Nacional de la Moneda de Potosí. Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Ministerio de Guerra. P.D. 296. 1212 23.12.1837 La Paz. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 489.

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wenn Braun jetzt aufgebe, wäre auch sein Opfer – in den entscheidenden Stunden nicht bei seiner Frau gewesen zu sein – nutzlos gewesen. „Vergessen Sie dabei nicht, dass die Bolivianer und noch mehr das Vaterland Ihnen immer beistehen werden.“1213 Zwar schmeichelten Braun diese wie viele andere Worte, aber die Sorge um seine Kinder, um deren Versorgung und Ausbildung, begleitete Braun bis zu seiner Rückkehr nach La Paz Ende des Jahres 1838. Noch sieben Tage vor der Schlacht von Montenegro, als er sich schon auf Gewaltmärschen der argentinischen Armee entgegenbewegte, beschwerte sich Braun bitterlich bei Santa Cruz, dass sein achtjähriger Sohn Luis weder lesen noch schreiben könne und ihn der Bildungsstand seiner Kinder in Angst und Schrecken versetze.1214

Im Zentrum der Macht: Kriegsminister 1838–1839 Otto Philipp Braun blieb bis Ende September 1838 als Oberkommandierender der Süd-Armee in Tupiza. Neben der Abwicklung des Feldzuges und den diplomatischen Verhandlungen mit Heredia arbeitete Braun an der weiteren institutionellen Konsolidierung der von ihm eroberten und Bolivien angegliederten Provinz La Puna. Beispielsweise ernannte er einen neuen Gouverneur und schuf dem Bischof von Charcas unterstellte kirchliche Autoritäten.1215 Letztlich wartete Braun jedoch vor allem auf seine Ablösung durch den kranken General Francisco Burdett O’Connor, der als Interimskommandeur die Süd-Armee befehligen sollte, bis General José Miguel de Velasco das Kommando übernehmen konnte.1216 Ende September 1838 war es so weit.1217 Braun reiste Richtung Oruro, wo er Anfang Oktober einige Tage verbrachte.1218 Wenig später ging es

1213 28.12.1837 La Paz. Torrico an Braun in: Archiv Braun, Bd. 491. 1214 17.06.1838 Santa Ana. Braun an Santa Cruz, in: Nölle, La vida de Otto Felipe Braun, 1969, S. 93f. 1215 25.06.1838 La Paz. Andrés Mara Torrico an Braun, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. Zum Gouverneur siehe: 09.08.1838 Tarija. Bernardo Trigo an den Innenminister, in: ANB, MI (1838), Bd. 68 Nr. 32. 09.09.1838 Tupiza. Braun an den Innenminister, in: ANB, MI (1838), Bd 64 Nr. 11. 1216 06.08.1838 Cuczo. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 584. 12.08.1838 Cuzco. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 589. 17.09.1838 Tupiza. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p270/137v). 1217 02.11.1838 Mojo. Nr. 6, O‘Connor an Braun, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. 10.11.1838 Mojo. Nr. 5, O‘Connor an Braun, in: Ebd. Zu O’Connor als Interimsbefehlshaber siehe auch den Quellenbestand: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. 1218 01.10.1838 Oruro. Braun an den Generalstabschef der Süd-Armee, in: ANB, MG (1838), Nr. 5.

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weiter nach La Paz, das er am 3. November 1838 erreichte.1219 Nach einem kurzen Aufenthalt zog er weiter nach Cochabamba, wo die Regierung Calvo ihren Sitz genommen hatte. Am 14. November 1838 übernahm er in Cochabamba wieder das seit dem 9. Juli 1838 formell unter seiner Leitung stehende Kriegsministerium.1220 Auf politischer Ebene war es Brauns von Santa Cruz persönlich aufgetragene Aufgabe, die bolivianische Regierung um Mariano Enrique Calvo und José María Torrico politisch und militärisch zu stärken.1221 Auf einer administrativen Ebene kümmerte sich Kriegsminister Braun um die Verwaltung der Süd-Armee und die Abwicklung des Feldzuges. Braun unterstütze auch die Verteidigungsbemühungen der Konföderation in Peru.1222

Netzwerk zwischen Freundschaften, Verdächtigungen und Verrat Braun übte nur etwas länger als einen Monat das Amt des Kriegsministers aus, bevor er die Amtsgeschäfte am 22. Dezember 1838 wieder auf seinen Staats­ sekretär übertrug. Offiziell verließ Braun Cochabamba auf direkten Befehl von Santa Cruz, um einen nicht weiter benannten „militärischen Auftrag“1223 zu erfüllen. Auch in internen Dokumenten wurde diese Mission nur vage umschrieben. Braun wurde ermächtigt, die innere und äußere Sicherheit Boliviens vor allem gegen die befürchtete chilenische Invasion Boliviens zu gewährleisten.1224 Aus diesem Grund reiste er vom Regierungssitz in Cochabamba nach 1219 03.11.1838 La Paz. Braun an den Kriegsminister, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd.  107. 03.10.1838 Cochabamba. Nr. 42. Torrico an Braun, unterzeichnet und kommentiert von Braun (03.11.1838, La Paz), in: Ebd. 03.11.1838 La Paz. Braun an den Kommandanten der Südarmee, in: ANB, MG (1838), Nr. 6, Bd. 103. 1220 14.11.1838 Cochabamba. Rundschreiben Nr. 9, Torrico an den Kommandierenden General der Süd-Armee, in: Archivo: Casa Nacional de la Moneda de Potosí. Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Ministerio de Guerra. P.D. 296. 19.11.1838 Cochabamba. Nr. 47, Braun (Kriegsminister) an den Kommandierenden General der Süd-Armee, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. 1221 05.09.1838 Cuzco. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 600. 06.10.1838 Abancay. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 609. 1222 Zur Tätigkeit Brauns als Kriegsminister ab November 1838 siehe folgende Quellenbestände: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. Archivo: Casa Nacional de la Moneda de Potosí. Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Ministerio de Guerra. P.D. 296, ANB, MG (1838), Nr. 6, Bd. 103, ANB, MG (1839), Nr. 7, Bd. 103. 1223 22.12.1838 Dekret von Santa Cruz, in: Archivo de la Excelentísima Corte Suprema de Justicia de la Nación, Collec. An. 1838, Serie: Colección anuarios administrativos de Bolivia. 1224 22.12.1838 Cochabamba. Torrico an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 623. 23.12.1838 Cochabamba. Manuel Dorado an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 624.

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La Paz. Letztlich war dieser nur vage beschriebene Auftrag ohne offizielles Amt Ausdruck einer gespannten Atmosphäre von Freundschaften, Verdächtigungen und Verrat. Denn der Auftrag hatte noch einen zusätzlichen Grund: Aus der privaten Korrespondenz von Santa Cruz und Braun geht hervor, dass beide offenbar dem La Paz befehligenden General Blas Cerdeña eine effektive Abwehr nicht zutrauten und sogar an dessen Loyalität zweifelten1225 – auch wenn Braun und Cerdeña vor allem ab Mitte der 1830er Jahre eine professionelle und teils freundschaftliche Beziehung gepflegt hatten.1226 Ende 1838 war Kriegsminister Braun somit der Vorgesetzte des ehema­ ligen bolivianischen Vizepräsidenten (1829–1835) und damit ehemals ihm selbst vorgesetzten José Miguel de Velasco. Dieser hatte von Francisco Burdett O’Connor das Kommando über die Reste der Südarmee übernommen. Die Beziehung zwischen Otto Philipp Braun und José Miguel de Velasco gehört wohl zu den ambivalentesten seines Lebens. Einerseits arbeiteten beide jahrelang auf offizieller Ebene äußerst intensiv und nahezu reibungslos zusammen. Andererseits hegten beide eine tiefe persönliche Abneigung gegeneinander. Diese war so stark, dass noch nicht einmal eine taktische Beziehung der beiden, wie etwa zwischen Otto Philipp Braun und Luis Orbegoso oder zwischen Andrés de Santa Cruz und Agustín Gamarra, entstand. Obwohl Braun und Velasco lange Jahre auf der gleichen politischen Seite standen, pflegten sie im Privaten eine grundsätzliche Distanz. Dabei gilt es zu betonten, dass Braun und Velasco vor allem während der Zeit, als Velasco in Personalunion die Ämter des bolivianischen Vizepräsidenten, Kriegsministers und Generalstabschefs ausübte, also Anfang der 1830er Jahre, Hunderte Briefe auf offiziellem Wege austauschten.1227 Braun und Velasco arbeiteten auch bei Kriegsgerichtsverfahren, etwa gegen Manuel Isidoro Belzu im Jahre 1833, eng zusammen. Auch als Braun weiter aufstieg, beispielsweise zum bolivianischen Kriegsminister, korrespondierten beide aus beruf­lichen Gründen intensiv weiter.1228 Die enge offizielle Kommunikation der beiden setzte sich auch fort, als Braun seinen ehemaligen Vorgesetzten macht­ politisch überholt hatte. Noch wenige Wochen vor dem Putsch von Velasco, 1225 19.12.1838 Cochabamba. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p275/140v). 1226 Aus dieser Zeit sind zwischen Cerdeña und Braun folgende Briefe erhalten: Archiv Braun, Bde. 267, 274, 296, 297, 298, 302, 303, 306, 308, 365, 817 (AA p131/67). Ferner: 05.12.1835, in: Santa Cruz Schuhkrafft, Archivo Santa Cruz, Bd. 4, 1991, S. 282f. 1227 Siehe folgende Quellenbestände: ANB, MG (1830), Nr. 20, Bd. 2 AA, Archiv Braun, Bd. 814 (AA 4), ANB, MG (1832), Nr. 9, Bd. 51, ANB, MG (1833), Nr. 16, Bd. 63, ANB, MG (1833), Nr. 19, Bd. 62, ANB, MG (1834), Nr. 11, Bd. Fs. 270, ANB, MG (1834), Nr. 22, Bd. 70, ANB, MG (1834), Nr. 11, Bd. 70, ANB, MG (1835), Nr. 27, Bd. 79, ANB, MG (1835), Nr. 19, Bd. 79. 1228 Hierfür siehe vor allem: ANB, MG (1835), Nr. 3, Bd. 85.

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nachdem dieser den Befehl über die siegreiche Südarmee von Braun übernommen hatte und Letzterer wieder als Kriegsminister in Cochabamba wirkte, standen sie in Kontakt.1229 Wenngleich Velasco in dieser offiziellen Korrespondenz Braun absolut keinen Anhaltspunkt für seinen schon lange geplanten und gut vorbereiteten Putsch gegen die Administration von Andrés de Santa Cruz lieferte.1230 In all den Jahren, in denen Braun und Velasco Hunderte Briefe über offizielle Kanäle austauschten, sind aber lediglich drei private Briefe erhalten und nur zwei weitere belegt.1231 In zwei der drei überlieferten Briefe leitet Velasco lediglich politische Informationen an Braun weiter. Im dritten beglückwünscht Velasco Braun zu dessen Sieg von Montenegro. Gerade letzterer Brief darf jedoch nicht als eine Annäherung der beiden verstanden werden, da die Verweigerung des Glückwunsches als offener Affront verstanden worden wäre. Und eine offene ­Gegnerschaft zu Braun auf dem Höhepunkt der Vorbereitungen seines Putsches hätte Verdacht erregen können. Die Lebenswege von Braun und Velasco liefen jedoch nicht zwangsläufig auf eine persönliche Rivalität hinaus. Beide hatten Mitte der 1820er Jahre unter Sucre im peruanischen und danach im bolivianischen Unabhängigkeitskrieg Seite an Seite gekämpft und sich anschließend im neuen Bolivien engagiert. Velasco hatte dabei vor allem als politischer Funktionär gewirkt, wurde Kriegsminister und – nach der Ära Sucre – Vizepräsident Boliviens. Hierbei zeigte er sich gegenüber dem in Abwesenheit zum Präsidenten ernannten Andrés de Santa Cruz äußerst loyal, als er nach einem Putschversuch die Administration Santa Cruz verteidigte und dessen Präsidentschaft garantierte. Aber nachdem 1835 nicht mehr er zum Vizepräsidenten gewählt worden war, sondern Mariano Enrique Calvo, begann er, gegen Santa Cruz zu konspirieren, und trug maßgeblich zu dessen und Brauns Untergang im Februar 1839 bei.1232 Die gegenseitige Abneigung zwischen Braun und Velasco ist auf das Ende des Jahres 1831 datierbar, als es zwischen ihnen vor Präsident Santa Cruz zum Streit kam. Als dabei Brauns Loyalität angezweifelt wurde, war Braun dermaßen empört, dass sich Santa Cruz zu einer schriftlichen und persönlichen Entschuldigung ge1229 Siehe die Quellenbestände: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107, ANB, MG (1838), Nr. 6, Bd. 103, ANB, MH, Bd. 71 Nr. 3a, ANB, MG (1839), Nr. 8, Bd. 109. 1230 18.12.1838 Cochabamba. Nr. 65, Braun an Velasco, in: ANB, MG (1838), Nr. 11, Bd. 107. 1231 11.01.1832 Potosí. Velasco an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 144. 31.07.1838 Chuquisaca. Velasco an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 581. 24.08.1838 Chuquisaca. ­Velasco an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 597. Letzterer Brief bestätigt, dass Braun am 4. und 19. August 1838 Velasco geschrieben hatte. 1232 Díaz Arguedas, Los generales de Bolivia, 1929, S. 63ff. O’Connor d’Arlach, Presidentes de Bolivia, 1912, S. 65ff. Iturricha, La administración de Santa Cruz, Bd. 1, 1967,S. 238ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 116f. Mesa /Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 386f.

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nötigt sah. Ein halbes Jahr später flackerte der Konflikt erneut auf, als Velasco sich hinter den Kulissen gegen ausländische Militärs in der Administration von Santa Cruz aussprach. Dies war natürlich ein frontaler Angriff auch auf die Position von Braun. Dies führte im Laufe des weiter schwelenden Konfliktes zu einer tiefen persönlichen Abneigung der beiden.1233 Das gespannte Verhältnis dieser beiden wichtigen politischen Akteure hilft, deren offene Feindschaft Anfang der 1840er Jahre nach dem erfolgreichen Putsch Velascos gegen Santa Cruz und das rigorose Vorgehen – inklusive Attentat und Ausweisung – von Velasco gegen Braun zu erklären. Ferner hilft es zu verstehen, warum Braun trotz diverser Sicherheits­ garantien und Einladungen während der Präsidentschaft von Velasco nicht nach Bolivien einreiste. Nach den 1830er Jahren, aber vor allem nach den Ereignissen im Februar 1839, verhinderten nicht nur persönliche Differenzen, sondern tiefes politisches und persönliches Misstrauen eine Annäherung der beiden. In La Paz befand sich außerdem José Ballivián, zu dem Braun in den letzten Jahren eine private Freundschaft entwickelt hatte. Wie bei so vielen ist der Beginn nicht mehr rekonstruierbar. Vielleicht hatten sich Braun und Ballivián kennengelernt, als Ersterer mit Antonio José de Sucre und dem bolivarischen Expeditionsheer 1825 in Bolivien einzog. Denn Ballivián war in jungen Jahren der bolivianischen Unabhängigkeitsbewegung beigetreten und hatte anschließend Präsident Sucre gedient. Bei einem Putschversuch im Dezember 1828 war es der bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte Ballivián gewesen, der diesen schnell unterdrückte und die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung ermöglichte. Während der Präsidentschaft von Andrés de Santa Cruz stieg Ballivián schnell zu einem wichtigen politischen und militärischen Akteur auf.1234 Obwohl sich die Wege von Braun und Ballivián ab 1830 häufiger gekreuzt haben müssen, sind erst für das Jahr 1835 direkte Kontakte zwischen beiden nachweisbar.1235 Von da an arbeiteten sie intensiv zusammen – vor allem, als Ballivián Generalstabschef von Santa Cruz und Braun Oberbefehlshaber der Truppen zwischen Cuzco und Oruro und Oberkommandierender des bolivianischen Südheeres war.1236 Auch tauschten sie privat Briefe aus. Hier war es vor allem der Austausch 1233 19.12.1831 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 140. 27.08.1832 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 160. 1234 Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 45ff. Crespo, Los exiliados bolivianos. Siglo XIX, 1997, S.  158ff. Gutiérrez, General José Ballivián, 1948, S. 12ff. Kieffer, Ingavi, 1991, S. 405ff. Groff Greever, José Ballivián, 1987, S. 1ff. 1235 Siehe: 28.03.1835 Sapaqui. Ballivián an Braun, in: ANB, MG (1835), Nr. 19, Bd. 79. 16.04.1835 Ballivián an Braun, in: Ebd. 1236 Zur beruflichen Kommunikation zwischen Braun und Ballivián siehe: Archiv Braun, Bde. 341, 351, 356, 358, 360, 361, 362, 363, 367, 381, 384, 388. Ferner: 12.02.1836, in: ANB, MG (1836), Nr. 10, Bd. 92; 27.01.1837, in: ANB, MG (1837), Nr. 6, Bd. 94; 06.12.1838, in: ANB, MG (1838), Nr. 6, Bd. 103.

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von Neuigkeiten über politische Entwicklungen und deren Einschätzung sowie Informationen über gemeinsame Bekannte. Darüber hinaus erörterten Ballivián und Braun intensiv militärisch-strategische und militärisch-taktische Anliegen. In den Briefen jenseits der offiziellen Kanäle spielten private Ereignisse, wie die Geburt eines neuen Kindes, und die Beteuerung der Freundschaft eine wichtige Rolle.1237 Insgesamt äußerten sich beide politisch riskant – etwa als Ballivián sein Missfallen über Orbegoso ausdrückte. In den Briefen zwischen Braun und Ballivián ist sehr schnell eine private Freundschaft feststellbar, was sich in über 30 Briefen innerhalb von drei Jahren sowie in Folgendem ausdrückt: Nachdem Braun im April 1837 La Paz hatte verlassen müssen und im Dezember desselben Jahres seine Frau Justina verstorben war, plagten Otto Philipp Braun große Sorgen über das Schicksal seiner Kinder, die sich bei ihm schriftlich beschwert hatten.1238 Dies hatte er Ballivián, der sich Anfang 1838 in La Paz aufhielt, auch signalisiert. Daraufhin nahm sich dieser dort der Kinder seines Freundes an. Er brachte sie in sein Haus und ließ sie mit seinen eigenen Kindern zusammen spielen. Darüber hinaus versuchte er, die Sorgen Brauns über den etwaigen schlechten Zustand seiner Kinder, vor allem über eine mangelnde Schulausbildung, zu zerstreuen. Ballivián garantierte Braun, dass dessen Kinder nun eine ausgezeichnete Schule besuchten. Auch beteuerte er, dass sie gut gepflegt würden – etwas, das Braun angezweifelt hatte. Ballivián unterstrich: „Ich werde mich um die Betreuung Ihrer Kinder kümmern – machen Sie sich keine Sorgen.“1239 Ob die Versprechen Balliviáns den mit der Abwehr der argentinischen Invasion in Südbolivien vollauf beschäftigten Braun beruhigten, ist nicht überliefert. Er scheint jedoch sehr dankbar gewesen zu sein, da er Ballivián, kurz nachdem er selbst mit der Ernennung zum Großmarschall den Gipfel des Ruhmes erklommen hatte, ein großzügiges Geschenk zukommen ließ.1240 Dieses Beispiel zeigt, welch enges Vertrauensverhältnis beide pflegten.1241 Ballivián fügte dieser Freundschaft schweren Schaden zu, als er sich an der Konspiration von Velasco gegen Santa Cruz beteiligte. Noch wenige Tage vor dem Putsch arbeitete er mit Braun zusammen – ohne auch nur den geringsten Verdacht zu erwecken. Braun vertraute seinem Freund daher bis zum letzten 1237 Zum privaten Austausch zwischen Braun und Ballivián siehe: Archiv Braun, Bde. 327, 328, 331, 332, 336, 338, 340, 349, 368, 372, 374, 377, 383, 389, 394, 413, 423, 433, 444, 463, 475, 541, 571, 580, 599, 610, 616, 618, 619, 622, 625 und 818 (AA p37/22). 1238 Diese Briefe sind leider nicht erhalten. Der Inhalt ist aufgrund der Antwortschreiben rekonstruierbar. 1239 18.05.1838 La Paz. Ballivián an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 541. 1240 09.10.1838 La Paz. Ballivián an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 610. 1241 Ballivián kümmerte sich auch in den nächsten Monaten um die Kinder Brauns und berichtete mitunter über sie: 27.12.1838 La Paz. Ballivián an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 625.

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­ oment. Braun hatte Santa Cruz mehrfach geschrieben, dass er trotz MeiM nungsverschiedenheiten über politische und militärische Einzelfragen mit Ballivián „in guter Harmonie und Freundschaft“1242 zusammenarbeite. Noch wenige Tage vor dem Putsch von Velasco schrieb Braun über Ballivián: „General Ballivián […] ist wie immer auf dem Weg der Ehre und der Loyalität. Wir pflegen die beste Freundschaft und arbeiten so viel wie möglich zusammen.“1243 Als es im Februar 1839 dann zum Putsch gegen Santa Cruz und zum Attentat gegen Braun kam, wurde ihm klar, dass er sich in seinem Freund und Kameraden sehr getäuscht hatte. Diese tiefe Enttäuschung hilft auch, Brauns Weigerung in den 1840er Jahren zu erklären, seinem ehemaligen Freund und von 1841 bis 1847 Präsident Boliviens direkt zu schreiben, und warum er es vorzog, nur über Vermittler mit ihm zu kommunizieren. Otto Philipp Braun und Andrés de Santa Cruz waren in den 1830er Jahren zu engen persönlichen Freunden und politischen Weggefährten geworden. Dies ist nicht nur an dem kontinuierlichen Interesse am Privatleben des anderen und der Anteilnahme an familiären Ereignissen abzulesen, sondern auch an ihrem Verhalten in Krisensituationen. Hierbei sei nicht nur an den Tod von Brauns Frau Justa Germana Braun erinnert, sondern auch an folgende Begebenheit: Am 13. Februar 1839, als Santa Cruz schon die Schlacht von Yungay verloren, Velasco in Südperu geputscht und die Revolution La Paz erreicht hatte, hielt Braun seinem Oberkommandierenden die Treue. „Unsere Sache ist die der Völker, und ich glaube nicht, dass uns der Schutz Gottes fehlen wird.“1244 Neben dieser Durchhalteparole betonte Braun, dass er unter allen Umständen nicht nur die staatliche Ordnung in Bolivien aufrechterhalten, sondern vor allem die Familie von Santa Cruz in Bolivien schützen werde.1245 Zwar konnte Braun dieses Versprechen nicht halten, da ihn einen Tag später ein Attentat außer Gefecht setzte. Dennoch zeigt diese in schwerer Stunde gezeigte Loyalität Brauns zu Santa Cruz und dessen Familie die tiefe Freundschaft und persönliche Partnerschaft. Diese Beziehung ist auch einer der Hauptgründe für das Engagement von Braun für Santa Cruz als transatlantischer Agent in den 1840er und als transatlantischer Wahlkampfmanager in den 1850er Jahren.

1242 04.01.1839 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p277/141v). 1243 19.01.1839 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p281/143v). 1244 13.02.1839 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p283/144v). 1245 Ebd.

7. Der Sturz: Rettung durch Prestigetransfer 1839 „General Ballivián hat uns auf hinterhältige Art und Weise verraten.“1246 Santa Cruz zum britischen Konsul Wilson (26. Februar 1839)

Am 20. Januar 1839 traf im peruanischen Yungay die Armee der peruanischbolivianischen Konföderation auf das chilenisch-peruanische Expeditionsheer. Andrés de Santa Cruz erlebte eine schwere militärische Niederlage. Wenig später erhoben sich in Bolivien Teile der Armee. In der Folge gab das politische Gebäude der peruanisch-bolivianischen Konföderation dem Binnendruck von Aufständen und Putschen nach und brach in den nächsten Wochen auseinander. Die neuen Machthaber in Peru und Bolivien erreichten nicht nur die Abdankung von Santa Cruz und die Auflösung der Konföderation, sondern betrieben auch die Säuberung des Staates von loyalen Anhängern des gestürzten Protektors. Auch Otto Philipp Braun, einer seiner engsten Vertrauten, fiel den Maßnahmen seiner ehemaligen Kameraden und Mitstreiter zum Opfer. Sie entfernten ihn gewaltsam aus seinem Amt. Als Konsequenz des Verlustes seiner politischen Funktion als Kriegsminister und seiner militärischen Macht als Kommandierender General implodierte auch ein Großteil seines administrativ-offiziellen Netzwerkes. Die Entfernung Brauns aus seinem Amt und von seinem Kommando im Februar 1839 war ein radikaler Bruch in seinem bisherigen Leben. Er war wohl tiefgreifender als viele vorangegangene Einschnitte – zumal er aus vorherigen Krisen stets gestärkt hervorgegangen war. Fast 19 Jahre, also fast die Hälfte seines Lebens, hatte er im Dienst von erfolgreichen Militärs und legitimen Präsidenten gestanden und Kontakt zu Entscheidern gepflegt – bis er selbst einer wurde. Die Ereignisse vom Februar 1839 bedeuteten für Braun einen dramatischen Absturz. Dieses Kapitel möchte im ersten Teil näher auf die politischen und militärischen Entwicklungen eingehen, die zum Zusammenbruch der peruanisch-bolivianischen Konföderation und zum Regimewechsel in Bolivien und Peru Anfang des Jahres 1839 führten, um die Tragweite dieser Ereignisse für das Leben Brauns zu verdeutlichen. Im zweiten Teil des Kapitels wird Brauns Agieren in dieser Zeit rekonstruiert. Dabei soll gezeigt werden, dass es dem Großmarschall von Montenegro trotz dieses radikalen biographischen Bruches gelang, einen wichtigen Teil seines Einflusses zu erhalten. Dies äußert sich vor allem darin, dass er hinter den Kulissen weiterhin über einen wichtigen Teil seines internationalen Netzwerkes verfügte. Er konnte dieses sogar zu Unterstützungsleistungen mobilisieren. Braun nutzte seinen Einfluss in dieser Zeit primär, um sein physisches und politisches Überleben zu sichern. Ihm gelang dies, da ihn einige einflussreiche Kommunika1246 26.02.1839 An Bord der „Samarang“. Santa Cruz an Wilson, in: Kieffer Guzmán, Ingavi, S. 363.

Der Zusammenbruch der Administration Santa Cruz



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tionspartner auch nach dem Putsch als Interaktionspartner akzeptierten, obwohl Braun zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über realpolitische Macht verfügte. Neben der Kommunikation und der Interaktion Brauns mit Präsident José Miguel de Velasco und General José Ballivián waren einige international einflussreiche Akteure, wie der ecuadorianische Präsident Juan José Flores sowie der Gouverneur der nordargentinischen Provinz Salta, Manuel Solá, zu umfassenden und politisch riskanten Unterstützungsleistungen bereit. Diese Beispiele können zeigen, dass Braun Teile seines gesellschaftlichen Prestiges und Teile seines politischen Einflusses nicht nur über die Ländergrenzen, sondern vor allem über den biographischen Bruch von 1839 hinaus transferieren konnte.

7.1 Der Zusammenbruch der Administration Santa Cruz im Februar 1839 „Morgen, Morán, morgen“1247, soll Andrés de Santa Cruz seinem General Trinidad Morán erwidert haben, nachdem dieser ihn auf eine taktisch günstige Gelegenheit zum Angriff auf die chilenische Invasions- und die peruanische Restaurationsarmee hingewiesen hatte. Ob der Protektor der peruanisch-bolivianischen Konföderation aus militärischen Gründen, durch politischen Verrat oder aufgrund persönlicher Fehlentscheidungen dann wenig später die Schlacht von Yungay am 20. Januar 1839 verlor, kann und soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden.1248 Es soll jedoch festgehalten werden, dass mit der militärischen Niederlage im nördlichen Peru das gesamte politische Projekt von Andrés de Santa Cruz noch lange nicht gescheitert war. Er hatte zwar eine Schlacht verloren, nicht jedoch den Krieg. Allein mit den unter dem Befehl der Generäle Blas Cerdeña und José Ballivián stehenden Armeen in Zentral- und Südperu verfügte Santa Cruz über etwa ebenso starke Streitkräfte wie seine Gegner. Zu diesen Kräften hinzu kam darüber hinaus noch die gegen die argentinische Invasion siegreiche Armee des Großmarschalls Felipe Braun in Südperu.1249 Vor dem Hintergrund dieser Fakten dachte Santa Cruz nach der Niederlage von Yungay nicht im Entferntesten daran, aufzugeben. Ganz im Gegenteil: Santa Cruz begann nach seiner Flucht vom 1247 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 250ff. 1248 Die Mitschuld von Santa Cruz an der Niederlage von Yungay formuliert auch der Augenzeuge General Manuel Sagáranga: 23.07.1839 Callao. Manuel Sagárnaga an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 639. Siehe zur Diskussion der Ursachen der Niederlage von Yungay: Baptista Gumucio, Otra historia de Bolivia, 1983, S. 409. Díaz Arguedas, El Mariscal Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 102f. Navarro, Ensayo sobre la Confederación Perú-Boliviana, 1968, S. 72. 1249 Braun bot Santa Cruz mehrmals und noch im Januar 1839 das Südheer zur Verstärkung an: 12.01.1839 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p280/143).

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Schlachtfeld, seine ­Reserven für die Fortführung des Krieges zu organisieren. Dessen Ziel sollte, wie schon einmal zuvor, nicht die völlige Vernichtung des Gegners sein, sondern ein Verständigungsfrieden sowohl mit Chile als auch mit der peruanischen Opposition – allerdings aus einer Position der Stärke heraus. Nachdem er in Lima die Verteidigung der Stadt und die Verstärkung der Festung Callao in die Wege geleitet hatte, brach Santa Cruz am 28. Januar 1839 nach Südperu auf. Dort wurde er trotz der Niederlage von Yungay „mit großer Begeisterung von allen Klassen der Bevölkerung empfangen“1250, wie der britische Vizekonsul in Arequipa nach Lima berichtete. Inmitten der Reorganisation der Verteidigung und Neuordnung der politischen Allianzen erreichten Santa Cruz allerdings beunruhigende Nachrichten aus Bolivien.1251 Am 9. Februar 1839 erhob sich im südbolivianischen Tupiza General José Miguel de Velasco. Dieser ließ einen Teil seiner Einheiten nach Oruro marschieren und die dortige Festung besetzen. Wenige Tage später erhoben sich auf Befehl des Generals José Ballivián Einheiten in Cochabamba und La Paz.1252 Dies geschah nach monatelanger Konspiration mit General Velasco. Neben den beiden Protagonisten unterstützte eine Reihe von Militärs und Politikern den Putsch, wie etwa Carlos Medinaceli, Eusebio Guitierrez und José María Linares. Nachdem innerhalb von fünf Tagen die Städte Santa Cruz, Chuquisaca, Potosí und Tarija sowie die Bezirke Puno und Vilaque Santa Cruz die Gefolgschaft aufgekündigt und sich Velasco angeschlossen hatten, erreichte die Rebellion Cuzco und Arequipa. Inzwischen hatten sich General Velasco zum provisorischen Präsidenten und General Ballivián zum provisorischen Vizepräsidenten ausrufen lassen.1253 In allen genannten Orten mussten sich die politischen und militärischen ­Akteure nun für eine Seite entscheiden, sofern sie dies nicht ohnehin schon während der Vorbereitung der Verschwörung getan hatten. Prominente Anhänger und 1250 17.02.1839 Arequipa. Wilson an das Foreign Office, in: Britisches Nationalarchiv, FO 61/58, S. 95. 1251 Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 292ff. Querejazu Calvo, Andrés Santa Cruz, Bd. 1, 1976, S. 101ff. Sobrevilla Perea, Andrés de Santa Cruz, 2011, S. 204ff. 1252 Siehe etwa: 27.02.1839 La Paz. Ballivián an den Präsidenten, in: ANB, MG (1839), Nr. 8, Bd. 109. 1253 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 25ff. Basadre, Reconsideraciones, 1977, S. 99ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 36ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S.  53ff. Díaz Arguedas, El Mariscal Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 20ff. Irurozqui, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 115ff. Kieffer Guzmán, Ingavi, S. 361ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 115ff. Mesa/ Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 375ff. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 296ff. Querejazu, Bolivia, 2003, S. 127ff. Querejazu Calvo, Andrés Santa Cruz, Bd. 1, 1976, S. 102ff. Riveros Tejada, La influencia histórica de Bolivia, 1964, S. 127f. Sobrevilla Perea, Andrés de Santa Cruz, 2011, S. 204ff. Soux, Conspiraciones en Bolivia, 2002, S. 33ff.

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loyale Unterstützer von Andrés de Santa Cruz wurden von den Rebellen umgehend ihrer Ämter enthoben, verfolgt und nicht selten misshandelt oder gar ermordet. Nahezu ganz Bolivien war in Aufruhr. Das politische System von Santa Cruz stand kurz vor dem Zusammenbruch. Velasco und Ballivián legitimierten ihren Putsch mit der Notwendigkeit, Bolivien von der Dominanz Perus im Gewand der peruanisch-bolivianischen Konföderation zu befreien. Inwiefern es sich hier um ihre tatsächlichen Beweggründe handelte oder ob nicht vielmehr persönliche Ambitionen, selbst die höchsten Ämter im Staate zu bekleiden, oder verletzte Eitelkeit eine Rolle spielten, soll hier nicht geklärt werden. Viel wichtiger ist die Reaktion von Andrés de Santa Cruz auf diese neuen Nachrichten. In Anbetracht der Tatsache, dass ihn die Meutereien in Bolivien und Südperu der Ressourcen zur Fortführung des Kampfes beraubten, und weil er nicht sinnlos weitere Menschenleben in einem nicht zu gewinnenden Bürgerkrieg opfern wollte, erklärte der Protektor der peruanisch-bolivianischen Konföderation am 20. Februar 1839 in Arequipa seinen Rücktritt als Protektor und bolivianischer Präsident.1254 Mit diesem Schritt zielte Santa Cruz darauf, in Anbetracht des Zusammenbruchs der Konföderation zumindest die von ihm geschaffenen staatlichen Strukturen in Bolivien zu retten und es vor dem innenpolitischen Chaos und der destabilisierenden Dynamik eines Bürgerkrieges zu bewahren. Der Rücktritt von Santa Cruz ermunterte jedoch die bis dahin abwartende Opposition in Südperu zum Handeln. Beispielsweise ernannte das Departement Arequipa General Agustin Gamarra, den Intimfeind von Santa Cruz, zum provisorischen Präsidenten Perus. Santa Cruz musste das Land schnellstens verlassen. Auf dem Weg von Arequipa zum Hafen von Islay revoltierte ein Teil seiner Leibgarde. Der gestürzte Protektor entkam nur knapp einem Anschlag, Marschall Miller überlebte nur mit Mühe. In Islay retteten Santa Cruz nur der britische Vizekonsul und 60 bewaffnete Marinesoldaten eines dort ankernden britischen Schlachtschiffes vor der Verhaftung durch eine von den Rebellen dorthin beorderte Kavallerieeinheit. Nur die vehementen Drohungen des britischen Vizekonsuls, das Britische Empire werde eine harte Reaktion folgen lassen, verhinderten, dass Santa Cruz mit Gewalt aus dem Konsulat herausgeholt wurde. Nur unter dem Schutz der britischen Flagge konnte der gestürzte Protektor auf das britische Schiff. Die 21 Salutschüsse zum Gruß des Gestürzten standen im krassen Kontrast zu seiner tatsächlichen Situation. Nur eine Handvoll Getreuer, wie Marschall William Miller sowie die peruanischen Politiker Juan García del Río und Brauns Verwandter José Rivero, begleiteten Andrés de Santa Cruz am 28. Februar 1839 ins ecuadorianische Exil.1255 1254 20.02.1839 Arequipa. Dekret von Santa Cruz, in: Arduz Ruíz, La Confederación Perú-Boliviana, 1999, S. 94. 1255 Zu José Rivero, Präfekt von Arequipa und Anhänger von Andrés de Santa Cruz, siehe Kapitel 5.3: „Private Etablierung in Südamerika: Die Heirat in die Familie Rivero“, sowie den Abschnitt „Familiäre Netzwerke: José Rivero“.

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Die Nachricht von der Abreise von Santa Cruz begrub vorerst auch die Hoffnungen der Anhänger des Protektors. Am 22. Februar 1839 kapitulierte die Regierung Südperus. Am 8. März beugte sich die Festung Callao den neuen Machtverhältnissen, und am 13. März ergaben sich die letzten loyalen Truppen im Raum Arequipa. Diese Entwicklungen machen deutlich, dass die peruanischbolivianische Konföderation und das politische System von Andrés de Santa Cruz nicht militärisch von chilenischen Truppen und peruanischen Oppositionellen besiegt wurden, sondern politisch in Bolivien unterminiert und letztlich zum Zusammensturz gebracht worden waren. Maßgeblich hierbei waren José Miguel de Velasco, der ehemalige Vizepräsident von Santa Cruz, und José Ballivián, der einstige intime Schützling des Protektors, dessen Verrat ihn zutiefst erschütterte.1256 Die dramatischen Verhältnisse, in denen Santa Cruz fliehen musste, wurden oben skizziert, da sie den Umständen ähneln, in denen sich nun fast alle loyalen Unterstützer des Protektors befanden. Amtsenthebung, Verhaftung, Misshandlung und auch Mord prägten die nächsten chaotischen Wochen.1257 Dies galt auch für den prominenten bolivianischen Kriegsminister und Großmarschall von Montenegro Otto Philipp Braun.

Politische Säuberungen durch die neue Administration Die neuen Machthaber in Bolivien säuberten nicht nur die staatlichen Strukturen von Anhängern des Protektors, sondern versuchten auch, sich mit den peruanischen Oppositionellen und der chilenischen Invasionsarmee zu arrangieren. Hierzu erfüllte Präsident Velasco alle ihre Forderungen und ging sogar so weit, die gegnerische Armee in Yungay zum Sieg über die vornehmlich aus Bolivianern bestehende Armee von Santa Cruz zu beglückwünschen. Präsident Velasco erreichte auch eine Verständigung mit Chile. Am 6. August 1839 schloss er einen Freundschafts-, Handels- und Beistandspakt. Er erfüllte selbst die Bedin1256 Siehe beispielsweise: 26.02.1839 An Bord der „Samarang“, Santa Cruz an Belford H. Wilson, in: Querejazu Calvo, Andrés Santa Cruz, Bd. 1, 1976, S. 107. 26.01.1840 Quito. Impreso. “El Jeneral Santa Cruz esplica su conducta pública y los móviles de su política en la presidencia de Bolivia y en el Protectorado de la Confederación Perúboliviana, in: Archiv Braun, Bd. 652. Dies bestätigt auch die Forschung: Navarro, Ensayo sobre la Confederación Perú-Boliviana, 1968, S. 73. 1257 Basadre y Chocano, Diez años, 1953, S. 77. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 53ff. Delaney, General Miller and the Confederación Perú-Boliviana, 1962, S. 241f. Díaz Arguedas, El Mariscal Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 20ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 115ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 375f. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 298ff. Querejazu, Bolivia, 2003, S. 127ff. Querejazu, Andrés Santa Cruz, Bd. 1, 1976, S. 103ff. Sobrevilla Perea, Andrés de Santa Cruz, 2011, S. 203f. Soux, Conspiraciones en Bolivia, 2002, S. 34ff.

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gungen des geschlagenen Argentiniens. Mit Peru vereinbarte Präsident Velasco am 14. August 1839 einen als Demütigung wahrgenommenen Vertrag. Gerade dieser Vertrag stieß vor allem in Bolivien auf nicht unerheb­lichen Widerstand – auch innerhalb der Restaurations-Fraktion.1258 Parallel zur außenpolitischen Ordnung der Post-Konföderationszeit setzten sich die Säuberungen in der staatlichen Verwaltung und militärischen Struktur sowie die über die Amtsenthebungen hinausgehende Verfolgung der Anhänger von Santa Cruz unvermindert fort.1259 Die komplett umgebildete Regierung beschlagnahmte beispielsweise einen Großteil des Eigentums von Santa Cruz, um ihm die materielle Grundlage für eine befürchtete Rückkehr zu entziehen.1260 Hierfür wurde Santa Cruz von dem Mitte Juni 1839 einberufenen Kongress zum Geächteten und Verräter erklärt. Später ergänzte eine Versammlung, Santa Cruz sei „unwürdig, den Titel Bolivianer zu tragen“1261. Gleichzeitig ließ ihn der Kongress von allen militärischen und zivilen Listen streichen. Dieses Schicksal ereilte auch alle seine wichtigsten, engsten und loyalsten Mitstreiter, wie die ausländischen Generäle Francisco Burdett O’Connor (Ire), Ramón Herrera (Argentinier) und auch den Deutschen Otto Philipp Braun.1262 Letzteren verwies die neue Regierung sogar des Landes.1263 Die gesamte Verwaltung wurde von Anhängern Santa Cruz‘ gesäubert.1264 In Peru verfuhr die neue Regierung Gamarra ähnlich. Auch hier 1258 Der Vertrag wurde von Zeitgenossen als Demütigung Boliviens interpretiert. So etwa auch die Bewertung durch José Rivero, einen Verwandten Brauns, diesem gegenüber: 14.09.1840 Tacna. José Rivero an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 664. Forschungsarbeiten stellen dies auch immer wieder fest, etwa: Kieffer Guzmán, Ingavi, S. 377ff. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 309ff. 1259 Costa Argúz, Estructura Administrativa del Poder Ejecutivo, 2002, S. 19f. 1260 04.12.1839 Präfektur La Paz, Nr. 68, M. Landivar an den Innenminister, in: ANB, MI (1839) Bd. 74 Nr. 29. 1261 01.11.1839 Sucre. Gesetz zur Ächtung von Santa Cruz, unterzeichnet von José Miguel de Velásco/Manuel María Urcullu, in: Arduz Ruíz, La Confederación PerúBoliviana, 1999, S. 112f. 1262 27.02.1839 Potosí. Befehl zur Streichung O‘Connors, unterzeichnet von Manuel Maria Urcullu, in: Archivo de la Corte Suprema de Justicia de la Nación, Colección Anuarios Administrativos. 1263 27.02.1839 Potosí. Befehl zur Streichung und Ausweisung Brauns, in: Archivo de la Corte Suprema de Justicia de la Nación, Colección Anuarios Administrativos, auch in: Arduz Ruíz, La Confederación Perú-Boliviana, 1999, S. 97. Einige Monate später, im November 1839, erklärte der bolivianische Kongress die Enthebung Brauns nochmals für rechtmäßig: 02.11.1839 Sucre. Angehängtes Dekret, an: 01.11.1839 Sucre. Gesetz zur Ächtung von Santa Cruz, unterzeichnet von José Miguel de Velásco/Manuel María Urcullu, in: Arduz Ruíz, La Confederación Perú-Boliviana, 1999, S. 113. 1264 05.03.1839 Potosí. Dekret zur Säuberung der Verwaltung, unterzeichnet von José Miguel de Velásco, in: Ebd., S. 119f.

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wurden alle prominenten Anhänger der peruanisch-bolivianischen Konföderation aus den Ranglisten gestrichen und ihnen ihre Titel aberkannt – auch Otto Philipp Braun verlor seinen peruanischen Generalsrang und Ehrentitel, vom Ehrensold ganz zu schweigen.1265 Diese Maßnahmen der peruanischen und bolivianischen Regierungen waren jedoch nicht ganz unberechtigt. Anhänger des gestürzten Protektors arbeiteten in den Jahren 1839 bis 1843 unermüdlich an der Rückkehr und Wiedereinsetzung ihres Anführers.1266 Otto Philipp Braun sollte hier ab 1840 vor allem als transatlantischer Verbindungsmann zwischen Bolivien, Peru, Chile, Ecuador, Großbritannien und Frankreich eine wichtige Rolle spielen.1267 Auch wenn die Gefahr einer „Regeneration“ des politischen Systems von Santa Cruz als hoch eingeschätzt und daher versucht wurde, diese zu verhindern, zeigten sich schon bald erste Risse in der Restaurations-Fraktion, also der von Velasco und Ballivián angeführten politischen Strömung. Vor allem der als Demütigung empfundene und von Präsident Velasco unterschriebene Vertrag mit Peru stieß bei dessen Mitstreiter Ballivián auf Missfallen. Darüber hinaus war dieser nicht wie erwartet vom Kongress zum Vizepräsidenten gewählt worden, sondern sollte auf einen Botschafterposten im weit entfernten Europa abgeschoben werden. José Ballivián machte aus seiner Ablehnung des Vertrages keinen Hehl, als er Velasco schrieb, dass „ich mir lieber die Zunge abreißen und mir die Hand abschneiden würde, als [diesen Vertrag, Anm. RK] zu unterschreiben“1268. Um die drohende Demütigung Boliviens, die erwartete Invasion Gamarras und seine persönliche Verdrängung aus dem Machtzentrum zu verhindern, erhob sich José Ballivián am 7.  Juli 1839 gegen Präsident José Miguel de Velasco. Ballivián wurde jedoch noch im Anfangsstadium seines Putsches verraten. Er musste, auch aufgrund mangelnder Unterstützung (nur wenige folgten ihm, beispielsweise der später noch relevante José María de Achá), nach Peru fliehen. In der Folge erlitt er dasselbe Schicksal wie der von ihm gestürzte Marschall Santa Cruz. Ballivián wurde zum Verräter und Geächteten erklärt und sein

1265 25.03.1839 Matucana. Dekret, unterzeichnet von Agustín Gamarra/Manuel de Mendiburu, in: El Peruano, Nr. 57, sowie in: La Verdad Desnuda. Periodico politico y literario. Nr. 2. Guayaquil, 11. Dezember 1839, S. 21. Siehe auch: Sotomayor Valdés, Historia de Chile bajo Prieto, 1903, S. 40, 52. 1266 Dies wird in Kapitel 8: „Wiederaufstieg: Einfluss in der atlantischen Welt 1839– 1841“ behandelt. Literatur zur Rückkehr von Santa Cruz: Kieffer Guzmán, Ingavi, S. 378. Querejazu Calvo, Andrés Santa Cruz, Bd. 1, 1976, S. 109f. 1267 Díaz Arguedas, El Mariscal Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 20ff. Kieffer Guzmán, Ingavi, S. 361ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 115ff. Mesa/ Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 375f. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 307ff. 1268 Zit. n. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 65.

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Eigentum beschlagnahmt.1269 Hiermit endete die Allianz der Fraktionen von Ballivián und Velasco – mit schwerwiegenden Folgen für die Präsidentschaft des Letzteren. Denn nun stand Präsident Velasco mit seinen Unterstützern den Anhänger von Ballivián, Santa Cruz und einer kleinen Gruppe von Sympathisanten des peruanischen Präsidenten Agustín Gamarra im Kampf um die Macht in Bolivien gegenüber.1270 Trotz der Siege ­Velascos setzten seine Gegner ihre Bemühungen, ihn aus dem Präsidenten­palast zu vertreiben, unvermindert fort.

7.2 Karriereende Brauns: Prestige trotz Attentat, Arrest und Ausweisung Am 15. Februar 1839 erreichte die landesweit organisierte Militärrebellion La Paz. Zu dieser Zeit residierte dort der amtierende Kriegsminister Boliviens und siegreiche Großmarschall von Montenegro Felipe Braun. Die Rebellen sahen in ihm ein Hindernis bei der Eroberung der wichtigen Stadt und des dazugehörigen, strategisch wichtigen Departements. Vielleicht erinnerten sie sich an Brauns mutiges und entschlossenes Auftreten bei den Aufständen während der Präsidentschaft von Antonio José de Sucre zehn Jahre zuvor. Die Sorge der Rebellen hatte aber auch ganz aktuelle Gründe. Braun hatte seit dem Jahreswechsel verstärkt Verteidigungsmaßnahmen getroffen.1271 Auch scheint es den Zeitgenossen klar gewesen zu sein, dass Braun seinem Protektor gegenüber loyal bleiben würde. Braun hatte Santa Cruz selbst nach der verlorenen Schlacht von Yungay volle Unterstützung und Loyalität zugesagt, als er formulierte: „Für mich ist es überflüssig, Ihnen erneut zu versichern, dass ich sowohl im Glück als auch im Unglück Ihr unermüdlicher Freund und treuer Kamerad sein werde.“1272 Die im Vorfeld des Putsches zunehmenden Überfälle auf staatliche Postverbindungen, der Verlust offizieller und privater Briefe sowie der damit einhergehende Einblick der Gegner 1269 Siehe hierzu: 30.07.1839 Sucre, Dekret, unterzeichnet von José Mariano Serrano/ Manuel Urcullu/Mariano Arias, in: Riveros Tejada, La influencia histórica de Bolivia, 1964, S. 131f. 22.09.1839 Oruro, Dekret, unterzeichnet von José Miguel de de Velásco/Manuel Dorado, in: Ebd., S. 129f. 1270 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 29ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 37. Carrasco, José Ballivián, 1960, S.65ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S.80ff. Díaz Arguedas, El Mariscal Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 48f. Guzman, Historia de Bolivia, 1998, S. 152. Irurozqui, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 115ff. Kieffer Guzmán, Ingavi, S. 383ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 116f. Mesa /Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 389ff. 1271 Beispielsweise hatte er damit begonnen, neue, ihm loyale Truppen auszuheben und zu organisieren: 04.01.1839 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p277/141v). 1272 13.02.1839 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p283/144v).

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in die vertrauliche Kommunikation zwischen Braun und Santa Cruz machten Brauns nicht-chiffrierte Loyalitätsbekundungen zu einem halböffentlichen Statement.1273 Brauns Aussagen und Handlungen machten deutlich, dass dieser den Plänen von Ballivián und Velasco im Wege stand. Denn Braun unternahm alles, um eine Revolution zu verhindern.1274 Um ihn auszuschalten, verübten in der Nacht vom 15.  Februar 1839 Verschwörer ein Attentat auf ihn.1275 Ein Adjutant Brauns hatte einem vermeintlichen Vertrauten Brauns den Schlüssel zum Schlafzimmer des Großmarschalls überlassen. Die Attentäter betraten mitten in der Nacht das Schlafzimmer des Kriegsministers und schossen auf den schlafenden Braun. Die Kugel traf ihr Ziel nicht genau und verletzte Braun nur leicht am Nacken. Dennoch war das Schicksal Brauns besiegelt. Die Angreifer zerrten den verletzten Großmarschall aus seinem Bett, misshandelten ihn und hielten ihn bis auf Weiteres gefangen. Damit waren Braun als möglicher Gegenspieler der Generäle Velasco und Ballivián ausgeschaltet und das Departement unter Kontrolle. Gleichzeitig verbreitete sich das Gerücht, dass Braun ermordet worden sei.1276 Die Umstände der Absetzung Brauns zeigen nicht nur, dass die Rebellen über Verbündete bis in den engsten Kreis der Vertrauten des Kriegsministers hinein verfügten, sondern auch, wie dramatisch der Sturz Brauns verlief 1273 Gerade in den Wochen vor dem Putsch häuften sich die Überfälle auf Postverbindungen und der Verlust von offizieller und privater Korrespondenz. Dieses Phänomen war Anfang 1839 auch vermehrt Gesprächsthema zwischen Braun und Santa Cruz, siehe etwa: 05.01.1839 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p279/142v). 04.02.1839 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p282/144). 1274 Tschudi, Reiseskizzen, Bd. 1, 1846, S. 82. 1275 Celia Wu behauptet, dass Otto Philipp Braun bei dem Versuch, die Revolution in La Paz zu verhindern, verletzt worden sei. Als Beleg verweist sie auf einen im Britischen Nationalarchiv (PRO FO 61/58) lagernden Brief von Santa Cruz an Wilson vom 20.02.1839. Zwar erwähnt Santa Cruz dort, dass Braun durch einen Pistolenschuss leicht verletzt worden sei, doch für Celia Wus Behauptung, dass dies bei dem aktiven Versuch, die Revolution niederzuschlagen, geschehen sei, ist dort kein Beleg zu finden. Aus diesem Grund hält der Autor die durch Primärquellen belegte Version eines Attentats auf den schlafenden Braun für wahrscheinlicher. Siehe: 20.02.1839 An Bord der „Samarang“, Santa Cruz an Wilson, in: Britisches Nationalarchiv, PRO FO 61/58. Tschudi, Reiseskizzen aus den Jahren 1838–1842, Bd 1, 1846, S. 82f. Wu, Generals and Diplomats. Great Britain and Peru 1820–40, 1991, S. 85. 1276 Diese Annahme spiegelt sich bei mehreren Autoren wider, die Brauns Tod in das Jahr 1839 datieren, wie etwa: Hasbrouck, Foreign legionaries, 1969 [=1928], S. 355. Slatta, Simón Bolivar, 2003, S. 251. Die Rekonstruktion des Attentats auf Braun geht vor allem auf folgende Zeitzeugen zurück: 26.02.1839 An Bord der „Samarang“, Santa Cruz an Belford H. Wilson, in: Querejazu Calvo, Andrés Santa Cruz, Bd. 1, 1976, S. 108. O’Connor, Recuerdos 1916, S. 405f. Tschudi, Reiseskizzen aus den Jahren 1838–1842, Bd 1, 1846, S. 82f. Auch die Forschung schildert dies immer wieder: Sotomayor Valdés, Historia de Chile bajo Prieto, 1903, S. 8f.

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und wie schnell er von jeder realen Machtgrundlage getrennt wurde.1277 Sehr schnell bemühten sich die neuen Machthaber, ihre Macht abzusichern, indem sie die erfolgreiche Revolution in ordnungspolitische Bahnen lenkten. Für Braun bedeutete dies, dass er nicht nur faktisch, sondern auch formell aus dem Machtzentrum entfernt wurde. Eine Woche nach dem Attentat, am 22. Februar 1839, wurde Braun offiziell seines politischen Amtes und seines militärischen Kommandos enthoben. Mit der Ernennung von General José Ballivián zum Kriegsminister war Brauns Nachfolge schnell und eindeutig geregelt.1278 Nach dieser Maßnahme veranlassten Velasco und Ballivián am 27. Februar 1839 die Streichung Brauns aus der Rangliste des bolivianischen Militärs und die schnelle Ausweisung aus Bolivien. Diesen Befehl unterschrieb der erste Richter am Obersten Gerichtshof Boliviens und neue „Ministro General“ von Präsident Velasco, der Braun einst wohlgesonnene Manuel María Urcullu.1279 Bei dieser Maßnahme nutzten die Akteure die Gelegenheit, den Großmarschall von Montenegro öffentlich herabzusetzen, indem sie ihn als „aktiven und tatkräftigen Agenten der unheilvollen Konföderation“1280 brand1277 Eine von bolivianischen Exilanten im Umkreis des gestürzten Protektors Andrés de Santa Cruz in Guayaquil herausgegebene und in Südamerika verbreitete Zeitung, die „La Verdad Desnuda“, verdächtigte vor allem José Agustín de la Tapia des Verrats. Dieser arbeitete dann ja auch tatsächlich für Präsident Velásco, stand aber auch weiter mit Braun in Kontakt: 11.04.1840 Guayaquil. Un imparical, Observaciones sobre el estado actual de Bolivia, a fines de 1839, in: La Verdad Desnuda. Peridodico político y literario, Nr. 14, 11.04.1840, S. 211. Ferner: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 88. 1278 Siehe auch das Dekret: 22.02.1839 Potosí. Dekret des provisorischen Präsidenten Velásco, in: Arduz Ruíz, La Confederación Perú-Boliviana, 1999, S. 96. Im November 1839 erklärte der bolivianische Kongress die Ad-hoc-Enthebung Brauns nachträglich für rechtmäßig: 02.11.1839 Sucre. Angehängtes Dekret, an: 01.11.1839 S­ ucre. Gesetz zur Ächtung von Santa Cruz, unterzeichnet von José Miguel de Velásco/Manuel María Urcullu, in: Arduz Ruíz, La Confederación Perú-Boliviana, 1999, S. 113. 1279 Manuel María Urcullu hatte im Jahre 1827 das so milde Urteil über den nach dem Aufstand der Granaderos bei Sucre in Ungnade gefallenen Braun gefällt und dessen Karriere damit gerettet. 27.02.1839 Potosí. Befehl zur Streichung und Ausweisung Brauns, in: Archivo de la Corte Suprema de Justicia de la Nación, Colección Anuarios Administrativos, auch in: Arduz Ruíz, La Confederación Perú-Boliviana, 1999, S. 97. Siehe ferner auch den Abschnitt „Reaktion von Antonio José de Sucre“. 1280 27.02.1839 Potosí. Befehl zur Streichung und Ausweisung Brauns, in: Archivo de la Corte Suprema de Justicia de la Nación, Colección Anuarios Administrativos, auch in: Arduz Ruíz, La Confederación Perú-Boliviana, 1999, S. 97. Der Regimewechsel inklusive seiner öffentlichen Auseinandersetzungen strahlte weithin nach Südamerika aus. Selbst Zeitungen in Uruguay und Argentinien thematisierten Brauns Sturz und druckten obigen Befehl ab: 17.01.1840 Buenos Aires. Bolivien. Gesetz des Kongresses, in: Zinny, La Gaceta mercantil de Buenos Aires, 1912, S. 422. Zinny, Historia de la prensa periódica de Uruguay, 1883, S. 288.

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markten. Nach der Sicherung der unmittelbaren politischen und militärischen Macht und der Schaffung neuer staatlicher Strukturen annullierte die neue Regierung Ende April 1839 alle von der vorherigen Administration verliehenen Titel und Auszeichnungen.1281 Selbst Medaillen der Ehrenlegion mussten innerhalb weniger Tage bei der Regierung abgegeben werden.1282 Mit dem Zusammenbruch der peruanisch-bolivianischen Konföderation und der Abdankung ihres Protektors Andrés de Santa Cruz verlor Braun nicht nur seinen offiziellen Posten. Mit dem Verlust des Amts des Kriegsministers, mit der Streichung aus der Rangliste der bolivianischen Armee und mit der Erklärung zur Persona non grata büßte Braun auch als Kommunikationspartner erheblich an Attraktivität ein. Dies spiegelt sich auch in seiner noch erhaltenen Korrespondenz wider. Nach dem Attentat und dem Ausscheiden aus dem Kriegsministerium verlor Braun Zugriff auf dessen Verwaltung und auf sein gesamtes offizielles Netzwerk. Zuvor hatte Braun fast täglich mit fast allen wichtigen Akteuren der bolivianischen, aber auch der peruanischen Politik von Amts wegen kommuniziert. Hier wären vor allem die militärischen Kommandeure der Provinzen und Armeeteile, aber auch die Administratoren der zivilen Verwaltung, also die Präfekten, zu nennen. Nach dem 15. bzw. 22. Februar 1839 ist nahezu keine offizielle Korrespondenz Brauns mit ehemaligen Kollegen und untergeordneten Akteuren mehr festzustellen. Es ist auch so gut wie kein Transfer offizieller Kontakte in die private Sphäre festzustellen.1283 Neben den offiziellen Gesprächspartnern stellten auch viele Personen, mit denen Braun privat in Kontakt gestanden hatte, die Kommunikation mit dem gestürzten Minister und Großmarschall ein. Hierbei gilt es natürlich einschränkend zu beachten, dass das heutige Nichtvorhandensein von schrift­lichen Quellen nicht unmittelbar auf ein Nichtvorhandensein von Kommunikation hinweisen muss. Braun kann sensible Briefe nach dem Erhalt sofort vernichtet oder später nicht ar1281 Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass dieses Dekret keine Auswirkung auf Brauns Titel als Großmarschall hatte. Braun führte ihn weiter und nahezu alle relevanten Akteure erkannten ihm diesen Titel in den nächsten Jahrzehnten auch weiterhin zu, indem sie ihn als Großmarschall ansprachen. 31.04.1839 Dekret zur Aberkennung zuvor verliehener Ehrentitel, unterzeichnet von Velásco, in: Arduz Ruíz, La Confederación Perú-Boliviana, 1999, S. 127. 1282 30.03.1839 Chuquisaca. Dekret zur Abgabe von Medaillen der Ehrenlegion, unterzeichnet von Velásco, in: Ebd., S. 126. 1283 Eine Ausnahme war Manuel Buitrago, der ehemalige Sekretär Brauns. Buitrago hatte, als schon Unruhen das Land erfasst hatten, seinen ehemaligen Vorgesetzten Braun seiner Loyalität versichert. In den 1840er Jahren pflegten Braun und Buitrago weiterhin Kontakt, als Letzterer als bolivianischer Botschafter in Lima wirkte. Unter Linares fungierte Buitrago als Minister. 12.02.1839 Potosí. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 633. Ferner: Cajías de la Vega, La provincia de Atacama, 1975, S. 183f, 210f. O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 390.

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chiviert haben. Auch sind geheime Gespräche unter vier Augen nicht überliefert. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass gerade jene Akteure, die unter Velasco und Ballivián weiter ihre Ämter und Kommandos ausübten, also nicht aus politischen Gründen entfernt wurden, und diejenigen, die sich politisch nicht weiter belasten wollten, tatsächlich den Kontakt zu Braun abbrachen. Der ehemalige General von Santa Cruz, Manuel Sagárnaga, weigerte sich beispielsweise im Juli 1839 aus ­politischen Gründen, Braun zu besuchen, als dieser bei einem Zwischenstopp nach seiner Ausweisung aus Bolivien im Hafen von Callao (Peru) auf einem Schiff vor Anker lag. Beide ehemaligen Weggefährten befanden sich in derselben Stadt, aber Sagárnaga wollte keine „Komplikationen“1284 für sich riskieren. Trotz dieser Entwicklungen kann nachgewiesen werden, dass Braun weiterhin in der Lage war, hinter den Kulissen Zugang zu den wichtigen Akteuren der neuen bolivianischen Administration zu erhalten – beispielsweise zu den Protagonisten der Februar-Rebellion, den Generälen José Ballivián und José Miguel de Velasco. Darüber hinaus gelang es Braun, in Ecuador und Argentinien auf höchster Ebene internationale Unterstützung für sich zu mobilisieren. Obwohl ein Großteil des Netzwerkes Brauns nach seinem Sturz implodiert zu sein schien, erkannten ihn einige wichtige Akteure weiterhin als Kommunikations- und Interaktionspartner an. Einzelne waren sogar zu politisch riskanten Unterstützungsleistungen bereit.

Entzweite Freundschaft: General José Ballivián José Ballivián nahm am 2. März 1839, also nur knapp zwei Wochen nach dem Attentat auf Braun, dessen Verhaftung und Enthebung aus dem Amt, schriftlich Kontakt zum gestürzten Großmarschall auf. Das überrascht. Schließlich hatte Ballivián am Untergang Brauns großen Anteil gehabt. Es spricht für die kon1284 Manuel Sagárnaga hielt sich in Callao auf, wohin er als Gefangener der Restauration gebracht worden war. Auf Basis seines Ehrenworts war es ihm gestattet, die Gefangenschaft im Hausarrest zu verbringen. Sagárnaga schildert Braun in seinem Brief sein Schicksal während des Regimewechsels, inklusive diverser Misshandlungen und Demütigungen. Ferner beschwert er sich bei Braun bitterlich, dass Santa Cruz ihn öffentlich als Verräter hingestellt habe, obwohl er loyal geblieben sei und der Protektor die Schuld an der militärischen Niederlage von Yungay trage. Schließlich sagte er seinen zuvor zugesagten Besuch an Bord des Schiffes, auf dem Braun reiste, ab, um sich selbst keine „Komplikationen“ zu verursachen, wenn sie zusammen gesehen würden. Braun und Sagárnaga hatten in der zweiten Hälfte der 1830er Jahre unter Santa Cruz zusammengearbeitet und häufig offiziell miteinander kommuniziert. 23.07.1839 Callao. Sagárnaga an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 639. Zu Manuel Sagáranga siehe: Díaz Arguedas, El Mariscal Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 156f. Díaz Arguedas, Los generales de Bolivia, 1929, S. 194ff.

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spirativen Umstände der revolutionären Zeit, dass Ballivián das Schreiben an den prominenten Vertreter der gerade zusammengebrochenen Konföderation auf wenige Zeilen beschränkte. Ballivián kündigte darin seinen Besuch für den Abend des 2. März an und beteuerte im Weiteren, dass „ich Ihnen nicht die Hochachtung vorenthalten kann, Ihr leidenschaftlicher Freund und Diener zu sein“1285. Ob das Treffen zwischen Braun und Ballivián wirklich stattfand und was die beiden einstigen Kameraden zu besprechen hatten, kann aufgrund des Fehlens weiterer aussagekräftiger Quellen nicht rekonstruiert werden. Dass der neue starke Mann Boliviens, General José Ballivián, jedoch die Persona non grata Braun überhaupt kontaktierte und vielleicht sogar besuchte, spricht für das über den Bruch vom Februar 1839 hinaus wirkende Ansehen und den spürbaren Einfluss Brauns hinter den Kulissen. Bei der nächsten nachweisbaren Kommunikation zwischen Braun und Ballivián hatte sich die Situation für Letzteren grundlegend gewandelt. Nach seinem Putschversuch gegen den provisorischen Präsidenten Velasco am 7. Juli 1839 wurde General Ballivián selbst gestürzt. Aus seinem zwischenzeitlichen Zufluchtsort, dem südperuanischen Locumba, wandte er sich in einem Brief an Braun. Neben einer Schilderung seines gescheiterten Umsturzversuches trat Ballivián an Braun heran, um über ihn als einen noch immer engen Berater und Verbündeten von Santa Cruz vor allem dessen politischer Fraktion ein Signal zu senden.1286 Ganz konkret teilte Ballivián mit, dass der ehemalige Protektor dringend nach Bolivien zurückkehren müsse, um die chaotischen Zustände und vor allem eine drohende Invasion Gamarras und damit die Annexion Boliviens durch Peru zu verhindern. Darüber hinaus drückte Ballivián seine „persönliche Bewunderung für ihn [Santa Cruz, Anm. RK]“1287 aus. Gleichzeitig wusste Ballivián jedoch sehr gut, dass seinem politischen Manöver enge Grenzen gesetzt waren. Nach seiner prominenten Rolle bei der Zerstörung der peruanisch-bolivianischen Konföderation könne er „nie wieder sein [Santa Cruz‘, Anm. RK] Vertrauen verdienen“1288. Dieses Eingeständnis war keine abstrakte Reflexion, sondern durch den Verweis auf seine „Freundschaft und Verbindung“1289 mit Santa Cruz ein Annäherungsversuch für eine mögliche Zusammenarbeit bei zukünftigen politischen Projekten gegen Präsident Velasco und Präsident Gamarra. Ballivián wusste aufgrund des Santa Cruz gegenüber loyalen Verhaltens Brauns im Februar 1839 nur zu gut, dass dieser den Inhalt des Schreibens an Santa Cruz weiterleiten könnte. Dies zeigt auch eine persönliche Bitte Balliviáns. Neben dem angedeuteten politischen 1285 12.03.1839 La Paz. Ballivián an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 634. 1286 Ballivián war in dieser Zeit auf der Suche nach politischen Verbündeten und schrieb diverse Akteure an: Kieffer Guzmán, Ingavi, S. 385. 1287 05.08.1839 Locumba. Ballivián an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 641. 1288 Ebd. 1289 Ebd.

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Angebot verteidigte sich Ballivián gegenüber Braun gegen die in Ecuador veröffentlichten Vorwürfe von Santa Cruz gegen seine Person. Ballivián erinnerte an seine Dienste für den Protektor und seine Familie. Er bat daher Braun, bei Santa Cruz direkt dafür zu intervenieren, die öffentlichen Angriffe ihn zu unterlassen.1290 Ganz unabhängig davon, ob Braun dies tat oder nicht, zeigt dieses Schreiben, dass trotz dessen radikalen politischen Sturzes im Februar 1839 einer der in der Folgezeit wichtigsten Akteure der bolivianischen Politik Braun weiterhin als gleichwertigen Gesprächspartner und Akteur – sowohl vor als auch nach seinem eigenen Sturz – anerkannte.

Erbitterte Gegner: Präsident José Miguel de Velasco Auf den Transfer politischen Einflusses und gesellschaftlichen Prestiges über den biographischen Bruch vom Februar 1839 hinaus deutet auch das Verhältnis von Otto Philipp Braun zu Präsident José Miguel de Velasco. Beide kannten sich sehr gut, schließlich hatten sie aufgrund ihrer jeweiligen Ämter in den 1830er Jahren Hunderte Dokumente und Kommuniqués ausgetauscht. Auf privater Ebene kommunizierten sie jedoch fast nie.1291 Dies verwundert, da dies bei engen Kameraden, Verbündeten oder Freunden häufig üblich war. Ein intensives Verhältnis oder eine politische Nähe der beiden zueinander ist also nicht zu vermuten. Es ist eher davon auszugehen, dass Braun und Velasco erbitterte politische Gegner waren.1292 Vor dem Hintergrund dieses persönlichen Verhältnisses verwundert es auch nicht, dass José Miguel de Velasco Braun gegenüber nur wenig Kompromissbereitschaft zeigte, als dieser versuchte, sich der Ausweisung aus Bolivien zu widersetzen.1293 ­Velasco erläuterte im April 1839 in einem privaten Schreiben an Braun die Gründe für die von ihm veranlasste Ausweisung – auch wenn er ihm parallel in 1290 05.08.1839 Locumba. Ballivián an Braun, in: Archiv Braun Bd. 641. 1291 Siehe hierzu auch den Abschnitt „Die Quellen“ in der Einleitung. Ferner: 31.07.1838 Chuquisaca. Velásco an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 581. 1292 Hierauf deutet neben dem Fehlen persönlicher Korrespondenz vor allem die Tatsache hin, dass Velásco Braun während der Vorbereitungen des Putsches gegen Santa Cruz systematisch täuschte. Siehe etwa: 31.07.1838 Chuquisaca. Velásco an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 581. 1293 Laut Manuel Michaelis-Braun, der jahrzehntelang den Nachlass Otto Philipp Brauns verwaltete, existierte noch 1914 ein Brief Brauns vom 8. März 1839, in dem er sich an den provisorischen Präsidenten Velásco wandte mit der Bitte, nicht des Landes verwiesen zu werden. Dieser antwortete in einem – ebenfalls 1914 noch existierenden – offiziellen Schreiben am 16. März 1839, dass Braun nur nach der Hinterlegung einer Kaution von 50.000 Pesos in Bolivien verbleiben dürfe, andernfalls müsse er spätestens nach 60 Tagen das Land verlassen. Da diese Quellen sich nicht mehr im Nachlass Brauns befinden, der heute im bolivianischen Nationalarchiv in Sucre lagert, sei hier

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Aussicht stellte, zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sich seine Herrschaft stabilisiert hätte, wieder einreisen und sich in La Paz als Privatmann niederlassen zu dürfen. Für die nächste Zeit müsse Braun jedoch Bolivien verlassen, wofür Velasco ihm einen Pass ausstellte und eine sichere Reise durch bolivianisches Territorium garantierte.1294 Auf der einen Seite zeigt die zwar freundliche, aber nichtsdestotrotz bestimmte Aufforderung des bolivianischen Präsidenten, dass Braun immerhin von diesem als Gesprächspartner akzeptiert wurde. Der Präsident nahm sich schließlich die Zeit, dem gestürzten Kriegsminister die Gründe der Ausweisung persönlich zu erläutern. Offensichtlich waren Brauns gesellschaftliches Ansehen und politischer Einfluss noch zu groß, um ihn zu ignorieren und wie einen gewöhnlichen Bürger durch die Präfektur des Landes zu verweisen. Auf der anderen Seite zeigt die definitive Ausweisung Brauns, dass dessen Ansehen und Einfluss nicht mehr groß genug waren, um einen dauerhaften Aufenthalt in Bolivien – wie von ihm erwünscht – zu erreichen.

7.3 Prestige und Netzwerk mobilisieren internationale Hilfe Nun stand Otto Philipp Braun jedoch vor einem Problem: Um aus Bolivien ausreisen zu können, benötigte er von den Transitländern Peru oder Argentinien Passierscheine und als prominenter Anhänger der peruanisch-bolivianischen Konföderation auch umfassende Sicherheitsgarantien. Braun gelang es in der ersten Jahreshälfte 1839, umfassende Unterstützung und Sicherheitsgarantien von mehreren südamerikanischen Regierungen zu erhalten. Ihm gelang es sogar, die Hilfe der von ihm in Montenegro geschlagenen nordargentinischen Provinzen zu mobilisieren. Hierzu verfasste Braun Mitte April 1839 ein offizielles Asylgesuch an Manuel Solá, den Gouverneur der nordargentinischen Provinz Salta.1295 Parallel hierzu trat Braun an seinen Freund, den in La Paz lebenden Argentinier Rosendo Sanmillán heran und bat ihn um Unterstützung bei seinem Vorhaben. Sanmillán sandte einen Tag nach dem Schreiben Brauns eine persönliche Empfehlung an den Gouverneur der argentinischen Nordprovinz. Dabei argumentierte Sanmillán, dass der von Braun gegen Argentinien siegreich geführte Krieg kein Hindernis zur Erfüllung von dessen Bitte sein müsse. Im Gegenteil: Dieser Umstand böte Argentinien nun die Gelegenheit, zu zeigen, dass es an gestürzten Gegnern keine Rache übte. Darüber hinaus genieße Braun

auf die genannten Quellen nur mit Einschränkung verwiesen. Dennoch korrespondieren sie mit dem oben skizzierten Verlauf. Michaelis-Braun, Braun, 1914, S. 258. 1294 12.04.1839 Chuquisaca. Velásco an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 635. 1295 Dies geht aus dem Antwortschreiben von Manuel Solá hervor: 24.05.1839 Salta. Manuel Solá/Bernabé López an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 636.

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sowohl in Bolivien als auch in Argentinien einen ausgezeichneten Ruf und verfüge über Empfehlungen einflussreicher Persönlichkeiten.1296 Ganz ähnlich klang der Brief des in Bolivien im Exil lebenden argentinischen Journalisten, Kaufmanns und Freundes von Andrés de Santa Cruz, Facundo de Zuviría.1297 Dieser bat den nordargentinischen Gouverneur ebenfalls, Braun eine Erlaubnis zum Transit nach Buenos Aires auszustellen sowie Braun das Recht zu gewähren, sich in Salta niederzulassen. Dabei betonte Zuviría, dass er weit davon entfernt sei, ein Freund Brauns zu sein, sondern eher zu dessen Gegnern gehöre.1298 Dennoch gebiete es der zivilisierte Umgang untereinander, Braun als bekannten Kämpfer für die Freiheit Südamerikas die entsprechenden Dokumente auszustellen. Die Tatsache, dass Braun für den noch bis vor wenigen Monaten tobenden Krieg gegen Argentinien mitverantwortlich sei, spräche nicht dagegen, sondern mache dies zu einer äußerst noblen Geste.1299 Zusätzlich zu diesen beiden Briefen war Anfang Mai 1839 Elías Bedoya, ein prominenter argentinischer Unitarier und ehemaliger Mitstreiter von Andrés de Santa Cruz, von La Paz nach Salta gereist. Dieser nutzte seine Rückkehr nach jahrelangem Exil in Bolivien nicht nur für persönliche Angelegenheiten, sondern versuchte auch, seinen Freund, den Gouverneur Manuel Solá, im Sinne Brauns direkt vor Ort zu beeinflussen.1300

1296 11.04.1839 La Paz. Rosendo Sanmillán an Manuel Solá, in: Centeno, Virutas historicas, 1929, S. 344. Zu Sanmillán siehe: Vergara, Jujuy bajo el signo federal, 1938, S. 259f. In den 1850er Jahren wirkte Sanmillán als Vizekonsul der argentinischen Konföderation in La Paz: 07.07.1852 Buenos Aires. Außenministerium. Dekret, unterzeichnet von Urquiza, in: Regristo oficial del Gobierno de Buenos Aires, 1851, S. 161. Ferner: Cornejo, Salta, 1937, S. 336f. 1297 Facundo de Zuviría (1793–1861) hatte vor der Verfolgung durch Präsident Rosas nach Bolivien fliehen müssen, wo er vor allem in Sucre lebte. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil wurde Zuviría in den 1850er Jahren zu einem wichtigen argentinischen Politiker. Posthum erschienen einige theologische Werke von ihm. Siehe: Barba, Quiroga y Rosas, Buenos Aires 1974, S. 162. Cisneros, Historia general I/3, 1998, S. 213ff. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 100ff. Rock, State Building in Argentina, 2002, S. 5. Saranyana, Teología en América Latina, Bd. II/2, 2008, S. 495f. 1298 Ob dies in Anbetracht der Freundschaft zwischen Zuviría und Brauns guten Freunden General William Millers und Andrés de Santa Cruz den Tatsachen entspricht oder vor allem rhetorische Wirkung entfalten sollte, sei dahingestellt: Miller, Memoirs, Bd. 2, 1829, S. 382. Ferner: Díaz Araujo, Facundo Zuviría, 1991, S. 13ff. 1299 11.04.1839 La Paz. Zuviría an Solá, in: Centeno, Virutas historicas, 1929, S. 344f. 1300 24.05.1839 Salta. Bedoya an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 637. Zu Elías Bedoya siehe etwa: Basadre, La iniciación de la República, Bd. 1, 2002 [=1929], S. 318.

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Alle diese Maßnahmen scheinen ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben. Denn Gouverneur Manuel Solá erfüllte Braun Mitte Mai alle seine Bitten.1301 Dabei betonte Solá: „[I]ch könnte einem Soldaten, der für mehr als 20 Jahre der heiligen Sache [der Unabhängigkeit Südamerikas, Anm. RK] gedient hat, diesen Wunsch nicht verwehren.“1302 Solá führte weiter aus, dass er niemals einem Gestürzten Asyl verwehrt habe, „und schon gar nicht, wenn dieser so viele Titel trug“1303. Dabei betonte der nordargentinische Gouverneur jedoch, dass er nicht so sehr die Dienste Brauns für Santa Cruz respektiere, sondern Braun als einen General sehe, der im Unabhängigkeitskrieg Südamerikas gekämpft habe. Dabei erinnerte Solá vor allem an die Dienste Brauns während des „brillanten und denkwürdigen Tages von Junín“1304. Braun scheint über diese Nachricht offensichtlich sehr erleichtert gewesen zu sein. Ende Juli 1839 berichtete Sanmillán an Solá, dass Braun „nicht gewusst habe, wie er seine Dankbarkeit ausdrücken solle“1305. Gleichzeitig soll Braun Sanmillán versprochen haben, als Dank für das gewährte Asyl „nach dem schrecklichen Krieg niemals wieder einen Argentinier zu belästigen“1306. Auf den ersten Blick erstaunt das Verhalten des Gouverneurs, dem bolivianischen General trotz der für Argentinien schmachvollen Niederlage von Montenegro Asyl und Aufenthaltsrecht zu gewähren. Doch ein Blick auf die innerargentinischen Verhältnisse hilft, dies zu erklären. Argentinien bestand zu diesem Zeitpunkt aus einer eher losen Föderation sehr eigenständiger, teilweise autonomer Regionen. In den 1820er und 1830er Jahren war es zwischen ihnen immer wieder zu regionalen Bürgerkriegen gekommen. Hierbei spielte vor allem der Gegensatz zwischen Föderalisten (i. e. Anhängern von Präsident Manuel Rosas und eines föderativen Staatsaufbaus) und Unitariern (i. e. Gegnern des Präsidenten Manuel Rosas und Verfechtern eines stärker zentralistisch ausgerichteten Staates) eine große Rolle. Hauptträger des bolivianisch-argentinischen Krieges 1837–1839 im Nordwesten Argentiniens waren vor allem der föderalistische Gouverneur Alejandro Heredia und Präsident Rosas gewesen. Nach der Niederlage und Ermordung des Ersteren verloren die Föderalisten die Kontrolle über die nordwestlichen Provinzen Argentiniens. Dort hatten Unitarier, wie Manuel Solá, die Gunst der Stunde genutzt und stellten nun die Regierung. Viele prominente Vertreter dieser Strömung hatten zuvor – so auch Manuel Solá – Schutz in Bolivien vor der nicht selten brutalen Verfolgung durch Präsident Rosas gefunden. Über das Asyl hinaus hatte Santa Cruz die argentinischen Unitarier mit Geld und Waffen für ihre Putschversuche 1301 24.05.1839 La Paz. Solá an Zuviría, in: Centeno, Virutas historicas, 1929, S. 345f. 24.05.1839 Salta. Manuel Solá/Bernabé López an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 636. 1302 Ebd. 1303 Ebd. 1304 Ebd. 1305 30.07.1839 La Paz. Sanmillán an Solá, in: Centeno, Virutas historicas, 1929, S. 346f. 1306 Ebd.

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und Einfälle in die nordöstlichen Provinzen Argentiniens versorgt. Ob Solá Braun persönlich kannte, ist unklar. Klar ist jedoch, dass Solá selbst Andrés de Santa Cruz und seinen Mitstreitern, also auch Otto Philipp Braun, viel schuldete. Darüber hinaus hätte Brauns Exil in Salta auch den neuen bolivianischen Präsidenten aufgrund der ständigen Bedrohung einer bewaffneten Rückkehr Brauns geschwächt. Dies hätte Saltas und Solás Sicherheit und Unabhängigkeit gestärkt. Dennoch barg die Aufnahme Brauns auch ein Risiko. Denn der neue bolivianische Präsident Velasco, aber auch dessen argentinischer Amtskollege Rosas hätten das gewährte Asyl ehemaliger militärischer Gegner zum Anlass für eine politische oder gar militärische Auseinandersetzung mit dem neuen Gouverneur Saltas nehmen können. Die persönliche Dankbarkeit, die politische Nähe sowie strategische Gründe machen die nicht risikofreie Entscheidung des nordargentinischen Gouverneurs somit erklärbar.1307 Nichtsdestotrotz ist es bemerkenswert, dass es dem machtlosen Otto Philipp Braun über Freunde und Verbündete, die ihm noch immer Ansehen und Einfluss zuschrieben, gelang, bei den ehemaligen militärischen und politischen Gegnern umfassende internationale Unterstützung zu mobilisieren. Die Reiseroute über Argentinien war jedoch nur Brauns zweite Wahl. Eigentlich bevorzugte er die Strecke durch Peru, vor allem, um in Arequipa seine Schwiegerfamilie Rivero besuchen zu können. Um dies sicher tun zu können, benötigte er einen Passierschein der peruanischen Regierung. Von La Paz aus richtete Braun, um die nötigen Papiere zu erhalten, Mitte Juni ein Schreiben an seinen einstigen Intimfeind und ärgsten politischen Gegenspieler der Administration von Andrés Santa Cruz, den peruanischen Präsidenten Agustín Gamarra.1308 Braun bediente sich hierbei einer ausgefeilten Argumentation. Er betonte, dass er sich vollständig und für immer aus der politischen Öffentlichkeit ins private Leben zurückgezogen habe. Sein primäres Ziel sei es nun, seinen Söhnen im fernen Europa eine fundierte Ausbildung zukommen zu lassen und sich dort seinen privaten Geschäften zu widmen. Braun leugnete in dem Brief an Gamarra zwar nicht, dass beide häufig auf gegnerischen Seiten gestanden hätten, unterstrich aber gleichzeitig, dass auch während dieser Zeit sich nichts an der guten Beziehung und gegenseitigen Wertschätzung geändert habe. Braun argumentierte weiter, dass er sich trotz aller Konflikte zwischen ihm und Gamarra – sei es im peruanisch-bolivianischen Krieg von 1828, im peruanischkolumbianischen Krieg von 1829 oder während der peruanisch-bolivianischen Konföderation – immer an die Gesetze und Gebräuche gehalten habe und sich 1307 Best, Historia de las Guerras Argentinas, Bd. 2, 1960, S. 162ff. Cisneros, Historia general I/3, 1998, S. 209ff. Pavoni, El noroeste argentino en la época de Alejandro Heredia, Bd. 1, 1981, S. 153ff, 253ff. Payró, De Solís a Rosas, 2006, S. 556ff. Rosa, Historia Argentina, Bd. 4, 1970, S.  255ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 113ff. 1308 13.06.1839 La Paz. Braun an Gamarra, in: Archiv Braun, Bd. 638.

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nichts zuschulden habe kommen lassen. Darüber hinaus erinnerte Braun den peruanischen Präsidenten auch an die 15 Jahre zuvor gemeinsam geschlagenen Schlachten in Peru, „für dessen Unabhängigkeit ich mit meinem Blut in den glorreichen Kämpfen von Junín und Ayacucho beigetragen habe“1309. Vor dem Hintergrund dieser Leistungen könne „man mir weder die Durchreise verwehren, noch meine Person verletzen“1310, so Braun. Braun scheint sich aber nicht sicher gewesen zu sein, ob dieses Schreiben allein schon die gewünschte Wirkung entfalten würde. Bereits am 3. Juni 1839, nachdem die Ausweisung von Präsident Velasco als endgültig bestätigt worden war, hatte Braun den ecuadorianischen Präsidenten und Kameraden aus den Tagen des Unabhängigkeitskrieges und der anschließenden Diadochenkämpfe, Juan José Flores, kontaktiert. Nach der Gratulation zu seiner im Februar 1839 angetretenen zweiten Amtszeit schilderte Braun die Entwicklungen in Peru und Bolivien sowie sein ganz persönliches Schicksal.1311 Auch teilte er seinem alten Freund seinen Wunsch und die Notwendigkeit mit, aus Bolivien über Peru auszureisen. Dieser antwortete ihm Mitte Juli 1839: „[I]ch habe meinem Freund, General Gamarra“1312, geschrieben und ihn „an die von Ihnen für die Sache der Freiheit Perus geleisteten Dienste in Junin und Ayacucho“1313 erinnert und gebeten, die benötigten Papiere auszustellen. Zwar ist kein Passierschein oder eine offizielle Antwort des peruanischen Präsidenten an Braun oder Flores erhalten. Die Tatsache aber, dass Braun über Arequipa und Callao im Juli 1839 ausreisen durfte, spricht für eine positive Reaktion Agustín Gamarras. Ob dieser Braun die Durchreise aufgrund dessen eigener Bitten oder aufgrund des Briefes von Flores gewährte, kann nicht rekonstruiert werden. Es könnte auch sein, dass sich Gamarra an das Jahr 1834 erinnerte, als Otto Philipp Braun als Präfekt des Departements La Paz dem im innerperuanischen Bürgerkrieg geschlagenen und nach Bolivien fliehenden Gamarra Asyl, Schutz und Unterschlupf gewährte und dessen prekäre Situation nicht für politische Rache ausnutzte.1314 1309 13.06.1839 La Paz. Braun an Gamarra, in: Archiv Braun Bd. 638. 1310 Ebd. 1311 Juan José Flores war von 1830 bis 1835 erster Präsident Ecuadors gewesen. Nach ihm hatte nach einem verfassungsgemäßen Amtswechsel vier Jahre lang José Vicente Rocafuerte (1835–1839) das Amt ausgeübt, bis Flores es im Januar 1839 – erneut auf konstitutionellem Wege –wieder übernahm. Zu Ecuador und Flores siehe: Lara, La República del Ecuador, 1980, S. 95ff. MacDonald Spindler, Nineteenth Century Ecuador, 1987, S. 25ff. Romero Mendoza, General Juan José Flores, 1994, S. 217ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 140ff. Van Aken, Juan José Flores, 1989, S. 119ff. Vásconez Hurtado, El General Juan José Flores, 1984, S. 209ff. 1312 24.07.1839 Quito. Flores an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 640. 1313 24.07.1839 Quito. Flores an Braun, in: Archiv Braun Bd. 640. 1314 Siehe den Abschnitt „Früher Ausbau des innen- und außenpolitischen Netzwerkes“ oder auch: 28.05.1834 Copacabana. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 210.

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Letztlich ist der Grund für die wohl genehmigte Durchreise Brauns durch Peru jedoch nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, dass es Braun gelang, trotz seines Sturzes auch in Ecuador internationale Unterstützung für sich zu organisieren. Denn Präsident Flores schrieb zur Unterstützung Brauns nicht nur einen Brief an seinen peruanischen Amtskollegen, sondern bot dem Großmarschall von Montenegro auch an, sich in Ecuador niederzulassen. Mehr noch: Präsident Flores bot Braun „alle nötigen Garantien und alles darüber hinaus an. Ich schenke Ihnen meine treue und ehrliche Freundschaft, die ich von ganzem Herzen schätze.“1315 Im Augenblick der schlimmsten Niederlage im Leben Brauns gewährte der ecuadorianische Präsident dem Gestürzten und Bedrohten Zuflucht und seine Freundschaft. Allein diese Freundschaft zu Präsident Flores, also der Zugang zu einem wichtigen Akteur der südamerikanischen Politik, ist an Bedeutung nicht zu unterschätzen. Sie bot Braun Sicherheit vor willkürlicher Verfolgung in Bolivien oder Peru und eröffnete ihm ein Rückzugsgebiet für seine privaten Geschäfte, aber auch für politische Projekte. Bei dem Angebot von Flores handelte es sich also nicht um förmliche Höflichkeitsfloskeln. Braun konnte tatsächlich nach Ecuador reisen und sich dort frei bewegen. Zwar kam es nicht zu einem persönlichen Zusammentreffen Brauns mit Präsident Flores, da dieser Quito aufgrund seiner Regierungsgeschäfte nicht verlassen konnte. Doch Flores sicherte seinem „Freund aus Jugendtagen und Kameraden von Tarqui“1316 mehrfach seine langfristige Freundschaft und konkrete Hilfe zu. Er bot Braun auch mehrmals „die Dankbarkeit der Bewohner von Ecuador“1317 in Form von Geld und einer beruflichen Aufgabe an. Braun lehnte dieses schmeichelhafte Angebot zwar höflich ab, bat seinen Freund jedoch um ein weiteres Schreiben an Agustín Gamarra. Diesmal sollte der peruanische Präsident einem Verwandten Brauns, José Rivero, der mit Santa Cruz als dessen Präfekt von Arequipa nach Ecuador geflohen, aber in Arequipa zu Hause war, eine Einreiseerlaubnis erteilen und Sicherheitsgarantien aussprechen. Flores kam der Bitte nach, und tatsächlich konnte José Rivero wenig später nach Arequipa zurückkehren.1318 Durch die einseitigen Unterstützungsleistungen für Braun erhoffte sich Flores unter anderem, mit Braun einen Verbündeten und vor allem einen Gesprächspartner über die politischen Verhältnisse im andinen Raum zu gewin31.05.1834 La Paz. Braun an Gamarra, in: Archiv Braun, Bd. 211. 13.06.1834 ­Copacabana. Gamarra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 220. 1315 24.07.1839 Quito. Flores an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 640. 1316 25.09.1839 Quito. Flores an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 646. 1317 18.08.1839 La Amalio. Flores an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 645. 25.09.1839 Quito. Flores an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 646. 1318 Siehe zu José Rivero auch den Abschnitt „Familiäre Netzwerke: José Rivero“. 18.08.1839 La Amalio. Flores an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 645. 09.10.1839 Quito. Flores an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 648.

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nen.1319 Verlässliche Experten mit genügend Kenntnissen in den komplizierten politischen Verhältnissen in Ecuador, Peru, Bolivien, Chile und Argentinien gab es nicht viele. Vielleicht spekulierte Flores auch darauf, Braun für seine Administration und politischen Projekte gewinnen zu können. Denn Flores benötigte aufgrund diverser Grenzstreitigkeiten mit seinen Nachbarn und aufgrund der expansionistischer Tendenzen seiner Außenpolitik, die schon während seiner ersten Präsidentschaft zu militärischen Auseinandersetzungen gemündet hatten, auch in den 1840er Jahren erfahrene und loyale Militärs. Darüber hinaus bedurfte er der Unterstützung fähiger Administratoren, um das von ihm entworfene ambitionierte innenpolitische Reformprogramm umsetzen zu können. Hierzu griff Flores auf eine Reihe ausländischer Experten zurück.1320 Dennoch bargen die Aufnahme Brauns sowie das Asyl für Andrés de Santa Cruz und viele seiner Mitstreiter ein hohes Risiko. Die Regierenden in Peru, Bolivien, Chile und in Argentinien fürchteten eine Rückkehr des Protektors. Sie versuchten, Flores diplomatisch unter Druck zu setzen, und waren zu militärischem Handeln bereit. Zwischenzeitlich schien aufgrund der von Santa Cruz von Ecuador aus gesteuerten Intrigen und Rebellionen in Bolivien ein Krieg zwischen Peru und Ecuador unausweichlich – auch wenn es letztlich nicht dazu kam.1321 Flores ging das Risiko des politischen Asyls für die Anhänger der Konföderation und anderer Exilanten aber auch ein, um mit deren Anwesenheit über ein Druckmittel bei Verhandlungen mit der bolivianischen, vor allem aber mit der peruanischen Regierung zu verfügen.

1319 25.09.1839 Quito. Flores an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 646. 14.09.1840 Tacna. José Rivero an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 664. 1320 Der hohe Anteil ausländischer Funktionäre führte allerdings auch zu innenpolitischen Problemen: MacDonald Spindler, Nineteenth Century Ecuador, 1987, S. 34ff. Romero Mendoza, General Juan José Flores, 1994, S. 263ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 142ff. Van Aken, Juan José Flores, 1989, S. 119ff, bes. S. 144ff. Vásconez Hurtado, El General Juan José Flores, 1984, S. 209ff. 1321 Siehe hierzu das Kapitel 10.1: „Rückkehr und Restaurationsversuche von Andrés de Santa Cruz 1841–1843”, sowie: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 60ff.

8. Wiederaufstieg: Einfluss in der atlantischen Welt 1839–1841 „Bolivien [wird] denjenigen gegenüber, die für seine und des ganzen Kontinentes Unabhängigkeit gekämpft haben, immer große Hochachtung haben. Sie können sich sicher sein, dass es nie Ihre Dienste vergessen wird.“1322 Guerra an Braun

Otto Philipp Braun musste Bolivien als Persona non grata letztlich verlassen. Am 22. Juli 1839 brach er mit seinen drei Kindern von La Paz aus auf. Über Tacna und Arequipa, wo er seine Tochter in die Obhut seiner Schwiegermutter gab, reiste er im Juli 1839 über Callao nach Ecuador. Anfang August 1839 erreichte Braun nach über zehnjähriger Abwesenheit Guayaquil.1323 In Ecuador konnte er sich dank der Einladung des Präsidenten Juan José Flores von August bis Dezember 1839 knapp vier Monate in Ruhe aufhalten, bevor er nach Europa abreiste. Braun erlangte in Ecuador nicht nur Zugang zum ecuadorianischen Präsidenten, sondern er war integraler Bestandteil der politischen Fraktion um Andrés de Santa Cruz. Braun stand in direktem Kontakt mit seinem ehemaligen Vorgesetzten und beteiligte sich aktiv an dessen Rückkehrprojekten. Er tat dies in den Jahren 1839 bis 1843 vornehmlich als transatlantischer Agent und persönlicher Vertrauter. Um Brauns Handlungen besser nachvollziehen zu können, wird im ersten Teil dieses Kapitels auf den Kontext der in Südamerika ausgetragenen Machtkämpfe zwischen Bolivien, Peru, Chile, Argentinien und Ecuador sowie die einzelnen ­politischen Fraktionen eingegangen. Im Rest des Kapitels steht Brauns Agieren als transatlantischer Agent in Europa und Südamerika im Vordergrund. Dabei wird Wert auf die Rekonstruktion seiner Handlungen und seines Netzwerkes zu anderen Akteuren südamerikanischer Politik im atlantischen Raum gelegt. Ziel dieses Kapitels ist es, zu zeigen, dass Otto Philipp Braun im Jahre 1840 zwar den südamerikanischen Kontinent verließ, dabei aber stets Teil des dazugehörigen politischen Raumes blieb. Dieser erstreckte sich über den Atlantik hinweg bis nach Großbritannien, Frankreich und sogar bis ins europäische 1322 24.01.1843 Sucre. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 701. 1323 Vor seiner Abreise hatte Braun das Gerücht gestreut, er werde Richtung Argentinien aufbrechen, was er dann aber nicht tat. Siehe: 30.07.1839 La Paz, Rosendo Sanmillán an Manuel Solá, in: Centeno, Virutas historicas, 1929, S. 346. Für die einzelnen Reisestationen siehe: 23.07.1839 Callao. Manuel Sagárnaga an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 639. 10.08.1839 Guayaquil. Braun an Manuel Antonio Luzárraga, in: Archiv Braun, Bd. 642. 16.04.1840 La Paz. Manuel Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 654.

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Hinterland, wie in das Kurfürstentum Hessen-Kassel. Es soll ganz konkret gezeigt werden, dass Otto Philipp Braun trotz der großen Entfernung und mehr­ monatigen Reise- und Kommunikationsdauer Teil der politischen Prozesse Südamerikas blieb. Dies zeigt sich vor allem daran, dass Braun auf beiden Seiten des Atlantiks mit Akteuren südamerikanischer Politik kommunizierte und interagierte. Dabei akzeptierten diese ihn trotz seines Sturzes noch immer als Kommunikations- und Interaktionspartner auf Augenhöhe. Dies lässt sich am schnellen und direkten Zugang Brauns zu Akteuren südamerikanischer Politik in Europa, wie Diplomaten und Kaufleuten in Frankreich, England und Deutschland, sowie am Zugang Brauns zu britischen Spitzenpolitikern nachweisen. Dabei agierte Braun vor allem als Agent des in Europa hoch angesehenen, aber gestürzten Protektors der zerfallenen peruanisch-bolivianischen Konföderation, Andrés de Santa Cruz. Braun vertrat dessen politisches Projekt, an die Macht in Bolivien zurückzukehren, vor dem britischen Außenminister. Darüber hinaus kümmerte sich Braun um die unternehmerischen Interessen des gestürzten Protektors in England und Frankreich. Parallel hierzu standen Braun und Santa Cruz kontinuierlich in Kontakt. Letzterer weihte Braun regelmäßig und detailliert in seine geheimen Pläne und Vorhaben ein und forderte ihn dazu auf, schnell wieder nach Südamerika zurückzukehren. Während seines Aufenthaltes in Europa stand Otto Philipp Braun dort noch zu weiteren Akteuren südamerikanischer Politik, wie etwa zu José Joaquín de Mora in London und zu Pedro José de Guerra in Paris, in Verbindung. Braun pflegte auch seine Beziehungen zu politischen Akteuren in Südamerika, wie beispielsweise zu Mariano Enrique Calvo in La Paz, José Manuel Loza in Arica, Andrés de Santa Cruz in Quito/Guayaquil, Manuel Buitrago in La Paz, Casimiro Olañeta in La Paz/Santiago de Chile, José Agustín de la Tapia in La Paz sowie zu seinem Schwager José Rivero in Tacna/Arequipa. Dabei zeigt sich nicht nur, dass Braun noch immer Bestandteil der Fraktion um Andrés de Santa Cruz war, sondern dass er auch mit Anhängern bzw. Funktionären der anderen politischen Gruppierungen um General José Ballivián oder um den Präsidenten José Miguel Velasco als Akteur in eigener Sache agierte.

8.1 Machtkämpfe in Südamerika Andrés de Santa Cruz blieb in seinem unfreiwilligen Exil in Ecuador nicht untätig. Er nutzte die Zeit, um Rückkehrexpeditionen vorzubereiten und Propagandakampagnen gegen die von ihm abgefallenen ehemaligen Weggefährten José Miguel Velasco und José Ballivián zu führen. Hierfür rief er etwa die an bolivianische und peruanische Leser gerichtete Zeitung „La Verdad Desnuda“ ins Leben

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und veröffentlichte unter seinem Namen eine lange Verteidigungsschrift.1324 Parallel hierzu intrigierte Santa Cruz hinter den Kulissen vor allem bei europäischen Diplomaten und Politikern sowie beim ecuadorianischen Präsidenten Juan José Flores gegen seine Gegner. Santa Cruz und eine Vielzahl seiner ebenfalls in Ecuador im Exil befindlichen Mitstreiter zielten insbesondere darauf, eine offizielle militärische Intervention Großbritanniens zu Santa Cruz‘ Gunsten sowie eine ecuadorianische Invasion Perus zu erreichen. Politischer Druck, ecuadorianische Soldaten und britische Schlachtschiffe sollten helfen, Santa Cruz‘ Herrschaft in Bolivien und vielleicht auch Peru wiederherzustellen.1325 Neben dem Britischen Empire als Akteur setzte Santa Cruz auch auf die Zusammenarbeit mit dem territorialen Expansionen nicht abgeneigten ecuadorianischen Präsidenten Juan José Flores. Santa Cruz baute zu Flores – trotz Forderungen aus Chile und Peru, die Intrigen von Santa Cruz zu unterbinden – ein enges Vertrauensverhältnis auf und übte großen Einfluss auf ihn aus. Dabei überzeugte er Flores von der innenpolitisch instabilen Lage Perus, die es gegen einen vermeintlich schwachen Präsidenten Gamarra auszunutzen gelte.1326 Flores begann daraufhin, mit riskanten Manövern die peruanische Regierung vor dem Hintergrund von Grenzstreitigkeiten und territorialen Forderungen zunehmend diplomatisch unter Druck zu setzen. Im Falle einer erfolgreichen „Regeneration“, wie das Rückkehrprojekt von Santa Cruz genannt wurde, versprach sagte dieser Flores als Dank für dessen Unterstützung große Zugeständnisse bei den strittigen Grenzfragen zwischen Peru und Ecuador zu. Die Pläne gingen sogar so weit, dass sie darüber diskutierten, nach einer erfolgreichen ecuadorianischen Invasion Peru aufzuteilen, den Nordteil Ecuador zuzusprechen und den Südteil und Bolivien Santa Cruz zu überlassen. Andere Überlegungen gingen dahin, die peruanisch-bolivianische Konföderation wiederzubeleben – vielleicht sogar eine andine Konföderation inklusive Ecuador anzustreben. Dabei spielten 1324 26.01.1840 Quito. Santa Cruz, Andrés de, El Jeneral Santa Cruz esplica su conducta pública y los móviles de su política en la Presidencia de Bolivia y el protectorado de la Confederación Perú-Boliviana. Zur Zeitung siehe: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 84. 1325 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 32ff, 51ff. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 132f. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 70ff. Díaz Arguedas, Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 21ff. Irurozqui, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 116f. Kieffer Guzmán, Ingavi, 1991, S. 378ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 116f. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 386ff. Parkerson, Confederacion Peru-Boliviana, 1984, S. 311ff. Querejazu Calvo, Andrés Santa Cruz, Bd. 1, 1976, S. 127ff. Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S. 242ff. Sobrevilla Perea, Andrés de Santa Cruz, 2011, S. 204ff. Van Aken, Juan José Flores, 1989, S. 166f. Vásconez Hurtado, El General Juan José Flores, 1984, S. 235. 1326 Neben einer politischen Zusammenarbeit pflegten beide auch geschäftliche Beziehungen: Van Aken, Juan José Flores, 1989, S. 151ff.

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sowohl Flores als auch Santa Cruz mit dem Gedanken, die republikanischen Strukturen durch eine Monarchie zu ersetzen.1327 In Bolivien und Peru bemühten sich währenddessen die verbliebenen Anhänger von Santa Cruz, die Regierungen der Präsidenten Velasco und Gamarra durch wiederholte Revolten und Aufstände zu destabilisieren und so die Rückkehr des Protektors vorzubereiten. Im Februar 1841 erhoben sich in La Paz Anhänger von Santa Cruz, und im Juni und Juli 1841 erschütterten mehrere Rebellionen Cochabamba, Sucre, La Paz und Santa Cruz. Im Februar 1843 kam es zu einer weiteren groß angelegten Verschwörung.1328 Auch deswegen hielten die Spannungen zwischen Ecuador und Peru bis 1843 an. Sowohl die Regierenden in Chile und Peru als auch in Bolivien waren durch Spione über das Agieren von Santa Cruz informiert und dadurch in höchstem Maße alarmiert.1329 Zu ihrem Schrecken gelang es in Bolivien Anhängern von Santa Cruz unter der Führung von Sebastián Ágreda am 10. Juni 1841, Präsident Velasco in einem Handstreich in Cochabamba gefangen zu nehmen, zu stürzen und nach Argentinien auszuweisen. In vielen bolivianischen Städten erhoben sich daraufhin Anhänger von Santa Cruz und forderten seine Rückkehr. Interimsweise übernahm der aus dem argentinischen Exil herbeigeeilte ehemalige Vizepräsident Boliviens und Vertraute von Santa Cruz, Mariano Enrique Calvo, das Präsidentenamt, nachdem Sebastián Ágreda es de facto 29 Tage bis zu seiner Ankunft ausgeübt hatte. Santa Cruz in Ecuador erreichten mehrere Aufrufe, umgehend nach Bolivien zurückzukehren. Aus unbekannten Gründen verzögerte sich die Abreise des erneut zum Präsidenten von Bolivien ernannten Santa Cruz jedoch immer wieder. Bald revoltierten schließlich Unterstützer General Balliviáns. Daraufhin verließ dieser sein peruanisches Exil und wurde in La Paz freundlich empfangen. Von Argentinien aus drang unterdessen der gestürzte Präsident Velasco mit 1.200 Reitern in bolivianisches Territorium ein. In Bolivien herrschte vollkommenes Chaos. Drei Akteure beanspruchten die Macht, aber keiner von Ihnen schien sich schnell durchsetzen zu können – zumal der nominelle Präsident, Santa Cruz, zögerte, nach Bolivien zu reisen und die Situation zu entscheiden. Der peruanische Präsident Gamarra hingegen handelte entschlossen. Nach der Ankündigung der Rückkehr von Andrés de Santa Cruz nach Bolivien hatte Ga1327 Auch wenn sich beide in Vorschlägen und Visionen scheinbar überboten, unterstützte Flores letztlich die Rückkehrversuche von Santa Cruz – bis auf das politische Asyl in Ecuador – nicht. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 70ff. Monguió, José Joaquín de Mora, 1967, S. 310f. Romero Mendoza, General Juan José Flores, 1994, S. 261ff. Van Aken, Juan José Flores, 1989, S. 151ff, 165ff. Vásconez Hurtado, El General Juan José Flores, 1984, S. 257 290. Vazquez-Machicado, La monarchica en Bolivia, 1988, S. 190ff. Vázquez-Machicado, Monarquía en Bolivia, 1951, S.16ff. 1328 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 31ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 38ff. 1329 Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 60ff.

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marra Bolivien den Krieg erklärt und im Oktober 1841 mit einer großen Armee den Desaguadero überquert. Sein Ziel war es, die Gunst der Stunde zu nutzen und große Teile Boliviens für Peru zu annektieren. In einem beispiellosen Burgfrieden legten die Rivalen Calvo, Velasco und Ballivián ihre Streitigkeiten in Anbetracht der existenziellen Bedrohung von außen bei und verbündeten sich gegen Gamarra. Calvo übergab Ballivián formell die verfassungsmäßige Führungsgewalt sowie die ihm loyalen Armeeteile und Velasco die unter seinem Befehl stehenden Invasionstruppen. Die Unterstützer von Calvo/Santa Cruz und Velasco versammelten sich hinter General Ballivián. Diesem gelang es am 18. November 1841 trotz numerisch unterlegener Kräfte, die peruanische Armee in der Schlacht von Ingavi zu schlagen. Der peruanische Präsident Agustín Gamarra fand dabei den Tod.1330 Mit dem unerwarteten Sieg gegen die überlegene Armee Perus wurde José Ballivián zum Nationalhelden und unangefochtenen Präsidenten Boliviens.1331 Andrés de Santa Cruz, der viel zu lange in Ecuador gezögert hatte, nach Bolivien zu reisen, hatte im Oktober 1841 endlich Ecuador verlassen und war Richtung Bolivien gesegelt. Als er Cobija erreichte, hatte die peruanische Invasion Boliviens schon begonnen. Santa Cruz kehrte daraufhin umgehend nach Ecuador zurück, um Ballivián die Möglichkeit zu geben, Gamarra in Ruhe zu bekämpfen, ohne sich um die Expedition des ehemaligen Protektors kümmern zu müssen. In Ecuador wartete Santa Cruz bis Mitte 1843 in der Hoffnung, die Euphorie nach dem Sieg von Ingavi verfliege. Trotz aller gegenseitigen Schmeicheleien in Briefen zwischen Santa Cruz und Ballivián spielten beide ein doppeltes Spiel. Santa Cruz beteuerte, sich nicht in innerbolivianische Angelegenheiten einzumischen, aber bereitete eine bewaffnete Expedition vor, Ballivián stellte Santa Cruz eine Rückkehr in Aussicht, obwohl er daran arbeitete, den anderen ins weit entfernte Europa zu verbannen. Während Ballivián seine Administration aufbaute, bereiteten die Anhänger von Santa Cruz in Bolivien einen groß angelegten Militärputsch vor. Als dieser im Februar 1843 verraten und darüber hinaus im September 1843 1330 Mit dem Tod von Agustín Gamarra und dem Exil von Santa Cruz endeten die ­politischen Versuche, Peru und Bolivien zu einem Staat zu vereinigen. Die innenpolitischen Verhältnisse im einen Land entfalteten darüber hinaus nicht mehr so große Auswirkungen auf die Außenpolitik des anderen Landes. Nach der Schlacht von Ingavi ent-internationalisierte sich die Politik im andinen Raum – wie schon mit dem Abzug des kolumbianischen Hilfsheeres zwölf Jahre zuvor – weiter. Siehe den Abschnitt „Die peruanische Invasion in Bolivien 1828”. 1331 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 33ff, 51ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 38ff. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 72ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 103ff. Díaz Arguedas, Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 31ff. Irurozqui, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 115ff. Kieffer Guzmán, Ingavi, 1991, S. 392ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 116f. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 386ff. Querejazu Calvo, Andrés Santa Cruz, Bd. 1, 1976, S. 118ff.

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bekannt wurde, dass Santa Cruz in Peru erneut gelandet sei und sich Richtung Bolivien bewege, unternahmen die Regierungen von Bolivien, Peru und Chile konzertierte Anstrengungen, die Rückkehr von Santa Cruz zu verhindern. Am 2. November 1843 war dies mit dessen Festnahme erreicht. Es folgten die Auslieferung an Chile und zwei Jahre Gefangenschaft. Erst nach langjährigen Verhandlungen zwischen Peru, Bolivien und Chile, nach Protesten Ecuadors, vor allem aber nach Interventionen Frankreichs und Großbritanniens kam es zum Abschluss eines Vertrages. So groß war die Furcht der drei südamerikanischen Regierungen vor Santa Cruz, dass sie ihn nur unter der Bedingung freiließen, dass er mindestens sechs Jahre nach Europa ins Exil ginge. Im Gegenzug sollte er eine Rente und einige seiner Anfang 1839 beschlagnahmten Güter zurückerhalten. Im Falle einer illegalen Rückkehr würde er diese nicht nur wieder verlieren, sondern von allen drei Regierungen aufgehalten werden.1332 Am 20. April 1846, kurz vor seiner Abreise aus Valparaíso, erklärte Santa Cruz seinen definitiven Rückzug aus dem öffentlichen Leben und der südamerikanischen Politik. Spätestens hiermit waren die unmittelbaren Regenerationspläne des einstigen Protektors gescheitert.1333 In Europa wirkte Santa Cruz die nächsten Jahre vor allem als Diplomat. Er begann aber auch sehr schnell, eine mögliche Rückkehr nach Bolivien und eine weitere politische Karriere vorzubereiten. Dies führte letztlich dazu, dass er noch ein letztes Mal nach Südamerika zurückkehren sollte.1334

8.2 Transatlantischer Agent 1839–1841 Als Otto Philipp Braun Guayaquil über Panamá im Dezember 1839 verließ und Anfang Februar 1840 von Jamaica aus Richtung Europa in See stach, war all dies noch nicht absehbar. Für Braun begannen erst einmal die wichtigsten atlantischen Abschnitte seines Lebens.1335 Schon zuvor hatten transatlantische 1332 Salinas, Recopilación de Tratados, 1904, S. 169. 1333 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 33ff., 51ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 38ff. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 132f. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 103ff, 124ff. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 345ff. Díaz Arguedas, Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 21ff. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 97ff. Monguió, José Joaquín de Mora, 1967, S. 309f. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 312f. Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S. 248ff. Sobrevilla Perea, Andrés de Santa Cruz, 2011, S. 205ff. Vázquez-Machicado, Monarquía en Bolivia, 1951, S.16ff. 1334 Siehe hierzu auch das Kapitel 10.6: „Erneut transatlantischer Agent für Andrés de Santa Cruz 1854–1855”. 1335 Braun wurde auf Jamaica aufgehalten, da er dort an Fieber erkrankte: 14.09.1840 Tacna. José Rivero an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 664.

Transatlantischer Agent 1839–1841



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Faktoren, wie akademische Expertise, militärische Erfahrung und kosmopolitischer Hintergrund, sich positiv auf seinen Einstieg und Aufstieg in der Unabhängigkeitsarmee Simón Bolívars ausgewirkt. Doch nun agierte der Großmarschall Braun als wichtiger transatlantischer Akteur im politischen Raum. Natürlich hatte die beschwerliche, 50 Tage dauernde Reise über den Atlantik mit dem lang ersehnten Besuch seiner Familie in Kassel und der Ausbildung seiner Söhne auch private Gründe, doch Braun agierte in den nächsten Jahren vor allem politisch. Er nahm an den politischen Prozessen innerhalb der Fraktion um Andrés de Santa Cruz teil. Gleichzeitig interagierte er mit Anhängern von dessen politischen Gegnern – und dies beides über den Atlantik hinweg. Dies zeigt auch seine Mission als einer der Verbindungsmänner des gestürzten Andrés de Santa Cruz zum britischen Außenminister Lord Palmerston.1336 Daher bestieg Braun nach seiner Ankunft in Falmouth im Südwesten Englands auch nicht direkt ein Schiff Richtung Deutschland, sondern reiste am 28. März 1840 zunächst zum Zentrum der damaligen Weltmacht Großbritannien nach London und verbrachte dort knapp drei Wochen. Er hatte dort – neben privaten Geschäften – einen politischen Auftrag zu erfüllen.1337 Bevor jedoch auf die politische Rolle Brauns in der Südamerikapolitik Großbritanniens und auf sein politisches Netzwerk im atlantischen Raum eingegangen wird, sei darauf hingewiesen, dass Braun weder der erste noch der einzige politische Akteur im politischen Raum des Atlantiks war. In Kolonialzeiten hatten Hunderte Beamte der jeweiligen Mutterländer in politischem Auftrag die Reise über den Atlantik in beide Richtungen unternommen. Ferner waren diverse Südamerikaner Anfang des 19. Jahrhunderts von ihren Regionen beauftragt worden, ihre politischen Interessen bei den Cortes von Cádiz zu vertreten – so wie etwa der spätere Schwager Brauns, Mariano Rivero. Auch gilt es, auf die Vertreter der südamerikanischen Unabhängigkeitsbewegungen zu verweisen, die in den Hauptstädten Europas um politische und militärische Unterstützung für ihre revolutionären Pläne warben – wie beispielsweise Francisco de Miranda oder Simón Bolívar. Sehr früh agierten auch schon diplomatische Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung und später der unabhängigen südamerikanischen Staaten in den europäischen Hauptstädten, wie etwa Andrés Bello, 1336 William Miller war auch einer jener transatlantischen Verbindungsmänner. Knapp ein Jahr nach Braun kam er in London an und hatte wie dieser ebenfalls einen Brief von Andrés de Santa Cruz an den britischen Außenminister mitgebracht. Auch er erhielt eine Audienz. 07.02.1841 London. José Joaquín de Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 670. 1337 Die Reise lässt sich aus folgenden Quellen rekonstruieren: 06.12.1839 Panamá. Braun an Victoriano Guruchaga, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p73/38). 31.03.1840 London. Braun an José Seoane (Bordeaux), in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p1/1). 04.04.1840 London. Braun an José Garitáno Zavala, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p5/3).

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Luís López Méndez, Juan García de Río, Vicente Rocafuerte, José María Linares oder, für die peruanisch-bolivianische Konföderation, Casimiro Olañeta (Paris), José Joaquín de Mora (London) und José Seoane (Bordeaux).1338 Neben den offiziellen Diplomaten war Europa auch für gestürzte Politiker Südamerikas ab den 1820er Jahren ein bevorzugter Ort des Exils. Von hier aus arbeiteten sie an ihrer Rückkehr, genossen das angenehme Leben oder kämpften um ihr ökonomisches Auskommen. Nicht wenige von ihnen unternahmen ausgedehnte Reisen nach London, Paris, Brüssel oder auch durch die Länder des Deutschen Bundes. Zu diesen Reisenden zählten beispielsweise der ehemalige Protektor Perus, José de San Martin, der frühere Präsident Perus, José de la Riva Agüero, oder auch der ehemalige Vizepräsident Kolumbiens, Francisco de Paula Santander. In den 1840er bzw. 1850er Jahren kamen zudem Andrés de Santa Cruz und Manuel Isidoro Belzu nach Europa.1339 Auch Verschwörer, wie der weiter unten noch relevante Policarpo Eysaguirre, reisten nach Europa.1340 All diese Politiker und Diplomaten agierten im politischen Raum des Atlantiks und schufen ihn dabei mit. Otto Philipp Braun trat mit seiner von Dezember 1839 bis April 1840 dauernden Reise von Südamerika nach Europa nun als einer von vielen Akteuren in diesen politischen Raum ein. Schon vor seiner Reise hatte Brauns Leben in Südamerika transatlantische Züge aufgewiesen. Vor allem seine Briefe an seine Familie, Verwandten und Freunde in Kassel hatten eine kommunikative Verbindung zwischen den Kontinenten geschaffen – auch wenn sie vornehmlich privater Natur war.1341 Die Briefe und Berichte Brauns über sein Leben und die Entwicklungen in Südamerika hatten in Kassel allerdings eine Öffentlichkeit erreicht. Sein Vater, Ludwig Theodor Braun, soll auf dem zentralen Kasseler Königsplatz „den aufmerksam dreinschauenden Bürgerleuten“1342 die Briefe seines Sohnes laut vorgelesen haben. Ferner fand das Leben Otto Philipp Brauns schon im Dezember 1829 Ein-

1338 Neben den politischen Akteuren waren selbstverständlich auch eine Vielzahl an Kaufleuten und Unternehmern im Atlantik aktiv. Da sie sich jedoch vor allem auf ökonomische Tätigkeiten konzentrierten und meist wenig am politischen Geschehen teilnahmen, sei auf sie nur am Rande verwiesen – auch wenn sie natürlich fester ­Bestandteil der atlantischen Welt waren. Siehe hierfür Kapitel 9: „Unternehmer: Ökonomische Ressourcen und langfristige Investitionen“. 1339 Berruezo León, La lucha de Hispanoamérica, 1989, S. 33ff. Racine, Francisco de Miranda, 2003, S. 173ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 232ff. Sunyer, Patriotas Americanos en London, 1978, S. 44ff, 231ff. 1340 Siehe den Abschnitt „Versöhnung: Braun und Belzu in Europa 1857–1859“. 1341 Für eine Sammlung der erhaltenen Briefe siehe: Bock, El Gran Mariscal de Monte­ negro, 1926. Michaelis-Braun, Otto Philipp Braun, 1914, S. 244ff. 1342 Bernecke, Der Königsplatz, 1908, S. 251.

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gang in die lokale Presse.1343 Lange und mehrteilige biographische Berichte, wie derjenige über Braun, waren in jenen Tagen in der kurhessischen Zeitungslandschaft äußerst selten. Kurze Mitteilungen über Politik und Wirtschaft prägten die Zeitungsausgaben. Sowohl die Reden des Vaters auf dem Kasseler Königsplatz als auch der frühe Bericht in der „Kasselschen Zeitung“ schufen ebenfalls eine – wenn auch situative – transatlantische Verbindung. Neben diesen situativen Verbindungen illustrieren zwei Ereignisse die transatlantische Dimension der braunschen Vita vor 1839 sowie den Transfermechanismus von Ansehen und Einfluss. Im September 1826 besuchte der britische General William Miller, ein Vertrauter Simón Bolívars und Freund Otto Philipp Brauns, das kurhessische Kassel. Er übergab der Familie Braun einen im Dezember 1825 von Braun verfassten Brief, in dem dieser seinen Eltern unter anderem empfahl, den Boten gut zu betreuen und ihm alle nötige Unterstützung zu gewähren.1344 Zwar ist nicht überliefert, inwieweit die Familie den Wünschen des Sohnes entsprach und ob General Miller tatsächlich das Angebot von Unterstützungsleistungen in Anspruch nahm. Es kann aufgrund der geradezu enthusiastischen Reaktion des Vaters über den Besuch und die Nachrichten aus Südamerika jedoch davon ausgegangen werden, dass Miller mehr als herzlich empfangen wurde.1345 Ein solch herzlicher Empfang wurde drei Jahre später auch dem ehemaligen Vizepräsidenten Großkolumbiens, Francisco Paula de Santander, zuteil, als dieser im Zuge einer ausgedehnten Europareise während seines unfreiwilligen Exils am 20. Dezember 1829 Hessen-Kassel besuchte. Dort traf er Friedrich Braun, den Bruder Otto Philipp Brauns, um mit ihm bei einem gemeinsamen Mittagessen Neuigkeiten über den kolumbianischen General auszutauschen. 1343 12.12.1829 Kassel. F.F., Züge aus den südamerikanischen Kriegen und dem Feldleben des kolumbischen Generals Braun, in: Kasselsche Allgemeine Zeitung, 12.12.1829, S. 1795f. 15.12.1829 Kassel. F.F., Züge aus den südamerikanischen Kriegen und dem Feldleben des kolumbischen Generals Braun, in: Kasselsche Allgemeine Zeitung, 15.12.1829, S. 1809ff. 18.12.1829 Kassel. F.F., Züge aus den südamerikanischen Kriegen und dem Feldleben des kolumbischen Generals Braun, in: Kasselsche Allgemeine Zeitung, 18.12.1829, S. 1829f. Bernecke, Der Königsplatz, 1908, S. 251. 1344 05.12.1825 Cochabamba. Braun an seinen Vater, in: Michaelis-Braun, Otto Philipp Braun, 1914, S. 244. 18.12.1829 Kassel. F.F., Züge aus den südamerikanischen ­Kriegen und dem Feldleben des kolumbischen Generals Braun, in: Kasselsche Allgemeine Zeitung, 18.12.1829, S. 1829f. 1345 Manuel Michaelis-Braun zitiert aus einem heute nicht mehr erhaltenen Brief Ludwig Theodor Brauns an seinen Sohn, aus dem deutlich die Freude der Familie über den Besuch und die Nachricht aus Südamerika hervorgeht: Michaelis-Braun, Otto Philipp Braun, 1914, S. 246. Delaney, General Miller and the Confederación PerúBoliviana, 1962, S. 241f.

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Vielleicht berichtete Santander auch von seinen Erlebnissen mit Otto Philipp Braun, als dieser ihm in den Jahren 1819 bis 1820 in Bogotá als Rittmeister seiner Garde gedient hatte.1346 Letztlich scheint das Gespräch positiv verlaufen zu sein, da Friedrich Braun Santander anschließend einlud, während einer gemeinsamen Kutschfahrt das Kurfürstentum zu erkunden. Abends besuchten sie das Theater und wohnten einer Aufführung der „Zauberflöte“ bei. Diese Aufführung des Werkes von Mozart beeindruckte Santander offenbar sehr.1347 Sowohl Santander als auch Miller waren in der Lage, ihr in Südamerika gewonnenes Prestige und die Nähe zu einem für europäische Dritte wichtigen Akteur in Zugang zu diesen Dritten und potenzielle Unterstützungsleistungen, wie Bewirtung und Betreuung, zu transferieren. Dies wird besonders am Beispiel der schriftlichen Empfehlung Brauns an seine Eltern für General Miller deutlich. Braun ermöglichte mit seinem Schreiben – über den Atlantik hinweg – die Mobilisierung von Unterstützungsleistungen für einen seiner Kameraden. Braun eröffnete Miller Zugang sowohl zum Netzwerk als auch den Ressourcen seiner Familie. Ähnliches gilt für Santander. Dennoch gilt es festzuhalten, dass der Mechanismus, als Fremder Zugang zu Akteuren aufgrund der Empfehlung Dritter oder des guten Rufes zu erhalten, sich nach 1839 auch in der Vita Brauns zeigt.

8.3 Die britische Außenpolitik: Braun und Lord Palmerston 1840 Braun war Ende 1839 nicht nur nach Europa aufgebrochen, um nach langen Jahren seine Familie in Deutschland zu besuchen und seinen Söhnen eine fundierte Ausbildung zukommen zu lassen.1348 Er hatte im ecuadorianischen Exil auch einen politischen Auftrag von Andrés de Santa Cruz erhalten. Braun sollte – in Kooperation mit José Joaquín de Mora, dem diplomatischen Vertreter von Santa Cruz in London – den Kontakt zum britischen Außenministerium aufrechterhalten.1349 Dabei sollte Braun den britischen Außenminister, Lord Henry 1346 Siehe hierzu den Abschnitt „Bei Francisco de Paula Santander in Bogotá 1821“. 1347 20.12.1829 Kassel. Diario de Francisco Paula de Santander, in: Briceño, Diario de Santander, 1963, S. 63f. 1348 Diese Argumentation ist zu finden in: 13.06.1839 La Paz. Braun an Gamarra, in: Archiv Braun, Bd. 638. 04.04.1840 London. Braun an Victoriano de Gurruchaga (La Paz), in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p3/2). 04.04.1840 London. Braun an José Garitáno Zavala, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p5/3). 1349 José Joaquín de Mora (1783–1864) ist nicht nur aufgrund seines politischen und diplomatischen Wirkens für Andrés de Santa Cruz in den 1830er und 1840er Jahren bekannt, sondern vor allem aufgrund seines journalistischen und literarischen Schaffens. 1848 wurde Mora in die Real Academia Española berufen. Siehe zu Mora: Car-

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John Temple Palmerston, dazu bewegen, eine Expedition zur Rückeroberung der Macht durch Santa Cruz militärisch, logistisch und finanziell zu unterstützen. Denn Palmerston – so Santa Cruz in einem Brief an Braun – „ist sicherlich einer unserer Freunde“1350. Gerade an dem Agieren zwischen Santa Cruz und Palmerston über die politischen Interessenvertreter Mora und Braun zeigt sich, wie schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts politische Prozesse in Südamerika über den Atlantik hinweg mit europäischen Akteuren verbunden waren. Obwohl Santa Cruz und Braun keine Ämter mehr bekleideten und eigentlich keine Verhandlungspartner auf Augenhöhe mehr waren, gelang es Otto Philipp Braun, als „Großmarschall von Montenegro“1351 offiziell in das Außenministerium eingeladen zu werden. Braun besaß also trotz seines Sturzes Zugang zu einem der mächtigsten europäischen Spitzenpolitiker. Hierzu kam es folgendermaßen: Braun hatte einen persönlichen Brief von Andrés de Santa Cruz an den britischen Außenminister mit über den Atlantik gebracht.1352 Diesen hatte Braun sodann dem diplomatischen Vertreter von Santa Cruz in London, José Joaquín de Mora, überreicht. Mora seinerseits leitete den Brief von Santa Cruz an Palmerston weiter.1353 Neben Freundschaftsbeteuerungen und Höflichkeiten lobte Santa Cruz Otto Philipp Braun in seinem Schreiben an Lord Palmerston nicht nur in den höchsten Tönen, sondern empfahl ihn auch als sachkundigen Kenner der aktuellen politischen Situation in Südamerika. Wenige Tage nach dem Erhalt des Briefes erkundigte sich Lord Palmerston, ob sich „der Marschall von Montenegro“1354 noch in England aufhielte und für ein persönliches Gespräch zur Verfügung stünde. Der positiven Antwort von Mora folgte am 7. April 1840 die förmliche Einladung von Lord Palmerston an Otto Philipp Braun

rasco, José Ballivián, 1960, S. 143ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 49ff. Mesa/Gisbert, José Joaquín de Mora, 1965, S. 39ff. Monguió, José Joaquín de Mora, 1967, S. 5ff. Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S. 242ff. Für eine detaillierte Diskussion des Forschungsstandes um José Joaquín de Mora siehe: Gonzáles Pizarro, José Joaquín de Mora en London, 1984, S. 353ff. Mesa/Gisbert, La cultura en la época del Mariscal Santa Cruz, 1976, S. 55ff. 1350 17.11.1839 Guayaquil. Santa Cruz an Braun, in: Archivo Santa Cruz, in: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 65. 1351 07.04.1840 London. Lord Palmerston an Braun, in: Nachlass Sieghart von PawelRammingen. 1352 09.11.1839 Quito. Santa Cruz an Lord Palmerston, in: Britisches Nationalarchiv, FO 61/64, S. 257. 1353 24.03.1840 London, Mora an Lord Palmerston, in: Britisches Nationalarchiv, FO 61/73, S. 171. 1354 30.03.1840 London, Lord Palmerston an Mora, in: Britisches Nationalarchiv, FO 61/73, S. 119.

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ins britische Außenministerium.1355 Dort empfing der Außenminister Braun am Samstag, den 11. April 1840. Bei dieser Gelegenheit informierte Braun den Außenminister über die politischen Verhältnisse in Südamerika – wohlgemerkt aus seiner Perspektive als Anhänger des gestürzten Protektors.1356 Um eine Audienz bei Lord Palmerston zu erlangen, arbeiteten Braun und Mora eng zusammen. Dass beide so vertraut und erfolgreich interagierten, erklärt sich nicht nur aus ihrer beider Nähe zu Santa Cruz, sondern auch aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit in Bolivien. Als der Spanier Mora nach der Bitte seines Freundes Andrés de Santa Cruz in La Paz beim Aufbau des bolivianischen Bildungswesens mitwirkte, war Braun Präfekt des Departements gewesen. Beide hatten beruflich mehrmals miteinander zu tun, etwa als Braun bei einem Streit zwischen Mora und der katholischen Kirche Ersteren in Schutz nahm. Politisch arbeiteten beide zusammen, als Mora ab 1835 längere Zeit Privatsekretär von Santa Cruz war und ihn als Journalist bei der Gründung der Zeitung „El Eco del Protectorado“ unterstützte. Mora und Braun waren also schon Weggefährten gewesen, bevor Mora im März 1838 als diplomatischer Vertreter der peruanisch-bolivianischen Konföderation in London von Bolivien nach Großbritannien reiste.1357

Britische Interessenpolitik in Südamerika Die britische Außenpolitik verfolgte ganz eigene Interessen: Seit Beginn des 19. Jahrhunderts war Großbritannien bestrebt gewesen, seinen politischen Einfluss und seine unternehmerische Aktivität in Südamerika auszubauen. Kurz vor der Kapitulation der letzten spanisch-royalistischen Truppen in Bolivien hatte der 1355 30.03.1840 London, Lord Palmerston an Mora, in: Britisches Nationalarchiv, FO  61/73, S. 119. 31.03.1840 London, Mora an Lord Palmerston, in: Britisches Nationalarchiv, FO 61/73, S. 121f. 07.04.1840 London. Lord Palmerston an Braun, in: Nachlass Sieghart von Pawel-Rammingen. 1356 Zum Treffen siehe: 09.11.1839 Quito. Santa Cruz an Lord Palmerston, in: Britisches Nationalarchiv FO 61/64 S. 257f. 07.04.1840 London. Lord Palmerston an Braun, in: Nachlass Sieghart von Pawel-Rammingen. 16.07.1840 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun Bd. 658. 24.03.1840 London, Mora an Lord Palmerston, in: Britisches Nationalarchiv FO 61/73 S. 171. 30.03.1840 London, Lord Palmerston an Mora, in: Britisches Nationalarchiv FO 61/73 S. 119. 31.03.1840 London, Mora an Lord Palmerston, in: Britisches Nationalarchiv FO 61/73 S.  121f. Siehe auch: Monguió, José Joaquín de Mora, 1967, S. 293. 1357 Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 49ff. Mesa/Gisbert, La cultura en la época del Mariscal Santa Cruz, 1976, S. 55ff. Mesa/Gisbert, José Joaquín de Mora, 1965, S. 39ff. Monguió, José Joaquín de Mora, 1967, S. 5ff, 202ff. Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S. 242ff.

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britische Außenminister George Canning im Dezember 1824 verlautbaren lassen: „Spanisch Amerika ist frei, und wenn wir unsere Sache nicht sehr schlecht handhaben, wird es englisch sein.“1358 Trotz dieses selbstbewussten Ausspruchs eines Zeitgenossen und trotz ausgedehnter Forschungsdiskussionen über die Rolle des Britischen Empires in Südamerika nach der Unabhängigkeit gilt es aus heutiger Sicht festzuhalten, dass Südamerika für die Weltmacht Großbritannien weder ökonomisch noch politisch von strategischer Bedeutung war.1359 Dies wird bei der Betrachtung der britischen Südamerikapolitik deutlich: Südamerika hatte dem Britischen Empire in den Jahrzehnten zuvor vor allem als taktische Verhandlungsmasse bei machtpolitischen Auseinandersetzungen innerhalb Europas gedient. Während der südamerikanischen Unabhängigkeitskriege hatte Großbritannien eine tendenziell reaktive und defensive Politik verfolgt. Es sollten lediglich die Rivalen USA und Frankreich aus diesem Raum herausgehalten werden.1360 Für die britische Außenpolitik spielte die Frage, ob und inwiefern südamerikanische Rebellen von Großbritannien unterstützt und ob nach ihrem Sieg die souveränen Republiken nur faktisch oder auch offiziell anerkannt werden sollten, nur im Zusammenhang mit den machtpolitischen Erwägungen in Europa eine Rolle. Offiziell hatten die Unabhängigkeitsbewegungen in Südamerika keine Unterstützung aus London erhalten – bis auf die tolerierte Anwerbung von Freiwilligen auf der Insel. Nach dem Sieg der Unabhängigkeitsbewegungen versuchte London, die Anerkennung der neuen Staaten so lange wie möglich hinauszuzögern, um das neuerlich verbündete Spanien nicht zu brüskieren. Dennoch öffnete Großbritannien seine Häfen für Schiffe, die unter südamerikanischer Flagge fuhren, 1358 17.12.1824 Canning to Lord Grantville, in: Hinde, George Canning, 1973, S. 368. 1359 Zur Rolle Großbritanniens nach der Unabhängigkeit der südamerikanischen Republiken existiert eine Fülle an Forschungsliteratur. Dabei formulierten einige Vertreter die These, Großbritannien habe in Südamerika ein „Informal Empire“ unterhalten. Anhänger der „Dependency“-Theorie gingen weiter und sahen im Imperialismus Großbritanniens im 19. Jahrhundert einen Hauptgrund der Unterentwicklung des südamerikanischen Kontinentes im 20. Jahrhundert. Neuere empirische Untersuchungen haben in den letzten Jahren das Bild eines dominierenden Großbritanniens vor allem für die Zeit von 1825 bis 1870 relativiert. Zur Diskussion siehe: Cardoso/ Faletto, Dependency and Development in Latin America, 1979, S. 8ff. Frank, Capitalism and Underdevelopment in Latin America, 1971, S. 27ff. Knight, Britain and Latin America, 1999, S. 122ff. Mathew, Britain and the Bolivarian Republics 1820– 1850, 1989, S. 398ff. Miller, Informal Empire in Latin America, 2001, S. 437ff. Miller, Britain and Latin America, 1993, S. 13ff. Platt, Dependency and the Historian, 1985, S. 29ff. Platt, British Foreign Policy, 1968, S. 308ff. Stein/Stein, The colonial heritage of Latin America, 1970, S. 123ff. 1360 Miller, Britain and Latin America, 1993, S. 48ff. Ferner: Lynch, Britisch policy and Spanish America, 1969, S. 1. Platt, British Foreign Policy, 1968, S. 12. Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S. 228. Wu, Great Britain and Peru 1820–40, 1991, S. 72f.

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und entsandte Diplomaten. Damit erkannte Großbritannien die neuen Staaten zunächst nur de facto, ab 1824 dann aber sukzessive auch de jure an. Diplomatische Bemühungen zielten anschließend vor allem auf den Abschluss von Handelsverträgen. Strategisch-geopolitische Ziele sowie koloniale Inbesitznahmen von Territorium, etwa wie in Afrika, waren – bis auf beispielsweise die erfolglosen Eroberungsversuche von Buenos Aires von 1806 bis 1807 – nicht vorgesehen. In London war man zufrieden, wenn britische Kaufleute über ungehinderten Zugang zu den jeweiligen Märkten verfügten. Hierfür setzten sich Unternehmer, Diplomaten und auch Spitzenpolitiker wie Lord Palmerston ein. Diesem Ziel der britischen Südamerikapolitik diente auch die Stationierung eines Flottenverbandes im Südatlantik (1808) und im Pazifik (1812). Sie sollten britisches Eigentum und britische Bürger schützen oder, wie Lord Palmerston es formulierte: „den Weg für Kaufleute öffnen und sichern“1361. Bei Bürgerkriegen, wie zwischen Unabhängigkeitsarmee und Royalisten, oder bei zwischenstaatlichen Konflikten nach der Unabhängigkeit sollten sich britische Marine und Diplomaten aber neutral verhalten. Auch als südamerikanische Staaten die bei britischen Anlegern gemachten Schulden nicht mehr bezahlten und Staatsanleihen nicht bedienten, weigerte sich das Außenministerium fast immer, diese Schulden mit Gewalt einzutreiben. Kam es dennoch zur Intervention britischer Kriegsschiffe, mit denen sich keine Marine Südamerikas messen konnte, diente diese meistens dem Schutz von Eigentum und Leben britischer Bürger.1362 Für die britische Außenpolitik besaß Südamerika keine große Bedeutung, schließlich prägten Themen wie der türkisch-ägyptische Konflikt und die damit einhergehende militärische Intervention Großbritanniens, die britisch-russischen Spannungen in Afghanistan sowie der erste britisch-chinesische Opiumkrieg Palmerstons Agenda im Jahre 1840. Südamerikanische Politiker waren aber sehr wohl bestrebt, die Anerkennung dieser europäischen Großmacht zu erhalten und sich bei innen- und außenpolitischen Konflikten deren Mediation oder gar Unterstützung zu sichern. Dies war auch beim Krieg zwischen der peruanisch-bolivianischen Konföderation und Chile der Fall gewesen. Schließlich war die britische Pazifikflotte ein wesentlicher Machtfaktor „unter deren

1361 Zit. n. Miller, Britain and Latin America, 1993, S. 49. 1362 Die Inbesitznahme kleinerer Inseln, wie der Falklandinseln im Jahre 1833, diente nicht der territorialen Expansion, sondern strategischen Zielen. Interventionen, wie 1843 bis 1846 in Argentinien, waren selten und wenig erfolgreich. Nachdem Aberdeen Diplomaten und Marinekommandeure an die britische Neutralität erinnert hatte, kam es kaum noch zu Kanonenbooteinsätzen jenseits der formulierten Grenzen der Außenpolitik – auch wenn der Einsatz von militärischer Gewalt in Südamerika immer wieder in London diskutiert wurde. Miller, Britain and Latin America, 1993, S. 52ff.

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Schatten“1363, wie Rory Miller es formulierte, alle südamerikanischen Politiker in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts agieren mussten.1364 Britische Kaufleute und Diplomaten hatten die wirtschaftsliberale Konföderation unter Santa Cruz gegenüber den protektionistisch orientierten Regierungen Chiles und Argentiniens bevorzugt. Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass beim Krieg zwischen der Konföderation und Chile nicht zuletzt ein geostrategischer Konflikt um die ökonomische Vorherrschaft an der pazifischen Küste Südamerikas und die Frage nach dem dominierenden Hafen militärisch ausgetragen wurde. Neben machtpolitischen Erwägungen war ein Hauptauslöser der chilenischen Invasion Santa Cruz‘ erfolgreiche Umlenkung eines Teils des aus Europa kommenden Warenstroms von Valparaíso ins bolivianische Cobija und nach 1836 in die peruanischen Häfen der Konföderation gewesen. Hierfür hatte Santa Cruz die Zölle für Direktimporte gesenkt und Strafsteuern für zuerst in Valparaíso eingelaufene Schiffe erhoben. Für britische Kaufleute in Lima war dies von Vorteil. Dies erklärt auch, warum der britische Konsul in Lima, Belford Hinton Wilson, recht offen für Andrés de Santa Cruz agierte. Zwar schlug sich Wilsons Counterpart in Valparaíso, Konsul John Walpole, auf die Seite Chiles, doch wurde er von Lord Palmerston mehrfach aufgefordert, dies zu unterlassen. Darüber hinaus sollte er die Regierung Chiles dazu bewegen, die von Großbritannien anerkannte peruanisch-bolivianische Konföderation zu akzeptieren und keine militärischen Maßnahmen gegen sie zu ergreifen. Zwar stellte sich die Weltmacht damit auf die Seite der Regierung von Santa Cruz, letztlich war sie aber nicht bereit, für diese Position militärisch zu intervenieren – zumal die Nachfolger von Santa Cruz in Bolivien und Peru dessen liberale Handelsgesetze nahezu unverändert in Kraft ließen. Weil damit die Handelsinteressen Großbritanniens gewahrt wurden, sah sich Lord Palmerston nicht dazu genötigt, gegen Chile oder gegen den neuen peruanischen Präsidenten Gamarra aktiv zu werden und das Neutralitätsgebot britischer

1363 Miller, Britain and Latin America, 1993, S. 59. Ähnlich befand dies: Hildebrand, Die Pax Britannica, 1997, S. 29. 1364 Zur britischen Südamerika- und Weltpolitik siehe auch: Aljovín de Losada, La Confederación Perú-Boliviana, 2001, S. 76ff. Bourne, The Foreign Office under Palmerston, 1984, S. 19ff. Bourne, Palmerston, 1982, S. 408ff. Bourne, The foreign Policy of Victorian England, 1970, S. 40f. Hildebrand, Die Pax Britannica, 1997, S. 28ff. Jones, The Nineteenth-Century Foreign Office, 1971, S. 14ff. Knight, Britain and Latin America, 1999, S. 122ff. Mathew, Britain and the Bolivarian Republics, 1989, S. 405ff. Miller, Britain and Latin America, 1993, S. 59ff. Platt, British Foreign P ­ olicy, 1968, S. 312f. Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S. 45ff. Sobrevilla Perea, Andrés de Santa Cruz, 2011, S. 163ff. Southgate, The Policies and Politics of Palmerston, 1966, S. 7ff, 168ff. Webster, The Foreign Policy of Palmerston 1830–1841, Bd 1, 1951, S. 5ff. Webster, The Foreign Policy of Palmerston 1830–1841, Bd.  2, 1951, S. 523ff. Wu, Great Britain and Peru 1820–40, 1991, S. 67ff.

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Südamerikapolitik aufzugeben. Dem Mitstreiter und Freund von Andrés de Santa Cruz, dem britischen Konsul Wilson, waren die Hände gebunden.1365 Die Ausgangsbedingungen für eine Mobilisierung handfester britischer Unterstützung für das Regenerationsprojekt von Andrés de Santa Cruz erscheinen vor diesem Hintergrund denkbar schlecht. Dennoch machten sich sowohl der ehemalige Protektor als auch dessen Vertreter in London Hoffnungen, ihr Ziel durch diplomatische Mittel zu erreichen. Santa Cruz war der Meinung, die britische Krone schulde ihm dies. Schließlich hatte die britische Außenpolitik beim Scheitern der peruanisch-bolivianischen Konföderation eine unrühmliche Rolle gespielt. Zuerst war es Großbritannien nicht gelungen, Chile von einer militärischen Expedition abzuhalten – obwohl Lord Palmerston über seinen hiervon wenig begeisterten Vertreter in Valparaíso mehrmals darauf hingearbeitet hatte. Darüber hinaus waren auch offizielle Vermittlungsversuche Großbritanniens zwischen den Kontrahenten im Vorfeld des Krieges gescheitert. Nachdem Santa Cruz die erste chilenische Expedition im Jahre 1837 in Südperu mit seiner Armee umzingelt hatte und mit Leichtigkeit militärisch hätte vernichten können, kam es unter aktiver Beteiligung des britischen Konsuls in Lima nach großen Zugeständnissen von Santa Cruz zu einer friedlichen Lösung. Santa Cruz hatte sowohl auf die explizite Garantie des Vertrages durch Großbritannien als auch auf die Ratifizierung durch die chilenische Politik vertraut. Nachdem Letztere den Vertrag nicht anerkannte, hatte Santa Cruz ein energisches Einschreiten von Lord Palmerston erwartet. Dieser vertrat jedoch die Auffassung, dass aufgrund der fehlenden Ratifizierung durch den chilenischen Kongress der Vertrag nicht gelte und damit auch nicht die Garantie Großbritanniens.1366 Palmerston wollte schlichtweg nicht in einen weit entfernten Krieg außerhalb strategisch wichtiger Regionen verwickelt werden. Nachdem die zweite chilenische Expedition Santa Cruz – mit allen bekannten Folgen – geschlagen hatte, beklagte er sich bitter darüber, dass Großbritannien die von ihm anerkannte Konföderation im Stich gelassen habe: „Obwohl es doch nur eines einzigen englischen Kapitäns bedurft hätte, den Krieg zu verhindern.“1367 Vor dem Hintergrund dieser Vorgeschichte 1365 Mathew, Britain and the Bolivarian Republics, 1989, S. 410ff. Miller, Britain and Latin America, 1993, S. 53, 132f. Siehe ferner: Aljovín de Losada, La Confederación Perú-Boliviana, 2001, S. 76ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 56ff. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 85ff. Knight, Britain and Latin America, 1999, S. 132. Monguió, José Joaquín de Mora, 1967, S. 280f. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 253ff. Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S.167ff. Wu, Great Britain and Peru 1820–40, 1991, S. 67ff, 74ff, 91. 1366 Aljovín de Losada, La Confederación Perú-Boliviana, 2001, S. 76ff. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 153ff. Wu, Great Britain and Peru 1820–40, 1991, S. 76ff. 1367 26.02.1839 Islay. An Bord der „Samarang“. Santa Cruz an Wilson, in: Britisches Nationalarchiv, FO 61/58, S. 128r.

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wird verständlich, warum Santa Cruz Anfang der 1840er Jahre von der britischen Regierung eine Gegenleistung für deren vorheriges Verhalten erhoffte.

Otto Philipp Braun und José Joaquín de Mora Braun war spätestens mit seiner Reise 1839/40 von Südamerika nach Europa zu einem politischen Akteur im Atlantik geworden. Dies gründete sich jedoch nicht nur auf die Akzeptanz durch Lord Palmerston und damit auf den Zugang zur britischen Regierung. Ein weiterer wichtiger Faktor war die kontinuierliche Kommunikation mit José Joaquín de Mora, die er auch nach seiner Abreise aus London Mitte April 1840 intensiv weiterführte.1368 Dabei schilderte Mora nicht nur detailliert seine diplomatischen Bemühungen für Santa Cruz, informierte Braun nicht nur über politische Entwicklungen in Südamerika oder leitete Anliegen von Santa Cruz weiter, sondern Mora bat Braun mitunter auch um Rat und betrieb einen intensiven Meinungsaustausch mit ihm.1369 Mit diesem transatlantischen Prozess wurde der in Deutschland eingetroffene Braun in den ­politischen Prozess zwischen Großbritannien, Ecuador, Peru, Chile und Bolivien mit einbezogen – zumal Mora Briefe von Braun nach Südamerika über seine Kontakte zu britischen Kaufleuten dorthin weiterleitete.1370 Nachdem Santa Cruz von Guayaquil aus Lord Palmerston Mitte 1840 um die militärische Hilfe der britischen Pazifikflotte gebeten hatte, zweifelte Mora in einem Schreiben an Braun an der Möglichkeit des Erfolges dieses Ersuchens bei Lord Palmerston – trotz aller diplomatischen Versuche. Er sollte recht behalten. Lord Palmerston lehnte das Gesuch des gestürzten Protektors mit dem Verweis auf die Neutralitätspolitik Großbritanniens ab.1371 Mitte 1841 erneuerte Santa Cruz seine Bitte um britische Unterstützung, ohne allerdings auf seiner Maximalforderung, der Intervention der britischen Pazifikflotte, zu bestehen, denn die Chancenlosigkeit dieser Forderung hatte Mora Santa Cruz mehrfach vor Augen

1368 Zur Abreise Brauns aus London siehe: 31.03.1840 London. Braun an Francisco [de los] Heros, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p3/2). Braun erreichte Kassel am 22. April 1840: 26.04.1840 Kassel. In unseren Mauern..., in: Kasselsche Allgemeine Zeitung, 26. April 1840. 1369 Bedauerlicherweise sind nahezu keine Briefe von Braun an Mora enthalten, auch wenn er Mora regelmäßig schrieb. Dies geht aus Verweisen Moras auf Briefe Brauns in seinen Schreiben sowie aus handschriftlichen Notizen Brauns auf den Briefen ­Moras (an welchem Tag er Mora antwortete) hervor. 1370 06.06.1840 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 656. 16.07.1840 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 658. 1371 17.08.1840 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 661. Ferner: Miller, Britain and Latin America, 1993, S. 51. Monguió, José Joaquín de Mora, 1967, S. 294f.

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führt.1372 Santa Cruz bat Lord Palmerston diesmal um einen viel geringeren Gefallen. Britische Schiffe sollten ihn und seine Mitstreiter von Guayaquil aus an die peruanisch-bolivianische Küste bringen, sodass er von dort aus die Macht in Bolivien zurückerobern konnte.1373 Es ist dabei wichtig zu wissen, dass alle bisherigen Versuche von Santa Cruz, ein Schiff unter anderer Flagge zu chartern, am politischen Widerstand seiner Gegner gescheitert waren. Kein Kapitän an der südamerikanischen Pazifikküste war gewillt, das Risiko auf sich zu nehmen, Santa Cruz zu transportieren und eine Strafe Perus und Chiles zu riskieren.1374 Lord Palmerston, der die Reaktion der beiden Staaten nicht zu fürchten brauchte, lehnte aber auch die Bitte um Transport ab. Er tat es, da dies ein „feindlicher Akt gegen die peruanische Regierung“1375 wäre. Diese Absage verminderte die Erfolgschancen zur Rückkehr an die Macht für Santa Cruz erheblich. Denn eine offizielle Intervention Großbritanniens mit ihrer übermächtigen Marine hätte Freund und Feind die Unterstützung der Weltmacht und damit seine eigene Macht demon­ striert. Bei seinen weiteren Restaurationsbemühungen musste Santa Cruz also auf die Unterstützung Großbritanniens verzichten. So wenig sich Großbritannien politisch oder militärisch für die Wiedereinsetzung von Santa Cruz eingesetzt hatte, so sehr konnte Santa Cruz später auf dessen humanitäre Intervention setzen. Nachdem Schilderungen über die – vermeintlich – unmenschliche Behandlung von Santa Cruz in Chile in Umlauf kamen, hatte dessen Frau, Francisca Cernadas de Santa Cruz, im März 1844 die britische Königin Victoria kontaktiert und um ihre Hilfe gebeten.1376 Victoria reagierte prompt und wies ihre Diplomaten in Chile, Peru und Bolivien an, nicht nur unmittelbar die humane Behandlung, sondern auch die Freilassung von Santa Cruz anzumahnen. Der diplomatische Druck Großbritanniens führte gemeinsam mit den Bemühungen Ecuadors und Frankreichs dann tatsächlich 1372 23.06.1841 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 675. Siehe auch: Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S. 248f. 1373 23.06.1841 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 675. 1374 Auch der französische Konsul in Guayaquil hatte ein Auslaufen von Santa Cruz verhindert. Ebd. 1375 1841 London. Lord Palmerston an Mora, in: Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S. 249f. 1376 Ob die Bedingungen der Gefangenschaft von Santa Cruz jedoch wirklich so unerträglich waren, wie von ihm lanciert, darf angezweifelt werden. Schließlich verantwortete mit Benjamín Viel einer seiner Freunde die Gefangenschaft. Auch zeigen chilenische Quellen einen hohen finanziellen Aufwand für die Gefangenschaft in einem Privathaus mit Angestellten und weiteren Annehmlichkeiten. Sicher ist jedoch, dass Santa Cruz mit diesem PR-Coup ein Ende seiner Gefangenschaft in Chile bewirken wollte, was ihm ja auch gelang. 05.09.1844 Santiago de Chile. Irarrázaval an Viel, in: Bello, Obras Completas, Bd. 22, 1969, S. 102. Siehe ferner: Fernández Valdés, Relaciones Diplomáticas, 1997, S. 164ff. Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S. 250ff.

Braun und Lord Palmerston 1840



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zur Freilassung von Santa Cruz und sogar zur Rückgabe seines 1839 enteigneten Eigentums.1377 An diesem Beispiel zeigt sich, dass die britische Außenpolitik bei einem politisch wenig riskanten Anliegen durchaus Druck ausüben und erfolgreich intervenieren konnte. Neben der Einbeziehung Brauns in die diplomatischen Versuche der Jahre 1840 und 1841, für Santa Cruz militärische, politische und logistische Unterstützung zu organisieren, informierte Mora Braun über politische Neuigkeiten in Südamerika. Dabei besaß Mora den Vorteil, in London viel schneller Zugriff auf aus Südamerika kommende Schiffe und damit auf neue Informationen zu haben, als der im weit entfernten kontinentaleuropäischen Kassel lebende Braun. Bei der Weiterleitung von Nachrichten dominierten Aussagen über politische Allianzen und das Agieren einzelner Personen. Beispielsweise teilte Mora Braun schon wenige Wochen nach dessen Abreise aus London mit, dass der in Peru exilierte bolivianische General Ballivián seine Dienste dem peruanischen Generalstabschef Juan Crisóstomo Torrico für eine Invasion Boliviens angeboten habe.1378 Mora schilderte Anfang Dezember 1840 Gerüchte, dass sich die Fraktionen von Santa Cruz und Ballivián verbündet hätten.1379 Der Diplomat berichtete Braun Anfang Februar 1841 vom Angebot des bolivianischen Generalstabschefs, Präfekten von La Paz und einstigen Protagonisten der Revolution vom Februar 1839, Carlos Medinaceli, einen Staatsstreich für Santa Cruz zu organisieren.1380 Wenig später trafen Nachrichten über den Besuch von Agenten der bolivianischen Armee bei dem in Ecuador exilierten Santa Cruz ein. Ein Staatsstreich zu seinen Gunsten schien in greifbare Nähe zu rücken.1381 Kurz darauf erreichten Gerüchte von Putschen in Bolivien Europa.1382 Mora leitete auch Nachrichten von Santa Cruz persönlich an Braun weiter. Santa Cruz zielte darauf, an der Spitze einer ecuadorianischen Armee mithilfe der britischen Marine in Lima einzuziehen und dann Bolivien zu erobern.1383 Die Absage von Lord Palmerston und die Weigerung des ecuadorianischen Präsidenten erreichte Braun im Mai 1841. Dennoch – so ließ Mora Braun wissen – zweifle niemand in Peru und in Bolivien an der erfolgreichen Rückkehr von Santa Cruz.1384 1377 Bello, Negociaciones diplomáticas entre Chile y el Perú, 1905, S. 292. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 138ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 135f. Fernández Valdés, Relaciones Diplomáticas, 1997, S. 164ff. Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S. 253. Vázquez-Machicado, Monarquía en Bolivia, 1951, S.16ff. 1378 06.06.1840 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 656. 1379 07.12.1840 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 666. 1380 07.02.1841 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 670. 1381 13.01.1841 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 669. 1382 01.03.1841 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 671. 1383 05.03.1841 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 672. 1384 10.05.1841 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 674.

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Die Kommunikation zwischen Mora und Braun lief keineswegs nur in eine Richtung. Mora bat Braun beispielsweise, ihm seine Einschätzung der Chancen von Andrés de Santa Cruz, in Bolivien oder Peru wieder an die Macht zu gelangen, mitzuteilen.1385 Braun schrieb Mora regelmäßig und teilte ihm seine Meinung mit.1386 Neben Nachrichten über Personen skizzierte Mora Braun die in Briefen an ihn oder von Reisenden geschilderte politische Stimmung in Peru und Bolivien. Auch unabhängig von den diplomatischen Niederlagen in Großbritannien schätze Mora das Ansehen von Santa Cruz in Peru und Bolivien und damit dessen Chancen für eine erfolgreiche Rückkehr an die Macht als außerordentlich hoch ein.1387 Mora berichtete Mitte 1840 beispielsweise von peruanischen Kaufleuten, die eine schnelle Rückkehr von Santa Cruz wünschten. Darüber hinaus würden viele unbezahlte Staatsbedienstete die Administration des Protektors herbeisehnen.1388 Anfang 1841 glaubte Mora fest an die Rückkehr von Santa Cruz, als er Braun gegenüber formulierte: „In Anbetracht aller Tatsachen gibt es keinen Zweifel, dass dieser Mann [Andrés de Santa Cruz, Anm. RK] sehr schnell wieder in seinem Land sein wird, wenn er es nicht sogar schon jetzt ist.“1389 Mora berichtete Braun sogar, dass sich Santa Cruz schon in Richtung Arica eingeschifft hätte. Dies stellte sich später allerdings als falsch heraus.1390 Letztlich prägten trotz zeitweiser Rückschläge positive Nachrichten das Frühjahr 1841. Im Juli berichtete Mora gar von einer „Regierung“ Santa Cruz, die sich in Piura niedergelassen und mit ihrer militärischen Expedition selbst Lima unter ihre Kontrolle gebracht habe.1391 Auch Braun war Mitte 1840 davon überzeugt, Santa Cruz würde die Macht zurückerobern.1392 Mora beließ es jedoch nicht bei der Weitergabe von Informationen über bekannte Personen und der Schilderung der neuesten Ereignisse. Mora bezog Braun aktiv in die Regenera­tionspolitik von Santa Cruz mit ein, indem er ab Februar 1841 – zuerst vorsichtig, dann immer energischer – die Rückkehr Brauns an die Seite von 1385 28.08.1840 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 663. 1386 Leider sind diese Briefe, deren Ausgang zwar verzeichnet und deren politischer Inhalt aufgrund der Antwortschreiben Moras sicher ist, selbst nicht erhalten: 29.08.1840 Paris. Braun an Mora, in: Archiv Braun Bd. 816 (AA p10/5v). 29.10.1840 Braun an Mora, in: Ebd. 29.01.1841 Braun an Mora, in: Ebd. 26.02.1841 Braun an Mora, in: Ebd. 03.07.1841 Braun an Mora, in: Archiv Braun Bd. 816 (AA p12/6v). 15.09.1841 Kassel. Braun an Mora in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p13/7). 1387 16.07.1840 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 658. 1388 28.08.1840 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 663. 1389 13.01.1841 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 669. 1390 07.02.1841 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 670. 1391 31.07.1841 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 676. 1392 31.03.1840 London. Braun an Francisco [de los] Heros, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p3/2).

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Santa Cruz nach Südamerika forderte.1393 In dieser Zeit liefen die Ereignisse in Bolivien mit dem erfolgreichen Putsch gegen Velasco im Juni 1841 auf einen Höhepunkt zu. Im Juni übermittelte Mora dann die persönliche Order von Santa Cruz, Braun solle so schnell wie möglich nach Südamerika zurückkehren. Brauns unmittelbare Reaktion ist leider nicht überliefert, aber aus den Briefen von Mora geht hervor, dass er wohl angab, aus gesundheitlichen Gründen die Reise nicht sofort antreten zu können.1394 Spätestens seit März 1841 plante Braun dann aber seine Abreise nach Südamerika, allerdings erst für Oktober desselben Jahres. Im Dezember 1841 wollte er in Panama und im Februar 1842 in Arica sein.1395

8.4 Das politische Netzwerk Brauns im atlantischen Raum 1840 bis 1841 Braun pflegte ein weitreichendes Netzwerk politischer Kontakte im atlantischen Raum. Dabei kommunizierte er nicht nur mit Andrés de Santa Cruz und seinen Anhängern, wie Mariano Enrique Calvo und José Manuel Loza, sondern auch mit Protagonisten der neuen Administration von Präsident José Miguel Velasco, wie Manuel Buitrago, Casimiro Olañeta und José Agustín de la Tapia. Parallel hierzu tauschte sich Braun auch mit einem Vertreter des exilierten bolivianischen Generals und dritten wichtigen politischen Akteurs Boliviens, José Ballivián, aus, etwa mit Pedro José de Guerra. Somit stand Braun mit allen drei relevanten politischen Fraktionen in Bolivien in Kontakt – und zwar größtenteils über den Atlantik hinweg.

Kontakt zur Fraktion Santa Cruz: Mariano Enrique Calvo und José Manuel Loza Neben José Joaquín de Mora in London hielt Braun auch engen Kontakt zu anderen Akteuren der politischen Fraktion um Andrés de Santa Cruz. Braun hatte beispielsweise aus seinem ecuadorianischen Exil heraus Ende 1839 den ehemaligen bolivianischen Vizepräsidenten und engen Mitstreiter von Santa Cruz 1393 07.02.1841 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 670. 01.03.1841 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 671. 05.03.1841 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 672. 31.07.1841 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 676. 1394 23.06.1841 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 675. 1395 01.03.1841 Braun an Zavala, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p11/6). 15.09.1841 Kassel. Braun an Huth Grüning & Co. in Valparaíso, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p13/7).

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Mariano Enrique Calvo kontaktiert.1396 Dieser war nach dem Zusammenbruch der Konföderation nach Argentinien geflohen, konnte aber bald nach Bolivien zurückkehren. Dort verfasste er eine polemische Schrift zur Verteidigung des alten Regimes und kritisierte im gleichen Atemzug die neue Regierung Boliviens scharf.1397 Ende März 1840 beteuerte Calvo in einem Schreiben an Braun aus Chuquisaca trotz politischer Risiken seine Freundschaft zu ihm und den Wunsch, ihn „in Europa, in Asien oder Afrika, aber am liebsten in Amerika“1398 wiederzusehen. Hierzu kam es jedoch nicht. Nach der Beteiligung am Putsch gegen Präsident Velasco im Juni 1841 starb Calvo ein Jahr später in Cochabamba.1399 Trotz des sehr privat gehaltenen Inhaltes, nämlich der Schilderung des eigenen Schicksals, setzten Briefe wie dieser die Beziehung zwischen ehemaligem Vizepräsidenten und ehemaligem Kriegsminister – selbst über den Atlantik hinweg – fort. Braun hielt auch Kontakt zu José Manuel Loza. Der Journalist, Jurist und Politiker war mehrere Male zum Abgeordneten des bolivianischen Kongresses gewählt worden. Unter Santa Cruz hatte er mehrere administrative Ämter innegehabt, von denen insbesondere das des persönlichen Sekretärs von Santa Cruz (1835) hervorzuheben ist. Loza hatte den bolivianischen Präsidenten bei der Gründung der explizit Santa-Cruz-freundlichen Zeitung „El Iris de La Paz“ journalistisch unterstützt.1400 Im Zuge seiner Tätigkeit hatte Loza spätestens ab 1835 auch mit Braun zusammengearbeitet.1401 Diese gemeinsame Vergangenheit und politische Nähe hilft auch zu erklären, warum Loza im Februar und 1396 Dies geht hervor aus: 27.03.1840 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 653. 1397 Calvo, La proscripción y la defensa de Mariano Enrique Calvo, 1840. 1398 27.03.1840 Chuquisaca. Calvo an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 653. 1399 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 33ff. Díaz Arguedas, Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 63f. Irurozqui, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 115ff. Kieffer Guzmán, Ingavi, 1991, S. 392ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829– 1880, 2003, S. 386ff. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 312f. Querejazu, La Oposición en Bolivia a la Confederación Perú-Boliviana, 1996 S. 400f. Querejazu Calvo, Andrés Santa Cruz, Bd. 1, 1976, S. 118ff. 1400 José Manuel Loza beteiligte sich im Juni 1841 auch am Putsch gegen Präsident Velasco. Loza hatte in den 1830er Jahren mit José Joaquín de Mora in der Redaktion der „El Iris de La Paz“ zusammengearbeitet, siehe etwa: Abecia Baldivieso, Historia del Parlamento, Bd. 1, 1996, S. 117, 162. Arduz Ruíz, La Confederación PerúBoliviana, 1999, S. 25. Cáceres Romero, Nueva historia de la literatura boliviana, Bd. 3, 1995, S. 54ff. Cortés, Hombres Célebres de Bolivia, 1869, 133ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 106. Mesa / Gisbert, La cultura en la época del Mariscal Santa Cruz, 1976, S. 58ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 207f. 1401 15./27.06.1835 Vertrag zwischen den Regierungen Boliviens und Perus, unterzeichnet von Calvo/Quiros/José Manuel Loza, Anhang unterzeichnet von José Maria de Lara/Braun/Calvo, in: ANB, MRE Bol-Perú (1835), Bd. 1 Nr. 49.

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April 1841 Braun aus Südamerika kontaktierte und durch die Vermittlung neuester politischer Informationen die persönliche Beziehung fortsetzte.1402 Braun stand auch mit dem Protektor selbst in Verbindung – und zwar kontinuierlich und über den Atlantik hinweg. Vom Februar 1839 bis zur Rückkehr Brauns aus Europa Ende 1841 tauschten Braun und Santa Cruz mindestens 16 Briefe aus.1403 Während Braun sich in Europa aufhielt, arbeitete Santa Cruz unermüdlich daran, die Macht in Bolivien zurückzuerobern.1404 Otto Philipp Braun war Teil dieses Vorhabens. Noch während sich Braun in Bolivien von dem Attentat auf sich erholte, sich dort um die Rettung seines Besitzes bemühte und internationale Unterstützung mobilisierte, schrieb Santa Cruz seinem ehemaligen Kriegsminister im Juni 1839 aus Guayaquil. In dem Brief beauftragte er Braun für dessen geplante Rückkehr nach Europa, ihn über das Außenministerium bei der britischen Regierung zu vertreten und trotz des Sturzes den Kontakt zum britischen Außenministerium aufrechtzuerhalten. Santa Cruz hoffte – wie schon oben erwähnt – sehr auf die Hilfe Großbritanniens, da „aufgrund der Politik der konföderierten Regierung und meiner Person […] wir immer in ihrer Gunst standen“1405. Vor der Abreise Brauns aus Ecuador im Dezember 1839 wiederholte Santa Cruz diesen politischen Auftrag und betonte, wie wichtig die Mission Brauns in Großbritannien sei.1406 Genauso wie seine anderen Kommunikationspartner in Südamerika berichtete auch Santa Cruz dem Großmarschall von Montenegro über die neuesten politischen Entwicklungen in Südamerika. Dabei weihte er Braun in Europa detailliert in seine Pläne und Maßnahmen für seine Rückkehr nach Bolivien ein. Beispielsweise informierte er Braun über die von ihm angestrebten geheimen Allianzen, etwa mit Juan José Flores oder – zwischenzeitlich – mit José Ballivián. Nachdem sein Unterstützungsgesuch von der britischen Regierung abgelehnt worden war, informierte er Braun von seinen Absichten, die französische Regierung um militärische und logistische Unterstützung bei seinem Rückkehrprojekt zu bitten. Santa Cruz teilte Braun auch sehr sensible Fakten mit, wie den geplanten Zeitpunkt des Aufbruchs einer militärischen Rückerobe-

1402 Loza erwähnt einen Brief vom Februar 1841, der jedoch nicht erhalten ist. 24.05.1841 Arica. Loza an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 673. 1403 Siehe: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 64, 65 (2x), 72, 102, 110f, 111, 112. Ferner: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p9/5, p8/4v [2x], p9/5 [2x], p10/5v, p12/6v, p13/7). 1404 Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 58ff, 69ff. Vázquez-Machicado, Monarquía en Bolivia, 1951, S.16ff. 1405 08.06.1839 Guayaquil. Santa Cruz an Braun, in: Archivo Santa Cruz, in: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 64. 1406 17.11.1839 Guayaquil. Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 65.

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rungsexpedition nach Bolivien. Ferner tauschte sich Santa Cruz mit Braun auch über die Erfolgschancen seiner Projekte aus.1407 Neben dem politischen Auftrag, José Joaquín de Mora in London bei dessen Bemühungen um die Gunst der britischen Außenpolitik zu unterstützen, und dem kontinuierlichen Austausch zwischen Braun und Santa Cruz war es Brauns Aufgabe, für Santa Cruz ökonomische Ressourcen in Europa zu mobilisieren. Dieser hatte – wie Braun – vor seinem Sturz erhebliche Vorräte von auf seinen landwirtschaftlichen Gütern geernteter Chinabaumrinde zu Geschäftspartnern, wie dem Handelshaus Anthony Gibbs & Sons oder Francisco de los Heros, nach England bzw. Frankreich exportiert.1408 Brauns Aufgabe war es, diese nun zu einem guten Preis zu verkaufen. Dies gestaltete sich jedoch schwierig.1409 Nach diesem zwischenzeitlichen unternehmerischen Rückschlag sollte Braun Geld über britische Anleihen besorgen. Ob Braun dies gelang oder ob er die Ernten von Santa Cruz verkaufen konnte, ist unklar. Braun scheint es aber gelungen zu sein, für Santa Cruz Geld zu mobilisieren, da dieser ihm im März 1841, als die Vorbereitungen für eine groß angelegte Rückkehrexpedition auf vollen Touren lief, auftrug, „2.000 Gewehre guter Qualität, 500 Kavallerie-Gewehre […] und 500 Paar Pistolen sowie 300 Brustharnische“1410 zu kaufen. Neben dem militärischen Gerät sollte Braun eine Druckerpresse erstehen, da eine militärische Kampagne ohne Propaganda nicht funktioniere.1411 Wenig später instruierte Santa Cruz Braun – zur Flankierung der politischen Bemühungen seiner Vertreter in Europa – das

1407 23.10.1839 Quito, Santa Cruz an Braun, in: Archivo Santa Cruz, in: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 72. 20.12.1840 Quito, Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 102. 14.03.1841 Quito, Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 110f. 03.05.1841 ­Guayaquil, Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 111. 1408 Zum Unternehmer Otto Philipp Braun siehe das Kapitel 9: „Unternehmer: Ökonomische Ressourcen und langfristige Investitionen“. 1409 11.04.1840 London. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p8/4v). 26.05.1840 Kassel. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p9/5). 24.06.1840 Bordeaux. Francisco de los Heros an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 657. 20.12.1840 Quito, Santa Cruz an Braun, in: Archivo Santa Cruz, in: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 102. Siehe auch generell: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 110. 1410 14.03.1841 Quito, Santa Cruz an Braun, in: Archivo Santa Cruz, in: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 110f. 1411 Ebd.

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1840 von ihm in Ecuador verfasste Manifest in Europa sowohl auf Spanisch als auch Französisch drucken zu lassen.1412 Braun kam dieser Bitte nach.1413 Insgesamt war Braun stets darum bemüht, die Wünsche des ehemaligen Protektors zu erfüllen – auch wenn dies nicht immer möglich war.1414 Neben den politischen, logistisch-militärischen und unternehmerischen Aufträgen, die Braun für Santa Cruz zu erfüllen versuchte, begann Santa Cruz sehr bald, auf eine schnelle Rückkehr Brauns zu drängen. Nachdem dieser gerade einmal einen Monat in Kassel verbracht hatte, schrieb Santa Cruz aus Guayaquil: „Es ist unabdingbar, daran zu denken, uns zu rächen und uns in unsere Rechte zu restituieren. Sie sind nicht der Einzige, der sich weit von uns entfernt befindet, während wir einen Kampf, zu dem uns unsere Ehre und unser Patriotismus rufen, beginnen.“1415 Ein halbes Jahr später, im Dezember 1840, forderte Santa Cruz Braun unmissverständlich auf, so schnell wie möglich nach Südamerika zurückzukehren, da er in der anstehenden entscheidenden Phase nicht abwesend sein dürfe: „Kommen Sie schnell, Ihre Person und Ihr Schwert werden gebraucht.“1416 Wie Otto Philipp Braun auf diesen Befehl reagierte, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Braun blieb aber noch bis Ende 1841 in Europa, wo er – unter anderem – weiterhin die politischen und unternehmerischen Aufträge von Santa Cruz vorantrieb. Dennoch wiederholte Santa Cruz seine Forderung nach einer schnellen Rückkehr Brauns, etwa im März 1841.1417 Ein halbes Jahr später informierte Braun Santa Cruz dann aus Kassel, dass er Ende 1841 nach Südamerika zurückkehren und sich wahrscheinlich schon im Dezember in Panama befinden und dann weiter zu ihm reisen werde.1418 Zu diesem Zeitpunkt allerdings war die bisher beste Chance für eine Rückkehr an die Macht für Santa Cruz schon längst verstrichen.

1412 Es sollte folgender Text gedruckt werden: 26.01.1840 Quito. Santa Cruz, Andrés de, El Jeneral Santa Cruz esplica su conducta pública y los móviles de su política en la Presidencia de Bolivia y el protectorado de la Confederación Perú-Boliviana. 03.05.1841 Guayaquil. Santa Cruz an Braun, in: Archivo Santa Cruz, in: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 111. 1413 Braun delegierte diese Aufgabe an José Joaquín de Mora, stellte ihm aber die Mittel hierfür zur Verfügung: 15.09.1841 Kassel. Braun an Mora in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p13/7). 1414 Siehe etwa: 24.06.1840 Bordeaux. Francisco de los Heros an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 657. 1415 12.05.1840 Guayaquil. Santa Cruz an Braun, in: Archivo Santa Cruz: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 65. 1416 20.12.1840 Quito, Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 102. 1417 14.03.1841 Quito, Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 110f. 1418 15.09.1841 Kassel. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p13/7).

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Kontakt zur Fraktion Velasco Braun hielt nicht nur zu gestürzten Weggefährten Kontakt, sondern auch zu Akteuren, die den Regimewechsel vom Februar 1839 gut überstanden hatten und nun für die neue Administration arbeiteten. Hierzu zählte beispielsweise sein ehemaliger persönlicher Sekretär Manuel Buitrago.1419 Braun hatte diesem Ende 1839 aus Tacna und Panamá kurz vor seiner Abreise nach Europa geschrieben.1420 Manuel Buitrago seinerseits hatte schon nach der Schlacht von Yungay im Februar 1839 Braun seiner Treue und Freundschaft versichert.1421 Nach dem endgültigen Sturz der Regierung Santa Cruz und den politischen Säuberungen in Staatsapparat und Armee, die Braun sein Amt und seine Aufenthaltserlaubnis in Bolivien gekostet hatten, erneuerte Manuel Buitrago im April 1840 seine Freundschaftsbeteuerung.1422 Er tat dies, obwohl er nun im Dienste des Präsidenten Velasco und damit des politischen Gegners Brauns stand. In Velascos Sinne skizzierte Buitrago ein idealisiertes Bild der neuen Administration. Er beschrieb die scheinbare innenpolitische Ruhe und staat­liche Stabilität nach dem erfolglosen Putsch des „Verräters“1423 Ballivián. Ferner sah er einer möglichen peruanischen Invasion siegesgewiss entgegen. Darüber hinaus beschrieb Buitrago, wie sehr Braun – trotz der Ereignisse im Februar 1839 – in Bolivien noch immer geschätzt werde. Namentlich nannte er gemeinsame Freunde, wie etwa den Anhänger von Santa Cruz Sebastián Ágreda. Daneben verwies er auch auf die Wertschätzung, die Braun bei den Akteuren der neuen Administration, beispielsweise bei dem Politiker Casimiro Olañeta, genieße. Nachdem Buitrago diesem einen Absatz aus einem Brief Brauns vorgelesen habe, habe Olañeta Buitrago gebeten, Braun seine Freundschaft zu übermitteln. Selbst Präsident José Miguel Velasco habe Buitrago aufgetragen, Braun mitzuteilen, dass er gute Erinnerungen an ihn hege und ihn aufs Herzlichste grüße. Buitrago signalisierte seinem ehemaligen Vorgesetzten nicht nur mehrfach, dass dessen Rückkehr nach Bolivien nichts im Wege stünde, vielmehr fordere ihn Velasco geradezu dazu auf, zurückzukehren. Welche politischen Absichten sich 1419 Der erste Kontakt der beiden ist für April 1838 nachweisbar: 09.04.1838 Chorrillo. Estado Mayor. Lista para la revista de Nota: Se da de baja al Sor Auditor Dor. Manuel Buitrago y de atta al de la misma clase Dor. Manuel Montoya. 1p, in: ANB, MG (1838), Bd. 109. Zur Biographie Buitragos siehe: Cajías de la Vega, La provincia de Atacama, 1975, S. 183f, 210f. O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 390. 15.06.1842, Lima, Vorläufiger Friedens- und Freundschaftsvertrag zwischen Peru und Bolivien, unterzeichnet von Manuel Buitrago, in: Gobierno de Peru, Rejistro Oficial, 1854, S. 66. 1420 Dies geht hervor aus: 16.04.1840 La Paz. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 654. 1421 12.02.1839 Potosí. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 633. 1422 16.04.1840 La Paz. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 654. 1423 Ebd.

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hinter diesen Angeboten verbargen, ist unklar. Dennoch erscheint die Kommunikation der beiden merkwürdig. Schließlich zählte Braun zu den prominentesten Anhängern der Konföderation und war noch ein Dreivierteljahr zuvor des Landes verwiesen worden. Dennoch illustriert die Kommunikation zwischen Braun und Buitrago, dass es Braun über ehemalige Mitarbeiter gelang, weiterhin von mächtigen politischen Akteuren als Kommunikationspartner akzeptiert zu werden. Ganz konkret gelang es Braun durch diese alte Beziehung, über ­politische Gräben hinweg Zugang zu hohen politischen Entscheidungsträgern in Bolivien sowie detaillierte Informationen aus dem Regierungszirkel zu erhalten – und zwar über die „immense Distanz“1424 des Atlantiks hinweg, wie Manuel Buitrago betonte.1425 Otto Philipp Braun nahm auch Kontakt zu einem anderen gewichtigen Akteur der neuen Administration auf: Casimiro Olañeta. Braun und er konnten auf eine bewegte gemeinsame Vergangenheit zurückblicken. Diese schloss den wenig glanzvollen Seitenwechsel Olañetas während des Sturzes von Antonio José de S­ ucre im Jahre 1828 genauso mit ein wie das spätere politische Bündnis während der ersten Präsidentschaft von Santa Cruz.1426 Nach einer diplomatischen Mission im Auftrag von Santa Cruz nach Frankreich und Chile hatte Olañeta im Vorfeld des Regimewechsels vom Februar 1839 jedoch gemeinsam mit den Generälen Velasco und Ballivián konspiriert. Mit dem rechtzeitigen Wechsel auf die richtige Seite wurden der einstige Vertraute von Santa Cruz und Braun wieder erbitterte politische Gegner.1427 Trotz der daraus resultierenden aktuellen politischen Differenzen zwischen Braun und Olañeta schrieb ihn Braun an, und Casimiro Olañeta antwortete Braun schon einen Tag, nachdem er den Brief in seiner neuen Position als bolivianischer Botschafter in Chile im Dienste des Präsidenten Velasco in Santiago de Chile empfangen hatte. Neben ausführlichen Freundschaftsbekundungen leitete Olañeta ein Schreiben des peruanischen Generals Juan Crisóstomo Torrico an Braun weiter.1428 Torrico war ein erbitterter Gegner der peruanisch-­bolivianischen Konföderation 1424 16.04.1840 La Paz. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun Bd. 654. 1425 Ein halbes Jahr später, während einer Reise in Frankreich, antwortete Braun seinem ehemaligen persönlichen Sekretär. Leider ist nur die Ausgangsnotiz, aber nicht der Inhalt des Schreibens erhalten; 20.09.1840 Bordeaux. Braun an Buitrago, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p10/5v). 1426 Siehe hierzu den Abschnitt das Kapitel 6: „Kontakte durch Karriere 1830–1839”. 1427 Zu Casimiro Olañeta siehe: Baptista Gumucio, Otra historia de Bolivia, 1983, S. 293. Castro Rodríguez, Presidentes de la Corte Suprema, 1989, S. 39f. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 95ff, 188ff. Cusicanqui, Historia diplomática de Bolivia, 1982, S. 243ff. Gantier, Casimiro Olañeta, 1965, S. 297ff, 329ff, 383ff. Gómez de Aranda, Casimiro Olañeta, 1978, S. 93ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 347ff. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 180ff. René Moreno, Casimiro Olañeta, 1975, S. 83ff. 1428 04.08.1840 Lima. Torrico an Olañeta, in: Archiv Braun, Bd. 659.

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gewesen und hatte von Chile aus gegen sie gearbeitet. Vielleicht kannten sich Olañeta und Torrico aus jenen Tagen, als Olañeta bolivianischer Botschafter in Chile war. Torrico hatte gemeinsam mit Gamarra an der zweiten chilenischen Expedition teilgenommen und in Yungay gegen Santa Cruz gesiegt. Nun wirkte er als Generalstabschef der peruanischen Armee.1429 Aufgrund dieser Funktion hatte ihn der politisch einflussreiche Olañeta auf privatem Wege kontaktiert und darum gebeten, Braun den Aufenthalt in Arica und Arequipa zu erlauben. Anfang August 1840 antwortete Torrico positiv und gab dem Wunsch von Olañeta und Braun statt. Olañeta betonte gegenüber Braun, dass der Brief von Torrico ihm als wirksame Sicherheitsgarantie dienen werde.1430 Braun besaß nun die Erlaubnis, zu seinen Verwandten aus der Familie Rivero nach Südperu zu reisen. Dort hielt sich nicht nur seine Tochter auf, sondern dort konnte er aufgrund seines familiären Netzwerkes auf erhebliche persönliche und politische Unterstützung zählen. Braun, der Olañeta noch vor seiner Abreise nach Südamerika Ende 1841 von Europa aus antwortete, war es gelungen, einen erbitterten politischen Gegner zu einer Unterstützungsleistung für ihn zu bewegen – und zwar über den Atlantik hinweg.1431 Dies geschah, obwohl Braun zu diesem Zeitpunkt noch immer ein Vertreter der Fraktion um Andrés de Santa Cruz war und auch als solcher galt. Trotz dieser Tatsache half der politisch flexible Olañeta dem potenziell mächtigen Gegner wie auch dem gleichzeitig potenziell ebenso mächtigen Verbündeten Braun. Neben Buitrago und Olañeta pflegte Braun noch zu José Agustín de la ­Tapia, einem Anhänger des Präsidenten Velasco, Kontakt. Dies war nicht selbstver­ bgeordneter ständlich. Der Jurist und Politiker José Agustín de la Tapia war als A von La Paz im bolivianischen Kongress ein vehementer Gegner des peruanischbolivianischen Vereinigungsprojektes von Santa Cruz und damit auch von Braun gewesen. De la Tapia hatte anders als viele seiner Berufskollegen daher auch keine administrative Aufgabe in der Regierung Santa Cruz übernommen. Unter Präsident Velasco übernahm de la Tapia dann die bolivianische Gesandt1429 Auch wenn Juan Crisóstomo Torrico diese Position aufgrund eines Putschversuches gegen Gamarra im Dezember 1840 nicht mehr innehaben sollte, wog dessen Brief bis dahin schwer – zumal sich Torrico Mitte 1842 für einige Monate als Präsident durchsetzen konnte. Nach einem Exil in Bolivien kehrte er 1844 zurück nach Peru. In den 1860er Jahren fungierte Torrico als peruanischer Botschafter in Paris. Siehe auch: Basadre y Chocano, Diez años, 1953, S. 87, 143ff. Estado Militar de la República, Lima 1840, in: Carrasco, Guia de Forasteros de Peru, 1840, S. 253, 255, 263. Pike, The modern history of Peru, 1967, S. 83. Quiroz, Corrupt circles, 2008, S. 109f. Ugarte Vargas, Historia general del Perú, Bd. 8, S. 278ff. 1430 04.08.1840 Lima. Torrico an Olañeta, in: Archiv Braun, Bd. 659. 20.08.1840 Santiago de Chile. Olañeta an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 662. 1431 Zwar ist der Brief nicht erhalten, Braun notierte jedoch, dass er Olañeta am 22.08.1841 geantwortet habe: 20.08.1840 Santiago de Chile. Olañeta an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 662.

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schaft in Lima.1432 Trotz dieser politischen Differenzen wandte sich de la Tapia nach der Abreise Brauns im Juli 1839 aus Bolivien mehrmals an ihn. Von dem gemeinsamen Freund José Garitáno Zavala wusste er, dass Braun plante, nach Peru und Bolivien zurückzukehren. Hiervor warnte ihn de la Tapia eindringlich. Denn nach dem von Mariano Enrique Calvo und Sebastián Ágreda angeführten Putsch zur Regeneration der Administration von Andrés de Santa Cruz im Juni 1841 in Cochabamba könne Braun keiner Sicherheitsgarantie mehr glauben. Im Gegenteil: Braun werde bei seinem Eintreffen in Bolivien und Peru als „Agent der Konföderation bezeichnet“1433 werden – mit allen Konsequenzen. José Agustín de la Tapia riet Braun daher, lieber nach Chile zu gehen.1434

Kontakt zur Fraktion Ballivián: Pedro José de Guerra Neben dem transatlantischen Kontakt zu den Anhängern von Santa Cruz und der regierenden Fraktion von Präsident Velasco kommunizierte Braun auch mit einem Unterstützer des exilierten Generals José Ballivián, mit Pedro José de Guerra, dem bolivianischen Botschafter in Paris. Mit diesem hatte Braun spätestens seit Ende der 1830er Jahre eine persönliche Beziehung gepflegt, an die er nun anknüpfen konnte.1435 Schon aus Jamaica hatte Otto Philipp Braun Kontakt zu ihm aufgenommen und ihm kurz nach seiner Ankunft in England erneut geschrieben.1436 Guerra, der Anfang der 1830er Jahre unter Santa Cruz als bolivianischer Konsul in Peru gewirkt hatte, war Mitte des Jahrzehnts mit einer diplomatischen Mission nach Europa gereist. Dort vertrat er als bolivianischer Botschafter die Interessen seines Landes in Frankreich.1437 Trotz des 1432 José Agustín de la Tapia wurde unter Präsident Belzu an den Obersten Gerichtshof Boliviens berufen und war später Bildungsminister. Siehe etwa: 19.04.1840 Lima. Vorläufiger Friedends-, Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen Bolivien und Peru, in: Gutierrez, Colleción de los tratados, 1869, S. 129f. Barnadas, El Mariscal Braun, 1998, S. 199. Castro Rodríguez, Historia judicial de Bolivia, 1987, S. 148. Oviedo, Colleción de Leyes, Bd. 7, 1862, S. 368, 372. Salinas, Historia de la Universidad Mayor de San Andrés, Bd. 1, 1967, S. 384f. Trigo, Las constituciones de Bolivia, 1958, S. 308. Vaca Díez, Pensamiento constitucional boliviano, 1998, S. 60. 1433 27.09.1841 La Paz. De la Tapia an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 677. 1434 Ebd. 1435 20.09.1838 Arequipa. De Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 604. 1436 Zwar ist der Brief aus Jamaica nicht erhalten, doch geht dies aus folgender Abschrift hervor: 31.03.1840 London. Braun an de Guerra, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p4/2v). 1437 Pedro José de Guerra (1809–1879) bekleidete unter Präsident Ballivián hohe politische Ämter, etwa das des bolivianischen Botschafters in Frankreich bzw. Perus, das des Innenministers oder das des Präfekten von La Paz. Er zählte zu den wichtigen

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von Santa Cruz erhaltenen Postens unterhielt Guerra enge Verbindungen zu General Ballivián und zählte zu dessen Fraktion. Braun belebte mit seinem ­Schreiben aus Jamaica und London nicht nur seinen Kontakt zu Guerra wieder neu, sondern bat auch um neue Informationen aus Bolivien, über die Guerra aufgrund seiner hervorragenden Familienverbindungen verfügte. Braun schien der Kontakt zu Guerra sehr wichtig zu sein, da er diesen noch von London aus „in mein Haus“1438 nach Kassel einlud, um gemeinsam einige Zeit zu verbringen, da es in Deutschland „nicht an materiellen […] Ressourcen mangelt“1439. Guerra seinerseits schilderte Braun die neuesten – also mindestens vier Monate alten – Entwicklungen in Südamerika. Er bot Braun, den er als „meinen einzigen Freund in Europa“1440 bezeichnete, zudem an, aufgrund seiner eigenen geplanten Rückkehr nach Südamerika „all meine Sachen, meine Position und meine Geheimnisse als wahrer Freund und loyaler Ehrenmann“1441 in Paris zu übernehmen. Ob Braun auf das Angebot von Guerra einging, ist unklar. Kurz nach diesem Brief traf Braun jedoch Ende August 1840 in Paris ein.1442 Bei dieser Gelegenheit sprach er persönlich mit Pedro José de Guerra über Privates und Politisches.1443 Braun blieb jedoch nicht lange in Paris, sondern setzte seine Reise bald in Richtung Bordeaux fort, wo er sich im September 1840 aufhielt.1444 Einige Monate später wandte sich Guerra erneut an Braun. Vornehmlich leitete er Berichte über die neuesten politischen Entwicklungen in Südamerika weiter und kommentierte diese. Hierbei versuchte Guerra, sich als Unterstützer von Santa Cruz zu präsentieren, und zitierte hierfür ausführlich einen vertraulichen Brief von General Ballivián. Dieser hatte sich bitterlich bei Guerra über Braun beklagt, da er von diesem mehr Wertschätzung und Freundschaft erwartet hätte. Ballivián beleidigte – wenn man dem Zitat von Guerra glauben politischen Persönlichkeiten des Jahrzehnts in La Paz: Abecia Baldivieso, Las relaciones internacionales de Bolivia, Bd. 1, 1986, S. 481, 488. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 112, 131ff, 146. Mendoza Pizarro, Historia de la proclama de la Junta Tuitiva, 1997, S. 32. Monguió, José Joaquín de Mora, 1967, S. 289ff. Urban, The Gentleman’s magazine, Bd. 14, 1840, S. 89. Der erste Kontakt zwischen Braun und Guerra ist für das Jahr 1838 feststellbar. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sie sich schon lange vorher kennengelernt hatten. 20.09.1838 Arequipa. De Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 604. 1438 31.03.1840 London. Braun an de Guerra, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p4/2v). 1439 Ebd. 1440 14.08.1840 Paris. De Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 660. 1441 Ebd. 1442 Siehe: 29.08.1840 Paris. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p10/5v). 1443 Dies geht hervor aus: 03.05.1842 Cotaña. De Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 680. 1444 Dies geht aus seiner Reihe von dort verfassten Schreiben hervor, beispielsweise aus: 20.09.1840 Bordeaux. Braun an Gurruchaga, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p10/5v).

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will – Braun folgendermaßen: „Er ist kein Ehrenmann […] und verhält sich wie die Frau von General Santa Cruz.“1445 Guerra erklärte daraufhin, dass er Braun diese Aussage von Ballivián transkribiert habe, damit Braun wisse, dass Ballivián ihm nicht mehr traue. Guerra vermied es jedoch, die Aussage von Ballivián zu verurteilen. Er bedauerte vielmehr, dass zwei seiner guten Freunde nun Feinde seien. Guerra favorisierte die Fraktion von General Ballivián, mit dem er in engem Kontakt stand, wollte aber gleichzeitig den Kontakt zu Braun und der Fraktion von Santa Cruz nicht abbrechen.1446 Inwieweit Guerra tatsächlich eine Aussage von General Ballivián weiterleitete oder hier versuchte, durch eine Intrige einen Keil zwischen Braun und Ballivián zu treiben, kann nicht gesagt werden. Wichtig ist jedoch, dass Guerra durch sein Schreiben und das weitergeleitete Zitat aus dem im peruanischen Exil verfassten Brief von Ballivián die Fraktionsbildung politischer Allianzen und die Verfestigung persönlicher Gräben in der südamerikanischen Politik über den Atlantik hinweg demonstriert. Darüber hinaus zeigt das Verhältnis von Braun und Guerra, dass Braun in der Lage war, trotz seines Sturzes zu in Europa befindlichen Akteuren südamerikanischer Politik, wie Guerra als bolivianischen Diplomaten, Kontakt zu halten. Dies eröffnete Braun die Möglichkeit, Zugang zu dessen Netzwerk und neuen Informationen zu bekommen und letztlich auch den Kontakt zur Fraktion von General Ballivián zu halten. Dies entsprach auch der Strategie von Andrés de Santa Cruz. Dieser korrespondierte konsequent und regelmäßig mit Ballivián, trotz dessen entscheidender Rolle bei der Zerschlagung der peruanisch-bolivianischen Konföderation und des Sturzes von Santa Cruz. Er spielte jedoch – wie seinerseits General Ballivián – ein doppeltes Spiel. Auf der einen Seite versuchte er, eine gemeinsame Front gegen Präsident Velasco zu schmieden und gute Beziehungen zu Ballivián zu pflegen. Auf der anderen Seite arbeitete Santa Cruz – selbst nachdem Ballivián nach der Schlacht von Ingavi Präsident geworden war – konsequent an einer Rückkehr an die Macht in Bolivien und an der Verdrängung Balliviáns aus dem Präsidentenpalast. Während Santa Cruz Ballivián mit Schmeicheleien überhäufte, nannte er ihn hinter seinem Rücken einen „Verräter“1447 und eine 1445 24.11.1840 Paris. De Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 665. 1446 Dieses distanzierte Verhältnis von Guerra zur Fraktion von Santa Cruz geht auch aus einem Schreiben des Diplomaten José Joaquín de Mora an Braun hervor. Mora berichtete von einem unterkühlten, zehnminütigen Treffen bei einem Besuch Guerras in London. Guerra selbst hatte Braun außer von seinen Kontakten zu Ballivián und seinen Sympathien für Santa Cruz auch von den Verbindungen zu Präsident Velasco berichtet, der ihm über seinen Bruder, einen Kongressabgeordneten, ein neues Beglaubigungsschreiben und Geld angeboten hatte. 15.05.1840 London. Mora an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 655. 24.11.1840 Paris. De Guerra an Braun, in: Ebd. 1447 25.05.1842 Quito, Santa Cruz an Braun, in: Archivo Santa Cruz, in: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 113.

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„Kanaille“1448. Erst nachdem eine Reihe von Anhängern von Santa Cruz nach einem Putschversuch Anfang 1843 von Ballivián ermordet worden war, brach Santa Cruz den Kontakt ab.1449

Familiäre Netzwerke: José Rivero Brauns heute noch rekonstruierbares Netzwerk lässt sich in ein politisches, ein unternehmerisches und ein familiäres Netzwerk unterteilen. In manchen Fällen lassen sich die einzelnen Akteure nicht immer eindeutig einer einzigen Kategorie zuordnen. Beispielsweise zählt José Rivero als Schwager Brauns sicherlich zu dessen Verwandten, aber gleichzeitig gehörte er auch zu dessen politischen Bündnispartnern. Schließlich war José Rivero als Präfekt von Arequipa und Ritter der peruanischen Ehrenlegion ein hochrangiger Funktionär von Andrés de Santa Cruz gewesen. Rivero hatte den gestürzten Protektor auch auf dessen Reise ins Exil nach Ecuador begleitet.1450 Braun und Rivero besprachen neben familiären Dingen auch politische Projekte. Darüber hinaus pflegten sie geschäftliche Verbindungen.1451 Doch letztlich prägte eine bei anderen Gesprächspartnern nicht in diesem Maße anzutreffende Vertrautheit und Loyalität die Beziehung der beiden. Zum einen hatte Braun Ende 1839 seine Freundschaft zum ecuadorianischen Präsidenten Juan José Flores mobilisiert, um dessen Intervention beim peruanischen Präsidenten Gamarra zugunsten José Riveros zu erreichen. Zum anderen mobilisierte José Rivero sein Netzwerk in Südperu, um Braun eine schnelle und sichere Rückkehr zu ermöglichen. Daher soll die transatlantische Beziehung zwischen 1448 25.05.1842 Quito, Santa Cruz an Braun, in: Archivo Santa Cruz, in: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 113. 1449 Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 127ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 63ff, 72, 82ff, 112, 122f. 1450 Zu José Rivero siehe: Basadre, Diez años, 1953, S. 77, 118. Cornejo, Los Fernández Cornejo del Perú, 1949, S. 105ff. De la Riva Agüero, Memorias y Documentos, Bd. 1, 1858, S. 416. Maquito Colque, La sociedad arequipeña, 2003, S. 227. Martínez, Gobernadores de Arequipa, 1930 S. 212ff. Pardo Gámez de Belaunde, Arequipa, 1967, S. 85. Paredes, Guia de Forasteros de Lima 1837, 1836, S. 73. Paredes, Guia de Forasteros de Lima 1834, 1833, S. 27. Paredes, Guia de Forasteros de Lima 1833, 1832, S. 23, 54, 81. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 122, 153. Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S. 225. Valdivia, Memorias sobre las revoluciones de Arequipa, Bd. 5, 1958 [=1873], S. 33, 94, 118. Siehe auch Texte von Zeitzeugen: Flores, Estrada Garland, Heinrich Witt, Diario 1824–1890, Bd. 2, 1992, S. 50, 355. 1451 Beide standen mit Georg Hellmann, Vertreter des Handelshauses Huth Grüning & Co. in Tanca, in Kontakt: 09.07.1840 Braun an Rivero, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p10/5v). Flores, Estrada Garland, Heinrich Witt, Diario 1824–1890, Bd. 1, 1992, S. 298.

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Braun und Rivero an dieser Stelle auch neben den drei politischen Fraktionen von Santa Cruz, Ballivián und Velasco erörtert werden. Braun schrieb seinem Schwager kurz nach seiner Ankunft in London im April 1840. Rivero selbst hatte den Kontakt zu ihm durch Briefe über Frankreich, England und Hamburg sichergestellt. In den erhaltenen Exemplaren berichtet Rivero, wie er nach seinem ecuadorianischen Exil die Erlaubnis erhalten hatte, sich in Tacna niederzulassen.1452 Der Präfekt Manuel de Mendiburu hatte allerdings die Bedingung gestellt, dass er sich ruhig verhalten müsse. Rivero lebte in jenen Tagen im Haus des Kaufmanns und britischen Vizekonsuls Hugo (Hugh) Wilson, was noch einmal die enge Verbindung der britischen Kaufmannschaft mit den Vertretern der peruanisch-bolivianischen Konföderation unterstreicht. Hauptsächlich beschrieb Rivero seinem Schwager in seinen Briefen vom September 1840 und Januar 1841 die politische Entwicklung in Peru und Bolivien. Dabei betonte er, dass trotz aller Verfolgung noch immer viele Akteure Santa Cruz unterstützen. Hierzu kämen noch eine Reihe vormaliger Anhänger der Restauration, die von General Gamarra und General Velasco enttäuscht seien. Rivero unterstrich, dass es ein Leichtes wäre, eine Bewegung für den gestürzten Protektor zu mobilisieren. Dies sei auch dringend nötig, da die Verhältnisse für die Bevölkerung aufgrund des Chaos in Peru und Bolivien immer schlechter würden.1453 Neben diesen Schilderungen informierte er Braun über die politischen Positionen einzelner Personen. Darüber hinaus berichtete er über das Wohlbefinden der in Arequipa zurückgelassenen Tochter Brauns und bestellte Grüße der weiteren Verwandtschaft, „die sich alle danach sehnen, Sie wiederzusehen“1454. Bezüglich seiner eigenen Person beteuerte Rivero seinem „geliebten Bruder und besten Freund“1455 gegenüber – weit über die kulturell normalen Freundschafts- und Loyalitätsbekundungen hinausgehend – immer wieder seine Freundschaft. Beispielsweise formulierte er: „Der Tag, an dem ich Sie in Islay umarmen kann, wird der schönste in meinem Leben sein.“1456 Braun seinerseits erwiderte diese Beteuerungen.1457 1452 14.09.1840 Tacna. Rivero an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 664. 09.01.1841 Arequipa. Rivero an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 668. 1453 14.09.1840 Tacna. Rivero an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 664. 09.01.1841 Arequipa. Rivero an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 668. 1454 Ebd. 1455 Ebd. 1456 09.01.1841 Arequipa. Rivero an Braun, in: Archiv Braun Bd. 668. 1457 Dies geht aus einigen Schreiben von José Rivero hervor – auch wenn die von Rivero erwähnten Briefe Brauns vom 6. April, 9. Juli und 24. Dezember 1840 sowie vom 28. Februar und 15. September 1841 nicht erhalten sind. Im Ausgangsregister sind folgende Briefe Brauns erfasst, deren Inhalt aber unbekannt bleibt: 09.07.1840 Braun an Rivero, in: Archiv Braun Bd. 816 (AA p10/5v). 14.09.1840 Tacna. Rivero an Braun, in: Archiv Braun Bd. 664. 09.01.1841 Arequipa. Rivero an Braun, in: Archiv Braun Bd. 668. 28.02.1841 Braun an Rivero, in: Archiv Braun Bd. 816 (AA p11/6). 15.09.1841 Kassel. Braun an Rivero, in: Archiv Braun Bd. 816 (AA p13/7).

9. Unternehmer: Ökonomische Ressourcen und langfristige Investitionen „Ich muss sagen, dass meine Zuneigung und ein Teil meines Herzens in Amerika geblieben sind und ich keinen Moment dieses wunderbare Land vergessen werde.“1458 Otto Philipp Braun

Nach seinem Sturz pflegte Otto Philipp Braun über den Atlantik hinweg eine ausgedehnte Korrespondenz. Darüber hinaus reiste er mehrere Male auf die andere Seite des Atlantischen Ozeans. Eine so intensive Korrespondenz und ausgeprägte Reistätigkeit war zu jener Zeit sehr kostspielig. Dieses Kapitel zeigt, dass Braun durch die Teilnahme am südamerikanischen Unabhängigkeitskrieg sowie durch seine Tätigkeit unter der Regierung von Santa Cruz umfangreiche ökonomische Ressourcen erworben hatte. Diese investierte er in langfristige und profitable Unternehmungen. Hierdurch war es ihm möglich, nach seinem Sturz eine die atlantische Welt umfassende politische Betätigung auszuüben. Nach der Skizzierung des Erwerbs und der Struktur seines Vermögens soll ganz konkret gezeigt werden, dass der Unternehmer Braun in den Jahren 1839 bis 1841 einen Großteil seines Barvermögens sowie beträchtliche Mengen an Rohstoffen und damit sein Prestige als Unternehmer über den Bruch von 1839 hinüberretten konnte. Gerade Letzteres ermöglichte Braun weiterhin Zugang zur transatlantischen Kaufmannschaft in Chile, Peru, Bolivien, Ecuador, Frankreich, Großbritannien, Hamburg und Hessen-Kassel. Braun wurde von ihnen als erfolgreicher Unternehmer und angesehener Geschäftspartner auf Augenhöhe akzeptiert. Dies unterstreicht auch Brauns schnelle Hochzeit mit der Tochter eines kurhessischen Bankiers. In diesem Kapitel steht nun aber nicht die detaillierte Rekonstruktion der unternehmerischen Aktivitäten Otto Philipp Brauns im Fokus. Es soll vielmehr ein Blick auf das unternehmerische Netzwerk Brauns in Europa und Südamerika geworfen werden, das erstens die Herkunft der erheblichen Ressourcen für das transatlantische Agieren Brauns erklärt und zweitens zeigt, dass es Braun problemlos gelang, den Zugang zur transatlantischen Kaufmannschaft über den Bruch von 1839 hinweg zu erhalten und sogar noch auszubauen. Drittens soll verdeutlicht werden, dass Braun aufgrund seiner hervorragenden Beziehungen als Unternehmer zu Geschäftspartnern sowohl in Großbritannien und Frankreich als auch in Peru, in Bolivien und in Chile in der ganzen atlantischen Welt Anlaufpunkte und potenzielle Unterstützer – jenseits der politischen Fraktionen und ihrer Akteure – besaß. 1458 04.04.1840 London. Braun an Zavala, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p5/3).

  381 Unternehmer: Ökonomische Ressourcen und langfristige Investitionen 

Ein kurzer Abschnitt über die Ankunft Brauns in Kassel und seinen schnellen Zugang zu kurhessischen Kaufmannskreisen und dem dortigen Bankkapital zeigt darüber hinaus, wie Braun scheinbar problemlos in der Lage war, über den Transfer von in Südamerika gesammeltem Prestige nach Deutschland Zugang zu neuen unternehmerischen Kreisen im kontinentaleuropäischen Kurhessen zu gewinnen. Der – für Braun – katastrophale Sturz vom Februar 1839 scheint nahezu keine negativen Auswirkungen auf seinen unternehmerischen Erfolg oder auf sein Vermögen gehabt zu haben. Otto Philipp Braun war 1839 ein sehr vermögender Mann. Schließlich war er von Simón Bolívar und Santa Cruz für seine militärischen Leistungen und ­politische Loyalität nicht nur mit Ehrentiteln geschmückt, sondern auch materiell reich belohnt worden. Am Anfang standen die schon erwähnten 10.000 Pesos Prämie für den Sieg in Junín.1459 Unter Andrés de Santa Cruz erhielt Braun als General Boliviens und nach 1835 auch als General Perus sowie als Präfekt und Kriegsminister beachtliche Gehälter. Dieses Geld investierte Otto Philipp Braun in Unternehmungen in Bolivien. So betrieb er eine Kupfermine in Corocoro sowie eine Erzwäscherei in Pontezuelo. Darüber hinaus besaß Braun die ausgedehnte Hacienda „San Francisco“ in den Yungas, wo er Chinabäume anbauen ließ, deren in Europa begehrte Rinde er exportierte. Außerdem betrieb er dort die Silbermine „Pílar“ und besaß mehrere Häuser in La Paz.1460 Braun gehörte – besonders in Corocoro – zu den Pionieren des postrevolutionären Kupferbergbaus in Bolivien. Er hatte er dort keinen funktionierenden Betrieb übernommen, sondern hatte die Mine und das dazugehörige Geschäft in den 1830er Jahren nach dem Zusammenbruch der lokalen Bergbauaktivität nach einem indigenen Aufstand im Jahre 1781 von Grund auf selbst aufgebaut.1461 Er tat dies inmitten einer gravierenden strukturellen Krise des bolivianischen Bergbaus und einer desaströsen ökonomischen Gesamt­situation. Es 1459 Siehe den Abschnitt „Folgen für Felipe Braun“. 1460 Bieber, Las relaciones económicas de Bolivia con Alemania, 1984, S. 27f. Forbes, Geologia de Bolivia, 1901, S. 28ff. Mitre, Fulgor y ocaso del metal en Bolivia, 1993, S. 183. Mossbach, Streifzüge in den bolivianischen Anden, 1897, S. 25ff. Mossbach, Bolivia, 1875, S. 10f, 44f, 62f. Sanjinés Avila, Los empresarios en la historia boliviana, 2004, S. 103. Zur Silbermine Pílar siehe: Leonhard/ Geinitz, Mineralogie, 1865, S. 481. Die immer wieder kolportierte Behauptung, Braun hätte seine Mine Anfang der 1850er Jahre verkauft, ist vor dem Hintergrund der detaillierten Schilderungen von Ernst Mossbach und anderer Quellen wenig wahrscheinlich: Braun, Grundlagen, 1914, S. 260. Jiménez Chávez, Capital minero de Corocoro, 1997, S. 445. 1461 1870 La Paz, Necrologia, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 182. Gavira, Las minas de Corocoro 1750–1870, 2000, S. 107ff. Jiménez Chávez, Capital minero de Corocoro 1997, S. 439ff. Mossbach, Streifzüge in den bolivianischen Anden, 1897, S. 25. W. R., Von den Cordilleren bis zur Westküste von Peru, 1861,

382  Unternehmer: Ökonomische Ressourcen und langfristige Investitionen

waren vor allem die Folgen des langen und zerstörerischen Unabhängigkeitskrieges, die Tausende Minen verwaisen und die Infrastruktur hatten zerfallen lassen. Aber trotz dieser katastrophalen Ausgangssituation und der Tatsache, dass der bolivianische Bergbau und die Wirtschaft insgesamt noch Jahrzehnte zur Erholung benötigten, erlaubten Brauns umfangreiche Geschäfte ihm und seiner Familie einen äußerst luxuriösen Lebensstil und letztlich auch sein transatlantisches Agieren – gerade nach dem Februar 1839.1462 Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Vermögensbildung Brauns waren die erwähnten gewinnträchtigen Geschäfte mit der Rinde des Chinabaums, auch „Quina“ oder „Cascarilla“ genannt. Die Produktion dieser Rinde hatte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu einem wichtigen Wirtschaftszweig in Bolivien entwickelt. Vor allem in Europa war die Rinde wegen ihres hohen Chinin­ gehalts und ihrer damit einhergehenden antiseptischen Wirkung als Grundlage für Mittel gegen Malaria und Fieber bis nach dem Zweiten Weltkrieg sehr gefragt. In Bolivien boomten die Produktion und der Export in den 1830er bis 1850er Jahren. In den Jahren des Aufschwungs ermöglichte das Geschäft mit der Chinarinde inländischen Produzenten und ausländischen Unternehmern beträchtliche Gewinne und beeinflusste auch die bolivianische Politik. Während Santa Cruz beispielsweise versucht hatte, mit protektionistischen Mitteln eine nationale Chinin-Industrie aufzubauen, hatte Präsident Ballivián Verkaufs- und Exportrechte an die „José Tezanos Pinto y Cía Gesellschaft“ verpachtet und damit ein nur einen Akteur bevorteilendes Exportmonopol geschaffen.1463 Dessen Konkurrenten unterstützten Ende der 1840er Jahre Putsche von Manuel Isidoro Belzu, um den freien Verkauf und freien Export des Produktes zu erreichen – letztlich mit Erfolg. Während der Präsidentschaft von Belzu erlebten die QuinaProduktion und der Export der Rinde eine Blütezeit. Diese endete allerdings in den 1850er Jahren in einer Krise und der Verdrängung der bolivianischen Produkte vom Weltmarkt durch die kolumbianische Chinabaumrinde.1464 Otto S. 608ff. Zum Bergbau in Corocoro siehe auch: Singewald / Berry, Corocoro Copper District of Bolivia, 1922, S. 1. 1462 Bieber, Bolivia 1825–1850, 1989, S. 344ff. Irurozqui, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 34ff. Jiménez Chávez, Capital minero de Corocoro, 1997, S. 437ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 103ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829– 1880, 2003, S. 379f, 391f. Mitre, Moneda boliviana en el siglo XIX, 1986, S. 22ff. Mitre, La mineria boliviana en el siglo XIX, 1981, S. 40ff, 46ff. 1463 José Tezanos Pinto war ein Schwager Brauns, da er mit einer Schwester von Justa Germana Rivero verheiratet war. Siehe hierzu Kapitel 5.3: „Private Etablierung in Südamerika: Die Heirat in die Familie Rivero“, sowie: Pérez, Manuel Isidoro Belzu and the Chinchoan Bark Trade, 1998, S. 77ff. 1464 Eigentlich war es ab 1829 Ausländern verboten, sich im Cascarilla-Geschäft zu betätigen. Otto Philipp Braun war hiervon – wohl aufgrund seiner Leistungen für die Unabhängigkeit Südamerikas – jedoch nicht betroffen. Siehe zur Cascarilla-Industrie:

Unternehmerische Verbindungen in Europa



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Philipp Brauns unternehmerische Aktivität in der Produktion und dem Export dieses gefragten Produktes fiel aber in die Phase der Prosperität. Für seine Zukunft als Unternehmer und damit auch als politisch und gesellschaftlich einflussreiche Person war es für Braun von großer Bedeutung, dass er seinen Besitz und sein Vermögen über die politischen Säuberungs- und Enteignungsaktionen nach dem Sturz retten konnte. Schon früher hatte Braun für die wahrscheinlichen Folgen einer Niederlage von Santa Cruz und eines politischen Umsturzes wohlweislich Vorkehrungen getroffen.1465 Er hatte einen Teil seines Barvermögens über Wechsel mittels europäischer Handelshäuser und anderer Partner ins Ausland transferiert und damit dem Zugriff ihm feindlich gesonnener Regime entzogen.1466 Auch wenn heute keine Geschäftskorrespondenz Brauns von vor 1839 erhalten ist, kann davon ausgegangen werden, dass er sich schon lange vor seiner Ausweisung aus Bolivien intensiv seinen Geschäften gewidmet hat. Hierauf lassen nicht nur die engen Geschäftsbeziehungen zu Akteuren in Bolivien, Chile, Frankreich und Großbritannien schließen, sondern auch die Tatsache, dass Braun bei seiner Rückkehr nach Europa noch auf Waren, Wechsel und Spekulationsgeschäfte zurückgreifen konnte, die er vor seinem Sturz nach Europa exportiert bzw. transferiert hatte.

9.1 Unternehmerische Verbindungen in Europa Brauns oberstes Anliegen bei seinem Europa-Aufenthalt von 1840–1841 war es, Geld aus seinen Geschäften zu mobilisieren.1467 Beispielsweise bat er im DeBarragan, Espacio urbano y dinámica ética, 1990, S. 27ff. Block, La quina en Bolivia, 1996, S. 431ff. Domínguez/Gómez, Amazonia colombiana, 1990, S. 17ff. Jarcho, Early History of Cinchoa, 1995, S. 12ff. Macera, Cascarilla de Bolivia, 1991 S. 20ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 392, 402. Peñaloza Bretel, El auge de la quina en la provincia Larecaja, Bd. 2, 1992, S. 168ff. Pérez, Manuel Isidoro Belzu and the Chinchoan Bark Trade, 1998, S. 28ff, 43ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 131ff. Soux, Historia de una region paceña, 1991, S. 93ff. 1465 Braun hatte kurz vor der Schlacht von Yungay Berichte über Unruhen und Verschwörungen erhalten: 17.01.1839 Tupiza. Sebastian Agreda an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 629. 12.02.1839 Potosí. Manuel Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 633. Darüber hinaus hatte er schon die späteren Akteure Torrico und Ballivián identifiziert: 27.01.1839 Cochabamba. Andrés María Torrico an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 631. 1466 O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 392f. 1467 Der später von Braun eingestellte Direktor der Minen in Corocoro, Ernst Mossbach, formulierte in seinem Reisebericht, dass Braun es vor allem mit Hilfe von Freunden im Jahre 1839 gelungen war, sein Vermögen vor der Beschlagnahmung zu retten. Es ist höchst wahrscheinlich, dass es sich bei diesen Freunden um den argentinischen Immigranten Victoriano Gurruchaga und den Bolivianer José Garitáno Zavala handelte. Mossbach, Bolivia, 1875, S. 10.

384  Unternehmer: Ökonomische Ressourcen und langfristige Investitionen

zember 1839 – schon auf dem Weg nach Europa – seinen Geschäftspartner in Corocoro, Victoriano de Gurruchaga, selbst Besitzer mehrerer Minen in Bolivien mit besten Verbindungen in die argentinische Kaufmannschaft von Salta und Mitglied einer reichen und einflussreichen Familie in La Paz und Tacna, dafür zu sorgen, dass bis März 1841 4.000 bis 5.000 Pesos für ihn in Bordeaux verfügbar sein würden.1468 Eine ähnliche Bitte ging an José Garitáno Zavala, einen vermögenden Geschäftsmann und Minenbesitzer in Corocoro und Potosí. José Garitáno Zavala gehörte nicht nur einer reichen Kaufmannsfamilie mit internationalen Kontakten an, sondern war auch ein politischer Unterstützer von Andrés de Santa Cruz gewesen.1469 Braun bat ihn – wie Gurruchaga – um die Sendung von 4.000 bis 5.000 Peso seines Vermögens nach Bordeaux, vor allem, da seine Auslandsaufenthalte und Reisen eine große Summe verschlangen.1470 Noch bevor sich Braun in England daran machte, den politischen Auftrag von Santa Cruz umzusetzen, kontaktierte er daher das britische Handelshaus Gibbs & Sons und traf sich mehrere Male mit dessen Vertreter in London.1471 Dabei besprachen die Geschäftsleute vor allem den Handel mit Chinabaumrinde, die Braun auf seinem Landbesitz produzierte und – in Gemeinschaft mit den anderen Cascarilla-Produzenten – nach Europa exportierte. Hier waren es seine Partner, wie José Seoane in Bordeaux, die den Verkauf auf dem europäischen Markt organisierten und europäische Abnehmer, wie das Handelshaus Gibbs & Sons, betreuten.1472 Braun handelte aber nicht nur mit Chinabaumrinde, er verkaufte auch Kupferbarren aus seiner Mine in Corocoro an die britischen Geschäftsleute. Darüber hinaus beteiligte er sich mit ihnen an Spekulationsgeschäften gegen den Sulfatpreis in Frankreich.1473 Neben den unternehmerischen Verbindungen ermöglichte es das Haus Gibbs & Sons auch, dass Braun geheime Briefe über dessen Schiffsverbindungen und Vertretungen in Valparaíso nach Südamerika und bei seinen Aufenthalten ab 1842 von dort nach Europa – bei-

1468 06.12.1839 Panamá, Braun an Guruchaga, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p73/38). 1469 Jiménez Chávez, Capital minero de Corocoro, 1997, S. 446. Flores, Estrada Garland, Heinrich Witt, Diario 1824–1890, Bd. 2, 1992, S. 68. Flores, Estrada Garland, Heinrich Witt, Diario 1824–1890, Bd. 1, 1992, S. 84, 309. 1470 06.12.1839 Panamá. Braun an Zavala, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p73/37). 1471 Anthony Gibbs & Sons, The Gibbs Archive, 1984, S. 1ff. Anthony Gibbs & Sons, Merchants and Bankers, 1958, S. 79ff. Mathew, Antony Gibbs & Sons, 1977, S. 338f. 1472 31.03.1840 London. Braun an Seoane, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p1/1). 04.04.1840 London. Braun an Zavala, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p5/3). 11.04.1840 London. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p8/4v). 26.05.1840 Kassel. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p9/5). 10.08.1841 Braun an Seoane, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p12/6v). 1473 02.04.1840 London. Braun an Gurruchaga, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p4/2v). 04.04.1840 London. Braun an Zavala, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p5/3).

Unternehmerische Verbindungen in Europa



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spielsweise an seine Söhne – schicken konnte.1474 Auch nach seiner zwischenzeitlichen Rückkehr nach Südamerika hielt Braun den Kontakt zu Gibbs & Sons nach London.1475 Die meisten Protagonisten des braunschen Netzwerkes – die Gebrüder Gibbs, Victoriano Gurruchaga und José Garitáno Zavala in La Paz, José Seoane in Barcelona/Bordeaux sowie Francisco de los Heros in Paris/ Bordeaux – standen durch ihre Geschäfte in engem Kontakt miteinander und kannten sich.1476 Einer der wichtigsten und einflussreichsten Geschäftspartner von Braun in Frankreich war Francisco de los Heros. Dieser hatte als peruanischer HaciendaBesitzer aus Arequipa mit der Produktion und dem Handel von Chinabaumrinde ein großes Vermögen erworben. Im Jahre 1837 galt er als erfolgreichster Cascarilla-Unternehmer der peruanisch-bolivianischen Konföderation. Er schloss sich mit den restlichen Produzenten zusammen, um gemeinsam für alle vorteilhafte Verträge mit internationalen Handelshäusern abzuschließen. Das so entstandene Monopol teilte die Cascarilla-Ernte auf die Handelshäuser Gibbs & Sons in London, Santa Coloma & Co. in Bordeaux und Charles Latham & Co. in Le Havre auf.1477 Wenig später siedelte de los Heros nach Frankreich über. Dort heiratete er und betrieb seine Geschäfte weiter – unter anderem mit Otto Philipp Braun.1478 Dieser hatte ihm schon wenige Tage nach seiner Ankunft in London geschrieben. Dabei kündigte er eine baldige Reise nach Frankreich an, um persönlich über den Verkauf seiner bei de los Heros lagernden Cascarilla-Bestände zu sprechen.1479 Zu diesen Gesprächen kam es wahrscheinlich bei der mehrmonatigen Reise Brauns nach Frankreich im Sommer 1840, die Braun nach einem kurzen Aufenthalt in Kassel bei seiner Familie unternahm. Neben ihren Geschäften tauschten sich die beiden Geschäftspartner auch über die aktuelle politische Lage in Südamerika aus, wobei de los Heros nicht in die Rückkehrversuche von Santa Cruz verwickelt 1474 09.07.1840 Braun an Rivero, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p10/5v). 03.06.1842 „por el mismo vapor“. Braun an seine Muttter in Kassel, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v). 1475 08.04.1842 „por vapor Chile“. Braun an Gibbs & Sons, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v). 09.05.1843 Arica. Felipe Braun an die Herren Gibbs, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AAp17/9). 23.06.1843 Valparaíso. Braun an Gibbs & Sons, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p17/9). 1476 Die gegenseitige Korrespondenz ist durch Querverweise auf die anderen Akteure, die Weiterleitung von Informationen und die Einschätzung von Entwicklungen gekennzeichnet. 1477 Delondre/Bouchardat, The Cinchona Barks, 1855, S. 79. 1478 Basadre, Riquezas de Peru, 1884, S. 153f. Leguía y Martínez, Historia de la emancipación del Perú, Bd. 4, 1972, S. 674. Neira Avendaño, Historia general de Arequipa, 1990, S. 492. Pardo Gámez de Belaunde, Arequipa, 1967, S. 367. 1479 31.03.1840 London. Braun an de los Heros, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p3/2).

386  Unternehmer: Ökonomische Ressourcen und langfristige Investitionen

werden wollte. Zwar bot dieser Braun seine Unterstützung und die Hilfe seiner Freunde an, betonte jedoch zugleich in für jene Tage ungewohnter Offenheit, dass er – trotz aller persönlichen Sympathie – Santa Cruz nicht schreiben könne, da dies im Falle der Entdeckung durch politische Gegner zu Komplikationen für ihn und damit für seine Geschäfte führen würde.1480 Die zweite wichtige Person für Braun in Frankreich war José Seoane, der bolivianische Konsul in Bordeaux.1481 Auch diesem hatte Braun sofort nach seiner Ankunft in London geschrieben.1482 Aus dem Schriftverkehr der beiden geht hervor, dass Seoane die unternehmerischen Interessen Brauns in Frankreich vertrat – und zwar schon vor 1839.1483 Im März 1840 wies Braun Seoane an, für die Einlösung der aus Südamerika von Gurruchaga und Zavala nach Bordeaux geschickten Wechsel zugunsten Brauns zu sorgen. Hierbei handelte es sich um ansehnliche Beträge von mehreren Tausend Pesos und Franc – ­allein für die genannten Wechsel.1484 Die in Bordeaux lagernden Waren Brauns waren nochmals mehrere Zehntausend Franc wert. Braun schien sehr großes Vertrauen in seinen Geschäftspartner Seoane besessen zu haben, da er ihm im Frühling 1840 die Verwaltung des in Bordeaux befindlichen Vermögens, hauptsächlich die Erlöse des Kupfer- und Chinabaumrindenverkaufs, bis zu seiner für Ende 1841 geplanten Rückkehr nach Südamerika übertrug. Erst dann wollte Braun darauf zurückgreifen.1485 Wie zuvor angekündigt, mobilisierte Braun im Sommer 1841 einen Teil des in Bordeaux lagernden Vermögens. Braun wies Seoane an, die für jene Tage beträchtliche Summe von 85.000 Franc nach Kassel zu überweisen.1486 Braun 1480 24.06.1840 Bordeaux. De los Heros an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 657. 02.11.1841 Lyon. De los Heros an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 678. 1481 Bordeaux war im 19. Jahrhundert einer der ökonomisch wichtigsten Atlantikhäfen Frankreichs. Weber, Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel, 2004, S.154ff. José Seoane vertrat während der Präsidentschaft von José María Linares ab 1853 Bolivien am britischen und ab 1861 auch am spanischen Hof. Darüber hinaus hatte Seoane in den Jahren 1847–1848 die Bestrebungen des bolivianischen Botschafters in Spanien, José María Linares, ein von Juan José Flores, Andrés de Santa Cruz und José Joaquín de Mora vorangetriebenes Monarchieprojekt am spanischen Hof zu verhindern, unterstützt. Albarracín, El poder minero, Bd. 1, 1972, S. 19. Vázquez-Machicado, ­Monarquía en Bolivia, 1951, S. 19. Vázquez-Machicado, La diplomacia boliviana en la corte de Isabel II, 1941, S. 46, 59, 92. 1482 31.03.1840 London. Braun an Seoane, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p1/1). 1483 Im Jahre 1838 hatte Braun den Verkauf von über 1.000 Kupferbarren aus Corocoro über Seoane abgewickelt, siehe: Ebd. 1484 Ebd. 1485 11.04.1840 London. Braun an Seoane, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p7/4). 11.06.1840 Braun an Seoane, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p10/5v). 1486 Wie viel Geld Braun letztlich tatsächlich nach Kassel überweisen ließ, geht aus den erhaltenen Dokumenten nicht klar hervor, es werden unterschiedliche Beträge von

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stand mit seinem Geschäftspartner nicht nur kontinuierlich in schriftlichem Kontakt.1487 Es ist sehr wahrscheinlich, dass Braun José Seoane bei seiner Reise nach Frankreich im Sommer 1840 besuchte. Schließlich machte Braun in Paris und Bordeaux, dem Wohnort des bolivianischen Konsuls, Halt.1488

9.2 Unternehmerische Verbindungen in Südamerika Trotz der großen Entfernung zwischen Europa und Südamerika und der daraus resultierenden Zeitverzögerung und den somit erheblichen Schwierig­keiten bei der Kommunikation tauschte sich Braun von Europa aus kontinuierlich mit seinen Geschäftspartnern in Südamerika aus. Hier sind in Bolivien Victoriano Gurruchaga in Corocoro und La Paz und José Garitáno Zavala in La Paz zu nennen. Daneben kommunizierte Braun auch mit Kaufleuten wie Georg Hellmann in Tacna (Peru) oder dem Handelshaus Huth Grüning & Co. in Valparaíso (Chile). Der schon erwähnte Victoriano Gurruchaga vertrat nicht nur Brauns Mineninteressen in Corocoro, sondern beide pflegten auch privaten Austausch.1489 Braun hatte auch ihm sofort nach seiner Ankunft in London geschrieben und mit ihm während seines ganzen Europa-Aufenthaltes kontinuierlich Kontakt gehalten.1490 Allein von Braun sind zehn Briefe innerhalb von 20 Monaten bekannt.1491 Neben dem Weiterleiten der neuesten Nachrichten über Politik und Familie konzentrierte sich die Kommunikation der beiden auf das Geschäft. 54.000 bis 90.000 Francs genannt. Es ist jedoch klar, dass es sich um mehrere Zehntausend Franc handelte. 08.06.1841 Braun an Seoane, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p11/6). Siehe hierzu auch: 09.06.1841 Braun an Camilo Calvet, in: Ebd. 19.06.1841 Braun an Camilo Calvet, in: Ebd. 26.06.1841 Braun an Seoane, in: Archiv Braun, Bd.  816 (AA p12/6v). 19.07.1841 Braun an Camilo Calvet, in: Ebd. 10.08.1841 Braun an Seoane, in: Ebd. 1487 Braun und Seoane korrespondierten regelmäßig. Dies geht aus den wenigen überlieferten Briefen hervorgeht, da sie viele Hinweise auf weitere Briefe enthalten. Siehe etwa: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p1/1, p7/4, p10/5v, p10/5v, p10/5v, p11/6 [2x], p12/6v [2x]). 1488 11.06.1840 Braun an Seoane, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p10/5v). 29.08.1840 Paris. Braun an Santa Cruz, in: Ebd., 20.09.1840 Bordeaux. Felipe Braun an Gurruchaga, in: Ebd. 1489 Zu Victoriano Gurruchaga siehe: Añez Ribera, La legación de la coca, 1991, S. 50. Aranzaes, Diccionario Histórico, 1915, S. 664. Gavira, Las minas de Corocoro 1750– 1870, 2000, S. 131, 134. Gironda Cabrera, Coca inmortal, 2001, S. 53. Jiménez Chávez, Capital minero de Corocoro, 1997, S. 443. Platt, La metalurgia boliviana, Bd. 6, 1997, S. 101. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 25. 1490 04.04.1840 London. Braun an Gurruchaga, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p3/2). 1491 Archiv Braun, Bd. 816 (AA p3/2, p4/2v, p6/3v, p9/5, p10/5v [5x], p11/6, p12/6v, p13/7).

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Braun empfahl Gurruchaga beispielsweise, das Kupfer über Arica zu verschiffen und es nicht mehr in Barren zu transportieren.1492 Ferner berichtete Braun Gurruchaga nach seinem Besuch in Bordeaux, wie der Handel mit Kupfer noch effizienter durchgeführt werden könnte.1493 Braun kommunizierte auch regelmäßig mit José Garitáno Zavala in La Paz.1494 Auch mit ihm verband er gemeinsame Mineninteressen im Kupfergeschäft.1495 Neben dem Austausch über dieses Geschäft hatte Braun Zavala von London aus angewiesen, einen Wechsel über mehrere Tausend Pesos zu seinen Gunsten an Seoane nach Bordeaux zu schicken. Daneben informierte Braun aus Kassel oder während seiner Frankreichreise Zavala über die neuesten Entwicklungen auf dem Cascarilla- und Sulfatmarkt oder über das Kupfergeschäft in Europa. Er berichtete auch über die Geschäfte mit Gibbs & Sons und ließ über ihn eine Reihe von Bekannten grüßen.1496 Zavala seinerseits informierte die in Bolivien verbliebenen Freunde Brauns über dessen Leben in Europa – wie zuvor bei ­Casimiro Olañeta thematisiert.1497 Braun pflegte von Europa aus aber nicht nur zu seinen engen bolivianischen Geschäftspartnern Gurruchaga und Zavala Kontakt, sondern auch zu anderen Kaufleuten und Unternehmern in Südamerika. Beispielsweise kommunizierte Braun mit José María del Valle in Tacna, einem vermögenden spanischen Kaufmann.1498 Über diesen ließ er eine Reihe von Briefen an seine Gesprächspartner in Bolivien, Peru und Ecuador, wie etwa General Andrés de Santa Cruz, oder auch Verwandte, wie seine Schwiegermutter, oder an Geschäftspartner, wie Zavala und Gurruchaga, übermitteln.1499 Ein weiterer Gesprächspartner, George Hellmann, befand sich ebenfalls in Tacna. Der gebürtige Brite deutscher Abstammung leitete dort die Dependance des Handelshauses Friedrich Huth Grüning & Co.,1500 das 1492 02.04.1840 London. Braun an Gurruchaga, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p4/2v). 1493 03.09.1840 Braun an Gurruchaga, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p10/5v). 1494 Insgesamt wissen wir von sechs Briefen binnen 20 Monaten von Braun an Zavala und zwei Briefen von Zavala an Braun, siehe: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p5/3, p10/5v, p10/5v, p11/6, p12/6v, p13/7). 1495 Dies geht aus der Korrespondenz sowie aus Mossbach, Bolivia, 1875, S. 10, hervor. 1496 04.04.1840 London. Braun an Zavala, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p5/3). 03.09.1840 Braun an Zavala, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p10/5v). 1497 Siehe hierzu das Kapitel: 8. „Wiederaufsteig: Einfluss in der atlantischen Welt 1839– 1841“. 1498 Basadre, Riquezas de Peru, 1884, S. 24. Cavagnaro Orellano, Tacna, 2000, S. 137. Santivañez, José Ballivián, 1891, S. 90. 1499 08.07.1841 Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p12/6v). 08.07.1841 Braun an Joséfa Abrill, in: Ebd. 08.07.1841 Braun an Zavala, Gurruchaga, Valle, in: Ebd. 1500 Friedrich Huth Grüning & Co. war noch vor Anthony Gibbs & Sons das wichtigste Handelshaus in Valparaíso. Ab 1845 war dessen Chef August Kindermann erster Kon-

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seinen Hauptsitz in Valparaíso hatte.1501 Über George Hellmann in Tacna und Friedrich Huth in Valparaíso bereitete Braun seine Rückkehr nach Südamerika im Herbst 1841 vor, indem er über das Handelshaus einige Kisten Gepäck von Hamburg nach Arica vorausschickte.1502 Auch dieses Handelshaus leitete Briefe Brauns aus E ­ uropa an ihre Empfänger in Peru und Bolivien weiter.1503

9.3 Zugang zum kurhessischen Kaufmannskapital London hatte Braun im Frühling 1840 sehr gut gefallen. Denn „diese große Stadt erscheint mir als eine wahrhaftige Miniatur der Welt, und hätte ich nicht das unendliche Verlangen, schnell meine Familie in Deutschland wiederzusehen, würde ich noch ein wenig hier bleiben, um alles das zu bewundern, was das Genie des Menschen hier erschaffen hat“1504. Aber Braun reiste Mitte April 1840 ab, um endlich seine Familie in Kassel nach fast 22 Jahren Abwesenheit – weit über die Hälfte seines bisherigen Lebens – wiederzusehen. Seine Reise von Südamerika über England nach Deutschland gab Braun aber auch Anlass, über das während der letzten beiden Jahrzehnte Erlebte nachzudenken. So gestand er seinen Freunden in Südamerika, dass „meine Zuneigung und ein Teil meines Herzens in Amerika geblieben sind und ich keinen Moment dieses wunderbare Land vergessen werde“1505. Er plane schon seine baldige Rückreise dorthin. Bevor er aber seine Rückkehr antrat, erreichte Braun am 22. April 1840 erst einmal Kassel.1506 Wenige Tage später berichtete die „Kasselsche Allgemeine Zeitung“, dass „[i]n unsern Mauern […] jetzt der aus Südamerika zum Besuche der Seinigen heimgekehrte bolivianische General Otto Philipp Braun

sul Hamburgs in Valparaíso. Kellenbenz, Deutsche Kaufleute in Valparaíso, 1990, S. 131ff. Kunz, Chile und die deutschen Colonien, 1891, S. 44, 161f. Weber, Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel, 2004, S. 294. 1501 Converse, Die Deutschen in Chile, 1979, S. 320. Flores, Estrada Garland, Heinrich Witt, Diario 1824–1890, Bd. 2, 1992, S. 145. Winkelbauer, Die österreichisch-chilenischen Beziehungen, 1988. Der Bruder Georg Hellmanns, Christian Hellmann, war Konsul der Hansestadt Hamburg in Lima und ebenfalls Kaufmann: Kellenbenz, Deutsche Kaufleute in Valparaíso, 1990, S. 137. 1502 15.09.1841 Kassel. Braun an George Hellmann, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p13/7). 15.09.1841 Kassel. Braun an Huth Grüning & Comp., in: Ebd. Weitere Briefe: 1841/42 Jamaica. Braun an Hellmann, in: Ebd. 1841/42 Falmouth (GB). Braun an Hellmann, in: Ebd. 1503 01.03.1841 Braun an Zavala, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p11/6). 1504 04.04.1840 London. Braun an Gurruchaga, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p3/2). 1505 04.04.1840 London. Braun an Zavala, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p5/3). 1506 Michaelis-Braun, Otto Philipp Braun, 1914, S. 256.

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[weilt]“1507. Der Ankündigung folgte eine Beschreibung der Höhepunkte der Karriere Brauns, vor allem der Schlachten von Junín, Ayacucho, Tarqui und der Feldzug in Nordargentinien mit der Schlacht von Montenegro, aber auch die Teilnahme „als 15-jähriger Jüngling [im] vaterländischen Feldzug von 1814 als Freiwilliger Jäger zu Pferd“1508 fand Erwähnung. Der Artikel zeigt, dass die Rückkehr Brauns keine reine Privatsache, sondern in Kassel ein öffentliches Ereignis war. Dies erscheint ungewöhnlich, da mit Friedrich Wilhelm I. ein erzkonservativer Regent das Kurhessen des Vormärzes regierte.1509 Dieser – so die Überlieferung von Brauns Neffen – soll den bolivianischen Großmarschall als „ungeratenen Sohn und Rebell“1510 ­gegen die gottgewollte Herrschaft Spaniens über Südamerika angesehen und daher abgelehnt haben. Die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse im Kurfürstentum machen den Artikel über Braun, der sich von der regulären Berichterstattung in Umfang und Gegenstand deutlich absetzt, daher zu etwas Besonderem. Insgesamt deutet nichts auf eine niedergeschlagene Rückkehr eines Gefallenen und Vertriebenen hin, sondern alles – wie obiger Zeitungsartikel belegt – auf einen freudigen Empfang durch das Bürgertum der Stadt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Einzug Brauns tatsächlich die „für ganz Kassel […] bestaunte Haupt- und Staatsneuigkeit“1511 war, als die sie ein Neffe Brauns später darstellte. Über die unmittelbare Ankunft Brauns bei seiner Familie ist wenig bekannt – außer dass Braun bis 1845 in seinem Elternhaus bei seiner Mutter wohnte, bevor er in eine ansehnliche Villa in die Kölnische Straße zog.1512 Die Freude über die Rückkehr des reichen und berühmten Sohnes, Bruders und Onkels wird 1507 26.04.1840 Kassel. In unseren Mauern..., in: Kasselsche Allgemeine Zeitung, 26. April 1840 Murhardsche Bibliothek. 1508 Ebd. 1509 Demandt, Geschichte des Landes Hessen, 1972, S. 544ff. Seier, Kurhessen und sein Ende, 1983, S. 160ff. Wolff, Absolutismus und Aufklärung in Hessen-Kassel, 1983, S. 141ff. 1510 21.07.1891 Kassel, Braun, Otto, Mein Onkel, in: Casseler Tageblatt und Anzeiger. 22.07.1891 Kassel, Braun, Otto, Mein Onkel, in: Casseler Tageblatt und Anzeiger. Benecke, Der Königsplatz, 1908, S. 250ff. 1511 21.07.1891 Kassel, Braun, Otto, Mein Onkel, in: Casseler Tageblatt und Anzeiger. 22.07.1891 Kassel, Braun, Otto, Mein Onkel, in: Casseler Tageblatt und Anzeiger. Weltrich/Braun, Johann Philipp Otto Braun, 1904, S. 483. Der Artikel von Weltrich enthält neben einigen einleitenden Worten eine Autobiographie, die Otto Braun vor seinem Tod verfasst hatte. Siehe hierzu: Braun, Grundlagen, 1914, S. 181ff. 1512 Im Jahre 1841 gab das „Casselsche Adressbuch“ Brauns Adresse mit dem Elternhaus in der Unteren Königsstraße 979 an: Preime, Casselsches Adreß-Buch für das Jahr 1841, 1841, S. 30, 32 ab 1845 mit Köllnische Straße 307. Preime, Casselsches ­Adreß-Buch für das Jahr 1845, 1845, S. 30. Das Haus Brauns wurde bei den Bombardierungen Kassels im Zweiten Weltkrieg zerstört und ist heute nicht mehr erhalten.

Zugang zum kurhessischen Kaufmannskapital



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sicherlich groß gewesen sein – auch wenn sein Vater Ludwig Theodor und sein Bruder Friedrich Braun, mit dem er mehrmals aus Südamerika korrespondiert hatte, schon verstorben waren.1513 Zwar hatte Otto Philipp Braun sich offensichtlich nach einem Besuch bei seiner Familie in Kassel gesehnt, eine endgültige Entscheidung für einen längeren Aufenthalt in Kassel bedeutete dies jedoch nicht. Braun blieb lediglich vier Monate, also von Mitte April bis Ende August 1840, in Kassel. Dann reiste er weiter nach Paris und Bordeaux, um sich dort um sein Kupfer- und Cascarilla-Geschäft zu kümmern. Von Herbst 1840 bis September 1841 hielt sich Braun wieder in Kassel auf.1514 Was Braun während dieser Zeit in Kassel tat, wen er traf und mit wem er verkehrte, ist vollkommen unklar. Sein Neffe Otto Braun, der Journalist und Aktivist der 1848er-Studentenbewegung, berichtete Jahre später, wie sein O ­ nkel nach seiner Rückkehr im Sommer 1840 „um des Glanzes seines Namens wie auch seiner persönlichen Liebenswürdigkeit willen bald eine der angesehensten und populärsten Persönlichkeiten der Kasseler Gesellschaft“1515 war. Ob Braun schon bei seinem Aufenthalt 1840 bis 1841 in Kassel tatsächlich eine solch angesehene Position in der kurfürstlichen Gesellschaft innehatte, lässt sich zwar nicht allein aufgrund der Aussage seines Neffen feststellen. Es gibt jedoch ein gewichtiges Argument für dessen Behauptung: Am 4. August 1841 heiratete Otto Philipp Braun die über 20 Jahre jüngere Emma Barensfeld.1516 Sie war die Tochter von Christian Samuel Barensfeld, einem fast mit Otto Philipp Braun gleichaltrigen kurhessischen Kaufmann und Bankier. Er war Mitglied des Direktoriums der „Kasseler Leih- und Commerzbank“.1517 Schon vor der Hochzeit hatte Braun das Geldhaus des zukünftigen Schwiegervaters benutzt, um mehrere Zehntausend Franc – Gelderlös aus seinen Kupfer- und Cascarilla-Geschäften in Frankreich – nach Kassel an die „Bankiers Breiding und Barensfeld“1518 zu überweisen. Braun hatte also die über 20 Jahre jüngere Tochter eines Geschäftspartners geheiratet. Von wem der Wunsch nach einer Verbindung ausging, ist 1513 Braun, Grundlagen, 1914, S.159, 164. 1514 Hierauf deuten auf jeden Fall die Ortsbezeichnungen in den Ausgangsabschriften hin, siehe: Archiv Braun, Bd. 816 (AA). 1515 Weltrich/Braun, Johann Philipp Otto Braun, 1904, S. 483. 1516 Braune/Preuschhof, Trauungen aus der Casselischen Policey und Commercienzeitung 1791–1830, 2005, S. 199. 1517 Olten spricht von einem „regelrechten Schwindelunternehmen“. Klüssendorf berichtet von dem guten Ruf des Hauses bis zu seinem Zusammenbruch im Jahre 1859. Lobe, Wanderungen durch Cassel und Umgegend, 1837, S. 98. Klüssendorf, Papiergeld und Staatsschulden, 1984, S. 132ff. Olten, Karl Murhard. Nationalökonom in Kassel, 1990, S. 74. Seier / Grothe, Akten und Briefe, 1992, S. 17. 1518 08.06.1841 Braun an Seoane, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p11/6). 09.06.1841 Braun an Camilo Calvet, in: Ebd. 19.07.1841 Braun an Camilo Calvet, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p12/6v).

392  Unternehmer: Ökonomische Ressourcen und langfristige Investitionen

unklar. Klar ist jedoch, dass Braun mit seinem Schwiegervater bei seinen Reisen nach Südamerika stets in Verbindung blieb.1519 Auch wenn die Inhalte dieser Briefe heute unbekannt sind, liegt aufgrund der aus den Ausgangsverzeichnissen zu ersehenden, häufig parallelen Versendung an andere Geschäftspartner Brauns, etwa an José Seoane nach Bordeaux oder an deutsche Handelshäuser, die Vermutung nahe, dass Braun nicht nur aus privaten Gründen seinem Schwiegervater in Kassel schrieb, sondern auch aus unternehmerischen. Letztlich ist es auch gar nicht entscheidend. Die schnelle Hochzeit Brauns in die angesehene Bankiersfamilie Barensfeld verdeutlicht jedenfalls, wie das kurhessische Bürgertum Braun als gesellschaftlich angesehene Person akzeptierte. Mit der Heirat stabilisierte sich nicht nur Brauns Netzwerk in Deutschland und Europa, sondern erweiterte sich auch erheblich. Als Otto Philipp Braun mit seiner neuen Ehefrau Emma Braun Ende September 1841 Kassel verließ und über Jamaica (Januar 1842), Islay (19. März 1842) und Cobija (21. März 1842) nach Valparaíso reiste, hinterließ er in Europa ein festes familiäres Netzwerk und ein erhebliches, über den biographischen Bruch von 1839 gerettetes Vermögen.

1519 Braun schickte über ein Dutzend Briefe während seiner Rückkehr 1841 nach Südamerika an seinen Schwiegervater, siehe: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p13/7 [2x], p14/7v [2x], p15/8 [2x], p16/8v [4x], p17/9 [3x]).

10. Kontinuierlicher Einfluss in der atlantischen Welt 1841–1855 „Sie sind der Mann, den La Paz braucht.“1520 Präsident Belzu an Braun (1848)

Nachdem Otto Philipp Braun in den Monaten unmittelbar nach seinem Sturz im Februar 1839 sein physisches, ökonomisches und politisches Überleben gesichert hatte, beteiligte er sich in den 1840er und 1850er Jahren hinter den Kulissen intensiv an politischen Prozessen in Südamerika. Dieses Kapitel zeigt, dass Braun dies unabhängig von seinem geographischen Aufenthaltsort in Chile, Peru, Bolivien, Großbritannien, Frankreich oder Deutschland tat. Zwar verließ Braun den südamerikanischen Kontinent mehrmals, doch blieb er stets im dazugehörigen Raum südamerikanischer Politik. Dabei zeigt das Beispiel Otto Philipp Brauns und das seiner Netzwerkpartner, dass dieser p ­ olitische Raum weit in die atlantische Welt – bis ins europäische Hinterland – reichte. Um dies deutlich zu machen, wird in diesem Kapitel Brauns Leben in den 1840er und 1850er Jahren rekonstruiert. Immer dort, wo es zum besseren Verständnis der Rolle Brauns notwendig ist, wird auch auf den historischen Kontext, wie zum Beispiel die britische Außenpolitik und die Entwicklungen in Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien, Chile und Argentinien, eingegangen. Dabei möchte dieses Kapitel zeigen, dass es Braun gelungen war, trotz seines Sturzes im Jahre 1839 jederzeit Zugang zur bolivianischen Staatsspitze und zu politischen Akteuren in der Region zu erhalten – und zwar über Jahrzehnte hinweg. Es gilt dabei zu betonen, dass Braun bei jeder Administration, unabhängig davon, welche politische Fraktion gerade regierte, also zu den teils sehr unterschiedlichen Regierungen von José Ballivián, José Miguel de Velasco, Manuel Isidoro Belzu und Jorge Córdova, bis weit in die 1850er Jahre politischen Einfluss und Zugang besaß. Brauns Zugang zur jeweils regierenden politischen Fraktion hinderte ihn jedoch nicht daran, Kontakte auch zu den entsprechenden oppositionellen Kreisen zu pflegen oder sich sogar an deren revolutionären Vorhaben aktiv – etwa als transatlantischer Agent – zu beteiligen. Dabei war Braun stets Anhänger von Santa Cruz. Einen weiteren Hinweis auf die transatlantische Ausdehnung des Raumes südamerikanischer Politik liefert die Tatsache, dass Brauns Prestige und Einfluss aus Südamerika von europäischen Spitzenpolitikern anerkannt und in Prestige und Einfluss in Europa umgewandelt wurden. Es lässt sich vor dem Hintergrund des über die Grenzen von Ländern, Kontinenten und politischen Fraktionen trans1520 14.04.1849 Cochabamba. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 728.

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Kontinuierlicher Einfluss in der atlantischen Welt 1841–1855

ferierten und über Jahrzehnte auf beiden Seiten des Atlantiks erhaltenen gesellschaftlichen Prestiges und politischen Einflusses geradezu von einer Zirkulation von Prestige und Einfluss in der atlantischen Welt sprechen.

10.1 Rückkehr und Restaurationsversuche von Andrés de Santa Cruz 1841–1843 Otto Philipp Braun kehrte Ende 1841 über London, Falmouth, Jamaica und Panamá nach Südamerika zurück. Hierbei begleitete ihn lediglich seine neue deutsche Frau Emma Braun. Seine Söhne Luis und José Manuel Braun besuchten derweil in Dresden die Schule.1521 Braun hatte geplant, über Panamá, wo er sich im Dezember 1841 aufhielt, und Peru Anfang 1842 nach Bolivien zu reisen. Jedoch verhinderten sowohl in Islay, Tacna und Arica die Behörden Ende März 1842 Brauns Einreise nach Peru. Dort war er noch immer eine Persona non grata, zumal Peru gerade die schwere Niederlage von Ingavi gegen Bolivien im November 1841 zu verarbeiten hatte.1522 Auch der Versuch Brauns, im bolivianischen Hafenstädtchen Cobija einzureisen, scheiterte am Widerstand der lokalen Präfektur. Aus diesem Grund setzte Braun seine Reise fort und begab sich nach Valparaíso (Chile), das er Anfang April 1842 erreichte.1523 Braun lebte dort bis Ende des Jahres 1843 im unfreiwilligen Exil. Die Stadt war ihm nicht unbekannt. Braun hatte 1829 in Valparaíso einige Monate im Anschluss an den peruanisch-

1521 Braun hatte das Vorhaben seiner lang ersehnten Rückkehr nach Europa, um seinen Söhnen eine fundierte Ausbildung zukommen zu lassen, in die Tat umgesetzt. Ganz konkret besuchten die Söhne das 1829 gegründete Blochmann-Vitzthum Gymnasium unter der Leitung von Prof. Dr. Karl Justus Blochmann. Es diente als „höhere Bildungsanstalt für Knaben der bemittelten Stände“. Siehe: Braun, Grundlagen, 1914, S.  259ff. Matzerath, Sächsischer Adel 1763–1866, 2006, S.  222f. Pierer, UniversalLexikon, Bd. 2, 1857, S. 995f. 22.07.1842 Braun an „meine Söhne“ in Dresden, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p15/8). 15.01.1843 Braun an Blochmann, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p16/8v). 1522 Irurozqui, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 115ff. Kieffer Guzmán, Ingavi, 1991, S. 392ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 116f. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 386ff. 1523 Die Umstände der verweigerten Einreise und die Reisestationen gehen hervor aus: 19.03.1842 Islay. Braun an José Rivero, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AAp13/7). 21.03.1842 Cobija. Braun an Gurruchaga, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p13/7). 03.05.1842 Cotaña. Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 680. 03.05.1842 ­Guayaquil. Ramón Herrera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 681. 02.08.1842 Sucre. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 686. 13.08.1842 Guayaquil. Ramón Herrera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 687. 08.10.1842 Bordeaux. De los Heros an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 691.

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großkolumbianischen Krieg verbracht.1524 Darüber hinaus konnte er dort auf ein tragfähiges Netzwerk zurückgreifen, etwa auf seine Bekanntschaft mit dem Veteranen des chilenischen Unabhängigkeitskrieges und Stadtkommandanten von Santiago de Chile, General Benjamín Viel. Diesen hatte Braun Jahre zuvor in einer schwierigen persönlichen Situation finanziell unterstützt.1525 Ferner hatte Braun unternehmerische Kontakte nach Chile gepflegt und befand sich in der Gesellschaft einer ganzen Reihe exilierter Bolivianer und Anhänger von Andrés de Santa Cruz, wie etwa Sebastian Ágreda, Gregorio Gómez de Goytia und Juan García del Río, mit denen er – wie dieses Kapitel zeigen soll – vor allem politisch zusammenarbeitete.1526

Kontakte zur Administration Ballivián Kurz nach seiner Ankunft in Chile im April 1842 begann Braun, seine Kontakte zu der ihm nicht wohlgesonnenen Administration von José Ballivián zu mobilisieren, vor allem, um die Einreiseverbote nach Peru und Bolivien aufheben zu lassen. Trotz erheblicher Differenzen zwischen Otto Philipp Braun und José Ballivián, die das Jahr 1839 nicht nur zu politischen, sondern auch zu persönlichen Feinden gemacht hatte, interagierte Braun mit drei hohen Funktionären der neuen 1524 Siehe hierzu den Abschnitt „Die Vereinbarung von Girón und Brauns diplomatische Mission“. 1525 Dies geht vor allem aus einem Schreiben von Benjamín Viel hervor, der Braun anbot, ein Haus in Santiago de Chile für ihn zu organisieren und dabei auf viele gemeinsame Freunde verwies. Auch bot er Braun alle erdenkliche Hilfe an, da auch dieser ihm in der Vergangenheit „nobel und großzügig“ geholfen habe. Nach der Gefangennahme von Santa Cruz im November 1843 wurde Benjamín Viel für den prominenten Gefangenen verantwortlich. Santa Cruz hatte die Unterstützung Viels im Jahre 1834 durch Otto Philipp Braun befürwortet. Bevor er sich in Südamerika San Martin anschloss, hatte der gebürtige Franzose Viel in Spanien und Waterloo gekämpft. Neben vielen administrativen Posten wirkte er Anfang der 1840er Jahre als Stadtkommandant von Santiago de Chile. Beide kannten sich spätestens seit 1834, als Braun Viel finanziell unterstützte. Beide pflegten auch freundschaftliche Beziehungen zu José Joaquín de Mora. Siehe: 11.08.1834 Tacna. Benjamín Viel an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 227. 19.08.1834 La Paz. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd.  817 (AA p17/9). 15.06.1842 Santiago de Chile. Viel an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 683. Ferner: Arancibia Clavel, El Ejército de los chilenos, 2007, S. 135. Barros Arana, Chile 1841–1851, 2003 [=1906], S. 386ff. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 138ff. Nuñez Muñoz, Poder y emancipación, 2007, S. 142f. Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 131f. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 290. 1526 Dies geht hervor aus den Grüßen Juan García del Ríos an „alle bolivianischen Ehrenmänner [in Valparaíso], deren Anliegen der Sturz von Ballivián, Olañeta und Co ist“. Siehe: 12.07.1843 Santiago de Chile. García del Río an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 711.

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Regierung: Manuel Buitrago, Pedro José de Guerra und Casimiro Olañeta. Mit Manuel Buitrago, seinem ehemaligen Adjutanten, hatte Braun schon in der Zeit nach 1839 in engem – auch transatlantischem – Kontakt gestanden. Dieser hatte ihm damals als Verbindungsmann zu Präsident José Miguel Velasco gedient. Zwar hatte Buitrago im April 1840 José Ballivián nach dessen gescheitertem Putschversuch Braun gegenüber als „Verräter“1527 beschimpft, dies war für ihn jedoch kein Hindernis, nach dem Sieg Balliviáns in der Schlacht von Ingavi diesem als hoher Mitarbeiter zu dienen.1528 Trotz dieses in jenen Tagen nicht ungewöhnlichen Loyalitätswechsels hielt Buitrago zum gestürzten Großmarschall von Montenegro kontinuierlich Kontakt. Nachdem er von Casimiro Olañeta, der inzwischen ebenfalls der Administration Ballivián diente, erfahren hatte, dass Braun aus Europa nach Südamerika zurückgekehrt war, hatte er Braun nach dessen Ankunft in Valparaíso geschrieben. Dabei sparte Buitrago im April 1842 nicht mit schmeichelnden Worten und Freundschaftsbeteuerungen. Er versprach, er werde veranlassen, dass sich die Tore nach Bolivien für Braun bald öffnen würden. Denn dort werde er so „geschätzt wie vorher“1529. Darüber hinaus versicherte Buitrago: „Die Regierung und besonders General Ballivián zeigen Ihnen gegenüber vollkommenes Vertrauen […].“1530 Buitrago ging noch weiter, indem er geradezu um Braun warb: „Ich beschwöre Sie, kommen Sie hierher und genießen Sie mit Ihren Freunden die große Zukunft, die sich mit dem Sieg von Ingavi für dieses glückliche Land eröffnet hat.“1531 Nun würden Toleranz und Patriotismus regieren. Es existiere „keine andere Partei mehr als die Nation, die alle mit dem gleichen Vertrauen begegnet“1532. Wenig später kündigte Buitrago Taten an. Er versicherte Braun, er werde an Präsident Ballivián herantreten und veranlassen, dass dieser den peruanischen Behörden in Lima, Tacna und Arica schreibe, Braun das nächste Mal einreisen und nach Bolivien gehen zu lassen. Darüber hinaus plane er, den Brief, den er von Braun aus Valparaíso Anfang Juni 1842 erhalten habe, dem Präsidenten vorzulesen, da ihm der Inhalt sicherlich gefallen werde.1533 Zwar ist dieses Schreiben Brauns nicht erhalten, jedoch zeigt diese Kommunikation, wie leicht es Braun fiel, aufgrund seines Prestiges und Einflusses hinter den Kulissen Zugang zu hochrangigen Akteuren der Administration von José Ballivián und damit zum unmittelbaren Kreis um den Präsidenten zu erhalten – ganz unabhängig von seiner mehrjährigen Abwesenheit und aktuellen politischen und persönlichen 1527 16.04.1840 La Paz. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 654. 1528 Siehe zu Buitrago: Cajías de la Vega, La provincia de Atacama, 1975, S. 183f, 210f. O’Connor, Recuerdos, 1916, S. 390. 1529 19.04.1842 La Paz. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 679. 1530 Ebd. 1531 Ebd. 1532 Ebd. 1533 02.08.1842 Sucre. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 686.

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Differenzen.1534 Es muss dabei erwähnt werden, dass sich die Regierung Ballivián wohl bewusst war, dass Andrés de Santa Cruz derweil von Guayaquil aus noch immer danach strebte, seine Regierung in Bolivien wiederherzustellen. Es war ebenfalls klar, dass Otto Philipp Braun nicht zu dessen Gegnern gehörte. Nichtsdestotrotz wies Präsident Ballivián wenig später den Präfekten von Cobija, Manuel Rodríguez, an, wenn Braun nach Bolivien käme, diesen mit der ihm geschuldeten Hochachtung zu behandeln, „als einen General, der Bolivien so viele Dienste geleistet hat, und als einen meiner besonderen Freunde“1535. Dies war nicht ironisch, sondern ernst gemeint.1536 Darüber hinaus nahm der bolivianische Präsident auf Bitten von Buitrago Kontakt mit politischen Freunden im peruanischen Tacna auf und bat diese, Braun in Zukunft einreisen zu lassen – was diese auch zusagten.1537 Mit beiden Schreiben hätte Braun Mitte 1842 nach Peru und Bolivien einreisen können. Doch er zögerte. Manuel Buitrago zeigte sich im Oktober 1842 auch sehr verwundert darüber, dass Braun noch immer in Valparaíso sei. Er forderte seinen ehemaligen Vorgesetzten nochmals vehement auf, „die erste Gelegenheit zu nutzen, nach Arica zu reisen“1538. Er warb dabei für die neue Regierung, indem er betonte: „Es scheint, dass wir mit dieser Administration einige Jahre der Ruhe und des wirklichen Fortschritts haben werden.“1539 Was die konkreten politischen Absichten hinter dem Werben Buitragos um Braun waren, ob dieser etwa für die neue Administration gewonnen werden sollte, konnte anhand der Quellen nicht geklärt werden. Hinter den Kulissen jedenfalls war das Misstrauen der neuen Regierung gegenüber Braun – trotz aller rhetorischen Freundschaftsbeteuerungen – sehr groß. Letztlich sollte sich dieses Misstrauen auch als gerechtfertigt erweisen, weshalb Buitrago seine Einladung Anfang des Jahres 1843 auch wieder zurückzog. Bevor jedoch auf diese Entwicklung eingegangen wird, soll Brauns Interaktion mit einem anderen wichtigen Verbündeten von Präsident Ballivián rekonstruiert werden. Pedro José de Guerra war zwar von Andrés de Santa Cruz als bolivianischer Botschafter nach Frankreich entsandt worden, doch Guerra 1534 Leider ist der Brief Brauns an Buitrago nicht erhalten: 03.06.1842 Valparaíso. Braun an Buitrago, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v). 1535 29.08.1842 La Mar. Manuel Rodríguez an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 688. 1536 Otto Philipp Braun hatte von sich aus dem Präfekten Rodriguez schon zuvor mehrmals geschrieben: 03.06.1842 Valparaíso. Braun an Rodriguez, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v).19.06.1842 Braun an Rodriguez, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p15/8). 22.07.1842 Braun an Rodriguez, in: Ebd. 23.08.1842 Braun an Rodriguez, in: Ebd. 29.08.1842 La Mar. Manuel Rodríguez an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 688. 15.09.1842 Braun an Rodriguez, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p15/8). 02.11.1842 Braun an Rodriguez, in: Ebd. 22.11.1842 Braun an Rodriguez, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p16/8v). 1537 09.10.1842 Sucre. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 692. 1538 Ebd. 1539 Ebd.

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gehörte schon vor der Schlacht von Ingavi zu den Anhängern von José Ballivián. Von 1840 bis 1841, als sich Braun und Guerra gleichzeitig in Europa aufhielten, hatten beide, die – wie in Kapitel acht erwähnt – seit Ende der 1830er Jahren eine Freundschaft pflegten, in engem Briefkontakt gestanden und sich im Sommer 1840 in Paris auch persönlich getroffen.1540 Während Otto Philipp Braun jedoch ins unfreiwillige Exil gedrängt wurde, übernahm Pedro José de Guerra, der einige Zeit vor Braun aus Europa nach Südamerika zurückgekehrt war, hohe politische Ämter in der Administration von José Ballivián und fungierte als Berater des Präsidenten.1541 Trotz langjähriger politischer Differenzen drückte Guerra im Mai 1842 seine Freude über Brauns Rückkehr nach Südamerika aus. Auch freute er sich über einen von Casimiro Olañeta überbrachten Brief Brauns an ihn und deutete eine Möglichkeit der Annäherung an Präsident Ballivián an.1542 Nichtsdestotrotz müssen Brauns Antwortschreiben wenig harmonisch ausgefallen sein.1543 In einem ungewöhnlich langen, zehnseitigen Brief Guerras von Anfang August 1842 reihte sich eine Entschuldigung und Verteidigung an die nächste. Er sei beispielsweise weder träge noch faul. Um diese von Braun wohl vorgebrachten Vorwürfe zu entkräften, lud Guerra Braun sogleich auf seine private Hacienda nach Bolivien ein und versicherte, noch am selben Tag Präsident Ballivián zu schreiben. Darüber hinaus berichtete Guerra, dass er mit Ballivián mehrere Male über Braun gesprochen habe. Dabei habe sich Ballivián wohlwollend über ihn geäußert und auf seine Verdienste verwiesen.1544 Die Auseinandersetzung zwischen Braun und Guerra scheint jedoch nicht von Dauer gewesen zu sein, da Guerra und Braun vier Wochen später wieder in vertrauter Harmonie kommunizierten. Guerra berichtete nicht nur, dass er nun bolivianischer Botschafter in Lima werde – einer der wohl einflussreichsten diplomatischen Posten der neuen Administration – sondern auch, dass er erneut mit dem Präsidenten über Braun gesprochen habe. Dieser habe ihm versichert, Braun zu seinen Freunden zu zählen. Guerra schloss mit der Einladung an Braun, ihn bei seinem einmonatigen Aufenthalt in Tacna treffen und persönlich sprechen zu wollen.1545 1540 Siehe zu de Guerra auch den Abschnitt „Kontakt zur Fraktion Ballivián: Pedro José de Guerra“ sowie: 20.09.1838 Arequipa. Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 604. 1541 Siehe zu de Guerra auch den Abschnitt: Kontakt zur Fraktion Ballivián: Pedro José de Guerra sowie Abecia Baldivieso, Las relaciones internacionales en la historia de Bolivia, Bd. 1, 1986, S. 481, 488. 1542 03.05.1842 Cotaña. Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 680. 1543 Die Ausgänge sind verzeichnet, jedoch nicht der Inhalt. Die Briefe sind heute verschollen: 11.05.1842 Braun an Guerra, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v). 18.06.1842 Braun an Guerra, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p15/8). 1544 01.08.1842 Cotaña. Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 685. 1545 02.09.1842 Chuquisaca. Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 689.

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Mit wohlwollenden Worten über Braun ließ es Präsident Ballivián derweil nicht bewenden, da er der Meinung war, „Braun könne, so oft er wolle, nach Bolivien einreisen“1546. Nach der Intervention von Manuel Buitrago und Pedro José de Guerra zugunsten Felipe Brauns hatte José Ballivián tatsächlich seinen Präfekten in Cobija angewiesen, Braun die Einreise zu gewähren, und darüber hinaus peruanische Behörden kontaktiert und um dasselbe gebeten.1547 Die Bitte Balliviáns, des Siegers von Ingavi, bei der von ihm geschlagenen und im politischen Chaos versinkenden peruanischen Regierung zugunsten Brauns zeigte Wirkung. Im November 1842 stellte der peruanische Außenminister Benito Lazo Braun eine offizielle Einreiseerlaubnis sowie eine Aufenthaltserlaubnis für Arequipa, „den Sitz seiner Familie“1548, aus. Dabei garantierte die peruanische Regierung auch seine Sicherheit, was aufgrund Brauns „vorherigen Engagements [für Santa Cruz, Anm. RK]“1549 nicht unwichtig war. Von Pedro José de Guerra hatte er schon einen Monat zuvor, im Oktober 1842, einen diplomatischen Passierschein erhalten. Wenn dieser in Lima als neuer bolivianischer Botschafter anerkannt sein würde, bräuchte Braun lediglich das aktuelle Datum einzutragen und könne ohne Probleme einreisen. Sollte es unerwarteterweise dennoch Schwierigkeiten geben, werde sich Guerra mit all seinem öffentlichen Ansehen für Braun einsetzen.1550 Über die formelle Ermöglichung der Einreise nach Peru und Bolivien hinaus beteuerte Guerra, dass Präsident Ballivián Brauns „ewiger Freund“1551 sei. Letztlich trennten jedoch Braun und Ballivián, trotz aller harmonisierenden Rhetorik von Guerra und Buitrago, unüberwindbare Gräben. Braun weigerte sich hartnäckig, sich persönlich an Präsident Ballivián zu wenden und ihn mit dieser Unterwerfungsgeste als legitimen Präsidenten Boliviens anzuerkennen. Dies warf Ballivián wohl Guerra vor, als dieser zugunsten Brauns bei ihm vorsprach. Braun legitimierte wiederum bei Guerra sein Verhalten mehrmals. Ballivián muss wohl, als Guerra ihm die Gründe für Brauns Schweigen berichtete, verärgert reagiert haben, denn laut Guerra antwortete er diesem: „Selbst wenn er Gründe hat, mir nicht zu schreiben, habe ich viele weitere, ihm nie wieder als Freund oder Ehrenmann zu trauen.“1552 Denn mitten im Aufruhr habe Braun Vorwände gesucht, sich im Leben als Privatmann einzurichten. War dies vielleicht eine Anspielung auf 1546 18.10.1842 Tacna. Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 694. 1547 Dies geht hervor aus: 29.08.1842 La Mar. Rodríguez an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 688. 09.10.1842 Sucre. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 692. 1548 22.11.1842 Lima. Nr. 340. Dekret. Benito Lazo, in: Archiv Braun, Bd. 695. 1549 Ebd. 1550 18.10.1842 Tacna. Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 694. Siehe auch: 27.11.1842 Lima. Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 696. 1551 18.10.1842 Tacna. Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 694. 1552 18.10.1842 Tacna. Guerra an Braun, in: Archiv Braun Bd. 694.

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Kontinuierlicher Einfluss in der atlantischen Welt 1841–1855

Brauns Agieren während des gescheiterten Putschversuches von José Ballivián gegen Präsident Velasco im Juli 1839? Daneben warf Ballivián Braun vor, noch immer den Ideen von Andrés de Santa Cruz anzuhängen. Guerra versuchte, diese „mit allen Punkten und Kommas transkribierten“1553 Aussagen des Präsidenten als Zeugnis für dessen Zuneigung und Wohlwollen Braun gegenüber zu interpretieren. Ihm stelle sich das Verhältnis der beiden so dar, „dass Sie beide wie ein verliebtes Paar sind, bei dem jeweils der eine von dem anderen erwartet, dass er mit dem anderen rede“1554. Guerra schloss jedoch mit der eindeutigen Meinung, dass es jetzt die Aufgabe von Braun sei, auf Ballivián zuzugehen. Zu einer Versöhnung zwischen Braun und Ballivián sollte es zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht kommen. Wie groß das Misstrauen des Präsidenten gegenüber Braun war, zeigt auch die Kommunikation zwischen Otto Philipp Braun und Casimiro Olañeta, dem neuen bolivianischen Botschafter in Chile. Während Braun als loyaler Gefolgsmann von Santa Cruz als Exilant in Valparaíso lebte, hatte Olañeta die Seiten zu Präsident Velasco und dann zu Präsident Ballivián jeweils rechtzeitig gewechselt.1555 Trotz erheblicher politischer Differenzen zwischen Braun und Olañeta, die von ihrer aktuell unterschied­lichen Positionierung, aber auch von Konflikten in der Vergangenheit herrührten, wandte sich Braun im Juni 1842 an ihn.1556 Beide hatten ja auch über den Atlantik hinweg Kontakt gepflegt. Olañeta hatte Braun darüber hinaus mit seiner Intervention Mitte des Jahres 1840 beim peruanischen General Juan Crisóstomo Torrico ganz konkrete Unterstützung geleistet.1557 Casimiro Olañeta seinerseits antwortete auf das Schreiben Brauns – immerhin ein Gegner seines obersten Vorgesetzten – mit einem äußerst höflich und freundschaftlich gehaltenen Brief. Er wies sogleich jedoch, trotz aller Freundschaft, darauf hin, dass er hoffe, Santa Cruz gehe bald nach Europa, da so viele seiner Anhänger unter dessen Rückkehrversuchen leiden würden – eine Anspielung auf die Einreiseschwierigkeiten Brauns und die Verfolgung von Anhängern von Santa Cruz durch José Ballivián in Bolivien. Olañeta formulierte ganz unumwunden, auch Brauns Einreise nach Bolivien oder Peru sei erst frei von Verdacht, wenn Santa Cruz sich nicht mehr in Südamerika aufhielte.1558 Im Umkehrschluss bedeute dies allerdings, dass eine Reise Brauns nach Peru und Bolivien bei gleichzeitiger Anwesenheit von Andrés de Santa Cruz in Südamerika sehr wohl Verdacht erwecken würde – trotz aller 1553 18.10.1842 Tacna. Guerra an Braun, in: Archiv Braun Bd. 694. 1554 Ebd. 1555 Die Zeit der Präsidentschaft von Manuel Isidoro Belzu hatte Olañeta allerdings in Peru und Argentinien im Exil verbringen müssen. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 95ff. Gantier, Casimiro Olañeta, 1965, S. 361ff, 383ff 1556 19.06.1842 Braun an Olañeta, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p15/8). 1557 Siehe hierzu auch den Abschnitt „Kontakt zur Fraktion Velasco“. 1558 09.10.1842 Santiago de Chile. Olañeta an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 693.

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Beteuerungen von Otto Philipp Braun, sich nur um seine privaten Unternehmungen kümmern zu wollen.

Warnungen privater Freunde und ehemaliger Weggefährten Otto Philipp Braun pflegte nicht nur zu Vertretern der neuen Administration Kontakt, sondern auch zu Persönlichkeiten außerhalb des politischen Lebens. Mit diesen Gesprächspartnern tauschte sich Braun über die aktuellen Entwicklungen, aber auch über seine persönlichen Pläne aus. Zwei wichtige Gesprächspartner waren der spanische Arzt José Passamán in Lima sowie der Kaufmann Bonifacio de Ayaldeburu in Tacna. Otto Philipp Braun und José Passamán hatten sich im Jahre 1832 über Santa Cruz kennengelernt, kurz nachdem der bolivianische Präsident Passamán beauftragt hatte, unter anderem eine Medizinische Fakultät sowie ein Krankenhaus in La Paz aufzubauen. Im Zuge dieser Tätigkeiten hatte Passamán über Jahre beruflich Kontakt mit dem Präfekten des Departements, der damals Felipe Braun hieß.1559 Aber auch privat tauschten sich beide aus, da Passamán die gesundheitlichen Probleme von Brauns erster Frau behandelte.1560 Ende der 1830er Jahre war Passamán nach Lima übergesiedelt, wo ihn im April und Juni 1842 zwei Briefe Otto Philipp Brauns aus Chile erreichten.1561 Zwar sind die Schreiben selbst nicht mehr erhalten, aber aus der Antwort José Passamáns von Anfang Juli 1842 geht hervor, dass Braun ihn nicht nur aufgrund der Geburt seiner Tochter Juanita um medizinischen Rat gefragt, sondern vor allem um dessen Meinung zu seinen Plänen, nach Peru und Bolivien zurückzukehren, gebeten hatte.1562 Passamán, der keine politische Agenda, wie etwa Manuel Buitrago, Pedro José de Guerra und Casimiro Olañeta, verfolgte, riet Braun ausdrücklich von einer Rückkehr nach Bolivien ab. 1559 Zu José Passamán siehe: Balcázar, Historia de la medicina en Bolivia, 1956, S. 337ff, 701. Costa Ardúz, José Passamán, 2005, S. 299ff. Costa Casaretto, José de Passamán, 1984, S. 503ff. Monguió, José Joaquín de Mora, 1967, S. 203, 327. Salinas, Historia de la Universidad San Andrés, Bd. 1, 1967, S. 207ff. Siehe beispielhaft folgende Primärquellen: 29.11.1833 La Paz. Passamán an Braun, in: ANB, MI, Bd. 45 Nr. 26.01.10.1834 La Paz. Gehälterbudget der medizinischen Fakultät, unterzeichnet von José Passamán (Direktor), ebenso von Felipe Braun (01.10.1834), in: ANB, MI, Bd. 50 Nr. 23.. 1560 Siehe hierzu den Abschnitt „Präfekt und Militärkommandeur von La Paz 1834– 1835“ sowie: 14.03.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 150. 26.07.1832 La Paz. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 157. 27.08.1832 Chuquisaca. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 160. 1561 08.04.1842 Braun an Passamán, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v). 03.06.1842 Valparaíso. Braun an Passamán, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v). 1562 06.07.1842 Lima. Passamán an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 684.

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Denn „solange Don Andrés lebt, wird der aktuelle Regierungschef Sie immer mit Misstrauen betrachten“1563. Dabei deutete Passamán an, dass dies in den gegenwärtigen Zeiten im Zweifel Repression, Verfolgung und Tod bedeuten könne. Denn „in diesen Tagen riskieren Bürger bis hin zu einem tödlichen Ende viel“1564. Schließlich waren sowohl in Peru als auch in Bolivien schon einige Akteure aus politischen Gründen ermordet worden. Passamán begründete diese Gefahr für Braun nicht nur mit dessen Nähe zu Andrés de Santa Cruz, sondern auch mit den politischen Leistungen Brauns während seiner Zeit als Präfekt in La Paz und als Kommandierender General der bolivianischen Armee. Brauns frühere politischen und militärischen Erfolge machten ihn – in Anbetracht der beklagenswerten aktuellen Situation in Bolivien – bei den derzeitigen Regierenden mehr als unbeliebt. Daher formulierte Passamán unmissverständlich: „[S]olange Don Andres lebt, sollten Sie nicht daran denken, nach Bolivien zu gehen. Es wäre besser, wenn Sie sich in Tacna aufhielten.“1565 Hierfür hatte José Passamán unaufgefordert einen seiner Freunde in der peruanischen Regierung kontaktiert und um einen Passierschein und eine Aufenthaltserlaubnis für Braun gebeten – also von sich aus Unterstützung für Braun mobilisiert. Ganz ähnlich wie José Passamán argumentierte Bonifacio de Ayaldeburu. Dieser war Vertreter des La Pazer Unternehmers José Garitáno Zavala in Tacna und über diese Verbindung gut mit Braun bekannt.1566 Braun hatte Ayaldeburu aus Valparaíso mehrmals geschrieben.1567 Neben Informationen über die aktuellen politischen Entwicklungen in Peru und Bolivien riet dieser Braun eindringlich davon ab, nach Bolivien oder Peru zurückzukehren, sondern schlug ihm vor, in Chile abzuwarten, bis sich die Situation beruhigt habe.1568 Es rieten jedoch nicht nur politisch weniger involvierte Personen, wie José Passamán oder Bonifacio Ayaldeburu, Braun von einer Rückkehr nach Bolivien ab. Auch langjährige Weggefährten, wie etwa Ramón Herrera, warnten Braun, nicht sofort nach Bolivien zurückzukehren.1569 Herrera und Braun hatten in Ayacucho gekämpft und unter Andrés de Santa Cruz als Militärs und Politiker gewirkt. Während der peruanisch-bolivianischen Konföderation war Ramón Herrera sogar Präsident des südperuanischen Teilstaates der Konföderation gewesen. Im Februar 1839 war er dann aber den politischen Säuberun1563 06.07.1842 Lima. Passamán an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 684. 1564 Ebd. 1565 Ebd. 1566 Rosenblitt, El Comercio tacanariqueño, 2010, S. 85ff. 1567 Zur Korrespondenz Brauns mit Ayaldeburu siehe: 30.05.1842 Braun an Ayaldeburu, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v). 22.07.1842 Braun an Ayaldeburu, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p15/8). 02.11.1842 Braun an Ayaldeburu, in: Ebd. 07.03.1843 Braun an Ayaldeburu, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p17/9). 1568 05.10.1842 Ayaldeburu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 690. 1569 13.08.1842 Guayaquil. Ramón Herrera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 687.

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gen der neuen peruanischen Regierung zum Opfer gefallen. Ramón Herrera hatte Santa Cruz ins Exil nach Ecuador begleitet und lebte jetzt auch dort.1570 Inzwischen hatte sich Herrera jedoch von den politischen Rückkehrprojekten seines ehemaligen Präsidenten distanziert. Spätestens ab Anfang 1843 stand er ihnen ablehnend gegenüber. Er sparte auch nicht mit Kritik an dem zögerlichen Verhalten von Santa Cruz während günstiger Gelegenheiten im Jahre 1841.1571 Herrera fällte über den ehemaligen Protektor das harte Urteil, „dass seine guten Tage längst vergangen sind und sie niemals wiederkehren werden“1572. Trotz dieser politischen Differenzen – denn Braun unterstützte, wie der nächste Abschnitt zeigen wird, Santa Cruz noch immer – pflegten Herrera und Braun einen regelmäßigen privaten Briefkontakt.1573 Ramón Herrera riet Braun aber nicht nur, „noch ein wenig Zeit verstreichen zu lassen, um die Situation besser einschätzen zu können“1574, sondern betonte, Braun solle sich an keiner „Niederträchtigkeit“1575 beteiligen. Hierbei handelte es sich um eine deutliche Anspielung auf die zu dieser Zeit in Ecuador, Peru, Chile und Bolivien auf Hochtouren laufenden Vorbereitungen für einen groß angelegten Putsch zur

1570 Ramón Herrera (1799–1882) gehörte neben Braun und anderen zu den wichtigsten und fähigsten Mitstreitern von Andrés de Santa Cruz. Dieser hatte ihn 1829 – ähnlich wie Braun – angeworben. Der erste Kontakt zwischen Braun und Herrera lässt sich allerdings erst für das Jahr 1833 nachweisen, als Herrera als Präfekt von Cochabamba seinem Amtskollegen Felipe Braun in La Paz schrieb. Ab 1835 ist private Kommunikation feststellbar. Nach seiner Distanzierung von Santa Cruz fiel Herrera beim ehemaligen Protektor in Ungnade. In einem Brief vom Mai 1854 äußert sich Santa Cruz über den „falschen und schwachen“ Herrera äußerst negativ. Siehe insgesamt: 19.09.1833 Cochabamba. Herrera an Braun, in: ANB, MG (1834), Nr. 11, Bd. 70. 12.12.1837 Cuzco. Herrera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 484. 01.05.1854 Paris. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 762. Siehe auch: Basadre, La iniciación de la República, 2002 [=1929], S. 85, 139ff. Díaz Arguedas, Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 79ff. Díaz Arguedas, Los generales de Bolivia, 1929, S. 157ff. Denegri Luna, Ramón Herrera, 1966, S. 194ff. 1571 18.04.1843 Punta Española. Herrera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 708. 1572 Ebd. Ein ganz ähnliches Urteil hatte Brauns Geschäftspartner in Bordeaux, Francisco de los Heros, gefällt: 08.10.1842 Bordeaux. De los Heros an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 691. 1573 08.04.1842 Braun an Herrera, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v). 03.05.1842 Guayaquil. Herrera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 681. 30.05.1842 Braun an Herrera, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v). 22.07.1842 Braun an Herrera, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p15/8).13.08.1842 Guayaquil. Herrera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 687. 25.09.1842 Braun an Herrera, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p15/8). 18.04.1843 Punta Española. Herrera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 708. 1574 13.08.1842 Guayaquil. Herrera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 687. 1575 Ebd.

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Restaurierung der Regierung von Andrés de Santa Cruz in Bolivien, die Anfang 1843 ihre erste Wirkung zeigen sollte.1576 Vor dem Hintergrund der eindringlichen Warnungen von Freunden vor den Gefahren einer vorzeitigen Rückkehr nach Bolivien oder Peru wird verständlich, warum Otto Philipp Braun so lange zögerte, die Einladungen der Vertreter der Regierung von José Ballivián trotz aller freundschaftlichen Verbindungen und wiederholter Beteuerungen anzunehmen. Es wird ersichtlich, dass Braun den Sicherheitsgarantien und Freundschaftsbeteuerungen schlichtweg nicht traute. Über dieses Misstrauen hinaus zeigen die Kontakte Brauns in die Administration von José Ballivián, sein unfreiwilliges Exil sowie die Ratschläge politisch wenig involvierter Freunde, wie sehr Braun – trotz jahrelanger Abwesenheit – noch immer Teil der politischen Prozesse im andinen Raum war und wie problemlos es ihm gelang, Kontakte zu pflegen. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätten weder peruanische noch bolivianische Behörden Anlass gehabt, Braun die Einreise zu verweigern. Darüber hinaus wäre die Causa Braun auch nicht auf allerhöchster Regierungsebene behandelt worden und hätte Braun keinen Anlass für sein Misstrauen gehabt.

Die Putschversuche von Andrés de Santa Cruz 1843 Otto Philipp Braun betonte in Schreiben an diverse Akteure, wie etwa an Manuel Buitrago, Pedro José de Guerra oder Ramón Herrera, dass es sein einziges Ziel bei einer Reise nach Peru und Bolivien sei, seine privaten Geschäfte zu organisieren und Südamerika dann für eine lange Zeit, vielleicht sogar für immer, zu verlassen. An Politik habe er kein Interesse. Dies sollte den Verdacht entkräften, Braun werde seine Reise für Konspirationen im Auftrag von Andrés de Santa Cruz nutzen.1577 Als die politische Situation immer angespannter wurde und Gerüchte von einem unmittelbar bevorstehenden Putsch gegen Ballivián in Umlauf kamen, kündigte Braun seinen Kontakten in der zu stürzenden Ad1576 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 51ff. Arguedas, Los Caudillos Letrados, 1923, S. 316ff. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 132ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 68ff, 120ff. Diaz Arguedas, Trayetoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 345ff. Díaz Arguedas, Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 31ff. Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 111ff. Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S. 248ff. 1577 Zwar sind die Briefe Brauns nicht mehr erhalten, diese Argumentation geht jedoch aus den Antwortschreiben seiner Korrespondenzpartner eindeutig hervor. Siehe vor allem: 03.05.1842 Guayaquil. Herrera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 681. 21.03.1843 Lima. Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 705. 18.04.1843 Punta Española. Herrera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 708. 30.05.1843 Sucre. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 709.

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ministration an, bald wieder nach Europa zu reisen.1578 Selbst nach Ereignissen, die etwas anderes nahelegten, hielt Braun nach außen die Version des unbeteiligten Privatiers aufrecht. Ramón Herrera etwa unterstrich im April 1843 als Reaktion auf einen Brief von Braun: „Wir können darauf stolz sein, unsere Hände niemals schmutzig gemacht und uns niemals an irgendeiner Revolution beteiligt zu haben.“1579 Auf den ersten Blick scheint dies in der Tat auch für Otto Philipp Braun zu gelten. Denn in seinem von ihm selbst geordneten Nachlass finden sich tatsächlich nahezu keine Hinweise auf eine Beteiligung an Pro-Santa-Cruz-Verschwörungen. Im Gegenteil: Hier sind lediglich Briefe verwahrt, die der Version des von der Öffentlichkeit zurückgezogenen Privatiers unterstützen. Beispielsweise ist dort im relevanten Zeitraum kein Brief von Santa Cruz oder von irgendeinem seiner engen Mitverschwörer zu finden. Dies überrascht. Schließlich standen Andrés de Santa Cruz und Otto Philipp Braun selbst in den Jahren unmittelbar nach dem Zusammenbruch der peruanischbolivianischen Konföderation in regelmäßigem Kontakt.1580 Sollten Braun und Santa Cruz, nachdem sie jahrelang über den Atlantik hinweg kommuniziert hatten, bei Brauns Aufenthalt in Südamerika ab Januar 1842 trotz erheblich erleichterter Kommunikationsmöglichkeiten und baldiger revolutionärer Ereignisse plötzlich ihren Kontakt abgebrochen haben? Zwar legen dies der Nachlass von Braun und das Schreiben von Herrera nahe, doch vor allem die in einer anderen Sammlung befindlichen Ausgangsabschriften von Andrés de Santa Cruz beweisen, dass Braun auch in den entscheidenden Monaten vor der groß angelegten Verschwörung zugunsten von Andrés de Santa Cruz zu den Mitwissern zählte.1581 Beispielsweise weihte Santa Cruz Braun im September 1842, also wenige Monate vor dem von ihm vorangetriebenen Putsch, detailliert in seine Pläne ein und berichtete über den Stand der Expeditionsvorbereitungen in Guayaquil.1582 Der Verfasser dieser Arbeit hält es vor dem Hintergrund der politischen Brisanz der Briefe zwischen Braun und Santa Cruz für wahrscheinlich, dass Braun diese nach Erhalt vernichtete oder dies spätestens nach dem Scheitern der Putschversuche tat, um sich belastenden Materials zu entledigen. Hierfür spricht auch, dass Santa Cruz seine Briefe nicht per Post versandte, sondern durch ein Netzwerk privater 1578 Dies geht hervor aus: 22.01.1843 Lima. Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 700. 14.12.1842 Braun an Guerra, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p16/8v). 1579 18.04.1843 Punta Española. Herrera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 708. 1580 Siehe daszu das Kapitel: 8.4 „Das politische Netzwerk Brauns im atlantischen Raum 1840–1841. 1581 25.05.1842 Quito, Santa Cruz an Braun, in: Archivo del Mariscal Andrés de Santa Cruz, in: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 113. 22.09.1842 Guayaquil, Santa Cruz an Braun, in: Ebd., S. 117. 1582 22.09.1842 Guayaquil, Santa Cruz an Braun, in: Archivo del Mariscal Andrés de Santa Cruz, in: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 117.

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Kuriere übermittelte. Darüber hinaus verschlüsselte er eine Reihe von Briefen in jenen Jahren.1583 Ähnlich werden auch andere Mitverschwörer verfahren haben. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in Brauns Nachlass keine direkte Korrespondenz zu den Protagonisten der Verschwörung in Ecuador, Peru, Chile oder Bolivien vorhanden ist. Aus diesem Grund darf von dem Fehlen einschlägiger Quellen im Nachlass nicht auf die fehlende Beteiligung Brauns geschlossen werden – zumal im Ein- und Ausgangsregister von Santa Cruz sehr wohl belastende Briefe an und von Braun zu finden sind. Dies ist nicht überraschend. Braun hatte schließlich auch schon von 1839 bis 1841 in Europa als politischer Agent und unternehmerischer Vertreter für Andrés de Santa Cruz politische und logistische Unterstützung für dessen diverse Rückkehrprojekte geleistet. Während sich Braun in Europa aufgehalten hatte, war es anderen Anhängern von Santa Cruz unter der Führung von Sebastián Ágreda und Mariano Enrique Calvo im Juni 1841 gelungen, Präsident José Miguel Velasco zu stürzen und Andrés de Santa Cruz den Weg in den Präsidentenpalast zu ebnen. Da dieser aber zu lange zögerte, sein sicheres ecuadorianisches Exil zu verlassen, konnte José Ballivián die Gunst der Stunde nutzen und sich an die Spitze der Verteidiger Boliviens bei der peruanischen Invasion unter Präsident Gamarra setzen. Nachdem Ballivián in der Schlacht von Ingavi im November 1841 den peruanischen Präsidenten Agustín Gamarra geschlagen hatte, zog er, und nicht Santa Cruz, im Triumphzug durch Bolivien. Die dann doch noch angetretene Reise von Santa Cruz von Guayaquil an die bolivianische Küste war zwar vergebens, aber nicht seine letzte gewesen.1584 Nach einer kurzen euphorischen Phase der nationalen Eintracht im Anschluss an den Sieg von Ingavi, von der auch die freundschaftlichen Einladungen Buitragos und Guerras an Braun nach Bolivien zeugen, setzten die Anhänger von Santa Cruz ihre Konspirationen fort. Im Jahre 1842 befanden sich in jeder Stadt, in jeder Garnison und in jeder Armee-Einheit aktive Verschwörer, die alle zu einem geeigneten Zeitpunkt losschlagen und die Macht erobern sollten. Die Bewegung wurde unter anderen von José María Aguilar, Sebastian Ágreda und Gregorio Gómez de Goytia angeführt. Gegen Ende des Jahres kursierten Gerüchte über einen kurz bevorstehenden Putsch. Die Atmosphäre war angespannt.1585 In dieser Situation ließ der bolivianische 1583 Im Nachlass Brauns befinden sich auch Dechiffrierungsschlüssel: Ohne Datum/ Ohne Ort. Zwei Codeschlüssel zum Ver- und Entschlüsseln/zum Lesen und zum Schreiben, in: Archiv Braun, Bd. 811. Die Forschung hat dies auch schon thematisiert, siehe: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 122. 1584 Dies hatte Santa Cruz seinem in Europa weilenden Agenten Braun versichert: 14.03.1841 Quito, Santa Cruz an Braun, in: Archivo del Mariscal Andrés de Santa Cruz, in: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 110f. 1585 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 51ff. Arguedas, Los Caudillos Letrados, 1923, S. 316ff. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 132ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 68ff, 120ff. Diaz Arguedas, Trayetoria militar de Santa Cruz, 1976,

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Gesandte in Chile, Casimiro Olañeta, der von den Putschvorbereitungen erfahren hatte, die in Richtung Bolivien eingeschifften, der Verschwörung verdächtigen Sebastian Ágreda und Gregorio Gómez de Goytia von lokalen Behörden kurzzeitig gefangen nehmen. Hierüber lieferten sich Casimiro Olañeta und der in Santiago de Chile exilierte Juan García del Río eine publizistische Debatte. Diese wiederum alarmierte ebenso wie die Festnahme von Ágreda und Goytia die bolivianische Regierung. Diese wusste über ihre Spione in Ecuador und Chile, dass Santa Cruz einen groß angelegten Putsch organisierte. Daher erhöhten die Verantwortlichen in Bolivien die Verfolgung potenzieller Anhänger von Santa Cruz und ihre Wachsamkeit möglichen Agenten gegenüber.1586 Die ­Administration Ballivián misstraute auch Otto Philipp Braun nun erst recht. Aus diesem Grund zogen Pedro José de Guerra und Manuel Buitrago ihre zuvor mit Schmeicheleien garnierten und mit Vehemenz vorgetragenen Einladungen, Sicherheitsgarantien und Passierscheine für eine Reise Brauns nach Bolivien oder Peru im Januar 1843 wieder zurück. Pedro José de Guerra etwa signalisierte, Braun noch immer schützen und stützen zu wollen, allerdings riet er als einer der wichtigsten Funktionäre der Administration Ballivián von einer Reise nach Bolivien ab.1587 Drei Wochen später begrüßte er Brauns Entscheidung, nicht nur nicht nach Bolivien oder Peru zu reisen, sondern bald nach Europa zurückzukehren, „damit Sie Ihre Ehre nicht beflecken“1588. Denn diese sei vor dem Hintergrund der Aktivitäten von Andrés de Santa Cruz in erheblicher Gefahr. Ganz ähnlich sah dies Manuel Buitrago. Er formulierte auf diplomatische Weise, „dass das große Vertrauen des Generals Ballivián in Ihre Person nicht ausreichen wird, um die sie betreffenden Gerüchte in Bolivien zu zerstreuen“1589. Braun solle in Valparaíso oder Arequipa bleiben. Trotz dieser faktischen Ausladung und Entziehung der offiziellen Gunst betonte Buitrago, um die gebauten Brücken nicht gänzlich abzureißen, dass „Bolivien denjenigen gegenüber, die für seine und des ganzen Kontinentes Unabhängigkeit gekämpft haben, immer große Hochachtung haben wird. Sie können sich sicher sein, dass es nie S. 345ff. Díaz Arguedas, Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 31ff. Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S. 248ff. 1586 Gregorio Gómez de Goytia hatte schon bei dem Sturz von Präsident Velasco in Cochabamba eine zentrale Rolle gespielt. Denn als dessen Adjutant hatte er mit Sebástian Ágreda den Putsch im Namen von Andrés de Santa Cruz angeführt. Siehe: Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 34. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 38ff. Díaz Arguedas, Los generales de Bolivia, 1929, 201ff. Mendiburu, Noticias Biográficas, 1961, S. 186ff. 1587 01.01.1843 Lima. Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 698. 1588 22.01.1843 Lima. Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 700. 1589 24.01.1843 Sucre. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 701.

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Ihre Dienste vergessen wird. Die Zeit wird Ihnen dies bestätigen.“1590 Trotz aller schmeichelnden Worte war Brauns Zugang nach Bolivien nun versperrt. In Bolivien liefen die Vorbereitungen für eine groß angelegte Revolution zum Sturz von Präsident Ballivián derweil auf Hochtouren. Santa Cruz hatte im Voraus Geld geschickt und einzelnen Offizieren verlockende Versprechungen gemacht. Am 10. Februar 1843 initiierte José María Aguilar dann in Sucre die Rebellion. Es folgte Oruro. Doch José María Aguilar wurde verraten und schnell gefangen genommen. Unter der Bedingung, dass man sein Leben verschone, verriet er den weiteren geplanten Ablauf und die weiteren Beteiligten der Revolution, womit diese im Keim erstickt werden konnte. Schon am nächsten Tag wurden die ersten Gerichtsverfahren gegen die beteiligten Offiziere eröffnet. Es stellte sich heraus, dass Aguilar voreilig gehandelt hatte. Eigentlicher Plan war es gewesen, erst bei der Ankunft von Santa Cruz an der bolivianischen Küste loszuschlagen. In ungewöhnlicher Härte – es war ja bis dahin kein Blut vergossen worden – verurteilten die Militärgerichte eine Reihe von Offizieren, darunter Tomás Herrera, José María Blanco und Fructuoso Peña, zum Tode. Letzterer war Neffe von Andrés de Santa Cruz. Die Hinrichtung von Verschwörern oder gar die Tötung von Familienangehörigen war für die Maßstäbe der Zeit ungewöhnlich brutal – zumal Fructuoso Peña mit einer Schwester von José Ballivián liiert war und beide ein Kind hatten. Santa Cruz verbitterte die Nachricht von der Hinrichtung seiner Freunde und seines Neffen zutiefst. Er brach auch die bis dahin gepflegte Korrespondenz mit Ballivián ab. Santa Cruz war dennoch fest entschlossen, trotz der gescheiterten Rebellion nach Bolivien zu reisen und die Macht zu erobern.1591 Otto Philipp Braun bemühte sich, gegenüber seinen Gesprächspartnern in der Administration von José Ballivián sowie gegenüber Santa-Cruz-kritischen Freunden im Anschluss an den gescheiterten Putschversuch vom Februar 1843 aus taktischen Gründen jede Beteiligung abzustreiten und sich als distanzierter Privatmann und politikferner Unternehmer darzustellen. Einerseits wahrten Akteure die Form und redeten Brauns Rolle klein, andererseits musste er die Konsequenzen seiner zu offensichtlichen Parteinahme und aktiven Beteiligung tragen. So wies Manuel Buitrago in einem Schreiben von Ende Mai 1843 unmissverständlich darauf hin, dass Braun sich 1590 24.01.1843 Sucre. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 701. 1591 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 51ff. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 132ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 38ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 74ff, 119ff. Díaz Arguedas, Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 31ff. Groff Greever, José Ballivián, 1987, S. 3ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 118ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 390f. Parkerson, Confederación Perú-Boliviana, 1984, S. 312f. Querejazu, Bolivia, 2003, S. 131f. Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 129ff. Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S. 248ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 263. Soux, Conspiraciones en Bolivia, 2002, S. 33ff.

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gemeinsam mit Gregorio Gomez de Goytia und Sebastian Ágreda und anderen exilierten Anhängern von Andrés de Santa Cruz Anfang des Jahres 1843, also am Vorabend des Putschversuches, in Tacna versammelt habe. Schließlich sei er dort mehrfach mit den anderen Akteuren gesehen worden. Ágreda beispielsweise war ein langjähriger Weggefährte Brauns und dessen rechte Hand in der Schlacht von Montenegro gewesen. Ein Schreiben des in Santiago de Chile lebenden Politikers, Diplomaten und ehemaligen Ministers von Santa Cruz, Juan García del Río, bestätigt die Beteiligung Brauns ebenfalls. Denn dieser beglückwünschte Braun zu seiner, wenn auch gescheiterten, Expedition euphorisch. García del Río entschuldigte sich, Braun für einen nicht eingeweihten, unwissenden ­Privatier gehalten zu haben – was noch einmal die konspirativen Umstände des Putschversuches unterstreicht.1592 Letztlich verschlechterte schon allein die Präsenz Brauns in Südperu zusammen mit den anderen Rebellen in jenen kritischen Stunden dessen Stellung in Südamerika – insbesondere nach der von Olañeta veranlassten kurzzeitigen Gefangennahme von Goytia und Ágreda – nochmals erheblich. Brauns Verhalten stand in krassem Gegensatz zu seinen in den Monaten zuvor gegenüber den Vertretern der Regierung Ballivián und anderen immer wieder geäußerten unpolitischen und privaten Absichten oder seinen Reiseplänen nach Europa. Manuel Buitrago, dem dies nicht verborgen geblieben war, formulierte diplomatisch, aber unmissverständlich, dass Brauns Verhalten sein „guter Ruf zum Opfer gefallen“ sei und „Zweifel bezüglich Ihrer so oft versicherten und wiederholten Nichtbetätigung geweckt hat“1593. Buitrago formulierte die Konsequenzen für Braun klar und deutlich: Erst eine Reise nach Europa „werde dieses Misstrauen verschwinden lassen. Anschließend könnten Sie in Ruhe in Bolivien leben.“1594 Aber erst nach zwei Jahren könne er mit einer Einreise­erlaubnis rechnen. Der Weg nach Bolivien war für Braun nun versperrt. Pedro José de Guerra, der bolivianische Botschafter in Lima, hatte noch im Januar 1843 Braun gegenüber Sympathien für Santa Cruz bekundet. Er hatte beispielsweise Braun gegenüber angegeben, er habe Befehle Balliviáns gegen Ágreda und Goytia ignoriert.1595 Drei Monate später, im März 1843 – der Putsch war inzwischen gescheitert – war von diesem Wohlwollen nichts mehr zu spüren. Guerra zeigte sich über die nach den Kriegsgerichtsverfahren anstehenden Hinrichtungen in Bolivien zwar schockiert, gleichzeitig sah er die Verantwortung hierfür allerdings nicht bei Präsident Ballivián, sondern bei Andrés de Santa Cruz. Guerra bedauerte, dass Brauns Verhältnis weder mit Ballivián noch mit Bolivien so sei, wie er es sich wünsche – trotz aller p ­ olitischen Differenzen. Guerra betonte 1592 07.07.1843 Santiago de Chile. García del Río an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 710. 1593 30.05.1843 Sucre. Buitrago an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 709. 1594 Ebd. 1595 01.01.1843 Lima. Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 698.

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nach dem gescheiterten Putschversuch ausdrücklich, dass er kein Anhänger von Santa Cruz sei. Er versicherte Braun jedoch, dass er sich für dessen Sicherheit bei einer Durchreise durch Peru energisch einsetzen werde. Braun solle ihn vor seinem Aufbruch nach Europa informieren, sodass er eine sichere Reise durch peruanisches Territorium organisieren könne.1596 Aufgrund der aktuellen Situation riet er Braun dringend davon ab, über Islay zu reisen. Zwar sei dort kein formeller Haftbefehl gegen ihn erlassen worden, aber es bestehe Lebensgefahr, denn „wer weiß, ob dort nicht irgendwelche Schurken die perfiden Absichten von Ágreda und Goytia mit den ihren verwechseln wollen“1597. Braun reiste jedoch nicht – wie angekündigt – sofort nach Europa ab, sondern hielt sich nach dem gescheiterten Putschversuch erst einmal wieder in Valparaíso auf. Im April und Mai 1843 reiste Braun erneut nach Südperu, wo er mehrere Wochen in Arica und Tacna verbrachte. Erst im Juni erreichte er wieder Valparaíso.1598 Die Verzögerung der lange angekündigten Reise Brauns nach Europa hatte gute Gründe. Santa Cruz hatte nach der Hinrichtung seiner Mitstreiter in Bolivien durch Präsident Ballivián seine Reisevorbereitungen nach Peru beschleunigt und plante eine alles entscheidende Expedition. Als Santa Cruz Mitte Oktober 1843 Südperu erreichte, hatten seine dortigen Anhänger schon lange Vorbereitungen getroffen. Beispielsweise hatten sich eine Reihe von exilierten Unterstützern – vor allem Militärs – in Arica und Tacna versammelt, um gemeinsam nach Bolivien einzudringen und die Regierung Ballivián zu stürzen. Hierunter befanden sich unter anderen Sebastian Ágreda und Gregorio Gomez de Goytia sowie Otto Philipp Braun. Dieser hatte hierfür Anfang Oktober 1843 Valparaíso verlassen.1599 Andrés de Santa Cruz, der derweil an einer anderen Stelle gelandet war, sollte unterdessen von einem argentinischen Kaufmann versteckt und mit seinen Freunden in Peru und Bolivien in Verbindung gesetzt werden. Doch der Argentinier wurde verhaftet und verriet das Versteck des ehemaligen Protektors. Dies führte Anfang November 1843 zu dessen Festnahme. Hiermit endete auch das Revolutionsprojekt seiner in Arica und Tacna versammelten Anhänger.1600 Otto Philipp 1596 21.03.1843 Lima. Guerra an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 705. 1597 Ebd. 1598 Dies geht hervor aus: 30.04.1843 Arica. Braun an Mecks, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p17/9). 10.05.1843 Tacna. Braun an Buitrago, in: Ebd. 23.06.1843 Valparaiso. Braun an Antonio Gibbs & Sons, in: Ebd. 1599 Dies geht hervor aus: 13.10.1843 Valparaíso. García del Río an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 716. 1600 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 51ff. Bello Montaner, Negociaciones diplomáticas entre Chile y el Perú, 1905, S. 194ff. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 132ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 74ff, 124ff. Díaz Arguedas, Trayectoria militar de Santa Cruz, 1976, S. 345f. Díaz Arguedas, Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 33ff. Groff Greever, José Ballivián, 1987, S. 4ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 118ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 390f.

Rückkehr und Restaurationsversuche von Andrés de Santa Cruz



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Braun setzte sich schnellstens Richtung Europa ab. Anfang März 1844 befand er sich wieder in Kassel – ohne, wie gewünscht, Bolivien betreten zu haben.1601 Der Kontakt zu den Vertretern von Präsident Ballivián, Manuel Buitrago, Pedro José de Guerra oder Casimiro Olañeta, brach nach dem erneut gescheiterten Putschversuch von Ende 1843 ab. Diese Verbindungen sollten – dies legen zumindest die verfügbaren Quellen nahe – bis auf die zu Casimiro Olañeta nie wieder aufgenommen werden. Dies spricht für einen deutlichen Bruch.

Casimiro Olañeta gegen Juan García del Río Wie oben erwähnt, war es in Santiago de Chile zu Beginn des Jahres 1843 zu einer öffentlichen Auseinandersetzung zwischen dem diplomatischen Vertreter Boliviens, Casimiro Olañeta, und dem dort exilierten Anhänger von Santa Cruz, Juan García del Río, gekommen. Casimiro Olañeta hatte veranlasst, die der Konspiration für Santa Cruz verdächtigen exilierten Bolivianer Sebastian Ágreda und Gregorio Gómez de Goytia von einem gerade Richtung Bolivien auslaufenden Schiff zu holen und gefangen zu nehmen. Mit dieser eindeutig gegen die Restaurationsbestrebungen von Santa Cruz gerichteten Maßnahme endete im Übrigen der Kontakt zwischen Braun und Olañeta für viele Jahre, nachdem sie lange Zeit über diverse politische Brüche hinaus noch bis Ende 1842 wohlwollend miteinander korrespondiert hatten.1602 In einer Veröffent­lichung verteidigte Olañeta die Festnahme und griff gleichzeitig eine Reihe von in Chile befindlichen bolivianischen Exilanten an. Dies rief den empörten Widerspruch von Juan García del Río in der Öffentlichkeit hervor.1603 Dieser war kein unbekannter Akteur, sondern eine Person von länderübergreifender Bedeutung. Denn Juan García del Río war im Jahre 1831 kurzzeitig Präsident von Großkolumbien gewesen. Er besaß darüber hinaus als einflussreicher P ­ olitiker in Chile, Ecuador, Bolivien und Argentinien und als transatlantischer Diplomat hervorragende Verbindungen und großes Ansehen. In der Regierung von Santa Cruz hatte er als Finanzminister gewirkt und hatte dieParkerson, Confederacin Perú-Boliviana, 1984, S. 312f. Querejazu, Bolivia, 2003, S. 131f. Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 127ff. Querejazu Calvo, Bolivia y los ingleses, 1973, S. 248ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 263. Soux, Conspiraciones en Bolivia, 2002, S. 33f. 1601 Wann genau Braun Kassel erreichte ist unklar. Sein Aufenthalt ist für März 1843 bestätigt. Siehe etwa: 01.03.1844 Kassel. Braun an García del Río, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p18/9v). Ferner: Fajardo Sainz, Andrés de Santa Cruz, 2003, S. 153ff. Vázquez Machicado, Monarquía en Bolivia, 1951, S.16ff. 1602 09.10.1842 Santiago de Chile. Olañeta an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 693. 14.12.1842 Braun an Olañeta, in: 09.10.1842 Santiago de Chile. Olañeta an Braun, in: Archiv Braun Bd. 693. 1603 Olañeta, El Ministro Boliviano explica su conducta, 1843.

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sen im Februar 1839 auf dessen Reise ins ecuadorianische Exil begleitet. Im Jahre 1843 hielt sich García del Río als Exilant in Santiago de Chile auf, wo er mit anderen die Zeitung „El Mercurio“ sowie die Zeitschrift „Museo de Ambas Américas“ herausgab.1604 Diese hatte er dann auch für eine Auseinandersetzung mit Casimiro Olañeta genutzt. Nach schweren öffentlichen Vorwürfen von Olañeta gegen seine Person reichte García del Río eine Klage gegen den bolivianischen Gesandten ein.1605 In diesem Zusammenhang bat Juan García del Río Otto Philipp Braun um eine Reihe von Unterstützungsleistungen, etwa um dessen Rat zur weiteren Vorgehensweise, dessen Einschätzung der politischen Gesamtlage oder für das Gerichtsverfahren benötigte Dokumente der untergegangenen peruanisch-bolivianischen Konföderation.1606 Darüber hinaus bat er Braun, gemeinsame Freunde, darunter viele exilierte Anhänger von Santa Cruz, wie etwa Trinidad Morán1607, zu grüßen und diese ebenfalls über die neuesten Entwicklungen zu informieren. García del Río gab auch die neuesten verfahrenstechnischen Entwicklungen, teilweise mehrmals wöchentlich, von Santiago de Chile an Braun nach Valparaíso weiter, etwa wie Olañeta versuche, sich mit seiner diplomatischen Immunität einem Verfahren zu entziehen, oder wie Präsident Ballivián mit politischem Druck daran arbeitete, den Prozess zum Platzen zu bringen.1608 Die Auseinandersetzung zwischen Olañeta und García del Río ist so erwähnenswert, da Otto Philipp Braun im Hintergrund für García del Río Partei ergriff und sich detailliert mit ihm über 1604 Costa Ardúz, Estructura administrativa del poder ejecutivo, 2002, S. 28ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 60, 123ff. Cruz Hermosilla, El periodismo, 20082, S. 199ff. Donoso, El Mercurio, 1927, S. 377f. Mortimer, Juan García del Río, 1979, S. 18ff. Pretelt Mendoza, Juan García del Río, 1961, S. 31ff. Stuven, El exilio de la intelectualidad argentina, 2008, S. 415, 430ff. 1605 Abecia Baldivieso, Las relaciones internacionales en la historia de Bolivia, Bd. 1, 1986, S. 499. Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 51ff. Barros Arana, Chile 1841–1851, 2003 [=1906], S. 363ff. Donoso, El Mercurio, 1927, S. 376ff. Gantier, Casimiro Olañeta, 1965, S. 387ff. Jaksic, Sarmiento and the Chilean Press 1841–1851, 1994, S. 38. Jaksic, Prensa Chilena, 1991, S. 127. Pinto, Bolivia y la triple politica internacional, Bd. 1, 1902, S. 128f. 1606 Etwa: 20.07.1843 Santiago de Chile. García del Río an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 714. 1607 Trinidad Morán (1796–1854), ein Venezuelaner, war wie Braun mit der Armee Simón Bolívars von Großkolumbien in die Anden gezogen. Nach dem Unabhängigkeitskrieg und einigen Jahren unter Sucre in Bolivien hatte er sich in Arequipa niedergelassen. Während der peruanisch-bolivianischen Konföderation zählte Morán zu den wichtigsten und verlässlichsten Unterstützern von Präsident Santa Cruz. Siehe hierzu: Díaz Arguedas, Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 97ff. Guinassi Morán, General Trinidad Morán, 1954, S. 64ff. 1608 20.07.1843 Santiago de Chile. García del Río an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 714. 22.07.1843 Santiago de Chile. García del Río an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 715. 13.10.1843 Valparaíso. García del Río an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 716.

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die einzelnen Schritte zur politischen Neutralisierung Olañetas austauschte. Nicht weniger als elf Briefe wechselten die beiden innerhalb weniger Wochen.1609 Allein diese so intensiv geführte Korrespondenz und die dort genannten Personen und politischen Positionen unterstreichen, wie stark Braun noch immer ein wichtiger Teil der Fraktion von Santa Cruz war. Die von Braun gegenüber den Funktionären der Regierung Ballivián oder Santa Cruz gegenüber kritisch eingestellten Akteuren skizzierte Selbstdarstellung als ein politikabstinenter Privatier, der nur seine Familie in Arequipa sehen und seine Geschäfte in Bolivien regeln wolle, stellt sich vor diesem Hintergrund als taktische Verschleierung dar.1610

10.2 Geschäftsmann und Familienmensch Braun Neben seinen politischen Kontakten kommunizierte Otto Philipp Braun während seines hier rekonstruierten Aufenthaltes in Südamerika von 1842 bis 1843 auch mit seinen Geschäftspartnern in Chile, Peru und Bolivien sowie über den Atlantik hinweg mit Unternehmern in Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Hier wären vor allem die in Kapitel neun näher behandelten Victoriano de Gurruchaga1611 in La Paz und Corocoro (Bolivien), José Garitáno Zavala1612 in La Paz (Bolivien), José María del Valle1613 sowie Georg und Christian Hellmann1614 in Tacna (Peru), Jorge T. Pinto1615 in Cobija (Bolivien) sowie in Europa José Seoane1616 in Bordeaux (Frankreich), Francisco de los He1609 Siehe hierfür: Archiv Braun, Bde. 702, 704, 707 (2x), 710, 711, 712, 713 (2x), 714, 715, 716. 1610 Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass dieses doppelte Spiel auch die Interaktion von Andrés de Santa Cruz und José Ballivián prägte. Noch im September 1842 hatte Santa Cruz Ballivián gegenüber seine Absicht, sich nicht in die bolivianische Politik einzumischen, kundgetan, während er gleichzeitig die Vorbereitungen für einen großen Putsch gegen seinen Korrespondenzpartner vorantrieb. Siehe etwa: Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 115ff. 1611 Siehe für die Korrespondenz mit Victoriano de Gurruchaga das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p13/7 [2x], p14/7v [3x], p15/8 [6x], p16/8v [6x], p17/9 [5x]). 1612 Siehe für die Korrespondenz mit José Garitáno Zavala das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p13/7 [2x], p14/7v [2x], p15/8 [4x], p16/8v [3x], p17/9 [3x]). 1613 Siehe für die Korrespondenz mit José María del Valle das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v, p15/8 [5x], p16/8v [5x], p17/9 [4x]). 1614 Siehe für die Korrespondenz mit Hellmann das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p13/7, p14/7v [3x]). 1615 Siehe für die Korrespondenz mit Jorge Pinto das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v [3x], p15/8 [4x], p16/8v [2x], p17/9). Zu Pinto siehe auch: Pérez, Manuel Isidoro Belzu and the Chinchoan Bark Trade, 1998, S. 77 ff. 1616 Siehe für die Korrespondenz mit José Seoane das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p13/7 [2x], p14/7v [2x], p15/8, p16/8v [2x], p17/9).

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ros1617 in Paris (Frankreich), Gibbs & Sons1618 in London (Großbritannien) und sein Schwiegervater Christian Samuel Barensfeld in Kassel (Kurhessen) zu nennen.1619 Diese Korrespondenz zeigt, dass Braun sich in der Tat weiterhin unternehmerisch betätigte, vor allem im Quina- und Kupferexport sowie bei Finanzgeschäften. Braun pflegte auch kontinuierlich Kontakt zu seiner Familie auf beiden Seiten des Atlantiks. Während seines Aufenthaltes in Südamerika schrieb er beispielsweise seiner Mutter Sophie Braun1620 in Kassel, seinen Söhnen1621 sowie deren Lehrern1622 in Dresden, einigen seiner Geschwister1623 sowie seinem Schwiegervater Christian Samuel Barensfeld in Kassel.1624 In Briefen an seinen Schwiegervater sind allerdings auch geschäftliche Inhalte enthalten. Hierauf weisen einige zusammenfassende Kommentare im Ausgangsregister. In Südamerika stand Braun während seines chilenischen Exils mit Verwandten der Familie Rivero in Kontakt, etwa mit seiner Schwiegermutter Maria Joséfa Abril de Rivero1625 in Arequipa (Peru), Juana Rivero de Segovia1626 in La Paz (Bolivien) 1617 Siehe für die Korrespondenz mit Francisco de los Heros das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v, p17/9); sowie: Archiv Braun, Bd. 691. 1618 Siehe für die Korrespondenz mit dem Handelshaus Gibbs & Sons das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v, p17/9 [2x]). 1619 Außer mit diesen Hauptadressaten seiner Briefe kommunizierte Braun, wie dem Ausgangsregister zu entnehmen ist, noch unregelmäßig mit einer Reihe anderer Unternehmer, etwa mit: José María Pividal in Tacna (AA p15/8), Roberto Mecks (AA p17/9), Julian Barreyros in Chuquisaca (AA p14/7v, p15/8, p16/8v, p17/9) und D ­ ioniso Puch (AA p15/8). 1620 Siehe hierfür das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p13/7, p14/7v, p15/8, p16/8v [4x], p17/9). 1621 Siehe für die Korrespondenz mit seinen Söhnen Luis und Manuel José Braun das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v [2x], p15/8, p16/8v [2x]). 1622 Siehe für die Korrespondenz mit Prof. Dr. Blochmann und Dr. Jahn das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v [2x], p16/8v). 1623 Siehe für die Korrespondenz mit seinem Bruder Heinrich und seiner Schwester Wilhelmine „Minchen“ Greve, geb. Braun, das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p15/8) bzw. (AA p14/7v, p16/8v). 1624 Siehe für die Korrespondenz mit seinem Schwiegervater Christian Samuel Barensfeld das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p13/7, p14/7v [2x], p15/8 [2x], p16/8v [5x], p17/9 [3x]). 1625 Siehe für die Korrespondenz mit Maria Joséfa Abril de Rivero das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p13/7, p14/7v [2x], p16/8v [2x], p17/9 [2x]). 1626 Juana Rivero war die Halbschwester von Brauns erster Frau und mit dem in La Paz lebenden Bankier Pablo Manuel Segovia de Risco verheiratet. Siehe hierzu auch Kapitel 5.3: „Private Etablierung in Südamerika: Die Heirat in die Familie Rivero“. Aus dem Ausgangsregister Brauns gehen folgende Briefe hervor: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v [2x], p15/8, p16/8v).

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sowie seinem Schwager José Rivero1627 in Arequipa (Peru). Otto Philipp Braun und José Rivero verband nicht nur eine verwandtschaftliche und freundschaft­ liche Beziehung, sondern auch gemeinsame politische Interessen, da José Rivero ein maßgeblicher Unterstützer von Santa Cruz in Südperu gewesen war und noch bis weit in die 1840er Jahre zu dessen aktiven Anhängern zählte.1628 Dabei bleibt zu betonen, dass Braun trotz des frühen Todes seiner ersten Frau und seiner neuen Heirat über Jahrzehnte Kontakt zu e­ tlichen Mitgliedern der Familie Rivero in Südperu und Bolivien hielt. In seinem Ausgangsregister bezeichnet er seine Schwäger und Schwägerinnen durchweg als „meinen Bruder“ oder „meine Schwester“, so wie ihn diese als ihren „Bruder“ betitelten. Dies spricht genauso wie die lang anhaltende Beziehung über Raum und Zeit für eine enge Beziehung der Protagonisten untereinander.1629 Brauns zweiter Aufenthalt in Südamerika wirft auch ein interessantes Licht auf dessen Art und Weise, Kontakte zu pflegen. Braun verschickte zur Verfestigung von Beziehungen beispielsweise hochwertige Luxusartikel zu Geschäftspartnern, Politikern und Verwandten – und zwar über den Atlantik hinweg. Diese Geschenke waren ihm so wichtig, dass er sie fein säuberlich notierte, auch wenn er schon lange dazu übergegangen war, bei regulären Briefen nur noch die Ausgänge zu registrieren und auf die Transkription seiner Briefe größtenteils zu verzichten. Beispielsweise schickte Braun im April 1842 neun Zigarren an seinen Schwiegervater Barensfeld nach Kassel. Neben zwei Cousins, einem Schwager, seinem Bruder August Braun und Barensfeld selbst sollte er jeweils eine an „Staatsrat Meckldeg, Baron von der Malsburg, Oberfinanzrat Gschwind und Assessor Werner“1630 verteilen. Bei einer anderen Gelegenheit ließ er seinem Geschäftspartner, dem bolivianischen Konsul in Bordeaux, José Seoane, ein halbes Dutzend Zigarren zukommen.1631

1627 Siehe für die Korrespondenz mit José „Pepe“ Rivero das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p13/7, p14/7v [2x], p15/8 [4x], p16/8v [4x], p17/9 [4x]). 1628 Siehe hierzu den Abschnitt „Familiäre Netzwerke: José Rivero“. Im November 1845 verdächtigte der bolivianische Präsident José Ballivián – neben Wilson in Tacna und Braun in La Paz – auch José Rivero in Arequipa, weiter für den in Chile inhaftierten Andrés de Santa Cruz zu arbeiten: 20.11.1845 José Ballivián an Felix Frías, in: Carrasco, José Ballivián, 1960, S.136f. Siehe zum Verhältnis von Ballivián und Frias auch: Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 119ff. 1629 09.01.1841 Arequipa. José Rivero an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 668. 08.04.1842 Braun an Pepe Rivero, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p14/7v). 31.05.1842 Braun an Juana Rivero, in: Ebd. 1630 16.04.1842 Braun an Barensfeld, in: Archiv Braun Bd. 816 (AA p14/7v). 1631 10.04.1842 Valparaíso. Braun a Seoane, in: Ebd.

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10.3 Braun als historische Persönlichkeit und Zeitzeuge Neben der Interaktion mit Anhängern der Regierung Ballivián, mit privaten Freunden, Unternehmern, Familienangehörigen, Unterstützern und Kritikern von Andrés de Santa Cruz und der Beteiligung an dessen Putschversuchen war Braun hinter den Kulissen südamerikanischer Politik als Zeitzeuge gefragt und hatte sich auch zu einer historischen Persönlichkeit von länder­übergreifendem Interesse entwickelt. Dies verdeutlichen zwei Beispiele: erstens die Anfrage von Felipe Santiago Estenós, die Authentizität eines Schwertes von Simón Bolívar zu beurteilen, und zweitens die Bitte von Tomás Cipriano de Mosquera, sich an einer zur kolumbianischen Tagespolitik gehörenden geschichtspolitischen Auseinandersetzung zwischen ihm, Trinidad Morán und José María Obando zu beteiligen. Anfang Mai 1842 war der peruanische Jurist Felipe Santiago Estenós, ehemaliger Sekretär von Simón Bolívar auf dessen Reise nach Hochperu im Jahre 1825 sowie unter Salaverry als auch unter Santa Cruz Mitglied des Obersten Gerichtshofs von Peru,1632 an Otto Philipp Braun mit folgendem Anliegen herangetreten: Eine „Gesellschaft zur Verteidigung der Unabhängigkeit Amerikas“ habe ihn kontaktiert, damit er die Echtheit eines vermeintlich Simón Bolívar gehörenden Schwertes bestätige, da die Gesellschaft dieses gerne erwerben wolle. Trotz seiner Zeit als Sekretär Bolívars sah sich Estenós hierzu aber nicht in der Lage. Aus diesem Grund wandte er sich an Otto Philipp Braun, da dieser für diese „heilige Aufgabe […] die adäquateste Person“1633 sei. Zwar ist nicht überliefert, ob Braun das Angebot von Felipe Santiago Estenós annahm, aber es zeigt, dass Braun allmählich als historische Persönlichkeit der Geschichte Südamerikas – jenseits tagespolitischer Auseinandersetzungen – wahrgenommen wurde und er sich auch selbst so wahrnahm. Kurz nach dem Scheitern des Februar-Putsches von Andrés de Santa Cruz in Bolivien im Jahre 1843 erhielt Braun einen Brief von Tómas Cipriano de Mosquera, dem kolumbianischen Botschafter in Chile.1634 Dieser berichtete Braun 1632 Zu Felipe Santiago Estenós siehe: Centro de Estudios Históricos-Militares del Perú, Felipe Santiago Estenós, 1965, S. 195ff. MacLean y Estenós, Sociologia peruana, 1942, S. 149ff. MacLean y Estenós, Felipe Santiago Estenós, 1938, S. 408ff. 1633 05.05.1842 Lima. Estenós an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 682. 1634 Tomás Cipriano de Mosquera (1798–1878) hatte während des südamerikanischen Unabhängigkeitskrieges Simón Bolívar als Sekretär und Generalstabschef gedient. Anschließend bekleidete er mehrere politische und diplomatische Posten. Unter anderem war er kolumbianischer Botschafter in Peru. In dieser Funktion hatte er im Jahr 1830 mehrmals Kontakt mit Braun. Im Jahr 1845 wurde er das erste von vier Malen kolumbianischer Präsident (1845–1849, 1861–1863, 1864, 1866). Sein Bruder Joaquín de Mosquera war kurzzeitig Nachfolger Simón Bolívars als Präsident des kurz vor dem Auseinanderfallen stehenden Groß-Kolumbien. Arteaga Hernández/Arteaga Carvajal, Historia política de Colombia, 1999, S. 189ff. Barón Ortega, El conservatismo colom-

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von einem von José María Obando veröffentlichten Buch.1635 Dieses hatte für einiges Aufsehen gesorgt, da es aktuelle Akteure und bekannte Veteranen, unter anderen den aktuellen kolumbianischen Präsidenten Pedro Alcántara Herrán1636, angriff und beispielsweise dessen Rolle in der Schlacht von Ayacucho zu schmälern versuchte.1637 Schon im Januar 1843 hatte Trinidad Morán eine kurze Verteidigungsschrift vorgelegt.1638 Tómas Cipriano de Mosquera plante jedoch, ein umfangreicheres Buch zur Widerlegung der Thesen Obandos folgen zu lassen. Hierfür benötigte er weiter gehende Informationen von Augen- und Zeitzeugen. Daher wandte sich Mosquera an Braun.

biano, Bd. 1, 1999, S. 129ff. Castrillón, Tomás Cipriano de Mosquera, 1994, 53ff. König, Geschichte Kolumbiens, 2008, S. 82ff. Lofstrom, ­Tómas Cipriano de Mosquera, 1996, S. 21ff. Mosquera, Memoria sobre la vida del General Simon Bolívar, 1940, S. 5f, 377. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 274ff. Ferner: 19.02.1830 Lima. Mosquera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 103. 04.06.1830 Lima. Mosquera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 107. 19.07.1830 Lima. Mosquera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 109. 20.09.1830 Guayaquil. Mosquera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 112. 23.09.1830 La Puna. Mosquera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 113. 1635 Obando, Apuntamientos, 1842. 1636 Pedro Alcántara Herrán (1800–1872) kämpfte im Unabhängigkeitskrieg, unter anderem in der Schlacht von Ayacucho, und diente Antonio José de Sucre bei dessen Präsidentschaft in Bolivien. Von 1841 bis 1845 regierte er als konservativer Politiker die Republik Neu-Granada (Kolumbien). Otto Philipp Braun kannte Herran aus dem Unabhängigkeitskrieg. Schließlich hatte Braun das kurzzeitig von Sucre über ihn gefällte Todesurteil im Herbst 1824 einer Unterredung mit Herrán zu verdanken. Er schien ihm dies aber nicht nachzutragen, immerhin intervenierte er ein Jahr später bei einer personalpolitischen Auseinandersetzung für Herrán. Herrán war Mosqueras Schwiegersohn. Arizmendi Posada, Gobernantes Colombianos, 1983, S. 41ff. Arteaga Hernández/Arteaga Carvajal, Historia política de Colombia, 1999, S. 179ff. Barón Ortega, El conservatismo colombiano, Bd. 1, 1999, S. 125ff. Castrillón, Tomás Cipriano de Mosquera, 1994, S 292. Díaz López, Libertad, Progreso y Educación, 2008, S. 108ff. Posada/Ibáñez, Vida de Herrán, 1903, S. 40. Rodríguez Plata, José María Obando, 1958, S. 357ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 497. Zum allgemeinen politischen Kontext in Kolumbien siehe auch: König, Geschichte Lateinamerikas, 2006, S. 408f, 452ff. König, Ecuador, Kolumbien, Venezuela, 1992, S. 590ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 271ff. 1637 13.03.1843 Santiago. Mosquera an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 703. Ferner: Castrillón, Tomás Cipriano de Mosquera, 1994, S. 227ff. Davis, Introducción, 1972, S. 51f, 123. Lemos Guzmán, Obando, 1959, S. 326. Vázquez Carrizosa, El poder presidencial en Colombia, 1979, S. 100f. Trotz der affirmativ-parteiischen Darstellung siehe auch: Martínez Delegado, Introducción, 1973, S. 8f. Orjuela, El congreso hace historia, 2004, S. 89ff. 1638 18.01.1843 Santiago. Drucksache. Trinidad Morán, „Comprobantes a la Manifestacion de Obando“, in: Archiv Braun, Bd. 699.

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Innerhalb nur eines einzigen Tages beantwortete Otto Philipp Braun die Anfrage des kolumbianischen Diplomaten. Dies war angesichts des normalen zeitlichen Abstandes zwischen Ein- und Ausgang von mehreren Wochen oder Monaten außerordentlich schnell. Dabei antwortete Braun nicht nur auf die Detailfragen des Absenders, sondern legte selbst einen – für ihn sehr seltenen – geschichtspolitischen Text vor. In diesem verstand sich Braun als „einer der vielen, der das Glück hatte, mehr oder weniger zum glücklichen Ausgang dieser berühmten Schlacht [von Ayacucho, Anm. RK] beigetragen zu haben, und als ein Veteran des alten Kolumbien“1639. Ganz konkret wies Braun die Thesen Obandos als „Herabwürdigung […] der Helden von Ayacucho“1640 und als „üble Nachrede“1641 aufs Schärfste zurück. Braun habe viele der von Obando beschriebenen Ereignisse der Jahre 1821, 1822 und 1823 selbst erlebt und könne die Widersprüche und falschen Behauptungen Obandos nicht nachvollziehen – ­zumal dieser zu jener Zeit noch in den Reihen der Spanier „die Soldaten des ­Vaterlandes tötete“1642. Ein solcher Verweis war im Nachkriegssüdamerika ein rhetorischer Frontalangriff. Dem von Obando angegriffenen Herrán bescheinigte Braun Folgendes: „Das Verhalten des Generals Herrán in der Schlacht von Ayacucho verdient den Applaus der Mutigen der Armee, zumal er als Kommandant der Husaren mutig Schulter an Schulter und Lanze an Lanze […] erfolgreich mit seiner Schwadron, vereint mit den Grenadieren der Garde1643, die berühmten Grenadiere von Vizekönig La Serna […] vernichtete.“1644 Neben diesem Beispiel beschrieb Braun, wie Herrán in den Jahren 1822 und 1823 als zweiter Kommandant der Guias der Garde während des Feldzuges von Pasto stets als mutiger Offizier von den Soldaten angesehen worden sei. Braun betonte, dass er seine Aussagen unabhängig von den aktuellen politischen Fraktionskämpfen in Kolumbien und daher unparteiisch getroffen habe. Braun schloss mit der an Mosquera gerichteten ironischen Aufmunterung, dass Obando mit dem Versuch, Herrán, Mosquera und vielen anderen zu schaden, aufgrund der durchsichtigen Art und Weise letztlich deren Prestige mehren werde. Tómas Cirpriano Mosquera veröffentlichte schon zwei Wochen nach dem Schreiben Brauns ein umfangreiches Buch zur Widerlegung der Behauptungen von José María Obando. Das Schreiben Brauns publizierte Mosquera darin wortwörtlich.1645 Braun wurde von Mosquera und dann von der Leserschaft nicht als 1639 15.03.1843 Valparaíso. Braun an Mosquera, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p75/40). 1640 Ebd. 1641 Ebd. 1642 Ebd. 1643 Hierbei handelt es sich um die von Otto Philipp Braun geführte Schwadron. 1644 15.03.1843 Valparaiso. Braun an Mosquera, in: Archiv Braun Bd. 818 (AA p75/40). 1645 01.04.1843 Valparaíso. Drucksache. Exámen crítico del libelo publicaco en la imprenta del comercio en lima por el reo prófugo José María Obando, in: Archiv Braun, Bd. 706, S 201f.

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aktueller Akteur, sondern vor allem als historisch relevanter Zeitzeuge und historische Persönlichkeit wahrgenommen. Braun selbst unterstützte diese Entwicklung, indem er sich in die Liste der Helden von Junín und Ayacucho einreihte und sich als kundiger und ehrlicher Zeitzeuge darstellte. Für diese prestigeträchtige Rolle spielten Brauns zwischenzeitlicher Aufenthalt in Europa, sein politischer Sturz und sein aktueller Status als Exilant keine Rolle.

10.4 Zwischen Präsidenten: José Ballivián und José Miguel Velasco 1843–1848 Das Ende des Rückkehrprojektes von Andrés de Santa Cruz an die Spitze des bolivianischen Staates beendete Brauns Einfluss auf die bolivianische Politik nicht. Braun verfügte auch bei den Administrationen von José Ballivián und José Miguel Velasco über erheblichen politischen Einfluss und hohes Ansehen. Dabei pflegte Braun nicht nur Kontakt zu politisch einflussreichen Personen und hohen Funktionären aus dem Umfeld der Staatsspitze, sondern immer wieder versuchten bolivianische Präsidenten – vor allem in Notsituationen – Braun als Verbündeten oder gar als Mandatsträger zu gewinnen. Von Anfang 1844 bis in das Jahr 1845 hinein lebte Braun wieder in Kassel. Dort hatte er eine ansehnliche Villa im Stadtzentrum erworben.1646 In dieser Zeit widmete er sich seinen Geschäften, beispielsweise durch Korrespondenz mit Gibbs & Sons in London und mit José Seoane in Bordeaux, aber auch über den Atlantik hinweg, beispielsweise mit José María del Valle in Tacna (Peru) oder Victoriano Gurruchaga in La Paz (Bolivien) sowie mit Huth Grüning & Co. in Valparaíso (Chile).1647 Darüber hinaus pflegte Braun Kontakt mit seiner Schwiegerfamilie Rivero in Arequipa1648 (Peru) und schrieb seinem Freund Juan García del Río in Santiago de Chile.1649

1646 Braun wohnte nicht mehr bei seiner Mutter in der Königsstraße, sondern in der Köllnischen Str. 307. Das Haus wurde, genauso wie das seiner Eltern, im Zweiten Weltkrieg zerstört. Siehe: Kiera, Otto Philipp Braun als Symbol lokaler Geschichtspolitik, 2009, S. 65ff. Preime, Kasselsches Adreß-Buch für das Jahr 1845, 1845, S. 30. 1647 Siehe für die Korrespondenz mit seinen Geschäftspartnern das Ausgangsregister: Archiv Braun, Bd. 816. Gibbs: Ebd., AA p18/9v (2x). Seoane: Ebd., AA p18/9v. Valle: Ebd., AA p18/9v (4x), p19/10. Gurruchaga: Ebd., AA p18/9v (4x), p19/10 (2x). Huth: Ebd., AA p18/9v. 1648 28.11.1844 Braun an Joséfa Abrill, in: Archiv Braun, Bd. 816 (AA p18/9v). 1649 01.03.1844 Kassel. Braun an García del Río, in: Ebd.

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Annäherung in Notsituation: José Ballivián 1845–1848 Entgegen den Behauptungen bisheriger Arbeiten, Braun habe Bolivien während der Präsidentschaft von José Ballivián nicht betreten, kann nun bestätigt werden, dass Braun im Jahre 1845 nicht nur nach Südamerika zurückkehrte, sondern sich spätestens im November 1845 in La Paz aufhielt.1650 Braun war die Einreise über das peruanische Tacna nach Bolivien gestattet worden, nachdem er, wie im Jahre 1843 von Manuel Buitrago gefordert, knapp zwei Jahre in Europa verbracht hatte.1651 Trotz der erfüllten Karenzzeit misstraute Präsident José Ballivián Otto Philipp Braun jedoch zutiefst. Dem befreundeten Argentinier Felix Frías schrieb der bolivianische Präsident im November 1845, dass er noch immer eine Verschwörung des in Chile inhaftierten und eigentlich isolierten Andrés de Santa Cruz fürchte.1652 Dieser würde mittels von katholischen Mönchen geschmuggelter Briefe Konspirationen in Peru und Bolivien organisieren.1653 Ballivián formulierte: „Man fühlt sie, man sieht sie […]: Braun in La Paz, Wilson in Tacna und Rivero in Arequipa sowie andere Agenten in Lima und Chile. Sie organisieren, täuschen und arbeiten [an der Rückkehr von Santa Cruz, Anm. RK].“1654 Die eindringlich formulierten Befürchtungen des bolivianischen Präsidenten zeigen über den belegten Aufenthalt Brauns in Bolivien hinaus, dass Braun auch sechs Jahre nach seinem Sturz noch als ernst zu nehmender und einflussreicher Akteur der bolivianischen Politik wahrgenommen wurde – und zwar als Akteur hinter den Kulissen ohne offizielle politische Verantwortung. Dies zeigt auch Folgendes: Ein Jahr später, Ende November 1846, beendete ein direkter Brief von José Ballivián an Otto Philipp Braun das jahrelange 1650 Dies behaupten etwa: Barnadas, El Mariscal Braun, 1998, S. 13. Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 107. Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939, S. 116. Nölle, La vida de Otto Felipe Braun, 1969, S. 109. 1651 Zu den zwei Jahren wird die mehrmonatige Reisezeit zwischen Südamerika und Europa hinzugezählt. 26.12.1846 La Paz. Braun an Ballivián, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p78/42). 1652 Ballivián stand mit Frías in sehr engem Kontakt und tauschte sich mit ihm detailliert über die politischen Verhältnisse aus. Ballivián erreichte für seinen Freund die Ernennung zum bolivianischen Konsul in Valparaíso und später zum Sekretär der Gesandtschaft in Santiago de Chile. Siehe: Abecia Baldivieso, Historiografia boliviana, 1965, S. 241ff. Auza, Félix Frías, 1999, S. 8ff. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 109ff. Quesada, Félix Frías en Chile, 1993, S. 471ff. Romero Carranza/Quesada, Vida y testimonio de Félix Frías, 1995, S. 35ff. Romero Carranza, La juventud de Félix Frías, 1960, S.  15ff. Sánchez Parodi, Félix Frías, 2005, S. 14ff. Quesada, Félix Frías en Bolivia, 2004, S. 269ff. Quesada, El Ideario de Frías en el 1842, 2004, S.281ff. 1653 Carrasco, José Ballivián, 1960, S.135f. 1654 20.11.1845 Ballivián an Frías, in: Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 136f.

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Schweigen der beiden. Sowohl der Präsident als auch der gestürzte Kriegs­ minister hatten sich nach dem bewegten Jahr 1839 hartnäckig geweigert – trotz der Vermittlung gemeinsamer Freunde – direkt miteinander zu kommunizieren. Doch Ende November 1846 erreichte ein Brief des bolivianischen Präsidenten das Haus Brauns in La Paz.1655 Dieser hatte sein Misstrauen gegenüber Braun jedoch nicht grundsätzlich abgelegt. Die Wiederaufnahme der Kommunikation hatte einen anderen Grund: Anfang des Monats waren seit langer Zeit schwelende Spannungen zwischen Bolivien und Peru auf einen neuen Höhepunkt zugelaufen. Die peruanische Regierung hatte die Zölle für die über den peruanischen Hafen Arica exportierte bolivianische Quina erhöht und damit die boomende Industrie des Nachbarlandes sowie den Staatshaushalt empfindlich getroffen. Ein neuer Krieg schien sich abzuzeichnen.1656 Daher bemühte sich José Ballivián um neue Verbündete und wandte sich an den politisch einflussreichen und militärisch erfahrenen Otto Philipp Braun. Er bat ihn um Hilfe – allerdings unter der Bedingung, vorher den jahrelangen persönlichen Streit zu klären. In seiner Antwort betonte Braun die seit 1828 auf den Schlachtfeldern gemeinsamer Feldzüge geformte Freundschaft. Letztlich gab Braun im jahrelangen Streit mit Ballivián nach, indem er der Forderung Balliviáns nach Genugtuung durch eine förmliche Ehrenerklärung entsprach. Braun gestand dabei ein, dass er Ballivián „eine große Ungerechtigkeit“1657 zugefügt habe. Braun unterließ es aber nicht, darauf hinzuweisen, dass auch Ballivián ihn ungerecht behandelt habe. Denn entgegen dessen Auffassung habe er sich nach 1842 von der Politik ferngehalten und keiner Partei oder Person angehört – so zumindest Brauns Behauptung.1658 „Mein Herz verlangte damals die Genugtuung, die auch ich Ihnen schuldete.“1659 Doch anstatt auf Ballivián zuzugehen, habe er sich dazu entschieden, „den Mund zu halten und zu leiden, wie ich damals meinen Freunden Guerra, Rodríguez und Buitrago mitteilte“1660. Letztlich liege dies nun jedoch hinter ihnen und „ich zweifele nicht, dass wir genauso gute und treue Freunde werden wie zuvor“1661. Nach der Klärung ihres persönlichen Streites gelte es 1655 Zwar ist der Brief nicht mehr erhalten, aber Braun bestätigt seinen Eingang und paraphrasiert den Inhalt: in: 26.12.1846 La Paz. Braun an Ballivián, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p78/42). 1656 Basadre, Historia de la Republica del Peru, Bd. 2, 1961, S. 771ff. Irurozqui, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 125f. Pérez, Manuel Isidoro Belzu and the Chinchoan Bark Trade, 1998, S. 112ff, 124ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 75f. 1657 26.12.1846 La Paz. Braun an Ballivián, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p78/42). 1658 Dass diese Behauptung nicht den Ereignissen des Jahres 1843 entsprach, zeigt der ­Abschnitt „Die Putschversuche von Andrés de Santa Cruz 1843“. 1659 26.12.1846 La Paz. Braun an Ballivián, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p78/42). 1660 Ebd. Die drei Genannten waren allesamt hohe Funktionäre der Administration von José Ballivián. 1661 Ebd.

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nun, sich den aktuellen Herausforderungen zu widmen. Denn Braun begrüßte Balliviáns Vorhaben, dem „fast toten“1662 Bolivien neues Leben einzuhauchen. Auf die Anfrage Balliviáns, ob Braun ihm angesichts des drohenden Krieges helfen werde, antwortete Braun mit einem emotionalen Statement: „Es wäre unwürdig, meine Gefühle zu verraten und meine Lippen zu prostituieren, die ich – wie mein Herz und mein Gewissen – immer rein gehalten habe. Denn nachdem ich Ihnen mitgeteilt habe, dass ich niemals weder einer Person noch einer Partei meine von [18]25 bis [18]39 der Unabhängigkeit Amerikas geleisteten Dienste angeboten habe und anbieten werde, und dass ich dem öffentlichen Leben Boliviens […] entsagt habe, ist es mir moralisch unmöglich und verbietet es mir mein Anstand völlig, mich in die politischen Fragen, die Boliviens Söhne entzweien, einzumischen. Nichts auf der Welt ist in der Lage, diese Auffassung zu verändern.“1663

Otto Philipp Braun schränkte seine absolut klingende Absage jedoch gleich ein: „Sollte allerdings der Fall eintreten, dass die bolivianische Nation, deren Existenz uns so viele Opfer gekostet hat, sich in Gefahr befände, könnten Sie mich als Bürger in die Reihen der Armee rufen. Diese ist dazu bestimmt, mit dem Schwert in der Hand und dem Gewehr auf der Schulter das Vaterland zu retten.“1664

Bis zu diesem Fall allerdings werde sich Braun weiter seinen privaten Geschäften widmen. Diese benötigten aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage seine volle Aufmerksamkeit. Trotz aller politischen und persönlichen Differenzen zwischen Braun und Ballivián und trotz des deutlich geäußerten Willens Brauns, nicht mehr in die bolivianische Innenpolitik einzugreifen, signalisierte dieser dem Präsidenten – der, wohlgemerkt, im Jahre 1843 viele seiner Freunde hatte hinrichten lassen – also seine militärische und politische Unterstützung. Braun schränkte dies allerdings stark ein. Er machte Ballivián deutlich, dass sein Angebot nur für den Fall einer ausländischen Invasion gelte. Braun wollte sich unter keinen Umständen an innerbolivianischen Auseinandersetzungen um die politische Macht beteiligen. Wie wenige Gemeinsamkeiten beide teilten und wie sehr sich Braun Ballivián nur aufgrund außenpolitischen Drucks angenähert und nur für den extremen Notfall Unterstützung angeboten hatte, zeigt das Verhältnis der beiden nach der Abdankung Balliviáns Ende 1847. Ballivián hatte aufgrund mehrerer Aufstände

1662 26.12.1846 La Paz. Braun an Ballivián, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p78/42). 1663 26.12.1846 La Paz. Braun an Ballivián, in: Archiv Braun Bd. 818 (AA p78/42). 1664 Ebd.

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und Putsche zurücktreten und nach Chile ins Exil gehen müssen.1665 Von Valparaíso aus, also derselben Stadt, in der Braun sein Exil in den Anfangsjahren der Administration Ballivián hatte verbringen müssen, wandte sich der aus dem Amt gedrängte Präsident Ende September 1848, als Bolivien aufgrund machtpolitischer Fraktionskämpfe im innenpolitischen Chaos versank, an seinen dort nach wie vor einflussreichen „geschätzten General und alten Freund“1666 Otto Philipp Braun. Den Brief hatte ein privater Kurier nach La Paz gebracht, um dem Schreiben mündlich geheime Details hinzuzufügen. Ballivián plante bereits seine Rückkehr an die Macht. Dabei bat Ballivián Braun nicht direkt um die Beteiligung an einem illegalen Putsch. Vielmehr versuchte Ballivián mit großem rhetorischen Aufwand, Braun davon zu überzeugen, dass seine Rückkehrpläne verfassungsgemäß seien. Daher verneinte Ballivián auch jegliche egoistische Absichten für seine Rückkehr, sondern betonte, dass er aufgrund der Bedrohung der Existenz Boliviens die Aufforderung „aus allen Departements und aus allen Parteien“1667 erhalten habe, das Vaterland zu retten. Braun solle sich auch gar „nicht in eine Verschwörung verstricken oder an irgendwelchen Machenschaften beteiligen“1668. Ganz konkret schlug Ballivián vor, Braun solle „sich von der verfassungsmäßigen und legitimen Autorität beauftragt, als Oberbefehlshaber an die Spitze der Armee setzen“1669. Daher wäre „seine Mission nobel und patriotisch“1670. Ganz direkt fragte Ballivián: „Würde mir der General Braun helfen? Würden Sie sich mit mir in Gefahr begeben?“1671 Ob Braun dem exilierten Ballivián antwortete, ist unklar. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass er dessen Annäherungsversuch ignorierte. Erstens interagierte Braun zu diesem Zeitpunkt schon mit Vertretern ihm näher stehender politischer Fraktionen, etwa mit José María Linares, einem hohen Funktionär und Unterstützer von Präsident José Miguel Velasco (1848). Zweitens stand Braun dem anderen großen Akteur beim Kampf um die Macht in Bolivien, Manuel Isidoro Belzu, nicht abgeneigt gegenüber. Drittens verachtete Felipe Braun José Ballivián und dessen Anhänger zutiefst. Besonders Ende 1850, nach deren Attentat gegen Präsident Belzu, brachte er dies mehr als deutlich zum 1665 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 58ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 58ff. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 201ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 165ff. Irurozqui, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 125f. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 125ff. Mesa, Léonce Angrand, 1999, S. 28. Mesa/ Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 389ff. Pérez, Manuel Isidoro Belzu and the Chinchoan Bark Trade, 1998, S. 58ff, 124ff. Pérez, The Chichona bark boom and Belzu’s Jacquerie, 1996, S. 22f. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 76ff. 1666 28.09.1848 Valparaíso. Ballivían an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 720. 1667 Ebd. 1668 Ebd. 1669 Ebd. 1670 Ebd. 1671 Ebd.

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Ausdruck. Braun bezeichnete Ballivián und seine Anhänger als „Angehörige einer kriminellen Bande“1672, die sich außerhalb der Gesetze der Humanität bewegten. Auch bewertete Braun Balliviáns Administration äußerst negativ. Braun äußerte sich jedoch nicht nur verbal gegen Ballivián und dessen Fraktion, sondern agierte hinter den Kulissen ganz konkret gegen sie. Beispielsweise meldete er deren Aktivitäten in seinem Umfeld der Zentralregierung und empfahl wenig zimperliche Gegenmaßnahmen.1673 So etwas hatte Braun weder vorher noch nachher jemals bezüglich einer anderen politischen Fraktion gemacht. Aus diesen Gründen ist eine positive Antwort Brauns auf die Anfrage José Balliviáns oder gar eine Zusammenarbeit äußerst unwahrscheinlich. Letztlich ist diese Tatsache auch nicht entscheidend. Viel wichtiger ist, dass der gestürzte und exilierte José Ballivián Braun noch so viel politischen Einfluss und militärisches Können zuschrieb, dass er – trotz aller grundsätzlichen politischen und persönlichen Differenzen der letzten neun Jahre – an Braun herantrat und ihn um Hilfe bat. Dieses Beispiel zeigt nicht nur Balliviáns Verzweiflung im chilenischen Exil, sondern vor allem, wie sehr Braun hinter den Kulissen noch immer in die bolivianische Politik involviert war und von anderen Akteuren Prestige und Einfluss zugeschrieben bekam. Dies belegt auch Brauns Zugang zur Administration Velasco – seinem zweiten großen Gegner aus dem Jahre 1839.

Das Werben der Regierung von José Miguel Velasco durch José María Linares Nach der blutigen Niederschlagung der groß angelegten Verschwörungen von ­Andrés de Santa Cruz und dessen Anhängern im Februar und November 1843 blieb es in Bolivien vier Jahre lang relativ ruhig. Die Administration Ballivián hatte eine gewisse Stabilität erreicht. Dies machte 1845 auch die Erteilung der Einreiseerlaubnis für den der Agententätigkeit für Santa Cruz verdächtigen Otto Philipp Braun möglich. Erst ab dem Jahr 1847 mehrten sich wieder Umsturzversuche, maßgeblich vorangetrieben von José Miguel Velasco und Manuel Isidoro Belzu. Dabei konnten alle Aspiranten auf die Präsidentenschärpe auf eine wachsende allgemeine Unzufriedenheit der Bevölkerung zählen. Von Juni bis Dezember 1847 kam es zu nicht weniger als zehn Aufständen in allen großen Städten des Landes. Ende Dezember 1847 trat Ballivián zwar zurück. Er übergab aber mit Kriegsminister Eusebio Guilarte einem der schwächeren Akteure die 1672 10.1850 La Paz. Braun an Belzu, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p92/53). 1673 Dies geht beispielsweise aus folgenden Briefen Brauns hervor: 26.12.1848 La Paz. Braun an Belzu, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p80/43). 04.08.1850 La Paz. Braun an Tapia, in: Archiv Braun, Bd.818 (AA p89/50). 10.1850 La Paz. Braun an Belzu, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p92/53).

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Macht. Dieses Zugeständnis konnte die Dynamik der Ereignisse aber nicht mehr stoppen. Ballivián musste nach Chile fliehen, und nach nur zehn Tagen musste Guilarte den Präsidentenpalast räumen.1674 José Miguel Velasco, der mit einer ansehnlichen Armee von Argentinien aus nach Bolivien eingedrungen war, wurde am 18. Januar 1848 zum nun vierten Mal Präsident. Casimiro Olañeta wurde Innenminister, Belzu Kriegsminister, trotz lauter Stimmen, ihn zum Präsidenten zu machen.1675 Ein wichtiger Mitstreiter der neuen Administration war der Politiker und spätere Präsident Boliviens José María Linares. Dieser hatte ab 1829 zuerst die Präsidentschaft von Andrés de Santa Cruz befürwortet, ihm jedoch die Unterstützung nach der Gründung der peruanisch-bolivianischen Konföderation 1835 entzogen. Konsequenterweise schloss er sich der Opposition unter Ballivián und Velasco an. Während der kurzen Präsidentschaft des Letzteren 1839– 1841 war Linares Präfekt und Innenminister. Unter Ballivián musste Linares ins Exil und hielt sich aus diesem Grund 1842 bis 1847 in Europa auf – zum Schluss als Diplomat in Spanien, wo er die diplomatische Anerkennung Boliviens mit aushandelte.1676 Nach dem Fall von Ballivián kehrte Linares zurück, und Anfang des Jahres 1848 ernannte ihn Velasco zum Präfekten von La Paz. Linares übte als Senator im Kongress großen Einfluss auf die bolivianische Politik während der Präsidentschaft von Velasco im Jahre 1848 aus.1677 Mit diesem einflussreichen bolivianischen Politiker stand Otto Philipp Braun in regem Kontakt. Im Mai 1848 beispielsweise versicherte José María Linares dem 1674 Für sein Agieren verteidigte sich Guilarte in: Guilarte, Breve explicación de la conducta del general Guilarte en la última revolución de Bolivia y en su presidencia de los diez díaz, 1848. 1675 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 51ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 58ff. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 201ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 147ff. Díaz Arguedas, Santa Cruz y sus generales, 1965, S. 73ff. Gantier, Casimiro Olañeta, 1965, S. 383ff. Irurozqui, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 125f. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 125ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 392f. Pérez, Quinine and Caudillos, 1998, S. 58ff, 124ff. Pérez, The Chichona bark boom and Belzu’s Jacquerie, 1996, S. 22f. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 82ff. 1676 Hierbei wirkte auch der bolivianische Konsul in Bordeaux und Freund Brauns José Seoane mit. Neben der Anerkennung der Unabhängigkeit versuchten Seoane und Linares, die von Spanien unterstützte und von Flores, Mora und Santa Cruz vorangetriebene Söldnerexpedition nach Südamerika zur Errichtung europäischer Monarchien zu verhindern. Albarracín, El poder minero, Bd. 1, 1972, S. 19. Vázquez Machicado, Monarquía en Bolivia, 1951, S. 16ff, bes. S. 19. Vázquez Machicado, La diplomacia boliviana en la corte de Isabel II, 1941, S. 59, 92. 1677 Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 95ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 158ff, 198ff. Vázquez Machicado, La diplomacia boliviana en la corte de Isabel II, 1941, S. 24ff.

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vor den innenpolitischen Turbulenzen aus Bolivien geflohenen Braun, dass seine Anwesenheit dort nicht nur geduldet würde, sondern gewünscht sei. Linares eröffnete Braun eine weiter gehende Perspektive. Brauns „Einfluss und [seine] zuträglichen Ratschläge könnten nachhaltig dazu beitragen, die erhitzten Gemüter unserer Mitbürger zu beruhigen“1678. Wenn Braun sich im öffentlichen Leben engagierte, könnte seine „noble Uneigennützigkeit einen Beitrag zur Etablierung von Ruhe und Ordnung leisten“1679. Deswegen sei es nötig, dass Braun so schnell wie möglich nach Bolivien komme. Dabei bat er Braun, „auch unserer Freundschaft wegen, denken Sie gar nicht daran, auch nur einen Moment in Tacna zu bleiben“1680, sondern sofort nach Bolivien weiter zu reisen. Doch Braun ging auf dieses Angebot nicht ein und folgte der Bitte von Linares nicht. Im September 1848 hielt sich Braun schon seit Längerem im peruanischen Tacna auf.1681 José María Linares erneuerte die vier Monate zuvor gemachte Bitte. Linares betonte, dass nichts in Bolivien mehr fehle als Brauns Anwesenheit, gerade, nachdem die brutale Diktatur von Ballivián nun abgeschüttelt sei. „Niemand Besseres als Sie könnte nun aufgrund Ihres Patriotismus, Ihres Glanzes und Ihrer Erfahrung mehr zur Beruhigung der politischen Gemüter und zur Harmonie beitragen.“1682 Die Ankunft Brauns in Bolivien wäre daher für ihn und für die „vielen Freunde Brauns“1683 ein großes Glück. Diese Einladung und der Aufruf, sich an der neuen Administration zu beteiligen, schlossen mit der Übermittlung der besten Grüße von Präsident Velasco. Diesmal scheint Braun der Aufforderung von Linares gefolgt zu sein. Denn wenige Wochen später, im November 1848, befand sich Otto Philipp Braun wieder in La Paz.1684 Im Dezember hielt sich Braun kurze Zeit in Corocoro und dann wieder in La Paz auf.1685 Für diese Zeit ist jedoch weder vor noch hinter den Kulissen politisches Engagement von Braun feststellbar. Es ist auch höchst unwahrscheinlich, dass Braun das Angebot von Linares, bei der Administration Velasco mitzuwirken, annahm. Neben der persönlichen Abneigung blieb hierfür auch schlichtweg 1678 27.05.1848 Tacna. Linares an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 718. 1679 Ebd. 1680 Ebd. 1681 Dies geht hervor aus: 27.09.1848 Sucre. Linares an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 719. 1682 Ebd. 1683 Ebd. 1684 Dies geht aus einem Schreiben seines ihn begleitenden 19-jährigen Sohnes an Manuel Rivero hervor, in dem Luis Braun seinem Onkel berichtet, dass er und sein Vater während der Revolutionen im Oktober nicht in La Paz, sondern in Maca Maca in der Nähe von Puno, auf halbem Weg zwischen Arequipa und La Paz, waren: 09.11.1848 La Paz. Luis Braun an Manuel Rivero, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 108. 1685 Dies geht hervor aus: 26.12.1848 Braun an Belzu, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p80/43).

Rehabilitation, Bündnis und Bruch



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keine Zeit, denn schon kurz nach Brauns Ankunft in Bolivien brach die vierte und letzte Präsidentschaft von José Miguel Velasco endgültig zusammen.

10.5 Rehabilitation, Bündnis und Bruch: Manuel Isidoro Belzu 1848–1853 Manuel Isidoro Belzu war viele Jahre lang ein loyaler Funktionär von Präsident Ballivián gewesen. Ihre späteren Differenzen waren nicht grundsätzlichpolitischer, sondern vor allem persönlicher Natur. Während der Untergebene Belzu aufgrund von Regierungsaufträgen außerhalb von La Paz auf Reisen war, hatte Präsident Ballivián mit Belzus Ehefrau Juana Manuela Gorriti1686 eine ­Affäre begonnen. Als Belzu eines Tages Ballivián in seinem Haus bei seiner Frau ertappte, entwickelte er einen tiefen Hass gegen seinen Vorgesetzten. Neben dieser persönlichen Episode demütigte Ballivián den gehörnten Ehemann, als er ihn unter dem Vorwand eines Disziplinarvergehens zum einfachen Soldaten degradierte. Nach beiden Vorfällen nutzte Belzu alle seine Kräfte und all seine Verbindungen, seinen persönlichen Feind José Ballivián zu stürzen. Hierbei unterstützten ihn zum einen peruanische Agenten mit Bestechungsgeldern, die auf diese Weise Balliviáns Kriegspläne unterminierten, sowie Anhänger von Andrés de Santa Cruz, die Balliviáns Taten nicht vergessen hatten und noch immer auf eine Rückkehr des Protektors hofften. Zum anderen konnte Belzu auch auf die Unterstützung der Cascarilla-Unternehmer rechnen, die unter dem von Ballivián an José Tezanos Pinto verpachteten Exportmonopol litten und sich von einer neuen Regierung eine Liberalisierung versprachen.1687 Aus dieser Motivation heraus hatte Belzu auch die Umsturzversuche von José Miguel Velasco und in der ersten Jahreshälfte 1848 auch dessen Administration unterstützt. Ab August desselben Jahres war es jedoch zu politischen Meinungsver1686 Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 397f. Paredes, Ballivián y Belzu, 1962, S.  117ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 79f. Siehe trotz einer sehr affirmativen Darstellung: Yeager, Juana Manuela Gorriti, 1991, S. 118f. 1687 Es soll dabei betont werden, dass nicht, wie etwa von Paredes nahegelegt, allein die persönlichen Differenzen zwischen Belzu und Ballivián zum Fall des Letzteren führten, sondern dass auch politische und ökonomische Akteure diese Auseinandersetzung für ihre Interessen zu nutzen wussten. Belzu seinerseits wandte sich an diejenigen, die aus strukturellen Gründen Gegner Balliviáns waren, und passte seine eigene politische Agenda entsprechend an, um deren Unterstützung zu erhalten. Siehe hierzu: Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 58ff. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 165ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 392f. Mesa, Léonce Angrand, 1999, S. 26. Paredes, Ballivián y Belzu, 1962, S. 117ff. Pérez, Manuel Isidoro Belzu and the Chinchoan Bark Trade, 1998, S. 124ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S.79ff. Valencia Vega, Manuel Isidoro Belzu, 1981, S. 53ff.

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schiedenheiten zwischen ihm und dem Präsidenten gekommen. Einen Monat später brach die Allianz endgültig auseinander. Es folgten Pro-Belzu-Aufstände in Nordbolivien. Dabei geschah es zum ersten Mal in der republikanischen Geschichte des Landes, dass sich nicht nur Armee-Einheiten an den Unruhen beteiligten, sondern auch Teile der zivilen Bevölkerung an diesen politischen Prozessen teilnahmen. Beispielsweise erhoben sich im Oktober 1848 Nationalgarde und Bürger zugunsten von Manuel Isidoro Belzu. Am 12. Oktober, nachdem sich der erst unentschlossene General Sebastian Ágreda in La Paz für Velasco und gegen Belzu ausgesprochen hatte, erhoben sich Teile der Bevölkerung der Stadt und verjagten den Militär – auch sehr zum Erstaunen von Belzu selbst. Die Mobilisierung der zivilen Bevölkerung und deren Einbeziehung in den öffentlichen Diskurs sollten zu einem Markenzeichen der Administration Belzu werden. Doch bevor dieser seine Regierung antreten konnte, musste er im Süden Boliviens den Widerstand von Velasco, Olañeta und Linares und der sie unterstützenden Oberschicht brechen. Bei Besetzungen von regierungstreuen Städten durch Einheiten von Belzu kam es zu Plünderungen von Häusern der Elite. In dieser chaotischen Situation war es der in Chile exilierte José Ballivián, der versuchte, alle Gegner Belzus zu vereinen, was ihm aufgrund seiner Unpopularität jedoch nicht gelang.1688 Letztlich stand das Land, wie auch Francisco Burdett O’Connor in einem Brief an Braun im Dezember 1848 einschätzte, kurz vor dem Auseinanderbrechen. Kräfte in Argentinien schielten auf die bolivianischen Südprovinzen, und peruanische Politiker dachten daran, sich des bolivianischen Nordens zu bemächtigen. Selbst Brasilien wurden Ambitionen auf die Provinz Santa Cruz nachgesagt.1689 Letztlich setzte sich Manuel Isidoro Belzu in der Schlacht von Yamparaez am 6. Dezember 1848 gegen seine Gegner durch. Damit war Belzu de facto Präsident.1690 Otto Philipp Braun hatte sich während der Aufstände und Plünderungen Ende des Jahres 1848 erst im sicheren Peru und dann auf seinem Landsitz in Corocoro aufgehalten.1691 Er war dadurch Unannehmlichkeiten entkommen – auch wenn Braun als Mitglied der besitzenden Oberschicht seinen privaten Be1688 In diesem Kontext ist auch der schon erwähnte Brief Balliviáns an Braun vom ­November 1848 zu verorten. 1689 28.12.1848 Tarija. O’Connor an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 721. 1690 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 83ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 58ff. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 157ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 148ff, 185ff. Gantier, Casimiro Olañeta, 1965, S. 399ff. Irurozqui, Estado y caudillismo en Bolivia, 2000, S. 125f. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 125f. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 387, 396ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 84ff, 160ff, 183ff. 1691 Dies geht hervor aus: 09.11.1848 La Paz. Luis Braun an Manuel Rivero, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 108. 26.12.1848 La Paz. Braun an Belzu, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p80/43).

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sitz bei einem Aufenthalt in La Paz im Dezember 1848 in Kooperation mit den anderen Bürgern in selbst organisierten Wehren und Patrouillen vor Plünderern schützen musste.1692 Wie die anderen Präsidenten zuvor wandte sich auch Manuel Isidoro Belzu an Otto Philipp Braun, seinen alten Vorgesetzten. Braun und der zehn Jahre jüngere Belzu kannten sich spätestens seit dem Jahr 1833, als Braun als Militärrichter einem Verfahren gegen Belzu vorsaß.1693 Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass Belzu und Braun sich schon weit vorher begegneten. Denn Belzu hatte als Dreizehnjähriger unter Andrés de Santa Cruz in der Schlacht von Zepita gekämpft und anschließend Präsident Antonio José de Sucre gedient. Unter Santa Cruz hatte Belzu als einfacher Funktionär in verschiedenen Präfekturen gearbeitet, sich aber auch an der Administration von Velasco beteiligt. In der Schlacht von Ingavi zeichnete sich Belzu aus. Ballivián befördert ihn und setzte ihn auf diversen administrativen Posten ein – bis die Affäre des Präsidenten Ballivián mit der Frau von Belzu diesen zu einem seiner erbittertsten Gegner machte.1694

Allianz zwischen Belzu und der Fraktion Santa Cruz Manuel Isidoro Belzu war bestrebt, seine Regierung und die staatliche Ordnung zu stabilisieren. Hierfür bemühte er sich, in den ersten Monaten eine Koalition aller relevanten Parteien, also der Anhänger von Santa Cruz, Velasco und selbst von Ballivián, zu bilden. Belzu erließ daher eine Reihe von Toleranzedikten, rief seine exilierten Gegner zurück und band Anhänger anderer Personen in seine Administration ein. Dies gelang jedoch nur teilweise. Belzu versuchte als Teil dieses Konzeptes, auch Otto Philipp Braun als prominenten und einflussreichen Anhänger der Fraktion von Santa Cruz in seine Administration mit einer Reihe von Maßnahmen einzubeziehen.1695 Schon wenige Tage nach der für ihn 1692 Dies geht hervor aus: 09.11.1848 La Paz. Luis Braun an Manuel Rivero, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 108. 1693 19.01.1833 La Paz. Nr. 11, Braun an den Vizepräsidenten, Kriegsminister und ­Generalstabschef, in: ANB, MG (1833), Nr. 16, Bd. 63. 1694 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S.58ff. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 157ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 146ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 125ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 392ff. Peralta, El lenguaje del caudilismo en Bolivia, 1997, S. 638ff. Pérez, Manuel Isidoro Belzu and the Chinchoan Bark Trade, 1998, S. 124ff. Richard, La época de Belzu, 1997, S. 619ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 76ff. Valencia Vega, Manuel Isidoro Belzu, 1981, S. 25ff. 1695 Die Nähe von Belzu zu Santa Cruz lässt sich auch durch dessen Zeit als Adjutant des Protektors erklären: Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S.82ff. Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 137ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007,

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siegreichen Schlacht von Yamparaez hatte Belzu Kontakt mit Braun als einem der zentralen Vertreter der Fraktion von Santa Cruz aufgenommen und ihn aufgefordert, sich an der neuen Administration zu beteiligen.1696 Braun seinerseits versicherte Belzu, „dass Sie zwischen meinen guten Freunden immer einen besonderen Platz haben werden“ 1697. Braun machte jedoch gleichzeitig deutlich, dass er sich zwar die Beruhigung der Situation und die Erholung des Landes wünsche, dass er aber weder wieder in die politische Öffentlichkeit treten noch sich hinter den Kulissen in das Geschehen einmischen wolle. Von dieser Absage ließ sich Belzu jedoch nicht entmutigen und setzte seine Bemühungen fort. Am 22. Februar 1849, dem zehnten Jahrestag der Abdankung von Santa Cruz, ließ Belzu beispielsweise alle Säuberungs­dekrete aus dem Jahre 1839 aufheben. In aller Öffentlichkeit bestätigte Belzu damit die Ehre, das Ansehen und das Prestige der ehemaligen Protagonisten und nahm unter anderen den Divisionsgeneral Felipe Braun wieder in die Rangliste der bolivianischen Armee auf.1698 Einen Tag später teilte das Generalkommando von La Paz Felipe Braun die vom Präsidenten veranlasste Rehabilitierung mit und stellte ihm anschließend den offiziellen Einberufungsbefehl zu.1699 Nach zehn Jahren stand Braun damit wieder im offiziellen Dienst der Republik. Hierbei ging es erst einmal weniger um die Vergabe eines konkreten Amtes, sondern vor allem um die öffentliche Wiederherstellung der persönlichen Ehre sowie die öffentliche Bestätigung der Allianz zwischen Belzu und den noch immer zahlreichen Anhängern von Santa Cruz. Wie sehr Braun die letzten zehn Jahre unter der unehrenhaften Entlassung aus der bolivianischen Armee gelitten hatte, zeigt dessen Reaktion auf den wertschätzend gemeinten Einberufungsbefehl. Dieser hatte Brauns Dienstzeit mit dem Jahre 1830, also mit der Präsidentschaft von Andrés de Santa Cruz, beginnen lassen, jedoch Brauns Engagement während des südamerikanischen Unabhängigkeitskrieges und unter Antonio José de Sucre nicht berücksichtigt. Darüber hinaus erwähnte der Einberufungsbefehl nicht, dass Braun – seiner Meinung nach – „im Jahre 1839 ohne jede juristische Grundlage und durch einen skandalösen Bruch aller Gesetze aus der militärischen Rangliste gestrichen wurde“1700. Zwar freute sich Braun grundsätzlich über seine Rehabilitierung, aber er betrachtete S. 89ff, 92ff, 205ff. Valencia Vega, Historia política de Bolivia, Bd. 4, 1986, S. 973. Valencia Vega, Manuel Isidoro Belzu, 1981, S. 65ff. 1696 Belzu hatte Braun am 13. Dezember 1848 geschrieben. Dieser Brief ist nicht erhalten. Dessen Inhalt und Existenz gehen aber hervor aus: 26.12.1848 La Paz. Braun an Belzu, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p80/43). 1697 Ebd. 1698 22.02.1849 La Paz. Dekret von Manuel Isodoro Belzu, in: ANB Colleccion Annuarios Administratios 1849, in: Corte Suprema de Justicia de la Nación, Colección Anuarios Administrativos. 1699 23.02.1849 La Paz. Pedro Alvarez Condarco an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 722. 1700 25.02.1849 Braun an Gabriel Téllez, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p81/44).

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diesen Berechnungsfehler als eine schwerwiegende Verletzung seiner Ansprüche, seiner Ehre und seines Prestiges. Braun betonte in einem emotionalen Antwortschreiben, dass es ihm nicht um eine höhere Bezahlung ginge, denn er verzichte auf höhere monetäre Ansprüche. Aber er bestehe auf seinen „legitimen Rechten, die ich mit meinem Blut erworben habe“1701. Letztlich entsprach Kriegsminister José Gabriel Téllez dem Antrag des „verdienstvollen Herrn General Felipe Braun“1702 und änderte den Einberufungsbefehl innerhalb eines Tages im Sinne Brauns ab. Dabei betonte dieser, dass niemand Brauns Rechte habe beschneiden wollen, und drückte noch einmal die Wertschätzung des Präsidenten gegenüber Braun aus.1703 Dennoch: Selbst Monate später, als das Anliegen schon längst erledigt war, echauffierte sich Braun bei Präsident Belzu noch immer sichtlich erregt über das „ehrlose Dekret“.1704 Die Wiederherstellung der öffentlichen Ehre Brauns und anderer Anhänger von Santa Cruz sollte vor allem der Verfestigung einer Allianz zwischen Belzu und dem ehemaligen Protektor dienen. Dieser hatte aus seinem französischen Exil Belzu zur Präsidentschaft gratuliert. Wenig später ernannte Belzu ihn zum bolivianischen Gesandten in Frankreich, Großbritannien, Belgien und beim Heiligen Stuhl. Dies kam einer ehrenvollen Rehabilitierung gleich.1705 Aber nicht nur Santa Cruz erhielt eine Rehabilitierung und einen Posten. Vor allem bekennende Anhänger des ehemaligen Protektors integrierte Belzu in seine Administration. Am 15. März 1849 erhielt beispielsweise Otto Philipp Braun aus dem Präsidentenpalast die Ernennung zum „Comandante General del Departamento de La Paz“, also zum militärischen Oberbefehlshaber des Departements La Paz. Dabei appellierte Luis de la Tapia, der „Ministro General“ und Vertreter des Präsidenten, an den Patriotismus Brauns und betonte, dass Belzu keine Ausreden akzeptieren werde.1706 Braun, als nun wieder aktiver Divisionsgeneral in Diensten der bolivianischen Republik, erfüllte den Befehl des Präsidenten trotz seiner immer wieder geäußerten Beteuerungen, weder an die Macht geputschten Präsidenten dienen noch sich an innenpolitischen Machtkämpfen zu beteiligen zu wollen. Aber genau das tat er. Wenige Tage zuvor waren mehrere Revolutionen von Anhängern José 1701 25.02.1849 Braun an Gabriel Téllez, in: Archiv Braun Bd. 818 (AA p81/44). 1702 Ebd. 1703 27.02.1849 La Paz. Gabriel Téllez an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 724. 1704 27.06.1849 La Paz. Braun an Belzu, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p82/45). 1705 Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S.138ff. Fajardo Sainz, Andrés de Santa Cruz, 2003, S. 153ff. González Espul, La guerra contra Santa Cruz, 2001, S. 97ff. Guardia, El personalismo político de Andrés de Santa Cruz, 2000, S. 138. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 398f. Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 137ff. Santa Cruz Schuhkrafft, Breves apuntes, 1978, S. 94. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 90, 121. Vargas Aguirre, Trayectoria de la diplomacia boliviana, 2004, S. 278f. 1706 15.03.1849 La Paz. Luis M. de la Tapia an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 725.

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Balliviáns ausgebrochen – auch in La Paz. Belzu hatte aber kurz zuvor die Stadt mit Armee-Einheiten in Richtung eines anderen Unruheherdes verlassen und benötigte nun in La Paz einen versierten und durchsetzungsfähigen Kommandeur. Otto Philipp Braun folgte dem Befehl des Vertreters des Präsidenten Luis de la Tapia und schlug gemeinsam mit ihm und anderen Anhängern Belzus den Aufstand in La Paz nieder. Hierbei handelte es sich nicht um eine klassische Auseinandersetzung zwischen loyalen und meuternden Soldaten, vielmehr erhoben sich auch große Teile der Bevölkerung gegen die Rebellion der in der Stadt stationierten Armee-Einheiten. Ein Großteil der Bevölkerung verließ mit Frauen, Kindern und Alten die Stadt und zog nach El Alto. Nur schlecht ausgerüstet, kehrten sie wieder nach La Paz zurück und griffen mit Steinen und Stöcken das meuternde Bataillon an. Der Straßenkampf dauerte einen ganzen Tag und kostete über 300 Menschenleben. Dies war für eine reguläre Revolution jener Tage ein außergewöhnlich hoher Blutzoll. In Anbetracht dieser hohen Opferzahl begann die aufgebrachte Menge, die Häuser der Anführer des Aufstandes, vor allem der Anhänger von José Ballivián, zu plündern. Erst das vehemente Einschreiten der katholischen Kirche konnte die Situation etwas beruhigen. Als Präsident Belzu wenig später in La Paz eintraf, zogen ihm über 12.000 Menschen euphorisch entgegen. Dies entsprach fast der Hälfte der Einwohner der Stadt. Aller moralischen und politischen Bedenken zum Trotz hatte Otto Philipp Braun sich an der Niederschlagung der Rebellion als Militärkommandeur von La Paz beteiligt und in einer äußerst kritischen Situation zur Stabilisierung des Regimes von Präsident Belzu mit seiner Expertise und seinem Prestige beigetragen. Mit seinem Wirken im März 1849 hatte Braun dem abwesenden Präsidenten den Rücken freigehalten. Dabei ist bemerkenswert, dass Braun als vermögender Angehöriger der Elite sich – wie wenige andere – nicht auf die Seite der klassischen Oberschicht, die von Ballivián und Linares vertreten wurde, gestellt hatte, sondern auf die Seite der Bevölkerung.1707 Während die Aufstände in den anderen Städten zu einem fast landesweiten Bürgerkrieg eskalierten, Belzu seine Toleranzpolitik revidierte und mit harten Repressionsmaßnahmen gegen seine Gegner vorging, äußerte Braun hinter den Kulissen deutlich sein Unbehagen an seinem Mandat und bat um seine schnellstmögliche Entlassung.1708 Neben politischen und moralischen Gründen 1707 Es gilt dabei zu bemerken, dass bisherige Darstellungen gewöhnlich betonen, dass die traditionelle bolivianische Oligarchie sowie die aufstrebenden Minenbesitzer nahezu durchweg Gegner Belzus waren. Gegen diese These spricht das bemerkenswerte Verhalten Otto Philipp Brauns und einiger anderer. Denn er kann als Beispiel eines den (rhetorisch) klassenkämpferischen Präsidenten Belzu unterstützenden Unternehmers und Mitglied des Establishments gelten. Siehe auch die folgende Anmerkung. 1708 Im Anschluss an die Unruhen im März 1849 beendete Belzu seine Versöhnungs- und Toleranzpolitik und ging mit voller Härte gegen seine Gegner vor. Armee und Verwal-

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verwies Braun auf gesundheitliche Probleme.1709 Doch Belzu konnte Brauns Entlassung so kurzfristig nicht umsetzen. Ein Versprechen, Braun am 19. März abzulösen, musste Belzu in Ermangelung fähigen Personals brechen und Braun auf Anfang April vertrösten. Präsident Belzu flehte Braun geradezu an: „Geliebter Freund, bitte opfern Sie noch einige Tage länger ihre Altersruhe. Das Wohl des Vaterlandes […] verlangt dieses Opfer. Ich flehe Sie in Anbetracht unserer Freundschaft an und bitte Sie, noch einige wenige Tage länger auszuharren.“1710 Dies tat Braun dann auch. Am 3. April 1849, die März-Revolution war derweil erstickt, erhielt Braun offiziell seine Entlassungsurkunde und wurde von einem Nachfolger abgelöst. Dies geschah mit allen förmlichen Ehren – also unter gänzlich anderen Umständen als zehn Jahre zuvor bei Brauns letzter Entlassung und Ausweisung aus Bolivien. Der aktuelle Generalstabschef bescheinigte nicht nur die Bewunderung des Präsidenten für die Tugend und den Patriotismus Brauns, sondern formulierte ausführlich, dass „Sie in der Wahrnehmung Ihrer Pflicht als Kommandeur des Departements [von La Paz, Anm. RK] Ihren Patriotismus und [Ihre] Entschiedenheit für die Sache der Freiheit in denkbar schwierigen Umständen bewiesen haben“1711. Ferner bedankte er sich: „Die bolivianische Nation steht bei Ihnen für den wichtigsten Dienst seit langer Zeit in der Schuld. Die Oberste Regierung hat die große Ehre, Ihnen hiermit ihren Dank auszudrücken, da Sie sich des Vertrauens der Nation würdig erwiesen haben. Wir hoffen, dass es nicht das letzte Mal gewesen sein wird, dass Sie dies für das Wohl der Nation tun.“1712 Manuel Isidoro Belzu drückte dann noch einmal in einem privaten Schreiben sein persönliches Bedauern über die Entscheidung Brauns aus – auch wenn er dessen Gründe nachvollziehen könne. Dabei unterstrich Belzu noch einmal: „Es gibt niemanden, der diesen Posten so ausfüllen kann wie Sie. Keiner meiner Freunde hat mit mehr Vergnügen dem öffentlichen Dienst in so schwierigen Umständen gedient. Ihr Patriotismus – stets nobel und uneigennützig – macht sie vertrauenswürdig. Sie sind der Mann, den La Paz

tung säuberte er von politisch nicht verlässlichen Personen. Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 95ff. Arguedas, La plebe en accion, 1981, S. 63ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 61ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 127. Pérez, Manuel Isidoro Belzu and the Chinchoan Bark Trade, 1998, S. 146ff. Santa Cruz, Treinta años de historia paceña, 1943, S.  177ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 90f, 94ff. Valencia Vega, Manuel Isidoro Belzu, 1981, S.68ff. 1709 Die Gründe gehen hervor aus: 19.06.1849 Sucre. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 729. 1710 28.03.1849 Oruro. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 726. 1711 03.04.1849 Cochabamba. Generalstab. Tómas de Bárcena an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 727. 1712 Ebd.

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braucht.“1713 Dennoch lasse er Braun gehen. Er werde Braun nur noch rufen, „wenn es das Wohl des Vaterlandes verlangt“1714. Andere Anhänger von Santa Cruz wurden während der politischen Allianz der beiden Fraktionen zu wichtigen Stützen der Regierung Belzu. Sie bekleideten viele einflussreiche Posten in Staat und Armee. Nach außen wirkten die ersten drei Jahre der Administration Belzu wie eine Restauration der Administration von Santa Cruz.1715 Braun pflegte – trotz der Absage an Belzu – kontinuierlich auch weiterhin den Zugang zum Präsidenten, und dieser schätzte den Rat seines ehemaligen Vorgesetzten. Dies blieb auch anderen politischen Akteuren nicht verborgen. Ein Geheimagent der argentinischen Regierung unter Rosas bezeichnete Braun aufgrund seiner zentralen Stellung im politischen Netzwerk um den Präsidenten und die ihn unterstützenden Anhänger von Santa Cruz als Chef der „cruzistischen Loge“1716. Der Historiker Andrey Schelchkov sah in seiner 2007 erschienenen Studie über die Administration Belzu in Otto Philipp Braun – gemeinsam mit Pedro Sáenz – den zentralen und entscheidenden Akteur der Fraktion Santa Cruz während der Präsidentschaft Belzu. Nach Schelchkov war es vor allem Braun, der einen großen Teil der politischen Arbeit der Fraktion inner- und außerhalb Boliviens ab 1849 koordinierte.1717 Belzu war sich der Rolle von Otto Philipp Braun in der Fraktion von Santa Cruz bewusst und bot Braun zur besseren Integration und Kontrolle immer wieder an, öffentliche Posten in Staat, Verwaltung und Militär zu übernehmen – doch Braun lehnte immer wieder ab. Mitte Juni 1849 beispielsweise äußerte Belzu den Wunsch, dass Braun, sobald er gesundheitlich wieder genesen sei, wieder die Präfektur und das Kommando über La Paz übernehmen möge. Doch Braun erläuterte detailliert, warum er dies nicht tun könne. Braun unterstrich dabei nicht nur die Freundschaft zu Belzu und schlug sich deutlich auf dessen politische Seite, sondern verwies auch auf die Unterstützung aller seiner Freunde – eine deutliche Anspielung auf die Fraktion Andrés de Santa Cruz. Aber die während der Feldzüge zur Unabhängigkeit Südamerikas seit dem Jahre 1820 er1713 14.04.1849 Cochabamba. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 728. 1714 Ebd. 1715 19.06.1849 Sucre. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 729. 27.06.1849 La Paz. Braun an Belzu, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p82/45). Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 205. 1716 Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 208f. Richard, La época de Belzu, 1997, S. 622ff. 1717 An dieser Stelle ist kritisch auf die These von Frédéric Richard, die Anhänger von Santa Cruz hätten die Administration – vor allem ab 1853 – dominiert, einzugehen: Erstens besaß das Regierungssystem von Belzu seine eigene Dynamik, und zweitens entfernten sich ab dem Jahr 1851 Belzu und die Fraktion Santa Cruz immer deutlicher voneinander, bis es Mitte 1853 zum politischen Bruch kam. Siehe hierfür auch: Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 208f. Richard, La época de Belzu, 1997, S. 624.

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littenen Gebrechen machten es ihm aus gesundheitlichen Gründen unmöglich, einen öffentlichen Posten anzunehmen. Darüber hinaus hätten „die monströsen Ungerechtigkeiten, die man mir im Jahre 1839 antat, etwa die grundlose und völlig illegale Streichung aus der militärischen Rangliste, die Missachtung aller meiner Rechte und die Ausweisung aus dem Land“1718 vor allem seinen unternehmerischen Geschäften erheblich geschadet, denen er sich jetzt – auch seiner Familie zu Liebe – widmen müsse. Als dritten Grund verwies Braun auf seine Entscheidung, sich niemals wieder in innerbolivianische Auseinandersetzungen einmischen zu wollen. Dabei betonte er Belzu gegenüber, er habe vor allem aus persönlicher Freundschaft zu ihm und aufgrund der kritischen Situation im Departement das Mandat als Kommandeur wahrgenommen – aber völlig „entgegen meinem Anstand“1719. Als Letztes wies Braun in aller Offenheit und Deutlichkeit darauf hin, dass er selbst für den Fall seiner Genesung das Mandat als regulärer Militärkommandeur von La Paz „in friedlichen Zeiten ohne jegliche Notsituation“1720 nicht annehmen könne, „da es in keiner Weise meiner vorherigen Karriere […] mit den hohen Kommandos für dieses Land ab dem Jahre 1835“1721, also den viel höheren Ämtern des Kriegsministers, des Generalstabschefs und nicht zuletzt des Großmarschalls, entspräche. Trotz dieser offenen Worte blieben Braun und Belzu enge politische Verbündete. Knapp ein Jahr später versuchte der bolivianische Präsident erneut, Braun offiziell in die Administration einzubinden und dessen militärische und politische Expertise zu nutzen. Mitte Juni 1850 bot er Braun das Generalkommando an der peruanisch-bolivianischen Grenze an, vor allem, um den Cascarilla-Schmuggel zu unterbinden.1722 Dies hätte für Belzu auch den Vorteil gehabt, den als zentralen und damit mächtigen Akteur der Fraktion von Santa Cruz geltenden Braun für einige Zeit aus dem politischen Zentrum und damit aus dem politischen Alltagsgeschäft zu entfernen.1723 Allerdings zwang Belzu Braun nicht wie Anfang 1849 mit einem offiziellen Befehl, das Mandat zu übernehmen, sondern erkundigte sich in einem privaten Schreiben hinter den Kulissen, ob Braun, dessen persönliche Qualitäten ihn für diese schwierige Aufgabe prädestinierten, dieses Kommando übernehmen würde.1724 Dabei muss unterstrichen werden, dass die Erlangung der staatlichen Kontrolle über den Handel mit einem der wichtigsten Exportgüter 1718 27.06.1849 La Paz. Braun an Belzu, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p82/45). 1719 Ebd. 1720 Ebd. 1721 Ebd. 1722 12.06.1850 Sucre. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 730. Ferner: Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 122f. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 402. Pérez, Manuel Isidoro Belzu and the Chinchoan Bark Trade, 1998, S. 297ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 91f, 135f. 1723 Dies formuliert: Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 208. 1724 12.06.1850 Sucre. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 730.

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des Landes zur Erzielung von Steuer- und Zolleinnahmen äußerst relevant und auch ein politisches Anliegen von Braun war. Aber Braun lehnte erneut ab – nicht jedoch, ohne dem Präsidenten eine klare Rechtfertigung zu geben. Denn hinter den Kulissen scheint es aufgrund des schnellen Entlassungsgesuches im März 1849 und Brauns Weigerung, neue Mandate zu übernehmen, Zweifel an dessen Loyalität gegenüber dem Präsidenten und an seinem Patriotismus als Bolivianer gegeben zu haben. Hiergegen wehrte sich Braun, zumal als Gegner Belzus identifizierte Akteure mit harten Repressalien überzogen wurden. Ende Juni 1850 argumentierte Braun gegenüber dem Präsidenten unter Zuhilfenahme sämtlicher rhetorischer Mittel wie folgt: „Auf den Schlachtfeldern von Junín und Ayacucho habe ich mit meinem eigenen Blut die Taufe als Bolivianer erhalten. Anschließend war ich immer bereit, mit meiner Liebe und mit meinem Leben mein adoptiertes Vaterland zu verteidigen. Auch wenn mir nicht die Ehre zuteilwurde, auf der Erde der Tochter des Libertadors geboren worden zu sein, hat mein Herz für niemanden mit mehr Einsatz und mehr Loyalität für dessen Unabhängigkeit gekämpft. Daher, mein Präsident, mein Freund, ist niemand mehr Bolivianer als ich.“1725

Im Anschluss beteuerte Braun noch einmal seine Freundschaft Belzu gegenüber, seine eigene Unfähigkeit, diesen zu betrügen, und seine Parteinahme für die politischen Anliegen des Präsidenten. Braun nannte auch noch einmal alle seine Gründe, Belzu nicht als Kommandierender General oder in einer sonstigen Position dienen zu können. Braun verwies auf sein Alter, auf seine Gebrechen, seine 39-jährige Dienstzeit und seinen Wunsch, in Ruhe als Privatmann zu leben. Als Hauptargument führte Braun jedoch seine „unveränderlichen Prinzipien“1726 an, „eher bereit zu sein, zu sterben, als an den internen Auseinandersetzungen“1727 in Bolivien teilzunehmen. Er sei seit elf Jahren neutral, auch wenn er die Präsidentschaft Belzus generell unterstütze und im März 1849 tatkräftig – in einer Notsituation – verteidigt habe. Daher lehne er erneut das Angebot Belzus ab. Gleichzeitig schränkte er jedoch ein, dass er im Falle einer Bedrohung von außen in den Reihen der Armee dienen werde. „Wie schon tausend Male zuvor biete ich meinem geliebten Adoptiv-Vaterland mein Leben […] für dessen Unabhängigkeit an“1728. Belzu akzeptierte wie schon zuvor Brauns Ablehnung, versicherte ihm aber, von dessen Patriotismus und Loyalität überzeugt zu sein.1729 Allerdings wies er Braun darauf hin, „dass ich 1725 26.06.1850 La Paz. Braun an Belzu, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p84/46). 1726 Ebd. 1727 Ebd. 1728 Ebd. 1729 04.08.1850 Sucre. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 731.

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sicherlich nicht aus Ihrem Mund Ihre glorreichen vorherigen Taten hören muss. Ich habe ja die Ehre gehabt, einige Male unter Ihrem Befehl zu stehen, und weiß daher, was Ihnen die bolivianische Erde schuldet. Auch kenne ich sehr wohl die Geschichte meines Landes und weiß, dass sie einer der Gründerväter seiner Unabhängigkeit sind.“1730 Belzu scheint Brauns vorherige rhetorische Selbstdarstellung übel aufgestoßen zu sein – zumal er schließlich Präsident war. Dennoch versicherte er dem zehn Jahre älteren Braun seine Freundschaft und bestätigte sein Vertrauen in dessen Loyalität. Trotz dieser erneuten Absage setzte sich die politische Allianz der Fraktionen und die private Korrespondenz zwischen Präsident Belzu und Braun fort. Schon wenig später beglückwünschte Braun Belzu zu dessen Ernennung zum verfassungsmäßigen Präsidenten, wofür sich Belzu ausgiebig bedankte. Dabei forderte er Braun nochmals allgemein dazu auf, die Administration tatkräftig zu unterstützten. Er sah in Braun „einen der Gründer unserer glorreichen Unabhängigkeit und einen Bolivianer mit ganzem Herzen“1731. Er fragte Braun: „Würden Sie ihr Werk unvollendet verlassen, ohne mir mit Ihren ganzen Kräften und Ihrem ganzen Patriotismus zu helfen und das in Sie gesetzte Vertrauen zu bestätigen?“1732 Doch Braun ging auf dieses Angebot nicht ein. Er blieb aber weiterhin auf der Seite von Belzu aktiv. Im September 1850 beispielsweise, nach einem fast erfolgreichen Attentat auf Belzu, bei dem dieser schwer verletzt worden war, tauschten sich dieser und Braun intensiv aus.1733 Braun berichtete dem Präsidenten, wie er, kurz nachdem er von dem Attentat erfahren habe, nach La Paz geeilt sei, um sich ihm und dem Vaterland zur Verfügung zu stellen. In starken Worten verurteilte Braun den Urheber des Attentats, José Ballivián, und versicherte Belzu seiner vollen Unterstützung.1734 Belzu seinerseits berichtet, wie ihn der missglückte Anschlag darin bestärke, seine Mission unvermindert fortzusetzen. Er zähle dabei auf die Unterstützung Brauns.1735 Die Weigerung Brauns, ein offizielles Amt in der sich konsolidierenden Administration Belzu zu übernehmen, bedeutete aber kein Ende der politischen Allianz, des Zugangs zur Staatsspitze oder gar eine politische Abstinenz Brauns 1730 04.08.1850 Sucre. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 731. 1731 Ebd. 1732 Ebd. 1733 10.1850 La Paz. Braun an Belzu, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p92/53). 03.11.1850 Sucre. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 737. Aranzaes, Las Revoluciones en ­Bolivia, 1992, S. 111ff. Carrasco, José Ballivián, 1960, S. 228. Díaz Arguedas, Los generales de Bolivia, 1929, S. 437f. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 125. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 398. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 104ff. Vázquez Machicado, Monarquía en Bolivia, 1951, S. 70. Valencia Vega, Manuel Isidoro Belzu, 1981, S. 73ff. 1734 10.1850 La Paz. Braun an Belzu, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p92/53). 1735 03.11.1850 Sucre. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 737.

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– zumal der Präsident die politische Opposition gerade nach dem gescheiterten Attentat auf ihn rigoros verfolgte und mitunter terrorisierte. Braun agierte hinter den Kulissen. Beispielsweise berichtete er im August 1850 seinem langjährigen Freund, dem Bildungsminister José Agustín de la Tapia, detailliert über die politischen Verhältnisse in La Paz und Corocoro.1736 An beiden Orten würden sich aufgrund einer falsch verstandenen Toleranz die Anhänger von Ballivián versammeln und die Regierung unterminieren. Darüber hinaus benannte Braun Missstände, etwa dass ein Franzose in Corocoro aufrührerische Pamphlete verbreite, und riet dem Minister, „diesen französischen Schurken […] aus dem Land zu werfen“1737. Ferner skizzierte Braun den Weg, wie man den für den Staat so schädlichen Schmuggel von Quina wirksam bekämpfen könne.1738 Er riet der Regierung dringend, sich dieses Problems anzunehmen, da der Schmuggel kein Problem der Wirtschaft, sondern der Regierung sei. Schließlich würde der Erlös des Schmuggels vor allem die Opposition um José Ballivián finanzieren. Am meisten störten Braun jedoch viele unzuverlässige und korrupte Funktionäre, die gegen die Regierung Belzu arbeiten würden. Deshalb unterstützte er die Vertrauenswürdigen, wie den Präfekten von La Paz, dem er mit Rat zur Seite stand. Braun gab dem Präfekten beispielsweise ganz konkrete Tipps zur Aufrechterhaltung der Disziplin der Nationalgarde und zur Aufstandsbekämpfung.1739 Der Minister empfand Brauns Berichte und Ratschläge offenbar nicht als Einmischung, sondern als willkommene Inspiration. Im Gegenzug berichtete Tapia detailliert von den aktuellen politischen Entwicklungen im Zentrum der Macht – etwa vom Kongress oder vom Umfeld des Präsidenten.1740 Braun besaß – obwohl ohne offizielles Amt – Zugang zum Präsidenten und seinen Mitstreitern und damit Zugang zu exklusiven und geheimen Informationen.

1736 José Agustín de la Tapia hatte Braun Anfang der 1840er Jahre als Verbindungsmann zum damaligen Präsidenten Velasco gedient. Schelckov bezeichnet Tapia als vertrauten Berater Brauns: Barnadas, Tapia, José Agustín de la, 2002, S. 973. Salinas, Historia de la Universidad Mayor de San Andrés, Bd. 1, 1967, S. 384f. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 207. Thiessen-Reily, La era de Belzú, 2007 [=2003], S. 82ff. 1737 04.08.1850 La Paz. Braun an Tapia, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p89/50). 1738 Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf Braun. Denn dieser war schließlich selbst ein transatlantisch agierender Quina-Unternehmer und litt unter dem verhängten Exportmonopol. Aber scheinbar beteiligte sich Braun nicht an dem einträglichen Schmuggelhandel. 1739 Dies geht hervor aus: 04.08.1850 La Paz. Braun an Tapia, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p89/50). 1740 12.08.1850 Sucre. Tapia an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 732. 20.08.1850 Sucre. Tapia an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 733. 25.09.1850 Sucre. Tapia an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 735. 27.09.1850 Sucre. Tapia an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 736.

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Freunde fürs Leben: Francisco Burdett O’Connor Neben diesen primär politischen Kontakten pflegte Braun auch ein privates Netzwerk, etwa zu dem Veteranen des Unabhängigkeitskrieges Francisco Burdett O’Connor. Dieser hatte sich nach dem Zusammenbruch der peruanischbolivianischen Konföderation auf seine Ländereien im südbolivianischen Tarija zurückgezogen. Mit O‘Connor tauschte Braun nicht nur private Neuigkeiten oder alte Erinnerungen aus, sondern auch politische Lageeinschätzungen sowie detaillierte Informationen über die Verhältnisse in den einzelnen Regionen und Standpunkte der einzelnen politischen Akteure.1741 Dabei warnte O‘Connor Braun eindringlich, dass trotz aller Mitarbeit, Freundschaftsbeteuerungen und politischer Unterstützung Präsident Belzu weder ihm noch Braun richtig traue. Beispielsweise habe er dem Präsidenten einen Vorschlag unterbreitet, mit günstig zu finanzierenden Milizen von seiner südbolivianischen Heimatprovinz aus die Grenze nach Argentinien zu sichern. Doch dieser sei nicht darauf eingegangen, obwohl „mit Ihnen im Norden und mir hier im Süden sich niemand in Bolivien hätte auflehnen können“1742. O’Connor hegte den Verdacht, dass Präsident Belzu nicht Braun und O’Connor – ebenfalls ein Anhänger von Santa Cruz – gleichzeitig militärische Machtmittel in die Hand geben wollte. Dies interpretierte er als Ausdruck des Misstrauens Belzus. Dabei hatten Belzu und O’Connor ein enges Verhältnis, da der Ire Trauzeuge bei der Hochzeit von Manuel Isidoro Belzu mit Juana Manuela Gorriti gewesen war. Zwei Jahre später kam es dann tatsächlich zum politischen Bruch zwischen der Fraktion Belzu und den Anhängern von Santa Cruz und zum persönlichen Riss zwischen dem Präsidenten und Braun.

Wachsendes Misstrauen: Abreise aus Südamerika 1851 Ende April 1851 beantragte Braun beim bolivianischen Kriegsminister José Gabriel Téllez und bei Präsident Belzu die Erlaubnis, sich für 18 Monate nach Europa begeben zu dürfen, da er mit dem letzten Dampfschiff schlechte Nachrichten über den Gesundheitszustand seiner in Kassel gebliebenen Frau erhalten habe.1743 1741 28.12.1848 Tarija. O’Connor an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 721. Braun hatte am 15.11.1850 O’Connor geschrieben. Wie dieses sind auch andere Schreiben nicht erhalten. Siehe aber: 12.12.1850 Tarija. O’Connor an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 738. 1742 Ebd. 1743 Zu José Gabriel Téllez und seiner Rolle in der Administration Belzu siehe: Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 82, 91, 113. Dunkerley, The Americas in the World around 1850, 2000, S. 451f. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 264f. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 9, 207f. Sotomayor Valdés, Administra-

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Dabei versprach er den beiden Politikern eine nur kurze A ­ bwesenheit und beteuerte seine Absicht, auch während seiner Abwesenheit der Regierung treu zu bleiben.1744 Noch am selben Tag erteilte der Kriegs­minister in Absprache mit dem Präsidenten Braun die Lizenz – die er als aktiver General der Republik benötigte – aus Bolivien ausreisen zu dürfen. Braun werde sogar weiterhin sein Gehalt beziehen, schließlich werde er auch im A ­ usland die Regierung vertreten.1745 Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, dass eine Krankheit von Brauns Frau tatsächlich der Grund für die Abreise Brauns aus Bolivien war. Vielmehr muss von politischen Gründen ausgegangen werden. Denn ab 1851 trübte sich das Verhältnis zwischen Belzu und den Anhängern von Santa Cruz immer weiter ein. Als Gerüchte von geplanten Putschen der Fraktion Santa Cruz und einer Rückkehr des ehemaligen Protektors aufkamen, wuchs das Misstrauen bei Präsident Belzu deutlich – auch wenn die Vorwürfe zu diesem Zeitpunkt ungerechtfertigt waren. Als Belzu dann nach Bolivien emigrierte argentinische Unitarier, enge Verbündete von Santa Cruz, verfolgen ließ oder das vom ehemaligen Protektor und jetzigen bolivianischen Botschafter in Europa ausgehandelte Konkordat von den Zeitungen der Regierung angegriffen wurde, waren viele Anhänger des Protektors gewarnt. Die Spannungen zwischen den beiden Fraktionen nahmen trotz einer ansonsten zerschlagenen Opposition immer weiter zu. Im Dezember 1851 setzte ein wahrer Exodus der Anhänger von Santa Cruz aus der Administration Belzu ein. Auch Santa Cruz selbst verlor seinen Botschafterposten.1746 Aus diesen Gründen ist es höchst wahrscheinlich, dass Braun als zentraler Akteur der politischen Fraktion von Santa Cruz und der zerbröckelnden Allianz mit Belzu das Land aus politischen Gründen frühzeitig verließ. Denn dadurch entzog sich Braun dem Zugriff des Präsidenten und somit möglicher Verfolgung – zumal seit dem Attentat gegen Belzu Ende des Jahres 1850 eine ausländerfeindliche Atmosphäre von regierungsnahen Zeitungen geschürt wurde, von der potenziell auch Braun betroffen sein konnte.1747

ción de Achá, 1874, S. 92ff. Valencia Vega, Manuel Isidoro Belzu, 1981, S. 66, 91. Vargas Aguirre, Trayectoria de la diplomacia boliviana, Bd. 1, 2004, S. 277, 299. 1744 29.04.1851 La Paz. Braun an Tellez, in: Archiv Braun, Bd. 740. 1745 Ebd. 1746 Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 106ff. Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 142ff. 1747 Es gilt darüber hinaus zu bedenken, dass sich Braun um das kurz vor dem Zusammenbruch stehende Quina-Geschäft kümmern musste. Darüber hinaus ist in der erhaltenden Korrespondenz an Braun nicht ein einziger Hinweis auf eine Krankheit seiner Frau enthalten, obwohl es den Gepflogenheiten der Zeit entsprochen hätte, als Korrespondenzpartner sich nach dem Wohlbefinden der Frau zu erkundigen und bei etwaigen gesundheitlichen Problemen gute Besserung zu wünschen – was nicht festzustellen ist. Siehe auch: Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 138ff, 208ff, 218f.

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In der Tat hegte die Administration Belzu persönliche Bedenken gegenüber Braun. Selbst der Bruder des Präsidenten, zwar Sympathisant von Santa Cruz, aber dennoch treuer Funktionär der Administration des Präsidenten, Francisco de Paula Belzu1748, erinnerte Braun daran, dass er hoffe, dass Braun auch unabhängig von der Distanz zwischen ihnen ihre „wahre Freundschaft“1749 über den Atlantik hinweg pflegen und er der Regierung treu bleiben werde. Der Bruder des Präsidenten, einer von Brauns ehemaligen Untergebenen während des Feldzuges der peruanisch-bolivianischen Konföderation gegen Argentinien Ende der 1830er Jahre, hielt intensiven, der Form nach privaten, aber dem Inhalt nach politischen Kontakt zu Braun. Francisco de Paula Belzu informierte Braun regelmäßig über die neuesten Entwicklungen in Bolivien und Südamerika. Dabei zeichnete er ein kohärentes Bild stabiler und prosperierender Verhältnisse in Bolivien und seiner obersten Regierung.1750 Braun seinerseits erhielt die Verbindung ebenfalls aufrecht.1751 Kaum war Braun in Europa angekommen, forderte Francisco de Paula Belzu diesen dazu auf, so schnell wie möglich nach Bolivien zurückzukehren. Dabei richtete er immer wieder die herzlichen Grüße seines Bruders – des Präsidenten – aus.1752 Doch Braun war wenig geneigt, den Wünschen der beiden zu entsprechen. Stattdessen verwies Braun von Kassel aus auf den – wohl nach seiner Abreise – verschlechterten Zustand seiner eigenen Gesundheit.1753 Aus diesem Grund werde er auch nicht vor 1853 nach Südamerika zurückkehren.1754

Zögerliche Kontakte zur Opposition Auf den ersten Blick scheint an der Reise Otto Philipp Brauns zur Unterstützung seiner kranken Frau nichts Verdächtiges. Es sei aber an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Braun nicht nur mit Francisco de Paula Belzu und anderen lo1748 Barnadas, Belzu Humérez, Francisco de Paula, 2002, S. 285. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 62, 93. Richard, La época de Belzu, 1997, S. 622ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 264. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 208. Valencia Vega, Manuel Isidoro Belzu, 1981, S. 68. 1749 16.05.1851 La Paz. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 741. 1750 Ebd. 24.05.1851 La Paz. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 742. 1751 Leider sind diese Briefe nicht erhalten. Dennoch wissen wir durch Bezugnahmen seines Korrespondenzpartners und Anmerkungen Brauns auf den Briefeingängen von diversen seiner Schreiben, etwa: 14.10.1851 Paris. Braun an FP Belzu, 20.06.1851 Braun an FP Belzu. 11.03.1852 Braun an FP Belzu, 11.08.1852 Braun an FP Belzu. 1752 23.07.1851 La Paz. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 743. 1753 Dies geht hervor aus: 23.12.1851 La Paz. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 745. 1754 Dies geht hervor aus: 03.06.1852 Tacna. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 751.

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yalen Anhängern des bolivianischen Präsidenten, wie etwa mit dem Bildungsminister José Agustín de la Tapia,1755 korrespondierte, sondern auch mit Vertretern der Opposition, wie etwa Pedro Sáenz.1756 Dieser Cascarilla-Unternehmer und ab 1851 erbitterte Gegner von Belzu zeichnete ein gänzlich anderes Bild von den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen in Bolivien als Francisco de Paula Belzu. Sáenz sprach nicht von Harmonie und Stabilität, sondern davon, dass die Situation jeden Tag unerträglicher werde. Seiner Darstellung nach war Belzu inzwischen verrückt geworden und übte einen „brutalen Despotismus“1757 aus. Daher forderte Sáenz den in Europa befindlichen Braun eindringlich dazu auf, den namentlich nie genannten und als „Freund in Paris“1758 oder „General in Paris“1759 bezeichneten Santa Cruz zu einer schnellen Rückkehr nach Südamerika zu bewegen. Sáenz betonte von 1851 bis 1855 immer wieder: „Wäre es möglich, dass dieser General, der so viel Ruhm dem Vaterland gegeben und so viele Opfer für das Volk erbracht hat, nicht einmal eine kleine Anstrengung unternimmt, um es aus einer unwürdigen Situation herauszuholen?“1760 Santa Cruz bräuchte lediglich in Lima oder Tacna zu erscheinen, und in Bolivien würden Revolutionen zu seinen Gunsten ausbrechen. „In Gottes Namen, drängen Sie ihn dazu“1761, appellierte Pedro Sáenz. Denn „die Völker sind müde. Sie können nicht länger warten.“1762 Braun teilte die Meinung seines Unternehmerkollegens nicht – zumindest noch nicht. Braun bezweifelte, dass die Präsenz von Santa Cruz in Südamerika zu einem reibungslosen Regierungswechsel in Bolivien führen würde – sehr zum

1755 Auch wenn die Schreiben Brauns nicht erhalten sind, geht aus handschriftlichen Kommentierungen Brauns auf den Eingängen hervor, dass er jeden Brief von Tapia beantwortete: 24.02.1852 La Paz. Tapia an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 746. 29.07.1852 La Paz. Tapia an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 752. 24.04.1853 La Paz. Tapia an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 758. 1756 Braun und Sáenz pflegten auch geschäftliche Beziehungen. Darüber hinaus war Sáenz ein treuer Anhänger von Santa Cruz gewesen und hatte bis 1851 hinein die Administration Belzu unterstützt, etwa als Mitglied einer Kommission zur Revision des Bürgerlichen Gesetzbuches oder hinter den Kulissen politisch. Nach dem Zusammenbruch des Casacrilla-Exportes im Jahr 1851 hatte er der Regierung dann aber seine Unterstützung entzogen, war ins Exil nach Peru gegangen und hatte sich der Opposition angeschlossen: 23.12.1851 La Paz. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 745. Ferner: Forbes, Geologia de Bolivia, 1901, S. 28ff. Paredes, Ballivián y Belzu, 1962, S. 131. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 115, 137ff. 1757 10.03.1852 Valparaíso. Sáenz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 748. 1758 16.05.1852 Valparaíso. Sáenz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 750. 1759 Ebd. 1760 01.12.1851 Tacna. Sáenz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 744. 1761 Ebd. 1762 Ebd.

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Entsetzen von Pedro Sáenz.1763 Dieser kritisierte Brauns Position dann auch mit scharfen Worten. Er warf ihm vor, die „so glorreiche Angelegenheit der Rettung des Vaterlandes“1764 zu missachten, obwohl „Ihre Ehre und die Stimmen aller Bolivianer es verlangen“1765. Auch wenn Braun nicht sofort der Meinung seines Unternehmerkollegens folgte und dessen Bitte umsetzte, zeigt die Kommunikation mit Sáenz, dass Braun mit der Opposition gegen den Präsidenten Boliviens, den er als aktiver General zu stützen und zu schützen hatte, in engem Austausch stand.1766 Sáenz beließ es jedoch nicht nur bei verbaler Kritik an Belzu, sondern beteiligte sich ganz konkret an Revolutionsvorbereitungen gegen ihn – was er Braun auch mitteilte. Sáenz gab Braun auch ganz konkrete Tipps, wie eine erfolgreiche Revolution am besten zu bewerkstelligen sei. Santa Cruz solle nicht über Peru, sondern über Buenos Aires und Jujuy nach Bolivien eindringen. Er und weitere Freunde hätten schon einmal den dortigen Gouverneur, einen seiner besten Freunde, dahin gehend vorbereitet,1767 und dieser habe auch seine Unterstützung signalisiert. Auch nachdem Braun Sáenz abgesagt hatte, bemühte sich dieser weiterhin um die Unterstützung des einflussreichen Braun. Mitte Juni 1853 versicherte Sáenz, dass alle den Sturz von Belzu wünschten, aber gleichzeitig kein geeigneter Nachfolger in Sicht sei. Nur aus diesem Grund würde sich Belzu noch im Amt halten können. Bei einer Ankunft von Santa Cruz in Südamerika wäre das nicht mehr der Fall.1768 Immer und immer wieder forderte Sáenz Braun auf, bei Santa Cruz zu intervenieren und diesen zu einer baldigen Abreise zu bewegen. Auf keinen Fall dürfe dieser länger zögern. Sáenz insistierte gegenüber Braun genauso wie die Repräsentanten der Administration Belzu darauf, dass er so schnell wie möglich nach Südamerika zurückkehren müsse. Doch wie bei den Anfragen von Francisco de Paula Belzu sagte Braun Pedro Sáenz ab. Die Äußerungen von Pedro Sáenz zeigen nicht nur, dass Braun als noch pro forma der Regierung Belzu unterstehender General nicht nur mit deren Unterstützern, sondern auch mit der Opposition kommunizierte. Sie zeigen vielmehr auch, dass Akteure wie Sáenz über Braun versuchten, ihre eigenen politischen Projekte voranzutreiben. Dabei schrieben sie Braun den Einfluss zu, den in Paris residierenden Santa Cruz zu einer Rückkehr nach Südamerika bewegen zu kön1763 Dies geht hervor aus: 16.05.1852 Valparaíso. Sáenz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 750. 1764 Ebd. 1765 Ebd. 1766 Braun beantwortete die Briefe von Pedro Sáenz regelmäßig, wie aus dessen Schreiben und den eigenhändigen Kommentaren Brauns auf den Eingängen hervorgeht. 1767 20.06.1853 Tacna. Sáenz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 760. 1768 20.06.1853 Tacna. Sáenz an Braun, in: Archiv Braun Bd. 760.

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nen. Damit machten sie Braun zu einem Verbindungsmann ihrer die atlantische Welt umspannenden revolutionären Pläne. Neben Sáenz stand Braun auch in direktem Kontakt mit dem ehema­ligen Protektor der peruanisch-bolivianischen Konföderation. Auch hielt sich Braun von 1851 bis 1855 nicht die ganze Zeit in Kassel, sondern wie im Spätsommer des Jahres 1851 auch öfters in Paris auf.1769 Dabei ist es aufgrund des engen Zeitfensters nicht unwahrscheinlich, dass Braun von Südamerika auch nicht zuerst nach Kassel – wie bei seiner ersten Rückkehr im Jahre 1840 – sondern direkt nach Frankreich reiste. Dies wiederum wiese auch auf die hohe Priorität dieses Ziels hin – obwohl doch in Kassel eine kranke Ehefrau auf Braun wartete. In Paris jedenfalls traf Braun mehrmals mit Andrés de Santa Cruz zusammen. Hierzu sind allerdings erneut keine schriftlichen Quellen in dem von Braun selbst geordneten Nachlass zu finden, aber sehr wohl in dem von dessen ebenfalls in Paris lebenden Neffen Otto Braun.1770 Vor dem Hintergrund des auseinanderbrechenden politischen Bündnisses und oppositioneller Konspirationen gegen Präsident Belzu waren den Zeitgenossen diese Kommunikation und diese Treffen höchst verdächtig. Dies war ja aufgrund von Brauns engem Kontakt zur Opposition auch nicht unbegründet. Sowohl der Kontakt mit dem Oppositionellen Perdo Sáenz ab Dezember 1851 als auch der Aufenthalt Brauns in Paris im Sommer 1851 zeigen, dass Braun unmittelbar nach seiner eigentlich mit einer Krankheit seiner Frau begründeten Abreise aus Bolivien mit oppositionellen Kräften kommunizierte und politisch interagierte. Dabei wurde deutlich, dass Braun die revolutionären Pläne von Sáenz nicht seinem Vorgesetzten in Bolivien meldete, sondern für sich behielt – auch wenn er sie nicht völlig teilte.

Erosion der Administration Belzu Zwar hatte der Bruder des bolivianischen Präsidenten, Francisco de Paula Belzu, Braun bei dessen Abreise Ende des Jahres 1851 geraten, trotz der großen Distanz zwischen Südamerika und Europa weiterhin die Regierung Belzu zu unterstützen, doch distanzierte er sich kurze Zeit später selbst von seinem

1769 Neben den Treffen vom Oktober 1851 ist eine weitere persönliche Zusammenkunft von Braun und Santa Cruz im Januar 1855 überliefert. Darüber hinaus wäre auch ein Aufenthalt Brauns in Paris im August 1851 denkbar. Weitere, nicht in den Quellen festgehaltene Treffen sind ebenfalls nicht auszuschließen. 1770 Siehe etwa: 19.08.1851 London. Carl Schurz an Otto Braun, in: Akten der Stadtsparkasse Kassel, Bd. 2, Abschn. 3, in: Stadtarchiv Kassel. 16.10.1851 Paris. Otto Braun an Braun, in: Nachlass Otto Braun, in: Bayerische Staatsbibliothek (Brauniana 21).

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Bruder.1771 Anfang des Jahres 1852 zog er sich aus der obersten Regierung und dem unmittelbaren Machtzentrum Boliviens zurück und begab sich als bolivianischer Konsul nach Tacna in Peru.1772 Dies vollzog sich vor dem Hintergrund der zunehmenden Verdrängung der Anhänger der Fraktion von Santa Cruz aus der Administration seines Bruders. Francisco de Paula Belzu unterstützte zwar seinen Bruder, gleichzeitig galt er jedoch auch als Sympathisant von Santa Cruz. Die politischen Spannungen zwischen den einstigen politischen Verbündeten erreichten Anfang 1852 eine solche Intensität, dass selbst der Bruder des Präsidenten, der aus seiner Sympathie für Santa Cruz nie einen Hehl gemacht hatte, ins peruanische Exil gehen musste – auch wenn durch seinen dortigen Posten als Konsul nach außen ein ehrenhafter Anschein aufrechterhalten werden konnte.1773 Andere Anhänger von Santa Cruz ohne verwandtschaftliche Beziehungen zu Belzu sahen nun die Stunde gekommen, die lang ersehnte Rückkehr des ehemaligen Protektors voranzutreiben. De Paula Belzu seinerseits strebte nun im Hintergrund danach, eine tragfähige Regelung zur Nachfolge seines Bruders ohne Revolution und Blutvergießen zu organisieren. Im Juni 1852 machte De Paula Belzu daher Braun gegenüber den Vorschlag, Santa Cruz solle nach Südamerika reisen, da er in Bolivien von „tausend Akklamationen aller Bolivianer“1774 begrüßt werden würde. Allerdings solle er dies nicht unter konspirativen Umständen tun, sondern nach einer offiziellen Bitte von Präsident Belzu, sein verfassungsgemäßer Nachfolger zu werden. Francisco de Paula Belzu kündigte Braun an, seinen Bruder zu dieser für Bolivien nachhaltigsten Maßnahme und Stabilität versprechenden Nachfolgeregelung zu bewegen. Bis dahin appellierte er an Braun, „dass alle Freunde einer Meinung sind und insistieren, dass Sie mit all ihrem Einfluss und Ihrem Engagement, das Sie immer unserer Sache […] gegenüber gezeigt haben, den Willen von General Santa Cruz so beeinflussen und bewegen, dass er sich dazu entschließt, in dieses Land zu kommen und sich in Lima oder hier [in Tacna, Anm. RK] niederlässt. Alleine durch sein Prestige könnte er meinen Bruder dazu bewegen, ihm seine 1771 Dies hatte sich auch in mehreren Briefen Paula Belzus angedeutet: 23.12.1851 La Paz. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 745. 25.02.1852 La Paz. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 747. 02.05.1852 Tacna. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 749. 03.06.1852 Tacna. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 751. Ferner: Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 204ff. 1772 23.12.1851 La Paz. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 745. 25.02.1852 La Paz. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 747. 1773 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 115ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 126ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 399ff, 404ff. Pérez, Manuel Isidoro Belzu and the Chinchoan Bark Trade, 1998, S. 167ff. 206ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S.208ff. Valencia Vega, Manuel Isidoro Belzu, 1981, S. 105ff. 1774 03.06.1852 Tacna. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 751.

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Nachfolge anzubieten.“1775 De Paula Belzu erinnerte Braun daran, dass dies das einzige Mittel sei, eine Rückkehr von José Ballivián und dessen Anhängern zu verhindern. Ende des Jahres 1851 und während der ersten Hälfte von 1852 stand De Paula Belzu für dieses Projekt in Kontakt mit Pedro Sáenz, der schon seit Anfang 1851 Santa Cruz in Südamerika sehen wollte, mit oder ohne Erlaubnis des bolivianischen Präsidenten, und Casimiro Olañeta, der ebenfalls die Rückkehr von Santa Cruz ins Gespräch gebracht hatte.1776 Auch wenn Francisco de Paula Belzu nicht den Anschein machte, seinen Bruder mit Gewalt stürzen zu wollen, war doch klar, dass auch er dessen Amtsverzicht anstrebte. Mit dieser Mission und einer großen Portion Optimismus reiste er von Tacna nach La Paz, um seinem Bruder seine Ideen zu präsentieren.

Bruch mit der Administration Belzu 1852–1853 Dort hatten aber schon Berichte über die Aktivitäten der Anhänger von Santa Cruz in Amerika und Europa den Präsidenten erreicht. Dies hatte dessen Misstrauen nochmals erhöht. Darüber hinaus war es Anhängern von José Ballivián gelungen, Präsident Belzu davon zu überzeugen, dass die Unterstützer von Santa Cruz ein Attentat und eine Revolution gegen ihn planten. Die bolivianische Presse agitierte daher gegen die einst verbündete politische Partei des ehemaligen Protektors. Die Regierung Belzu hatte auch schon ganz konkrete Maßnahmen gegen der Konspiration verdächtigte Personen, vor allem mutmaßliche Anhänger von Santa Cruz, ergriffen. Schließlich verfolgte sie spätestens seit dem Attentat vom September 1850 auf Belzu politische Akteure bereits bei geringstem Verdacht.1777 Diese Säuberungswelle traf auch den in Europa weilenden Otto Philipp Braun – zumal der Verdacht der Administration Belzu gegen Braun in Anbetracht von dessen Kommunikation und Interaktion mit der moderaten bis fundamentalen Opposition gegen Präsident Belzu ja auch nicht unberechtigt war. 1775 03.06.1852 Tacna. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 751. 1776 Bezüglich Olañeta gilt es festzuhalten, dass Paula Belzu den Worten Olañetas kein Gehör schenkte, da dieser „niemals aufhören wird, zu konspirieren, außer gegen Gott“. Der Vorschlag von Olañeta diente wohl vor allem dazu, bei dessen Erzfeind Belzu Zweifel an der Loyalität der mit ihm verbündeten Fraktion von Santa Cruz zu schüren und seine eigenen politischen Pläne voranzutreiben. 23.12.1851 La Paz. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 745. Der Kontakt zu „unserem Freund“ Sáenz geht hervor aus: 25.02.1852 La Paz. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 747. Ferner: Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 168f. 1777 Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 143f. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 105f.

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Im Zuge des Bruchs der politischen Allianz zwischen der Administration Belzu und den Anhängern von Santa Cruz Anfang des Jahres 1852 wurde Otto Philipp Braun am 27. August 1852 in Abwesenheit von der militärischen Rangliste gestrichen. Zudem wurde ihm der ihm gewährte Sold aberkannt und er wurde unehrenhaft aus der Armee entlassen. Francisco de Paula Belzu schrieb dem Betroffenen nach Europa: „Ich bin fassungslos, dies alles zu sehen, da dies großes Unheil für das Land bedeutet. Das Schlimmste ist, dass diese Maßnahmen die einzige Partei vernichten, welche die aktuelle Administration unterstützt. Zweifellos werden am Ende Ballivián und seine Anhänger triumphieren. Gott bewahre uns davor.“1778 De Paula Belzu kündigte Braun an, bei der Rückkehr des Präsidenten nach La Paz im Oktober 1852 sich mit diesem zu treffen. „Ich werde mit ihm persönlich sprechen und ihm die Augen öffnen. Ich werde ihm bewusst machen, dass die Einzigen, die ihn vernichten wollen […], die Anhänger von Ballivián sind. Daher sollte denen sein Misstrauen gelten.“1779 Braun antwortete De Paula Belzu, indem er ihm und seinem Bruder versicherte, in Europa in Ruhe fernab der Politik zu leben, und gleichzeitig seine „wahre Freundschaft“1780 erneut zum Ausdruck brachte. Paula Belzu zeigte diesen Brief Präsident Belzu, der daraufhin wohl Braun gegenüber wohlgesonnen reagiert und sein Misstrauen zurückgezogen haben soll. De Paula Belzu versicherte Braun auch mehrmals, zu seinen Gunsten bei seinem Bruder zu intervenieren und bei diesem für seinen Nachfolger in der Person Santa Cruz‘ zu werben.1781 Dies hatte bis auf den Austausch von Höflichkeitsfloskeln jedoch keinen positiven Effekt – genauso wenig wie ein Schreiben Brauns direkt an Präsident Belzu im Dezember 1852, in dem er sich gegen die Vorwürfe gegen ihn und die Streichung aus der Rangliste der bolivianischen Armee verteidigte.1782 Der Präsident antwortete Braun aber nicht persönlich, sondern leitete das Schreiben an das formell zuständige Kriegsministerium weiter. Dies spiegelt den Entzug des exklusiven Zugangs und damit den Bruch der politischen Fraktionen auf persönlicher Ebene wider. Im März 1853 bestätigte dann der damit beauftragte bolivianische Kriegsminister Gonzalo Lanza in einem offiziellen Schreiben die Entlassung Brauns und verweigerte ihm das von ihm gewünschte Gerichtsverfahren, in dem sich Braun hatte verteidigen und rehabilitieren wollen. In deutlichen Worten wies der Kriegsminister darauf hin, dass der ihm von der Regierung gewährte Sold ein Akt der Philan1778 05.09.1852 La Paz. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 753. Die neuere Forschung teilt diese Einschätzung: Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 91f, 206f. 1779 05.09.1852 La Paz. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 753. 1780 Zwar ist der Brief Brauns vom 28.10.1852 nicht erhalten, aber dessen Inhalt geht hervor aus: 12.02.1853 La Paz. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 755. 1781 12.02.1853 La Paz. Paula Belzu an Braun, in: Archiv Braun Bd. 755. 1782 Zwar ist das Schreiben Brauns nicht erhalten, der Inhalt geht jedoch hervor aus: 05.03.1853 La Paz. Kriegsminister Gonzalo Lanza an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 756.

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thropie gegenüber einem von anderen Regierungen verstoßenen Offizier gewesen sei. Daher könne die Regierung auch ohne Weiteres ihm diesen Sold ohne jede weitere juristische Auseinandersetzung wieder entziehen – zumal Braun sich aufgrund seines Verhaltens diskreditiert habe. Der Sold habe schließlich dazu dienen sollen, dass Braun „dem Vaterland diene und sich eben nicht an niederträchtigen Intrigen beteiligt“1783. Darüber hinaus „beschuldigt Sie die öffentliche Meinung [in Bolivien, Anm. RK], sich in die Politik des Landes eingemischt zu haben, da Sie wohl vergaßen, dass es bolivianischen Militärs verboten ist, außerhalb ihres militärischen Dienstes an der Politik teilzunehmen“1784. Es ist zwar nicht mehr zu rekonstruieren, auf welche konkreten Ereignisse sich die Vorwürfe bezogen, aber in Anbetracht von Brauns Verbindungen zu Pedro Sáenz und Andrés de Santa Cruz waren diese nicht völlig aus der Luft gegriffen – auch wenn Braun dem Vorschlag von Sáenz skeptisch gegenüberstand und ihn nicht offen unterstützte, zumindest noch nicht. Braun zeigte sich nach diesem – auch im Ton – ungewöhnlich scharfen ­Schreiben in seiner Antwort vom Juni 1853 sichtlich empört. Der Brief und dessen Stil, so Braun, „machen der Regierung sicherlich wenig Ehre und tragen wenig zu deren Würde bei“1785. Otto Philipp Braun legte seine Sicht der Dinge dar. Er empfand das Dokument des Kriegsministers als „neue Beleidigungen meiner Ehre und meiner Reputation […]. Ihre Anschuldigungen sind so beleidigend wie haltlos – zumal ich mich über 5.000 Leguas entfernt befinde.“1786 Braun protestierte „tausendundein Mal gegen den Generalbefehl des 27. August letzten Jahres“1787 und wies alle Anschuldigungen gegen sich vehement zurück. Er habe der Nation in allen seinen auch hohen Ämtern während seiner „ehrenhaften Karriere“1788 mit seinen unverrückbaren Prinzipien der Loyalität und Ehrlichkeit gedient und stets seine Pflicht erfüllt. Braun seinerseits warf der Regierung die Verletzung „aller Militärvorschriften und rechtsgültigen Gesetze der Republik zum Schaden aller Prinzipien der Gerechtigkeit durch ein gewaltsames Attentat auf die Grundprinzipien des Rechts“1789 vor. Braun bezichtigte die Regierung Belzu nicht nur des „Despotismus“1790, sondern sprach ihr schlichtweg das Recht ab, ihm Sold, Rang und Titel abzuerkennen. 1783 Zwar ist das Schreiben Brauns nicht erhalten, der Inhalt geht jedoch hervor aus: 05.03.1853 La Paz. Kriegsminister Gonzalo Lanza an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 756. 1784 Ebd. 1785 10.06.1853 Kassel. Braun an Kriegsminister Lanza, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p95/55). 1786 Ebd. 1787 Ebd. 1788 Ebd. 1789 Ebd. 1790 Ebd.

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Dabei, so argumentierte Braun, „vergessen Sie, dass ich diese weder durch Schmeicheleien noch durch persönliches Wohlwollen, sondern auf den Schlachtfeldern während des glorreichen Unabhängigkeitskampfes Südamerikas erworben habe. [An diesem Krieg] hatte ich die Ehre, teilzunehmen, und nahm eine herausragende Rolle ein. Dies bezeugen die ehrenhaften Erwähnungen meiner Person auf den Seiten der Geschichte. Ich habe die Titel, Dokumente und Rechte, die sich in meinem Besitz befinden, mit meinem auf vielen Schlachtfeldern vergossenen Blut erworben. Diese kann keine einfache Order tilgen. Keine Regierung oder sonstige Autorität besitzt die Befugnis, mich meiner legitim erworbenen Rechte zu berauben oder ein Urteil gegen meine Ehre […] zu fällen.“1791

Diese konfrontativen Worte Brauns waren kaum geneigt, wie im Übrigen wohl auch das Schreiben des Kriegsministers nicht, eine Wiederannäherung oder Versöhnung anzubahnen, sondern markierten den lauten Bruch zwischen Braun und der Administration Belzu. Von dem Anfang des Jahres 1849 viel gelobten Einsatz Brauns als Militärkommandeur von La Paz für den an die Macht geputschten Belzu und Brauns anschließendem Engagement hinter den Kulissen war keine Rede mehr. Der politische und persönliche Bruch war deutlich. Dies legt auch Brauns Korrespondenz nach dem Juni 1853 nahe. Denn nach der Bestätigung der Streichung Brauns aus der bolivianischen Rangliste und dessen Verteidigungsschrift brach sowohl die Verbindung zu offiziellen Regierungsstellen als auch die zuvor regelmäßige und private Kommunikation zwischen Braun und Belzu ab. Lediglich über Bildungsminister José Agustín de la Tapia hielt Braun Kontakt zur nun gegnerischen Fraktion. José Agustín de la Tapia versorgte Braun in privaten Schreiben über den Atlantik hinweg zwar noch mit allgemeinen politischen Informationen der Region, jedoch unterließ er es nun – im Unterschied zu vorher – geheime Details aus dem inneren Regierungszirkel Boliviens zu übermitteln. Er sprach auch weder Einladungen aus noch übermittelte er – wie sonst – Grüße des Präsidenten. Seine Schreiben enthielten deutlich positive Darstellungen der politischen und gesellschaftlichen Situation Boliviens sowie Schilderungen von für Brauns unternehmerische Aktivitäten interessanten Begebenheiten.1792 Auch Braun seinerseits erhielt die Kommunikation mit dem Mitglied der bolivianischen Regierung aufrecht, indem er mit Tapia korrespondierte und ihm beispielsweise eine deutsche Uhr schickte – ein teures Luxusgeschenk. Mit dieser bewussten Verfestigung und kontinuierlichen Aufrechterhaltung seiner Beziehung zu Tapia signalisierte Braun der Fraktion Belzu, dass er trotz seines starken und lauten Abganges nicht an einem totalen Bruch 1791 10.06.1853 Kassel. Braun an Kriegsminister Lanza, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p95/55). 1792 21.08.1854 La Paz. Tapia an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 766.

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interessiert war. Tapia seinerseits erwiderte diese Signale.1793 Dies waren jedoch schwache Zeichen. Denn in der Zwischenzeit ließ Belzu der Verschwörung verdächtige Anhänger von Santa Cruz in Bolivien – wie die restliche ­Opposition die Jahre zuvor – verfolgen.1794

10.6 Erneut transatlantischer Agent für Andrés de Santa Cruz 1854–1855 Trotz dieser Kommunikation war nach der Streichung Brauns aus der Rangliste der bolivianischen Armee, der harschen Bestätigung durch den Kriegsminister sowie den deutlichen Worten Brauns der persönliche Bruch spätestens Mitte des Jahres 1853 besiegelt. Der politische Bruch zwischen der Fraktion von Santa Cruz und Präsident Belzu war nach dem Rückzug vieler Funktionäre, Kriegs­ gerichtsverfahren und politischen Säuberungen ebenfalls deutlich ersichtlich. Die persönliche Dimension dieser politischen Auseinandersetzung hatte zur Folge, dass Braun seine skeptische bis ablehnende Haltung gegenüber dem Rückkehrprojekt von Andrés de Santa Cruz nach Südamerika aufgab und es schnell und konsequent zu unterstützen begann. Dabei gilt es zu betonen, dass erst der Vorwurf der Teilnahme an einer oppositionellen Konspiration und die repressiven Maßnahmen der Administration Belzu Braun in die Arme ihrer Gegner drängten. Nahezu im gleichen Maße, in dem die Administration Belzu Braun verfolgte und von internen Diskussionen abschnitt, gewann Brauns Kommunikation sowohl mit dem Oppositionellen Pedro Sáenz in Südamerika als auch mit Andrés de Santa Cruz in Paris erheblich an Intensität. Wie erwähnt, hatte Braun mit Pedro Sáenz schon spätestens seit 1851 in regelmäßigem Kontakt gestanden. Nach dem Bruch zwischen Braun und Belzu Mitte 1853 intensivierte und verdichtete sich diese Kommunikation deutlich. Dabei zeigen gerade private Dinge die enger und vertrauter gewordene Beziehung der beiden. Beispielsweise nahm Braun einen Sohn von Sáenz in seinem Hause in Hessen-Kassel auf, während dieser in Deutschland Bergbau studierte.1795 Sáenz seinerseits informierte Braun nicht nur detailliert über die politischen Entwicklungen in Südamerika und über die wirtschaftliche Situation, sondern versuchte auch immer wieder, Braun zu einem politischen Eingreifen und einem Engagement für die bolivianische Opposition zu 1793 24.04.1853 La Paz. Tapia an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 758. 21.08.1854 La Paz. Tapia an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 766. Braun antwortete am 27.06.1853 und am 09.12.1854. 1794 Dunkerley, The Americas in the World around 1850, 2000, S. 451. Querejazu, Bolivia, 2003, S. 137. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 100f, 210ff. 1795 30.07.1854 Valparaíso. Sáenz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 765. 28.09.1854 ­Valparaíso. Sáenz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 768.

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bewegen, indem er beispielsweise die politischen und gesellschaftlichen Zustände Boliviens in den dunkelsten Farben zeichnete.1796 Darüber hinaus verwies er auf zahlreiche gemeinsame Freunde, die ebenfalls eine Rückkehr von Santa Cruz und ein Eingreifen Brauns forderten.1797 Dabei verhehlte Pedro Sáenz nicht, dass er auch mit Präsident Belzu in Kontakt stand, etwa um eine Einreisegenehmigung zur Erledigung privater Geschäfte zu erhalten. Sáenz kokettierte nicht nur mit dem vom gegnerischen Präsidenten erhaltenen Passierschein, sondern berichtete auch von seiner persönlichen Reise: „In Bolivien ist alles genauso wie vorher. Es herrscht dort die Willkür unseres Freundes Belzu, der jeden Tag die Menschen des Landes mehr missachtet.“1798 Dabei signalisierte er auch, dass ihm sein Engagement für Santa Cruz Schwierigkeiten einbrachte. Denn die Administration Belzu unterband den Export des von Sáenz abgebauten Kupfers, um ihn ökonomisch für sein Eintreten für die Opposition zu bestrafen.1799 Nicht nur Otto Philipp Braun war in Bolivien öffentlich und nicht-öffentlich attackiert worden. Das Gleiche geschah auch mit Andrés de Santa Cruz. Nachdem Belzu diesen rehabilitiert und zum bolivianischen Gesandten in Europa mit konkreten politischen Aufträgen ernannt hatte, erschienen im Zuge des politischen Bruchs zwischen dem Präsidenten und den Anhängern von Santa Cruz Vorwürfe der Konspiration in den Zeitungen der Administration.1800 Hiergegen 1796 30.07.1854 Valparaíso. Sáenz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 765. 14.10.1854 ­Valparaíso. Sáenz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 769. 1797 28.09.1854 Valparaíso. Sáenz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 768. 1798 14.10.1854 Valparaíso. Sáenz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 769. 1799 Ebd. 1800 Santa Cruz hatte die ihm angetragenen Ämter nicht nur gerne angenommen, sondern entfaltete eine große Aktivität: Beispielsweise hatte er im Mai 1851 ein Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Bolivien sowie einen Handelsvertrag mit Frankreich ausgehandelt. Für Ersteres war er im März 1851 mit Papst Pius IX. zusammengetroffen. Darüber hinaus hatte er logistische Unterstützung für den Quina-Export nach Europa organisiert und war mit der Aushandlung eines Kredites für den bolivianischen Staat beauftragt worden. Im Juli 1853 übernahm Santa Cruz auch die diplomatische Vertretung Guatemalas in Europa. Neben diesen offiziellen Aufträgen unterstützte Santa Cruz den ehemaligen ecuadorianischen Präsidenten Juan José Flores, der im März 1845 gestürzt worden und nach Europa ins Exil gegangen war, sofort nach seiner Ankunft in Europa bei einem heiklen politischen Vorhaben. Denn Flores war es durch die Vermittlung des wieder in Madrid lebenden und am Hof einflussreichen José Joaquín de Mora gelungen, dort große Geldsummen zu erhalten, um mit einem Söldnerheer Monarchien in Südamerika zu errichten und europäische Adelige auf die zukünftigen Throne zu bringen. Sowohl Zeitgenossen, vor allem Santa Cruz‘ Gegner José María Linares, als auch ältere Forschungsarbeiten, wie die von Humberto Vázquez Machicado, wiesen den Vorwurf zurück, dass sich Santa Cruz an diesem Projekt beteiligt habe – zumal dieser jede Mitwirkung leugnete. Neuere Arbeiten zeigen jedoch, dass Santa Cruz die Bestrebungen seines Freundes Flores

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wehrte sich Santa Cruz Ende März 1853 – wie Braun. Eine Kopie seines zur Veröffentlichung vorgesehenen Verteidigungsschreibens an den bolivianischen Außenminister sandte der in Paris lebende Santa Cruz Mitte Mai 1853 nach Kassel zu Otto Philipp Braun.1801 Dieser hatte seinerseits eine Kopie des Schreibens des bolivianischen Kriegsministers vom März 1853 nach Paris geschickt, bevor er es beantwortete. Santa Cruz zeigte sich empört über die Behandlung seines Großmarschalls: „Ich finde keine Worte, um dieses Dokument entsprechend zu bezeichnen. Es zeigt die Brutalität und Ignoranz einer Fraktion, die Sie mit der schamlosesten Unsittlichkeit angreift.“1802 Santa Cruz rief Braun dazu auf, mit aller Deutlichkeit seine Rechte zu verteidigen. Er könne einen derartigen Angriff nicht auf sich beruhen lassen – zumal die Administration Belzu mit der Streichung Brauns aus der Rangliste alle Militärreglements und regulären Gesetze verletzt habe.1803 Einen Großteil der Argumentation von Santa Cruz benutzte Braun dann tatsächlich in dem den endgültigen Bruch zwischen ihm und Belzu markierenden Schreiben vom Juni 1853.1804 Inwieweit Braun dabei dem Rat seines ehemaligen sehr wohl unterstützte. Er tat dies jedoch nur sehr vorsichtig, vor allem, um seinen in Bolivien zurückerhaltenen Besitz nicht zu gefährden. Aber während Flores in Spanien agierte, warben Santa Cruz und Mora derweil um die Unterstützung des britischen Außenministers Lord Palmerston. Hierfür spricht auch eine Reise von Santa Cruz nach Madrid gerade in jenem Zeitraum, in dem Flores sich dort aufhielt und mithilfe des früheren persönlichen Agenten von Santa Cruz Mora sein Projekt am spanischen Hof vorantrieb. Den Protagonisten gelang es, 1.400 Soldaten in Spanien und 600 in Irland anzuwerben. Nach Bekanntwerden der Vorbereitungen zu diesem Projekt und heftigen diplomatischen Interventionen der bedrohten Länder im Andenraum zog Palmerston seine inoffizielle Unterstützung zurück, was das Projekt beendete. Es gibt keine Hinweise auf eine Beteiligung Brauns. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 138ff. Frontaura Argandoña, Santa Cruz y la Santa Sede, 1977, S. 23ff. Fajardo Sainz, Andrés de Santa Cruz, 2003, S. 153ff. Gimeno, Una tentativa monárquica en América, 1998, S. 35ff, 362f. Haskins, Expedition against Ecuador, 1947, S. 467ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 398f. Monguió, José Joaquín de Mora, 1967, S. 310ff. Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 141ff, 155. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 121, 130, 148, 217. Vázquez Machicado, Monarquía en Bolivia, 1951, S.16ff. Vázquez Machicado, La diplomacia boliviana en la corte de Isabel II, 1941, S. 37ff, 59ff. Van Aken, Juan José Flores, 1989, S. 215ff. 1801 30.03.1853 Paris. Abschrift. Santa Cruz an den bolivianischen Außenminister, in: Archiv Braun, Bd. 757. 12.05.1853 Paris. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 759. Die an Braun geschickte Abschrift entspricht dem Original: 30.03.1853 Paris. Santa Cruz an den bolivianischen Außenminister, in: Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 151ff. Ferner: Vargas Aguirre, Trayectoria de la diplomacia boliviana, 2004, S. 278f. 1802 12.05.1853 Paris. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 759. 1803 Ebd. 1804 10.06.1853 Kassel. Braun an Kriegsminister Lanza, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p95/55).

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Präsidenten folgte und inwieweit er ohnehin schon diese Ideen hegte, kann nicht gesagt werden. Für Santa Cruz hatte der damit endgültig provozierte Bruch natürlich den Vorteil, den bis dahin zögernden und Präsident Belzu loyalen Braun von seinen Verpflichtungen der Administration gegenüber befreit zu sehen und damit wieder für eigene Projekte verfügbar zu haben. Nach dem Bruch intensivierte sich die Kommunikation Brauns mit dem in Paris lebenden Santa Cruz deutlich. Darüber hinaus reiste Braun in den Jahren 1853 und 1855 auch persönlich nach Paris, wo er Santa Cruz mehrmals traf.1805 Seit Mitte 1853 tauschten sich beide nicht nur über die neuesten politischen Entwicklungen in Südamerika aus, sondern erörterten auch Konzepte zum Eingreifen in die bolivianische Politik. Dabei kristallisierte sich ab Januar 1854 die Auffassung von Santa Cruz heraus, dass die derzeitige Opposition gegen Belzu aufgrund chronischer Uneinigkeit ohne einen geeigneten Kandidaten, der die unterschiedlichen Fraktionen einen kann, niemals siegen werde.1806 Diese Argumentation übernahm Santa Cruz von einigen in Peru lebenden bolivianischen Oppositionellen, die seine Rückkehr vehement forderten – darunter auch der schon erwähnte Quina-Unternehmer Pedro Sáenz. Santa Cruz betonte Braun gegenüber immer wieder, wie groß die Notwendigkeit derzeit sei, in Bolivien wieder geordnete Verhältnisse zu schaffen.1807 Braun hatte derweil seine noch 1852 geäußerte Skepsis aufgegeben und folgte nun der Einschätzung von Santa Cruz in weiten Teilen.1808 Brauns Rolle in diesen das Jahr 1854 prägenden Diskussionen war jedoch nicht auf die eines sachkundigen Gesprächspartners beschränkt. Braun fungierte darüber hinaus hinter den Kulissen für einflussreiche südamerikanische Politiker als transatlantischer Verbindungsmann zu Andrés de Santa Cruz. Beispielsweise trat der ehemalige argentinische Außenminister und Vorsitzende Richter am Obersten Gerichtshof Argentiniens, Facundo de Zuviría, der schon 1839 bei der Organisierung eines möglichen Exils Brauns in Argentinien mitgewirkt hatte, Jahrzehnte nach dem letzten Kontakt an ihn in dieser Absicht heran.1809 Denn, so Zuviría, „ohne den derzeitigen Aufenthaltsort des Generals zu 1805 Dies geht hervor aus: 04.03.1854 Paris. Otto Braun an Otto Philipp Braun, in: Nachlass Otto Braun, in: Bayerische Staatsbibliothek (Brauniana 21). Ferner: Braun, Grundlagen, 1914, S. 181ff. 1806 04.01.1854 Paris. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 761. 1807 01.05.1854 Paris. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 762. 26.08.1854 Versailles. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 767. 1808 Dies geht hervor aus: 01.05.1854 Paris. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 762. 1809 Zu Facundo Zuviría siehe auch Kapitel: 7.3 „Prestige und Netzwerk mobilisieren internationale Hilfe“ sowie: Barba, Quiroga y Rosas, 1974, S. 162. Cisneros, Historia general I/3, 1998, S. 213ff. Díaz Araujo, Facundo Zuviría, Mendoza 1991, S. 35ff. González Espul, Guerras de América del Sur, 2001, S. 100ff. Rock, State Building in Argentina, 2002, S. 5. Saranyana, Teología en América Latina, Bd. II/2, 2008, S. 495f.

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kennen, wende ich mich an Sie, als einen seiner Freunde“1810. Der Hintergrund war: Zuviría hatte von einem gemeinsamen Freund in Chile gehört, dass Santa Cruz nach Südamerika zurückzukehren plane.1811 Der argentinische Politiker bot über die Vermittlung von Braun dem ehemaligen Protektor an, über seine Kontakte in Montevideo und Buenos Aires für diesen eine sichere Passage an die bolivianische Südgrenze zu organisieren. Dabei betonte er, dass die öffentliche Meinung in Argentinien Santa Cruz und Braun wohlgesonnen sei.1812 Braun leitete das Schreiben unverzüglich nach Frankreich zu Santa Cruz weiter. Dabei betonte Braun, dass das Angebot des einflussreichen Zuviría ernsthaft in Erwägung gezogen werden und dieser eine entsprechend förmliche Antwort erhalten sollte.1813 Schließlich könnte sich eine Einreise über Peru als komplizierter als gedacht erweisen. Bis Mitte 1854 hatte Andrés de Santa Cruz jedoch noch keine endgültige Entscheidung über eine Rückkehr nach Südamerika und eine Teilnahme an den für 1855 geplanten Präsidentschaftswahlen in Bolivien getroffen. Santa Cruz wollte noch abwarten, bis er mehr und verlässlichere Informationen aus Südamerika, etwa vom neuen bolivianischen Botschafter in Paris, José Vicente Dorado, erhalten hatte. Offensichtlich traute er den vehementen Aufforderungen einiger seiner Anhänger, allen voran von Pedro Sáenz, nicht ganz.

Präsidentschaftswahlen in Bolivien 1855 Die gegnerische Seite war ebenfalls von Unsicherheit geprägt. Die Administration Belzu befand sich Mitte der 1850er Jahre in einer schwierigen ökonomischen und gesellschaftlichen Situation. Der Cascarilla-Boom hatte in einer wirtschaftlichen Katastrophe geendet und politische Spannungen mit Peru hatten die restlichen Teile der Wirtschaft in eine tiefe Depression gestürzt. Mit dem Bruch der Allianz der Fraktionen Santa Cruz und Belzu hatte der Präsident eine wichtige politische Stütze verloren und einen Gegner gewonnen – zusätzlich zu den oppositionellen Parteien um Linares, Velasco und Ballivián. Belzu stand vor schier unlösbaren Problemen, als er für das Jahr 1855 Präsidentschaftswahlen ankündigte. Aufgrund der von ihm selbst ausgearbeiteten Verfassung durfte er sich jedoch nicht erneut zur Wahl stellen. Zwar befürchteten viele seiner Gegner, dass sich der Präsident hierüber hinwegsetzen würde, doch letztlich ernannte er seinen Schwiegersohn Jorge Córdova zu seinem Nachfolger. In einer Wahl sollte dieser bestätigt werden. 1810 14.05.1854 Paraná. Zuviría an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 763. 1811 Höchstwahrscheinlich handelte es sich um Pedro Sáenz. 1812 14.05.1854 Paraná. Zuviría an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 763. 1813 Dies geht hervor aus: 26.08.1854 Versailles. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 767.

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In der Zwischenzeit, genauer: im Oktober 1854, hatte Andrés de Santa Cruz die Entscheidung gefällt, Anfang 1855 nach Südamerika zurückzukehren und im März/April 1855 als Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen in Bolivien teilzunehmen.1814 Sehr detailliert weihte Santa Cruz Braun in sein Vorhaben ein: Er plane, bald die bolivianische Regierung über seine Bewerbung zu informieren und gleichzeitig sein politisches Programm für den Fall einer Mehrheit für ihn in Bolivien zu veröffentlichen. Diese Maßnahmen in Kombination mit seiner Präsenz an der Grenze sollten eine allgemeine Bewegung zu seinen Gunsten auslösen. Sollten die oppositionellen Emigranten sich nicht schon bei der Ankündigung seiner Rückkehr hinter ihm als einzigem Kandidaten mit realistischen Chancen versammeln, würden sie dies spätestens nach seiner Ankunft tun. Santa Cruz verwies auf viele Briefe aus Bolivien und anderen Ländern, die diese Einschätzung rechtfertigen würden – zumal er die wohlwollende Unterstützung Großbritanniens besaß.1815 Santa Cruz beließ es nicht nur bei Ankündigungen. Gleichzeitig mit dem Brief an Braun hatte er Pedro Sáenz in Südamerika beauftragt, ihm als Wahlkampfmanager zu dienen. Sáenz sollte die Exilanten im argentinischen Salta und im peruanischen Tacna in seinem Auftrag über seinen Plan informieren und zu einer gemeinsamen Front gegen Belzu vereinen. Namentlich trug Santa Cruz Sáenz auf, mit den maßgeblichen Akteuren der bolivianischen Politik, also José María Linares, Sebastián Ágreda, José Miguel de Velasco, Casimiro Olañeta und den Anhängern des inzwischen verstorbenen José Ballivián, eine Vereinbarung auszuarbeiten und über seine für März oder April 1855 geplante Ankunft zu informieren. Dabei betonte Santa Cruz: „Die Basis dieser Vereinbarung muss ein absolutes Vergessen der Vergangenheit und eine ehrliche Versöhnung zwischen allen Beteiligten sein, ganz gleich, welcher Partei sie angehören – ausgenommen lediglich die Anhänger

1814 Zur Forschungsdiskussion siehe: Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 55f. Arguedas, La plebe en accion, 1981, S. 256ff. Avila Echazú, Historia de Tarija, Bd. 2, 1992, S. 107ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 190ff. Fajardo Sainz, Andrés de Santa Cruz, 2003, S. 153f. Gantier, Casimiro Olañeta, 1965, S. 422f. González Espul, La guerra contra Santa Cruz, 2001, S. 97ff. Guardia, El personalismo político de Andrés de Santa Cruz, 2000, S. 138.Irurozqui, La ciudadanía política en Bolivia, 2000, S. 225, 232ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 128f. Mesa Gisbert, Presidentes de Bolivia, 1990, S. 134. Pérez, Manuel Isidoro Belzu and the Chinchoan Bark Trade, 1998, S. 167ff. Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 155ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 225ff. Valencia Vega, Historia política de Bolivia, Bd. 4, 1986, S. 1026ff. Valencia Vega, Manuel Isidoro Belzu, 1981, S. 124f. 1815 19.10.1854 Paris. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 771. Ferner: Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 160f. Vázquez Machicado, Monarquía en Bolivia, 1951, S. 24ff.

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von Belzu.“1816 Dabei gab Santa Cruz ganz konkrete Argumentationsvorgaben, etwa, dass Sáenz darauf hinweisen sollte, dass bisher die Bemühungen der einzelnen Fraktionen isoliert voneinander nicht zum Erfolg geführt hätten und nun die Zeit gemeinsamen Handelns gekommen sei. Er verbot Sáenz jedoch, gegenüber einzelnen Akteuren irgendwelche Zusagen über Posten und Ämter zu machen. Gleichzeitig wies Santa Cruz darauf hin, dass er nur für zwei Jahre zur Verfügung stehe, da er sich nicht länger von seiner Familie entfernen könne. Nach dieser Zeit werde man im gemeinsamen Einvernehmen einen Nachfolger für ihn bestimmen. Sáenz sollte sich auch mit Facundo de Zuviría und anderen argentinischen Funktionären in Verbindung setzten und die reibungslose Reise von Santa Cruz nach und durch Argentinien organisieren. Auf die bedingungslose Unterstützung von Pedro Sáenz konnte Santa Cruz Ende 1854 zählen. Schließlich war dieser seit langen Jahren einer der vehementesten Vertreter seiner Rückkehr gewesen. Braun wandelte sich erst langsam dazu. Dann sollte er aber eine wichtige Rolle spielen. Nach der Ankündigung der Rückkehr nach Südamerika und in Anbetracht der politischen Situation und der vielen Rufe nach seiner Rückkehr wollte Santa Cruz von Braun „gerne wissen – mein lieber Freund – ob Sie wie immer bereit sind, mich zu begleiten. Sei es, dass Sie direkt mit mir kommen oder dass Sie Ihre Reise über einen anderen Weg nehmen. Ich betrachte Ihre Beteiligung als von größter Wichtigkeit, da dies, es sei mir erlaubt, dies zu sagen, für mich den besten Rat und das höchste Vertrauen bedeuten würde.“1817

Braun als transatlantischer Wahlkampfkoordinator Zwar ist Brauns umgehend nach Paris geschickte Antwort nicht mehr erhalten, sie musste jedoch positiv ausgefallen sein. Denn ab Januar 1855 sprachen beide detailliert das weitere Vorgehen ab und trafen sich am 24. Januar persönlich.1818 Wenig später schiffte sich Braun dann Richtung Südamerika ein – und zwar als einer der wichtigsten politischen Agenten des Präsidentschaftskandidaten Andrés de Santa Cruz. Dabei war es Brauns Aufgabe neben logistischer Reisevorbereitung politische Unterstützung für den Wahlkampf von Santa Cruz zu organisieren. Braun sollte vor allem die in Peru und Argentinien exilierten bolivianischen Oppositionellen auf eine Unterstützung von Santa Cruz einschwören und für dieses

1816 Santa Cruz hatte eine Kopie seines Briefes an Sáenz an Braun weitergeleitet: 19.10.1854 Paris. Santa Cruz an Sáenz, in: Archiv Braun, Bd. 770. 19.10.1854 Paris. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 771. 1817 19.10.1854 Paris. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun Bd. 771. 1818 12.01.1855 Paris. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 772. 15.02.1855 Brüssel. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 773.

Erneut transatlantischer Agent für Andrés de Santa Cruz



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Projekt auch in Bolivien werben.1819 Ganz konkret sollte Braun Pedro Sáenz anweisen, Geld und Briefe nach Argentinien zur Vorbereitung der für Juli 1855 geplanten Ankunft von Santa Cruz zu schicken. Santa Cruz tauschte sich mit Braun auch schon einmal über zukünftige politische Projekte aus, etwa über die künftige bolivianische Außenpolitik gegenüber Argentinien. Der des Wahlsieges scheinbar sichere ehemalige Protektor schmiedete bereits geostrategische Pläne.1820 Im März 1855 erreichte Braun Panamá.1821 Ende April befand er sich nach einem Zwischenstopp in Lima im peruanischen Tacna.1822 Dort entsprach Braun sofort dem Auftrag von Andrés de Santa Cruz und setzte sich mit den dort exilierten bolivianischen Oppositionellen in Verbindung. Braun konferierte beispielsweise mit José María Linares, um diesen inzwischen wichtigen politischen Akteur zu einer Unterstützung der Kandidatur von Andrés de Santa Cruz zu bewegen und eine vereinte Opposition zu formen.1823 Doch Brauns Bemühungen scheiterten sehr schnell an der politischen Realität. Denn diese unterschied sich erheblich von den in den Jahren zuvor von einigen politischen Akteuren zuvor gemachten Schilderungen und über den Atlantik geschickten Beteuerungen. Daher musste Braun seinem Weggefährten Santa Cruz Mitte Mai 1855 seine niederschmetternde Lageeinschätzung mitteilen: „Hier ist niemand willens, sich ernsthaft zu Ihren Gunsten oder zu irgendjemand anderes Gunsten zu engagieren. Und auch für den Fall, dass der eine oder andere seine ehrliche Unterstützung anbieten würde (woran ich zweifele), fehlen diesen Akteuren die nötigen Mittel, ein entsprechendes Ergebnis zu erwirken.“1824 Braun urteilte in aller Deutlichkeit: „Ich muss Ihnen, mein geschätzter Freund, Folgendes gestehen: Sie wurden betrogen. […]“1825 Braun betonte, dass man Santa Cruz unter Vorspiegelung falscher Tatsachen aus dessen komfortabler Situation und angesehener Stellung in Europa nach Südamerika gelockt habe, um nun die vorher über den Atlantik hinweg versprochene Unterstützung zu verweigern. Braun versuchte, Santa Cruz in eindringlichen Worten klar zu machen, dass er nichts Positives von seinem Aufenthalt in Südamerika oder von seiner Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen in Bolivien erwarten könne. Vielmehr sei sein Ansehen schon jetzt schwer beschädigt. Zur Untermauerung seiner ver1819 12.01.1855 Paris. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 772. 1820 15.04.1855 Versailles. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 774. 28.04.1855 Versailles. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 775. 1821 Dies geht hervor aus: 15.04.1855 Versailles. Santa Cruz an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 774. 1822 02.05.1855 Tacna. Braun an Manuel Antonio de Rivero, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S.109. 14.05.1855 Oruro. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 777. 1823 13.05.1855 La Paz. Pedro Contreras an José Agustín Palza, in: Archiv Braun, Bd. 776. 1824 17.05.1855 Tanca. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p286/146v). 1825 Ebd.

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nichtenden Analyse sandte Braun dem ehemaligen Protektor Briefe und Zeitungsberichte. Braun sah die Ursache dieser katastrophalen Entwicklung vor allem in der mangelnden ­politischen Unterstützung. Lediglich eine „reduzierte Anzahl Ihrer Freunde“1826 engagiere sich für den ehemaligen Protektor. Braun hatte neben den Kontakten zu prominenten bolivianischen Oppositionellen auch sein privates Netzwerk mobilisiert. Dieses bestätigte seine Einschätzung. Aus Bolivien erreichten Braun deutliche Briefe, die Santa Cruz keine Chance bei der Wahl einräumten. Schon generell sei es schwierig für Santa Cruz gewesen, sich durchzusetzen. Nachdem aber Briefe des ehemaligen Protektors abgefangen und von seinen Gegnern veröffentlicht worden seien, habe er sich lächerlich gemacht und „das wenige Ansehen, das er noch besaß, verloren“1827. Sein Projekt sei vollkommen gescheitert. Seine potenziellen Wähler seien nach diesem Skandal zur Fraktion Belzu/Córdova gewechselt. In Peru und Bolivien lebende Akteure gaben nur Córdova und Linares echte Chancen auf einen Sieg bei der anstehenden Präsidentschaftswahl. Braun sollte mit seiner Einschätzung recht behalten. In den für die damaligen Verhältnisse ungewöhnlich fairen und freien Wahlen setzte sich Jorge Córdova mit 9.388 Stimmen vor Linares mit 4.194 durch. Andrés de Santa Cruz hatte gerade einmal 18 Stimmen erhalten.1828 Mit diesem Ergebnis wurde mit Jorge Córdova zum ersten Mal seit vielen Jahren ein verfassungsgemäß gewählter und nicht durch eine Revolution an die Macht gekommener Akteur bolivianischer Präsident. Schon bevor Braun seine oben skizzierten entmutigenden Nachrichten Santa Cruz übermittelte, hatte er seine Agententätigkeit aufgegeben und beispielsweise seinen Verwandten Anfang Mai 1855 angekündigt, bald nach Arequipa zu reisen. Seinen Plan, sich nach Bolivien zu begeben, habe er trotz Passierschein und Sicherheitsgarantien der Regierung Belzu aufgegeben. Statt seiner werde sein Sohn José Manuel Braun sich nun dort um seine Geschäfte kümmern.1829 1826 17.05.1855 Tanca. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p286/146v). 1827 Diese Briefe zwischen dem einflussreichen Anhänger von Linares, Pedro Contreras, und dem Anhänger von Santa Cruz, José Agustín Palza, sind nicht an Braun adressiert, wurden ihm jedoch von Palza zur Informationsgewinnung übergeben: 13.05.1855 La Paz. Pedro Contreras an José Agustín Palza, in: Archiv Braun, Bd. 776. Ferner: Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 227. 1828 13.05.1855 La Paz. Pedro Contreras an José Agustín Palza, in: Archiv Braun, Bd. 776. 06.06.1855 La Paz. Pedro Contreras an José Agustín Palza, in: Archiv Braun, Bd. 778. Ferner: Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 54. Fajardo Sainz, Andrés de Santa Cruz, 2003, S. 153f. Gantier, Casimiro Olañeta, 1965, S. 422. González Espul, La guerra contra Santa Cruz, 2001, S. 97ff. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829– 1880, 2003, S. 404ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 229f. 1829 02.05.1855 Tacna. Braun an Manuel Antonio de Rivero, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S.109. Ferner: Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 151ff.

Erneut transatlantischer Agent für Andrés de Santa Cruz



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Politischer Realist: Annäherung an Manuel Isidoro Belzu Otto Philipp Braun zog aus dieser enttäuschenden Entwicklung auch persön­ liche Konsequenzen. Er unterließ jegliche weitere politische Betätigung für Santa Cruz. Dies hatte auch einen ökonomischen Grund. Denn allzu offen für Santa Cruz tätige Agenten, wie Pedro Sáenz, waren von der Administration Belzu bestraft worden, indem diese die Ausfuhr ihrer Produkte, wie Kupfer oder Cascarilla, verhinderte. Um dies für sich zu vermeiden, hatte Braun schon vor dem Brief an Santa Cruz dem bolivianischen Präsidenten Belzu Ende April 1855 geschrieben. In seinem Brief teilte er Belzu mit, während des Wahlkampfes und der Wahl nicht nach Bolivien zu reisen, sondern als Privatmann bei seiner Familie in Arequipa zu bleiben, um keinen falschen Verdacht aufkommen zu lassen. Belzu antwortete Braun in einem persönlichen und privaten Schreiben im Mai 1855, womit der seit 1853 unterbrochene Dialog zwischen beiden wieder auflebte. Belzu begrüßte die Entscheidung Brauns als ein Zeichen, sich nicht in die politischen Angelegenheiten Boliviens einzumischen. Denn: „Ihre Reise nach Bolivien gerade in demselben Moment, in dem der General Santa Cruz seine Kandidatur bei den nächsten Wahlen ankündigte, wäre ein Grund höchster Beunruhigung, da Ihre alte Verbindung und enge Freundschaft mit jenem Herrn bekannt sind.“1830 Belzu lud Braun nicht nur ein, zu einem späteren Zeitpunkt nach Bolivien einzureisen, und versicherte ihm seine Freundschaft, sondern nahm auch eine Umdeutung des politischen Bruchs zwischen Ihnen von Anfang des Jahres 1853 vor. Der Präsident begründete die Streichung Brauns aus der Rangliste der bolivianischen Armee im August 1852 nicht mehr mit politischem Misstrauen oder einer Beteiligung Brauns an Intrigen, sondern lediglich mit dem Umstand, dass Braun sich so lange in Europa aufgehalten habe und der Staat aufgrund der problematischen Haushaltssituation habe sparen müssen.1831 Diese Umdeutung in Kombination mit den Freundschaftsbeteuerungen und Einladungen baute eine rhetorische Brücke für eine zukünftige Wiederannäherung zwischen Braun, Belzu und dessen Nachfolger. Braun widmete sich nun vor allem seinen privaten Geschäften. Um für diese sichere Rahmenbedingungen zu erhalten, trat Braun Mitte September 1855 an den neuen „verfassungsmäßigen Präsidenten“1832 Boliviens, General Jorge Córdova, heran. Braun gratulierte Córdova zu seinem Wahlsieg und beteuerte seine persönliche Freundschaft zu ihm und seinen Willen, dessen legitime Regierung zu unterstützen. Mit dieser Unterwerfungsgeste signalisierte er, nicht zu den aktiven Gegnern der Regierung zu gehören. Dabei nutzte Braun die Gelegenheit, auf seine historischen Verdienste als Veteran des südamerikanischen Un1830 14.05.1855 Oruro. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 777. 1831 Ebd. 1832 14.09.1855 Tacna. Braun an Jorge Córdova, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p97/56).

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abhängigkeitskrieges und sein Wirken bei der Verteidigung der Unabhängigkeit Boliviens in seiner langen Karriere hinzuweisen. Braun betonte, seinen politischen Prinzipien entsprechend Córdova, trotz seines Alters und seiner Gebrechen, gerne dienen zu wollen. Auch verwies Braun auf ein Treffen mit Córdovas Amtsvorgänger Belzu in Tacna, den Braun über alle Maßen lobte. Sein Lob galt nicht nur dessen Person, „der Bolivien so viel schuldet“1833, sondern auch dessen Administration, die Ausdruck republikanischer Tugenden gewesen sei. Mit dieser Darstellung, die aus taktischen Gründen den politischen Bruch und Brauns Agententätigkeit für Santa Cruz sowie Belzus Morde an dessen Anhängern ignorierte, testete der politische Realist Braun die Tragfähigkeit der Brücke, die ihm Belzu einige Monate zuvor gebaut hatte. Brauns Interesse war es dabei nicht, wieder in den Staatsdienst aufgenommen zu werden. Die Erfahrung beim Scheitern der Rückkehr von Santa Cruz, zu wenig verlässliche Freunde in der aktuellen Politik zu haben, hatte ihm verdeutlicht, dass die Zeit seiner Generation in der ersten Reihe der bolivianischen Politik nun wohl vorbei war.1834 Braun wollte mit diesem Schreiben wohl eher erreichen, dass er ohne Beschränkungen nach Bolivien einreisen und sich seinen Geschäften widmen konnte – ohne für sein Engagement für Santa Cruz bestraft zu werden. Präsident Córdova wusste natürlich, dass Braun von Belzu aus politischen Gründen von der Rangliste gestrichen worden war und dieser für Santa Cruz versucht hatte, in der Opposition eine Allianz gegen Belzu und gegen ihn persönlich zu schmieden. Doch der neue Präsident akzeptierte die Unterwerfungsgeste Brauns und stellte ihm im September 1855 einen Passierschein aus – zumal er gerade eine allgemeine Amnestie verkündet hatte.1835 Zuerst reiste Braun nach Corocoro und im Dezember 1855 nach La Paz – als Privatperson und Unternehmer. Die Zeit der Generation von Junín und Ayacucho in der südamerikanischen Spitzen­politik war abgelaufen.1836 1833 14.09.1855 Tacna. Braun an Jorge Córdova, in: Archiv Braun, Bd. 818 (AA p97/56). 1834 Das Alter von Santa Cruz war im Wahlkampf des viel jüngeren Córdova ein Argument gegen seinen Mitbewerber gewesen: Gantier, Casimiro Olañeta, 1965, S. 422. 1835 Jorge Córdova (1822–1861) gehörte schon der nachrrückenden Generation an. Seine militärische Karriere begann er unter Andrés de Santa Cruz. Siehe: Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 95ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 77. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 198ff. Klein, A Concise History of Bolivia, 2003, S. 128. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 405ff. Scheina, Latin America’s Wars, 2003, S. 265. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 230ff. 1836 Brauns Freund Santa Cruz kehrte nach seiner vernichtenden Niederlage schnell nach Frankreich zurück. Im Jahr 1858 gratulierte er dem neuen Präsidenten Linares, kündigte aber gleichzeitig seinen endgültigen Rückzug aus der Politik an. Zwar wurde Santa Cruz während der Präsidentschaft von José María Achá ab 1863 bolivianischer Gesandter aber seine Anhänger sollten in Bolivien nie wieder an die Macht gelangen. Zur allgemeinen historischen Entwicklung siehe: Aranzaes, Las Revoluciones en

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10.7 Europäische Spitzenpolitik: Braun und Louis Napoleon 1851 Otto Philipp Braun hatte sein gesellschaftliches Prestige und seinen politischen Einfluss nicht nur in Südamerika, sondern auch in Europa erhalten können. Sogar über zehn Jahre nach seinem Sturz und über 25 Jahre nach der Schlacht von Junín war er in der Lage, Kontakte zu europäischen Spitzenpolitikern herzustellen. Diese erkannten das jenseits des Atlantiks erworbene Ansehen Brauns an und akzeptierten diesen als wichtigen politischen Akteur und gesellschaftlich hoch angesehene Persönlichkeit. Als ein Beleg hierfür diente bereits die Einladung des britischen Außenministers Lord Palmerston im April 1840 zu einer persönlichen Audienz.1837 Einen zweiten Hinweis liefert ein Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten Louis Napoleon im Oktober 1851. Braun erlangte jedoch nicht aus eigennützigen Motiven Zugang zu Louis Napoleon, sondern weil einer seiner Neffen in Frankreich in Schwierigkeiten geraten war. Hierzu ist es wichtig zu wissen, dass Otto Philipp Brauns älterer Bruder Christian Friedrich Braun (1790–1867) seinen ältesten Sohn (1824–1900) nach seinem berühmten Bruder Otto genannt hatte. Über die Distanz des Atlantiks hinweg wurde der bolivianische General darüber hinaus Patenonkel seines Neffen.1838 Dieser wiederrum entwickelte eine lebenslange Affinität zu seinem von ihm bewunderten Onkel. Otto Braun (Otto Philipp Brauns Neffe) hatte in jungen Jahren als studentischer Aktivist an der Märzrevolution 1848 in Deutschland teilgenommen. Die Marburger Studentenschaft hatte ihn zu ihrem Präsidenten gewählt und ihn zum Wartburgfest im Juni 1848 entsandt. Otto Braun nahm dort nicht nur an den Beratungen teil, sondern knüpfte auch zu vielen später politisch wichtigen Akteuren Kontakte – beispielsweise zu seinem lebenslangen Freund und späterem US-amerikanischen Politiker Carl Bolivia, 1992, S. 56. Fajardo Sainz, Andrés de Santa Cruz, 2003, S. 153ff. Fernández, Santa Cruz y la Confederación Perú Boliviana, 2009, S. 88ff. Gantier, Casimiro Olañeta, 1965, S. 423. González Espul, La guerra contra Santa Cruz, 2001, S. 97ff. Ibold, Die Erfindung Lateinamerikas, 1998, S. 90. Mesa/Mesa Gisbert, La República 1829–1880, 2003, S. 404ff. Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 141ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 231. 1837 Siehe hierfür Kapitel 8.3: „Die britische Außenpolitik: Braun und Lord Palmerston 1840 “. 1838 Otto Braun war es auch gewesen, der das Leben seines verstorbenen Onkels – als Erster in Deutschland – in einer biographischen Skizze festhielt: 21.07.1891 Kassel. Braun, Otto, Mein Onkel, in: Kasseler Tageblatt und Anzeiger, in: Zeitungsarchiv der Murhardschen Bibliothek zu Kassel. 22.07.1891 Kassel. Braun, Otto, Mein Onkel, in: Kasseler Tageblatt und Anzeiger, in: Zeitungsarchiv der Murhardschen Bibliothek zu Kassel. Zu Christian Friedrich und Otto Braun siehe auch: Braun, Grundlagen, 1914, S. 160ff.

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Schurz. Bei Gottfried Kinkel, ebenfalls Akteur der revolutionären Ereignisse in Deutschland, hatte Otto Braun im Jahre 1845 Theologie studiert. Nach dem Scheitern der deutschen Revolution von 1848 flohen Schurz, Kinkel und viele andere nach Paris. Otto Braun hingegen konnte sein Studium abschließen. Im Frühling 1850 ließ er sich als frankophiler Journalist und Dichter in Paris nieder. Dort traf er die im Exil lebenden deutschen Revolutionäre. Mit diesen entwickelte sich ein reger gesellschaftlicher und auch politischer Austausch – auch mit Carl Schurz. Im Sommer 1851 musste eine große Zahl deutscher Exilanten Paris verlassen, da Louis Napoleon die Revolutionäre – am Vorabend des von ihm geplanten Staatsstreiches – des Landes verweisen ließ. Otto Braun war von dieser Maßnahme nicht direkt betroffen, da er als Journalist und Korrespondent nicht als Exilant galt.1839 Auch nach der Ausweisung der deutschen Revolutionäre aus Frankreich hielt Otto Braun intensiven Kontakt zu diesen, vor allem zu Carl Schurz.1840 Darüber hinaus leitete er Briefe an die deutschen Exilanten über seine Adresse nach London weiter und lieh Carl Schurz Geld. Im Oktober 1851 erteilte ihm dann die Pariser Polizei den Befehl, Frankreich binnen kürzester Frist zu verlassen, da sie ihn aufgrund der häufigen Korrespondenz mit den nun in London lebenden deutschen Radikalen der Konspiration verdächtigte. In dieser Situation wandte sich Otto Braun an seinen zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in Paris weilenden Onkel Otto Philipp Braun und bat ihn verzweifelt um Hilfe. Bevor der Großmarschall Schritte zugunsten seines Neffen unternahm, verlangte dieser jedoch einen ausführlichen und wahrheitsgemäßen „Rapport“1841, in dem Otto Braun detailliert zu den Vorwürfen gegen ihn Stellung nehmen sollte. Unter seinem Ehrenwort versicherte Otto Braun seinem Onkel, dass er zwar häufigen Kontakt mit Schurz und anderen gehabt habe, der Inhalt ihrer Korrespondenz jedoch wenig politisch, sondern „völlig

1839 Botzenhart, Europa im Umbruch, 1998, S. 70ff. Langewiesche, Europa zwischen Restauration und Revolution, 2007, S. 99. Schmidt, Gottfried Kinkel, 1996, S. 81ff. Trefousse, Carl Schurz, 1998, S. 14ff. Wersich, Carl Schurz Selbstzeugnisse, 1999, S. 70ff. Carl Schurz schildert in seinen Memoiren seine Zeit. Schurz, Lebenserinnerungen, 1906, S. 352ff. 1840 Einer der wenigen erhaltenen Briefe zwischen Otto Braun und Carl Schurz befindet sich zwischen den Papieren zur lokalen Geschichtspolitik und Erinnerungskultur im Kasseler Stadtarchiv. Inhaltlich weist dieser Brief darauf hin, dass Otto Braun den verarmten, aber später dafür umso erfolgreicheren Carl Schurz in London mit Geld­ zahlungen unterstützte, auch wenn er in seinen Memoiren behauptet, in jener Zeit sparsam gelebt und keine Schulden gemacht zu haben. 19.08.1851 London. Carl Schurz an Otto Braun, in: SpKs 2, Abschn. 3. Schurz, Lebenserinnerungen, 1906, S. 356. 1841 16.10.1851 Paris. Otto Braun an Braun, in: Nachlass Otto Braun, in: Bayerische Staatsbibliothek (Brauniana 21).

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harmlos“1842 gewesen sei. Bei der Weiterleitung der Briefe habe er sich nichts gedacht. Otto Philipp Braun scheinen die Beteuerungen seines Neffen überzeugt zu haben, da er umgehend seine Kontakte in die französische Spitzenpolitik mobilisierte. Innerhalb kürzester Zeit erhielt Otto Philipp Braun eine Audienz beim französischen Staatspräsidenten Louis Napoleon, um für seinen Neffen an höchster Stelle vorzusprechen.1843 Zwar war dieser nicht willens, die Rücknahme des Ausweisungsbefehls offiziell zu veranlassen, man kam aber zu einer anderen Lösung: Otto Braun wurde vom bolivianischen Gesandten in Paris, Andrés de Santa Cruz, zum Mitarbeiter der Botschaft erklärt und genoss somit Schutz vor einfachen polizeilichen Anweisungen. Schritte, diese diplomatische Immunität aufzuheben, unternahmen die französischen Behörden dann nicht – unter der Bedingung, der Neffe dürfe sich nicht mehr politisch betätigen.1844 So historisch unbedeutend diese Geschehnisse für die französische oder südamerikanische Geschichte auch sein mögen, so zeigen sie, wie problemlos es Otto Philipp Braun mit der Hilfe seines alten Freundes Andrés de Santa Cruz gelang, Zugang zur französischen Staatsspitze zu erhalten. Dies ist umso bemerkenswerter, da Brauns Meriten Jahrzehnte zurücklagen und von einem weit entfernten Kontinent an der Peripherie französischer Interessenspolitik stammten.

1842 16.10.1851 Paris. Otto Braun an Braun, in: Nachlass Otto Braun, in: Bayerische Staatsbibliothek (Brauniana 21). 1843 Aprile, La IIe République, 2000, S. 153ff. Botzenhart, Europa im Umbruch, 1998, S.  243ff. Gall, Europa auf dem Weg in die Moderne, 2004, S. 39ff. Garrigues, La France de 1848 à 1870, 1995, S. 120ff. Payne, State of Louis Napoleon Bonaparte, 1966, S. 34ff. Price, Politics in France, 2004, S. 64ff. Price, Napoleon and the Second Empire, 1997, S. 12ff. 1844 19.08.1851 London. Carl Schurz an Otto Braun, in: SpKs 2, Abschn. 3. 16.10.1851 Paris. Otto Braun an Braun, in: Nachlass Otto Braun, in: Bayerische Staatsbibliothek (Brauniana 21). Weltrich/Braun, Otto Braun, 1904, S. 484f. Braun, Grundlagen, 1914, S. 181ff. Andrés de Santa Cruz hatte im Oktober 1849 Louis Napoleon bei der Übergabe seines Beglaubigungsschreibens persönlich kennengelernt und einen nachhaltigen Kontakt zu ihm aufgebaut: Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 141ff.

11. Elder Statesman 1855–1869 „Der General (so wurde er schlechtweg genannt) war, wie so viele Männer, die dem Sturm des Lebens wirkliche Verdienste abgerungen haben, ein Feind jeglichen Renommierns“1845 Ernst Mossbach

Das transatlantische Agieren Brauns als Wahlkampfkoordinator für den Präsidentschaftskandidaten Andrés de Santa Cruz im Jahre 1855 war der letzte große Auftritt Otto Philipp Brauns in der bolivianischen Politik. Der von Braun gegenüber Belzu und Córdova 1855 angekündigte Rückzug ins Private war diesmal endgültig. Ein wichtiger Faktor hierbei war sicherlich, dass schon lange eine neue Generation von Akteuren die Bühne der bolivianischen Politik betreten hatte. Schon zwischen José Ballivián und Braun hatte es einen Alternsunterschied von sieben Jahren gegeben. Zu Manuel Isidoro Belzu betrug der Abstand zehn Jahre. José Maria Linares war zwölf Jahre jünger als Braun und Jorge Córdova sogar 24 Jahre. Keiner dieser die bolivianische P ­ olitik seit den 1840er Jahren prägenden Präsidenten hatte an verantwortlicher Stelle an den sinn- und gemeinschaftsstiftenden Feldzügen des Unabhängigkeitskrieges teilgenommen – schon gar nicht, wie Braun, mit dem außergewöhnlichen Zugang zu Simón Bolívar oder Antonio José de Sucre. Für sie waren dies mythische Gestalten aus längst vergangenen Tagen, aber keine Referenzpunkte aktueller Politik mehr. Schon im Wahlkampf 1855 hatten regierungstreue Zeitungen Andrés de Santa Cruz beispielsweise als Mann der Vergangenheit ohne Verbindungen zur aktuellen Politik und zur Lebensrealität Boliviens bezeichnet – und zwar mit Erfolg.1846 Spätestens mit den gescheiterten Bemühungen Brauns, Anfang 1855 zwischen Santa Cruz und den eine Generation jüngeren bolivianischen Oppositionellen eine Allianz gegen Córdova und Belzu zu schmieden, war ihm klar geworden, dass sein Einfluss auf das p ­ olitische Tagesgeschäft gesunken und seine Zeit im Zentrum der politischen Macht vorbei war. Dies hatte er auch Santa Cruz gegenüber eingestanden.1847 An eine Restauration der Präsidentschaft von Andrés de Santa Cruz oder an eine Rückkehr der schon längst als Helden von Junín und Ayacucho heroisierten Generation ins politische Tagesgeschäft war Ende der 1850er Jahre nicht mehr zu denken – zumal viele Akteure auch nicht mehr lebten. 1845 Abschätzig für ‚prahlen‘: Wahrig, Herkunftswörterbuch, 2009, S. 706. Ferner: Mossbach, Bolivia, 1875, S. 45. 1846 Siehe Kapitel 10.6: „Erneut transatlantischer Agent für Andrés de Santa Cruz 1854– 1855“, sowie: Gantier, Casimiro Olañeta, 1965, S. 422. Ähnlich: Valencia Vega, ­Manuel Isidoro Belzu, 1981, S. 124f. 1847 Dies geht auch aus dem bitteren Schreiben Brauns vom Mai 1855 hervor: 17.05.1855 Tanca. Braun an Santa Cruz, in: Archiv Braun, Bd. 817 (AA p286/146v).

Braun und Belzu in Europa



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Dieses Kapitel zeigt, dass trotz der immer größer werdenden Distanz zu den aktuellen politischen Akteuren Brauns während des Unabhängigkeitskrieges und unter Santa Cruz erworbenes gesellschaftliches Prestige und sein politischer Einfluss bis zu seinem Tod im Jahre 1869 erhalten blieben. Dies soll durch einen näheren Blick auf die erneute Freundschaft zu Manuel Isidore Belzu Ende der 1850er Jahre, auf Brauns Privatleben durch die Berichte von Ernst Mossbach sowie durch die Rekonstruktion der Rolle Brauns als Vermittler bei den Präsidenten José María Linares und José María de Achá sowie durch die Einladung des französischen Außenministers Édouard Drouyn de Lhuys deutlich gemacht werden.

11.1 Versöhnung: Braun und Belzu in Europa 1857–1859 Otto Philipp Braun war Ende des Jahres 1855 nach Bolivien eingereist, um sich dort als privater Unternehmer um seine Geschäfte zu kümmern. Aufgrund lückenhafter Quellen ist unklar, wann er wieder den Atlantik Richtung Europa überquerte. Sicher ist jedoch, dass er sich Anfang des Jahres 1857 wieder in Deutschland aufhielt.1848 Zu dieser Zeit lebte der ehemalige bolivianische Präsident Manuel Isidoro Belzu als Botschafter seines Landes in Paris. Nachdem dieser infolge des Sturzes der Regierung Córdova im September 1857 seinen Posten wieder verloren hatte, nutzte Belzu sein Exil, um ausgedehnte Bildungsreisen durch Europa zu unternehmen.1849 In dieser Zeit versöhnten sich Braun und Belzu nach jahrelangen politischen Differenzen und aktiver Tätigkeit gegeneinander. Braun lud seinen ehema­ligen Widersacher, der ihn im August 1852 unehrenhaft aus der bolivianischen Armee geworfen hatte, mehrmals nach Kassel ein und bot ihm auch an, Ressourcen für dessen Lebensunterhalt zur Verfügung zu stellen. Belzu seinerseits überhäufte den einst gegen ihn mit der Opposition paktierenden und gegen seinen designierten Nachfolger Córdova konspirierenden Braun geradezu mit Freundschaftsbeteuerungen und Ehrenbezeugungen. Die Initiative für die Versöhnung ging vor allem von Belzu aus. Ab 1857 kommunizierten beide – vor allem über Privates – regelmäßig.1850 Aber auch Braun arbeitete an dieser Freundschaft. Er lud beispielsweise Belzu Ende des Jahres 1857 nach Kassel ein und bot ihm Unterstützungsleistungen an. Der ehemalige Präsident hatte seinem „geschätzten 1848 Dies geht hervor aus: 21.05.1857 Paris. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 781. 1849 Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 195ff. Dunkerley, The Americas in the world around 1850, 2000, S. 468f. Mesa / Gisbert, La República, 2003, S. 392ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 232ff. Valencia Vega, Manuel Isidoro Belzu, 1981, S.113ff. 1850 Belzu leitete auch Briefe aus Südamerika an den Großmarschall in Kassel weiter. Leider sind weder die Autoren noch der Inhalt der Briefe überliefert.

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General und Freund“1851 auch schon zugesagt, revidierte diese Entscheidung jedoch kurze Zeit später wieder. Er wolle lieber nach London reisen, um dort sein Englisch zu verbessern. Nichtsdestotrotz unterstreicht diese Kommunikation das erneut verbesserte und wieder freundschaftliche Verhältnis der beiden. Daher verwundert es nicht, dass Belzu Mitte des Jahres 1858 dann doch noch seine Reise durch Deutschland antrat. Dabei besuchte er beispielsweise Berlin, Dresden, München und Wien. Es läge zwar nahe, anzunehmen, dass Belzu Braun auch in Kassel besuchte, hierfür gibt es jedoch nur wenige Anhaltspunkte.1852 Aber Belzu schrieb Braun von fast allen seinen Stationen. Dabei überschüttete der ehemalige Präsident Boliviens Braun, der ihm stets antwortete, mit überaus freundlichen und ehrerbietigen Worten: „Welch süßer Trost sind für mich ohne Zweifel ihre liebenswürdigen Briefe.“1853 Dabei betonte er: „Sie sind mein ganzes Leben lang ein loyaler und treuer Ehrenmann gewesen. Während ich Ihnen eine gerechte Laudatio zuteilwerden lasse, halte ich diese nicht für eine den Umständen geschuldete Schmeichelei. Denn ich habe Ihnen immer, in all der Zeit, wahrhaftige Gerechtigkeit zuteilwerden lassen, die sie verdienten – selbst als mich ausländische Feinde schwer beleidigten.“1854 Neben diesen schmeichelnden Worten und Freundschaftsbeteuerungen schuf Belzu für Braun Verbindungen. Beispielsweise verwies er den Großmarschall an den bolivianischen Konsul in Genua. Braun sollte ihn kennenlernen und brieflich kontaktieren. Er habe ihm nicht nur sehr geholfen, sondern könne für Braun aufgrund seiner hervorragenden Verbindungen in der italienischen Handelswelt von Nutzen sein.1855 Braun kam dieser Bitte nach und legte seinem Antwortschreiben an Belzu einen Brief an den Konsul bei.1856 Als Ende des Jahres 1858 dem ehemaligen Präsidenten die Ressourcen auszugehen drohten, bot Braun Belzu an, „nach Kassel zu kommen, um mit Ihnen Ihr Brot zu teilen“1857. Mit äußerster Wertschätzung und über die normalen Höflichkeitsfloskeln hinaus bedankte sich Manuel Isidoro Belzu im Januar 1859 bei Braun „für Ihr gutes Herz und ihre Großzügigkeit“1858. Er werde aber selbst im schlimmsten Falle lieber nach Bolivien zurückkehren und dort ein Auskommen suchen, anstatt 1851 21.05.1857 Paris. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 781. 1852 Leider sind die Briefe Brauns an Belzu nicht mehr erhalten. Zwar behauptet Schelchkov, dass Belzu Braun in Kassel besucht habe. Dies belegt er jedoch nicht. Dies geht auch nicht aus der Korrespondenz zwischen Braun und Belzu hervor. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 232. 1853 04.08.1858 Wien. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 784. 1854 Ebd. 1855 17.09.1858 Genf. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 786. 1856 Dies geht aus einer eigenhändigen Notiz Brauns auf folgendem Brief hervor: 17.09.1858 Genf. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 786. 1857 12.01.1859 Paris. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 787. 1858 12.01.1859 Paris. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 787.

Braun und Belzu in Europa



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auf das wohlwollende Angebot Brauns zurückzukommen, da dieser schließlich eine große Familie zu versorgen habe. In der Zwischenzeit habe sich jedoch sein Problem aufgrund einer Geldsendung erledigt. Nichtsdestotrotz reiste Belzu wenig später nach Südamerika ab, wo er sich unter dem ihm wohlgesonnenen peruanischen Präsidenten Ramón Castilla in Peru niederließ.1859 Das großzügige Angebot Brauns, den verarmten bolivianischen Politiker bei sich aufzunehmen, zeigt nicht nur eine seiner Charaktereigenschaften. Das Angebot Brauns zeigt darüber hinaus, wie sehr Belzu und Braun ihre politischen und persönlichen Differenzen hinter sich gelassen und sich wieder versöhnt hatten. Diese Versöhnung kann auch als ein Zeichen für die immer größer werdende Distanz Otto Philipp Brauns zur b­ olivianischen Tagespolitik gedeutet werden – auch wenn andere Akteure noch immer mit transatlantischen Anliegen an ihn herantraten. Zwar dominierten in der Kommunikation zwischen Belzu und Braun private Themen, etwa Belzus Probleme, sich in Deutschland mit seinen Französischkenntnissen zu verständigen, und die für einen früher gefürchteten Politiker fast verzweifelt anmutenden Äußerungen über kulturelle Unterschiede, Missverständnisse und Schwierigkeiten.1860 Dennoch entbehrte diese Beziehung nicht der politischen Perspektive. So sehr Belzu das Leben in Europa genoss und nicht daran dachte, sich wieder an der bolivianischen Politik zu beteiligen, gab es jenseits des Atlantiks Stimmen, die nach dem Sturz Córdovas und dem Einzug von José Maria Linares in den bolivianischen Präsidentenpalast im September 1857 Belzu aufforderten, nach Bolivien zurückzukehren und die Macht zurückzuerobern. Beispielsweise hatten sich Akteure wie Juan de la Cruz Benavente und andere in diesem Sinne an ihn gewandt.1861 Belzu schickte Braun die Originale der Briefe und trug ihm auf, „diesen Herren“1862 zu s­ chreiben und ihnen mitzuteilen, „dass sie für ihre politischen Intrigen nicht auf mich zu zählen brauchen. Denn ich werde niemals ein Instrument und auch nicht Anführer eines Klubs von Banditen sein.“1863 Er sei zwar durchaus bereit, wieder dem Land zu dienen, aber nicht mit allen Mitteln. Diese Aussage scheint die Verschwörer in Bolivien jedoch nicht zufriedengestellt zu haben. Sie schickten mit Policarpo Eysaguirre und einem Begleiter zwei Agenten über den Atlantik. Eysaguirre wandte sich nach seiner Ankunft in Paris im August 1858 in einem Geheimschreiben sofort an Braun, der sich ebenfalls gerade in der französischen Hauptstadt aufhielt. Eysaguirre wollte von 1859 Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 236 und: 12.01.1859 Paris. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 787. 1860 17.07.1858 Berlin. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 783. 1861 Céspedes, Las dos queridas del Tirano, 1984, S. 39 f. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 236. 1862 17.07.1858 Berlin. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 783. 1863 17.07.1858 Berlin. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 783.

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Braun wissen, wo sich der Hoffnungsträger Belzu aufhalte. Braun solle Belzu aber nichts von seiner Ankunft sagen, da er ihn gerne überraschen wolle.1864 Braun antwortete umgehend. Zwar ist der Inhalt des Schreibens nicht bekannt, aber wenige Wochen später trafen Eysaguirre und ein Begleiter Belzu in Turin. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Braun den beiden geholfen hat – zumal sich Braun und Belzu intensiv über das Treffen austauschten.1865 Belzu machte sich geradezu über die beiden transatlantischen Agenten und deren Revolutionspläne lustig, da beispielsweise Eysaguirre noch nicht einmal über Geld für eine Reise Belzus nach Paris verfügte, geschweige denn über Ressourcen für einen groß angelegten Putsch. Belzu echauffierte sich: „[D]ieser arme Ignorant glaubte, dass ich auch hier am Ende der Welt noch Präsident von Bolivien sei. Wie Sie aber wissen, zählt hier kein Präsident, kein König oder Kaiser etwas – außer sein Silber und Gold […].“1866 Belzu zog es nach den ernüchternden Gesprächen mit den Verschwörern vor, nach Genua und in den Nahen Osten zu reisen, anstatt sich an einer Rebellion in Bolivien zu beteiligen.1867 An seine Anhänger in Bolivien sandte er ein 15-seitiges Schreiben, in dem er seine Entscheidung noch einmal klar – wie im deutlichen Schreiben an Braun – darlegte.1868 Die Revolutionäre waren zwar an Braun herangetreten und hatten ihn um eine Unterstützungsleistung gebeten, nämlich ihnen den Aufenthaltsort ihres Hoffnungsträgers bekannt zu geben. Sie baten jedoch nicht um die politische Unterstützung des Großmarschalls Braun. Dies verdeutlicht noch einmal, dass er von den genannten Akteuren zwar noch als Insider, aber nicht mehr als wichtiger und einzubindender politischer Spieler wahrgenommen wurde. Braun seinerseits gab diesen wohl die gewünschte Information, beteiligte sich aber sonst in keiner Weise an deren politischem Projekt. Braun mobilisierte weder sein eigenes Netzwerk noch entfaltete er eigene Reiseaktivitäten oder entwarf politische Zukunftsszenarien.

1864 23.08.1858 Paris. Eysaguirre an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 785. 1865 Dies geht hervor aus: 17.09.1858 Genf. Belzu an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 786. 1866 Ebd. 1867 Ebd. 1868 Viele Anhänger scheinen dies jedoch nicht haben glauben können oder wollen. Die Echtheit des Briefes wurde von Zeitgenossen angezweifelt. Schelchkov belegt jedoch die Echtheit – zumal der Brief mit den auch Braun gegenüber geäußerten Grundprinzipien übereinstimmt. Den Brief siehe: 15.10.1858 Frankfurt. Belzu an einen seiner Agenten in Tacna, in: Paredes, Manuel Rigoberto, Melgarejo y su tiempo, 1962, S. 62ff. Zur Diskussion: Arguedas, La dictadura y la anarquia, 1989, S. 85ff. Crespo, Los exiliados bolivianos, 1997, S. 196ff. Schelchkov, Manuel Isidoro Belzu, 2007, S. 233f. Vázquez-Machicado, El hacendista don Miguel María de Aguirre, 1988, S. 322.

Einblicke von Ernst Mossbach



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11.2 General und Gentleman: Einblicke von Ernst Mossbach 1858–1861 Ernst Mossbach war Mitte des Jahres 1858 von Europa nach Südamerika gereist, um dort als Direktor die Leitung der Kupferminen Brauns in Corocoro zu übernehmen.1869 Im Anschluss an seinen langjährigen Aufenthalt in Südamerika und seine zweijährige Tätigkeit für Braun veröffentlichte er einen heute fast vergessenen Reisebericht. Darin schildert Mossbach aus seiner Perspektive seine Erlebnisse und ihm begegnete Personen – so auch Otto Philipp Braun. Mossbachs Schilderungen legen – wie die zuvor geschilderten Begebenheiten – nahe, dass sich Anfang der 1860er Jahre Brauns Rolle gewandelt hatte.1870 Otto Philipp Braun führte nun ein Leben als angesehener Elder Statesman fernab der Tagespolitik. Dies belegt eine Reihe von persönlichen Geschichten. Auch wenn Mossbachs Aussagen im Hinblick auf seine Selbstdarstellung kritisch betrachtet werden müssen, wird hier näher auf seine Beschreibungen eingegangen, da sie faktisch und inhaltlich anderen Quellen entsprechen und ihnen bis heute nicht widersprochen wurde. Als Ernst Mossbach im Oktober 1858 Südamerika erreichte, befand sich Otto Philipp Braun noch in Deutschland, sodass Mossbach dessen Geschäft in Corocoro zunächst allein leitete. Im Mai 1859 trafen die auch im Familienunternehmen aktiven Söhne Brauns dort ein. Im Juli 1859 erreichte Braun selbst Corocoro.1871 Zur ökonomischen Situation Brauns ist festzuhalten: So sehr Braun bei politischen Differenzen, beispielsweise mit Präsident Belzu, immer wieder den bedauernswerten Zustand seiner Besitzungen und oftmals auch die ökonomisch prekäre Situation seiner Familie beklagt hatte, hielt dessen Angestellter Mossbach fest, dass Braun „viel Ruhm und irdische Glücksgüter erworben hatte, in deren ungestörtem Besitze er bis zu seinem Ende 1869 blieb“1872. Dabei betonte der generell mit Braun stark sympathisierende Mossbach, „dass in den meisten Gruben sehr reiche Erze angefahren wurden und dass der Preis des Kupfers noch einen hohen Stand behauptete. Kein Wunder, dass die Gruben­ 1869 Bis auf das publizierte Reisetagebuch ist über Ernst Mossbach wenig bekannt. Sein Buch geriet nach der Veröffentlichung nahezu in Vergessenheit. Mossbach, Bolivia, 1875. 1870 Es gilt an dieser Stelle zu betonen, dass die zur Veröffentlichung bestimmten Aufzeichnungen von Ernst Mossbach keine Versuche zur Selbstdarstellung entbehren. Trotz aller quellenkritischen Vorsicht den Schilderungen Mossbachs gegenüber ist es dennoch wichtig zu unterstreichen, dass weder andere Quellen noch moderne Forschungsergebnisse Einspruch gegen dessen Werk erheben. Darüber hinaus passen einige Aussagen auch gut zu neueren Forschungsergebnissen, etwa über die Kultur der Minenelite in Corocoro: Jiménez Chávez, Capital minero de Corocoro, 1997, S. 445. 1871 Mossbach, Bolivia, 1875, S. 20, 44. Braun, Grundlagen, 1914, S. 260. 1872 Mossbach, Bolivia, 1875, S. 10.

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besitzer viel Geld verdienten und, um sich für so manche Entbehrung schadlos zu halten, die ihnen dieses Land auferlegte, ein luxuriöses Leben in Festen und Gesellschaften führten, bei denen der Champagner oft in Strömen floss.“1873 Mossbach sprach sichtlich beeindruckt von seltenen Gerichten und teuren Weinen, „deren Beschaffung in einem solchen Lande und in so kurzer Zeit fast rätselhaft war, geradezu herbeigezaubert“1874. Die Schilderungen Mossbachs über ausgedehnte Feste, Bälle und Empfänge werfen ein erhellendes Licht auf die Alltagskultur der politischen und unternehmerischen Elite jener Tage in Bolivien. Darüber hinaus unterstreichen sie erneut, dass Braun nicht nur zur politischen Elite gehört hatte, sondern es ihm gelungen war, seinen militärischen Erfolg und seinen politischen Einfluss vor seinem Sturz in eine tragfähige ökonomische Basis umzuwandeln. Diese versorgte ihn und seine Familie über den Februar 1839 hinaus und machte ihn sogar zum Teil der unternehmerischen und wirtschaftlichen Spitze des Landes – allen zwischenzeitlichen Armutsbekundungen zum Trotz. Die Aussagen von Ernst Mossbach illustrieren über die ökonomische Situation Brauns hinaus auch dessen gesellschaftliche Rolle, wie folgende Situationen zeigen: „Im Mai 1859 kamen die Söhne des Generalfeldmarschalls Braun mit ihren jungen Frauen von der Küste nach Corocoro. Im Hause wurde es lebhaft. Des Abends hatten wir entweder Besuch von befreundeten Familien oder wir waren bei diesen. Die Zeit verrann uns allen bei der Lektüre von Zeitschriften und bei Spiel, Gesang und Tanz zum Piano viel zu schnell. Im Juli desselben Jahres kam auch er Generalfeldmarschall Braun einmal wieder von Europa nach Bolivia. Er hielt sich teils in Corocoro, teils in La Paz sowie auf seinem Landgute San Francisco und seiner Silbergrube Pílar, beide in den reizenden Yungas gelegen, auf. Seine ritterlich hohe Gestalt, seine gerade Haltung und der volle blonde und weiß melierte Bart verrieten sofort den alten Krieger, die blauen klaren Augen den Mann von Seele. Trotz der 62 Jahre, in denen ihm meist ein bewegtes, strapazenreiches Leben beschieden war, welches manchen anderen frühzeitig abgestumpft hätte, bewahrte er noch immer geistige und körperliche Frische. Er hatte Gedächtnis für so vieles, woran sich seine Söhne kaum mehr erinnerten, saß zu Pferde wie ein junger Reiteroffizier und schoss mit der Pistole, wie er nicht sicherer vor 30 Jahren hätte schießen können. Der General (so wurde er schlechtweg genannt) war, wie so viele Männer, die dem Sturm des Lebens wirkliche Verdienste abgerungen haben, ein Feind jeglichen Renommierns [Prahlens, Anm. RK].1875 Es hielt auch recht schwer, ihn auf seine ruhmreiche Vergangenheit zu bringen, und wenn er einmal freiwillig in dieselbe zurückgriff und man ihn auf dem besten Wege zur Mitteilung eines geschichtlichen, von ihm selbst erlebten Faktums 1873 Mossbach, Bolivia, 1875, S. 37. 1874 Ebd., S. 29. 1875 Abschätzig für ‚prahlen‘: Wahrig, Herkunftswörterbuch, 2009, S. 706.

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glaubte, endete seine Rede gewöhnlich mit einem komischen Intermezzo oder einer Anekdote, die sich bei jeder anderen Gelegenheit ebenso gut hätte zutragen können. Nur ein Mal fand ich ihn mitteilsam, und dies verursachte der Zufall, dass die Glücksgöttin, deren Günstling er doch stets war, ihn zwei prachtvolle Revolver hatte gewinnen lassen, die der frühere Präsident Córdova auf seiner letzten Expedition in Viacha aus Not versetzt haben sollte und die nun in Corocoro durch eine Art Lotterie dem General zugefallen waren. Gleich nachdem er sie erhalten hatte, ließ er mich rufen. Ich fand ihn allein in seinem Zimmer im Lehnstuhl ausgestreckt. Das Podagra [Gicht, Anm. RK], welches die alten ausgewitterten Haudegen selten verschont, begann auch bei ihm sich dann und wann einzustellen. Er hatte bei derartigen Anfällen nicht die beste Laune und blieb deshalb am liebsten allein. Heute war dies anders. Vor ihm auf dem Tische lag das Etui aufgeschlagen, in welchem zwei Colt’sche Revolver mit Zubehör eingepasst waren, wahre Meisterstücke von Elfenbeinschnitzerei und ziselierter1876 Silberarbeit, welche man hier auf 300 Dollars schätze. Doch dieser Wert war es nicht, was dem General die Revolver wertvoll machte, sondern die Erinnerung an ein Stück Lebensgeschichte, die sich für ihn an jene knüpfte. Er kam durch die Revolver im Gespräch von Córdova auf Belzu, ihren früheren Besitzer, und Ballivián, die erbittertsten Gegner seiner Partei, und betrachtete sie, wie es schien, als Ersatz für die Trophäe, die ihm auf dem Schlachtfelde von jenen zu erringen nicht vergönnt war. Dann erzählte er von seiner Bekanntschaft mit Bolívar und Sucre, von den heißen Kämpfen von Quito und Junín, von den glücklichen Tagen der Präsidentschaft des allgemein verehrten Generals Santa Cruz, seines geliebten Feldherrn, und von den braven Soldaten der damaligen Zeit, die sich im Grabe umdrehen würden, wenn sie die jetzigen sähen. Sie alle waren längst vergessen oder tot. Der General klappte das Etui zu und presste seine Hände in die Seite. Vielleicht brannten ihm die alten Lanzenstiche von Junín.“1877

Die Charakterisierung Brauns als Person, die der Selbstdarstellung distanziert gegenüberstand, hilft nicht nur zu erklären, warum Braun in den letzten Jahren seines Lebens, im Gegensatz zu vielen anderen Akteuren, keine Memoiren verfasste. Die Skizzierung des im Lehnstuhl vor sich hin sinnierenden, über 60-jährigen Braun deutet auch darauf hin, dass sich dieser längst in einer Lebensphase befand, in der langsam seine Söhne das Geschäft und jüngere Akteure die Politik des Landes übernommen hatten und er sich seines Lebensabends erfreute. Er schien nun – wie die folgenden Schilderungen zeigen – besonnener, familiärer Mittel- und gesellschaftlicher Referenzpunkt. Dies legt beispielsweise folgende von Mossbach geschilderte Begebenheit nahe: 1876 Hochwertige Verzierung mittels Schlagstempel und Graveurtechnik: Wahrig, Herkunftswörterbuch, 2009, S. 891. 1877 Mossbach, Bolivia, 1875, S. 44ff.

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„Einen schönen Beweis der vertrauensvollen und gerechten Sinnesart des Generals, deren ich mich zwar in jeder Beziehung stets zu erfreuen hatte, lieferte er mir bei Gelegenheit eins für mich höchst fatalen Vorfalles. Seinen Söhnen waren ein paar Freunde von der Küste zum Besuch nach hier gefolgt. Einer derselben, ein junger Franzose, hatte sich mir näher angeschlossen. Wir ritten in meinen Mußestunden öfters zur Jagd auf Vicuñas1878 und wilde Enten. Zufällig hatten wir beide zweiläufige Lefaucheux-Gewehre, die zum Verwechseln ähnlich waren. Als wir das letzte Mal von der Jagd zurückgekehrt waren, hatten wir vermeintlich sämtliche Läufe abgeschossen und die Gewehre in eine Ecke meines Wohnzimmers gestellt. Ein Beamter der braunschen Erzwäsche in Pontezuelo, welcher mich ein paar Tage danach besuchte, nahm eines der Gewehre und bat mich, ihm die Konstruktion desselben zu zeigen. Um ganz sicher vor Unglück zu sein, wollte ich zunächst die stecken gebliebenen Hülsen entfernen und legte das Gewehr vorsichtig mit den Mündungen gegen die Wand gekehrt auf den Tisch, damit ich den Haken bequemer ansetzen konnte. Die erste Hülse ging leicht heraus, bei der zweiten hielt es sich schwer, und als mir mein Besuch zur Hilfe kommen wollte, verrückte sich diese, der Hahn schlug zu und der Schuss fuhr durch die Glastür meines Zimmers in ein gegenüberliegendes Fenster der Wohnung des jüngeren Sohnes des Generals, an welchem sich dessen junge Frau öfters aufzuhalten pflegte. Ich war starr vor Schreck und unfähig einen Schritt zu tun. Der Schuss und die klirrenden Fensterscheiben hatten das ganze Dienstpersonal herbeigerufen. Die Botschaft, dass kein Mensch getroffen sei, mehr aber noch das spätere Erscheinen der jungen Frau selbst, die Gewissheit, dass sie lebte, goss auch wieder eigenes Leben in meine Glieder, wiewohl ich noch den ganzen Tag ein inneres Beben fühlte. Der General, dessen Zimmer ziemlich entfernt von dem meinigen lagen, hatte zwar den Schuss gehört, aber kein besonderes Gewicht darauf gelegt. Ich konnte den Rat der anderen, in seiner Gegenwart nichts von dem verhängnisvollen Vorfalle zu erwähnen, nicht teilen. Er sollte alles wissen, doch wollte ich ihm die Mitteilung erst nach aufgehobener Tafel machen, zu welcher die Glocke bald läutete. Bei Tisch war alles heiter und unterhielt sich in der gewohnten Weise. Mir war es unmöglich, einen Bissen zu genießen. Dem Scharfblicke des Generals entging meine Aufgeregtheit nicht, und deshalb von ihm befragt, erzählte ich ihm das Geschehene. Kein Wort des Vorwurf oder des Tadels kam über seine Lippen. Im Gegenteil schien er mich mit der Erzählung eines ganz ähnlichen Falls, der ihm selbst passiert war, trösten zu wollen. Nach Tisch begleitete ich ihn an die Unglücksstelle. Drei Posten1879 [Schrotkugeln, Anm. RK] hatten ebenso viele Scheiben des erwähnten Fensters und im Zimmer einen großen Spiegel zertrümmert, die anderen waren in der Wand stecken geblieben. Der General untersuchte die Schüsse genau und drückte nur seine Verwunderung darüber aus, dass das Gewehr auf eine 1878 Hierbei handelt es sich um eine in Südamerika lebende Kamelart. Sie ähnelt dem Alpaka und dem Lama. 1879 Bei ‚Posten‘ handelt es sich um große Schrotkugeln.

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verhältnismäßig kurze Distanz von zwanzig Schritt zu sehr gestreut habe. Damit war das Unglück von ihm auf immer ad acta der Vergangenheit gelegt. Er erwähnte es nie wieder.“1880

Die Rolle als Elder Statesman und Vermittler bei Konflikten von Angehörigen einer jüngeren Generation illustriert auch das folgende Beispiel: Im Hause Braun in Corocoro kam es zwischen Mossbach und einem ebenfalls dort ­lebenden Deutschen zu einer gesellschaftlichen Konfrontation, als Letzterer – so die eigene Aussage des Bergwerksdirektors – ein unangenehmes und nicht näher erläutertes Gerücht über ihn verbreitete. Dazu Mossbach: „Der Gegenstand der Schwätzerei, in welcher er [der Widersacher Mossbachs, Anm. RK] mir, Gott weiß, aus welcher Ursache, die Hauptrolle zuerteilt hatte, war zu delikater Art, als dass ich ihn hierüber hätte zur Rede stellen können, und zwar umso weniger, als gerade derjenige, für welchen die Sache besonderes Interesse hatte, sich nicht offen mir gegenüber aussprach und ich nur an den immer kälter werdenden freundschaftlichen Begegnungen des Letzteren erraten konnte, dass etwas gegen mich im Spiele war. Auf meine Bitte um Aufklärung erhielt ich eine ausweichende Antwort. Die Spannung wurde endlich so groß und mein Aufenthalt im Braun’schen Hause so peinlich, dass ich vorzog, dasselbe gänzlich zu meiden. Ich quartierte mich zu meinem Freunde P. S. und klagte ihm mein Leid. Nach reiflicher Überlegung, was zu tun sei, blieb mir nichts anderes übrig, als den Schwätzer für meinen Verleumder zu halten und ihn [zum Duell, Anm. RK] zu fordern. […] P. S. erwies mir den Freundschaftsdienst, sich mir als Kartellträger1881 anzubieten. Beim Antrage der Herausforderung war der angebliche Offizier empört aufgesprungen und bleichen Angesichts zum General geeilt, um sich bei ihm über mich zu beklagen und ihm seine Unschuld mit beredten Worten darzutun. Der General, welchem die widerwärtige Sache bis dahin gänzlich verschwiegen und nur mein Fehlen bei Tisch aufgefallen war, hatte ihm volle Gerechtigkeit angedeihen zu lassen versprochen, wenn er mich zuvor angehört habe. P. S. kehrte daher ohne bestimmte Antwort zurück. Taktvoll, wie der General stets war, konnte ich annehmen, dass er mich nicht zu sich rufen lassen, sondern dass er mich im Hause meines Freundes aufsuchen würde. Ich hatte mich nicht getäuscht. Noch denselben Tag erschien er und bat mich, ihm in seine Wohnung zu folgen. Hier trafen wir mit dem indirekt Beteiligten zusammen. Nachdem wir uns nunmehr offen gegenseitig ausgesprochen hatten, kamen wir sehr bald zu der Überzeugung, dass die Aussagen meines Gegners auf den erbärmlichsten Lügen und den schändlichsten Verdächtigungen basierten. Der General drückte mir beide Hände und zollte meiner Handlungsweise vollkommenen Beifall […]. Unmittelbar nach dieser Konferenz ließ 1880 Mossbach, Bolivia, 1875, S. 46ff. 1881 Ein Kartellträger übermittelte die Herausforderung zum Duell: Wermke, Das Fremdwörterbuch, 2007, S. 511.

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sich mein Gegner beim General melden. Er wurde angenommen, aber sein sofortiges Wiedererscheinen auf dem Vorhof, aus dem er mit Sturmschritt zum Tor hinauseilte, verriet deutlich genug, dass der General nicht weiter mit ihm verhandelte, sondern ihn direkt an meinen Kartellträger verwiesen hatte.“1882

Am nächsten Morgen war der namentlich nicht bekannte Deutsche, der Mossbach verleumdet hatte, in aller Frühe heimlich davongeritten, um dem Duell und der Bloßstellung durch „den General“1883 zu entgehen.

11.3 Vermittler zwischen rivalisierenden Fraktionen: Die Präsidenten José María Linares und José María de Achá 1861 Wie im letzten Abschnitt geschildert, hatte Otto Philipp Braun Mitte des Jahres 1859 den Atlantik überquert. Vom peruanischen Tacna aus hatte er dann Anfang September Präsident José María Linares geschrieben und um eine Einreiseerlaubnis gebeten.1884 Der Präsident antwortete seinem „so geschätzten General und alten Freund“1885 in einem persönlichen Schreiben. Dabei betonte er, dass er sich über Brauns Anwesenheit in Südamerika freue und sich nichts mehr wünsche, als Braun in La Paz umarmen zu können. „Kommen Sie – wie schon viele Male zuvor – mit allen Sicherheiten und der äußersten Hochachtung, die ich Ihnen immer entgegengebracht habe […].“1886 Mit diesem Schreiben reiste Braun nach Bolivien ein. In Corocoro traf er seine ihm vorausgereisten Söhne und seinen Bergwerksdirektor Ernst Mossbach. Braun scheint den Lebensabend als ein aus der Tagespolitik zurückgezogener, geschätzter und respektierter Elder Statesman genossen zu haben. Nichtsdestotrotz war es ihm aufgrund seines Prestiges und Einflusses ohne Probleme gelungen, Zugang zu Präsident Linares zu erhalten und von diesem als wichtige Persönlichkeit wahrgenommen zu werden. Der Präsident antwortete dem Großmarschall persönlich und ließ den Passierschein beispielsweise nicht von einer untergeordneten Behörde ausstellen. Bei dieser respektvollen Kommunikation auf Augenhöhe blieb es dann jedoch. Linares sprach im Gegensatz zur Kommunikation des Jahres 1848 zwischen Ihnen, als er im Auftrag von Präsident José Miguel Velasco Braun zur Mitarbeit aufgefordert hatte, keine Einladung zur aktiven Beteiligung in seiner Adminis1882 Mossbach, Bolivia, 1875, S. 49ff. 1883 Ernst Mossbach bezeichnet Otto Philipp Braun durchgehend als „den General“. 1884 Zwar ist der Brief nicht erhalten. Dies geht jedoch hervor aus: 27.09.1859 La Paz. Linares an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 788. 1885 Ebd. 1886 Ebd.

Die Präsidenten José María Linares und José María de Achá 1861



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tration aus. Auch Braun scheint keine entsprechenden Signale ausgesandt zu haben. Trotz dieser Distanz zur bolivianischen Tagespolitik verfügte Braun hinter den Kulissen noch immer spürbar über politischen Einfluss. Hierauf weist Brauns Anwesenheit beim Sturz von Präsident Linares im Januar 1861 hin. Hierfür ist es wichtig zu wissen, dass mit José María Linares zwar das erste Mal ein Zivilist bolivianischer Präsident war. Dieser zivile Hintergrund jedoch hatte Linares nicht daran gehindert, sich durch einen Putsch gegen den verfassungsgemäß gewählten Jorge Córdova ins Amt zu bringen und nach ersten Aufständen zu diktatorischen Mitteln zu greifen. Dies wiederum führte zu einer ganzen Reihe von Aufständen, Unruhen und Rebellionen. Anfang des Jahres 1861 hatte Linares erkannt, dass weiteres Regieren für ihn unmöglich war. Daher hatte er den Kongress zur Wahl eines Nachfolgers zusammengerufen. Hierfür war es jedoch zu spät. Am 14. Januar 1861 erhoben sich in La Paz zwei Bataillone. Zur Überraschung der Zeitgenossen führten keine Oppositionellen die Rebellion an, sondern die engsten Mitarbeiter des Präsidenten, Ruperto Fernández, José María Achá und Manuel Antonio Sánchez. Die Nachricht davon verbreitete sich schnell in La Paz, und es versammelte sich eine Menschenmenge vor dem Präsidentenpalast. Der Historiker Ramón Sotomayor Valdés rekonstruierte Anfang des vorletzten Jahrhunderts die nun folgenden Ereignisse: „Alle Anwesenden [auf dem Platz, Anm. RK] schauten auf den Präsidentenpalast, wo nichts Neues geschah. Es hielten sich dort dieselben Wachen, dieselben Adjutanten und dasselbe Gefolge auf wie am Tag zuvor. In den Baracken der Soldaten herrschte Ruhe und Ordnung. […] Um neun Uhr morgens, als viele schon an der verbreiteten Nachricht zweifelten, sah man dann Dr. Linares den Präsidentenpalast verlassen – nur begleitet von General Braun, seinem Finanzminister [Tómas] Frías und Justizminister [Evaristo] Valle und einigen wenigen untergeordneten Angestellten. Er ging ohne Leibwache und ohne die Insignien der Macht. Kaum hatte ihn die Menschenmenge erblickt, eilte sie von Neugier getrieben und von einem respektvollen Schweigen begleitet zu ihm. Aber das ängstliche Gefolge des Diktators […] ging eilig zum Haus der Witwe von Präsident Ballivián, wo man dem Diktator Asyl gewährt hatte.“1887 Wenig später erschienen die meuternden Bataillone auf dem Hauptplatz der Stadt und ließen Bolivien, die Armee und die gerade im Palast zusammentretende neue Regierungsjunta unter Achá, Fernández und Sánchez hochleben. Damit war den Menschen vor Ort klar, dass die Herrschaft von Linares vorüber war.1888 Laut Sotomayor Valdés war Braun Teil des Gefolges von Präsident Linares, als dieser den Präsidentenpalast am Morgen seines Sturzes im Januar 1861 ver1887 Sotomayor Valdés, Administración de José María de Achá, 1874, S. 129. 1888 Arguedas, La dictadura y la anarquía, 1981, S. 154ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 88ff. Sotomayor Valdés, Administración de José María de Achá, 1874, S. 130. Lemoine, El General Camacho, 1885, S. 53.

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ließ. Leider verweist Sotomayor Valdés, wie im Übrigen auch andere, welche die Anwesenheit Brauns beim Auszug von Linares erwähnen, auf keine Primärquellen.1889 Auch andere rekonstruieren das Ereignis, allerdings ohne Braun explizit zu erwähnen. Dabei betonen sie jedoch, dass neben der Witwe von Ballivián, seinen Ministern Tómas Frías und Valle sowie neben dem amerikanischen Gesandten noch „einige andere“1890 den gestürzten Präsidenten aus dem Palast begleiteten. Hierunter hätte sich auch General Braun befinden können. Aufgrund des Fehlens aussagekräftiger Primärquellen kann die Anwesenheit Brauns beim Auszug von Linares aus dem Präsidentenpalast letztlich aber nicht endgültig bestätigt werden. Sie ist gleichwohl sehr wahrscheinlich, da der kurz nach den Ereignissen nach Bolivien reisende chilenische Diplomat und Historiker Ramón Sotomayor Valdés nicht nur zu den maßgeblichsten Historikern seiner Zeit zählte, sondern heute noch als sehr zuverlässig und glaubwürdig gilt – auch wenn er ausgerechnet jenes oben zitierte Ereignis nicht explizit durch einen Verweis auf eine Quelle belegte.1891 Für seine Darstellung spricht auch, dass seit der Publikation seiner Arbeit im Jahre 1874 neu erscheinende Forschungsarbeiten seinen Aussagen bisher nicht widersprochen haben.1892 Darüber hinaus sind bisher keine Quellen bekannt, die Einspruch gegen seine Darstellungen erheben würden. Darüber hinaus zeigt die persönlich-private Einladung des Präsidenten Linares an Braun vom September 1859, in der er den Wunsch ausdrückt, Braun persönlich zu treffen, dass Braun auch bei weiterem Bedarf Zugang zum Präsidenten besaß. Dies macht die Anwesenheit Brauns bei dem Auszug des Präsidenten aus seinem Palast nicht unwahrscheinlicher.1893 Auch wenn hier nun die Anwesenheit Brauns angenommen wird, so gibt dies allein keinen Hinweis auf dessen Rolle. Es stellt sich also Frage: Deutet sich mit dem exklusiven Zugang Brauns zum Präsidenten eine bisher unbekannte politische Rolle Brauns während der Präsidentschaft von José María Linares an? War es ihm hier wie bei der Administration Belzu gelungen, erneut hinter den Kulissen ein gefragter Ratgeber zu werden und eine politische Allianz mit Anhängern von 1889 Aufgrund der hohen Übereinstimmung mit den 1874 erschienenen Schilderungen von Sotomayor Valdés ist es nicht unwahrscheinlich, dass Luis Paz hier den Historiker zitiert: Paz, Cuadros históricos y parlamentarios de Bolivia, 1908, S. 52. Siehe ferner: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 110. 1890 Aranzaes, Las Revoluciones en Bolivia, 1992, S. 168. Ganz ähnlich: Arguedas, La dictadura y la anarquía, 1981, S. 156. 1891 Abecia Baldivieso, Historiografia boliviana, 1965, S. 242f. Araneda Bravo, Ramón Sotomayor Valdés, 1951, S. 197f. Barnadas, Sotomayor Valdés, Ramón, 2002, S. 943. Pinochet de la Barra, Sotomayor Valdés, 1980, S. 69ff. Thomas, Latin American Historians, 1984, S. 322f. 1892 Etwa: Arguedas, La dictadura y la anarquía, 1981, S. 154ff. Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 88ff. 1893 27.09.1859 La Paz. Linares an Braun, in: Archiv Braun, Bd. 788.

Die Präsidenten José María Linares und José María de Achá 1861



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Andrés de Santa Cruz zu schmieden? Wahrscheinlicher als diese Möglichkeiten ist, dass Braun, der ja spätestens nach der Wahlniederlage von Santa Cruz im Jahre 1855 die Verdrängung seiner Generation aus dem politischen Leben realisiert hatte, hier vielmehr gemeinsam mit anderen angesehenen Persönlichkeiten als Vermittler zwischen den Fraktionen fungierte. Das Ziel war es wohl – wie weiter unten an einem anderen Beispiel noch gezeigt wird – eine innenpolitische Auseinandersetzung mit so wenig Blutvergießen und so wenigen Sachschäden wie möglich zu beenden. Hierauf deutet auch Brauns Rolle beim Putschversuch von Coronel Balsa gegen Präsident Achá nach dem Yañez-Massaker. Das aus Achá, Fernández und Sánchez bestehende Triumvirat war gegen den Diktator Linares gemeinsam ins Feld gezogen. Nach dem Tod von Sánchez war jedoch zwischen den anderen beiden ein Machtkampf entbrannt. Diesen entschied José María Achá für sich. Im Mai 1861 wurde er vom Kongress zum Präsidenten ernannt. Dies führte jedoch nicht zu innenpolitischer Stabilität, sondern oppositionelle Akteure setzten Konspirationen und Aufstände weiter fort. Im Zuge dessen kam es im Oktober 1861 zum berüchtigten Yañez-Massaker, in dessen Nachwehen Otto Philipp Braun als Vermittler auftrat.1894 Beim Yañez-Massaker spielte der erbitterte Gegner der Fraktion von Belzu und Córdova, Coronel Plácido Yañez, eine Hauptrolle. Er war zuvor von Präsident Achá zum Militärkommandeur von La Paz ernannt worden. Kurze Zeit nachdem der Präsident die Stadt verlassen hatte, ließ Yañez in der Nacht vom 29. auf den 30. September 1861 über 30 Bürger und eine Reihe von Soldaten verhaften. Dabei handelte es sich bei der ersteren Gruppe um wichtige politische Akteure vorangegangener Administrationen, die teilweise hohe Ämter bekleidet hatten – wie beispielsweise der frühere Präsident Jorge Córdova, der ehemalige Minister José Agustín Tapia oder der vom Anfang dieses Kapitels bekannte transatlantische Agent Policarpio Eysaguirre. In einer bis zu diesem Zeitpunkt nie da gewesenen Aktion inszenierte Plácido Yañez in der Nacht vom 23. Oktober 1861 mit einigen ihm loyalen Soldaten eine Revolution zugunsten von Córdova und Belzu, indem er die Soldaten in die Luft schießen und Hochrufe auf Córdova und Belzu ausbringen ließ. Diesen inszenierten Revolutionsversuch nahm Yañez dann zum Anlass, fast alle Gefangenen zu ermorden. Unter den über 60 Opfern befanden sich auch einige Bekannte und Freunde Brauns, etwa der ehemalige Präsident Jorge Córdova, der ehemalige Präfekt von La Paz und Bruder von Präsident Manuel Isidoro Belzu, Francisco de Paula Belzu, sowie der ehemalige Minister José Agustín Tapia. Selbst für die an Revolutionen und Aufstände gewöhnte Bevölkerung von La Paz waren das Ausmaß der Morde an prominenten Persönlichkeiten und die Instrumentalisierung des inszenierten Revolutionsversuchs außergewöhnlich. Der Unmut der Bürger wuchs in den 1894 Mesa/Gisbert, La República, 2003, S. 417ff.

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nächsten Wochen aufgrund weiterer Verhaftungen und drohender Exekutionen weiter an. Der fernab weilende Präsident Achá verurteilte die Erschießungen nicht, sprach ihnen jedoch auch keine Legitimität zu.1895 Mitte November 1861 erreichte ein Bataillon unter der Führung von Coronel Narcisco Balsa La Paz. Dieser plante mit Ruperto Fernández, einem Aspiranten auf das Präsidentenamt, eine Revolution gegen Präsident Achá. In der Stadt wiederum hielt Yañez noch immer eine Reihe von Bürgern gefangen und drohte, sie zu erschießen. Deren Familien, Verwandte und Verbündete, immerhin ein großer Teil des Bürgertums, waren verzweifelt. Coronel Balsa nutzte diese Situation. In der Nacht vom 22. auf den 23. November 1861 besetzte er mit seinen Soldaten das Regierungsviertel. Schnell entbrannte ein erbitterter Straßenkampf mit der Yañez loyalen Garde. Innerhalb weniger Stunden kamen über 130 Personen ums Leben. Es beteiligten sich an den Kämpfen auch Teile der Bevölkerung, und zwar auf der Seite von Balsa. Nach einigen Stunden setzte sich der aufständische Coronel durch und umstellte den Regierungspalast, in dem sich Plácido Yañez verschanzt hatte. Innerhalb kürzester Zeit versammelte sich eine Menschenmenge und forderte vom siegreichen Balsa als Rache für das Massaker im Oktober den Kopf des Coronels Yañez. Bei einem Fluchtversuch wurde dieser gelyncht. Narcisco Balsa berief für den nächsten Tag eine Bürgerversammlung ein, um die Organisation des „politischen Wandels“1896 zu beraten. Dies verwunderte das Bürgertum, da es sich zwar mit Balsa gegen Yañez erhoben hatte, aber sich nicht gegen den Präsidenten gewandt hatte. Am Ende kam die Versammlung überein, dass die verfassungsmäßige Ordnung wiederhergestellt sei und ernannte General Gregorio Pérez, einen dem Präsidenten loyal ergebenen Akteur, zum neuen Militärkommandeur von La Paz. Von einem politischen Wandel, also einer Revolution gegen Achá, war keine Rede mehr. Wenige Tage später näherte sich der aufgrund der Kämpfe in La Paz herbeigeeilte Präsident mit einer ganzen Division. Er hatte den erfolgreichen Aufstand gegen seinen Militärkommandeur Plácido Yañez als Revolutionsversuch und Gefährdung seiner Herrschaft verstanden. Die Rebellen plante er mit seiner numerischen Übermacht auszuschalten. Daher waren in der Stadt neue Kämpfe mit neuen Opfern und neuen Zerstörungen zu erwarten. Um dies zu verhindern und eine unblutige Lösung des Konfliktes zu erreichen, empfing eine Delegation neutraler Persönlichkeiten den Präsidenten vor den Toren der Stadt. Dabei handelte es sich unter anderen um Mitglieder des ­diplomatischen Korps, den Erzbischof und Vertreter des Bürgertums. Der Historiker Sotomayor Valdés weist darauf hin: „Auch der General Braun wurde beim Präsidenten vorstellig und übergab ihm eine schriftliche Kapitulation von Balsa, die allerdings mit Entrüstung zurückge1895 Canelas, Sediciones en Bolivia, 1983, S. 92ff. 1896 Sotomayor Valdés, Administración de José María de Achá, 1874, S. 227.

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wiesen wurde.“1897 Zwar war Brauns Vermittlungsversuch vorerst gescheitert, aber im Zuge der weiteren Verhandlungen versprach Präsident Achá den Rebellen um Coronel Balsa im Gegenzug für ihre Kapitulation eine weitgehende Amnestie.1898 Auch wenn für diese von Sotomayor Valdés geschilderte, aber nicht direkt belegte Begebenheit dieselben Einschränkungen gelten wie für die Erwähnung Brauns beim Auszug von Linares aus dem Präsidentenpalast im Januar 1861, sprechen weder Quellen noch Forschungsarbeiten gegen diesen Hinweis auf die gesellschaftliche Rolle des Elder Statesman Otto Philipp Braun.

Abschied des alten Generals von Bolivien und Südamerika Ernst Mossbach deutet in seinen Schilderungen an, dass Braun Anfang der 1860er Jahre die alten Zeiten unter Bolívar, Sucre und Santa Cruz dem ständigen Chaos der letzten Jahrzehnte vorzog – zumal das Yañez-Massaker eine bis dahin nicht gekannte Brutalität und Verrohung der politischen Auseinandersetzung gezeigt hatte. Darüber hinaus bot sich ihm Mitte des Jahres 1860 die Gelegenheit, seine Minen in Corocoro gewinnbringend zu verkaufen. Auch wenn heute nicht klar ist, ob er diese Gelegenheit wahrnahm oder später sein Sohn José Manuel Braun die Minen veräußerte, verließ Braun nach den Ereignissen von Ende 1861 Bolivien und Südamerika – und zwar für immer.1899 Entgegen bisherigen Arbeiten ist allerdings unklar, wann genau Braun tatsächlich Südamerika verließ und ob er dies tatsächlich mit der Intention tat, nie wieder

1897 Sotomayor Valdés, Administración de José María de Achá, 1874, S. 227. 1898 Réne Moreno, Matanzas de Yañez, 1886, S. 77ff bes. S. 127. Siles Guevara, Gabriel René Moreno, 1979, S. 31ff. 1899 Ernst Mossbach berichtet, dass Otto Philipp Braun im Jahre 1860 ein Angebot zum Verkauf erhielt. Der Enkel des Großmarschalls, Manuel Michaelis-Braun, berichtet jedoch, dass Brauns Sohn José Manuel Braun die Minen aus jugendlichem Leichtsinn verkaufte, als dieser sich in Europa aufhielt. Da im August 1859 in Corocoro noch eine Tochter von Luis Braun auf die Welt kam, kann der Verkauf nur danach stattgefunden haben – zumal Ernst Mossbach bis Mitte 1860 dort noch als braunscher Direktor fungierte. Da der Vater Otto Philipp Braun sich noch bis Ende 1861 in Bolivien aufhielt, ist es unwahrscheinlich, dass sein Sohn hinter seinem Rücken die Minen veräußerte. Es ist jedoch möglich, dass José Manuel Braun die Minen nach der Abreise Brauns Ende 1861, Anfang 1862 verkaufte. Dann allerdings muss die Aussage von Ernst Mossbach, dass Braun ein Angebot erhielt, dahin gehend interpretiert werden, dass dieser zwar ein Angebot erhielt, es aber nicht annahm oder sich die Verhandlungen mehrere Jahre hinzogen.

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zurückzukehren.1900 Klar hingegen ist, dass er sich spätestens im April 1864 wieder in Europa aufhielt.1901

11.4 Die letzte Audienz: Braun beim französischen Außenminister Édouard Drouyn de Lhuys 1864 Der Aufenthalt Brauns im April 1864 in Paris geht aus einem der wenigen erhaltenen Briefe aus den 1860er Jahren hervor.1902 Mitte April 1864 teilte der nach der Besetzung der bolivianischen Küste von Mejillones durch Chile wieder zum bolivianischen Gesandten in Paris ernannte Andrés de Santa Cruz dem „Marschall von Montenegro“1903 in aller Form mit, dass er ihn zwei Tage später, am 13. April 1864, treffen wolle.1904 Dabei stand kein privates Gespräch der beiden Freunde auf der Agenda, sondern der französische Außenminister Édouard Drouyn de Lhuys wünschte, den Großmarschall in seinem Hotel um 10 Uhr abends zu empfangen. Andrés de Santa Cruz schlug vor, sich eine halbe Stunde eher bei ihm in den Räumlichkeiten der bolivianischen Gesandtschaft zu treffen.1905 Zwar ist der Inhalt oder der Anlass des Gespräches nicht überliefert, aber die Anfang des Jahres 1864 von Botschafter Santa Cruz vorangetriebenen Verhandlungen über einen neuen Freundschafts-, Handels- und Verkehrsvertrag zwischen dem französischen Kaiserreich und der Republik Bolivien sowie die politischen und militärischen Spannungen mit dem Nachbarland Chile lassen zumindest einige Gesprächspunkte vermuten.1906 Auch wenn letztlich unklar ist, warum der französische 1900 Die Abreise aus Südamerika im Jahre 1861 behaupten beispielsweise, ohne dies zu belegen: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 111. Nölle, La vida de Otto Felipe Braun, 1969, S. 109. 1901 11.04.1864 Paris. Santa Cruz an Braun, in: Nachlass Sieghart von Pawel-Rammingen, in: Privatbesitz der Familie Pawel-Rammingen, Bonn. 1902 Es gilt zu erwähnen, dass dieser Brief nicht aus dem Nachlass Brauns stammt, sondern vom Urenkel Brauns, Sieghart von Pawel-Rammingen. Siehe hierzu: Kiera, Otto Philipp Braun als Symbol lokaler Geschichtspolitik, 2009, S. 111. 1903 11.04.1864 Paris. Santa Cruz an Braun, in: Nachlass Sieghart von Pawel-Rammingen. 1904 Abecia Baldivieso, Las relaciones internacionales en la historia de Bolivia, Bd. 1, 1986, S. 587ff. Fajardo Sainz, Andrés de Santa Cruz y la Unión Latino Americana, 2003, S. 153ff. González Espul, La guerra contra Santa Cruz, 2001, S. 97ff. Querejazu Calvo, Andrés de Santa Cruz, 1992, S. 162f. Siles Guevara, La ultima Gestion diplomática del Mariscal Santa Cruz en Francia, 1969, S. 65ff. 1905 11.04.1864 Paris. Santa Cruz an Braun, in: Nachlass Sieghart von Pawel-Rammingen. 1906 30.11.1863 Paris. Santa Cruz an den bolivianischen Außenminister, in: Archivo del Ministerio de Relaciones Exteriores de Bolivia; 15.12.1863 Paris. Santa Cruz an den bolivianischen Außenminister, in: Archivo del Ministerio de Relaciones Exteriores de Bolivia. 31.12.1863 Paris. Santa Cruz an den bolivianischen Außenminister, in: Archivo del Ministerio de Relaciones Exteriores de Bolivia; 30.04.1864 Paris. Santa Cruz an den bolivianischen Außenminister, in: Archivo del Ministerio de Relaciones

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Außenminister im ausklingenden zweiten Kaiserreich unter Napoleon III. mit Otto Philipp Braun zu sprechen wünschte, zeigt das von Santa Cruz vermittelte Gespräch, dass Braun noch Jahrzehnte nach Junín und seinem Sturz ein so hohes Prestige und Einfluss besaß, dass ein europäischer Spitzenpolitiker ihn zum persönlichen Gespräch lud. Dabei ist daran zu erinnern, dass Brauns Ansehen nicht in Europa erworben worden war, sondern Tausende Kilometer weit entfernt an der Peripherie französischer Interessen. Nur ein äußerst hohes gesellschaftliches Ansehen und ein deutlich spürbarer Einfluss auf beiden Seiten des Atlantiks können den kontinuierlichen Zugang Brauns zur südamerikanischen, aber vor allem europäischen Spitzenpolitik – bis ins hohe Alter – erklären helfen.

11.5 Lebensabend in Europa Über Brauns Lebensabend in Europa ist sehr wenig bekannt. Quellen wie der erhaltene Brief von Andrés de Santa Cruz an Braun vom April 1864, der nicht nur sein erhaltenes Prestige in Europa, sondern auch einen Aufenthalt in Paris belegt, sind äußerst selten. Im Quellenkorpus klaffen in diesen Jahren große Lücken, die auch intensive Recherchen nicht schließen konnten. Es ist dennoch höchst wahrscheinlich, dass Braun die letzten Jahre seines Lebens vornehmlich in seiner Villa in Kassel oder zu Besuch bei Freunden in Paris verbrachte. Aufgrund der Aussagen seines Neffen Otto Braun sowie späterer Zeitungsberichte ist davon auszugehen, dass Braun vom Kasseler Bürgertum und der guten Gesellschaft der Region als einer der Ihren akzeptiert wurde – zumal er viele Verwandte in der Region hatte und über die angeheiratete Bankiers-Familie Barensfeld über beste Kontakte verfügte.1907 Wie sich schon bei seiner ersten Rückkehr im Jahre 1840 oder beim ersten Zeitungsartikel über Braun in Deutschland im Dezember 1829 angekündigt hatte, war es Braun nicht nur gelungen, sein Ansehen und seinen Einfluss in Südamerika zu erhalten und nach Frankreich oder Großbritannien zu transferieren, sondern auch teilweise in seine Heimatstadt zu übertragen.1908 Auch wenn überliefert ist, dass das kurfürstliche Herrscherhaus Braun als „ungeExteriores de Bolivia. 31.05.1864 Paris. Santa Cruz an den bolivianischen Außenminister, in: Archivo del Ministerio de Relaciones Exteriores de Bolivia. Siehe auch: Siles Guevara, La ultima Gestion diplomática del Mariscal Santa Cruz en Francia, 1969, S. 65ff. 1907 Braun, Grundlagen, 1914, S. 157ff. 1908 12.12.1829 Kassel. F.F., Züge aus den südamerikanischen Kriegen und dem Feldleben des kolumbischen Generals Braun, in: Kasselsche Allgemeine Zeitung, S. 1795f, Murhardsche Bibliothek zu Kassel. 15.12.1829 Kassel. F.F., Züge aus den südamerikanischen Kriegen und dem Feldleben des kolumbischen Generals Braun, in: Kasselsche Allgemeine Zeitung, S. 1809f, Murhardsche Bibliothek zu Kassel. 18.12.1829 Kassel. F.F., Züge aus den südamerikanischen Kriegen und dem Feldleben des ko-

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ratenen Sohn und Rebellen“1909 wahrnahm, so sprechen obige Beispiele sowie das außergewöhnliche Ausmaß der gezeigten Anteilnahme des Bürgertums bei der Beerdigung Otto Philipp Brauns für sein hohes Ansehen in Kassel, Hessen und Deutschland. Der bolivianische Militärhistoriker Julio Díaz erwähnt in seiner Biographie Brauns, dass dieser am 30. März 1867 sein Testament bei einem Kasseler Notar hinterlegte.1910 Die detaillierte Inhaltsangabe lässt vermuten, dass Díaz das Dokument – wie viele andere – tatsächlich vorlag, auch wenn er es nicht belegt oder auf ein entsprechendes Archiv verweist. Zwar muss das Testament heute als verschollen gelten, nichtsdestotrotz weist es darauf hin, dass sich der fast 70-jährige Braun mit seinem Tod auseinandersetzte. Dies ist sehr wahrscheinlich. Wenig später deutet eine in seiner Todesanzeige erwähnte langwierige Krankheit darauf hin, dass sich am Ende seines Lebens sein gesundheitlicher Zustand zunehmend verschlechterte. Dies hatte Ernst Mossbach schon Anfang der 1860er Jahre angedeutet.1911 Am 86. Geburtstag des von Braun ein Leben lang verehrten Simón Bolívar verstarb am 24. Juli 18691912 Otto Philipp Braun in Kassel.1913 Neben der Traueranzeige der Familie und der Erwähnung von „Otto Philipp Braun von Montenegro, peru-bolivianischer General-Feldmarschall a. D.“1914 in der offiziellen Aufzählung der Verstorbenen der evangelisch-lutherischen Gemeinde erschien auch ein Artikel über seine Beerdigung. Der Tod Brauns war eine Nachricht von gesellschaftlicher Bedeutung. Ein namentlich unbekannter Journalist hielt fest: lumbischen Generals Braun, in: Kasselsche Allgemeine Zeitung, S. 1829f, Murhardsche Bibliothek zu Kassel. 1909 21.07.1891 Kassel, Braun, Otto, Mein Onkel, in: Casseler Tageblatt und Anzeiger, Murhardsche Bibliothek zu Kassel. 22.07.1891 Kassel, Braun, Otto, Mein Onkel, in: Casseler Tageblatt und Anzeiger, Murhardsche Bibliothek zu Kassel. Benecke, Der Königsplatz, 1908, S. 250ff. 1910 Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 110. 1911 26.07.1869 Kassel. Todesanzeige, in: Gewerbliches Tageblatt und Anzeiger für die Provinz Hessen, in: Murhardsche Bibliothek zu Kassel. Mossbach, Bolivia, 1875, S. 46. 1912 Einige Arbeiten geben falsche Todesdaten an, wie etwa 1858: Ciudad de La Paz, Guía breve de La Paz, 1948, S. 63. 1913 Otto Grube behauptet in seinem historischen Roman, dass Braun in seinem Landhaus in Bad Wildungen gestorben sei, ohne dies allerdings zu belegen. Da weder zeitgenössische Quellen, wie Todesanzeigen und Zeitungsberichte, darauf hindeuten noch im Stadtarchiv Bad Wildungen ein Hinweis auf ein Sommerhaus Otto Philipp Brauns gefunden werden konnte, wird dem – auch sonst oft unzuverlässigen – Autor nicht gefolgt. Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939, S. 117. 1914 31.07.1869 Kassel. Gestorbene, In der evangelisch-lutherischen Gemeinde, in: Gewerbliches Tageblatt und Anzeiger, für die Provinz Hessen, in: Murhardsche Bibliothek zu Kassel. 01.08.1869 Kassel. Gestorbene, in: Hessische Volkszeitung, in: Murhardsche Bibliothek zu Kassel.

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„Heute Nachmittag bewegte sich ein unabsehbarer Leichenzug, wohl über 40 Wagen, dem Friedhofe zu. Man beerdigte den früher peru-bolivianischen Feldmarschall Braun, welcher früher unter Bolívar an der Befreiung des nach diesem genannten Landes von Spanien tätig mitgewirkt hatte. Seit einer langen Reihe von Jahren wohnte Braun von Montenegro hier in seiner Vaterstadt.“1915

Ein Artikel über den Tod einer nie in der Öffentlichkeit, nie in der Wirtschaft und nie in der Politik Kurhessens besonders in Erscheinung getretenen Person war in jenen Jahren in der seit dem Niedergang des Kurfürstentums 1866 preußischen Presse sehr ungewöhnlich – zumal an der ersten Stelle in der Nachrichtenrubrik. Dies weist noch einmal auf die zeitliche und geographische Reichweite des von Braun in Südamerika gesammelten Prestiges. Mit dem Tod Brauns endete die Biographie Otto Philipp Brauns. Gleichzeitig begann jedoch ein vielschichtiger Prozess um die posthume geschichtspolitische Verortung Brauns auf beiden Seiten des Atlantiks. Dieser Prozess um die Deutung seiner Biographie dauert seit über 140 Jahren an – bis heute.1916

1915 27.07.1869 Kassel. Nachrichten aus Hessen. Heute Nachmittag..., in: Hessische Morgenzeitung, Nr. 3472, S. 3, in: Murhardsche Bibliothek zu Kassel. 1916 Siehe etwa: Kiera, Otto Philipp Braun als Symbol lokaler Geschichtspolitik, 2009.

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12. Zusammenfassung Ziel dieser Arbeit war es, das Leben Otto Philipp Brauns empirisch fundiert zu rekonstruieren. Die auf den vorangegangenen Seiten erarbeiteten Daten, Fakten und Zusammenhänge lassen allerdings viele unterschiedliche Interpretationen, Deutungen und Lesarten der Biographie Brauns zu. Sie kann – wie oft geschehen – als Geschichte eines selbstlosen, von moralischen Werten getriebenen, vorbild­lichen Helden geschrieben werden. Sie kann allerdings auch als abschreckendes Beispiel eines mehrfach gescheiterten Opportunisten verstanden werden. Zwischen diesen beiden Polen sind viele weitere Interpretationen möglich. Anstatt einer einzigen, stringenten, teleologischen und widerspruchsfreien Z ­ usammenfassung sollen drei verschiedene Interpretationen gleichberechtigt nebeneinandergestellt werden.1917 Zuerst wird Braun als Held, dann nicht als Held und schließlich dessen Biographie als analytischer Zugang zu einer historischen Epoche dargestellt. Dieser letztgenannte Abschnitt stellt dann auch die wichtigsten Erkenntnisse über das Leben Otto Philipp Brauns und die daraus abgeleiteten Einsichten in die Kontexte, in denen er lebte, zusammen. Danach werden die analytischen Aussagen der Arbeit über den Atlantik als politischen Raum zusammengeführt. Anschließend werden Vorschläge über mögliche Konsequenzen der Arbeit für die Sichtweise auf die Nationalstaaten im 19. Jahrhundert, auf die Atlantic History sowie auf die Biographik als wissenschaftliche Methode zur Diskussion gestellt werden. Ein Ausblick mit offenen Fragen schließt diese Arbeit ab.

Otto Philipp Braun – ein Held Otto Philipp Braun war ein Held – für Kameraden, für Zeitgenossen, für ­Politiker, für Diplomaten und für Journalisten sowie für viele Historiker des 19. und 20. Jahrhunderts. Heroisierende Interpretationen waren häufig darum bemüht, ein idealisiertes Bild von Braun zu zeichnen. Nach diesen hat er sein Leben vor allem kontinuierlich für universell verstandene Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Unabhängigkeit selbstlos eingesetzt.1918 Aus dieser Perspektive meldete sich Braun schon früh freiwillig, um mit den alliierten Armeen Europas gegen die Unterdrückung durch Napoleon zu kämpfen. Dieses Streben 1917 Siehe zu den Ansätzen der Neuen Biographik: Alt, Biographik, 2002, S. 29. Bödecker, Biographie, 2003, S. 14ff. Frijhoff, Biographie, 2003, S. 73. Raulff, Biographik, 2002, S. 57. Söderqvist, Science biography, 1996, S. 55. 1918 Otto Grube nahm das Freiheitsthema beispielsweise in den Titel seiner Biographie über Braun auf Grube, Ein Leben für die Freiheit, 1939.

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nach Freiheit, Gerechtigkeit und Unabhängigkeit trieb Braun später auch in die Neue Welt. Dort stellte er sich nach einigen Zwischenstationen Simón Bolívar und dem südamerikanischen Unabhängigkeitskampf zur Verfügung. In mehr als einem Dutzend Schlachten riskierte Braun als Ausländer uneigennützig sein Leben für die Freiheit der Völker Südamerikas. Dabei zeichnete er sich als überzeugter Demokrat und leidenschaftlicher Republikaner aus. Ein Nachruf aus Südamerika fasst diese Sicht zusammen: „Als eine der erhabensten und glorreichsten Personen des Unabhängigkeitskrieges ist General Braun untrennbar mit der Geschichte Kolumbiens, Perus und Boliviens verbunden. Von den Küsten des Karibischen Meers bis zu den Höhen von Potosí gibt es keinen Fußbreit, der sich nicht an den alten Krieger erinnern, der nicht die glorreichen Taten dieses für die Freiheit der Völker freiwillig Gemeldeten bezeugen würde. Für die Völker war er ein Fremder, aber ihm war deren Unabhängigkeit wichtig, da er die heilige Sache der Freiheit der fünf Nationen erkannt hatte. Für die Republik ist kein Demokrat Ausländer. Für die Sache der Freiheit ist kein Schwert fremd und keine Anstrengung verloren. Dies waren die Gefühle, die den Herrn Braun in die Reihen der Kämpfer für die Unabhängigkeit trieben.“1919

Braun war für viele Autoren jedoch nicht nur ein idealistischer Kämpfer für Freiheit, Gerechtigkeit und Unabhängigkeit, sondern viele Darstellungen betonen, dass er auch aufgrund seines enormen militärischen Erfolges als „unbesiegter Soldat“1920 aus der Masse der Soldaten und Offiziere im Südamerika der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hervorsticht. Von der fast legendären Disziplin seiner kolumbianischen Grenadiere über die Sternstunde auf dem Schlachtfeld von Junín, über die siegreichen Schlachten als großkolumbianischer, peruanischer und bolivianischer General bis zum Sieg von Montenegro säumen beeindruckende militärische Erfolge seinen Lebensweg. Unabhängig von seinem Rang riskierte Braun für den Sieg der Unabhängigkeit oder bei der Verteidigung seiner neuen Vaterländer unzählige Male sein eigenes Leben.1921 Ein Nachruf kam zu dem Schluss: „Es ist schwierig, eine glorreichere Karriere als die seine zu finden, und auch hat das Leben keinen Bürger mit mehr Heldentum, Integrität und Charakterstärke hervorgebracht. Niemals ist ihm der Sieg von der Seite gewichen, wie es seinen Kameraden geschah. Dann und wann traf er während seiner Karriere auf Widrigkeiten, aber 1919 1870 La Paz, Necrologia, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 180ff. 1920 Karl Martin bezog den Titel seiner Biographie über Braun explizit auf dieses Thema: Martin, Der unbesiegte Soldat, 1942. 1921 Vicente Lecuna erhob die militärischen Auseinandersetzungen während des Unabhängigkeitskrieges gar zur Kunst: Lecuna, Arte Militar, 1955.

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niemals hat er seine Pflicht vergessen und niemals seine Ehre befleckt, niemals hat er einer Widerwärtigkeit nachgegeben, auch nicht bei jenen, die dabei waren, sich durchzusetzen. Braun war bei seinen Vorhaben entschlossen, mutig bis zur Verwegenheit, ernst und streng in seiner Ehrlichkeit, von schnellem Entschluss, mit einer großen Intelligenz und einem außergewöhnlichen Charakter gesegnet. Vom Beginn seiner Karriere besaß Braun ein bewundernswertes militärisches Talent.“1922

Außer durch selbstlose Motive und eine außergewöhnliche militärische Begabung zeichnete sich Braun auch durch großes politisches Geschick und fundierte administrative Fähigkeiten aus. Als erfolgreicher Präfekt und Minister half Braun beispielsweise entscheidend mit, die Regierung von Andrés de Santa Cruz zu stabilisieren. Darüber hinaus stach Braun durch seine persön­liche und politische Loyalität hervor. Durch seine konsequente Unterstützung von Santa Cruz trug Braun erheblich zu einer politischen, ökonomischen und militärischen Blütezeit Boliviens und Perus bei. Bis heute zählt die Administration von Santa Cruz zu den stabilsten und erfolgreichsten der bolivianischen Geschichte. Über diese Fähigkeiten hinaus rühmen verschiedene Zeitgenossen und Autoren Otto Philipp Brauns persönlichen Charakter als eindrucksvolles Beispiel für Ehrlichkeit, Würde, Loyalität und Integrität. Autoren dies- und jenseits des Atlantiks wurden nicht müde zu betonen, dass die Person Otto Philipp Braun den nachgeborenen Generationen als gutes Vorbild für diese universellen Werte dienen sollte. „Braun wurde von seinen Waffenbrüdern bis zur Überschwänglichkeit verehrt. […] Als ein Mann mit außerordentlichem Talent und immer ein Liebling der Kriegsgöttin wusste Braun sich den Respekt seiner politischen Gegner zu erwerben: Von der Meerenge von Panama bis zur Südgrenze von Chile gibt es keinen Ort, an dem der General Braun nicht auf einen Freund zählen könnte. […] Das öffentliche Leben [Brauns] lässt sich mit den folgenden Wörtern zusammenfassen: Ehrlichkeit, Mut, Gerechtigkeit, Würde, immer auf der Seite des Rechts und der Freiheit […], niemals in den Reihen der Feinde unseres Landes, immer als Fahnenträger voran, niemals bei den Kämpfen, die unser Land gegen seine Feinde zu bestreiten hatte, in der Nachhut. […] Alle seine Taten atmen die Sympathien für seinen Nächsten, den Drang, anderen zu helfen und ihnen Gerechtigkeit zuteilwerden zu lassen, Trost für den Gefallenen. Bolivien hat mit ihm einen seiner eifrigsten Verteidiger und einen seiner ausgezeichnetsten Soldaten verloren. Wir zweifeln nicht daran, dass die Nation in Dankbarkeit für den Ruhm und das gute Beispiel, das er uns hinterlassen hat, ihn in ehrenhafter Erinnerung halten wird. Wir zweifeln nicht daran, dass man in die Geschichtschro-

1922 1870 La Paz, Necrologia, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 180ff.

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niken des Landes zwischen den besten Männern den Namen von Otto Philipp Braun als ein glänzendes Vorbild für zukünftige Generationen einschreiben wird.“1923

In diesen Interpretationslinien bewegen sich viele Geschichten über Braun als tadel- und selbstlosen Helden der südamerikanischen Geschichte des frühen 19. Jahrhunderts.

Otto Philipp Braun – kein Held Otto Philipp Braun kann, muss aber nicht als Held verstanden werden. Genauso gut können die in dieser Arbeit zusammengetragenen Daten als eine Aneinanderreihung von Scheitern und Opportunismus interpretiert werden. Dieser Perspektive folgend, kann Brauns Teilnahme am Krieg der europäischen Fürsten gegen Napoleon 1814 auch anders, nämlich als weniger freiwillig und nobel verstanden werden. Schließlich kann die Teilnahme als privilegierter Sohn einer bürgerlichen Familie auch vom Vater angeordnet gewesen sein, da dieser sich während der Besatzungszeit politisch belastet und nach dem erneuten Regimewechsel einiges gutzumachen hatte. Darüber hinaus half Braun weniger den Völkern Europas, sich zu befreien, sondern vielmehr den reaktionären und freiheitsfeindlichen Fürsten, wieder ihre Throne zu besteigen – allen voran dem erzkonservativen hessischen Herrscherhaus. In den nächsten Jahren musste sich Braun auch immer wieder mit den Mahnungen des Vaters auseinandersetzen, eifriger zu studieren und das Geld der Familie bei seinem Studium in Hannover und Göttingen nicht zu verschwenden. Zwar absolvierte Braun eine akademische Ausbildung, bei der Suche nach einer beruflichen Position, die ihm ein bürgerliches Leben in Deutschland ermöglichen könnte, scheiterte er aber. Auch in dieser Zeit prägte nicht Freiheitsliebe, sondern eher der Wunsch, in den Dienst adeliger Fürsten zu treten, sein Leben. Nach dem Scheitern in Europa versagte Braun wenig später erneut. Er schaffte es nicht, sich in den USA als Tierarzt oder auf Haiti – sich erneut einem Aristokraten andienend – beruflich zu etablieren, obwohl dies Tausenden anderen Auswanderern in dieser Zeit gelang. Braun war auch nicht in der Lage, sich bei den Machtspielen am Hof des haitianischen Königs durchzusetzen, und floh nach Südamerika. Zu allem Überfluss hatte er einen großen Teil des über den Atlantik genommenen Vermögens seines Vaters aufgebraucht. Wollte er nun nicht als gescheiterte Existenz ins elterliche Haus zurückkehren, musste er schnell eine alternative Lebensperspektive finden. Aus diesem Grund setzte er nach Südamerika über. Nach einer Zeit als Pferdehändler nahm ihn die schlecht 1923 1870 La Paz, Necrologia, in: Diaz, El Gran Mariscal de Montenegro, 1945, S. 180ff.

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ausgerüstete Rebellenarmee Simón Bolívars als ausländischen Söldner auf. In den nächsten Jahren beteiligte sich Braun an blutigen und grausamen Schlachten, die, wie bei Santa Marta und Ayacucho, in Massenmorden an Gefangenen und Verletzten enden konnten. Darüber hinaus war es seine Aufgabe als Offizier, seine Einheiten zu versorgen. Hinter der schmeichelhaften Formel „Versorgung aus dem Feld“ versteckten sich Raub und Plünderung ganzer Landstriche. Nach außen dargestellte republikanische und demokratische Tugenden konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die hochgelobte Unabhängigkeits­armee – genauso wie ihr spanisch-­royalistischer Gegner – nicht viel anders verhielt als marodierende Banden in einem gesetzes- und rechtsfreien Raum. Ein näherer Blick auf die von Zeitzeugen und Historikern viel gerühmten militärischen Leistungen Brauns fördert ebenfalls wenig Schmeichelhaftes zutage. In der Schlacht von Junín bestand Brauns Leistung beispielsweise darin, Mitmenschen, die zufällig eine andere Uniform als die eigene trugen, mit Säbeln und Lanzen – also mit der Hand – umzubringen. Darüber hinaus riskierte Braun mit einer unerprobten militärischen Taktik nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Männer. Für all dies waren weniger noble Werte, sondern eher Verrohung und Opportunismus vonnöten. Im Anschluss an den Sieg der Unabhängigkeitsbewegung beteiligte sich Braun an der Besetzung und Ausplünderung Boliviens und Perus. Diese Länder versuchten mit enormen Summen, die Disziplin Tausender durch jahrelangen Krieg verrohter Soldaten und Offiziere zu erkaufen. Als es zu Verzögerungen bei der Auszahlung kam, bedienten sich nicht wenige Befreier – wie in der Zeit zuvor – selbst. In den folgenden Jahren beteiligte sich Braun immer wieder an Bürgerkriegen. Dies kann auch als Einmischung eines Ausländers in die inneren Angelegenheiten fremder Länder verstanden werden. Die in dieser Zeit gezeigte Loyalität muss auch nicht als selbstloser Einsatz, einen legitimen Präsidenten zu schützen, sondern kann auch als Strategie verstanden werden, diejenige Gruppe zu unterstützen, die ihm seinen militärischen, sozialen und ökonomischen Aufstieg ermöglicht hatte und weiter Zugriff auf umfangreiche Ressourcen versprach. Auch ging es maßgeblich darum, die gesicherten Ressourcen gegen die Ansprüche anderer zu verteidigen. Als der Zerfall der Gruppe um Simón Bolívar absehbar wurde, zögerte Braun kaum, sich nach neuen Möglichkeiten, seine Karriere fortzusetzen, umzuschauen. Noch während er nach außen hin Loyalität zu Bolívar demonstrierte, führte er schon hinter den Kulissen Aufträge des ehemaligen Gegners von Bolívar, nämlich von Andrés de Santa Cruz aus. Nachdem Braun auch dort fast wieder gescheitert wäre, zeichnete er sich in den folgenden Jahren durch unbedingten Gehorsam seinem Präsidenten gegenüber aus. Machtpolitische Konkurrenten wie Mariano Enrique Calvo schaltete er geschickt aus, indem er Zweifel an ihrer Loyalität beim Präsidenten schürte. Während andere Veteranen des Unabhängigkeitskrieges – wie Francisco Burdett O’Connor – ihren Widerstand gegen die realitätsfremden Expansions- und Eroberungspläne von

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Santa Cruz mit dem Ende ihrer Karriere bezahlten, trug Braun die Kriegspläne von Santa Cruz bedingungslos mit. Braun nutzte seine Karriere unter Santa Cruz dazu, seinen persönlichen Reichtum und Einfluss weiter zu vermehren. Am Ende hatte er sich große Bergbaubetriebe und Ländereien gesichert und war zu einem international angesehenen und vermögenden Geschäftsmann geworden. Konkurrenten um den Zugriff auf staatliche und gesellschaftliche Ressourcen wurden entweder in das System integriert, kaltgestellt oder – wie Salaverry – hingerichtet. Nach dem Zusammenbruch der Administration von Santa Cruz kämpfte Braun um den Erhalt seiner zusammengetragenen Reichtümer. In den nächsten Jahren beteiligte er sich nicht nur an Revolutions- und Putschplänen, um wieder in Bolivien an die Macht zu gelangen, sondern nutzte auch jede Möglichkeit, seine Kontakte zur gegnerischen Partei zu pflegen. Hauptmotivation war es hier, sein in Bolivien befindliches immobiles Vermögen zu erhalten sowie Putschpläne voranzutreiben. Immer, wenn sich eine Gelegenheit zur Vergrößerung seines Vermögens oder der Wiedererlangung politischer Macht abzeichnete, war Braun zur Stelle. Allerdings hatte er aus den Erfahrungen nach dem Sturz von Santa Cruz gelernt und war vorsichtig genug, sich in den politischen Machtkämpfen nicht zu sehr zu exponieren, um nicht erneut ein jahrelanges Exil und damit ökonomischen Schaden zu riskieren. Braun ging dazu über, hinter den Kulissen politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Einfluss auszuüben. Als er bemerkte, dass die Allianz zwischen Belzu und Santa Cruz am Zerbrechen war oder dass die Kandidatur von Santa Cruz von wenig Erfolg gekrönt sein würde, setzte er sich ab und versuchte alles, um sein Vermögen und seinen Einfluss zu schützen. Vor dem Hintergrund der in dieser Arbeit zusammengetragenen empirischen Daten kann Otto Philipp Braun also nicht nur als selbstloser Held, sondern auch als wenig heldenhafter Opportunist verstanden werden.

Otto Philipp Braun – eine mögliche Biographie Nach diesen zwei entgegengesetzten Lesarten der Biographie Otto Philipp Brauns folgt jedoch keine zusammenführende Synthese, sondern lediglich eine weitere von vielen Interpretationsmöglichkeiten: Der Autor der vorliegenden Arbeit versteht Otto Philipp Braun weder als moralisch tadellosen Helden noch als verkommenen Opportunisten. Diese Arbeit möchte vielmehr Otto Philipp Brauns Biographie als einen Zugang zu einer historischen Epoche nutzen, mit dem bisher verborgene Einblicke in den transatlantischen Lebensraum des Protagonisten möglich sind. Zur Erklärung des unbestrittenen Aufstiegs Otto Philipp Brauns in die politisch-militärische Elite Südamerikas und des atlantischen Raumes standen

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die Begriffe ‚Leistung‘ und ‚Loyalität‘ im Zentrum dieser Arbeit. Es soll darauf hingewiesen werden, dass diese nicht als abstrakte und menschlich universelle Werte verstanden werden sollen. Es soll vielmehr unterstrichen werden, dass Otto Philipp Brauns Verhalten je nach Ort und Zeit von den Zeitgenossen unterschiedlich, also relativ bewertet wurde. Während Braun in Europa, den USA und auf Haiti zuerst mit seinem Verhalten keinen Anklang bei entscheidenden Akteuren fand, traf er in Südamerika auf einen Kontext, der sein Verhalten und seine Fähigkeiten als Leistung honorierte und ihm eine ungeahnte Karriere ermöglichte. Die Fähigkeit Brauns, undisziplinierte Reiter zu schulen, sie über Monate oder Jahre an die Armee zu binden und auf dem Schlachtfeld zusammenzuhalten, war in Südamerika von herausragender Bedeutung. Wäre Otto Philipp Braun in Europa oder in den USA mit mehreren Dutzend schwer bewaffneter Reiter durch bevölkertes Gebiet gezogen und hätte sich mit militärischen Einheiten der offiziellen Regierung Gefechte geliefert, wäre er wohl verfolgt und zur Rechenschaft gezogen worden. Mit der Loyalität verhielt es sich ähnlich. Die einer Person geschuldete Treue war in einer politischen Ordnung mit schwachen Institutionen von größerer Bedeutung als in stärker institutionalisierten und anonymisierten politischen Räumen. In einer politischen Landschaft, in der das politische Handeln häufig von Face-to-Face-Kontakten geprägt war, war Loyalität gegenüber Personen (und nicht gegenüber Programmen, Ideologien oder Institutionen) ein zentrales Kriterium für Bündnisfähigkeit und damit für politischen Erfolg. Der unterschiedliche Erfolg Otto Philipp Brauns in unterschiedlichen Kontexten zu unterschiedlichen Zeitpunkten verdeutlicht den großen Einfluss gesellschaftlicher Strukturen auf die Biographie eines Menschen. In den ersten beiden Dritteln des 19. Jahrhunderts brachten die historischen Verhältnisse Otto Philipp Braun von einem Ende der Welt ans andere. Bei allen Stationen zu allen unterschiedlichen Zeitpunkten, ob in Europa, in den USA, auf Haiti oder in Südamerika und dann wieder in Europa, versuchte Braun, seine persönlichen Ziele durchzusetzen. Dabei lag es nicht in erster Linie an seinen Entscheidungen, ob diese Versuche von Erfolg gekrönt waren oder nicht. Dies beeinflussten vielmehr außerhalb seiner Entscheidungen liegende Faktoren. Entscheidend war, ob seine Fähigkeiten, seine Herkunft, sein Geschlecht, seine Ausbildung, sein Habitus und seine Erfahrungen in der jeweiligen Gesellschaft gefragt waren oder nicht. Otto Philipp Brauns Verhalten wurde von entscheidenden Zeitgenossen häufig positiv als Leistung und Loyalität bewertet. Dieses Bild des europäisch-südamerikanischen Militärs und Politikers Otto Philipp Braun war für seinen Aufstieg im Südamerika der 1820er und 1830er Jahre von zentraler Bedeutung. Parallel zu militärischen und politischen Aufgaben hatte Braun ein hochkarätiges Netzwerk aus politisch einflussreichen Akteuren verschiedener Fraktionen und

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Länder aufgebaut. Im Zuge seines Aufstieges hatte Braun umfangreiches gesellschaftliches Prestige und politischen Einfluss erworben. Braun war immer wieder in der Lage, beides über die Grenzen von Staaten, politischer Fraktionen und biographischer Brüche hinweg zu transferieren. Ohne die Rekonstruktion des Aufstieges und des in dieser Zeit erworbenen Ansehens, Einflusses und Netzwerkes ist ein Verständnis des transatlantischen Agierens Brauns nach dem Zusammenbruch der Administration von Andrés de Santa Cruz Anfang 1839 nicht möglich. Zwar vermied es Braun nach dieser Zeit, sich öffentlich politisch zu betätigen, hinter den Kulissen besaß der Großmarschall von Montenegro jedoch auch ohne offizielle Ämter noch jahrzehntelang politischen Einfluss. Trotz großer Distanz und langwieriger Kommunikationswege nahm Braun kontinuierlich an Prozessen südamerikanischer Politik teil – und zwar unabhängig von seinem geographischen Aufenthaltsort. Dies zeigt sich vor allem darin, dass er mehrfach den südamerikanischen Kontinent verließ, er jedoch stets im Raum südamerikanischer Politik blieb. Hierauf verweist ebenfalls der Umstand, dass auch Spitzenpolitiker in den Hauptstädten Europas Brauns jenseits des Atlantiks erworbenes Prestige und seinen Einfluss anerkannten. Die europäische Herkunft und Jugend Brauns sind wichtig, um seinen erfolgreichen Eintritt in die Unabhängigkeitsarmee Simón Bolívars zu verstehen. Darüber hinaus helfen eine Reihe von Faktoren, Otto Philipp Brauns beruflichen Einstieg und sein Überleben in den ersten Jahren im südamerikanischen Unabhängigkeitskrieg zu erklären. Hierzu zählen Brauns Herkunft aus einer bürgerlich-kosmopolitischen Familie mit Nähe zum Militär, die Zeitumstände einer sich radikal wandelnden Welt, seine militärischen Erfahrungen aus der Teilnahme am Krieg gegen das napoleonische Frankreich, sein akademisches Wissen aus dem Studium der Tiermedizin, seine praktische Ausbildung in höfischem und militärischem Reiten sowie seine umfangreichen materiellen Ressourcen. Ähnliches gilt für seine Erfahrungen in den USA und auf Haiti. Zwar scheiterte Otto Philipp Braun beruflich und machtpolitisch in beiden Ländern, diese Erfahrungen halfen ihm jedoch, trotz großer Bedenken gegenüber ausländischen Soldaten einen Posten in der Armee Simón Bolívars zu erhalten und vor allem zu behalten. Seine allmähliche Anpassung an die klimatischen Bedingungen auf Haiti begünstige zudem sein späteres physisches Überleben. All diese Faktoren spielten in den unmittelbar folgenden Jahren eine erheb­liche Rolle. Otto Philipp Braun legte mit seinem Aufstieg in der Armee von Simón Bolívar und dem während dieser Zeit gesammelten Prestige den Grundstein für seine jahrzehntelange Karriere. Braun erntete nicht nur für seine Teilnahme am ­Unabhängigkeitskrieg Respekt, sondern erhielt vor allem für sein von einflussreichen Akteuren als militärisch-situative Leistung wahrgenommenes Verhalten in der Schlacht von Junín sowie seine dadurch ebenfalls wahrgenommenen

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militärisch-strukturellen Leistungen großes Ansehen und politischen Einfluss. Um Brauns Karriere unter Sucre, Santa Cruz und danach zu verstehen, ist die Betrachtung seines Aufstieges in den 1820er Jahren unerlässlich. Es gilt dabei zu betonen, dass Otto Philipp Brauns Karriere nicht stringent, linear oder frei von Rückschlägen war. In den ersten vier Jahren beispielsweise, in denen Braun an den Feldzügen sowie an Schlachten in Kolumbien, Venezuela, Ecuador und Peru teilnahm, kam er nicht über die Rolle eines unbedeutenden Offiziers in der Armee Bolívars hinaus. Die nahezu völlige Abwesenheit Brauns in den Dokumenten der Unabhängigkeitsarmee unterstreicht dies. Erst auf dem Feldzug in Peru gelang es Braun, hohes gesellschaftliches Prestige und umfangreichen politischen Einfluss zu erwerben. Hauptgrund hierfür war, dass Braun die schon fast verloren geglaubte Schlacht von Junín im Jahre 1824 allen Erwartungen und allen Widrigkeiten zum Trotz mit entschied. Hierfür erhielt der bis zu diesem Zeitpunkt unbedeutende 25-jährige Offizier Otto Philipp Braun enorme Anerkennung. Spätestens die Schlacht von Junín führte den maßgeblichen Akteuren der Zeit auch Brauns militärisch-strukturelle Leistungen vor Augen – vor allem die Schlagkraft und Disziplin der von ihm geformten Kavallerieschwadron. Diese hatte Braun systematisch und umfassend ausgebildet. Die von Braun als Akt transatlantischen Wissenstransfers ins Spanische übersetzten und den südamerikanischen Verhältnissen angepassten Kavallerieinstruktionen Friedrichs des Großen symbolisieren den hohen Anspruch von Brauns Ausbildungsbemühungen und dessen persönliches Engagement. Neben diesen Leistungen war es Braun gelungen, Beziehungen zu höhergestellten Offizieren wie dem Generalstabschef Francisco Burdett O‘Connor als Grundlage eines hochkarätigen Netzwerkes aufzubauen. Die mehrfach gezeigten militärischen Leistungen brachten den bis ins Jahr 1824 unwichtigen Otto Philipp Braun in das Machtzentrum der Unabhängigkeitsarmee. Dies wird vor allem in der Besteigung des Cerro Rico, des Silberbergs in Potosí, im Gefolge Simón Bolívars sowie in der Unterschrift unter eine von Antonio José de Sucre an Simón Bolívar geschickten Petition deutlich. Diese machte Braun zu einem der 18 wichtigsten Offiziere der zu diesem Zeitpunkt 6.000 Mann starken Armee. Dass dieser Prozess fragil und nicht stringent war, belegt Brauns Verurteilung zum Tode Ende November 1824, die Sucre vorgenommen hatte. Dies gilt auch für Brauns ersten Aufenthalt in Bolivien im Anschluss an den Feldzug in Peru. Nach der Desertion eines Teils seiner kolumbianischen Grenadiere fiel Braun bei Präsident Sucre in Ungnade. In der Folge musste sich Braun einem Ermittlungsverfahren stellen und den ­Abbruch der privaten Kommunikation mit Sucre hinnehmen. Die Auseinandersetzung mit Brauns Karriere während der Präsidentschaft von Antonio José de Sucre in Bolivien und dem anschließenden peruanischgroßkolumbianischen Krieg Ende der 1820er Jahre zeigt vor allem zwei Dinge: Erstens baute Braun seine Position in der Fraktion von Bolívar und Sucre durch

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ein Verhalten, das als bedingungslose politische Loyalität von den Akteuren positiv interpretiert wurde, aus. Zweitens war Braun in der Lage, sein damit weiter gewachsenes Ansehen und seinen erhöhten Einfluss über die Grenzen von Ländern zu transferieren. Das kontinuierlich als loyal verstandene Verhalten Brauns in Kombination mit seinen mehrfach als große militärische Leistung wahrgenommenen Handlungen als Offizier hilft auch zu erklären, warum sich der bolivianische Präsident Andrés de Santa Cruz Anfang der 1830er Jahre so sehr um die Anwerbung Brauns bemühte. Als Loyalität wahrgenommen wurde auch Brauns Rolle bei der Niederschlagung des Voltíjero-Aufstandes im Jahre 1827 oder bei der peruanischen Invasion von 1828. Anstatt in sicherer Entfernung den Ausgang abzuwarten, eilte Braun zur Unterstützung Sucres und der bedrängten bolivianischen Armee ins Kriegsgebiet. Selbst nach Niederlage und Kapitulation riskierte Braun sein persönliches und politisches Überleben, um den gestürzten Präsidenten Sucre zu schützen. Darüber hinaus bewies Braun in der Endphase des peruanisch-bolivianischen Krieges großes politisches und propagandistisches Talent, beispielsweise beim Aufbau von Freiwilligenverbänden in La Paz. Dieses Verhalten erhöhte Brauns Prestige und Einfluss in der politischen Fraktion um Sucre und Bolívar erheblich. Es förderte aber auch den Respekt, den Braun bei seinen Gegnern genoss. Aus dem politischen Scheitern der bolivarischen Administration in Bolivien und der persönlichen Krise nach dem Granadero-Aufstand ging Braun erheblich gestärkt hervor, denn Sucre vergaß Brauns Agieren zum Schutze seiner Person nach der Niederlage Boliviens gegen Peru 1828 nicht. Im Gegenteil: Sucre sorgte anschließend in Großkolumbien dafür, dass nahezu alle wichtigen Akteure, wie Bolívar, Flores, O‘Leary und Córdova, seine Wertschätzung des Deutschen teilten. Die dortigen Akteure bestätigten den in Bolivien erworbenen Generalrang, ließen Brauns Ankunft öffentlich feiern und gaben ihm hohe militärische und diplomatische Ämter. Im bald ausbrechenden peruanisch-großkolumbianischen Krieg (1828–1829) war Braun integraler Bestandteil der militärischen und politischen Führung im südlichen Großkolumbien (heute: Ecuador). Dies zeigt zum ersten Mal, dass Braun in der Lage gewesen war, sein auf seinem Weg vom südlichen Großkolumbien nach Peru über die Schlachtfelder von Junín und Ayacucho nach Bolivien und wieder zurück nach Großkolumbien gewonnenes gesellschaftliches Prestige und seinen politischen Einfluss über die Grenzen von Ländern hinweg zu transferieren. Diese grenzübergreifende Transferierbarkeit wird auch bei der Diskussion von Brauns beruflicher Zukunft zwischen Simón Bolívar, Andrés de Santa Cruz, Juan José Flores und Agustín Gamarra deutlich. Brauns Mobilisierung von Kontakten in Peru, Großkolumbien und Bolivien sowie ein halbes Dutzend grenzüberschreitender Reisen zeigen, wie wenig staatliche Grenzen Braun bei seinen Projekten behinderten.

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Im Laufe dieser Arbeit wurde ferner deutlich, dass Braun Prestige und Einfluss auch über die Grenzen politischer Fraktionen transferieren konnte. Denn auch politische Gegner Brauns erkannten beides an. Andrés de Santa Cruz, zwischenzeitlich ein politischer Gegner der bolivarischen Administration in Bolivien unter Sucre, warb Braun beispielsweise während des Auseinanderbrechens des bolivarischen Großkolumbiens als militärischen Experten und ehemaligen Kameraden an. Dieser gab dem Werben aber erst nach der Zustimmung des todkranken Simón Bolívar nach. Seine politisch-militärischen Erfolge erlaubten Braun schließlich auch den sozialen Aufstieg in Südamerika. Dies zeigt die ­Heirat Brauns in die einflussreiche peruanische Familie Rivero. Das politische Agieren Otto Philipp Brauns im atlantischen Raum in den 1840er und 1850er Jahren wird vor allem erklärbar durch Brauns im Zuge seiner nationalstaatlichen Tätigkeit in den 1830er Jahren nochmals erheblich ausgebautes Netzwerk. Denn die überwiegende Anzahl seiner Netzwerkpartner kannte Braun entweder aus dem Unabhängigkeitskrieg, der Zeit der Diadochenkämpfe oder aus der Zeit der Regierung von Santa Cruz. Deswegen war es für diese Arbeit wichtig, sich intensiv mit der Karriere Brauns unter Santa Cruz auseinanderzusetzen. Darüber hinaus legt Brauns Eintritt in den Dienst von Santa Cruz nahe, dass außerhalb eines Staates erworbene Ressourcen im Südamerika des frühen 19. Jahrhunderts bei einer nationalstaatlichen Karriere eine große Rolle spielten. Die Eintrittskarte in den Dienst eines Staates konnte sozusagen außerhalb gelöst werden. Braun hatte seine in der Armee Simón Bolívars begonnene Karriere unter Santa Cruz trotz gewisser Startschwierigkeiten energisch fortgesetzt. Sowohl bei seinen militärisch geprägten Aufgaben zu Beginn als auch während seiner späteren politischen Posten baute Braun in der Administration Santa Cruz ein beeindruckendes administratives-offizielles sowie ein privat-politisches Netzwerk auf und aus. Otto Philipp Braun hatte als General in Cochabamba, als Präfekt und Militärkommandeur in La Paz und als Minister und Regierungsmitglied mit allen Ministerien, deren Ministern und Beamten, mit vielen Gouverneuren und Befehlshabern der Departements, mit vielen ­Offizieren und Soldaten interagiert. Während seiner administrativen Tätigkeiten in Bolivien kam Braun auch mit vielen Akteuren außerhalb der Regierung und des Militärs in Kontakt. Ein näherer Blick auf das Netzwerk Brauns macht dabei deutlich, dass dieser mit vielen damals sowie in den nächsten Jahrzehnten in Südamerika, aber auch in der atlantischen Welt wichtigen politischen Akteuren kommunizierte und interagierte, etwa: den bolivianischen Präsidenten Andrés de Santa Cruz, José Miguel de Velasco, José Ballivián, Sebastián Ágreda und Manuel Isidoro Belzu, dem bolivianischen Vizepräsidenten Mariano Enrique Calvo, den bolivianischen Politikern Francisco de Paula Belzu, Casimiro Olañeta und Manuel Buitrago, dem spanischen Diplomaten in bolivianischen

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Diensten José Joaquín de Mora sowie dem peruanischen Politiker chilenischer Herkunft Ramón Herrera. Auch baute sich Braun ein tragfähiges Netzwerk zu peruanischen, ecuadorianischen, argentinischen und chilenischen Politikern, wie Luis José de Orbegoso, Agustín Gamarra, Juan José Flores, Elías Bedoya, Facundo de Zuviría, Manuel Solá und Benjamín Viel auf oder pflegte seine während des Unabhängigkeitskrieges geknüpften Verbindungen. Parallel hierzu stieg Braun vom militärischen Experten über einen politisch verlässlichen Administrator zu einem, wenn nicht gar dem wichtigsten Akteur bolivianischer Politik hinter Andrés de Santa Cruz auf. Gründe hierfür waren Brauns administrative Fähigkeiten, politische Loyalität und kontinuierliche militärische Erfolge. Für diese Erfolge, etwa beim Eingreifen Boliviens in den peruanischen Bürgerkrieg 1835–1836, belohnte ihn Santa Cruz mit Ehren, Titeln und Ressourcen. Nach dem Sieg über die argentinische Invasion Boliviens 1838 krönte Santa Cruz die Karriere Brauns mit dem Stab eines Großmarschalls. Allerdings brach die Administration von Santa Cruz wenige Monate später zusammen. Im Zuge des folgenden Regimewechsels wurde Braun Anfang 1839 aus allen Ämtern entfernt und des Landes verwiesen. Brauns Handeln in der unmittelbaren Zeit nach dem Sturz zeigt, dass er in der Lage war, sein Prestige und seinen Einfluss auch über die Grenzen biographischer Brüche hinweg zu transferieren. Obwohl Braun seinen Gegnern schutzlos ausgeliefert war, gelang es ihm, sein physisches, ökonomisches und politisches Überleben zu sichern. Maßgeblich hierfür war Brauns Fähigkeit, sein zuvor gesponnenes internationales Netzwerk – trotz des Verlustes der ­politischen Macht – zu Unterstützungsleistungen zu bewegen. Braun erhielt beispielsweise vom ecuadorianischen Präsidenten Juan José Flores und vom argentinischen Gouverneur Manuel Solá Angebote, zu ihnen ins Exil zu gehen. Brauns peruanischer Erzfeind Agustín Gamarra duldete Brauns Durchreise, nachdem Gamarras ecuadorianischer Amtskollege Flores ihn darum gebeten hatte. Hinter den Kulissen war Braun auch in den schwierigen Monaten nach seinem Sturz selbst für die neuen Machthaber ein nicht zu ignorierender Faktor. Dies zeigen beispielsweise die Kontaktaufnahme von José Ballivián und die Kommunikation mit José Miguel de Velasco.

Der Atlantik als politischer Raum Nach der Zusammenfassung der durch die Analyse der Biographie Otto Philipp Brauns gewonnenen Einblicke in dessen unmittelbare historische Umwelt stehen nun die Erkenntnisse über den atlantischen Raum im Vordergrund. Die Untersuchung des Lebens Otto Philipp Brauns in den 1840er und 1850er Jahren kam dabei zu drei Ergebnissen: Erstens nahm Braun trotz des Verlustes seines

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offiziellen Amtes noch über Jahrzehnte an politischen Prozessen in Südamerika teil. Zweitens tat er dies unabhängig von seinem geographischen Aufenthaltsort. Drittens konnte Braun sein Ansehen und sein Prestige nach Europa transferieren. Braun verließ Südamerika zwar immer wieder, er blieb jedoch stets Teil des dazugehörigen politischen Raumes. Seine teils jahrelange Abwesenheit wirkte sich nicht negativ auf sein Prestige und seinen Einfluss vor Ort aus. Im Gegenteil:

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Braun konnte immer wieder problemlos seine gesellschaftliche und politische Stellung einnehmen. Seine physische Abwesenheit spielte nahezu keine Rolle. Im Anschluss an seine erste Rückkehr nach Europa 1840 konnte Braun beispielsweise 1841 wieder nahtlos an seine Kontakte in Südamerika anknüpfen. Er beteiligte sich aus seinem chilenischen Exil heraus als integraler Bestandteil der Fraktion von Santa Cruz an deren politischen Projekten, inklusive der persönlichen Beteiligung am Rückkehrversuch des Jahres 1843. Auch Brauns zweite Abreise aus Südamerika wirkte sich nicht negativ aus. Denn kurz nach seiner Rückkehr nach Südamerika im Jahre 1845 kontaktierte ihn Präsident Ballivián in einer Notsituation und bat Braun, ihm im Falle einer peruanischen Invasion trotz aller Feindschaft in der Vergangenheit beizustehen. Brauns Ansehen und Einfluss waren so stark, dass er als einer der politischen Anführer der Fraktion um Santa Cruz vom neuen bolivianischen Präsidenten Manuel Isidoro Belzu als zentraler Akteur einer politischen Allianz umworben wurde. Braun und andere einflussreiche Anhänger von Santa Cruz wurden nicht nur rehabilitiert, sondern auch systematisch in die Administration mit einbezogen. So sehr sich Braun über die ehrenhafte Einberufung als aktiver General der Republik freute, so unwillig war er jedoch, aus dem politischen Hintergrund hervorzutreten und öffentlich politische Ämter auszuüben. Die spektakuläre Übernahme der Kommandantur in La Paz im März 1849 war aufgrund einer Notsituation eine Ausnahme. Alle späteren Bitten von Präsident Belzu, weitere Ämter zu übernehmen, lehnte Braun ab. Hinter den K ­ ulissen jedoch behielt Braun exklusiven Zugang zum Präsidenten. Dies geschah über zehn Jahre nach dem Zusammenbruch der Administration von Santa Cruz. Als sich der politische Horizont in Bolivien verdunkelte und die Allianz zwischen Santa Cruz und Belzu zu zerbrechen drohte, setzte sich Braun wohlweislich nach Europa ab. Sein Netzwerk blieb aber intakt. Nach einem kurzen Auftritt als transatlantischer Wahlkampfkoordinator für Santa Cruz im Jahre 1855 erhielt Braun mühelos erneut Zugang zu Präsident Belzu und seinem Nachfolger im Amt, Jorge Córdova. Dieser hieß Braun zwar persönlich mit allen Ehren in Bolivien willkommen, unternahm jedoch keinen Versuch, den inzwischen fast sechzigjährigen Veteranen politisch einzubinden. Spätestens Ende der 1850er Jahre, als die nächste und übernächste Generation die politische Bühne in Bolivien betreten hatte, war Braun vom einflussreichen Akteur zum Elder Statesman geworden. Als dieser verfügte er aber noch immer über exklusiven Zugang zu Spitzenpolitikern und über ein enormes Ansehen – auch bei der jüngeren Generation bolivianischer Politiker. Brauns Prestige wirkte fort, auch wenn er nicht mehr aktiv an der Tagespolitik teilnahm. Dies zeigen vor allem die Aufzeichnungen von Ernst Mossbach. Zudem gehörte Braun wahrscheinlich zu jenen, die den gestürzten Präsidenten Linares im Januar 1861 aus dem Präsidentenpalast begleiteten. Im Dezember desselben Jahres vermittelte

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Braun neben anderen zwischen Narcisco Balsa und Präsident José María Achá. Dies war Brauns letzter Auftritt in der bolivianischen Politik. Wenig später reiste er aus Südamerika ab – für immer. Die positive Wertung Brauns als verdienter Veteran noch Jahrzehnte nach dem südamerikanischen Unabhängigkeitskrieg zeigt auch, wie wichtig den betreffenden gesellschaftlichen Eliten die Existenz der Helden von Carabobo, Junín und Ayacucho für ihr Selbstbild war. Sie war so wichtig, dass aufgrund vergangener, als Verdienste wahrgenommener Handlungen aktuelle tagespolitische Differenzen weniger ins Gewicht fielen und Braun nach 1839 beispielsweise vor einem Absturz in die Bedeutungslosigkeit bewahrt wurde. Die Funktion der Veteranen des Unabhängigkeitskrieges hilft, Brauns bis heute ungebrochenes Ansehen in Kolumbien, Venezuela, Ecuador, Peru und vor allem Bolivien zu erklären. Die Lebensphase Brauns nach seinem Sturz im Februar 1839 zeigt nicht nur, wie lange Brauns Einfluss und Prestige wirkten, sondern auch, dass er trotz häufiger und jahrelanger Abwesenheit ununterbrochen im Raum südamerikanischer Politik blieb. Braun partizipierte kontinuierlich an politischen Prozessen, indem er beispielsweise mit Akteuren südamerikanischer Politik in Südamerika sowie in Europa kommunizierte und interagierte – und zwar nahezu unabhängig von seinem geographischen Aufenthaltsort. Dies belegt vor allem Brauns Interaktion mit der Fraktion von Andrés de Santa Cruz, für die er sich Anfang der 1840er Jahre als transatlantischer Agent betätigte. Ziel von Brauns Bemühungen in jenen Jahren war es, die Restauration der Administration von Andrés de Santa Cruz in Bolivien voranzutreiben. Hierfür entfaltete Braun eine die atlantische Welt umfassende, ausgeprägte Aktivität. Beispielsweise versuchte er gemeinsam mit José Joaquín de Mora, Großbritannien zur militärischen, logistischen und finanziellen Unterstützung des Rückkehrprojektes von Santa Cruz zu gewinnen. Gleichzeitig kommunizierte und interagierte Braun mit seinen Verbündeten, ganz gleich, wo er oder sie sich aufhielten. Hierzu zählten: Andrés de Santa Cruz in Guayaquil, José Manuel Loza in Arica, José Rivero in Arequipa und José Joaquín de Mora in London. Braun pflegte in jenen Jahren jedoch nicht nur Kontakt zu Anhängern seiner eigenen politischen Fraktion, sondern er verfügte stets auch über ausgezeichnete Verbindungen zum jeweils im bolivianischen Präsidentenpalast residierenden politischen Gegner. Mit einem seiner erbittertsten politischen Widersacher, José Miguel de Velasco, stand Braun während dessen Präsidentschaft (1839–1841) über Manuel Buitrago, Casimiro Olañeta, José Agustín de la Tapia und José María Linares in Kontakt. Mit José Ballivián, seinem ehemaligen Freund, tauschte sich Braun während dessen Präsidentschaft (1841–1847) über Pedro José de Guerra, Manuel Buitrago und Casimiro Olañeta aus. Mit Präsident Manuel Isidoro Belzu (1848–1855) und Präsident Jorge Córdova (1855–1857) kommunizierte Braun teils direkt, teils über Vermittler wie Francisco de Paula Belzu. Auch kommunizierte Braun – unabhängig von seinem Aufenthaltsort –

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mit privaten Freunden, die ihm andere Perspektiven auf die südamerikanische Politik boten als die politisch involvierten Akteure. Hierzu zählten José Passamán in Lima, Bonifacio de Ayaldeburu in Tacna und Ramón Herrera in Guayaquil. Zwar war es ihm bei seiner Interaktion mit Pedro José de Guerra und Manuel Buitrago im Jahre 1842 gelungen, Einladungen nach Bolivien und Sicherheitsgarantien des Präsidenten José Ballivián zu erhalten, doch zogen diese ihre Einladungen nach Brauns offensichtlicher Beteiligung am Rückkehrversuch von Santa Cruz wieder zurück. Gleichzeitig forderten sie ihn auf, eine Karenzzeit in Europa zu verbringen. Trotz wenig glaubhafter Beteuerungen, sich nicht am Rückkehrversuch beteiligt zu haben, verließ Braun Ende 1843 erneut Südamerika. Braun blieb jedoch Teil des politischen Raumes Südamerikas. Hierauf weist seine Kommunikation mit García del Río in Santiago de Chile hin. Ähnliches lässt sich für die 1850er Jahre feststellen. Nach dem Bruch der Allianz der politischen Fraktionen von Manuel Isidoro Belzu und Andrés de Santa Cruz diskutierte der nun wieder in Kassel lebende Braun mit dem in ­Paris wohnenden Santa Cruz über dessen Teilnahme an den für 1855 geplanten Präsidentschaftswahlen in Bolivien. Gleichzeitig vermittelte Braun zwischen bolivianischen Oppositionellen um Pedro Sáenz in Peru sowie den argentinischen Politiker Facundo de Zuviría und Andrés de Santa Cruz. Nachdem Braun und Santa Cruz letzte Details für dessen Kandidatur bei einem persönlichen Treffen abgesprochen hatten, brach Otto Philipp Braun von Europa über den Atlantik auf, um in Peru und Bolivien den Wahlkampf von Santa Cruz politisch und logistisch voranzutreiben. Währenddessen reiste Santa Cruz über Argentinien an die südbolivianische Grenze. Auch wenn Braun sehr schnell die Chancenlosigkeit des Projektes erkannte, legt die Anbahnung und Realisierung der Kandidatur von Santa Cruz ebenfalls nahe, dass der Raum südamerikanischer Politik nicht an der Grenze des Kontinentes endete, sondern weit in die atlantische Welt bis nach Großbritannien, Frankreich und selbst bis ins europäische Hinterland nach Hessen-Kassel reichte. Akteure wie Braun nahmen in diesem Raum an politischen Prozessen des geographisch weit entfernten, aber politisch nahen Kontinents teil. Hierfür spricht auch die Versöhnung zwischen Belzu und Braun einige Jahre später, als der ehemalige Präsident nach Europa reiste. Von 1857 bis 1859 tauschten sich die beiden ehemaligen Weggefährten, Feinde und Verbündeten nicht nur über Politisches und Privates aus, sondern Braun vermittelte auch zwei aus Bolivien nach Europa gereisten Verschwörern, die dringend mit Belzu sprechen wollten, den Kontakt zum ehemaligen Präsidenten. Brauns Leben nach seiner Karriere unter Santa Cruz zeigt auch, dass sein Prestige und sein Einfluss von Südamerika nach Europa transferiert werden konnten. Europäische Spitzenpolitiker erkannten beides für Jahrzehnte an. Hierauf lassen beispielsweise Brauns Treffen mit dem britischen Außenminister Lord Palmerston im April 1840, mit dem französischen Staatspräsidenten Louis Napoleon

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im Oktober 1851 sowie die Einladung des französischen Außenministers Éduard Drouyn de Lhuys im April 1864 schließen. Gerade Letztere unterstreicht, dass europäische Spitzenpolitiker Brauns gesellschaft­liches Prestige über Jahrzehnte hinweg anerkannten, obwohl die Schlacht von Junín und die Präsidentschaft von Andrés de Santa Cruz schon lange Eingang in die Geschichtsbücher gefunden hatten und Braun zu einem über 60 Jahre alten Mann geworden war.

Ausblick Immer wieder lieferten Arbeiten zum 19. Jahrhundert wichtige Impulse für die Biographie Otto Philipp Brauns. Dabei fällt auf, dass dieses Jahrhundert mitunter als das „Jahrhundert der Nationalstaaten“1924 verstanden wird.1925 Dies muss nicht unberechtigt sein, da viele Darstellungen der Epoche nahelegen, mit diesem Begriff das Jahrhundert als einen Zeitraum zu beschreiben, in dem aus den Überbleibseln aristokratischer Feudalsysteme gegeneinander abgegrenzte, bürgerliche Nationalstaaten mit stärker als zuvor abgegrenzten politischen Räumen entstanden. Das Beispiel Braun legt jedoch nahe, dass die politischen Grenzen im 19.  Jahrhundert nicht so bedeutsam waren, dass sie grenzüberschreitende Karrieren im politischen Raum verhindert hätten. Richtete sich der Blick der Atlantic History und der Globalgeschichte bisher vornehmlich auf wirtschafts-, demographie- und ideengeschichtliche Fragen, so zeigt Brauns Biographie, dass

1924 Siehe beispielsweise: Kocka, Das lange 19. Jahrhundert, 2001, S. 80ff. Salewski, Geschichte Europas, 2000, S. 867ff. 1925 Diese Aussagen über das 19. Jahrhundert mögen allerdings auch auf eine „große empirische Lücke“ in diesem Bereich zurückzuführen sein (Osterhammel, Alte und neue Zugänge, 2008, S. 13). Trotz dieser Einschränkung gab die transnationale Geschichte wichtige Impulse zur Fragestellung, siehe: Langewiesche, Nationalismus. Ein generalisierender Vergleich, 2006, S. 179f. Osterhammel, Alte und neue Zugänge, 2008, S.10ff. Osterhammel, Imperien, 2006, S. 56ff. Patel, Überlegungen zu einer transnationalen Geschichte, 2008, S. 67. Andere Vertreter dieses Ansatzes zweifeln jedoch an, dass man das 19. Jahrhundert als dasjenige der Nationalstaaten bezeichnen könnte. Mann, Globalization, Macro-Regions and Nation-States, 2006, S. 22ff. Siehe zur transnationalen Geschichte ferner: Blackbourn, Das Kaiserreich transnational, 2004, S. 302ff. Osterhammel, Transnationale Gesellschaftsgeschichte, 2001, S. 464ff. Osterhammel / Conrad, Einleitung, 2004, S. 14ff. Middell, Transnationale Geschichte, 2006, S. 110ff. Wehler, Transnationale Geschichte, 2006, S.  162ff. Die Atlantic History betonte jedoch auch immer wieder transnationale Netzwerke: Pietschmann, Atlantische Geschichte 2003, S. 79f. Beispielarbeiten: Knight/Liss, Atlantic port cities, 1991. Price, French tobacco monopoly, 1973. Hough, Creation of America, 1980. Schnurmann, Atlantische Welten, 1998. Weber, Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel, 2004.

Zusammenfassung



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ähnliche transnationale Verbindungen auch im politischen Raum von Bedeutung waren. Zu dieser Frage sind sicherlich weitere Untersuchungen notwendig.

Karte 17

Darüber hinaus war es ein Anliegen der Arbeit, zu zeigen, dass die Atlantic History auch jenseits des von einigen ihrer Vertreter formulierten zeitlichen En-

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Zusammenfassung

des ihres Gegenstandsbereiches zu Beginn des 19. Jahrhunderts lohnenswert sein kann. So sinnvoll für einige Themen diese Zuständigkeitsgrenze ist, so sehr möchte diese Arbeit mit der Rekonstruktion der Biographie Brauns jedoch ein empirisches Argument dafür liefern, dass mit dem Ende der Kolonialherrschaft nicht unbedingt auch die Atlantic History endet. Weitere Arbeiten müssten allerdings zusätzliche empirische Belege liefern, um dies zu einem starken Argument zu verdichten. Ferner war es Ziel dieser Arbeit, sich dem politischen Raum in der atlantischen Welt empirisch-mikrohistorisch zu nähern. Es konnte am Beispiel der Biographie und des Netzwerks Brauns gezeigt werden, dass zusätzlich zu den bisher häufig betrachteten starken ökonomischen, ideengeschichtlichen und demographischen Verbindungen in der atlantischen Welt konkrete Personen mit ihren konkreten Anliegen und ihren persönlichen Reisen und ihren grenzüberschreitenden Kommunikationen auch einen politischen Raum schufen. Karte 17 beispielsweise zeigt, dass neben Braun auch eine Reihe anderer Akteure aus seinem Netzwerk mit politischen Missionen den Atlantik überquerte. Gleichzeitig wurde erkennbar, dass dieser politische Raum für individuelle Akteure ein wirklicher politischer Handlungs- und Kommunikationsraum war. Die Biographie Brauns deutet stark auf eine Durchlässigkeit staatlicher, kultureller, sprachlicher und geographischer Grenzen für einige politische Akteure in der atlantischen Welt des 19. Jahrhunderts hin. Diese Durchlässigkeit von Grenzen ist beim Aufstieg Otto Philipp Brauns in Südamerika, bei der kontinuierlichen Wirksamkeit seines Prestiges und seines Einflusses vor Ort sowie bei deren Akzeptanz bei europäischen Spitzenpolitikern und nicht zuletzt bei der unabhängig vom geographischen Aufenthaltsort kontinuierlich stattfindenden Teilnahme an Prozessen südamerikanischer Politik beobachtbar. All dies deutet darauf hin, dass der Raum südamerikanischer Politik in einigen Fällen wohl nicht an den geographischen Grenzen des Kontinentes endete, sondern weit in die atlantische Welt bis an die Küsten und in das Hinterland Europas reichte.

13. Abbildungsverzeichnis Karte 1 Die transatlantischen Reisen von Otto Philipp Braun 1818–1861 Karte 2 Befreiungskrieg 1814 Karte 3 Feldzüge Bolívars in Großkolumbien 1818–1821 Karte 4 Otto Philipp Braun im südamerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1820–1823 Karte 5 Otto Philipp Braun & die Unabhängigkeitsarmee in Peru 1823–1824 Karte 6 Feldzug der Unabhängigkeitsarmee in Peru 1824 Karte 7 Schlacht von Junín in Peru 1824 (I) Karte 8 Schlacht von Junín in Peru 1824 (II) Karte 9 Otto Philipp Braun im peruanisch-großkolumbianischen Krieg Karte 10 Eingriff in den peruanischen Bürgerkrieg. Feldzug gegen Gamarra 1835 Karte 11 Feldzug gegen Salaverry 1835–1836 in Peru Karte 12 Otto Philipp Braun im bolivianisch-argentinischen Krieg. September bis Dezember 1837 Karte 13 Otto Philipp Braun im bolivianisch-argentinischen Krieg. Februar bis April 1838 Karte 14 Otto Philipp Braun im bolivianisch-argentinischen Krieg. Mai bis Juni 1838 Karte 15 Schlacht von Montenegro am 24. Juni 1838 Karte 16 Die transatlantischen Reisen von Otto Philipp Braun 1818–1861 (= Karte1) Karte 17 Akteure im Netzwerk Brauns bereisen den politischen Raum des Atlantiks Die Karten wurden für diese Arbeit hergestellt und sollen der Orientierung dienen. Dabei wurden die jeweiligen historischen Grenzen eingezeichnet, die von den heutigen teilweise deutlich abweichen.

14. Abkürzungsverzeichnis [=Jahr] ursprüngliches Publikationsdatum AA Ausgangsabschrift ANB* Archivo y Biblioteca Nacional de Bolivia/Bolivianisches Nationalarchiv ANB PBLP Periódicos Bolivianos La Paz/Sammlung bolivianischer Zeitungen aus La Paz im bolivianischen Nationalarchiv, Sucre ANB PBCh Periódicos Bolivianos Cochabamba/Sammlung bolivianischer Zeitungen aus Cochabamba im bolivianischen Nationalarchiv, Sucre ANB Mss GRM  Manuscritos Gabriel René Moreno/Sammlung historischer Quellen Gabriel René Moreno im bolivianischen National­archiv, Sucre Archiv Braun Nachlass Otto Philipp Brauns im bolivianischen National­archiv, Sucre Bd. Tomo/Ordner oder Band Brauniana 21 Quellensammlung zu Otto Braun in der Bayerischen Staats­bibliothek, München Doc.** Documento/Dokument Ermittlungsakten Im Rahmen einer Ermittlung oder eines Gerichts­verfahrens entstandene Akten FO Sammlung der Akten des britischen Außenministeriums (Foreign Office) im Britischen National­archiv, London Fs. Folio/Blatt o. A. ohne Autor/Autor unbekannt MG Ministerio de Guerra/Kriegsministerium MH Ministerio de Hacienda/Finanzministerium MI Ministerio del Interior/Innenministerium MRE Ministerio de Relaciones Exteriores/Außenministerium Murhardsche Bibliothek Murhardsche Bibliothek zu Kassel Nr. Número/Nummer P Pagina/Seite Serie Sammlung/Reihe SpKs Stadtsparkasse Kassel, Materialsammlung, Otto Philipp Braun, Ordner 1-3, 1980-1984, in Stadt­archiv Kassel SS Señores/Herren v.u.Z. vor unserer Zeitrechnung Zit. n. Zitiert nach *

Hier werden nur Archive und Quellensammlungen aufgeführt, deren eindeutige Identifizierung nicht aus den Abkürzungen oder aus dem Text hervorgeht. Alle anderen A ­ rchive, Quellensammlungen und Editionen können mit den in den Anmerkungen oder im Text zur Verfügung gestellten Informationen lokalisiert und eindeutig identifiziert werden.

** Hier sind nur mehrdeutige oder seltene Abkürzungen aufgeführt. Die anderen in dieser Arbeit verwendeten Abkürzungen sind selbsterklärend.

15. Literatur- und Quellenverzeichnis Quellenbestände Bolivianische Archivbestände Archivo y Biblioteca Nacionales de Bolivia, Sucre, Bolivien • • • • • • • • • •

Archivo Felipe Braun 1826–1864 Ministerio del Interior 1825–1839 Ministerio de Guerra 1826–1853 Ministerio de Hacienda 1830–1853 Ministerio de Relaciones Exteriores. Bol-Perú. 1835–1838 Ministerio de Relaciones Exteriores. Bol-Arg. 1836–1838 Ministerio de Relaciones Exteriores. Bol-Francia. 1839 Manuscritos Gabriel René-Moreno 1826–1838. No 86–94 Serie Rück 1800–1826 Archivo de Raros y Curiosos (ARC) 1838

Zeitungen • • • • • • • •

El Condor de Bolivia PBCh 1825–1828 El Boliviano. PB. 1830–1831 La Guardia Nacional de Bolivia. PB 1831 El Redactor PB-LP No 2 1831 El Iris de La Paz PBLP-IB 1829–1839 El Atalaya de los Andes PB-LP 1839 El Constitucional ANB PBLP 1839 El Centinela del Ejercito. Gaceta Militar PB-LP 1841

Casa de la Libertad, Sucre, Bolivien • Documentos. Comandante Generales. Serie: C-2.2.2. 0375 – C-2.2.6 0403 • Folletería Biblioteca CD LL, Sección „D“. Serie: Historia. Código D-225

Centro Documental de la Universidad Xavier, Sucre, Bolivien • Serie: Correspondencia Oficial-Varios 1825–1839

Archivo de la Excelentísima Corte Suprema de Justicia de la Nación, Sucre, Bolivien • Serie: Colección anuarios administrativos de Bolivia. Collec. Ann. 1831–1858

Archivo del Honorable Congreso Nacional de Bolivia, La Paz, Bolivien • Legislatura, Documentos oficiales, Mensajes del presidente al congreso, 1832–1838, PL 1–273

Literatur- und Quellenverzeichnis

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Casa Nacional de la Moneda de Potosí, Potosí, Bolivien • • • • • • • •

Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Provincia de Chichas (Tupiza). P.D. 255–270 Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Ministerio de Guerra. P.D. 290–296 Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Estado Mayor del Ejercito del Sud. P.D. 290 Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Ministerio de Hacienda. P.D. 290 Serie: Prefectura. Correspondencia expedida. Sección: Ministerio de Hacienda. P.D. 290 Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Ministerio de Interior. P.D. 293 Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Funcionario de la Casa de Moneda P.D. 290 Serie: Prefectura. Correspondencia recibida. Sección: Ciudad de Tarija. P.D. 298

Britische Archivbestände National Archive, London, Großbritannien • Bolivia, Consul Hugh Wilson, Thomas Crompton, Foreign various, and Consular Domestic, FO 61/58 - FO 61/64 • Foreign various, Domestic, José Joaquín de Mora, and various, FO 61/73

Deutsche Archivbestände Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin • Auswärtiges Amt, Abteilung III. Akten betreffend: Finanzielle Beziehungen Bolivien zu Deutschland, PAAA R 78849-PAAA: R. 91656 • Akten zu den Beziehungen Deutschland – Bolivien: PAAA B 33 Bd. 454-PAAA B 33 Bd. 534

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin • Ibero-Amerikanisches Institut Berlin, Länderreferate Bolivien, Brasilien, Columbien und Chile Rep 218, Nr. 59–65 • Ibero-Amerikanisches Institut, Präsidialakten, Rep 218, Nr. 117–137

Bayerische Staatsbibliothek, München • Nachlass Otto Braun, Brauniana 0.

Stadtarchiv Kassel • • • •

Casselsches Adreß-Buch 1841–1867 Sammlung der Sparkasse Kassel, Ordner 1–3 Sammlung der stadtgeschichtlichen Forschungsstelle, Mappe 71 Mappe S88

Verwaltungsarchiv der Stadt Kassel • Akte: Otto Philipp Braun

Quellenbestände



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Murhardsche Bibliothek zu Kassel • Der Fürsten und Volksfreund, ein Wochenblatt für Kurhessen, Kassel 1831, Mikrofilm, 37 ZA 2354 • Der Verfassungsfreund, Eine Wochenschrift für Staats- und Volksleben, Kassel 1831–1833, Mikrofilm, 37 ZA 2355 • Kasselsche Allgemeine Zeitung, Kassel 1828–1850, Mikrofilm, 37 ZA 2351 • Wochenblatt für die Provinz Niederhessen, Kassel 1828–1866, Mikrofilm, 37 ZA 2353 • Der Deutsche in Heimat und Fremde, Kassel 1841, Mikrofilm, 37 ZA 2358 • Hessische Volkszeitung, Kassel 1868–1869, Mikrofilm, 37 ZA 2373. • Casseler Krakeeler, Kassel 1869, Mikrofilm, 37 ZA 2371 • Gewerbliches Tageblatt und Anzeiger für Kassel und Umgebung, Kassel 1853–1869, Mikrofilm, 37 ZA 2426 • Hessische Morgenzeitung, Kassel 1859–1869, Mikrofilm, 37 ZA 2427

Stadtarchiv Bad Wildungen • Urkundensammlung. 1868–1869

Stadtarchiv Bad Oeynhausen • Nachlass Karl Paetow, Nachlass 8, Bde 49–868

Familienarchiv Pawel-Rammingen, Bonn • Sammlung: Otto Philipp Braun

Familienarchiv Appelhoff, Bremen • Sammlung Großmarschall von Montenegro

Firmenarchiv der B. Braun Melsungen AG, Melsungen • Schenkung Brück • Sammlung „Otto Philipp Braun“

Kolumbianische Archivbestände Archivo General de la Nación, Bogotá, Kolumbien • Sección: República. Fondo: Despachos Militares 1820–1825, Bde. 1–4

Peruanische Archivbestände • Archivo General de la Nación, Lima, Peru • Archivo Republicano, Palacio de Justicia,. Colección Santa María. Ministerio de Hacienda y Comercio. Archivo Histórico. SM 668–691

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Register

Register Registereinträge, wie „Francisco de Paula Belzu“, „Manuel Isidoro Belzu“, „Simón Bolívar“, „Bolivien/Hoch-Peru/Audiencia de Charcas“, „Otto Philipp Braun“, „Chuquisaca/Sucre“, „Kassel/HessenKassel/Kurhessen“, „La Paz“, „Peru“, „Santa Cruz”, „Andrés de Santa Cruz”, „Francisca Cernadas de Santa Cruz“ oder „Südamerika“, erscheinen besonders häufig. Sie wurden in dieses Register nicht aufgenommen. A Abascal, José Fernando de 98, 220 Achá, José María de 332, 465, 474, 475, 477, 478, 479, 498 Ágreda, Sebastián 225, 249, 270, 273, 287, 288, 289, 309, 350, 372, 375, 395, 406, 407, 409, 410, 411, 428, 455, 494 Aguilar, José María 406, 408 Aguirre, Miguel María de 147 Alemán, Pablo 235, 293, 298, 301 Alten, Carl August von 61 Althaus, Clemens 257 Álvarez, Juan Antonio 158 Anderson, Benedict 131 Araoz de la Madrid, Gregorio 158 Arce, Aniceto 313 Arequipa 209, 210, 212, 213, 218, 219, 220, 221, 222, 228, 229, 234, 256, 263, 264, 265, 267, 271, 318, 328, 329, 330, 343, 344, 345, 347, 348, 374, 378, 379, 385, 399, 407, 413, 414, 415, 419, 420, 458, 459, 498 Arévalo, Juan Bautista 152, 162 Argentinien, Vizekönigreich Río de la Plata 39, 40, 41, 75, 76, 97, 137, 144, 157, 158, 169, 192, 210, 219, 220, 225, 231, 233, 234, 235, 254, 276, 278, 279, 284, 285, 286, 289, 290, 291, 294, 297, 299, 301, 303, 307, 310, 311, 313, 315, 331, 337, 340, 341, 342, 343, 346, 347, 350, 361, 368, 390, 393, 411, 425, 428, 439, 441, 453, 454, 456, 457, 499 Arica 176, 179, 192, 221, 263, 348, 366, 367, 374, 388, 389, 394, 396, 397, 410, 421, 498 Armitage, David 7 Arnade, Charles 35 Atlantik 14, 16, 22, 41, 43, 57, 64, 68, 139, 347, 348, 353, 354, 356, 357, 360, 363, 367, 368, 369, 373, 374, 377, 380, 394, 400, 405, 413, 414, 415, 419, 441, 449, 457, 461, 465, 467, 474, 481, 483, 484, 486, 487, 491, 495, 499, 502

Audiencia de Quito 75, 137 Ayacucho 104, 106, 113, 120, 121, 122, 124, 125, 127, 128, 129, 133, 134, 139, 140, 143, 144, 170, 177, 178, 190, 192, 203, 206, 207, 220, 244, 262, 264, 288, 344, 390, 402, 417, 419, 436, 460, 464, 488, 493, 498 Ayala, Sebástian 163 Ayaldeburu, Antonio 163 Ayaldeburu, Bonifacio de 401, 402, 499 Ayrer, Ernst Ferdinand 60, 61 Ayrer, Johannes Heinrich 60, 61

123, 138, 182, 255, 418,

B Bad Wildungen 32 Bailyn, Bernard 7 Ballivián, José 225, 227, 238, 251, 262, 267, 268, 278, 281, 282, 283, 290, 292, 313, 323, 324, 325, 326, 327, 328, 329, 330, 332, 333, 334, 335, 337, 338, 339, 348, 350, 351, 365, 367, 369, 372, 373, 375, 376, 377, 378, 379, 382, 393, 395, 396, 397, 398, 399, 400, 404, 406, 407, 408, 409, 410, 411, 412, 413, 416, 419, 420, 421, 422, 423, 424, 425, 426, 427, 428, 429, 432, 437, 438, 446, 447, 454, 455, 464, 471, 475, 476, 494, 495, 497, 498, 499 Balsa, Narciso 477, 478, 479, 498 Barensfeld, Christian Samuel 391, 392, 414, 415, 481 Barnadas, Joséf M. 27, 37 Barranquilla 82, 83, 84, 85, 86, 87, 132 B. Braun Melsungen AG 7, 32, 47 Bedoya, Elías 225, 300, 301, 316, 341, 495 Bello, Andrés 353 Berlin 32, 39, 47, 466 Bernabé y Madero, Juan 147 Blanco, José María 408 Blanco, Pedro 181, 182 Blücher, Gebhard Leberecht 54 Bödecker, Hans-Erich 19

Register

Bogotá 32, 84, 89, 90, 91, 92, 123, 124, 136, 138, 155, 170, 198, 356 Bonaparte, Jérôme 43, 45, 47, 48, 49, 50 Bonaparte, Josef 74 Bonn 32, 54 Bordeaux 354, 376, 384, 385, 386, 387, 388, 391, 392, 413, 415, 419 Bourdieu, Pierre 18, 25 Boyacá 76, 86, 90, 92 Brasilien 231, 428 Braun, Christian Friedrich 47, 461 Braun, Emma, geb. Barensfeld 391, 392, 394 Braun, Friedrich 216, 355, 356, 391 Braun, Friedrich August 47 Braun, Friedrich Wilhelm 47 Braun, Heinrich August 47 Braun, Jacob 46 Braun, Johannes 46 Braun, José Manuel 394, 458, 479 Braun, Julius 47 Braun, Justa Germana, geb. Rivero y Abril 218, 219, 220, 223, 241, 244, 254, 317, 324, 325 Braun, Ludwig Georg 7 Braun, Ludwig Melchior 47, 48 Braun, Ludwig Theodor 43, 45, 46, 47, 52, 58, 61, 354, 391 Braun, Luis 319, 394 Braun, Otto 391, 444, 461, 462, 463, 481 Bremen 32, 47, 64 Brion, Luis 82, 84, 87 Brown, Matthew 80 Brown, William 21 Brüssel 354 Buenos Aires 137, 142, 143, 144, 158, 233, 234, 293, 298, 300, 301, 341, 360, 443, 454 Buitrago, Manuel 225, 287, 290, 348, 367, 372, 373, 374, 396, 397, 399, 401, 404, 406, 407, 408, 409, 411, 420, 421, 494, 498, 499 C Cabello, Puerto 82 Cádiz 220, 353 Cajamarca 299 Callao 228, 237, 328, 330, 337, 344, 347 Calvo, Mariano Enrique 225, 227, 230, 240, 247, 249, 251, 258, 259, 260, 270, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 278, 284, 294, 297, 313, 318, 320, 348, 350, 351, 367, 368, 375, 406, 494

231, 262, 277, 322, 488,



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Camargo 169 Camba, Andrés García 34, 109, 129 Campero, Narcisco 313 Cangrejillos 305 Canning, George 358 Canterac, José de 106, 108, 110, 112 Cap-Haïtien 67, 71 Caracas 75, 82 Caraz 101 Cartagena 84, 85, 86, 87, 88, 89 Carvajal, Lucas 112, 113, 115, 119, 122, 134 Castilla, Ramón 33, 263, 467 Castillo, Juan Paz del 96 Cauca 198, 200, 205 Cerdeña, Blas 183, 300, 321, 327 Cerro de Pasco 102 Cerro Rico (Berg) 124, 125, 143, 492 Charleston 64 Chile 39, 40, 41, 75, 76, 92, 97, 98, 137, 192, 198, 209, 210, 211, 212, 225, 231, 232, 233, 234, 258, 275, 276, 278, 280, 286, 307, 328, 330, 332, 346, 347, 348, 349, 350, 352, 360, 361, 362, 363, 364, 373, 374, 375, 380, 383, 387, 393, 394, 395, 400, 401, 402, 403, 406, 407, 409, 411, 412, 413, 416, 419, 420, 423, 425, 428, 454, 480, 486, 499 Ciénaga 88 Cobija 192, 226, 232, 351, 361, 392, 394, 397, 399, 413 Cochabamba 135, 136, 141, 149, 150, 153, 154, 156, 160, 161, 162, 163, 164, 167, 172, 184, 226, 239, 243, 244, 272, 284, 320, 322, 328, 350, 368, 375, 494 Cochinoca 294, 296 Córdova, Jorge 393, 454, 458, 459, 464, 475, 477, 497, 498 Córdova, José María 33, 87, 88, 140, 151, 152, 157, 198, 200, 213 Córdova, Salvador 33 Corocoro 34, 120, 381, 384, 387, 413, 426, 428, 438, 460, 469, 470, 471, 473, 474, 479 Costa Rica 229 Cotagaita 284 Coyambuyo 309 Cruz Benavente, Juan de la 467 Cruz Paredes, José de la 152 Cuenca 198, 199, 200, 203, 206 Cuzco 104, 108, 176, 185, 210, 261, 262, 270, 271, 273, 274, 282, 323, 328

544 

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D Demarquet, Carlos Eloy 96, 97, 210 Desaguadero (Fluss) 143, 176, 180, 229, 260, 282, 351 Deutschland 26, 27, 32, 39, 45, 47, 59, 73, 287, 348, 353, 356, 363, 376, 381, 389, 392, 393, 413, 450, 461, 462, 465, 466, 467, 469, 481, 482, 487 Díaz, Julio 36, 482 Dilthey, Wilhelm 18 Dresden 60, 394, 414, 466 Drouyn de Lhuys, Éduard 16, 465, 480, 500 Droysen, Johann Gustav 18 Dupuy, Baron de 70 E Ecuador 13, 39, 75, 76, 91, 94, 106, 114, 140, 192, 212, 217, 218, 225, 231, 233, 238, 241, 332, 337, 339, 345, 346, 347, 348, 349, 350, 351, 352, 363, 364, 365, 369, 371, 378, 380, 388, 393, 403, 406, 407, 411, 492, 493, 498 Eisendecker 60 El Alto 171, 432 Elba 56 Elberfeld 54 Encalada, Manuel Blanco 232 Espinar, José D. 96 Estenós, Felipe Santiago 416 Eysaguirre, Policarpo 354, 467, 468, 477 F Fehrenbach, Elisabeth 48 Ferdinand VII. 74, 220 Ferguson, William 191, 195 Fernández, Ignacio 163 Fernández, Ruperto 475, 477, 478 Ferraz, Valentín 128 Figueredo, Miguel 169, 172, 173, 174 Flores, Juan José 33, 92, 114, 134, 136, 138, 140, 175, 180, 191, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 207, 210, 211, 213, 214, 217, 218, 225, 233, 241, 242, 243, 280, 327, 344, 345, 346, 347, 349, 350, 369, 378, 493, 495 Florida 66 Frankfurt 51, 53 Frankreich 47, 50, 51, 53, 54, 56, 57, 62, 67, 106, 231, 332, 347, 348, 352, 359, 364, 370, 373, 375, 379, 380, 383, 384, 385, 386, 387, 391, 393, 397, 413, 414, 431, 444, 454, 461, 462, 481, 491, 499

Franz II., Kaiser 44 Frías, Felix 420 Frías, Tómas 475, 476 Friedrich der Große 67, 74, 126, 127, 492 Friedrich Wilhelm I. 390 Fructuoso Peña 408 G Galindo, León 160, 182 Gallenga, Antonio 33 Gamarra, Agustín 114, 122, 134, 175, 176, 177, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 189, 195, 198, 199, 201, 207, 210, 211, 212, 213, 214, 220, 225, 227, 228, 229, 230, 233, 236, 244, 253, 255, 256, 261, 263, 280, 281, 321, 329, 331, 332, 333, 338, 343, 344, 345, 349, 350, 351, 361, 374, 378, 379, 406, 493, 495 García del Río, Juan 225, 233, 329, 395, 407, 409, 411, 412, 419, 499 Geraldino, Agustín 147, 169 Gervinus, Georg Gottfried 38 Gibbs & Sons 370, 384, 385, 388, 414, 419 Ginzburg, Carlo 19 Girón 207, 208, 209, 210, 280 Gorriti, Juana Manuela 38, 427, 439 Göttingen 60, 61, 62, 84, 487 Goytia, Gregorio Gómez de 395, 406, 407, 409, 410, 411 Grado, Sargento General 171 Granaderos a Caballo de la Guardia del Libertador 92, 94, 95, 97, 100, 101, 102, 109, 110, 112, 115, 118, 121, 122, 127, 128, 129, 135, 136, 141, 149, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 162, 164, 167, 169, 170, 171, 172, 174, 175, 176, 182, 183, 187, 192, 268, 418, 485, 492 Grimm, Jacob 53 Grimm, Ludwig Emil 53 Grimm, Wilhelm 50, 51, 53 Grönland 63 Großbritannien 14, 32, 46, 47, 50, 64, 231, 233, 236, 287, 332, 347, 348, 349, 352, 353, 357, 358, 359, 360, 361, 362, 363, 364, 366, 369, 370, 375, 379, 380, 383, 384, 389, 393, 413, 414, 431, 455, 481, 498, 499 Groß-Kolumbien 75, 76, 85, 86, 90, 92, 94, 96, 97, 114, 123, 136, 137, 138, 139, 140, 145, 157, 166, 175, 180, 188, 189, 192, 197, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 217, 218, 355, 411, 493, 494

Register

Grube, Otto 35, 36, 48, 49 Guayaquil 92, 94, 95, 96, 97, 98, 100, 175, 187, 192, 198, 199, 200, 202, 203, 205, 210, 213, 218, 347, 348, 352, 363, 364, 369, 371, 397, 405, 406, 498, 499 Guerra, Pedro José de 347, 348, 367, 375, 376, 377, 396, 397, 398, 399, 400, 401, 404, 406, 407, 409, 411, 421, 498, 499 Guitierrez, Eusebio 328 Gurruchaga, Victoriano 384, 385, 386, 387, 388, 413, 419 H Haiti 13, 39, 44, 62, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 81, 82, 83, 84, 487, 490, 491 Halle (Saale) 32 Hamm 54 Hannover 50, 58, 59, 60, 61, 487 Harten, H. von 71 Hasbrouck, Alfred 80 Hausberger, Bernd 22 Havemann, Konrad August 58 Heiliges Römisches Reich deutscher Nation 44 Hellmann, Christian 413 Hellmann, Georg 387, 388, 389, 413 Henri Christophe (Henri I.) 44, 65, 66, 67, 68, 71 Heredia, Alejandro 235, 292, 296, 298, 299, 300, 301, 303, 304, 305, 306, 307, 314, 315, 319, 342 Heredia, Felipe 235, 293, 299, 300, 307 Heres, Tomás de 206 Heros, Francisco de los 370, 385, 414 Herrán, Pedro Alcántara 134, 135, 152, 417, 418 Herrera, Ramón 225, 230, 244, 262, 268, 331, 402, 403, 404, 405, 495, 499 Herrera, Tomás 408 Hoch-Peru 13, 75, 100, 102, 104, 105, 124, 137, 141, 142, 143 Hornillos 305 Huacalera 305 Huamachuco 101 Huaraz 101, 102, 129 Huaura 230 Humahuaca 235, 296, 304, 308 Húsares de Bogotá 89, 91 Huth Grüning & Co. 387, 388, 419 I Ibarra 96 Infante, Facundo 146, 147, 178, 180



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Ingavi 351, 377, 394, 396, 398, 399, 406, 429 Iruya 235, 294, 296, 298, 305, 308, 309, 311, 314 Islay 329, 379, 392, 394, 410 J Jamaica 352, 375, 376, 392, 394 Jujuy 234, 235, 293, 297, 299, 301, 304, 305, 314, 316, 443 Junín 13, 39, 40, 56, 66, 73, 74, 102, 103, 104, 106, 112, 113, 114, 115, 117, 118, 119, 120, 122, 123, 125, 126, 127, 128, 133, 134, 139, 141, 144, 159, 189, 206, 214, 220, 268, 286, 288, 317, 342, 344, 381, 390, 419, 436, 460, 461, 464, 471, 481, 485, 488, 491, 492, 493, 498, 500 K Kahle, Günter 35 Kanada 66 Karthago 278 Kinkel, Gottfried 462 Klein, Christian 19 Koblenz 53, 54 Köln 54 Kolumbien 13, 32, 39, 69, 75, 76, 81, 82, 83, 84, 89, 91, 93, 94, 95, 106, 124, 137, 138, 140, 153, 166, 167, 179, 180, 182, 188, 189, 190, 192, 194, 198, 199, 200, 201, 207, 208, 209, 210, 215, 217, 218, 225, 231, 233, 240, 241, 242, 354, 393, 418, 485, 492, 498 Kracauer, Siegfried 18 Krochmann, G. 71 L La Fuente, Antonio Guitérrez de 210 Lago de Chinchaycocha 106 La Mar, José de 121, 125, 198, 199, 200, 201, 204, 205, 207, 208, 210, 213 Lambert, Eric 80 Lanza, Gonzalo 447 Lanza, José Miguel 179 La Puna 292, 294, 297, 299, 305, 306, 319 La Quiaca 282, 296, 305 Lara, Jacinto 121 Lara, José María 122, 125, 227, 251, 259, 260 La Serna, José de 98, 104, 105, 121, 418 Le Havre 62, 385 Leipzig 50 Lima 32, 97, 98, 99, 100, 104, 120, 136, 143, 145, 173, 176, 187, 195, 209, 210, 212,

546 

Register

218, 228, 234, 236, 237, 258, 263, 282, 284, 316, 328, 361, 362, 365, 366, 375, 396, 398, 399, 401, 409, 420, 442, 445, 457, 499 Linares, José María 328, 354, 423, 424, 425, 426, 428, 432, 454, 455, 457, 458, 464, 465, 467, 474, 475, 476, 477, 479, 497, 498 Lippstadt 54 Locumba 338 Loja 200, 204, 205, 208 London 32, 46, 145, 252, 348, 353, 354, 356, 357, 358, 359, 360, 362, 363, 365, 367, 370, 376, 379, 384, 385, 386, 387, 388, 389, 394, 414, 419, 462, 466, 498 López de Quiroga, Francisco 153, 163, 178, 302 López, Manuel Antonio 33, 110, 118 López Méndez, Luís 354 Loza, José Manuel 348, 367, 368, 498 Lozano y Lozano, Fabio 38 Luxemburg 54, 55 M Magdalena (Fluss) 87, 89 Maimará 305 Mallo, Jorge 33, 177 Marburg 32, 461 Margarita (Insel) 82 Martin, Karl 36 Marx, Karl 25 Matute, Domingo 135, 151, 154, 155, 157, 158, 159, 164, 167, 172, 174, 175, 202 Medinacelli, Carlos 105 Melsungen 32, 47 Mendiburu, Manuel de 379 Mendizábal, José María 144 Mesa Gisbert, Carlos 32 Metternich, Klemens Wenzel Lothar von 280 Metz 54 Mexiko 231 Middendorf, Ernst W. 38 Miller, William 33, 86, 112, 114, 115, 117, 118, 119, 121, 122, 125, 133, 134, 191, 222, 224, 233, 286, 287, 329, 355, 356 Miranda, Francisco de 77, 78, 353 Mojo 298, 305 Moncayo, Pedro 203, 204 Montenegro (Berg) 235, 277, 309, 310, 311, 312, 314, 319, 322, 326, 330, 333, 335, 340, 342, 345, 357, 369, 390, 396, 409, 480, 482, 483, 485, 491 Montilla, Mariano 84, 87, 88

Mora, José Joaquín de 225, 252, 253, 348, 354, 356, 357, 358, 363, 365, 366, 367, 370, 495, 498 Morán, Trinidad 163, 236, 262, 327, 412, 416, 417 Moskau 50 Mosquera, Tomás Cipriano de 33, 134, 210, 218, 225, 242, 416, 417, 418 Mossbach, Ernst 34, 464, 465, 469, 470, 471, 473, 474, 479, 482, 497 Mozart, Wolfgang Amadeus 356 München 32, 466 Muñecas, Ildefonso de las 282 N Nabón 205 Napoleon 13, 27, 43, 44, 45, 48, 49, 50, 56, 73, 74, 77, 80, 97, 127, 484, 487 Napoleon III. 481 Napoleon, Louis 16, 461, 462, 463, 499 Necochea, Mariano 108, 110, 115, 117, 118, 119, 139, 268 Neuber, Ludwig 71 New York 62, 63, 64 Nipperdey, Thomas 73 Nölle, Wilfried 36, 37 O Obando, José María 416, 417, 418 O’Brien, John Thomond 300 O’Connor, Francisco Burdett 74, 83, 84, 85, 87, 88, 108, 109, 113, 114, 118, 119, 120, 122, 128, 130, 132, 133, 134, 135, 155, 158, 191, 225, 230, 239, 260, 268, 270, 288, 290, 291, 309, 314, 319, 321, 331, 428, 439, 488 Olañeta, Casimiro 105, 143, 144, 178, 227, 231, 232, 348, 354, 367, 372, 373, 374, 388, 396, 398, 400, 401, 407, 409, 411, 412, 413, 425, 428, 446, 455, 494, 498 Olañeta, Pedro Antonio de 104, 105 O’Leary, Daniel F. 85, 114, 118, 125, 174, 191, 195, 200, 204, 206, 207, 211, 280 Oña 205 Orbegoso, Luis José de 206, 207, 225, 228, 229, 230, 236, 237, 258, 260, 280, 281, 321, 324, 495 Oruro 161, 180, 181, 184, 243, 244, 270, 271, 272, 273, 274, 282, 284, 289, 292, 303, 319, 323, 328, 408 Österreich 48, 56 Ostpreußen 50 Otuzco 101

Register

P Paderborn 54 Páez, José Antonio 33, 138, 139, 140 Paita 200, 205, 209 Palmerston, Lord Henry John Temple 14, 16, 353, 356, 357, 358, 360, 361, 362, 363, 364, 365, 461, 499 Panamá 352, 372, 394, 457 Paraguay 137 Paris 54, 56, 62, 348, 354, 375, 376, 385, 387, 391, 398, 414, 442, 443, 444, 450, 452, 453, 454, 456, 462, 463, 465, 467, 468, 480, 481, 499 Parkerson, Philipp T. 228, 312 Passamán, José 225, 244, 253, 401, 402, 499 Pasto 92, 93, 94, 95, 96, 99, 418 Paucarpata 234, 236, 303, 304 Paula Santander, Francisco de 33, 89, 138, 139, 140, 149, 155, 157, 175, 199, 200, 233, 354, 355, 356 Peruanisch-bolivianische Konföderation 14, 41, 221, 225, 230, 231, 232, 233, 235, 236, 237, 244, 252, 254, 257, 272, 273, 278, 280, 281, 283, 284, 289, 292, 299, 301, 305, 311, 314, 316, 326, 327, 329, 330, 332, 336, 338, 340, 343, 348, 349, 354, 358, 360, 361, 362, 373, 377, 379, 385, 402, 405, 412, 425, 439, 441, 444 Pétion, Alexandre 67 Pezuela, Joaquín de 98 Philadelphia 62, 64 Pichincha 81, 94, 95, 101, 180 Pinto, Jorge T. 382, 413, 427 Piquiza 186, 188 Pisco 98 Piura 366 Pius IX., Papst 451 Plaza, José María 153 Pontezuelo 381, 472 Popayán 93, 95, 198 Portales, Diego 33, 232, 233 Potosí 31, 124, 143, 145, 153, 169, 178, 184, 186, 243, 284, 292, 328, 384, 485, 492 Preußen 49, 50, 51, 56, 126 Puch, Manuel 158, 159 Puno 185, 228, 229, 260, 264, 265, 266, 267, 328 Q Quiroga, Facundo 158 Quito 75, 77, 84, 92, 93, 94, 96, 138, 193, 194, 198, 199, 200, 345, 348, 471



547

R Renouard, Carl 55 Rhein 54 Riego, Rafael del 76, 92 Riobamba 81, 94, 95 Riohacha 82 Riva Agüero, José Mariano de la 99, 100, 101, 354 Rivero, José 221, 329, 345, 348, 378, 415, 498 Rivero, José Manuel 219 Rivero, José Tadeo 221 Rivero, Manuel 221 Rivero, Maria Joséfa Abril de 414 Rivero, Mariano 220, 221, 353 Rivero y Araníbar, Manuel José de 220, 221, 222 Rocafuerte, Vicente 233, 354 Rodero 305 Rodríguez, Manuel 397, 421 Rosas, Juan Manuel de 232, 233, 234, 235, 283, 293, 298, 299, 300, 301, 314, 315, 342, 343, 434 Russland 48, 50, 52 S Saarlouis 54 Sáenz, Pedro 292, 434, 442, 443, 444, 446, 448, 450, 451, 453, 454, 455, 456, 457, 459, 499 Sagárnaga, Manuel 337 Salaverry, Felipe Santiago 228, 229, 230, 244, 263, 264, 265, 266, 267, 268, 270, 307, 416, 489 Salta 234, 235, 293, 299, 301, 305, 314, 316, 327, 340, 341, 343, 384, 455 Sánchez, Antonio Saturnino 153 Sánchez, Manuel Antonio 475, 477 Sandoval, Antonio 163 San Martin, José de 76, 92, 94, 95, 98, 99, 258, 354 Sanmillán, Rosendo 340, 342 San Roque 171, 179 Santa Barbara 235, 296 Santa Catalina 294 Santa Marta 86, 88, 89, 140, 488 Santa Victoria 294, 306 Santiago de Chile 348, 373, 395, 407, 409, 411, 412, 419, 499 Schelchkov, Andrey 434 Schurz, Carl 462 Segovia del Risco, Pablo Manuel 218, 219 Segovia, Juana Rivero de 218, 219, 414

548 

Register

Seoane, José 354, 384, 385, 386, 387, 388, 392, 413, 415, 419 Serrano, José Mariano 144, 189, 191 Sicuani 230 Silva, Laurencia 112, 113, 115 Socabaya 229, 267, 268, 269, 270, 271, 273, 278, 281, 312 Solá, Manuel 327, 340, 341, 342, 343, 495 Sotomayor Valdés, Ramón 475, 476, 478, 479 Soublette, Carlos 166, 191 Spanien 48, 49, 52, 75, 76, 77, 92, 141, 280, 359, 390, 425, 483 Stricker, Wilhelm Friedrich 38 Suárez, Manuel Isidoro 112, 118 Sucre, Antonio José de 13, 17, 32, 74, 93, 95, 96, 100, 101, 103, 104, 105, 113, 114, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 128, 129, 133, 134, 135, 136, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 151, 154, 155, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 164, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 185, 186, 187, 188, 189, 191, 192, 193, 194, 197, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 206, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 214, 222, 234, 236, 255, 291, 323, 333, 373, 429, 430, 464, 492 Sutcliffe, Thomas 38 T Tacna 176, 177, 192, 230, 262, 270, 271, 273, 275, 276, 278, 279, 303, 347, 348, 372, 379, 384, 387, 388, 389, 394, 396, 397, 398, 401, 402, 409, 410, 413, 419, 420, 426, 442, 445, 446, 455, 457, 460, 474, 499 Tapacarí 230, 273 Tapia, José Agustín de la 348, 367, 374, 375, 438, 442, 449, 450, 477, 498 Tapia, Luis de la 431, 432 Tarata 160 Tarija 136, 233, 235, 285, 298, 299, 302, 308, 309, 311, 328, 439 Tarma 117 Tarqui 207, 209, 260, 345, 390 Téllez, José Gabriel 431, 439 Texas 66 Thionville 54, 55 Tilcara 305 Tilsit 44

Torato 266 Torre Tagle, José Bernardo 99 Torrico, Andrés María 224, 231, 269, 318 Torrico, Juan Crisóstomo 365, 373, 374, 400 Trier 54 Triunfo, José del Carmen 225, 242 Trujillo 99, 100, 101 Tschudi, Johann Jakob von 38 Tucumán 234, 235, 292, 293, 299, 301, 314, 316 Tumbaya 305 Tupiza 284, 298, 305, 309, 319, 328 Turin 468 U Uquia 305 Urcullu, Manuel María 165, 166, 335 Urdíninea, José María Perez de 172 Uripa 134 Uruguay 137 USA, Vereinigten Staaten 13, 44, 46, 61, 62, 63, 65, 66, 69, 72, 83, 231, 359, 487, 490, 491 Uslar, Johann von 85 V Valle, Evaristo 475, 476 Valle, José María del 388, 413, 419 Valparaíso 209, 211, 212, 232, 233, 278, 352, 361, 362, 384, 387, 389, 392, 394, 396, 397, 400, 402, 407, 410, 412, 419, 423 Velasco, José Miguel de 31, 225, 227, 238, 239, 246, 249, 251, 258, 290, 291, 313, 319, 321, 322, 323, 324, 325, 327, 328, 329, 330, 331, 332, 333, 334, 335, 337, 338, 339, 340, 343, 344, 348, 350, 351, 367, 368, 372, 373, 374, 375, 377, 379, 393, 396, 400, 406, 419, 423, 424, 425, 426, 427, 428, 429, 454, 455, 474, 494, 495, 498 Velásco, Manuel Sánchez de 34, 148, 183 Venezuela, Generalkapitanat von Caracas 13, 39, 69, 75, 76, 89, 90, 91, 106, 137, 138, 140, 192, 217, 218, 492, 498 Victoria, Königin 364 Viel, Benjamín 211, 225, 258, 395, 495 Vilaque 328 Villa, José 206 Virto, Manuel 308 Voltíjero 167, 168, 170, 172, 174, 175, 176, 177, 193, 202, 493

Register

W Walpole, John 361 Warburg 54 Waterloo 56 Westfahlen, Königreich 48 Wien 60, 80, 466 Wilhelm I., Kurfürst 45 Wilson, Belford Hinton 191, 287, 361 Wilson, Hugo (Hugh) 134, 379 Y Yanacocha 229, 260, 261, 262, 268, 278 Yañez, Plácido 477, 478, 479



549

Yavi 294, 296, 305 Yungas 120, 381, 470 Yungay 101, 127, 129, 133, 237, 325, 326, 327, 328, 330, 333, 372, 374 Z Zavala, José Garitáno 375, 384, 385, 386, 387, 388, 402, 413 Zepita 99, 138, 225, 429 Zuviría, Facundo de 341, 453, 454, 456, 495, 499

JAHRBUCH FÜR GESCHICHTE L ATEINAMERIK AS – ANUARIO DE HISTORIA DE AMERICA LATINA HERAUSGEGEBEN VON THOMAS DUVE, SILKE HENSEL, ULRICH MÜCKE, RENATE PIEPER, BARBARA POTTHAST

Als erste Fachzeitschrift zur lateinamerikanischen Geschichte in Europa, die nach dem Zweiten Weltkrieg außerhalb Spaniens und Portugals erschienen ist, hat das „Jahrbuch“ anerkannte Pionierarbeit geleistet. Fachwissenschaftler des deutschsprachigen Raums, aus den übrigen westeuropäischen Staaten, aus Nord- und Lateinamerika sowie aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks kommen darin zu Wort. So übt das „Jahrbuch“ mit seinen in Spanisch, Portugiesisch, Englisch, Französisch oder Deutsch publizierten Beiträgen eine Brückenfunktion aus, die fruchtbaren geistigen Austausch fördert. Das Jahrbuch 35/1998 erscheint in neuer Gestaltung und mit einer neuen Sektion „Forum“, die dem kritischen Dialog gewidmet ist. BAND 50 (2013)

BAND 48 (2011)

THOMAS DUVE, SILKE HENSEL,

RENATE PIEPER (HG.)

ULRICH MÜCKE, RENATE PIEPER,

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2013. 385 S. 11 S/W-ABB. UND GRAFIKEN. GB. ISBN 978-3-412-22232-1 BAND 49 (2012) THOMAS DUVE, SILKE HENSEL, ULRICH MÜCKE, RENATE PIEPER, BARBARA POTTHAST (HG.)

ERSCHEINUNGSWEISE: JÄHRLICH ISSN 1438-4752 JAHRGANG: AUF ANFRAGE ERSCHEINT SEIT: 1964

2012. 364 S. 19 TAB. UND GRAFIKEN. GB. ISBN 978-3-412-21078-6

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

LATEINAMERIK ANISCHE FORSCHUNGEN BEIHEF TE ZUM JAHRBUCH FÜR GESCHICHTE LATEINAMERIK AS HERAUSGEGEBEN VON THOMAS DUVE, SILKE HENSEL, ULRICH MÜCKE, RENATE PIEPER UND BARBARA POT THAST

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