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SEBASTIAN MAASS
Oswald Spengler
Oswald Spengler Eine politische Biographie
Von Sebastian Maaß
Duncker & Humblot · Berlin
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Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Kindheit und Jugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3. Der Untergang des Abendlandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 4. Preußentum und Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 5. Neubau des Deutschen Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 6. Rückzug in die Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 7. Der Mensch und die Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 8. Das Ende der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 9. Jahre der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 10. Oswald Spengler im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . 93 11. Schlußbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
1. Einleitung Oswald Spengler ist einer der wenigen Autoren der Konservativen Revolution, die auch außerhalb von Fachkreisen noch einen gewissen Bekanntheitsgrad besitzen. Dieser Umstand ist hauptsächlich seinem geschichtsphilosophischen Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes“ (1918) geschuldet, in dem er den ambitionierten Versuch unternahm, die Geschichte der Kulturen zu erklären und ihren weiteren Verlauf vorauszusagen. Der Glaube an den Rationalismus und immerwährenden Fortschritt war durch das Erlebnis des 1. Weltkrieges schwer erschüttert worden, weshalb das Buch mit seiner antiliberalen und fortschrittsskeptischen Stoßrichtung auf Begeisterung stieß. Nachdem das Werk innerhalb kürzester Zeit zum „Bestseller“ avanciert war, befand sich Spengler in einer komfortablen Ausgangslage, auch als politischer Schriftsteller in Erscheinung treten zu können. Sein politisches Schaffen soll dann auch in der vorliegenden Studie prioritär herausgearbeitet werden. Der wohl profilierteste Forscher und Kenner der Konservativen Revolution, Armin Mohler1, bezeichnete Spengler in seiner Dissertation über die „Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932“2 neben Akteuren wie Thomas Mann, Carl Schmitt3, Hans Blüher, Ernst Jünger4 und Friedrich Georg Jünger als „herausragenden Autoren“ dieser Ideenbewegung. Der Terminus Konservative Revolution war dabei keine Neuschöpfung Moh1 Vgl. Karlheinz Weißmann: Armin Mohler: eine politische Biographie, Schnellroda 2011. 2 Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932, Stuttgart 1950. 3 Vgl. Helmut Quaritsch: Positionen und Begriffe Carl Schmitts, Berlin 1995. 4 Vgl. Sven Olaf Berggötz (Hrsg.): Ernst Jünger – Politische Publizistik 1919–1933, Stuttgart 2001.
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lers. Bereits 1927 hatte Hugo von Hofmannsthal in seiner Rede „Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation“5 den Begriff verwendet. Einige Jahre später benutzte ihn auch der jungkonservative Publizist Edgar Julius Jung.6 Doch erst Mohler systematisierte den Ausdruck in seiner akademischen Grundlagenarbeit, woraufhin er sich rasch ausbreitete. Heute ist der Terminus der Konservativen Revolution fester Bestandteil des akademischen Diskurses, woran auch der Soziologe Stefan Breuer nichts ändern konnte. Dieser versuchte in seiner Arbeit über die „Anatomie der Konservativen Revolution“7 den Begriff „Neuer Nationalismus“ zu etablieren, was letztendlich aber scheiterte. Mohler faßte unter der Bezeichnung Konservative Revolution fünf Hauptgruppen zusammen: die Völkischen, die Jungkonservativen, die Nationalrevolutionäre, die Bündischen und das Landvolk. Neben Edgar Julius Jung, Arthur Moeller van den Bruck, Othmar Spann und Wilhelm Stapel war Spengler der wohl profilierteste Vertreter der Jungkonservativen. Bei den Jungkonservativen handelte es sich um keine fest organisierte Gruppierung, sondern hauptsächlich um einflußreiche Einzelpersonen, die sich in losen Zirkeln und um Zeitschriften formierten. Das intellektuelle Niveau war dabei so hoch, daß breite Bevölkerungsgruppen kaum angesprochen werden konnten. Dies war auch nicht das Ziel. Vielmehr versuchte man, durch metapolitische Grundlagenarbeit, staatspolitische Programmatik und Erziehungsarbeit die Führungsschicht zu beeinflussen und auch unmittelbar auf die Bildung einer mit jungkonservativen Zielsetzungen konformen Elite hinzuarbeiten. Auf der konkreten politischen Ebene strebten die Jungkonservativen die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie 5 Hugo von Hofmannsthal: Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation. Rede, gehalten im Auditorium Maximum der Universität München am 10. Januar 1927, München 1927. 6 Edgar Julius Jung: Deutschland und die konservative Revolution. In: Deutsche über Deutschland: Edgar Julius Jung (Hrsg.): Die Stimme des unbekannten Politikers, München 1932, S. 369–383. 7 Stefan Breuer: Anatomie der Konservativen Revolution, Darmstadt 1993.
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und des dazu gehörigen Parteiwesens an. Ihrer aristokratischen Auffassung entsprechend propagierten sie ein Führertum, das sich aus den besten Elementen des Volkes zusammensetzen sollte. Dem Rationalismus der Aufklärung setzten sie das Ideal einer organischen Gliederung von Staat und Gesellschaft entgegen. Den Thesen Carl Schmitts folgend befürworteten die Jungkonservativen die Errichtung eines „starken“ Staates, was praktisch durch die Beseitigung pluralistischer Strukturen in die Wege geleitet werden sollte. Ein zentrales Wesensmerkmal ihrer Weltanschauung war die Rückbesinnung auf das Konzept des mittelalterlichen Reiches, das durch ständischen Aufbau gekennzeichnet ist. Der Gedanke des „dritten Reiches“ (Arthur Moeller van den Bruck) zielte auf die Errichtung eines hierarchischen europäischen Staatensystems ab, in dem selbstverständlich Deutschland eine führende Rolle einnehmen sollte. Für egalitäre Planspiele der Linken hatten die Jungkonservativen kein Verständnis. Weder Menschen noch Völker könnten ihrer Auffassung nach gleichwertig sein. Vielmehr gebe es natürlich um Rangstufen, durch die erst ein ganzheitliches Miteinander möglich werde. Die konservativen Revolutionäre dürfen keinesfalls trotz gewisser Schnittpunkte mit den Reaktionären verwechselst werden, die vergangene Zustände wieder aufleben lassen wollten. Wenn auch Traditionslinien – bei den Völkischen das alte Germanentum und bei den Jungkonservativen das Mittelalter – eine herausragende Rolle einnahmen, handelte es sich im Kern um eine revolutionäre Ideenströmung, deren Hauptziel es war, „Dinge zu erschaffen, deren Erhaltung sich lohnt“. Freilich verfolgten die einzelnen jungkonservativen Akteure recht unterschiedliche Strategien, um ihre Ziele zu erreichen. Doch bildeten sie dennoch eine geistige Gemeinschaft, die durch ein gemeinsames Lebensgefühl zusammengehalten wurde. Mohler hatte nicht unrecht, wenn er die konservativen Revolutionäre als Trotzkisten des Nationalsozialismus bezeichnete. Schließlich gab es gewisse Schnittmengen: Beispielsweise die Gegnerschaft gegen die Weimarer Republik und der Wille, die Bestimmungen des Versailler Vertrages außer Kraft zu setzen.
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Dennoch muß die Konservative Revolution als eine Ideenströmung aufgefaßt werden, die strikt vom Nationalsozialismus zu trennen ist. Sieht man einmal von den Völkischen ab, die weniger Berührungsängste mit dem Nationalsozialismus hatten, fällt sofort ins Auge, daß die Weltanschauung der Konservativen Revolution nicht mit der nationalsozialistischen Doktrin vereinbar ist. Biologistische Rassenlehre, demagogische Lenkung der Massen und totalitäre Bestrebungen waren Wesensmerkmale der Hitler-Bewegung, die Männer wie Carl Schmitt, Edgar Jung, die Brüder Jünger, Arthur Moeller van den Bruck, Othmar Spann und Wilhelm Stapel, um nur einige herausragende Köpfe zu nennen, in keiner Weise teilten. Insofern darf es auch nicht verwundern, daß das NS-Regime hart gegen die „Abweichler“ vorging: So wurde Spann in einem Konzentrationslager schwer mißhandelt, Stapel in seinen Publikationsmöglichkeiten beschnitten und Jung ermordet. Viele – an dieser Stelle sei exemplarisch auf Friedrich Georg Jünger verwiesen – wählten die innere Emigration oder wanderten aus (Thomas Mann). Der Verfasser ist zu dem Ergebnis gelangt, daß es sich bei der Konservativen Revolution um eine vom Nationalsozialismus abgrenzbare Ideenbewegung handelt, weil es neben dem objektiv schwer faßbaren Zusammengehörigkeitsgefühl ihrer Akteure unüberwindbare weltanschauliche Differenzen zur NS-Doktrin gab. Dieser Tatbestand wird nur marginal durch die wenigen „Überläufer“ angetastet. Auch Mohler kam zu der Auffassung, daß alle Untergruppierungen der Konservativen Revolution miteinander verknüpft seien. Als wesentliches verbindendes Merkmal arbeitete er das „Weltbild der ewigen Wiederkehr“ heraus, das er konfrontativ dem linearen Denken des Christentums, dem liberalen Fortschrittsdenkens und dem Marxismus gegenüberstellte. Mohlers These lag die Erkenntnis zugrunde, daß alle großen Religionen vor dem Christentum die Welt zyklisch begriffen hätten. Dieser Zustand sei durch das Christentum zerstört worden, das den Kreuzestod Christi und das Jüngste Gericht als singuläre Ereignisse aufgefaßt habe, die durch eine gerade Linie miteinander verbunden seien. Dieses lineare Denken sei auch von den Mar-
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xisten und Fortschrittlern übernommen worden, deren Denken zwar nicht auf das Jüngste Gericht ausgerichtet ist, sondern auf die klassenlose Gesellschaft und das allgemeine Menschheitsglück. Durch die Hinwendung der konservativen Revolutionäre zum zyklischen Weltbild sei es gleichzeitig zu einer grundsätzlichen Unverträglichkeit von Konservativer Revolution und dem Christentum gekommen. Im Hinblick auf Autoren wie Spengler oder Ernst Jünger muß man dieser These einen gewissen Wahrheitskern zugestehen. Mohler vernachlässigte jedoch sträflich, daß es durchaus Personen gab – an dieser Stelle sei insbesondere Stapel hervorgehoben – die durchaus zyklisches Denken und christliche Theologie harmonisch miteinander verbinden konnten. Insofern ist diese These mit Vorsicht zu genießen. Dennoch ist der Verfasser zu der Ansicht gelangt, daß sie in modifizierter Form durchaus haltbar ist: So ist das aufgeklärtliberale Christentum, das an einen allgemeinen Menschheitsfortschritt glaubt und nicht selten mit neomarxistischen Gedankengut konform geht, in der Tat nicht mit den Zielsetzungen der Konservativen Revolution vereinbar. Hingegen kann ein Christentum, das noch keine Symbiose mit der liberalen Doktrin eingegangen ist – in neuerer Zeit bewies der Pfarrer Hans Milch8 die Möglichkeit einer solchen antiliberalen Position – durchaus mit konservativ-revolutionärem Gedankengut in Einklang gebracht werden. Das Denken Friedrich Nietzsches9 nahm innerhalb der Konservativen Revolution eine herausragende Rolle ein. In Nietzsches Werk finden sich zahlreiche Hinweise auf eine epochale Wende, an deren Ende die Hinwendung zur „ewigen Wiederkunft“ stehe. Mohler glaubte fest daran, daß die von Nietzsche prophezeite Wende, die erst Zerstörung, dann Schöpfung bringen sollte, eine der wesentlichen Antriebsfedern der Konservativen Revolution gewesen sei. Mohlers Ansatz war stark durch 8 Vgl. Wolfgang Schüler: Pfarrer Hans Milch. Eine große Stimme des katholischen Glaubens; mit einer Kritik am Zweiten Vatikanischen Konzil, 2. Bände, Hattersheim 2005. 9 Vgl. Ernst Nolte: Nietzsche und der Nietzeanismus, 2. Auflage, München 2000. (1. Auflage: 1990)
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das Schrifttum der Jünger-Brüder und Spenglers beeinflußt, deren Publikationen auch tatsächlich in eine solche Richtung interpretiert werden können. Es ist jedoch fraglich, ob gemäßigtere Jungkonservative wie etwa Spann tatsächlich als Träger eines „deutschen Nihilismus“ vernichtend in Erscheinung treten wollten, da sie zu stark mit dem Bürgertum verknüpft waren, das – sofern man Nietzsche radikal zu Ende denkt – den Vernichtungswillen am stärksten zu spüren bekommen hätte. Insofern wird deutlich, daß Mohlers ursprüngliche Thesen nicht mehr ganz zeitgemäß sind und aufgrund ihrer Philosophie-Lastigkeit – nicht umsonst promovierte er sich im Fach Philosophie – nicht die optimale Grundlage für historische Forschungen sind. Es wäre jedoch vollkommen abwegig, aufgrund genannter Defizite, den Terminus Konservative Revolution modifizieren oder ersetzen zu wollen, hat er sich doch im akademischen Sprachgebrauch weitgehend durchgesetzt. Darüber hinaus ermöglichte es Mohlers umfangreiche Bibliographie, die in jahrzehntelanger Arbeit aktualisiert wurde, einer ganzen Forschergeneration, sich einem weitläufigen Themenkomplex zu nähern, ohne darin unterzugehen. Trotz der unbestreitbaren Verdienste Mohlers war eine zeitgemäße Fassung seines lexikarischen Grundlagenwerkes unabdingbar. Diese anspruchsvolle Aufgabe übernahm der Historiker Karlheinz Weißmann, der die sechste, vollkommen überarbeitete Ausgabe der „Konservativen Revolution in Deutsch land“10 2005 veröffentlichte, die neben einer aktualisierten Bibliographie durch eine nüchterne historische Perspektive hervorsticht. Die vorliegende Studie wird neben einer bündigen Darstellung von Spenglers Biographie insbesondere auf dessen politische Publizistik eingehen. Dabei wird herausgearbeitet werden, daß Spengler trotz seiner Einbindung in die jungkonservative Geisteswelt stets ein eigenständiger und eigenwilliger Denker blieb, der sich zeitlebens gegen eine Instrumentalisierung seiner 10 Armin Mohler / Karlheinz Weißmann: Die Konservative Revolu tion in Deutschland 1918–1932, 6. Auflage, Graz 2005. (1. Auflage: 1950)
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Person für politische Zwecke verwehrte, aber dennoch als zentraler Ideengeber der Konservativen Revolution fungierte. Die Sekundärliteratur über Spengler ist unüberschaubar. Bereits kurz nach der Veröffentlichung des „Untergang des Abendlandes“ erschienen zahlreiche Beiträge, die sich wissenschaftlich mit dem Ausnahmewerk auseinandersetzten. Darüber hinaus erschien eine Fülle an „Weltanschauungsliteratur“, die ein eindrucksvolles Zeugnis von Spenglers Wirkmächtigkeit gibt. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die hier neuere Sekundärliteratur gegeben werden. Grundlegend ist immer noch die Biographie des Nachlaßverwalters Anton Mirko Koktanek „Oswald Spengler in seiner Zeit“11, die tiefgehende Einblicke in das Leben des Philosophen ermöglicht. Empfehlenswert ist die Dissertation Frits Botermans „Oswald Spengler und sein Untergang des Abendlandes“12, in der Leben und Werk Spenglers ausführlich dargestellt werden. Eine nüchterne historische Aufarbeitung, die insbesondere das primäre Schrifttum des Philosophen in den Blick nimmt, bietet Detlef Felken mit seinem Band „Oswald Spengler. Konservativer Denker zwischen Kaiserreich und Diktatur.“13 Darüber hinaus sei noch das kleine Bändchen von Jürgen Naeher „Oswald Spengler – mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten“14 erwähnt, das interessante Materialen, 11 Anton Mirko Koktanek: Oswald Spengler in seiner Zeit, München 1968. – Koktanek hat die seit Jahrzehnten immer wieder referenzierte grundlegende Spengler-Bibliographie erstellt, auf die sich Botermans, Weißmann, Lisson und zahllose weitere Forscher immer wieder berufen und die sie kopiert haben. Leider muß Koktaneks – mittlerweile sogar im Internet frei einsehbare – Bibliographie als extrem fehlerbehaftet bezeichnet werden: Die dort firmierenden Zeitungs- und Zeitschriftenaufsätze Spenglers finden sich fast sämtlich nicht am angegebenen Orte! Für diesen wertvollen Hinweis ist der Verfasser Herrn Martin Falck zu Dank verpflichtet. 12 Frits Botermans: Oswald Spengler und sein Untergang des Abendlandes, Köln 2000. 13 Detlef Felken: Oswald Spengler. Konservativer Denker zwischen Kaiserreich und Diktatur, München 1988. 14 Jürgen Naeher: Oswald Spengler – mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Hamburg 1984.
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wie etwa Zeichnungen Spenglers, beinhaltet. Wenn auch eine Spengler-Renaissance in absehbarer Zeit kaum zu erwarten ist, besteht nach wie vor ein Interesse an der Jahrhundertpersönlichkeit: 2005 veröffentliche Frank Lisson eine kleine Studie mit dem Titel „Oswald Spengler. Philosophie des Schicksals“15, in der er Spengler als Vorausdenker der heutigen Zustände würdigte. Herauszuheben ist auch die kürzlich erschienene Dissertation von Michael Thöndl „Oswald Spengler in Italien“16, die aufzeigt, wie intensiv Spengler auch jenseits der deutschen Landesgrenzen rezipiert wurde. Und schlußendlich ist auf die exzel lente Einführung in Spenglers Denken von Martin Falck zu verweisen, die der jüngst neu editierten Spenglerschen Aufsatzanthologie „Zyklen und Cäsaren – Mosaiksteine zu einer Philosophie des Schicksals“ vorangestellt ist.
15 Frank Lisson: Oswald Spengler. Philosoph des Schicksals, Schnellroda 2005. 16 Michael Thöndl: Oswald Spengler in Italien. Kulturexport politischer Ideen der „Konservativen Revolution“, Leipzig 2010.
2. Kindheit und Jugend Oswald Arnold Gottfried Spengler wurde am 29. Mai 1880 als zweites Kind von Bernhard und Pauline Spengler in Blankenburg (Harz) geboren. In den nächsten Jahren folgten die Töchter Adele, Gertrud und Hildegard. Der erste Sohn der Spengler-Familie war 1879 im Alter von nur drei Wochen verstorben. Der Vater (Postsekretär) zeigte sich in Erziehungsfragen ebenso desinteressiert wie die Mutter, geborene Grantzow, die aus einer Künstlerfamilie stammte. Paulines Schwester, Adele, war eine gefeierte Ballettänzerin, die auf den großen Bühnen Europas beachtliche Erfolge feiern konnte. Als Adele im frühen Alter von 36 Jahren an einer Blutvergiftung verstarb (1877), führte dies bei Pauline, die ihre Schwester stets bewundert hatte und die aufgrund mangelnder körperlicher Voraussetzungen und unterdurchschnittlichem Äußeren für eine vergleichbare Laufbahn vollkommen ungeeignet war, zu einer schweren Depression. Das daraus folgende apathische und wunderliche Verhalten konnte auch der Außenwelt nicht verborgen bleiben. Dennoch entschloß sich Bernhard, der im Ort auch als der „schöne Spengler“ bekannt war, die fast Vierzigjährige zur Frau zu nehmen. Nachdem Oswald Spengler 1886 eingeschult worden war, verlegte die Familie auf Betreiben der Mutter, die sich einen gesellschaftlichen Aufstieg erhoffte, nach Soest, wo der Vater eher einen beruflichen Aufstieg erwarten konnte. Doch auch nach dem Umzug blieben die erhofften Verbesserungen aus, was zu noch größeren Spannungen zwischen den Eheleuten führte. Dies ging soweit, daß sich der Vater sein Essen ins Postamt bringen ließ, in dem er nicht selten auch die Nächte verbrachte. Die Mutter hingegen entdeckte ihre Liebe zur Malerei, was letztendlich zur Vernachlässigung des Haushaltes und der Kindererziehung führte. Die häusliche Unordnung nahm
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2. Kindheit und Jugend
derartige Ausmaße an, daß Oswald Spengler seine Klassenkameraden nicht mehr einladen wollte. Besonders die Töchter, hatten unter der Gefühlskälte und dem Desinteresse der Mutter zu leiden.17 Oswald Spengler war ein nervöses und ängstliches Kind, das dazu neigte, sich selbst als minderwertig einzustufen. Nichtsdestotrotz trat er schon früh mit der Fähigkeit des selbständigen Denkens hervor. So entwarf der Sechzehnjährige, der sich für Geographie begeisterte, die Monumentalphantasien „Afrikasien“ und „Großdeutschland“. Detailliert zeichnete er in Schulheften statistische Tabellen über die Heeresorganisation, Bevölkerungsdichte, Industrieproduktion und Verwaltung des imaginären afrikanischen Imperiums auf. Dies ging sogar soweit, daß er eine eigene Verfassung entwarf. In seiner Vorstellungswelt verbündete sich der afrikanische Kontinent mit Deutschland, um die Herrschaft der Kolonialmächte niederzuwerfen und eine „Neuordnung Europas und der übrigen Welt“ in die Wege zu leiten. Schon hier zeigte sich, daß Oswald Spengler das Denken in großen Maßstäben bevorzugte. Im Herbst 1891 übersiedelte die Familie von Soest nach Halle an der Saale. Oswald Spengler besuchte hier die Latina der Franckeschen Stiftungen, auf der insbesondere Religionsunterricht und das Studium der Altsprachen im Mittelpunkt standen. Die dort vorherrschende strenge christliche Erziehung beeindruckte ihn jedoch nicht sonderlich. Besonders begeisterte er sich für die Fächer Geschichte und Geographie. Der Turnunterricht war für ihn hingegen eine Plage, weil es um seine körperliche Verfassung nicht sonderlich gut bestellt war. 17 Spengler beschrieb die familiäre Situation folgendermaßen: „Unglückliche Ehe der Eltern. Zu alt. Mutter ohne Familiensinn, ohne Erziehungssinn und -gabe, unbefriedigt in jedem Sinn, heiratete nur, um nicht als alte Jungfer vor ihren Bekannten dazustehen. Vater heiratet aus Mitleid und weil er die Ehe für Pflicht hielt. Das Auseinanderleben, jeder für sich, ohne Freude, Innenleben, keine Liebe zwischen Eltern und Kindern. Mutter malt, Vater geht in die Post, um nicht zu Hause zu sein. Keiner meint es böse und alle liegen allen wie eine Last auf.“ (Spengler: Ich beneide jeden, der lebt, S. 19.)
2. Kindheit und Jugend17
Schon als Fünfzehnjähriger war er von einer ausgesprochenen Lesewut befallen. So las er unter anderem neben den Darwinisten auch die Werke des russischen Schriftstellers Dostojewskij. Obwohl ihm offiziell als Gymnasiast nicht gestattet war, die Universitätsbibliothek von Halle zu besuchen, griff er dort schon als Sechzehnjähriger zu den Werken der Philosophen Schopenhauer und Nietzsche. Insbesondere Nietzsches Zarathustra beeindruckte ihn so stark, daß er „tagelang wie in einem Rausch umherging und glaubte, das Alltagssein nicht mehr ertragen zu können.“18 Auch wenn seine Begeisterung in seinem bildungsfernen Elternhaus auf wenig Verständnis stieß – sein Vater las überhaupt nicht, seine Mutter lediglich Journale19 –, ließ er sich nicht davon abhalten, seine Interessen weiter zu vertiefen. Der Einfluß Nietzsches zeigte sich auch, als Oswald Spengler begann, selbst Gedichte zu schreiben und Dramen zu planen. So entwarf er eine Tragödie mit dem Titel Malstrom, die die Geschichte eines norwegischen Prinzen erzählte, der zum Christentum konvertierte, um nach schwerer Enttäuschung wieder zum heidnischen Glauben zurückzukehren. Hier zeigte sich, daß schon der junge Spengler unter dem Einfluß von Nietzsche eine Haltung eingenommen hatte, die dem liberalen Fortschrittsdenken und dem damit einhergehenden aufgeklärten Christentum skeptisch gegenüberstand. Im Oktober 1899 absolvierte Spengler sein Abitur. Aufgrund eines schweren Herzfehlers war er vom Militärdienst befreit. Da er sich selbst als Dichter betrachtete, aber gleichzeitig zu der Überzeugung gelangt war, nicht über das entsprechende Können zu verfügen, kam eine künstlerische Laufbahn nicht in Frage. Letztendlich entschied er sich für den Beruf des Oberlehrers und immatrikulierte sich in den Fächern Mathematik und Naturwissenschaften an der Universität Halle. Von den Vorlesungen und dem Fachwissen gelangweilt, beschäftigte er sich jedoch lieber mit Anarchismus und Sozialismus. Nachdem der Vater 1901 nach langer Krankheit verstorben war, wechselte er an die Universität München, was jedoch nichts an seinem Desinteresse 18 Vgl. 19 Vgl.
Zit. n. Felken: Spengler, S. 16. Spengler: Ich beneide jeden, der lebt, S. 13.
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2. Kindheit und Jugend
für seine Fächer änderte. Auch wenn ihm der südliche Charme Münchens behagte, wechselte er bald nach Berlin, wo er August Bebel im Reichstag erlebte und sich für den „Kathedersozia lismus“ begeisterte. Um seinen Studienabschluß vorzubereiten, kehrte er nach Halle zurück. Seine Doktorarbeit mit dem Titel „Der metaphysische Grundgedanke der heraklitischen Philosophie“20 wurde jedoch nur mit „rite“ bewertet, weil er sich mit dem Zitieren von Fachliteratur allzusehr zurückgehalten hatte. Als im Herbst 1903 die mündliche Prüfung abgehalten wurde, rächte sich Spenglers vorangegangenes Desinteresse an seinem Studium. So fiel er im Rigorosum durch, wurde aber dennoch nach einem erfolgreicheren zweiten Anlauf am 6. April 1904 von der Universität Halle zum Dr. phil. promoviert. Im Dezember desselben Jahres bestand er auch die Lehramtsprüfung mit einer Staatsexamensarbeit über das Raubtierauge. Ostern 1905 wollte Spengler in Lüneburg in das Berufsleben eintreten. Soweit sollte es vorerst jedoch nicht kommen: beim bloßen Anblick des Schulgebäudes erlitt er einen Nervenzusammenbruch, woraufhin er sich zur spontanen Abreise entschloß. Letztendlich nahm er aber doch noch eine Stelle in Saarbrücken an, um anschließend das Probejahr in Düsseldorf zu absolvieren. Nachdem er die Lehrbefugnis für Mathematik erhalten hatte, entschloß er sich dafür, eine Lehrerstelle in Hamburg anzunehmen. Auch wenn er, sofern man den Aussagen ehemaliger Schüler Glauben schenken mag, ein durchaus beliebter Lehrer war, der durch improvisierte Vorträge allgemeine Bewunderung hervorrief, befriedigte ihn sein Berufsalltag nicht. So betrieb er nebenher philosophische Studien und plante einen groß angelegten Dramazyklus über Luther, Bismarck und das Haus Österreich. Als im Februar 1910 die Mutter überraschenderweise gestorben war, ergriff Spengler die Gelegenheit, aus dem Schuldienst auszuscheiden und, durch das Erbe alimentiert, sich ganz seinen eigenen Interessen hingeben zu können. Nachdem er längere 20 Oswald Spengler: Der metaphysische Grundgedanke der heraklitischen Philosophie, Halle 1904.
2. Kindheit und Jugend19
Zeit in Italien verbracht hatte, wo er einen Gesundheitsurlaub verbrachte, übersiedelte er im März 1911 nach München. Dort begann für ihn nun ein neuer Lebensabschnitt als freischaffender Schriftsteller. Das ausgeprägte Kulturleben, das ihn dort erwartete, beeindruckte ihn nicht. Vielmehr empfand er eine ausgesprochene Abneigung gegenüber den neuen Richtungen in Kunst und Literatur, die sich zu dieser Zeit in München entfalteten. Seinem menschlichen Umfeld begegnete er mit einer herablassenden Arroganz, die sich aus der Erkenntnis speiste, über eine totale intellektuelle Überlegenheit zu verfügen. Auf der anderen Seiten quälten ihn jedoch nach wie vor starke Depressionen und ein Gefühl der inneren Leere, was ihn nicht selten an Selbstmord denken ließ. Es wurde bereits angeführt, daß sich Spengler von früh an für Metapolitik interessierte. Frucht dieser Beschäftigung waren zwei unvollendete Denkschriften, die er an Kaiser Wilhelm II. und an den deutschen Adel richtete.21 In diesen gab er seiner Überzeugung Ausdruck, daß er einen monarchistischen Staat, in dem auch Nicht-Adelige kraft Leistung aufsteigen könnten, präferierte. Einen demokratisch-parlamentarischen Staatsaufbau konnte er sich hingegen nicht vorstellen. Als am 1. August 1914 der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung den Kriegseintritt Deutschlands bejubelte, reihte sich auch Oswald Spengler in die Reihen der Kriegsbefürworter ein. Aus gesundheitlichen Gründen blieb ihm jedoch das Kriegserlebnis, das insbesondere für den nationalrevolutionären Flügel der Konservativen Revolution so grundlegend werden sollte, erspart.
21 Vgl.
Felken: Spengler, S. 36 ff.
3. Der Untergang des Abendlandes Bereits 1911 hatte Spengler mit der Abfassung seiner monumentalen Geschichtsphilosophie „Der Untergang des Abendlandes“ begonnen. Der Erste Band mit dem Titel „Gestalt und Wirklichkeit“22 erschien 1918, der zweite Band mit dem Titel „Welthistorische Perspektiven“23 1922. Im Hinblick auf die Niederlage des Deutschen Reiches im 1. Weltkrieg kam es zu Fehlinterpretationen des Buches, weil der „Untergang“ nicht selten mit der Katastrophe der deutschen Kapitulation gleichgesetzt wurde. Spengler ging es jedoch nicht darum, eine einmalige historische Zäsur herauszuarbeiten, sondern um eine ganzheitliche Darstellung der Universalgeschichte. Hiermit stand er in gewisser Weise in Tradition Leopold Rankes, der ebenfalls den Ansatz einer „Weltgeschichte“ verfolgt hatte. Die Neuartigkeit in Spenglers Ansatz bestand darin, daß er die Weltgeschichte nicht mehr als Einheit betrachtete. Die klassische Geschichtsschreibung von Augustin über die Aufklärung bis zu Hegel war immer dahingehend konzipiert, daß man eine Menschheit als Subjekt der Weltgeschichte annahm. Dieses Schema wurde von Spengler durchbrochen. Die Vorstellung einer einheitlichen Menschheitsgeschichte hat ihren Ursprung im Christentum und ist somit fest im abendländischen Kontext verhaftet. Spengler brach nun jedoch in Anknüpfung an Nietzsche mit der christlich-abendländischen Tradition des weltgeschichtlichen Denkens. 22 Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte. Bd. 1: Gestalt und Wirklichkeit, Leip zig 1918. 23 Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte. Bd. 2: Welthistorische Perspektiven, München 1923.
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3. Der Untergang des Abendlandes
Für Spengler war die Weltgeschichte also keine Universalie mehr, sondern durch Pluralität gekennzeichnet, womit er sich nicht nur gegen das Christentum wendete, sondern auch gegen die Aufklärung. Schließlich war weder ein allgemeiner Menschheitsfortschritt noch eine linear verlaufende Heilsgeschichte in seinem Konzept vorgesehen. Wenn der Autor des „Untergang des Abendlandes“ von Pluralität ausging, meinte er nicht etwa die Mannigfaltigkeit von Völkern, Nationen oder Staaten, sondern die von Kulturen. Die Betrachtung der Kulturen sollte nicht dem Selbstzweck dienen. Spengler nahm mit seiner Geschichtsphilosophie das ambitionierte Vorhaben in Angriff, Geschichte vorherbestimmen zu wollen. Gerade im Hinblick auf Europa, das im Zuge des 1. Weltkrieges heftigste Erschütterungen erlebt hatte, mußte dieses Unterfangen auf größtes Interesse bei der Leserschaft stoßen. Hier stellt sich natürlich die Frage, wie sich Spengler konkret die Vorausbestimmung des zukünftigen Ablaufs von Geschichte vorstellte. Er war der festen Überzeugung, daß Kulturen bezüglich ihrer Entwicklung und Entfaltung bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgen würden. Naturwissenschaftliche Verfahrensweisen, so Spengler, seien jedoch nicht dafür geeignet, die Entwicklung der Kulturen zu erklären. Vielmehr sei den Kulturen eine schicksalsmäßige Idee inne, deren Verständnis eine Vorhersehbarkeit der Geschichte ermögliche. Eine schicksalsmäßige Gesetzmäßigkeit zugrunde legend, konstatierte Spengler, daß Kulturen entstehen, reifen, ihren Höhepunkt erreichen und letztendlich vergehen. Eine wechselseitige Beeinflussung der Kulturen untereinander war in diesem Konzept nicht vorgesehen. Jede Kultur folge ihrer eigenen vom Schicksal determinierten Gesetzmäßigkeit. Sich der Technik der Analogie bedienend, verglich Spengler die verschiedenen Kulturen, um zu dem Ergebnis zu kommen, daß die abendländische Kultur in eine Spätphase eingetreten sei, die dem Verlöschen der europäischen Kultur vorausgehe. Der Einfluß Nietzsches, der in seinen Schriften ebenfalls das Heran-
3. Der Untergang des Abendlandes23
nahen einer nihilistischen Endphase prophezeite, ist hier unverkennbar. Diejenigen Kulturen, die ihre Blüte bereits hinter sich gebracht hätten, wurden von Spengler als Zivilisationen bezeichnet. Die Unterscheidung von organischer Kultur und mechanistischer Zivilisation war eines der Hauptthemen der Konservativen Revolution. Schon Thomas Mann hatte in seinen „Betrachtungen eines Unpolitischen“ dem Typus des „Zivilisationsliteraten“ den Kampf angesagt und sich für eine wahre Kultur ausgesprochen. Diese Argumentationsweisen finden sich in beinah allen Schriften der Konservativen Revolution wieder. Insofern kann Spenglers Einfluß auf diese Ideenrichtung nicht hoch genug eingeschätzt werden. Spengler wurde oftmals der Vorwurf gemacht, eine pessimistische Grundhaltung eingenommen zu haben. Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch auf, daß er keineswegs darauf abzielte, einem Defätismus Vorschub zu leisten. Vielmehr versuchte er, seinen Lesern zu vermitteln, daß das Zeitalter der europäischen Kultur zu Ende gehe, weshalb es gelte, mittels eines heroischen Realismus das Leben zu bestreiten. Unter heroischem Realismus verstand er eine Handlungsweise, die sich auf die neuen zivilisatorischen Gegebenheiten einstellt und nicht versucht, sich krampfhaft an vergangenen Zeiten festzuklammern. Die oben skizzierte Philosophie mußte die Kritik der Geschichtswissenschaft auf sich ziehen, der es in vielen Fällen auch gelang, seine Thesen zu wiederlegen. Spengler sah sich jedoch zeitlebens nicht als Historiker, sondern als Dichter, weshalb ihn die Einwände nicht sonderlich beeindruckt haben dürften. In Abkehr vom klassischen Historismus, der sich auf Kausalzusammenhänge und Detailwissen konzentriert, stiftete er einen Geschichtsmythos, der weniger zum Verständnis historischer Zusammenhänge beitrug, sondern vor allem politische Wirksamkeit entfalten konnte. Schließlich brachte er zum Ausdruck, daß das Zeitalter der Aufklärung nicht einen allgemeinen Fortschritt mit sich gebracht habe, sondern unausweichlich auf den Zerfall der abendländischen Kultur hinauslaufe. Der Konservativen Revolution, die seine Thesen ernst nahm, blieb folglich gar nichts anderes übrig, als der fortschrittsfixierten libera-
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len Doktrin den Kampf anzusagen und diejenigen „Dritte Wege“ zu erproben, die eine Bewältigung der epochalen Krise in Aussicht stellten. Der durschlagende Erfolg des „Untergang des Abendlandes“ wäre ohne die Niederlage der Deutschen im 1. Weltkrieg in vergleichbarer Form sicherlich nicht möglich gewesen. Während die deutsche Führung sich von der militärischen Auseinandersetzung einen „Platz an der Sonne“ erhoffte, forcierten die Westmächte einen Weltanschauungskrieg, den sie zu einem Kampf zwischen dem zivilisierten Westen und dem barbarischen Deutschen Reich stilisierten. Spengler vermittelte hingegen den Eindruck, daß die zivilisatorischen Nationen einen Sieg über die Kultur errungen hätten. Diese Umdeutung der alliierten Propaganda mußte selbstverständlich in einer Zeit, in der den Deutschen ihre nationale Würde abgesprochen wurde (Versailler Vertrag, Kriegsschuld usw.), auf besonderen Zuspruch der Leserschaft stoßen. Ebenso wie der Nihilismus Nietzsches muß Spenglers Zivilisationskritik als ein Angriff auf das Christentum verstanden werden. Schließlich brach er mit der christlichen Geschichtsauffassung, die von der Kreuzigung Christi bis zum jüngsten Gericht eine gerade Linie zieht. Gerade die Frontsoldaten des 1. Weltkrieges, die in den Materialschlachten das Vertrauen in die christliche Humanität verloren hatten, konnten sich mit der antilinearen Sichtweise Spenglers identifizieren. Als im September 1918 die ersten Exemplare des ersten Bandes des „Untergang des Abendlandes“ ausgeliefert wurden, befand sich die deutsche Reichswehr in einer prekären Lage. Zu Beginn desselben Jahres gestaltete sich hingegen die militärische Lage dahingehend, daß das Deutsche Reich noch auf einen Sieg hoffen konnte. So war das Sowjetreich im Osten aufgrund der revolutionären Umbrüche derart geschwächt, daß im März der „Diktatfrieden“ von Brest-Litowsk abgeschlossen werden konnte. Nun glaubte die deutsche Führung, auch im Westen einen schnellen Sieg erringen zu können. Dies war insofern auch notwendig, weil der Kriegsbeitritt der USA die sowieso schon bestehende materielle Unterlegenheit Deutsch-
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lands noch verstärkt hatte. Nun sollte, mit Hilfe einer überraschend durchgeführten Offensive, Paris erobert und die Nachschubwege der Alliierten besetzt werden. Dies hätte eine strategische Situation nach sich gezogen, die nach Auffassung der Deutschen einen Verhandlungsfrieden ermöglicht hätte. Trotz der Erprobung neuer Strategien (Stoßtrupp), kam die deutsche Frühjahrsoffensive jedoch bald zum erliegen. Die deutsche Zivilbevölkerung und die Soldaten waren aufgrund der zu Beginn errungenen Raumgewinne in ihrem Glauben bestärkt worden, daß es sich um eine Endschlacht handle, aus der eine militärische Entscheidung resultiere. Auch Spengler brachte in einem Brief an seinen Freund Hans Klöres am 11. Mai 1918 zum Ausdruck, daß er bereits im Sommer oder im Herbst desselben Jahres von dem Sieg ausging, der ein „deutsches Protektorat“ bis zum Ural nach ziehen sollte.24 Um so größer sollte die Enttäuschung ausfallen, als die erhofften militärischen Ziele aufgrund der allgemeinen Ressourcenarmut Deutschlands nicht verwirklicht werden konnten. Nach dem Scheitern der großen deutschen Offensiven im Frühjahr und Sommer 1918 führten englische und französische Streitkräfte bei Amiens erfolgreich einen großangelegten Gegenangriff durch, der einen weiteren deutschen Vormarsch unmöglich machte. Die kontinuierliche Landung immer weiterer amerikanischer Truppen verschärfte die Lage zusätzlich. Im Oktober wurde Prinz Max von Baden zum Reichskanzler ernannt. Die Oberste Heeresleitung erhoffte sich durch diesen Schachzug eine für sie günstig verlaufende Abwicklung der geplanten Friedensverhandlungen. Schließlich war der Prinz nicht nur ein demokratiekritischer Befürworter der Monarchie, sondern gleichzeitig durch seine liberale Grundhaltung sowohl für die Sozialdemokratie, als auch für alliierten Mächte ein annehmbarer Verhandlungspartner. Nachdem er eine parlamentarische Regierung unter Beteiligung der Sozialdemokratie gebildet hatte, wandte er sich mit einem Waffenstillstandsgesuch an den amerikanischen Präsidenten Wilson. Um seinem Ansin24 Vgl. Oswald Spengler an Hans Klöres, 11. Mai 1918. In: Spengler: Briefe 1913–36, S. 96 f.
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nen Nachdruck zu verleihen, beendete er den uneingeschränkten U-Boot Krieg und entließ den Chef der Obersten Heeresleitung Erich Ludendorff. Nach dem Ausbruch der Novemberrevolution verkündete Max von Baden eigenmächtig am 9. November die Abdankung des Kaisers. Am Nachmittag des selben Tages rief Philipp Scheidemann vom Balkon des Reichstages die Republik aus. Daraufhin übergab Max von Baden dem Sozialdemokraten Friedrich Ebert die Reichskanzlerschaft. Hiermit war der Grundstein zur Entstehung der Weimarer Republik gelegt worden. Wie der größte Teil seiner Landsleute empfand Spengler die Niederlage des Deutschen Reiches als eine Katastrophe. Doch nicht nur die Kapitulation beeinflußte seine politische Grundhaltung. Die nun einsetzenden revolutionären Prozesse, bei denen vor allem linksradikale Kräfte den Ton angaben, dürften ihn in der Auffassung bestärkt haben, daß nun auch der Konservatismus mit revolutionären Elementen angereichert werden müßte. Als am 29. Oktober Vorbereitungen zum Auslaufen der Hochseeflotte getroffen wurden, kam es auf mehreren Schiffen der Kriegsmarine zu Befehlsverweigerungen. Obwohl die „Todesfahrt“ (Prinz Max von Baden) schnell aufgegeben wurde, konnte die Unruhe unter den Matrosen nicht eingedämmt werden. Die Matrosen in Kiel organisierten Versammlungen und Demonstrationen, woraufhin es bald auch zur Solidarisierung mit Teilen der Arbeiterschaft kam. Am 3. November wurde einer der Demonstrationszüge durch eine Militärpatrouille gestoppt, woraufhin sieben Aufrührer erschossen wurden. Am darauf folgenden Tag verschärfte sich die Situation zunehmend, als die Matrosen Waffen besorgten und sich die Revolte auch auf dem Festland immer weiter ausbreitete. Am 4. November wurde spontan der erste Soldatenrat der revolutionären Bewegung gebildet. Bald wehten die roten Fahnen auf allen auf der Reede liegenden Schiffen der kaiserlichen Marine. Wenn auch die schlechten Lebensbedingungen der Matrosen und die geplante „Todesfahrt“ das Faß zum überlaufen brachten, wurden auch schon politische Forderungen wie die vollständige Redeund Pressefreiheit aufgestellt.
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Spenglers Totalopposition gegen die Novemberrevolution speiste sich nicht nur aus weltanschaulichen Motiven, sondern auch aus persönlichen Erlebnissen. So war neben Kiel und der Küstenregion die damalige Heimatstadt Spenglers, München, das zweite Zentrum der Revolution. Anlaß für die Revolution in München war die bedrohliche Vorstellung, daß der Zusammenbruch der Habsburger Monarchie einen Einmarsch alliierter Truppen in den militärisch ungeschützten Süden zur Folge haben könnte. Um dies zu vermeiden, forderten die Aufrührer unter anderen die Beseitigung der politischen Ordnung und die sofortige Beendigung des Krieges. Hauptträger dieser Forderungen war in Bayern die Arbeiterschaft des Rüstungszentrums München, die von dem USPD-Vorsitzenden Kurt Eisner angeführt wurde. Am 7. November ließ er alle wichtigen Regierungsgebäude besetzen, um kurz darauf die Republik Bayern als Freistaat auszurufen. Da König Ludwig III. auf Gegenmaßnahmen verzichtet und die Flucht vorgezogen hatte, konnte ein Blutvergießen vermieden werden. War zu Beginn der Revolte noch die Hauptinitiative von den Matrosen und den Soldatenräten ausgegangen, traten nun vermehrt die Arbeiterräte, die sich im ganzen Reichsgebiet konstituierten, in den Vordergrund. Die sogenannte Rätebewegung wurde von der SPD und der USPD dominiert. Der linksradikale Spartakusbund konnte nur in vereinzelten Ballungsgebieten nennenswerten Einfluß erringen. Durch die Dominanz der eher gemäßigt agierenden Kräfte, konnten sich die Räte durchaus auch als Ordnungsfaktor etablieren. Hierzu notierte der in München lebende Thomas Mann: „Ich bin befriedigt von der relativen Ruhe und Ordnung, mit der vorderhand wenigstens alles sich abspielt. Die deutsche Revolution ist eben die deutsche, wenn auch Revolution. Keine französische Wildheit, keine russisch-kommunistische Trunken heit.“25 Trotz des verhältnismäßig friedlichen Ablaufs der Revolution verurteilte Spengler die Geschehnisse aufs schärfste. So schrieb er an seinen Freund Klöres: „Es ist nicht nur unsre Niederlage, 25 Thomas Mann: Tagebücher 1918–1921, Frankfurt / Main 1979. S. 67.
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der Zusammenbruch alles dessen, was mir innerlich teuer und wert gewesen ist – denn der Krieg selbst ist trotz des Ausgangs etwas, worauf wir stolz sein können –, sondern die Art, wie sie ertragen wurden, diese Wochen der tiefsten Schande, die je ein Volk durchlebt hat, wo alles, was deutsche Ehre und Würde heißt, von seinen äußeren und inneren Feinden durch den Kot geschleift wurde, wo wir bewiesen haben, daß die Mehrzahl von uns ohne Ausnahme irgendeines Standes, gemeiner, ehrloser Pöbel ist, der die vollste Verachtung verdient, die das Ausland uns jetzt zuteil werden läßt. Ich habe die widerlichsten Szenen vom 7. November zum Teil aus der Nähe erlebt und bin vor Ekel beinahe erstickt. Und dann die Art, wie Kaiser Wilhelm fortgejagt wurde, wie jeder Lumpenhund sich herausnimmt, dem Manne Kot anzuwerfen, der 30 Jahre lang selbstlos und aufopfernd an der Größe Deutschlands mitgearbeitet hat.“26 Unter dem Vorsitz Eberts wurde am 9. November der Rat der Volksbeauftragten ins Leben gerufen, der am folgenden Tag von der Vollversammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte bestätigt wurde. Am 11. November wickelte der Rat den Waffenstillstand mit den Alliierten ab und bereitete die Wahlen zur Nationalversammlung vor. Nachdem die Koalition aus SPD und USPD unter anderem in Folge des Ebert-Groener-Bündnisses auseinander gebrochen war, kam es im Januar 1919 zu einer zweiten Revolutionswelle, in der es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Freikorps und sozialistischen Aufständischen kam. Dennoch konnten am 19. Januar die Wahlen zur Verfassungsgebenden Nationalversammlung abgehalten werden, bei denen die Sozialdemokraten mit 37,9 % einen deutlichen Wahlsieg erringen konnten. Im Dezember des vorherigen Jahres hatte Spengler an Klöres geschrieben, daß er das „bevorstehende Fiasko der Nationalversammlung“27 mit Spannung erwarte. In 26 Oswald Spengler an Hans Klöres, 18. Dezember 1918. In: Spengler: Briefe 1913–36, S. 111. 27 Oswald Spengler an Hans Klöres, 27. Dezember 1918. In: Spengler: Briefe 1913–36, S. 114.
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dieser Zeit arbeitete er an einem Manuskript mit dem Arbeits titel „Römer und Preußen“, das später als erste rein politische Schrift unter dem Titel „Preußentum und Sozialismus“ erscheinen sollte. In Bayern war die zweite Phase der Revolution durch die Ermordung des Ministerpräsidenten Eisner am 21. Februar ausgelöst worden. Nach dem Attentat – nach eigener Aussage hatte Spengler die Schüsse unmittelbar miterlebt28 – kam es zu schweren Kämpfen zwischen den Vertretern des Parlamentarismus und den Anhängern des Rätesystems. Die am 7. April ausgerufene Räterepublik konnte erst am 2. / 3. Mai durch Reichswehr und Freikorps aufgelöst werden. Wie nicht anders zu erwarten, nahm Spengler das Ende der Räterepublik mit großer Erleichterung auf: „Endlich sind wir aus der Hölle dieser 4 Wochen befreit. Die letzten Tage waren schlimm. Am 2. Mai lag die Agnesstraße stundenlang unter Artilleriefeuer; die Pionierkaserne, ein Stützpunkt der Roten, liegt 200 m von meiner Wohnung […] Nichts als Hunger, Plünderung, Schmutz, Lebensgefahr und eine Trottelei ohnegleichen.“29
28 Vgl. Oswald Spengler an Hans Klöres, 6. März 1919. In Spengler: Briefe 1913–36. S. 122 ff. 29 Oswald Spengler an Hans Klöres, 4. Mai 1919. In: Spengler: Briefe 1913–36. S. 127.
4. Preußentum und Sozialismus Spengler hatte die Niederschlagung der Räterepublik in München mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen. Obwohl er stets ein Befürworter der Monarchie gewesen war, dürfte er spätestens in den Wirren der Revolution erkannt haben, daß an eine Restauration des Kaisertums nicht mehr zu denken war. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß er mit „Preußentum und Sozialismus“ 1919 eine Schrift vorlegte, die sich gegen reaktionäre Tendenzen wandte und gleichzeitig auch einen gegen die Weimarer Republik gerichteten zeitgemäßen Nationalismus den Weg bahnen wollte. Auch Arthur Moeller van den Bruck veröffentlichte mit dem „Recht der jungen Völker“30 in dieser Zeit eine Broschüre, die eine ähnliche Zielsetzung verfolgte.31 In Anlehnung an Spenglers Geschichtsphilosophie postulierte Moeller ein zyklisches Auf- und Absteigen von aufstrebenden „jungen Völkern“ und verbrauchten „alten Völkern“, wobei das „junge Volk“ der Deutschen durch die „alten“, aber im Weltkrieg dennoch siegreichen Völker ausgebeutet und unterdrückt werde. Gerade im Hinblick auf den die alleinige Kriegsschuld des Reiches postulierenden Versailler Vertrag, der am 28. Juni von den Deutschen unterzeichnet wurde, mußten derartige Schriften auf ein breites Leserinteresse stoßen. Im Vergleich zu Moeller verfügte Spengler in der frühen Nachkriegszeit durch seinen „Untergang des Abendlandes“ über einen höheren Bekanntheitsgrad, was sich auch in den Verkaufszahlen und dem Verbreitungsgrad seiner politischen Erstveröffentlichung niederschlug. Für die sich gerade erst formierende jungkonservative Bewegung wurde „Preußentum und Sozialismus“ in kürzester Zeit zum Standardwerk. 30 Arthur Moeller van den Bruck: Das Recht der jungen Völker, München 1919. 31 Vgl. Sebastian Maaß: Kämpfer um ein drittes Reich. Arthur Moeller van den Bruck und sein Kreis, Kiel 2010, S. 111 ff.
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4. Preußentum und Sozialismus
„Preußentum und Sozialismus“ war, wie Spengler selbst hervorhob, aus Aufzeichnungen hervorgegangen, die für den zweiten Band des „Untergang des Abendlandes“ bestimmt gewesen waren.32 Seine Intention war dabei, „den deutschen Sozialismus von Marx zu befreien.“33 Im ersten Kapitel startete Spengler einen polemischen Generalangriff auf die sogenannte „Novemberrevolution“. Dabei vertrat er die Grundannahme, daß die „unsichtbare englische Armee“ die auf der politischen Ebene durch Parlamentarismus und Parteienwirtschaft in Erscheinung trete, Hauptauslöser der Deutschen Revolution gewesen sei. Bereits am 19. Juli 1917 war vom Reichstag eine Friedensresolution verabschiedet worden, die einen Frieden der Verständigung zur Beendigung des Weltkrieges verabschiedet hatte. In diesem Akt erblickte Spengler den wahren Beginn des Umsturzes. Für die Protagonisten der Revolution – die demokratischen Parlamentarier der Mehrheitsparteien – empfand er nichts als Abscheu, was er mit dem Fehlen jeglichen Verantwortungssinns und staatsmännischen Denkens begründete. Wohl auf seine persönlichen Erfahrungen in der Münchner Räterepublik zurückgreifend, vertrat er die Auffassung, daß nicht das Volk, sondern Literaten und Gesindel die Kontrolle über die von den Parlamentariern losgetretene Umsturzbewegung genommen hätten: „Wo man Helden erwartete, fand man befreite Sträflinge, Literaten, Deserteure, die brüllend und stehelend, von ihrer Wichtigkeit und dem Mangel an Gefahr trunken, umherzogen, absetzten, regierten, prügelten, dichteten.“34 Spengler beließ es jedoch nicht dabei, die Geschehnisse des November 1918 mit Spott zu überziehen. Gleichzeitig bemühte er sich auch darzustellen, wie eine richtige Revolution beschaffen seien soll. Um dies zu illustrieren, zog er als Beispiel die Reaktion des deutschen Volkes auf den Beginn des 1. Weltkrieges heran, worin seiner Auffassung nach eine „deutsche sozialistische Revolution“ zum Ausdruck ge32 Vgl. Oswald Spengler: Preußentum und Sozialismus, München 1921 S. 3. 33 Ebd. S. 4. 34 Ebd. S. 10.
4. Preußentum und Sozialismus33
kommen sei: „Und das, diese deutsche sozialistische Revolu tion, fand 1914 statt. Sie vollzog sich in legitimen und militärischen Formen. Sie wird, in ihrer dem Durchschnitt kaum verständlichen Bedeutung, die Widerlichkeiten von 1918 langsam überwinden und als Faktor ihrer fortschreitenden Entwicklung einordnen.“35 Die positive Bezugnahme auf „1914“ zieht sich durch alle Schriften der Konservativen Revolution. Das durch die Kriegsbegeisterung determinierte Zusammengehörigkeitsgefühl des Jahres 1914 diente den konservativen Revolutionären als Vorbild für eine Überwindung des Individualismus in Staat und Gesellschaft. Auch Spengler brachte, wenn er von „Sozialismus“ sprach, eine Sehnsucht nach einer antiindividualistischen und klassenüberwindenden Volksgemeinschaft zum Ausdruck. Die propagierte Symbiose aus Preußentum und Sozialismus versuchte Spengler durch die Gegenüberstellung von Engländern und Preußen zu illustrieren.36 Das Preußentum, das der Autor als ein „Lebensgefühl“, ein „Instinkt“ und ein „Nichtanderskönnen“ darstellte, sei durch einen unmittelbaren Willen zum sozialistischen Staatsgedanken gekennzeichnet. Der englische Stil strebe hingegen nach einer Abschaffung des Staates, wobei alles Politische in die Hände von „freien Privatmännern“ gegeben werde. Aufgrund der Insellage hätten die Engländer einen parlamentarischen Liberalismus ausbilden können, der die Entfaltung eines kapitalistischen Wirtschaftssystems begünstigt habe. Dies habe sich auf die englische Gesellschaft dahingehend ausgewirkt, daß eine Gliederung derselben nach rein materiellen Gesichtspunkten von statten gegangen sei: „Das englische Volk ist nach dem Unterschiede von reich und arm, das preußische nach dem von Befehl und Gehorsam aufgebaut.“37 Während der „Seeräuberinstinkt des Inselvolkes“ durch den Kampf um Beuteanteil einzelner geprägt sei, strebe die Wirtschaftsautorität des preußischen Staates nach der „Blüte des Ganzen“. 35 Ebd.
S. 12. ebd. S. 26 ff. 37 Ebd. S. 43 f. 36 Vgl.
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4. Preußentum und Sozialismus
Spenglers politische Kampfschrift ist also nicht nur ein Versuch, das politische System der Weimarer Republik zu widerlegen. So stellte sie auch ein Plädoyer für eine Wirtschaftsform dar, die sowohl den Kapitalismus englischen Stils, als auch den Sozialismus marxistischen Prägung ablehnte. Der Grundgedanke, auch im Wirtschaftsleben einen „Dritten Weg“ einzuschlagen, wurde zu einer festen Größe im konservativ-revolutionären Denken. An dieser Stelle sei auf Othmar Spanns universalistische Lehre verwiesen, die in Abkehr von den individualistischen Lehren des Marxismus und Kapitalismus eine organisch-ganzheitliche Wirtschaftsordnung forderte.38 Doch beließ es Spengler nicht bei der Proklamation einer auf das Gemeinwohl bezogenen Wirtschaftsform. Wie später auch andere Protagonisten der Konservativen Revolution wendete er sich gegen den Parlamentarismus und das Parteiensystem, die für ihn die charakteristischen politischen Formen des englischen Stils darstellten. Die Vorstellung, die Parteien seien Teil des Volkes, hielt er für blanke Illusion. Vielmehr liege die wahre Macht in den Händen weniger Männer, die innerhalb der Parteien mit „diktatorischer Machtvollkommenheit“ agierten. In bezug auf das englische Inselreich attestierte Spengler dem Parlamentarismus, durchaus ein effizientes System zur Durchsetzung der dortigen Machtinteressen zu sein. Ein Export des Liberalismus nach Deutschland hielt er jedoch für ein absurdes Unterfangen, was letztendlich auch die Niederlage des Deutschen Reiches im 1. Weltkrieg mit bedingt habe: „Wie fremd der Parlamentarismus dem preußischen und seit 1870 dem deutschen Volke geblieben ist, beweist die Gleichgültigkeit, mit welcher trotz aller Bemühungen der Presse und Parteien die Wahlen und die Fragen des Wahlrechts aufgenommen worden sind […] Das Volk hat sich an diese ihm fremde Art des ‚Mitarbeitens‘ nie gewöhnt und wird es niemals tun. Wenn ein Engländer den Verhandlungen des Parlaments nicht folgt, so tut er das in dem Bewußtsein, daß seine Interessen dort gut aufgehoben sind. Wenn ein Deutscher tut, so geschieht es in dem 38 Vgl. Sebastian Maaß: Dritter Weg und wahrer Staat. Othmar Spann. Ideengeber der Konservativen Revolution, Kiel 2010.
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Gefühl vollkommenster Gleichgültigkeit. Für ihn ist nur ‚die Regierung‘ etwas Wesenhaftes. Der Parlamentarismus wird bei uns immer ein System von Äußerlichkeiten bleiben.“39 Auch wenn Spengler mit seinen Ausführungen nicht annähernd so in die Tiefe ging wie etwa Carl Schmitt mit seinem 1923 erschienen Buch „Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus“40, war „Preußentum und Sozialismus“ doch ein Meilenstein der jungkonservativen Parlamentarismus-Kritik. Spengler hatte in den Wirren der Novemberrevolution erkannt, daß der Sozialismus in hohem Maße durch den Marxismus kontaminiert worden war. Aufgrund dessen sah er sich in der Verpflichtung, in „Preußentum und Sozialismus“ auch zu diesem Thema Stellung zu beziehen. Im Grunde genommen ordnete er den Marxismus als einen literarischen – sprich: realitätsfernen – Ableger des englischen Kapitalismus ein: „Marx denkt also rein englisch. Sein Zweiklassensystem ist aus der Lage eines Händlervolkes gezogen, […] das nie eine staatliche Beamtenschaft mit ausgeprägtem – preußischen – Standesbewußtsein besessen hatte. Es gibt nur noch „Bourgeois“ und „Proletarier“, Subjekte und Objekte des Geschäfts, Räuber und Beraubte, ganz wikingermäßig.“41 Aufgrund der materialistischen Spaltung der Gesellschaft in Besitzende und Nicht-Besitzende sei es vollkommen abwegig, dieses Modell auf den preußisch geprägten Menschentypus übertragen zu wollen, weil für diesen eben nicht das Eigentum das Maß aller Dinge sei. Was die konkrete institutionelle Umsetzung seines preußischen Sozialismus anging, hielt sich Spengler weitgehend zurück. Eine Ausnahme bildet die Vorstellung von einem „Wirtschaftsrat“. Davon ausgehend, daß die in der marxistischen Doktrin so wichtigen Lohnkämpfe staatsfeindliche und handelsmäßige Vorgänge seien, plädierte er für ein grundsätzliches 39 Spengler:
Preußentum und Sozialismus, S. 62. Schmitt: Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, München 1923. 41 Spengler: Preußentum und Sozialismus, S. 71. 40 Carl
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4. Preußentum und Sozialismus
Verbot von Streiks und für die Einrichtung eines „Wirtschaftsrates“, der alleine über die Höhe der Löhne entscheiden sollte. An dieses Beispiel dürfte deutlich geworden sein, daß Spengler eine Art Staatssozialismus anstrebte, der mittels Verstaatlichungen kapitalistischen Einzelinteressen entgegentreten wollte.42 Dies ist im Grunde genommen nichts Außergewöhnliches. Auch in modernen demokratischen Staaten wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob Marktliberalismus oder Staatshoheit der Vorzug gegeben werden solle. Die Besonderheit an Spenglers Konzept ist jedoch die idealistische Komponente. So ging er davon aus, daß insbesondere auf dem Staatsgebiet des Deutschen Reiches ein Menschentypus zur Entfaltung gekommen sei, dem Rang und Dienst wichtiger sei als materialistisches Eigeninteresse. Diese Grundannahme mußte in einer Zeit, in der die Deutschen durch innere Kämpfe zerrissen waren, durchaus auf Interesse stoßen. Dennoch war sein preußischer Sozialismus kaum dazu geeignet, auch im Proletariat rezipiert zu werden. Dies hatte unterschiedliche Gründe. So richtete sich „Preußentum und Sozialismus“ allein schon aufgrund des relativ hohen intellektuellen Niveaus eher an die Oberschicht. Darüber hinaus beinhalteten seine Ausführungen keine utopischen Zielsetzungen, die man mit der klassenlosen Gesellschaft der Kommunisten hätte vergleichen können. Eine Volksgemeinschaft, in der jeder durch den eigenen Fleiß einen Rang erringen kann, der es ihm ermöglicht, etwas zum Allgemeinwohl beizutragen, ist 42 Spengler machte in diesem Kontext deutlich, daß für ihn Eingriffe in das Eigentumsrecht der Bürger nicht in Frage kamen. Ebd. S. 89: „Sozialisierung heißt nicht Verstaatlichung auf dem Enteignungs- oder Diebstahlwege. Sie ist überhaupt keine Frage des nominellen Besitzes, sondern der Verwaltungstechnik. Dem Schlagwort zuliebe ohne Maß und Ziel Betriebe aufzukaufen und sie statt der Initiative und Verantwortung ihrer Besitzer einer Verwaltung überliefern, die zuletzt alle Übersicht verlieren muß, das heißt den Sozialismus zugrunde richten.“ Hier wird deutlich, daß der preußische Sozialismus Spenglers kaum dazu geeignet war, in Konflikt mit den Interessen der deutschen Industrie zu geraten. Dieser Befund gilt für alle jungkonservativen Wirtschaftskonzepte, die aufgrund ihrer Wertschätzung des Eigentums und ihrer antikommunistischen Stoßrichtung vom deutschen Unternehmertum wohlwollend aufgenommen wurden.
4. Preußentum und Sozialismus37
schließlich weniger attraktiv als die pseudoreligiöse Vorstellung eines marxistisch-egalitären Arbeiterparadieses. Die Bodenständigkeit des preußischen Sozialismus sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß Spengler in Anlehnung an Nietzsches „Willen zur Macht“ und dem Gedanken des „Übermenschen“ einen Standpunkt vertrat, der durch radikales Streben zur Macht gekennzeichnet war: „Wir brauchen Härte, wir brauchen eine tapfre Skepsis, wir brauchen eine Klasse von sozialistischen Herrennaturen. Noch einmal: der Sozialismus bedeutet Macht, Macht und immer wieder Macht. Pläne und Gedanken sind nichts ohne Macht. Der Weg zur Macht ist vorgezeichnet: der wertvolle Teil der deutschen Arbeiterschaft in Verbindung mit den besten Trägern des altpreußischen Staatsgefühls, beide entschlossen zur Gründung eines streng sozialistischen Staates, zu einer Demokratisierung im preußischen Sinne, beide zusammengeschmiedet durch eine Einheit des Pflichtgefühls, durch das Bewußtsein, einer großen Aufgabe, durch den Willen, zu gehorchen, um zu herrschen, zu sterben, um zu siegen, durch die Kraft, ungeheure Opfer zu bringen […] Wir sind Sozialisten. Wir wollen es nicht umsonst gewesen sein.“43 Freilich konnte Spengler nicht erklären, wie die Zusammenführung von Arbeiterschaft und Preußentum in der Praxis von statten gehen sollte. Dennoch gelang es ihm, zumindest die sich gerade formierende Gruppierung der Jungkonservativen von seiner Konzeption zu überzeugen. So sollte Arthur Moeller van den Bruck, der mit seinem Buch „Das dritte Reich“44 zur jungkonservativen Leitfigur avancierte, ebenfalls einen „deutschen Sozialismus“45 propagieren. Es kann keinen Zweifel daran geben, daß „Preußentum und Sozialismus“ hier Pate stand. Spenglers eigenwillige Sozialismus-Interpretation sorgte ge rade in links-intellektuellen Kreisen verständlicherweise für große Aufregung.46 Doch auch der Nationalrevolutionär Ernst 43 Ebd.
S. 98 f. Moeller van den Bruck: Das dritte Reich, Berlin 1923. 45 Vgl. Maaß: Kämpfer um ein drittes Reich, S. 99. 46 So nannte ihn Walter Benjamin einen „trivialen Sauhund“ (zit. n. Felken: Spengler, S. 114) und Kurt Tucholsky meinte spöttisch: „[Der] 44 Arthur
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4. Preußentum und Sozialismus
Niekisch47 äußerte sich kritisch: „Spenglers preußischer So zialismus war der Riegel, der jedem ernsthaften Sozialismus, welcher sich kein kapitalistisches X für ein sozialistisches U vormachen ließ, das deutsche Haus verschloß. Spenglers Sozialismus ist der alte Obrigkeitsstaat noch einmal, dem der Arbeiter blind zu parieren hat.“48 Die Enttäuschung von Niekisch ist durchaus nachvollziehbar. Schließlich hatte Spengler den Sozialismus-Begriff derart modifiziert, daß an „nationalbolschewistische“ Radikal-Reformen nicht mehr zu denken war. Nicht umsonst sollte „Preußentum und Sozialismus“ gerade in den gemäßigten jungkonservativen Zirkeln Zustimmung finden, die auf der ökonomischen Ebene tiefgreifende Einschnitte ablehnten. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß es im Sommer 1920 zu einem Treffen von Moeller und Spengler kam.49 Der Haupt organisator der Berliner Jungkonservativen und spätere Gründer des Juni-Klubs, Heinrich von Gleichen, hatte Spengler eingeladen, in seiner Privatwohnung vor ausgewählten Gästen – darunter auch Otto Strasser – über sein Buch „Preußentum und Sozialismus“ zu sprechen. Bei dieser Veranstaltung kam es zu einer Unterhaltung zwischen Spengler und Moeller, die offenbar positiv verlief. Kurze Zeit später trat er in München als Leiter eines Juni-Klub-Ablegers in Erscheinung, der sich am selben Ort (Hotel Union) wie der jungakademische Klub Edgar Jungs traf. Auch hier kam es zu einem Kontakt, der jedoch eher oberflächlich blieb. Wenn Spengler auch als Ideengeber der Jungkonservativen fungierte und oft als Vortragsredner eingeladen wurde, ließ er sich organisatorisch kaum von diesen Kreisen einbinden. Dementsprechend löste sich der von ihm gegründete Klub in München auch bald auf.50 Karl May der Philosophie“ (zit. n. Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke, Bd. 10, Reinbeck 1975, S. 109). 47 Vgl. Friedrich Kabermann: Widerstand und Entscheidung eines deutschen Revolutionärs. Leben und Denken von Ernst Niekisch, Koblenz 1993. 48 Ernst Niekisch: Gewagtes Leben, Köln / Berlin 1958, S. 135. 49 Vgl. Felken: Spengler, S. 135 f.
4. Preußentum und Sozialismus39
Die nicht immer positiv ausgerichtete Rezensionslawine, die der „Untergang des Abendlandes“ losgetreten hatte, veranlaßte Spengler 1921 zur Veröffentlichung des Aufsatzes „Pessimis mus?“51, in dem er Mißverständnisse ausräumen wollte. Insbesondere aus akademischen Kreisen wurde seine Geschichtsphilosophie kritisiert, was Spengler animiert haben dürfte, nun der Wissenschaft das totale Fehlen von Realitätssinn vorzuwerfen. Doch ist der Text nicht nur aufgrund dieser verständlichen Verteidigung von Interesse. So formulierte er hier ein Plädoyer für eine Philosophie des Lebens, die für ihn als der Schlüssel zum wahrhaftigen Verständnis der Welt aufgefaßt wurde: „Ich habe mich mit vollem Bewußtsein auf ‚die andere Seite gestellt‘, die des Lebens, nicht des Denkens.“52 Die Gegnerschaft gegen die Welt der Abstraktionen ist ein Kernelement der Konservativen Revolution, das insbesondere von den Nationalrevolutionären kultiviert wurde. Diese hatten in den Schützengräben und den Materialschlachten des 1. Weltkrieges erkannt, daß es nicht auf Theorien, sondern auf Tatsachen ankomme. Es war derselbe Realitätssinn, in dem Spengler den konstruktiven Gehalt seiner Weltschau betrachtete und folglich alle Vorwürfe des „Pessimismus“ von sich weisen mußte. Polemisch wies er gleichzeitig darauf hin, daß er in Bezug auf die Vorstellung eines allgemeinen Menschheitsfortschritts durchaus als Pessimist gelten wolle: „Aber allerdings, was das „Ziel der Menschheit“ angeht, so bin ich ein gründlicher und entschiedener Pessimist. Menschheit ist für mich eine zoologische Größe. Ich sehe keinen Fortschritt, kein Ziel, keinen Weg der Menschen, außer in den Köpfen abendländischer Fortschrittsphilister.“53 Auch über diese von Nietzsche inspirierte These herrschte innerhalb der Konservativen Revolution allgemeiner Konsens. So glaubte man, in Abkehr vom linearen Weltbild der Liberalen, an einen zyklischen Verlauf 50
50 Vgl. Manuskript einer Dissertation über die jungkonservative Klubbewegung, das dem Verfasser freundlicherweise von Herrn Andrè Postert zur Verfügung gestellt wurde. 51 Oswald Spengler: Pessimismus? (1921): In: Oswald Spengler: Reden und Aufsätze, München 1951, S. 63 ff. 52 Ebd. S. 68. 53 Ebd. S. 73 f.
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4. Preußentum und Sozialismus
der Geschichte. Dieser Annahme ist ein nüchterner Blick auf den Menschen immanent: Eine Hinwendung der Menschheit zum „Guten“ und der Aufbau einer gewaltfreien, egalisierten Wohlfahrtsgesellschaft, wie sie von Marxisten und auch einigen Liberalen ersehnt wurde, hielten die konservativen Revolutionäre für vollkommen realitätsfern. Das Realitätsbedürfnis Spenglers ging so weit, daß er selbst romantisches Denken, das für einige Akteure der Konservativen Revolution, wie etwa Othmar Spann, durchaus Vorbildcharakter besaß, vehement ablehnte.54 Die Vergötterung des Tatsachendenkens führte bei Spengler zu der Erkenntnis, daß nur eine herausragende Persönlichkeit die Welt der Abstraktionen zerschlagen und die Deutschen wieder zu geschichtlicher Größe bringen könne: „Zu einem Goethe werden wir Deutsche es nicht wieder bringen, aber zu einem Cäsar.“55 Das Konzept des Cäsarismus, das auch schon in „Preußentum und Sozialismus“ kurz angeschnitten wurde, sollte er jedoch erst im zweiten Band des „Untergang des Abendlandes“ detailliert zur Entfaltung bringen. Es kann zusammengefaßt werden, daß es Spengler in „Pessimismus?“ vorrangig darum ging, jegliche rationale Kritik an seiner Philosophie im Keim zu ersticken. Indem er seinen Kritikern vorwarf, die Ebene der blutleeren Abstraktion nicht überschreiten zu können, stellte er sie als Gegner des Lebens dar, deren Maßstäbe vollkommen ungeeignet seien, die Welt als Ganzes zu verstehen. Auch wenn er damit die Akademikerschaft kaum beeindrucken konnte, sind seine Ausführungen für das Verständnis der Konservativen Revolution, die eben immer auch eine Bewegung des „Lebens“ gewesen ist, äußerst erhellend. Eigentlich hatte Spengler den zweiten Band des „Untergang des Abendlandes“ schon im Winter 1919 niederschreiben wollen. Allerdings entschloß er sich aufgrund der kritischen Reaktionen der Fachwelt, seine Philosophie noch einmal gründlich zu überdenken. So kam es, daß er seine Arbeit erst im April 1922 endgültig abschließen konnte. Der zweite Band gliedert 54 Vgl.
55 Ebd.
ebd. S. 75 f. S. 79.
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sich in fünf Kapitel, in denen der Autor 1. seine geschichts philosophischen Thesen rekapituliert, 2. erneut den Gegensatz von Kultur und Zivilisation herausarbeitet, 3. die arabische Mischkultur und Religionsgeschichte behandelt, 4. grundlegende Gedanken zum „Staat“ ausbreitet und 5. sich letztendlich mit der „Formenwelt des Wirtschaftslebens“ beschäftigt. Mit tagespolitischen Äußerungen hielt sich Spengler merklich zurück, was wohl unter anderem auch damit zusammenhing, daß er bereits in „Preußentum und Sozialismus“ die Gelegenheit genutzt hatte, sich in diese Richtung zu äußern. Die Vorstellung, eine Neuorganisation von Staat und Gesellschaft durch die Errichtung eines Ständewesens in Angriff zu nehmen, wurde bei den Jungkonservativen insbesondere durch den Kreis um Moeller van den Bruck kultiviert. Hier tat sich insbesondere Heinz Brauweiler56 hervor, der im April 1922 die „Vereinigung für ständischen Aufbau“ gegründet und 1925 sein Hauptwerk „Berufstand und Staat“57 vorgelegt hatte. Mit Max Hildebert Boehm hatte sich ein weiterer enger Mitarbeiter Moellers bereits vor der Veröffentlichung des zweiten Bandes des „Untergang des Abendlandes“ ausführlich zu dem Thema geäußert.58 Es ist also davon auszugehen, daß Spengler diese Konzepte zumindest geläufig gewesen seien dürften. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob Spengler, der im zweiten Band seines geschichtsphilosophischen Hauptwerkes auf das Thema Ständewesen eingegangen war, den Kreis um Moeller diesbezüglich beeinflußte. Spengler ging von einer engen Verquickung von Kulturen und Ständen aus, wenn er schrieb: „Die gesamte Geschichte großen Stils von sechs Jahrtausenden hat sich in den Lebensläufen der hohen Kulturen vollzogen, nur weil diese Kulturen selbst ihren schöpferischen Mittelpunkt in Ständen haben, die 56 Vgl.
Maaß: Kämpfer um ein drittes Reich, S. 71 ff. Brauweiler: Berufstand und Staat. Betrachtungen über eine neuständische Verfassung des Deutschen Staates, Berlin 1925. 58 Max Hildebert Boehm: Körperschaft und Gemeinwesen, Leipzig 1920. Erläuterungen hierzu finden sich bei Maaß: Kämpfer um ein drittes Reich, S. 68 ff. 57 Heinz
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Zucht besitzen, in Vollendung gezüchtet worden sind.“59 Weiter führte Spengler auf, daß die Ständeordnung durch den Massenmenschen des modernen Zeitalters zerstört worden sei.60 Dennoch wird schnell deutlich, daß er eine Wiederbelebung der Stände zwecks Bekämpfung der nihilistischen Masse nicht für sinnvoll hielt. So unterließ er es im zweiten Band des „Untergang des Abendlandes“, derartige Vorschläge zu unterbreiten. Seine Ausführungen dürften folglich die Ständestaatskonzeptionen der Jungkonservativen kaum beeinflußt haben. Viele Akteure der Konservativen Revolution wie beispielsweise Wilhelm Stapel und Carl Schmitt traten als Befürworter eines starken Staates hervor.61 Grundgedanke hierbei war die Annahme, daß der Staat vor pluralistischen Strukturen geschützt werden müsse, damit er seine Souveränität behalten könne. Spengler ließ in seinen Ausführungen erkennen, daß der ebenfalls ein starkes Staatswesen befürwortete. Allerdings ging er davon aus, daß mit dem Aufkommen der Zivilisation ein Siegeszug des Geldes und des Parlamentarismus in die Wege geleitet worden sei, wodurch der Wiederaufrichtung eines starken Staatswesens Grenzen gesetzt seien.62 Doch auch das parlamentarische System, so Spengler, könne keine stabile Ordnung etablieren. Hier stellt sich natürlich die Frage, welchen Mächten er dieses Unterfangen zutraute. Hier kommt Spenglers Konzeption des Cäsarismus63 ins Spiel, worunter er das Auftreten epochaler „Tatsachenmenschen“ verstand, die Kraft ihrer außergewöhnlichen Persönlichkeit das Potential besitzen, die Macht im Staat zu übernehmen und dem Nihilismus der traditionslosen Zivilisationswelt wirkungsvoll entgegenzutreten.
59 Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte, 16. Auflage, München 2003, S. 967. (1. Auflage: 1972) 60 Vgl. ebd. S. 1004. 61 Vgl. Sebastian Maaß: Starker Staat und Imperium Teutonicum. Wilhelm Stapel, Carl Schmitt und der Hamburger Kreis, Kiel 2011. 62 Vgl. Spengler: Untergang des Abendlandes, S. 1064. 63 Vgl. ebd. S. 1101.
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Weiter prognostizierte Spengler, daß mit der fortschreitenden Zivilisation zugleich der „Eintritt in das Zeitalter der Rie senkämpfe“64 beginne. Hierbei komme es zwischen den imperialistisch motivierten Völkern zu Entscheidungsschlachten um die Weltmacht. In Abkehr von pazifistischen Vorstellungen der Völkerverständigung sah er im Krieg die Chance, „Heldenschicksale im Stil der Vorzeit“65 wieder möglich zu machen. Wenn er auch nicht vergangene Zustände reaktionär Wiederherstellen wollte, glaubte er offenbar, mit der Herrschaft der Cäsaren und dem Imperialismus der Spätzeit Konzepte ausfindig gemacht zu haben, mit deren Hilfe die Zivilisationszeit würdig durchschritten werden könne. Der Cäsarismus ist ohne Zweifel die politische Kernessenz des „Untergang des Abendlandes“, weil er den Gegnern der Weimarer Republik einen Handlungsleitfaden zur Überwindung der Demokratie bot. Spenglers Geschichtsphilosophie hatte dadurch, daß sie den totalen Niedergang der abendländischen Kultur verkündete, bei vielen Lesern Resignation geschürt. Durch das Konzept des Cäsarismus hatte Spengler jedoch aufgezeigt, daß dennoch – auch auf der tagespolitischen Ebene – Aussicht auf Besserung bestehe. Daß diese Hoffnung die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie zur Grundlage hatte, erklärt die begeisterte Rezeption des „Untergang des Abendlandes“ bei den Akteuren der Konservativen Revolution. Vom besonderen Interesse ist Spenglers Auffassung von der Beschaffenheit eines idealen Staatsmannes. Hierzu notierte er: „Es gibt Augenblicke und sie bezeichnen die Höhepunkte kosmischer Strömungen, in denen ein Einzelner sich mit dem Schicksal und der Weltmitte identisch weiß und seine Persönlichkeit beinahe als Hülle empfindet, in welcher die Geschichte der Zukunft sich zu kleiden im Begriff ist.“66 Die Hauptaufgabe eines jeden Staatsmannes sei es, eine „Tradition zu schaffen“, die als Bindeglied zwischen Führer und Volk fungieren solle. 64 Vgl.
ebd. S. 1081. ebd. S. 1102. 66 Ebd. S. 1115. 65 Vgl.
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Vielleicht hatte sich Arthur Moeller van den Bruck mit seiner konservativ-revolutionären Grundforderung, „Dinge zu erschaffen, deren Erhaltung sich lohnt“, von diesen Zeilen inspirieren lassen. Spenglers Staatsmannideal basierte auf der Überlegung, daß der jeweilige Staatslenker von Sittlichkeit durchdrungen seien sollte. Eine dementsprechende Elitenbildung hielt er in einer kapitalistisch-liberalen Demokratie nicht für möglich: „Man ist der Geldwirtschaft müde bis zum Ekel. Man hofft auf eine Erlösung irgendwoher, auf einen echten Ton von Ehre und Ritterlichkeit, von innerem Adel, von Entsagung und Pflicht.“67 Die Vorstellung von einer negativen Führerauslese in der Demokratie war innerhalb der Konservativen Revolution Allgemeingut. Insbesondere Edgar Julius Jung68 sorgte später mit seinem Hauptwerk „Die Herrschaft der Minderwertigen“, indem er die Elitentheorie Vilfredo Paretos und die Parlamentarismus-Kritik Carl Schmitts verarbeitete, für eine Verbreitung dieser These. Wenn Spengler auch keine vergleichbar tiefgehende Dekonstruktion der Demokratie vornehmen konnte, wurde seine Darstellung der Politiker Weimars als skrupellose Geschäftemacher und Demagogen von vielen Lesern begeistert aufgenommen. Die Konservative Revolution war jedoch keineswegs die Urheberin der in den zwanziger Jahren prosperierenden Republikfeindlichkeit. Vielmehr griffen Denker wie Spengler allgemein verbreitete Vorbehalte gegen die Weimarer Republik auf, um sie in schlüssige metapolitische Großentwürfe zu gießen. Eine Besonderheit von Spenglers Cäsarismus ist das vollkommene Fehlen plebiszitärer Elemente. Während Jung und der Kreis um Moeller van den Bruck beispielsweise ein Wahlrecht propagierten, bei dem die Wertigkeit des Wählers Einfluß auf das jeweilige Stimmgewicht haben solle, finden sich im „Untergang des Abendlandes“ keine Hinweise auf vergleichbare Ambitionen. Insofern geht man nicht fehl, den Cäsarismus innerhalb 67 Ebd.
S. 1143. Sebastian Maaß: Edgar Julius Jung und die metaphysischen Grundlagen der Konservativen Revolution, Kiel 2009. 68 Vgl.
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des jungkonservativen Spektrums als einen besonders radikalen Ansatz zu deuten. Der Einfluß Friedrich Nietzsches, der in seinem Zarathustra geschrieben hatte „was fällt, das soll man auch noch stossen!“, ist hier unverkennbar. So heißt es in einer Passage des zweiten Bandes: „Das ist das Ende der Demokratie. Wenn in der Welt der Wahrheiten der Beweis alles entscheidet, so in der Tatsachenwelt der Erfolg. Erfolg, das bedeutet den Triumph eines Daseinsstromes über die anderen. Das Leben hat sich durchgesetzt; die Träume der Weltverbesserer sind Werkzeuge von Herrennaturen geworden. In der späten Demokratie bricht die Rasse hervor und knechtet die Ideale oder wirft sie mit Gelächter in den Abgrund.“69 Offensichtlich vertrat Spengler in Anlehnung an die Philosophie Nietzsches Positionen, die eigentlich eher im nationalrevolutionären Lager anzutreffen waren. So propagierten die Nationalrevolutionäre eine Beschleunigung des Nihilismus, um nach der totalen Vernichtung einen umfassenden Neubau von Staat und Gesellschaft in Angriff nehmen zu können. Spenglers Cäsaren sollten anscheinend genau diese Rolle der Brandbeschleuniger übernehmen. Kompromisse, wie sie häufig im jungkonservativen Lager anzutreffen sind, wollte Spengler hier nicht eingehen. So war sein idea ler Staatsmann nicht nur Bewahrer der Dinge „deren Erhaltung sich lohnt“, sondern durchaus auch mit Vernichtungspotential ausgestattet. Seit 1919 erhielt Spengler aus dem ganzen Reichsgebiet Zuschriften begeisterter Leser, die sich von seinen geschichtsphilosophischen und politischen Standpunkten angesprochen fühlten. Dem hohen Anspruch seiner Schriften entsprechend, überwog der Anteil der Akademiker. Die Arbeiterschaft hingegen scheint kaum Notiz von dem publizistischen Phänomen genommen zu haben. Dies hatte jedoch keinen negativen Einfluß auf den Erfolg. Der „Untergang des Abendlandes“ und „Preußentum und Sozialismus“ entwickelten sich zu wahren „Verkaufsschlagern“ und Spengler avancierte zu einem der erfolgreichsten Publizisten der frühen zwanziger Jahre. War seine finanzielle 69 Spengler:
Untergang des Abendlandes, S. 1142.
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Lage während des 1. Weltkrieges zeitweise recht angespannt, konnte er sich nun dank der Verlagshonorare ganz auf sein Dasein als Schriftsteller konzentrieren. Auch die Zeit der Hyperinflation – stabile Vermögensanlagen machten es möglich – konnte an dieser komfortablen Situation nichts ändern. Nach Fertigstellung seines opus magnum versuchte Spengler in der Folgezeit erneut, politischen Einfluß zu erringen, wofür ihm die Presse als geeignetes Hilfsmittel erschien.70 Die Macht der Presse hatte er schon im zweiten Band des „Untergang des Abendlandes“ hervorgehoben: „Kein Tierbändiger hat seine Meute besser in der Gewalt. Man läßt das Volk als Lesermasse los, und es stürmt durch die Straßen, wirft sich auf das bezeichnete Ziel, droht und schlägt Fenster ein. Ein Wink an den Pressestab und es wird still und geht nach Hause“71. Spengler war also davon überzeugt, daß sich das Volk beliebig durch denjenigen, der über die Presse gebietet, beherrschen lasse. Davon ausgehend, daß sich mit ausreichend Kapital alles Notwendige regeln lasse, dachte er an die Einrichtung eines durch die Schwerindustrie gelenkten Büros zur Lenkung und Überwachung der nationalen Presse. Zusammen mit Martin Spahn72, der dem Kreis um Moeller van den Bruck angehörte, und Nikolaus Cossmann, der inzwischen zum Verlagschef der Münchner Neuesten Nachrichten aufgestiegen war, wollte er einen „geheimen Aufsichtsrat“ stellen, der im Hintergrund die Fäden in der Hand halten sollte. Die ganze Unternehmung sollte nach dem Willen Spenglers konspirativ angelegt werden und darauf hinauslaufen, eine umfassende Gleichschaltung der rechtskonservativen Blätter herbeizuführen. Das Geheimbüro sollte nicht nur außen- und innenpolitische Nachrichten koordinieren, sondern darüber hinaus mit Hilfe eines journalistischen Fachanwaltes die gegnerischen (sprich: linken) Zeitun70 Vgl. Paul Hoser: Ein Philosoph im Irrgarten der Politik. Oswald Spenglers Pläne für eine geheime Lenkung der nationalen Presse. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 38. Jahrgang 1990, Heft 3, S. 435 ff. 71 Spengler: Untergang des Abendlandes, S. 1140. 72 Vgl. Maaß: Kämpfer um ein drittes Reich, S. 62 ff.
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gen mit Prozessen eindecken, um deren Propagandapotential nachhaltig eindämmen zu können. Am 11. Januar 1923, hatten französische und belgische Divisionen das Ruhrgebiet besetzt.73 Der Versailler Vertrag hatte das Deutsche Reich dazu verpflichtet, „Reparationen“ an die Siegermächte des 1. Weltkrieges abtreten zu müssen. Nachdem die deutsche Wirtschaft kaum mehr dazu fähig war, diesen Tribut mit Geld zu begleichen, gingen die Alliierten dazu über Sachleistungen (Kohle, Stahl, Holz usw.) einzufordern. Unter dem Vorwand, daß die deutsche Seite absichtlich Lieferungen zurückhalte, begannen die Franzosen die Besetzung des Ruhrgebietes einzuleiten, was bei der deutschen Bevölkerung zu größter Empörung führte. Der Reichskanzler Wilhelm Cuno reagierte auf die Provokation der Franzosen, indem er die Reparationszahlungen abbrach und den „passiven Widerstand“ ausrief. Dieser beinhaltete die Zurückhaltung der Reparationsleistungen und die Durchführung von Generalstreiks, die teilweise Industrie, Verwaltung und Verkehr lahmlegten. Als es darüber hinaus auch zu Sabotageakten kam, reagierten die Franzosen mit blutigen Vergeltungsmaßnahmen, die 137 Tote zur Folge hatten. Der wegen Spionage und Sabotage zum Tode verurteile Albert Leo Schlageter avancierte zum Märtyrer und gefeierten Nationalhelden. Jedoch befand sich die Reichsregierung in der ungünstigen Situation, den passiven Widerstand finanzieren zu müssen, was aufgrund der desolaten wirtschaftlichen Lage nicht allzu lange durchgehalten werden konnte. Eine Erhöhung der Geldproduktion und die damit einhergehende Inflation trugen immer mehr zur Verschärfung der Lage bei. Die sich überschlagenden Ereignisse veranlaßten Spengler zu geopolitischen Überlegungen. So sah er im Verhalten der Franzosen einen imperialistischen Akt, der in Anknüpfung an die Politik Napoleons die Herrschaft Frankreichs über den europäi schen Kontinent dauerhaft manifestieren wollte. Die angeblichen Ambitionen der Franzosen müßten zugleich auch als Chance begriffen werden, weil das englische Weltreich mit der 73 Vgl.
Felken: Oswald Spengler, S. 141 ff.
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aufstrebenden Kontinentalmacht in Konflikt geraten müsse. Im Frühjahr und Sommer 1923 versuchte Spengler mit englischen Journalisten ins Gespräch zu kommen, um diesen seine Sichtweise näher zu bringen. Hierbei überschätzte er seine Möglichkeiten der Einflußnahme ganz offensichtlich. Schließlich waren seine Interviews mit englischen Presseleuten kaum dazu geeignet, die außenpolitischen Strategen in London auf einen anti französischen Kurs einzuschwören. Nachdem der Ruhrkampf die Inflation weiter verschärft hatte, resignierte Cuno am 12. August und machte damit den Weg frei für eine große Koalition aus SPD, DDP und DVP, die vom DVP-Vorsitzenden Gustav Stresemann angeführt wurde. Spengler setzte bei seiner politischen Agitation insbesondere auf die Hilfe des mächtigen Pressekonzerns Alfred Hugenbergs, des Vorstandsmitgliedes der Gutehoffnungshütte Paul Reuschs und des Industriellen Hugo Stinnes. Zu einer ersten Ernüchterung kam es, als Spengler vergeblich bei der Zellulose-Industrie versuchte, rechtsstehenden Zeitungen billigeres Papier zukommen zu lassen. Auch wenn anfänglich Geldbeträge flossen, wollte das Projekt nicht richtig in Fahrt kommen. Zu allem Überfluß verlor Hugenberg im Laufe des Jahres 1923 sein Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit. Trotz dieser Rückschläge lancierte Spengler im Oktober 1923 eine Pressekampagne gegen den liberalen Reichskanzler und Reichsminister des Auswärtigen Gustav Stresemann. Tatsächlich erschienen einige – beispielsweise in den Münchner Neuesten Nachrichten – Artikel, die Stresemann scharf angriffen. Die Agita tion der bayerischen Presse hatte letztendlich jedoch keinen Einfluß auf das letztendliche Scheitern der Stresemann-Regierung. Spengler machte sich seiner Enttäuschung Luft, indem er die Münchner Neuesten Nachrichten als „Käseblatt“ bezeichnete, was jedoch dazu führte, daß sich sein Bundesgenosse Cossmann von einer weiteren Zusammenarbeit distanzierte. Als auch ein weiterer Versuch, in Kooperation mit Hamburger Exportkaufleuten Einfluß auf die Presselandschaft nehmen zu wollen, mißlang, wurde ihm immer bewußter, daß seine Möglichkeiten als berühmter Geschichtsphilosoph und politischer
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Publizist nicht ausreichten, aus der Rolle des bloßen metapolitischen Ideengebers herauszutreten. Als sich das Ende der Stresemann-Regierung immer deutlicher abzeichnete, richteten sich die Blicke des nationalen Lagers verstärkt auf den Chef der Heeresleitung, General Hans von Seeckt, dem man eine Führungsrolle bei dem ersehnten Machtwechsel zutraute. Am 20. September 1923 kam es – vermittelt durch Reusch – zu einer Unterredung zwischen Spengler und dem General, die allerdings für beide Seiten nicht befriedigend verlief. So schrieb Seeckt kurze Zeit später an seine Frau, daß Spengler ein „politischer Narr“ sei, der besser mit dem „Abendland untergegangen“74 wäre. Auch Spengler urteilte nicht milder, wenn er an Reusch schrieb: „Er hat sich nun doch als ausgesprochener Opportunist enthüllt, der in seinem Betriebe ein Autoritätsgefühl voraussetzt, wie es nicht entfernt vorhanden ist.“75 Am 26. September 1923 wurde der Ruhrkampf eingestellt. Die französische Seite hatte zuvor keinerlei Kompromißbereitschaft gezeigt, weshalb Stresemann keine andere Möglichkeit sah. Die Entscheidung für den Abbruch des passiven Widerstandes vergrößerte den Haß der nationalen Kräfte gegen den Reichskanzler. Noch am selben Tag wurde der revolutionäre Druck von Rechts in Bayern zu stark, daß der Ausnahmezustand ausgerufen werden mußte. Die vollziehende Macht wurde Gustav von Kahr als „Generalstaatskommissar“ übertragen. Die Reichsregierung reagierte sogleich mit der Erklärung des Ausnahmezustandes für das ganze Reich, schreckte aber vor einem militärischen Eingreifen in Bayern zurück. Spengler hatte darauf spekuliert, daß die sich überschlagenden Ereignisse zu einer nationalen Wende führen könnten. Diese Hoffnung wurde jedoch enttäuscht, als radikale völkische Kräfte unter der Führung Adolf Hitlers am 8. / 9. November 1923 versuchten, die Regierungsmacht an sich zu reißen. Ob 74 Zit.
n. Felken: Spengler, S. 144. Spengler an Paul Reusch, 31. 10. 1923. In: Briefe 1913– 36, S. 284. 75 Oswald
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Spengler Augenzeuge der Ereignisse im Münchner Bürgerbräukeller gewesen ist, läßt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Nach dem Scheitern des Hitler-Putsches trat die Weimarer Republik in eine stabilere Phase ein. Als am 26. Februar 1924 in München der Hochverratsprozeß gegen Hitler anlief, weilte Spengler in Würzburg, wo er vor den Studenten des „Hochschulrings deutscher Art“ eine Rede mit dem Titel „Politische Pflichten der deutschen Jugend“ hielt. Die Becksche Verlagsbuchhandlung ließ den Text im selben Jahr als Broschüre drucken.76 Die relative ökonomische und politische Konsolidierung Deutschlands, die mit einer signifikanten Abnahme des revolutionären Potentials einherging, beunruhigte Spengler, weil die Hoffnung auf einen baldigen politischen Umschwung in immer weitere Ferne rückte. Eine Verbesserung der Gesamtlage war für ihn nicht an die Stabilisierung des Wirtschaftssystems gekoppelt. Nach wie vor betrachtete er die Deutschen als ein fremdbestimmtes Volk, dem jegliche staatliche Souveränität abhanden gekommen sei: „Wir sind nicht nur elend, wir sind auch ehrlos geworden. Das Menschenrecht, das jedem Zwergvolk zugestanden wird, sich mit den Waffen in der Hand zu schützen, ist uns genommen worden. Wir gehören nicht mehr in die Reihe der selbständigen Nationen. Wir sind das bloße Objekt des Willens, des Hasses und der Beutelust anderer geworden. Während rings in der Welt die Heere und Flotten für neue Entscheidungen gerüstet werden, bezahlen wir mit deutschem Geld auf deutschem Boden ein französisches Heer – das ist unser Antimilitarismus.“77 Doch nicht nur zu der seiner Meinung desolaten inneren Lage Deutschlands bezog Spengler Stellung. So schnitt er erneut auch geopolitische Fragestellungen an, die auch aus heutiger Perspektive noch eine gewisse Aktualität besitzen: „Augenblicklich aber vollzieht sich in Afrika eine Wandlung, die man vor kurzem noch für unmöglich gehalten hätte […] Heute geht 76 Oswald Spengler: Politische Pflichten der deutschen Jugend, Mün chen 1924. 77 Ebd. S. 3.
4. Preußentum und Sozialismus51
Frankreich planmäßig, den Erdteil Afrika zu militarisieren. Hunderttausende von Negern werden durch Einführung der Dienstpflicht von Senegal bis Tunis militärisch ausgebildet […] Damit tritt ein ganzer Erdteil in die aktive Politik ein, um so mehr, als der Islam mit ungeheurem Erfolge die Negerbevölkerung nördlich des Äquators bekehrt und nicht nur in ihrer Weltanschauung, sondern auch politisch aufweckt und einem gewaltigen unsichtbaren System angegliedert hat, das von Bagdad nach China und von Mekka bis zum atlantischen Ozean reicht.“78 Ganz offensichtlich fühlte sich Spengler nicht dazu in der Lage, die Folgen der sich auf den Kontinenten abspielenden Emanzipationsprozesse abzusehen. Jedoch sah er gerade in der Deklassierung Englands, dessen Flottenstützpunkte dauerhaft nicht dazu geeignet seien, die kolonialisierten Völker auf dem Festland unter Kontrolle zu halten, eine Chance für das Deutsche Reich. Noch in „Preußentum und Sozialismus“ hatte sich Spengler intensiv mit dem Phänomen des Marxismus auseinandergesetzt. Dies hielt er nun nicht mehr für notwendig, weil die marxistische Grundannahme von den besitzenden und nicht-besitzenden Klassen vollkommen veraltet sei. Vielmehr sei ein Prozeß in Gange, der eine zunehmende „Ablösung des Besitzes vom Gegenstand“79 zur Folge habe. Als Beispiel für diesen Tatbestand führte der Autor ein Werk an, dessen Besitzer überhaupt keine Kenntnisse über die Abläufe in der Betriebsstätte aufweisen konnte. Ein derartiges Verhältnis von Arbeit und Besitz betrachtete Spengler als eine große Gefahr für ein jedes Volkstum: „Diese Ablösung des Besitzes vom Werk untergräbt und vergiftet die eigentlich produktive, am Heimatboden, an Äckern, Bergwerken, Betriebsstätten haftende Arbeit der heutigen Nationen. Solange zu jedem Werk jemand gehört, der als Eigentümer dafür sorgt, läßt sich von nationaler Arbeit sprechen. Aber ein bewegliches Vermögen, das durch ein Telegramm in einem Augenblick von Berlin nach New York verlegt werden kann, ist 78 Ebd. 79 Ebd.
S. 9 f. S. 13.
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4. Preußentum und Sozialismus
nicht mehr national. Es hat sich vom Boden gelöst, es schwebt in der Luft, es ist eine unfaßbare Größe. Und wenn die Entwicklung in dieser Richtung bis ans Ende schreitet, so daß in den großen Wirtschaftsgebieten auch die letzten Teile des Nationalvermögen von den Dingen gelöst werden, dann ist eine Form der Wirtschaft erreicht, welche das Mark auch des stärksten Volkes rasch aufzehrt.“80 Spengler, der den Sozialismus marxistischer Prägung zu diesem Zeitpunkt längst abgeschrieben hatte, formulierte hier eine Generalkritik an der sich schon damals immer deutlicher herausbildenden globalisierten Wirtschaft. Diese Beurteilung des internationalistisch angelegten kapitalistischen Systems findet sich in ähnlicher Form auch heute bei rechten und linken Globalisierungsgegnern wieder. Insofern weisen Spenglers Überlegungen auch hier eine erstaunliche Aktualität auf. Freilich sind seine Lösungsansätze, die auf die Wiederherstellung der deutschen Nation hinausliefen, heute nicht mehr konsensfähig. Ohne Namen zu nennen, kritisierte Spengler das nationale Lager, indem er ihm vorwarf, sich allzusehr durch Gefühlsausbrüche leiten zu lassen und dabei den Blick für realpolitische Notwendigkeiten zu verlieren: „Ob jemand recht hat oder unrecht, darauf kommt in der Geschichte nicht viel an. Ob er dem Gegner praktisch überlegen ist oder nicht, entscheidet über den Erfolg. Und zum letztenmal: die Jugendbewegung, wie sie heute ist, verzichtet auf Erfolg, um sich zu berauschen. Ehrlich, aber sonst nichts – das ist zu wenig für unsere Zukunft.“81 Es ist anzunehmen, daß Spengler hier unter anderem den gescheiterten Hitlerputsch vor Augen hatte, mit dem der spätere Reichskanzler in der Tat wenig realpolitisches Fingerspitzengefühl an den Tag gelegt hatte. In diesem Kontext verwies Spengler auf Otto von Bismarck, der sich nicht durch seine Emotionen, sondern durch konkrete politische Zielsetzungen habe leiten lassen. Wenn Spengler an die deutsche Jugend appellierte, „sich als Material für große Führer [zu] zu er 80 Ebd. 81 Ebd.
S. 14. S. 28.
4. Preußentum und Sozialismus53
ziehen“82, wird deutlich, daß er die bereits vorhandenen nationalsozialistischen Führerstrukturen nicht dafür geeignet hielt, ein staatstragendes Potential zu entwickeln. Diese grundlegende Skepsis gegenüber Hitler und seinen Gefolgsleuten sollte Spengler zeitlebens beibehalten.
82 Ebd.
S. 29.
5. Neubau des Deutschen Reiches Die Enttäuschung über das Ausbleiben einer nationalen Wende hinderte Spengler nicht daran, weiterhin als Autor metapolitischer Grundlagenschriften in Erscheinung zu treten. 1924 veröffentlichte er das Buch „Neubau des Deutschen Reiches“, indem er skizzierte, wie er sich die Ablösung der Weimarer Demokratie vorstellte. Dabei behandelte er überblickartig alle wesentlichen Teilbereich des politischen und gesellschaftlichen Lebens (Wirtschaft, Recht, politisches System usw.). Ein Jahr zuvor hatte Arthur Moeller van den Bruck mit seinem politischen Hauptwerk „Das dritte Reich“ den Versuch unternommen, die Parteien von der Seite der Weltanschauungen zu widerlegen. Wenn auch Spengler lange zuvor seine Ablehnung des Weimarer Parteiensystems ausformuliert hatte, ist es gut möglich, daß er sich hier von Moellers Ausführungen inspirieren ließ, wenn er schrieb: „Aus der Angst um den Beuteanteil entstand auf den großherzoglichen Samtsesseln und in den Kneipen von Weimar die deutsche Republik, keine Staatsform, sondern eine Firma. In ihren Satzungen ist nicht vom Volk die Rede, sondern von Parteien; nicht von Macht, von Ehre und Größe, sondern von Parteien. Wir haben kein Vaterland mehr, sondern Parteien; keine Rechte, sondern Parteien; kein Ziel, keine Zukunft mehr, sondern Interessen von Parteien.“83 Obwohl die Nationalsozialisten die Parteien ebenfalls verachteten, konnte ein Konsens zwischen völkischer Ideologie und der Weltanschauung Spenglers niemals hergestellt werden. Dies unterstrich Spengler im „Neubau des Deutschen Reiches“ erneut, indem er die Rasse orientierung der Völkischen scharf angriff: „Und nebenbei gesagt, wie klein, flach, beschränkt und unwürdig steht neben dem englischen Satz: „Right or wrong, my country!“ der deutsche: 83 Oswald
Spengler: Neubau des Deutschen Reiches, München 1924.
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5. Neubau des Deutschen Reiches
„Juden hinaus!“ eine bloße Negation unter völliger Verkennung der Tatsache, daß die gefährlichsten antideutschen Züge, der Hang zu internationaler und pazifistischer Schwärmerei, der Haß gegen Autorität und Machterfolge tief gerade im deutschen Wesen begründet sind. Angehörige der eignen Rasse sind immer gefährlicher als die einer fremden, die schon als Minderheit die Anpassung vorziehen muß, wenn man sie ernsthaft vor die Wahl stellt.“84 Diese Auffassung wurde – wenn vielleicht auch nicht mit solcher Konsequenz – von den meisten jungkonservativen Leitfiguren wie beispielsweise Arthur Moeller van den Bruck und Edgar Julius Jung geteilt. Spengler hätte wohl auch nichts, wie er andeutete, gegen einen fremdrassigen Staatsmann in Deutschland einzuwenden gehabt. Spätestens hier wird die vollkommene Unvereinbarkeit von Spenglers Jungkonservatismus mit Hitlers rassenbiologischer Weltsicht offensichtlich. Über seine antiparlamentarische Ausrichtung hatte Spengler bereits in seinen früheren Schriften keinen Zweifel aufkommen lassen. Im „Neubau des Deutschen Reiches“ versuchte er nun aber, konkrete Handlungsanweisungen für einen Staatsneubau zu liefern.85 So machte er den Vorschlag, jegliche Parlamentsverhandlungen zu unterlassen und den Kanzler mit umfassenden Generalvollmachten auszustatten. Dieser solle dann in regelmäßigen Abständen Rechenschaft über seine Maßnahmen ablegen. Starre, im voraus festgelegte Regierungsstrukturen lehnte Spengler ab. Vielmehr solle es dem Kanzler obliegen, sich als Generalstab ein Ministerium nach eigener Wahl zu bilden und über alle relevanten Ämter im Reich zu verfügen. Des weiteren sah Spengler einen aus Fachleuten zusammengesetzten Staatsrat vor, der ebenfalls vom Kanzler nach Belieben eingesetzt werden könnte. Dieser sollte ausschließlich beratende Funktion haben und sowohl in öffentlichen, als auch in vertraulichen Sitzungen tagen dürfen. Spengler erhoffte sich, daß der Staatsrat auch als Ausbildungs- und Erziehungseinrichtung für junge Talente fungieren könne, die auf den höheren Staatsdienst vorbereitet werden sollten. Auch auf das Instrument der 84 Ebd. 85 Vgl.
S. 18. ebd. S. 24 ff.
5. Neubau des Deutschen Reiches57
Wahlen sollte nicht verzichtet werden. So empfahl Spengler allgemeine Wahlen zur Konstituierung eines Reichstages, „der zweimal jährlich zu kurzen Sitzungen zusammentritt, als Aufsichtsrat die Vollmacht erteilt, den Rechenschaftsbericht entgegennimmt, Kritik übt, den Haushalt und die Gesetze, so viele als möglich als Ganzes, in namentlicher Abstimmung anerkennt oder verwirft – und die Verantwortung dafür in einer feierlichen Erklärung dem Volk gegenüber auf sich nimmt.“86 Offensichtlich war Spengler also bestrebt, mit dem Reichstag als Repräsentanten des Volkes auch ein demokratisches Element in seine Staatsphilosophie zu integrieren. Jedoch räumte Spengler dem Reichstag derartig wenige Kompetenzen ein, daß derselbe wohl bei einer Verwirklichung des Konzeptes eher eine repräsentative Rolle eingenommen hätte. Spengler betrachtete die Entwicklung des deutschen Beamtentums als eine der Hauptursachen für den Abstieg Deutschlands. Dementsprechend empfahl er, den Grundgedanken der Erziehung des Heeres, wie er von Moltke eingeführt worden war, auf den Staatsdienst zu übertragen.87 Erst wenn die Beamten wieder durch Ehre, Pflichtbewußtsein, selbständiges Denken und Praxiskönnen in Erscheinung treten würden, könne der Neubau des Deutschen Reiches verwirklicht werden. Interessanterweise hob Spengler den Soldatentypus von 1914, der durch Entschlußkraft und eigenständiges Denken gekennzeichnet gewesen sei, in diesem Kontext lobend hervor. Dabei ging er aber nicht soweit wie die Nationalrevolutionäre, welche die Gestalt des Frontkämpfers als Maß aller Dinge betrachteten und dem Bürgertum kompromißlos den Kampf ansagten. Vielmehr ließ er keinen Zweifel daran aufkommen, daß er ein rechtstaatlich geordnetes Gemeinwesen chaotisch-revolutionären Zuständen vorzog, wobei ein durch Ehre, Idealismus, sittliche Größe und Persönlichkeit durchtränkter Beamtenstand die Grundlage bilden sollte. Der Weimarer Republik traute er hingegen nicht zu, eine derartige schöpferische Schicht heranziehen zu können. So betonte er erneut, daß der Parlamentarismus einen Menschen86 Ebd. 87 Vgl.
S. 24 f. ebd. S. 28 ff.
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5. Neubau des Deutschen Reiches
Typus hervorbringe, dem es nur ums Geldverdienen gehe und dessen Arbeit dementsprechend mittelmäßig sei. Bereits als Schüler hatte sich Spengler nicht für das deutsche Bildungssystem begeistern können. Im erziehungspolitischen Kapitel des „Neubau des Deutschen Reiches“ unternahm er den Versuch, seine diesbezüglichen Ansichten in programmatische Form zu pressen. Die Dominanz des Theorie-Wissens und der fehlende Praxisbezug erschienen ihm als Hauptprobleme des deutschen Erziehungswesens: „Wir wurden vollgestopft mit lebensfremdem Wissen, unermüdlich, zwecklos, ziellos, von Lehrern, die keine andere Aufgabe kannten. Aber das eine ist Gelehrsamkeit, das andere ist Klugheit, Lebenserfahrung, Weltgewandtheit – und wo blieb die?“88 Um diesem Problem wirksam entgegentreten zu können, plädierte er dafür, zukünftige Lehrer erst nach ausgiebiger Praxiserfahrung zum Schuldienst zuzulassen. So sollte beispielsweise jeder angehende Chemie- und Physiklehrer Zeit in einem Hüttenwerk verbringen, um in Abkehr von der rein mechanischen Wissensvermittlung ein realitätsbezogenes Unterrichten zu ermöglichen. Um dies flankierend zu unterstützen, sollten große Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Industrie dazu übergehen, in der Blütephase ihres Schaffens Handbücher zu verfassen, welche die lebensfremden Schulbücher ablösen sollten. Einen radikalen Bruch mit den Lehrtraditionen lehnte er jedoch ab. So hielt er den Lateinunterricht, der geistige Disziplin und Organisationstalent fördere, für eine unabdingbare Einrichtung. Diese Forderungen enthalten reformerische Elemente, die auch in den heutigen pädagogischen Diskussionen anzutreffen sind. Etwas „revolutionärer“ ist da schon Spenglers Vorschlag, zur Ermittlung des geistigen Ranges der Einzelindividuen eine zentral organisierte „Reichsprüfung“ einzuführen, deren Absolvierung unabhängig von Alter, Geschlecht, Stellung und Vorbild möglich seien sollte. Dieser durch persönlichen Fleiß von Jedermann erreichbare Reifeabschluß – eine Art Doktortitel geringeren Ranges – sollte eine „ganz objektive Auslese der Begabungen Deutschlands 88 Ebd.
S. 42.
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liefern können.“89 Ein derartiger Einschnitt in das deutsche Bildungssystem hätte ohne Zweifel die Aufstiegsmöglichkeiten für all diejenigen verbessert, die durch mangelnde Anpassungsfähigkeit oder fehlende finanzielle Möglichkeiten bislang von gehobenen Laufbahnen ausgeschlossen worden waren. Man würde Spengler Gedanken zur Optimierung des Erziehungs systems fehlinterpretieren, wenn man hier eine egalisierende, gegen hierarchische Strukturen gerichtete Tendenz erkennen wollte. Freilich hätte es die „Reichsprüfung“ gerade sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen erlaubt, ihre beruflichen Möglichkeiten zu verbessern. Spengler ging es letztendlich aber nur darum, aus dem Gesamtvolk eine staatstragende Elite herauszufiltern, was letztendlich an der Existenz von Hierarchien nichts geändert hätte. Spenglers „Neubau des Deutschen Reiches“ sah auch eine Reformation des Rechtssystems vor.90 Ausgangspunkt seiner Überlegungen war die These, daß es kein allgemein richtiges Recht gebe. Vielmehr müsse jedes Volk sein eigenes arteigenes Recht hervorbringen, indem „die Weltanschauung eines Volkes, seine Seele, rein und ungetrübt zum Ausdruck kommen“91 solle. Die Ablösung des altgermanischen Rechts durch die römische Rechtswissenschaft hielt er für einen fatalen Fehler, weil „Die Quelle jeden lebenden Rechts […] das Leben selbst“92 seien müsse. Spengler beteiligte sich hier indirekt an einer Diskussion, die seit Anfang der zwanziger Jahre die deutsche Rechtswissenschaft erschütterte. Noch im Kaiserreich war der Rechts positivismus, der das vom jeweiligen Gesetzgeber gesetzte Recht ungefragt anerkennt, das Maß aller Dinge. Einer der ein flußreichsten Gegner des Rechtspositivismus war der Rechtsgelehrte Erich Kaufmann, der im mechanistisch-lebensfeindlichen Denken den Ursprung der Spenglerschen Katerstimmung er89 Ebd.
S. 50. ebd. S. 51 ff. 91 Ebd. S. 51. 92 Ebd. S. 51. 90 Vgl.
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5. Neubau des Deutschen Reiches
kennen wollte. Dementsprechend plädierte er schon 1921 dafür, (Rechts-)Wissenschaft und Leben wieder miteinander zu verknüpfen und den Rationalismus aus dem geistigen Leben auszustoßen: „Der deutsche Geist befindet sich in einer Krise, wie er sie vielleicht noch nie in seiner tragischen Geschichte durchlebt hat. Wird er die Kraft haben, den Rationalismus aus seinem Dasein auszustoßen? Wird ihm die Zucht beschieden sein, einen ungebändigten Lebensdurst zu zügeln? Wird er es verstehen, seine Seele wieder einen Ankergrund finden zu lassen im Ewigen?“93 Spengler warf dem römischen Recht vor, nur Anspruch auf Leistungen zu kennen und dabei die Pflicht außer Acht zu lassen. Dem germanischen Leben liege die Idee der Freiheit zugrunde, aus der wiederum die germanischen Ideen der Familie und des Staates entsprungen seien. Familie und Staat – bzw. privates und öffentliches Recht – seien eng mit einem Bündel an Rechten und Pflichten verbunden. Spengler war ganz offensichtlich der Auffassung, daß das Rechtssystem dahingehend reformiert werden müsse, daß der Bürger nicht als passiver Rechteempfänger in Erscheinung tritt, sondern aktiv in die gesellschaftlichen Prozesse eingebunden wird. Als Beispiel führte er das Strafrecht an, das seiner Meinung nach jeden Bürger in die Pflicht nehmen solle, gegen Straftäter vorzugehen. Letztendlich läuft dieses Konzept auf eine antiindividualistische Rechtsordnung hinaus, in der das ganze Volk zu einer organischen Rechtsgemeinschaft verschmolzen werden sollte. Des weiteren sprach er sich dafür aus, daß der Faktor der Ehre im neu zu gestaltenden Rechtswesen einen höheren Stellenwert einnehmen solle: „An der Spitze des Rechts für ein seiner Würde bewußtes Volk sollte die Ehre stehen. Sie ist das Teuerste, was ein Einzelner, Mann oder Weib, eine Familie, ein Stand, eine Nation zu verlieren und zu verteidigen hat […] Ein Rechtsbuch, das den persönlichen Schutz der Ehre nicht gestattet, erblickt den Sinn des Lebens in materiellen Zuständen und entbehrt damit 93 Erich Kaufmann: Kritik der neukantischen Rechtsphilosophie, Tübingen 1921, S. 101.
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der inneren Würde.“94 Spätestens hier wird offenkundig, daß Spenglers Konzeption eine irrationale und antimodernistische Stoßrichtung einnimmt, die auch schon von Erich Kaufmann eingefordert wurde. Neben geopolitischen Überlegungen, die an Spenglers Thesen aus seiner Rede über die „Politischen Pflichten der Deutschen Jungend“ anknüpfen, nehmen Reformvorschläge für das Wirtschafts- und Steuerwesen einen großen Raum im „Neubau des Deutschen Reiches“ ein, wodurch das Werk eine fast schon biedere – für jungkonservative Autoren aber keinesfalls ungewöhnliche – Ausrichtung bekam. An einigen Stellen ließ sich Spengler aber dennoch zu polemischen Äußerungen hinreißen, wenn er beispielsweise behauptete, daß sich einige SPD-Führer nach der Unterzeichnung des Versailler-Vertrages „in einer Berliner Schiebervilla mit Nackttänzerinnen“95 amüsiert hätten. Während Hugenberg auf diese Aussage mit einem Gratulationsschreiben reagierte, forderte die sozialdemokratische Parteizeitung Vorwärts Beweise für die Behauptung, die Spengler letztendlich schuldig blieb.96 Mit dem „Neubau des Deutschen Reiches“ hatte Spengler ein typisches jungkonservatives Buch mit konkreten Reformvorschlägen für alle wesentlichen politischen und gesellschaftlichen Bereiche vorgelegt. Dies geschah jedoch in einer Phase, in der das Interesse der Leserschaft an derartigen Konzepten merklich abgenommen hatte, weil insbesondere auf dem Wirtschaftssektor eine deutliche Konsolidierung eingesetzt hatte. Vor diesem Hintergrund darf es nicht verwundern, daß der Absatz von „Neubau des Deutschen Reiches“ deutlich hinter den Ergebnissen der vorausgegangenen Werke zurück blieb. Dies dürfte Spengler in der Auffassung bestärkt haben, sich aus der praxisbezogenen Politik zurückzuziehen, um sich wieder mehr philosophischen Fragen widmen zu können.
94 Ebd.
S. 58. Neubau des Deutschen Reiches, S. 10. 96 Vgl. Felken: Spengler, S. 154. 95 Spengler:
6. Rückzug in die Philosophie Nach der Veröffentlichung seiner politischen Schrift vom „Neubau des Deutschen Reiches“ kehrte Spengler zu seinen Ursprüngen zurück, indem er sich nun auf historische und philosophische Fragen konzentrierte. Er selbst notierte rückblickend auf die Zeit als politischer Schriftsteller: „Alle meine politischen Sachen haben mir keinen Spaß gemacht. Das Philosophische, das ist mein Feld.“97 Im Jahre 1924 befand sich Spengler trotz aller Rückschläge im politischen Bereich auf dem Höhepunkt seiner Popularität. Sein hoher Bekanntheitsgrad beschränkte sich dabei nicht nur auf Deutschland. So wurde er auch zu Vorträgen nach Skandinavien und Riga eingeladen. Schon im zweiten Band des „Untergang des Abendlandes“ (1922) hatte er angekündigt, daß er ein „metaphysisches“, sprich philosophisches Buch abfassen wolle, das schon kürze erscheinen sollte. Metaphysik bedeutete für Spengler, in Abkehr von den abstrakten Wissenschaften die Seele des Betrachters mit der Seele der Welt verschmelzen zu lassen. In einem Brief an Hermann Graf Keyserling schrieb er dementsprechend: „Metaphysik […] sollte heute nur noch von solchen getrieben werden, die eines ganz primitiven Denkens und Fühlens fähig sind. Dazu gehört der Umgang mit Kindern, Hunden Katzen […] Eine Schule der Weisheit würde also das Leben selbst sein, wenn man es von jeder Berührung mit bewußtem Philosophieren freihält.“98 Hier zeigt sich die antiintellektuelle Stoßrichtung seiner Lebensphilosophie, die im Hinblick auf Spenglers überragende Gelehrsamkeit erklärungsbedürftig ist. Innerhalb der Konservativen Revolution löste man das Problem, antiintellek97 Kornhardt-Tagebücher, 27.7.1933, zit n. Anton Mirko Koktanek (Hrsg.): Urfragen. Fragmente aus dem Nachlaß, München 1965, S. XXIV. 98 Spengler: Briefe 1913–36, S. 232 f.
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tuelles Denken mit überdurchschnittlich denkerischem Anspruch in Einklang zu bringen, dahingehend, daß man zwischen Verstand und Vernunft differenzierte.99 Der Verstand wurde mit materialistischem Denken gleichgesetzt, währenddessen die Vernunft mit dem organischen Leben in Einklang stehe. Im Hinblick auf diese unter den konservativen Revolutionären weit verbreitete Vorstellung versteht es sich von selbst, daß sich Spengler der antirationalistischen Welt der Vernunft zugerechnet haben dürfte. Bereits im zweiten Band des „Untergang des Abendlandes“ waren ihm Zweifel an der These von der inneren Autonomie der von ihm präsentierten acht Hochkulturen gekommen. Er ging nun dazu über, den Menschen selbst als ein in sich geschlossenes geistiges Wesen zu betrachten, aus dem Kultur – beeinflußt durch herausragende Persönlichkeiten innerhalb eines Verbandes – hervorgehen könne. Zur weiteren Vertiefung dieses Gedankenganges ging er seit spätestens 1925 dazu über, die bereits im „Untergang des Abendlandes“ erprobte Betrachtungsweise auf die Ursprungsgeschichte des Menschen anzuwenden. Zusammen mit seinen Studien zur Metaphysik häufte er Unmengen an Material über die Vorgeschichte an, die sein Bestreben erkennen lassen, eine metaphysisch fundierte Weltgeschichte von Anfang an abzufassen. Obwohl der Entwurf bald Konturen annahm und der Aufwand erahnen ließ, daß hier Spenglers eigentliches Hauptwerk entstehen sollte, kam es nicht zu einem Transfer der Notizen in eine endgültige Buchform, was unter anderen vielleicht damit zusammenhängt, daß er vor nicht vermeidbaren Korrekturen seiner ursprünglichen Geschichtsphilosophie zurückschreckte. Die letztendliche Veröffentlichung einer Auswahl der Fragmente unter dem Titeln „Urfragen“ und „Frühzeit der Weltgeschichte“ wäre ohne den Fleiß der Nachlaßverwalter nicht möglich gewesen, die etwa 16 000 handgeschriebene und nur schwer entzifferbare Zettel aufbereiteten und erstmalig der Forschung zugänglich machten. 99 Vgl.
Maaß: Edgar Julius Jung, S. 101 f.
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1926 erhielt Spengler durch die Vermittlung des Pädagogen Eduard Sprangers eine Einladung in die USA, wo er seine Geschichtsphilosophie einem internationalen Publikum hätte vorstellen können. Doch lehnte er ab, wohl aus Angst, die Eindrücke auf dem amerikanischen Kontinent könnten ihn aus seinem Konzept bringen. 1927 erlitt er einen Schlaganfall mit zeitweise einhergehendem Gedächtnisschwund, wodurch er mit seinen publizistischen Arbeiten weit zurückgeworfen wurde. Noch Monate hatte er mit den Spätfolgen zu kämpfen. Auch nach einer Erholungsreise nach Spanien konnte die alte Leistungsfähigkeit nicht wieder hergestellt werden, weshalb er auch 1928 die Einladung zu einer Vortragsreise nach Argentinien absagen mußte. Im Folgenden sollen Spenglers neue Ansichten kurz skizziert werden. Seiner neu ausgearbeiteten Konzeption lag die Annahme zugrunde, daß es eine Menschheit, eine Geschichte und eine Kultur gebe, die sich in Stufenfolge entwickeln würden. Das Erreichen einer höheren Stufe werde durch eine geistige Mutation ermöglicht, die den Menschen in seinem immerwährenden Kampf gegen die Natur voranbringe. Dadurch daß die Mutationen zu unterschiedlichen Zeiten und an verschiedenen Orten stattfänden, sei es zu einer Heterogenität der Entwicklungsstufen gekommen. Spengler unterschied vier Entwicklungsstufen des Menschen (a, b, c, d). Die a-Stufe könne sich über Hunderttausende von Jahren hinziehen. In ihr seien die Menschen in kleinen Gruppen umhergezogen, einzig durch das „Denken der Hand“ gesteuert. In der b-Stufe, die ca. zehntausend Jahre dauern könne, habe der Mensch erste kulturelle Fähigkeiten erworben, indem er beispielsweise Kunst herstellte. Die sich über einige tausend Jahre hinziehende c-Stufe sei durch die Entdeckung des „Ich“, Rationalität und Technik gekennzeichnet. Erstmalig seien hier Siedlungen und Städte errichtet worden. Mit der d-Stufe sei letztendlich die Phase der Hochkultur erreicht. Gleichzeitig habe jedoch auch der Materialismus Einzug gehalten, womit der Zivilisation, in der es keinen Platz mehr für Götter gibt und die im radikalen Widerspruch zur Natur steht, der Weg geebnet
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6. Rückzug in die Philosophie
worden sei. Hier wird ganz offensichtlich, daß sich Spenglers Perspektive deutlich geweitet hatte. Weltgeschichte war nun nicht mehr ein Vorgang, der sich auf die acht Hochkulturen beschränkte, sondern ein Prozeß, der bereits mit dem Auftreten der ersten Menschen einsetzte. Insgesamt fällt auf, daß Spenglers Gedankengänge nicht mehr so esoterisch ausgerichtet waren, wie beim „Untergang des Abendlandes“, sondern eher nüchtern daherkamen und auf eine gründlichere wissenschaft liche Ausarbeitung bedacht waren.
7. Der Mensch und die Technik Vielleicht hatte Spengler geahnt, daß er sein eigentliches philosophisches Hauptwerk nicht mehr fertigstellen würde. 1931 destillierte er einige Punkte, die ihm besonders wichtig erschienen, aus seinen umfangreichen Notizen heraus und veröffentlichte sie unter dem Titel „Der Mensch und die Technik. Beiträge zu einer Philosophie des Lebens“100. Hier unternahm er nach eigener Aussage den Versuch, „die Betrachtungsweise, welche ich im ‚Untergang des Abendlandes‘ ausschließlich auf die Gruppe der hohen Kulturen angewandt hatte, nun an deren historischen Voraussetzungen, der Geschichte des Menschen von seinem Ursprung an, zu erproben.“101 Hiervon erhoffte er sich, einen Eindruck vom „großen Geheimnis des Menschenschicksales“ zu erhalten. Wie der Titel des Buches schon erahnen läßt, unternahm er den Versuch, das Wesen des Technischen zu verstehen, um damit seinem Ziel, die Geschichte des Menschen in sein philosophisches Gesamtkonzept zu integrieren, näherzukommen. Technik, so Spengler, sei keineswegs mit bestimmten Werkzeugen oder Maschinen gleichzusetzen. Vielmehr handle es sich um ein uraltes Phänomen, das auch im Leben der Tiere beobachtet werden könne: „Denn das freibewegliche Leben der Tiere ist Kampf und nichts anderes, und die Taktik des Lebens, ihre Über- oder Unterlegenheit dem ‚anderen‘ gegenüber, sei es die lebende oder leblose Natur, entscheidet über die Geschichte dieses Lebens, darüber, ob es dessen Schicksal ist, Geschichte von anderen zu erleiden oder selbst für andere zu sein. Die Technik ist die Taktik des ganzen Lebens. Sie ist die innere 100 Oswald Spengler: Der Mensch und die Technik. Beiträge zu einer Philosophie des Lebens, München 1932. (Erstmalig erschienen: 1931) 101 Ebd. S. V.
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7. Der Mensch und die Technik
Form des Verfahrens im Kampf, der mit dem Leben selbst gleichbedeutend ist.“102 Ganz offensichtlich deutete der Autor die Technik als eine Verhaltensweise, die dem Leben immanent sei und die als Mittel im Überlebenskampf diene. Diese Auffassung weicht von der liberal-fortschrittlichen Position ab, welche die Technik als Instrument zur ewig währenden Vervollkommnung betrachtet. Spengler hingegen glaubte nicht daran, daß eine stetig voranschreitende Optimierung der Maschinenwelt das menschliche Leben auf ein immer höheres Niveau bringen könne. Wie schon im „Untergang des Abendlandes“ konstatierte er, daß jeder Aufstieg auch einen Untergang nach sich ziehe. Dementsprechend harsch viel seine Beurteilung über den Fortschrittsoptimismus aus: „Man war – und ist – zu flach und feige, die Tatsache der Vergänglichkeit alles Lebendigen zu ertragen. Man wickelt sie in einen rosaroten Fortschrittsoptimismus, an den im Grunde selbst niemand glaubt […] Aber Vergänglichkeit, Entstehen und Vergehen, ist die Form alles Wirklichen, von den Sternen an, deren Schicksal für uns unberechenbar ist, bis herab zu dem flüchtigen Gewimmel auf diesem Planeten.“103 In Anlehnung an Nietzsche machte er deutlich, daß ein friedliches Zusammenleben aller Menschen und Völker ausgeschlossen sei. Vielmehr sei das Leben ein Kampf, in dem es kein Platz für das „Geschwätz“ der Philosophen und Weltverbesserer gebe: „Dieser Kampf ist das Leben, und zwar im Sinne Nietzsches als ein Kampf aus dem Willen zur Macht, grausam, unerbittlich, ein Kampf ohne Gnade.“104 Um die Entstehungsgeschichte des Menschen aufzuschlüsseln, verwies Spengler auf die Tierwelt, in der er besonders den ständigen Kampf zwischen Pflanzenfressern und Raubtieren hervorhob. Schnell wird deutlich, daß er das Beutetier, das auch ohne den Schutz der Herde Macht ausübt und aus eigener Kraft Siege erringen kann, als höhere Lebensform betrachtete. In Anknüpfung an Nietzsche, konstatierte Spengler nun, daß die Taktik des menschlichen Lebens „die eines prachtvollen, tapfe102 Ebd.
S. 7. S. 11. 104 Ebd. S. 13. 103 Ebd.
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ren, listigen, grausamen Raubtieres [sei]. Er lebt angreifend, tötend und vernichtend. Er will Herr sein, seitdem es ihn gibt.“105 Und dennoch unterscheide sich der Mensch in einem wesentlichen Punkt vom jagenden Tier: Die Menschentechnik, die sich von der Gattungstechnik der Tiere dadurch abhebe, daß sie erlernt und verbessert werden könne. Hier stellt sich natürlich die Frage, wann Spengler die Entstehung des „erfinderischen Raubtiers“ datierte. Die Antwort fällt recht lapidar aus: „Durch die Entstehung der Hand.“106 Von der darwinistischen Theorie, die von einer durch Auslese determinierten langsam sich vollziehenden Evolution ausgeht, schien er nicht viel zu halten. So kam er zu der Auffassung, daß sich die Entstehung der Hand ganz plötzlich vollzogen haben müsse: „Sie muß plötzlich entstanden sein im Vergleich mit dem Tempo kosmischer Strömung, jäh wie ein Blitz, ein Erdbeben, wie alles Entscheidende im Weltgeschehen, epochemachend im höchsten Sinne.“107 Freilich blieb er eine plausible Erklärung für diese These schuldig. In dieser frühesten Periode sei es zwar schon zum Zusammenschluß von kleinen Verbänden gekommen, letztendlich hätten diese Gruppen jedoch keine wirklichen Gemeinschaften ausbilden können. Die Überwindung des Einzelgängertums, die mit einer Verbesserung des Sprachvermögens einhergegangen sei, habe einen weiteren großen Entwicklungsschub nach sich gezogen, in dem der Mensch erstmalig gemeinschaftliche und vorausblickende Handlungen vollziehen konnte. Innerhalb dieser neuen Voraussetzungen des menschlichen Zusammenlebens sei kulturelles Schaffen im großen Stil erst möglich geworden. Egalitäre Gedankenspiele lassen sich in Spenglers Entwicklungsgeschichte nicht ausfindig machen. Ganz im Gegenteil konstatierte er, daß sich in Folge des großangelegten Kulturschaffens zwei Menschentypen herausgebildet hätten: Befehlende und Gehorchende. Wenn auch Spengler in „Mensch und 105 Ebd.
S. 23. S. 26. 107 Ebd. S. 27. 106 Ebd.
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7. Der Mensch und die Technik
Technik“ weitgehend auf politische Aussagen verzichtete, nutzte er jedoch die Gelegenheit, seiner antimarxistischen und antiegalitären Auffassung Ausdruck zu verleihen: „Nur Kinder glauben, daß der König mit der Krone zu Bette geht, und Untermenschen der Großstädte, Marxisten, Literaten, glauben von Wirtschaftsführern etwas Ähnliches. Unternehmen ist eine Arbeit, welche die Handarbeit erst möglich macht. Und ebenso ist das Erfinden, Ausdenken, Berechnen, Durchführen neuer Verfahren eine schöpferische Tätigkeit begabter Köpfe, welche die ausführende Tätigkeit der Unschöpferischen zur notwendigen Folge hat.“108 Es läßt sich an dieser Stelle zusammenfassen, daß für Spengler Über- und Unterordnung und schöpferische Kultur unlösbar miteinander verquickt waren. Logischerweise müßte also jegliches marxistisches Denken, das die Unterschiede der Menschen untereinander auflösen will, gegen die Kultur gerichtet sein. Bereits im Untergang des Abendlandes hatte Spengler ausführlich dargestellt, wie er sich die Ablösung der Kultur durch die Zivilisation vorstellte. Auch in „Der Mensch und die Technik“ beschäftigte er sich mit der Phase der Hochkultur – wenn auch aus einer gänzlich anderen Perspektive –, die er als eine Zeit des Verfalls interpretierte. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war die Feststellung, daß in der Zivilisation „Die Mechanisierung der Welt […] in ein Stadium gefährlichster Spannung eingetreten [sei].“109 Alles Organische werde durch technische Organisation verdrängt, wobei es immer offensichtlich werde, daß die Maschine keineswegs immer zu einer Erleichterung des menschlichen Lebens beitrage. Freilich sind seine Argumente – beispielsweise verwies Spengler darauf, daß in Ländern wie Argentinien und Java der Pferdepflug den „großen Motoren“ überlegen sei – nicht sonderlich überzeugend. Dennoch kam er zu der festen Überzeugung, daß „west-europäischamerikanische Technik“ bald am Ende sein werde. Dies führte er unter anderem darauf zurück, daß eine hohe Anzahl an Organisatoren, Erfindern und Ingenieuren vonnöten sei, um die 108 Ebd. 109 Ebd.
S. 51. S. 78.
7. Der Mensch und die Technik71
Welt der Maschinen am Leben zu erhalten. Jedoch würde sich bei immer mehr begabten Menschen der Wille bemerkbar machen, der „Sklaverei der Maschine“ entfliehen zu wollen, um sich mit Dingen wie „Okkultismus, Spiritismus, indische Philosophien, metaphysische Grübeleien christlicher und heidnischer Färbung“110 zu beschäftigen. In der Tat gab es in der Weimarer Republik Gruppierungen – beispielsweise den Wandervogel –, die sich bewußt wieder dem natürlichen Leben zuwenden wollten. Spengler schien diesen Trend eindeutig überzubewerten, wenn er schrieb: „Die Flucht der geborenen Führer vor der Maschine beginnt. Bald werden nur noch Talente zweiten Ranges, Nachzügler einer großen Zeit, verfügbar sein.“111 Hingegen weisen Aussagen, daß die Abholzung der Wälder und die damit einhergehende Veränderung des Klimas eine negative Nebenerscheinung der Mechanisierung sei, durchaus Aktualität auf. Diese Gedanken sollten einige Jahre später von Friedrich Georg Jünger in seinem Buch „Die Perfektion der Technik“112 vertieft werden. Inwiefern sich F. G. Jünger durch Spenglers „Der Mensch und die Technik“ inspirieren ließ, läßt sich heute jedoch nicht mehr beurteilen. Der unaufhaltsame Verfall der „faustischen“ Technik, so Spengler, werde zusätzlich durch den Export des Fachwissens in afrikanische und asiatische Länder verstärkt. Durch den Verlust des Industrie-Monopols sei langfristig der Niedergang der abendländischen Technik nicht mehr aufzuhalten. Wie schon im „Untergang des Abendlandes“ sprach er von einer Schicksalsmäßigkeit dieses Prozesses, weshalb Gegenwehr zwecklos sei. Trotz dieser nüchternen Ausgangslage plädierte er für ein he roisches Standhalten: „Lieber ein kurzes Leben voll Taten und Ruhm als ein langes ohne Inhalt.“113 Dem Fortschrittsoptimismus der Liberalen, die bis zum heutigen Tage in der Technik das Potential sehen, das menschliche 110 Ebd.
S. 82. S. 82. 112 Friedrich Georg Jünger: Die Perfektion der Technik, Frankfurt 1946. 113 Spengler: Der Mensch und die Technik, S. 88. 111 Ebd.
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7. Der Mensch und die Technik
Leben nachhaltig zum Guten zu wenden, erteilte Spengler eine radikale Absage. Somit kann „Der Mensch und die Technik“ auch als ein politisches Buch gelten. Schließlich steht die hier ausgebreitete Philosophie im schroffen Gegensatz zur Demokratie, die von sich behauptet, Fortschritt und Glück über die Menschheit bringen zu können. In Spenglers Weltschau gibt es hingegen keinen Raum mehr für derartige Illusionen: „Auf dem verlorenen Posten ausharren ohne Hoffnung, ohne Rettung, ist Pflicht. Ausharren wie jener römische Soldat, dessen Gebeine man vor einem Tor in Pompeji gefunden hat, der starb, weil man beim Ausbruch des Vesuv vergessen hatte, ihn abzulösen. Das ist Größe, das heißt Rasse haben. Dieses ehrliche Ende ist das einzige, das man dem Menschen nicht nehmen kann.“114
114 Ebd.
S. 89.
8. Das Ende der Weimarer Republik Die seit dem 28. Juni 1928 regierende große Koalition hatte keinen leichten Stand. Seit der zweiten Jahreshälfte 1928 war es zu einem deutlichen Niedergang der Konjunktur gekommen, was 1929 in eine Depression übergehen sollte. Die Zahl der Arbeitslosen stieg im Februar 1929 auf über 3 Millionen und ging im Juli nicht unter die Marke von 1,25 Millionen zurück. Die seit 1927 in Kraft getretene Arbeitslosenversicherung geriet aufgrund dieser Zahlen in Finanzierungsschwierigkeiten, was nur durch Zuschüsse des Reiches abgefedert werden konnte. Im Hinblick auf die desolate Lage der Reichsfinanzen konnte dies jedoch keine dauerhafte Lösung sein. Forderungen der Industrie nach Steuersenkungen, die Diskussion über die Finanzierung der Sozialversicherung und die Verhandlungen über die Reparationsforderungen der Alliierten (Young-Plan) taten das Übrige, um die ökonomische Lage Deutschlands zu verschärfen. Der sogenannte Young-Plan, der Deutschland theoretisch bis 1988 dazu verpflichtete, Reparationszahlungen an die Siegermächte des 1. Weltkrieges zu entrichten, führte zu einer Sammlung der politischen Rechten. Am 9. Juli 1929 bildeten die Führer von DNVP, Stahlhelm, NSDAP, Alldeutschen Verband und Reichslandbund einen „Reichsausschuß für das Deutsche Volksbegehren“, der einen Gesetzesentwurf propagierte, durch den die Reichsregierung dazu verpflichtet werden sollte, die Vorschriften des Versailler Vertrages für ungültig zu erklären. Die Kampagne gegen den Young-Plan führte letztendlich dazu, daß Hugenbergs DNVP sich immer weiter von den bürgerlichen Kräften entfernte, deren Regierungsmitglieder öffentlich als Landesverräter stigmatisiert wurden. Hiervon profitierte vor allen Dingen Hitler, dessen NSDAP nun auch in verschiedenen Ländern und zahlreichen Gemeindeparlamenten mit den Deutschnationalen kooperierte.
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8. Das Ende der Weimarer Republik
Die Lage des bürgerlich-demokratischen Lagers spitzte sich zu, als sich am 25. Oktober 1929, dem sogenannten „schwarzen Freitag“, die Auswirkungen des massiven Kurssturzes der New Yorker Börse auch in Deutschland bemerkbar machten. Das kapitalistische Wirtschaftssystem, für das die Demokraten einstanden, war offensichtlich kein Garant mehr für einen kontinuierlichen Aufschwung und eine Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit. Nun mußten diejenigen politischen Kräfte, die alternative „dritte“ Wege anzubieten hatten, Aufwind bekommen. Den Gegnern des Young-Planes war es gelungen, ausreichende Unterschriften für ein Volksbegehren zu sammeln, welches das entsprechende Gesetz kippen sollte. Da das Begehren im Parlament keine Mehrheit fand – einige gemäßigte deutschnationale Abgeordnete hatten ihre Unterstützung versagt – wurde ein Volksentscheid in die Wege geleitet, der am 22. Dezember 1929 vollzogen wurde. Allerdings stimmten nur 5,8 Millionen der Stimmberechtigten (13,8 %) mit „Ja“, weshalb eine Neuregelung der Reparationen nicht mehr aufzuhalten war. Nachdem der Young-Plan am 20. Januar 1930 in Den Haag unterzeichnet worden war, bedeutete dies keine Entspannung für die amtierende Regierung. Der Reichspräsident Hindenburg hatte eindeutige Sondierungen vorgenommen, deren Ziel Ersetzung der großen Koalition durch ein Rechtskabinett war. Beeinflußt wurde er dabei von Kurt von Schleicher, der als Leiter eines neu geschaffenen Ministeramts im Wehrministeriums faktisch die Stellung eines Staatssekretärs innehielt. Am 27. März 1930 trat die Regierung Müller zurück, nachdem keine Einigung bei der Reform der Arbeitslosenversicherung gefunden werden konnte und Hindenburg die Demontage der großen Koalition weiter vorangetrieben hatte. Einen Tag nach dem Rücktritt Müllers wurde erwartungsgemäß der Zentrumspolitiker Heinrich Brüning zum Kanzler ernannt. Doch auch dieser Wechsel konnte an den grundlegenden Problemen nichts ändern. Nach wie vor mußte der Haushalt ausgeglichen und eine Finanzierung der Arbeitslosenversicherung bewerkstelligt werden. Um für das laufende Haushaltsjahr
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eine Finanzierungslücke von über 500 Millionen RM zu kompensieren, machte der Finanzminister den Vorschlag, unter anderem eine einmalige Zusatzbesteuerung von Beamtengehältern vorzunehmen. Nach turbulenten Verhandlungen lehnte das Parlament am 16. Juli das „Notopfer“ endgültig ab, woraufhin der Kanzler mit einer Notverordnung des Reichspräsidenten reagierte. Als daraufhin der Reichstag am 18. Juli einem Antrag der SPD zustimmte und die Notverordnung aufhob, löste Brüning, der die Rückendeckung Hindenburgs genoß, den Reichstag auf. Für Neuwahlen wurde der 14. September 1930 festgelegt. Ermöglicht wurde diese Verfahrensweise durch den Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung, der ursprünglich als Instrument des Reichspräsidenten zur „Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ gedacht war. Nun aber ermöglichte die extensive Auslegung des Notverordnungsrechts eine umfassende Umgestaltung der Regierungsgeschäfte im antiparlamentarischen Sinne. Die Aushebelung des parlamentarischen Systems wurde bei den konservativen Revolutionären mit Wohlwollen registriert. Dennoch war es nicht – wie man sich insbesondere in nationalrevolutionären Kreisen erhoffte – zu einer Beseitigung des Parteiensystems gekommen. Von den Neuwahlen profitierte primär die NSDAP, die ihren Stimmanteil von 2,6 % (1928) auf 18,3 % ausweiten konnte. Hiermit war es erstmalig einer explizit antidemokratischen Partei gelungen, in der Weimarer Republik den Status einer Massenbewegung zu erringen. Im Sommer 1931 kam es, unter anderem durch eine Bankenkrise, zu einer Verschärfung der Krise im wirtschaftlichen Bereich, wodurch das Massenelend zunahm und die Arbeitslosigkeit massiv anstieg. Um den mittlerweile beträchtlichen Machtfaktor der nationalsozialistischen Bewegung abzuschwächen, rang sich Brüning im April 1932 zu einem Verbot der SA durch, was eine erhebliche Schwächung der NSDAP zur Folge hatte. Unmittelbar nach dem SA-Verbot initiierte Schleicher eine Intrige gegen Brüning. So kam es zu einem Treffen mit Hitler, indem Schleicher eine Aufhebung des Verbots in Aussicht stellte, sofern die NSDAP
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8. Das Ende der Weimarer Republik
bereit wäre, eine Präsidialregierung zu tolerieren. Nachdem auch anderweitig gegen Brüning intrigiert worden war, teilte Hindenburg dem Reichskanzler am 29. Mai mit, daß er ihm keine Notverordnungen mehr zur Verfügung stellen werde, woraufhin Brüning am darauffolgenden Tag um Entlassung aus seinen Ämtern bat. Mit dem Major a. D. Franz v. Papen wurde ein alter Freund Schleichers für die Position des Kanzleramtes ausgewählt. Darüber hinaus bekleidete nun ein Sympathisant jungkonservativen Gedankengutes das höchste Amt im Staate. Dies äußerte sich unter anderem darin, daß Edgar Julius Jung als Redenschreiber für Papen fungierte. Im Hinblick auf die antiparlamentarische Stoßrichtung des jungkonservativen Weltbildes darf es nicht verwundern, daß unter Papen die Weichen für die Errichtung einer Präsidialdiktatur gestellt wurden. Darüber hinaus wurde ein Umfeld geschaffen, von dem insbesondere nationalistische Kräfte profitierten. So wurde das SA-Verbot aufgehoben und mittels des sogenannten Preußenschlags die letzte sozialdemokratische Bastion im Reich beseitigt. Am folgenschwersten war jedoch eine Notverordnung Hindenburgs vom 4. Juni, welche die Auflösung des Reichstages und damit einhergehend Neuwahlen zur Folge hatte. Der Reichspräsident erhoffte sich durch diese Maßnahme eine endgültige Zurückdrängung der Sozialdemokratie, nahm damit aber gleichzeitig eine Machtzunahme der Nationalsozialisten in Kauf. Spengler, der mit Papen und Jung in Verbindung stand, ließ sich von der Dynamik der Ereignisse nicht dazu verleiten, sich wieder am politischen Geschehen aktiv zu beteiligen. Dies hing unter anderem damit zusammen, daß er die Politiker der nationalen Rechten als „politisch unbegabt […] bis zum Schwachsinn.“115 einschätzte. Genau so sollte es dann auch kommen. Bei den am 31. Juli 1932 stattfindenden Reichstagswahlen konnte die NSDAP 37,4 % gewinnen und wurde damit stärkste Fraktion im Reichstag. Die Bestrebung Hitlers, schon jetzt alle staatliche Macht an sich zu reißen, scheiterte jedoch an Hindenburgs Widerstand. 115 Zit.
n. Felken: Spengler, S. 187.
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Dies hatte jedoch zur Folge, daß die Regierung Papen nicht darauf hoffen konnte, durch die NSDAP toleriert zu werden. Am 30. August kam es zu einem weiteren Einschnitt in das Weimarer Verfassungssystems. Auf Initiative Papens und Schleichers veranlaßte Hindenburg, daß bei einer eventuellen Auflösung des Reichstages die in der Verfassung vorgeschriebene Frist für Neuwahlen länger als sechzig Tage hinausgeschoben werden sollte. Darüber hinaus erhielt Papen eine Blankovollmacht, die es ihm erlaubte, den Reichstag jederzeit aufzulösen. Die Strategie einer Präsidialdiktatur hätte durchaus erfolgreich seien können. Jedoch besaß Papen keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung, wodurch die Etablierung eines derartigen Regierungssystems unter schlechten Vorzeichen stand. Zu allem Überfluß kam es zwischen NSDAP und Zentrum zu Verhandlungen, an deren Ende die Parteien zu dem Ergebnis kamen, daß die Beseitigung Papens den gemeinsamen Zielsetzungen entspreche. Am 12. September kam es im Reichstag zu einem Mißtrauensvotum gegen den Kanzler, was faktisch zu einer Beendigung des regulären parlamentarischen Betriebes führte. Daraufhin verkündete Papen, daß er eine Neugestaltung des staatlichen Lebens vornehmen wollte, was letztendlich auf die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie hinauslaufen sollte. Ein autoritärer „Neuer Staat“, wie er Papen vorschwebte, war ganz im Sinne der Jungkonservativen, die kein zweites Mal in der Geschichte so nah vor der Verwirklichung ihrer Ziele standen. Seinen Zielsetzungen stand mit der NSDAP jedoch eine im Volk verankerte Bewegung entgegen, die eine totalitäre Ausrichtung des Staates einem autoritären Neubau vorzog. Der mangelnde Rückhalt in der Bevölkerung war vielleicht dafür ausschlaggebend, daß sich Papen noch nicht zu einem kompletten Bruch mit der Weimarer Reichsverfassung durchringen konnte. So fanden Neuwahlen am 6. November statt, bei denen die NSDAP mit einem Stimmenanteil von 33,1 % leichte Einbußen hinnehmen mußte. Am 3. Dezember ernannte Hindenburg Schleicher zum neuen Reichskanzler, nachdem dieser den Reichspräsidenten und die Minister davon überzeugt hatte, daß im Falle eines Bürgerkrie-
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ges die Reichswehr den Kräften der SA und der KPD nichts entgegensetzen könnte. Schleicher hingegen stellte in Aussicht, daß er aufgrund seiner Verbindungen zu den christlichen Gewerkschaften und zum Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband in der Lage sei, dieses Szenario abzuwenden. Aus heutiger Sicht läßt sich jedoch sagen, daß weder die KPD, noch die NSDAP dazu in der Lage gewesen wären, zu diesem Zeitpunkt die Macht im Staate durch einen gewaltsamen Putsch an sich zu reißen. Folglich handelte es sich um eine gezielte Intrige Schleichers, der nun selbst die Zügel in die Hand nehmen wollte. Dies wurde von Papen, der nach wie vor gute Beziehungen zu Hindenburg unterhielt, verständlicherweise als Verrat aufgefaßt. Im Dezember bot Schleicher einem der führenden NSDAPPolitiker, Gregor Strasser, die Vizekanzlerschaft an. Hiervon versprach er sich eine Spaltung der Partei und ein Einspannen derselben für seine Zwecke. Strasser konnte sich jedoch nicht dazu durchringen, sich explizit gegen Hitler positionieren, weshalb er am 8. Dezember 1932 von seinen Ämtern zurücktrat. Der Rücktritt dürfte Spengler in seiner Auffassung über den politischen Dilettantismus der politischen Rechten bestärkt haben. Schließlich war mit Strasser ein Mann von der politischen Bühne verschwunden, der für ihn „nächst Stinnes der klügste Kerl, den ich je in meinem Leben getroffen habe.“116 war. Diese Einschätzung beruhte auf Erfahrungen, welche die beiden Männer bereits in der Mitte der zwanziger Jahre miteinander gemacht hatten. Seit Anfang Juni 1925 hatte Strasser den Philosophen umworben und versucht, ihn für eine Mitarbeit an den „Nationalsozialistischen Monatsheften“ zu gewinnen. Da die NSDAP in diesem Zeitraum noch keineswegs ideologisch gefestigt war, hoffte Strasser, daß die nationalsozialistische Bewegung durch Spenglers politische Philosophie beeinflußt werden könnte: „Ich erlasse es mir zu betonen, daß ich ihr publizistisches und politisches Wirken schon seit Jahren mit Aufmerksamkeit verfolge und Ihre Werke nicht nur kenne und schätze, 116 Zit.
n. Felken: Spengler, S. 188.
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sondern in ihnen Wege zu finden glaube, deren Beschreiten Notwendigkeit ist für die von uns allen so heiß ersehnte politische und wirtschaftliche Gesundung Deutschlands. Ich habe dabei schon seit langem den Eindruck, als ob Ihre Wege parallel gingen mit jenen, die wir zum Teil glauben gefunden zu haben, zum Teil noch suchen. Und aus dieser Gleichartigkeit des Zieles ebenso wie aus der von mir geglaubten Verwandtschaft der Methode und der Mittel folgere ich die Möglichkeit einer gegenseitigen Befruchtung.“117 Auch wenn Strasser in diesem Kontext den „Neubau des Deutschen Reiches“ lobend hervorhob, dürfte er besonders von „Preußentum und Sozialismus“, indem eine Symbiose von sozialistischen und nationalen Denken erprobt wurde, beeindruckt worden sein. Letztendlich gelang es Schleicher nicht, eine parlamentarische Mehrheit für seinen Regierungskurs zu gewinnen. Um ein drohendes Mißtrauensvotum abzuwenden, versuchte er im Januar 1933 Hindenburg für eine erneute Auflösung des Reichtages zu gewinnen. Dieser weigerte sich aber, einen dementsprechenden Kurs mitzutragen, weshalb das Schleicher-Kabinett Ende Januar gezwungen war zurückzutreten. Umgehend beauftragte Hindenburg Papen, der bereits zuvor mit Hitler verhandelt hatte, Möglichkeiten für eine Regierungsbildung zu erkunden. Papen gelang es dann auch rasch, eine Regierungskoalition aus NSDAP, DNVP und weiteren nationalkonservativen Politikern zu schmieden. Während Papen das Amt des Vizekanzlers übernahm, wurde Hitler als Führer der stärksten Fraktion am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt. Wenn auch hiermit die Diktatur der NSDAP keineswegs etabliert war, markiert dieses Datum dennoch das faktische Ende der Weimarer Republik. Darüber hinaus stellt die Machtübernahme Hitlers auch einen scharfen Einschnitt in die Planungen der konservativen Revolutionäre dar, weil die zunehmende, totalitäre Züge tragende Gleichschaltung so gar nicht ihren Vorstellungen entsprach. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, wenn sich Spengler, 117 Gregor Strasser an Oswald Spengler, 2. Juni 1925. In: Briefe 1913–1936, S. 391 f.
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der sich eigentlich in die Philosophie zurückgezogen hatte, erneut mit Politik zu beschäftigen begann. Als in den Januartagen die Weimarer Republik zu Grabe getragen wurde, kam es zu mehreren Treffen zwischen Strasser und Spengler, wobei der Inhalt der Unterredungen nicht überliefert ist. Die beiden Männer dürften sich jedoch einig darüber gewesen sein, daß die ideologische Ausrichtung der NSDAP nicht dem Optimum entsprach. So war es sicherlich kein Zufall, daß Spengler im selben Monat eine Sammlung118 seiner politischen Schriften herausgab, in deren Vorwort er vor einer Politik des Rausches und unfähiger Führerschaft warnte. Im Hinblick auf den Publikationstermin stellte dies einen eindeutigen Angriff gegen den politischen Stil der Nationalsozialisten dar. Diese Einstellung unterstrich er auch in einem Schreiben an den Industriellen Albert Knittel vom 14. Februar 1933: „Ich hätte Sie gerne einmal hier gesehen, um mit Ihnen auch über politische Dinge zu sprechen. Das gegenwärtige Faschingsministerium hat Ihnen ja wohl wie 1000 anderen endgültig die richtige Meinung über Hi[tler] u. Hu[genberg] gezeigt. Ich könnte Ihnen darüber eine Menge von köstlichen Einzelheiten erzählen, die sich natürlich nicht für briefliche Mitteilung eignen. Der Kladderadatsch wird voraussichtlich nach den Wahlen sehr bald eintreten, und es ist jetzt die Aufgabe aller wirklich nationalen Menschen, darüber nachzudenken, in welcher Weise die nationale Bewegung als solche vor dem Ende bewahrt werden kann, wenn die Parteien an der grotesken Unfähigkeit ihres Führerklüngels zerplatzen.“119 Wie auch andere Denker der Konservativen Revolution – beispielsweise Edgar Julius Jung und Friedrich Georg Jünger – betrachtete offensichtlich auch Spengler die nationalsozialistische Regierung nur als eine Übergangslösung. Wenn er auch freilich die Beseitigung des Parlamentarismus begrüßte, sah er das Führungsproblem nicht als gelöst an. Dies wird besonders deutlich, wenn er im „neuen Deutschland“ nicht Staatsmänner agieren sah, sondern ein „Faschingsministerium“. 118 Oswald
Spengler: Politische Schriften, München 1933. Spengler an Albert Knittel, 14. Februar 1933. In: Spengler: Briefe 1913–36, S. 681 f. 119 Oswald
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Obwohl Spengler zahlreiche Maßnahmen der Nationalsozialisten stillschweigend begrüßte, weigerte er sich trotz vorhandener Offerten, der Bewegung beizutreten. Als am 21. März 1933 in der Potsdamer Garnisonskirche, wo der preußische König Friedrich II begraben liegt, der symbolträchtige Händedruck zwischen Hindenburg und Hitler zelebriert wurde, kam es im Vorfeld zu einem Angebot vom Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels, der Spengler für eine kurze Rundfunkansprache anläßlich der Potsdamer Veranstaltung gewinnen wollte. Es war natürlich kein Zufall, daß die Wahl auf Spengler fiel, weil dieser in seinem Werk „Preußentum und Sozialismus“ eine Modernisierung des Preußentums eingeleitet hatte. Schließlich sollte Hitler am „Tag von Potsdam“ als Erneuerer des preußischen Gedankens präsentiert werden. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß ihm die Rundfunkansprache umfangreiche Karrieremöglichkeiten im Staat Hitlers beschert hätte. Doch lehnte Spengler, der kein Interesse daran hatte, zum Hofphilosophen des Dritten Reiches zu werden, ab. Dies hatte vielfältige Gründe. So war Spengler bereits ein gefeierter Schriftsteller und Philosoph, weshalb er eine Anbiederung an die neuen Machthaber schlichtweg nicht nötig hatte. Abgesehen von seinen grundlegenden Aversionen gegen den plebejischen Charakter der nationalsozialistischen Bewegung wollte er darüber hinaus seine publizistische Unabhängigkeit bewahren. Schon während der Weimarer Republik hatte er sich von jungkonservativen Zirkeln und anderen Vereinigungen weitgehend ferngehalten. So versteht es sich von selbst, daß er nun auch gerne darauf verzichtete, von einer Partei als Aushängeschild instrumentalisiert zu werden. Darüber hinaus arbeitete er seit Anfang des Jahres an einem politischen Buch, für das eine unabhängige Stellung des Autors unabdingbar war. Das Konzept des Manuskriptes ging auf einen Vortrag zurück, den er im Februar 1930 vor der „Patriotischen Gesellschaft“ in Hamburg gehalten hatte. Der ursprüngliche Titel war „Deutschland in Gefahr“. Später änderte Spengler ihn in „Jahre der Entscheidung“. Im Sommer 1933 erhielt Spengler die Möglichkeit, an den Universitäten in Leipzig und später auch in Marburg einen ei-
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genen Lehrstuhl zu erhalten. Wenn er auch absagte, dürfte er sich dennoch in seinem Schaffen bestätigt gefühlt haben. So darf es nicht verwundern, wenn er hoch motiviert weiterarbeitete und am 20. Juli die „Jahre der Entscheidung“ abschließen konnte. Nach der Vollendung des Werkes reiste er nach Bayreuth, um an den Wagner-Festspielen teilzunehmen. Hier kam es überraschenderweise zu einem Gespräch, das Else Knittel – Industriellen-Gattin und Freundin Winifred Wagners – initiiert hatte. Es sollte am 25. Juli zwischen 12.30 und 14 Uhr stattfinden. Interessanterweise hatte Spengler selbst auf diese Unterredung hingearbeitet, was dafür spricht, daß er sich gewisse Einflußmöglichkeiten auf den Kanzler versprach. Wenn auch der genaue Gesprächsinhalt nicht überliefert ist, scheinen die beiden Männer keinen Gefallen aneinander gefunden zu haben. Ernst Hanfstaengl, der bis 1936 immerhin Auslandspressechef war, deutete in seine Memoiren den ungünstigen Verlauf der Aussprache an: „Nach einer ausgiebigen Debatte, die lediglich die gegenseitige Abneigung deutlich gemacht hatte, schieden sie verfeindet voneinander. Hitler kritisierte an Spengler die konservative Grundhaltung und das Verkennen der Bedeutung der Rassefrage, während Spengler nun ganz unverhohlen seiner Verachtung über Hitler Ausdruck verlieh.“120 Natürlich ist es unwahrscheinlich, daß Spengler jegliche taktische Erwägungen außer Acht ließ und Hitler derart offen kritisierte. Dafür spricht schon ein Schreiben Spenglers vom 18. August 1933, indem er Hitler das Buch „Jahre der Entscheidung“ mit der Bitte zusandte, ihm gelegentlich ein Urteil über die dort behandelten Fragen zukommen zu lassen.121
120 Ernst Hanfstaengl: Zwischen Weißem und Braunem Haus. Memoiren eines politischen Außenseiters, München 1970, S. 281. 121 Oswald Spengler an Adolf Hitler, 18. August 1933. In: Briefe 1913–36, S. 699.
9. Jahre der Entscheidung Mit dem 1933 erschienenen Werk „Jahre der Entscheidung“122 legte Spengler eine umfassende zeitpolitische Analyse vor, die er in seine Geschichtsphilosophie einbettete. Spengler konstatierte, daß Deutschland untrennbar mit dem Weltschicksal verbunden sei, weshalb die Kurzsichtigkeit der Eliten, welche die monumentalen Umwälzungen nicht erfassen können, fatale Folgen haben könnte. Dabei beschränkte er sich mit seinem Vorwurf des „kleinen“, die großen Zusammenhänge nicht erkennenden Denkens nicht nur auf die Protagonisten der Weimarer Demokratie: „Zu diesem kleinen, innerdeutschen Denken gehört noch fast alles, was an politischen Idealen und Utopien im Sumpfboden des Weimarer Staates aufgeschossen ist, all die internationalen, kommunistischen, pazifistischen, ultramontanen, föderalistischen, „arischen“ Wunschbilder vom Sacrum Imperium, Sowjetstaat oder Dritten Reich.“123 Bemerkenswerterweise benannte der Autor hier unverblümt die nationalsozialistische Doktrin als eine im Grunde genommen utopische Ideenrichtung. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn Spengler selbst mit einem Verbot des Buches rechnete. Doch soweit sollte es nicht kommen, weil ein offener Konflikt mit dem berühmten Philosophen nicht ins Propagandakonzept der NSDAP paßte. Doch auch die Jungkonservativen blieben offensichtlich nicht verschont, wenn Spengler „föderalistische Wunschbilder“ und den Gedanken des „Dritten Reiches“ anprangerte. Schließlich war das „dritte Reich“ ein Terminus, der ursprünglich von der jungkonservativen Gallionsfigur Arthur Moeller van den Bruck eingeführt worden war. Darüber hinaus war gerade der Kreis um Moeller stets mit föderalistischen 122 Oswald Spengler: Jahre der Entscheidung, Graz 2007. (1. Auflage: 1933) 123 Ebd. S. 38 f.
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Konzepten in Erscheinung getreten. Allerdings unterließ es Spengler, diese Gruppierung direkt zu benennen, weshalb seine Kritik eher einen allgemeinen Charakter trägt. Nichtsdestotrotz untermauerte der Philosoph hier seinen Ruf als unabhängige Instanz, die sich nicht den Interessen bestimmter Organisationen und Parteien beugen wollte. Über die Notwendigkeit, den Materialismus aus dem deutschen Geistesleben ausstoßen zu müssen, waren sich alle konservativen Revolutionäre einig. Einige – insbesondere der Kreis um Othmar Spann in Österreich – schätzen das romantische Denken sehr hoch ein und ließen es in ihre Weltschau einfließen. Spengler, der schon zu Beginn seiner publizistischen Karriere immer wieder die Unverzichtbarkeit einer realitätsbezogenen Denkweise hervorgehoben hatte, verurteilte jedoch auch die Romantik, die er zusammen mit dem Idealismus als eine materialistische Anschauungswelt geißelte: „Aber ebenso wie Idealismus und Materialismus ist die Romantik ein Ausdruck rationalistischer Überhebung aus Mangel an Sinn für die Wirklichkeit. Sie sind im tiefsten Grunde verwandt und es wird schwer sein, bei irgendeinem politischen oder sozialen Romantiker die Grenze zwischen diesen Richtungen des Denkens zu finden. In jedem bedeutenden Materialisten steckt ein heimlicher Romantiker.“124 Die Gleichsetzung von romantisch / idealistischem Denken und Materialismus ist ideengeschichtlich hoch problematisch und soll hier nicht weiter vertieft werden. Spenglers Intention ist jedoch unübersehbar. So strebte er danach, seine politische Philosophie von jeglichem utopischen Ballast reinzuhalten, um sein Ideal des machtpolitisch orientierten Cäsarentums gänzlich zur Entfaltung bringen zu können. Diese Argumentationsweise brachte ihn in eine gewisse Nähe zu Ernst Jünger, dessen Arbeiter125 vergleichbar tatsachenorientiert ist wie der Cäsar Spenglers.126 Mit den ro124 Ebd.
125 Ernst
S. 42. Jünger: Der Arbeiter. Herrschaft und Gesellschaft, Ham-
burg 1932. 126 Am 5. September 1932 sandte Ernst Jünger sein Buch „Arbeiter“ an Spengler mit dem Vermerk „Für Oswald Spengler, der nach
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mantisch-verklärten Schwärmereien von einem dritten Reich, wie sie sich bei einem Moeller van den Bruck finden lassen, haben die in „Jahre der Entscheidung“ vorgebrachten Thesen hingegen nichts gemeinsam. Spengler präsentierte die Geschichte Europas als einen stetigen Verfall der staatlichen Strukturen, weshalb er das Auftreten eines Cäsarentums für unabdingbar hielt, um den Wiedereintritt der Deutschen in die Geschichte möglich zu machen. In „Jahre der Entscheidung“ verdichtete er also jene Kerngedanken, die bereits in seinen früheren politischen Werken tonangebend waren. Als Hauptfeinde machte er nach wie vor die Herrschaft des Kapitals, die Demokratisierung des politischen Lebens und den Pazifismus liberaler Prägung aus. Darüber hinaus betrachtete er den in der Zivilisation um sich greifenden Egalitarismus als Vorboten eines kulturzersetzenden Nihilismus: „Und das ist die Tendenz des Nihilismus: Man denkt nicht daran, die Masse zur Höhe echter Kultur zu erziehen; das ist anstrengend und unbequem und vielleicht fehlt es auch an gewissen Voraussetzungen. Im Gegenteil: Der Bau der Gesellschaft soll eingeebnet werden bis herab auf Niveau des Pöbels. Die allgemeine Gleichheit soll herrschen: alles soll gleich gemein sein.“127 Spengler verblieb mit seinem Anti-Egalitarismus jedoch nicht auf der nationalen Ebene. So hielt er durchaus auch einen Aufstand der farbigen Massen gegen die „Weißen“ für denkbar: „ und im Hintergrund hat schon der weit gefährlichere zweite Teil dieser Revolution begonnen: der Angriff auf die Weißen überhaupt von Seiten der gesamten Masse der farbigen Erdbevölkerung, die sich ihrer Gemeinschaft allmählich bewußt wird.“128 Die vollkommene Einebnung der menschlichen Unterschiede und damit einhergehend der Untergang der abendländischen Kultur sei, so SpengDeutschlands Entwaffnung die ersten neuen Waffen schmiedete.“ Spengler reagierte jedoch äußerst distanziert, indem er Jünger vorwarf, noch zu sehr im marxistischen Denken haften geblieben zu sein und durch die Vernachlässigung des Bauerntums den Blick für die Realitäten verloren zu haben. (Vgl. Koktanek: Spengler, S. 429 f.) 127 Spengler: Jahre der Entscheidung, S. 94. 128 Ebd. S. 85.
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ler, ein Prozeß, der zwangsläufig in Anarchie einmünden müsse. Dabei war dies für ihn keineswegs ein Zukunftsszenario. So vertrat er den Standpunkt, daß bereits in der gegenwärtigen Zeit eine kulturlose Diktatur des Pöbels vorherrsche, die nichts anderes als Bolschewismus sei. Dies ist eine These, die zu Zeiten der Weimarer Republik innerhalb der Konservativen Revolution allgemeiner Konsens war. Die Tatsache, daß die „Jahre der Entscheidung“ nach der nationalsozialistischen Revolution erschienen, verleiht diesen Ausführungen jedoch einige Brisanz. Offensichtlich bedeutete der Januar 1933 für den Philosophen keine die Pöbelherrschaft beendende Zäsur. Auch lassen sich keine Hinweise finden, aus denen ein Cäsarentum Hitlers abgeleitet werden könnte. Spengler verzichtete also ganz bewußt darauf, sein Buch den aktuellen politischen Veränderungen anzupassen, woraus der Leser nur den Schluß fassen konnte, daß das Zeitalter der Cäsaren mit Hitlers Kanzlerschaft noch nicht eingetreten sei. Der stetige Verfall der abendländischen Kultur – Spengler bezeichnete diesen Vorgang als „weiße Weltrevolution“ – war nach Auffassung des Philosophen kein Phänomen der neueren Zeit, sondern bereits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in Gange: „Damals begann die rationalistische Kritik, die sich stolz Philosophie der Aufklärung nannte, ihre zerstörende Tätigkeit.“129 Den später auftretenden Bolschewismus interpretierte er dabei – wie in der Konservativen Revolution üblich – als weiterentwickelten und zu Ende gedachten Liberalismus. Der durch den Bolschewismus propagierte Klassenkampf, so Spengler, müsse als rein intellektuelle Konstruktion, die nichts mit der Wirklichkeit gemein habe, interpretiert werden. Ebenso handle es sich bei der sogenannten „Arbeiterklasse“ um eine Erfindung linker Demagogen, deren Ziel es sei, die weißen Völker innerlich zu spalten und sich dabei selbst zu bereichern. Auch hier handelt es sich um keine neuen Gedanken, sondern um eine Zusammenfassung dessen, was schon während der Weimarer Zeit von Spengler selbst und anderen konservativen Revolutionären ausgearbeitet wurde. Als Hauptträger des Bolschewismus machte 129 Ebd.
S. 101.
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Spengler also nicht die Arbeiterschaft aus, sondern gescheiterte Existenzen, für welche die egalitaristische Doktrin die einzige Möglichkeit sei, zu Macht und Geld zu gelangen. Einige Akteure der Jungkonservativen – an dieser Stelle sei insbesondere auf Wilhelm Stapel verwiesen – glaubten, das Christentum in ihre politische Weltanschauung integrieren zu können. Es muß nicht weiter ausgeführt werden, daß Spengler, in der Tradition Nietzsche stehend, mit derlei Vorhaben nicht viel anfangen konnte. Dennoch würdigte er die Religion als ein Phänomen, das im Zeitalter der Kultur durchaus dazu geeignet gewesen war, kulturerhaltend zu wirken. Ganz anders beurteilte er die Kirche, die weniger eine spirituelle Einrichtung sei, sondern wie der Staat nach weltlicher Macht strebe. Im Hinblick auf die Weimarer Zeit ging er mit seiner Kritik sogar noch weiter. So konstatierte er eine Wesenseinheit zahlreicher Kirchen-Männer und der marxistischen Doktrin: „Aber seit dem Ende des Weltkrieges sank vor allem in Deutschland die Kirche, die eine alte Macht mit alten und starren Traditionen ist und als solche das Niedersteigen zur Gasse mit dem Ansehen unter den eigenen Gläubigen teuer bezahlen muß, durch die Agitation minderwertiger Anhänger zum Klassenkampf und zur Gemeinschaft mit dem Marxismus herab. Es gibt in Deutschland einen katholischen Bolschewismus, der gefährlicher ist als der antichristliche, weil er sich hinter der Maske einer Religion versteckt.“130 Es sind vielleicht Aussagen wie diese, die Armin Mohler zu seiner These von der angeblichen Unverträglichkeit von Christentum und Konservativer Religion verleiteten. Genau so wie später Mohler betrachtete Spengler die christliche Theologie als „Großmutter“ des Bolschewismus. Wie auch bereits in seinen früheren Schriften, beschäftigte sich Spengler in den „Jahren der Entscheidung“ intensiv mit Fragen der Wirtschaft, die er eng mit dem Politischen verknüpft sah. Die „weiße Weltrevolution“ habe in den westlichen Industriestaaten zu einer stetigen Erhöhung der Löhne bei gleichzeitiger Abnahme der Arbeitsleistung geführt. Gleichzeitig sei es 130 Ebd.
S. 115.
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den Protagonisten der Zersetzungsarbeit – Spengler hob hier die Gewerkschaften hervor – gelungen, höhere Arbeit, wie sie etwa von Unternehmern und Ingenieuren ausgeführt wird, verächtlich zu machen. Antriebskraft dieses Prozesses sei der Neid und Haß des Niederen auf das Höhere: „Man ärgert sich über die wirklich schöpferische Arbeit, man haßt ihre Überlegenheit, man beneidet ihre Erfolge, ob sie nun in Macht oder Reichtum bestehen. Die Scheuerfrau des Krankenhauses ist ihnen wichtiger als der leitende Arzt […] Eine Umwertung der wirtschaftlichen Werte, um einen Ausdruck Nietzsches zu gebrauchen, hat sich vollzogen, und da jeder Wert in den Augen der Masse sich in Geld, in der Bezahlung spiegelt, so soll die niedere Massenarbeit besser bezahlt werden als die höhere der führenden Persönlichkeiten, und das wird erreicht.“131 Während einige jungkonservative Kreise zumindest zu Beginn der Weimarer Republik oft noch sozialreformerische Aspekte betonten, machte Spengler in seinem späten politischen Werk deutlich, daß er keinerlei Unterschiede zwischen bolschewistischen Bestrebungen und der sozialen Politik der vorausgegangenen Jahre machen wollte. Diese Darstellungsweise wird der komplexen Realität der sozialpolitischen Problemstellungen natürlich in keiner Weise gerecht, woran sich der Autor offensichtlich nicht störte. Seine teils schon polemisch anmutenden Angriffe auf die proletarisierte Arbeiterschaft, der er „Luxuslöhne“ und Kulturferne vorwarf, können natürlich auch als versteckte Kritik am Nationalsozialismus gedeutet werden, der bekanntermaßen den Arbeiter in seiner Ideologie eine hervorgehobene Stellung einräumte. Obwohl Spenglers Beitrag zur Arbeiterfrage wenig konstruktive Elemente enthält, arbeitete er dennoch Aspekte heraus, die nach wie vor Aktualität besitzen. So legte er dar, daß die Verteuerung der „weißen Arbeit“ unwillkürlich zur Verlagerung der Produktion in „farbige Länder“ führen müsse. Wie bereits ausführlich dargestellt, propagierte Spengler die Errichtung eines starken Staatswesens, das durch Tatsachenmenschen geführt werden sollte. Mit Benito Mussolini in Italien 131 Ebd.
S. 133.
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glaubte er, eine derartige Führerpersönlichkeit bereits am Werk zu sehen: „Die überlegene Rücksichtslosigkeit seiner Partei gegenüber und den Mut, den Rückzug aus aller Ideologie anzutreten, besaß er, Mussolini ist vor allem Staatsmann, eiskalt und skeptisch, Realist, Diplomat. Er regiert wirklich allein. Er sieht alles, die seltenste Fähigkeit bei einem absoluten Herrscher.“132 Spengler bewies hier, indem er konkret auf den italienischen Politiker einging, daß er durchaus nicht nur auf der allgemeinen metapolitisch-philosophischen Ebene argumentieren wollte. Dementsprechend ließ er es sich nicht nehmen, – freilich verzichtete er auf eine konkrete Nennung Hitlers – die angebliche Vorbildhaftigkeit Mussolinis mit der seiner Meinung nach Minderwertigkeit der deutschen Führung zu kontrastieren: „Preußisch ist vor allem der unbedingte Vorrang der Außenpolitik, der erfolgreichen Leitung des Staates in einer Welt von Staaten, über die Politik im Inneren, die lediglich die Nation für diese Aufgabe in Form zu halten hat und zum Unfug und zum Verbrechen wird, wenn sie unabhängig davon eigene, ideologische Zwecke verfolgt. Hierhin liegt die Schwäche der meisten Revolutionen, deren Führer durch Demagogie emporgekommen sind, nichts anderes gelernt haben und deshalb den Weg vom parteimäßigen zum staatsmännischen Denken nicht zu finden wissen […] Aber die Zukunft gehört den großen Tatsachenmenschen, nachdem seit Rousseau Weltverbesserer sich auf der Bühne der Weltgeschichte gespreizt haben und ohne bleibende Spur verschwunden sind.“133 Mussolini selbst dürfte der Name Spengler bereits seit den frühen zwanziger Jahren bekannt gewesen sein.134 Ab 1925 ist davon auszugehen, daß sich der „Duce“ intensiv mit dem deutschen Philosophen auseinandersetzte. Dies dürfte unter anderem der Tatsache geschuldet sein, daß Spengler bereits im „Neubau des Deutschen Reiches“ Mussolini als herausragende Persönlichkeit präsentierte. Der italienische Führer veröffent lichte persönlich eine Besprechung der „Jahre der Entscheidung“ 132 Ebd.
S. 150. S. 153. 134 Vgl. Thöndl: Spengler, S. 104 ff. 133 Ebd.
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am 15. Dezember 1933 in der Zeitung „Il Popolo d’Italia“. Bislang war nur „Der Mensch und die Technik“ ins Italienische übersetzt worden. Mussolini sorgte aber dafür, daß nun auch eine Übersetzung der „Jahre der Entscheidung“ in Angriff genommen wurde. Mussolini scheint sich sehr gründlich mit dem Werk auseinandergesetzt zu haben. So bemerkte er, daß Spengler zur „triumphalen Revolution Hitlers“ auf Distanz gegangen war. Im Hinblick auf Spenglers Faschismuskritik – er hatte die These aufgestellt, daß der Faschismus zumindest zum Teil auch Träger der „weißen Revolution“ sei, was aber durch die Lichtgestalt Mussolinis kompensiert werden könne – warf er dem Verfasser oberflächliches Denken vor. Insgesamt ist die Rezension jedoch überaus wohlwollend gesinnt. Wie hoch Mussolini Spengler einschätzte, wird an einer Aussage deutlich, die der „Duce“ zehn Tage vor seiner Ermordung durch Partisanen tätigte: „Auf jeden Fall, da mögen sich die sogenannten Patrioten auf der anderen Seite nicht täuschen: Das Schicksal Italiens wird besonders schwer sein. Leider werden Italien dieselben Männer und derselbe Geist von Versailles gegenüberstehen, mit dem Unterschied, daß wir damals Sieger und Alliierte waren. Aber Italien wird sich in der einen oder anderen Weise wieder erholen. Deutschland hingegen wird grausam zerstückelt werden. All das wird das Ende von Europa bedeuten, die Bolschewisierung des Abendlandes mit Konsequenzen, die sich nicht mehr von jenen unterscheiden, die Spengler vorhergesehen hat.“135 Neben der „Weißen Weltrevolution“, welche die staatlichen Strukturen der Hochkulturen von Innen heraus zersetze, sprach Spengler auch von einer „Farbigen Weltrevolution“, welche die westliche Welt von außen her bedrohe. Neben das bereits abklingende Phänomen des Klassenkampfes, stelle sich also die drohende Gefahr eines Rassenkampfes, der für die ganze abendländische Welt eine existentielle Gefahr darstelle. Die Motiva tion der farbigen Völker, die westliche Welt zu bekämpfen, führte er auf den „Haß gegen die weiße Rasse und [den] unbdingte[n] Wille, sie zu vernichten“136 zurück. 135 Zit.
n. Thöndl: Spengler, S. 144.
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Die größte Gefahr erblickte Spengler im möglichen Zusammenschluß von „farbiger“ und „weißer“ Weltrevolution, sprich der Vereinigung bolschewistischer Klassenkampforganisationen mit den benachteiligten Rassen Asiens, Afrikas und Südamerikas. An dieser Stelle sei noch einmal angemerkt, daß Spenglers Auffassung von „Rasse“ eine vollkommen andere war, als die der Nationalsozialisten. So hielt er genau so wie die meisten Jungkonservativen die Forderung nach Rassenreinheit für verfehlt. Vielmehr glaubte er, daß eine in Maßen vollzogene Rassendurchmischung durchaus auch Vorteile bringen könne. Eine rein „arische“ Rasse stellte für ihn kein Garant für die Rettung des Abendlandes dar. Nichtsdestotrotz war er zu der Auffassung gekommen, daß sich zwischen den weißen und farbigen Völkern ein Überlebenskampf anbahne, der im schlimmsten Falle zur Vernichtung der Ersteren führen könne. Spengler war es in „Jahre der Entscheidung“ gelungen, sein geschichtsphilosophisches und politisches Denken in komprimierter Form zur Entfaltung zu bringen. Dem aufmerksamen Leser konnte es nicht verborgen bleiben, daß es sich um eine im Kern antinationalsozialistische Schrift handelte, die jedoch aufgrund des relativ frühen Publikationstermins nicht zensiert wurde und somit eine ungeheure Verbreitung finden konnte. Dennoch hatte das Werk keinen signifikanten Einfluß auf die politische Entwicklung. Die Entideologisierung, die Spengler gefordert hatte, trat nicht ein. Ganz im Gegenteil: In den darauffolgenden Jahren gelang es den Nationalsozialisten immer mehr, die Deutschen in ein ideologisches Korsett zu zwingen. Somit waren die „Jahre der Entscheidung“ ein letzter verzweifelter Versuch eines führenden Jungkonservativen, ein umfassendes, gegen die Proletarisierung des Staates gerichtetes Manifest vorzulegen. Nicht umsonst hatte er immer wieder auf die Gefahr hingewiesen, die von einer durch Demagogen geführten Masse ausgehen könne. Doch für ein Wiederaufleben aristokratischer Staatspolitik war es im Jahre 1933 zu spät, weil nach dem Niedergang der Präsidialkabinette derartigen Erwägungen die Grundlage entzogen worden war. 136
136 Spengler:
Jahre der Entscheidung, S. 168.
10. Oswald Spengler im Nationalsozialismus Vermutlich verhinderte das frühe Erscheinen der „Jahre der Entscheidung“ ein Verbot durch die nationalsozialistische Führung. Da sich das Werk innerhalb kürzester Zeit zum Bestseller entwickelte, mußte es aber früher oder später zu einer Reaktion kommen. Den Anfang machte dann auch der NS-Philosoph Alfred Baeumler, im Völkischen Beobachter137, indem er kritisierte, daß der Name Hitlers in dem Buch gar nicht erst vorkomme. Im November desselben Jahres konkretisierte er seine Vorwürfe, indem er Spengler vorwarf, Feind des Arbeiters zu sein und einer „fatalistischen Sklavenmoral“ zu huldigen.138 Nachdem Baeumler die nationalsozialistische Haltung gegenüber Spengler deutlich gemacht hatte, kam es zu einer regelrechten publizistischen Treibjagd. Beispielsweise schrieb E. Günther Gründel, nachdem Spengler kein Interesse an seinen völkischen Publikationen gefunden hatte: „Dieser in seiner Art zwar schöne und starke, aber bösartige Drache [Spengler] mußte getötet werden.“139 Im Gegensatz zum nationalsozialistischen Fußvolk war sich Joseph Goebbels darüber im klaren, daß eine Einspannung Spenglers für den Nationalsozialismus propagandistisch große Vorteile bringen könnte. Dementsprechend unternahm er am 26. Oktober 1933 einen letzten Versuch, den Philosophen in die nationalsozialistische Bewegung zu integrieren. Anläßlich der Volksabstimmung zum Austritt aus dem Völkerbund forderte er ihn zur Abfassung eines Aufsatzes auf, indem sich der Philosoph zu dem „Volkskanzler“ bekennen sollte.140 Nach einem 137 Völkischer
Beobachter vom 31. August 1933. Felken: Spengler, S. 220. 139 Zit. n. ebd. S. 221. 140 Vgl. Joseph Goebbels an Oswald Spengler, 26. Oktober 1933. In: Briefe 1913–36, S. 709 f. 138 Vgl.
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10. Oswald Spengler im Nationalsozialismus
Italienaufenthalt, am 3. November 1933, wies Spengler das Ansinnen des Propagandaministers mit der Begründung zurück, daß er sich nicht an Wahlpropaganda beteiligen wolle.141 Gleichzeitig erklärte er sich aber dazu bereit, zu „großen außenpolitischen Anlässen“ publizistisch Stellung zu nehmen und bat dementsprechend um organisatorische Unterstützung. Darüber hinaus forderte er eine Beendigung der Angriffe, die gegen ihn von Organen der Presse getätigt wurden. Um seine parteiunabhängige Stellung zu unterstreichen, verwies er auf das Gespräch, das er mit Hitler in Bayreuth geführt hatte. Der Reichskanzler habe nämlich betont, daß er großen Wert darauf lege, wenn auch außerhalb der NSDAP Kräfte für die deutsche Politik gewonnen werden könnten. Auch wenn Spengler sichtlich bemüht war, Goebbels nicht vollkommen zu verärgern, war seine Intention eindeutig. So wollte er unter keinen Umständen mit den Parteiorganen der NSDAP zusammenarbeiten. Gleichzeitig kam ein vollkommener Rückzug aus der Politik für ihn nicht in Frage. Aus heutiger Perspektive erscheint sein Ansinnen, sich weiterhin als unabhängige Instanz über staatspolitische Fragen äußern zu dürfen, reichlich naiv. Freilich war Ende 1933 aber noch nicht absehbar, daß die Anfangs noch autoritär auftretende Hitler-Regierung bald totalitäre Züge annehmen sollte. Nach dem Erhalt des Schreibens war Goebbels Geduld erschöpft. Er erklärte in einer Anweisung an die Presse: „Es ist unerwünscht, die Diskussion über Spengler fortzusetzen. Die Regierung bittet, von diesem Manne keinerlei Notiz mehr zu nehmen.“142 Wenn auch diese Maßnahme auf den ersten Blick hart zu seien scheint, zeigt sie dennoch, eine gewisse Unantastbarkeit Spenglers. Offensichtlich hielt es die NS-Führung aufgrund seines außergewöhnlichen Ansehens nicht für angebracht, härtere Maßnahmen – denkbar wären Verhaftung, Hausdurch suchungen und weitergehende Diffamierungskampagnen in der Presse – gegen den Philosophen in Gang zu setzen. 141 Vgl. Oswald Spengler an Joseph Goebbels, 3. November 1933. In: Ebd. S. 710 f. 142 H. Bohrmann (Hrsg.): NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit. Bd. 1: 1933, München / New York / London / Paris 1984, S. 242.
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Das war keineswegs selbstverständlich, wie die Ereignisse vom 30. Juni 1934 zeigen sollten. So kam es in Folge des sogenannten Röhm-Putsches zu einer großangelegten Säuberungs aktion, der neben Ernst Röhm und Kurt von Schleicher, Gregor Strasser und vielen weiteren Personen auch eine der führenden Jungkonservativen, Edgar Julius Jung, zum Opfer fiel.143 Dieser genoß als Redenschreiber Papens verhältnismäßig große Agita tionsmöglichkeiten. Doch wurde ihm letztendlich die am 17. Juni 1934 gehaltene sogenannte Marburger Rede, die er für Papen abgefaßt hatte, zum Verhängnis. In dieser hatte er die nationalsozialistische Herrschaft verächtlich gemacht und die Hitler-Regierung als Übergangslösung dargestellt. Bereits am 25. Juni wurde er von Heinrich Himmlers Geheimer Staatspolizei in „Schutzhaft“ genommen, um am 30. Juni erschossen zu werden. Spätestens jetzt dürfte Spengler zu der Auffassung gelangt sein, daß eine unabhängige Kooperation, wie er sie in seinem Brief an Goebbels angeboten hatte, nicht umsetzbar war. Noch vor dem Mord an Jung hatte er in einer Denkschrift mit dem Titel „Deutschland Mein Deutschland Du darfst nicht un tergeh’n!“ zu erkennen gegeben, daß er eine Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten zumindest nicht ausschloß.144 Hinzu kam, daß der Münchner Musikkritiker Willi Schmid, ein Freund Spenglers, aufgrund einer Namensverwechslung (eigentliches Ziel war der SA-Gruppenführer Wilhelm Schmidt) während des „Röhm-Putsches“ ermordet wurde, woraufhin er einen „Wein krampf“145 erlitten haben soll. Nun mußte Spengler nicht ganz zu Unrecht befürchten, selbst ins Visier staatlicher gedeckter Mordkommandos zu geraten. Um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, vernichtete er brisante Briefe und Dokumente. Hatte er noch vor dem 30. Juni auch öffentlich die Mißstände der neuen Regierung angeprangert, so hielt er sich nun merklich zurück. Allerdings wollte er auch nicht in totale Meinungspassivität zurücksinken. So 143 Vgl.
Maaß: Edgar Julius Jung, S. 123 ff. Felken: Spengler, S. 223. 145 Vgl. ebd. S. 224. 144 Vgl.
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soll er bei der Grabrede für Willi Schmid auch auf die wahren Todesumstände angespielt haben. Darüber hinaus lag es ihm fern, wie beispielsweise ein Thomas Mann das Land zu verlassen. Nach wie vor war er ein deutscher Patriot, der sich für die politischen Geschicke seiner Nation verantwortlich fühlte. Während sich zahlreiche Konservative mit dem Nationalsozialismus arrangierten, blieb Spengler seiner eigenständigen Linie treu. Als das Nietzsche-Archiv begann, mit den neuen Machthabern aktiv zusammen zu arbeiten, entschied er sich dafür, aus dem Vorstand auszutreten.146 Es dürfte gerade für ihn ein besonders großes Ärgernis gewesen sein, daß der Philosoph von der NS-Doktrin vereinnahmt wurde. Schließlich repräsentierte Nietzsche eine aristokratische Haltung, welche die Nationalsozialisten in den Augen Spenglers gerade nicht verkörperten. Trotz des Risikos fuhr Spengler damit fort, sich politisch zu äußern und zu schreiben, wovon zahlreiche Fragmente Zeugnis geben, die im Spengler-Nachlaß überliefert sind. Der Philosoph plante offensichtlich, einen zweiten Band der „Jahre der Entscheidung“ zu publizieren. Wie er sich dies nach dem 30. Juni 146 Die Leiterin des Nietzsche-Archivs, Elisabeth Förster-Nietzsche, bedauerte den Rückzug Spenglers sehr. Folgendes Schriftstück ist hierzu überliefert: „Zu meinem großen Kummer höre ich, daß Sie sich vom Nietzsche-Archiv abwenden und nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen. Das beklage ich außerordentlich und kann den Grund gar nicht begreifen. Es ist mir mitgeteilt worden, daß Sie sich gegenüber dem Dritten Reich und seinem Führer energisch ablehnend verhalten und Ihr Abschied vom Nietzsche-Archiv, das in herzlicher Verehrung zum Führer steht, soll damit zusammenhängen. Nun habe ich ja selbst erlebt, daß Sie sich mit großer Energie gegen unser höchstverehrtes neues Ideal ausgesprochen haben. Aber gerade das ist mir nicht recht begreiflich. Bringt nicht unser innig verehrter Führer für das Dritte Reich die gleichen Ideale und Wertschätzungen, die Sie in „Preußentum und Sozialismus“ ausgesprochen haben? Und wodurch ist nun Ihr starker Widerspruch entstanden?“ (Elisabeth Förster-Nietzsche an Spengler, 11. Oktober 1935. In: Spengler: Briefe 1913–1936, S. 749) Das naive, vor Unkenntnissen trotzende Schreiben dürfte Spengler in seiner Entscheidung, dem Nietzsche-Archiv den Rücken zu kehren, noch bestärkt haben.
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konkret vorstellte, läßt sich kaum noch nachvollziehen. Schließlich wäre ein derartiges Werk ohne Umschweife verboten worden. Während er im ersten Band der „Jahre der Entscheidung“ nur indirekt auf Hitler und dessen Ideologie eingegangen war, plante er im zweiten Band eine offensivere Beschäftigung mit diesem Themenfeld. So bezeichnete er die Rassenidee „als eine phrasenhafte Verkleidung d[es] Aergers über jüd[ische] Über legenheit“ und als eine „Weltanschauung für d[ie] geistig Minderbemittelten“.147 Ähnliche Auffassungen vertraten auch andere Vertreter der Konservativen Revolution wie beispielsweise Ernst Jünger, wobei dieser nach 1933 keine vergleichbaren Aufzeichnungen fabrizierte. Obwohl Spengler den Machthabern faktisch nichts entgegensetzen konnte, positionierte er sich als entschiedener Gegner des Nationalsozialismus. Der oftmals eingebrachte Vorwurf, er habe sich als Opportunist erwiesen, geht fehl. Es wäre für ihn ein leichtes gewesen, sich als eine Art konservative Gallionsfigur von der NSDAP vereinnahmen zu lassen, womit ihm überragende Karrieremöglichkeiten zu Teil geworden wären. Doch konnte sich der Philosoph, der während der Weimarer Zeit als Ausnahmepersönlichkeit hofiert und verehrt wurde, aus Ehr- und Gewissensgründen nicht auf derartige Kompromisse einlassen. Auch lag es ihm fern, wie beispielsweise ein Thomas Mann zu emigrieren und aus abgesicherter Position heraus gegen Hitler und seine Bewegung anzukämpfen. Er zog es vor, aus unmittelbarer Nähe die Entwicklungen in seinem Heimatland zu beobachten und zu analysieren. In der Nacht vom 7. auf den 8. Mai 1936 starb Spengler in seiner Münchner Wohnung an einem Herzversagen. Den aufkeimenden Gerüchten, er sei von NS-Männern ermordet worden, steht entgegen, daß er schon in den vorausgehenden Jahrzehnten nicht mit bester Gesundheit gesegnet war. Vor der Abholung des Toten wurden noch ein Photograph und ein Bildhauer bestellt, um eine Totenmaske anzufertigen. Die Beerdigung fand am 10. Mai auf dem Münchner Nordfriedhof statt. 147 Zit.
n. Felken: Spengler, S. 227.
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Trotz seiner damaligen Popularität blieb der Privatmann Spengler zeitlebens ein einsamer Mensch, der von Selbstzweifeln geplagt, so gar nicht dem Cäsarismus-Ideal entsprechen wollte, das er selbst propagierte. Gleichzeitig war er ein Gefangener seines eigenen überlegenen Denkens, das es ihm nicht erlaubte, sich in seiner Umwelt behaglich einzurichten und mit dem Strom mit zu schwimmen. In seinen Aufzeichnungen „Eis heauton“ schrieb er: „Mein Gott: Einsamkeit ist für jemand, der sich mit den größten Problemen beschäftigt, Gift, Selbstmord. Was alles verkümmert, erstickt, entwickelt sich nicht, weil die Reibung fehlt! Ich brauche Menschen um mich, die viel wissen und tiefe Neigung zu Problemen haben. Aber von Jugend auf bin ich verdammt zu einem Umgang, der mich innerlich martert und den ich aus Verzweiflung doch noch aufsuchen muß. Alles, was ich kenne, weiß nichts oder begreift nichts, Aus Mangel an Tiefe, aus Bequemlichkeit, aus Hang zum Schlendern. Und nichts vergiftet die Seele tiefer als mit dem besten, was man hat, andren lästig fallen zu müssen, die bestenfalls aus Gut mütigkeit zuhören. Perlen vor die Säue werfen, ist im täglichen Leben das Geschäft, zu dem ich nun einmal verdammt bin. Lieber möchte ich mit meinem Spazierstock mich unterhalten.“148
148 Spengler:
Ich beneide jeden, der lebt, S. 84.
11. Schlußbemerkung Die Niederlage der Deutschen im 1. Weltkrieg hatte zur Folge, daß breite Bevölkerungsschichten nach Erklärungen für die Geschehnisse suchten. Spenglers „Untergang des Abendlandes“ konnte dies im Speziellen nicht leisten. Jedoch hatte der Philosoph aufgezeigt, daß nicht nur Deutschland, sondern alle Hochkulturen des Abendlandes auf der Schwelle zu einer neuen Daseinsform standen, die er als „Zivilisation“ betitelte. Während die liberalen Demokraten der Weimarer Republik diesen Prozeß als „Fortschritt“ betrachteten, bildete sich mit der Konservativen Revolution eine Ideenströmung heraus, die sich der Zivilisationswerdung mit allen Mitteln widersetzen wollte. Spengler selbst glaubte jedoch nicht daran, daß der Untergang der Kulturen rückgängig gemacht werden könnte. Insofern nahm er eine Position ein, die den romantischen Träumereien vieler Jungkonservativer, die beispielsweise das Ständewesen wiederaufleben lassen wollten, konträr gegenüberstand. Dennoch vertrat er, betrachtet man seine politische Publizistik, genuin jungkonservative Positionen und man geht nicht fehl, ihn als einen der wichtigsten Ideengeber der Konservativen Revolution zu deuten. 1921 gelang Spengler mit „Preußentum und Sozialismus“ der Durchbruch als politischer Schriftsteller. Gerade im Hinblick auf die Parlamentarismus- und Parteienkritik formulierte er hier Thesen, die schnell zum Allgemeingut der jungkonservativen Weltanschauung werden sollten. Besonders originell war dabei seine Idealform eines preußischen Sozialismus, der im Grunde genommen auf die Errichtung eines gemeinwohlbezogenen und antimateriellen Wirtschaftssystems jenseits von marxistischem Sozialismus und westlichem Kapitalismus abzielte. Hiermit war es Spengler gelungen, den überaus populären Sozialismus-Begriff dahingehend umzudeuten, daß er ge-
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gen die klassenkämpferischen Ambitionen der Linken instrumentalisiert werden konnte. Weniger kreativ war hingegen Spenglers zweite politische Schrift vom „Neubau des Deutschen Reiches“, in der er typisch jungkonservative Reformvorschläge unterbreitete. Eine zündende Idee wie die des preußischen Sozialismus konnte er jedoch nicht anbieten. Wenn Spengler auch mit „Preußentum und Sozialismus“ und dem „Neubau des Deutschen Reiches“ Schriften vorlegte, die sich harmonisch in die jungkonservative Weltanschauung einfügten, fällt auf, daß der Autor in manchen Punkten andere Standpunkte vertrat. So konnte er mit dem Ständewesen, das im Kreis um Arthur Moeller van den Bruck und Heinrich von Gleichen kultiviert wurde, nicht viel anfangen. Insgesamt verwehrte er sich gegen romantische Träumereien, die seinem ausgesprochenen Realitätssinn widerstrebten. Daß er sich gleichzeitig gegen den Rationalismus stellte und für das „Leben“ aussprach, war für ihn kein Widerspruch. „Leben“ bedeutete für ihn weder weltfremdes Philosophieren, noch mechanistisch-naturwissenschaftliches Denken, sondern eine Rückkehr zu den Notwendigkeiten des menschlichen Daseins. Als notwendig befand er dabei, den Überlebenssinn des deutschen Volkes zu reanimieren. Ausgehend von der Vorstellung, daß die Völker untereinander in einem immer währenden Kampf begriffen seien, plädierte er für eine Machtpolitik, in der es keinen Raum für pazifistische Erwägungen und christliche Nächstenliebe gab. Insofern verwundert es nicht, wenn sich Spengler, in der Tradition Nietzsches stehend, von der christlichen Tradition losgesagt hatte. Im Grunde genommen war das Christentum für ihn nur ein Vorläufer der verhaßten liberalen und marxistischen Doktrin. Mit dieser radikalen Vorstellung hob er sich von anderen Jungkonservativen wie Wilhelm Stapel, Edgar Julius Jung und Othmar Spann ab, für die das Christentum noch eine signifikante Relevanz besaß. Im Grunde genommen rückte er mit seinem radikalen Denken in die Nähe der Nationalrevolutionäre, die, als Träger eines „Deutschen Nihilismus“, sich ebenfalls radikal vom Christentum losgesagt hatten. Doch waren Speng-
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lers revolutionäre Ambitionen sicherlich weniger ausgeprägt als die der Nationalrevolutionäre, die den Staat zu einem „Kasernenhof“ umgestalten wollten. Freilich wollte Spengler die parlamentarischen Strukturen der Weimarer Republik hinweggefegt wissen. Allerdings macht insbesondere seine Schrift vom „Neubau des Deutschen Reiches“ deutlich, daß er eher gemäßigtere Reformen, wie sie sich im jungkonservativen Schrifttum finden, anstrebte. Mit „Der Mensch und die Technik“ legte Spengler eine modifizierte Version seines ursprünglichen geschichtsphilosophischen Denkens vor, die aufgrund ihrer gerafften Form dazu geeignet war, eine breitere Leserschaft anzusprechen. Indem er das Gefahrenpotential der technischen Welt herausarbeitete, legte er ein durchaus modernes Buch vor, das allerdings nicht durchgehend überzeugen kann. Gerade die These, daß die westlich-abendländische Technik vor dem unabwendbaren Verfall stehe, konnte der Philosoph nicht mit plausiblen Argumenten untermauern. Nachdem es Spengler in den frühen zwanziger Jahren nicht gelungen war, anknüpfend an seine Erfolge mit „Preußentum und Sozialismus“, als politischer Strippenzieher die Geschicke der großen Politik nachhaltig zu beeinflussen, gelang ihm letztendlich dennoch mit „Jahre der Entscheidung“ der „große Wurf“. So legte er eine Schrift vor, die sich eindeutig gegen die nationalsozialistische Revolution richtete und diese als vorübergehendes Phänomen deklassierte. Darüber hinaus machte er frühzeitig auf Probleme der Globalisierung aufmerksam – Verlagerung europäischer Arbeitsplätze in Billiglohnländer – wodurch sein Buch insgesamt einen modernen Charakter erhielt. Trotz seiner Positionierung gegen die nationalsozialistische Herrschaft bemühte sich das Regime lange Zeit darum, ihn für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Dies zeigt, um was für eine Ausnahmepersönlichkeit es sich handelte. Letztendlich überschätzte der Philosoph jedoch seine Möglichkeiten. So glaubte er in der Anfangszeit des Dritten Reiches fest daran, seine unabhängige Stellung bewahren zu können, weiterhin das Zeitgeschehen von einer höheren Warte aus kommentieren zu dürfen
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11. Schlußbemerkung
und gar beratend auf Hitler Einfluß nehmen zu können. Der Reichkanzler, der sich dem völkisch-biologistischen Denken verbunden fühlte und jungkonservativen Positionen skeptisch gegenüberstand, dachte jedoch gar nicht daran, Spenglers Analysen und Prognosen ernst zu nehmen. Ganz anders verhielt es sich bei Mussolini, der große Stücke auf den deutschen Geschichtsdenker hielt. Auch heute sieht die Lage ganz ähnlich aus. So kann man sagen, daß Spengler in der gegenwärtigen Zeit mehr Verehrung im Ausland zuteil wird als in seinem Heimatland, in dem er immer noch vorwiegend als „Steigbügelhalter“ des Nationalsozialismus und Verächter der Demokratie gesehen wird. Die Reaktionen, die der „Untergang des Abendlandes“ in den zwanziger Jahren ausgelöst hat, sind heute kaum noch nachvollziehbar. Die Veränderungen – im speziellen die Transformation der europäischen Hochkulturen zu Zivilisationen –, die er prophezeite, gehören für die heutige Generation zur Normalität, und kaum jemand wagt zu bestreiten, daß die „Errungenschaften“ des zivilisatorischen Lebens auch Schattenseiten haben könnten. Für die Zeitgenossen Spenglers stellte der Einbruch der Moderne hingegen eine unmittelbare Bedrohung dar, die das Nachdenken über mögliche „dritte Wege“ nachhaltig stimulierte. Doch auch in der gegenwärtigen Zeit gibt es Anzeichen dafür, daß der Liberalismus keine Einbahnstraße zur allgemeinen Glückseligkeit der Menschen darstellt. An dieser Stelle sei nur auf die Wirtschaftsform aller Zivilisationen, den Kapitalismus, verwiesen, der eben nicht, wie ursprünglich angenommen, ungebremstes Wachstum und allgemeinen Wohlstand verbürgen kann. Spengler war sich darüber bewußt, daß der Einbruch der Zivilisation nicht aufgehalten werden könne, weshalb er die Deutschen zu politischem Realismus und ideologiefreiem Standhalten aufrief. Doch verhallten seine Rufe im Wind. Nachdem der Nationalsozialismus die letzten Traditionsbestände preußischen Daseins zerschmettert hatte, kümmerte sich nach 1945 niemand mehr um die Weisungen Spenglers. Ganz im Gegenteil: In Folge der 68er-Kulturrevlution kam es zu einer Errichtung eines
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Staatswesens, indem Ideologie oftmals höher gewichtet wird als der gesunde Menschenverstand eines politischen Realismus. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn Spengler heutzutage all zu gerne totgeschwiegen wird. Schließlich gehörte er zu dem Kreise derer, die nach Auffassung der aufgeklärten Fortschrittler „antidemokratischen“ Idealen huldigten und dabei dem allgemeinen Menschheitsglück als rückwärtsgewandte Spielverderber entgegenstanden. Man wird dem Geschichtsdenker jedoch kaum gerecht werden, wenn man versucht, ihn auf Grundlage der heute vorherrschenden Moralvorstellungen zu sezieren. Es kann dem Prozeß historischen Verstehens nur schaden, die eigene Perspektive durch ideologisch determinierte Vorurteile einengen zu lassen. Der Verfasser hofft deshalb, mit vorliegender Studie einen Beitrag zur Historisierung einer Ideenströmung gegeben zu haben, die allzuoft auf das Unverständnis der Zeitgenossen stößt.
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106 Literaturverzeichnis Mohler, Armin: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918– 1932, Stuttgart 1950. Mohler, Armin / Weißmann, Karlheinz: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932, 6. Auflage, Graz 2005 (1. Auflage: 1950). Nolte, Ernst: Nietzsche und der Nietzeanismus, 2. Auflage, München 2000 (1. Auflage: 1990). Quaritsch, Helmut: Positionen und Begriffe Carl Schmitts, Berlin 1995. Schüler, Wolfgang: Pfarrer Hans Milch. Eine große Stimme des katholischen Glaubens; mit einer Kritik am Zweiten Vatikanischen Konzil, 2. Bände, Hattersheim 2005. Thöndl, Michael: Oswald Spengler in Italien. Kulturexport politischer Ideen der „Konservativen Revolution“, Leipzig 2010. Weißmann, Karlheinz: Armin Mohler: eine politische Biographie, Schnellroda 2011. Primärliteratur Boehm, Max Hildebert: Körperschaft und Gemeinwesen, Leipzig 1920. Brauweiler, Heinz: Berufstand und Staat. Betrachtungen über eine neuständische Verfassung des Deutschen Staates, Berlin 1925. Hanfstaengl, Ernst: Zwischen Weißem und Braunem Haus. Memoiren eines politischen Außenseiters, München 1970, S. 281. Hofmannsthal, Hugo von: Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation. Rede, gehalten im Auditorium Maximum der Universität München am 10. Januar 1927, München 1927. Jung, Edgar Julius: Deutschland und die konservative Revolution. In: Deutsche über Deutschland: Edgar Julius Jung (Hrsg.): Die Stimme des unbekannten Politikers, München 1932, S. 369–383. Jünger, Ernst: Der Arbeiter. Herrschaft und Gesellschaft, Hamburg 1932. Jünger, Friedrich Georg: Die Perfektion der Technik, Frankfurt 1946. Kaufmann, Erich: Kritik der neukantischen Rechtsphilosophie, Tübingen 1921. Koktanek, Anton Mirko (Hrsg.): Urfragen. Fragmente aus dem Nachlaß, München 1965.
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Personen- und Sachverzeichnis Abstraktion 39, 40, 63 Alldeutscher Verband 73 Amiens 25 Anarchismus 17 Antiegalitarismus 70 Antiindividualismus 33, 60 Antiintellektualismus 63, 64 Antimarxismus 70 Antiparlamentarismus 56, 75, 76 Antirationalismus 64 Argentinien 65, 70 Ariertum 83, 91 Aufklärung 9, 21, 22, 23, 26 Augustinus 21 Baeumler, Alfred 93 Bagdad 51 Bayern 27, 29, 49 Bayreuth 82, 94 Beamten 35, 57, 75 Bebel, August 18 Becksche Verlagsbuchhandlung 50 Belgien 47 Berlin 18, 28, 38, 51, 61 Bildung 17, 44, 56, 58, 59 Biologismus 10, 56, 102 Bismarck, Otto von 18, 52 Blankenburg (Harz) 15 Blüher, Hans 7 Boehm, Max Hildebert 41, 106 Bolschewismus 38, 86, 87, 88, 90, 91
Botermans, Frits 13, 105 Brauweiler, Heinz 41, 106 Brest-Litowsk 24 Breuer, Stefan 8 Brüning, Heinrich 74, 75, 76 Bündische 8 Bürgertum 12, 36, 57, 60, 73, 74 Cäsarismus 40, 42, 43, 44, 45, 84, 85, 86, 98 China 51 Christentum 10, 11, 16, 17, 21, 22, 24, 71, 78, 87, 100 Cossmann, Nikolaus 46, 48 Cuno, Wilhelm 47, 48 Darwinismus 17, 69 Demokratie 8, 19, 25, 32, 36, 37, 43, 44, 45, 55, 57, 72, 74, 75, 77, 83, 85, 99, 102, 103 Depression 15, 19, 73 Deutsche Demokraten / DDP 48 Deutsche Volkspartei / DVP 48 Deutscher Sozialismus 32, 37 Deutschnationale / DNVP 73, 74, 78, 79 Drittes Reich 9, 31, 37, 41, 46, 81, 83, 85, 96, 101, 105 Düsseldorf 18 Ebert, Friedrich 26, 28 Egalitarismus 9, 37, 69, 70, 85, 87
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Personen- und Sachverzeichnis
Ehre 28, 44, 55, 57, 60, 61, 72, 107 Eisner, Kurt 27, 29 Elite 8, 44, 59, 83 England 33, 34, 51 Entstehungsgeschichte des Menschen 68, 69 Erster Weltkrieg 7, 19, 21, 22, 24, 31, 32, 34, 39, 46, 47, 73, 87, 99 Esoterik 66 Farbige Weltrevolution 90 Faschismus 90 Felken, Detlef 13, 17, 19, 37, 38, 47, 49, 61, 76, 78, 93, 95, 97, 105 Förster-Nietzsche, Elisabeth 96 Fortschritt 7, 10, 11, 17, 22, 23, 33, 39, 68, 71, 72, 99, 103 Frankreich 25, 27, 47, 48, 49, 50, 51 Freikorps 28, 29 Friedrich II, König von Preußen 81 Führer 9, 43, 44, 52, 53, 61, 70, 71, 73, 79, 80, 89, 95, 96 Geopolitik 47, 50, 61 Germanentum 9, 59, 60 Geschichtsphilosophie 7, 21, 22, 31, 39, 41, 43, 45, 48, 64, 65, 83, 91, 101 Gleichen, Heinrich von 38, 100 Globalisierung 52, 101 Goebbels, Joseph 81, 93, 94, 95 Goethe, Johann Wolfgang von 40 Große Koalition 48, 73, 74 Gründel, Günther 93
Halle (Saale) 16, 17, 18 Hamburg 18, 42, 48, 81, 105, 106 Hanfstaengl, Ernst 82, 106 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 21 Himmler, Heinrich 95 Hindenburg, Paul von 74, 75, 76, 77, 78, 79, 81 Hitler, Adolf 10, 49, 50, 52, 53, 56, 73, 75, 76, 78, 79, 81, 82, 86, 89, 90, 93, 94, 95, 97, 102 Hitler-Putsch 50 Hochkulturen 64, 65, 66, 70, 90, 99, 102 Hochschulring deutscher Art 50 Hofmannsthal, Hugo v. 8, 106 Hugenberg, Alfred 48, 61, 73 Idealismus 36, 57, 84 Il Popoplo d’Italia 90 Imperialismus 43, 47 Individualismus 33, 34, 60 Inflation 46, 47, 48 Internationalismus 52 Islam 51 Italien 14, 19, 88, 89, 90, 94, 106 Juden 56, 97 Jung, Edgar Julius 8, 10, 38, 44, 56, 64, 76, 80, 95, 100, 105, 106 Jünger, Ernst 7, 10, 11, 12, 84, 85, 97, 105, 106 Jünger, Friedrich Georg 7, 10, 12, 71, 80, 106 Kahr, Gustav von 49 Kapitalismus 33, 34, 35, 36, 38, 44, 46, 52, 74, 85, 99, 102
Personen- und Sachverzeichnis111
Kathedersozialismus 18 Kaufmann, Erich 59, 60, 61, 106 Keyserling, Hermann Graf 63 Kiel 26, 27 Klöres, Hans 25, 27, 28, 29 Knittel, Albert 80 Knittel, Else 82 Koktanek, Anton Mirko 13, 63, 105, 106 Kommunismus 27, 36, 83 KPD 78 Kriegsschuld 24, 31 Kultur 7, 14, 19, 22, 23, 24, 41, 43, 64, 65, 66, 67, 69, 70, 85, 86, 87, 88, 90, 99, 102, 106 Landvolk 8 Leipzig 81 Liberalismus 7, 10, 11, 17, 23, 25, 33, 34, 36, 39, 40, 44, 48, 68, 71, 85, 86, 99, 100, 102 Lineares Weltbild 10, 22, 24, 39 Lisson, Frank 13, 14, 105 Ludwig III, König von Bayern 27 Lüneburg 18 Luther, Martin 18 Macht 34, 37, 42, 43, 46, 49, 55, 56, 68, 75, 76, 78, 79, 81, 84, 87, 88, 96, 97, 100 Machtpolitik 84, 100 Mann, Thomas 7, 10, 23, 27, 96, 97, 106 Marburg 81, 95 Marburger Rede 95 Marx, Karl 32, 35 Marxismus 10, 11, 32, 34, 35, 37, 40, 51, 52, 70, 85, 87, 99, 100
Materialismus 35, 36, 64, 65, 84 Max von Baden, Prinz 25, 26 Mekka 51 Metaphysik 18, 44, 63, 64, 71, 105 Metapolitik 8, 19, 44, 49, 55, 89 Moderne 42, 102 Moeller van den Bruck, Arthur 8, 9, 10, 31, 37, 41, 44, 46, 55, 56, 83, 85, 105, 106 Mohler, Armin 7, 8, 9, 10, 11, 12, 87, 105, 106 Monarchie 19, 25, 27, 31 Müller, Hermann 74 München 8, 17, 18, 19, 27, 31, 32, 38, 46, 48, 50, 95, 97 Münchner Neueste Nachrichten 46, 48 Mussolini, Benito 88, 89, 90, 102 Naeher, Jürgen 13 Napoleon Bonaparte 47 Nationalismus 9, 31, 76 Nationalrevolutionäre 9, 19, 37, 39, 45, 57, 75, 100 Nationalsozialismus / NSDAP 9, 10, 53, 55, 73, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 83, 86, 88, 91, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 101, 102 Neuer Nationalismus 8 New York 51, 74, 94 Nietzsche, Friedrich 10, 12, 17, 21, 22, 24, 37, 39, 45, 68, 87, 88, 96, 100, 106 Nihilismus 12, 23, 24, 42, 45, 85, 100 Notverordnungen 75, 76 Novemberrevolution 26, 27, 32, 35
112
Personen- und Sachverzeichnis
Organizismus 9, 23, 34, 60, 64, 70 Österreich 18, 84 Papen, Franz von 76, 77, 78, 79, 95 Pareto, Vilfredo 44 Parlamentarismus 8, 19, 25, 29, 32, 33, 34, 35, 42, 43, 44, 56, 57, 73, 74, 75, 76, 77, 79, 80, 99, 101, 107 Parteien 9, 32, 34, 55, 75, 77, 78, 80, 81, 84, 89, 94, 99 Patriotische Gesellschaft 81 Pazifismus 43, 56, 83, 85, 100 Pflicht 16, 44, 50, 57, 60, 61, 72, 107 Pluralismus 9, 42 Pluralität 22 Präsidialregime 76, 77, 91 Preußen 29, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 76, 79, 81, 96, 99, 100, 101, 107 Preußenschlag 76 Propaganda 24, 47, 81, 83, 94 Ranke, Leopold 21 Rasse 10, 45, 55, 56, 72, 82, 90, 91, 97 Räteregime 27, 28, 29, 31, 32 Rationalismus 7, 9, 60, 64, 84, 86, 100 Realismus 23, 89, 102, 103 Recht 34, 36, 44, 50, 55, 57, 59, 60, 75, 106 Rechtsgemeinschaft 60 Rechtsphilosophie 60, 106 Rechtspositivismus 59
Rechtsstaat 57 Rechtswissenschaft 59 Reformismus 38, 58, 59, 60, 61, 74, 88, 100, 101 Reichsausschuß für das Deutsche Volksbegehren 73 Reichskanzler 25, 26, 47, 48, 49, 52, 76, 77, 79, 94 Reichslandbund 73 Reichspräsident 74, 75, 76, 77 Reichstag 18, 26, 32, 57, 75, 76, 77 Reichswehr 24, 29, 78 Reparationen 47, 73, 74 Reuschs, Paul 48 Riga 63 Röhm, Ernst 95 Röhm-Putsch 95 Romantik 40, 84, 99, 100 Ruhrkampf 47, 48, 49 SA 75, 76, 78, 95 Saarbrücken 18 SA-Verbot 75, 76 Scheidemann, Philipp 26 Schlageter, Albert Leo 47 Schleicher, Kurt von 74, 75, 76, 77, 78, 79, 95 Schmid, Willi 95, 96 Schmidt, Wilhelm 95 Schmitt, Carl 7, 9, 10, 35, 42, 44, 105, 106, 107 Schopenhauer, Arthur 17 Schwarzer Freitag 74 Seeckt, General Hans von 49 Skandinavien 63 Sowjetunion 24, 84 Sozialdemokratie / SPD 25, 26, 27, 28, 48, 61, 75, 76
Personen- und Sachverzeichnis113
Sozialismus 17, 18, 28, 29, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 47, 51, 52, 79, 85, 99, 100, 101, 102, 107 Spahn, Martin 46 Spanien 65 Spann, Othmar 8, 10, 12, 34, 41, 84, 100, 105 Spengler, Adele 15 Spengler, Bernhard 15 Spengler, Gertrud 15 Spengler, Hildegard 15 Spengler, Pauline 15 Spranger, Eduard 65 Staatsmann 32, 43, 44, 45, 56, 80, 89 Staatsphilosophie 57 Staatsrat 56 Staatssozialismus 36 Stahlhelm 73 Stände 9, 28, 35, 41, 42, 57, 60, 99, 100, 106 Stapel, Wilhelm 8, 10, 11, 42, 87, 100, 105 Stinnes, Hugo 48, 78 Strasser, Gregor 78, 79, 80, 95 Strasser, Otto 38 Stresemann, Gustav 48, 49 Stufen menschlicher Entwicklung 65 Tag von Potsdam 81 Technik 22, 36, 65, 67, 68, 69, 70, 71, 90, 101, 106, 107
Thöndl, Michael 14, 89, 90, 106 Totalitarismus 10, 77, 79, 94 USA 24, 25, 65, 70 USPD 27, 28 Vernunft 64 Versailler Vertrag 9, 24, 31, 47, 61, 73, 90 Verstand 64, 103 Völkerbund 93 Völkische 8, 9, 10, 55 Völkischer Beobachter 93 Volksgemeinschaft 33, 36 Vorwärts 61 Wagner, Richard 82 Wagner, Winifred 82 Wahlen 28, 34, 44, 56, 57, 64, 75, 76, 77, 80, 81, 94 Weiße Weltrevolution 86, 87, 90 Weltgeschichte 21, 22, 42, 64, 66, 69, 89, 107 Wilhelm II, Kaiser 19, 26, 28 Wilson, Woodrow 25 Young-Plan 73, 74 Zentrumspartei 74, 77 Zivilisation 23, 24, 41, 42, 43, 65, 70, 85, 99, 102 Zyklisches Weltbild 10, 11, 31, 39