Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen: Anfangs- und Randwertprobleme 9783110206791, 9783110200331

This textbook presents an elementary introduction to the fundamental numerical methods for solving initial and boundary

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German Pages 290 [292] Year 2008

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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 Einleitung: Beispiele und Anwendungen
Kapitel 2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme
Kapitel 3 Mehrschrittverfahren für Anfangswertaufgaben
Kapitel 4 Schießverfahren für Randwertprobleme
Kapitel 5 Differenzenverfahren für Randwertprobleme
Kapitel 6 Differenzenapproximationen für Randwertprobleme durch Variationsmethoden
Kapitel 7 Kollokationsverfahren
Kapitel 8 Adaptive Gitter für Randwertaufgaben gewöhnlicher Differentialgleichungen
Backmatter
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Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen: Anfangs- und Randwertprobleme
 9783110206791, 9783110200331

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de Gruyter Lehrbuch Reinhardt · Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen

Hans-Jürgen Reinhardt

Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen



Walter de Gruyter Berlin · New York

Prof. Dr. Hans-Jürgen Reinhardt Fachgruppe Angewandte Analysis und Numerik Fachbereich Mathematik Universität Siegen Walter-Flex-Str. 3 57068 Siegen E-Mail: [email protected]

앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. 앪

ISBN 978-3-11-020033-1 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 Copyright 2008 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Konvertierung von LaTeX-Dateien des Autors: Kay Dimler, Müncheberg. Einbandgestaltung: Martin Zech, Bremen. Druck und Bindung: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten.

Vorwort

Im vorliegenden Buch ist das Material einer einsemestrigen Vorlesung über Näherungsmethoden für gewöhnliche Differentialgleichungen zusammengestellt, die der Autor wiederholt – zuletzt im WS 2006/07 – an der Universität Siegen gehalten hat. Es werden sowohl Anfangswertprobleme als Randwertprobleme betrachtet. Außerdem sind auch immer Systeme von Differentialgleichungen eingeschlossen, auch wenn die Darstellung sich aus Gründen der Übersichtlichkeit gelegentlich auf skalare Gleichungen beschränkt. Die untersuchten Methoden lassen sich auch unter dem Begriff „Differenzenapproximationen“ einordnen. Dies trifft sogar auf die Galerkin-Verfahren für Anfangswertproblemen bzw. Randwertproblemen (in Abschnitt 2.10 bzw. Kapitel 6) zu, die sich im einfachsten Fall stückweise konstanter oder stückweise linearer Ansatzfunktionen auch als Differenzenverfahren schreiben lassen. Einige der untersuchten Verfahren werden nur in Übersichtsform vorgestellt, ohne alles vollständig auszuführen. Hinsichtlich weitergehender Darstellungen sei auf die angegebene Literatur verwiesen. Einige Aspekte werden dagegen in diesem Buch vertieft, die man üblicherweise nicht in Lehrbüchern findet – z. B. die Kompaktheitsmethoden in Kapitel 5, die adaptiven Gitterkonstruktionen in Kapitel 2 und 8. In jedem Fall werden die Verfahren immer soweit ausgeführt, dass diese auf einem Computer implementiert werden können. Daher ist das vorliegende Buch auch für Anwender geeignet, die an der praktischen Umsetzung der Verfahren für die jeweiligen Problemstellungen als auch an den wesentlichen Eigenschaften wie Stabilität, Konsistenz und insbesondere Konvergenz mit zugehörigen Fehlerabschätzungen interessiert sind. Der Stoff des Buches wird ergänzt durch die theoretischen Übungsaufgaben in Anhang B, die alle mit entsprechenden Musterlösungen versehen sind. Außerdem ist in Anhang A eine kompakte Übersicht über die Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen zusammengestellt – auch hier wieder für Anfangs- und Randwertprobleme. Im Anhang C werden praktische Aufgaben für eine Reihe von Anfangs- und Randwertaufgaben gestellt und deren numerische Lösungen mit verschiedenen Verfahren in Tabellenform und mit Hilfe von Abbildungen gezeigt. Das Buch schließt mit Literatur-, Abbildungs-, Tabellenverzeichnissen und einem ausführlichen Index. Das ursprüngliche Skriptum wurde von Frau M. Beier mit LATEX erstellt und später von Frau C. Mielke ergänzt, die es schließlich auch in Buchform gebracht hat. Meine Mitarbeiter Dipl.-Math. R. Ansorge, Dr. rer. nat. M. Charton und Ma.Sc. I. Cherlenyak haben die theoretischen und praktischen Übungsaufgaben zusammengestellt und betreut. Ihnen und meinen Studenten sei für Ihren Einsatz und Ihre Mitarbeit herzlich gedankt. Siegen, im Januar 2008

H.-J. Reinhardt

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

v

1 Einleitung: Beispiele und Anwendungen 1.1 Anfangswertprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Randwertprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 4

I

Ein- und Mehrschrittverfahren zur numerischen Lösung von Anfangswertaufgaben

2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme 2.1 Definition des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Konsistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Konsistenzbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Konsistenz spezieller Verfahren . . . . . . . . . . . . 2.3 Die Methode der Taylor-Entwicklung . . . . . . . . . . . . . 2.4 Runge–Kutta-Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Implizite Runge–Kutta-Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8 Adaptive Schrittweitenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Steife Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9.1 Stabilität von Differentialgleichungen . . . . . . . . . 2.9.2 Einseitige Lipschitz-Bedingung und steife Differentialgleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9.3 Explizite und implizite Verfahren für steife Systeme . 2.10 Unstetige Galerkin-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10.1 Variationelle Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . 2.10.2 Galerkin-Approximation und Galerkin-Orthogonalität 2.10.3 Fehlerabschätzungen und Schrittweitenkontrolle . . .

9

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

11 11 16 16 18 23 25 33 39 42 46 48 49

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

51 58 64 65 66 69

. . . .

73 73 84 95 99

3 Mehrschrittverfahren für Anfangswertaufgaben 3.1 Definition des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Konsistenz von Mehrschrittverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Stabilität und Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Charakterisierung der Lipschitz-Stabilität. Die Wurzelbedingung

. . . .

. . . .

viii

II

Inhaltsverzeichnis

Näherungsverfahren für Randwertprobleme

109

4 Schießverfahren für Randwertprobleme 111 4.1 Das einfache Schießverfahren für lineare Randwertprobleme . . . . . 111 4.2 Das einfache Schießverfahren für nichtlineare Randwertprobleme . . 117 4.3 Die Mehrzielmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5

Differenzenverfahren für Randwertprobleme 5.1 Singulär gestörte (gewöhnliche) Differentialgleichungen . . . . 5.2 Differenzenapproximationen für lineare gewöhnliche Differentialgleichungen zweiter Ordnung . . . . . . . . . . . . 5.3 Stabilität und Konvergenz mit Maximumprinzipien . . . . . . . 5.4 Stabilität und Konvergenz mit Hilfe von Kompaktheitsmethoden 5.5 Differenzenapproximationen für nichtlineare Randwertprobleme

123 . . . 123 . . . .

. . . .

126 129 134 140

6 Differenzenapproximationen für Randwertprobleme durch Variationsmethoden 6.1 Variationelle Formulierung eines eindimensionalen Modellproblems 6.2 Die einfachste Finite-Elemente-Methode für das Modellproblem . . 6.3 Erste Fehlerabschätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Galerkin-Verfahren für nichtlineare Probleme . . . . . . . . . . . .

. . . .

148 148 152 155 165

7

. . . .

Kollokationsverfahren 168 7.1 Lineare Randwertprobleme m-ter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . 168 7.2 Praktische Aspekte des Kollokationsverfahren . . . . . . . . . . . . . 172

8 Adaptive Gitter für Randwertaufgaben gewöhnlicher Differentialgleichungen 8.1 Differenzenapproximationen auf nichtäquidistanten Gittern 8.2 Interpolationsfehlerindikatoren . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Residuen-Schätzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Gitterverteilungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

175 175 176 178 179

A Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen A.1 Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen von Anfangswertproblemen A.2 Lineare Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.3 Systeme mit konstanten Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . A.4 Lineare Differentialgleichungen n-ter Ordnung . . . . . . . . . . . . A.5 Lineare Differentialgleichungen n-ter Ordnung mit konstanten Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.6 Lineare Randwertaufgaben zweiter Ordnung . . . . . . . . . . . . . .

184 184 186 190 192 195 199

B Theoretische Übungsaufgaben

205

Inhaltsverzeichnis

ix

C Praktische Übungsaufgaben mit Musterlösungen

241

Literaturverzeichnis

269

Abbildungsverzeichnis

273

Tabellenverzeichnis

275

Index

277

Kapitel 1

Einleitung: Beispiele und Anwendungen

In diesem einleitenden Kapitel werden einige typische Beispiele aus der Mechanik, Biologie und Thermodynamik vorgestellt, bei denen die Modellierung auf die Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen führt. Letztere haben die Form von Anfangswertproblemen für Systeme gewöhnlicher Differentialgleichungen oder liegen als Randwertprobleme vor. Bei Randwertproblemen unterscheidet man verschiedene Typen, Dirichlet-, Neumann- oder Robin-Randbedingungen – auch Randbedingungen erster, zweiter bzw. dritter Art, je nachdem ob die Lösung selbst, deren Ableitung oder eine Beziehung zwischen beiden (in gemischter Form) am Rand vorgegeben sind. Die Theorie zur Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen ist in Kurzform in Anhang A zusammengestellt.

1.1

Anfangswertprobleme

Beispiel 1.1 Populationsmodell. Ein einfaches Modell zur Beschreibung des Wachstums einer Population p.t / bei bekannter Anfangspopulation p0 D p.t0 / ist gegeben durch dp .t / D ap.t / ; t > t0 I p.t0 / D p0 ; dt (a > 0 beschreibt die Wachstumsrate). Die Lösung ist bekanntlich p.t / D p0 e a.tt0 / ;

t  t0 :

(1.1)

f in dem sich die Population verdoppelt, erhält man durch die Das Zeitintervall t, Beziehung f / D 2p.t / ; also t f D 1 ln 2 : p.t C t a Die Lösung (1.1) beschreibt das wirkliche Wachstum im Allgemeinen für die fernere Zukunft nur schlecht. Ein erweitertes Modell führt einen Rivalitätsterm (nach Verhulst, 1837) ein, dp D ap  bp 2 ; dt

t > t0 I

p.t0 / D p0 :

Für diese nichtlineare gewöhnliche Differentialgleichung kann man (ausnahmsweise) die Lösung explizit angeben: p.t / D

ap0 : bp0 C .a  bp0 / exp.a.t  t0 //

2

Kapitel 1 Einleitung: Beispiele und Anwendungen

Abbildung 1.1. Erweitertes Wachstumsmodell

Beispiel 1.2 Räuber–Beute-Modell. (Hadeler [28]) Sucht man zwei Populationen, die Beutetiere x.t / und die Raubtiere y.t /, so lässt sich ein entsprechendes Modell in Form eines Systems von zwei gewöhnlichen Differentialgleichungen formulieren,   dx .t / D ˛ x.t /  x.t /y.t / ; t > t0 I x.t0 / D x0 ; dt dy .t / D x.t /y.t /  y.t / ; t > t0 I y.t0 / D y0 : dt Dies ist ein Anfangswertproblem für ein System von nichtlinearen gewöhnlichen Differentialgleichungen. Deren Lösungsvektor .x.t /; y.t //> lässt sich entweder in der x=y-Ebene (siehe Abbildung 1.2) oder komponentenweise über der t -Achse darstellen (siehe Abbildung 1.3). 1.6

Räuber 1.4

1.2

1

0.8

Beute 0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

1.6

Abbildung 1.2. Räuber–Beute-Modell

1.8

2

3

Abschnitt 1.1 Anfangswertprobleme

2 1.8 1.6

Räuber

1.4 1.2 1 0.8

Beute

0.6 0.4

t 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Abbildung 1.3. Beute- und Raubtiere

Weitere Beispiele in diesem Bereich beschreiben die Ausbreitung von Seuchen, die Entwicklung von Industrien oder Innovationen, den Zerfall von Radioaktivität und vieles mehr. Beispiel 1.3 Schwingungsprobleme. ` D Federlänge k D Federkonstante k

m D Masse m

y=0

g D Erdbeschleunigung .D 9:81 m=s2 /

Abbildung 1.4. Schwingungsproblem

Nach dem Newtonschen Gesetz setzt sich die an der Masse m angreifende Gesamtkraft aus vier Anteilen zusammen, mg Gewicht (g = Erdbeschleunigung) k.` C y/ Rückstellkraft (k = Federkonstante) dy c Dämpfung dt F äußere Kraft; hierbei beschreibt y D y.t / die gesuchte Auslenkung, und ` ist die Federlänge in

4

Kapitel 1 Einleitung: Beispiele und Anwendungen

der Gleichgewichtsposition, k` D mg. Man erhält also die Beziehung m

d 2y dy CF D mg  k.` C y/  c 2 dt dt dy C F .t / : D ky  c dt

(1.2)

Bei der „Dämpfung“ bzw. Kraft unterscheidet man noch verschiedene Fälle, – freie ungedämpfte Schwingung: c D 0 ; F D 0 I – freie gedämpfte Schwingung: c 6D 0 ; F D 0 I – erzwungene gedämpfte Schwingung: c 6D 0 ; F 6D 0 I – erzwungene ungedämpfte Schwingung: c D 0 ; F 6D 0 : Auch nichtlineare Rückstellkräfte der Form ky 2 sind möglich. Das Schwingungsproblem erfordert noch zwei Anfangsbedingungen, für die Anfangsauslenkung y.t0 / D y0 und für die Anfangsgeschwindigkeit y 0 .t0 / D y00 . Wie in Anhang A.4 ausgeführt, lässt sich jede Differentialgleichung n-ter Ordnung als System von n Gleichungen erster Ordnung umschreiben. Deren Lösungen – im Fall konstanter Koeffizienten – ergeben sich dann mit Hilfe der Wurzeln des zugehörigen charakteristischen Polynoms. Für verschiedene Dämpfungsfälle sind die Lösungen des obigen Schwingungsproblems in Beispiel A.17 des Anhangs A angegeben bzw. ausgeführt.

1.2

Randwertprobleme

Beispiel 1.4 Temperaturverteilung in einem Stab.

0

L x Abbildung 1.5. Stab (1-dim. Modell)

Bezeichnet man mit  Dichte, c

spezifische Wärmekapazität,



Wärmeleitfähigkeit,

F Quellterm (Wärmequelle), dann erfüllt die Temperaturverteilung u D u.x; t /, x D Ortsvariable, t D Zeitvaria-

5

Abschnitt 1.2 Randwertprobleme

ble, in einem Stab oder Draht folgende Differentialgleichung:   @ @u @u D  CF ; 0  x  L; t > 0: c @t @x @x Die Größen ; c;  können im Allgemeinen von x; t und auch von der Temperatur selbst abhängen. Im einfachsten Fall konstanter Koeffizienten erhält die (zeitabhängige) Wärmeleitungsgleichung die Form @2 u @u D ˛2 2 C f ; @t @x

0  x  L; t > 0;

(1.3)

mit ˛ 2 D =c (=Temperaturleitfähigkeit), f D F=c. Die vorliegende Gleichung ist eine partielle Differentialgleichung; zur Angabe einer Lösung werden noch eine Anfangstemperatur bei t D 0 und Randbedingungen bei x D 0 und x D L benötigt. Für den durch (1.3) beschriebenen einfachen Fall lässt sich die Lösung explizit angeben (vergleiche zum Beispiel [9, Abschnitt 5.6] und [62]). Im stationären Fall, das heißt, wenn sich die Temperatur zeitlich nicht mehr ändert, führt (1.3) auf die folgende gewöhnliche Differentialgleichung (mit  D 1=˛ 2 ), y 00 .x/ D f .x/ ;

0  x  L:

Randbedingungen können zum Beispiel in folgender Form vorliegen: – Temperatur bei x D 0 und x D L gegeben, y.0/ D y0 ; y.L/ D yL ; – Temperatur bei x D 0 gegeben, Isolierung bei x D L, y.0/ D y0 ;

y 0 .L/ D 0 I

– Temperatur bei x D 0 gegeben, Wärmeübergang bei x D L, y 0 .L/ D L .y.L/  y1 / :

y.0/ D y0 ;

Der Quellterm f kann entweder konstant sein, linear von y abhängen .f D f0 Cˇy/, auch einem „Exponentialgesetz“ f D f0 C exp.y/ genügen und vieles mehr. Beispiel 1.5 Balkenbiegung.

2 q a

b K Abbildung 1.6. Balkenbiegung

6

Kapitel 1 Einleitung: Beispiele und Anwendungen

Die Auslenkung/Verbiegung  D ./ eines Balkens der Länge 2`.D b  a/, verursacht durch eine Kraft- bzw. Gewichtsverteilung q, wird durch folgende Differentialgleichung beschrieben,   d 2 d2 S./ 2 C K D q./ ; a    b: (1.4) d 2 d Hierbei beschreibt S die Steifigkeit des Balkens, und K ist eine Elastizitätskonstante des umgebenden Materials. Diese gewöhnliche Differentialgleichung vierter Ordnung erfordert insgesamt vier Randbedingungen bei  D a und  D b, die zum Beispiel wie folgt vorliegen können: – Position der Balkenauflage bei  D a oder  D b bekannt, .a/ D a oder .b/ D b ; – Balken bei  D a oder  D b fest eingespannt, 0 .a/ D 0 oder 0 .b/ D 0 ; – Biegemoment d 2 =d  2 verschwindet bei  D a oder  D b, 00 .a/ D 0 oder 00 .b/ D 0 ; – Scherkräfte d 3 =d  3 sind bei  D a oder  D b null, 000 .a/ D 0 oder 000 .b/ D 0. Schreibt man die Gleichung (1.4) in dimensionslose Form um durch xD



aCb 2

`

;

yD

S0 ; q0 `4

kD

`4 K; S0

und wählt speziell eine „parabolische Verteilung“ für S und q, S D S0 .2  x 2 / ;

q D q0 .2  x 2 / ;

dann erhalten wir die folgende spezielle Form von (1.4), zum Beispiel für k D 40 , ..2  x 2 /y 00 /00 C 40y D 2  x 2 ;

1  x  1 :

(1.5)

Mögliche Randbedingungen sind y 00 .˙1/ D y 000 .˙1/ D 0 : Setzt man v D .2  x 2 /y 00 , so kann man (1.5) als System von zwei gewöhnlichen Differentialgleichungen zweiter Ordnung umschreiben. Ist das Biegemoment m D y 00 – und damit auch v – bekannt, so lässt sich die Verbiegung y aus der linearen gewöhnlichen Differentialgleichung zweiter Ordnung bestimmen, y 00 .x/ D .2  x 2 /1 m.x/ ;

1  x  1 I

(1.6)

benötigt werden jeweils noch eine Randbedingung bei x D 1 und x D 1, zum Beispiel y.1/ D ˛ ; y 0 .1/ D 0.

7

Abschnitt 1.2 Randwertprobleme

Bei anderen Problemstellungen, das heißt, der Modellierung durch andere Funktionen für q und S, erhält man zum Beispiel die folgende nichtlineare gewöhnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung,  2=3 m.x/ ; y 00 .x/ D 1 C y 0 .x/2

1  x  1 :

(1.7)

Randbedingungen für (1.6) oder (1.7) sind in verschiedener Form möglich: – Enden frei aufliegend, y.1/ D y.1/ D 0,

q

Abbildung 1.7. Balken mit freien Enden

– Balken links eingespannt, rechts frei aufliegend, y 0 .1/ D y.1/ D 0,

q

Abbildung 1.8. Balken links eingespannt, rechts frei

– Balken links und rechts eingespannt, y 0 .1/ D y 0 .1/ D 0,

q

Abbildung 1.9. Balken mit eingespannten Enden

Bemerkung. Beim letzten Beispiel ist die Lösung nur eindeutig bis auf eine Konstante, das heißt y.x/ D c C w.x/.

Teil I

Ein- und Mehrschrittverfahren zur numerischen Lösung von Anfangswertaufgaben

Bei der Lösung von Anfangswertaufgaben gewöhnlicher Differentialgleichungen prüft man zunächst mit Hilfe geeigneter Literatur (vergleiche zum Beispiel [2], [22], [30], [35], [50], [10], [8], [61], [60]), ob die gegebene Differentialgleichung in hinreichend einfacher Form geschlossen lösbar ist. Im Allgemeinen wird dies jedoch nicht der Fall sein, so dass man in der Praxis auf numerische Methoden zur Bestimmung von Näherungslösungen für Anfangswertaufgaben angewiesen ist. In Kapitel 2 beschäftigen wir uns mit einer Klasse von Näherungsverfahren, die unter dem Namen Einschrittverfahren zusammen gefasst werden. In Kapitel 3 werden dann die sogenannten Mehrschrittverfahren zur numerischen Integration gewöhnlicher Differentialgleichungen behandelt. Sie unterscheiden sich von den Einschrittverfahren wesentlich dadurch, dass bei ihnen zur Berechnung eines Näherungswertes für die gesuchte Lösung nicht nur die Kenntnis der bereits berechneten Näherung im vorangehenden Punkt, sondern in mehreren vorangehenden Punkten benötigt wird. Grundlage für die Herleitung von Näherungsverfahren zur Lösung von Differentialgleichungen ist die folgende, durchaus nicht selbstverständliche Tatsache. Bei Approximation der Differentialgleichung und der Anfangswerte unter geeigneten, sehr allgemeinen Voraussetzungen liefern die Lösungen der zugehörigen angenäherten Gleichungen Approximationen für die gesuchte Lösung der Differentialgleichung. Der Begriff „Konsistenz“ präzisiert, was unter einer Approximation der Anfangswertaufgabe zu verstehen ist. Für Lipschitz-stetige Ein- und Mehrschrittverfahren, die mit der Anfangswertaufgabe konsistent sind, kann man die Konvergenz der Näherungslösungen gegen die gesuchte Lösung beweisen. Die Lipschitz-Stetigkeit gewährleistet ferner die Stabilität des Näherungsverfahrens, also die stetige Abhängigkeit von den Anfangswerten sowie der rechten Seite, gleichmäßig in der Schrittweite h. Bei den Einschrittverfahren untersuchen wir noch Strategien zur adaptiven (und automatischen) Wahl der Schrittweiten basierend auf Abschätzungen der Abschneidefehler, die Verwendung von expliziten und impliziten Verfahren für steife Differentialgleichungssysteme sowie sogenannte „unstetige Galerkin-Verfahren“. Bei steifen Differentialgleichungen zeigt sich, dass explizite Verfahren ungeeignet sind. Unstetige Galerkin-Verfahren sind auch für steife Systeme gut geeignet und erlauben die Konstruktion von Verfahren beliebig hoher Ordnung, wobei außerdem mathematisch begründete Schrittweitenkontrollen zur Verfügung stehen. Bei den Mehrschrittverfahren werden die zentralen Begriffe wie Konsistenz, Stabilität und Konvergenz wie bei Einschrittverfahren definiert und analysiert. Wichtig ist, dass die Stabilität mit Hilfe von Methoden aus der Funktionentheorie mit einer algebraischen Eigenschaft, nämlich der „Wurzelbedingung“, charakterisiert werden kann.

Kapitel 2

Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme

Einschrittverfahren benutzen definitionsgemäß nur den zuletzt berechneten Näherungswert, um im nächsten Zeitschritt die nächste Näherung zu berechnen. Die Klasse der Einschrittverfahren umfasst unter anderem die einfachen und verbesserten Verfahren von Euler und Cauchy, die Methode der Taylor-Entwicklung, die expliziten und impliziten Runge–Kutta-Formeln sowie die unstetigen Galerkin-Verfahren. Letztere können im Fall stückweise konstanter bzw. stückweise stetiger Ansatzfunktionen auch als Differenzenapproximationen geschrieben werden. Die zentralen Begriffe zur Untersuchung von Einschrittverfahren sind Konsistenz, Stabilität und Konvergenz, wobei für Stabilität und Konvergenz insbesondere Stabilitäts- bzw. Fehlerabschätzungen von Interesse sind. In den Abschnitten 2.1 bis 2.5 werden die genannten verschiedenen Verfahren bis zu den impliziten Runge–Kutta-Verfahren konstruiert sowie deren Konsistenz untersucht. Die folgenden zwei Abschnitte untersuchen Stabilität und Konvergenz einschließlich zugehöriger Abschätzungen. Damit lässt sich auch der Einfluss von Rundungsfehlern auf die Bestimmung von Näherungslösungen abschätzen. Die Darstellung bis Abschnitt 2.7 lehnt sich eng an Stummel–Hainer [54] an und wird erweitert durch Ergebnisse aus Grigorieff [25]. Abschnitt 2.8 bringt zwei Möglichkeiten, durch Schätzungen des Abschneidefehlers die Schrittweiten zu kontrollieren. In Abschnitt 2.9 werden explizite und implizite Einschrittverfahren zur Lösung von steifen Differentialgleichungen untersucht. Steife Differentialgleichungen werden zu Beginn von 2.9 definiert und ihre wesentlichen Eigenschaften analysiert. Es zeigt sich, dass explizite Verfahren für steife Anfangswertprobleme ungeeignet sind. Unstetige Galerkin-Verfahren (siehe Abschnitt 2.10) sind für steife Differentialgleichungen gut geeignet und erlauben eine effiziente Schrittweitenkontrolle. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels werden diese Verfahren vorgestellt sowie Beispiele und Fehlerabschätzungen angegeben.

2.1

Definition des Verfahrens

Bezeichnung (Anfangswertproblem). .A/ Gegeben sei ein beschränktes abgeschlossenes Intervall I D Œ0; T  der reellen Zahlengeraden R, eine Funktion f zweier Veränderlicher .t; y/ 2 I  Kn und eine Zahl ˛ 2 Kn .K D R oder K D C/. Gesucht ist eine stetig differenzierbare Lösung u der gewöhnlichen Differentialgleichung u0 .t / D f .t; u.t // ;

t 2 Œ0; T  ;

12

Kapitel 2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme

mit der Anfangsbedingung u.0/ D ˛ : Anschließend machen wir stets die Voraussetzung, dass das Anfangswertproblem .A/ eine eindeutig bestimmte Lösung u besitzt. In der Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen werden dafür geeignete Voraussetzungen angegeben.1 Beispiel 2.1 Exponentielles Wachstum. Betrachte das Anfangswertproblem u0 .t / D u.t / ; Dessen Lösung ist

t 0  t  t0 C T I

u.t0 / D ˛ :

  u.t / D ˛ exp .t  t0 / ;

wobei hier f .t; y/ D y. Beispiel 2.2 Schwingungen (vergleiche Beispiel A.17 im Anhang A). u00 C 2au0 C bu D F ; t > 0 ;

u.0/ D ˛ ;

u0 .0/ D ˇ :

Beispiel 2.3 Van der Poolsche Differentialgleichung, auch „Kippschwingung“ oder „Sägezahnschwingung“. Das Anfangswertproblem u00  .1  u2 /u0 C u D 0 ; u.0/ D 0 ;

t > 0;

0

u .0/ D 1 ;

lässt sich als System von zwei Gleichungen erster Ordnung schreiben .u1 D u ; u2 D u0 /: u01 D f1 .t; u1 .t /; u2 .t // ;

u1 .0/ D 0 ;

u02

u2 .0/ D 1 ;

D f2 .t; u1 .t /; u2 .t // ;

mit f1 .t; y1 ; y2 / D y2 ;

f2 .t; y1 ; y2 / D y1 C .1  y12 /y2 ;

oder äquivalent (mit " WD 1 ) u01 D u2 ;

u1 .0/ D 0;

"u02 D .1  u21 /u2  "u1 ; u2 .0/ D 1 : 1 O. B. d. A.

betrachten wir meist ein Zeitintervall Œ0; T , was ohne Schwierigkeiten auf ein Intervall der Form Œt0 ; t0 C T  verallgemeinert werden kann.

13

Abschnitt 2.1 Definition des Verfahrens

3 2 1

u1 0 −1 ε=0.1 ε=0.01

−2 −3

t 0

20

40

60

80

100

120

Abbildung 2.1. Kippschwingung, " D 0:1 und 0:01

Für eine Folge von Schrittweiten h > 0 wird im Intervall I D Œ0; T  ein zugehöriges Punktgitter erklärt durch die Vorschrift Ih D Œ0; T h D ft 2 Œ0; T  j t D j h ;

j D 0; : : : ; Nh g

mit der eindeutig bestimmten ganzen Zahl Nh aus dem Intervall T T  1 < Nh  ; h h

0 0 heißt Konsistenzordnung des Einschrittverfahrens .Ah /, wenn es eine positive Zahl K > 0 gibt mit der Eigenschaft k˛h  ˛k C max0 k h .t /k  Khp t2Ih

.h ! 0/ :

(2.11)

2.2.2 Konsistenz spezieller Verfahren Für die Herleitung von Einschrittverfahren .Ah / mit einer Konsistenzordnung p  1 benötigt man im Allgemeinen, dass die Lösung u der Anfangswertaufgabe .A/ stetige Ableitungen höherer Ordnung auf I D Œ0; T  besitzt. Hinreichend dafür ist, dass die rechte Seite f der Differentialgleichung stetig ist und stetige partielle Ableitungen

19

Abschnitt 2.2 Konsistenz

nach beiden Argumenten t; y in einer geeigneten Umgebung G  I  K der Lösung u von .A/ besitzt. Wir beschränken die Darstellung in diesem Abschnitt auf den Fall skalarer Anfangswertprobleme, das heißt n D 1. Für das Folgende definieren wir diese Menge G als „Streifen“, um die Lösung u der Gestalt G D I  K oder ˇ o n ˇ (2.12) G D .t; y/ 2 I  K ˇ jy  u.t /j  ; 0  t  T mit einer beliebigen, passend gewählten positiven Zahl . Ist zum Beispiel f m-mal stetig differenzierbar nach beiden Argumenten, also f 2 C m .G/, so folgt aus der Darstellung von u bzw. u0 durch die Differentialgleichung u0 .t / D f .t; u.t // ;

t 2 I D Œ0; T  ;

dass u0 dann m-mal stetig differenzierbar wird oder u 2 C mC1 .I / ist. Für die höheren Ableitungen von u erhält man dabei aus der Differentialgleichung die Darstellung   @f @f d 00 .t; u.t // ; t 2 I ; u .t / D f .t; u.t // D Cf dt @t @y und mit der Abkürzung



.Df /.t; y/ D

@f @f Cf @t @y

 .t; y/ ;

.t; y/ 2 G ;

t 2I;

k D 1; : : : ; m :

gilt allgemeiner d kC1 u .t / D .D k f /.t; u.t // ; dt kC1

(2.13)

Für m  2 lautet die Darstellung für u000 zum Beispiel   u000 .t / D .D 2 f /.t; u.t // D f t t C f t fy C 2ff ty C f .fy /2 C f 2 fyy .t; u.t // : Beispiel 2.10 Polygonzugverfahren. Das Polygonzugverfahren besitzt die Konsistenzordnung p D 1, falls f 2 C 1 .G/. Beweis. Wegen fh D f und der Integraldarstellung des Restglieds der Taylor-Formel ist Z 1  1 h .t / D u.t C h/  u.t /  u0 .t / D h u00 .t C sh/.1  s/ ds ; t 2 Ih0 : h 0 Falls u 2 C 2 .I / , so folgt ˇ 1 ˇ ˇ ˇ max0 ˇ h .t /ˇ  h max ˇu00 .t /ˇ 2 t2I t2Ih und damit die behauptete Konsistenzordnung von p D 1.

20

Kapitel 2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme

Beispiel 2.11 Verbessertes Polygonzugverfahren. Die Konsistenzordnung ist p D 2, falls f 2 C 2 .G/. Beweis. Hier ist fh .t; y/ D f .t C h2 ; y C h2 f .t; y//. Die Taylor-Formel liefert für u 2 C 2 .I /, dass     Z h h 0 h2 1 00 h D u.t / C u .t / C u t C s .1  s/ ds; u tC 2 2 4 0 2 h 0 u .t / die Abschätzung 2   2 ˇ ˇ ˇ ˇ ˇu t C h  y1 ˇ  h max ˇu00 .s/ˇ; 2 8 s2I

woraus mit y1 WD u.t / C

0t T h

folgt. Mit dem Restglied bei der Quadratur mit der Tangententrapezformel erhält man für u 2 C 3 .I / h .t / D wobei

1 h

Z

tCh t

    1 h u0 .s/ ds  fh t; u.t / D u0 .t C / C E.u0 /  fh t; u.t / ; 2 h ˇ ˇ ˇ ˇ ˇE.u0 /ˇ  1 h3 max ˇu000 .s/ˇ : 24 tstCh

Mit der obigen Darstellung für fh lässt sich abschätzen ˇ ˇ   ˇˇ ˇˇ  h h h h  h h ˇ ˇ 0 ˇu t C /  f t C ; u.t / C u0 .t / ˇ D ˇf t C ; u.t C /  f .t C ; y1 /ˇ 2 2 2 2 2 2 ˇˇ ˇ @f ˇ h  sup ˇ .t; y/ˇˇu.t C /  y1 ˇ 2 G @y ˇ ˇ L  h2 max ˇu00 .s/ˇ 8 mit L D sup j@f =@yj, da f 2 C 2 .G/. Damit folgt die Behauptung aus G

ˇ 1 ˇ L ˇ ˇ ˇ ˇ max ˇu00 .t /ˇ C max ˇu000 .t /ˇ h2 : max ˇ h .t /ˇ  24 t2I 8 t2I t2Ih Beispiel 2.12 Verbessertes Verfahren von Euler–Cauchy. Im Falle, dass f 2 C 2 .G/, ist die Konsistenzordnung p D 2. Beweis. Die Taylor-Formel u.t C h/ D u.t / C hu0 .t / C h2

Z 0

1

u00 .t C hs/.1  s/ ds

21

Abschnitt 2.2 Konsistenz

liefert für y1 WD u.t / C hu0 .t / die Abschätzung 2 ˇ ˇ ˇ ˇu.t C h/  y1 ˇ  h max ˇu00 .t /j : 2 t2I

Mit der Verfahrensfunktion fh .t; y/ D

 1 f .t; y/ C f .t C h; y C f .t; y/ 2

folgt für das Restglied Z   1 tCh 0 u .s/ ds  fh t; u.t / h t  1 1 D u0 .t / C u0 .t C h/ C E.u0 / 2 h     1   f t; u.t / C f t C h; u.t / C hf t; u.t / 2   1 1 0 D u .t C h/  f t C h; u.t / C hu0 .t / C E.u0 / 2 h

h .t / D

mit dem Quadraturfehler der Sehnentrapezformel jE.u0 /j 

1 3 h max ju000 .s/j : 12 tstCh

Mit Hilfe der obigen Abschätzung aufgrund der Taylor-Formel und einer Schranke L für j@f =@yj folgt ˇ 0  ˇ ˇu .t C h/  f t C h; u.t / C hu0 .t / ˇ ˇ    ˇ D ˇf t C h; u.t C h/  f t C h; u.t / C hu0 .t / ˇ ˇˇ ˇ @f ˇ ˇˇ ˇ ˇ  sup ˇ .t; y/ˇˇu.t C h/  y1 ˇ @y .t;y/2G 

ˇ ˇ L 2 h max ˇu00 .t /ˇ; 2 t2I

woraus insgesamt die behauptete Konsistenzordnung von p D 2 folgt. Beispiel 2.13 Weitere „optimale“ Verfahren der Ordnung p  2. Gesucht sind Zahlen 1 ; 2 ; ; 2 R; ; > 0, so dass Einschrittverfahren der Form    uh .t C h/ D uh .t / C h 1 f t; uh .t /    ; C 2 f t C h; uh .t / C hf t; uh .t / uh .0/ D ˛h

22

Kapitel 2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme

einen möglichst „optimalen“ Abschneidefehler besitzen – und mindestens Konsistenzordnung p D 2 haben. Für die Lösung u von .A/ setzen wir y1 WD u.t / C hf .t; u.t // D u.t / C hu0 .t /. Mit tQ D t C h ist nach Taylor 1 u.tQ/ D u.t / C hu0 .t / C 2 h2 u00 .t / C O.h3 / 2

2 D u.t / C hu0 .t / C.  /hu0 .t / C h2 u00 .t / C O.h3 / „ ƒ‚ … 2 DWy1

und damit f .tQ; y1 /  u0 .tQ/ D f .tQ; y1 /  f .tQ; u.tQ// D

@f .tQ; y/ Q .y1  u.tQ// @y „ ƒ‚ … DWfQy

2 D .  /hu0 .t /fQy  h2 u00 .t /fQy C O.h3 / : 2 Ferner gilt 1 u0 .tQ/ D u0 .t / C hu00 .t / C 2 h2 u000 .t / C O.h3 / ; 2 1 1 u.t C h/ D u.t / C hu0 .t / C h2 u00 .t / C h3 u000 .t / C O.h4 / : 2 6 Setzt man zunächst die gewonnenen Darstellungen von u.t C h/ und f .tQ; y1 / und dann im zweiten Schritt jene von u0 .tQ/ ein, so erhält man für den Abschneidefehler   1 h .t / D .u.t C h/  u.t //  1 u0 .t / C 2 f .tQ; y1 / h 1 1 D u0 .t / C hu00 .t / C h2 u000 .t / C O.h3 /  1 u0 .t / 2 6  

2  2 u0 .tQ/  .  /hu0 .t /fQy  h2 u00 .t /fQy C O.h3 / 2 1 D .1  1  2 /u0 .t / C 2 .  /hfQy u0 .t / C h.1  22 /u00 .t / 2  1 2 C h .1  32 2 /u000 .t /  32 2 fQy u00 .t / C O.h3 /; 6 also 8 8 ˆ 1 D 1 C 2 ˆ ˆ ˆ < 0 im Sinne von (2.11) besitzt, dann gilt darüber hinaus die a prioriFehlerabschätzung kuh .t /  u.t /k  Khp .1 C t /e Lt ;

t 2 Ih ; 0 < h  h0 :

(2.33)

Beweis. (i) Es gelte Konvergenz. Dann folgt ˛  ˛h D u.0/  uh .0/  max u.t /  uh .t / ! 0 t2Ih

.h ! 0/ :

Für u 2 C 1 .I / erhält man für den Abschneidefehler   h .t / D Dh u.t /  fh t; u.t /

    D Dh u.t /  Dh uh .t / C fh t; uh .t /  fh t; u.t / ;

. / wobei

Dh u.t /  u0 .t / D

1 h

Z

u0 .t C s/  u0 .t / ds

h 0

und max0 Dh u.t /  u0 .t /  t2Ih

max

0tT h

u.t C s/  u0 .t / ! 0 .h ! 0/ :

0sh

Aus .L/ folgt h .t /  L max uh .t /  u.t / C max Dh uh .t /  u0 .t / t2Ih

t2Ih0

C max0 u0 .t /  Dh u.t / ! 0 t2Ih

.h ! 0/ :

41

Abschnitt 2.6 Konvergenz

(ii) Beweis der Fehlerabschätzung (2.32) durch vollständige Induktion: Die Abschätzung (2.32) ist richtig für t D 0. Angenommen, sie ist richtig bis t 2 Ih0 . Für t 0 D t C h und eh .t 0 / WD uh .t 0 /  u.t 0 / gilt         1 1 eh .t 0 /  eh .t / D fh t; uh .t /  fh t; u.t / C fh t; u.t /  u.t 0 /  u.t / : h h Es folgt     eh .t 0 /  eh .t / C h fh t; uh .t /  fh t; u.t / C h h .t /  .1 C Lh/keh .t /k C hk h .t /k :

.L/

Wegen 1 C Lh  exp.Lh/; 1  exp.Lt 0 / und aufgrund der Annahme ist e Lh

‚ …„ ƒ   eh .t 0 /  .1 C Lh/ k˛h  ˛k C t max h .s/ exp.Lt / C h h .t / s2Ih0

     k˛h  ˛k C t max0 h .s/ exp L.„ƒ‚… t C h / C h exp.Lt 0 / h .t / „ ƒ‚ … s2Ih t0



1

  k˛h  ˛k C t 0 max0 h .s/ exp.Lt 0 / : s2Ih

  (iii) Es gelte Konsistenz. Wir setzen C WD exp LT max.1; T /, dann folgt aus (ii), dass   max uh .t /  u.t /  C ˛h  ˛ C max0 h .t / ! 0 .h ! 0/ : t2Ih

t2Ih

Aus . / schließen wir mit (i), dass     max0 Dh u.t /  Dh uh .t /  max0 fh t; uh .t /  fh t; u.t / C max0 h .t / t2Ih

t2Ih

t2Ih

 L max uh .t /  u.t / C max0 h .t / ! 0

.L/

t2Ih

t2Ih

für h ! 0. Folglich stimmen die Konvergenzordnung und die Konsistenzordnung (wegen der bewiesenen Fehlerabschätzung) überein. In Teil (ii) des letzten Beweises sieht man, dass man sogar eine bessere Abschätzung als (2.32) erhält:   X h .s/ e Lt : uh .t /  u.t /  k˛h  ˛k C h (2.34) s2Ih0 st

42

Kapitel 2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme

Bemerkung Konvergenz spezieller Verfahren. Die rechte Seite f in der Differentialgleichung der Anfangswertaufgabe sei aus C.G/ und genüge einer Lipschitz-Bedingung der Gestalt kf .t; y/  f .t; y 0 /k  L0 ky  y 0 k ;

.t; y/; .t; y 0 / 2 G :

Dann wird das Polygonzugverfahren .p D 1/, das verbesserte Polygonzugverfahren .p D 2/, das verbesserte Euler–Cauchy-Verfahren .p D 2/, das klassische Verfahren von Runge–Kutta .p D 4/ und die Methode der Taylor-Entwicklung .p D m/ Lipschitz-stetig in einer Umgebung der Lösung u von .A/. Damit konvergieren diese Einschrittverfahren .Ah / für ˛h ! ˛ .h ! 0/ gegen die Anfangswertaufgabe .A/ mit der a priori-Fehlerabschätzung (2.32). Mit der Konsistenzordnung p des Verfahrens .Ah /, für eine rechte Seite f 2 C p .G/ und für Anfangswerte k˛h  ˛k D O.hp / konvergieren diese Verfahren mit der Fehlerabschätzung (2.33). Bemerkung Extrapolationsmethoden. Wir nehmen an, dass ein Verfahren .Ah / der Ordnung p > 0 gegeben ist und dass sich die Lösungen uh von .Ah / mit einer von h unabhängigen Funktion  W I ! R in der Form uh .t / D u.t / C hp .t / C O.hpC1 / ;

t 2 Ih ;

darstellen lassen. Eine derartige asymptotische Formel lässt sich in vielen Fällen beweisen. Sind dann für ein t 2 I zwei Näherungen mit den Schrittweiten h und qh ; 0 < q < 1, berechnet worden, so gilt auch uqh .t / D u.t / C .qh/p .t / C O.hpC1 / : Damit erhält man aus diesen Gleichungen u.t / D

uqh .t /  q p uh .t / C O.hpC1 / ; 1  qp

womit die Konvergenzordnung auf p C 1 erhöht worden ist. Eine ausführliche Darstellung von Extrapolationsmethoden findet sich zum Beispiel in [16, Abschnitt 4.3].

2.7

Stabilität

Bei der numerischen Berechnung von Näherungslösungen treten unvermeidlich Rundungsfehler auf. Damit stellt sich die Frage, welchen Einfluss diese Fehler in der Anfangsbedingung und in der Auswertung der rechten Seite der Näherungsgleichungen auf die Näherungslösungen haben. Insbesondere ist man in der Praxis auf Verfahren angewiesen, die für hinreichend kleine Fehler in der Anfangsbedingung und in der sukzessiven Berechnung der Näherungslösung an Gitterpunkten auch nur kleine Abweichungen der berechneten Näherungslösungen von der gesuchten exakten Lösung

43

Abschnitt 2.7 Stabilität

des Näherungsverfahrens haben können, und zwar gleichmäßig in der Schrittweite h. Dieser Sachverhalt wird anschließend mit dem Begriff der Stabilität des Näherungsverfahrens präzisiert, der die stetige Abhängigkeit der Näherungslösungen eines Einschrittverfahrens .Ah / von den Anfangsbedingungen und der rechten Seite der Näherungsgleichungen garantiert, gleichmäßig in der Schrittweite h. Definition 2.30. Das Einschrittverfahren .Ah / heißt stabil, wenn eine Zahl h0 > 0 und zu jedem " > 0 eine positive Zahl ı existiert, so dass für jedes gestörte Einschrittverfahren der Gestalt 1 .vh .t Ch/vh .t // D fh .t; vh .t //CSh .t / ; h

t 2 Ih0 ;

vh .0/ D ˛h C h (2.35)

die zugehörigen Lösungen vh der Bedingung k h k C max0 kSh .t /k < ı t2Ih

H) max kvh .t /  uh .t /k C max0 kDh vh .t /  Dh uh .t /k < " t2Ih

t2Ih

gleichmäßig für jedes h in 0 < h  h0 genügen. Hierfür beweisen wir nun den folgenden, allgemeinen Stabilitätssatz für explizite Einschrittverfahren .Ah /, der insbesondere die Stabilität der Euler–Cauchy-Verfahren, des Runge–Kutta-Verfahrens und der Methode der Taylor-Entwicklung sichert. Satz 2.31. Das Einschrittverfahren .Ah / sei konsistent mit der Anfangswertaufgabe .A/ und Lipschitz-stetig in einer Umgebung der Lösung u von .A/. Dann ist das Einschrittverfahren .Ah / stabil. Darüber hinaus gibt es positive Zahlen h0 ; ı0 , so dass für jedes h mit 0 < h  h0 und jede Störung h ; Sh mit k h k C max0 kSh .t /k  ı0 t2Ih

die folgenden Abschätzungen gelten:   kvh .t /  uh .t /k  k h k C t max0 kSh .s/k e Lt ; s2Ih

kDh vh .t /  Dh uh .t /k  Lkvh .t /  uh .t /k C kSh .t /k ;

t 2 Ih ; t 2 Ih0 :

Beweis. Mit G1 bezeichnen wir wieder die 1 -Umgebung der Lösung u von .A/ in der Lipschitz-Bedingung .L/ für fh . Auf Grund des allgemeinen Konvergenzsatzes 2.29 ist das Einschrittverfahren .A h / konvergent gegen .A/, so dass  eine positive Zahl h0 existiert mit uh .t /  u.t /  1 =2 und damit t; uh .t / 2 G1 für t 2 Ih , 0 < h  h0 . Weiter setzen wir ı0 D

1 ; 2C

C D .1 C T /e LT :

44

Kapitel 2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme

Aus den Gleichungen (2.20) und (2.32) erhält man für die Differenz dh .t / WD vh .t /  uh .t / das Gleichungssystem      1 dh .t C h/  dh .t / D fh t; vh .t /  fh t; uh .t / C Sh .t /; h dh .0/ D h :

t 2 Ih0 ;

Mit einem Induktionsbeweis wie in Beweisteil (ii) von Satz 2.29 folgt hieraus die Ungleichung   vh .t /  uh .t / D dh .t /  k h k C t max Sh .s/ e Lt 0 s2Ih

für t 2 Ih0 , 0 0 beliebig und ı; h0 aus der Stabilitätsbedingung. Zusammen mit der Konsistenz erhält man die Existenz eines h1 mit 0 < h1  h0 und k h k C max kSh .t /k D k˛  ˛h k C max0 k h .t /k  ı t2Ih

t2Ih

Weiter existiert ein h2 > 0, so dass max0 Dh u.t /  u0 .t / < " t2Ih

für alle 0 < h  h1 :

für alle 0 < h  h2 :

Mit Hilfe der Stabilität folgt dann max uh .t /  u.t / C max0 .Dh uh  u0 /.t / t2Ih

t2Ih

 max kuh  uk C max kDh uh  Dh uk C max kDh u  u0 k < 2" ƒ‚ … „ tol die neue Schrittweite aus der vorherigen durch s  tol hj C1 D pC1 hj : (2.38) hj Œ"j 

48

Kapitel 2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme

Da der Nenner sehr klein werden kann, erfüllt man noch das Kriterium hj C1  hmax . Die Wahl der nächsten Schrittweite hj C1 geschieht hier a posteriori, das heißt, man entscheidet aufgrund der zuletzt gewählten Schrittweite, ob diese beibehalten oder gemäß (2.38) geändert wird. In diesem Fall ist es schwierig vorherzusagen, wieviele Schritte man bis zum Erreichen des Endzeitpunkts tN D T durchführen muss. Eine alternative Schrittweitenkontrolle basiert auf der a priori-Fehlerabschätzung (2.32) bzw. (2.34), max kuh .t /  u.t /k  C t2Ih

N X j D1

hj k hj .tj /k  C T max0 k h .t /k ; t2Ih

(2.39)

wobei fehlerfreie Startwerte und rundungsfehlerfreie Berechnungen angenommen werden. Für die Konstante ergibt sich C D exp.LT /. Man nimmt dann noch wie in der obigen ersten Alternative an, dass (2.37) gilt und dass die Abschneidefehler hinreichend genau geschätzt bzw. berechnet werden können, Œ"j   k hj .tj /k , tj 2 Ih0 . p Dann ist Œ"j   hj c.tj / und man kann die Schrittweiten hj wie folgt wählen: p C hj c.tj /

tol ; d. h. hj   C Œ"j   T



tol C T c.tj /

1=p :

(2.40)

Man erhält somit über (2.39) für den Gesamtfehler die Abschätzung max kuhj .tj /  u.tj /k . C

1j N

N X

hj Œ"j  

j D1

tol X hj D tol : T j

Hier kann man noch zusätzlich eine (a priori-) Schätzung für die Anzahl der zu erwartenden Zeitschritte erhalten: X  C T c.tj / 1=p X CT X hj hj1  hj  Œ"j 1=p : N D tol tol j

2.9

j

j

Steife Differentialgleichungen

Steife Systeme von Anfangswertproblemen benötigen geeignete Verfahren zu deren numerischer Integration. Es zeigt sich, dass derartige Systeme nur sinnvoll mit impliziten Verfahren gelöst werden. Vorbereitend werden die Begriffe der Stabilität, asymptotischen Stabilität und exponentiellen Stabilität von Differentialgleichungen bzw. von deren Lösungen eingeführt. Der Begriff der Steifheit ist nicht einheitlich festgelegt. Bei Systemen mit konstanten Koeffizienten können die Stabilität und Steifheit anhand der Eigenwerte der zugehörigen Matrix deduziert werden. In der Darstellung dieses Abschnitts richten wir uns im Wesentlichen nach [53, Abschnitte 5.1 und 5.2].

49

Abschnitt 2.9 Steife Differentialgleichungen

2.9.1 Stabilität von Differentialgleichungen Ähnlich wie bei numerischen Verfahren kann man den Begriff der Stabilität bei Differentialgleichungen durch das Verhalten von Lösungen gestörter Systeme beschreiben, wobei hier – im Gegensatz zu den numerischen Methoden – nur Störungen des Anfangszustands betrachtet werden. Beispiel 2.35. Das System u01 .t / D 2u1 .t /  u2 .t /; u02 .t / D 11u1 .t / C 10u2 .t / ;

0  t  10 ;

mit Anfangsbedingungen u1 .0/ D u2 .0/ D 1 hat die Lösung u1 .t / D e t ;

u2 .t / D e t :

Die Lösung .u1 ; u2 /> wird also sehr schnell klein. Berücksichtigt man Störungen in der Anfangsbedingung für u1 , das heißt u1 .0/ D 1 C  ;

u2 .0/ D 1 ;

dann erhält man als Lösung u.t / D .1 C

11  /.1; 1/> e t  .1; 11/> e 9t ; 10 10

wie man durch Differenzieren sofort verifiziert. Die Lösungen des ungestörten und gestörten Systems erhält man natürlich auch mit den Methoden aus Abschnitt A.3. Hier sind 1 D 1; 2 D 9 die Eigenwerte und c1 D .1; 1/> ; c2 D .1; 11/ die zugehörigen Eigenvektoren; letztere sind offenbar linear unabhängig. Für eine große Zeit, zum Beispiel t D 10, gilt für die Lösung des gestörten Systems u1 .10/  

 90 e ; 10

u2 .10/ 

11 90 e : 10

Selbst für kleine jj ist letztere also weit entfernt von der Lösung des ungestörten Systems. Zur Formulierung eines Stabilitätsbegriffes betrachten wir neben   u0 .t / D f t; u.t / ; t0  t < 1 ; u.t0 / D u0 ; ein „gestörtes“ – auch „benachbartes“ – System   v 0 .t / D f t; v.t / ; t0  t < 1 ;

(2.41)

v.t0 / D u0 C ı0 :

Die Differenz e.t I ı0 / WD v.t /  u.t / erfüllt dann das folgende Anfangswertproblem   e 0 .t I ı0 / D g t; e.t / ; e.t0 I ı0 / D ı0 ;     wobei g.t; w/ WD f t; u.t / C w  f t; u.t / .

50

Kapitel 2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme

Definition 2.36. Das Anfangswertproblem (2.41) bzw. die Lösung von (2.41) heißt stabil (oder Ljapunov-stabil), wenn zu jedem " > 0 ein  > 0 existiert mit der Eigenschaft k0 k   H) ke.t I 0 /k  "

für alle t  t0 :

(2.42)

Betrachtet man zusätzlich noch den Fehler für große Zeiten, dann erhält man stärkere Stabilitätsbegriffe. Definition 2.37. Das Anfangswertproblem bzw. die Lösung von (2.41) heißt asymptotisch stabil, wenn es bzw. sie stabil ist und wenn lim ke.t I ı0 /k D 0

t!1

für kı0 k  ı :

Definition 2.38. Das Anfangswertproblem (2.41) bzw. die Lösung von (2.41) heißt exponentiell stabil, wenn es Konstanten a; b; ı > 0 gibt, so dass die folgende Bedingung gilt:   kı0 k  ı H) ke.t I ı0 /k  a exp  b.t  t0 / kı0 k für alle t  t0 : Sind die Konstanten ı bzw. a; b in der obigen Definition unabhängig von t0 , so spricht man von gleichmäßiger Stabilität, gleichmäßiger asymptotischer Stabilität bzw. gleichmäßiger exponentieller Stabilität. Ist (2.42) nicht erfüllt, dann nennt man (2.41) instabil. Beispiel 2.39. Das Modellbeispiel u0 .t / D u.t / ;

t  t0 ;

u.t0 / D u0

. 2 R/

mit der Lösung u.t / D u0 e .tt0 / ist offenbar asymptotisch stabil, wenn   0; es ist instabil falls  > 0. Für Systeme mit konstanten Koeffizienten lässt sich allgemeiner die Stabilität anhand der Eigenwerte der zugehörigen Matrix überprüfen u0 .t / D Au.t / ;

t  t0 ;

u.t0 / D u0 :

(2.43)

Satz 2.40. Das Anfangswertproblem (2.43) ist genau dann exponentiell stabil, wenn für die Eigenwerte i von A Re i < 0;

i D 1; : : : ; n ;

gilt. Das Anfangswertproblem (2.43) ist genau dann stabil, wenn für die Eigenwerte von A Re i  0; i D 1; : : : ; n ; gilt und wenn für die Eigenwerte mit Re i D 0 mit Vielfachheit k zugehörige k linear unabhängige Eigenvektoren existieren.

51

Abschnitt 2.9 Steife Differentialgleichungen

Der Beweis folgt aus der bekannten Lösungsdarstellung für Lösungen von (2.43) bzw. von der zugehörigen Fehlergleichung e 0 .t I ı0 / D Ae.t I ı0 / ; t  t0 ;

e.t0 I ı0 / D ı0

(vergleiche [53, (1.3.7)]). Für allgemeinere Systeme ist die Vorzeichenbedingung für die Eigenwerte weder notwendig noch hinreichend, wie das lineare (nicht autonome) Beispiel in [53, Abschnitt 5.1] zeigt. Beispiel 2.41. Wir betrachten das Anfangswertproblem u00 .t / D u.t / ;

t > 0;

u.0/ D 1 ;

u0 .0/ D 1 :

Für die allgemeine Lösung von u00  u D 0 erhält man u.t / D c1 exp.t / C c2 exp.t / ; wobei die Anfangsbedingungen c1 D 0; c2 D 1 ergeben. Die Lösung ist also u.t / D exp.t /, aber das Anfangswertproblem ist nicht stabil. Die Matrix des zugehörigen Systems von zwei Gleichungen erster Ordnung, AD

0 1

!

1 0

hat nämlich die Eigenwerte 1 und 1, also auch positive Eigenwerte. Das instabile Verhalten erkennt man, wenn man Störungen des Anfangszustandes berücksichtigt, .0/ .1/ das heißt v.0/ D 1 C ı0 ; v 0 .0/ D 1 C ı0 . Für die Lösung v.t / D cQ1 exp.t / C cQ2 exp.t / erhält man dann wegen v 0 .t / D cQ1 exp.t /  cQ2 exp.t / für cQ1 ; cQ2 die Darstellungen cQ1 D

1  .0/ .1/  ı0 C ı0 ; 2

cQ2 D 1 C

1  .0/ .1/  ı0  ı0 : 2

Man sieht, dass der Anteil mit exp.t / für t ! 1 unbeschränkt wächst.

2.9.2 Einseitige Lipschitz-Bedingung und steife Differentialgleichungssysteme Unter der Lipschitzbedingung (L) (siehe (2.30) oder (A.4)) aus dem Existenz- und Eindeutigkeitssatz von Picard–Lindelöf erfüllen nichtlineare Anfangswertprobleme eine lokale Stabilitätseigenschaft im Sinne von (A.5). Für globale Stabilität benötigt man eine weitere Bedingung.

52

Kapitel 2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme

Definition 2.42. Sei h ; i ein Skalarprodukt im Rn ; k k die zugehörige Norm und l W Œt0 ; 1/ ! R eine stückweise stetige Funktion. Dann genügt die Funktion f W Œt0 ; 1/  Rn ! Rn einer einseitigen Lipschitz-Bedingung, wenn hf .t; y/  f .t; z/; y  zi  l.t /ky  zk2

für alle t  t0 ;

y; z 2 Rn : (2.44)

Die Funktion l.t / heißt dabei einseitige Lipschitz-Konstante für f . Jede klassische Lipschitz-Konstante (siehe (2.30) oder (A.4)) ist zugleich auch eine einseitige Lipschitz-Konstante. Letztere kann auch negativ sein, wie zum Beispiel für f .t; y/ D y. Gilt (2.44) mit l0 D sup t2I l.t / < 0, dann heißt das Anfangswertproblem monoton. Für das betrachtete Intervall können wir hier ein endliches I D Œt0 ; t0 C T  oder das unendliche I D Œt0 ; 1/ nehmen. Im skalaren und autonomen Fall ist (2.44) für negatives l.t / und f .t; y/ D f .y/ gleichbedeutend mit der Eigenschaft, dass f monoton fallend ist:   f .y/  f .z/ .y  z/  l0 jy  zj2 ;

y; z 2 R ;

das heißt f 0 .y/  l0 < 0. Ist f vektorwertig und affin, das heißt f .t; y/ D A.t /y C b.t /, dann ist (2.44) äquivalent zur negativen Definitheit von A.t /; t 2 I . Für autonome Systeme   u0 .t / D f u.t / ;

t  t0 ;

u.t0 / D u0 ;

(2.45)

gilt folgende Verallgemeinerung des Existenz- und Eindeutigkeitssatzes von Picard– Lindelöf. Satz 2.43. Genügt die Funktion f einer einseitigen Lipschitz-Bedingung hf .y/  f .z/; y  zi  l0 ky  zk

für alle y; z 2 Rn ;

dann besitzt das System (2.45) genau eine stetig differenzierbare Lösung für alle t  t0 . Beweis. Siehe hierzu [53]. Für das Beispiel f .y/ D y 3 ist die einseitige Lipschitz-Konstante l0 D 0 und (2.45) eindeutig lösbar. Die klassische Lipschitz-Bedingung ist dagegen für y ! 1 nicht erfüllt. Für allgemeine Systeme mit einseitigen Lipschitz-Konstanten gilt der folgende Stabilitätssatz.

53

Abschnitt 2.9 Steife Differentialgleichungen

Satz 2.44. Unter der Voraussetzung (2.44) gilt für zwei beliebige Lösungen u.t /; v.t / von     bzw. v 0 .t / D f t; v.t / u0 .t / D f t; u.t / die Stabilitätsabschätzung Z u.t2 /  v.t2 /  exp

t2

 l. /d ku.t1 /  v.t1 /k

(2.46)

t1

für alle t0  t1  t2 < 1. Beweis. Siehe [53, Abschnitt 5.1.2]. Ist l.t /  0 für t  t0 , dann ist das System offenbar stabil. Außerdem sieht man, dass sich zwei Lösungen dann für größer werdendes t nicht weiter entfernen, was man als dissipativ bezeichnet (vergleiche [53, Definition 5.1.4]). Ist darüber hinaus l.t /  l0 < 0, das heißt, das Anfangswertproblem ist monoton, dann ist jede Lösung sogar exponentiell stabil. Mit Hilfe der Abschätzung (2.46) erhält man für die Konstanten in der Definition 2.38 nämlich b D l0 ; a D 1; ı beliebig. Wie bei der klassischen Lipschitz-Bedingung kann man auch die einseitige Lipschitzbedingung an Eigenschaften der Funktionalmatrix ablesen. Dazu benötigen wir den von Lozinski und Dahlquist eingeführten Begriff der logarithmischen Matrizennormen. Definition 2.45. Für eine quadratische Matrix A, eine beliebige Vektornorm k k in Rn und eine zugehörige natürliche4 Matrizennorm heißt kI C hAk  1 ŒA WD lim h h!C0 die zugehörige logarithmische Matrizennorm von A. Beispiele 2.46. Es gelten folgende Beziehungen, wobei jeweils zuerst die natürlichen Matrizennormen bezüglich der Normen k kp , p D 1; 2; 1, angegeben sind (siehe zum Beispiel [54], Abschnitt 5.2):   n n X X ajj C jaij j; 1 ŒA D max jaij j ; kAk1 D max j D1;:::;n

kAk1 D max

i D1;:::;n

kAk2 D 4 Die

q

j D1;:::;n

i D1 n X

iD1 i¤j

jaij j;

j D1

  n X 1 ŒA D max ai i C jaij j ; iD1;:::;n

 max .A> A/;

2 ŒA D max

natürliche Matrizennorm ist erklärt durch kAk D sup x¤0

j D1 j ¤i



1 .A C A> / 2

kAxk . kxk

:

54

Kapitel 2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme

Beweis für 1 ŒA. Für die maximale Spaltensumme und h > 0 gilt   n X ˇ ˇ 1 kI C hAk1 ˇ ˇ D max j1 C hajj j C aij : j h h iD1 i¤j

Ist h hinreichend klein, so erhält man j1 C hajj j > 0 und j1 C hajj j  1 D hajj : Daraus folgt die Behauptung. Beweis für 2 ŒA. Für die Spektralnorm von 1 C hA hat man q   kI C hAk2 D max .I C hA/> .I C hA/ q   D max I C h.A> C A/ C h2 A> A : Es ist max .I C hB/ D 1 C h max .B/ und für kleines h folgt max .B1 C hB2 / D max .B1 / C O.h/ und damit

  max I C h ŒA> C A C hA> A D 1 C h max .A> C A C hA> A/ D 1 C h max .A> C A/ C O.h/ :

Entwicklung der Wurzel .1 C x/1=2 ; jxj  1, liefert für kleines h q h 1 C h max .A> C A/ C O.h2 / D 1 C max .A> C A/ C O.h2 / ; 2 und im Limes h ! 0 erhält man

  1 > kI C hAk2  1 1 D max .A> C A/ C O.h/ ! max .A C A/ .h ! 0/: h 2 2

Der Name „logarithmische Matrizennorm“ erklärt sich aus der Beziehung ŒA D lim

h!C0

ln ke hA k h

(vergleiche Plato [42, Aufgabe 8.16]). Für eine Skalarproduktnorm im Rn ist die logarithmische Matrizennorm durch den maximalen Rayleigh-Quotienten gegeben: ŒA D max x¤0

hAx; xi : hx; xi

Es gilt nun folgendes Ergebnis, durch das man die Stabilität eines Differentialgleichungssystems aus Eigenschaften der Funktionalmatrix herleiten kann.

55

Abschnitt 2.9 Steife Differentialgleichungen

Satz 2.47. Sei l.t / stetig für t  t0 und f stetig differenzierbar mit

fy .t; y/  l.t / ; t  t0 ; y 2 Rn ; für eine zur Vektornorm zugehörige logarithmische Matrizennorm. Dann gilt die Stabilitätsabschätzung (2.46). Beweis. Siehe [53]. Definition 2.48. Ein Anfangswertproblem heißt steif , wenn eine logarithmische Matrizennorm und eine zugehörige natürliche Matrizennorm existieren, so dass für die Funktionalmatrix in einer Umgebung der exakten Lösung y.t / gilt, dass5

.te  t0 / sup fy .t; v/ DW 0 .te  t0 / sup fy .t; v/ : (2.47) Äquivalent dazu ist, dass

sup fy .t; v/ 1: sup fy .t; v/

(2.48)

Der Quotient in (2.48) wird klein, wenn der Nenner groß wird oder wenn der Zähler und mithin der Quotient negativ wird. Das folgende Beispiel ist steif im Sinne der Definition (2.47) bzw. (2.48). Beispiel 2.49 Vergleiche [53, Beispiel 5.2.1]. Betrachte das System u01 D 80:6 u1 C 119:4 u2 ; u02 D 79:6 u1  120:4 u2 ; Die allgemeine Lösung lautet u.t / D c1

0  t  1:

! ! 3 t 1 200t e C c2 e ; 2 1

was man wieder über die Eigenwerte und Eigenvektoren der zugehörigen Matrix erhält. Die Eigenwerte erfüllen nämlich det.A  E/ D 2 C 201 C 200 D 0 I also ist 1 D 1 bzw. 2 D 200. Man sieht für dieses Beispiel, dass kAk1 D 239:8;

aber

1 ŒA D 1 :

Dieses Beispiel ist damit exponentiell stabil. Für geeignete Anfangswerte existieren langsam sich veränderte Lösungen, und andere Lösungen nähern sich der „glatten“ Lösung für wachsendes t schnell an. 5 Hierbei

bezeichnet te die „Endzeit“ des Integrationsintervalls.

56

Kapitel 2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme

Die Lösung in Beispiel 2.49 ändert sich zu Beginn des Integrationsintervalls sehr schnell – man nennt dies „transiente Phase“ – und erreicht sehr bald die sogenannte „glatte Phase“, in der sich die Ableitungen der Lösung nur noch moderat ändern. Transiente Phasen müssen für nichtlineare Beispiele nicht notwendig am Anfang liegen. Außerdem besitzt die Lösung Komponenten, die sich langsam und sehr schnell ändern. Dies motiviert eine andere Definition von steifen Anfangswertproblemen, nämlich ˇ ˇ maxRe .t/ 0 ; u u0i .t / D i C1 i i1 x 2 u0 D unC1 D 0 ; wobei xi D i x , i D 0; : : : ; n C 1 , und .n C 1/x D 1. Die zugehörige Koeffizientenmatrix 3 2 2 1 0 7 6 7 6 1 2 7 6 7 6 1 6 : : : 7 2 Rn;n : : : AD : : : 7 6 x 2 6 7 6 2 1 7 5 4 0 1 2

57

Abschnitt 2.9 Steife Differentialgleichungen

hat bekanntlich die Eigenwerte

sin.j x=2/ j D  x=2

2 ;

j D 1; : : : ; n;

max 

4 ; x 2

min  2 :

Das System ist also umso steifer, je feiner die Ortsvariable diskretisiert wird. Da man bei der obigen Approximation der Wärmeleitungsgleichung (2.49) die Ortsvariable diskretisiert und die Zeitvariable kontinuierlich lässt, spricht man von einer semidiskreten Approximation. Man verwendet dafür auch die Bezeichung (senkrechte) Linienmethode (vergleiche Abbildung 2.3).

Abbildung 2.3. (Senkrechte) Linienmethode zur Approximation der Wärmeleitungsgleichung

Beispiel 2.51 Singulär gestörte Systeme. Das System "u0 .t / D g.t; u; v/ ; 0

v .t / D f .t; u; v/ ;

u.t0 / D u0 ;

0 < " 1;

v.t0 / D v0

mit g W Œt0 ; te   Rm  Rnm ! Rm und f W Œt0 ; te   Rm  Rnm ! Rnm stellt aufgrund des kleinen Parameters " ein steifes System dar. Die Norm der Funktionalmatrix 1" gu wird nämlich umso größer, je kleiner " ist. Ein spezielles Beispiel ist die Van der Polsche Differentialgleichung (siehe Beispiel 2.3 in Abschnitt 2.1), auch Kippschwingung genannt. Sie lässt sich als System von zwei Gleichungen "u0 .t / D .1  v 2 /u  "v ; 0

v .t / D u ;

u.0/ D 1 ; v.0/ D 0

58

Kapitel 2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme

schreiben. Man bezeichnet diese Schwingung auch als Sägezahnschwingung, die für t ! 1 gegen eine stabile periodische Grenzlösung strebt, bei der sich transiente und glatte Phasen ständig abwechseln. Weitere Beispiele steifer Differentialgleichungssysteme findet man unter anderem in den Büchern [16] und [53].

2.9.3 Explizite und implizite Verfahren für steife Systeme Zur Analyse der Konvergenz und auch der Stabilität von expliziten Einschrittverfahren der Form    1 uh .t C h/  uh .t / D fh t; uh .t / ; h

t 2 Ih0 ;

uh .t0 / D u0

müssen wir insbesondere die zugehörige Fehlergleichung     eh .t C h/ D eh .t / C h fh t; uh .t /  fh .t; u.t /  h h .t / ;

t 2 Ih0 ;

studieren, wobei eh .t / D uh .t /  u.t / den Fehler und h .t / den Abschneidefehler6 darstellt. Bezeichnen wir, wie bisher in diesem Abschnitt, die Lösung des Anfangswertproblems mit u und setzen noch tm D t0 C mh, dann lässt sich die Fehlergleichung auch schreiben als      eh .tmC1 / D eh .tm / C h fh tm ; u.tm / C eh .tm /  fh tm ; u.tm /  h h .tm / mit m D 0; 1; 2; : : : . Für kleine Fehler erhält man aus dem Mittelwertsatz (in mehreren Veränderlichen)  2       @fh  tm ; u.tm / eh .tm / C O eh .tm / fh tm ; u.tm / C eh .tm /  fh tm ; u.tm / D @y und in erster Näherung für den Fehler h i @fh   tm ; u.tm / eh .tm /  h h .tm / : eh .tmC1 / D I C h @y

(2.50)

Für den nächsten Zeitschritt setzt sich also der Fehler eh .tmC1 / aus dem Abschneidefehler (multipliziert mit h) und dem Fehler bei tm zusammen, wobei letzterer noch mit der sogenannten „Übertragungsmatrix“ (oder auch „Verstärkungsmatrix“) Ch .tm / WD I C h 6 Man

 @fh  tm ; y.tm / @y

bezeichnet eh auch als globaler Fehler; für explizite Verfahren stimmt h h mit dem lokalen Diskretisierungsfehler überein (vergleiche [53, Abschnitt 2.2]).

59

Abschnitt 2.9 Steife Differentialgleichungen

multipliziert wird. Im skalaren Fall heißt die entsprechende Zahl „Übertragungsfaktor“ oder „Verstärkungsfaktor“. Induktiv sieht man, dass der Fehler die Darstellung eh .tm / D

m Y

Ch .t / eh .t0 /  h

D1

m X

m Y

Ch .t / h .t / ;

m D 1; 2; : : :

D1 DC1

besitzt. Auch für den Spezialfall eh .t0 / D 0 erkennt man, dass die Fehler mit den Abschneidefehlern klein werden, wenn die Produkte der Übertragungsmatrizen beschränkt bleiben. Ein numerisch stabiles Verfahren soll nun die Eigenschaft haben, dass für eine feste Schrittweite h im Falle einer beschränkten Lösung des Anfangswertproblems, sup t>t0 ku.t /k < 1, auch die numerische Approximation beschränkt bleibt, das heißt supk0 kuh .tk /k < 1. Für ein dissipatives System möchte man, dass sich auch der Fehler des Verfahrens nicht vergrößert. Für das explizite Verfahren von Euler– Cauchy bedeutet das (wegen fh D f ), dass   (2.51) I C h fy tm ; u.tm /  1 : Man testet das numerische Stabilitätsverhalten anhand der skalaren Testgleichung (siehe Beispiel 2.1) u0 D u ; t > t0 ; u.t0 / D u0   mit der Lösung u.t / D u0 exp .t  t0 / . Die Stabilität des Anfangswertproblems ist durch das Vorzeichen von Re  bestimmt: 8 9 Re  < 0 > ˆ! 0 = ˇ ˇ< Re  D 0 H) ˇu.t /ˇ D u0 : ˆ > : ; ! 1 Re  > 0 Für ein numerisches Verfahren möchte man neben den obigen Forderungen bei Anwendung auf die skalare Testgleichung ein qualitatives Verhalten haben, dass gut mit dem der exakten Lösung übereinstimmt, nämlich u.tk C h/ D e h u.tk /;

k D 0; 1; 2; : : : :

Man ist daher interessiert an Verfahren mit folgenden Eigenschaften: ˇ ˇ ˇ ˇ ˇuh .tk C h/ˇ  ˇuh .tk /ˇ für alle h und k ;

(2.52)

uh .tk C h/ D 0 :

(2.53)

lim

h Re !1

Dieses Verhalten wird durch den Verstärkungsfaktor bestimmt; beim expliziten Polygonzugverfahren (oder Verfahren von Euler–Cauchy) ist dies 1 C h.

60

Kapitel 2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme

Definition 2.52. Die Funktion R0 W C ! C heißt Stabilitätsfunktion eines Einschrittverfahrens, wenn dieses bei Anwendung auf die skalare Testgleichung die folgende Form hat: uh .tk C h/ D R0 .h/uh .tk / ;

k D 0; 1; 2; : : : :

Beispiel 2.53. Wir erhalten a) R0 .z/ D 1 C z für das Polygonzugverfahren, 2

b) R0 .z/ D 1 C z C z2 für das verbesserte Polygonzugverfahren und verbesserte Verfahren von Euler–Cauchy – auch Verfahren von Heun (siehe Aufgabe B.3), 2

3

4

z c) R0 .z/ D 1 C z C z2 C z6 C 24 für das klassisches Runge–Kutta-Verfahren (vergleiche Beispiel 2.17), P zr d) R0 .z/ D m rD0 rŠ für die Methode der Taylor-Entwicklung,

e) R0 .z/ D

1 1z

für das implizite Euler-Verfahren,

z D f) R0 .z/ D 1C 1z=2

1Cz=2 1z=2

implizite verbesserte Polygonzugverfahren (2.22).

Bemerkenswert ist, dass die Methode der Taylor-Entwicklung für m D 4 dieselbe Stabilitätsfunktion wie das klassische Runge–Kutta-Verfahren besitzt. Für m D 6 stimmt das Stabilitätsgebiet in d) mit dem des Verfahrens von Dormand–Prince 5 überein, das Konsistenzordnung p D 5 besitzt (siehe [17]). Außerdem treten bei impliziten Verfahren Polynome (in z) im Nenner auf. Beispiel 2.54 Implizite Runge–Kutta-Verfahren der Stufe m, vergleiche (2.19), (2.20). Nach [16, Lemma 6.30] ist die Stabilitätsfunktion gegeben durch R0 .z/ D 1 C z .I  zB/1 e ; wobei  D .1 ; : : : ; m /> ; e D .1; : : : ; 1/> und 0

1 ˇ11 : : : ˇ1m B : :: C : BDB : C @ : A: ˇm1 : : : ˇmm R0 . / lässt sich schreiben als R0 .z/ D P .z/=Q.z/ mit teilerfremden, durch P .0/ D Q.0/ D 1 normierten Polynomen vom Grad m. Definition 2.55. Die Menge ˇ  ˚ S D z D h 2 CˇjR0 .z/j  1

Abschnitt 2.9 Steife Differentialgleichungen

61

heißt Stabilitätsgebiet eines Einschrittverfahrens; ˇ  ˚ I D z 2 RˇjR0 .z/j  1 heißt Stabilitätsintervall. Beispiel 2.56 Siehe, unter anderem, [16, Abbildung 6.2], [59, Abbildung 4.4].

Abbildung 2.4. Stabilitätsgebiete von expliziten Runge–Kutta-Verfahren für m D 1; 2; 4; 6 .

Die gewünschten Eigenschaften (2.52), (2.53) werden durch folgende Bedingungen gesichert. Definition 2.57. Ein Einschrittverfahren heißt A-stabil, wenn ˇ ˇ ˇR0 .z/ˇ  1 für alle z mit Re z  0 : Definition 2.58. Ein Einschrittverfahren heißt L-stabil, wenn es A-stabil ist, und außerdem R0 .z/ D 0 : lim Re z!1

Gilt nur lim

Re z!1

ˇ ˇ ˇR0 .z/ˇ < 1 ;

so heißt ein A-stabiles Einschrittverfahren stark A-stabil.

62

Kapitel 2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme

Explizite Verfahren können nicht A-stabil sein. Das implizite Euler-Verfahren und das implizite verbesserte Polygonzugverfahren (2.22) sind dagegen A-stabil (siehe [53], [16]). Es gibt noch weitere Stabilitätsbegriffe, wie „A.˛/-stabil“ oder „L.˛/-stabil“, auf die wir hier nicht weiter eingehen. Wir kommen zurück auf steife Anfangswertprobleme. Ist  in der skalaren Testgleichung betragsmäßig sehr groß, dann muss für das Polygonzugverfahren h sehr klein gewählt werden, um die Bedingung (2.52) zu erfüllen. Für die Lösung allgemeiner Systeme von Anfangswertproblemen mit dem Polygonzugverfahren muss man nach (2.50) fordern, dass (2.51) erfüllt ist. Für steife Systeme kann kfy k sehr groß sein, was im Falle von (2.51) eine sehr kleine Schrittweite erfordert. Beispiel 2.59. Betrachte u0 D .u  e t /  e t ;

t 2 Œ0; 1 ;

y.0/ D 1 :

Die Lösung u D e t ist unabhängig von . Hier ist fy D . Für  D 1000 bedeutet (2.51), dass h  1=500. Die Einschränkung an h durch (2.51) für das explizite Euler-Verfahren ist daher vor allem eine Stabilitätsforderung – und weniger durch die Genauigkeit begründet. Das Gleiche gilt für alle expliziten Runge–Kutta-Verfahren, für welche die Übertragungsmatrix ein Polynom in hfy darstellt. Aus Stabilitätsgründen muss auch hier   h fy tm ; u.tm /  C mit einer Konstanten C D O.1/ gefordert werden. Beispiel 2.60. Für u0 D u , t  t0 , mit Lösung u.t / D u0 e .tt0 / hat das klassische Runge–Kutta-Verfahren die Form   .h/3 .h/4 .h/2 C C uh .tm / uh .tmC1 / D 1 C h C 2 6 24 (siehe Beispiel 2.17). Der „Übertragungs-“ oder „Verstärkungsfaktor“ ist bereits in Beispiel 2.53, c) angegeben worden. Selbst im dissipativen Fall   0 müssen wir für betragsmäßig großes  fordern, dass jjh  C bleibt, um ein starkes Anwachsen des Fehlers – und der numerischen Lösung – zu verhindern. Anders verhält sich der Fehler bei impliziten Verfahren. Das einfachste implizite Verfahren, nämlich das implizite Euler-Verfahren (vergleiche (2.5))   uh .tmC1 / D uh .tm / C hf tmC1 ; uh .tmC1 / ; m D 0; : : : ; N  1 ; uh .t0 / D u0

63

Abschnitt 2.9 Steife Differentialgleichungen

ist A-stabil. Angewendet ˇ auf die skalare Testgleichung gilt für die Stabilitätsfunktion ˇ ˇ nämlich immer R0 .z/ˇ  1, falls Re  < 0. Das bedeutet, dass die ganze negative reelle Achse im Stabilitätsgebiet S liegt. Ist u die Lösung eines allgemeinen Systems, so erfüllt der Fehler die Beziehung   u.tmC1 /  u.tm / eh .tmC1 /  eh .tm / D f tmC1 ; uh .tmC1 /  ; h h und für kleine Fehler erhält man      eh .tmC1 / D eh .tm / C h f tmC1 ; uh .tmC1 /  f tmC1 ; u.tmC1 /    u.tmC1 / C u.tm / C hf tmC1 ; u.tmC1 /   D eh .tm / C hfy tmC1 ; u.tmC1 / eh .tmC1 /  2     u.tmC1 / C u.tm / C hf tmC1 ; u.tmC1 / C O eh .tmC1 / : Hier ist

  h h .tmC1 / D u.tmC1 /  u.tm /  h f tmC1 ; u.tmC1 /

mit dem Abschneidefehler h .tmC1 / D mC1 , der durch Einsetzen der Lösung in das (hier implizite) Verfahren entsteht. Folgt man [53, Abschnitt 2.2], dann muss man den lokalen Diskretisierungsfehler mC1 D h .tmC1 / für ein implizites Verfahren auch implizit definieren, nämlich als Lösung des Gleichungssystems   mC1 D u.tmC1 /  u.tm /  h f tmC1 ; u.tmC1 /  mC1 : Dies ist dadurch motiviert, dass man mC1 WD u.tmC1 /uQ mC1 setzt, wobei uQ mC1 das Resultat eines Verfahrensschrittes ist mit Startvektor u.tm / entlang der Lösungskurve u.t /, hier also uQ mC1 D u.tm / C h f .tmC1 ; uQ mC1 / ;

m D 0; : : : ; N  1 :

Zwischen dem Abschneidefehler und dem lokalen Diskretisierungsfehler besteht für das implizite Euler-Verfahren der Zusammenhang      mC1 D h mC1 C h f tmC1 ; u.tmC1 /  f tmC1 ; u.tmC1 /  mC1     D h mC1 C h fy tmC1 ; u.tmC1 / mC1 C O kmC1 k2 ; und für kleine lokale Diskretisierungsfehler erhält man in erster Näherung    P I  h fy tmC1 ; u.tmC1 / mC1 : h mC1 D

64

Kapitel 2 Einschrittverfahren für Anfangswertprobleme

Für den globalen Fehler ergibt sich schließlich  1    P I  h fy tmC1 ; u.tmC1 / eh .tm /  h mC1 eh .tmC1 / D  1  eh .tm /  mC1 : D P I  h fy tmC1 ; u.tmC1 / Der wesentliche Unterschied zwischen dem expliziten und impliziten Euler-Verfahren besteht offenbar in der Form der Übertragungsmatrix, für das implizite Euler-Verfahren  1  Ch .tm / D I  h fy tmC1 ; u.tmC1 / : Ist das System steif, gilt also (2.47) mit einem 0 , das gegebenenfalls auch negativ ist, und ist h (moderat) klein mit h 0 < 1, dann lässt sich zeigen, dass (vergleiche [53, Abschnitt 5.12])  1  1  I  h fy tmC1 ; u.tmC1 / 1  h : 0 Dies ist eine interessante Verallgemeinerung eines entsprechenden Ergebnisses für hkfy k < 1. Ist das System noch dissipativ . 0 < 0/, dann wird der globale Fehler gedämpft unabhängig von der Wahl der Schrittweite. Letztere kann dann alleine durch Genauigkeitsanforderungen gewählt werden. Analoge Aussagen gelten für alle impliziten Runge–Kutta-Verfahren. Eine detaillierte Untersuchung solcher Verfahren und ihrer Stabilitätseigenschaften finden sich in unter anderem in [53, Abschnitt 6.2] und [16, Abschnitt 6.2].

2.10

Unstetige Galerkin-Verfahren

In diesem Kapitel geben wir einen Überblick über einen neuen Zugang zur numerischen Integration von Anfangswertproblemen mit Galerkin-Verfahren. Für Randwertprobleme werden Galerkin-Verfahren in Kapitel 6 vorgestellt und untersucht. Unstetige Galerkin-Verfahren für gewöhnliche Differentialgleichungen wurden bereits 1981 von Delfour, Hager und Trochu [15] vorgestellt und etwas später von Johnson [34] und Estep [20] weiter untersucht. Insbesondere für die Zeitdiskretisierung bei parabolischen Anfangsrandwertproblemen wurde diese Methode weiterentwickelt und eingesetzt (siehe [18], [19], [21]). Für die Darstellung dieses Abschnitts verwenden wir überwiegend [46] und verweisen für Details auf die angegebene Literatur. Die Motivation zur Entwicklung von Galerkin-Verfahren für Anfangswertprobleme liegt insbesondere in mathematisch begründeten a posteriori-Fehlerabschätzungen und einer darauf basierend verläßlichen Schrittweitenkontrolle. Außerdem sollen Galerkin-Verfahren die Konstruktion von Einschrittverfahren beliebiger Ordnung erlauben und auch für steife Probleme geeignet sein.

65

Abschnitt 2.10 Unstetige Galerkin-Verfahren

2.10.1 Variationelle Formulierung Die Lösung u eines gegebenen Systems von Anfangswertproblemen u0 D f .t; u/ ;

t  0;

u.0/ D u0 ;

erfüllt im Zeitintervall I D Œ0; T  offenbar folgendes „Variationsproblem“: Gesucht ist u 2 C 1 .I / mit u.0/ D u0 und Z D   E u0 .t /  f t; u.t / ; ' dt D 0 für alle ' 2 C 1 .I / :

(2.54)

(2.55)

I

Hierbei bezeichnet h ; i das Euklidische Skalarprodukt in Rn . Für jede klassische Lösung u 2 C 1 .I / sind (2.54) und (2.55) sogar äquivalent. Die „variationelle Formulierung“ (2.55), bei der die „Testfunktionen“ ' beliebig in C 1 .I / variieren können, besagt, dass das „Residuum“ der Lösung, R.u/ WD u0  f . ; u/, bezüglich des L2 -Skalarprodukts senkrecht auf allen Testfunktionen steht. Für eine Unterteilung des Zeitintervalls I , das heißt h W 0 D t0 < t1 < < tN D T ; in nicht notwendig äquidistante Teilintervalle Ik D .tk1 ; tk , betrachtet man stückweise glatte Funktionen, ˇ ˇ ˚  V .h / D v W I ! Rn ˇ v.0/ 2 Rn ; v ˇIk 2 Cc1 .Ik /; k D 1; : : : ; N ; wobei Cc1 .Ik / die auf dem halboffenen Intervall Ik stetig differenzierbaren Funktionen bezeichnet, die zum linken Randpunkt tk1 stetig fortsetzbar sind. Wir bezeichnen die Längen der Teilintervalle mit hk D tk  tk1 , k D 1; : : : ; N und hmax D maxk hk . Führt man für v 2 V .h / noch7 vkC WD lim v.tk C s/ ; s!0

vk WD lim v.tk C s/ ; s!0

s>0

Œvk WD vkC  vk

s 0 gibt, so dass für alle h mit 0 < h  H und alle wh mit ŒAh vh0  Ah wh   ı gilt, dass jvh0 .t /  wh .t /j  ŒAh vh0  Ah wh  ;

t 2 Ih :

(3.16)

Bezeichnung. In Definition 3.12 bezeichnen wir  als „Stabilitätsschranke“ und ı als „Stabilitätsschwelle“. Ähnlich wie bei Einschrittverfahren setzen wir für Ah bzw. fh die folgende Bedingung voraus: Definition 3.13. Ein Mehrschrittverfahren .Ah / heißt Lipschitz-stetig bzw. erfüllt die Lipschitzbedingung .L/, wenn es eine Lipschitz-Konstante L  0, eine positive Zahl

96

Kapitel 3 Mehrschrittverfahren für Anfangswertaufgaben

H > 0 und eine Umgebung G D K0 von .t; u.t // gibt, so dass für jede Schrittweite h in 0 < h  H die Lipschitzbedingung jfh .t; z0 ; : : : ; zs /  fh .t; zQ0 ; : : : ; zQ s /j  L

s X

jzk  zQk j

(3.17)

kD0

gilt für alle zk ; zQ k mit der Eigenschaft .t; zk /; .t; zQk / 2 G, k D 0; : : : ; s. Wir sind nun in der Lage, den folgenden Konvergenzsatz zu beweisen: Satz 3.14. Ist .L/ erfüllt, .Ah / Lipschitz-stabil bei .vh0 / D .rh u/ D .uh / und 2 das Mehrschrittverfahren .Ah / konsistent mit dem Anfangswertproblem, dann gibt es H1 > 0 ; ı1 > 0, so dass für alle 0 < h  H1 und alle yh mit Œyh   ı1 die Gleichung (3.18) Ah vh D yh eindeutig lösbar ist mit vh 2 G, und die a priori-Abschätzung jvh .t /  u.t /j  Œ h  yh  ;

t 2 Ih ;

gilt, wobei h den Abschneidefehler und  die Stabilitätsschranke bezeichnen. Beweis. Es gelte zunächst .L/ global. Gesucht ist ein Fixpunkt z D vh .tj / von ! s1 1 X ak vj sCk  hfh .tj ; vj s ; : : : ; vj 1 ; z/ C hyh .tj / g.z/ D as kD0

für j D s; : : : ; Nh , wobei v D vh .t / ; D 0; : : : ; j  1. Wegen .L/ gilt jg.z/  g.Qz /j 

h Ljz  zj Q für alle .tj ; z/; .tj ; z/ Q : jas j

Ist hL=jas j  q < 1, so existiert nach dem Banachschen Fixpunktsatz ein eindeutiger Fixpunkt z D g.z/. Daher löst vh , gegeben durch z D vh .tj / für j D s; : : : ; Nh und .j / vh .tj / D ˛h C yh .tj / für j D 0; : : : ; s  1 , die Gleichung Ah vh D yh und zwar für alle h mit 0 < h < qjas j=L . Gilt .L/ lokal in G D K0 , dann existiert eine Fortsetzung fOh von fh , so dass O fh D fh in G und dass fOh die Bedingung .L/ global erfüllt (siehe [25, Seite 79f.]). Sei ı1 > 0 mit 2ı1  0 und ı1  ı=2, wobei ı die Stabilitätsschwelle bezeichne. Wähle dann H1 > 0 mit H1 < jaLs j , so dass Œ h   ı1 für alle 0 < h  H1 . Für yh mit Œyh   ı1 sei vO h die eindeutige Lösung (siehe oben) von Ah vO h D yh , 0 < h  H1 , für das fortgesetzte fOh . Es folgt Œ Ah u Ah vO h  D Œ h  yh   2ı1  ı ; „ƒ‚…

0 < h  H1 ;

h

2 Mit

rh u D uh bezeichnen wir die Restriktion von u auf Ih ; rh u D ujIh .

97

Abschnitt 3.3 Stabilität und Konvergenz

und mit der Lipschitz-Stabilität j.u  vO h /.t /j  Œ h  yh   2ı1  0 ;

0 < h  H1 :

Wegen fOh D fh in G ist vO h D vh die eindeutige Lösung in G , und es gilt die behauptete Fehlerabschätzung. Für yh D 0 in (3.18) erhält man das folgende Korollar zum Konvergenzsatz. Satz 3.15. Gilt .L/, die Lipschitz-Stabilität bei .rh u/ und die Konsistenz, dann existieren für alle hinreichend kleinen h Lösungen uh von .Ah / mit .t; uh .t // 2 G ; t 2 I , und es konvergiert max juh .t /  u.t /j ! 0 .h ! 0/ : t2Ih

Die Konvergenzordnung ist gleich der Konsistenzordnung. Der folgende Satz zeigtPnoch die Notwendigkeit der Konsistenz und impliziert die Konvergenz von h10 .1/ k ak uh .tj sCk / gegen die Ableitung u0 .tj s /. Satz 3.16. Es gelte die Konvergenzeigenschaft max juh .t /  u.t /j ! 0 t2Ih

.h ! 0/

und die Lipschitzbedingung .L/. Dann ist die Konsistenzbedingung Œ h  ! 0

.h ! 0/

notwendig und hinreichend für die Konvergenz von Nh ˇ X s ˇ X ˇ ˇ a .u  u/.t / ˇ k h j sCk ˇ ! 0 .h ! 0/ :

(3.19)

j Ds kD0

Gilt sogar max j h .t /j ! 0 .h ! 0/ ; t2Ih

dann konvergiert auch

ˇ ˇ s ˇ1 X ˇ ˇ ˇ max ˇ ak .uh  u/.tj sCk /ˇ ! 0 .h ! 0/ : ˇ j Ds;:::;Nh ˇ h

(3.20)

kD0

Beweis. Es gilt die Beziehung (vergleiche die Definition des Abschneidefehlers) s   1X ak .uh  u/.tj Cks / D fh tj ; uh .tj s /; : : : ; uh .tj / h kD0    fh tj ; u.tj s /; : : : ; u.tj /  h .tj / ; j D s; : : : ; Nh :

98

Kapitel 3 Mehrschrittverfahren für Anfangswertaufgaben

Summation über j und Multiplikation mit h auf beiden Seiten liefert Nh ˇ X s ˇ X ˇ ˇ a .u  u/.t / ˇ k h j Cks ˇ j Ds kD0 Nh Nh s X X X  L h juh .tj sCk /  u.tj sCk /j C h j h .tj /j

.L/

j Ds

j Ds

kD0

 .s C 1/LT max juh .t /  u.t /j C Œ h  ! 0

.h ! 0/ ;

t2Ih

falls Œ h  ! 0. Für das Maximum erhält man die Konvergenz (3.20) wie folgt: ˇ ˇ s ˇ1 X ˇ ˇ ˇ ak .uh  u/.tj sCk /ˇ max ˇ ˇ j Ds;:::;Nh ˇ h kD0

L

max

s X

j Ds;:::;Nh

juh .tj sCk /  u.tj sCk /j C

kD0

 .s C 1/L max juh .t /  u.t /j C t2Ih

max

j Ds;:::;Nh

max

j Ds;:::;Nh

j h .tj /j

j h .tj /j ! 0

.h ! 0/ :

Umgekehrt folgt aus der ersten Konvergenz (3.19) in Verbindung mit der Konvergenz der Lösungen und .L/, dass Œ h  

s1 X j D0

ˇ s ˇ Nh ˇ X ˇ X ˇ ˇ juh .tj /  u.tj /j C ak .uh  u/.tj sCk /ˇ ˇ ˇ ˇ j Ds kD0

Nh s X X CL h juh .tj sCk /  u.tj sCk /j ! 0 j Ds

.h ! 0/ :

kD0

Bemerkungen. (i) Durch Taylor-Entwicklung hat man (vergleiche Abschnitt 3.2) s X

ak u.tj Cks / D .1/u.tj s / C h0 .1/u0 .tj s / C o.h/

.h ! 0/ :

kD0

Liegt Konsistenz vor, dann muss notwendig .1/ u D 0 sein (siehe Satz 3.7 zur Konsistenz in Abschnitt 3.2), und man erhält ˇ ˇ s ˇ 1 X ˇ ˇ ˇ 0 .h ! 0/ ak u.tj Cks /  u .tj s /ˇ ! 0 max ˇ 0 ˇ j Ds;:::;Nh ˇ h .1/ kD0

Abschnitt 3.4 Charakterisierung der Lipschitz-Stabilität. Die Wurzelbedingung

für 0 .1/ ¤ 0. Unter (3.20) folgt dann ˇ ˇ s ˇ 1 X ˇ ˇ ˇ ak uh .tj Ck /  u0 .tj /ˇ ! 0 max ˇ 0 ˇ ˇ j D0;:::;Nh s h .1/

99

.h ! 0/ :

kD0

(ii) Besteht die Abschätzung jf .t; z/  f .t; z/j Q  L0 jz  zj Q

für alle .t; z/; .t; zQ / 2 G ;

dann gilt für die betrachteten linearen Mehrschrittverfahren auch (3.17) und zwar mit L D max jbk jL0 . kD0;:::;s

3.4

Charakterisierung der Lipschitz-Stabilität. Die Wurzelbedingung

Ziel dieses Abschnitts ist es, eine algebraische Charakterisierung der in Abschnitt 3.3 eingeführten Lipschitz-Stabilität herzuleiten. Dies kann in Form der Wurzelbedingung geschehen, die es in einfacher Weise erlaubt, anhand der Koeffizienten ak des Mehrschrittverfahrens die Stabilität zu überprüfen. Satz 3.17. Unter der Lipschitzbedingung .L/ (siehe (3.17)) ist .Ah / dann und nur dann Lipschitz-stabil bei .rh u/, wenn das Verfahren mit fh D 0 Lipschitz-stabil ist. Beweis. Die Bedingung .L/ gelte global. Es sei immer (in .L/ und Lipschitz-Stabilität) vh0 D rh u. i) Wir zeigen: Wenn .wh / der Abschätzung (3.16) genügt, dann gilt für zh WD rh u  wh , dass  X ˇ  s1 ˇ X ˇ ˇ jzh .t /j   h jzh .tj /j ; t 2 Ih : (3.21) ˇ.Ah rh u  Ah wh /.t 0 /ˇ C j D0

t 0 2Ih0

tj t

t 0 t

Sei t 2 Ih und vQ h die Lösung von Ah vQ h .t 0 / D Ah wh .t 0 / ;

t0  t ;

Ah vQ h .t 0 / D Ah rh u.t 0 / ;

t0 > t ;

(die Lösung existiert und ist eindeutig für festes h < jas j=L). Dann folgt aus (3.16) – mit rh u bzw. vQ h anstelle von vh0 bzw. wh – sofort die behauptete Abschätzung, da .Ah vQ h  Ah rh u/.t 0 / D 0 ; t 0 > t . ii) Sei .wh / wie in i) und gh .tj ; y0 ; : : : ; ys / erfülle auch die Lipschitzbedingung .L/ (mit L D Lg ). Sei AQh der zu gh C fh gehörige Differenzenoperator, das heißt s 1X AQh vh .tj / D ak vj sCk  .fh .tj ; : : : ; vj / C gh .tj ; : : : ; vj // : h kD0

100

Kapitel 3 Mehrschrittverfahren für Anfangswertaufgaben

Für jede Gitterfunktion vh ist dann ( .Ah vh  AQh vh /.tj / D

gh .tj ; vj s ; : : : ; vj / ; j  s ; 0; j 0 und ŒAh zh   ı. ı

ı vh0  wh D vh ıO

und

ı ŒAh vh0  Ah wh  D ŒAh vh   ı ; ıO

0j; und

8 j ˆ z j j D k ; ˆ < k 1 j ` ˇ` D j.j  1/ .j  ` C 1/ k ; ˆ `Š ˆ : 0;

` D 0; 1  `  j; `>j:

Das Integral in der Definition von S.j / ist wegen des Residuensatzes gleich der Summe der Residuen des Integranden, die gegeben sind durch ! X k 1 zj Res D ˇ` ˛k `1 ; k D 1; : : : ; m : (3.24) .z/ zDk

`D0

106

Kapitel 3 Mehrschrittverfahren für Anfangswertaufgaben

Es gilt nämlich zj zj D .z  zk /k ; .z/ k .z/ und das Produkt der Taylor-Reihe für z j und

1 k .z/

liefert

j 1 ` X X X zj D ˛`m ˇm .z  zk /` C k .z/

j X

˛`m ˇm .z  zk /` :

`Dj C1 mD0

`D0 mD0

Multipliziert man dies noch mit .z zkP /k , dann steht vor der Potenz mit ` k D 1, k 1 ˛k 1m ˇm , was die Beziehung (3.24) das heißt ` D k  1, der Koeffizient mD0 beweist. Für die rechte Seite von (3.24) hat man die Schranke j

k 1

jk j

j k

X k 1 `D0

1 j˛ `1 j ; `Š k

(3.25)

da im Residuum nur ˇ0 ; : : : ; ˇk 1 vorkommen, die sich wegen jk j  1 und jk jj ; jk jj 1 ; : : : ; jk jj k C1  jk jj k abschätzen lassen durch jˇ` j 

1 k 1 j jk jj k ; `Š

` D 0; : : : ; k  1 :

Für jk j D 1 ist k D 1, und es bleibt nur j˛0 j stehen. Ist jk j < 1, so lässt sich (3.25) j bekanntlich durch Kr0 abschätzen, womit alles bewiesen ist. j

Für die letzte Aussage muss man zeigen, dass j m q j  Kr0 für alle j  j0 , falls 0 < q < r0  1. Mit WD q=r0 < 1 erhalten wir die äquivalente Abschätzung j m j  K. Dies ist ab einem j0 für jedes K und m richtig, denn j m j ! 0 .j ! 1/. Da P .`/ eine Linearkombination von Ausdrücken der Gestalt (3.23) darstellt, gilt auch die Abschätzung für P .`/ . (v) Es gelte die Wurzelbedingung; zu zeigen ist (o. B. d. A. sei fh D 0) 0 1 ˇ s ˇ s1 N ˇX ˇ X X ˇ ˇ jvh .t /j  0 ŒAh vh  D 0 @ ak vj sCk ˇ C jvj jA für alle t 2 Ih : ˇ ˇ ˇ j Ds kD0

j D0

Zu beliebigem vh sei wh .tj / D .Ah vh /.tj / , j  s , wh .tj / D vh .tj /  ˛ .j / , j D 0; : : : ; s  1. Dann gilt die Bezeichnung in (iii) und wegen der Abschätzungen in (iv) – zusammen mit r0  1 – folgt die behauptete Ungleichung (mit 0 D K). (vi) Die Umkehrung zeigt man durch Widerspruch (vergleiche [26, Seite 120f.]).

Abschnitt 3.4 Die Wurzelbedingung

107

Beispiele 3.24. (i) Für die Adams-Extrapolation mit Konsistenzordnung p D s und die Adams-Interpolation mit Konsistenzordnung p D s C 1 erhalten wir .z/ D z s  z s1 D z s1 .z  1/: Es zeigt sich, dass z D 0 eine .s  1/-fache und z D 1 eine einfache Nullstelle ist, weswegen die Wurzelbedingung erfüllt ist. (ii) Im Falle der Nyström-Extrapolation mit der Konsistenzordnung p D s und der Milne-Interpolation mit der Konsistenzordnung p D s C 1 haben wir .z/ D z s  z s2 D z s2 .z 2  1/: Folglich liegen mit z D 0 eine .s  2/-fache und mit z D ˙1 jeweils einfache Nullstellen vor. Also ist auch hier die Wurzelbedingung erfüllt.

Teil II

Näherungsverfahren für Randwertprobleme

In den folgenden Kapiteln 4 bis 8 werden verschiedene Klassen von Näherungsverfahren für Randwertaufgaben vorgestellt und untersucht. Wie bei Anfangswertaufgaben wird man aber zuerst mit Hilfe der Literatur versuchen, analytische Näherungslösungen zu finden bzw. sicherzustellen, dass für das gegebene Problem überhaupt eine Lösung existiert und dann zu klären, ob diese gegebenenfalls eindeutig ist (vergleiche dazu auch Anhang A). Die betrachteten Näherungsverfahren schließen die Schießverfahren beruhend auf Näherungsmethoden für Anfangswertprobleme (in Kapitel 4), klassische Differenzenapproximationen (Kapitel 5), Galerkin-Verfahren (Kapitel 6) und auch Kollokationsverfahren (Kapitel 7) ein. Wir beginnen in diesem Teil des Buches mit Schießverfahren, weil sich diese unmittelbar aus den Methoden für Anfangswertprobleme ergeben. Hierbei kombiniert man zwei Anfangswertprobleme geeignet, so dass die Randbedingungen ebenfalls erfüllt werden. Die Konvergenzordnung der für die Anfangswertprobleme benutzten Näherungsverfahren überträgt sich auf die numerischen Lösungen der Schießverfahren. Der Schwerpunkt dieses Teils liegt auf den klassischen Differenzenapproximationen (Kapitel 5) und den Variationsmethoden für Randwertprobleme (Kapitel 6). Bei Differenzenapproximationen werden Stabilitäts- und Fehlerabschätzungen aus Maximumprinzipien gewonnen, die analog auch für die Randwertprobleme selbst gelten. Interessant ist, dass man mit Kompaktheitsargumenten unter den gleichen Voraussetzungen stärkere Abschätzungen gewinnt. Variationsmethoden in Kapitel 6 führen im einfachen Fall von stückweise linearen Ansatzfunktionen wieder auf Differenzenverfahren. Im allgemeinen Fall polynomialer Ansatzfunktionen erhält man die Methode der Finiten Elemente, die insbesondere Anwendung bei partiellen Differentialgleichungen findet. Der Vollständigkeit halber geben wir in Kapitel 7 noch einen Überblick über sogenannte Kollokationsverfahren, für die starke funktionalanalytische Ergebnisse aus der Theorie von Gleichungen zweiter Art zur Verfügung stehen. Kollokationsverfahren kann man nämlich als Projektionsverfahren für Gleichungen zweiter Art interpretieren. In Kapitel 8, wie schon in Abschnitt 2.8 für Anfangswertprobleme, werden Überlegungen vorgestellt, wie Gitter adaptiv in geeigneter optimaler Weise konstruiert werden können. Grundlage dafür sind a priori- und a posterioriFehlerabschätzungen, die zum Teil schon in den Kapiteln davor hergeleitet werden.

Kapitel 4

Schießverfahren für Randwertprobleme

Eine Klasse von Verfahren zur Lösung von Randwertproblemen, die auf Methoden für Anfangswertprobleme beruhen, sind die Schießverfahren. Wir stellen zunächst die einfachen Schießverfahren zur Lösung von linearen und nichtlinearen 2-PunktRandwertproblemen vor und erläutern dann kurz die Idee der sogenannten Mehrzielmethoden. Erstere sind für praktische Berechnungen ungeeignet; die auftretenden Instabilitäten werden durch die Mehrzielmethode vermieden. Für die Darstellungen verwenden wir insbesondere das Buch [52] von Stoer–Bulirsch und auch [37], [29].

4.1

Das einfache Schießverfahren für lineare Randwertprobleme

Wir betrachten lineare Randwertprobleme zweiter Ordnung der Form u00 .x/ C p.x/u0 .x/ C q.x/u.x/ D f .x/ ;

x 2 Œa; b ;

(4.1)

mit (separierten) Randbedingungen ˛0 u.a/ C ˛1 u0 .a/ D 0 ;

ˇ0 u.b/ C ˇ1 u0 .b/ D 1 :

(4.2)

Zur Abkürzung bezeichnen wir den Differentialoperator bzw. die Ausdrücke links in (4.1) bzw. (4.2) mit Lu bzw. `0 .u/; `1 .u/. Die Funktionen p; q; f werden als stetig vorausgesetzt. Außerdem wird noch gefordert, dass j˛0 j C jˇ0 j ¤ 0. Gesucht wird eine Lösung u 2 C 2 .a; b/ von (4.1), (4.2). Zur eindeutigen Lösbarkeit reicht es aus, zu fordern, dass das homogene Problem Lz D 0 ;

`0 .z/ D `1 .z/ D 0 ;

nur die triviale Lösung hat. Bedingungen für die Lösbarkeit sind im Anhang A.6 angegeben. Die Idee des Schießverfahrens besteht nun darin, durch die Lösung von zwei Anfangswertproblemen und einer geeigneten Linearkombination davon die Lösung des Randwertproblems zu erhalten. Dafür wählt man die eindeutig bestimmten Lösungen u.1/ ; u.2/ der Anfangswertprobleme Lu.1/ D f ;

u.1/ .a/ D 0 c1 ;

u.1/0 .a/ D 0 c0 ;

(4.3)

112

Kapitel 4 Schießverfahren für Randwertprobleme

und Lu.2/ D 0 ;

u.2/ .a/ D ˛1 ;

u.2/0 .a/ D ˛0 ;

(4.4)

wobei c0 ; c1 Konstanten sind, die ˛1 c0 C ˛0 c1 D 1

(4.5)

erfüllen sollen. Für die Lösung des Randwertproblems macht man nun den Ansatz u.x/ D u.xI s/ D u.1/ .x/ C su.2/ .x/ : Offenbar erfüllt u die Differentialgleichung (4.1). An den Randpunkten x D a bzw. x D b stellt man fest, dass ˛0 u.a/ C ˛1 u0 .a/ D 0 .˛0 c1 C ˛1 c0 / bzw.   ˇ0 u.b/ C ˇ1 u0 .b/ D ˇ0 u.1/ .b/ C ˇ1 u.1/0 .b/ C s ˇ0 u.2/ .b/ C ˇ1 u.2/0 .b/ gelten müssen. Wegen (4.5) ist die Randbedingung bei x D a erfüllt. Wählt man   1  ˇ0 u.1/ .b/ C ˇ1 u.1/0 .b/ ; sD ˇ0 u.2/ .b/ C ˇ1 u.2/0 .b/

(4.6)

dann ist auch die Randbedingung bei x D b erfüllt. Der Nenner in (4.6) ist ungleich null, weil andernfalls z D u.2/ eine nichttriviale Lösung des homogenen Randwertproblems wäre. Die beiden Anfangswertprobleme (4.3) und (4.4) können jeweils als System von zwei Gleichungen erster Ordnung geschrieben werden: ! ! ! ! u.1/ .a/ 0 c1 v .1/ u.1/0 ; D D ; v .1/ 0 pv .1/  qu.1/ C f 0 c0 v .1/ .a/ ! ! ! ! u.2/0 ˛1 v .2/ u.2/ .a/ D D ; : v .2/ 0 pv .2/  qv .1/ ˛0 v .2/ .a/ Man löst diese Anfangswertprobleme nun mit Hilfe eines der Verfahren aus Kapitel 2 oder 3 auf einem äquidistanten Gitter ˇ ˚  Ih D x 2 Œa; bˇx D xj D a C j h; j D 0; : : : ; Nh ; Nh h D b  a ; mit einer Konvergenzordnung O.hp /, ˇ ˇ ./ max ˇu./ .x/  uh .x/ˇ D O.hp / ; x2Ih

ˇ ˇ ./ max ˇv ./ .x/  vh .x/ˇ D O.hp / ;

x2Ih

.h ! 0/ ;

D 1; 2 ;

(4.7)

113

Abschnitt 4.1 Das einfache Schießverfahren für lineare Randwertprobleme

wobei die u./ als hinreichend glatt vorausgesetzt werden. Man benötigt zum Beispiel u./ 2 C 5 .a; b/, wenn man das klassische Runge–Kutta-Verfahren für u./ und v ./ D u./ 0 mit p D 4 verwenden will, wobei für die Anfangsbedingungen nahe liegend die exakten Werte genommen werden, .1/

vh .a/ D 0 c0 ;

.1/

.2/

vh .a/ D ˛0 :

uh .a/ D 0 c1 ;

.2/

uh .a/ D ˛1 ;

.1/

.2/

Setzt man dann als Näherungslösung für das Randwertproblem uh D uh C sh uh mit   .1/ .1/ 1  ˇ0 uh .b/ C ˇ1 vh .b/ ; (4.8) sh D .2/ .2/ ˇ0 uh .b/ C ˇ1 vh .b/ dann überträgt sich die Konvergenzordnung p aus (4.7) auf die Näherungslösung des Randwertproblems: ˇ ˇ max ˇu.x/  uh .x/ˇ D O.hp /

.h ! 0/ :

x2Ih

(4.9)

Außerdem weiß man, dass der Nenner in (4.8) für hinreichend kleines h > 0 auch ungleich null bleibt. Beweis von (4.9). Wir definieren die auftretenden Fehler durch ej D uh .xj /  u.xj / ;

./

ej

./

./

D uh .xj /  u./ .xj / ;

"j

./

D vh .xj /  v ./ .xj / ;

für D 1; 2; j D 0; : : : ; Nh ; und setzen noch zur Abkürzung Uj D uh .xj / ;

./

Uj

./

D uh .xj / ;

./

Vj

./

D vh .xj / :

Man hat dann die Beziehungen .1/

ej D Uj

.2/

C sh Uj

.1/

 u.1/ .xj /  su.2/ .xj /

.2/

D ej C sh Uj  su.2/ .xj /   .1/ .2/ .2/ C .sh  s/ Uj ; D ej C sej

(4.10) j D 0; : : : ; Nh ;

wobei (mit N D Nh )  sh  s D 

.1/

.1/

ˇ0 eN C ˇ1 "N



.2/

ˇ0 UN

  .2/ .2/ C s ˇ0 eN C ˇ1 "N .2/

C ˇ1 VN

:

(4.11)

114

Kapitel 4 Schießverfahren für Randwertprobleme

Zum Nachweis der letzten Beziehung benutzt man (4.6) und (4.8) und erhält   .1/ .1/ 1  ˇ0 UN C ˇ1 VN sh  s D s .2/ .2/ ˇ0 UN C ˇ1 VN     .1/ .1/ .2/ .2/ 1  ˇ0 UN C ˇ1 VN  s ˇ0 UN C ˇ1 VN D .2/ .2/ ˇ0 UN C ˇ1 VN     .1/ .1/ 1  ˇ0 eN C ˇ1 "N  ˇ0 u.1/ .b/ C ˇ1 u.1/0 .b/ D .2/ .2/ ˇ0 UN C ˇ1 VN     .2/ .2/ ˇ0 eN C ˇ1 "N C ˇ0 u.2/ .b/ C ˇ1 u.2/0 .b/ s .2/ .2/ ˇ0 UN C ˇ1 VN     .1/ .1/ 1  ˇ0 eN C ˇ1 "N  ˇ0 u.1/ .b/ C ˇ1 u.1/0 .b/ D .2/ .2/ ˇ0 UN C ˇ1 VN      .2/ .2/ s ˇ0 eN C ˇ1 "N C 1  ˇ0 u.1/ .b/ C ˇ1 u.1/0 .b/  .2/ .2/ ˇ0 UN C ˇ1 VN     .1/ .1/ .2/ .2/ ˇ0 eN C ˇ1 "N C s ˇ0 eN C ˇ1 "N D  : .2/ .2/ ˇ0 UN C ˇ1 VN In (4.11) geht der Zähler wie O.hp / gegen null, der Nenner konvergiert gegen den Wert ˇ0 u.2/ .b/ C ˇ1 u.2/0 .b/, was ja ungleich null ist. Damit hat man in (4.10) max

j D0;:::;Nh

jej j D O.hp /

.h ! 0/ : .1/

.2/

.1/

.2/

Analog zu (4.9) kann man zeigen, dass Vj D Vj C sh Vj D vh .xj / C sh vh .xj / gegen u0 .xj / konvergiert mit der Konvergenzordnung O.hp /. Im Spezialfall von Dirichletschen Randbedingungen, das heißt ˛0 D ˇ0 D 1; ˛1 D ˇ1 D 0 .und c0 D 0 ; c1 D 1/ ; erhält man für den Fehler in (4.10) .2/

.1/

ej D .ej

.2/

.1/

.2/

C sej /  .eN C seN /

weil

uh .xj / .2/

.1/

sh  s D 

j D 0; : : : ; Nh ;

;

uh .b/ .2/

eN C seN .2/

uh .b/

:

(4.12)

115

Abschnitt 4.1 Das einfache Schießverfahren für lineare Randwertprobleme .2/

Da u.2/ .a/ D uh .a/ D ˛1 D 0, ist e0 D 0, und aus der obigen Darstellung .2/

.2/

(4.12) ergibt sich auch eN D 0. Wenn an inneren Gitterpunkten uh .xj /=uh .b/ .2/

groß wird – zum Beispiel wenn u.2/ .b/ klein ist, und damit auch uh .b/ – dann kann die Genauigkeit zum Rand hin zerstört werden. Andere Probleme, durch sogenannte Auslöschung, werden in [37, Abschnitt 2.1] beschrieben und zeigen schon für lineare Problem die eingeschränkte Anwendbarkeit des einfachen Schießverfahrens. Das einfache Schießverfahren lässt sich allgemeiner auf Systeme von gewöhnlichen Differentialgleichungen der Form u0 .x/ D T .x/u.x/ C g.x/ ;

x 2 Œa; b ;

(4.13)

mit Randbedingungen Au.a/ C Bu.b/ D c

(4.14)

anwenden. Hierbei sind T .x/ eine n  n-Matrix mit variablen Koeffizienten, g W Œa; b ! Rn eine vektorwertige Funktion, A; B konstante n  n-Matrizen und c 2 Rn . Es wird vorausgesetzt, dass T und g stetige Funktionen sind. Gesucht wird eine stetige differenzierbare Funktion u W Œa; b ! Rn als Lösung von (4.13), (4.14). Hinsichtlich Lösbarkeitsaussagen sei auf [60, Abschnitt 26] hingewiesen. Beispiel 4.1. Das 2-Punktrandwertproblem (4.1), (4.2) lässt sich auch in der Form (4.13), (4.14) schreiben, wenn man .u1 ; u2 / D .u; u0 /> und ! ! 0 1 0 T D ; gD q p f setzt. Für die Randbedingungen setzen wir ! ! 0 0 ˛0 ˛1 ; BD ; AD 0 0 ˇ0 ˇ1

cD

0 1

! :

Bezeichnet man mit y.xI s/ die eindeutig bestimmte Lösung des Anfangswertproblems (4.15) y 0 D T .x/y C g ; y.aI s/ D s ; dann versucht man den Vektor s so zu bestimmen, dass die Randbedingung (4.14) erfüllt ist. Dies kann bei linearen Problemen der Form (4.13), (4.14) wie folgt geschehen. Zunächst stellt man fest, dass y. I s/ explizit in der Form y.xI s/ D Y .x/s C y.xI 0/

(4.16)

dargestellt werden kann, wobei die n  n-Matrix Y .x/ Lösung des Systems von Anfangswertaufgaben (4.17) Y 0 D T .x/Y; Y .a/ D E ;

116

Kapitel 4 Schießverfahren für Randwertprobleme

ist; E bezeichnet die Einheitsmatrix. Y stellt dann ein spezielles Fundamentalsystem von y 0 D T y dar. Beweis von (4.16). Bezeichnet man die rechte Seite von (4.16) mit u.xI s/, dann gilt u.aI s/ D Y .a/s C y.aI 0/ D s ; u0 .xI s/ D Y 0 .x/s C y 0 .xI 0/ D T .x/Y .x/s C T .x/y.xI 0/ C g.x/ D T .x/u.xI s/ C g.x/ ;

x 2 Œa; b :

Damit ist u. I s/ Lösung von (4.15), und wegen der Eindeutigkeit muss u.xI s/ D y.xI s/ sein. Mit den Randbedingungen und der Lösung y von (4.15) setzen wir F .s/ WD As C By.bI s/  c. Dann gilt wegen (4.16)   F .s/ D A C BY .b/ s C By.bI 0/  c : Also ist F .s/ affin als Funktion von s. Um die Randbedingungen in (4.14) exakt zu erfüllen, muss eine Lösung sQ der Gleichung F .s/ D 0 gefunden werden. Diese kann man explizit angeben durch  1   sQ D  A C BY .b/ By.bI 0/  c : (4.18) Die Regularität von AY .a/ C BY .b/ D A C BY .b/ sichert bekanntlich die eindeutige Lösbarkeit des gegebenen Randwertproblems und wird im Folgenden vorausgesetzt. Hat man allgemeiner schon eine Näherung s .0/ von sQ zur Verfügung sowie das zugehörige y.xI s .0/ / , dann erhält man die Lösung sQ von F .Qs / D 0 auch durch  1  .0/  sQ D s .0/  A C BY .b/ (4.19) As C By.bI s .0/ /  c : Wie in (4.16) sieht man nämlich, dass man y.xI s/ unter Benutzung von s .0/ auch darstellen kann durch y.xI s/ D Y .x/.s  s .0/ / C y.xI s .0/ / :

(4.20)

Für F .s/ ergibt sich damit die Darstellung   F .s/ D F .s .0/ / C A C BY .b/ .s  s .0/ / woraus (4.19) folgt. Zur Bestimmung der Lösung des Randwertproblems (4.13), (4.14) muss man also das Anfangswertproblem (4.15) für s D s .0/ sowie die n Anfangswertprobleme (4.17) lösen sowie die Lösung sQ eines algebraischen Gleichungssystems für sQ  s .0/ bestimmen (siehe (4.19)). Man kann nun die auftretenden Anfangswertprobleme (4.15) und (4.16) durch geeignete Verfahren – zum Beispiel das Runge-Verfahren – näherungsweise lösen und diese Näherungslösungen in der Formel (4.19) verwenden, um eine Näherung sQh von sQ zu berechnen. Die Näherungslösung des Randwertproblems (4.13), (4.14) ergibt sich dann aus den entsprechenden Näherungsformeln analog zu (4.16) oder (4.20).

Abschnitt 4.2 Das einfache Schießverfahren für nichtlineare Randwertprobleme

4.2

117

Das einfache Schießverfahren für nichtlineare Randwertprobleme

Wir betrachten nun ein allgemeines System von nichtlinearen Randwertaufgaben der Form   u0 .x/ D f x; u.x/ ;

x 2 I WD Œa; b ;

  r u.a/; u.b/ D 0 :

Dabei sind f W I  Rn ! Rn und r W Rn  Rn ! Rn vektorwertige Funktionen, die als zweimal stetig differenzierbar bezüglich aller Argumente vorausgesetzt werden. Wir setzen weiter voraus, dass eine lokal eindeutige, stetig differenzierbare Lösung u W I ! Rn existiert. Für nichtlineare Randwertprobleme gibt es keine allgemeine Lösungstheorie; die lokale Eindeutigkeit lässt sich über die Lösbarkeit der zugehörigen linearisierten Probleme sicherstellen. Beim kontinuierlichen, einfachen Schießverfahren geht man von dem Anfangswertproblem   y.a/ D s (4.21) y 0 .x/ D f x; y.x/ ; x 2 I ; aus und versucht, den Parametervektor s so zu bestimmen, dass die Lösung y.xI s/ auch die Randbedingungen     r y.aI s/; y.bI s/ D r s; y.bI s/ D 0 erfüllen. Die Suche nach einer Nullstelle der implizit definierten Funktion   F .s/ WD r s; y.bI s/

(4.22)

geschieht am besten mit Hilfe des Newton-Verfahrens. Dazu benötigt man die Funktionalmatrix der Funktion F .s/, die gegeben ist durch     F 0 .s/ D ru s; y.bI s/ C rv s; y.bI s/ Z.bI s/ :

(4.23)

Hierbei bezeichnen ru bzw. rv die Matrizen der partiellen Ableitungen nach den ersten bzw. letzten n Argumenten von r,     @ri .u; v/ @ri .u; v/ ; rv .u; v/ D ru .u; v/ D @uj @vj i;j i;j und Z.bI s/ bezeichnet die Matrix der Ableitungen von y.bI s/ nach dem Anfangswert s ausgewertet bei b. Allgemein gilt für x 2 I   @yi .xI s/ : Z.xI s/ D @sj i;j

118

Kapitel 4 Schießverfahren für Randwertprobleme

Letztere erhält man als Lösung des linearen Matrix-Anfangswertproblems   Z 0 .xI s/ D fy x; y.xI s/ Z.xI s/ ; x 2 I ; Z.aI s/ D E :

(4.24)

Damit ergibt sich dann das Newton-Verfahren in folgender Form, s .i C1/ D s .i/  F 0 .s .i/ /1 F .s .i/ / ;

i D 0; 1; 2; : : : ;

mit einem geeigneten Startvektor s .0/ . In jedem Schritt des Newton-Verfahrens ist Folgendes zu tun: a) Löse das Anfangswertproblem (4.21) für s D s .i/ und werte   F .s .i/ / D r s .i/ I y.bI s .i/ / aus. b) Löse die n Anfangswertprobleme in (4.24) mit s D s .i/ und berechne die Funktionalmatrix F 0 .s .i/ / aus (4.23). c) Löse das lineare Gleichungssystem F 0 .s .i/ / D F .s .i/ / und setze s .i C1/ D s .i/ C . Mit geeigneten Voraussetzungen an f und r ist dabei sicherzustellen, dass die Anfangswertprobleme in (4.24) eindeutig lösbar und die Funktionalmatrizen in (4.23) für s .i/ ; i D 0; 1; 2; : : : ; regulär sind (siehe zum Beispiel [60], [12]). Außerdem ist der Startvektor s .0/ geeignet zu bestimmt, damit das Newton-Verfahren mit der bekannten quadratischen Konvergenz die gesuchte Nullstelle von F .s/ (vergleiche (4.22)) liefert. Die Bestimmung der Funktionalmatrix in (4.23) bzw. die Lösung von (4.24) können in der Praxis sehr aufwendig sein, so dass man versucht, F 0 .s/ durch Differenzenquotienten   F .s/ D 1 F .s/; : : : ; n F .s/ zu approximieren, wobei j F .s/ D

F .s1 ; : : : ; sj C sj ; : : : ; sn /  F .s1 ; : : : ; sn / ; sj

j D 1; : : : ; n :

Die Werte von F .s1 ; : : : ; sn / sowie F .s1 ; : : : ; sj C sj ; : : : ; sn / werden wie oben (vergleiche a)) durch das Lösen von Anfangswertproblemen der Form (4.21) berechnet. Beispiel 4.2. Im Spezialfall linearer Probleme hat man (vergleiche (4.13), (4.14)) ru D A ;

r.u; v/ D Au C Bv  c ; F .s/ D As C By.bI s/  c ;

rv D B ;

0

F .s/ D A C BZ.bI s/ :

Hier ist Z.bI s/ D Y .b/ mit Y aus (4.17), und (4.18) bzw. (4.20) zeigen, dass man mit einem Schritt des Newton-Verfahrens die Nullstelle exakt erhält.

119

Abschnitt 4.3 Die Mehrzielmethode

4.3

Die Mehrzielmethode

Auf die Schwierigkeiten bei der Durchführung des einfachen Schießverfahren wurde in Abschnitt 4.1 hingewiesen. Ein weiteres instruktives, problematisches Beispiel ist in [52, Abschnitt 7.3.4] ausgeführt worden. Unter den Voraussetzungen des Existenzund Eindeutigkeitssatzes von Picard–Lindelöf zeigen die Lösungen von Anfangswertproblemen der Form (4.21) exponentielles Stabilitätsverhalten, y.xI s1 /  y.xI s2 /  e Ljxaj ks1  s2 k ; (4.25) wobei L die Lipschitzkonstante für f bezeichnet. Der exponentielle Term in (4.25) kann sehr groß werden, was zur Einführung der Mehrzielmethode (auch „Mehrfachschießverfahren“; englisch ‘multiple shooting method’) geführt hat. Wir erläutern diese Methode nur an linearen Problemen der Form (4.13), (4.14); für nichtlineare Probleme ist die Vorgehensweise ganz analog (siehe zum Beispiel [29, Abschnitt 87], [52, Abschnitt 7.3.5]). Praktische Aspekte bei der Durchführung der Mehrzielmethode werden in [52, Abschnitt 7.3.6] erläutert. Die Methode wurde bereits 1968 von Keller in [37] beschrieben. Das Integrationsintervall wird in Teilintervalle unterteilt mittels a D x1 < x2 < : : : < xmC1 D b ; und das einfache Schießverfahren wird auf jedes der Teilintervalle Œxk ; xkC1  angewendet, und die dabei gewonnenen Teilstücke der Lösung zu einer globalen Lösung zusammengesetzt. Für gegebene Vektoren sk 2 Rn ; k D 1; : : : ; m, seien y.xI xk ; sk / die Lösungen der Anfangswertprobleme y 0 .x/  T .x/y.x/ D g.x/ ;

x 2 Œxk ; xkC1  ;

Abbildung 4.1. Idee der Mehrzielmethode

y.xk / D sk :

120

Kapitel 4 Schießverfahren für Randwertprobleme

Das Problem besteht dann darin, die m Vektoren sk so zu bestimmen, dass die zusammengesetzte Funktion y.x/ W Œa; b ! R mit y.x/ WD y.xI xk ; sk /;

x 2 Œxk ; xkC1  ;

k D 1; : : : ; m;

stetig auf ganz Œa; b wird und der Randbedingung Ay.a/ C By.b/ D c genügt. Dann ist y.x/ eine stetig differenzierbare Lösung von (4.13) auf ganz Œa; b. Die obigen Forderungen an y.x/ ergeben folgende Bestimmungsgleichungen für die Vektoren sk 2 Rn : y.xkC1 I xk ; sk / D skC1 ;

k D 1; : : : ; m  1;

As1 C By.bI xm ; sm / D c :

(4.26)

Seien wieder yk .x/; Yk .x/; k D 1; : : : ; m, die eindeutig bestimmten Lösungen der Anfangswertprobleme yk0 .x/  T .x/yk .x/ D g.x/ ;

x 2 Œxk ; xkC1  ;

yk .xk / D 0 ;

Yk0 .x/

x 2 Œxk ; xkC1  ;

Yk .xk / D E :

 T .x/Yk .x/ D 0 ;

Die Gleichungen in (4.26) führen dann über die lokalen Lösungsdarstellungen y.xI xk ; sk / D yk .x/ C Yk .x/sk ;

k D 1; : : : ; m ;

auf yk .xkC1 / C Yk .xkC1 /sk D skC1 ;   As1 C B ym .b/ C Ym .b/sm D c :

k D 1; : : : ; m  1;

Die Parametervektoren s1 ; : : : ; sm sind also bestimmt durch ein lineares mn  mnGleichungssystem (4.27) Am s D ˇ   > mit s D .s1 ; : : : ; sm /> ; ˇ D c  Bym .b/; y1 .x2 /; : : : ; ym1 .xm / und der Koeffizientenmatrix 3 2 A 0 0 BYm .b/ 7 6 7 6Y1 .x2 / E 0 7 6 7 6 :: :: 7: : : Am D 6 7 6 7 6 :: 7 6 : E 5 4 0

Ym1 .xm /

E

121

Abschnitt 4.3 Die Mehrzielmethode

Die mit dem Lösungsvektor sQ von (4.27) gebildete Funktion u 2 C.I / ist dann konstruktionsgemäß die Lösung des Randwertproblems (4.13), (4.14). Zur Untersuchung der Regularität der Matrix Am nehmen wir folgende Dreieckszerlegung vor: 3 2 3 2 E ::: 0 Q1 Q 2 : : : Q m 7 6 7 6 7 6Y .x / : : : 7 6 0 E 1 2 7 6 7 6 Am D 6 7 7 6 :: :: 7 6 7 6 : : E 5 4 5 4 0 E 0 Ym1 .xm / E „ ƒ‚ … „ ƒ‚ … DWR

DWL

mit den rekursiv bestimmten n  n-Matrizen Qm D BYm .b/ :: : Qk D QkC1 Yk .xkC1 / ; :: :

k D m  1; : : : ; 2;

Q1 D A C Q2 Y1 .x2 / D A C BYm .b/Ym1 .xm / Y1 .x2 / : Offensichtlich ist die Matrix Am regulär, wenn es die Matrix Q1 D A C BYm .b/Ym1 .xm / Y1 .x2 / ist. Man überzeugt sich, dass Ym .b/Ym1 .xm / Y1 .x2 / D Y .b/ und damit Q1 D A C BY .b/ ist, wobei Y die Lösung von (4.17) bezeichnet. Das Mehrfachschießverfahren ist also durchführbar, wenn das gegebene Randwertproblem eine eindeutige Lösung besitzt, das heißt, wenn A C BY .b/ regulär ist. Die Dreieckszerlegung Am D RL kann direkt zur Berechnung des Parametervektors sQ verwendet werden, oder man nutzt das Gaußsche Eliminationsverfahren zur Lösung des Systems (4.27). Bei der praktischen Durchführung des Mehrfachschießverfahrens berechnet man analog zum einfachen Schießverfahren wieder mit Hilfe eines „AWP-Lösers“ diskrete Näherungen ykh und Ykh auf Gittern Ih;k in Œxk ; xkC1  zu den Funktionen yk .x/ und Yk .x/ und erhält damit eine Approximation Ahm sQ h D ˇ h h ergeben zum System (4.27). Die daraus bestimmten Parametervektoren sQ1h ; : : : ; sQm dann durch

y h WD ykh C Ykh sQkh ;

x 2 Ih;k  Œxk ; xkC1  ;

k D 1; : : : ; m ;

122

Kapitel 4 Schießverfahren für Randwertprobleme

eine Näherungslösung y h für das gegebene Anfangswertproblem. Analog wie in Abschnitt 4.1 zeigt man auch hier die Konvergenz max u.x/  y h .x/ 1 D O.hp / .h ! 0/ x2Ih

mit der Ordnung p des AWP-Lösers. Dabei ist Ih D Ih;0 [ [ Ih;m , und die Schießpunkte xk sollten sinnvollerweise auch Gitterpunkte sein.

Kapitel 5

Differenzenverfahren für Randwertprobleme

Neben den Beispielen in Kapitel 1 (siehe Beispiel 1.4 „Temperaturverteilung“ und Beispiel 1.5 „Balkenbiegung“) werden wir einleitend in diesem Kapitel mit den singulär gestörten Differentialgleichungen eine weitere Klasse von Beispielen für Randwertprobleme bei gewöhnlichen Differentialgleichungen etwas ausführlicher darstellen. Anschließend werden wir Differenzenapproximationen für lineare und nichtlineare gewöhnliche Differentialgleichungen zweiter Ordnung analysieren. Hierbei kann man Stabilitätsabschätzungen entweder über Maximumprinzipien oder mit Hilfe von Kompaktheitsargumenten gewinnen. Konvergenz einschließlich Fehlerabschätzungen lassen sich auch bei Randwertproblemen wieder dadurch nachweisen, dass man die Fehlergleichung aufstellt und den Fehler in die Stabilitätsabschätzung einsetzt, wobei in der Schranke auf der rechten Seite im Wesentlichen die Abschneidefehler auftauchen.

5.1

Singulär gestörte (gewöhnliche) Differentialgleichungen

Bei einer Differentialgleichung der Form "u00 C 2u0 C u D f ;

0  x  1;

(5.1)

beobachtet man bei kleiner werdendem Parameter " > 0, dass sich die Lösung in einem kleinen Gebiet bei x D 1 immer rascher ändert. Dieses Gebiet bezeichnet man als Grenzschicht. Ist zum Beispiel f D 0 und u.0/ D ˛ ; u.1/ D ˇ, dann hat die Lösung die Gestalt u" .x/ D

.˛ exp.s2 /  ˇ/ exp.s1 x/ C .ˇ  ˛ exp.s1 // exp.s2 x/ : exp.s2 /  exp.s1 /

(5.2)

Ein Fundamentalsystem der zu (5.1) gehörigen homogenen Differentialgleichung erp hält man nämlich durch fexp.s1 x/ ; exp.s2 x/g, wobei s1;2 D .1 ˙ 1 C "/=" die Wurzeln von "s 2 C 2s C 1 D 0 sind. In der Darstellung u" D c1 exp.s1 x/ C c2 exp.s2 x/ bestimmen sich die Koeffizienten c1 ; c2 durch die Randbedingungen, c1 D

˛ exp.s2 /  ˇ ; exp.s2 /  exp.s1 /

c2 D

ˇ  ˛ exp.s1 / ; exp.s2 /  exp.s1 /

124

Kapitel 5 Differenzenverfahren für Randwertprobleme

was die obige Darstellung (5.2) ergibt.

Abbildung 5.1. Grenzschichtproblem (eine Grenzschicht)

Differentialgleichungen dieser Art beschreiben zum Beispiel stationäre Diffusionsprozesse, bei denen der Diffusionskoeffizient sehr klein ist (vergleiche Goering [23], O’Malley [40]). Die sogenannte Peclet-Zahl 1=" ist dann sehr groß. Für solche Probleme werden Randbedingungen vorgeschrieben. Durch (5.1) wird außerdem eine Schwingung mit sehr kleiner Masse und großer Dämpfung beschrieben. Der kleine Parameter " ergibt sich als Quotient der Masse und dem Quadrat des Dämpfungskoeffizienten (siehe Cole [13]). Die in der Physik, aber auch in der Biologie und Chemie, auftretenden gewöhnlichen Differentialgleichungen, deren Lösungen ein Grenzschichtverhalten zeigen, sind im Allgemeinen nichtlinear. Durch Entwicklung von s1;2 nach Potenzen von " in der obigen Darstellung (5.2) der Lösung lässt sie sich auch in der asymptotischen Weise   p 1x C O."/ (5.3) u" .x/ D ˛ exp.x=2/ C .ˇ  ˛= e/ exp 2 " schreiben. Diese Darstellung mit Hilfe des bekannten Landauschen Symbols besagt, dass die Lösung bezüglich der Maximumnorm durch die angegebene Funktion bis auf Terme der Größenordnung " approximiert wird. Der erste Summand ˛ exp.x=2/ in (5.3) ist die Lösung des sogenannten reduzierten Problems (das heißt (5.1) mit " D 0) 2u0 C u D 0 ;

Abschnitt 5.1 Singulär gestörte (gewöhnliche) Differentialgleichungen

125

welche die linke Randbedingung u.0/ D ˛ erfüllt. Lösungen des reduzierten Problems können im Allgemeinen nicht alle für (5.1) geforderten Anfangs- oder Randbedingungen erfüllen. Differentialgleichungen mit kleinem Parameter, deren Ordnungen sich beim Übergang zum zugehörigen reduzierten Problem verringern, heißen singulär gestörte Differentialgleichungen. Dieser Begriff ist dadurch motiviert, dass die gegebene Gleichung (mit kleinem Parameter ") als Störung des reduzierten Problems (mit " D 0) aufgefasst wird. Enthält die Differentialgleichung keine Ableitung erster Ordnung, zum Beispiel "u00 C u D f ;

0  x  1;

(5.4)

dann zeigt die Lösung ein verändertes Verhalten. Speziell für f D 1 und u.0/ D u.1/ D 0 hat man die Darstellung p p exp.x= "/ C exp..1  x/= "/ u" .x/ D 1  : (5.5) p 1 C exp.1= "/

Abbildung 5.2. Grenzschichtproblem (zwei Grenzschichten)

p p Hier hat man nämlich ein Fundamentalsystem fexp.x= "/ ; exp..1x/= "/g für die zu (5.4) gehörige homogene Differentialgleichung; die Methode der Variation der Konstanten liefert die Lösung (5.5) für die obige halbhomogene Randwertaufgabe. In diesem Beispiel tritt sowohl bei x D 0 als auch bei x D 1 eine Grenzschicht auf. Die Lösung des zugehörigen reduzierten Problems ist hier einfach durch u0 D f gegeben. Zum Abschluss dieses Abschnitts sei noch bemerkt, dass das Auftreten von Grenzschichten neben dem betrachteten Typ der Differentialgleichung auch von den vorgeschriebenen Rand- und Anfangswerten und von der inhomogenen rechten Seite

126

Kapitel 5 Differenzenverfahren für Randwertprobleme

f abhängt. Sind zum Beispiel in (5.1) für f D 0 die Randwerte u.0/ D 1 und p u.1/ D 1= e vorgeschrieben, dann hat die Lösung die asymptotische Darstellung u" .x/ D exp.x=2/ C O."/, und keine Grenzschicht tritt auf. Die Lösung des reduzierten Problems erfüllt hier beide Randbedingungen der Differentialgleichung (5.1).

5.2

Differenzenapproximationen für lineare gewöhnliche Differentialgleichungen zweiter Ordnung

Sei C r .a; b/ ; b > a, der Raum aller stetigen reell- bzw. komplexwertigen Funktionen auf I D Œa; b  R mit stetigen Ableitungen bis zur Ordnung r in .a; b/. Definition 5.1. Zu gegeben p; q; f 2 C Œa; b und Zahlen ˛0 ; ˛1 , ˇ0 , ˇ1 , 0 , 1 2 K mit jˇ0 j C jˇ1 j > 0 j˛0 j C j˛1 j > 0 ; sucht man in einem Randwertproblem für lineare gewöhnliche Differentialgleichungen zweiter Ordnung eine Funktion u 2 C 2 .a; b/ als Lösung von u00 .x/ C p.x/u0 .x/ C q.x/u.x/ D f .x/ ; ˛0 u.a/ C ˛1 u0 .a/ D 0 ;

x2I;

(5.6)

ˇ0 u.b/ C ˇ1 u0 .b/ D 1 :

(5.7)

Wir bezeichnen den auftretenden Differentialoperator bzw. die durch die Randbedingungen gegebenen linearen Funktionale durch .Lv/.x/ WD v 00 .x/ C p.x/v 0 .x/ C q.x/v.x/ ; bzw.

`0 .v/ WD ˛0 v.a/ C ˛1 v 0 .a/ ; `1 .v/ WD ˇ0 v.b/ C ˇ1 v 0 .b/ :

Bedingungen zur eindeutigen Lösbarkeit von (5.6), (5.7) sind im Anhang A.6 angegeben, wobei dort die selbstadjungierte Form des Differentialoperators zugrundegelegt wurde. Zur Approximation betrachten wir in diesem Kapitel Differenzenmethoden. Für eine Folge von Maschenweiten h > 0 bezeichne ˚  Ih WD x 2 R j x D xj WD a C j h ; j D 0; : : : ; Nh ˚  Ih0 WD x 2 R j x D xj ; j D 1; : : : ; Nh  1 zugehörige Gitter, wobei Nh 2 N ; hNh D ba. Zur Approximation der Ableitungen in (5.6) verwenden wir zunächst zentrale Differenzenquotienten 1 .vh .x C h/  vh .x  h// ; 2h 1 .Dh2 vh /.x/ D 2 .vh .x C h/  2vh .x/ C vh .x  h// ; h .Dh vh /.x/ D

x 2 Ih0 ;

127

Abschnitt 5.2 Lineare gewöhnliche Differentialgleichungen zweiter Ordnung

welche Approximationen der ersten und zweiten Ableitung darstellen, und zwar bei Anwendung auf genügend glatte Funktionen u mit einem Fehler der Ordnung O.h2 /. Eine mögliche Differenzenapproximation von (5.6) erhält man dann durch   .Lh uh /.x/ WD Dh2 uh .x/ C ph .x/Dh uh .x/ C qh .x/uh .x/ D fh .x/ ; x 2 Ih0 ; (5.8) wobei ph ; qh ; fh Näherungen von p; q; f auf dem Gitter Ih0 bezeichnen. Im einfachsten Fall sind sie durch Restriktionen der gegebenen Funktionen auf das Gitter erklärt. Die Randbedingungen (5.7) werden approximiert durch   `0;h .uh / WD ˛0;h uh .a/ C ˛1;h DhC uh .a/ D 0;h ; (5.9)   `1;h .uh / WD ˇ0;h uh .b/ C ˇ1;h Dh uh .b/ D 1;h ; wobei ˛0;h ; ˇ0;h ; ˛1;h ; ˇ1;h ; 0;h ; 1;h Näherungen von ˛0 ; ˇ0 ; ˛1 ; ˇ1 ; 0 ; 1 und 1 .vh .x C h/  vh .x// bzw. h 1 Dh vh .x/ D .vh .x/  vh .x  h// h die vorwärts- bzw. rückwärtsgenommenen Differenzenquotienten erster Ordnung bezeichnen. Die Differenzenoperatoren lassen sich auch wie folgt schreiben: DhC vh .x/ D

.Lh uh /.x/ D a1;h .x/uh .x  h/ C a0;h .x/uh .x/ C a1;h .x/uh .x C h/ ; x 2 Ih0 ; (5.10) wobei



1 1 a1;h .x/ D 2 1  hph .x/ ; h 2

1 a0;h .x/ D  2 2  h2 qh .x/ ; h

1 1 a1;h .x/ D 2 1 C hph .x/ ; h 2

(5.11) x 2 Ih0 :

Die Approximationen in (5.8) und (5.9) führen auf die Lösung eines linearen Gleichungssystems Lh uh .x/ D fh .x/ ;

x 2 Ih0 ;

`0;h .uh / D 0;h ;

`1;h .uh / D 1;h ;

für uh 2 C.Ih /. Im Fall von Dirichletschen Randbedingungen (also Randbedingungen erster Art), ˛1 D ˇ1 D ˛1;h D ˇ1;h D 0 ; ˛0 D ˛0;h 6D 0 ; ˇ0 D ˇ0;h 6D 0, kann man sofort ein Lösbarkeitskriterium angeben. Ist nämlich ja1;h j C ja1;h j  ja0;h j

und

ja1;h j < ja0;h j

in Ih0 ;

(5.12)

128

Kapitel 5 Differenzenverfahren für Randwertprobleme

dann erfüllt die zugehörige .Nh  1/  .Nh  1/-Matrix das schwache Zeilensummenkriterium (siehe [54], 8.2.2); sie ist also regulär und das Gleichungssystem eindeutig lösbar. Für die durch (5.11) gegebenen Koeffizienten ist (5.12) offenbar erfüllt, falls ph gleichmäßig beschränkt, h hinreichend klein und qh  0 ist. Genauer benötigen wir hier für h die Einschränkung h  1=c, wobei c eine Schranke für jph j bezeichnet. Die Genauigkeit der Approximation der Randwertaufgabe durch die Differenzengleichungen wird gemessen durch den sogenannten Abschneidefehler h . Dies ist der Fehler, der auftritt, wenn die Lösung u der Randwertaufgabe in die Differenzengleichungen eingesetzt wird, die ja im Allgemeinen von u nicht exakt erfüllt werden. Der Abschneidefehler der Differenzengleichung ist demnach gegeben durch x 2 Ih0 ;

h .x/ D .Lh u/.x/  .Lu/.x/ ; der Abschneidefehler in den Randbedingungen durch `0;h .u/ D `0 .u/ C h .a/ ;

`1;h .u/ D `1 .u/ C h .b/ :

Die Tatsache, dass es sich bei (5.8), (5.9) überhaupt um eine Approximation der Randwertaufgabe (5.6), (5.7) handelt, wird durch die Konsistenzbedingung h ! 0

.h ! 0/

ausgedrückt, wobei die Konvergenz des Abschneidefehlers gegen null von der Wahl der zugrundegelegten Räume und Normen abhängt. Für den Fall ph D pjIh0 ; qh D qjIh0 liefert die Taylor-Entwicklung max j h .x/j D O.h2 / .h ! 0/ ;

x2Ih0

falls die Lösung des Randwertproblems u 2 C 4 .a; b/ erfüllt. Für die Randapproximationen hat man im Fall ˛i;h D ˛i ; ˇi;h D ˇi für i D 0; 1, dass j h .a/j C j h .b/j D O.h/

.h ! 0/ :

Bessere Randapproximationen erhält man durch Differenzenquotienten höherer Genauigkeit (vergleiche zum Beispiel [54, Abschnitt 3]). Betrachtet man den Differentialoperator in selbstadjungierter Form Lv D .pv/0 C qv mit p 2 C 1 .a; b/, dann lässt sich die Differentialgleichung Lu D f in der Form pu00 C p 0 u0 C qu D f

in .a; b/

129

Abschnitt 5.3 Stabilität und Konvergenz mit Maximumprinzipien

schreiben. Nimmt man noch p 6D 0 an und dividiert durch p, dann erhält man durch die Differenzenapproximation analog zu (5.8) ein tridiagonales Gleichungssystem     h h 2 1  pQj vj 1  .2  h qQj /vj C 1 C pQj vj C1 D h2 fQj ; j D 1; : : : ; Nh  1; 2 2 zur Bestimmung von vj D uh .xj /, wobei pQj D

p 0 .xj / ; p.xj /

qQj D

q.xj / ; p.xj /

f .xj / fQj D ; p.xj /

j D 1; : : : ; Nh  1 :

Die Lösbarkeit ist hier gesichert, falls q  0;

5.3

p.x/  p0 > 0 ;

jp 0 .x/j   ;

x2I;

und

h  p0 = :

Stabilität und Konvergenz mit Maximumprinzipien

Die Stabilität von Differenzenoperatoren der Form (5.10) wird üblicherweise mit Hilfe eines Maximumprinzips gezeigt. In Ciarlet1 werden Differenzenoperatoren von „verallgemeinertem nichtnegativen Typ“ untersucht und ein Maximumprinzip mit entsprechenden Abschätzungen gezeigt. Diese Untersuchungen gelten allgemein für Differenzenapproximationen elliptischer Differentialoperatoren, also zum Beispiel auch für die Laplace-Gleichung. Wir beschränken uns im Folgenden auf Dirichletsche Randbedingungen und setzen deshalb ˛0 D ˇ0 D ˛0;h D ˇ0;h D 1 ;

˛1 D ˇ1 D ˛1;h D ˇ1;h D 0 :

Definition 5.2. Ein Differenzenoperator Lh der Form (5.10) heißt von positivem Typ, wenn (siehe [49, Abschnitt[8.1]) a1;h > 0 ;

a1;h > 0 ;

a1;h C a0;h C a1;h  0

in Ih0 :

(5.13)

Lh heißt von negativem Typ, wenn Lh von positivem Typ ist. Unter der Voraussetzung positiver oder negativer Typ ist offenbar das schwache Zeilensummenkriterium für das zu (5.8) gehörige tridiagonale Gleichungssystem erfüllt, so dass (5.8) eindeutig lösbar ist (vergleiche [54, Abschnitt 8.2.2]). Differenzenapproximationen von positivem Typ und die Eigenschaft einer M -Matrix für das zugehörige Gleichungssystem sind eng verwandt, worauf wir hier jedoch nicht eingehen. Für die Klasse der Differenzenoperatoren von positivem Typ gilt das folgende Maximumprinzip. 1 Ciarlet,

P. G.: Discrete maximum principle for finite-difference operators. Aequationes Math. 4 (1970), 338–352.

130

Kapitel 5 Differenzenverfahren für Randwertprobleme

Satz 5.3. Der Differenzenoperator Lh sei von positivem Typ und vh 2 C.Ih / erfülle Lh vh .x/  0 ; x 2 Ih0 . Dann gilt die Abschätzung max vh .x/  max.0; vh .a/; vh .b// :

x2Ih

(5.14)

Nimmt vh in einem Punkt aus Ih0 ein nichtnegatives Maximum an, dann ist vh konstant auf Ih . Beweis. Im Widerspruch zur zweiten Behauptung nehmen wir an, dass ein x 2 Ih0 existiert mit vh .x  h/  vh .x/ ;

vh .x C h/  vh .x/ ;

vh .x/  0 ;

wobei in mindestens einer der beiden Abschätzungen keine Gleichheit vorliegt. Dann gilt zusammen mit (5.13) 0  Lh vh .x/ D a1;h .x/vh .x  h/ C a0;h .x/vh .x/ C a1;h .x/vh .x C h/   < a1;h .x/ C a0;h .x/ C a1;h .x/ vh .x/  0 ; womit ein Widerspruch erbracht ist. Aus der gezeigten Behauptung folgt sofort auch (5.14), denn für ein nichtnegatives Maximum bei x 2 Ih0 muss 0  vh .x/ D vh .a/ D vh .b/ sein. Für ein negatives Maximum ist trivialerweise vh .x/  0. Aus Satz 5.3 ergeben sich sofort einige Folgerungen. Die einzige Lösung der homogenen Differenzengleichung Lh uh D 0 ;

uh .a/ D uh .b/ D 0 ;

ist die triviale Lösung uh D 0. Zunächst folgt nämlich, dass uh .x/  0 ; x 2 Ih , für jede Lösung; Anwendung von Satz 5.3 auf .uh / liefert schließlich uh .x/  0 ; x 2 Ih . Ist zusätzlich a1;h C a0;h C a1;h D 0, dann gilt unter den Voraussetzungen von Satz 5.3, dass max vh .x/  max.vh .a/; vh .b// : x2Ih

Man kann dann nämlich zum Widerspruch in Beweis von Satz 5.3 kommen, ohne vh .x/  0 (für ein nichtnegatives Maximum) zu benutzen. Als Folgerung der ersten Aussage von Satz 5.3 erhält man noch die folgende Monotonie-Eigenschaft: Lh vh .x/  Lh uh .x/ ; H)

vh .x/  uh .x/ ;

x 2 Ih0 ;

vh .a/  uh .a/ ; vh .b/  uh .b/

x 2 Ih :

Die Koeffizienten (siehe (5.11)) der Differenzenapproximation (5.8), das heißt     h a˙1;h .x/ D h2 1 ˙ ph .x/ ; a0;h .x/ D h2 2  h2 qh .x/ ; 2

(5.15)

131

Abschnitt 5.3 Stabilität und Konvergenz mit Maximumprinzipien

erfüllen offenbar die Positivitätsbedingung (5.13), wenn qh .x/  0 ;

jph .x/j  c1 ;

x 2 Ih0 ;

(5.16)

mit c1  0, und falls die Maschenweite h hinreichend klein ist, das heißt 0 < h  h0 mit h0 < 2=c1 . Unter den genannten Voraussetzungen ist eine Stabilitätsungleichung für Lh bezüglich der diskreten Maximumnorm erfüllt, wobei zum Beweis wesentlich die Monotonie-Eigenschaft (5.15) benutzt wird. Dies zeigt der folgende Stabilitätssatz. Satz 5.4. Es gelte (5.16) und h0 < 2=c1 . Dann gibt es Zahlen ˇ > 0 ; h1 2 .0; h0 , so dass die durch (5.8) definierten Differenzenoperatoren Lh die folgende Ungleichung erfüllen: ˇ max jvh .x/j  jvh .a/j C jvh .b/j C max0 jLh vh .x/j x2Ih

x2Ih

(5.17)

8vh 2 C.Ih / ; h 2 .0; h1  : Beweis. i) Zunächst wird die Monotonieeigenschaft angewendet, das heißt, zu einem beliebigen vh 2 C.Ih / wird eine Funktion vO h konstruiert, die vh .x/  vO h .x/ für alle x 2 Ih erfüllt. Unter der Voraussetzung (5.16) und h0 < 2=c1 gilt die Eigenschaft (5.13) „positiver 0 2 0 Typ“. Zu beliebigem  m > 0 sei  W   c1  2m und d > 1. Definiert man v.x/ WD d  exp  .x  a/ ; x 2 R, dann ist v.x/  d  1 > 0 ;

x 2 Ih ;

2  ph .x/  2m0 ;

x 2 Ih0 ;

h 2 .0; h0  :

Da v 2 C 2 .I /, gilt für hinreichend kleine h mit 0 < h  h1 . h0 /, dass kDh2 v  v 00 k1 

m0 m0 exp.`/; c1 kDh v  v 0 k1  exp.`/ ; 2 2

wobei ` D b  a. Es folgt Lh v.x/ D .v 00 C ph v 0 C qh v/.x/ C .Dh2 v  v 00 /.x/ C ph .Dh vh  v 0 /.x/       2  ph .x/ exp  .x  a/ C .qh v/.x/ C m0 exp.`/  2m0 exp.`/ C m0 exp.`/ D m0 exp.`/ ;

x 2 Ih0 :

Sei m WD m0 exp.`/, m0 WD d  1. Zu beliebigem vh 2 C.Ih / und gh D Lh vh definieren wir ) ( vh .a/ vh .b/ 1 : ; c WD max  min0 gh .x/ ; m x2Ih m0 m0

132

Kapitel 5 Differenzenverfahren für Randwertprobleme

Es ist gh .x/  mc auf Ih0 , weil  gh .x/  min0 gh .z/ D m z2Ih

wobei cQ WD

 min gh .z/ m

 D mcQ  mc ;

max.gh /.z/ . Also gilt m Lh vh .x/ D gh .x/  mcQ  mc  cLh v D Lh .cv/ :

Weiter hat man   cv.b/ D c.d  exp  .b  a/  .d  1/c D m0 c  vh .b/; cv.a/ D c.d  1/ D c m0  vh .a/: Anwendung der Monotonie-Eigenschaft (siehe (5.15), mit vh bzw. cv anstelle von uh bzw. vh ) liefert vh .x/  c v.x/; x 2 Ih ; 0 < h  h1 . Für .vh / erhält man analog vh .x/  c 0 v.x/; x 2 Ih , wobei ) (   1 vh .a/ vh .b/ 0 : ;  c WD max  min0  gh .x/ ;  m x2Ih m0 m0 ii) Wir zeigen die Stabilitätsungleichung (5.17). Aus i) folgt ˇ ˇ   ˇvh .x/ˇ  max jcj; jc 0 j max jv.z/j ; x 2 Ih ; z2Ih

Hierbei ist

0 < h  h1 :

ˇ ˇ  ˇ  vh .a/ vh .b/ ˇ  1 ˇ ˇ max  gh .x/ ; ; jcj D ˇ max m x2Ih0 m0 m0 ˇ ˇ ˇ ˇ  1 1 ˇ ˇˇ ˇˇ  ˇ ˇ ˇ ˇ  max ; ˇ max0  gh .x/ ˇ C ˇvh .a/ˇ C ˇvh .b/ˇ m m0 x2Ih   1 1  ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ  max max0 ˇgh .x/ˇ C ˇvh .a/ˇ C ˇvh .b/ˇ : ; m m0 x2Ih

Eine entsprechende Abschätzung gilt für jc 0 j, was mit   1 1 1 max jv.z/j D max ; ˇ m m0 z2I und maxz2I jv.z/j D d  exp.`// die Abschätzung (5.17) beweist.

Abschnitt 5.3 Stabilität und Konvergenz mit Maximumprinzipien

133

Bemerkungen. (i) Fordert man in (5.16) etwas stärker, dass qh gleichmäßig von null weg beschränkt bleibt (siehe [37]), dann kann man (5.17) ohne Benutzung des Maximumprinzips bzw. der Monotonie-Eigenschaft zeigen. (ii) Maximumprinzipien gelten auch für Differenzenapproximationen beim Vorliegen von Randbedingungen dritter Art. In diesem Fall muss man neben (5.16) noch gewisse Bedingungen an die Koeffizienten ˛i;h ; ˇi;h stellen, um eine Abschätzung der Form (5.17) zu erhalten, wobei dann die Funktionale `0 .u/; `1 .u/ auf der rechten Seite auftauchen. Die Konvergenz uh ! u .h ! 0/ bezüglich der diskreten Maximumnorm erhält man nun sofort, wenn man den Fehler uh ujIh in die Stabilitätsabschätzung einsetzt: 1 max j.uh  u/.x/j  j0;h  0 j C j1;h  1 j ˇ x2Ih  C max0 j.fh  f /.x/  h .x/j : x2Ih

Liegt also Konsistenz vor, das heißt j h .a/j D j0;h  0 j ! 0 j h .b/j D j1;h  1 j ! 0

.h ! 0/ ;

max j h .x/j ! 0

x2Ih0

und stellen fh Approximationen von f dar, also max j.fh  f /.x/j ! 0

x2Ih0

.h ! 0/ ;

dann folgt die Konvergenz max j.uh  u/.x/j ! 0

x2Ih

.h ! 0/ :

Ist wie bei der vorliegenden Differenzenapproximation .ph D pjIh0 ; qh D qjIh0 / maxx2Ih0 j h .x/j D O.h2 / und j h .a/j D O.h2 / ;

j h .b/j D O.h2 / ;

max j.fh  f /.x/j D O.h2 /

x2Ih0

.h ! 0/ ;

so hat man auch eine Konvergenzordnung von O.h2 /. Die zusätzlichen Forderungen an die Randapproximationen und die rechten Seiten sind zum Beispiel erfüllt, falls i;h D i für i D 1; 2 und fh D f jIh0 . Eine andere Differenzenapproximation erhält man durch das sogenannte UpwindSchema. Hierbei wird die erste Ableitung durch den vorwärts- oder rückwärtsgenommenen Differenzenquotienten erster Ordnung approximiert, je nachdem, ob ph positiv

134

Kapitel 5 Differenzenverfahren für Randwertprobleme

oder negativ ist. Man approximiert pu0 also durch p.x/DhC uh .x/ ; falls p.x/  0 ; p.x/Dh uh .x/ ; falls p.x/ < 0 ;

x 2 Ih0 :

Das Upwind-Schema lässt sich dann wie folgt schreiben: Dh2 uh .x/ C phC .x/DhC uh .x/ C ph .x/Dh uh .x/ C qh .x/uh .x/ D fh .x/ ;

x 2 Ih0 ;

wobei phC .x/ WD max.0; p.x// ;

ph .x/ WD min.0; p.x// ;

x 2 Ih0 :

Zur Vereinfachung sei qh D qjIh0 und fh D f jIh0 . In der Form (5.10) des Differenzenoperators sind die Koeffizienten nun wie folgt gegeben: a1;h .x/ D h2 .1  hph .x// ;

a1;h .x/ D h2 .1 C hphC .x// ;

a0;h .x/ D h2 .2  h2 qh .x/ C hjph .x/j/ ;

x 2 Ih0 :

Dieses Verfahren ist im Gegensatz zu (5.11) ohne Einschränkung der Maschenweite h (vergleiche Satz 5.4) von positivem Typ – wie oben benötigt man hier auch die Vorzeichenbedingung qh  0. Dies ist insbesondere für Probleme von Interesse, bei denen jph .x/j sehr groß wird, zum Beispiel bei Grenzschichtproblemen, bei denen p D O.1="/ ist. Der Nachteil (gegenüber (5.11)) liegt im Verhalten der Abschneidefehler, die hier im Allgemeinen nur wie O.h/ gegen null streben.

5.4

Stabilität und Konvergenz mit Hilfe von Kompaktheitsmethoden

In diesem Abschnitt wird das gleiche Problem mit derselben Approximationsmethode wie im letzten Abschnitt betrachtet. Anstelle von Maximumprinzipien werden hier Kompaktheitsmethoden zum Nachweis von Stabilität benutzt, insbesondere der Satz von Arzela–Ascoli. Interessant ist, dass man auf diesem Weg mit den gleichen Voraussetzungen stärkere Aussagen erhält, bei denen auch noch die Differenzenquotienten erster und zweiter Ordnung abgeschätzt werden. Wir betrachten also wieder Randwertprobleme Lu D f

in I D Œa; b ;

u.a/ D u.b/ D 0 ;

mit linearen Differentialoperatoren Lu D u00 C pu0 C qu , p; q 2 C.I /, und zugehörige Differenzenapproximationen der Form (5.8), Lh uh D fh

in Ih0 ;

uh .a/ D uh .b/ D 0 ;

Abschnitt 5.4 Stabilität und Konvergenz mit Hilfe von Kompaktheitsmethoden

135

mit Lh uh D Dh2 uh C ph Dh uh C qh uh . O. B. d. A. kann man homogene Randbedingungen annehmen. Zur Vereinfachung sei noch ph D pjIh ; qh D qjIh , dann strebt der Abschneidefehler gegen null (wie O.h2 /), das heißt   max0 j Lh uh  Lu .x/j D O.h2 / .h ! 0/ ; x2Ih

wobei wir wieder für die Lösung u des Randwertproblems die Restriktion mit uh D ujIh bezeichnen. Wir integrieren die homogenen Randbedingungen in die zugrundeliegenden Vektorräume, indem wir  ˚ F D C.I / ; E D v 2 C 2 .I / j v.a/ D v.b/ D 0 ; ˚  Eh D vh 2 C.Ih / j vh .a/ D vh .b/ D 0 ; Fh D C.Ih0 / setzen. Der Differentialoperator bzw. die Differenzenapproximationen definieren dann lineare Abbildungen L W E ! F ; Lh W Eh ! Fh ; die obigen Randwertaufgaben lassen sich schreiben als u 2 E W Lu D f

bzw. uh 2 Eh W Lh uh D fh ;

h > 0:

Wesentliches Hilfsmittel für das Folgende ist der Satz von Arzela–Ascoli. Satz 5.5 (Arzela–Ascoli). Eine Folge .vn /n2N aus C.I / ist genau dann kompakt, wenn die folgenden beiden Bedingungen gelten: (a) .vn /n2N ist gleichmäßig beschränkt, das heißt 9C  0 8n 2 N

8x 2 I W jvn .x/j  C I

(b) .vn /n2N ist gleichgradig stetig, das heißt 8" > 0 9ı > 0 8n 2 N

8x; y 2 I W jx  yj  ı H) jvn .x/  vn .y/j  " :

Beweis. Zum Beispiel in [36], Abschnitt I.3. Definition 5.6. Eine Folge .vn /n2N heißt kompakt (in C.I /), wenn Folgendes gilt: 8N0  N 9N00  N0 9v 2 C.I / W max jvn .x/  v.x/j ! 0 x2I

.n ! 1 ; n 2 N00 / :

Die gleichmäßige Konvergenz, das heißt, die Konvergenz bezüglich der Maximumnorm, ist für Folgen stetiger Funktionen offenbar hinreichend für deren punktweise Konvergenz; die Umkehrung gilt, wenn die Folge gleichgradig stetig ist. Satz 5.7. Sei .vn /n2N aus C.I / gleichgradig stetig. Dann gelten die folgenden Aussagen:

136

Kapitel 5 Differenzenverfahren für Randwertprobleme

(a) Wenn .vn .x//n2N für jedes x 2 J ; J dicht in I , konvergiert, dann existiert ein v 2 C.I / und vn ! v .n ! 1/ konvergiert punktweise in I . (b) Falls vn ! v .n ! 1/ punktweise (in I ) mit v 2 C.I /, dann gilt auch max jvn .x/  v.x/j ! 0 x2I

.n ! 1/ :

Beweis. Siehe zum Beispiel [31], Abschnitt 104. Für das nächste Ergebnis reicht es aus, die Funktionen gn nur als integrierbar anzunehmen. Lemma 5.8. Sei .gn /n2N eine gleichmäßig konvergente Folge von Treppenfunktionen auf I mit Limes g, das heißt max j.gn  g/.x/j ! 0 .n ! 1/ : x2I

Dann ist g integrierbar und Z lim

n!1 a

Z

b

b

gn .s/ ds D

g.s/ ds : a

Beweis. Siehe zum Beispiel [31, Satz 104.4]. Im Folgenden denken wir uns Gitterfunktionen vh 2 C.Ih / auf ganz I stetig, stückweise linear fortgesetzt und bezeichnen die entsprechenden Funktionen aus C.I / ohne Unterschied wieder mit vh . Außerdem kennzeichnen wir (abzählbare) Nullfolgen von Maschenweiten h mit ƒ; ƒ0 ; ƒ00 und so weiter. Definition 5.9. Wir führen folgende Normen in C.Ih / ein: kvh k0;1 D max jvh .x/j ; x2Ih

kvh k2;1 D max jvh .x/j C max jDhC vh .x/j C max0 jDh2 vh .x/j ; x2Ih0

x2Ih

x2Ih

wobei Ih0 WD fx D xj D a C j h j j D 0; 1; : : : ; Nh  1g. Die Maximum-Norm in C.I / bezeichnen wir auch mit k k0;1 und kvk2;1 D max jv.x/j C max jv 0 .x/j C max jv 00 .x/j ; x2I

x2I

x2I

v 2 C 2 .I / :

Bemerkung. Für den zentralen und vorwärtsgenommenen Differenzenquotienten erster Ordnung gilt die Beziehung max0 jDh vh .x/j  max jDhC vh .x/j ;

x2Ih

x2Ih0

137

Abschnitt 5.4 Stabilität und Konvergenz mit Hilfe von Kompaktheitsmethoden

denn man hat die Darstellung Dh vh .x/ D

 1 C Dh vh .x/ C Dh vh .x/ ; 2

x 2 Ih0 :

Mit der Norm k k2;1 und wegen der Wahl ph D pjIh0 ; qh D qjIh0 hat man trivialerweise die folgende gleichmäßige Abschätzung für die Folge der Differenzenoperatoren: kLh vh k0;1  max.1; kpk0;1 ; kqk0;1 /kvh k2;1 ;

h 2 ƒ:

(5.18)

Lemma 5.10. Sei .Lh vh /h2ƒ kompakt und .kvh k2;1 /h2ƒ beschränkt. Dann gelten die folgenden Aussagen: (a) .vh /h2ƒ ; .Dh˙ vh /h2ƒ ; .Dh2 vh /h2ƒ sind kompakt in C.I / . (b) Für alle ƒ0  ƒ existieren ƒ00  ƒ und v 2 C 2 .I /, so dass Folgendes gilt: kvh  v h k0;1 C kDhC vh  .v 0 /h k0;1 C kDh2 vh  .v 00 /h k0;1 ! 0 .h 2 ƒ00 ; h ! 0/ : Beweis. (a) Sei o. B. d. A. kvh k2;1  1 ; h 2 ƒ. Da vh stückweise differenzierbar ist und jvh0 .x/j  max jDhC vh .x/j  1 gilt, folgt jvh .x/  vh .y/j  jx  yj max jDhC vh .s/j ; s2Ih0

x; y 2 Œa; b ;

h 2 ƒ:

Damit ist .vh /h2ƒ gleichgradig stetig und gleichmäßig beschränkt, also nach dem Satz von Arzela–Ascoli kompakt. Für zh WD DhC vh liefert die gleiche Argumentation (beachte: DhC zh .x/ D Dh2 vh .x C h/), dass jzh .x/  zh .y/j  jx  yj max0 jDhC zh .s/j  jx  yj ;

x; y 2 Œa; b ;

h 2 ƒ:

s2Ih

Also ist auch .zh / kompakt. Analog zeigt man die Kompaktheit von .Dh vh / und .Dh vh /. Wegen Dh2 vh D Lh vh  p.Dh vh /  qvh und der vorausgesetzten Kompaktheit von .Lh vh / ist auch .Dh2 vh / kompakt. Damit haben wir (a) gezeigt. (b) Nach (a) gilt Folgendes: Für alle ƒ0  ƒ existieren ƒ00  ƒ und v; w; z 2 C.I / mit kvh  vk0;1 ! 0 kDhC vh  wk0;1 ! 0 kDh2 vh  zk0;1 ! 0

.h ! 0 ; h 2 ƒ00 / :

138

Kapitel 5 Differenzenverfahren für Randwertprobleme

Wegen

Z

x

vh .x/ D vh .a/ C a

X

vh0 .s/ ds D vh .a/ C h

DhC vh .y/

ay  kLh0 vh0 k0;1 :

Setze  D n; n D 1; 2; : : : ; h D h1 ; h2 , und so weiter. Dann existieren zu jedem .n/ n 2 N ein h.n/ 2 ƒ ; h.n/  hn1 , und ein vh 2 Eh ; h D h.n/ , mit .n/

.n/

kvh k2;1 > nkLh vh k0;1 ;

h D h.n/ :

Für die Teilfolge ƒ0 D fh.1/ ; h.2/ ; : : :g  ƒ setzen wir zh WD vh =kvh k2;1 , h 2 ƒ0 , und erhalten 1 kzh k2;1 D 1 und kLh zh k0;1 < ! 0 .h D h.n/ ! 0/ : n Wegen Lh zh ! 0 .h 2 ƒ0 ; h ! 0/ ist .Lh zh /h2ƒ0 insbesondere kompakt. Nach Lemma 5.10 existieren ƒ00  ƒ0 und z 2 C 2 .I / mit kzh  zk0;1 C kDhC zh  z 0 k0;1 C kDh2 zh  z 00 k0;1 ! 0 .h 2 ƒ00 ; h ! 0/ : Weiter gilt (wegen (5.18)) kLh zh  Lzk0;1  kLh .zh  z/k0;1 C kLh z  Lzk0;1  C kzh  zk2;1 C kLh z  Lzk0;1 ;

h 2 ƒ00 :

Wegen z 2 C 2 .I / strebt kLh z  Lzk0;1 ! 0 .h ! 0 ; h 2 ƒ00 / – vergleiche Abschneidefehler – und insgesamt kLh zh  Lzk0;1 ! 0 .h ! 0 ; h 2 ƒ00 / : Da schon Lh zh ! 0 .h ! 0 ; h 2 ƒ00 / konvergiert, muss Lz D 0 sein. Damit

139

Abschnitt 5.4 Stabilität und Konvergenz mit Hilfe von Kompaktheitsmethoden

ist z 2 E Lösung der homogenen Randwertaufgabe, also nach Voraussetzung z D 0. Dies führt aber zum Widerspruch 1 D kzh k2;1 ! kzk2;1 D 0

.h ! 0 ; h 2 ƒ00 / :

Bemerkungen. (i) Die Voraussetzung der Injektivität von L W E ! F , das heißt, die ausschließlich triviale Lösbarkeit der homogenen Randwertaufgabe, folgt zum Beispiel aus der Vorzeichenbedingung q  0. Diese Bedingung war schon im vorigen Abschnitt wesentlich (siehe Bedingung (5.16)), um dort die Positivität bzw. die Monotonie-Eigenschaft der Differenzenapproximation zu zeigen. (ii) Die Konstante  in der Stabilitätsungleichung (5.19) wurde im Gegensatz zu der durch Maximumprinzipien gewonnenen Abschätzung (5.17) nicht konstruktiv gewonnen. Wie in (5.17) hat man auch in (5.19) eine Einschränkung der Maschenweiten zu fordern, wobei man h0 in (5.19) allerdings nicht kennt. Hervorzuheben ist, dass in (5.19) eine stärkere Norm – nämlich noch die Differenzenquotienten erster und zweiter Ordnung – durch die gleiche Schranke kLh vh k0;1 auf der rechten Seite wie in (5.17) abgeschätzt wird. Satz 5.12 (Konvergenzsatz). Die homogene Randwertaufgabe besitze nur die triviale Lösung. Dann besitzen die inhomogene Randwertaufgabe bzw. die Differenzenapproximationen für beliebige f 2 C.I / bzw. fh 2 C.Ih / , h 2 ƒ0 D fh 2 ƒ j 0 < h  h0 g, eindeutige Lösungen u bzw. uh , und es gilt die Beziehung max j.f  fh /.x/j ! 0 ” kuh  uh k2;1 ! 0

x2Ih0

.h ! 0 ; h 2 ƒ/

sowie die zweiseitige Fehlerabschätzung 0 k h  .fh  f h /k0;1  kuh  uh k2;1  1 k h  .fh  f h /k0;1

(5.20)

für alle h 2 ƒ0 . Beweis. Aus der Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen weiß man, dass die Injektivität von L W E ! F die eindeutige Lösbarkeit von linearen inhomogenen Randwertproblemen zur Folge hat. Die Stabilitätsungleichung (5.19) impliziert die Injektivität von Lh W Eh ! Fh ; h 2 ƒ0 , und damit die eindeutige Lösbarkeit der Differenzengleichungen. Einsetzen des Fehlers uh  uh in (5.19) und die Beziehung Lh uh  Lh uh D fh  f h C f h  Lh uh D fh  f h  h liefert die zweite Ungleichung in (5.20) (mit 1 D  ). Die erste Ungleichung folgt aus (5.18) (mit 1=0 D max.1; kpk0;1 ; kqk0;1 /. Aus (5.20) folgt sofort die zweiseitige Konvergenzbeziehung wegen k h k0;1 ! 0 .h ! 0/.

140

Kapitel 5 Differenzenverfahren für Randwertprobleme

5.5

Differenzenapproximationen für nichtlineare Randwertprobleme

In diesem Abschnitt betrachten wir zunächst nichtlineare 2-Punkt-Randwertprobleme der Form .pu0 /0 C qu D f .x; u.x// ;

x 2 I WD Œ0; 1 ;

(5.21)

u.0/ D u.1/ D 0 :

Wir setzen dabei zunächst voraus, dass q 2 C Œ0; 1 ; p 2 C 1 .0; 1/ und f 2 C.Œ0; 1  R/, und dass eine lokal eindeutige Lösung u existiert. Der lineare Teil der Differentialgleichung liegt in sogenannter selbstadjungierter Form vor; die Nichtlinearität tritt höchstens bei u – nicht bei u0 oder u00 – auf. Man kann (5.21) umschreiben in die Form pu00 C p 0 u0 C qu  f .x; u.x// D 0 ;

x2I;

u.0/ D u.1/ D 0 ; und erhält analog zu (5.8) eine Differenzenapproximation der Gestalt p.x/Dh2 uh .x/Cp 0 .x/Dh uh .x/Cq.x/uh .x/  f .x; uh .x// D 0 ; x 2 Ih0 ; uh .0/ D uh .1/ D 0 :

(5.22)

Bezeichnet man die linearen Differential- bzw. Differenzenoperatoren mit Lv.x/ D p.x/v 00 .x/ C p 0 .x/v 0 .x/ C q.x/v.x/ ;

x2I;

Lh vh .x/ D p.x/Dh2 vh .x/ C p 0 .x/Dh vh .x/ C q.x/vh .x/ ;

x 2 Ih0 ;

dann kann man die Randwertprobleme (5.21) bzw. (5.22) schreiben als .Au/.x/ D 0 ; bzw.

.Ah uh /.x/ D 0 ;

x2I; x2

Ih0 ;

u.0/ D u.1/ D 0 ; uh .0/ D uh .1/ D 0 ;

wobei .Av/.x/ D Lv.x/  f .x; v.x// ; .Ah vh /.x/ D Lh vh .x/  f .x; vh .x// ;

x2I; x 2 Ih0 :

Eine andere Differenzenapproximation erhält man, wenn man die Form (5.21) zugrundelegt und beachtet, dass der vorwärts- bzw. rückwärtsgenommene Differenzenquotient erster Ordnung eine Approximation von u0 bei x C h2 bzw. x  h2 der Güte

Abschnitt 5.5 Nichtlineare Randwertprobleme

141

    O.h2 / darstellt. Wir approximieren deshalb pu0 x  h2 durch p x  h2 Dh uh .x/ und .pu0 /0 durch     h C  Dh uh .x/ Dh p  2    

h h 1 p xC Dh uh .x C h/  p x  Dh uh .x/ D h 2 2   h 1 uh .x C h/ D 2 p xC h 2     

  h h h Cp x uh .x/ C p x  uh .x  h/ :  p xC 2 2 2 Die Approximationsgüte ist wieder O.h2 / (siehe Aufgabe B.18). Man erhält also alternativ zu (5.22) folgende Differenzenapproximation für den linearen Anteil in (5.21), .Lh vh /.xj / D

  1 pj C1=2 vj C1  pj C1=2 C pj 1=2  qj h2 vj 2 h  j D 1; : : : ; Nh  1 ; C pj 1=2 vj 1 ;

(5.23)

wobei v D vh .x / ; pj ˙1=2 D p.xj ˙1=2 / , xj ˙1=2 D xj ˙h=2. Die Differenzenapproximation für das gegebene nichtlineare Randwertproblem ergibt sich dann wieder wie oben durch Ah vh D Lh vh  f . : ; vh /. Beide vorgestellten Differenzenapproximationen besitzen einen Abschneidefehler der Größenordnung O.h2 /, das heißt, mit einer hinreichend glatten Lösung u von (5.21) gilt max0 j.Ah u/.x/j D O.h2 / .h ! 0/ : x2Ih

Der Vollständigkeit halber schreiben wir das nichtlineare Gleichungssystem explizit hin, das im Falle der Approximation (5.23) nach Multiplikation mit h2 zu lösen ist:   pj 1=2 uj 1 C pj 1=2 C pj C1=2  qj h2 uj  pj C1=2 uj C1 C h2 f .xj ; uj / D 0 ; j D 1; : : : ; Nh  1 ;

(5.24)

u0 D uNh D 0 : Mit Hilfe eines Ergebnisses von Ortega–Rheinboldt [41, Abschnitt 13] geben wir nun Bedingungen an, wann (5.24) eindeutig lösbar ist. Dazu benötigen wir die Begriffe einer M -Matrix und einer isotonen, diagonalen Abbildung. Eine Matrix A heißt M -Matrix, falls A invertierbar, aij  0 für i 6D j und A1  0. Letzteres bedeutet A1 y  0 für y  0, komponentenweise. Eine Abbildung T W D  Rn ! Rm heißt isoton, wenn T x  T y für x  y , x; y 2 D. Eine Abbildung ˆ W D  Rn !

142

Kapitel 5 Differenzenverfahren für Randwertprobleme

Rn heißt diagonal, wenn ˆj nur von uj abhängt, ˆj D ˆj .uj /, j D 1; : : : ; n. Das folgende Ergebnis aus Ortega–Rheinboldt [41, Satz 2.4.8] gibt ein notwendiges und hinreichendes Kriterium für eine M -Matrix an. Lemma 5.13. Sei A eine Matrix mit aij  0 , i 6D j . Dann und nur dann ist A eine M -Matrix, wenn ajj > 0 , j D 1; : : : ; n, und .B/ < 1, wobei .B/ den Spektralradius von B D I  D 1 A und D D diag.ajj / bezeichnet.2 Mit Hilfe dieses Lemmas lässt sich nun das folgende Ergebnis beweisen. Satz 5.14. Es seien p.x/  ˛0 > 0 ; q.x/  0 und f erfülle f .x; u/  f .x; v/  0 ;

x 2 Œ0; 1 ;

u  v;

u; v 2 R :

(5.25)

Dann ist das Gleichungssystem (5.24) eindeutig lösbar. Beweis. Wir schreiben (5.24) als Ah u C ˆh .u/ D 0, wobei Ah die durch aj D pj C1=2 C pj 1=2  qj h2 ;

j D 1; : : : ; n ;

bj D pj 1=2 ;

j D 2; : : : ; n ;

cj D pj C1=2 ;

j D 1; : : : ; n  1;

n D Nh  1 ;

in der Schreibweise von [54, Abschnitt 6.3] definierte Tridiagonalmatrix ist. Nach Voraussetzung sind die Diagonalelemente positiv, die Nebendiagonalelemente negativ, und Ah erfüllt das schwache Zeilensummenkriterium. Nach Satz 2.4.13 in [41] gilt für den Spektralradius von B D I  D 1 Ah , dass .B/ < 1. Damit ist Ah eine M -Matrix (siehe Lemma 5.13). Die durch ˆh D .ˆ1h ; : : : ; ˆnh / mit ˆj h .u1 ; : : : ; un / D h2 f .xj ; uj / ;

j D 1; : : : ; n ;

definierte, diagonale Abbildung ist isoton. Man hat nämlich wegen (5.25) f .xj ; uj /  f .xj ; vj /  0 ;

falls uj  vj ;

und deshalb ˆj h .u/  ˆj h .v/ D h2 .f .xj ; uj /  f .xj ; vj //  0 ; falls uj  vj , das heißt ˆj h .u/  ˆj h .v/ ; j D 1; : : : ; n. Nach Satz 13.5.6 in [41] ist Ah C ˆh .:/ ein Homöomorphismus von Rn auf sich, und daher ist (5.24) eindeutig lösbar. 2 Es

ist .B/ D max ji .B/j wobei i .B/ die Eigenwerte von B bezeichnen.

143

Abschnitt 5.5 Nichtlineare Randwertprobleme

Besitzt f eine stetige, partielle Ableitung nach dem zweiten Argument, dann ist (5.25) offenbar äquivalent zu fu .x; u/  0 ;

x 2 Œ0; 1 ; u 2 R :

Das nichtlineare Gleichungssystem (5.24) muss iterativ gelöst werden. Eine geeignete Methode ist zum Beispiel das Einzelschrittverfahren    1  .tC1/ .tC1/ .t/ .t/  pj  1 uj 1 C pj C 1 uj C1  h2 f xj ; uj D pj C 1 C pj  1  qj h2 uj 2

2

2

2

für j D 1; : : : ; Nh  1 und t D 0; 1; 2; : : : . Für das Newton-Verfahren erhält man nach Berechnung der Funktionalmatrix   .tC1/ .tC1/ .tC1/  pj  1 uj 1 pj C 1 uj C1 C pj C 1 C pj  1  qj h2 uj 2 2 2 2         .t/ .tC1/ .t/ .t/ .t/ C h2 fu xj ; uj uj D h2 f xj ; uj  fu xj ; uj uj für j D 1; : : : ; Nh  1 und t D 0; 1; 2; : : : . Satz 13.3.8 in [41] liefert die Konvergenz des Newton-Verfahrens gegen die Lösung von (5.24), vorausgesetzt die im Beweis von Satz 5.14 definierte Abbildung ˆh ist konvex, das heißt f .x; v/  f .x; u/  fu .x; u/.v  u/ ;

x 2 Œ0; 1 ; u; v 2 R :

(5.26)

Satz 5.15. Unter den Voraussetzungen von Satz 5.14 und (5.26) konvergiert die durch das Newton-Verfahren definierte Folge u.t/ für jeden Startvektor u.0/ 2 Rn , n D Nh  1, gegen die eindeutige Lösung u von (5.24), und es gilt u.t/  u.tC1/  u , t D 1; 2; : : : . Beweis. Siehe [41, Satz 13.3.8]. Wir setzen im Folgenden voraus, dass p 2 C 1 Œ0; 1 ; q 2 Œ0; 1; f und fu stetig in I  R ;

0 < ˛0  p.x/  ˛1 ; q.x/  0 ; x 2 I ; fu .x; u/  0 ; x 2 I ; u 2 R :

(5.27)

Dann sind die oben definierten Abbildungen A; Ah (mit Lh aus (5.23)) differenzierbar mit den (Fréchet-)Ableitungen A0 .u/v D Lv  fu . ; u/v ; A0h .uh /vh D Lh vh  fu . ; uh /vh ;

u; v 2 C 2 .0; 1/ ; uh ; vh 2 C.Ih / :

Das folgende Lemma zeigt, dass die linearen Differenzenoperatoren A0h .u0h / für jedes feste u0h von negativem Typ sind, falls die Voraussetzungen von (5.27) gelten.

144

Kapitel 5 Differenzenverfahren für Randwertprobleme

Lemma 5.16. Unter den Voraussetzungen von (5.27) sind die linearen Differenzenoperatoren A0h .u0h / für jedes u0h 2 C.Ih / und jedes h > 0 von negativem Typ. Beweis. Es gilt die Darstellung A0h .u0h /vh .x/ D b1;h .x/vh .x  h/ C b0;h .x/vh .x/ C b1;h .x/vh .x C h/ mit

    1 h 1 h ; b1;h .x/ D 2 p x C ; b1;h .x/ D 2 p x  h 2 h 2        h h 1 b0;h .x/ D  2 p x  Cp xC C q.x/  fu x; u0h .x/ : h 2 2

Unter den Voraussetzungen in (5.27) ist b1;h .x/ 

1 ˛0 > 0 ; h2

b1;h .x/ 

1 ˛0 > 0 h2

und     b1;h C b0;h C b1;h .x/ D q.x/  fu x; u0h .x/  0 ;

x 2 Ih0 :

Wie im Stabilitätssatz 5.4 kann man zeigen, dass die linearen Differenzenoperatoren A0h .u0h / einer Ungleichung der Form (mit ˇ > 0/ ˇ max jvh .x/j  jvh .0/j C jvh .1/j C max0 jA0h .u0h /vh .x/j ; x2Ih

x2Ih

vh 2 C.Ih /

(5.28)

genügen. Damit sind die linearisierten Differenzengleichungen A0h .u0h /vh D gh in Ih0 ;

vh .0/ D 0 ;

vh .1/ D 1

für jede feste Folge .u0h / eindeutig lösbar, und die Folge der Lösungen .vh / ist gleichmäßig beschränkt (mit ˇ in (5.28) unabhängig von h). Nimmt man nun u0h D uh D ujIh mit der Lösung u des gegebenen nichtlinearen Randwertproblems, dann weiß man mit Hilfe des Satzes von der Inversen Funktion, dass auch die nichtlinearen Differenzengleichungen in einer Umgebung von .ujIh / eindeutig lösbar sind, und dass der Fehler uh  uh der Abschätzung kuh  uh k0;1 

1 k h k0;1 ; ˇ

für alle h mit 0 < h  h0

genügt, vorausgesetzt uh liegt schon hinreichend nahe bei u. Asymptotisch hat man daher das Fehlerverhalten kuh  uh k0;1 D O.h2 /

.h ! 0/ :

145

Abschnitt 5.5 Nichtlineare Randwertprobleme

Es sei noch bemerkt, dass man die Fehlerabschätzung bzw. das asymptotische Fehlerverhalten sogar bezüglich der Norm k k2;1 erhält, wenn man auf die linearisierten Gleichungen die Kompaktheitsmethoden des vorigen Abschnitts anwendet. Als weiteres Problem betrachten wir das voll nichtlineare Randwertproblem .u00 /2 C u0 D 0

in .0; 1/ ;

u.0/ D 0 ;

u.1/ D

1 ; 12

(5.29)

und approximieren dies durch das Differenzenverfahren   uj C1  2uj C uj 1 2 uj C1  uj 1 D 0 ; j D 1; : : : ; N  1 ; C  h2 2h (5.30) 1 u0 D 0 ; uN D ; 12 für Punkte xj D j h eines äquidistanten Gitters .N D 1= h/. Hierfür kann man dieselbe Vorgehensweise anwenden wie für Beispiel (5.21) bzw. die zugehörige Differenzenapproximation (5.22), nämlich Aufstellen der linearisierten Gleichungen, Untersuchung von deren Lösbarkeit und Stabilität sowie Anwendung des Satzes von der Inversen Funktion und Konvergenzuntersuchungen. Wir setzen die Existenz einer Lösung u0 2 C 2 Œ0; 1 von (5.29) voraus. Das linearisierte Problem zu (5.29) hat offenbar die Form 1 : (5.31) 12 Bezeichnet man nämlich den nichtlinearen Differentialoperator in (5.29) mit Au, dann ist A0 .u0 /v gerade durch die linke Seite der Differentialgleichung in (5.31) gegeben. Fordert man .u0 /00 ¤ 0 in Œ0; 1 und schreibt (5.31) nach Division durch 2.u0 /00 in selbstadjungierte Form um, dann ist die Funktion   Z 1 x ds p.x/ D exp 2 0 2.u0 /00 2.u0 /00 v 00 C v 0 D w in .0; 1/ ;

v.0/ D 0 ;

v.1/ D

positiv und damit eine wesentliche Bedingung zur Lösbarkeit von (5.31) erfüllt (vergleiche Anhang A.6). Einsetzen von h2 h C p ; k D 0; 1; 2; : : : ; 12 4 3 zeigt, dass die gegebene Gitterfunktion die Differenzengleichungen erfüllt. Bezeichnen wir nämlich die auf der linken Seite von (5.30) auftretenden zentralen Differenzenquotienten erster bzw. zweiter Ordnung mit Dh u bzw. Dh2 u, dann ergibt sich für vj , dass (siehe Aufgabe B.19, (i)) 8 1 < p falls j gerade ist, 1  2  2 für alle j und Dh vj D 13 Dh vj D : p 12 falls j ungerade ist,  D 2k v2k

h ; 12

 v2kC1 D .2k C 1/

2 3

146

Kapitel 5 Differenzenverfahren für Randwertprobleme

also ist .Dh2 vj /2 C Dh vj D 

1 1 C D 0 für alle j: 12 12

Die Randbedingungen sind allerdings nur für gerades N erfüllt. Es ist immer v0 D 0 und 1 h  D falls N gerade; DN vN 12 12 für ungerades N ist die Randbedingung bei x D 1 bzw. j D N nur näherungsweise erfüllt, denn h2 h 1  C O.h2 / : D .2k C 1/ C p D vN 12 12 4 3 Die angegebene Differenzenapproximation konvergiert offenbar gegen die Funktion u .x/ D x=12. Diese löst aber nicht das gegebene Randwertproblem, da  2 1  .u /00 C .u /0 D : 12 Zur Herleitung der zu (5.30) linearisierten Differenzengleichungen stellt man fest, dass zu einem Differenzenoperator der Form .Th u/j D uj uj ˙1 die zugehörige Fréchet-Ableitung gegeben ist durch  0  Th .u/v j D uj vj ˙1 C uj ˙1 vj ;

j D 1; : : : ; N  1 ;

wobei u D .uj /; v D .vj / beliebige Gitterfunktionen darstellen. Die zu (5.30) linearisierten Differenzengleichungen lassen sich daher in der Form (siehe Aufgabe B.19, (iii)) b1;j vj 1 C b0;j vj C b1;j vj C1 D gj ; v0 D 0 ;

vN D

j D 1; : : : ; N  1 ; (5.32)

1 ; 12

schreiben, wobei b˙1;j

  2 h 2 ; D 2 Dh uj ˙ h 4

b0;j D

4 2 D uj : h2 h

Betrachtet man (5.32) bei der Restriktion rh u0 der Lösung u0 von (5.29) auf Ih , dann hat man folgendes Ergebnis. Satz 5.17. Der zu (5.32) gehörige linearisierte Differenzenoperator A0h .rh u0 / ist von positivem bzw. negativen Typ, wenn .u0 /00 < 0 bzw. .u0 /00 > 0, und wenn h hinreichend klein ist.

147

Abschnitt 5.5 Nichtlineare Randwertprobleme

Beweis. Für hinreichend kleines h ist b˙1;j > 0 bzw. b˙1;j < 0, wenn .u0 /00 < 0 bzw. .u0 /00 > 0. Entsprechend ist b0;j 7 0, wenn .u0 /00 7 0. In jedem Fall hat man b1;j C b0;j C b1;j D 0

für alle j :

Also ist für kleines h die Bedingung „positiver Typ“ (siehe Definition 5.2) erfüllt, falls .u0 /00 < 0. Entsprechend liegt die Eigenschaft „negativer Typ“ für kleines h vor, falls .u0 /00 > 0 ist.

Kapitel 6

Differenzenapproximationen für Randwertprobleme durch Variationsmethoden

In diesem Kapitel werden wir nicht wie im vorigen Kapitel die vorliegende Differentialgleichung zur Herleitung von Differenzenapproximationen zugrundelegen, sondern wir werden ausnutzen, dass die Lösung von 2-Punkt-Randwertaufgaben gewisse Variationsgleichungen erfüllen. Letztere werden dann Ausgangspunkt der Methode der Finiten Elemente, die in einfachen Fällen auf Differenzenverfahren führt, die sich von denen der vorigen Kapitel unterscheiden, und für die über den variationellen Zugang – in Verbindung mit Interpolationsabschätzungen – Fehlerabschätzungen gezeigt werden können.

6.1

Variationelle Formulierung eines eindimensionalen Modellproblems

Die 2-Punkt-Randwertaufgabe u00 .x/ D f .x/ ;

0 < x < 1;

u.0/ D u.1/ D 0 ;

.D/

stellt zu gegebener stetiger Funktion f ein Modellproblem für verschiedene Anwendungsbeispiele aus der Mechanik dar. Aus der Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen weiß man außerdem, dass das Problem .D/ eine eindeutig bestimmte Lösung besitzt. Beispiel 6.1 Elastischer Stab. Auf einen elastischen Stab, der an beiden Enden aufliegt, wirke eine tangentiale Kraft mit Intensität f . Es bezeichne .x/ bzw. u.x/ die Spannung bzw. tangentiale Auslenkung im Punkt x unter f . Nimmt man an, dass die Auslenkung klein bleibt und das elastische Material sich linear verhält, dann gelten die folgenden (physikalischen) Beziehungen: D Eu0 0

(Hookesches Gesetz);

 D f

(Gleichgewichtszustand);

u.0/ D u.1/ D 0

(Randbedingungen) ;

Abschnitt 6.1 Variationelle Formulierung eines eindimensionalen Modellproblems

149

wobei E den Elastizitätsmodul beschreibt. Setzt man E D 1 und eliminiert , dann erhält man .D/. x f

u(x)

Abbildung 6.1. Elastischer Stab

Beispiel 6.2 Wärmeleitung. Es bezeichne u die Temperatur und q den Wärmefluss in einem leitenden Stab, verursacht durch eine Wärmequelle der Intensität f . Nimmt man an, dass die Temperatur an beiden Enden des Stabes null ist, dann gelten im stationären Fall folgende Beziehungen: q D ku0

(Fouriersches Gesetz);

0

q Df

(Energieerhaltung);

u.0/ D u.1/ D 0

(Randbedingungen):

Hierbei bezeichnet noch k die Wärmeleitfähigkeit, die, auf 1 normiert, gerade wieder das Randwertproblem .D/ ergibt. Als nächstes wird es unser Ziel sein zu zeigen, dass die Lösung des Randwertproblems .D/ auch die Lösung eines Minimierungsproblems .M / und eines Variationsproblems .V / ist. Dazu bezeichne Z 1 v.x/w.x/ dx .v; w/ D 0

L2 -Skalarprodukt

das für reellwertige Funktionen, die wir als stückweise stetig mit höchstens endlich vielen Sprungstellen annehmen. Außerdem sei  ˚ ˇ V WD v ˇ v stetig in Œ0; 1 ; v 0 stückweise stetig und beschränkt, v.0/ D v.1/ D 0 ein entsprechender linearer Raum von Funktionen, und 1 F .v/ WD .v 0 ; v 0 /  .f; v/ 2 definiere ein quadratisches Funktional. Wir zeigen nun, dass die oben erwähnten Probleme die folgende Gestalt haben: Gesucht u 2 V mit F .u/  F .v/ 0

0

Gesucht u 2 V mit .u ; v / D .f; v/

für alle v 2 V :

(M )

für alle v 2 V :

(V )

150

Kapitel 6 Variationsmethoden

Im obigen Beispiel 6.1 repräsentiert F .v/ die gesamte potentielle Energie des Systems bei gegebener Auslenkung v. Hierbei stellt 21 .v 0 ; v 0 / die innere elastische Energie und .f; v/ die aufgebrachte Energie dar. Das Minimierungsproblem .M / entspricht daher dem physikalischen Prinzip der minimalen potentiellen Energie; das Variationsproblem .V / wird in der Physik als Prinzip der virtuellen Arbeit bezeichnet. Im Rahmen der Methode der Finiten Elemente betrachtet man das Variationsproblem anstelle von V im größeren Sobolev-Raum H01 .0; 1/, der durch Vervollständigung von V bezüglich der zum Skalarprodukt .u0 ; v 0 / gehörigen Norm kv 0 kL2 D jvj1 entsteht. Für unsere Zwecke reicht es aber aus, den obigen Raum V von stetigen, stückweise klassisch differenzierbaren Funktionen zu betrachten. Behauptung 6.3. Eine Lösung von .D/ löst auch .V /. Beweis. Durch Multiplikation der Differentialgleichung in .D/ mit einer Testfunktion aus V und Integration erhält man .u00 ; v/ D .f; v/ ;

v2V :

Partielle Integration und Einsetzen der Randbedingungen liefert .u00 ; v/ D u0 .1/v.1/ C u0 .0/v.0/ C .u0 ; v 0 / D .u0 ; v 0 / ; woraus die Gleichung in .V / folgt. Behauptung 6.4. Eine Lösung von .M / ist auch Lösung von .V / und umgekehrt. Beweis. (i) Mit einer Lösung u von .V / sei w WD v  u für beliebiges v 2 V . Dann ist auch w 2 V und v D u C w, und man erhält 1 0 .u C w 0 ; u0 C w 0 /  .f; u C w/ 2 1 1 D .u0 ; u0 /  .f; u/ C .u0 ; w 0 /  .f; w/ C .w 0 ; w 0 /  F .u/ : ƒ‚ … 2 „ ƒ‚ … 2 „ ƒ‚ … „

F .v/ D F .u C w/ D

DF .u/

D0

0

Damit ist u auch Lösung von .M /. (ii) Für eine Lösung u von .M /, ein beliebiges v 2 V und eine reelle Zahl " hat man F .u/  F .u C "v/ ; da auch u C "v 2 V . Definiert man g."/ WD F .u C "v/ "2 1 D .u0 ; u0 / C ".u0 ; v 0 / C .v 0 ; v 0 /  .f; u/  ".f; v/ ; 2 2

Abschnitt 6.1 Variationelle Formulierung eines eindimensionalen Modellproblems

151

dann ist g differenzierbar mit der Ableitung g 0 ."/ D .u0 ; v 0 / C ".v 0 ; v 0 /  .f; v/ ; und g hat ein Minimum bei " D 0. Es ist nämlich F .u/ D g.0/  g."/ D f .u C "v/ für alle v 2 V . Notwendigerweise muss daher g 0 .0/ D 0 sein, was auf die Gleichung .u0 ; v 0 /  .f; v/ D 0 führt. Behauptung 6.5. Eine Lösung von .V / (und damit auch von .M /) ist eindeutig bestimmt. Beweis. Für zwei Lösungen u1 ; u2 von .V / hat man .u01 ; v 0 / D .f; v/

.u02 ; v 0 / D .f; v/

und

für alle v 2 V :

Durch Subtraktion und die Wahl v WD u1  u2 2 V folgt Z 1 .u01  u02 /2 dx D 0 : 0

Damit stimmen u01 und u02 fast überall in Œ0; 1 überein. Nach dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung gilt auch für die stückweise differenzierbare Funktion v D u1  u2 , dass Z x v.x/ D v.0/ C v 0 .s/ ds ; x 2 Œ0; 1 : 0

Mit Hilfe der Cauchy–Schwarzschen Ungleichung für Integrale folgt daraus Z

1

0

1=2 2

jv .s/j ds

jv.x/  v.0/j 

;

x 2 Œ0; 1 :

0

Wie oben gezeigt, verschwindet die rechte Seite dieser Ungleichung; wegen der Randbedingungen ist v.0/ D 0, was v.x/ D 0, x 2 Œ0; 1, beweist. Die drei letzten Behauptungen lassen sich symbolisch wie folgt darstellen: .D/ ) .V / , .M / : Wir zeigen nun abschließend, dass die Lösungen von .V / unter gewissen Regularitätsvoraussetzungen auch klassische Lösungen des Randwertproblems liefern. Behauptung 6.6. Eine Lösung u von .V / ist auch Lösung des Randwertproblems .D/, falls u00 existiert, und u00 sowie f stetig sind.

152

Kapitel 6 Variationsmethoden

Beweis. Für u 2 V gelte Z

1

u0 v 0 dx 

0

Z

1

f v dx D 0

für alle v 2 V :

0

Durch partielle Integration und die in der Definition von V integrierten Randbedingungen v.0/ D v.1/ D 0 folgt Z

1



.u00 C f /v dx D 0

für alle v 2 V :

0

Man überlegt sich leicht mit Hilfe eines indirekten Beweises, dass wegen der Stetigkeit von u00 C f dann .u00 C f /.x/ D 0

für alle x 2 Œ0; 1

gelten muss. Damit erfüllt u die Differentialgleichung in .D/; die homogenen Randbedingungen sind erfüllt, da u 2 V angenommen wurde.

6.2

Die einfachste Finite-Elemente-Methode für das Modellproblem

Zur Approximation des Modellproblems .D/ aus Abschnitt 6.1 legen wir den endlichdimensionalen Teilraum Vh von V aller stetigen, stückweise linearen Funktionen zugrunde. Dazu bezeichne h W 0 D x0 < < xn1 < xn D 1 eine Unterteilung von Œ0; 1 in Teilintervalle Ij D .xj 1 ; xj / der Länge hj D xj  xj 1 ; j D 1; : : : ; n; weiter sei h D max1j n hj . Der Parameter h gibt also an, wie fein das Intervall unterteilt ist. Wie angekündigt, sei ˇ ˚  Vh WD v 2 C Œ0; 1 ˇ vjIj D ist linear, v.0/ D v.1/ D 0 : Man erhält so also einen Teilraum Vh  V der Dimension n  1. Funktionen aus Vh sind eindeutig bestimmt durch deren Werte j D v.xj / ; j D 1; : : : ; n  1, an den Gitterpunkten xj . Basisfunktionen in Vh erhält man durch die sogenannten „Dachfunktionen“ (englisch ‘roof functions’), die durch die Eigenschaften ( 'i .xj / D

1; i D j ; 0; i D 6 j;

j D 1; : : : ; n  1

Abschnitt 6.2 Die einfachste Finite-Elemente-Methode für das Modellproblem

153

Abbildung 6.2. Beispiel einer Funktion v 2 Vh

charakterisiert sind. Diese ergeben sich als 8 ˆ 0 ; 0  x  xi1 ; ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ x  xi 1 ˆ ˆ < ; xi1  x  xi ; hi 'i .x/ D xi C1  x ˆ ˆ ; xi  x  xiC1 ; ˆ ˆ ˆ ˆ hi C1 ˆ ˆ : 0 ; xiC1  x  1 ;

i D 1; : : : ; n  1 :

Jede Funktion v 2 Vh lässt sich offenbar durch v.x/ D

n1 X

i 'i .x/ ;

x 2 Œ0; 1 ;

i D1

darstellen mit i D v.xi /. Die Methode der Finiten Elemente für das Randwertproblem .D/ und den ausgewählten endlichdimensionalen Raum Vh besteht nun darin, die folgende Aufgabe zu lösen: Gesucht uh 2 Vh mit F .uh /  F .v/ für alle v 2 Vh :

(Mh )

Wie in Abschnitt 6.1, Behauptung 6.4, macht man sich klar, dass diese Aufgabenstellung äquivalent dazu ist, das folgende endlichdimensionale Variationsproblem zu lösen: 8v 2 Vh : (Vh ) Gesucht uh 2 Vh mit .u0h ; v 0 / D .f; v/

154

Kapitel 6 Variationsmethoden

Abbildung 6.3. Die Basisfunktionen 'j

Das Problem .Vh / heißt üblicherweise auch Galerkin-Methode; das Minimierungsproblem wird auch Ritz-Methode genannt. Setzt man uh .x/ D

n1 X

i 'i .x/ ;

i D uh .xi / ;

(6.1)

iD1

und in .Vh / nacheinander v D 'j ; j D 1; : : : ; n  1, dann ist die Galerkin-Methode .Vh / äquivalent zur Lösung des linearen Gleichungssystems n1 X

i .'i0 ; 'j0 / D .f; 'j / ;

j D 1; : : : ; n  1 ;

(6.2)

i D1

zur Bestimmung der Koeffizienten i in der Darstellung (6.1) der Galerkin-Approximation uh . Die zugehörige Matrix A D .aj i / mit den Koeffizienten aj i D .'i0 ; 'j0 / bezeichnet man auch als (Gesamt-)Steifigkeitsmatrix; der Vektor der rechten Seiten b D .b1 ; : : : ; bn1 /> , mit bj D .f; 'j /, heißt auch Lastvektor. Diese Bezeichnungen stammen aus der ursprünglichen Entwicklung und Anwendung der Finite-ElementeMethode in der Strukturmechanik. Im vorliegenden Beispiel der Dachfunktionen können die Koeffizienten der Steifigkeitsmatrix A leicht berechnet werden. Zunächst beobachtet man, dass .'i0 ; 'j0 / D 0 ist, falls ji  j j > 1. Dies zeichnet eine lokale Basis aus, bei der im vorliegenden eindimensionalen Fall nur benachbarte Basisfunktionen einen gemeinsamen Träger1 1 Bezeichnung

und Definition: Wir nennen supp ' WD fxj'.x/ 6D 0g den Träger von '.

155

Abschnitt 6.3 Erste Fehlerabschätzungen

haben. Dadurch wird A tridiagonal, und man rechnet aus, dass Z xj Z xj C1 1 1 1 1 0 0 dx C dx D C ; j D 1; : : : ; n  1 ; .'j ; 'j / D 2 2 hj hj C1 hj C1 xj 1 hj xj Z xj 1 1 .'j0 ; 'j0 1 / D .'j0 1 ; 'j0 / D  dx D  ; j D 2; : : : ; n  1 ; 2 hj xj 1 hj .'j0 ; 'j0 C1 / D .'j0 C1 ; 'j0 / D 

1 ; hj C1

j D 1; : : : ; n  2 :

Offenbar ist A symmetrisch und auchPpositiv definit, denn für einen Vektor .1 ; : : : ; n1 /> 2 Rn1 hat man mit v D jn1 D1 j 'j .x/, dass 1 0 n1 n1 n1 X X X i .'i0 ; 'j0 /j D @ i 'i0 ; j 'j0 A D .v 0 ; v 0 /  0 : i;j D1

iD1

j D1

In der letzten Ungleichung gilt Gleichheit nur, wenn v 0  0, was in Verbindung mit v.0/ D 0 nur für v  0 – oder j D 0 ; j D 1; : : : ; n  1 – richtig ist. Für eine positiv definite Matrix ist bekanntlich das zugehörige Gleichungssystem für jede rechte Seite eindeutig lösbar, und man kann hier das Gaußsche Eliminationsverfahren für tridiagonale Matrizen – ohne Zeilenvertauschung – als ein direktes Verfahren zur Berechnung der Lösung einsetzen (siehe [54, Abschnitt 6]). Im Spezialfall einer gleichförmigen Unterteilung, das heißt hj D h D n1 , hat das Gleichungssystem (6.2) die Form 

 1 1  j 1  2j C j C1 D .f; 'j / ; 2 h h 0 D n D 0 :

j D 1; : : : ; n  1 ;

Dies ist auf der linken Seite offenbar genau die Approximation der zweiten Ableitung durch den zentralen Differenzenquotienten zweiter Ordnung . Im Gegensatz zu einem entsprechenden Differenzenverfahren hat man bei der Galerkin-Methode rechts eine Art Mittelung von f über das Interval .xj 1 ; xj C1 / zu nehmen; eine Approximation zum Beispiel durch die Simpson-Formel in Ij und Ij C1 hat die Gestalt 1 1 .f; 'j /  .f .xj 1=2 / C f .xj / C f .xj C1=2 / / ; h 3 wobei xj ˙1=2 WD 12 .xj C xj ˙1 /.

6.3

Erste Fehlerabschätzungen

Wir betrachten zunächst wieder das Modellproblem .D/ und die zugehörige GalerkinApproximation .Vh /. Fehlerabschätzungen für die Differenz der Lösung u von .D/

156

Kapitel 6 Variationsmethoden

bzw. uh von .Vh / beruhen auf der Fehlergleichung2 . .u  uh /0 ; v 0 / D 0

für alle v 2 Vh ;

(6.3)

die durch Subtraktion der Gleichung in .V / und .Vh / unter Beachtung von Vh  V folgt. Für die folgenden Abschätzungen benötigen wir die L2 -Norm Z kwk D .kwk0 D / .w; w/

1=2

1=2

1

D

2

w.x/ dx

;

0

für die bekanntlich die Cauchy–Schwarzsche Ungleichung j.v; w/j  kvk kwk gilt. Der folgende Satz zeigt, dass uh in gewissem Sinne die beste Approximation von u in Teilraum Vh darstellt; die zugrundeliegende Norm ist dabei jvj1 D kv 0 k ;

v2V :

Wir werden später sehen, dass die so definierte Halbnorm in V – wegen der Nullrandbedingungen – sogar eine Norm darstellt. Satz 6.7. Für die Lösungen u von .V / bzw. uh von .Vh / und jedes v 2 Vh gilt die Ungleichung (6.4) ju  uh j1  ju  vj1 : Beweis. Für beliebiges v 2 Vh sei w D uh  v. Damit ist w 2 Vh und mit w anstelle von v in der Fehlergleichung (6.3) erhält man k.u  uh /0 k2 D . .u  uh /0 ; .u  uh /0 / C . .u  uh /0 ; w 0 / D . .u  uh /0 ; .u  uh C w/0 / D . .u  uh /0 ; .u  v/0 /  k.u  uh /0 k k.u  v/0 k : Division durch k.u  uh /0 k liefert die behauptete Abschätzung. Als Konsequenz des letzten Satzes kann man eine Abschätzung des Fehlers ju  uh j1 dadurch erhalten, dass man zum Beispiel den Interpolationsfehler ju  uQ h j1 abschätzt, wobei uQ h 2 Vh die stetige, stückweise lineare Interpolierende von u bezeichnet, die charakterisiert ist durch uQ h .xj / D u.xj / ; 2 (6.3)

heißt auch „Galerkin-Orthogonalität“.

j D 0; : : : ; n :

157

Abschnitt 6.3 Erste Fehlerabschätzungen

Für das Folgende benötigen wir Abschätzungen des Interpolationsfehlers, die wir zum Teil ohne Beweis aus [29] übernehmen. Im Folgenden betrachten wir ein Intervall I D Œa; b und bezeichnen wie oben die L2 -Norm mit k k; die Maximumnorm sei mit k k1 bezeichnet. Falls die Normen nur auf Teilintervallen betrachtet werden, wird dies wie folgt gekennzeichnet: k kIk ; j j1;Ik ; k k1;Ik . Hierbei ist Ik D .xk1 ; xk /, hk D xk  xk1 , k D 1; : : : ; n, für eine Unterteilung  D h von Œa; b. Satz 6.8. Für eine zweimal stetig differenzierbare Funktion u 2 V \ C 2 .a; b/ und die zugehörige stetige, stückweise lineare Interpolierende uQ h gelten die folgenden Abschätzungen für jedes Teilintervall Ik : h2 hk ku  uQ h kIk  p ku0 kIk ; ku  uQ h kIk  k ku00 kIk ; 2 2 hk 00 .u  uQ h /0  ku0 kI ; .u  uQ h /0  p ku kIk ; k Ik Ik 2 h2k 00 u  uQ h ku k1;Ik ;  k D 1; : : : ; n : 1;Ik 8

(6.5) (6.6) (6.7)

Beweis. Da uQ h den zu u gehörigen linearen interpolierenden Spline zum Gitter  darstellt (siehe [29, Abschnitt 44]), gelten die Abschätzungen in (6.5), die zweite Abschätzung in (6.6) und (6.7) wie in [29], Satz 45.2 und Satz 45.4, gezeigt. Zum Nachweis der ersten Abschätzung in (6.6) verwenden wir partielle Integration und benutzen, dass .uQ h /00 D 0 auf jedem Teilintervall ist: Z   .u  uQ h /; ' 0 I D .u  uQ h /0 .s/' 0 .s/ ds k

Ik

Z

D Ik

ˇx u00 ' ds C .u  uQ h /0 ' ˇxk

k1

D .u00 ; '/Ik

für eine beliebige Funktion ' 2 C 1 .Ik / mit '.xk1 / D '.xk / D 0. Für den letzten Term wir wieder partielle Integration an, .u00 ; '/Ik D .u0 ; ' 0 /Ik , so dass   h 0wenden 0 .uQ / ; ' I D 0 für die oben beschriebenen Funktionen '. Einsetzen von ' D k

u  uQ h in die letzte Beziehung liefert  h 0  .uQ / ; .u  uQ h /0 I D 0 k

das heißt, der Interpolationsfehler u uQ h steht bezüglich des Skalarprodukts .u0 ; v 0 /Ik senkrecht auf uQ h . Aus dem Satz von Pythagoras ergibt sich schließlich juQ h j21;Ik C ju  uQ h j21;Ik D juj21;Ik ; woraus die erste Abschätzung in (6.6) folgt.

158

Kapitel 6 Variationsmethoden

Die Finite-Elemente-Methode mit einer zugehörigen ersten Fehlerabschätzung wird jetzt noch für eine allgemeinere Klasse von 2-Punkt-Randwertaufgaben bei gewöhnlichen Differentialgleichungen hergeleitet. Mit stetigen Funktionen p; q auf Œa; b, die den Voraussetzungen 0 < p0  p.x/ ;

0  q.x/ ;

a  x  b;

(6.8)

genügen, betrachten wir die Randwertaufgabe .pu0 /0 C qu D f

in

Œa; b

u.a/ D u.b/ D 0 :

(D)

Das zugehörige Variationsproblem hat dann die Form u 2 V W .pu0 ; v 0 / C .qu; v/ D .f; v/

für alle v 2 V ;

(V )

mit demselben Raum V wie oben, wobei statt Œ0; 1 jetzt ein allgemeines Ortsintervall Œa; b, mit a < b, zugrunde gelegt wird. Wir bezeichnen mit a.v; w/ WD .pv 0 ; w 0 / C .qv; w/

(6.9)

die zugehörige Bilinearform und wählen als zugrundeliegende Norm jetzt kvk1 D .kvk2 C kv 0 k2 /1=2 ;

v2V :

Im zu .V / äquivalenten Minimierungsproblem sucht man ein Minimum des (Energie-) Funktionals 1 F .v/ D a.v; v/  .f; v/ : 2 Mit Hilfe der Cauchy–Schwarzschen Ungleichung und der Hölderungleichung für Summen erhält man die Beschränktheitsbedingung ja.v; w/j  ˛1 kvk1 kwk1 ;

v; w 2 V ;

(6.10)

für die Bilinearform a. ; /, wobei ˛1 D max.pO1 ; qO 1 / , pO1 D maxaxb jp.x/j , und qO 1 D maxaxb jq.x/j. Weiter sieht man leicht, dass kvk  .b  a/jvj1

(6.11)

für alle v 2 C 1 .a; b/ mit v.a/ D 0.3 Damit gilt (6.11) auch für alle v 2 V . Aus (6.11) 3 Dies

bezeichnet man auch als Ungleichung von Poincaré–Friedrichs (hier im eindimensionalen Fall), die auch in allgemeineren (Sobolev–) Räumen gilt.

159

Abschnitt 6.3 Erste Fehlerabschätzungen

folgt unmittelbar kvk1  .1 C .b  a/2 /1=2 jvj1 ;

v2V ;

(6.12)

was beweist, dass jvj1 und kvk1 äquivalente Normen auf V sind. Schließlich zeigt man über die Voraussetzungen in (6.8) die folgende Abschätzung nach unten für die Bilinearform a. ; / : a.v; v/  ˛0 kvk21 ;

v2V ;

(6.13)

mit ˛0 D p0 .1 C .b  a/2 /1 , denn wegen (6.8) und (6.12) gilt a.v; v/  p0 jvj21 C qmin kvk2  p0 jvj21  p0 .1 C .b  a/2 /1 kvk21 ; „ƒ‚…

v2V :

0

Die in (6.9) definierte Bilinearform ist symmetrisch. Bedingung (6.10) bedeutet die Beschränktheit von a. ; /, und (6.13) liefert die Elliptizität (das heißt ja.v; v/j  ˛0 kvk21 ) sowie die positive Definitheit (das heißt, a ist symmetrisch und es gilt a.v; v/ > 0 für alle v 2 V mit v ¤ 0). Als Konsequenz von (6.13) sei noch bemerkt, dass mit a.v; w/ auch ein Skalarprodukt erklärt wird und dass die zugehörige Norm äquivalent zu k k1 – und damit auch zu j j1 – ist, denn 1=2

1=2

˛0 kvk1  a.v; v/1=2  ˛1 kvk1 ;

v2V :

Die Norm kvka D a.v; v/1=2 heißt auch die zu .D/ bzw. .V / gehörige Energienorm. Die Galerkin-Methode besteht nun darin, zu einem gegebenen endlichdimensionalen Teilraum Vh  V eine Lösung uh 2 Vh von a.uh ; v/ D .f; v/

8v 2 Vh

(6.14)

zu suchen. Diese Gleichung nennt man wie oben die zugehörige Variationsgleichung, die äquivalent dazuP ist, ein lineares Gleichungssystem zur Bestimmung der Koeffizienten von uh D jn1 D1 j 'j zu lösen, wobei die zugehörige Matrix A D .aj i / , aj i D a.'i ; 'j /, wegen der obigen Voraussetzungen – insbesondere wegen (6.13) – wieder symmetrisch und positiv definit ist. Der Fehler erfüllt nun die Fehlergleichung (oder Galerkin-Orthogonalität) a.u  uh ; v/ D 0

für alle v 2 Vh ;

(6.15)

woraus man durch einen analogen Schluss wie oben unter Benutzung von (6.10) und (6.13) zeigen kann, dass  ku  uh k1 

˛1 ˛0

1=2 ku  vk1

für alle v 2 Vh :

(6.16)

160

Kapitel 6 Variationsmethoden

Man hat nämlich .6:15/

.6:15/

a.u  uh ; u  uh / D a.u  uh ; u/ D a.u  uh ; u  v/  a.u  uh ; u  uh /1=2 a.u  v; u  v/1=2 ;

v 2 Vh ;

wobei die letzte Ungleichung die Cauchy–Schwarzsche Ungleichung für das durch a. ; / definierte Skalarprodukt darstellt. Division durch a.u  uh ; u  uh /1=2 und Anwendung von (6.10), (6.13) liefert 1=2

1=2

˛0 ku  uh k1  a.u  uh ; u  uh /1=2  a.u  v; u  v/1=2  ˛1 ku  vk1 für alle v 2 Vh . Man nennt die Fehlerabschätzung (6.16) „quasi-optimal“, da die Galerkin-Approximation bis auf einen Faktor gleich dem minimalen Abstand von u zu dem Teilraum Vh ist, wobei als Norm k k1 zugrundeliegt. Es sei bemerkt, dass außerdem eine „optimale“ Abschätzung bezüglich der durch a. ; / induzierten Energienorm k ka vorliegt, da dann der Faktor gerade eins ist. Einsetzen von v D uQ h (das heißt die lineare Interpolierende von u) in die quasioptimale Fehlerabschätzung (6.16) ermöglicht auch eine Abschätzung bezüglich k k1 mit Hilfe von h-Potenzen (s. Satz 6.8). Darüber hinaus lässt sich der Fehler auch quasi-optimal bezüglich der L2 -Norm abschätzen, wozu der sogenannte „Aubin– Nitsche-Trick“ verwendet wird – was auch als „Dualitätsargument“ bezeichnet wird.   Vorbereitend stellen wir noch fest, dass für klassische Lösungen u 2 C 2 Œa; b \V des Randwertproblems .D/ bezüglich der L2 -Norm die a priori-Abschätzungen max ku./ k  C kf k

D0;1;2

(6.17)

gelten. Mit v D u in .V / und den Voraussetzungen aus (6.8) erhält man nämlich p0 ku0 k2  a.u; u/ D .f; u/  kf k kuk : Die Ungleichung von Poincaré–Friedrichs (6.11) liefert dann (6.17) für D 0 bzw.

D 1 mit C D .b  a/2 =p0 bzw. C D .b  a/=p0 . Somit folgt die Ungleichung für D 2 aus der Beziehung u00 D p1 .f C p 0 u0  qu/ und den entsprechenden Abschätzungen für u und u0 . Satz 6.9 (A priori-Fehlerabschätzungen). Für den Fehler eh D uh  u beim GalerkinVerfahren mit stetigen, stückweise linearen Funktionen erhält man die Abschätzungen keh0 k  C hkf k

(6.18)

keh k  C h2 kf k ;

(6.19)

und wobei die Konstanten C in (6.18) und (6.19) verschieden sein können und nicht von u; f und h abhängen.

161

Abschnitt 6.3 Erste Fehlerabschätzungen

Beweis. Die erste Abschätzung folgt sofort aus (6.4), Summation in (6.6) und (6.17) für D 2. Für die zweite Abschätzung wird der „Aubin–Nitsche-Trick“ verwendet, indem man die eindeutige Lösung z 2 V \C 2 .I / des sogenannten „dualen Problems“ a.z; v/ D .eh ; v/ ;

v2V ;

(6.20)

betrachtet. Nach (6.17) genügt z der Abschätzung kz 00 k  C keh k. Einsetzen von v D eh in (6.20) und Ausnutzen der Galerkin-Orthogonalität (6.15) liefert keh k2 D a.z; eh / D a.eh ; z  zQ h /  ˛1 keh k1 kz  zQ h k1 ; wobei zQ h die stetige, stückweise lineare Interpolierende von z bezeichnet. Anwendung der Interpolationsabschätzungen (6.5), (6.6) für z  z h und kz 00 k  C keh k impliziert keh k  C hkeh k1 ; woraus mit (6.18) und (6.12) die zweite Behauptung (6.19) folgt. Bezüglich der Maximumnorm erhält man mit Hilfe der Sobolevschen Ungleichung ebenfalls die Konvergenz mit O.h/. Mit besseren Beweistechniken lässt sich anstelle von O.h/ für die Maximumnorm sogar keh k1  C h2 kf k1 zeigen. Die Sobolevschen Ungleichungen gelten allgemein in Sobolevschen Räumen und sind Teil der Sobolevschen Einbettungssätze (siehe zum Beispiel [1], [11], [39]). Wir benötigen hier nur die eindimensionale Form v 2 C 1 Œa; b ;

kvk1  C kvk1 ;

(6.21)

wobei C nur von der Intervalllänge abhängt. Für einmal stetig differenzierbare Funktionen aus V erhält man (6.21) sofort über die Beziehung ˇ ˇ ˇ ˇv.x/ˇ D ˇ

Z

x

ˇ v .s/ ds ˇ  0

a

 .b  a/1=2

Z

b

ˇ 0 ˇ ˇv .s/ˇ ds

a

Z

b

ˇ 0 ˇ2 1=2 ˇv .s/ˇ ds ;

x 2 Œa; b :

a

Ohne die Nullrandbedingungen folgt (6.21) aus der Ungleichung ˇ ˇ ˇv.x/ˇ  "kv 0 k C "1 kvk ; v 2 C 1 Œa; b ;  1=2 . Dieses kann man aus der Beziehung für jedes " in 0 < "  .b  a/=2 Z

xCh

v.x/ D  x

d ds

für h in 0 < jhj  .b  a/=2 herleiten.



xChs v.s/ h

 ds

162

Kapitel 6 Variationsmethoden

Neben den a priori-Fehlerabschätzungen in Satz 6.9 wollen wir nun auch eine a posteriori-Fehlerabschätzung herleiten. Die ersten (lokalen) a posteriori-Fehlerabschätzungen gehen zurück auf Babuska und Rheinboldt ab 1978 (siehe [4], [55]; vergleiche auch [27, Abschnitt 4.8.1]). Andere Zugänge finden sich in [5], [6], [7], [32], [44], [45], [46], [58], die insbesondere für höher dimensionale elliptische Randwertprobleme entwickelt wurden. In [48] wurden a posteriori-Fehlerabschätzungen für singulär gestörte, gewöhnliche Differentialgleichungen bewiesen und zur adaptiven Gitterkonstruktion benutzt. Wir beschränken uns hier darauf, eine a posterioriFehlerabschätzung aus [46] wiederzugeben, wobei uh wieder die stetige, stückweise lineare Galerkin-Approximation der Lösungen u 2 V von .V / und L den Differentialoperator (vergleiche .D/) Lu D .pu0 /0 C qu bezeichnet. Es gilt !1=2 n X keh ka  C h2k kf  L uh kI2k : (6.22) kD1

Beweis von (6.22). Betrachtet man die Lösung z von a.'; z/ D `h .'/ ;

'2V ;

mit `h .'/ WD a.'; eh /=keh ka , dann existiert z 2 V und ist eindeutig bestimmt. Setzt man ' D eh ein, dann folgt wegen der Galerkin-Orthogonalität (6.15) a.eh ; z/ D a.eh ; z  vh / D .f; z  vh /  a.uh ; z  vh / für ein beliebiges vh 2 Vh . Hierbei lässt sich a.eh ; z/ mit Hilfe partieller Integration wie folgt darstellen: n Z ˇk  X ˇ : a.eh ; z/ D .f  L uh /.s/.z  vh /.s/ ds  q uh .z  vh /ˇ k1

Ik

kD1

Wählt man für vh die lineare Interpolierende von z; vh D zQ h , dann verschwinden die Differenzen in der obigen Darstellung und man erhält die Abschätzungen n ˇ ˇ ˇ X ˇ ˇ ˇ ˇa.eh ; z/ˇ  ˇ.f  Lh uh ; z  zQ h /Ik ˇ kD1



n X

2 h2 k f  L uh I

!1=2

n X

k

k

kD1

2 h2 z  zQ h

Ik

!1=2 ;

kD1

wobei 2 N zunächst beliebig ist. Wir wählen nun D 1 und benutzen die (erste) Interpolationsabschätzung in (6.5) für !1=2 n X ˇ ˇ 2 2 ˇa.eh ; z/ˇ  h f  L uh kz 0 k : k

kD1

Ik

163

Abschnitt 6.3 Erste Fehlerabschätzungen

Für die obige Lösung z erhält man offenbar z D eh =keh ka , wie man durch Einsetzen sofort verifiziert. Dafür gilt dann kzka D 1 und kz 0 k  p10 kzka D p10 , woraus die Behauptung folgt, denn !1=2 n ˇ ˇ 2 1 X 2 ˇ ˇ hk f  L uh I : keh ka D a.eh ; z/  k p0 kD1

In (6.22) stellt f  L uh das Residuum dar, das durch Einsetzen von uh in die Differentialgleichung entsteht.4 Dies ist natürlich nur lokal möglich, das heißt in jedem Teilintervall Ik . Da uh dort linear ist, gilt im Residuum u00h jIk D 0. Die Konstante in (6.22) ergibt sich nach dem Beweis als C D 1=p0 . Die rechte Seite von (6.22) nennt man auch „Residuen-Schätzer“. Am Ende dieses Abschnitts rechnen wir noch aus, wie die Koeffizienten des Gleichungssystems der Ritz–Galerkin-Methode (6.14) aussehen, wenn man wie in Abschnitt 6.2 Näherungslösungen im Raum der stetigen, stückweise linearen Funktionen sucht. Mit den Dachfunktionen 'j ; j D 1; : : : ; n  1, über einer Unterteilung h W 0 D x0 < < xn1 < xn D 1 Pn1 von Œ0; 1 sucht man wieder Näherungslösungen uh D iD1 uh .xi /'i und erhält durch (6.14) ein Gleichungssystem n1 Xh

i .p'k0 ; 'j0 / C .q'k ; 'j / uh .xk / D .f; 'j / ;

j D 1; : : : ; n  1 :

kD1

Zur Bestimmung der Koeffizienten muss man die Skalarprodukte 8 8 ˆ ˆ ˆ qj;j 1 ; k D j  1 ; ˆ pj;j 1 ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ < q ; < p kDj; j;j j;j .p'k0 ; 'j0 / D ; .q'k ; 'j / D ˆ ˆ pj;j C1 qj;j C1 ; k D j C 1 ; ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ ˆ : 0 : 0 jk  j j > 1 ; berechnen mit pj;j 1 D pj;j C1 D

1 hj2

Z

Z p dx ; Ij

1 hj2C1

Ij

q'j 'j 1 dx ;

Z

Z p dx ; Ij C1

pj;j D pj;j 1 C pj;j C1 ; 4 In

qj;j 1 D qj;j C1 D

Ij C1

Z qj;j D

q'j 'j C1 dx ;

xj C1 xj 1

q'j2 dx :

den Kapiteln 1, 2 usw. haben wir das auch als „Abschneidefehler“ bezeichnet.

(6.23)

164

Kapitel 6 Variationsmethoden

Setzt man zur Abkürzung noch vj D uh .xj /, dann hat (6.23) die Form eines Differenzenverfahrens mit einer tridiagonalen Matrix .qj;j 1  pj;j 1 /vj 1 C.qj;j Cpj;j /vj C.qj;j C1  pj;j C1 /vj C1 D .f; 'j / ; j D 1; : : : ; n  1 :

(6.24)

Benutzt man die Simpson-Formel zur Approximation der obigen Skalarprodukte (jeweils in Ij D .xj 1 ; xj / und Ij C1 D .xj ; xj C1 /), dann erhält man mit den Abkürzungen p D p.x / , q D q.x / , x˙1=2 D 21 .x C x˙1 / die folgenden Näherungen: 1 1 .pj 1 C4pj 1=2 Cpj / ; pj;j C1  .pj C4pj C1=2 Cpj C1 / ; 6hj 6hj C1   1 1 1 1 1 pj C  .pj 1 C4pj 1=2 /C C .4pj C1=2 Cpj C1 / ; 6hj 6 hj hj C1 6hj C1

pj;j 1  pj;j

hj hj C1 qj 1=2 ; qj;j C1  qj C1=2 ; 6 6 1  .hj qj 1=2 C.hj Chj C1 /qj Chj C1 qj C1=2 / : 6

qj;j 1  qj;j

Im Fall, dass p und q konstant sind, erhält man als Gleichungssystem    q vj  vj 1 vj C1  vj C p hj vj 1 C2.hj Chj C1 /vj Chj C1 vj C1  hj hj C1 6 (6.25) D .f; 'j / ; j D 1; 2; : : : ; n  1 : Benutzt man auch die Simpson-Formel zur Approximation der rechten Seite von (6.24) bzw. (6.25), dann ergibt sich Z xj C1 1 .f; 'j / D 2hj f .xj 1=2 / C .hj C hj C1 /f .xj / f 'j dx D 6 xj 1    C 2hj C1 f .xj C1=2 / C O hj5 C hj5C1 : Ist schließlich das Gitter äquidistant und sind die Funktionen p; q konstant, dann erhält (6.25) die Form – nach Multiplikation mit h –     h2 h2 h2 .f 1 Cfj Cfj C 1 / ;  p  q .vj 1 Cvj C1 /C2 p C q vj D 2 6 3 3 j2 (6.26) j D 1; : : : ; n  1 : Abschließend sei bemerkt, dass man auf (6.26) – und natürlich auch auf (6.24), (6.25) – das Maximumprinzip aus Abschnitt 5.3 anwenden kann. Nach Multiplikation mit

165

Abschnitt 6.4 Galerkin-Verfahren für nichtlineare Probleme

.1/ erfüllen die Koeffizienten in (6.26) die Eigenschaft „positiver Typ“, falls noch h hinreichend klein ist (genauer, falls qh2 < 6p). Dann ist nämlich a1;h D a1;h D p  und a1;h C a0;h C a1;h D 2p 

h2 q>0 6

  h2 h2 q  2 p C q D h2 q  0 : 3 3

Damit liegt auch für (6.26) eine Stabilitätsabschätzung der Form (5.17) vor. Für Konvergenzaussagen ist allerdings der oben skizzierte Weg über die quasi-optimale Fehlerabschätzung für die betrachteten Galerkin-Verfahren der angemessene.

6.4

Galerkin-Verfahren für nichtlineare Probleme

Wir betrachten wieder nichtlineare Randwertprobleme der Form, die schon in Abschnitt 5.5 untersucht worden sind, und verwenden zu deren Approximation jetzt die Galerkin-Methode. Das Randwertproblem habe die Form .pu0 /0 C qu D f .x; u.x// ;

x 2 I D Œ0; 1 ;

(6.27)

u.0/ D u.1/ D 0 :

Man beachte, dass (6.27) erst nach Multiplikation mit .1/ die Form von (5.21) erhält und entsprechend dort f durch f zu ersetzen ist. Der lineare Anteil in (6.27) liegt in selbstadjungierter Form vor und erlaubt daher eine analoge Vorgehensweise wie in Abschnitt 6.1 und 6.2. Wir setzen voraus, dass p 2 C 2 .0; 1/ ; q 2 C Œ0; 1 ; f; fy 2 C.Œ0; 1  R/ ; fy .x; y/   < ƒ WD

0 < p0  p.x/ ;

0  q.x/ ;

x2I ;

und inf

06Dv2V

a.v; v/ ; kvk2

x 2 Œ0; 1 ; y 2 R ;

wobei a. ; / wie in (6.9) definiert ist und k k die L2 -Norm bezeichnet. Das zu (6.27) gehörige nichtlineare Variationsproblem erhält man wie in Abschnitt 6.3, Z 1

.pu0 ; v 0 / C .qu; v/ D

f .x; u.x//v.x/ dx ;

v2V :

(6.28)

0

Man kann zeigen (siehe [49, Theorem 2.12]), dass eine Lösung von (6.28) striktes Minimum des Funktionals Z 1 Z v.x/ 1 f .x; / d dx J.v/ WD a.v; v/  2 0 0

166

Kapitel 6 Variationsmethoden

ist; umgekehrt ist ein Minimum von J. / auch Lösung von (6.28). Zur Approximation von (6.27) bzw. (6.28) wählen wir zum Beispiel wieder den Raum Vh der Dachfunktionen Œ'1 ; : : : ; 'n1  über einer Unterteilung 0 D x0 < x 1 < < xn D 1 von I D Œ0; 1. Wir setzen zur Abkürzung vj D uh .xj / , j D 0; : : : ; n, und suchen P als Näherung also eine Funktion uh 2 Vh mit uh D jn1 D1 vj 'j , die folgendes nichtlineare Gleichungssystem erfüllt: n1 X

Z

1

a.'k ; 'j /vk D

f .x; 0

kD1

n1 X

j D 1; : : : ; n  1 : (6.29)

vk 'k .x//'j .x/ dx ;

kD1

Die zugehörige Jacobi-Matrix wird wesentlich benötigt, um Näherungsmethoden zur Lösung von (6.29) zu konstruieren. Satz 6.10. Unter den obigen Voraussetzungen hat die zu (6.29) gehörige Jacobi-Matrix B D .bj k / für jedes feste u0h 2 Vh die Form Z

1

bj k D a.'k ; 'j /  0

fy .x; u0h .x//'k .x/'j .x/ dx ;

1  j; k  n  1 ;

und sie ist positiv definit. Beweis. Siehe Theorem 2.18 in [49]. Das Newton-Verfahren zur iterativen Lösung von (6.29) erfordert also in jedem Iterationsschritt die Lösung des (linearen) Gleichungssystems n1 X

.tC1/



vk

Z

1

a.'k ; 'j /  0

kD1

Z

1

D

"

 f

0



.t/ x; uh .x/

  .t/ fy x; uh .x/ 'k .x/'j .x/ dx 

n1 X

.t/ vk fy



#



.t/ x; uh .x/

(6.30)

'k .x/ 'j .x/ dx ;

kD1

j D 1; : : : ; n  1 ;

t D 0; 1; : : : ;

Pn1 .t/ .t/ wobei uh .x/ D kD1 vk 'k .x/. Aufgrund der positiven Definitheit der JacobiMatrix ist das Gleichungssystem in (6.30) lösbar. Eine einfachere Methode zur Lösung von (6.29) ist das Gauß–Seidel- oder Einzelschrittverfahren. Da a.'j ; 'j / > 0 (wegen der positiven Definitheit der Bilinearform

167

Abschnitt 6.4 Galerkin-Verfahren für nichtlineare Probleme

a. ; /), hat das Einzelschrittverfahren die Form .tC1/

vj

D

   1 .tC1/ .tC1/ .t/ .t/ ˆj v1 ; : : : ; vj 1 ; vj ; : : : ; vn1 a.'j ; 'j / 

jX 1

.tC1/

a.'j ; 'k /vk

n1 X



.t/

a.'j ; 'k /vk

 ;

(6.31)

kDj C1

kD1

j D 1; : : : ; n  1 ; wobei

Z

1

ˆj .1 ; : : : ; n1 / D

f 0

x;

n1 X

! k 'k .x/ 'j .x/ dx :

kD1

In (6.30) und (6.31) müssen natürlich noch die Integrale durch Quadraturformeln approximiert werden, wobei im Falle der Dachfunktionen nur Beiträge in Intervall Œxj 1 ; xj C1  auftreten. In diesem Fall ist in (6.30) in jedem Iterationsschritt ein tridiagonales Gleichungssystem zu lösen. In [49, Abschnitt 9.3] ist weiter ausgeführt, dass unter den oben genannten Voraussetzungen die Galerkin-Approximationen gegen die Lösung des gegebenen nichtlinearen Variationsproblems konvergieren. Es gilt sogar wieder eine (lokal) quasioptimale Fehlerabschätzung bezüglich der Norm k k1 . Abschließend sei bemerkt, dass wir auch das voll nichtlineare Beispiel am Ende von Abschnitt 5.5 mit einem Galerkin-Verfahren approximieren, das Newton-Verfahren für das entsprechende nichtlineare Gleichungssystem aufstellen und analoge Konvergenzaussagen formulieren können.

Kapitel 7

Kollokationsverfahren

Die theoretischen Grundlagen der Kollokationsverfahren gehen zurück auf Russell– Shampine [51] (1971) und Vainikko [57] (1966); als Programmsystem sei auf das weit verbreitete COLSYS von Ascher–Christiansen–Russell [3] (seit 1978) verwiesen. Die Kollokationsmethode ist für lineare und nichtlineare 2-Punkt-Randwertprobleme anwendbar und kann als Projektionsmethode verstanden werden. Für deren Konvergenzuntersuchung stehen starke Hilfsmittel aus der Numerischen Analysis zur Untersuchung und Approximation von Gleichungen zweiter Art zur Verfügung. In der Darstellung dieses Abschnitts folgen wir weitgehend der von Russell–Shampine [51].

7.1

Lineare Randwertprobleme m-ter Ordnung

Wir betrachten lineare Differentialgleichungen m-ter Ordnung m1 X  L.u/ WD u.m/ .x/ C ak .x/u.k/ .x/ D f .x/;



a  x  b;

(7.1)

kD0

mit (homogenen) linear unabhängigen Randbedingungen m1 X

˛ik u.k/ .a/ C ˇik u.k/ .b/ D 0 ;

1  i  m;

(7.2)

kD0

wobei ˛i;k ; ˇi;k Konstanten sind. Im Folgenden sei vorausgesetzt, dass die Koeffizientenfunktionen ak und f mindestens stetig sind und dass (7.1), (7.2) eine eindeutige Lösung besitzt. (Im Anhang A.6 sind für Randwertaufgaben zweiter Ordnung Bedingungen dafür angegeben.) Weiter existiere die Greensche Funktion G.x; t / für die homogene Randwertaufgabe w .m/ D 0 mit den Randbedingungen (7.2). Wegen der bekannten Eigenschaften der Greenschen Funktion (vergleiche zum Beispiel Anhang A.8) erfüllt dann Z '.x/ D

b

G.x; t /u.t / dt a

die Differentialgleichung ' .m/ D u und die Randbedingungen (7.2). Aufgrund der vorausgesetzten eindeutigen Lösbarkeit von (7.1), (7.2) muss daher ' D u die Lösung

169

Abschnitt 7.1 Lineare Randwertprobleme m-ter Ordnung

von (7.1), (7.2) sein. Für die Ableitungen erhält man die Beziehungen Z u

.k/

b

.x/ D a

@k G .x; t /v.t / dt ; @x k

k D 0; : : : ; m ;

(7.3)

so dass für v D u.m/ die Gleichung v.x/ C

m1 X

Z

b

ak .x/ a

kD0

@k G.x; t / v.t / dt D f .x/ ; @x k

x 2 .a; b/ ;

erfüllt ist. Definiert man den Integraloperator Z .Kv/.s/ D

b

.s; t /v.t / dt

(7.4)

a

mit dem Kern .s; t / D

m1 X

ak .s/

kD0

@k G.s; t / ; @s k

a  s; t  b ;

dann ist v eindeutige Lösung der Gleichung (zweiter Art) v C Kv D f

(7.5)

für jedes f 2 C Œa; b. Es ist also gleichwertig, u als Lösung von (7.1), (7.2) oder v als Lösung von (7.5) zu bestimmen. Hat man v, dann ergibt sich u über die Greensche Funktion G wie oben dargestellt. Man weiß, dass K ein vollstetiger Operator auf C Œa; b ist und damit ist I C K invertierbar1 (siehe zum Beispiel [36, XIV]). Der Kern . ; / ist stetig bis auf s D t , wo Unstetigkeit im Falle am1 ¤ 0 vorliegt. .n/ .n/ .n/ Zur Approximation von (7.1) und (7.2) sei n W a D x0 < x1 < < xn D b eine Folge nicht notwendig aquidistanter Unterteilungen von Œa; b mit h.n/ WD

max

kD1;:::;n



.n/ .n/  xk  xk1 ! 0 .n ! 1/ :

Es bezeichne Pr .n / den Raum aller stückweisen polynomialen Funktionen von .n/ .n/ höchstens r-tem Grad auf jedem Teilintervall Ik D .xk1 ; xk / und ˇ  ˚   Snr;1 D Pr .n / D u 2 Pr .n / ˇ u 2 C 1 .a; b/ ; D 0; : : : ; r C 1 : Für die Dimension dieser Räume gilt die Formel   dim Snr;1 D n r  .  1/ C : 1 In

diesem Kapitel bezeichnet I die identische Abbildung.

170

Kapitel 7 Kollokationsverfahren

Die Räume Snr;r1 D Prr .n / mit den weitestgehenden Stetigkeitseigenschaften – neben PrrC1 .n / D Pr .K/ – bezeichnet man als Spline-Funktionen oder PolynomSplines. Für deren Dimension gilt dim Snr;r1 D n C r. Bei Kollokationsverfahren wird nun für d C 1 ausgewählte Punkte in jedem Teilintervall Ik eine Funktion un aus SnmCd;m bestimmt, so dass die Differentialgleichung (7.1) an diesen Punkten für un erfüllt ist und die Randbedingungen (7.2) gelten. Diese .d C1/ Punkte werden in gleicher Weise für alle Teilintervalle gewählt: Man nimmt eine Unterteilung 0 D t0 < < td D 1 von Œ0; 1 und setzt xk;j D xk Ctj .xkC1 xk / für j D 0; : : : ; d und k D 0; : : : ; n  1. Die Gesamtheit der nd C 1 Punkte (die Kollokationspunkte) xk D xk;0 < xk;1 < < xk;d D xkC1 ;

k D 0; : : : ; n  1 ;

(7.6)

bezeichnen wir mit Gn . Außerdem bezeichnet noch .SnmCd;m /0 den Raum aller stückweise polynominalen Funktionen aus SnmCd;m , die die Randbedingungen (7.2) erfüllen. Für die Dimension von .SnmCd;m /0 gilt dim.SnmCd;m /0 D dim SnmCd;m  m D nd C 1 : Durch die Kollokationspunkte fxk;j g und die Räume Snd;0 werden lineare, gleichmäßig beschränkte Projektionen Pn von C Œa; b auf Snd;0 erklärt; Pn vjIkC1 ist nämlich gerade das Interpolationspolynom d -ten Grades durch die d C 1   eindeutig bestimmte Punkte xk;j ; v.xk;j / , j D 0; : : : ; d , in jedem Teilintervall IkC1 , wobei an den Intervallgrenzen noch Stetigkeit erfüllt sein muss. Mit dem Operator K aus (7.4) und den Projektionen Pn ergibt sich die Näherung vn 2 Snd;0 der Kollokation auf Gn als Lösung von Pn .vn C Kvn / D Pn f ;

n 2 N:

(7.7)

Wegen Pn vn D vn .Pn ist ja Projektion), ist (7.7) äquivalent zu vn C Pn Kvn D Pn f ;

n 2 N:

(7.8) .m/

Mit der Näherung un 2 .SnmCd;m /0 besteht dann die Beziehung vn D un . Man weiß mit Hilfe von Interpolationsabschätzungen oder Abschätzungen vom Jackson-Typ für beste Approximationen von stetigen Funktionen durch Polynome, dass (wegen h.n/ ! 0) kPn g  gk1 ! 0

.n ! 1/ :

Für glatte Funktionen kennt man die Konvergenzgeschwindigkeit:   kPn g  gk1 D O .h.n/ /p ; g 2 C p .a; b/ ; p 2 f0; : : : ; d g :

(7.9)

Abschnitt 7.1 Lineare Randwertprobleme m-ter Ordnung

171

Aus (7.9) folgt für den kompakten Operator K, dass kPn K  Kk ! 0 .n ! 1/

(7.10)

in der Operatornorm (als Abbildung von C Œa; b in sich versehen mit der Maximumnorm). = 0 .n ! 1/, dann existieBeweis von (7.10). Nimmt man an, dass kPn K  Kk ! .n/ ren ein "0 > 0 und für alle m 2 N ein n  m und x mit den Eigenschaften kx .n/ k D 1

und

k.Pn K  K/x .n/ k  "0 :

Insgesamt erhält man eine Teilfolge N0 , für die diese Eigenschaften gelten. Wegen der Kompaktheit von K gibt es ein z und eine Teilfolge N00  N0 , so dass Kx .n/ ! z .n 2 N00 ; n ! 1/. Damit folgt .Pn K  K/x .n/ D Pn Kx .n/  Pn z C Pn z  z C z  Kx .n/ ! 0 .n ! 1; n 2 N00 / ; was der Bedingung k.Pn K  K/x .n/ k  "0 , n 2 N0 , widerspricht. Damit schließt man aus der Invertierbarkeit von I C K zugleich auch die Existenz von .I C Pn K/1 für fast alle n sowie die gleichmäßige Beschränktheit .I C Pn K/1  ; (7.11) n D n0 ; n0 C 1; : : : : Beweis von (7.11). Wir zeigen, dass mit > 0 und n0 2 N gilt, dass .I C Pn K/v  kvk ; n  n0 : Dann ist nämlich I C Pn K für n  n0 injektiv und wegen der Kompaktheit von Pn K auch bijektiv, und (7.11) gilt mit D 1= . Angenommen, die obige Ungleichung gilt nicht. Dann existiert eine Teilfolge N0  N und eine Folge vn 2 C Œa; b , n 2 N0 , mit .I C Pn K/vn ! 0 .n 2 N0 ; n ! 1/ : und kvn k D 1; n 2 N0 ; Aufgrund der Kompaktheit von K existiert ein w 2 C Œa; b und eine Teilfolge N00  N0 mit Kvn ! w .n 2 N00 ; n ! 1/. Wegen (7.9) konvergiert dann auch Pn Kvn ! w .n 2 N00 ; n ! 1/ und damit vn D .I C Pn K/vn  Pn Kvn ! w

.n 2 N00 ; n ! 1/ :

Aus der Beschränktheit von K folgt Kvn ! Kw und somit Pn Kvn ! Kw .n 2 N00 ; n ! 1/. Also muss Kw D w oder .I C K/w D 0 gelten, was (wegen der Injektivität von I C K) w D 0 impliziert. Dies ist ein Widerspruch zu kwk D 1, da .w/ Limes der Folge .vn /n2N00 mit kvn k D 1 ist.

172

Kapitel 7 Kollokationsverfahren

Damit ist folgendes Ergebnis bewiesen (siehe [51, Theorem 2]). Satz 7.1. Unter den obigen Voraussetzungen an ak ; f , die eindeutige Lösbarkeit von (7.1), (7.2) und die eindeutige Lösbarkeit von w .m/ D 0 mit Randbedingungen (7.2), gilt für jede Folge von Unterteilungen n von Œa; b mit h.n/ ! 0 und jede Wahl von Kollokationspunkten Gn (siehe (7.6)), dass die Kollokationsgleichungen (7.8) für hinreichend große n mit vn 2 Snd;0 eindeutig lösbar sind. Außerdem konvergiert das .k/ zugehörige eindeutig bestimmte un , n 2 N, zusammen mit den Ableitungen un , k D 0; : : : ; m, (vergleiche (7.3)), das heißt .k/ k1 ! 0 .n ! 1/ ; ku.k/ n u

k D 0; : : : ; m ;

mit der Fehlerabschätzung .k/ k1  CFn .u.m/ / ; ku.k/ n u

k D 0; : : : ; m ;

(7.12)

 wobei Fn u.m/ / den Fehler der besten Approximation von u.m/ durch ein Element aus Snd;0 bezeichnet. Fordert man höhere Glattheitseigenschaften von der Lösung des Randwertproblems, dann lassen sich auch Konvergenzordnungen in (7.12) beweisen. Für nichtlineare Probleme u.m/ .x/ D f .x; u; u0 ; : : : ; u.m1/ / ;

a  x  b;

(7.13)

mit Randbedingungen der Form (7.2) lassen sich lokale Existenz und Eindeutigkeitsaussagen einschließlich Konvergenz der durch Kollokation gewonnenen Approximationen beweisen, wenn das zugehörige linearisierte Problem y

.m/

.x/ 

m1 X kD0

@f .x; u; u0 ; : : : ; u.m1/ / .k/ y .x/ D g.x/ @zk

bei der Lösung u von (7.2), (7.13) die Voraussetzungen von Satz 7.1 erfüllt. Der Beweis verläuft über eine diskrete Variante des Satzes von der inversen Abbildung (vergleiche [49, Abschnitt 10]).

7.2

Praktische Aspekte des Kollokationsverfahren

Die Funktionen un 2 SnmCd;m lassen in natürlicher Weise als Polynome un .x/ D kC1 .x  xkC1 /mCd C kC1 .x  xkC1 /mCd 1 C .1/

.2/

.mCd /

C kC1

.mCd C1/

.x  xkC1 / C kC1

; x 2 Œxk ; xkC1  ; 0  k  n  1 ;

173

Abschnitt 7.2 Praktische Aspekte des Kollokationsverfahren .j /

darstellen. Die n.m C d C 1/ Koeffizienten kC1 , 1  j  m C d C 1 , 0  k  n  1 , bestimmen sich durch die nd C 1 Kollokationsbedingungen (auf Gn ), durch die .m C 1/.n  1/ Stetigkeitsbedingungen für die Ableitungen bis zur Ordnung m und die m Gleichungen für die Randbedingungen. Bei separierten Randbedingungen in (7.2) führt dies auf ein blocktridiagonales Gleichungssystem mit Blockgröße .m C d C 1/  .m C d C 1/; die Bandbreite dieser Matrix ist 2.m C d / C 1. Mit geeigneten Basisfunktionen, die auch die Randbedingungen (7.2) erfüllen, lassen sich die Lösungen vn eleganter berechnen. Dazu verwendet man sogenannte glatte Hermite-Räume H .mC1/ .n / und Basisfunktionen fzi;k g0in ;0km , die durch .`/

zi;k .xj / D ıij ı`k ;

0  `  m;

0  j  n;

definiert sind (vergleiche Russell–Shampine [51]). Die Wahl der Kollokationspunkte kann wesentlich die Konvergenzgeschwindigkeit beeinflussen. Theoretisch ist gesichert, dass auch äquidistante Kollokationspunkte Konvergenz liefern. In der Praxis wählt man aber Tschebyscheff Punkte, das heißt Nullstellen von gewissen Polynomen mit optimalen Approximationseigenschaften. Beispiel 7.2. Wir betrachten u00  4u D 4 cosh.1/ ;

u.0/ D u.1/ D 0 :

Die Lösung ist gegeben durch u.x/ D cosh.2x  1/  cosh.1/. Hierzu sei bemerkt, dass die Greensche Funktion zu w 00 D 0; w.0/ D w.1/ D 0 bekanntlich existiert und in Beispiel A.4 des Anhangs A angegeben ist. Gesucht wird eine Kollokationslösung in Form einer kubischen Splinefunktion, das heißt in Sn3;2 , wobei hier dann d D 1 und m D 2 zu setzen ist. Für die Dimension gilt dim Sn3;2 D n C 3. Die gesuchte kubische Spline-Approximation besitzt die Gestalt .1/

.2/

.3/

.4/

un .x/ D kC1 .x  xkC1 /3 C kC1 .x  xkC1 /2 C kC1 .x  xkC1 / C kC1 für x 2 IkC1 D Œxk ; xkC1  und k D 0; : : : ; n  1. Man hat n C 1 Kollokationsgleichungen an den Punkten x0 ; x1 ; : : : ; xn – hier gibt es wegen d D 1 keine inneren Kollokationspunkte in den Teilintervallen Ik . Weiter gibt es 3.n  1/ Stetigkeitsbedingungen für un ; u0n ; u00n an den inneren Punkten x1 ; : : : ; xn1 und zwei Gleichungen für die Randbedingungen. Die erste und zweite Ableitung von un haben auf IkC1 die Gestalt u0n .x/ D 3kC1 .x  xkC1 /2 C 2kC1 .x  xkC1 / C kC1 ; .1/

.2/

.3/

u00n .x/ D 6kC1 .x  xkC1 / C 2kC1 : .1/

.2/

Für die Kollokationsgleichungen ergibt sich deshalb (setze hk D xk  xk1 für k D 1; : : : ; n) zum einen .2/

.4/

2kC1  4kC1 D 4 cosh.1/ ;

k D 0; : : : ; n  1

174

Kapitel 7 Kollokationsverfahren

für x D xkC1 und zum anderen für x D x0 , dass .1/

.2/

.1/

.2/

.3/

.4/

61 h1 C 21 C 41 h31  41 h21 C 41 h1  41

D 4 cosh.1/ :

Als Stetigkeitsbedingungen erhält man .1/

für un W

kC1 h3kC1 C

für u0n W

3kC1 h2kC1

.1/ .1/

.2/

kC1 h2kC1 .2/

.3/

.4/

.4/

 kC1 hkC1 C kC1 D k ; .3/

.3/

 2kC1 hkC1 C kC1

D k ;

.2/

.2/

für u00n W 6kC1 hkC1 C 2kC1

D 2k

für k D 1; : : : ; n  1 . Die zwei Gleichungen für die Randbedingungen ergeben schließlich für x D 0 W für x D 1 W

.1/

.2/

.3/

.4/

1 h31 C 1 h21  1 h1 C 1

D 0;

n.4/ D 0 :

Kapitel 8

Adaptive Gitter für Randwertaufgaben gewöhnlicher Differentialgleichungen

Wie schon in Abschnitt 5.1 deutlich wurde, ist für gewisse Problemklassen eine äquidistante Unterteilung des Grundgebietes nicht angemessen, und man möchte ein geeignetes nichtäquidistantes Gitter verwenden, das Problemzonen – wie Grenzschichten – gut auflöst. Darüber hinaus ist es wünschenswert, Verfahren zu verwenden, die die Gitterverfeinerung selbständig und dem jeweiligen Problem angepasst vornehmen. Solche Verfahren nennt man „adaptiv“. In diesem Kapitel werden verschiedene Ideen vorgestellt, wie man solche adaptiven Verfahren für Randwertaufgaben bei gewöhnlichen Differentialgleichungen konstruiert (Literatur: [56], [27], und viele andere).

8.1

Differenzenapproximationen auf nichtäquidistanten Gittern

Wir betrachten wieder das Modellbeispiel einer Randwertaufgabe für gewöhnliche Differentialgleichungen u00 .x/ D f .x/ ;

u.0/ D u.1/ D 0 :

(8.1)

Für eine beliebige Unterteilung 0 D x0 < x1 < < xn D 1 von I D .0; 1/ wollen wir zunächst den Abschneidefehler der einfachsten Differenzenapproximation auf einem nicht notwendig äquidistanten Gitter untersuchen. Dazu sei hi D xi  xi1 ; i D 1; : : : ; n; für ui D u.xi / ; i D 0; : : : ; n, erhält man durch die TaylorEntwicklung 1 1 ui  ui C1 D hi C1 u0i  h2iC1 u00i  h3iC1 u000 i  ; 2 6 1 1 ui  ui 1 D hi u0i  h2i u00i C h3i u000 i  ; 2 6 wobei u0i D u0 .xi / ; u00i D u00 .xi / und so weiter. Eine geeignete Diskretisierung für (8.1) erhält man daher durch .vk D uh .xk //   vk  vkC1 2 vk  vk1 D fk ; C k D 1; : : : ; n  1 ; hk C hkC1 hkC1 hk (8.2) v0 D vn D 0 :

176

Kapitel 8 Adaptive Gitter

Bezeichnen wir wieder Lu D u00 und die linke Seite von (8.2) mit .Lh uh /.xk /, dann ergibt sich für den Abschneidefehler h .xk / D .Lh uh  f /.xk /, wobei uh D rh u, 1 2 .Lh uh /.xk / D u00k  .hkC1  hk /u000 k C O.h / ; 3 falls die Lösung von (8.1) u 2 C 4 Œ0; 1 erfüllt. Wegen u00k D fk sieht man sofort, dass h .xk / D O.hmax /. Für ein äquidistantes Gitter ist hkC1 D hk , so dass sich in diesem Fall das bekannte Verhalten O.h2 / ergibt. So wie für das Modellproblem (8.1), dessen Lösung man mit der zugehörigen Greenschen Funktion explizit angeben kann, kennt man auch für die Differenzenapproximation (8.2) auf nicht notwendig äquidistantem Gitter eine explizite Darstellung der Lösung (siehe Aufgabe B.13 für äquidistantes Gitter) vj D

n1 1X h`C1 ŒG.xj ; x` /f` C G.xj ; x`C1 /f`C1  2

(8.3)

`D0

(

mit G.x; t / D

.1  x/t ; t  x ; x.1  t / ; x  t :

Für den Fehler u.xk /  vk selbst lässt sich mit Hilfe von (8.3) ein O.h2 /-Verhalten nachweisen, vorausgesetzt u 2 C 4 Œ0; 1 (siehe Abschnitt 1.3.3 in [27]).

8.2

Interpolationsfehlerindikatoren

Wir betrachten wieder das einfache Modellbeispiel (8.1), u00 D f

in

I D .0; 1/ ;

u.0/ D u.1/ D 0 :

Mit Hilfe der einfachsten Form der Methode der Finiten Elemente – bei stetigen, stückweise linearen Ansatzfunktionen – erhält man für nicht notwendig äquidistantes Gitter eine Differenzenapproximation der Form (vergleiche Abschnitt 6.1 und 6.2) vk  vk1 vkC1  vk  D ˆh .xk / ; hk hkC1

k D 1; : : : ; n  1 ;

wobei noch v0 D vn D 0 gesetzt wird, und die rechte Seite  1 .f; 'k /  ˆh .xk / D 2hk f .xk1=2 / C .hk C hkC1 /f .xk / C 2hkC1 f .xkC1=2 / 6 durch die Simpson-Formel gewonnen wurde. Man erhält also dieselbe linke Seite wie in (8.2) mit einer modifizierten rechten Seite,   vk  vk1 vkC1  vk 2 2 D  ˆh .xk / ; k D 1; : : : ; n  1 : hk C hkC1 hk hkC1 hk C hkC1

177

Abschnitt 8.2 Interpolationsfehlerindikatoren

Man weiß nun, dass die stetige, stückweise lineare Funktion uh mit uh .xk / D vk , k D 0; : : : ; n, der optimalen Fehlerabschätzung k.u  uh /0 k D inf k.u  vh /0 k

(8.4)

vh 2Vh

genügt, wobei k k die L2 -Norm und ˇ n o ˇ Vh D v 2 C Œ0; 1 ˇ vjŒxk ; xk1  ist linear mit v.0/ D v.1/ D 0 bezeichnet. Die rechte Seite von (8.4) kann man offenbar dadurch abschätzen, dass man für vh die lineare Interpolierende uQ h 2 Vh von u einsetzt .uQ h .xk / D u.xk / ; k D 0; : : : ; n/, inf k.u  vh /0 k  k.u  uQ h /0 k D

vh 2Vh

n X

!1=2 k.u  uQ h /0 kI2k

;

kD1

wobei Ik D Œxk1 ; xk  , k D 1; : : : ; n. Da auch u  uQ h an den Gitterpunkten verschwindet, kann man Interpolationsabschätzungen in jedem Teilintervall anwenden (siehe (6.5) bis (6.7)) 1 ju.x/  uQ h .x/j  h2k max ju00 .s/j ; 8 s2Ik j.u  uQ h /0 .x/j  hk max ju00 .s/j ; k.u 

uQ h /0 kI2k

Z D

s2Ik

xk xk1

x 2 Ik ; x 2 Ik ;

j.u  uQ h /0 .s/j2 ds  h3k max ju00 .s/j2 ;

1 k.u  uQ h /0 kI2k  h2k ku00 kI2k ; 2

s2Ik

k D 1; : : : ; n :

Für dieses einfache Beispiel weiß man, dass die Lösung u00 D f erfüllt, was man in die obigen Interpolationsabschätzungen einsetzen kann. Man erhält bei Verwendung der letzten Interpolationsabschätzung, dass n X kD1

k.u  uQ h /0 kI2k 

n 1X 2 hk kf kI2k : 2

(8.5)

kD1

Ein mögliches Ziel einer adaptiven Gitterkonstruktion ist es nun, bei vorgegebener „Toleranz“ ı > 0 die rechte Seite von (8.5) möglichst minimal oder kleiner (oder gleich) als die Toleranz werden zu lassen. Dazu sind geeignete Strategien notwendig. Eine solche Gitterkonstruktion kann hier „a priori“, das heißt ohne Kenntnis der berechneten Lösung uh , erfolgen. Die Minimierung der rechten Seite von (8.5) wird im folgenden Abschnitt 8.4 diskutiert.

178

Kapitel 8 Adaptive Gitter

Es sei noch bemerkt, dass die Finite-Elemente-Approximation uh der Lösung u von (8.1) an den Gitterpunkten xk sogar mit u übereinstimmt, das heißt uh .xk / D u.xk / für k D 0; : : : ; n. Dies ist dadurch begründet, dass die Greensche Funktion G für (8.1) selbst eine stückweise lineare Funktion ist und die Variationsprobleme .G 0 .xi ; /; ' 0 / D '.xi / ;

' 2 Vh ;

i D 1; : : : ; n  1 ;

erfüllt sind. Solch ein Verhalten nennt man „Superkonvergenz“.

8.3

Residuen-Schätzer

Eine ähnliche Idee wie oben liegt der von Zienkiewicz–Zhu zugrunde (siehe [ZZ90] in [27]). Setzt man mit der Finite-Elemente-Approximation uh 2 Vh , .u0h / WD u0h C 2˛k

x  xk1=2 ; hk

x 2 Ik0 WD .xk1 ; xk / ;

xk1=2 D 12 .xk Cxk1 /, dann ist .u0h / eine „superkonvergente Approximation“ von u0h , falls Z xk 1 Z xk 0 2 .Zk / dx Zk0 rh dx ; ˛k D xk1

xk1

wobei rh WD f  Luh das Residuum (oder den Defekt) bezeichnet und Zk .x/ WD 2.x  xk1=2 /= hk . Mit dieser Wahl von ˛k kann man nämlich zeigen, dass ˇ 0  ˇ ˇ.u / .x/  u0 .x/ˇ  C h2 ; x 2 Ik0 ; k D 1; : : : ; n ; h h k (vergleiche Abschnitt 4.8.2 in [27]). Mit Vh wie in 8.2 und Lu D u00 ist Luh D 0 auf Ik für alle k, so dass das Residuum rh D f in diesem Spezialfall gar nicht von der berechneten Näherungslösung uh abhängt. Die Grundidee von Zienkiewicz–Zhu besteht nun darin, in der Fehlerdarstellung (8.4) die exakte Lösung durch eine superkonvergente Approximation zu ersetzen: Z

 Z xk  2 x  xk1=2 2 dx .u0h /  u0h .x/ dx D ˛k2 hk xk1 xk1 R xk Z xk 2 2 xk1 Zk .x/ dx 0 Zk .x/rh .x/ dx : D R 2 xk xk1 0 2 dx Z .x/ xk1 k xk



Dies kann man weiter durch die Schwarzsche Ungleichung abschätzen, und zwar R xk Z xk Z xk 2  0   xk1 Zk .x/ dx 0 2 rh .x/2 dx : .uh /  uh .x/ dx  R xk 0 2 xk1 xk1 Zk .x/ dx xk1

179

Abschnitt 8.4 Gitterverteilungsfunktionen

1 2 hk . Insgesamt ergeben sich Den Quotienten kann man exakt ausrechnen und erhält 12 2 0 für die lokalen Fehleranteile k.u  uh / k0;Ik die „Fehler-Schätzer“

"2k

1 WD h2k 12

Z

xk xk1

rh2 .x/ dx ;

k D 1; : : : ; n :

Da das Residuum hierin vorkommt, nennt man Z xk 1 k WD r 2 .x/ dx 12 xk1 h den Residuen-Schätzer. Man wird nun versuchen, die Gitterpunkte so zu platzieren, P 1=2 dass k h2k k , möglichst klein wird. Dies wird dann erreicht, wenn die "k D hk k alle (ungefähr) gleich groß sind (vergleiche Abschnitt 8.4) – und eventuell noch kleiner einer vorgegebenen Toleranz bleiben. Zum Erreichen dieser Ziele muss eine geeignete Strategie gewählt werden, wobei hier die Gitterkonstruktion „a posteriori“, das heißt erst nach Berechnung der Näherungslösung uh , erfolgen kann. Weitere a posteriori-Residuen-Schätzer auf der Grundlage der Methode der Finiten Elemente werden von I. Babuska und W. C. Rheinboldt oder auch von R. Verführt vorgeschlagen (siehe [27, Abschnitt 4.8.1] und die darin angegebene Literatur). Sie beruhen darauf, dass man lokale Fehleranteile, zum Beispiel lokale L2 oder H 1 -Normen, durch realistische, a posteriori berechenbare Schranken abschätzt. „Realistisch“ bedeutet Phier, dass der Gesamtfehlerschätzer  – im obigen Beispiel, P  D . "2k /1=2 D . h2k k /1=2 – für eine geeignete Norm k k asymptotisch exakt ist, das heißt  lim D 1: h!0 ku  uh k Im P Allgemeinen bezeichnet man in einem Fehler-Schätzer der Form  D . h2k k /1=2 die Zahlen k auch als Fehlerindikatoren. Weitere Literatur zu sogenannten funktionalbezogenen Fehlerindikatoren findet sich in Arbeiten von Rannacher und anderen (siehe zum Beipiel [7] und [47]).

8.4

Gitterverteilungsfunktionen

Ein Ziel dieses Abschitts P ist es zu zeigen, dass die Minimierung eines Gesamtfehlerschätzers der Form  D . h2k k /1=2 darauf hinausläuft, die Indikatoren k bzw. die Schrittweiten hk so zu wählen, dass die Produkte k hk für alle k gleich groß sind. Hat man eine Gewichts- oder Indikatorfunktion w 2 C 2 .I / und zudem das Ziel, Gitterpunkte x0 < x1 < < xn so anzuordnen, dass Z xi w.x/ dx D const : ; i D 1; : : : ; n ; (8.6) xi1

180

Kapitel 8 Adaptive Gitter

wird, so nennt man ein solches Gitter „asymptotisch gleichverteilt bezüglich w“. In diskreter Form kann man (8.6) schreiben als hi wi D const : ;

i D 1; : : : ; n ;

(8.7)

wobei hi D xi  xi 1 , wi D w.xi / oder wi D w.xi1=2 /. Um (8.7) zu erreichen, muss man dort das Gitter verfeinern, wo die Steigung von w (betragsmäßig) groß ist und kann das Gitter gröber wählen, wo w flach verläuft (siehe Abbildung 8.1).

x Abbildung 8.1. Beispiel einer Indikatorfunktion w

Um (8.6) oder (8.7) zu realisieren, möchte man anstelle der nicht notwendig äquidistanten Punkte xi ; i D 0; : : : ; n, eine Transformation x./ finden, so dass xi D x.i / und die i äquidistant sind – und (8.7) erfüllt ist. Eine Transformation  W Œ0; 1 ! Œ0; 1 nennt man gittererzeugende Funktion, wenn sie stetig, streng monoton wachsend ist und .0/ D 0 ; .1/ D 1 erfüllt; man setzt dann xi D .ih/ ; i D 0; : : : ; n, mit festem (äquidistanten) h. Meist fordert man noch, dass  2 C 2 .0; 1/ ist. Die Umkehrfunktion von  nennt man Gitterverteilungsfunktion,  D 1 , wobei also dann .xi / D ih ;

1 .ih/ D xi ;

i D 0; : : : ; n ;

gelten muss (siehe Abbildung 8.2). Will man oben i D i  i1 D 1 haben für alle i , dann muss man x./ D 1 .=n/ bei gegebener Gitterverteilungsfunktion  (und h D 1=n) wählen. Man kann dann auch einfach i D i ; i D 0; : : : ; n, setzen. In (8.7) ist also eine Transformation x./ gesucht, so dass x.i /  x.i 1 / w.x.i // D const : ; i  i 1

i D 1; : : : ; n ;

(8.8)

erfüllt ist. Man beachte, dass hier i D i und i  i1 D 1 ist. Bedingung (8.8) ist die diskrete Form von dx ! D const : .DW C / ; (8.9) d

181

Abschnitt 8.4 Gitterverteilungsfunktionen

Abbildung 8.2. Beispiel einer Gitterverteilungsfunktion

wobei !./ WD w.x.// geschrieben wurde. Dies ist die sogenannte Euler–LagrangeGleichung der Minimierungsaufgabe .x WD dx=d /: Gesucht ist x.D x.// , so dass Z I1 .x/ WD 0

n

!./x 2 d 

(8.10)

minimal wird. Wie beispielsweise R in [38, Abschnitt 7.5] und [24, Abschnitte 7.1,7.4] gezeigt wird, liegt nämlich für F .x; x ; /d  ein Extremum vor, wenn gilt d @F @F D0  d  @x @x Hier ist F .x; x ; / D !./x 2 ;

(„Euler–Lagrange-Gleichung“) :

@F D 2!./x ; @x

@F D 0; @x

und die Euler–Lagrange-Gleichung hat die Gestalt 2

d .!./x / D 0 d



!./x D const : :

(8.11)

Hinreichend für ein Minimum (bzw. Maximum) ist @2 F=@x 2 > 0 (bzw. < 0). Hier gilt  @2 F @  D 2w./x D 2w./ > 0 ;

@x @x 2

182

Kapitel 8 Adaptive Gitter

und folglich liegt bei (8.11) ein Minimum vor. Die Minimierung des Funktionals (8.10) bedeutet hier in diskreter Form also die Minimierung der aufsummierten Teilintervalllängen im Sinne des kleinsten Fehlerquadrats gewichtet mit !./. Wegen w.i / D wi erhält man nämlich mit (8.8) gerade die diskrete Form von (8.11). Wegen i  i1 D 1 und x.i /  x.i1 / D hi löst man also die diskrete Minimierungsaufgabe n X

wi h2i ! min :

iD1

Beispielsweise wird man für wi die Residuen-Schätzer wi D i aus Abschnitt 8.3 wählen. Die Konstante in (8.9) kann man bestimmen – und damit auch die Gitterpunkte xi D x.i /. Integration von x D C =! liefert nämlich Z

Z

n

1 D x.n/  x.0/ D 0

und somit

Z C D 0

n

d !./

0

1

.x/ D .0/ C „ƒ‚… D0

x

0

und

d .t / dt D dx

Z 1 D  D

C d !./

1 D !./ x

und

Die Transformation .x/ erhält man dann aus Z

n

x d  D

d dx

Z

D

1 x ,

n

0

d : !./

 Z w.t / dt

0

0

n

w.x/ dx xi1

0

(8.12)

also

x

 Z

xi

Z

d !./

n

d !./



 :

Bei gegebener Gewichtsfunktion w sind demnach die Gitterpunkte gegeben durch (siehe (8.7), (8.12)) .hi D/ xi  xi1 D

C 1 D Rn wi !.i / 0

d !./

:

(8.13)

In (8.13) kann man das Integral noch näherungsweise berechnen, und zwar gilt Z 0

n

n Z j n Z j n n X X X X d d d 1 1  : D D  D w./ w./ w./ w w x.j / j j D1 j 1 j D1 „j 1ƒ‚ … j D1 j D1 1=wj

183

Abschnitt 8.4 Gitterverteilungsfunktionen

Also ist

11 n X wi A 1 hi D ; D@ n P 1 wj j D0 wi j D0 wj 0

(8.14)

wobei für wj geeignete Fehlerindikatoren j einzusetzen sind.

u(x)

x Abbildung 8.3. Nichtäquidistantes Gitter mit w D ux

Die einfachste Wahl der Gewichtsfunktion w ist der Gradient der gesuchten Lösung u der Randwertaufgabe, w D ux bzw. wi D ux .xi1 / (in diskreter Form) : Damit werden die Gitterpunkte dort eng gewählt, wo der Gradient steil ist, was für Grenzschichtprobleme geeignet erscheint. Der Nachteil dieser Gewichtsfunktion liegt in der Tatsache, dass die Maschenweite unendlich groß gewählt werden müsste, wo die Lösung flach ist (das heißt ux  0). Diesen Nachteil hat die Wahl q w D 1 C u2x nicht. Damit erhält man ein gleichförmiges Gitter, wo die Lösung flach ist, und die Gitterpunkte sind in Bereichen konzentriert, wo die Gradienten steil sind. Kennt man den Verlauf von ux nicht, dann kann man mit einer berechneten Näherungslösung uh und der Gewichtsfunktion w D u0h das Gitter so verändern, dass (8.7) erfüllt ist. Dies kann man dadurch erreichen, dass man ein neues Gitter über (8.13) oder (8.14) bestimmt und dann gegebenenfalls die Näherungslösung auf dem neuen Gitter noch einmal berechnet. Führt man diese (adaptiven) Schritte einige Male durch, so kann man abbrechen, falls ein Toleranzkriterium erfüllt ist.

Anhang A

Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen

Gegenstände dieses Abschnittes des Anhangs sind  Existenz und Eindeutigkeit von Systemen von Anfangswertproblemen erster Ordnung; 

Lösungsmethoden für Systeme linearer Differentialgleichungen, auch lineare Differentialgleichungen n-ter Ordnung;

Lösungen von Randwertproblemen für Differentialgleichungen n-ter Ordnung. Die Darstellung erfolgt im Wesentlichen nach [60]. Wir betrachten Anfangswertprobleme und Randwertprobleme der folgenden Form: 

(Anfangswertproblem) Gesucht ist eine stetig differenzierbare Funktion u W J WD Œt0 ; t0 C T  3 x ! Kn ; mit

u0 .t / D f .t; u.t // ;

t 2J;

K D R bzw. K D C ; u.t0 / D ˛ ;

(A.1)

wobei ˛ 2 Kn , f W J  Kn ! Kn . (Randwertproblem, zweiter Ordnung) Gesucht ist u 2 C 2 Œa; b mit u00 .x/ C p.x/u0 .x/ C q.x/u.x/ D f .x/ ; und

˛1 u.a/ C ˛2 u0 .a/ D 0 ;

x 2 Œa; b ;

ˇ1 u.b/ C ˇ2 u0 .b/ D 1 ;

wobei p; q; f 2 C Œa; b , ˛12 C ˛22 > 0 und ˇ12 C ˇ22 > 0. Allgemeiner betrachten wir noch lineare Differentialgleichungen n-ter Ordnung oder Systeme von n Differentialgleichungen erster Ordnung, bei denen dann n Randbedingungen gefordert werden.

A.1 Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen von Anfangswertproblemen Wir betrachten das skalare Anfangswertproblem u0 .t / D f .t; u.t // ;

t 2J;

u.t0 / D ˛ ;

(A.2)

Abschnitt A.1 Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen von Anfangswertproblemen

185

wobei die auftretenden Funktionen zunächst reellwertig seien. Es bezeichnet D D J    R2 den Definitionsbereich von f , der beschränkt oder unbeschränkt sein kann. Definition A.1 (Lipschitzbedingung (L)). Das Anfangswertproblem bzw. f heißt Lipschitz-stetig, wenn f mit einer stetigen Funktion L.t / > 0 einer Lipschitzbedingung ˇ ˇ ˇf .t; y1 /  f .t; y2 /ˇ  L.t /jy1  y2 j ; .t; y1 /; .t; y2 / 2 D ; (A.3) genügt. Das Anfangswertproblem bzw. f heißt lokal Lipschitz-stetig, wenn f auf jeder beschränkten Teilmenge von D einer Lipschitzbedingung der obigen Form (A.3) genügt. Für die lokale Lipschitz-Stetigkeit erhält man dann eine Konstante, die eventuell von der beschränkten ˚ Teilmenge abhängt, dort aber gleichmäßig gilt. Die Menge kann ein Zylinder Z D .t; y/ j t 2 J; jy  ˛j   oder ein „Streifen“ ˇ ˚  S WD .t; y/ ˇ jy  z.t /j  ; t 2 J um eine gegebene Funktion z. / sein. Satz A.2 (Satz von Picard–Lindelöf). Die Funktion f 2 C.S/ genüge einer lokalen Lipschitzbedingung (A.3). Dann gibt es zu jedem .t0 ; ˛/ 2 D ein "0 > 0 und genau eine Lösung u W J 0 D Œt0  "0 ; t0 C "0  ! R , J 0  J , des Anfangswertproblems (A.2). Der Beweis beruht auf dem Banachschen Fixpunktsatz indem man zeigt, dass das Anfangswertproblem äquivalent ist zur Lösung der Fixpunktgleichung Z t f .s; u.s//ds ; t 2 J ; u D T u mit .T u/.t / WD ˛ C t0

und der Operator T bezüglich der Maximumnorm eine Kontraktion darstellt. Zusätzlich weiß man, dass die Methode der sukzessiven Approximation eine Folge Z t ukC1 .t / D ˛ C f .s; uk .s//ds; k D 0; 1; 2; : : : ; t0

liefert, die gleichmäßig gegen die Lösung des Anfangswertproblems konvergiert. Der obige Existenz- und Eindeutigkeitssatz gilt analog auch für Systeme von Differentialgleichungen. Ist f auf einer Menge D des J  Rn definiert, so fragt man beim Anfangswertproblem nach einer Lösung, die durch einen vorgegebenen Punkt .t0 ; ˛/ 2 D geht, das heißt, die u .t0 / D ˛ ;

D 1; : : : ; n ;

(oder kurz: u.t0 / D ˛/

186

Anhang A Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen

und das System von n gewöhnlichen Differentialgleichungen u01 D f1 .t; u1 ; : : : ; un / ; :: :

u0n D fn .t; u1 ; : : : ; un /

erfüllt. Gibt es eine Umgebung ˇ ˚  U WD .t; z/ ˇ jt  tN j < ı ; kz  u.t N /k < ı ; t 2 J mit .tN; u.t N // 2 D, so dass dort eine Lipschitzbedingung der Form (A.3) – mit Normen anstelle von Beträgen – erfüllt ist, dann gilt der Satz von Picard–Lindelöf in analoger Weise. Unter der Lischitzbedingung (A.3) für eine beschränkte Menge D D J   gilt die Stabilitätsabschätzung Z t   u.t /  u.t Q C ".s/ ds (A.4) Q /  e Lmax .tt0 / k˛  ˛k t0

mit ".s/ D supy2 f .s; y/  fQ.s; y/ , wobei u dem Anfangswertproblem (A.1) und uQ einem analogen Anfangswertproblem mit fQ bzw. ˛Q genügt. Ohne die Voraussetzung der Lipschitzstetigkeit von f bezüglich des zweiten Arguments gilt der Existenzsatz von Peano über die lokale Existenz von Lösungen von Anfangswertproblemen. ˇ ˚ n ˇ jt  t j  Satz A.3 (Existenzsatz von Peano). Ist f .t; y/ in D D .t; y/ 2 R  R 0  "1 ; ky  ˛k   stetig, dann existiert mindestens eine Lösung u.t / des Anfangswertproblems (A.1) auf einem Intervall J 0 D Œt0 "0 ; t0 C"0  mit einem "0 in 0 < "0  "1 . Im Existenzsatz von Peano kann man eine Schranke für "0 , das heißt für die Größe des Existenzintervalls, angeben. Durch ein Fortsetzungsargument kann man dies auf ein maximales Existenzintervall vergrößern, wobei der Graph der Lösung dem Rand von D beliebig nahe kommen darf (vergleiche [60, Abschnitt 7]). Ist f auf ganz R1  Rn definiert und stetig, dann kann man unter Umständen u auf ganz R fortsetzen. Definition A.4. Ein System von Anfangswertproblemen heißt autonom, falls f nicht explizit von t abhängt, f .t; y/ D f .y/.

A.2 Lineare Differentialgleichungen Unter einem linearen System von n Differentialgleichungen (erster Ordnung) versteht man das folgende System: u01 .t / D a11 .t /u1 .t / C C a1n .t /un .t / C b1 .t / ; :: :

u0n .t /

D an1 .t /u1 .t / C C ann .t /un .t / C bn .t /

(A.5)

187

Abschnitt A.2 Lineare Differentialgleichungen

oder in Matrizenschreibweise u0 .t / D A.t /u.t / C b.t / ; wobei A.t / D .aij .t //i;j ;

b.t / D .b1 .t /; : : : ; bn .t //> :

Die auftretenden Funktionen können reell- oder komplexwertig sein, die unabhängige Variable t ist immer reellwertig. Aus dem Satz von Picard–Lindelöf erhält man sofort die Existenz und Eindeutigkeit der Lösung eines zu (A.5) gehörigen Anfangswertproblems, und man hat darüber hinaus als Folgerung von (A.4) eine (Stabilitäts-) Abschätzung für die Lösung: Satz A.5 (Existenz-, Eindeutigkeits- und Abschätzungssatz). Die reell- bzw. komplexwertigen Funktionen A.t /; b.t / seien stetig in einem (beliebigen) Intervall J , und es sei 2 J . Dann hat das Anfangswertproblem u0 D A.t /u C b.t / ;

u. / D ˛

bei vorgegebenem ˛ 2 Rn bzw. Cn genau eine Lösung u.t /. Sie existiert in ganz J . Ist I ein Teilintervall von J , 2 I und kA.t /k  L

und

kb.t /k  ı

in I ;

k˛k  ;

so besteht die Abschätzung ku.t /k  e Ljt j C

 ı  Ljt j e 1 L

in I :

Die Lösung u.t / hängt in jedem kompakten Teilintervall I  J stetig von A.t /; b.t / und ˛ ab, das heißt, zu " > 0 existiert ein ˇ > 0, so dass kz.t /  u.t /k < "

in I ;

wenn z.t / eine Lösung des Anfangswertproblems (B; c stetig) z 0 D B.t /z C c.t / ;

z. / D  ;

und dabei kB.t /  A.t /k < ˇ ;

kb.t /  c.t /k < ˇ

in I;

k˛  k < ˇ ;

ist. Man nennt das System (A.5) homogen, wenn b.t /  0 ist, sonst inhomogen. Als Korollar von Satz A.5 erhält man eine umkehrbar eindeutige, lineare Abbildung zwischen dem Kn und dem Raum der Lösungen eines homogenen Systems u0 .t / D A.t /u.t /:

(A.6)

188

Anhang A Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen

Satz A.6. Ist A.t / in J reellwertig (komplexwertig) und stetig, so bilden die reellen (komplexen) Lösungen u.t / der homogenen Gleichung (A.6) einen n-dimensionalen reellen (komplexen) linearen Raum. Für festes 2 J wird durch ˛ 7! u.t I ; ˛/ ein Isomorphismus (umkehrbar eindeutige, lineare Abbildung „auf“) zwischen Rn bzw. Cn und dem Raum der Lösungen definiert. Daraus ergeben sich eine Reihe von Folgerungen und Begriffen. Korollar A.7. Es gelten die folgenden Aussagen: (i) Eine Linearkombination u D c1 u1 C C ck uk von Lösungen u von (A.6) stellt wieder eine Lösung dar. (ii) Ist u eine Lösung und u.t0 / D 0 für ein t0 2 J , so ist u  0 in J . (iii) Für k > n sind k Lösungen linear abhängig. (iv) Es gibt n linear unabhängige Lösungen u1 ; : : : ; un von (A.6). Jedes solche System heißt Hauptsystem oder Fundamentalsystem. Jede Lösung u von (A.6) lässt sich mit Hilfe eines Fundamentalsystems eindeutig darstellen als u D c1 u1 C C cn un : Die letzte Aussage (iv) können wir kürzer auch in der Form u D Yc ;

c 2 Rn ;

schreiben, wobei man mit Y .t / D .u1 .t /j : : : jun .t // die zu einem Fundamentalsystem fu1 ; : : : ; un g gehörige Lösungsmatrix bezeichnet. Die n Differentialgleichungen u0i D A.t /ui , i D 1; : : : ; n , lassen sich als Matrizen-Gleichung Y 0 D A.t /Y schreiben. Die Lösung Y .t / dieser Matrizengleichung ist nach Satz A.6 durch die Vorgabe einer Anfangsbedingung Y . / D C eindeutig bestimmt. Offenbar stellt Y .t / genau dann ein Fundamentalsystem dar, wenn für die Matrix C die Regularität gilt. Dann ist auch Y .t / regulär für jedes t 2 J . Ein spezielles Fundamentalsystem erhält man aus X 0 D A.t /X

mit

X. / D E ;

das heißt xi0 D A.t /xi ;

i D 1; : : : ; n ;

xi . / D ei

.ei D i -ter Einheitsvektor/:

189

Abschnitt A.2 Lineare Differentialgleichungen

Mit Hilfe von X.t / kann man durch u.t / D X.t /˛ die Lösung jedes Anfangswertproblems u. / D ˛ u0 D A.t /u ; erhalten. Ist Y .t / eine Lösungsmatrix, dann liegt mit Z.t / D Y .t /C auch eine Lösung für eine beliebige Matrix C vor, denn Z 0 D Y 0 C D AY C D AZ : Haben wir mit Y .t / ein Fundamentalsystem und mit C eine reguläre Matrix, dann ist auch Z ein Fundamentalsystem, und jedes Fundamentalsystem lässt sich in der Form Y .t /C mit regulärem C darstellen. Insbesondere gilt mit obigem X und beliebiger Lösungsmatrix Y .t /, dass Y .t / D X.t /Y . / ; (A.7) denn die rechte Seite ist Lösung, und der Anfangswert erfüllt X. /Y . / D EY . / D Y . /. Für ein Lösungssystem ui , i D 1; : : : ; n, des homogenen Systems (A.6) bezeichnet .t / WD det Y .t / die zugehörige Wronski-Determinante. Mit der Spur von A, das heißt sp A.t / WD a11 .t / C C ann .t / ; gilt der folgende Satz. Satz A.8. Die Wronski-Determinante genügt der Differentialgleichung  0 .t / D .sp A.t //.t /

in J

und daher ist Z .t / D . / exp



t

sp.A.s// ds

;

; t 2 J :



Offenbar ist entweder .t /  0 oder überall ¤ 0. Ferner liegt genau dann mit fu1 ; : : : ; un g ein Fundamentalsystem vor, wenn .t / ¤ 0. Zwischen den Lösungen des inhomogenen Systems (A.5) und denen des homogenen Systems (A.6) besteht für n D 1 der folgende Zusammenhang: Satz A.9. Im Fall n D 1 ergeben sich sämtliche Lösungen der inhomogenen Differentialgleichung (siehe(A.5)) als u.t / D u.t N / C x.t / ; wobei u.t N / eine feste Lösung der inhomogenen Differentialgleichung ist und x.t / alle Lösungen der homogenen Differentialgleichung durchläuft.

190

Anhang A Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen

Im allgemeinen n-dimensionalen Fall führt eine analoge Überlegung zum Ziel, die man „Methode der Variation der Konstanten“ nennt. Dabei sucht man, ausgehend von einem Fundamentalsystem fu1 ; : : : ; un g des homogenen Systems, Lösungen des inhomogenen Systems durch z.t / D Y .t /v.t /; das heißt, man variiert den konstanten Vektor v, um aus den Lösungen Y .t /v des homogenen Systems die des inhomogenen Systems zu erhalten. Satz A.10. Seien A.t /; b.t / stetig in J und 2 J . Dann besitzt das Anfangswertproblem u. / D ˛ u0 .t / D A.t /u.t / C b.t / ; die eindeutig bestimmte Lösung Z

t

u.t / D X.t /˛ C X.t /

X 1 .s/b.s/ ds ;

(A.8)



wobei X.t / das Fundamentalsystem zu (A.6) mit X. / D E ist. Ist Y .t / ein beliebiges Fundamentalsystem, so gilt nach (A.7) Y .t / D X.t /Y . /, also Y 1 .t / D Y 1 . /X 1 .t / und X.t /X 1 .s/ D Y .t /Y 1 .s/. Mit Hilfe von Y .t / lautet die Darstellung (A.8) also Z t u.t / D Y .t /Y 1 . /˛ C Y .t / Y 1 .s/b.s/ ds : (A.9)

A.3 Systeme mit konstanten Koeffizienten Für das homogene lineare System u0 D Au

(A.10)

mit konstanter komplexer Matrix A D .aij / erhält man Lösungen durch den Ansatz u.t / D ce t D .c1 e t ; : : : ; cn e t /> : Einsetzen in (A.10) liefert

(A.11)

u0 D ce t D Ace t ;

das heißt, die Funktion u.t / in (A.11) ist genau dann eine Lösung von (A.10), wenn Ac D c ; das heißt, c .¤ 0/ stellt einen Eigenvektor zum Eigenwert  der Matrix A dar. Eigenwerte ergeben sich als Nullstellen des charakteristischen Polynoms det.A  E/. Jedes Polynom n-ten Grades besitzt n reelle oder komplexe Nullstellen der Vielfachheit nach gezählt.

191

Abschnitt A.3 Systeme mit konstanten Koeffizienten

Satz A.11 (Komplexer Fall). Seien ; c; A komplex, c ¤ 0. Die Funktion u.t / D ce t ist genau dann eine Lösung von (A.10), wenn  Eigenwert und c ein zugehöriger Eigenvektor der Matrix A ist. Die Lösungen ui .t / D e i t ci ; i D 1; : : : ; p; sind genau dann linear unabhängig, wenn die (Eigen-)Vektoren ci linear unabhängig sind; insbesondere sind sie linear unabhängig, wenn alle Eigenwerte 1 ; : : : ; p verschieden sind. Ist A eine reelle Matrix, dann kann diese durchaus komplexe Eigenwerte haben. Aus einem komplexen Eigenwert kann man über Real- und Imaginärteil zwei reelle Lösungen erhalten. Ist  D C i ein komplexer Eigenwert und c D a C i b ein zugehöriger Eigenvektor der reellen Matrix A, so ergeben sich aus der komplexen Lösung u D ce t zwei reelle Lösungen z.t / D Re u D e t .a cos t  b sin t / ; z  .t / D Im u D e t .a sin t C b cos t / : Besitzt A n linear unabhängige Eigenvektoren, so kann man auf diese Weise ein reelles Fundamentalsystem konstruieren, wenn man noch beachtet, dass die Aufspaltung N einer zugehörigen konjugiert-komplexen Lösung uN D ce N t auf dieselben zwei reellen Lösungen führt. Beispiel A.12 Exponentialfunktion. Sei B eine Matrix. Dann wird die durch e B WD E C B C

B3 B2 C C 2Š 3Š

definierte Reihe als Exponentialfunktion bezeichnet. Betrachtet man B D At und leitet nach t ab, so liefert dies d At e D Ae At : dt Also erhält man ein Fundamentalsystem von u0 D Au auch durch X.t / D e At

mit

X.0/ D E :

Als Folgerungen ergeben sich: (i) .e A /1 D e A , (ii) e A.sCt/ D e As e At , (iii) e ACE D e  e A . Hat man ein Fundamentalsystem des homogenen Systems, so kann man durch die Methode der Variation der Konstanten die Lösungen von zugehörigen inhomogenen Systemen erhalten. Das Anfangswertproblem u0 D Au C b.t / ;

u. / D ˛

.A konstant/

192

Anhang A Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen

besitzt die Lösung Z

t

u.t / D e A.t / ˛ C

e A.ts/ b.s/ ds :

(A.12)



Es ist nämlich X.t / D e A.t / das Fundamentalsystem mit X. / D E, und wegen X.t /1 D e A.t / erhält man aus (A.8) die obige Lösungsdarstellung.

A.4 Lineare Differentialgleichungen n-ter Ordnung Eine lineare Differentialgleichung n-ter Ordnung .Lu/.t / WD u.n/ .t / C an1 .t /u.n1/ .t / C C a0 .t /u.t / D b.t /

(A.13)

ist äquivalent zum System u01 D u2 ; :: :

u0n1 D un ; u0n D .a0 u1 C C an1 un / C b.t / oder kurz

u0 D A.t /u C b.t / 0

mit

1 0

B B : B :: B B B ADB 0 B B B 0 B @ a0 und

1

0

:::

0

::

:

::

:

::

:

:: :

:::

0

1

0

:::

0

0

1

: : : an3 an2 an1

u D .u1 ; : : : ; un /> D .u; u0 ; : : : ; u.n1/ /> ;

C C C C C C C C C C C A

b D .0; : : : ; 0; b/> :

Aus Satz A.5 erhält man sofort einen Existenz- und Eindeutigkeitssatz für lineare, inhomogene Differentialgleichungen n-ter Ordnung: Satz A.13. Sind die (reell- oder komplexwertigen) Koeffizienten b.t / und ai .t / für i D 0; : : : ; n , an  1 , in einem Intervall J stetig und ist 2 J , so hat das Anfangswertproblem .Lu/.t / WD

n X i D0

ai .t /u.i/ .t / D b.t / ;

u./ . / D ˛ ;

D 0; 1; : : : ; n  1 ;

Abschnitt A.4 Lineare Differentialgleichungen n-ter Ordnung

193

genau eine Lösung. Sie existiert in ganz J und hängt in jedem kompakten Teilintervall von J stetig von den ai .t /, b.t / und ˛ ab. Für die zugehörigen homogenen Systeme Lu D 0

(A.14)

erhält man analoge Aussagen wie in Abschnitt A.2. Die Lösungen von (A.14) bilden also einen n-dimensionalen Vektorraum, und es existieren n linear unabhängige Lösungen u1 ; : : : ; un , die eineindeutig den Anfangswerten ˛0 ; ˛1 ; : : : ; ˛n1 zugeordnet sind: (A.15) U 0 .t / D A.t /U.t / ; U. / D C ; wobei U.t / D .u; u0 ; : : : ; u.n1/ /> und C eine reguläre n  n-Matrix ist. Die fu1 ; : : : ; un g bilden ein Haupt- oder Fundamentalsystem. Die zugehörige WronskiDeterminante ˇ ˇ ˇ u ˇ : : : u ˇ 1 n ˇ ˇ ˇ ˇ u0 ::: u0n ˇˇ ˇ 1 W .t / D ˇ : :: ˇˇ :: ˇ :: : : ˇ ˇ ˇ .n1/ ˇ .n1/ ˇu1 ˇ : : : un erfüllt nach Satz A.8 die Differentialgleichung W 0 D an1 .t /W . D sp.A.t //W / und hat also die Darstellung   Z t an1 .s/ ds : W .t / D W . / exp 

Ein spezielles Fundamentalsystem erhält man durch X 0 D A.t /X; X. / D E, was hier dem folgenden System entspricht: ( Lxi D 0;

.j / xi . /

D

1; j D i  1; 0; sonst;

j D 0; : : : ; n  1 ; i D 1; : : : ; n :

Die „Methode der Variation der Konstanten“ ermöglicht die Bestimmung von Lösungen einer gegebenen inhomogenen Gleichung n-ter Ordnung (vergleiche (A.13)) aus einem Fundamentalsystem u1 ; : : : ; un (vergleiche (A.15)) der zugehörigen homogenen Gleichung. Man sucht also Funktionen c1 ; : : : ; cn , so dass w.t / D u1 .t /c1 .t / C C un .t /cn .t /

194

Anhang A Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen

Lösung von (A.13) wird. Mit 1 0 0 1 w C B u : : : u 1 n B w0 C B : C B :: C :: :: z D B : C ; Y .t / D B : : C @ A; B :: C A @ .n1/ .n1/ : : : un u1 w .n1/

0

1 0 B : C B : C B : C b.t / D B C B 0 C @ A b.t /

soll also z 0 D A.t /z C b.t / erfüllt sein. In der Lösungsdarstellung (A.9) benötigt man a.t / D Y 1 .t /b.t /, also die Lösung des linearen Gleichungssystems Y a D b. Mit Hilfe der Cramerschen Regel erhält man die Komponenten von a hier besonders einfach: Vi ; i D 1; : : : ; n ; wobei W D det Y ; ai D W und 0 1 u1 : : : ui1 0 uiC1 : : : un B : :: :: :: :: C :: :: : Vi D det B : : : : : : C @ : A; .n1/ .n1/ .n1/ .n1/ : : : ui 1 b.t / uiC1 : : : un u1 also (Entwicklung nach der i-ten Spalte) Vi .t / D .1/nCi b.t /Wi .t / ; wobei Wi die Wronski-Determinante (von der Ordnung n1 ) der Funktionen u1 ; : : : ; ui 1 ; ui C1 ; : : : ; un ist. Setzt man speziell z. / D 0, also w. / D w 0 . / D : : : D w .n1/ . / D 0, so erhält man nach (A.9) als Lösung: Z t z.t / D Y .t / a.s/ ds :

Eine Lösung w von (A.13) bekommt man demnach – w ist die erste Komponente von z – durch Z t n X b.s/ nCi w.t / D Wi .s/ ds : ui .t /.1/

W .s/ i D1

Beispiel A.14. Eine lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung hat die allgemeine Form (A.16) u00 .t / C a1 .t /u0 .t / C a0 .t /u.t / D b.t / : Stellt fu1 ; u2 g ein Fundamentalsystem dar, so ist eine Lösung von (A.16) – nämlich die mit w. / D w 0 . / D 0 – durch Z t Z t b.s/u2 .s/ b.s/u1 .s/ ds C u2 .t / ds (A.17) w.t / D u1 .t / W .s/ W .s/



gegeben.

195

Abschnitt A.4 Lineare Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten

Beispiel A.15. Wir betrachten die Differentialgleichung w 00  w 0 cos t C w sin t D sin t ;

t  0:

Ein Fundamentalsystem ist fexp.sin t //; exp.sin t /ˆ.t /g mit Z t ˆ.t / WD exp. sin s/ ds 0

(vergleiche [60, Abschnitt 19, IV]). Die zweite Lösung wurde nach dem sogenannten d’Alembertschen Reduktionsverfahren ermittelt, auf das hier nicht weiter eingegangen werden soll. Hier ist an1 .s/ D a1 .s/ D  cos s und Z t 

D0 W .t / D W . / exp cos s ds D W .0/ exp.sin t / ; ˇ ˇ ˇ1 0ˇ ˇ ˇ W .0/ D ˇ ˇ D 1; ˇ1 1ˇ Nach (A.17) erhält man Z t Z w.t / D  exp.sin t / sin r 0

und

Z

Z

t

.da ˆ.0/ D 0/:

Z

r

t

exp. sin s/ ds dr C exp.sin t /ˆ.t / 0

Z

Z

t

exp. sin s/ ds dr D 0

sin r dr 0

r

sin r 0



t

sin r dr ds

exp. sin s/ 0

Z

D

s t

exp. sin s/.cos t  cos s/ ds 0

D ˆ.t / cos t  exp. sin t / C 1 : Also ist

Z

t

w.t / D

exp.sin t  sin s/ ds C 1  exp.sin t / 0

eine Lösung der vorgegebenen inhomogenen Differentialgleichung.

A.5 Lineare Differentialgleichungen n-ter Ordnung mit konstanten Koeffizienten Es sei jetzt Lu WD

n X i D0

ai u.i/ ;

ai D konstant;

an D 1 :

196

Anhang A Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen

Zur Bestimmung eines Fundamentalsystems des homogenen Systems Lu D 0 betrachtet man das charakteristische Polynom ˇ ˇ ˇ ˇ 1 0 ::: 0 ˇ ˇ  ˇ ˇ ˇ ˇ 0  1 ::: 0 ˇ ˇ ˇ ˇ : : : : : ˇ: ˇ : : : : : P ./ D ˇ : : : : : ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ 0 0 :::  1 ˇ ˇ ˇ ˇ ˇa0 a1 : : : an2 .an1  /ˇ Entwicklung nach der letzten Zeile ergibt P ./ D .1/n .n C an1 n1 C C a1  C a0 / : Aus Satz A.11 und den Ausführungen in Abschnitt A.3 erhält man das folgende Ergebnis. Über den Ansatz u D e t kann man dies allerdings auch ganz elementar beweisen. Satz A.16. Ist  eine k-fache Nullstelle des charakteristischen Polynoms, so entsprechen ihr k Lösungen e t ;

t e t ;

::: ;

t k1 e t

von Lu D 0. Aus den n Nullstellen des charakteristischen Polynoms P ./ (jede mit ihrer Vielfachheit gezählt) ergeben sich auf diese Weise n linear unabhängige Lösungen, also ein Hauptsystem. Sind die ai reell, so enthält dieses Hauptsystem komplexe Lösungen, falls komplexe Nullstellen auftreten. Ein reelles Hauptsystem wird erhalten, indem man zu einer komplexen Nullstelle  D C i von k-ter Ordnung die k Lösungen in Real- und Imaginärteil aufspaltet, t q e t cos t ;

t q e t sin t ;

q D 0; 1; : : : ; k  1

(und die k zu N gehörenden Lösungen streicht). Beispiel A.17 Schwingungen. Die Differentialgleichung mRs C ˇ sP C ks D 0 ;

t > 0;

(A.18)

beschreibt die Auslenkung s.t / (von der Ruhelage s D 0) einer Masse m im Falle einer gedämpften Schwingung. Hierbei ist noch ˇ > 0 ein Reibungskoeffizient, k > 0 der Koeffizient der elastischen Rückstellkraft und sP bedeutet ds (entsprechend sR ). Es dt sind zwei Anfangsbedingungen erforderlich: s.0/ und sP .0/.

Abschnitt A.5 Lineare Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten ˇ 2m ;

Wir setzen u D s; a D

bD

k m,

197

das heißt1

Lu D u00 C 2au0 C bu : Die charakteristische Gleichung P ./ D 2 C 2a C b D 0 p hat die beiden Wurzeln 1;2 D a ˙ a2  b. Man unterscheidet verschiedene Fälle, für die wir gleich zugehörige Fundamentalsysteme angeben (nach Satz A.16): (i) „Überdämpfung“: Es ist a2 > b und damit p p u1 D exp.a C a2  b t / ; u2 D exp.a  a2  b t / : In (A.18) bedeutet dieser Fall ˇ 2 > 4km, und man spricht von großer Dämpfung bzw. Reibung. Für a > 0; b > 0 streben beide Lösungen exponentiell gegen null für t ! 1. (ii) „Kritische Dämpfung“: Es gilt a2 D b (das heißt ˇ 2 D 4km ) und man erhält u1 D exp.at /;

u2 D t exp.at / :

(iii) „Unterdämpfung“: Der Fall a2 < b (das heißt ˇ 2 < 4km ) führt zu p  p  u1 D exp.at / cos b  a2 t ; u2 D exp.at / sin b  a2 t I die Frequenz der gedämpften Schwingung (periodischer Fall) ist hier q 1 1 p 2 ba D 4km  ˇ 2 :

D 2 4 m Betrachtet man die homogene Differentialgleichung (A.18) mit ˇ > 0, dann spricht man auch von einer gedämpften freien Schwingung. Eine ungedämpfte freie Schwingung liegt vor, wenn in (A.18) ˇ Dp0 ist. Nach (iii) hat man dann ein Fundamentalsystem fcos 0 t; sin 0 t g mit 0 D k=m. Die allgemeine Lösung einer ungedämpften freien Schwingung hat also die Gestalt s.t / D ˛ cos 0 t C ˇ sin 0 t ;

t > 0;

was man auch in der Form s.t / D R cos. 0 t  ı/ 1 Verglichen

mit (1.2) in Kapitel 1.1 ersetzen hier u; a; b bzw. ˇ die Größen u; c=.2m/; k=m bzw. c.

198

Anhang A Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen

p mit R D ˛ 2 C ˇ 2 ; ı D arctan.ˇ=˛/ schreiben kann. Zum Abschluss betrachten wir noch ungedämpfte erzwungene Schwingungen, das heißt ˇ D 0 in (A.18), und als inhomogenen Term hat man auf der rechten Seite .F0 =m/ cos !t , das heißt, wir betrachten F0 d 2u cos !t ; C !02 u D 2 dt m

t > 0;

(A.19)

mit !02 .D 02 / D k=m. Der Fall ! ¤ !0 : Eine spezielle Lösung von (A.19) erhält man durch (A.17), wobei ˇ sin !0 t ˇˇ ˇ D !0 .cos2 !0 t C sin2 !0 t / D !0 : !0 cos !0 t ˇ

ˇ ˇ cos ! t 0 ˇ W .t / D ˇ ˇ!0 sin !0 t

Anwendung von Additionstheoremen liefert w.t / D

  F0 cos !t  cos !0 t ; 2 ! /

m.!02

und eine allgemeine Lösung von (A.19) hat die Gestalt u.t / D ˛ cos !0 t C ˇ sin !0 t C

F0 cos !t : m.!02  !/

Der Fall ! D !0 : Als spezielle Lösung des inhomogenen Systems erhält man w.t / D

F0 t sin !0 t ; 2m!0

denn es gilt Z

Z t F0 F0 u2 .s/ cos !0 s ds C u2 .t / u1 .s/ cos !0 s ds 0 m!0 0 m!0   Z t Z t 2  cos !0 t sin !0 s cos !0 s ds C sin !0 t .cos !0 s/ ds t

w.t / D u1 .t / D

F0 m!0

0



t



0

1 1 1  cos !0 t sC sin2 !0 s C sin !0 t sin 2!0 s 2!0 2 4! 0 0 

 1 1 F0 2  cos !0 t sin !0 C t C sin 2!0 t sin !0 t D m!0 !0 2!0 F0 sin !0 t ; D 2m!0

F0 D m!0

1 ! 0

199

Abschnitt A.6 Lineare Randwertaufgaben zweiter Ordnung

da sin 2 D 2 sin  cos . Jede Lösung einer ungedämpften erzwungenen Schwingung hat also im Fall ! D !0 die Form u.t / D ˛ cos !0 t C ˇ sin !0 t C

F0 t sin !0 t : 2m!0

Der dritte Term stellt eine Oszillation mit wachsender Amplitude dar, was bei realen Schwingungsproblemen die Zerstörung entsprechender physikalischer Systeme bewirken kann.

A.6 Lineare Randwertaufgaben zweiter Ordnung In zahlreichen Anwendungen in Naturwissenschaft und Technik treten Randwertprobleme für (reelle) lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung auf: u00 C a1 .x/u0 C a0 .x/u D f .x/ ;

a  x  b:

(A.20)

Als mögliche Randbedingungen unterscheidet man: erste Art:

u.a/ D 0 ,

u.b/ D 1 ,

zweite Art:

u0 .a/

D 0 ,

u0 .b/ D 1 ,

˛0 u.a/ C ˛1 u0 .a/ D 0 ,

ˇ0 u.b/ C ˇ1 u0 .b/ D 1 .

dritte Art:

Es gibt auch noch andere Arten von Randbedingungen, zum Beispiel periodische: u.a/ D u.b/ ;

u0 .a/ D u0 .b/ :

Beispiel A.18. Es sei u00 D 0. Wir erhalten folgende Aussagen: 

Ein Fundamentalsystem ist f1; xg.



Die allgemeine Lösung besitzt die Gestalt u.x/ D a1 xCa0 (lineare Funktionen).



Randwertprobleme erster Art sind immer eindeutig lösbar.



Randwertprobleme zweiter Art besitzen für 0 ¤ 1 keine Lösungen, unendlich viele Lösungen hingegen für 0 D 1 .

Anstelle von (A.20) betrachten wir Randwertprobleme der Form Lu WD .p.x/u0 /0 C q.x/u D f .x/

in J D Œa; b

(A.21)

mit Randbedingungen dritter Art: `0 u WD ˛0 u.a/ C ˛1 u0 .a/ D 0 ; 0

`1 u WD ˇ0 u.b/ C ˇ1 u .b/ D 1 :

(A.22)

200

Anhang A Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen

Man nennt (A.21) auch die selbstadjungierte Form  des Differentialoperators L. Durch R x Multiplikation mit p.x/ WD exp 0 a1 .s/ ds lässt sich (A.20) immer in die selbstadjungierte Form (A.21) überführen. Hierbei bezeichnet man (A.21), (A.22) auch als „Sturmsche Randwertaufgabe“ (nach Ch. Sturm (1803–1855)). Wir setzen im Folgenden voraus, dass p 2 C 1 .J / ;

q; g 2 C.J / (alles reellwertig);

p.x/ > 0

in J ;

und ˛02 C ˛12 > 0 ;

ˇ02 C ˇ12 > 0 :

Für zwei beliebige Funktionen u; v 2 C 2 .J / gilt die Lagrange-Identität 0  vLu  uLv D p.x/.u0 v  v 0 u/ : Daraus folgt (mit Hilfe partieller Integration) Z b .vLu  uLv/ dx D 0 ;

(A.23)

a

falls u; v 2 C 2 .J / den homogenen Randbedingungen `i u D `i v D 0 für i D 0; 1 genügen. Alle Lösungen von (A.21) und (A.22) ergeben sich in der Form v D v C u ; wobei v  eine feste Lösung des inhomogenen Problems ist und u alle Lösungen des homogenen Randwertproblems durchläuft. Satz A.19. Es gelten die obigen Voraussetzungen und fu1 ; u2 g sei ein Fundamentalsystem der homogenen Differentialgleichung Lu D 0. Das inhomogene Randwertproblem (A.21), (A.22) ist genau dann eindeutig lösbar, wenn ˇ ˇ ˇ` u ` u ˇ ˇ 0 1 0 2ˇ (A.24) ˇ¤0 ˇ ˇ`1 u1 `1 u2 ˇ ist. Insbesondere hat das homogene Randwertproblem in diesem Fall nur die triviale Lösung. Bemerkung A.20. Ist ein Fundamentalsystem der homogenen Differentialgleichung bekannt, so hat man nach Beispiel A.14 auch eine Lösung v  der inhomogenen Gleichung Lu D f , und die Lösung des Randwertproblems reduziert sich auf die Lösung eines linearen Gleichungssystems zur Bestimmung von c1 ; c2 in der Darstellung v D v  C c1 u1 C c2 u2 : Letztere ergeben sich aus den zwei Randbedingungen; unter (A.24) existiert immer eine eindeutige Lösung.

201

Abschnitt A.6 Lineare Randwertaufgaben zweiter Ordnung

Beispiel A.21. Betrachte u00 C u D 1 ;

0x  ;

`0 u WD u.0/ C u0 .0/ D 0 ; `1 u WD u. / D 1 :

Ein Fundamentalsystem ist fu1 ; u2 g D fcos; sing, und ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ` .cos x/ ` .sin x/ˇ ˇ 1 1ˇ 0 ˇ ˇ ˇ ˇ 0 ˇ D 1 . ¤ 0/ : ˇDˇ ˇ ˇ`1 .cos x/ `1 .sin x/ˇ ˇ1 0ˇ Eine allgemeine Lösung besitzt die Gestalt v.x/ D 1 C c1 sin x C c2 cos x : Fall 1: Für 0 D 1 D 0 ist `0 v D 1 C c2 C c1 D 0 , `1 v D 1  c2 D 0 bzw. äquivalent c1 D 2; c2 D 1. Wir erhalten als Lösung v.x/ D 1 C cos x  2 sin x. Fall 2: Sei `0 u WD u.0/ D 0 , `1 u WD u.1/ D 1 . Die Determinante in (A.24) verschwindet; für die homogene Differentialgleichung (mit homogenen Randbedingungen) gibt es – neben der trivialen Lösung – unendlich viele Lösungen der Form u D C sin x. Definition A.22. Eine Funktion .x; / wird Grundlösung (oder Fundamentallösung) der homogenen Differentialgleichung Lu D 0 genannt, wenn Folgendes gilt: (i) Die Funktion .x; / ist stetig in Q WD fa  x;   bg. (ii) In jedem der beiden Dreiecke Q1 D f.x; /ja    x  bg ;

Q2 D f.x; /ja  x    bg

existieren die stetigen partiellen Ableitungen x ; xx . (iii) Bei festem  2 J ist .x; / als Funktion von x eine Lösung von L D 0 für x ¤ ; x 2 J . (iv) Auf der Diagonalen x D  macht die erste Ableitung einen Sprung: x .x C 0; x/  x .x  0; x/ D

1 ; p.x/

a < x < b:

Eine Grundlösung ist nicht eindeutig bestimmt, da auch .x; Q / D .x; /C˛./u.x/ eine Grundlösung darstellt, falls ˛ stetig und u Lösung von Lu D 0 ist.

202

Anhang A Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen

Abbildung A.1. Q1 Q2 -Gebiet

Beispiel A.23. Für u00 D 0 erhalten wir .x; / D 12 jx  j. 1 sin.jxj/. (Beweis Die Differentialgleichung u00 C2 u D 0 liefert .x; / D 2 durch Verifizieren; zur Konstruktion siehe unten.) Satz A.24. Ist .x; / eine Grundlösung, so ist Z v.x/ D

b

.x; /f ./ d  a

aus C 2 .J / und stellt eine Lösung von Lv D f dar. Beweisskizze. Aufspalten des Integrals von a bis x und von x bis b sowie zweimaliges Differenzieren in Verbindung mit Eigenschaft (iv) einer Grundlösung ergibt 0

Z

b

v .x/ D

x .x; /f ./ d  ; a

00

Z

b

v .x/ D

xx .x; /f ./ d  C a

f .x/ : p.x/

Wegen Eigenschaft (iii) folgt daraus die Behauptung. Definition: Man bezeichnet .x; / als Greensche Funktion für die homogene Randwertaufgabe Lu D 0; `0 u D `1 u D 0, wenn gilt: (i) .x; / ist eine Grundlösung, (ii) `0  D `1  D 0 für alle  2 J 0 WD .a; b/.

203

Abschnitt A.6 Lineare Randwertaufgaben zweiter Ordnung

Satz A.25. Unter den obigen Voraussetzungen existiert genau eine Greensche Funktion für die homogene Sturmsche Randwertaufgabe, wenn diese nur die triviale Lösung besitzt, das heißt, wenn (A.24) gilt. Sie ist symmetrisch, .x; / D .; x/. Die eindeutige Lösung der „halbhomogenen“ Randwertaufgabe Lv D f .x/; hat die Darstellung

Z v.x/ D

`0 v D `1 v D 0

b

.x; /f ./ d  :

(A.25)

a

Beweisskizze. Die Funktion v in (A.25) ist nach Satz A.24 eine Lösung von Lv D f . Da man unter dem Integral (nach x) differenzieren darf, kann Integration und `i vertauscht werden, und wegen Eigenschaft (ii) einer Greenschen Funktion sind die homogenen Randbedingungen erfüllt. Der Beweis der Eindeutigkeit und Symmetrie benutzt wesentlich die Beziehung (A.23). Die Konstruktion der Greenschen Funktion aus einem Fundamentalsystem fu1 ; u2 g ist wie folgt möglich: Durch den Ansatz 2 X .ai ./ ˙ bi .//ui .x/ .x; / D i D1

(

„ C“ „ “

in Q1 in Q2 ;

die Forderung der Stetigkeit und der Sprungrelation von x bei x D  erhält man ein Gleichungssystem für b1 ; b2 , und zwar 2 X

bi ./ui ./ D 0 ;

i D1

2 X iD1

bi ./u0i ./ D

1 : 2p./

Dieses ist für alle  eindeutig nach b1 ; b2 auflösbar, da die Wronski-Determinante gerade die Determinante des zugehörigen Gleichungssystems ist. Die ai ; i D 1; 2; bestimmt man dann aus den Randbedingungen `0  D

2 X .ai ./  bi .//`0 ui D 0 ; i D1

`1  D

2 X .ai ./ C bi .//`1 ui D 0 : i D1

Dieses Gleichungssystem ist wegen (A.24) eindeutig lösbar.

204

Anhang A Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen

Beispiel A.26. Wir betrachten wieder u00 D 0 Fundamentalsystem erhält man f1; xg, und es ist ˇ ˇ ˇ ˇ` u ` u ˇ ˇ1 0 1 0 2 ˇ ˇ ˇ ˇDˇ ˇ ˇ`1 u1 `1 u2 ˇ ˇ1 sowie

( .x; / D

mit u.0/ D u.1/ D 0 aus. Als ˇ 0ˇˇ ˇD1 1ˇ

.x  1/; 0    x  1; x.  1/; 0  x    1:

Will man das inhomogene Randwertproblem (A.21), (A.22) lösen, so sucht man zunächst eine Funktion  2 C 2 .J /, die (nur) die Randbedingungen `i  D i für i D 0; 1 erfüllt. Macht man dann für die Lösung u der inhomogenen Randwertaufgabe den Ansatz u D  C v, so ergibt sich für v, dass Lv D h WD f  L ;

`0 v D `1 v D 0 :

Dieses ist nach Satz A.25 lösbar. Bemerkung A.27. Die bisherige Theorie kann man ohne Schwierigkeiten auf lineare Differentialgleichungen n-ter Ordnung und auf Systeme linearer Differentialgleichungen erster Ordnung ausdehnen. Die zugehörige Greensche Funktion ist dann eine Matrix (vergleiche zum Beispiel [60, Abschnitt 26, X ff.]).

Anhang B

Theoretische Übungsaufgaben mit Musterlösungen

Aufgabe B.1. (Katz und Maus.) Eine Katze jagt in einer .x; y/-Ebene einer Maus hinterher. Dabei läuft sie stets mit betragsmäßig konstanter Geschwindigkeit vK D 2 direkt auf die Maus zu. Die Maus ihrerseits möchte auf direktem Wege mit Geschwindigkeit vM D 1 in ihr Loch fliehen, das sich im Punkt (0,1) befindet. Die Maus befinde sich zur Zeit t D 0 im Punkt (0,0) und die Katze im Punkt (1,0). a) Stelle die Differentialgleichung auf, welche die „Bahn“ der Katze beschreibt, ebenso die Differentialgleichung für die Maus. b) Berechne mit Hilfe eines selbstgewählten Integrationsprogrammes aus einer Programmbibliothek, wann und wo sich die Katze bis auf 105 der Maus genähert haben wird. P.S.: Das Problem klingt nur harmlos, wie jede Parabel aus dem Tierreich. Lösung: Sei m.t / D .m1 .t /; m2 .t // die Position der Maus zum Zeitpunkt t . Dann kann man laut Aufgabenstellung folgendes Anfangswertproblem für die Maus aufstellen, wenn man berücksichtigt, dass die Geschwindigkeit v der Maus in x- bzw. y-Richtung gerade die Ableitung von m1 bzw. m2 ist: m01 .t / D 0 ;

m1 .0/ D 0 ;

m02 .t /

m2 .0/ D 0 :

D 1;

Die Lösung ergibt sich elementar durch Integrieren: Z

t

m1 .t / D m1 .0/ C Z

0 t

m2 .t / D m2 .0/ C 0

m01 .s/ ds D 0 ; m02 .s/ ds D 0 C Œst0 D t :

Sei weiter k.t / D .k1 .t /; k2 .t // die Position der Katze zum Zeitpunkt t . Zu diesem Zeitpunkt läuft die Katze in die Richtung des Vektors m.t /  k.t / D

! m1 .t /  k1 .t / m2 .t /  k2 .t /

D

k1 .t /

!

t  k2 .t /

:

206

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Da sie dies mit der Geschwindigkeit 2 tut, ergibt sich der Geschwindigkeitsvektor zu 2 m.t /  k.t / Dp 2 2 km.t /  k.t /k .k1 .t // C .t  k2 .t //2

k1 .t /

!

t  k2 .t /

:

Daraus folgt unmittelbar, dass das Anfangswertproblem für die Katze die Gestalt hat: 2k1 .t / ; k10 .t / D p .k1 .t //2 C .t  k2 .t //2

k1 .0/ D 1 ;

2.t  k2 .t // k20 .t / D p ; .k1 .t //2 C .t  k2 .t //2

k2 .0/ D 0 :

Teil b) bleibt dem Leser überlassen. Aufgabe B.2.

Zeigen Sie, dass das verbesserte Verfahren von Euler–Cauchy,

    1 1  uh .t C h/  uh .t / D f t; uh .t / C f t C h; uQ h .t C h/ ; h 2  uQ h .t C h/ D uh .t / C hf .t; uh .t / ; t 2 Ih0 ; die Konsistenzordnung p D 2 hat, falls f 2 C 2 .G/ ist. Hierbei sei (vergleiche Abschnitt 2.1) ˚  G WD .t; y/ 2 I  K j jy  u.t /j   ; 0  t  T ˇ  sowie I D Œ0; T  , Ih D Œ0; T h D f t 2 Œ0; T  ˇ t D j h ; j D 0; : : : ; Nh , Ih0 D Ih n fT g und hNh D T . Hinweis: Taylor-Formel bis zur dritten Ableitung. Lösung: Der Quadraturfehler der Sehnentrapezformel für eine zweimal stetig differenzierbare Funktion gestattet die Abschätzung ˇ ˇZ ˇ ˇ T 1 T ˇ ˇ g.s/ ds  .g.0/ C g.T //ˇ  T 3 max jg 00 .s/j : (B.1) jE.g/j D ˇ ˇ 12 ˇ 0 2 0sT Man setzt in (B.1) für g die Funktion u0 D f 2 C 2 ein und erhält nach Division durch die Intervalllänge h ˇ ˇ Z ˇ 1 tCh ˇˇ 1 1 0 M3 2 ˇ 0 0 h : (B.2) u .s/ ds  u .t /Cu .t C h/ ˇ  h2 max ju000 .s/j D ˇ ˇ 12 0sT ˇh t 2 12 ƒ‚ … „ DWM3

207

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Darüberhinaus gilt nach der Taylor-Formel ju.t C h/  u.t /  hf .t; u.t //j D ju.t C h/  u.t /  hu0 .t /j ˇ ˇ ˇ 1 2 00 ˇ ˇ D ˇ h u ./ˇˇ ;  2 Œt; t C h 2 M2 2 h ; M2 WD max ju00 .s/j ;  2 s2Œt;tCh woraus jf .t C h; u.t C h//  f .t C h; u.t / C hf .t; u.t ///j ˇ ˇ ˇ ˇ @f LM2 2 ˇ  max ˇ .t; y/ˇˇ ju.t C h/  u.t /  hf .t; u.t //j  h 2 .t;y/2G @y „ ƒ‚ … DWL

folgt. Beachte hierbei, dass für h < h0 WD

q

2 M2

(B.3)

auch

ju.t C h/  u.t /  hf .t; u.t //j <  und somit auch .t C h; u.t / C hf .t; u.t /// 2 G gesichert ist. Für den Abschneidefehler gilt daher die Abschätzung ˇ ˇ ˇ1 ˇ ˇ j h .t /j D ˇ .u.t C h/  u.t //  fh .t; u.t //ˇˇ h ˇ Z tCh ˇ ˇ1   ˇ 1  0 ˇ Dˇ f t; u.t / Cf t C h; u.t / C hf .t; u.t // ˇˇ u .s/ ds  h 2 „ ƒ‚ … t

Du0 .t/

ˇ Z tCh ˇ ˇ1 ˇ 1 0 0 0 ˇ ˇ u .t / C u .t C h/ ˇˇ u .s/ ds  h t 2  ˇ 1 ˇ C ˇ f .t C h; u.t C h//  f t C h; u.t / C hf .t; u.t // ˇ 2 (B.2),(B.3) M3 LM2 2 h2 C h D O.h2 / :  12 2 Aufgabe B.3.

Gegeben sei die Anfangswertaufgabe du .t / D u.t / ; dt

t 2 Œ0; T  ;

u.0/ D w 0 :

Diese Aufgabe lässt sich unter anderem durch das verbesserte Polygonzugverfahren und das verbesserte Verfahren von Euler–Cauchy approximieren in der Gestalt 1 .uh .t C h/  uh .t / / D fh .t; uh .t / / ; h

t 2 Ih0 ;

uh .0/ D wh0

208

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

bei äquidistanter Schrittweite für t D kh ;

k D 0; : : : ; Nh ;

hD

1 T; Nh

Nh 2 N :

Man bestimme zu jedem dieser zwei Verfahren die explizite Lösung der Differenzenapproximation. Hinweis: Hier ist f .t; y/ D y. Lösung:

 h h t C ; y C f .t; y/ . 2 2



(i) Verbessertes Polygonzugverfahren: fh .t; y/ D f (ii) Verbessertes Verfahren von Euler–Cauchy: fh .t; y/ D

 1 f .t; y/ C f .t C h; y C hf .t; y// : 2

Einsetzen in die Näherungsgleichung liefert uh .0/ D wh0 sowie für (i), dass 

 h h uh .t C h/ D uh .t / C hf t C ; uh .t / C f .t; uh .t // 2 2   h uh .t / D uh .t / C h uh .t / C 2   2 . h/ D uh .t / 1 C h C 2 und dann mit vollständiger Induktion  uh .kh/ D

wh0

. h/2 1 C h C 2

k ;

k D 0; : : : ; Nh :

Für (ii) ist  h f .t; uh .t // C f .t C h; uh .t / C hf .t; uh .t /// 2  h uh .t / C .uh .t / C huh .t // D uh .t / C 2 2 h2 uh .t / D uh .t / C huh .t / C 2   . h/2 ; D uh .t / 1 C h C 2

uh .t C h/ D uh .t / C

209

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

was mit vollständiger Induktion  k . h/2 uh .kh/ D wh0 1 C h C ; 2

k D 0; : : : ; Nh ;

liefert. Dieses Ergebnis ist identisch mit dem aus (i). Bemerkung: Für die exakte Lösung u.t / D w 0 exp. t / gilt u.t C h/ D u.t / exp. h/ und somit  k . h/2 . h/3 C C ; k D 0; : : : ; Nh : u.kh/ D w 0 1 C h C 2Š 3Š Aufgabe B.4. Geben Sie für das Anfangswertproblem u0 .t / D 2t 1 u.t / , t 2 Œ1; 5 , u.1/ D 1 , eine einfache Formel für die nach dem Polygonzug-Verfahren berechneten Näherungen uh .tj / , 0  j  Nh , mit uh .1/ D 1 an. Hierbei ist tj D 1 C j h , j D 0; : : : ; Nh , mit hNh D 4. Zeigen Sie weiter, dass für den Fehler die folgende Darstellung gilt: uh .tj /  u.tj / D j h2

1 C jh ; 1Ch

1  j  Nh ;

wobei u die Lösung des Anfangswertproblems ist. Hinweis: Die allgemeine Lösung der obigen Differentialgleichung ist u.t / D C t 2 mit C 2 R. Lösung: (i) Zunächst folgt aus u0 .t / D 2t 1 u.t / die Beziehung Z 0 Z Z u .t / 2 du D dt D dt D 2 ln.t / C CQ : ln juj D u u.t / t Also erhält man

ju.t /j D t 2 exp.CQ / „ ƒ‚ … >0

und damit die allgemeine Lösung u.t / D mit C 2 R. Durch die Anfangsbedingung u.1/ D 1 bekommt man C D 1 und somit die eindeutig bestimmte Lösung u.t / D t 2 des gegebenen Anfangswertproblems. C t2

(ii) In der allgemeinen Form des Anfangswertproblems u0 .t / D f .t; u.t // gilt für diesen konkreten Fall f .t; y/ D 2y=t , so dass sich die Näherungsformel des Verfahrens von Euler–Cauchy mit uh .t C h/ D uh .t / C hfh .t; uh .t // D uh .t / C hf .t; uh .t // D uh .t / C 2h

uh .t / t

210

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

zu

 uh .t C h/ D

 2h C 1 uh .t / t

ergibt. Für die ersten Knoten erhält man damit wegen uh .t0 / D 1 uh .t1 / D uh .1 C h/ D 1 C 2h ;   .1 C 3h/.1 C 2h/ 2h uh .t2 / D uh .t1 C h/ D C 1 .2h C 1/ D ; 1Ch 1Ch    .1 C 3h/.1 C 2h/ 2h C1 uh .t3 / D uh .t2 C h/ D 1 C 2h 1Ch .1 C 4h/.1 C 3h/ .1 C 4h/.1 C 3h/.1 C 2h/ D : D .1 C 2h/.1 C h/ 1Ch Durch vollständige Induktion beweist man die allgemeine Formel uh .tj / D

.1 C .j C 1/h/.1 C j h/ ; 1Ch

j D 0; : : : ; Nh W

Für j D 0; 1 ist die Formel offenbar richtig. Als Induktionsschluss hat man  uh .tj C1 / D uh .tj C h/ D  D

D

2h C 1 C j h 1 C jh

 2h C 1 uh .tj / tj



.1 C .j C 1/h/.1 C j h/ 1Ch

.1 C .j C 2/h/.1 C .j C 1/h/ : 1Ch

(iii) Im Falle j D 0 ist juh .tj /  u.tj /j D 0. Für 1  j  Nh hat man .1 C .j C 1/h/.1 C j h/  .1 C j h/2 .1 C h/ 1Ch 2 j.j C 1/h C .2j C 1/h C 1  .j 2 h2 C 2j h C 1/.1 C h/ D 1Ch 2 3 2 j h C .j.j C 1/  j  2j /h2 C ..2j C 1/  2j  1/h C 1  1 D 1Ch 2 3 2 1 C jh j h  j h D D j h2 : 1Ch 1Ch

uh .tj /u.tj / D

211

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Aufgabe B.5. Zeigen Sie im Anschluss an Aufgabe B.4, dass p D 1 die größte und K D 20 die kleinste Zahl in der Abschätzung ˇ ˇ ˇuh .tj /  u.tj /ˇ  Khp 8j D 0; : : : ; Nh ; 8h W 0 < h  h0 ist. Hinweis: Zeigen Sie zuerst, dass für ˛j WD j h2 .1 C j h/=.1 C h/ , j D 0; : : : ; Nh , die Eigenschaft ˛j D O.h/, aber nicht ˛j D o.h/ gilt. Lösung: Wir zeigen, dass p D 1 die größte und K D 20 die kleinste Zahl in der Abschätzung juh .tj /  u.tj /j  Khp

8j D 0; : : : ; Nh

8h W 0 < h  h0

sind. Zuerst zeigen wir, dass nicht gilt ˛j D o.h/ für ˛j D j h

1 C jh h; 1Ch

das heißt 9"0 > 0 8h > 0 9j D jh 9 W 0 <  h W j˛jh j > "0 : Mit "0 D 10, j D jh D Nh , D ˛jh D 20

h hat man 1Ch

h D 20 > 10 D "0 : 1Ch

Damit gilt nicht ˛j D o.h/, aber es gilt ˛j D O.h/, so dass p D 1 der größtmögliche Exponent ist. Für j D Nh erhält man juh .tj /  u.tj /j D Nh h

h 1 C Nh h h D 20  20h : 1Ch 1Ch

Angenommen, es gibt ein K 0 D 20.1  ı/; ı > 0, mit juh .tj /  u.tj /j  K 0 h Wählt man j D Nh und h < Widerspruch

ı , 1ı

juh .tj /  u.tj /j D 20

8j 8h W 0 < h  h0 :

dann erhält man wegen 1  ı < h > 20.1  ı/h D K 0 h : 1Ch

Damit ist K D 20 die kleinste Konstante (für p D 1).

1 1Ch

den

212

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Aufgabe B.6. Zeigen Sie, dass die Iteration des Gesamtschrittverfahrens   m X .r/ .r1/ ; j D 1; : : : ; m; r D 1; 2; : : : ; ˇj ` k` kj D f t C ˛j h; uh .t / C h `D1 .0/

zur Berechnung der kj bei impliziten Runge–Kutta-Formeln für jeden Startwert kj konvergiert, falls ˇ ˇ ˇf .t; y/  f .t; y/ .L0 / Q ˇ  L0 jy  yj Q ; .t; y/; .t; y/ Q 2 G ;

h hinreichend klein ist und uh nahe genug bei u liegt, wobei mit  > 0 , u 2 C 1 .I / ˇ ˚  G D .t; y/ 2 I  K ˇ jy  u.t /j   ; t 2 I : Hinweis: Banachscher Fixpunktsatz. Achtung, es müssen alle Voraussetzungen des Banachschen Fixpunktsatzes überprüft werden (vergleiche zum Beispiel [54, Abschnitt 2.2])! Lösung: Wir nehmen an, dass ein  > 0 existiert, so dass uh 2 K=2 .u/ und dass die Schrittweite h so klein ist, dass hL0 max

j D1;:::;m

h max j

m X

jˇj ` j < 1 ;

hku0 k1 max j˛j j  =4 j

`D1

m X

jˇj ` jC2  =4

mit

und

C2 WD L0  C ku0 k1 :

`D1

Wir definieren m X   ˇj ` z` j D1;:::;m ; g.z/ WD f .t C ˛j h; uh .t / C h

˚ ˇ  G WD z ˇkzk1  C2 :

z 2G;

`D1

i) Behauptung: g W G ! G. Wir setzen tj D t C ˛j h. Dann gilt für z 2 G ˇ ˇ ˇ  ˇ ˇ  ˇ ˇgj .z/ˇ  ˇgj .z/  f tj ; u.tj / ˇ C ˇ f tj ; u.tj / ˇ ; „ ƒ‚ …

j D 1; : : : ; m ;

ku0 k1

wobei

X ˇ ˇ ˇ  ˇ ˇgj .z/  f tj ; u.tj / ˇ  L0 ˇuh .t / C h ˇj ` z`  u.tj /ˇ `

ˇ  Xˇ ˇ ˇ ˇˇj ` ˇ max jzk j  L0 ˇuh .t /  u.tj /ˇ C h k „ ƒ‚ … ` C2

213

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

und ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ ˇuh .t /  u.tj /ˇ  ˇuh .t /  u.t /ˇ C ˇu.t /  u.tj /ˇ ˇ u.t /  u.tj / ˇˇ ˇ ˇˇ t  tj ˇ ;  =2 C ˇ „ ƒ‚ … ˛j h „ ƒ‚ …  ku0 k1

max j˛j jh

falls uh 2 K=2 .u/. Insgesamt folgt   X ˇ ˇ ˇgj .z/ˇ  L0 =2 C ku0 k1 max j˛j jh C h jˇj ` jC2 C ku0 k1 j

8j

`

 L0  C ku0 k1 ; falls uh 2 K=2 .u/ und h klein (wie oben angegeben) ist. ii) Behauptung: g ist Kontraktion. Es ist X ˇ ˇ ˇgj .z/  gj .z 0 /ˇ  L0 h jˇj ` j max jzk  zk0 j  qkz  z 0 k1 ; `

falls L0 h max j

X

k

j D 1; : : : ; m ;

jˇj ` j DW q < 1 ist.

`

Aufgabe B.7. Zeigen Sie, dass das verbesserte Verfahren von Euler–Cauchy Lipschitz-stetig ist, wenn die Bedingung .L0 /

jf .t; y/  f .t; y/j Q  L0 jy  yj Q 8 .t; y/; .t; y/ Q 2 G

erfüllt ist, wobei G wie in Aufgabe B.6 erklärt ist. Lösung:

G ist laut Aufgabenstellung erklärt durch ˚  G D .t; y/ 2 I  K j ju.t /  yj   :

Zu zeigen ist nun: Es existieren L  0 und 1 ; h1 > 0, so dass 8 .t; y/; .t; y 0 / 2 G1

8 h  h1 W

jfh .t; y/  fh .t; y 0 /j  Ljy  y 0 j

mit analog zu G definiertem ˚  G1 D .t; y/ 2 I  K j ju.t /  yj  1 :

214

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Wir definieren nun M2 WD max t2I ju00 .t /j (unter der üblichen Voraussetzung u 2 C 2 .I / bzw. f 2 C 1 .I  K/ ist die Existenz von M2 gesichert!) und s L WD L0 C

L20

 0;

 1 WD ; 2 C L0

h1 WD min 1;

Weiter seien .t; y/; .t; y 0 / 2 G1 und h  h1 .H) h2  h21  Dann folgt zunächst aus der Taylor-Formel

21 M2 /

21 M2

! :

beliebig.

Df .t;u.t//

‚…„ƒ h2 u0 .t / C u00 ./ ; 2 h2 M2 H) ju.t / C hf .t; u.t //  u.t C h/j  2 u.t C h/ D u.t / C h

 2 Œt; t C h ;

und daraus, wenn man noch jy  u.t /j  1   H) .t; y/ 2 G und analog jy 0  u.t /j  1   H) .t; y 0 / 2 G beachtet: jy C hf .t; y/  u.t C h/j  jy  u.t /j C ju.t / C hf .t; u.t //  u.t C h/j C hjf .t; y/  f .t; u.t //j  1 C

h2 M2 C hL0 jy  u.t /j „ ƒ‚ … 2 1

 .1 C „ƒ‚… h L0 /1 C 1

und analog

h2 M2  .2 C L0 /1 D  2 „ƒ‚… 1

ˇ 0 ˇ ˇy C hf .t; y 0 /  u.t C h/ˇ   :

Man hat also damit .t C h; y C hf .t; y//; .t C h; y 0 C hf .t; y 0 // 2 G und folglich die Anwendbarkeit der Lipschitzbedingung auch für diese Punkte gesichert.

215

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Nach diesen Vorüberlegungen folgt die eigentliche Abschätzung mühelos mittels: jfh .t; y/  fh .t; y 0 /j ˇ 1ˇ D ˇf .t; y/ C f .t C h; y C hf .t; y//  f .t; y 0 /  f .t C h; y 0 C hf .t; y 0 //ˇ 2 ˇ ˇ ˇ 1 ˇˇ  f .t; y/  f .t; y 0 /ˇ C ˇf .t C h; y C hf .t; y//  f .t C h; y 0 C hf .t; y 0 //ˇ 2  1  L0 jy  y 0 j C L0 jy C hf .t; y/  y 0  hf .t; y 0 /j 2   1  L0 jy  y 0 j C L0 jy  y 0 j C hL0 jy  y 0 j 2 1 D L0 jy  y 0 j C hL20 jy  y 0 j 2  .L0 C L20 /jy  y 0 j D Ljy  y 0 j : Aufgabe B.8. Für eine Folge dj ; 0  j  Nh , gelte mit Konstanten L, D  0 sowie h > 0 die Abschätzung jdj C1 j  .1 C hL/jdj j C D ;

0  j  Nh  1 :

Man beweise für 0  j  Nh die Ungleichungen D . .1 C hL/j  1/ C .1 C hL/j jd0 j hL  D  Lj h  e  1 C e Lj h jd0 j : hL (Hinweis: Es gilt 1 C t  e t für t  0.) jdj j 

Lösung: Wir beweisen die erste Abschätzung induktiv: Für den Induktionsanfang j D 0 haben wir  D  .1 C hL/0  1 C .1 C hL/0 jd0 j D jd0 j : jd0 j  hL „ ƒ‚ … „ ƒ‚ … D0

D1

Im Induktionsschritt j ! j C 1, j  Nh  1 , erhalten wir Vor.

jdj C1 j  .1 C hL/jdj j C D    I.V. D  j j .1 C hL/  1 C .1 C hL/ jd0 j C D  .1 C hL/ hL D D D .1 C hL/j C1   D C .1 C hL/j C1 jd0 j C D hL hL  D  D .1 C hL/j C1  1 C .1 C hL/j C1 jd0 j : hL

216

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Die zweite Abschätzung ergibt sich mit Hilfe des Hinweises leicht:   Hinw. D  D  .1 C hL/j  1 C .1 C hL/j jd0 j  e j hL  1 C e j hL jd0 j : hL hL Aufgabe B.9. Sei  WD Œ0; T   R. Die Funktion f W  7! R sei stetig und erfülle die sogenannte einseitige Lipschitz-Bedingung 9 l 2 R 8 .t; y/; .t; y/ Q 2  ; y  yQ

W

f .t; y/  f .t; y/ Q  l.y  y/ Q :

Ferner seien u1 ; u2 W Œ0; T  7! R Lösungen der Differentialgleichung u0 D f .t; u.t // mit Anfangswerten u1 .0/ D ˛1 ; u2 .0/ D ˛2 . Zeigen Sie, dass dann für alle t 2 Œ0; T  die Abschätzung ju1 .t /  u2 .t /j  e lt j˛1  ˛2 j gilt. Lösung:

Definiere die Hilfsfunktion g.t / WD .u1 .t /  u2 .t //2 :

Dann ist g stetig differenzierbar, und es gilt g 0 .t / D 2.u01 .t /  u02 .t //.u1 .t /  u2 .t // D 2.f .t; u1 .t //  f .t; u2 .t ///.u1 .t /  u2 .t //  2l.u1 .t /  u2 .t //2 D 2lg.t / : Man beachte, dass die letzte Abschätzung in der Tat wegen .u1  u2 /2 D .u2  u1 /2 nur die einseitige Lipschitzbedingung benötigt. Es folgt für jedes t mit g.t / ¤ 0 .ln.g.t ///0 D

g 0 .t /  2l : g.t /

Wir integrieren nun diese Ungleichung (Monotonie des Integrals!) über ein Intervall Œt1 ; t2   Œ0; T , das keine Nullstelle von g enthält, und gewinnen so die Beziehung ln.g.t2 //  ln.g.t1 //  2l.t2  t1 / : Es folgt mittels Monotonie der Exponentialfunktion g.t2 /  g.t1 / exp.2l.t2  t1 // :

(B.4)

217

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Wir unterscheiden nun zwei Fälle: 1. Fall: g hat keine Nullstelle in Œ0; T . Dann folgt mit t1 WD 0; t2 D t sofort aus (B.4): .u1 .t /  u2 .t //2  .˛1  ˛2 /2 exp.2lt / H) ju1 .t /  u2 .t /j  j˛1  ˛2 j e lt und damit die Behauptung. 2. Fall: Sei t0 die kleinste Nullstelle von g in Œ0; T . (Beachte: Die Menge aller Nullstellen von g ist nichtleer und beschränkt, besitzt also ein Infimum t0 , das wegen der Abgeschlossenheit von Œ0; T  ebenfalls in Œ0; T  liegt und für das Infimum gilt wegen der Stetigkeit von g, dass g dort ebenfalls verschwindet. Damit ist t0 die kleinste Nullstelle von g). Ist nun t2 beliebig aus Œt0 ; T , so folgt g.t2 / D 0, denn: Annahme: g.t2 / ¤ 0 . H) g.t2 / > 0/. Dann gilt auch wegen der Stetigkeit g.t / ¤ 0 ; t 2 Œt1 ; t2  für ein t1 < t2 . Darüberhinaus besitzt die Menge der Nullstellen von g die kleiner oder gleich t1 sind (da nichtleer und beschränkt), ein Supremum t , für das aus Stetigkeitsgründen wiederum g.t / D 0 gilt, so dass t die größte Nullstelle unterhalb von t1 (und damit auch von t2 ) wird. Es folgt mit der Beziehung (B.4) und der Stetigkeit von g g.t2 / D

lim

t1 !t ;t1 >t

g.t2 / 

 

lim

t1 !t ;t1 >t

lim

t1 !t ;t1 >t

.g.t1 / exp.2l.t2  t1 ///

 g.t1 / exp.2lT / D 0

im Widerspruch zur Annahme. Somit verschwindet g in Œt0 ; T  vollständig. Ist also t 2 Œ0; t0 /, so folgt mit t1 D 0 und t2 D t analog zum ersten Fall die Behauptung aus (B.4); im Fall t 2 Œt0 ; T  ist die Behauptung trivialerweise erfüllt, da die linke Seite dann verschwindet. Aufgabe B.10. Die sogenannte Wurzelbedingung für Polynome p in einer komplexen Veränderlichen lautet: Das Polynom p besitzt nur Wurzeln vom Betrage höchstens eins und die Wurzeln mit dem Betrage eins sind einfach. Man bestimme die Wurzeln der folgenden Polynome der Gestalt p.z/ D ˇm z m C C ˇ1 z C ˇ0 ;

z 2 C;

und untersuche, ob sie der Wurzelbedingung genügen oder nicht: (i)

.ˇm ; ˇm1 ; : : : ; ˇ1 ; ˇ0 / D .1; 1/ ;

m D 1;

(ii)

.ˇm ; ˇm1 ; : : : ; ˇ1 ; ˇ0 / D .1; 4; 3/ ;

m D 2;

(iii)

.ˇm ; ˇm1 ; : : : ; ˇ1 ; ˇ0 / D .1; 0; 1/ ;

m D 2;

(iv)

.ˇm ; ˇm1 ; : : : ; ˇ1 ; ˇ0 / D .2; 9; 18; 11/ ; m D 3 :

218

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Lösung: (i) p.z/ D z  1: z0 =1 ist die einzige Wurzel, hat den Betrag eins, ist aber einfach, so dass die Wurzelbedingung erfüllt ist. (ii) p.z/ D z 2 C 4z  3: Mit der bekannten p-q-Formel ergeben sich die beiden einfachen Wurzeln z1 D 1 und z2 D 3. Da jz2 j > 1, erfüllt in diesem Fall p die Wurzelbedingung nicht. (iii) p.z/ D z 2  1: Wegen p.z/ D .z  1/.z C 1/ besitzt p die Wurzeln z1 D 1 und z2 D 1; da beide einfach sind, ist die Wurzelbedingung erfüllt. (iv) p.z/ D 2z 3  9z 2 C 18z  11: Es gilt .2z 3  9z 2 C 18z  11/ D .2z 2  7z C 11/.z  1/ ; das heißt, eine Wurzel von p ist z0 D 1. Die beiden anderen ergeben sich aus dem Polynom zweiten Grades mit Hilfe der p-q-Formel zu p 1 z1;2 D .7 ˙ i 39/ : 4 Wegen

1p 1p 9 88 > 81 D > 1 4 4 4 ist die Wurzelbedingung hier nicht erfüllt. jz1 j D

Aufgabe B.11. gleichung

Untersuchen Sie die Fixpunktiteration zur Lösung der Rekursionsui C1 D ui C hf .tiC1 ; uiC1 /

des impliziten Euler-Verfahrens, wobei ti D ih; i D 0; : : : ; N . Zeigen Sie, dass die Fixpunktiteration konvergiert, falls f bezüglich der Euklidischen Norm k k2 der folgenden Lipschitz-Bedingung genügt, kf .t; y/  f .t; z/k2  Lky  zk2 ;

y; z 2 Rn ;

t 2 I D Œ0; T  ;

1 gewählt wird. Geben Sie eine Funktion f an, für und die Schrittweite h kleiner als L 1 die die Fixpunktiteration im Fall h D L divergiert.

Lösung:

.0/

Die Fixpunktiteration lautet zu einem beliebigen Startwert uiC1 : .kC1/

ui C1

.k/

D g.uiC1 / ;

k 2 N0 ;

wobei die Iterationsfunktion g durch g W G 3 y 7! g.y/ D ui C hf .tiC1 ; y/ ;

G D Rn

219

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

erklärt ist. Wir zeigen nun, dass die Voraussetzungen des Banachschen Fixpunktsatzes erfüllt sind, woraus dann sofort die Konvergenzbehauptung folgt. Die Abgeschlossenheit von G und die Selbstabbildungseigenschaft sind unmittelbar klar, so dass noch 1 .H) q WD h0 L < zu zeigen bleibt, dass g eine Kontraktion ist. Sei dazu h0 < L n 1/ ; h  h0 . Dann gilt für beliebige y; z 2 R : kg.y/  g.z/k2 D kui C hf .tiC1 ; y/  ui  hf .tiC1 ; z/k2 D hkf .tiC1 ; y/  f .tiC1 ; z/k2  hLky  zk2  qky  zk2 : Hieraus folgt die erste Behauptung. Betrachtet man nun speziell f .t; y/ WD Ly für 1 hD L , so folgt .kC1/

ui C1

.k/

D ui C „ƒ‚… hL uiC1 ; D1

woraus man leicht induktiv auf .k/

.0/

ui C1 D kui C uiC1 ;

k 2 N0 ;

schließt. Falls nun ui ¤ 0 ist, so divergiert die Fixpunktiteration offensichtlich. Aufgabe B.12.

Wir betrachten das explizite lineare Mehrschrittverfahren .s D 2/



vj C2 C 4vj C1  5vj D h 4f .tj C1 ; vj C1 / C 2f .tj ; vj / ;

j D 0; 1; 2; : : : :

Zeigen Sie: (i) Das Verfahren hat Konsistenzordnung 3. (ii) Für f .t; z/ D z und die Startwerte v0 D 1 ; v1 D e h erhält man explizite j j Lösungen der Differenzengleichungen für vj durch vj D ˛1 C ˇ2 mit r

4 2 1 D 2  2h C 3 1 C h C h2 ; 3 9 r 4 2 2 D 2  2h  3 1 C h C h2 ; 3 9 wobei ˛ und ˇ durch die Startwerte zu bestimmen sind. (iii) Diskutieren Sie das Verhalten der Lösung für h ! 0.

220

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Lösung: (i) Für das vorliegende lineare Mehrschrittverfahren der Form s s X 1X ak uh .tj sCk / D bk f .tj sCk ; uh .tj sCk // h kD0

kD0

ist s D 2 und weiter a0 D 5 ;

a1 D 4 ;

a2 D 1 ;

b0 D 2 ;

b1 D 4 ;

b2 D 0 :

Nach Satz 3.10 (a) haben wir zu zeigen, dass 2 X

k l ak  lk l1 bk D 0 ;

l D 0; 1; 2; 3 ;

kD0

2 X

k 4 ak  4k 3 bk ¤ 0 :

kD0

Man rechnet nun nach, dass in der Tat 2 X

ak D 5 C 4 C 1 D 0 ;

kD0 2 X

kak  bk D 0  2 C 1 4  4 C 2 1  0 D 2 C 4  4 C 2 D 0 ;

kD0 2 X

k 2 ak  2kbk D 1 4  2 1 4 C 22 1 D 4  8 C 4 D 0 ;

kD0 2 X

k 3 ak  3k 2 bk D 1 4  3 1 4 C 23 1 D 4  12 C 8 D 0 ;

kD0 2 X

k 4 ak  4k 3 bk D 1 4  4 1 4 C 24 1 D 4  16 C 16 D 4 ¤ 0

kD0

gilt, womit Behauptung (i) bewiesen ist. (ii) Die beiden gegebenen Zahlen 1 ; 2 sind offenbar die beiden eindeutigen Lösungen der quadratischen Gleichung 2 C .4 C 4h/  .5  2h/ D 0 ; denn diese Lösungen errechnet man leicht nach der bekannten Formel zu q p 2  2h ˙ .2  2h/2 C 5  2h D 2  2h ˙ 4 C 8h C 4h2 C 5  2h p D 2  2h ˙ 9 C 6h C 4h2 r 4 2 D 2  2h ˙ 3 1 C h C h2 : 3 9

221

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Daraus folgt nun   ˛ 21 C .4 C 4h/1  .5  2h/ D 0 ;   ˇ 22 C .4 C 4h/2  .5  2h/ D 0 : j

j

Man multipliziert die erste Gleichung mit 1 und die zweite mit 2 und durch Addition der sich daraus ergebenden beiden Gleichungen erhält man   j C2 j C1 j ˛ 1 C .4 C 4h/1  .5  2h/1   j C2 j C1 j C ˇ 2 C .4 C 4h/2  .5  2h/2 D 0 : Es folgt j C2

j C2

C ˇ2

j C1

j

C 4.˛1

j C1

j

C ˇ2

j

/  5.˛1 C ˇ2 /   j C1 j C1 j j D h 4.˛1 C ˇ2 /  2.˛1 C ˇ2 /

˛1

j

und somit, wenn man vj WD ˛1 C ˇ2 ; j 2 N0 , setzt: vj C2 C 4vj C1  5vj D h.4vj C1  2vj / D h.4f .tj C1 ; vj C1 / C 2f .tj ; vj // : Das zeigt die Erfüllung der Verfahrensgleichung durch die so definierten vj . Die noch freien Parameter ˛ ; ˇ bestimmt man nach den Anfangsbedingungen mit Hilfe der Gleichungen 1 D v0 D ˛01 C ˇ02 D ˛ C ˇ ; e h D v1 D ˛1 C ˇ2 ; indem man die erste Gleichung nach ˇ auflöst (ˇ D 1  ˛) und das Ergebnis in die zweite Gleichung einsetzt, was zu e h D ˛1 C .1  ˛/2 D ˛.1  2 / C 2 und ˛D

e h  2 1  2  e h C 2 1  e h ; ˇ D1˛ D D 1  2 1  2 1  2

führt. Die Lösung hat somit die Gestalt v0 D 1; v1 D e h ; vj D

e h  2 j 1  e h j 1 C  ; 1  2 1  2 2

j  2:

222

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

(iii) Offenbar strebt für h ! 0 1 ! 2 C 3 D 1 ; und ˛!

1  .5/ D 1; 1  .5/

2 ! 2  3 D 5

ˇ!

11 D 0: 6

Also strebt für jedes feste j die Lösung vj offenbar gegen 1 und nicht gegen die wahre Lösung e t der gegebenen Differentialgleichung u0 .t / D u.t /. Aufgabe B.13. Sei Œa; b ein beschränktes abgeschlossenes Intervall der reellen Zahlengeraden. Bestimmen Sie die Lösung uh der inhomogenen Randwertaufgabe der Differenzengleichungen 1 .uh .x C h/  2uh .x/ C uh .x  h// D wh .x/ ; h2

uh .a/ D uh .b/ D 0

auf Œa; b0h mit der diskreten Greenschen Funktion Kh in der Gestalt uh .x/ D h

X

Kh .x; y/wh .y/ ;

x 2 Œa; bh :

y2Œa;b0h

Dabei seien für die natürlichen Zahlen Nh D 1; 2; : : : die Schrittweite h D .ba/=Nh und Punktgitter Œa; bh ; Œa; b0h ; Œa; b0h definiert durch Œa; bh D fx 2 Œa; b j x D a C j h ; j D 0; : : : ; Nh g ; Œa; b0h D fx 2 Œa; b j x D a C j h ; j D 0; : : : ; Nh  1g ; Œa; b0h D fx 2 Œa; b j x D a C j h ; j D 1; : : : ; Nh  1g : ˇ Hinweis: Betrachten Sie Kh D K ˇŒa; bh  Œa; b0h , wobei K die Greensche Funktion für die Randwertaufgabe u00 D 0; u.0/ D u.1/ D 0 ist (vergleiche Beispiel A.26), und weisen Sie nach, dass das damit gebildete uh Lösung des diskreten Randwertproblems ist. Lösung: Die diskrete Greensche Funktion Kh wählen wir wie im Hinweis angegeben als die Restriktion von K auf Œa; bh  Œa; b0h , das heißt 8 .a  x/.b  y/ ˆ ˆ ; xy < ba Kh .x; y/ D ˆ ˆ : .a  y/.b  x/ ; x  y : ba

223

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Dann gilt

uh .a/ D h

X

Kh .a; y/wh .y/ D h

y2Œa;b0h

X y2Œa;b0h

.a  a/.b  y/ wh .y/ D 0 ba

und ebenso uh .b/ D h

X y2Œa;b0h

.a  y/.b  b/ wh .y/ D 0 : ba

Weiter ist für x D y 2 Œa; b0h 1 .Kh .x C h; y/  2Kh .x; y/ C Kh .x  h; y// h 1 D ..a  x/.b  x  h/  2.a  x/.b  x/ C .a  x C h/.b  x// h.b  a/ 1 .h.a  x/ C h.b  x// D 1 : D h.b  a/ Für x < y hat man 1 .Kh .x C h; y/  2Kh .x; y/ C Kh .x  h; y// h 1 D ..a  x  h/.b  y/  2.a  x/.b  y/ C .a  x C h/.b  y// h.b  a/ 1 .h.b  y/ C h.b  y// D 0 D h.b  a/ und für x > y 1 .Kh .x C h; y/  2Kh .x; y/ C Kh .x  h; y// h 1 D ..a  y/.b  x  h/  2.a  y/.b  x/ C .a  y/.b  x C h// h.b  a/ 1 .h.a  y/ C .a  y/h/ D 0 : D h.b  a/

224

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Benutzt man dies, so bekommt man 1 .uh .x C h/  2uh .x/ C uh .x  h// h2  X X 1 Kh .x C h; y/wh .y/  2 Kh .x; y/wh .y/C D h 0 0 y2Œa;bh

y2Œa;bh

C D

1 h

 Kh .x  h; y/wh .y/

X y2Œa;b0h

X

.Kh .x C h; y/  2Kh .x; y/ C Kh .x  h; y//wh .y/

y2Œa;b0h

x 2 Œa; b0h :

D wh .x/ ; Die Gitterfunktion

uh .x/ D h

X

Kh .x; y/wh .y/

y2Œa;b0h

mit der angegebenen Greenschen Funktion Kh ist demnach eine Lösung der inhomogenen Randwertaufgabe der Differenzengleichungen. Aufgabe B.14. definiert durch Au D

Im Anschluss an Aufgabe B.13 sei die Abbildung A W X ! Y

d 2u ; dx 2

X D fu 2 C 2 Œa; b j u.a/ D u.b/ D 0 g ;

Y D C Œa; b :

Weiter seien Dh ; Ah D Dh2 W Xh ! Yh Differenzenoperatoren der Gestalt 1 .uh .x C h/  uh .x// ; x 2 Œa; b0h ; h 1 Ah uh .x/ D Dh2 uh .x/ D 2 .uh .x C h/  2uh .x/ C uh .x  h// ; x 2 Œa; b0h ; h

Dh uh .x/ D

und für Gh D Œa; b0h bzw. Gh D Œa; b0h sei Xh D fuh 2 C Œa; bh j uh .a/ D uh .b/ D 0g ;

Yh D C.Gh / :

Beweisen Sie: Für jede Funktion u 2 C 2 Œa; b gelten für h ! 0 die Konsistenzbedingungen max

x2Œa;b0h

jDh u.x/ 

du .x/j ! 0 ; dx

max 0 jDh2 u.x/ 

x2Œa;bh

d 2u .x/j ! 0 : dx 2

225

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Lösung:

Nach der Taylor-Formel gibt es für x 2 Œa; b0h ein  2 Œ0; 1 so dass u.x C h/ D u.x/ C hu0 .x/ C

h2 00 u .x C h/ : 2

Daraus folgt ˇ ˇ ˇ ˇ u.x C h/  u.x/ 0 ˇ D h ju00 .x C h/j  max ju00 .y/j h DW M h : ˇ  u .x/ ˇ ˇ h 2 2 2 y2Œa;b Dabei existiert M wegen u 2 C 2 Œa; b. Weiter folgt ˇ M ˇ ˇ ˇ h ! 0 max ˇDh u.x/  u0 .x/ˇ  0 2 x2Œa;bh

.h ! 0/ :

Für x 2 Œa; b0h gibt es wieder nach der Taylor-Formel C ;  2 Œ0; 1, so dass u.x C h/ D u.x/ C hu0 .x/ C

h2 00 h2 h2 u .x/ C u00 .x C C h/  u00 .x/ 2 2 2

u.x  h/ D u.x/  hu0 .x/ C

h2 00 h2 h2 u .x/ C u00 .x   h/  u00 .x/ : 2 2 2

und

Addition dieser beiden Beziehungen führt zu ˇ ˇ ˇ ˇ u.x C h/  2u.x/ C u.x  h/ 00 ˇ  u .x/ˇˇ ˇ 2 h ˇ 1ˇ D ˇu00 .x C C h/  u00 .x/ C u00 .x   h/  u00 .x/ˇ 2  1  00  ju .x C C h/  u00 .x/j C ju00 .x   h/  u00 .x/j 2  max ju00 .y/  u00 .x/j : y2Œxh;xCh

Daraus folgt ˇ ˇ ˇ ˇ u.x C h/  2u.x/ C u.x  h/ 00 ˇ max 0 ˇ  u .x/ˇˇ 2 h x2Œa;bh  max 0

max

x2Œa;bh y2Œxh;xCh

ju00 .y/  u00 .x/j :

Es bleibt zu zeigen, dass max

max

x2Œa;b0h y2Œxh;xCh

ju00 .y/  u00 .x/j ! 0

.h ! 0/ ;

226

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

was äquivalent dazu ist, dass 8" > 0 9h0 > 0 8h < h0 8x 2 Œa; b0h 8y 2 Œx  h; x C h W ju00 .y/  u00 .x/j < " : Dies ist aber klar, denn für ein beliebiges " > 0 existiert wegen der gleichmäßigen Stetigkeit von u00 auf Œa; b ein ı > 0, so dass für alle x; y mit jx  yj < ı die Ungleichung ju00 .x/  u00 .y/j < " gilt. Wählt man deshalb h0 WD ı, dann gilt mit beliebigen h < h0 , x 2 Œa; b0h und y 2 Œx  h; x C h die Beziehung jx  yj < ı und somit auch ju00 .x/  u00 .y/j < " : Aufgabe B.15. Beweisen Sie im Anschluss an Aufgabe B.14: Die Abbildungen Ah W Xh ! Yh sind linear und bijektiv für jedes h D .b  a/=Nh ; Nh D 2; 3; : : : . Es gibt eine Konstante K, so dass für jedes p in 1  p < 1 und jedes h D .b  a/=Nh die inverse Stabilitätsungleichung kuh k2;p  KkAh uh kp ;

uh 2 Xh ;

gilt. Dabei ist   kuh k2;p D max kuh k1 ; kDh uh k1 ; kDh2 uh kp mit den Bezeichnungen kuh k1 D max juh .x/j ; kDh uh k1 D max jDh uh .x/j x2Œa;b0h

x2Œa;bh

und

0 kDh2 uh kp D @h

X

11=p jDh2 uh .x/jp A

;

1  p < 1:

x2Œa;b0h

Lösung: Zur Linearität: Seien uh ; vh 2 Xh , ˛; ˇ 2 K beliebig. Dann gilt für x 2 Œa; b0h , dass .Ah .˛uh C ˇvh //.x/ 1 ..˛uh C ˇvh /.x C h/  2.˛uh C ˇvh /.x/ C .˛uh C ˇvh /.x  h// h2 1 D ˛ 2 .uh .x C h/  2uh .x/ C uh .x  h// h 1 C ˇ 2 .vh .x C h/  2vh .x/ C vh .x  h// h D ˛Ah uh .x/ C ˇAh vh .x/ : D

227

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Zur Surjektivität: Für jedes wh 2 Yh D C.Œa; b0h / wurde in Aufgabe B.13 eine Funktion uh 2 Xh angegeben, für die Ah uh D wh gilt. Zur Injektivität: Sei Ah uh D 0, wobei hier 0 das Nullelement in Yh ist. Behauptung: Dann gilt uh .a C nh/ D nuh .a C h/ für 0  n  Nh . Beweis (vollständige Induktion): Der Induktionsanfang ist für n D 0; 1 trivial. Induktionsvoraussetzung: Die Behauptung gelte für n < j , wobei 2  j  Nh . Für n D j folgt 0D

1 .uh .a C j h/  2uh .a C .j  1/h/ C uh .a C .j  2/h// h2

und damit uh .a C j h/ D 2uh .a C .j  1/h/  uh .a C .j  2/h/ D 2.j  1/uh .a C h/  .j  2/uh .a C h/ D j uh .a C h/ : Nun ist 0 D uh .b/ D uh .a C Nh h/ D Nh uh .a C h/ ; das heißt uh .a C h/ D 0 . Wir erhalten also uh .a C nh/ D nuh .a C h/ D 0 ;

0  n  Nh ;

das heißt, uh ist das Nullelement in Xh . Damit haben wir Kern.Ah / D f0g und somit die Injektivität von Ah gezeigt. Inverse Stabilitätsungleichung: Vorab seien zwei Nebenrechnungen durchgeführt. (a) Betrachte die Funktion f .x/ D j.x  a/.x  b/j D .x  a/.b  x/ für x 2 Œa; b. Für ihre Ableitung ergibt sich f 0 .x/ D .x  a/ C .b  x/ D 2x C a C b : maximal und nimmt dort den Wert Also wird f in Œa; b bei x D aCb 2 an. 1 1 (b) Für 1 < p; q < 1 mit C D 1 gilt p q kAh uh k1 D h

X

Hölder

j.Ah uh /.x/j 1  kAh uh kp k1kq

x2Œa;b0h

D kAh uh kp .h.Nh  1//1=q  kAh uh kp .b  a/1=q

.ba/2 4

228

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

für alle uh 2 C Œa; bh . Im Folgenden werden nun die drei Normen, deren Maximum nach Definition kuh k2;p ist, jeweils durch const kAh uh kp nach oben abgeschätzt: (i) Zunächst ist trivialerweise kDh2 uh kp D kAh uh kp  KkAh uh kp ; falls

K1:

(ii) Nach Aufgabe B.13 ist mit den dort benutzten Bezeichnungen für jedes uh 2 Xh X uh .x/ D h Kh .x; y/.Ah uh /.y/ : y2Œa;b0h

Deshalb bekommt man juh .x/j  max 0 jKh .x; y/j h y2Œa;bh

X

j.Ah uh /.y/j

y2Œa;b0h

ˇ ˇ ˇ .x  a/.b  x/ ˇ ˇ ˇ kAh uh k1 ˇ ˇ ba

 max j.x  a/.b  x/j .b  a/1 kAh uh k1 x2Œa;b

(a) 1 .womit der Fall p D 1 erledigt ist/ D .b  a/kAh uh k1 4 (b) 1 1  .b  a/1C q kAh uh kp 4 1  max.1; .b  a/2 /kAh uh kp : 4

(iii) Es gilt auf Œa; b0h , dass 1 .uh .x C h/  uh .x// h X .Kh .x C h; y/  Kh .x; y//.Ah uh /.y/ : D

Dh uh .x/ D

(B.5)

y2Œa;b0h

Ferner hat man für den Fall x C h  y die Abschätzung ˇ ˇ ˇ .a  x  h/.b  y/  .a  x/.b  y/ ˇ ˇ ˇ jKh .x C h; y/  Kh .x; y/j D ˇ ˇ ba ˇ ˇ ˇ h.b  y/ ˇ ˇh D ˇˇ ba ˇ und für den Fall x C h > y . ) x  y/ analog ˇ ˇ ˇ .a  y/.b  x  h/  .a  y/.b  x/ ˇ ˇ  h; jKh .x C h; y/  Kh .x; y/j D ˇˇ ˇ ba

229

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

also jKh .x C h; y/  Kh .x; y/j  h

8x; y 2 Œa; b0h :

(B.6)

Mit (B.5) und (B.6) folgt: kDh uh k1  h

X

j.Ah uh /.y/j D kAh uh k1

.Fall p D 1 fertig/

y2Œa;b0h (b)

 .b  a/1=q kAh uh kp  max.1; b  a/kAh uh kp :

Wählt man nun



1 K WD max 1; .b  a/2 ; b  a 4

 ;

so gilt nach dem eben Bewiesenen für alle p in 1  p < 1 und jedes h D .b a/=Nh die inverse Stabilitätsungleichung kuh k2;p  KkAh uh kp ;

uh 2 Xh :

Aufgabe B.16. Sei Œa; b ein beschränktes abgeschlossenes Intervall der reellen Zahlengeraden. Für jedes h > 0 sei das Punktgitter Gh D Œa; bh wie in Aufgabe B.13 erklärt. Sei ƒ eine Nullfolge von Schrittweiten h und sei .uh /h2ƒ eine Folge von Funktionen uh 2 C Œa; bh ; h 2 ƒ. Dann heißt diese Folge gleichmäßig gleichgradig stetig, wenn für jedes " > 0 ein ı > 0 existiert, so dass für jedes h 2 ƒ mit 0 < h < ı und jedes x; x 0 2 Œa; bh mit jx  x 0 j < ı gilt juh .x/  uh .x 0 /j < ". Man beweise: Die Folge .uh /h2ƒ ist gleichgradig stetig, wenn mit einer Zahl  > 0 und für ein p in 1 < p  1 die Abschätzung gilt kDhC uh kp   ;

h2ƒ;

mit dem vorwärtsgenommenen Differenzenquotienten DhC und1 den Abkürzungen kDhC uh k1 D max jDhC uh .x/j ; x2Œa;b0h

0

B kDhC uh kp D @h

X

11=p C jDhC uh .x/jp A

;

1 "0 :

Sei ohne Einschränkung der Allgemeinheit xn0 D xn C jn hn mit geeignetem jn 2 N. Dann gilt "0 < juhn .xn /  uhn .xn C jn hn /j  juhn .xn C hn /  uhn .xn /j C juhn .xn C 2hn /  uhn .xn C hn /j C C juhn .xn C jn hn /  uhn .xn C .jn  1/hn /j  D hn jDhCn uhn .xn /j C jDhCn uhn .xn C hn /j  C C jDhCn uhn .xn C .jn  1/hn /j : (i) Für 1 < p < 1 ist (B.7)

"0 < hn 0 Hölder

jX n 1 i D0

 @h n

jDhCn uhn .xn C ihn /j 1

jX n 1 i D0

11=q 0 1q A

@hn

11=p ˇp ˇ ˇ C ˇDhn uhn .xn C ihn /ˇ A

jX n 1 ˇ iD0

 .hn jn /1=q kDhCn uhn kp 

 1=q 1 kDhCn uhn kp ; n

und es folgt n!1

kDhCn uhn kp  n1=q "0 ! 1 :

(B.7)

231

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

(ii) Im Falle p D 1 gilt (B.7)

"0 < hn jn

ˇ 1 ˇ ˇ ˇ C ˇDhn uhn .xn C ihn /ˇ < kDhCn uhn k1 ; 0ijn 1 n max

weshalb

n!1

kDhCn uhn k1 > n"0 ! 1 : Es entsteht also jeweils ein Widerspruch zu der gegebenen Voraussetzung. Aufgabe B.17. Sei ƒ eine Nullfolge von Schrittweiten h und sei .uh /h2ƒ eine beschränkte, gleichmäßig gleichgradig stetige Folge reeller Funktionen uh 2 C Œa; bh ; h 2 ƒ (vergleiche Aufgabe B.16). Man beweise: Ist uO h 2 C Œa; b die aus uh durch lineare Interpolation in jedem Teilintervall erhaltene stückweise lineare, stetige Funktion mit uO h .x/ D uh .x/ ; x 2 Œa; bh ; h 2 ƒ, dann ist die Folge .uO h /h2ƒ beschränkt und gleichmäßig gleichgradig stetig auf Œa; b. Lösung:

Für x  y  x C h , x 2 Œa; b  hh ist uO h .y/ D

uh .x C h/  uh .x/ .y  x/ C uh .x/ : h

(i) Die Folge .uO h /h2ƒ ist beschränkt, da für jedes h 2 ƒ max juO h .x/j D max juh .x/j  M ;

x2Œa;b

x2Œa;bh

wobei M eine obere Schranke von uh ist. (ii) Zu zeigen: .uO h /h2ƒ ist gleichgradig stetig. Sei " > 0 beliebig vorgegeben. Dann gibt es zu 3" ein ı1 > 0 aus der Bedingung der gleichmäßigen gleichgradigen Stetigkeit der uh ; h 2 ƒ, so dass für alle 0 < h < ı1 , 8x; x 0 2 Œa; bh mit jx  x 0 j  ı1 folgt juh .x/  uh .x 0 /j
0 ist dann juO h .y/  uO h .y 0 /j  juO h .y/  uO h .xh C h/j C juO h .xh C h/  uO h .xh0 /j C juO h .xh0 /  uO h .y 0 /j " 0 < h < ı1 :  3 D "; 3 Mit Hilfe des obigen ı1 > 0 setzen wir ı2 WD

ı1 " : 2M

Wir betrachten nun noch die h 2 ƒ mit h  ı1 . Da die Steigung der Funktionen uO h für h 2 ƒ, h  ı1 , gleichmäßig durch 2M beschränkt bleibt, das heißt ı1 2M juO h .x C h/  uO h .x/j  h ı1

für alle h mit h  ı1 ;

gilt für alle h  ı1 und für jedes Paar y; y 0 2 Œa; b mit jy  y 0 j  ı2 , dass juO h .y/  uO h .y 0 /j D

juO h .y/  uO h .y 0 /j 2M jy  y 0 j  jy  y 0 j  " ; 0 jy  y j ı1

h  ı1 :

Für ı WD min.ı1 ; ı2 / folgt schließlich die Behauptung. Aufgabe B.18. Für p 2 C 1 .I / ; q 2 C.I / ; I D Œa; b sei das 2-Punkt-Randwertproblem in selbstadjungierter Form beschrieben durch .pu0 /0 C qu D f ;

x2I;

u.a/ D u.b/ D 0 : Weiter sei .pu0 /0 durch     h   1  h  h  Dh uh .x/ D p xC Dh uh .x C h/  p x  Dh uh .x/ DhC p :  2 h 2 2   h h 1  uh .x C h/ C p x  uh .x  h/ D 2 p xC h 2 2    h  h Cp x uh .x/  p xC 2 2 approximiert, wobei DhC bzw. Dh den vorwärtsgenommenen bzw. den rückwärtsgenommenen Differenzenquotienten erster Ordnung bezeichnet. Zeigen Sie, dass der zugehörige Abschneidefehler wie O.h2 / gegen null geht (für h ! 0), falls p 2 C 3 .I / und u 2 C 4 .I / ist.

233

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Lösung:

Man benutzt jeweils die Taylor-Formel und erhält  h  h2 00  h  h3 000  h h  h 0 C u xC C u xC C u xC CO.h4 / ; u.x Ch/ D u x C 2 2 2 8 2 48 2  h  h2 00  h  h3 000  h h  h 0  u xC C u xC  u xC CO.h4 / ; u.x/ D u x C 2 2 2 8 2 48 2  h  h2 00  h  h3 000  h h  h 0 C u x C u x C u x CO.h4 / ; u.x/ D u x  2 2 2 8 2 48 2  h  h2 00  h  h3 000  h h  h 0  u x C u x  u x CO.h4 / : u.x  h/ D u x  2 2 2 8 2 48 2 Man subtrahiert die zweite von der ersten und die vierte von der dritten Gleichung und gewinnt so nach Division durch h und Multiplikation mit p.x C h2 / beziehungsweise p.x  h2 / die Beziehungen    h  h2 000  h h  h  0  p xC Dh u.x C h/ D p x C u xC C u xC C O.h3 / ; 2 2 2 24 2         2 h h h h h Dh u.x/ D p x  u0 x  C u000 x  C O.h3 / : p x 2 2 2 24 2 Wir subtrahieren die zweite von der ersten Gleichung, dividieren durch h und zeigen damit   1  h  h  p xC Dh u.x C h/  p x  Dh u.x/ (B.8) h 2 2     .pu0 / x C h2  .pu0 / x  h2 D h     h 000 000 / x  h 2  .pu / x C .pu 2 2 h C C O.h2 / 24 h     0 / x C h  .pu0 / x  h .pu 2 2 h2 MWS C .pu000 /0 ./ C O.h2 / : D h 24 ƒ‚ … „ DO.h2 /

Zur Behandlung des ersten Terms auf der rechten Seite benutzt man wiederum die Taylor-Formel (beachte pu0 2 C 3 .I /), um die beiden Gleichungen   h h h2 0 .pu / x ˙ D .pu0 / .x/ ˙ .pu0 /0 .x/ C .pu0 /00 .x/ C O.h3 / 2 2 8 einzusehen. Subtraktion der zweiten Gleichung von der ersten und Division durch h liefert auch hier     .pu0 /0 .x/ D

.pu0 / x C

h 2

 .pu0 / x 

h Einsetzen von (B.9) in (B.8) zeigt dann die Behauptung.

h 2

C O.h2 / :

(B.9)

234

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Aufgabe B.19.

Das Randwertproblem .u00 /2 C u0 D 0 ;

u.0/ D 0 ;

u.1/ D

1 12

werde durch das Differenzenverfahren .N D Nh D h1 /  

uj C1  2uj C uj 1 h2

2 C

uj C1  uj 1 D 0; 2h 1 u0 D 0 ; uN D 12

j D 1; : : : ; N ;

approximiert. (i) Zeigen Sie, dass für gerades N die Lösung der Differenzenapproximation gegeben ist durch u2k D 2k

h ; 12

u2kC1 D .2k C 1/

h2 h C p ; 12 4 3

k D 0; 1; 2; : : : :

(ii) Konvergiert die Lösung des Differenzenverfahrens? Wenn ja, gegen welche Lösung? (iii) Stellen Sie die linearisierten Differenzengleichungen für eine feste Gitterfunktion u0h auf. Lösung: (i) Ausmultiplizieren liefert 

 1  2 2 2 u  4u u C 2u u  4u u C 4u C u j j C1 j 1 j C1 j 1 j j j 1 h4 j C1 uj C1  uj 1 C D 0 ; j D 1; : : : ; N : 2h

Setzt man die gegebene Lösung ein, dann ergibt sich .dg /j WD uj C1  2uj C uj 1 D u2kC1  2u2k C u2k1 D 2.k C 1/ D 4k

h2 h h2 h h C p  4k C .2k  1/ C p 12 4 3 12 12 4 3

h h2 h C p C 4k 12 12 2 3

h2 D p 2 3

für j D 2k gerade

(B.10)

235

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

und analog .du /j WD uj C1  2uj C uj 1 D u2kC2  2u2kC1 C u2k D 2.k C 1/ D

h h2 h h  2.2k C 1/  p C 2k 12 12 2 3 12

h2 h .2k C 2  4k  2 C 2k/  p 12 2 3

h2 D p 2 3

für j D 2k C 1 ungerade

sowie .eg /j WD uj C1  uj 1 D u2kC1  u2k1 D .2k C 1/

h2 h2 h h h C p  .2k  1/  p D ; 12 12 6 4 3 4 3

j D 2k ;

und .eu /j WD uj C1  uj 1 D u2kC2  u2k D 2.k C 1/

h h h  2kh D ; 12 12 6

j D 2k C 1 :

Einsetzen in das Verfahren liefert 

.dg /j  h2 sowie

2



  1 2 1 1 .eg /j 1 D p D C D 0; C C 2h 12 12 12 2 3

.du /j  h2

2 C

1 1 .eu /j D C D 0; 2h 12 12

Für die Randwerte erhält man u0 D 0 ist .N h D 1/.

j D 2k ;

j D 2k C 1 :

h .k D 0/ ; uN D N 12 D

1 12

; falls N gerade

(ii) Die angegebene Lösung der Differenzenapproximation konvergiert offenbar gex , denn man hat gen u .x/ D 12 8 < 0 ej WD uj  u .xj / D 2 : hp

4 3

; j D 2k ; ; j D 2k C 1 :

Bemerkung: Die Funktion u erfüllt nicht das gegebene Randwertproblem.

236

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

(iii) Zur Herleitung der linearisierten Differenzengleichungen muss man die Funktionalmatrix von (B.10) bestimmen. Behauptung: Für .T u/j WD uj uj ˙1 ist .T 0 .u/v/j D uj vj ˙1 C uj ˙1 vj . Beweis: Man hat r.v/j WD .T .u C v//j  T .u/j  .T 0 .u/v/j D .uj C vj /.uj ˙1 vj ˙1 /  uj uj ˙1  .uj vj ˙1 C uj ˙1 vj / D uj uj ˙1 C uj vj ˙1 C vj uj ˙1 C vj vj ˙1  uj uj ˙1  .uj vj ˙1 C uj ˙1 vj / D vj vj ˙1 ; woraus

jr.v/j j  kvk1 ! 0 kvk1

.kvk1 ! 0/

folgt. Damit ist die obige lineare Abbildung T 0 .u/ die Fréchet-Ableitung bzw. die vollständige Ableitung von T bei u. Analog gilt für .Su/j WD uj2 , dass .S 0 .u/v/j D 2uj vj . Bezeichnet man die linke Seite von (B.10) mit .Ah uh /.xj /, dann erhält man .A0h .u0h /vh /.xj / 1  D  4 2uj0C1 vj C1  4.uj0 vj C1 C uj0C1 vj / C 2.uj01 vj C1 C uj0C1 vj 1 / h  1  4.uj01 vj C uj0 vj 1 / C 8uj0 vj C 2uj01 vj 1 C .vj C1  vj 1 / 2h D b1;j vj 1 C b0;j vj C b1;j vj C1 ; wobei 2 0 1 ; .uj 1  2uj0 C uj0C1 /  4 h 2h 2 1 ; D  4 .uj01  2uj0 C uj0C1 / C h 2h 4 D 4 .uj01  2uj0 C uj0C1 / ; j D 1; : : : ; N  1 : h

b1;j D  b1;j b0;j

Aufgabe B.20. Sei Œa; b ein beschränktes, abgeschlossenes Intervall der reellen Zahlengeraden. Bekanntlich ist eine Folge uk 2 C 1 Œa; b ; k 2 N, gleichgradig stetig, falls die Ableitungen gleichmäßig beschränkt sind. Zeigen Sie, dass die Folge .uk / auch gleichgradig stetig ist, falls nur gilt Z juk j1;2 WD a

b

!1=2 ju0k .x/j2 dx

C;

k 2 N:

237

Anhang B Theoretische Übungsaufgaben

Lösung: Sei " > 0 beliebig vorgegeben. Zu zeigen: Es existiert ein ı > 0 , so dass für alle x; x 0 2 Œa; b mit jx  x 0 j < ı und alle k 2 N gilt: juk .x/  uk .x 0 /j < " : Sei o. B. d. A. x 0 < x. Dann folgt für ı WD ."=C /2 ˇZ x ˇ Z x ˇ ˇ 0 0 ˇ juk .x/  uk .x /j D ˇ uk .s/ ds ˇˇ  ju0k .s/j ds x0

C.–S.



Aufgabe B.21.

Z

x0

x

x0

ju0k .s/j2 ds

1=2

.x  x 0 /1=2  C

p ı D ":

Zu der Randwertaufgabe u00 C u D f

in

.0; 1/

mit Neumann-Randbedingungen u0 .0/ D 0 ;

u0 .1/ D 1

ist das zugehörige Variationsproblem gegeben durch .u0 ; v 0 / C .u; v/ D .f; v/ C 1 v.1/ C 0 v.0/ ;

v2V ;

wobei u 2 V gesucht und V gegeben ist durch ˇ  ˚ V D v 2 C Œ0; 1 ˇ v 0 stückweise stetig und beschränkt : Leiten Sie für stetige, stückweise lineare Ansatzfunktionen über einem äquidistanten Gitter das zugehörige Differenzenverfahren her. Hinweis: Für die Dachfunktionen '0 ; '1 ; : : : ; 'n , xj D j h , j D 0; : : : ; n , nh D 1 , gilt 8 h ˆ ; i D j  1; j C 1 ˆ < 6 2h .'i ; 'j / D ; j D 1; : : : ; n  1 ; ; i Dj 3 ˆ ˆ : 0 ; sonst sowie

.'i ; '0 / D

8 ˆ ˆ