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German Pages 328 [329] Year 2010
De Gruyter Studium Dziuk · Theorie und Numerik Partieller Differentialgleichungen
Gerhard Dziuk
Theorie und Numerik Partieller Differentialgleichungen
De Gruyter
Mathematics Subject Classification 2010: 35-01, 65-01, 65M60.
ISBN 978-3-11-014843-5 e-ISBN 978-3-11-021481-9 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Dziuk, Gerhard. Theorie und Numerik partieller Differentialgleichungen / by Gerhard Dziuk. p. cm. Includes bibliographical references and index. ISBN 978-3-11-014843-5 (alk. paper) 1. Differential equations, Partial ⫺ Numerical solutions ⫺ Textbooks. I. Title. QA377.D975 2010 5181.64⫺dc22 2010011760
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ” 2010 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin/New York Satz: Da-TeX Gerd Blumenstein, Leipzig, www.da-tex.de Druck und Bindung: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten ⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort
Dieses Lehrbuch enthält eine Einführung in die Grundlagen von Theorie und Numerik partieller Differentialgleichungen. Es geht darum, Theorie und Numerik in Abhängigkeit voneinander und gleichzeitig zu lernen. Sowohl die Theorie als auch die Numerik für partielle Differentialgleichungen sind äußerst umfangreiche Gebiete. Deshalb geht es in diesem Buch auch nicht um eine vollständige Darstellung dieser Teilgebiete der Mathematik. Dafür gibt es ausgezeichnete Literatur, die im Literaturverzeichnis zitiert ist und die man zur Vertiefung verwenden sollte. In diesem Buch werden die ersten Schritte zur theoretischen Lösung und zur numerischen Lösung partieller Differentialgleichungen vermittelt. Dazu gehören die klassische Theorie, die mit stetig differenzierbaren Funktionen und dem Riemannintegral arbeitet, und die schwache Theorie, die Funktionen in Sobolevräumen und das Lebesgueintegral verwendet. Beide theoretischen Ansätze sind für die Numerik partieller Differentialgleichungen von Bedeutung. Die klassische Theorie ist eher mit der Methode der Differenzenverfahren verknüpft, und die Theorie der schwachen Lösungen hat engen Bezug zur Methode der Finiten Elemente. Wir werden uns auch mit Differenzenverfahren befassen, jedoch steht das Ritz-Galerkin-Verfahren im Vordergrund der numerischen Methoden. Übrigens verwendet man dieses Verfahren auch zum Existenzbeweis in der theoretischen Untersuchung von partiellen Differentialgleichungen. Partielle Differentialgleichungen lassen sich in den seltensten Fällen durch Formeln oder sogar per Hand lösen. Und selbst in dem Fall, dass Lösungen durch Formeln gegeben sind, ist es meist eine schwierige Aufgabe, diese Formeln auszuwerten, um die Lösungen wirklich zu sehen, graphisch darzustellen, oder deren Verhalten zu studieren. Es ist faszinierend zu sehen, wie die theoretischen Untersuchungen zur Lösung partieller Differentialgleichungen mit der Entwicklung von Algorithmen zu ihrer numerischen Lösung verknüpft sind. Hat man einen konsistenten Algorithmus zur Lösung einer partiellen Differentialgleichung entwickelt, so ist es wichtig, nachzuweisen, dass die diskrete Lösung die kontinuierliche Lösung approximiert. Dies werden wir in vielen Fällen durchführen. Wir beschränken uns dabei auf A-Priori-Fehlerabschätzungen. Hierfür ist eine sorgfältige Entwicklung der Analysis der kontinuierlichen Lösungen wichtig. Es ist unbedingt zu empfehlen, die theoretische Numerik in die Praxis umzusetzen. Dafür finden an den meisten Universitäten Praktika statt. Man kann jedoch auch frei verfügbare Programme im Selbststudium verwenden. Hier sei vor allem auf das Programmpaket ALBERTA [25] hingewiesen.
vi
Vorwort
Das Buch ist aus an den Universitäten Bonn und Freiburg gehaltenen Vorlesungen „Theorie und Numerik partieller Differentialgleichungen I, II“ entstanden. Diese Vorlesungen sind für Studierende ab dem 5. Semester konzipiert. Voraussetzungen sind lediglich die Grundvorlesungen in Analysis und Linearer Algebra. Die im Buch verwendete Funktionalanalysis besteht nur aus dem sogenannten elementaren Teil der linearen Funktionalanalysis, der in einem Anhang A zusammengefasst ist. Außerdem gibt es in Anhang B eine Liste der wichtigsten Sätze zum Lebesgueintegral. In das Buch sind die Vorlesungen [14, 15] von E. Heinz eingegangen. Außerdem habe ich Teile von Vorlesungen von R. Kreß [20] und R. Rannacher [22] in meinen Vorlesungen verwendet. Ich hoffe, dass ich alle weiteren Quellen im Literaturverzeichnis genannt habe. Zu danken ist Frau H. Sturm und Frau T. Ruf, die die Vorlesungsskripte geschrieben haben. Ich bedanke mich ganz besonders bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die direkt oder indirekt bei der Erstellung der Skripte geholfen haben. Insbesondere danke ich K. Deckelnick, M. Fried, C.-J. Heine, B. Mößner, A. Schmidt und K. Siebert. Staufen im Februar 2010
G. Dziuk
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
v
I
1
Der Laplace-Operator und die Poissongleichung
1 Klassische Lösungen der Poissongleichung 1.1 Der Gaußsche Integralsatz und die Greenschen Formeln . 1.2 Die Darstellungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Das Poissonintegral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Das Maximumprinzip für harmonische Funktionen . . . 1.5 Das Perronverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Das Newtonpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 3 7 13 19 24 33
2 Schwache Lösungen der Poissongleichung 2.1 Das Dirichletsche Prinzip und warum man Sobolevräume braucht 2.2 Sobolevräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Der Laplace-Operator auf Sobolevräumen . . . . . . . . . . . . . 2.4 Randwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Regularität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
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45 45 49 56 62 64 71
3 Diskretisierung der Poissongleichung 3.1 Diskretisierungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Diskretisierung am Beispiel eines Differenzenverfahrens 3.1.2 Das Ritz-Galerkin-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Finite Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Simplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Simpliziale Lagrange-Elemente . . . . . . . . . . . . . 3.3 Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Poincaréungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Interpolationsabschätzungen . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Konvergenz und Abschätzung des Fehlers . . . . . . . . . . . . 3.5 Sobolevsche Einbettungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Randapproximation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Die Kondition der Steifigkeitsmatrix . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
75 75 75 83 89 89 94 102 104 109 116 119 126 140
. . . . . . . . . . . . .
viii
II 4
5
III 6
Inhaltsverzeichnis
Lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung
149
Theorie und Numerik elliptischer Differentialgleichungen 2. Ordnung 4.1 Der funktionalanalytische Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Schwache Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Diskrete Lösungen und Fehlerabschätzung . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Monotone elliptische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Das Neumann-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 A-Priori-Abschätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Randregularität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
151 152 155 158 162 169 174 180
Theorie und Numerik parabolischer Differentialgleichungen 2. Ordnung 183 5.1 Algebraische Klassifizierung linearer partieller Differentialgleichungen zweiter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 5.2 Das Cauchyproblem für die Wärmeleitungsgleichung . . . . . . . . . 185 5.3 Das Maximumprinzip und der Vergleichssatz . . . . . . . . . . . . . 190 5.4 Schwache Lösungen der Wärmeleitungsgleichung . . . . . . . . . . . 195 5.5 Die Ritzprojektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 5.6 Ortsdiskretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 5.7 Zeitdiskretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 5.7.1 Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 5.7.2 Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 5.8 Sobolevräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 5.8.1 Spursatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 5.8.2 Approximierbarkeit von Sobolevfunktionen . . . . . . . . . . 241
Erweiterungen von Theorie und Numerik Theorie und Numerik der linearen Wellengleichung 6.1 Der eindimensionale Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Das Cauchyproblem für die Wellengleichung im Rn . . . . . . 6.3 Das Anfangsrandwertproblem für die lineare Wellengleichung 6.4 Ortsdiskretisierung der Wellengleichung . . . . . . . . . . . .
255 . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
257 257 259 268 276
7 Datenapproximation und Quadratur 280 7.1 Quadraturformeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 7.2 Konvergenz bei numerischer Integration . . . . . . . . . . . . . . . . 285 8
Partielle Differentialgleichungen höherer Ordnung 292 8.1 Die Plattengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 8.2 Hermite-Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
ix
Inhaltsverzeichnis
IV
Anhang
A Elementare Funktionalanalysis A.1 Abstrakte Räume . . . . . . . . . . . . . A.1.1 Metrischer Raum . . . . . . . . . A.1.2 Normierter Raum . . . . . . . . . A.1.3 Hilbertraum . . . . . . . . . . . . A.2 Konkrete Räume . . . . . . . . . . . . . A.2.1 Lebesgue-Räume . . . . . . . . . A.2.2 Hölder-Räume . . . . . . . . . . A.3 Stetige lineare Abbildungen . . . . . . . A.3.1 Der Begriff des linearen Operators A.3.2 Dualraum . . . . . . . . . . . . .
305 . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . .
307 307 307 308 308 309 309 310 311 311 311
B Lebesgueintegral
313
Literaturverzeichnis
314
Index
317
Teil I
Der Laplace-Operator und die Poissongleichung
Kapitel 1
Klassische Lösungen der Poissongleichung
In diesem Kapitel lösen wir das Randwertproblem für die Poissongleichung im klassischen Sinn. Dies bedeutet, dass wir zu gegebenem beschränkten Gebiet G Rn , gegebener rechter Seite f W G ! R und gegebenen Randwerten g W @G ! R eine Funktion u 2 C 2 .G/ \ C 0 .G/ suchen, welche die Gleichungen u D f
in G;
uDg
auf @G
(1.1)
P erfüllt. Dabei ist u D niD1 uxi xi . Es ist offensichtlich, dass wir von den Daten mindestens voraussetzen müssen, dass f 2 C 0 .G/ und g 2 C 0 .@G/ sind. Wir werden aber sehen, dass die Voraussetzung bezüglich der Glattheit von f nicht ausreicht, um eine klassische Lösung u des Randwertproblem zu finden. Außerdem ist zunächst nicht klar, wie der Rand @G des Gebietes G aussehen darf. Die verwendeten Funktionenräume findet man in Anhang A.2.2.
1.1
Der Gaußsche Integralsatz und die Greenschen Formeln
Zunächst legen wir fest, was unsere Mindestanforderungen an das Gebiet G sind, in dem wir die Poissongleichung lösen wollen. Wir nennen solche Gebiete Normalgebiet. Es sind Gebiete, deren Rand aus gutartigen Hyperflächenstücken zusammengesetzt ist. Erst aber sagen wir, was ein Flächenstück und ein Oberflächenintegral sind. Zur Erinnerung: ein Gebiet ist eine offene wegweise zusammenhängende Menge. Definition 1.1. Eine Menge F Rn heißt reguläres Hyperflächenstück der Klasse C k .k 2 N/, wenn sie sich in der Form F D x.T /, x1 D x1 .t1 ; : : : ; tn1 /; :: : xn D xn .t1 ; : : : ; tn1 /; mit t D .t1 ; : : : ; tn1 / 2 T Rn1 darstellen lässt. Dabei ist T ein beschränktes Gebiet im Rn1 , und es ist x 2 C 0 .T ; Rn / \ C k .T; Rn /. Außerdem ist x W T ! Rn
4
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
injektiv mit 0 Rang
@x1 @t1
@x1 @tn1
@xn @t1
@xn @tn1
B : B : @ :
1
:: C C : A D n 1:
Mit Di (i D 1; : : : ; n) bezeichnen wir die Funktionen ˇ ˇ ˇ @x1 1 ˇ @t@x ˇ @t1 ˇ n1 ˇ : :: ˇˇ ˇ :: : ˇ ˇ ˇ @xi1 @xi1 ˇ ˇ @t @tn1 ˇ ˇ 1 ˇ Di D .1/nCi ˇ ˇ: @x @x ˇ iC1 iC1 ˇ ˇ @t1 @tn1 ˇˇ ˇ : :: ˇ ˇ : : ˇ ˇ : ˇ @xn ˇ ˇ @t @t@xn ˇ 1
n1
Die Vektoren D ˙.1 ; : : : ; n /, i D q
Di
.i D 1; : : : ; n/;
D12 C C Dn2
heißen die zu F im Punkt x D x.t / gehörenden Normalen. Für f 2 C 0 .F / heißt Z Z q f .x/ do.x/ D f .x.t // D12 .t / C C Dn2 .t / dt F
T
Oberflächenintegral von f über F , wenn Z q jf .x.t //j D12 .t / C C Dn2 .t / dt < 1 T
endlich ist. Im Fall n D 2 spricht man auch von einem regulären Kurvenstück in der Ebene. Man veranschauliche sich, dass ein Hyperflächenstück keine Selbstdurchschneidungen besitzen kann. Definition 1.2. Ein beschränktes Gebiet G Rn heißt Normalgebiet, falls folgende Bedingungen erfüllt sind: 1. Zu jedem Randpunkt x 0 2 @G gibt es eine Folge .x .p/ /p2N , x .p/ 2 Rn n G .p 2 N/ mit x .p/ ! x 0 .p ! 1/.
Abschnitt 1.1 Der Gaußsche Integralsatz und die Greenschen Formeln
5
2. @G D F 1 [ [ F N mit regulären Hyperflächenstücken Fj .j D 1; : : : ; N / der Klasse C 1 und es gilt: F i \ F j D @Fi \ @Fj Dabei ist @F D F n F . Außerdem existiere
R
.i 6D j /:
Fj
d o .j D 1; : : : ; N /.
3. Zu jedem " > 0 gibt es endlich viele Kugeln Kj D fx 2 Rn j jx x .j / j j g mit x .j / 2 @F1 [ [ @FN , j > 0, .j D 1; : : : ; q D q."//, so dass @F1 [ [ @FN
q [
Kj
q X
und
j D1
jn1 ":
j D1
Für ein Normalgebiet G sei das Oberflächenintegral definiert als Z f do D
N Z X
f d o:
j D1 F
@G
j
Ein beschränktes Gebiet, das diese Bedingung nicht erfüllt, ist zum Beispiel eine Kugel, aus der ein Punkt herausgenommen wurde, G D fx 2 Rn j 0 < jxj < 1g: Der Würfel o n G D x D .x1 ; : : : ; xn / 2 Rn j max jxi j < 1 iD1;:::;n
ist dagegen ein Normalgebiet. Wir sind nun in der Lage, den Gaußschen Integralsatz für Normalgebiete zu formulieren. Er besagt, dass das Volumenintegral über eine Divergenz, div f D r f D
n X @fj ; @xj
j D1
sich als Oberflächenintegral schreiben lässt. Für uns ist dies besonders wichtig, weil ja n X @u @ u D @xj @xj j D1
gilt.
6
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
Satz 1.3 (Gaußscher Integralsatz). Es sei G Rn ein Normalgebiet mit R äußerer Normale . Ferner sei f D .f1 ; : : : ; fn / 2 C 0 .G; Rn / \ C 1 .G; Rn / und G jdiv f jdx < 1. Dann gilt: Z Z div f .x/ dx D f .x/ .x/ do.x/: (1.2) G
@G
Einen Beweis findet man in den meisten Analysisvorlesungen. Siehe z. B. auch Satz 1, S. 45, in [23].1 Der Gaußsche Integralsatz ist die Verallgemeinerung des Hauptsatzes der Differential- und Integralrechnung. Er liefert eine Formel für die partielle Integration in höherer Raumdimension. Setzen wir in (1.2) die spezielle Funktion f D .0; : : : ; 0; u; 0; : : : ; 0/ mit u an der i-ten Stelle ein, so erhalten wir ein entsprechendes Resultat. Folgerung 1.4. Unter den Voraussetzungen von Satz 1.3 gilt für eine (skalare) FunkR @u j dx < 1: tion u 2 C 0 .G/ \ C 1 .G/, mit G j @x i
Z G
@u .x/ dx D @xi
Z u.x/i .x/ do.x/: @G
Wenden wir den Gaußschen Integralsatz auf den Gradienten einer skalaren Funktion an, so erscheint der Laplace-Operator. Dies führt zu den Greenschen Formeln, die wir im folgenden Satz notieren. Diese Formeln sind die Basis für die Lösung des Randwertproblems (1.1) für die Poissongleichung. Satz 1.5 (Greensche Formeln). Es sei G ein Normalgebiet. Für u; v 2 C 1 .G/, v 2 R 2 C .G/ und G jv.x/jdx < 1 gilt die erste Greensche Formel Z Z Z @v u.x/v.x/ dx D u.x/ .x/ do.x/ ru.x/ rv.x/ dx: (1.3) @ G
G
@G
R
Ist zusätzlich u 2 C 2 .G/ und G jujdx < 1, so gilt die zweite Greensche Formel Z Z @u @v (1.4) u.x/v.x/ v.x/u.x/ dx D u.x/ .x/ v.x/ .x/ do.x/: @ @ G
@G
Beweis. Die zweite Greensche Formel folgt offensichtlich sofort aus der ersten. Die erste Greensche Formel folgt aus dem Gaußschen Integralsatz, wenn wir ihn auf das Vektorfeld @v @v ;:::;u f D u @x1 @xn 1 Für
a; b 2 Rn bezeichnet a b das euklidische Skalarprodukt a b D
Pn
j D1 aj bj .
7
Abschnitt 1.2 Die Darstellungsformel
anwenden und beachten, dass gilt div f D
X n n n X X @v @ @u @v @2 v u D Cu D ru rv C uv: @xj @xj @xj @xj @xj2
j D1
j D1
j D1
Außerdem ist aus der Analysis bekannt, dass die partielle Ableitung in Richtung des Normalenvektors, n
X @u @u D j ; @ @xj j D1
als das euklidische Skalarprodukt aus dem Gradienten und dem Normalenvektor gegeben ist.
1.2
Die Darstellungsformel
Die zweite Greensche Formel (1.4) verwenden wir, um eine Lösungsformel für das Randwertproblem (1.1) für die Poissongleichung zu finden. Nehmen wir für den Moment an, dass u D f in G gilt und außerdem u D g auf @G ist, wobei g und f bekannt sind. Dann liefert (1.4) unter geeigneten Voraussetzungen an die Glattheit von u die Gleichung Z Z Z @u @v u.x/v.x/ dx D f .x/v.x/ dx C g.x/ .x/ v.x/ .x/ do.x/: @ @ G
G
@G
Wenn wir die Funktion v so wählen, dass sie auf dem Gebietsrand @G verschwindet, so haben wir fast eine Formel für „eine Lösung“ u des Randwertproblems (1.1): Z Z Z @v u.x/v.x/ dx D f .x/v.x/ dx C g.x/ .x/ do.x/: @ G
G
@G
Wir versuchen nun, ein v zu finden, das für festes x0 2 G zusätzlich einer Bedingung der Art Z (1.5) „ u.x/v.x/ dx D u.x0 /“ G
genügt. Das geht naturgemäß im Allgemeinen nur mit einer Funktion v, die eine Singularität im Punkt x0 besitzt. Wir suchen nun eine solche Funktion mit der Zusatzbedingung, dass sie harmonisch ist, also eine deutliche Beziehung zum von uns untersuchten Differentialoperator aufweist.
8
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
Definition 1.6. Eine Funktion u heißt in der offenen Menge G Rn harmonisch, wenn u 2 C 2 .G/ ist und u D 0 in G gilt. Wir suchen zunächst harmonische Funktionen, die von der Form u.x/ D v.jxj/ sind, also nur vom Abstand des Punktes x zum Ursprung abhängen. Dann gilt für x ¤ 0 und j 2 f1; : : : ; ng xj2 xj2 @u @2 u xj 1 0 00 0 1 .x/ D v .jxj/ ; .x/ D v .jxj/ 2 C v .jxj/ @xj jxj jxj jxj jxj2 @xj2 und demnach n1 : jxj
(1.6)
.r ¤ 0/:
(1.7)
u.x/ D v 00 .jxj/ C v 0 .jxj/ Also ist u genau dann harmonisch, wenn v 00 .r/ C
n1 0 v .r/ D 0 r
Wir lösen diese lineare gewöhnliche Differentialgleichung. Dazu setzen wir w.r/ D v 0 .r/ und lösen w 0 .r/ C
n1 w.r/ D 0: r
Diese Gleichung ist für r > 0 äquivalent zu .r n1 w.r//0 D 0; also erhalten wir v 0 .r/ D w.r/ D c1 r 1n und damit in Abhängigkeit von der Raumdimension n als Lösungen von (1.7) mit beliebigen Konstanten c1 ; c2 2 R v.r/ D c1 r 2n C c2
.n ¤ 2/;
v.r/ D c1 log r C c2 .n D 2/: Damit haben wir folgendes Lemma bewiesen. Die Wahl der Konstanten wird später deutlich werden. Mit !n bezeichnen wir den Flächeninhalt der Einheitssphäre S n1 D fx 2 Rn j jxj D 1g R im Rn , das heißt !n D jS n1 j D S n1 d o. Wir setzen !1 D 2.
9
Abschnitt 1.2 Die Darstellungsformel
Lemma 1.7. In Rn n f0g löst die Singularitätenfunktion ( 1 log jxj .n D 2/ 2 sn .x/ D 1 2n jxj .n ¤ 2/ .n2/!n die Potentialgleichung sn D 0, ist also in Rn n f0g harmonisch. Wir werden im Folgenden häufig mit Polarkoordinaten im Rn arbeiten. Dazu formulieren wir die Transformationsformel auf Polarkoordinaten für Integrale im Rn . Der Beweis ist eine kleine Übungsaufgabe zur Transformationsformel für Integrale. Hilfssatz 1.8. Es sei BR .x0 / D fx 2 Rn j jx x0 j < Rg die Kugel um x0 2 Rn mit Radius R > 0. Falls die auftretenden Integrale existieren, dann gilt mit r D jx x0 j und D .x x0 /=jx x0 j: ZR Z
Z f .x/ dx D
0
BR .x0 /
Z
Z
f .x/ do.x/ D @BR .x0 /
f .x0 C r/ do./ r n1 dr;
S n1
f .x0 C R/ d o./Rn1 :
S n1
Wir konstruieren nun Funktionen der Art, wie wir sie zu Beginn dieses Abschnitts gewünscht hatten (1.5). Solche Funktionen nennen wir Grundlösungen. Sie sind aus der Singularitätenfunktion und einem glatten Anteil zusammengesetzt. Definition 1.9. Es sei !n D jS n1 j der Flächeninhalt der Einheitssphäre im Rn und !1 D 1. Eine Funktion .y; x/ D sn .y; x/ C '.y; x/ heißt Grundlösung von u D 0 zum Gebiet G Rn , falls für festes x 2 G die Funktion '.; x/ 2 C 1 .G/ ist und '.; x/ in G harmonisch ist. Wir werden im Folgenden eine solche Funktion immer Grundlösung nennen, ohne auf die zugehörige Differentialgleichung und das zugehörige Gebiet zu verweisen. Satz 1.10. Sei G Rn ein Normalgebiet und sei u 2 C 2 .G/. Dann gilt für x 2 G die Darstellungsformel Z Z @ @u .y; x/ .y/ u.y/ .y; x/do.y/ .y; x/u.y/dy; u.x/ D @ @ @G
G
wobei eine beliebige Grundlösung (von v D 0 zu G) ist. bezeichnet die äußere Normale an @G im Punkt y 2 @G.
10
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
Beweis. Wir beweisen die Darstellungsformel des Satzes für festes x0 2 G und n ¤ 2. Dazu sei " > 0 so klein, dass B" .x0 / G ist. Das Gebiet, aus dem diese kleine Kugel herausgebohrt ist, bezeichnen wir mit G" D G n B" .x0 /. Die zweite Green1 2 sche Formel (1.4) liefert R R unter den Voraussetzungen u; v 2 C .G " /, u; v 2 C .G" /, G" ju.x/j dx < 1, G" jv.x/j dx < 1, dass gilt Z
Z u.x/v.x/ v.x/u.x/ dx D G"
u.x/
@u @u .x/ v.x/ .x/do.x/: @ @
@G"
Nach Voraussetzung ist u 2 C 2 .G/. Für v wählen wir v.x/ D .x; x0 /. Es ist also Z u.x/.x; x0 / .x; x0 /u.x/ dx G"
Z D
u.x/
@ @u .x; x0 / .x; x0 / .x/do.x/; @ @
@G"
und daraus folgt Z
Z „
.x; x0 /u.x/ dx C
G"
ƒ‚ .1/
…
.x; x0 / @G
„
@ @u .x/ u.x/ .x; x0 / d o.x/ @ @ ƒ‚ … .2/
Z D
.x; x0 / @B" .x0 /
„
ƒ‚ .3/
@u @ .x/ u.x/ .x; x0 / d o.x/ : @ @ ƒ‚ … … „ .4/
Man beachte, dass D .x/ in (2) die äußere Normale an G und in (3) und (4) die äußere Normale an B" .x0 / bezeichnet. Wir lassen in allen vier Termen " ! 0 streben. Das Integral .1/ existiert für " ! 0 als uneigentliches Riemann-Integral, denn Z
Z j.x; x0 /jju.x/j dx max ju.z/j z2G B" .x0 /
B" .x0 /
j.x; x0 /j dx;
11
Abschnitt 1.2 Die Darstellungsformel
und für n ¤ 2 haben wir nach Definition der Grundlösung mit Hilfe des Hilfssatzes 1.8 die Abschätzung Z Z Z 1 2n j.x; x0 /j dx jx x0 j dx C j'.x; x0 /j dx jn 2j!n B" .x0 /
B" .x0 /
1 jn 2j!n
!n jn 2j!n
Z"
Z
0
S n1
B" .x0 /
r
2n n1
r
Z do./dr C max j'.z; x0 /j B" .x0 /
Z"
Z" r dr C max j'.z; x0 /j!n 0
1 !n "2 C max j'.z; x0 /j "n ! 0 2jn 2j n z2G
Also folgt: lim
." ! 0/:
Z
Z "!0 G"
r n1 dr
z2G 0
D
1 dx
z2G
.x; x0 /u.x/ dx D
.x; x0 /u.x/ dx: G
Das Integral .2/ existiert, da x0 2 G und x 2 @G ist. Auch das dritte Integral verschwindet für " ! 0. Es ist nämlich ˇ ˇ Z Z ˇ ˇ @u ˇ ˇ .x; x0 / .x/ do.x/ˇ max jru.z/j j.x; x0 /j do.x/; j.3/j D ˇ @ z2G
@B" .x0 /
@B" .x0 /
und wegen Hilfssatz 1.8 folgt für den singulären Anteil von Z jx x0 j2n d o.x/ D "2n "n1 !n D !n " ! 0
." ! 0/;
@B" .x0 /
womit dann gilt:
Z lim
"!0 @B" .x0 /
.x; x0 /
@u d o.x/ D 0: @
Der reguläre Anteil ' der Grundlösung ist dabei noch einfacher abzuschätzen. Der eigentlich wichtige und von uns erwünschte Anteil ist im Integral (4) enthalten. Es sollte uns u.x0 / für " ! 0 liefern. Z @ .4/ D u.x/ .x; x0 / d o.x/ @ @B" .x0 /
Z
D
u.x/ @B" .x0 /
@ 1 @ .jx x0 j2n / C '.x; x0 / do.x/: .n 2/!n @ @
12
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
Offensichtlich ist Z lim
"!0 @B" .x0 /
u.x/
@' .x; x0 / d o.x/ D 0: @
Wir berechnen den ersten Anteil von (4) explizit. Wir kennen die Normale, .x/ D .x x0 /=jx x0 j, und können demnach so rechnen: n
X @ @ .jx x0 j2n / D i .x/ .jx x0 j2n / @ @xi i D1
n X xi x0i xi x0i .2 n/jx x0 j1n D jx x0 j jx x0 j i D1
D .2 n/jx x0 j1n
n X .xi x0i /2 D .2 n/jx x0 j1n : jx x0 j2 iD1
Also folgt insgesamt Z
1 .n 2/!n
u.x/ @B" .x0 /
1 D !n
@ .jx x0 j2n / d o.x/ @
Z
u.x/"1n d o.x/
@B" .x0 /
1 D !n
Z
u.x0 C "/ d o./ ! u.x0 /
." ! 0/;
S n1
da u nach Voraussetzung stetig ist. Wir fassen die Resultate für die Anteile (1), (2), (3) und (4) für " ! 0 zusammen und erhalten damit wie behauptet die Darstellungsformel Z Z @ @u .x; x0 /u.x/ dx C .x; x0 / .x/ u.x/ .x; x0 / d o.x/ D u.x0 /: @ @ G
@G
für beliebiges x0 2 G. Wählen wir die Grundlösung so, dass .y; x/ D 0 für x 2 G und y 2 @G ist, so folgt aus der Darstellungsformel Z Z @ u.x/ D .y; x/u.y/ dy u.y/ .y; x/ do.y/: @ G
@G
13
Abschnitt 1.3 Das Poissonintegral
Damit haben wir aber eine Kandidatin für eine Lösung des Randwertproblems (1.1), u D f
in G;
uDg
auf @G;
zu gegebener rechter Seite f 2 C 0 .G/ und gegebenem Randwert g 2 C 0 .@G/, nämlich Z Z @ (1.8) u.x/ D .y; x/f .y/ dy g.y/ .y; x/ do.y/: @ G
@G
Zwar wird es nicht ganz so einfach sein, denn die Stetigkeit von f reicht nicht aus, aber der Ansatz für eine Lösung ist richtig. Man beachte aber, dass wir zur Herleitung von (1.8) davon ausgegangen sind, dass wir eine Lösung u besitzen. Unser Ziel ist es aber, die Existenz einer Lösung des Randwertproblems (1.1) und vielleicht eine Formel für die Lösung zu finden. Wir geben Grundlösungen mit den gewünschten Eigenschaften einen eigenen Namen. Definition 1.11. G .y; x/ ist eine zum Gebiet G Rn gehörende Greensche Funktion, wenn G Grundlösung gemäß Definition 1.9 ist und außerdem der Bedingung G .y; x/ D 0 für y 2 @G; x 2 G genügt. Es gibt viele Beispiele Greenscher Funktionen zu speziellen Gebieten. Im nächsten Paragraphen werden wir die Greensche Funktion der Kugel untersuchen und anwenden.
1.3
Das Poissonintegral
Für geometrisch besonders einfache Gebiete lässt sich eine Greensche Funktion explizit angeben. Dies gilt zum Beispiel für die Greensche Funktion einer Kugel BR .0/ im Rn . Am Ende dieses Paragraphen steht dadurch eine Lösungsformel für das Randwertproblem (1.1) für den Fall f D 0. Satz 1.12. Eine Greensche Funktion der Kugel BR .0/ Rn ist im Fall n ¤ 2 gegeben durch n2 ˇ 1 R R2 ˇˇ2n ˇ jy xj2n .x ¤ 0/; .y; x/ D x ˇ ˇy .n 2/!n jxj jxj2 1 .y; 0/ D .jyj2n R2n /: .n 2/!n
14
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
In zwei Raumdimensionen (n D 2) ist eine Greensche Funktion für BR .0/ durch ˇ jxj 1 R ˇˇ ˇ log jy xj log ˇ y .x ¤ 0/; .y; x/ D xˇ 2 R jxj 1 .y; 0/ D .log jyj log R/ 2 gegeben. In jedem Fall ist .y; x/ D .x; y/. Beweis. Wir betrachten nur den Fall n ¤ 2. Offensichtlich hat die verlangte Form .y; x/ D sn .x y/ C '.y; x/ mit n2 ˇ R R2 ˇˇ2n 1 ˇ xˇ ˇy .n 2/!n jxj jxj2 1 R2n : '.y; 0/ D .n 2/!n
'.y; x/ D
.x ¤ 0/;
Es ist offensichtlich .y; x/ D 0 für jyj D R und jxj < R, denn (sei x ¤ 0): R2 ˇˇ2 jxj2 ˇˇ xˇ ˇy R2 jxj2 jxj2 R2 R4 : ” jyj2 2x y C jxj2 D 2 jyj2 2 2 y x C R jxj jxj2
.y; x/ D 0 ” jy xj2 D
'.; x/ ist für festes x 2 BR .0/ aus C 1 .BR .0// und in BR .0/ harmonisch, denn für 0 < jxj < R und jyj R hat man ˇ ˇ 2 ˇ 2 ˇ ˇy R x ˇ R jyj > 0: ˇ jxj2 ˇ jxj Der Fall x D 0 ist trivial. Wir vermuten nun, dass mit dieser Greenschen Funktion für die Kugel durch Z @ g.y/ .y; x/ do.y/ u.x/ D @ @BR .0/
eine Lösung von u D 0 in BR .0/ mit Randwerten u D g auf @BR .0/ gegeben ist. @ .y; x/ aus. Für n 3 und y ¤ x ist: Dazu rechnen wir @.y/ 0 1 n2 y R2 x j j 2 @ 1 @ yj xj R jxj .y; x/ D ˇ A: ˇ ˇy R22 x ˇn @yj !n jy xjn jxj jxj
15
Abschnitt 1.3 Das Poissonintegral
Für jyj D R folgt für die Ableitung in Richtung der Normalen D y=R n
X @ @ .y; x/ D j .y/ .y; x/ @ @yj j D1 8 9 n2 y R2 x = n X j j 2 yj 1 < yj xj R jxj D ˇ ˇ ˇy R22 x ˇn ; R !n : jy xjn jxj j D1 jxj 8 9 R2 2 n 2 R n2 yj jxj2 xj yj = 1 X < yj xj yj D ˇ ˇ ˇy R22 x ˇn ; : jy xjn R !n jxj j D1 jxj 8 9 n2 jyj2 R2 x y = < 2 1 jyj x y R jxj2 D ˇn : ˇ 2 n ˇ : R !n jy xj jxj y R 2 xˇ ; jxj
Nun ist .y; x/ D 0 für jxj < R, jyj D R, oder wie oben gezeigt jy xj D
R jxj
ˇ 1 ˇ 2 ˇ ˇ ˇy R x ˇ : ˇ 2 jxj ˇ
Also erhalten wir weiter 8 < R2 x y
@ 1 .y; x/ D @ R !n : jy xjn
9 n2 R2 R2 x y = R jxj2 R n jxj jy xjn ; jxj
jxj2 2 2 1 R x y R2 R D R !n jy xjn
D
R2 x jxj2
y
1 R2 jxj2 : R !n jy xjn
Wir fassen diese Rechnungen im folgenden Satz zusammen. Satz 1.13. Sei u 2 C 0 .BR .0// \ C 2 .BR .0// eine Lösung von u D 0
in BR .0/;
uDg
auf @BR .0/:
Dann gilt für x 2 BR .0/ die Darstellung u.x/ D
1 R!n
Z @BR .0/
R2 jxj2 g.y/ do.y/: jy xjn
(1.9)
16
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
Beweis. Dies ist eine Konsequenz aus den obigen Rechnungen und Satz 1.10. Nur wurde in Satz 1.10 u 2 C 2 .BR .0// vorausgesetzt. Nach der jetzigen Voraussetzung ist jedenfalls u 2 C 2 .BR" .0// für jedes kleine positive ". Also erhalten wir für x 2 BR" .0/ Z .R "/2 jxj2 1 u.y/ do.y/: u.x/ D .R "/wn jy xjn @BR" .0/
Führe dann den Grenzübergang " ! 0 aus und erhalte die Behauptung des Satzes. Eine wesentliche Konsequenz des obigen Satzes ist, dass wir damit gezeigt haben, dass eine in der Kugel harmonische Funktion, die stetig bis zum Rand ist, vollständig durch ihre Randwerte festgelegt ist. Bisher haben wir bewiesen, dass die Formel (1.9) notwendig für eine Lösung des Randwertproblems u 2 C 0 .BR .0// \ C 2 .BR .0//, u D 0 in BR .0/;
uDg
auf @BR .0/
ist. Wir sind aber am umgekehrten Schluss interessiert. Das ist die Aussage des folgenden Satzes. Satz 1.14 (Poissonintegral). Sei x0 2 Rn , g 2 C 0 .@BR .x0 //. Dann ist durch 8 R R2 jxx0 j2 < 1 g.y/do.y/ .x 2 BR .x0 // R!n @BR .x0 / jyxjn u.x/ D :g.x/ .x 2 @BR .x0 // die einzige Lösung u 2 C 0 .BR .x0 // \ C 2 .BR .x0 // des Randwertproblems u D 0
in BR .x0 /;
uDg
auf @BR .x0 /
gegeben. Die Funktion PR .x; y/ D
1 jyj2 jxj2 R!n jy xjn
.x; y 2 Rn ; x ¤ y/
heißt Poissonscher Integralkern. Beweis. Die Eindeutigkeit der Lösung folgt sofort aus der Darstellung. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit dürfen wir in der Behauptung des Satzes x0 D 0 wählen. Nach Definition ist Z u.x/ D PR .x; y/ g.y/ do.y/ .x 2 BR .0//: @BR .0/
17
Abschnitt 1.3 Das Poissonintegral
Oben haben wir bewiesen, dass mit der Greenschen Funktion der R-Kugel gilt: PR .x; y/ D
@ .y; x/ .jxj < R; jyj D R/: @
Man beachte, dass hier die Normale bezüglich der y-Variablen gemeint ist. Daraus folgt nun sofort für festes jyj D R bezüglich jxj < R wegen der Symmetrie und der Glattheit von : PR .; y/ D
@ @ .y; / D .y; / D 0: @ @ „ ƒ‚ … D0
Also ist u 2 C 2 .BR .0// und u D 0 dort. Zu zeigen bleibt, dass u bis zum Rand stetig ist, d. h. u.x/ ! g.x / (x ! x , jxj < R, jx j D R). Dazu beobachten wir, dass die Funktion u.x/ Q D 1 eine Lösung von uQ D 0 in BR .0/, uQ D 1 auf @BR ist. Also liefert uns Satz 1.13 Z PR .x; y/ do.y/: (1.10) 1D @BR .0/
Wir zeigen nun für festes jx j D R: 8" > 0 9ı > 0 jxj < R ^ jx x j < ı ) ju.x/ g.x /j < " : Sei nun also jx x j < ı, jxj < R, jx j D R. Es ist dann ˇ Z ˇ ˇ ˇ PR .x; y/g.y/ do.y/ g.x /ˇ ju.x/ g.x /j D ˇ @BR .0/
ˇ Z ˇ Dˇ
ˇ ˇ PR .x; y/.g.y/ g.x // do.y/ˇ
@BR .0/
Z
PR .x; y/jg.y/ g.x /j do.y/; @BR .0/
denn für diese x; y ist der Poissonsche Integralkern positiv. Wir teilen das Integral auf der rechten Seite geeignet auf. Dann ist Z ju.x/ g.x /j PR .x; y/jg.y/ g.x /j d o.y/ @BR .0/\B2ı1 .x /
Z
C @BR .0/\Rn nB2ı1 .x /
PR .x; y/jg.y/ g.x /j d o.y/
18
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
Z
max
y2@BR .0/\B2ı1 .x /
jg.y/ g.x /j
PR .x; y/ do.y/
@BR .0/\B2ı1 .x /
Z C 2 max jgj
PR .x; y/ do.y/:
@BR .0/
@BR .0/\Rn nB2ı1 .x /
Im Einzelnen kann man dann so weiter abschätzen: Z Z PR .x; y/ do.y/ PR .x; y/ do.y/ D 1; @BR .0/\B2ı1 .x /
Z
@BR .0/\Rn nB2ı1 .x /
@BR .0/
1 PR .x; y/ do.y/ !n R
Z @BR .0/\Rn nB2ı1 .x /
1 R2 jxj2 !n R ı1n D
R2 jxj2 d o.y/ jy xjn
Rn2 .R2
Z
d o.y/ @BR .0/
jxj2 /
ı1n
;
wobei wir verwendet haben, dass jy xj jy x j jx x j 2ı1 ı ı1 ; falls ı ı1 gewählt wird. Damit folgt insgesamt: ju.x/ g.x /j
max
jyjDR;jyx j 0 mit BR .x / G. Die Funktion v.x/ D u.x/ M ist harmonisch in G und außerdem nicht negativ. Dann folgt aber Z v.x/ dx 0 D jBR .x /jv.x / D „ƒ‚… BR .x /
0
und dies impliziert v.x/ D 0 für alle x 2 BR .x /. Das ist aber ein Widerspruch zur Maximalität von s . Als direkte Folgerung ergibt sich das schwache Maximumprinzip. Folgerung 1.17 (Schwaches Maximumprinzip). Sei G Rn ein beschränktes Gebiet. Ist dann u 2 C 0 .G/ in G harmonisch, so hat man min u D min u G
@G
und
max u D max u: G
@G
Diese Aussage ist für unbeschränkte Gebiete im Allgemeinen falsch! Dies sieht man an dem einfachen Beispiel G D fx 2 R2 j x2 < 0g und u.x/ D x2 . Beweis. Für den ersten Fall. Die Menge G ist kompakt, also wird ein Minimum von u in G angenommen, da u 2 C 0 .G/. Falls u.x0 / D minG u und x0 2 G ist, dann ist u nach dem starken Maximumprinzip konstant, also auch minG u D min@G u. Liegt x0 auf dem Rand von G, so ist die Aussage sowieso wahr. Aus dem schwachen Maximumprinzip können wir leicht folgern, dass das Randwertproblem für die Poissongleichung höchstens eine Lösung hat. Für den Beweis nimmt man an, dass u1 und u2 Lösungen von (1.11) sind. Dann ist die Differenz u D u1 u2 eine harmonische Funktion auf G, die auf @G verschwindet. Folgerung 1.17 liefert dann u1 D u2 auf G.
22
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
Folgerung 1.18. Für ein beschränktes Gebiet G Rn hat das Randwertproblem (1.1) für die Poissongleichung, u 2 C 0 .G/ \ C 2 .G/;
u D f
in G;
uDg
auf @G
(1.11)
höchstens eine Lösung. Es gibt beschränkte Gebiete G, für die das Randwertproblem (1.11) für harmonische Funktionen schon für den Fall f D 0 zu vorgegebenen Randwerten g 2 C 0 .@G/ unlösbar ist. Dies zeigen wir im folgenden Beispiel. Beispiel 1.19. Wähle für n 3 als Gebiet G D fx 2 Rn j 0 < jxj < Rg die punktierte Kugel. Dann ist der Rand von G durch @G D fx 2 Rn j jxj D Rg [ f0g gegeben. Geben wir nun die Randwerte ( 1 .jxj D R/ g.x/ D 0 .x D 0/ vor, dann ist g 2 C 0 .@G/, aber das Randwertproblem hat keine Lösung. Dies kann man wie folgt begründen. Nehmen wir an, dass es eine Lösung von (1.11) zu f D 0 und diesen Randwerten gibt, so liefert das schwache Maximumprinzip sofort, dass 0 u.x/ 1 für alle x 2 G ist. Setze nun zu " > 0 w.x/ D u.x/ 1 C ".jxj2n R2n /: Mit Gı D fx 2 Rn j ı < jxj < Rg, 0 < ı < R, ist dann w 2 C 0 .G ı / \ C 2 .Gı / harmonisch in Gı . Auf jxj D R ist w.x/ D 0, und auf jxj D ı haben wir w.x/ D u.x/ 1 C ".ı 2n R2n / ".ı 2n R2n / 1; 1
und dieser Ausdruck ist größer oder gleich Null, wenn ı . 1" C R2n / 2n D ı."/ ist. Offensichtlich ist lim"!0 ı."/ D 0. Für ı ı."/ hat man demnach w 0 auf @Gı . Nach dem Maximumprinzip folgt also w 0 auf G ı . Dies bedeutet aber u.x/ 1 ".jxj2n R2n /;
x 2 Gı :
Für " ! 0 erhalten wir demnach u.x/ 1 für x 2 G. Insgesamt folgt damit, dass u D 1 in G ı ist, und das ist ein Widerspruch dazu, dass u.0/ D 0 war. Als Vorbereitung für die Lösung des Randwertproblems (1.1) auf allgemeinen Gebieten studieren wir eine Verallgemeinerung der harmonischen Funktionen. Es geht dabei um Unter- beziehungsweise Oberlösungen der Potentialgleichung.
Abschnitt 1.4 Das Maximumprinzip für harmonische Funktionen
23
Definition 1.20. Es sei G Rn offen. Eine Funktion u W G ! R heißt superharmonisch in G, wenn u 2 C 0 .G/ ist und es zu jedem x0 2 G einen Radius R > 0 gibt, so dass für alle 2 Œ0; R gilt: Z 1 u.x/do.x/: (1.12) u.x0 / !n n1 @B .x0 /
Ist u superharmonisch, so heißt u subharmonisch. Ist u super- und subharmonisch in G, so sagt man, dass u die Mittelwerteigenschaft in G besitzt. Aus Satz 1.15 können wir direkt entnehmen, dass harmonische Funktionen superund subharmonisch sind. Der Beweis des Maximumprinzips (Satz 1.16) ergibt mit leichten Änderungen die folgende Verallgemeinerung dieses Prinzips auf sub- beziehungsweise superharmonische Funktionen. Satz 1.21. Sei G Rn ein Gebiet und sei u in G superharmonisch. Gibt es ein x0 2 G, so dass u.x0 / D infx2G u.x/ ist, dann ist u in G konstant. Die analoge Aussage gilt für subharmonische Funktionen und u.x0 / D supx2G u.x/. Aus diesem Satz kann man auch entnehmen, dass für beschränkte Gebiete G und eine auf G superharmonische Funktion u 2 C 0 .G/ gilt: min u D min u: G
@G
Subharmonische Funktionen erfüllen dagegen max u D max : G
@G
Man beachte, dass laut Definition 1.6 eine harmonische Funktion zweimal stetig differenzierbar ist, eine superharmonische (subharmonische) Funktion jedoch laut Definition 1.20 lediglich stetig ist. Um so erstaunlicher ist auf den ersten Blick die Aussage des folgenden Satzes. Satz 1.22. Sei G Rn offen. Dann ist u in G harmonisch genau dann, wenn u in G superharmonisch und subharmonisch ist. Beweis. Dass harmonische Funktionen auch subharmonisch und superharmonisch sind, ist nach Satz 1.15 klar. Für den Nachweis der Gegenrichtung sei x0 2 G und BR .x0 / G. Nach Satz 1.14 gibt es dann genau eine auf BR .x0 / harmonische Funktion v 2 C 0 .BR .x0 // \ C 2 .BR .x0 // mit v D u auf @BR .x0 / (denn u ist nach Voraussetzung stetig). Wenn wir nun nachweisen, dass v D u in BR .x0 / gilt, dann ist u offensichtlich in BR .x0 / harmonisch. Nun besitzt v die Mittelwerteigenschaft in BR .x0 /. Und dies gilt auch für die Funktion w D v u. Da w D 0 auf @BR .x0 / gilt, folgt, dass w in BR .x0 / verschwindet, also dort u D v ist.
24
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
1.5
Das Perronverfahren
In diesem Paragraphen sei G Rn immer ein beschränktes Gebiet. Dieses Verfahren ist zunächst ein theoretisch begründetes Verfahren zum Beweis eines Existenzsatzes für das Randwertproblem (1.1) für die Poissongleichung. Es besitzt aber seine Entsprechung bei der Diskretisierung mit Differenzenverfahren. Wir werden in Abschnitt 3.1.1 auf diese Tatsache zurückkommen. Eine Vorbereitung für den Existenzbeweis ist die Harnacksche Ungleichung, die wesentlich darauf beruht, dass wir das Randwertproblem für die Poissongleichung auf Kugeln schon gelöst haben. Hilfssatz 1.23 (Harnacksche Ungleichung). Ist die Funktion u in BR .0/ harmonisch und ist dort u 0, so genügt sie für jxj < R der Ungleichung jxj 1n jxj jxj jxj 1n u.0/ u.x/ 1 u.0/: (1.13) 1 1C 1C R R R R Beweis. Wir setzen voraus, dass u 2 C 0 .BR .0// ist. Im allgemeinen Fall führe den folgenden Beweis zunächst für 0 < R0 < R und lasse am Ende R0 ! R gehen. Nach Satz 1.15 haben wir die Relationen (siehe auch Satz 1.14 zur Definition des Poissonkerns PR ) Z Z 1 u.x/ D PR .x; y/u.y/ do.y/; u.0/ D u.y/ do.y/: R!n @BR .0/
@BR .0/
Es ist also im Wesentlichen der Poissonsche Integralkern für jyj D R und jxj < R geeignet abzuschätzen. PR .x; y/ D
1 C jxj 1 R2 jxj2 .R jxj/.R C jxj/ 1 R D : R!n jy xjn R!n .R jxj/n Rn1 !n 1 jxj n1 R
Da u nach Voraussetzung nicht negativ ist, folgt dann 1 u.x/ R!n
Z u.y/ do.y/ @BR .0/
jxj R : jxj n1 R
1C 1
Die Abschätzung nach unten bleibt dem Leser überlassen. Eine direkte Folgerung aus der Harnackschen Ungleichung ist der bedeutende Harnacksche Konvergenzsatz, der beim Existenzsatz für das Randwertproblem für die Poissongleichung eine wichtige Rolle spielt. Er ist sehr einfach zu beweisen.
25
Abschnitt 1.5 Das Perronverfahren
Satz 1.24 (Harnackscher Konvergenzsatz). Sei .wk /k2N eine Folge von in G harmonischen Funktionen, die punktweise monoton fallend ist, wk1 .x/ wk .x/
.x 2 G; k 2 N/;
und für die in einem Punkt x0 2 G der Grenzwert lim wk .x0 / > 1
k!1
existiert. Dann konvergiert die Funktionenfolge .wk /k2N gleichmäßig auf jeder kompakten Teilmenge G 0 G gegen eine in G 0 harmonische Funktion. Beweis. Ohne Einschränkung können wir annehmen, dass x0 D 0 ist. Weiter sei BR .0/ G. Die Funktion v.x/ D wk .x/ wl .x/, x 2 G, l k, ist nach Voraussetzung in G harmonisch und nicht negativ. Die Harnacksche Ungleichung (1.13) liefert für jxj R=2: jxj 1n jxj 1 v.0/ 3 2n2 v.0/: 0 v.x/ 1 C R R Das bedeutet aber, dass 0 max jwk .x/ wl .x/j 3 2n2 jwk .0/ wl .0/j ! 0 jxjR=2
.k; l ! 1/: (1.14)
Sei w.x/ der Grenzwert der Cauchyfolge .wk .x//k2N . Dann ist die Konvergenz w D limk!1 wk wegen (1.14) gleichmäßig auf BR=2 .0/. w ist also stetig auf @BR=2 .0/. Damit folgt aus Satz 1.14 für jxj < R2 : Z P R .x; y/wk .y/ do.y/ w.x/ D lim wk .x/ D lim k!1
k!1 @B R .0/ 2
Z D
2
P R .x; y/w.y/ do.y/: 2
@B R .0/ 2
Die Funktion w ist also auf B R .0/ gleich ihrem Poissonintegral, was bedeutet, dass 2 sie dort harmonisch ist. Wir benötigen im Folgenden zwei Bezeichnungen. Zunächst sei für g 2 C 0 .@G/ n M.g; G/ D v W G ! R j v superharmonisch ; für jeden Punkt x 2 @G (1.15) und jede Folge .xk /k2N mit xk 2 G und
o lim xk D x gilt: lim inf v.xk / g.x / :
k!1
k!1
26
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
Ziel ist der Nachweis, dass die Funktion u, die durch u.x/ D inf fv.x/ j v 2 M.g; G/g
(1.16)
definiert ist, eine auf G harmonische Funktion ist und außerdem min@G g u.x/ max@G g gilt. Wir stellen dazu zunächst einige Hilfssätze bereit. Hilfssatz 1.25. Sei u in G superharmonisch und sei lim infk!1 u.xk / 0 für jede Punktfolge xk 2 G (k 2 N) mit xk ! 2 @G (k ! 1). Dann folgt: u 0 auf G. Beweis. Wir setzen d D infx2G u.x/ und zeigen, dass d 0 ist. Es gibt eine Folge .xk /k2N , xk 2 G, so dass u.xk / ! d für k ! 1. Da G beschränkt ist, ist auch die Folge .xk /k2N beschränkt. Also gibt es nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß eine konvergente Teilfolge .xkj /j 2N , xkj ! x0 (j ! 1), und x0 2 G. Ist x0 2 @G, so folgt nach Voraussetzung, dass d D limj !1 u.xkj / 0 gilt. Liegt x0 in G, so haben wir wegen der Stetigkeit von u in G, dass d D u.x0 / ist. Damit nimmt die superharmonische Funktion ihr Minimum in einem inneren Punkt von G an, ist also nach Satz 1.21 auf G konstant. Damit folgt aber auch, dass u 0 in G ist. Man nehme irgendeine Folge, die gegen einen Randpunkt von G konvergiert. Auf dieser Folge ist u konstant gleich u.x0 /. Hilfssatz 1.26. Sind die Funktionen u; v 2 C 0 .G/, und ist v in G harmonisch und u in G superharmonisch mit u v auf @G, so ist u v auf G. Beweis. Man wende Hilfssatz 1.25 auf die superharmonische Funktion w D u v an. Wir verwenden nun einen wesentlichen Trick. Wir ersetzen auf ganz in G enthaltenen Kugeln eine gegebene stetige Funktion durch ihre harmonische Fortsetzung. Hier geht ein, dass wir das Randwertproblem für die Poissongleichung auf Kugeln bereits gelöst haben. Zur Abkürzung setzen wir für u 2 C 0 .G/ und K D BR .x0 / G ( ˚ u.x/ .x 2 G n K/ R .PK u/.x/ D (1.17) R2 jxx0 j2 1 ˚ u.y/ do.y/ .x 2 K/: n R!n
@BR .x0 /
jyxj
Offensichtlich gilt: PK W C 0 .G/ ! C 0 .G/: Der wesentliche Punkt ist, dass PK die superharmonischen Funktionen in sich abbildet und monoton ist. Hilfssatz 1.27. Ist u in G superharmonisch, so ist auch PK u in G superharmonisch und PK u u auf G. Es ist also insbesondere PK .M.g; G// M.g; G/.
27
Abschnitt 1.5 Das Perronverfahren
Beweis. Die Eigenschaft PK u u ist nur innerhalb K nachzuweisen, denn außerhalb K hat man ja PK u D u gesetzt. In K˚ ist PK u harmonisch und u ist dort nach Voraussetzung superharmonisch. Außerdem war u PK u D 0 auf @K. Demnach folgt mit Hilfssatz 1.26, dass u PK u 0 in K gilt. Es bleibt noch zu zeigen, dass PK u in G superharmonisch ist. In Punkten x0 … @K ist die Mittelwerteigenschaft trivial. Sei also x0 2 @K. Dann hat man Z Z 1 1 PK u.x0 / D u.x0 / n1 u.y/ do.y/ n1 PK u.y/ do.y/; !n !n @B .x0 /
@B .x0 /
weil u nach Voraussetzung superharmonisch ist. Die Eigenschaft „superharmonisch“ bleibt bei unterer Enveloppenbildung erhalten: Hilfssatz 1.28. Sind u1 ; : : : ; uN in G superharmonisch, so ist auch v.x/ D minfu1 .x/; : : : ; uN .x/g .x 2 G/ in G superharmonisch. Beweis. Die Stetigkeit von v auf G ist klar. Für x0 2 G und .x0 / folgt für geeignetes k 2 f1; : : : ; N g, dass Z 1 v.x0 / D uk .x0 / n1 uk .x/ do.x/ !n
1
Z
@B .x0 /
minfu1 .x/; : : : ; uN .x/g d o.x/
n1 !n @B .x0 /
D
1
Z
v.x/ do.x/:
n1 !n @B .x0 /
Also ist v superharmonisch. Der Nachweis des folgenden Hilfssatzes ist dann offensichtlich. Hilfssatz 1.29. Sind v1 ; : : : ; vN 2 M.g; G/, so ist auch v D minfv1 ; : : : ; vN g 2 M.g; G/. Wir sind nun in der Lage, den Hauptsatz über das Perronverfahren zu beweisen. Das hauptsächliche Werkzeug ist hierbei der Harnacksche Konvergenzsatz. Satz 1.30. Die Funktion u.x/ D inffv.x/ j v 2 M.g; G/g
(1.18)
28
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
ist in G harmonisch und genügt der Abschätzung min g u.x/ max g @G
@G
(1.19)
für x 2 G. Beweis. Es sei .xi /i 2N eine in G dichte Folge, z. B. eine Abzählung von G \ Qn . Setze u.xi / D
inf
v2M.g;G/
v.xi /
.i 2 N/:
Nach dieser Definition gibt es eine Folge .vij /j 2N mit vij 2 M.g; G/, so dass vij .xi / ! u.xi / für j ! 1. Wir setzen vm .x/ D minfvij .x/ j i; j D 1; : : : ; mg: Also ist vm vij für i; j D 1; : : : ; m und nach Hilfssatz 1.29 auch vm 2 M.g; G/. Außerdem gilt für m i : u.xi / D
inf
v2M.g;G/
v.xi / vm .xi / vim .xi /:
Nach Konstruktion war vim .xi / ! u.xi / für m ! 1. Das impliziert aber lim vm .xi / D u.xi /;
m!1
denn u.xi / vm .xi / vim .xi / ! u.xi / für m ! 1. Es gilt für x 2 G vm .x/ vmC1 .x/ min g; @G
(1.20)
wobei die erste Ungleichung nach Definition von vm klar ist. Die zweite Ungleichung folgt aus der Tatsache, dass die Funktion vmC1 min@G g in G superharmonisch ist und für jede Punktfolge xQ k ! 2 @G (k ! 1) gilt: lim inf vmC1 .xQ k / min g 0: k!1
@G
Hilfssatz 1.25 liefert dann die zweite Ungleichung in (1.20). Wir führen nun den Glättungsprozess durch. Dazu sei K D BR .x0 / G und wm D PK vm : Nach Hilfssatz 1.27 ist wm in G superharmonisch mit wm vm . Außerhalb K ist wm D vm , und deshalb haben wir lim inf wm .xQ k / g.x / k!1
29
Abschnitt 1.5 Das Perronverfahren
für jede Folge xQ k ! x 2 @G (k ! 1). Bisher haben wir für die Funktionenfolge wm die folgenden Eigenschaften: wm 2 M.g; G/;
wm vm ;
wmC1 wm :
(1.21)
Die letzte Ungleichung folgt aus der Darstellung von wm durch das Poissonintegral direkt aus derselben Eigenschaft für vm in Ungleichung (1.20). Zusätzlich folgern wir aus u.xi / wm .xi / vm .xi / ! u.xi /
.m ! 1/;
dass lim wm .xi / D u.xi / min g > 1:
m!1
(1.22)
@G
Damit dürfen wir den Harnackschen Konvergenzsatz Satz 1.24 auf die Folge .wm /m2N im Gebiet BR .x0 / anwenden. Die Funktionen wm sind harmonisch in BR .x0 /, punktweise monoton fallend (siehe (1.20)), und der Grenzwert (1.22) existiert für xi 2 BR .x0 / für festes i. Der Harnacksche Konvergenzsatz liefert nun die Konvergenz der Folge .wm /m2N gegen eine auf BR .x0 / harmonische Funktion w, wobei die Konvergenz gleichmäßig auf K 0 D BR0 .x0 / für R0 < R ist. Bisher haben wir gezeigt, dass mit der in BR .x0 / harmonischen Funktion w, u.xi / D w.xi / für die i 2 N, für die xi 2 K˚ ist. Es bleibt zu zeigen, dass u D w auf K˚ ist. Sei dazu x 2 K˚ beliebig. Führe dann die bisherige Argumentation statt mit der Folge x1 ; x2 ; : : : mit der Folge x ; x1 ; x2 ; : : : durch und erhalte eine (andere) ˚ Wegen der Steharmonische Funktion wQ mit u D wQ auf fx ; xi j i 2 N; xi 2 Kg. ˚ tigkeit von wQ und w folgt dann sofort, dass wQ D w auf K ist. Damit folgt dann auch Q / D u.x /. Der Punkt x 2 K˚ war beliebig. Daraus folgt, dass w D u w.x / D w.x auf K˚ ist. Also ist die durch (1.18) definierte Funktion u in K˚ harmonisch, und da K beliebig war, folgt die erste Behauptung des Satzes. Die Abschätzung (1.19) folgt so: Klar ist u min@G g. Andererseits ist die konstante Funktion max@G g 2 M.g; G/. Also hat man auch u max@G g. Damit ist der Hauptsatz dieses Abschnitts bewiesen. Wir fassen die bisherigen Resultate zusammen. Für beschränkte Gebiete G und stetige Randwerte g haben wir (durchaus konstruktiv) nachgewiesen, dass es eine Funktion u auf G gibt, die die Bedingungen u 2 C 2 .G/;
u D 0;
min g u max g @G
@G
auf G
erfüllt. Man fragt sich natürlich sofort, warum man beim Beweis nicht gleich u 2 C 0 .G/ und u D g auf @G verlangt beziehungsweise bewiesen hat. Ohne weitere
30
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
Einschränkung an die Güte des Randes von G lässt sich dies nicht erreichen. Es gibt nämlich, wie das Beispiel 1.19 gezeigt hat, Gebiete G und stetige Randwerte g, für die das Randwertproblem (1.1) nicht lösbar ist. Die Randwerte g werden von u nur dann in einem Randpunkt stetig angenommen, wenn dieser Randpunkt ein sogenannter regulärer Randpunkt ist. Dies studieren wir im Folgenden kurz. Definition 1.31. Ein Randpunkt x0 2 @G heißt regulär, wenn es eine in G superharmonische Funktion '.y; x0 /, (y 2 G) gibt, so dass lim '.y; x0 / D 0
y!x0
und
inf
'.y; x0 / > 0
(1.23)
y2GnB" .x0 /
für jedes " > 0 ist. Eine solche Funktion nennt man auch Schrankenfunktion zum Randpunkt x0 . Diese Definition wurde derart formuliert, dass das Dirichletsche Randwertproblem für harmonische Funktionen (d. h. (1.1) für f D 0) genau dann lösen lässt, wenn jeder Randpunkt regulär ist. Dies besagt der folgende Satz. Satz 1.32. Das Dirichletproblem u 2 C 0 .G/ \ C 2 .G/;
u D 0
in G;
uDg
auf @G
(1.24)
ist für jedes vorgegebene g 2 C 0 .@G/ lösbar genau dann, wenn jeder Randpunkt von G regulär ist. Beweis. Sei das Problem (1.24) für jedes g 2 C 0 .@G/ lösbar, und sei x0 2 @G ein beliebiger Randpunkt. Wähle speziell g.x/ D jx x0 j. Bezeichne u die zugehörige Lösung. Dann ist '.y; x0 / D u.y/ eine Schrankenfunktion zu x0 , denn u ist superharmonisch in G und u > 0 auf @G n fx0 g. Wäre u.x / D 0 für ein x 2 G, so folgte mit dem Maximumprinzip, dass u auf G konstant wäre. Dies ist ein Widerspruch dazu, dass u auf dem Rand nicht konstant ist. Für die Gegenrichtung des Beweises seien alle Randpunkte von G regulär. Dann ist nachzuweisen, dass für jeden Randpunkt x0 2 @G gilt: limx!x0 ;x2G u.x/ D g.x0 /. Sei .y/ D '.y; x0 / eine zu x0 gehörende Schrankenfunktion. Setze ."/ D
inf
.y/ > 0;
y2GnBı."/ .x0 /
wobei ı."/ so sei, dass 8" > 0 9ı."/ > 0 8y 2 @G W jy x0 j ı."/ H) jg.y/ g.x0 /j ": Dies geht wegen der gleichmäßigen Stetigkeit von g auf der kompakten Menge @G. Setze nun M D max@G g, m D min@G g und u˙ .y/ D g.x0 / ˙ " ˙
.y/ .M m/ ."/
.y 2 G/:
31
Abschnitt 1.5 Das Perronverfahren
Die Funktion uC ist superharmonisch, und die Funktion u ist subharmonisch auf G. Wir verwenden die Lösung u aus dem Perronverfahren in Satz 1.30. Es ist also u 2 C 2 .G/;
u D 0
in G;
muM
in G:
Wir werden gleich zeigen, dass u .y/ u.y/ uC .y/;
.y 2 G/:
(1.25)
Wenn dies bewiesen ist, dann folgt also "
.y/ .y/ .M m/ u.y/ g.x0 / " C .M m/ ."/ ."/
und demnach auch ju.y/ g.x0 /j " C
.y/ .M m/: ."/
Q Sei M ¤ m. Zu vorgegebenem " > 0 wählen wir ı."/ > 0 so klein, dass "."/ Q für jy x j ı."/ gilt. Dann folgt 0 M m
.y/
ju.y/ g.x0 /j 2"; und das ergibt die Behauptung des Satzes. Wir beweisen die Ungleichungen (1.25) mit Hilfe von Hilfssatz 1.25. Dabei beschränken wir uns auf die Abschätzung u uC . Die Funktion uC ist superharmonisch auf G. Wenn wir noch zeigen, dass für y 2 @G und yk 2 G, yk ! y (k ! 1) gilt lim inf.uC .yk / g.y // 0; k!1
(1.26)
dann ist uC 2 M.g; G/ und demnach u.y/ D
inf
v2M.g;G/
v.y/ uC .y/;
.y 2 G/
wie behauptet. Zum Nachweis von (1.26) betrachte die Fälle jy x0 j ı."/ und jy x0 j > ı."/. Im ersten Fall ist uC .yk / g.y / D g.x0 / g.y / C " C
.yk / .M m/ ."/
jg.x0 / g.y /j C " 0:
32
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
Im zweiten Fall erhalten wir wegen jy x0 j > ı."/, dass jyk x0 j > ı."/ für k k0 und demnach M m .yk / C " C g.x0 / g.y / ."/ M m inf C " C g.x0 / g.y / ."/ GnBı."/ .x0 /
uC .yk / g.y / D
D M m C " C g.x0 / g.y / ": Insgesamt besteht also (1.26), und damit ist der Satz bewiesen. Wie zu erwarten ist, lässt sich die Bedingung aus Definition 1.31 an einen Randpunkt x0 lokalisieren: Lemma 1.33. Ein Randpunkt x0 2 @G ist regulär genau dann, wenn es ein R > 0 und eine in D D G \ BR .x0 / superharmonische Funktion gibt mit lim
y!x0
.y/ D 0
und
inf
y2D;jyx0 j>"
.y/ > 0
(1.27)
für jedes " 2 .0; R/. Beweis. Ist x0 ein regulärer Randpunkt gemäß Definition 1.31, so folgt die Bedingung (1.27) für .y/ D '.y; x0 /. Ist die Bedingung (1.27) erfüllt, so setzen wir ."/ D infy2DnB" .x0 / .y/, es ist
."/ > 0 nach Voraussetzung, und damit '.y; x0 / D
( ˚ min 1; 2
.y/
. R 2 /
.y 2 D/
:
.y 2 G n D/
1
Dann ist '.; x0 / superharmonisch in G. Dies ist sowohl in G n D als auch in D klar. Es ist zusätzlich '.y; x0 / D 1 für y 2 G aus einer Umgebung von @D, denn für R 2 jy x0 j R haben wir die Ungleichung .y/
inf
R 2 jyx0 jR
.y/
R : 2
Der restliche Beweis ist offensichtlich. Wir geben zwei einfach zu überprüfende Bedingungen für die Regularität von Randpunkten des Gebiets G an: die Kugelbedingung und die Kegelbedingung. Dabei ist die Kegelbedingung die weniger starke Bedingung.
33
Abschnitt 1.6 Das Newtonpotential
Satz 1.34. Gibt es zu x0 2 @G eine Kugel K D BR .a/ mit der Eigenschaft, dass G \ K D fx0 g, so ist x0 regulärer Randpunkt. Ein Randpunkt x0 2 @G ist regulär, wenn es einen Kegel K D fx0 C r j 0 < r < R; 0 > cos ı0 ; 2 S n1 g mit R > 0 und 0 2 S n1 , ı0 > 0 gibt, so dass G \ K D fx0 g ist. Beweis. Wir behandeln nur die Kugelbedingung für n 3. Die Kegelbedingung ist dann eine einfache Übungsaufgabe. Setze .y/ D R2n jy aj2n : ist in G harmonisch, also auch superharmonisch, denn a … G. Außerdem ist in G und limy!x0 .y/ D .x0 / D 0.
>0
Man beachte aber, dass die Bedingungen aus Satz 1.34 hinreichend, jedoch nicht notwendig sind. In unserem Beispiel 1.19 ist keine der Bedingungen erfüllt. Zum Abschluss dieses Paragraphen formulieren wir noch den Existenzsatz für das Randwertproblem für harmonische Funktionen. Er folgt aus Satz 1.32 und dem Maximumprinzip in Folgerung 1.17. Wir erinnern uns daran, dass in diesem Paragraphen das Gebiet stets als beschränkt vorausgesetzt war. Satz 1.35. Es sei G Rn ein beschränktes Gebiet, das nur reguläre Randpunkte besitzt, und sei g 2 C 0 .@G/. Dann gibt es genau eine Lösung u 2 C 0 .G/ \ C 2 .G/ des Randwertproblems u D 0
1.6
in G;
uDg
auf @G:
Das Newtonpotential
In diesem Paragraphen sei G Rn ein beschränktes Gebiet. Bisher haben wir das Randwertproblem für die homogene Differentialgleichung u D 0 in G gelöst. Wir wollen nun versuchen, das Randwertproblem für die inhomogene Differentialgleichung, u D f
in G,
uDg
auf @G,
zu gegebenem g 2 C 0 .@G/ zu lösen. Für welche rechten Seiten f ist dieses Problem lösbar? Unsere Ideen beruhten auf der Darstellungsformel Z Z @ @u .y; x/ .y/ u.y/ .y; x/ do.y/ .y; x/u.y/ dy: u.x/ D @ @ @G
G
34
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
Dabei war eine beliebige Grundlösung von u D 0. Ist eine Greensche Funktion und u eine genügend glatte Lösung von (1.1), so folgt Z u.x/ D
@ g.y/ .y; x/ do.y/ C @
Z .y; x/f .y/ dy: G
@G
Wir könnten nun das Volumenintegral auf der rechten Seite dieser Gleichung studieren. Wir gehen aber etwas anders vor, indem wir zunächst nur die Singularitätenfunktion im Volumenintegral untersuchen. Definition 1.36 (Newtonpotential). Es sei f auf G Rn Riemann-integrierbar. Dann heißt ( R 1 jx yjf .y/dy .n D 2/ 2 G log R w.x/ D ; x2G (1.28) 1 2n jx yj f .y/dy .n ¤ 2/ !n .n2/ G Newtonpotential von f . Wir vermuten, dass unter geeigneten Voraussetzungen w D f in G gilt. Satz 1.37. Ist f 2 C 0 .G/ und supG jf j < 1, so ist das Newtonpotential w 2 C 1 .G/ und Z xi yi @w 1 .x/ D f .y/ dy .x 2 G/ .i D 1; : : : ; n/: (1.29) @xi !n jx yjn G
Beweis. Das Integral (1.28) existiert als uneigentliches Riemann-Integral. Mit d.G/D supx1 ;x2 2G jx1 x2 j bezeichnen wir den Durchmesser von G. Dann kann man für n 3 und x 2 G wie folgt abschätzen: 1 sup jf j jw.x/j .n 2/!n G
Z
jy xj2n dy
G
Z
1 sup jf j .n 2/!n G
jy xj2n dy
Bd.G/ .x/
1 sup jf j D .n 2/!n G D
d.G/2 sup jf j: 2.n 2/ G
d.G/ Z 0
Z
S n1
r 2n do./r n1 dr
35
Abschnitt 1.6 Das Newtonpotential
Auf die gleiche Weise zeigt man, dass das Integral in (1.29) existiert: ˇ ˇ Z ˇ ˇ @w 1 ˇ ˇ jy xj1n dy d.G/ sup jf j: ˇ @x .x/ˇ ! sup jf j i n G G Bd.G/ .x/
Wir müssen jedoch zeigen, dass w stetig partiell differenzierbar ist, und dass die Ableitung durch (1.29) gegeben ist. Das Vorgehen ist nun ähnlich wie im Beweis der Darstellungsformel in Satz 1.10. Dazu sei 2 C 1 .R/ eine geeignete Abschneidefunktion mit den Eigenschaften 0 1, j 0 j 2, .s/ D 0 für jsj 1 und .s/ D 1 für jsj 2. Wir setzen dann " .s/ D .s="/. Damit definieren wir die geglättete Version des Newtonpotentials Z 1 w" .x/ D jy xj2n " .jx yj/f .y/ dy: .n 2/!n G
Nun ist klar, dass w" 2 C 1 .G/ ist und Z @w" xi yi 1 .x/ D " .jx yj/f .y/ dy @xi !n jx yjn G
C
D
1 .n 2/!n
1 !n
Z
Z
xi yi 0 .jx yj/f .y/ dy jx yjn1 "
G
xi yi f .y/ dy I1 ."/ C I2 ."/; jx yjn
G
mit den Abkürzungen I1 ."/ D
I2 ."/ D
1 !n
Z
xi yi . " .jx yj/ 1/ f .y/ dy; jx yjn
G
1 .n 2/!n
Z
xi yi 0 .jx yj/f .y/ dy: jx yjn1 "
G
Wir weisen nun nach, dass lim"!0 I1 ."/ D lim"!0 I2 ."/ D 0 ist. Für I1 erhalten wir Z Z 1 sup jf j jx yj1n dy C 2 jx yj1n jI1 ."/j !n G G\B" .x/
Z
1 sup jf j !n G
jx yj
G\B2" .x/nB" .x/ 1n
B" .x/
3" sup jf j ! 0 ." ! 0/; G
Z
dy C 2 B2" .x/nB" .x/
jx yj
1n
dy
36
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
wobei wir verwendet haben, dass für " jx yj 2" gilt: j " .jx yj/ 1j 2. Auf analoge Weise zeigt man, dass Z 2 sup jf j jx yj2n dy jI2 ."/j ".n 2/!n G B2" .x/nB" .x/
3 " sup jf j ! 0 .n 2/ G
." ! 0/:
Damit haben wir bewiesen, dass ˇ ˇ Z ˇ ˇ @w" xi yi 1 ˇ c" .x/ C f .y/ dy sup ˇˇ ˇ n !n jx yj x2G @xi G
ist, wobei c eine von " unabhängige Konstante ist. Leider ist unter den Voraussetzungen des vorigen Satzes w nicht in C 2 .G/. Dazu müssen wir mehr an f voraussetzen. Die Funktion f muss nicht nur stetig, sondern hölderstetig sein. Die Hölderstetigkeit ist eine Eigenschaft, die zwischen der Stetigkeit und der Differenzierbarkeit einer Funktion angesiedelt ist. Definition 1.38 (Hölderstetigkeit). Sei M Rn . Dann heißt u in M hölderstetig mit Hölderexponent ˛ 2 .0; 1, wenn 8K M; K kompakt, 9c
8x1 ; x2 2 K W ju.x1 / u.x2 /j cjx1 x2 j˛ :
Im Fall ˛ D 1 spricht man auch von Lipschitzstetigkeit. Die Menge der in M hölderstetigen Funktionen bezeichnen wir mit C 0;˛ .M / D fv W M ! R j v ist in M hölderstetig mit Exponent ˛g: Als Bezeichnung vermerken wir jujC 0;˛ .K/ D
sup x1 ;x2 2K;x1 ¤x2
ju.x1 / u.x2 /j : jx1 x2 j 0
Beispiel 1.39. Die Funktion v.x/ D jxj˛ .x 2 Rn / liegt in C 0;˛ .Rn / für alle ˛ 0 2 .0; ˛. Aufgabe 1.40. Untersuchen Sie, ob die Funktion f .x/ D x sin x1 , f .0/ D 0 hölderstetig auf M D .0; 1/ oder hölderstetig auf M D Œ0; 1 ist. Nun sind wir in der Lage, die zweiten Ableitungen des Newtonpotentials zu berechnen.
37
Abschnitt 1.6 Das Newtonpotential
Satz 1.41. Für offenes G Rn sei f 2 C 0;˛ .G/ und außerdem supG jf j < 1. Dann ist w 2 C 2 .G/, und die zweiten partiellen Ableitungen von w sind hölderstetig mit Exponent ˛ in G und sind gegeben durch Z 1 xi yi xj yj f .y/ f .x/ ıij n dy wxi xj .x/ D !n jx yj jx yj jy xjn G0
Z
1 C !n
xi yi j .y/ do.y/ f .x/ jx yjn
.x 2 G/
(1.30)
@G0
.i; j D 1; : : : ; n/ für jedes Normalgebiet G0 G. Hierbei setzen wir f .y/ D 0 für y 2 G0 n G. Beweis. Die Beweistechnik ist dieselbe wie im Beweis des vorherigen Satzes. Mit den dortigen Bezeichnungen definieren wir für festes i 2 f1; : : : ; ng eine Glättung v" der ersten Ableitung des Newtonpotentials gemäß der Formel (1.29) durch Z xi yi 1 v" .x/ D " .jx yj/f .y/ dy .x 2 G/ !n jx yj G0
und beachten, dass nun v" 2 C 1 .G/ ist, und Z @v" xi yi @ 1 .x/ D .jx yj/ f .y/ dy " @xj !n @xj jx yjn G0
D
1 !n
1 D !n
Z
G0
Z
G0
1 C !n D
@ @yj @ @yj Z G0
xi yi .jx yj/ f .y/ dy " jx yjn
xi yi " .jx yj/ .f .y/ f .x// dy jx yjn
@ @yj
xi yi " .jx yj/ jx yjn
dy f .x/
1 1 I1 ."/ C I2 ."/ f .x/: !n !n
Wählen wir " > 0 so klein, dass jx yj 2" für x 2 G und y 2 @G0 ist, so erhalten wir mit dem Gaußschen Integralsatz Z Z xi yi xi yi .jx yj/ .y/ do.y/ D j .y/ do.y/: I2 ."/ D " j jx yjn jx yjn @G0
@G0
38
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
Das Integral
Z ıij n
I10 D
xi yi xj yj jx yj jx yj
1 .f .y/ f .x// dy jx yjn
G0
existiert, denn für ı > 0 ist der Integrand auf der Menge G0 n Bı .x/ beschränkt, und das Integral über die Menge G0 \ Bı .x/ schätzen wir so ab: ˇ Z ˇ ˇ ˇ y y x 1 x i i j j ˇ .f .y/ f .x// dy ˇˇ ıij n ˇ n jx yj jx yj jx yj G0 \Bı .x/
Z
jx yjn jf .x/ f .y/j dy
c.n/ G0 \Bı .x/
jf .x/ f .y/j c.n/ sup jx yj˛ y2Bı .x/ D
Z
jx yj˛n dy
Bı .x/
jf .x/ f .y/j c.n/!n ˛ ı sup : ˛ jx yj˛ y2Bı .x/
Damit ist die Behauptung lim"!0 I1 ."/ D I10 sinnvoll. An dieser Stelle sieht man, warum die Voraussetzung der Hölderstetigkeit von f wesentlich ist. Es ist nun jI1 ."/ I10 j ˇ Z ˇ ˇ ˇ xi yi @ ˇ . " .jx yj/ 1/ .f .y/ f .x// dy ˇˇ Dˇ n @yj jx yj B2" .x/
jf .x/ f .y/j sup jx yj˛ y2B2" .x/
ˇ ˇ ˇ ˇ @ xi yi ˇ . " .jx yj/ 1/ ˇˇ jx yj˛ dy: ˇ @y n jx yj j
Z
B2" .x/
Man rechnet leicht nach, dass ˇ ˇ ˇ @ ˇ xi yi 2 ˇ . " .jx yj/ 1/ ˇˇ .n C 1/jx yjn C jx yj1n ˇ @y n jx yj " j ist, und damit erhalten wir schließlich für " "0 : jI1 ."/ I10 j jf .x/ f .y/j sup jx yj˛ y2B2" .x/ c
Z
.n C 1/jx yj˛n C 2"1 jx yj˛C1n dy
B2" .x/
jf .x/ f .y/j ˛ " !0 jx yj˛ y2B2"0 .x/ sup
." ! 0/:
39
Abschnitt 1.6 Das Newtonpotential
Daraus folgt dann insgesamt die Formel (1.30) für die zweiten Ableitungen des Newtonpotentials. Wir zeigen nun, wie aus der Formel (1.30) für die zweiten partiellen Ableitungen von w die Differentialgleichung (1.31) folgt. w.x/ D
n X
wxi xi .x/
i D1
D
n Z .xi yi /2 f .y/ f .x/ 1 X 1n dy !n jx yj2 jy xjn i D1G
0
n Z xi yi 1 X i .y/ do.y/ f .x/ !n jx yjn i D1@G
D
1 !n
Z
0
xy .y/ do.y/ f .x/: jx yjn
@G0
Es bleibt noch das Randintegral zu untersuchen. Satz 1.10 ergibt für u 2 C 2 .G 0 / Z Z @ @u u.x/ D .y; x/ .y/ u.y/ .y; x/ do.y/ .y; x/u.y/ dy @ @y G0
@G0
für eine beliebige Grundlösung , also auch für die Singularitätenfunktion D sn . D 0 auf @G0 so dass also (für n 3) Wähle u.x/ 1. Dann ist u D 0 auf G0 , @u @ folgt: Z @ .y; x/ do.y/ 1D @ @G0
D
Z X n
@G0 j D1
1 jx yj2n .n 2/!n
j .y/ do.y/ yj
Z X n 1 1n xj yj D j .y/ do.y/ jx yj !n jx yj @G0 j D1
1 D !n
Z
@G0
Damit erhalten wir:
xy .y/ do.y/: jx yjn
40
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
Folgerung 1.42. Unter den Voraussetzungen von Satz 1.41 ist das Newtonpotential w 2 C 2 .G/ und eine Lösung der Poissongleichung w D f
auf G:
(1.31)
Wir haben vorausgesetzt, dass die rechte Seite f der Differentialgleichung aus ist. Dies war notwendig, um die zweiten Ableitungen des Newtonpotentials zu berechnen. Wir zeigen nun noch, dass die zweiten Ableitungen von w ebenfalls hölderstetig in G mit dem Hölderexponenten ˛ sind. Dazu verwenden wir die in Satz 1.41 hergeleitete Formel für die zweiten Ableitungen des Newtonpotentials und verwenden die Abkürzungen xi yi 1 xi yi xj yj ıij n ; Pij .x; y/ D Pi .x; y/ D jx yjn jx yjn jx yj jx yj
C 0;˛ .G/
für i; j D 1; : : : ; n. Demnach gilt wxi xj .x/ D
1 !n
Z Pij .x; y/ .f .y/ f .x// dy G0
1 C !n
Z Pi .x; y/j .y/do.y/f .x/
@G0
für x 2 G. Im Folgenden seien x; x 0 2 BR .x0 / und B3R .x0 / G, x ¤ x 0 . Wir setzen x D 1 0 0 2 .x C x / und ı D jx x j. Wir schließen den trivialen Fall aus und fordern ı > 0. Dann ist für i; j 2 f1; : : : ; ng Z !n .wxi xj .x/ wxi xj .x 0 // D .Pi .x; y/ Pi .x 0 ; y//j .y/do.y/f .x/ @G0
Z
C @G0
Pi .x 0 ; y/j .y/do.y/.f .x/ f .x 0 // Z Pij .x; y/.f .y/ f .x//dy
G0 \Bı .x/
Z
Pij .x; y/.f .y/ f .x//dy
G0 nBı .x/
Z
C G0 \Bı .x/
Pij .x 0 ; y/.f .y/ f .x 0 //dy
41
Abschnitt 1.6 Das Newtonpotential
Z
Pij .x 0 ; y/.f .y/ f .x 0 //dy
C G0 nBı .x/
D I1 C I2 C I3 C I4 C I5 C I6 :
(1.32)
Wir müssen nun die Terme I1 ; : : : ; I6 abschätzen. Dazu verwenden wir die Tricks über singuläre Integrale aus den vorherigen Abschnitten. Wir beginnen mit I1 . Wegen y 2 @G0 haben wir, dass jx yj R und jx 0 yj R gilt, denn zum Beispiel: jx yj jx0 yj jx x0 j 2R R D R. Dann folgt 2 jPi .x; y/ Pi .x 0 ; y/j Rn jx x 0 j C jx 0 yjnR1n jx x 0 j; und dies impliziert die Abschätzung Z jI1 j
Rn C nR1n jx 0 yj d o.y/ sup jf jjx x 0 j c.R; f /jx x 0 j: BR .x0 /
@G0
(1.33) Für I2 erhalten wir Z jx 0 yj1n d o.y/jf .x/ f .x 0 /j c.R/jf jC 0;˛ .BR .x0 // jx x 0 j˛ jI2 j @G0
c.R; f /jx x 0 j˛ :
(1.34)
Für I3 verwenden wir, dass jPij .x; y/j .1 C n/jx yjn gilt, so dass wir folgern können Z jf .y/ f .x/j jI3 j .1 C n/ dy jy xjn G0 \Bı .x/
Z
jy xj˛n dy c.R; f /jx x 0 j˛ ;
.1 C n/jf jC 0;˛ .B3R .x0 //
(1.35)
B 3 ı .x/ 2
wobei wir verwendet haben, dass auf diesem Integrationsgebiet jy xj jy xj C jx xj 32 jx x 0 j 3R ist. Die gleiche Abschätzung liefert jI5 j c.R; f /jx x 0 j˛ : 2 Die
Ungleichung jan b n j ja bj
Pn1 lD0
jajnl1 jbjl für a; b 2 R ist hier nützlich.
(1.36)
42
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
I4 und I6 schätzen wir gemeinsam ab. Es ist Z I4 C I6 D Pij .x 0 ; y/.f .y/ f .x 0 // Pij .x; y/.f .y/ f .x//dy G0 nBı .x/
Z
.Pij .x 0 ; y/ Pij .x; y//.f .y/ f .x 0 //dy
D G0 nBı .x/
Z
C
Pij .x; y/.f .x/ f .x 0 //dy:
(1.37)
G0 nBı .x/
Auf diesem Integrationsbereich ist jy xj jx x 0 j. Daraus folgern wir 1 1 jy x 0 j jy xj jx x 0 j D jy xj jx x 0 j jx x 0 j: 2 2 Außerdem folgt: 1 jy xj jy xj; 2
1 jy x 0 j jy xj: 2
Damit kann man in einigen einfachen Schritten zeigen, dass jPij .x 0 ; y/ Pij .x; y/j cjx x 0 jjy xj.nC1/ gilt. Insgesamt folgt damit für das erste Integral auf der rechten Seite von (1.37): ˇ ˇ Z ˇ ˇ 0 0 ˇ (1.38) .Pij .x ; y/ Pij .x; y//.f .y/ f .x //dy ˇˇ ˇ G0 nBı .x/
c.R; f /jx x 0 j
Z
jy xj˛n1 dy D c.R; f /jx x 0 j˛ :
Rn nBı .x/
Das zweite Integral auf der rechten Seite von (1.37) wird partiell integriert. Dazu erinnern wir uns daran, dass Pij .x; y/ D
@ xi yi @ xi yi D n @xj jx yj @yj jx yjn
war. Damit folgern wir Z Pij .x; y/dy D G0 nBı .x/
Z
@.G0 nBı .x//
xi yi j .y/do.y/; jx yjn
43
Abschnitt 1.6 Das Newtonpotential
und es ist leicht zu zeigen, dass dieses Integral durch eine absolute Konstante beschränkt ist. Insgesamt haben wir damit gezeigt, dass jI4 C I6 j c.R; f /jx x 0 j˛ :
(1.39)
Indem wir nun die Abschätzungen (1.33), (1.34), (1.35), (1.36) und (1.39) in (1.32) einsetzen, können wir schließen, dass jwxi xj .x/ wxi xj .x 0 /j c.R; f /jx x 0 j˛ für x; x 0 2 BR .x0 / gilt. Daraus erhält man nun leicht, dass wxi xj 2 C 0;˛ .G/ ist. Folgerung 1.43. Es seien die Voraussetzungen von Satz 1.41 erfüllt. Dann ist w 2 C 2;˛ .G/. Wir ziehen aus den Resultaten zum Newtonpotential und unseren bisherigen Resultaten die für uns wichtigste Folgerung. Satz 1.44. Sei G Rn ein beschränktes Gebiet mit nur regulären Randpunkten. Seien weiter g 2 C 0 .@G/ und f 2 C 0;˛ .G/ sowie supG jf j < 1. Dann gibt es genau eine Funktion u 2 C 2;˛ .G/ \ C 0 .G/ mit u D f
in G;
uDg
auf @G:
Beweis. Bezeichnen wir mit u1 das Newtonpotential zu f , dann ist nach Satz 1.37, Satz 1.41 und Folgerung 1.43 u1 2 C 1 .G/ \ C 2;˛ .G/ und löst die Differentialgleichung u1 D f
in G:
Löse dann mit Satz 1.35 das Randwertproblem u2 2 C 0 .G/ \ C 2 .G/, u2 D 0
in G;
u2 D g u1
auf @G;
beobachte, dass sogar u2 2 C 2;˛ .G/ ist, und setze u D u1 C u2 . Dann löst u 2 C 0 .G/ \ C 2;˛ .G/ das gewünschte Problem. Die Eindeutigkeit folgt mit dem Maximumprinzip.
44
Kapitel 1 Klassische Lösungen der Poissongleichung
Riemannintegral Gaußscher Integralsatz ?
Greensche Formel spezielle Lösung für u D 0 u.x/ D v.jxj/ ?
Darstellungsformel
?
Grundlösung .y; x/ ?
Greensche Funktion ?
Poisson-Integral u D 0, u D g für die Kugel
?
für die Kugel
Newtonpotential ?
Mittelwertgleichung für harmonische Funktionen ?
Maximumprinzip ?
Perronsche Methode u D 0 in G, u D g auf @G
?
Hölderstetigkeit ?
u D f in G
? - u D f in G, u D g auf @G
Abbildung 1.2. Struktur der Paragraphen 1.1 bis 1.6: Lösung des Randwertproblems für die Poissongleichung (Klassische Theorie).
Kapitel 2
Schwache Lösungen der Poissongleichung
2.1
Das Dirichletsche Prinzip und warum man Sobolevräume braucht
Man kann Lösungen des Randwertproblems für die Poissongleichung als Minimum eines Funktionals finden. Dies sind die sogenannten „direkten Methoden der Variationsrechnung“. Wir untersuchen zunächst das Randwertproblem u D f
in G;
u D 0 auf @G
(2.1)
zu einem beschränkten Gebiet G Rn . Die Bezeichnung „Dirichletsches Prinzip“ bezieht sich eigentlich auf das Randwertproblem für harmonische Funktionen. Wegen der deutlichen Beziehung zum Randwertproblem (2.1) verwenden wir hier ebenfalls diesen Begriff. Satz 2.1. Sei G Rn ein beschränktes Gebiet und sei f 2 C 0 .G/. Definiere den linearen Raum X D fv 2 C 1 .G/ j v D 0 auf @Gg und das Funktional Z Z 1 I.v/ D jrv.x/j2 dx f .x/v.x/ dx 2 G
G
für v 2 X. Ist dann u 2 X ein Minimum von I über X , das heißt ist I.u/ D inf I.v/ D inffI.v/ j v 2 X g; v2X
so folgt Z
Z ru.x/ r'.x/ dx D G
f .x/ '.x/ dx
(2.2)
G
für jedes ' 2 X. Beweis. Sind u; ' 2 X und ist " 2 R, so ist auch u C "' 2 X . Demnach gilt nach Voraussetzung I.u/ I.u C "'/. Setzen wir nun g."/ D I.u C "'/, so hat g in " D 0 ein Minimum: g.0/ g."/, " 2 R. Außerdem beobachtet man, dass g ein quadratisches Polynom ist, Z Z Z Z Z 1 2 1 2 2 jruj C " ru r' C " jr'j f u " f '; g."/ D 2 2 G
G
G
G
G
46
Kapitel 2 Schwache Lösungen der Poissongleichung
und demnach differenzierbar ist. Also verschwindet die Ableitung von g in 0: Z Z 0 D g 0 .0/ D ru r' f ': G
G
Das war aber die Behauptung des Satzes. Unter einer zusätzlichen Annahme können wir folgern, dass damit das Problem (2.1) gelöst ist. Folgerung 2.2. Ist zusätzlich u 2 C 2 .G/, so ist u D f in G und u D 0 auf @G. Beweis. Sei G0 G ein beliebiges Normalgebiet. ' 2 X verschwinde außerhalb G0 (und auf @G0 ). Dann erhalten wir mit dem Gaußschen Integralsatz Z Z Z Z Z @u 'u 'f: ' 0 D ru r' f ' D @ G0
G0
@G0
G0
G0
Damit folgt also Z .u C f / ' D 0 G0
für alle solchen Funktionen '. Also erhalten wir u C f D 0 auf G0 und damit die Behauptung der Folgerung. Für G0 kann man eine geeignete Kugel wählen. Wir versuchen nun zu beweisen, dass es ein Minimum u 2 X des Funktionals I auf X gibt. Dazu setzen wir d D inf I.v/: v2X
1. Schritt: Der erste – hier besonders einfache – Schritt ist der Nachweis, dass d 1: Zum Nachweis dieser Eigenschaft benötigen wir die Poincarésche Ungleichung. Der Beweis wird später in allgemeinerem Rahmen in Satz 2.20 nachgeliefert.
Abschnitt 2.1 Das Dirichletsche Prinzip und warum man Sobolevräume braucht
47
Satz 2.3 (Poincarésche Ungleichung). Es sei G in einer Richtung des Rn beschränkt. Dann gibt es eine von G abhängige Konstante cP , so dass für alle v 2 X gilt Z Z 2 2 v.x/ dx cP jrv.x/j2 dx: (2.3) G
G
Die Beschränktheit von I nach unten folgt dann so: I.v/
1 2
1 2
Z
jrvj2
Z
G
G
Z
Z
2
jrvj G
f2
12 Z
v2
12
G
f
2
12
Z cP
jrvj
G
2
12 :
G
Aufgabe 2.4 (Youngsche Ungleichung). Für a; b 2 R und > 0 gilt 1 jabj a2 C b 2 : 2 2
(2.4)
Die einfache Youngsche Ungleichung erlaubt es uns weiter nach unten abzuschätzen. Z Z cP 1 2 f 2: I.v/ .1 / jrvj 2 2 G
Die Wahl D
1 2
G
ergibt dann z. B. Z Z Z 1 I.v/ jrvj2 cP f 2 cP f 2 ; 4 G
G
G
also die Beschränktheit von I unabhängig von v nach unten. (Auch die Wahl D 1 hätte dies ergeben.) Demnach ist nun d 2 R. 3. Schritt: Nach der Definition des Infimums gibt es eine Folge .vm /m2N , vm 2 X , die Minimalfolge genannt wird, mit der Eigenschaft I.vm / ! d .m ! 1/: 4. Schritt: Eine Minimalfolge ist eine Cauchyfolge. Da wir nun von Konvergenz in X sprechen wollen, müssen wir eine Norm auf X einführen. Wir wählen eine dem Problem angepasste Norm, nämlich Z kvkX D
2
Z
v C G
jrvj G
2
12 :
(2.5)
48
Kapitel 2 Schwache Lösungen der Poissongleichung
Damit ist nun .X; k kX / ein normierter Raum (Anhang A.1.2), und wir können von Konvergenz und Cauchyfolgen in X sprechen. Es ist nun Z Z Z Z 2 2 2 jr.vm vl /j D jrvm j C jrvl j 2 rvm rvl G
G
G
Z D2
G
Z
2
jrvm j C 2 G
Z
D 2 2I.vm / C 2 4 2I
ˇ Z ˇ ˇ vm C vl ˇˇ2 ˇ jrvl j 4 ˇr ˇ 2 2
G
G
Z
f vm C 2I.vl / C 2 G
v m C vl 2
Z C2
f vl G
vm C v l f 2
G
vm C vl D 4 I.vm / C I.vl / 2I : 2 Weil die Funktion 12 .vm C vl / in X liegt, folgt I. 12 .vm C vl // d und demnach Z
jr.vm vl /j2 4 .I.vm / C I.vl / 2d / :
G
Wegen limm!1 I.vm / D liml!1 I.vl / D d konvergiert die rechte Seite in dieser Ungleichung für m; l ! 1 gegen Null, und wir erhalten schließlich Z jr.vm vl /j2 ! 0; .m; l ! 1/: G
Wir verwenden noch einmal die Poincarésche Ungleichung und haben dann nachgewiesen, dass .vm /m2N eine Cauchyfolge in dem normierten Raum X ist. Wir fassen dies zusammen. Satz 2.5. Eine Minimalfolge für I auf X ist eine Cauchyfolge in X . Leider können wir den 5. Schritt der Konvergenz dieser Cauchyfolge gegen ein Element u 2 X nicht vollziehen, denn es zeigt sich, dass der normierte Raum .X; k kX / nicht vollständig, also kein Banachraum ist. Aufgabe 2.6. Sei G D .a; b/, 1 < a < b < 1. Der normierte Raum X D Rb 1 fv 2 C 1 .Œa; b/ j v.a/ D v.b/ D 0g mit kvkX D . a v.x/2 C v 0 .x/2 dx/ 2 ist nicht vollständig.
49
Abschnitt 2.2 Sobolevräume
Zwar könnten wir X mit der C 1 .G/-Norm versehen und damit zu einem Banachraum machen, jedoch könnten wir dann kaum direkt aus dem Variationsproblem nachweisen, dass eine Minimalfolge eine Cauchyfolge in diesem neuen Raum ist. Das liegt daran, dass die C 1 -Norm dem Funktional nicht angepasst ist. Der Wunsch, den 5. Schritt im Nachweis der Existenz einer Lösung des Variationsproblems zu vollziehen ist nun der Grund für die Einführung adäquater Räume, der Sobolevräume im nächsten Paragraphen. Der dort eingeführte Raum H˚ 1 .G/ entsteht durch eine abstrakte Vervollständigung (s. Satz A.4) des Raums X in der Norm (2.5). Man kann die Einführung dieser Räume auch so verstehen, dass die Lösungen des Variationsproblems eben gerade in diesen Räumen liegen und nicht in „stärkeren“ Funktionenräumen. Außerdem werden wir diskrete Teilräume dieser Räume konstruieren, die ebenfalls nicht Teilräume des klassischen Funktionenraums C 1 .G/ sind.
2.2
Sobolevräume
Wie wir im vorigen Paragraphen gesehen haben, benötigen wir die Vervollständigung (Satz A.4) der klassischen C k -Funktionenräume in der Integralnorm. Wir wiederholen zunächst die grundlegenden Tatsachen über die Lp -Räume. Im Folgenden ist G Rn eine offene Menge. Definition 2.7. Für 1 p 1 definieren wir Lp .G/ D fu W G ! Rju ist Lebesgue-messbar und kukLp .G/ < 1g; Z p1 p kukLp .G/ D ju.x/j dx ; falls p < 1; G
kukL1 .G/ D
sup juj:
inf
N G
GnN
N ist LebesgueNullmenge
Zwei Funktionen in Lp .G/ nennen wir gleich, wenn sie sich höchstens auf einer Lebesgue-Nullmenge unterscheiden. Für die Normen schreiben wir auch kukLp .G/ D kukp ; im Fall p D 2 lassen wir manchmal den Index p weg. Außerdem sei p
Lloc .G/ D fu W G ! R j 8G 0 G; G 0 offen: ujG 0 2 Lp .G 0 /g: 0
0
Dabei bedeutet G 0 G, dass G kompakt und G G ist. Aus der Analysis [2] wissen wir, dass die Lp -Räume vollständig sind.
50
Kapitel 2 Schwache Lösungen der Poissongleichung
Satz 2.8 (Fischer-Riesz). Lp .G/ ist mit k kLp .G/ ein Banachraum. L2 .G/ ist mit dem Skalarprodukt Z .u1 ; u2 /L2 .G/ D u1 u2 G
ein Hilbertraum. Zur Definition der Sobolevräume erweitern wir den Begriff der Ableitung einer Funktion auf sogenannte schwache Ableitungen oder Distributionsableitungen. Definition 2.9. Es sei ˛ D .˛1 ; : : : ; ˛n / 2 .N [ f0g/n ein Multiindex, j˛j D ˛1 C C ˛n . Eine Funktion u 2 L1loc .G/ besitzt die schwache Ableitung v˛ 2 L1loc .G/, wenn für alle Testfunktionen ' 2 C01 .G/ die Gleichung Z Z ˛ j˛j uD ' D .1/ v˛ ' G
G
erfüllt ist. Wir schreiben dann v˛ D D ˛ u D
@j˛j u : : : : @xn˛n
@x1˛1
Dabei ist C01 .G/ D f' 2 C 1 .G/ j supp ' ist kompakt und Gg; wobei der Träger der Funktion ' durch supp ' D fx 2 G j '.x/ 6D 0g definiert ist. Der Nachweis, dass klassische Ableitungen, wenn sie existieren, auch schwache Ableitungen sind, ist nicht schwierig. Mehr Informationen über schwache Ableitungen findet man in [2]. Beispiel 2.10. Die im Nullpunkt nicht differenzierbare Funktion u.x/ D jxj besitzt auf G D .1; 1/ R eine schwache Ableitung (hier mit 0 bezeichnet). u0 .x/ D sign .x/. Wie man sie in x D 0 definiert ist gleichgültig, da ein Punkt eine LebesgueNullmenge ist. Beispiel 2.11. Wir interessieren uns dafür, ob, bzw. für welche s 2 R, die Funktion u.x/ D jxjs .x 2 G D B1 .0/ Rn / schwache Ableitungen erster Ordnung besitzt.
51
Abschnitt 2.2 Sobolevräume
Für x 6D 0 ist u klassisch stetig differenzierbar. Zunächst ist festzustellen, ob u 2 L1 .G/ ist. Die Einführung von Polarkoordinaten im Rn liefert Z
Z ju.x/jdx D B1 .0/
Z1 Z
s
jxj dx D
r
sCn1
Z1 d odr D !n
0 S n1
B1 .0/
r sCn1 dr < 1;
0
falls s C n 1 > 1, d. h. s > n ist. Sei im Folgenden also s > n. Für x 6D 0 ist mit ˛ D ei .i 2 f1; : : : ; ng/ .D ˛ u/.x/ D
@u .x/ D sjxjs2 xi : @xi
Wir vermuten, dass dies für geeignete s auch eine schwache Ableitung ist. Dazu seien ' 2 C01 .B1 .0// und 0 < " < 1. Z Z Z u'xi D u'xi C u'xi : (2.6) B1 .0/
B" .0/
B1 .0/nB" .0/
Der Gaußsche Integralsatz liefert für das zweite Integral wegen 'j@B1 .0/ D 0 Z Z Z u'xi D u'i uxi ' B1 .0/nB" .0/
@.B1 .0/nB" .0//
B1 .0/nB" .0/
Z
D
Z
u'i
@B" .0/
uxi ':
(2.7)
B1 .0/nB" .0/
Dabei ist unter immer die äußere Normale an den „Integrationsbereich“ zu verstehen. Wir haben dabei verwendet, dass u 2 C 1 .B1 .0/ n f0g/ ist. Weil wir nun " ! 0 streben lassen wollen, müssen wir sicherstellen, dass uxi 2 L1 .B1 .0// ist. Es ist aber juxi .x/j sjxjs1 ; und demnach ist juxi j integrierbar, falls s 1 > n, d. h. s > 1n ist. Also existieren in diesem Fall die Grenzwerte der Volumenintegrale in (2.7) für " ! 0. Z Z Z u'xi D lim u'i uxi ': B1 .0/
"!0 @B" .0/
B1 .0/
Dass der Grenzwert des Oberflächenintegrals Null ist, sieht man so: ˇ ˇ Z Z ˇ ˇ ˇ ˇ u.x/'.x/ .x/do j'j ju.x/jd ox max i xˇ ˇ @B" .0/
B1 .0/
@B" .0/
52 und
Kapitel 2 Schwache Lösungen der Poissongleichung
Z
Z
"sCn1 d o D !n "sCn1
ju.x/jd ox D S n1
@B" .0/
konvergiert gegen Null für " ! 0, da s > 1 n ist. Wir fassen zusammen: Die Funktion u.x/ D jxjs .x 2 B1 .0/ Rn / besitzt die schwache Ableitung uxi .x/ D sjxjs2 xi , falls s > 1 n ist. Nun definieren wir die Räume, die sowohl für die Analysis als auch für die Numerik partieller Differentialgleichungen wichtige Arbeitsmittel sind. Definition 2.12 (Sobolevräume). Für m 2 N [ f0g und p 2 Œ1; 1 definieren wir H m;p .G/ D fu 2 Lp .G/ j u besitzt schwache Ableitungen D ˛ u 2 Lp .G/ für 0 j˛j mg; kukH m;p .G/ D
m X
p
kD ˛ ukLp .G/
p1
;
falls p < 1;
j˛jD0
kukH m;1 .G/ D
m X
kD ˛ ukL1 .G/ :
j˛jD0
Außerdem vereinbaren wir folgende Schreibweisen: p1 X p ˛ m;p jujH .G/ D kD ukLp .G/ ;
falls p < 1;
j˛jDm
jujH m;1 .G/ D
X
kD ˛ ukL1 .G/ ;
j˛jDm m
H .G/ D H m;2 .G/: Wenn keine Verwechslungsgefahr besteht, schreiben wir auch kukm;p D kukH m;p .G/ ;
jujm;p D jujH m;p .G/ ;
kukm D kukH m .G/ ;
jujm D jujH m .G/ :
Nach Definition ist H 0;p .G/ D Lp .G/. Der Sobolevraum H m;p .G/ ist also so etwas wie „Lp .G/ mit schwachen Ableitungen bis zur Ordnung m, die in Lp .G/ liegen“. Beispiel 2.13. Führen wir nun das Beispiel 2.11 fort, indem wir untersuchen, ob u 2 H 1;p .B1 .0// ist. Dazu ist zunächst nachzusehen, ob u 2 Lp .B1 .0// für ein 1 p < 1 ist. Wegen ju.x/jp jxjsp
53
Abschnitt 2.2 Sobolevräume
ist u 2 Lp .B1 .0//, wenn sp > n ist. Für die schwache Ableitung gilt juxi .x/jp s p jxjp.s1/ ; d. h. uxi 2 Lp .B1 .0//, falls p.s 1/ > n ist. Also ist u 2 H 1;p .B1 .0//, wenn s > 1 pn gilt. Funktionen aus Sobolevräumen sind im Allgemeinen nicht stetig. Ein prominentes Beispiel ist das folgende. Beispiel 2.14. u.x/ D log j log jxjj .x 2 G D B 1 .0/ R2 /. Es ist u 2 H 1;2 .G/, e
aber u 62 C 0 .G/. Man überlege sich, dass man aus diesem Beispiel Funktionen v 2 H 1;2 .G/ mit abzählbar vielen Singularitäten basteln kann: v.x/ D
1 X
"j u.x ıj /:
j D1
Die Sobolevräume H m;p .G/ wurden definiert, weil die klassischen Funktionenräume in der entsprechenden Integralnorm nicht vollständig sind. Deshalb ist der folgende Satz der für uns wichtigste. Satz 2.15. H m;p .G/, 1 p 1, m 2 N0 ist ein Banachraum. H m .G/ ist ein Hilbertraum mit dem Skalarprodukt .u; v/H m .G/ D
m X
.D ˛ u; D ˛ v/L2 .G/ :
j˛jD0
Beweis. Der Beweis ist eine direkte Folge aus dem Satz von Fischer-Riesz (Satz 2.8). Sei also .vk /k2N eine Cauchyfolge in H m;p .G/. Wegen kD ˛ vk D ˛ vl kLp .G/ kvk vl kH m;p .G/ für jeden Multiindex 0 j˛j m ist .D ˛ vk /k2N eine Cauchyfolge in Lp .G/. Nach Satz 2.8 gibt es einen Grenzwert v ˛ 2 Lp .G/ mit kD ˛ vk v ˛ kLp .G/ ! 0 für k ! 1. Definiere v D v 0 . Dann ist zu zeigen, dass v schwache Ableitungen D ˛ v besitzt und D ˛ v D v ˛ ist. Dazu sei ' 2 C01 .G/. Weil vk eine schwache Ableitung D ˛ vk 2 Lp .G/ besitzt gilt Z Z Z vD ˛ ' D .v vk /D ˛ ' C vk D ˛ ' G
G
Z
D
G ˛
j˛j
Z
.v vk /D ' C .1/ G
Z
D
G ˛
j˛j
Z
.v vk /D ' C .1/ G
D ˛ vk ' ˛
˛
j˛j
Z
.D vk v /' C .1/ G
G
v ˛ ':
54
Kapitel 2 Schwache Lösungen der Poissongleichung
Mit der Hölderschen Ungleichung erhält man dann mit dem dualen Exponenten p 0 , p 1 C .p 0 /1 D 1, ˇZ ˇ Z ˇ ˇ ˇ vD ˛ ' .1/j˛j v ˛ ' ˇ ˇ ˇ G
G
kv vk kLp .G/ kD ˛ 'kLp0 .G/ C kv ˛ D ˛ vk kLp .G/ k'kLp0 .G/ ! 0 für k ! 1. Das heißt, dass Z
vD ˛ ' D .1/j˛j
G
Z
v˛ '
G
für alle ' 2 C01 .G/ gilt, also v ˛ D D ˛ v ist. Wir befassen uns mit Randwertproblemen für partielle Differentialgleichungen. Wir müssen also einen Weg finden, um Randwerte für H m;p .G/-Funktionen im verallgemeinerten Sinn zu definieren. Dies geschieht nun. Die Einführung solcher verallgemeinerter 0-Randwerte ist zunächst ziemlich abstrakt, wird aber später als sehr sinnvoll erkannt werden. Es wird sich herausstellen, dass Funktionen aus H˚ m;p .G/ die Eigenschaft besitzen, auf dem Rand von G zu verschwinden. Zunächst ist jedoch überhaupt nicht klar, ob Randwerte solcher Funktionen sinnvoll sind, denn @G ist eine Nullmenge! Definition 2.16. Für 1 p < 1, m 2 N [ f0g sei kkH m;p .G/ : H˚ m;p .G/ D C0m .G/
Für H˚ m;2 .G/ schreiben wir auch H˚ m .G/. Dabei ist C0m .G/ D f' 2 C m .G/ j supp ' ist kompakt und Gg: Das bedeutet, dass H˚ m;p .G/ aus den Funktionen besteht (siehe nächster Satz), die sich in der H m;p .G/-Norm durch Funktionen aus C0m .G/ approximieren lassen. Den folgenden Satz beweist man leicht selbst. Man beachte, dass zunächst die Elemente von H˚ m;p .G/ als H m;p .G/-Funktionen erkannt werden müssen. Satz 2.17. H˚ m;p .G/ ist für 1 p < 1 ein abgeschlossener Teilraum von H m;p .G/, also wieder ein Banachraum. Demnach sind die Normen in H˚ m;p .G/ und H m;p .G/ dieselben. Aus praktischen Gründen führen wir noch eine Bezeichnung für den Dualraum von H˚ m;p .G/ ein. Der Dualraum eines Raums X besteht aus den stetigen linearen Abbildungen (Funktionalen) F W X ! R. Siehe dazu auch Definition A.29.
55
Abschnitt 2.2 Sobolevräume
Definition 2.18. Sei
1 p
C
1 p0
D 1. Dann schreiben wir
0
H m;p .G/ D .H˚ m;p .G//0 ;
kf kH m;p0 .G/ D
jf .v/j : kvkH m;p .G/ v2H˚ m;p .G/nf0g sup
Mit dieser Bezeichnung, die wir wie üblich durch die Abkürzung H m .G/ D .H˚ m .G//0 ergänzen, ist es uns möglich, Differentialgleichungen theoretisch und numerisch zu lösen, deren rechte Seiten Funktionale und keine Funktionen sind. Dazu gehören z. B. rechte Seiten, die als Ableitungen von Lp .G/-Funktionen interpretiert werden können. Dies zeigt das folgende 0
Beispiel 2.19. Sei g 2 Lp .G/ und j 2 f1; : : : ; ng fest gewählt. Dann ist für m 2 N durch Z f .v/ D Dj vg G 0 H m;p .G/
gegeben. f ist offensichtlich linear. Wir zeigen, dass f beein f 2 schränkt ist und damit auch H˚ m;p .G/ nach R abbildet. Für jedes v 2 H m;p .G/ gilt: Z jf .v/j jDj vjjgj kDj vkLp .G/ kgkLp0 .G/ kvkH m;p .G/ kgkLp0 .G/ : G
Also ist kf kH m;p0 .G/ kgkLp0 .G/ . Nachzutragen ist noch die Poincarésche Ungleichung, die wir nun gleich für Funktionen aus dem Raum H˚ 1;p .G/ nachweisen. Dabei kümmern wir uns zunächst nicht um die optimale Konstante in dieser Ungleichung und merken uns nur, dass eine Abhängigkeit vom Durchmesser des Gebietes typisch ist. Satz 2.20 (Poincarésche Ungleichung). Es gibt eine Konstante cP 2d , so dass für alle v 2 H˚ 1;p .G/ gilt: kvkLp .G/ cP krvkLp .G/ :
(2.8)
Dabei ist d der Durchmesser von G in einer beliebigen festen Richtung. Beweis. Es reicht aus, die Abschätzung (2.8) für v 2 C01 .G/ nachzuweisen, denn zu v 2 H˚ 1;p .G/ wähle man gemäß Definition 2.16 eine Folge vj 2 C01 .G/ .j 2 N/ mit kv vj kH 1;p .G/ ! 0 .j ! 1/. Ist (2.8) für C01 .G/-Funktionen bewiesen, so folgt: kvkLp .G/ kvj kLp .G/ C kvj vkLp .G/ cP krvj kLp .G/ C kvj vkLp .G/ cP krvkLp .G/ C cP kr.vj v/kLp .G/ C kvj vkLp .G/ ! cP krvkLp .G/
.j ! 1/:
56
Kapitel 2 Schwache Lösungen der Poissongleichung
Ist nun also v 2 C01 .G/, so setze v durch 0 auf den Rn fort: (
v.x/ 0
v.x/ WD
.x 2 G/ .x 2 Rn n G/:
Ist z. B. G Œd; d Rn1 , so folgt wegen v 2 C 1 .Rn / Zx1 v.x/ D
v x1 .s; x2 ; : : : ; xn /ds; d
also mit
1 p
C
1 p0
D 1 auch Zx1
p
jv.x1 ; : : : ; xn /j
p jv x1 .s; x2 ; : : : ; xn /jds
d
.2d /
p p0
Zd
jv x1 .s; x2 ; : : : ; xn /jp ds;
d
also auch Zd
p
jv.x1 ; : : : ; xn /j dx1 .2d /
p C1 p0
d
Zd
jv x1 .s; x2 ; : : : ; xn /jp ds;
d
und Integration über die restlichen Richtungen x2 ; : : : ; xn liefert Z Z p jv.x/jp dx .2d / p0 C1 jv x1 .x/jp dx Rn
Rn
beziehungsweise Z
p
jv.x/j dx G
2.3
p1
Z 2d
p
jvx1 .x/j dx
p1 :
G
Der Laplace-Operator auf Sobolevräumen
Nun sind alle Räume bekannt, um den Laplace-Operator auf Sobolevräumen zu untersuchen. Dabei sind für uns zunächst nur die Räume H˚ 1 .G/ und H 1 .G/ wichtig. Im Folgenden sei G Rn stets ein beschränktes Gebiet.
57
Abschnitt 2.3 Der Laplace-Operator auf Sobolevräumen
Lemma 2.21. Durch Z .u/ .'/ D
ru r';
.' 2 H˚ 1 .G//
(2.9)
G
ist eine Abbildung W H˚ 1 .G/ ! H 1 .G/ definiert. Beweis. Es ist zu zeigen, dass für u 2 H˚ 1 .G/ das Bild u 2 H 1 .G/ ist. Für ' 2 H˚ 1 .G/ hat man Z j.u/.'/j
jrujjr'j krukL2 .G/ kr'kL2 .G/ krukL2 .G/ k'kH 1 .G/ : G
(2.10) Die Linearität von u ist klar. Aus der Abschätzung (2.10) folgt dann die Stetigkeit des linearen Funktionals u: k ukH 1 .G/ D
.u/.'/ krukL2 .G/ : k'kH˚ 1 .G/ '2H˚ 1 .G/nf0g sup
Und damit ist das Lemma bewiesen. Satz 2.22. Zu jedem f 2 H 1 .G/ gibt es genau ein u 2 H˚ 1 .G/ mit u D f , das heißt Z ru r' D f .'/ 8' 2 H˚ 1 .G/: G
Es gilt die A-Priori-Abschätzung kukH 1 .G/ ckf kH 1 .G/
(2.11)
mit einer nicht von u abhängenden Konstanten c. Beweis. Den Beweis haben wir eigentlich schon in Paragraph 2.1 erledigt. Nur verwenden wir nun von Beginn an den Raum X D H˚ 1 .G/, in dem dann unsere Cauchyfolge konvergieren wird. Wie dort setzen wir d D infv2X I.v/ mit dem Funktional Z 1 I.v/ D jrvj2 f .v/: 2 G
Es ist d < 1, weil 0 2 X . Die Beschränktheit von unten sieht etwas anders aus. Wir verwenden die Definition der Norm im Dualraum und erhalten mit der Poincaréschen
58
Kapitel 2 Schwache Lösungen der Poissongleichung
Ungleichung 1 1 2 2 krvkL I.v/ krvkL 2 .G/ jf .v/j 2 .G/ kf kH 1 .G/ kvkH 1 .G/ 2 2 q 1 2 krvkL 1 C cP2 krvkL2 .G/ 2 .G/ kf kH 1 .G/ 2 1 C cP2 1 2 2 kf kH .1 "/krvkL 2 .G/ 1 .G/ : 2 2" Eine geeignete Wahl von " liefert die Beschränktheit von I von unten und demnach d > 1. Wie in Paragraph 2.1 wählen wir nun eine Minimalfolge .vm /m2N mit I.vm / ! d für m ! 1 und weisen nach, dass sie eine Cauchyfolge in X ist. Dies ist fast wörtlich R derselbe Beweis wie in Paragraph 2.1. Nur ist G f v durch f .v/ zu ersetzen. Nun können wir fortfahren mit dem 5. Schritt: Da X D H˚ 1 .G/ nach Satz 2.17 vollständig ist, gibt es ein u 2 X , so dass kvm ukX ! 0 für m ! 1. 6. Schritt: I.u/ D d . Dazu zeigen wir, dass I als Abbildung von X nach R stetig ist. Dies geht so: ˇ1 ˇ 1 ˇ ˇ 2 2 krv f .u/ k C f .v / jI.u/ I.vm /j D ˇ krukL 2 .G/ m L2 .G/ m ˇ 2 2 1 2 2 jkrukL 2 .G/ krvm kL2 .G/ j C jf .u vm /j 2 1 .krukL2 .G/ C krvm kL2 .G/ /kr.u vm /kL2 .G/ 2 C kf kH 1 .G/ ku vm kH 1 .G/ : Die rechte Seite dieser Ungleichung konvergiert gegen Null, denn krvm kL2 .G/ kvm kH 1 .G/ C und ku vm kH 1 .G/ ! 0 für m ! 1. 7. Schritt: Wie im Beweis von Satz 2.1 erhält man dann für das Minimum u die gewünschte Gleichung Z ru r' D f .'/ für alle ' 2 H˚ 1 .G/; (2.12) G
was ja gerade u D f im schwachen Sinn bedeutet. 8. Schritt: Die Eindeutigkeit folgt sofort mit der Poincaréschen Ungleichung. Sind nämlich u1 und u2 Lösungen von (2.12), so genügt ihre Differenz u D u1 u2 der homogenen Gleichung Z ru r' D 0 für alle ' 2 H˚ 1 .G/: G
59
Abschnitt 2.3 Der Laplace-Operator auf Sobolevräumen
Wählen wir ' D u, so folgt krukL2 .G/ D 0 und mit der Poincaréschen Ungleichung auch kukH 1 .G/ D 0. Demnach wäre u1 D u2 . 9. Schritt: Die A-Priori-Abschätzung (2.11) folgt, indem wir ' D u als Testfunktion einsetzen und die Poincarésche Ungleichung verwenden. Wir halten den wichtigen Begriff der schwachen Lösung in einer eigenen Definition fest. Definition 2.23. Es seien f 2 H 1 .G/ und g 2 H 1 .G/ gegeben. Dann heißt u 2 H 1 .G/ schwache Lösung von u D f
in G;
uDg
auf @G;
(2.13)
falls u g 2 H˚ 1 .G/
Z ru r' D f .'/
und G
für alle ' 2 H˚ 1 .G/ gilt. Bisher haben wir nur schwache Lösungen mit Nullrandwerten untersucht. Der allgemeine Fall gemäß der vorigen Definition ist eine kleine Folgerung aus Satz 2.22. Folgerung 2.24. Zu jedem f 2 H 1 .G/ und jedem g 2 H 1 .G/ gibt es genau eine schwache Lösung des Randwertproblems (2.13) für die Poissongleichung. Es gilt die A-Priori-Abschätzung kukH 1 .G/ c.kf kH 1 .G/ C kgkH 1 .G/ /:
(2.14)
Beweis. Wir transformieren das Problem auf Nullrandwerte durch uQ D u g und setzen Z Q f .'/ D f .'/ rg r': G
Dann ist offensichtlich fQ 2 H 1 .G/ und wir erhalten mit Satz 2.22 genau eine Lösung uQ 2 H˚ 1 .G/ von Z r uQ r' D fQ.'/ G
für alle Testfunktionen ' 2 H˚ 1 .G/. Die Funktion u D uQ C g ist dann die schwache Lösung des inhomogenen Randwertproblems gemäß Definition 2.23.
60
Kapitel 2 Schwache Lösungen der Poissongleichung
Die Abbildungseigenschaften von sind nun fast vollständig geklärt. Wir fassen sie im folgenden Satz zusammen. Satz 2.25. Die Abbildung W H˚ 1 .G/ ! H 1 .G/ ist linear, bijektiv und stetig. Es gilt mit einer nur von G abhängenden positiven Konstanten cG cG kukH 1 .G/ k ukH 1 .G/ kukH 1 .G/
(2.15)
für jedes u 2 H˚ 1 .G/. In der üblichen Schreibweise (Definition A.27) für lineare beschränkte Operatoren impliziert dies, dass 2 L.H˚ 1 .G/; H 1 .G// ist. Beweis. Beginnen wir mit der Abschätzung nach unten, die dann die Injektivität der Abbildung ergibt. Es ist für u 6D 0 k ukH 1 .G/
2 krukL 2 .G/ .u/.'/ .u/.u/ D sup D kukH 1 .G/ kukH 1 .G/ '2H 1 .G/nf0g k'kH 1 .G/
und mit der Poincaréschen Ungleichung weiter mit ˛ D
2 cP 2 1CcP
,
2 2 ˛krukL 2 .G/ C .1 ˛/krukL2 .G/
kukH 1 .G/ ˛ 2 cP
2 2 kukL 2 .G/ C .1 ˛/krukL2 .G/
kukH 1 .G/ 1 kukH 1 .G/ : 1 C cP2
Die Abschätzung nach oben ist klar. Zum Abschluss dieses Paragraphen soll veranschaulicht werden, dass Funktionen aus einem Sobolevraum in einer Raumdimension stetig sind. Das folgende Lemma dient gleichzeitig dazu zu zeigen, wie man sogenannte Sobolevsche Einbettungssätze beweist und wie diese zu interpretieren sind. Es handelt sich hier um den einfachsten Fall eines solchen Einbettungssatzes. Allgemeinere Resultate werden wir später herleiten. Lemma 2.26. Sei 1 < a < b < 1 und I D .a; b/ R. Dann gibt es zu u 2 Q D u.b/ Q D 0. H˚ 1 .I / eine Funktion uQ 2 C 0 .I / mit u D uQ fast überall in I und u.a/ Außerdem gilt p kuk Q C 0 .I / b akukH 1 .I / :
61
Abschnitt 2.3 Der Laplace-Operator auf Sobolevräumen
Beweis. 1. Schritt: Für eine klassisch stetig differenzierbare Funktion v 2 C01 .I / hat man für jeden Punkt x 2 I ˇ ˇ Zx ˇ ˇ 0 ˇ jv.x/j D jv.x/ v.a/j D ˇ v .s/ ds ˇˇ a
Zb
Z 2 p 0 2 jv .s/j ds b a v .s/ ds ; b
1
0
a
a
also folgt für die Maximumnorm kvkC 0 .Œa;b/ D max jv.x/j
p
x2Œa;b
b akvkH 1 ..a;b// :
2. Schritt: Zu u 2 H˚ 1 .I / gibt es nach Definition eine Folge um 2 C01 .I / mit kum ukH 1 .I / ! 0 für m ! 1. Aus dem ersten Schritt angewandt auf die Funktion v D um ul erhält man kum ul kC 0 .Œa;b/
p
b akum ul kH 1 ..a;b// :
Also ist .um /m2N auch eine Cauchyfolge im Banachraum C 0 .I /. Aus der Analysis Q C 0 .I / ! 0 für wissen wir, dass es dann eine Funktion uQ 2 C 0 .I / gibt, mit kum uk m ! 1 (gleichmäßige Konvergenz). 3. Schritt: uQ D u fast überall, denn kuQ ukL2 .I / kuQ um kL2 .I / C kum ukL2 .I / p b akuQ um kC 0 .I / C kum ukH 1 .I / ! 0 für m ! 1. Also ist kuQ ukL2 .I / D 0. 4. Schritt: Einbettungsabschätzung: kuk Q C 0 .I / D lim kum kC 0 .I / m!1
p p b a lim kum kH 1 .I / D b akukH 1 .I / : m!1
Dies gilt wegen der Stetigkeit der Norm in einem normierten Raum. 5. Schritt: Randwerte: u.a/ Q D limm!1 um .a/ D 0 und dasselbe für b. Dieses Resultat besagt, dass wir in einer Raumdimension eine H 1 .G/-Funktion u nur auf einer Menge vom Lebesguemaß Null abändern müssen, um eine stetige Funktion uQ zu erhalten. Beachten wir, dass Funktionen in Sobolevräumen sowieso nur bis auf Nullmengen erklärt sind, so ist also in diesem Sinn uQ D u.
62
Kapitel 2 Schwache Lösungen der Poissongleichung
2.4
Randwerte
Es ist nun zu klären, was es bedeutet, dass eine Funktion u 2 H˚ 1 .G/ ist. Wir hatten diesen Funktionenraum in Definition 2.16 sehr indirekt definiert. Wir werden jedoch zum Beispiel benötigen, dass eine Funktion aus C 0 .G/ \ H˚ 1 .G/ auf dem Rand eines polygonalen Gebietes G verschwindet. Wir werden sehen, dass für „gutartig“ berandete Gebiete diese Aussage gilt, für nicht „gutartig“ berandete Gebiete jedoch im Allgemeinen falsch ist. Wir beginnen mit dem positiven Resultat. Der Rand von G bestehe zu einem Teil aus einem Ebenenstück, das ohne Beschränkung der Allgemeinheit als xn D 0 angenommen wird. Es gebe ein ı > 0 und ein beschränktes Gebiet G Rn1 , so dass G fx D .x; xn / j x 2 G; 0 < xn < ıg D Gı ;
@G f.x; 0/ j x 2 Gg:
(2.16)
Sei nun u 2 C 0 .G/ \ H˚ 1 .G/. Nach Definition von H˚ 1 .G/ gibt es zu u 2 H˚ 1 .G/ eine Folge uj 2 C01 .G/ (j 2 N) mit ku uj kH 1 .G/ ! 0 für j ! 1. Insbesondere verschwindet uj auf dem Rand von G. Sei nun x 2 G fest gewählt. Dann ist also x D .x; xn /, und wir erhalten Zxn uj .x; xn / D uj .x; xn / uj .x; 0/ D
@uj .x; s/ ds @xn
0
und also auch Zı juj .x; xn /j
ı 12 p Z 2 jruj .x; s/j ds ı jruj .x; s/j ds :
0
0
Wir quadrieren diese Ungleichung und integrieren bezüglich x über G und bezüglich xn von 0 bis ı. Damit folgt Z Zı
2
juj .x; xn /j dxn d x ı G 0
2
Z Zı
jruj .x; s/j2 dsd x;
G 0
und wir haben bewiesen, dass kuj kL2 .Gı / ıkruj kL2 .G/ gilt. Und für j ! 1 (Stetigkeit der Norm!) erhalten wir kukL2 .Gı / ıkrukL2 .G/ :
(2.17)
63
Abschnitt 2.4 Randwerte
Wir beobachten nun, dass wegen der Stetigkeit von u in G 1 2 lim kukL 2 .G / D lim ı ı!0 ı ı!0
Z
1 ı
G
Zı
Z
2
u.x; xn / dxn d x D
u.x; 0/2 d x
G
0
ist. Wir verwenden noch (2.17) und erhalten Z 1 2 2 u.x; 0/2 d x D lim kukL 2 .G / lim ıkrukL2 .G/ D 0: ı ı!0 ı ı!0 G
Demnach folgt, dass u.x; 0/ D 0 für x 2 G ist. Damit haben wir folgenden Satz bewiesen. Satz 2.27. Es liege die Situation (2.16) vor, und es sei u 2 C 0 .G/ \ H˚ 1 .G/. Dann folgt u.x; 0/ D 0 für x 2 G. An einem einfachen Beispiel sehen wir, dass für Gebiete mit einem nicht „gutartigen“ Rand Aussagen wie im vorigen Satz nicht zu erwarten sind. Beispiel 2.28. Als Gebiet wählen wir G D B1 .0/ n f0g Rn , n 2. Wir zeigen, dass für dieses Gebiet H˚ 1 .G/ \ C 0 .G/ 6D fu 2 C 0 .G/ \ H 1 .G/ j u D 0 auf @Gg ist. Für n 3 (n D 2 geht ähnlich) definiere u.x/ D 1 jxj. Man rechnet nach, dass u 2 H 1 .G/ \ C 0 .G/ ist. Außerdem ist u 2 H˚ 1 .G/. Dazu konstruiert man eine Funktion u (und verwendet dann als Folge D j1 ) von der Form u .x/ D .jxj/u.x/ mit 2 C 1 .Œ0; 1/, 0 1, .jxj/ D 0 für jxj , .jxj/ D 1 für 2 jxj 1 und insgesamt j 0 j c . Man zeigt dann leicht, dass ku u kL2 .G/ k1 kL2 .G/ ; kr.u u /kL2 .G/ k1 kL2 .G/ C kr kL2 .G/ gilt und bemerkt, dass k1 kL2 .G/ ! 0 . ! 0/;
n
kr kL2 .G/ c 2 1 ! 0 . ! 0/
geht. Damit hat man gezeigt, dass zwar u 2 C 0 .G/ \ H˚ 1 .G/ liegt, jedoch u.0/ D 1 6D 0 ist.
64
Kapitel 2 Schwache Lösungen der Poissongleichung
Die Existenz einer schwachen Lösung der Poissongleichung mit Nullrandwerten ist nach Satz 2.22 für beliebige beschränkte Gebiete gesichert. Wir erinnern uns aber daran, dass für die Existenz einer klassischen Lösung der Rand nur aus regulären Randpunkten bestehen durfte (siehe zum Beispiel Satz 1.35). Wir zeigen im folgenden Beispiel, dass diese Problematik auch bei schwachen Lösungen auftritt. Es ist nämlich so, dass bei „schlechtem“ Rand auch eine schwache Lösung die Randwerte nicht annimmt. Man besitzt dann zwar eine schwache Lösung des Randwertproblems für die Poissongleichung, aber sie tut nicht das, was gefordert ist. Dies widerspricht nicht unseren Beobachtungen über Randwerte von Sobolevfunktionen in Satz 2.27, denn der dort untersuchte Gebietsrand ist „gut“. Beispiel 2.29. Wir erinnern uns an Beispiel 1.19. Zur Vereinfachung setzen wir hier R D 1. Das Gebiet ist G D fx 2 Rn j 0 < jxj < 1g Rn , n 2, und die Randwerte sind durch g.x/ D 1 auf jxj D 1 und g.0/ D 0 gegeben. Als rechte Seite der Differentialgleichung wählen wir f D 0. Wir setzen g als g.x/ D jxj für x 2 G fort. Dann ist g 2 H 1 .G/. Nach Satz 2.24 gibt es nun eine Funktion u 2 H 1 .G/ mit u g 2 H˚ 1 .G/, so dass für alle ' 2 H˚ 1 .G/ Z ru r' D 0 (2.18) G
ist. Diese eindeutig bestimmte schwache Lösung ist aber u.x/ D 1 (x 2 G). Offensichtlich genügt diese konstante Funktion der schwachen Differentialgleichung (2.18). Aber vor allem ist u g 2 H˚ 1 .G/. Dies beweist man ganz ähnlich wie im Beispiel 2.28.
2.5
Regularität
Es gibt viele Methoden, Regularität schwacher Lösungen elliptischer partieller Differentialgleichungen zu beweisen. Wir folgen hier dem am häufigsten verwendeten Verfahren. Wir verwenden Differenzenquotienten der schwachen Lösung, die wir in geeigneten Normen gleichmäßig im Parameter ı (siehe (2.20)) abschätzen. Dann liefert die elementare lineare Funktionalanalysis die Existenz der gewünschten schwachen Ableitung zusammen mit der entsprechenden Abschätzung. Wir führen den Beweis hier nur für den Modellfall des Laplace-Operators. Zum Beweis steht uns nur die schwache Differentialgleichung zur Verfügung: u 2 H 1 .G/ Z Z rur' D f ' 8' 2 H˚ 1 .G/: (2.19) G
Dabei ist f 2 L2 .G/.
G
65
Abschnitt 2.5 Regularität
Hilfssatz 2.30. Es sei G Rn offen und beschränkt, G 0 G und u 2 H 1 .G/. Für 0 < ı < dist.G 0 ; @G/ D infx2G 0 ;y2@G jx yj definieren wir die Differenzenquotienten .Dık u/.x/ D
u.x C ıek / u.x/ ; ı
.Dık u/.x/ D
u.x/ u.x ıek / : (2.20) ı
für x 2 G 0 . Dabei ist ek der k-te Standardbasisvektor im Rn . Dann ist D˙ık u 2 L2 .G 0 /, und es gilt kD˙ık ukL2 .G 0 / kuxk kL2 .G/ :
(2.21)
Beweis. Zum Beweis dürfen wir nach Satz 5.53 annehmen, dass u 2 C 1 .G/\H 1 .G/ ist. Dann erhalten wir 1 .Dık u/.x/ D ı
Zı uxk .x1 ; : : : ; xk1 ; xk C s; xkC1 ; : : : ; xn / ds 0
und demnach 1 .Dık u/.x/ ı 2
Zı
uxk .x1 ; : : : ; xk1 ; xk C s; xkC1 ; : : : ; xn /2 ds:
0
Wir integrieren diese Ungleichung bezüglich x über G 0 und erhalten Z
1 .Dık u/.x/ dx ı 2
G0
Zı Z
uxk .x1 ; : : : ; xk1 ; xk C s; xkC1 ; : : : ; xn /2 dxds
0 G0
1 D ı Z D
Zı
Z
1 uxk .x/ dxds ı
0 G 0 Csek
2
Zı Z
uxk .x/2 dxds
0 G
uxk .x/2 dx:
G
Hierbei ist selbstverständlich G 0 C sek D fx C sek j x 2 G 0 g. Aufgabe 2.31. Man verallgemeinere das obige Resultat zunächst auf 1 p < 1 und dann auf den Fall p D 1. Dazu verwende man, dass limp!1 kf kLp .G/ D kf kL1 .G/ ist. Auch für die Differenzenquotienten gilt eine (triviale) Formel für partielle Integration.
66
Kapitel 2 Schwache Lösungen der Poissongleichung
Hilfssatz 2.32. Für v 2 L2 .G/ mit supp v G, u 2 L2 .G/ und 0 < ı < dist.supp v; @G/ gelten Z Z uDık v D vDık u (2.22) G
G
und Dık .uv/.x/ D u.x C hek /Dık v.x/ C v.x/Dık u.x/:
(2.23)
Beweis. Zu (2.22): Z Z 1 u.x/Dık .x/ dx D u.x/.v.x C ıek / v.x// dx ı G
G
1 D ı
Z
Z u.y ıek /v.y/ dy
u.x/v.x/ dx G
GCıek
Z
Dık u.y/ v.y/ dy:
D G
Die Produktregel (2.23) folgt sofort, indem man die beteiligten Terme ausschreibt. Wir wenden uns nun dem Nachweis einer Abschätzung der Form kDık uxk kL2 .G 0 / c zu, wobei die Konstante c unabhängig von ı ist. Dazu verwenden wir die schwache Differentialgleichung (2.19). Wir wählen eine Abschneidefunktion mit den Eigenschaften 2 C01 .G/;
0 1;
jr j c;
supp G 0
(2.24)
für eine offene Menge G 0 G. Außerdem sei nun k 2 f1; : : : ; ng fest gewählt. Wir setzen in (2.19) als Testfunktion ' D Dık . 2 Dık u/ 2 H˚ 1 .G/ ein. Dies ergibt die Gleichung n Z X i D1 G
2
Z
uxi .Dık . Dık u//xi D G
f Dık . 2 Dık u/:
(2.25)
67
Abschnitt 2.5 Regularität
Die linke Seite dieser Gleichung können wir mit Hilfssatz 2.32 umformen: n Z X
uxi .Dık . 2 Dık u//xi D
i D1 G
n Z X
uxi Dık . 2 Dık u/xi
iD1 G
D
n Z X
Dık uxi . 2 Dık u/xi
i D1 G
D
n Z X
2 2
.Dık uxi / 2
i D1 G
n Z X
xi Dık uxi Dık u:
iD1 G
Indem wir dies in Gleichung (2.25) einsetzen und abschätzen, folgt die Ungleichung n Z X
2 2
.Dık uxi / 2
iD1 G
Z
n Z X
jDık uxi j jDık ujj xi j C
i D1 G
jf jjDık . 2 Dık u/j:
G
Die Terme auf der rechten Seite lassen sich nun mittels Cauchy-Schwarzscher und Youngscher Ungleichung (" > 0 beliebig) und mit (2.21) weiter abschätzen zu "
n Z X i D1 G
Z
1 .Dık uxi / C " 2 2
.Dık u/2 2xi
G
Z C
f
2
12 Z
2
.
G
Dık u/2xk
12 ;
G
wobei wir beachten, dass die Integrale, die enthalten, sich jeweils nur über eine 0 0 kompakte Teilmenge G beziehungsweise G ıek von G erstrecken. Nun ist . 2 Dık u/xk D 2 xk Dık u C 2 Dık uxk ; und dies erlaubt schließlich die Ungleichung n Z X
2 2
.Dık uxi / 2"
i D1 G
n Z X i D1 G
Wähle zum Beispiel " D
1 4
2 2
Z
.Dık uxi / C c."/
2
Z
f Cc G
u2xk :
G
und erhalte die Abschätzung (2.26) im folgenden Lemma.
Lemma 2.33. u sei eine schwache Lösung der Poissongleichung (2.19). Dann gilt für G 0 G die Abschätzung kDık uxi kL2 .G 0 / c.kf kL2 .G/ C kukH 1 .G/ /
(2.26)
für i; k D 1; : : : ; n, wobei die Konstante c von dist.G 0 ; @G/ aber nicht von ı abhängt.
68
Kapitel 2 Schwache Lösungen der Poissongleichung
Zu diesem Zeitpunkt ist unter Umständen nicht klar, wie eine Abschneidefunktion wie in (2.24) zu konstruieren ist. Nachdem wir in Abschnitt 5.8 Friedrichssche Glättungsfunktionen zur Verfügung gestellt haben werden, können wir D . G 0 /" zu gegebenem G 0 G wählen. Im Moment könnte man G 0 D B2R .x0 / mit x0 2 G und R > 0 so klein, dass B2R .x0 / G gilt, wählen. In diesem Fall ist es einfach, eine Funktion 2 C01 .B2R .x0 // mit 0 1, D 1 auf BR .x0 /, sowie jr j c.R/ zu konstruieren. Dann hat man die Abschätzungen aus Lemma 2.33 mit BR .x0 / an der Stelle von G 0 und B2R .x0 / an der Stelle von G zur Verfügung. Danach überdeckt man ein gegebenes Teilgebiet G 0 G (wegen der Kompaktheit von G 0 ) mit endlich vielen Kugeln B2R .x .j / / (j D 1; : : : ; N ). Dann folgt: 2 kDık uxi kL 2 .G 0 /
N X
2 kDık uxi kL 2 .B
R .x
.j / //
j D1
c
N X
2 .kf kL 2 .B
2R .x
.j / //
2 C kukH 1 .B
2R .x
.j / //
/
j D1 2 2 c.kf kL 2 .G/ C kukH 1 .G/ /:
Nachdem nun die Differenzenquotienten der Funktionen uxi gleichmäßig in ı abgeschätzt sind, verwendet man den folgenden kleinen Hilfssatz. Hilfssatz 2.34. Sei G 0 G. Ist v 2 L2 .G/ so, dass kDık vkL2 .G 0 / C0 für alle 0 < ı < dist.G 0 ; @G/, so existiert die schwache Ableitung vxk in G 0 , und es gilt die Abschätzung kvxk kL2 .G 0 / C0 : Der Beweis verwendet einen wichtigen Satz der elementaren Funktionalanalysis (siehe auch Satz A.14). Er ist der Ersatz für den Satz von Bolzano-Weierstraß, der in unendlichdimensionalen Räumen nicht gilt. Der Beweis ist elementar mit dem Cantorschen Diagonalfolgenverfahren und dem Rieszschen Darstellungssatz (Satz 4.2) führbar. Satz 2.35. Es sei X ein Hilbertraum mit dem Skalarprodukt .; /X . Dann besitzt eine beschränkte Folge .uk /k2N , uk 2 X .k 2 N/, kuk kX C
.k 2 N/;
eine schwach konvergente Teilfolge .ukj /j 2N , ukj * u (j ! 1) gegen ein u 2 X , das heißt es gilt 8' 2 X W .ukj ; '/X ! .u; '/X .j ! 1/: Außerdem ist kukX C .
69
Abschnitt 2.5 Regularität
Beweis von Hilfssatz 2.34. Wähle eine Folge ım ! 0 für m ! 1 mit 0 < ım < dist.G 0 ; @G/. Dann ist .Dım k v/m2N eine beschränkte Folge im Hilbertraum L2 .G 0 /. Demnach gibt es nach Satz 2.35 eine Teilfolge .ımj /j 2N und eine Funktion w 2 L2 .G 0 /, so dass Dımj k v * w für j ! 1, das heißt Z Z Dımj k v' ! w' .j ! 1/ 8' 2 L2 .G 0 /: G0
G0
Dann ist zu zeigen, dass w eine schwache Ableitung von v ist. Sei dazu ' 2 C01 .G 0 /. Mit (2.22) folgt nun Z Z Z Z w' D lim Dımj k v' D lim vDımj k ' D v'xk : j !1 G0
G0
j !1 G0
G0
Die letzte Gleichheit folgt wegen der Glattheit von '. Demnach ist w D vxk . Die Abschätzung durch die Konstante C0 folgt, da die Norm bezüglich schwacher Konvergenz unterhalbstetig ist. Satz 2.36. Es sei u 2 H 1 .G/ eine schwache Lösung der Poissongleichung wie in (2.19) zu f 2 L2 .G/. Sei G 0 G. Dann ist u 2 H 2 .G 0 /, und es gibt eine von dist.G 0 ; @G/ abhängende Konstante c, so dass die Abschätzung kukH 2 .G 0 / c.kf kL2 .G/ C kukH 1 .G/ /
(2.27)
besteht. Es ist u D f fast überall in G! Beweis. Das Resultat folgt durch Kombination von Lemma 2.33 mit Hilfssatz 2.34. Die Tatsache, dass die partielle Differentialgleichung nun fast überall erfüllt ist, folgt aus der Definition der schwachen Ableitung, denn für alle ' 2 C01 .G/ besteht die Gleichung Z Z Z .f C u/ ' D f ' ru r' D 0; G
G
und L2 .G/-Funktionen lassen sich durch
G
C01 .G/-Funktionen
approximieren.
Ist die rechte Seite f der Differentialgleichung noch „glatter“ als f 2 L2 .G/, ist zum Beispiel f 2 H 1 .G/, so können wir die obigen Resultate verwenden, um nachzuweisen, dass u 2 H 3 .G 0 / ist. Das Vorgehen beruht auf der Gleichung Z Z Z Z ruxk r' D ru r'xk D f 'xk D fxk '; G
G
G
G
die für k D 1; : : : ; n und alle ' 2 C02 .G/ besteht. Man beachte, dass hier nur das Ergebnis von Satz 2.36 verwendet wird. Indem man dieses Vorgehen iteriert, erhält man leicht den folgenden Satz.
70
Kapitel 2 Schwache Lösungen der Poissongleichung
Satz 2.37. Es sei u 2 H 1 .G/ eine schwache Lösung der Poissongleichung wie in (2.19) zu f 2 H s .G/ für ein s 2 N [ f0g. Sei G 0 G. Dann ist u 2 H sC2 .G 0 /, und es gibt eine von dist.G 0 ; @G/ abhängende Konstante c, so dass die Abschätzung kukH sC2 .G 0 / c.kf kH s .G/ C kukH 1 .G/ /
(2.28)
gilt. In den Abschätzungen der Sätze 2.36 und 2.37 treten auf der rechten Seite noch die H 1 .G/-Normen der kontinuierlichen Lösung u auf. In sofern sind diese Abschätzungen keine A-Priori-Abschätzungen. Dies liegt daran, dass wir für den Nachweis der Abschätzungen (2.27) und (2.28) keine Randwerte für die kontinuierliche Lösung zur Verfügung hatten beziehungsweise vorausgesetzt hatten. Nach (2.11), (2.14) haben wir jedoch für die schwache Lösung des Randwertproblems für die Poissongleichung die kukH 1 .G/ -Norm durch die Daten abgeschätzt. Die Regularität der schwachen Lösung bis zum Rand (oder „am Rand“) beweisen wir mit einer nicht üblichen Methode. Weil wir dafür die Fortsetzungstechnik aus dem Abschnitt 3.6 über die Randapproximation verwenden werden, beweisen wir die Randregularität erst in Abschnitt 4.7. Wir notieren hier jedoch schon das Resultat. Satz 2.38. Es sei G Rn ein beschränktes Gebiet mit 1 @G 2 C 2 Es sei u 2 H˚ 1 .G/ die schwache Lösung der Poissongleichung gemäß Satz 2.22 zur rechten Seite f 2 L2 .G/. Dann ist u 2 H 2 .G/, und es gilt die A-Priori-Abschätzung kukH 2 .G/ ckf kL2 .G/ :
(2.29)
Dieser Satz wird als Satz 4.26 für @G 2 C 3 bewiesen. Ähnlich wie bei der inneren Regularität erhält man für glattere rechte Seiten auch glattere Lösungen, die man entsprechend abschätzen kann. Solche Abschätzungen werden wir bei der Konvergenzanalysis der Finite-Elemente-Methode benötigen. Satz 2.39. Zusätzlich zu den Voraussetzungen von Satz 2.38 sei @G 2 C sC2 für ein s 2 N [ f0g. Außerdem sei f 2 H s .G/. Dann gilt für die schwache Lösung der Poissongleichung u 2 H sC2 .G/, und kukH sC2 .G/ ckf kH s .G/ :
(2.30)
Für Randwerte g 6D 0 findet man leicht selbst die entsprechenden Abschätzungen. So ist zum Beispiel das Problem u D f
in G;
uDg
auf @G
äquivalent zum Problem uQ D f C g 1 Dies
wird in Definition 3.43 formuliert.
in G;
uQ D 0
auf @G:
(2.31)
71
Abschnitt 2.6 Ausblick
Folgerung 2.40. Es seien die Voraussetzungen des vorigen Satzes erfüllt. Allerdings sei u die schwache Lösung des Randwertproblems (2.31) zu gegebenem g 2 H sC2 .G/ gemäß Definition 2.23. Dann ist u 2 H sC2 .G/ und kukH sC2 .G/ c.kf kH s .G/ C kgkH sC2 .G/ /:
(2.32)
Die vollständige Theorie findet man zum Beispiel im Buch [12].
2.6
Ausblick
Wir haben in diesem Kapitel den Existenz- und Eindeutigkeitsbeweis für schwache Lösungen der Poissongleichung auf beschränkten Gebieten des Rn erbracht. Andererseits wurden im ersten Kapitel klassische Lösungen mit dem Perronverfahren nachgewiesen. Der Zusammenhang dieser beiden Lösungstheorien ist nicht ganz einfach nachzuvollziehen. Warum waren wir nicht mit den zuerst konstruierten klassischen Lösungen zufrieden? Der wichtigste Grund liegt darin, dass auch in praktischen Anwendungen Lösungen mit Singularitäten auftreten. So können Quellterme f auftreten, die nun einmal keine klassischen Lösungen erlauben. Ein einfaches Beispiel kann man schon in einer Raumdimension konstruieren. Beispiel 2.41. Wir lösen die Poissongleichung auf dem Intervall G D .1; 1/. Die rechte Seite der Differentialgleichung sei durch die Deltadistribution ' 2 H˚ 1 .G/
f .'/ D ı.'/ D '.0/;
gegeben. Gerechtfertigt wird diese Wahl der rechten Seite durch den Einbettungssatz aus Lemma 2.26. Danach ist die Punktauswertung von ' im Punkt 0 sinnvoll. Wir wählen einen stetigen Repräsentanten 'Q der Äquivalenzklasse '. Dann erhalten wir p jf .'/j D jf .'/j Q j'.0/j Q 2k'kH 1 .G/ : Damit ist f 2 H 1 .G/ und die nun sehr einfache Poissongleichung u00 D f
in G;
u D 0 auf @G
besitzt die schwache Lösung 1 1 u.x/ D jxj C ; 2 2 die offensichtlich nicht klassisch differenzierbar ist. Dass u die schwache Lösung ist, sieht man wie folgt ein: Für ' 2 C01 .G/ gilt Z1 1
1 u .x/' .x/dx D 2 0
0
Z0 1
1 ' .x/dx 2 0
Z1 0
' 0 .x/dx D '.0/ D f .'/:
72
Kapitel 2 Schwache Lösungen der Poissongleichung
Daraus erhält man die schwache Form der Differentialgleichung auch für ' 2 H˚ 1 .G/ durch Approximation. Der aus Sicht der theoretischen Mathematik wichtigste Grund für die Untersuchung schwacher Lösungen besteht darin, dass es mit den direkten Methoden der Variationsrechnung relativ einfach ist, die Existenz schwacher Lösungen nachzuweisen. Die volle Kraft entfaltet diese Methode bei der analytischen (und numerischen) Behandlung von nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen oder bei Differentialgleichungen mit singulären Koeffizienten. Aus Sicht der Numerik erlaubt es der schwache Lösungsbegriff, diskrete Lösungen zu berechnen beziehungsweise zu konstruieren. Dies geschieht im nächsten Kapitel. Schließlich muss man sich die Frage stellen, ob die schwache Lösung bei genügend glatten Daten G und f vielleicht sogar eine klassische Lösung wie im ersten Kapitel ist. Dies ist das sogenannte Regularitätsproblem, das wir in den Abschnitten 4.6 und 4.7 lösen werden und für das wir in Abschnitt 2.5 einen ersten Schritt getan haben, indem wir gezeigt haben, dass eine schwache Lösung der Poissongleichung mit rechter Seite f 2 L2 .G/ zweite schwache Ableitungen in L2 .G 0 / besitzt. Mit den in Abschnitt 3.5 bewiesenen Sobolevschen Einbettungssätzen kann man dies dann ausnutzen und bei genügend glatten Daten zeigen, dass die schwache Lösung eine klassische Lösung ist. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob klassische Lösungen auch schwache Lösungen sind. Dies untersuchen wir nun. Sei dazu G Rn ein beschränktes Gebiet, und sei u 2 C 0 .G/ \ C 2 .G/ eine Lösung von u D f in G mit u D 0 auf @G. Wie für eine klassische Lösung notwendig sei dabei supG jf j < 1. Satz 2.42. Sei u im beschränkten Gebiet eine klassische Lösung der Poissongleichung zu Nullrandwerten. Dann ist u eine schwache Lösung. Beweis. Wir zeigen, dass u eine schwache Lösung ist. Wähle eine Abschneidefunktion wk 2 C 1 .R/, 0 wk 1 so, dass wk .t / D 1 für jt j k1 und wk .t / D 0 für Rt 1 jt j 2k ist (k 2 N). Sei nun k .t / D 0 wk .s/ ds. Dann ist insbesondere k .0/ D 0, und es gilt ˇ Zt ˇ ˇ ˇ 2 jk .t / t j D ˇˇ wk .s/ 1 ds ˇˇ ! 0 k
.k ! 1/:
0
Setze uk D k .u/. Da u stetig auf G ist und auf dem Rand verschwindet, konvergiert demnach uk ! u gleichmäßig auf G für k ! 1. Vor allem ist uk 2 C02 .G/! Für die Ableitung erhalten wir ruk D wk .u/ru:
73
Abschnitt 2.6 Ausblick
Ist u.x/ 6D 0 in einem Punkt x 2 G, so ist u 6D 0 in einer Umgebung von x, und wir erhalten, dass ruk .x/ ! ru.x/ für k ! 1 gilt. Ist u.x/ D 0 und außerdem ru.x/ D 0, so erhalten wir dasselbe Resultat. Wir betrachten die Ausnahmemenge E D fx 2 G j u.x/ D 0 und ru.x/ 6D 0g: Bisher wissen wir, dass ruk .x/ ! ru.x/ (k ! 1) für x 2 G n E gilt. Die Ausnahmemenge E ist jedoch eine Lebesgue-Nullmenge. Die Begründung ist, dass in einer Umgebung eines Punktes z 2 E die Menge E ein Graph ist, denn ru.z/ 6D 0. Demnach ist E \ B .z/ eine Nullmenge. Wähle nun offene Mengen Gk G, die G für k ! 1 ausschöpfen und setze n 1o Ek D x 2 Gk j u.x/ D 0 und jru.x/j : k Nach den obigen Argumenten ist Ek eine Nullmenge, und dies impliziert, dass E eine Nullmenge ist. Also haben wir gezeigt, dass ruk ! ru (k ! 1) fast überall auf G gilt. Wir verwenden, dass u eine Lösung der Poissongleichung ist. Für die folgende partielle Integration benötigen wir keine Glattheit des Randes von G, da wir die beteiligte Funktion uk durch Null auf eine große Kugel fortsetzen können, die das Gebiet G enthält. Für diese Kugel verwenden wir dann den Gaußschen Integralsatz Satz 1.3. Z Z Z Z f uk D uuk D ru ruk D wk .u/jruj2 : G
G
G
G
Das Lemma von Fatou (Satz B.2), angewandt auf die Folge wk .u/jrujR2 0, und die R Tatsache, dass der Grenzwert limk!1 G f uk existiert, liefert, dass G jruj2 < 1 ist. Genauso erhält man, dass Z jr.uk u/j2 ! 0 .k ! 1/ G
gilt. Da die Folge .uk /k2N aus C02 .G/ ist, haben wir damit gezeigt, dass u 2 H˚ 1 .G/ ist. Außerdem erhält man die Gleichung Z Z ru r' D f ' G
für alle Testfunktionen ' 2 H˚ 1 .G/.
G
74
Kapitel 2 Schwache Lösungen der Poissongleichung
Lebesgueintegral ?
Dirichletsches Prinzip ?
Sobolevräume
Hilbertraum
?
Schwache Lösung u D f in G, u D 0 auf @G ?
Schwache Lösung u D f in G, u D g auf @G ?
Regularität
?
Dualraum
?
Klassische Lösung u D f in G, u D g auf @G
Abbildung 2.1. Struktur der Paragraphen 2.1 bis 2.5: Lösungen des Randwertproblems für die Poissongleichung (Schwache Theorie).
Kapitel 3
Diskretisierung der Poissongleichung
3.1
Diskretisierungstechniken
3.1.1 Diskretisierung am Beispiel eines Differenzenverfahrens Wir diskretisieren das Randwertproblem für die Poissongleichung u D f
in G;
uDg
auf @G
(3.1)
mit finiten Differenzen. Bei dieser Gelegenheit führen wir die grundlegenden Begriffe Konsistenz, Stabilität und Konvergenz ein und schaffen uns einen abstrakten Rahmen für die Diskretsierung partieller Differentialgleichungen. Ein abstrakter Rahmen für Diskretisierungen ist durch das folgende Schema gegeben.
X0 [ T W X
Y0 [ ! Y
# DhX Th W Xh
# DhY ! Yh
Abbildung 3.1. Schema für die Diskretisierung einer kontinuierlichen Gleichung.
Hierin sind X; Y; X0 ; Y0 geeignete Räume für das kontinuierliche Problem, T u D b bezeichnet für u 2 X und b 2 Y das zu lösende kontinuierliche Problem. Xh und Yh sind geeignete diskrete Räume, die mit den kontinuierlichen Räumen durch Diskretisierungsabbildungen DhX und DhY verbunden sind. h steht für die Gitterweite beziehungsweise allgemeiner für einen Diskretisierungsparameter. Im Fall des Randwertproblems für die Poissongleichung wählen wir nach den analytischen Erfahrungen des ersten Kapitels T u D .u; uj@G / und b D .f; g/, wobei wir als Räume o n X D v 2 C 0 .G/ \ C 2;˛ .G/ j sup jvj < 1 X0 G
76
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
mit X0 D C 0 .G/ und o n Y D .v; w/jv 2 C 0;˛ .G/; w 2 C 0 .@G/; sup jvj < 1 Y0 G
mit Y0 D f.v; w/ 2 C 0 .G/ C 0 .@G/ j supG jvj < 1g wählen. Damit ist also T u D b , u D f in G; u D g auf @G: Lemma 3.1. Es sei G ein Gebiet, das den Bedingungen von Satz 1.44 genügt. Dann ist die Abbildung T W X ! Y linear und bijektiv. Beweis. Dass durch T eine Abbildung von X nach Y gegeben ist, sieht man schnell ein. Ist v 2 X, so folgt v 2 C 0 .G/ \ C 2;˛ .G/ und supG jvj < 1. Durch T wird v abgebildet in T v D .v; vj@G /. Setzen wir vQ D v, so ist vQ 2 C 0;˛ .G/ und Q < 1. Für wQ D vj@G gilt: wQ 2 C 0 .@G/. Die Linearität von T ist klar. supG jvj T ist injektiv. Es reicht zu zeigen: T u D 0 impliziert u D 0. Nun bedeutet T u D 0, dass u D 0 in G und uj@G D 0 ist. Das Maximumprinzip 1.17 liefert dann u D 0 in G. T ist surjektiv. Zu jedem Paar .f; g/ 2 Y gibt es ein u 2 X, so dass T u D .f; g/ gilt. Es ist .f; g/ 2 Y , falls f 2 C 0;˛ .G/ mit supG jf j < 1 und g 2 C 0 .@G/ sind. Nach Satz 1.44 gibt es dann eine Lösung von u D f in G; u D g auf @G. Beachte dann außerdem, dass supG juj D supG jf j < 1 ist. Zur Diskretisierung erfinden wir nun diskrete Räume Xh ; Yh zusammen mit den Diskretisierungsabbildungen DhX ; DhY . Die klassische Methode ist, dass Xh ; Yh aus Gitterfunktionen bestehen. Wir überdecken G mit einem Gitter der Gitterweite h > 0: G h D G \ hZn und definieren den Gitterrand durch @Gh D fx 2 G h j dist.x; @G/ < hg: Dabei verwenden wir den dem Gitter angepassten Abstandsbegriff dist.x; @G/ D infy2@G kx ykl 1 mit kzkl 1 D maxj D1;:::;n jzj j für z 2 Rn . Dementsprechend erklären wir Gh D G h n @Gh : Siehe dazu Abbildung 3.2. Als diskrete Räume wählen wir die Gitterfunktionen auf G h bzw. @Gh : Xh D fvh W G h ! Rg;
Yh D f.vh ; wh /jvh W Gh ! R; wh W @Gh ! Rg:
77
Abschnitt 3.1 Diskretisierungstechniken
Abbildung 3.2. Darstellung des Gebiets G und des Differenzengitters. Die Punkte gehören zu Gh , die Punkte ı zu @Gh .
Die Diskretisierungsabbildungen sind Einschränkungen auf das Gitter. Dabei verlangen wir, dass @Gh @G ist. Dies ist eine sehr einschränkende Bedingung, die im Allgemeinen durch kompliziertere Abbildungen ersetzt werden muss. Wir wollen hier jedoch nur den Rahmen für Differenzenverfahren kennenlernen. Deshalb ist dies hier legitim. DhX v D vjG h ;
DhY .v; w/ D .vjGh ; wj@Gh /:
Den diskreten Operator erklären wir durch Th uh D .h uh ; uh j@Gh /;
uh 2 Xh ;
wobei für x 2 Gh definiert wird: .h uh /.x/ D
n n X X 1 .x/ u .x C he / uh .x hej / : 2nu j h h 2 h j D1
j D1
Man beachte, dass h nur auf inneren Gitterpunkten erklärt ist. Das diskrete Problem lautet nun: Zu .fh ; gh / 2 Yh finde (genau ein) uh 2 Xh , so dass gilt: Th uh D .fh ; gh /.
78
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
Lemma 3.2. Die Abbildung Th W Xh ! Yh ist linear und bijektiv. Beweis. Die Linearität ist klar. Nun ist Th uh D .fh ; gh / genau dann, wenn h uh D fh
auf Gh ;
uh D gh
auf @Gh :
(3.2)
Das ist aber ein lineares Gleichungssystem zur Bestimmung der Werte von uh auf G h . Es handelt sich um jG h j Unbekannte und jGh j C j@Gh j D jG h j Gleichungen. Also ist Injektivität von Th äquivalent zur Surjektivität. Wir weisen die Injektivität, das heißt die Eindeutigkeit nach. Dazu ist nachzuweisen, dass aus T uh D .0; 0/ folgt: uh D 0 auf G h . Aus .h uh ; uh j@Gh / D .0; 0/ folgt sofort, dass uh D 0 auf @Gh ist. Es bleibt zu beweisen, dass uh in den inneren Knoten verschwindet. Aus der diskreten Differentialgleichung h uh D 0 folgt die diskrete Mittelwertgleichung uh .x/ D
X 1 X uh .x hej / C uh .x C hej / 2n n
n
j D1
j D1
(3.3)
für x 2 Gh . Beachte die Analogie zur kontinuierlichen Mittelwertgleichung in Satz 1.15. Angenommen, es gibt einen Gitterpunkt x0 2 Gh , in dem uh ein Maximum annimmt, das heißt uh .x0 / D maxx2G h uh .x/ gilt. Gleichung (3.3) in diesem Punkt impliziert dann n X j D1
.u .x0 / uh .x0 C hej // C ƒ‚ … „h 0
n X j D1
.u .x0 / uh .x0 C hej // D 00 : ƒ‚ … „h
(3.4)
Damit ist uh auf dem Differenzenstern x0 ˙ hej konstant gleich uh .x0 /. Nun müssen wir diese Eigenschaft auf ganz Gh ausdehnen. Das geschieht beim Beweis der Stabilität weiter unten. Damit folgt dann: uh D 0 in G h . Beispiel 3.3. In zwei Raumdimensionen .n D 2/ und für das Gebiet G D .0; 1/ .0; 1/ und die Gitterweite h D 1=.N C 1/, N 2 N, ist G h D f.hi; hj / j 0 i; j N C 1g; @Gh D f.hi; hj / 2 G h j i D 0; N C 1 oder j D 0; N C 1g: Wir kürzen für eine Gitterfunktion v ab: vij D v.hi; hj /. Damit lautet das Gleichungssystem (3.2) 1 .4uij ui C1;j ui 1;j ui;j C1 ui;j 1 / D fij h2 uij D gij
1 i; j N; in den anderen Knoten:
Die Lösung solcher Gleichungssysteme ist Gegenstand der Untersuchungen in den einführenden Vorlesungen zur Numerik. Es handelt sich um ein symmetrisches Gleichungssystem mit Block-Tridiagonal-Struktur, wenn man die übliche lexigraphische Numerierung beibehält.
Abschnitt 3.1 Diskretisierungstechniken
79
Es erhebt sich die wesentliche Frage, ob die Lösung des diskreten Problems (3.2) eine Approximation des kontinuierlichen Problems (3.1) liefert, das heißt gilt mit einer geeigneten Norm kuh uk ! 0, wenn die Gitterweite h ! 0 konvergiert? Zur Untersuchung dieses Problems führen wir die grundlegenden Konzepte der numerischen Analysis ein. Insbesondere benötigen wir nun normierte Räume. Definition 3.4. Es liege die Situation des Schemas 3.1 vor. Dabei seien X0 ; Y0 ; Xh ; Yh normierte Räume und X X0 ; Y Y0 Teilräume. Das Schema heißt: konsistent in u 2 X , falls gilt: kTh DhX u DhY T ukYh ! 0 .h ! 0/; stabil, falls es eine von h unabhängige Konstante cStab > 0 gibt, so dass für alle vh 2 Xh gilt: kvh kXh cStab kTh vh kYh ; konvergent, falls für die Lösung uh 2 Xh von Th uh D bh zu bh 2 Yh und die Lösung u 2 X von T u D b zu b 2 Y gilt, d.h. kuh DhX ukXh ! 0 .h ! 0/: Satz 3.5. Konsistenz und Stabilität implizieren Konvergenz, falls die Daten konsistent approximiert werden: kbh DhY bkYh ! 0 .h ! 0/: Man kann natürlich auch gleich bh D DhY b wählen. Auch die umgekehrte Richtung ist wahr. Der Beweis verwendet dann allerdings das Prinzip der Normbeschränktheit, das in der linearen Funktionalanalysis bewiesen wird. Weitere Informationen findet man in [28]. Für uns ist im Moment aber nur die Aussage des Satzes wichtig. Für nichtlineare Abbildungen T ist die Aussage im Allgemeinen falsch. Auch eine quantitative Version des Satzes gilt. Hat man Konsistenz der Ordnung ˛, das heißt gilt für h h0 kTh DhX u DhY T ukYh ch˛ ; wird die rechte Seite von der Ordnung ˛ approximiert, und hat man Stabilität, so folgt Konvergenz der Ordnung ˛: kuh DhX ukXh ch˛ : Der Beweis ist offensichtlich analog zu dem nun folgenden Beweis des Satzes.
80
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
Beweis. Es seien also u 2 X, uh 2 Xh , b 2 Y , bh 2 Yh und T u D b; Th uh D bh . Dann folgt kuh DhX ukXh cStab kTh .uh DhX u/kYh D cStab kTh uh Th DhX ukYh D cStab k.Th uh bh / C .bh DhY b/ C .DhY b Th DhX u/kYh „ ƒ‚ … D0
cStab fkbh DhY bkYh C kDhY T u Th DhX ukYh g: „ ƒ‚ … „ ƒ‚ … !0
!0
Und das ergibt die Behauptung des Satzes. Für den Fall des Differenzenverfahrens für das Randwertproblem für die Poissongleichung wählen wir folgende Normen auf den am Anfang dieses Paragrafen gewählten Räumen: kvkX D max jvj;
k.v; w/kY D sup jvj C sup jwj;
G
kvh kXh D max jvh j; Gh
G
@G
k.vh ; wh /kYh D max jvh j C max jwh j: Gh
@Gh
Wir weisen Konsistenz und Stabilität für unser Problem (3.2) nach. Danach folgt mit Satz 3.5 die Konvergenz des Verfahrens. Der Nachweis der Konsistenz besteht wegen der Verwendung der klassischen Funktionenräume in einer angemessenen Taylorentwicklung. Die in der Definition der Konsistenz vorkommenden Größen sind Th DhX u D .h DhX u; DhX uj@Gh / D .h ujGh ; uj@Gh /; DhY T u D DhY .u; uj@G / D ..u/jGh ; uj@Gh /: Also erhalten wir Th DhX u DhY T u D .h .ujGh / C .u/jGh ; 0/ und damit dann kTh DhX u DhY T ukYh D max jh .ujGh /.x/ u.x/j: x2Gh
Für x 2 Gh entwickeln wir die Funktion u.x ˙ hei / nach Taylor und erhalten 1 u.x ˙ hei / D u.x/ ˙ uxi .x/h C uxi xi .x/h2 C o.h2 / 2
81
Abschnitt 3.1 Diskretisierungstechniken
für h ! 0. Addition dieser beiden Gleichungen und Summation über i ergibt u.x/ h .ujGh /.x/ D u.x/ C
X X 1 2nu.x/ u.x C he / u.x he / D o.1/: j j h2 n
n
j D1
j D1
Wir erhalten, falls u 2 C 2 .G/ ist, Konsistenz in u: max ju.x/ h .ujGh /.x/j ! 0
x2Gh
für h ! 0:
Außerdem beobachten wir: Ist sogar u 2 C 4 .G/, so können wir die Taylorentwicklung weitertreiben und erhalten sogar Konsistenz der Ordnung 2: max ju.x/ h .ujGh /.x/j ckukC 4 .G/ h2 :
x2Gh
Wenden wir uns dem Nachweis der Stabilität unseres Algorithmus zu. Wir weisen folgende Aussage nach: Es sei G beschränkt und h uh 0 in Gh . Dann gilt: maxG h uh max@Gh uh . Sei C D uh .x0 / D maxG h uh . Liegt x0 2 @Gh , so ist die Behauptung richtig. Also müssen wir uns nur den Fall x0 2 Gh ansehen. Die Argumentation ist nun ähnlich wie beim Nachweis der Eindeutigkeit einer Lösung des linearen Gleichungssystems. Wir haben nach Annahme X X 1 2nu .x / u .x C he / u .x he / j j h 0 h 0 h 0 h2 D
n X j D1
n
n
j D1
j D1
.u .x0 / uh .x0 C hej // C ƒ‚ … „h 0
n X j D1
.uh .x0 / uh .x0 hej // 0: ƒ‚ … „ 0
Also ist uh .x0 / D uh .x0 ˙ hej / D C für j D 1; : : : ; n. Wir sagen, was ein wegweiser Zusammenhang des Gitters ist: x0 und x 2 Gh sind durch einen Weg in Gh verbunden, falls es y0 ; : : : ; yk 2 Gh gibt, so dass y0 D x0 ; yk D x; yi1 D yi ˙ hej für i D 1; : : : k und jeweils ein j 2 f1; : : : ; ng gilt. Die zu x0 gehörende Zusammenhangskomponente von Gh bezeichnen wir mit weg
Gh .x0 / D fx 2 Gh j x ist mit x0 durch einen Weg in Gh verbundeng
82
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
und entsprechend weg
weg
Gh .x0 / D fx 2 G h j 9y 2 Gh .x0 / W x D y ˙ hej g: weg
weg
Man sieht leicht ein, dass ; 6D Gh .x0 / n Gh .x0 / @Gh . Damit gibt es ein x1 2 weg @Gh \ Gh .x0 / und demnach folgt max uh D C D uh .x0 / D uh .x1 / max uh : @Gh
Gh
Die obigen Überlegungen erlauben es uns nun, folgendes kleine Lemma zu beweisen. Lemma 3.6. Sei Gh ŒR; Rn . Dann ist das Schema (3.2) stabil, das heißt es gibt eine Konstante cStab > 0, so dass für alle h und alle vh 2 Xh gilt: kvh kXh cStab kTh vh kYh D cStab max jh vh j C max jvh j@Gh j : Gh
@Gh
Beweis. Sei vh 2 Xh . Dann gilt h vh D fh max fh D Ch : Gh
Nun ist für die quadratische Funktion x12 h x12 D
X X 1 2 2 2 2nx .x C hı / .x hı / 1 1j 1 1j 1 h2 n
n
j D1
j D1
1 D 2 .2x12 .x12 C 2x1 h C h2 / .x12 2x1 h C h2 // D 2: h Wir setzen uh .x/ D vh .x/ C ı2 x12 . Dann gilt ı h uh .x/ D h vh .x/ h x12 Ch ı: 2 Mit ı D Ch gilt also h uh 0 auf Gh . Also folgt mit gh D vh j@Gh : Ch 2 Ch 2 x1 max gh C R max uh max uh D max vh .x/ C 2 2 @Gh x2@Gh @Gh Gh max jgh j C @Gh
R2 max jfh j: 2 Gh
83
Abschnitt 3.1 Diskretisierungstechniken
Eine analoge Abschätzung nach unten ergibt dann insgesamt max juh j max jgh j C Gh
@Gh
R2 max jfh j 2 Gh
und damit max jvh j D max juh .x/ Gh
x2Gh
Ch 2 R2 x1 j max juh j C Ch max jgh j C R2 max jfh j: 2 2 Gh @Gh Gh
Damit ist nun insgesamt der folgende Konvergenzsatz für ein Differenzenverfahren für die Poissongleichung bewiesen: Satz 3.7. Es sei G Rn ein beschränktes Gebiet, das Gitter G h mit seinem Rand @Gh wie oben. Dann gibt es zu jedem .fh ; gh / 2 Yh genau eine diskrete Lösung uh 2 Xh von h uh D fh auf Gh und uh D gh auf @Gh . Außerdem gilt kuh DhX ukXh ! 0 für h ! 0, falls u 2 C 2 .G/. Liegt die kontinuierliche Lösung u 2 C 4 .G/, so gilt sogar kuh DhX ukXh ch2 : Beweis. Die Existenz einer Lösung folgt mit Lemma 3.1. Die Konvergenz folgt mit Satz 3.5 (mit Ordnung), da wir Konsistenz und Stabilität soeben beweisen haben.
3.1.2 Das Ritz-Galerkin-Verfahren In Kapitel 2 haben wir gesehen, dass die Lösung u der Poissongleichung zu Nullrandwerten durch das Minimieren des Funktionals Z 1 jrvj2 f .v/ (3.5) I.v/ D 2 G
über dem Sobolevraum X D H˚ 1 .G/ gefunden werden konnte: d D I.u/ D inf I.v/: v2X
Dieses u ist dann die schwache Lösung gemäß Definition 2.23. Die Idee des Ritz-Galerkin-Verfahrens ist nun ganz einfach. Man wähle einen endlichdimensionalen Teilraum Xh X und löse das Variationsproblem, ein uh 2 Xh zu finden, so dass dh D I.uh / D inf I.vh /: vh 2Xh
(3.6)
84
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
Die Wahl geeigneter Xh mit praktisch gut zu verarbeitenden Basen wird Gegenstand der nächsten Paragraphen sein. Offensichtlich ist I.u/ I.uh /: Ist uh 2 Xh eine Lösung des Variationsproblems (3.6), so folgt wie im unendlichdimensionalen Fall wegen I.uh / I.uh C "'h / für jedes " 2 R und jedes 'h 2 Xh die „schwache diskrete Differentialgleichung“ Z ruh r'h D f .'h / 8'h 2 Xh : (3.7) G
Fassen wir dies in einem Lemma zusammen. Lemma 3.8. Es sei f 2 H 1 .G/ zu dem beschränkten Gebiet G Rn . Ist nun Xh X D H˚ 1 .G/ ein endlichdimensionaler Teilraum, dann gibt es genau eine diskrete Lösung uh 2 Xh , so dass (3.6) gilt, und Z ruh r'h D f .'h / 8'h 2 Xh : (3.8) G
Außerdem ist dh d . Beweis. Der Beweis ist wörtlich derselbe wie der Beweis zu Satz 2.22. Nur ist der Beweis einfacher, da wir in dem endlichdimensionalen Raum Xh minimieren und ein solcher Raum immer vollständig ist. Die diskrete Differentialgleichung (3.8) ist ein lineares Gleichungssystem zur Bestimmung von uh 2 Xh . Um dies einzusehen stellen wir uh durch eine Basis dar. Sei Xh D spanf1 ; : : : ; N g: Demnach lässt sich uh schreiben als uh .x/ D
N X
uj j .x/;
x2G
(3.9)
j D1
mit zu bestimmenden reellen Zahlen uj . Aus diesen Koeffizienten bilden wir den Vektor u D .u1 ; : : : ; uN / :
85
Abschnitt 3.1 Diskretisierungstechniken
Die Gleichung (3.8) ist äquivalent zu Z ruh ri D f .i / .i D 1; : : : ; N /: G
Mit der Darstellung (3.9) ist dies wiederum äquivalent zu N X j D1
Z uj
rj ri D f .i /;
.i D 1; : : : ; N /;
(3.10)
G
und wenn wir die sogenannte Steifigkeitsmatrix mit Z Sij D rj ri ; .i; j D 1; : : : ; N /
(3.11)
G
bezeichnen und die rechte Seite mit f D .f1 ; : : : ; fN /;
fi D f .i /
.i D 1; : : : ; N /;
(3.12)
so ist (3.8) äquivalent zum linearen Gleichungssystem Su D f : Dieses Gleichungssystem hat nun wichtige Eigenschaften. Lemma 3.9. Die Steifigkeitsmatrix S ist symmetrisch und positiv definit. P Beweis. Die Symmetrie ist offensichtlich. Sei 2 Rn . Setze vh .x/ D jND1 j j .x/ und erhalte S D
N X i;j D1
Z Sij j i D G
1 jrvh j 2 cP 2
Z
vh2 :
G
Dabei haben wir im letzten Schritt die Poincarésche Ungleichung verwendet. Offensichtlich ist dieser Ausdruck nicht negativ und gleich Null genau dann, wenn vh D 0 ist, das heißt vh identisch verschwindet. Daraus folgt dann aber, dass D 0 ist. Auf die Poincarésche Ungleichung hätte man hier verzichten können, denn S D 0 bedeutet, dass vh 2 Xh H˚ 1 .G/ konstant, also gleich Null ist. Wegen der besonders einfachen mathematischen Struktur der Diskretisierung können wir den Fehler zwischen kontinuierlicher Lösung und diskreter Lösung leicht abschätzen.
86
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
Satz 3.10. Sei G Rn ein beschränktes Gebiet, f 2 H 1 .G/ und Xh H˚ 1 .G/ ein endlichdimensionaler Teilraum. Ist u 2 H˚ 1 .G/ die kontinuierliche Lösung aus Satz 2.22 und ist uh 2 Xh die diskrete Lösung aus Lemma 3.8, so gilt kr.u uh /kL2 .G/ D inf kr.u 'h /kL2 .G/ : 'h 2Xh
(3.13)
Damit ist die Abschätzung des Fehlers zwischen kontinuierlicher Lösung und diskreter Lösung auf ein Approximationsproblem zurückgeführt – das uns aber noch beträchtliche Arbeit abverlangen wird. Beweis. u 2 H˚ 1 .G/ ist die kontinuierliche Lösung: Z ru r' D f .'/ 8' 2 H˚ 1 .G/:
(3.14)
G
uh 2 Xh ist die diskrete Lösung: Z ruh r'h D f .'h /
8'h 2 Xh :
(3.15)
G
Wegen Xh H˚ 1 .G/ dürfen wir in der ersten Gleichung (3.14) auch diskrete Funktionen ' D 'h als Testfunktionen einsetzen. Wir subtrahieren danach die Gleichungen (3.14) und (3.15) und erhalten die Orthogonalität des Fehlers: Z r.u uh / r'h D 0 8'h 2 Xh : (3.16) G
Nun folgt weiter für jedes 'h 2 Xh : Z Z 2 D r.u u / ru r.u uh / ruh kr.u uh /kL 2 .G/ h G
G
Z
D
Z
r.u uh / ru G
G
Z
D
r.u uh / r'h
r.u uh / r.u 'h / G
kr.u uh /kL2 .G/ kr.u 'h /kL2 .G/ : Das ergibt dann kr.u uh /kL2 .G/ kr.u 'h /kL2 .G/ für jedes 'h , also die Behauptung des Satzes.
87
Abschnitt 3.1 Diskretisierungstechniken
Zum Abschluss dieses Paragrafen zeigen wir, wie einfach sich das Ritz-Galerkin Verfahren in den abstrakten Rahmen einer Diskretisierung, wie in Abbildung 3.1 gezeigt, einbetten lässt. Nun ist X ein Sobolevraum und Y sein Dualraum: Y D H 1 .G/:
X D H˚ 1 .G/;
Für X0 können wir zum Beispiel X0 D L2 .G/ und für Y0 D Y wählen. Die lineare Abbildung sei nun T D im Sinn von Lemma 2.21 durch Z T D ; .T u/.'/ D ru r'; u; ' 2 H˚ 1 .G/ G
definiert. Damit ist T W X ! Y . Xh ist ein endlichdimensionaler Teilraum von H˚ 1 .G/ und Yh definieren wir als den Dualraum: Yh D Xh0 :
Xh X;
Da Xh ein Teilraum von X ist, können wir den diskreten Differentialoperator als Einschränkung des kontinuierlichen Operators auf den endlichdimensionalen Teilraum definieren: Z Th D T jXh ; .Th uh /.'h / D ruh r'h ; uh ; 'h 2 Xh : G
Als Diskretisierungsoperator auf Y wählen wir ˇ DhY f D f ˇX ; f 2 Y h
die Einschränkung des Funktionals f 2 X 0 auf den endlichdimensionalen Teilraum Xh . Damit ist offensichtlich DhY W Y ! Yh wohldefiniert und linear und stetig, denn für f 2 Y D X 0 haben wir wegen Yh D Xh0 kDhY f kYh D
sup 'h 2Xh nf0g
DhY f .'h / k'h kXh
D
f .'h / kf kY : 'h 2Xh nf0g k'h kX sup
Die Konstruktion eines Diskretisierungsoperators auf X kann aufwendig sein. Dies geschieht zusammen mit der Konstruktion von für die Praxis geeigneten endlichdimensionalen Teilräumen Xh im nächsten Kapitel. An dieser Stelle wählen wir die sogenannte Ritzprojektion als Diskretisierungsoperator. Zu gegebenem u 2 X sei DhX u D uh 2 Xh die Lösung der Gleichung Z Z ruh r'h D ru r'h 8'h 2 Xh : G
G
88
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
Nach Lemma 3.8 gibt es genau eine Lösung uh dieser Gleichung, wobei die rechte Seite durch Z f .'h / D ru r'h .'h 2 Xh / G
gegeben ist. Damit haben wir die Diskretisierung DhX W X ! Xh konstruiert. Konsistenz: Nach Definition haben wir, dass gilt: kTh DhX u DhY T ukYh D
j.Th DhX u DhY T u/.'h /j
sup 'h 2Xh nf0g
D
1 'h 2Xh nf0g k'h kX
kr.DhX u
Z
sup
k'h kXh r.DhX u u/ r'h
G
u/kL2 .G/ :
Demnach bedeutet Konsistenz, dass kr.DhX u u/kL2 .G/ ! 0
.h ! 0/
(3.17)
gilt. Diese Bedingung ist entweder durch Konstruktion (siehe später) oder durch eine geeignete Voraussetzung zu erfüllen. Immerhin ist bis zu diesem Schritt der Teilraum Xh X ziemlich beliebig. Nach Definition der Ritzprojektion beziehungsweise nach Lemma 3.8 ist uh D DhX u durch kr.DhX u u/kL2 .G/ D inf kr.vh u/kL2 .G/ vh 2Xh
charakterisiert. Damit ergibt sich eine geeignete Voraussetzung an die Approximierbarkeit von Funktionen aus X durch Funktionen aus Xh : inf kr.vh u/kL2 .G/ ! 0
vh 2Xh
.h ! 0/:
Der Nachweis der Stabilität des Verfahrens ist fast trivial, denn mit der Poincaréschen Ungleichung (2.8) erhalten wir für uh 2 Xh mit einer positiven Konstanten c: ckuh kXh
2 kruh kL 2 .G/
kuh kH 1 .G/
D
.Th uh /.'h / .Th uh /.uh / sup D kTh uh kYh : kuh kH 1 .G/ 'h 2Xh nf0g k'h kH 1 .G/
Satz 3.5 besagt nun, dass wir auf Konvergenz des Verfahrens schließen können. Der Weg zu diesem Konvergenzresultat war geradezu elementar. Es wurde auch offensichtlich, an welcher Stelle nun noch Arbeit zu leisten ist: Die Konsistenz (3.17) ist zu beweisen, wobei wir selbstverständlich Konsistenz geeigneter Ordnungen betrachten wollen. Der Rest der Bedingungen ist für das Ritz-Galerkin-Verfahren bei Wahl der richtigen Funktionenräume fast automatisch erfüllt. Mit der Konstruktion geeigneter diskreter Teilräume befassen wir uns im nächsten Kapitel.
89
Abschnitt 3.2 Finite Elemente
Abbildung 3.3. Eine zulässige Macrotriangulierung des Gebietes aus Abbildung 3.2 mit Dreiecken und Knoten der Triangulierung.
3.2
Finite Elemente
3.2.1 Simplexe Ziel dieses Abschnitts ist die Konstruktion geeigneter endlichdimensionaler Teilräume Xh , die auf einer simplizialen Zerlegung des Gebietes G beruhen. In zwei Raumdimensionen besteht das Rechengitter aus Dreiecken, in drei Raumdimensionen aus Tetraedern. Definition 3.11. 1. Für s 2 f1; : : : ; ng seien a0 ; : : : ; as 2 Rn derart, dass die Vektoren .aj a0 /j D1;:::;s linear unabhängig sind. Dann heißt s s n o X X T D x 2 Rn j x D
j aj ; 0 j ;
j D 1 j D0
j D0
ein (nicht degeneriertes) s-dimensionales Simplex im Rn . Die Punkte a0 ; : : : ; as heißen Ecken des Simplex. Sind a00 ; : : : ; ar0 2 fa0 ; : : : ; as g .r 2 f0; : : : ; sg/, so
90
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
nennt man r r n o X X T 0 D x 2 Rn j x D
j aj0 ; 0 j ;
j D 1 j D0
j D0
r-dimensionales Seitensimplex von T . Die eindimensionalen Seitensimplexe heißen Kanten, die nulldimensionalen Ecken. 2. Das Simplex T0 zu a0 D e0 D 0, aj D ej .j D 1; : : : ; n/ nennt man n-dimensionales Einheitssimplex. 3. Die Größe h.T / D maxfjaj ak j j .j; k D 0; : : : ; s/g heißt Durchmesser des s-dimensionalen Simplex, und die Zahl .T / D 2 supfRjBR .x0 / T g ist der Inkugeldurchmesser des Simplex. Den Quotienten bezeichnen wir mit
.T / D
h.T / : .T /
4. Als Schwerpunkt des Simplex bezeichnen wir den Punkt s
xT D
1 X aj : sC1 j D0
Im R2 ist ein zweidimensionales Simplex das Dreieck mit den Ecken a0 ; a1 ; a2 , im ist ein dreidimensionales Simplex der Tetraeder mit den Ecken a0 ; a1 ; a2 ; a3 , sechs eindimensionalen und vier zweidimensionalen Seitensimplexen. Ein s-dimensionales sC1 r-dimensionale Seitensimplexe. Simplex besitzt rC1 Es wird von Vorteil sein, spezielle dem Simplex angepasste Koordinaten zu verwenden. Wir werden diese Koordinaten oft statt der kartesischen Koordinaten verwenden.
R3
Definition 3.12. Als baryzentrische Koordinaten 0 ; : : : ; s eines Punktes x 2 T des s-dimensionalen Simplex T bezeichnet man die Lösung des linearen Gleichungssystems s X j D0
j aj D x;
s X j D0
j D 1:
(3.18)
91
Abschnitt 3.2 Finite Elemente
Das Gleichungssystem (3.18) ist für jedes x eindeutig lösbar. Dass es lösbar ist, folgt daraus, dass x 2 T liegt und aus der Definition des Simplex T . Bleibt die Eindeutigkeit nachzuweisen. Diese folgt aber sofort, da das Gleichungssystem die Form 0 1 0 1 1 0 x1 j j j B 0C : :: C Ba0 a1 as C B :: C B :C CB C D B B B @j :: C @x C j j AB @:A nA 1 1 1 1
s hat und für den Rang gilt 0 j j Ba0 a1 Rang B @j j 1 1
1 j as C C D Rang jA 1
1 j j j Ba0 a1 a0 as a0 C B C @j j j A 1 0 0 1 0 j j D 1 C Rang @a1 a0 as a0 A D 1 C s: j j 0
Wir werden bei Fehlerabschätzungen des öfteren ein gegebenes Simplex auf das Einheitssimplex transformieren. Damit wir dabei die auftretenden Konstanten gut verfolgen können, beweisen wir den folgenden kleinen Hilfssatz. Hilfssatz 3.13. Jedes s-dimensionale Simplex T im Rs ist affin äquivalent zum Einheitsimplex T0 der gleichen Dimension. Es gibt genau eine affine Abbildung F W T0 ! T;
F .x/ N D AxN C b
mit einer .s s/-Matrix A, det A 6D 0 und einem b 2 Rs , so dass F .ej / D aj für j D 0; : : : ; s gilt. Außerdem gelten die Abschätzungen jAj
h.T / ; .T0 /
jA1 j
h.T0 / ; .T /
c.T /s jdet Aj ch.T Q /s
(3.19)
mit nur von s abhängigen Konstanten c und c, Q und man hat außerdem jdet Aj D
jT j . jT0 j
Dabei ist jAj die zur euklidischen Norm jxj2 D x12 C C xs2 im Rs gehörende Matrixnorm, d. h. jAj D supjejD1 jAej, und dies bedeutet, dass jAj die Wurzel aus dem größten Eigenwert der Matrix At A ist. Beweis. Sowohl fej jj D 1; : : : ; sg als auch faj a0 jj D 1; : : : ; sg sind Basen des Rs . A sei die Basistransformation: Aej D aj a0
.j D 1; : : : ; s/:
92
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
Dann leistet F .x/ N D AxN C a0 das Verlangte. F ist eindeutig bestimmt, denn aus Aej C b D A0 ej C b 0 für j D 0; : : : ; s folgt für j D 0 wegen e0 D 0, dass b D b 0 ist, und demnach .A A0 /ej D 0 für alle j D 1; : : : ; s gilt, woraus wiederum A D A0 folgt. Es sei e 2 Rs mit jej D 1. Nach Definition von .T0 / gibt es ein x0 2 T0 , so dass B .T0 / .x0 / T0 ist. Dann gibt es auch Punkte x1 ; x2 2 T0 , so dass x1 x2 D e.T0 / 2 gilt. Damit folgt dann jAej D jAx1 Ax2 j.T0 /1 h.T /.T0 /1 : Das bedeutet aber gerade, dass jAj h.T /.T0 /1 ist. Genauso folgt die zweite Abschätzung in (3.19). Weiter ist nach der Transformationsregel Z Z jT j D 1dx D jdet Ajd xN D jT0 jjdet Aj T
T0
jT j und demnach jdet Aj D jT . 0j Das Volumen des s-dimensionalen Einheitssimplex T0 kann man leicht durch Integration berechnen: jT0 j D sŠ1 . Also weiß man, dass jT j D sŠ1 jdet Aj ist. Dies benötigen wir hier zwar nicht, ist aber bei der Implementierung von Bedeutung. Das Volumen von jT j lässt sich wie folgt abschätzen: s
jT j jB .T / .x0 /j D jS
s1
2
.T /s 2 j s D s1 s .T /s : 2 2 . 2 /
Die Abschätzung nach oben beweist man analog. Zum Wert von !s D jS s1 j siehe Aufgabe 6.5. Wir setzen nun Simplexe zu einer Triangulierung des vorgegebenen beschränkten Gebietes G Rn zusammen. Es wird verlangt, dass die Simplexe nur an gemeinsamen Seitensimplexen zusammenhängen. Wir werden sehen, dass dann das Gebiet polygonal berandet sein muss. Definition 3.14. G Rn sei ein beschränktes Gebiet. Es sei GD
m [ j D1
0
Tj ;
@G D
m [ j D1
Tj0
.m; m0 2 N/
93
Abschnitt 3.2 Finite Elemente
mit n-dimensionalen Simplexen Tj und .n k/-dimensionalen .k 2 f1; : : : ; ng/ Simplexen Tj0 , die Seitensimplexe der Tj sind. T D fTj jj D 1; : : : ; mg nennt man eine Triangulierung von G. Sie heißt zulässige Triangulierung, wenn für je zwei Simplexe T1 ; T2 2 T gilt, dass T1 \T2 D S mit S D ; oder einem gemeinsamen .n k/-dimensionalen .k 2 f1; : : : ; ng/ Seitensimplex von T1 und T2 ist. Für eine zulässige Triangulierung T definieren wir h D max h.T /; T 2T
D min .T /; T 2T
D max .T /: T 2T
(3.20)
h nennen wir globale Gitterweite oder Feinheit von T .
Abbildung 3.4. Eine sukzessive verfeinerte Triangulierung eines Quadrats im R2 . Verfeinerungsstufen 0; 1; 2; 4 und 6.
Abbildung 3.5. Zwei Triangulierungen desselben polygonalen Gebietes.
Hilfreich ist der folgende Satz, der uns erlauben wird, stückweise polynomiale Funktionen auf einer gegebenen Triangulierung so zusammenzusetzen, dass wir wie gewünscht endlichdimensionale Teilräume von H 1 .G/ erhalten. Satz 3.15. Es sei G zulässig trianguliert und sei m 2 N. Ist dann v 2 C m1 .G/ und ˇ gilt v ˇT 2 C m .T /, T 2 T , so ist v 2 H m .G/.
94
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
Abbildung 3.6. Eine zulässige grobe Triangulierung eines Quaders im R3 .
Beweis. Wir sehen uns nur den Fall m D 1 an. Wesentlich ist hier nur der Nachweis, dass v eine schwache Ableitung besitzt. Dazu sei ' 2 C01 .G/. Dann erhält man mit dem Gaußschen Integralsatz Z v'xi D G
XZ T 2T T
v'xi D
X T 2T
Z
Z vxi ' C
T
v'i
Z D
@T
vxi ': G
Hierbei wurde verwendet, dass v 2 C 0 .G/ ist und dass die Randterme zwischen zwei Simplexen sich wegen der Orientierung der Normalen wegheben.
3.2.2 Simpliziale Lagrange-Elemente Die in (3.18) eingeführten baryzentrischen Koordinaten eignen sich hervorragend zur einfachen Darstellung von Polynomen, die auf Simplexen definiert sind. Wir bezeichnen im Folgenden den Raum der Polynome vom Grad kleiner oder gleich k .k 2 N [ f0g/ mit k n o X c˛ x ˛ ; c˛ 2 R Pk D p W Rn ! R j p.x/ D j˛jD0
und verwenden, wenn es dem Verständnis dient, auch die Bezeichnung Pk .M / D fpjM j p 2 Pk g
(3.21)
95
Abschnitt 3.2 Finite Elemente
Pk ˛ für eine Menge M Rn . Ist p 2 Pk , p.x/ D j˛jD0 c˛ x , so ist mit (3.18) Pn xi D j D0 aj i j ; xi D xi . /; D . 0 ; : : : ; n /; also p.x/ D
k X j˛jD0
c˛
n n X Y iD1
aj i j
˛i
:
j D0
Pn
Wegen 1 D j D0 j lässt sich dann p als ein Polynom vom Grad k ohne konstanten Term in den n C 1 Variablen 0 ; : : : ; n schreiben: p.x. // D p. / D
k X
dˇ ˇ :
jˇ jD1
Wir geben nun einige typische Beispiele von Finiten Elementen auf Triangulierungen
a10
a9 a6 a8
a1
a7
a5
a11
a13
a3
a12
a2 a14 a4
Abbildung 3.7. Eine Basisfunktion des Elements 3.16.
an. Es sei vermerkt, dass die hier aufgeführten Elemente nur eine kleine Auswahl der in der Praxis verwendeten Elemente darstellen. Element 3.16 (Lineares Element, R. Courant). 1. Sei T ein n-dimensionales Simplex. Dann ist durch Vorgabe von p.aj / für j D 0; : : : ; n ein p 2 P1 .T / eindeutig bestimmt. Für jedes p 2 P1 .T / hat man die Darstellung p.x/ D p. / D
n X
p.aj / j :
(3.22)
j D0
Es ist dim P1 .T / D n C 1. 2. Ist G Rn zulässig trianguliert und sind aj .j D 1; : : : ; m/ die Ecken der Triangulierung T , so ist durch Vorgabe von uh .aj / .j D 1; : : : ; m/ eindeutig eine Funktion
96
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
Abbildung 3.8. Realistische Darstellung einer Basisfunktion des Elements 3.16. Von links nach rechts für eine Triangulierung mit N D 41; N D 145 und N D 1089 Knoten.
uh 2 Xh , Xh D fuh 2 C 0 .G/ j uh jT 2 P1 .T /; T 2 T g H 1 .G/; bestimmt. 3. Eine Basis von Xh ist durch die Funktionen j 2 Xh ; j .ak / D ıj k
.j; k D 1; : : : ; m/
gegeben. Diese Basis nennt man Knotenbasis. P Beweis. Zur Bestimmung von p 2 P1 .T /, p.x/ D c0 C jnD1 cj xj , ist für gegebene Werte pi D p.ai / das Gleichungssystem p.ai / D pi , i D 0; : : : ; n zur Bestimmung von c0 ; : : : ; cn zu lösen. Das sind n C 1 lineare Gleichungen für n C 1 Unbekannte. Also reicht es, eine Lösung anzugeben. Zwischenbemerkung: Dieses Vorgehen ist prinzipiell von Bedeutung, vor allem zur Konstruktion komplizierter Elemente. Sei fe0 ; : : : ; en g die kanonische Basis des RnC1 . (3.22) ist sehr einfach zu zeigen: p. / D
n X
dj j D p.x. //:
j D0
Wegen x.ek / D ak .k D 0; : : : ; n/ folgt, dass p.ak / D p.ek / D
n X
dj ıj k D dk
j D0
ist. Wenn wir zeigen, dass die damit eindeutig bestimmte stückweise lineare Funktion uh auf G stetig ist, folgt mit Satz 3.15, dass Xh H 1 .G/ ist. Sind T1 und T2 zwei Simplexe der Triangulierung T und ist T1 \ T2 D S mit einem gemeinsamen .n k/-dimensionalen Seitensimplex, so ist uh jS 2 P1 .S/ nach dem ersten Teil dieses Beweises schon durch die Werte in den Ecken von S eindeutig bestimmt.
97
Abschnitt 3.2 Finite Elemente
Es sei hier vermerkt, dass der Finite-Elemente-Raum Xh zwar Teilraum von H 1.G/, nicht aber von H 2 .G/ ist. Wegen der vermutlich höheren Approximationsordnung versuchen wir ein Element mit quadratischen Ansatzfunktionen zu konstruieren. Dazu sei T wieder ein n-dimensionales Simplex mit den Ecken a0 ; : : : ; an . Ein p 2 P2 .T / schreibt sich in baryzentrischen Koordinaten wie folgt:
p. / D
n X
dj j C
j D0
n X
dij i j :
i;j D0 i 0, so dass die orientierte Distanzfunktion d 2 C k;˛ .Uı /;
Uı D fx 2 Rn j dist.x; @G/ < ıg
ist. Zu jedem Punkt x 2 Uı gibt es genau ein a.x/ 2 @G, so dass x D a.x/ C d.x/.a.x//
(3.50)
129
Abschnitt 3.6 Randapproximation
ist. Außerdem gilt jrd.x/j D 1;
.a.x// D rd.x/ .x 2 Uı /;
und .a.x// ist die äußere Normale an G im Punkt a.x/. Wir definieren .x/ D .a.x// für x 2 Uı . Die Matrix Hij .x/ D dxi xj .x/ .i; j D 1; : : : ; n/ besitzt die reellen Eigenwerte 0; 1 .x/; : : : ; n1 .x/. Für x 2 @G heißen 1 .x/; : : : ; n1 .x/ Hauptkrümmungen von @G im Punkt x. Offensichtlich ist a 2 C k1;˛ .Uı /. Weiter ist zu vermerken, dass gilt: ı < inf ı.x/; x2@G
ı.x/ D inffjj .x/j1 j j D 1; : : : ; n 1g:
Die wichtigste Eigenschaft der orientierten Distanzfunktion ist, dass sie die Eikonalgleichung jrd j D 1 in einer Umgebung von @G löst, ja sogar rd D ist. Dies sieht man wie folgt ein. Für x 2 @G und kleines " 2 R hat man nach Definition 3.45 die Relation d.x C ".x// D ". Differenziert man diese Gleichung nach ", so erhält man für " D 0, dass rd.x/ .x/ D 1 ist.
a(x)
x
Uδ
G Abbildung 3.16. Situation am Rand des Gebietes G, Projektion a.x/ eines Punktes x 2 Uı auf @G.
Technisch am wichtigsten ist, dass man jeden Punkt x 2 Uı wie in (3.50) durch seine Normalkoordinaten .a.x/; d.x// darstellen kann. Beispiel 3.47. Für G D BR .x0 / Rn ist dist.x; @G/ D jjx x0 j Rj: Die orientierte Distanzfunktion lautet d.x/ D jx x0 j R mit rd.x/ D
x x0 D .x/; jx x0 j
Hik .x/ D
1 .ıik i .x/k .x// R
130
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
für x 2 @G. Die Eigenwerte von H.x/ sind 0 in Normalenrichtung und 1 .x/ D D n1 .x/ D R1 in Tangentialrichtung. Der Parameter ı kann gleich R gewählt werden. Hilfssatz 3.48. Es sei @G 2 C 2 . Ist dann T 0 ein nicht degeneriertes .n 1/-dimensionales Simplex mit Ecken auf @G, das im ı-Streifen Uı um @G liegt, T 0 Uı , so folgt jd.x/j ch.T 0 /2 ;
j.x/ h j ch.T 0 /
.x 2 T 0 /:
Dabei bezeichnet h die Normale an das Simplex T 0 in Richtung . Beweis. Ohne Einschränkung dürfen wir annehmen, dass die Situation T 0 Rn1 vorliegt. Dann ist die lineare Interpolierende der orientierten Distanzfunktion Id D 0 und Satz 3.31 liefert kd kL1 .T 0 / D kd Id kL1 .T 0 / ch.T 0 /2 jd jH 2;1 .T 0 / c.@G/h.T 0 /2 ; sowie für j D 1; : : : ; n 1 kj kL1 .T 0 / D kdxj kL1 .T 0 / k.d Id /xj kL1 .T 0 / c.@G/h.T 0 /; wobei c.@G/ D ckd kC 2 .Uı / ist. Und kn 1kL1 .T 0 / ch.T 0 /. Wir studieren nun zunächst den Modellfall u D f
in G;
uD0
auf @G
(3.51)
auf einem beschränkten Gebiet G Rn mit C 2 -Rand. Das zugehörige diskrete Problem formulieren wir auf einem „approximierenden“ diskreten Gebiet Gh , das folgende Eigenschaften besitze. Wir setzen voraus, dass die zulässige Triangulierung T die folgenden Eigenschaften hat: [ ı T ; .T / 0 .T 2 T /: (3.52) Gh D T 2T
Für alle T 2 T liegen die Ecken von T in G, und @Gh D
[
T 0 Uı
(3.53)
T 0 2T 0
mit .n 1/-Simplexen T 0 , deren Ecken alle auf @G liegen. Außerdem besitzt jedes T mindestens einen Eckpunkt in G.
131
Abschnitt 3.6 Randapproximation
Wir werden unter anderem folgende anschaulich klare Eigenschaft nachweisen: jG n Gh [ Gh n Gj ch2 : Für stückweise lineare Finite Elemente lautet das diskrete Problem: Bestimme uh 2 Xh D fvh 2 C 0 .G h / j vh jT 2 P1 .T /; T 2 T g \ H˚ 1 .Gh /, so dass Z
Z ruh r'h D
Gh
f 'h 8'h 2 Xh ;
uh j@Gh D 0:
(3.54)
Gh
Da die rechte Seite f der Differentialgleichung (3.51) nur auf G und nicht auch auf Gh definiert ist, müssen wir in (3.54) eine geeignete Fortsetzung f von f verwenden. Arbeiten wir mit stückweise linearen Elementen auf Gh , so fragen wir uns, ob die Güte der Randapproximation ausreicht, damit die Fehlerabschätzung kr.u uh /kL2 .G/ chkukH 2 .G/ erhalten bleibt. Dabei setzen wir uh D 0 auf G n Gh . Wir müssen jedoch in Kauf nehmen, dass im Allgemeinen u 6D 0 auf @Gh ist. Falls nicht zufällig G konvex ist, ist die kontinuierliche Lösung u von (3.51) auf Gh n G nicht definiert. Es seien aber zunächst u und f Fortsetzungen von u und f von G auf G [ Gh . Von diesen Fortsetzungen verlangen wir: u 2 H 2 .G [ Gh /;
ujG D u;
f 2 L2 .G [ Gh /;
f jG D f:
(3.55)
Erst jetzt lässt sich das diskrete Problem (3.54) formulieren. Es sei nochmals bemerkt, dass jetzt Xh 6 H˚ 1 .G/, sondern Xh H˚ 1 .Gh / ist. Die im folgenden Hilfssatz bewiesene Abschätzung ist der wesentliche Baustein zur Untersuchung der Randapproximation. Der Beweis wird später nachgeliefert. Hilfssatz 3.49. Es sei @G 2 C 2 . Unter den Voraussetzungen (3.52), (3.53) gibt es eine Konstante c.ı/, so dass für 2 H˚ 1 .Gh / gilt: k kL2 .Gh nG/ ch2 kr kL2 .Gh nG/ :
(3.56)
Hilfssatz 3.50. Sei @G 2 C 2 . Es seien u 2 H 2 .G/ Lösung von (3.51) und die Voraussetzungen (3.52), (3.53) und (3.55) erfüllt. Dann hat das diskrete Problem (3.54) genau eine Lösung uh 2 Xh , und für den Fehler gilt die Abschätzung kr.u uh /kL2 .Gh / c inf kr.u 'h /kL2 .Gh / C ch2 kf C ukL2 .Gh nG/ : 'h 2Xh
132
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
Beweis. Wegen u 2 H 2 .Gh / erhalten wir nach Definition der schwachen Ableitung und unter Beachtung der Konvention 'h D 0 außerhalb Gh die Gleichung Z Z Z Z ru r'h D u 'h D u 'h u 'h Gh
Gh
Gh \G
Z
D
u 'h G
Z
D
D
u 'h
Gh nG
Z
Z
Gh nG
Z
u 'h G
Z
u 'h
Gh nG
f 'h G
u 'h :
(3.57)
Gh nG
Dabei haben wir (3.51) verwendet. Aus (3.54) schließen wir: Z Z Z ruh r'h D f 'h D Gh
Gh
Gh \G
Z
D
Z f 'h C Gh nG
Z
f 'h C G
f 'h
f 'h :
(3.58)
Gh nG
Die Differenz von (3.57) und (3.58) führt auf die Abschätzung Z Z r.u uh / r'h D .u C f /'h Gh
Gh nG
ku C f kL2 .Gh nG/ k'h kL2 .Gh nG/ ch2 ku C f kL2 .Gh nG/ kr'h kL2 .Gh nG/ ;
(3.59)
für alle 'h 2 Xh , wobei wir Hilfssatz 3.49 verwendet haben. Den Rest des Beweises betrachte man als Übungsaufgabe. Es ist nun noch der Beweis von Hilfssatz 3.49 nachzutragen. In zwei Raumdimensionen ist der Beweis anschaulich klar. In höheren Dimensionen bedenke man, dass die von uns gewählten Normalkoordinaten es erlauben, den Rand des kontinuierlichen Gebietes G (vollständig) als Graph über dem Rand des diskreten Gebietes Gh zu schreiben (siehe Abbildung 3.6). Beweis von Hilfssatz 3.49. Wir wissen, dass (global) ein offener ı-Streifen Uı um @G existiert, so dass @Gh D [T 0 2T 0 T 0 Uı mit .n 1/-Simplexen T 0 , deren Ecken auf
133
Abschnitt 3.6 Randapproximation G
G T’
T’
T
T
Gh
Gh
Abbildung 3.17. Situation für zweidimensionale (links) und dreidimensionale (rechts) Gebiete. Approximation des Randes. Der Rand des kontinuierlichen Gebietes wird vollständig durch die Projektion a parametrisiert: @G D a.@Gh /.
@G liegen. Jedes T besitzt mindestens einen Eckpunkt in G. Für 2 H˚ 1 .Gh / ist nun k kL2 .Gh nG/ abzuschätzen. Dies geschieht zunächst auf den einzelnen Randsimplexen T 0 Uı . Es ist nicht etwa T Uı ! Wir verwenden die in Hilfssatz 3.46 konstruierten Normalkoordinaten und transformieren das abzuschätzende Integral. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit dürfen wir hier T 0 Rn1 voraussetzen. Sei dann Dh D Dh .T 0 / D fx 2 Rn j x D a.y/ C s.y/; y 2 T˚ 0 ; s 2 .0; d.y/C /g mit d.y/C D maxfd.y/; 0g. Dh ist offen im Rn , Dh Rn n G. Sei Dh 6D ;. Dann ist Z
Z
C d.y/ Z
ˇ ˇ '.y; s/ˇ det
.x/dx D Dh
T˚ 0
@x ˇˇ ˇds dy; @.y; s/
0
wenn wir die Transformation x D x.y; s/, x D a.y/ C s.y/;
.x/ D '.y; s/
für y 2 T 0 , s 2 .0; d.y/C / verwenden. Wegen a.y/ D y d.y/.y/ nach Hilfssatz 3.46 haben wir @xi @ai @i @xi D i D Cs D ıij i j C .s d /Hij ; @yj @yj @yj @s (i D 1; : : : ; nI j D 1; : : : ; n 1), und es lässt sich leicht zeigen, dass mit positiven nur von @G abhängenden Konstanten c1 , c2 ˇ @x ˇˇ ˇ c1 ˇ det (3.60) ˇ c2 @.y; s/
134
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
gilt. Dabei verwendet man die Resultate von Hilfssatz 3.48 und beachtet, dass hier h D en ist. Sind nun y 2 T 0 fest und s 2 .0; d.y/C /, so hat man C d.y/ Z
j'.y; s/j D j'.y; s/ '.y; d.y/C /j
j's .y; s/jds;
(3.61)
s
und dies impliziert
'.y; s/2 d.y/C
C d.y/ Z
's .y; s/2 ds:
0
Integration von 0 bis d.y/C über s liefert C d.y/ Z
'.y; s/2 ds ch.T 0 /4
C d.y/ Z
's .y; s/2 ds;
0
0
wobei wir verwendet haben, dass nach Hilfssatz 3.48 d.y/C ch.T 0 /2 für y 2 T 0 gilt, und demnach erhalten wir nach Integration über y 2 T 0 die Ungleichung Z T0
C d.y/ Z
'.y; s/2 dsdy ch.T 0 /4
0
Z T0
C d.y/ Z
's .y; s/2 dsdy:
0
Verwendet man noch (3.60) und j's .y; s/j jr .x.y; s//j , so folgt schließlich k kL2 .Dh .T 0 // ch.T 0 /2 kr kL2 .Dh .T 0 // :
(3.62)
Aufsummieren des Quadrats dieser Ungleichung führt dann auf (3.56), und Hilfssatz 3.49 ist bewiesen. Implizit haben wir hier durch eine glatte Funktion approximiert. Wenn wir also eine H 2 -Fortsetzung u auf G [ Gh mit kukH 2 .G[Gh / ckukH 2 .G/ konstruieren und f D u außerhalb G setzen, so erhalten wir aus Hilfssatz 3.50 unter geeigneten Voraussetzungen für lineare Elemente die Fehlerabschätzung kr.u uh /kL2 .Gh / chkukH 2 .G/ ;
135
Abschnitt 3.6 Randapproximation
also das Gewünschte. Es ist aber nicht unbedingt nötig, f D u zu setzen, denn für f D 0 außerhalb G ist f 2 L2 .G [ Gh /, und es folgt ch2 kf C ukL2 .Gh nG/ D ch2 kukL2 .Gh nG/ ch2 kukH 2 .Gh / ch2 kukH 2 .G/ : Das ist gut so, denn sonst müsste man f D u wirklich im Programm verwenden. Man beachte jedoch, dass in jedem Fall die Fortsetzung f von f bei der Implementierung verwendet werden muss. Will man dann Quadraturformeln verwenden, so ist eine gewisse Regularität der Fortsetzung f nötig. Das Fortsetzungsproblem für u ist ein rein theoretisches Problem. Jedoch ist der Nachweis der H 2 -Fortsetzbarkeit der kontinuierlichen Lösung auf ein größeres Gebiet notwendig, um einen Konvergenzsatz der diskreten Lösung gegen die kontinuierliche Lösung zu beweisen. Sehen wir uns eine mögliche Fortsetzungstechnik zunächst in einer Raumdimension an. Beispiel 3.51. Ist u 2 H 2 .1; 0/ \ H˚ 1 .1; 0/, so sei die Fortsetzung auf .1; 1/ durch ( u.x/ .x 0/ u.x/ N D u.x/ .x > 0/ erklärt. uN 2 L2 .1; 1/ ist klar. Ist aber auch uN 2 H 1 .1; 1/? Für ' 2 C01 .1; 1/ gilt Z1
0
Z0
' uN dx D 1
Z1
0
' .x/u.x/ dx C 1
' 0 .x/.u.x// dx
0
Z0 D '.0/u.0/
Z1
0
'.x/ u .x/ dx C '.0/u.0/ 1
Z0 D
'.x/u0 .x/ dx
1
Z1 D
'.x/u0 .x/ dx
0
Z1
'.x/u0 .x/ dx
0
'.x/uN 0 .x/ dx
1
wegen u.0/ D 0. Offensichtlich ist uN 0 2 L2 .1; 1/, also auch uN 2 H˚ 1 .1; 1/. Damit haben wir eine H 1 -Fortsetzung uN von u konstruiert mit ( .x < 0/ u0 .x/ 0 : uN .x/ D 0 u .x/ .x > 0/
136
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
Ist nun auch uN 0 2 H 1 .1; 1/? Für ' 2 C01 .1; 1/ ist Z1
0
Z0
0
' .x/uN .x/ dx D 1
0
Z1
0
' .x/u .x/ dx C 1
Z0
0
D '.0/u .0/
' 0 .x/u0 .x/ dx
0 00
0
'.x/u .x/ dx '.0/u .0/ C 1
Z1 D
Z1
'.x/u00 .x/ dx
0
'.x/uN 00 .x/ dx:
1
Dabei existiert der Wert u0 .0/ nach Satz 3.40, da wir vorausgesetzt haben, dass u 2 H 2 .1; 0/ ist. Dass die Funktion ( .x < 0/ u00 .x/ 00 uN .x/ D 00 u .x/ .x > 0/ in L2 .1; 1/ liegt, ist klar. Also wurde eine H 2 -Fortsetzung von u konstruiert. Ist u auf .1; 0/ Lösung der Differentialgleichung u00 D f; so löst auch uN auf .1; 1/ eine Differentialgleichung, nämlich ( ( 00 .x/ .x < 0/ u f .x/ .x < 0/ uN 00 .x/ D 00 D : u .x/ .x > 0/ f .x/ .x > 0/ Definiert man fN auf .1; 1/ entsprechend, so hat man uN 00 D fN
in .1; 1/ f. ü.
Zudem gilt offensichtlich kuk N H 2 .1;1/
p
2kukH 2 .1;0/ :
Mit dieser Idee können wir einen H 2 -Fortsetzungssatz im Rn beweisen. Dabei setzen wir voraus, dass der Rand des Gebietes aus C 3 ist. Diese Bedingung ließe sich durch sorgfältigeres Vorgehen auf C 2 verringern, wodurch jedoch die Verständlichkeit der Methode erschwert würde. Wir verwenden die in Hilfssatz 3.46 eingeführten Normalkoordinaten.
137
Abschnitt 3.6 Randapproximation
Lemma 3.52. Es sei G Rn offen, beschränkt und @G 2 C 3 . Dann ist durch ( u.x/ .x 2 G/ u.x/ N D u.x 2d.x/.x// .x 2 Gı 0 n G/ eine Fortsetzung uN 2 H 2 .Gı 0 / .ı 0 < ı/ von u 2 H 2 .G/ \ H˚ 1 .G/ mit kuk N H 2 .Gı0 / ckukH 2 .G/ gegeben. Dabei ist Gı 0 D G [ Uı 0 , Uı 0 D fx 2 Rn j jd.x/j < ı 0 g. Beweis. Die Idee ist dieselbe wie in Beispiel 3.51. Im Folgenden schreiben wir ı statt ı 0 . Dass uN 2 L2 .G [ Uı / gilt, ist klar. Außerdem rechnet man leicht nach, dass kuk N L2 .Gı / ckukL2 .G/ gilt. uN 2 H 1 .Gı /, denn mit ' 2 C01 .Gı / gilt Z Z Z 'xi uN D 'xi u C 'xi uN Gı
G
Z
D
Gı nG
ˇ 'uˇG i
D
Z
ˇ 'uˇG i
@G
Z
'uxi C G
@G
Z
Z
Z
' u N i Gı nG
@.Gı nG/
Z
ˇ ' uN ˇG
ı nG
i
' uN xi
' uN xi
Gı
@G
mit der Normalen an G. Auf @G ist d D 0, also auch u.x/ D u.x d.x/.x// D u.x/ N .x 2 @G/: Dass uN xi 2 L2 .Gı / ist und außerdem kr uk N L2 .Gı / ckrukL2 .G/ gilt, prüft man leicht nach. Wir untersuchen, ob uN 2 H 2 .Gı / ist. Für ' 2 C01 .Gı / gilt Z Z Z 'xj uN xi D 'xj uxi C 'xj uN xi Gı
G
Gı nG
Z
D
Z
'uxi jG j
'uxi xj C G
@G
Z
D
Z
' uN xi xj C Gı nG
Z
@G
Z ' uN xi jGı nG j
@.Gı nG/
'j .uxi jG uN xi jGı nG /;
Gı nG
' uN xi xj
138
Kapitel 3 Diskretisierung der Poissongleichung
denn wegen ( u.x/ N D
u.x/ u.x 2d.x/.x//
.x 2 G/ .x 2 Gı n G/
folgt 8 ˆ .x/ .x 2 G/ i 2. Beispiel 4.11. Hier wählen wir als Banachraum X D H˚ 1;p .G/, kukX D krukLp .G/ 0 mit dem Dualraum X 0 D H 1;p .G/. Wir definieren für u; ' 2 X Z T .u/' D jrujp2 ru r': (4.23) G
164
Kapitel 4 Theorie und Numerik elliptischer Differentialgleichungen 2. Ordnung
Zunächst weisen wir nach, dass für festes u 2 X durch T .u/ eine lineare Abbildung von X nach R gegeben ist. Die Linearität ist dabei klar. Für ' 2 X ist T .u/' 2 R, denn mit der Hölderschen Ungleichung folgt Z
p1
jruj
jT .u/'j G
Z jr'j
.p1/p 0
10 Z p
jruj
p
p1
jr'j
G
p1
D kukX k'kX :
G
Also folgt p1
kT .u/kX 0 kukX : Der Nachweis der Monotonie ist etwas schwieriger. Zunächst erhalten wir für u1 ; u2 2 X .T .u1 / T .u2 //.u1 u2 / Z Z D jru1 jp2 ru1 r.u1 u2 / jru2 jp2 ru2 r.u1 u2 / G
Z
D
G
.jru1 jp2 ru1 jru2 jp2 ru2 / .ru1 ru2 / :
(4.24)
G
Damit reduziert sich der Nachweis von (4.22) auf ein Problem im Rn , für das wir folgendes kleine Lemma formulieren. Der Beweis bleibt dem Leser überlassen. Lemma 4.12. Es sei p 2. Dann gibt es eine Konstante c0 > 0, so dass für alle a; b 2 Rn gilt: .jajp2 a jbjp2 b/ .a b/ c0 ja bjp : Mit diesem Resultat erhalten wir aus (4.24) sofort Z p .T .u1 / T .u2 //.u1 u2 / c0 jr.u1 u2 /jp D c0 ku1 u2 kX ; G
und können .s/ D c0 s p1 als Monotoniefunktion wählen. Für die Fehlerabschätzung zwischen kontinuierlicher und diskreter Lösung benötigen wir noch eine Information über die Glattheit der Abbildung T . Dazu legen wir fest, wann eine solche Abbildung lokal lipschitzstetig ist. Definition 4.13. T W X ! X 0 heißt lokal lipschitzstetig, wenn gilt: 8R > 0 9L.R/8u1 ; u2 2 BR .0/ X W kT .u1 / T .u2 /kX 0 L.R/ku1 u2 kX :
165
Abschnitt 4.4 Monotone elliptische Probleme
Für unser einfaches Beispiel 4.10, d. h. für p D 2 erhalten wir sofort j.T .u1 / T .u2 //'j D jT .u1 u2 /'j ˇ ˇZ ˇ ˇ ˇ D ˇ r.u1 u2 /r' ˇˇ ku1 u2 kX k'kX ; G
also auch kT .u1 / T .u2 /kX 0 ku1 u2 kX und damit Lipschitzstetigkeit mit Lipschitzkonstante 1. Für die Lipschitzstetigkeit der Abbildung T aus Beispiel 4.11 benötigen wir wieder ein kleines Lemma 4.14. Es gibt eine Konstante c1 > 0, so dass für alle a; b 2 Rn gilt: jjajp2 a jbjp2 bj c1 .jaj C jbj/p2 ja bj: Mit der Definition (4.23) erhalten wir also j.T .u1 / T .u2 //'j Z jjru1 jp2 ru1 jru2 jp2 ru2 jjr'j G
Z
c1
.jru1 j C jru2 j/p2 jr.u1 u2 /jjr'j
G
Z c1
p2
f.jru1 j C jru2 j/
p0
1 p0
jr.u1 u2 /jg
kr'kLp .G/
G
Z D c1 k'kX
0
.jru1 j C jru2 j/p .p2/ jr.u1 u2 /jp
0
1 p0
G
Z c1 k'kX
p 0 .p2/q 0
1 p0 q0
Z
p0 q
jr.u1 u2 /j
.jru1 j C jru2 j/
1 p0 q
:
G
G
Es ist p 0 q D p, wenn wir q D weiter schließen.
p p0
D p.1 p1 / D p 1 > 1 wählen, und wir können p2
j.T .u1 / T .u2 //'j c1 k'kX ku1 u2 kX k jru1 j C jru2 j kX
c1 k'kX ku1 u2 kX .ku1 kX C ku2 kX /p2 : Damit haben wir das Hauptbeispiel 4.11 als stark monoton und lipschitzstetig erkannt. Für solche nichtlinearen Gleichungen lässt sich sehr einfach eine abstrakte Fehlerabschätzung nachweisen.
166
Kapitel 4 Theorie und Numerik elliptischer Differentialgleichungen 2. Ordnung
Satz 4.15. Es sei X ein normierter Raum, T W X ! X 0 , eine Abbildung mit T .0/ D 0. T sei lokal lipschitzstetig und stark monoton mit Monotoniefunktion . Außerdem sei f 2 X 0 . Xh X bezeichne einen Teilraum. Ist dann u 2 X Lösung von in X 0 ;
T .u/ D f
(4.25)
und uh 2 Xh Lösung von T .uh / D fh
in Xh0 ;
(4.26)
zu fh D f jXh , so folgt .ku uh kX / c inf ku vh kX vh 2Xh
(4.27)
mit der Konstanten c D L.1 kf kX 0 /. Beweis. Zunächst beweisen wir die A-Priori-Abschätzungen für die kontinuierliche und die diskrete Lösung. Gleichung (4.25) besagt ausgeschrieben, dass T .u/' D f .'/
8' 2 X:
Wir setzen ' D u ein und erhalten mit (4.22) .kukX /kukX D .ku 0kX /ku 0kX .T .u/ T .0//.u 0/ D T .u/u D f .u/ kf kX 0 kukX :
(4.28)
und damit die Abschätzung .kukX / kf kX 0 ; was wegen der Monotonie von bedeutet: kukX 1 .kf kX 0 / DW R: Genauso folgt aus (4.26) kuh kX 1 .kf kX 0 /: Damit ist gezeigt, dass sowohl kontinuierliche als auch diskrete Lösung im Raum X in einer festen von h unabhängigen Kugel vom Radius R enthalten sind. Dies erlaubt uns die gleich folgende Ungleichungskette, in der wir die lokale Lipschitzstetigkeit und die Monotonie verwenden. Zunächst beobachten wir, dass für 'h 2 Xh wegen Xh X gilt: .T .u/ T .uh //'h D f .'h / f .'h / D 0:
167
Abschnitt 4.4 Monotone elliptische Probleme
Damit erhalten wir für beliebiges vh 2 Xh : .ku uh kX /ku uh kX .T .u/ T .uh //.u uh / D .T .u/ T .uh //.u vh / kT .u/ T .uh /kX 0 ku vh kX L.R/ku uh kX ku vh kX : Also folgt .ku uh kX / L.R/ku vh kX beziehungsweise .ku uh kX / L.R/ inf ku vh kX : vh 2Xh
wie behauptet. Wir wenden diesen abstrakten Satz auf die p-harmonischen Funktionen an. Es sei u 2 H˚ 1;p .G/ schwache Lösung von (4.20) in G, das heißt Z Z p2 jruj ru r' D f ' 8' 2 H˚ 1;p .G/; G
G
p0
wobei wir f 2 L .G/ voraussetzen. Das bedeutet, dass wir Z f .'/ D f ' 8' 2 H˚ 1;p .G/ G
setzen (auch wenn das einen Missbrauch der Bezeichnung f bedeutet). Das Gebiet G sei zulässig trianguliert durch die Triangulierung T . Als diskreten Teilraum von X wählen wir Finite Elemente k-ter Ordnung: Xh D fuh 2 C 0 .G/ j uh jT 2 Pk .T /; T 2 T g;
X˚ h D Xh \ H˚ 1;p .G/:
(4.29)
Sei uh 2 X˚ h eine diskrete Lösung von (4.20), das heißt Z Z p2 jruh j ruh r'h D f 'h 8'h 2 X˚ h : G
G
Dann liefert der vorherige Satz eine Abschätzung des Fehlers zwischen kontinuierlicher und diskreter Lösung. .ku uh kX / c inf ku vh kX : vh 2X˚ h
168
Kapitel 4 Theorie und Numerik elliptischer Differentialgleichungen 2. Ordnung
Setzen wir die zugehörige Monotoniefunktion .s/ D s p1 ein, so erhalten wir schließlich 1 (4.30) kr.u uh /kLp .G/ c inf kr.u vh /kLp .G/ p1 : vh 2X˚ h
Nehmen wir an, dass u 2 H sC1;p .G/ ist, so folgt mit den Interpolationsabschätzungen bei der speziellen Wahl vh D I u kr.u I u/kLp .G/ c hs jujH sC1;p .G/ ; falls c, s C 1 pn > 0; und 0 s k sind. Dies folgt jedoch nur dann, wenn u 2 H sC1;p .G/ ist. Ob diese Regularität erreichbar ist, müsste noch untersucht werden. Damit haben wir bis auf die Existenzaussage für die diskrete Gleichung den folgenden Satz bewiesen. Die Existenz und Eindeutigkeit im diskreten Fall erledige man selbst. Satz 4.16. Sei G Rn ein beschränktes Gebiet, das zulässig trianguliert ist. Sei 0 weiter c, p 2, und f 2 Lp .G/. Xh sei der Raum der Finiten Elemente k-ter 1;p Ordnung aus (4.29). Es sei u 2 H˚ .G/ eine Lösung von Z Z jrujp2 ru r' D f ' 8' 2 H˚ 1;p .G/ G
zu f 2
0 Lp .G/.
G
Dann gibt es genau ein uh 2 X˚ h so dass Z Z p2 jruh j ruh r'h D f 'h 8'h 2 X˚ h ; G
G
und es gilt: s
1
p1 ku uh kH 1;p .G/ c h p1 jujH sC1;p .G/ ;
falls zusätzlich u 2 H sC1;p .G/ für ein s 2 f0; : : : ; kg mit s C 1
n p
> 0 ist.
Beispiel 4.17. Wir betrachten ein Beispiel für eine Lösung der p-harmonischen Gleichung in einer Raumdimension, um die Problematik der Regularität dieser Gleichung zu verstehen. Wir wählen G D .1; 1/ R, a 0, 1 < p < 1. Dann ist p 1 1 a p1 .1 jxj p1 / .x 2 G/: u.x/ D 1 p eine Funktion aus H˚ 1;p .G/, die der Differentialgleichung Z Z ju0 jp2 u0 ' 0 D a' 8' 2 H˚ 1;p .G/ G
G
genügt. Ebenso leicht sieht man, dass diese Lösung nur für Exponenten p
0 "n " Friedrichssche Glättungsfunktion oder auch Mollifier. " .x/ D
Ein Beispiel für eine Glättungsfunktion mit den geforderten Eigenschaften ist eine rotierte Gaußsche Glockenkurve. Im Folgenden arbeiten wir immer mit dieser speziellen Glättungsfunktion. Beispiel 5.40. Die Funktion 8 1 < e 1jxj 2 .x/ D : 0
.jxj < 1/ .jxj 1/
ist eine Friedrichsche Glättungsfunktion, wenn sie durch ihr Integral dividiert wird. Mittels solcher Mollifier definieren wir nun eine Glättungsoperation für stetige Funktionen mit kompaktem Träger. Später werden wir die Aussage auf Funktionen aus Lebesgueräumen erweitern.
242
Kapitel 5 Theorie und Numerik parabolischer Differentialgleichungen 2. Ordnung
Lemma 5.41. Sei G Rn offen. Dann wird die Glättung u einer Funktion u 2 C00 .G/ durch Z u .x/ D .x y/u.y/dy; .x 2 Rn / G
definiert. Für 0 < < dist.supp u; @G/ ist u 2 C01 .G/. Beweis. Die Differenzierbarkeit von u folgt direkt aus der Definition dieser Funktion und aus der Differenzierbarkeit von . Der Nachweis, dass u kompakten Träger hat, folgt aus der Beobachtung .x y/ 6D 0 , jx yj : Damit liegt der Träger von u in einer -Umgebung von supp u, also supp u fx 2 Rn j dist.x; supp u/ g; und wegen der Voraussetzung an den Parameter ist supp u G. Die Kompaktheit von supp u ist klar. Die Glättungsoperation aus Lemma 5.41 ist sehr gut dafür geeignet, die Dichtheit glatter Funktionen in anderen Funktionenräumen nachzuweisen. Der eigentliche Kern dieser Beweise ist dann die Konvergenz der geglätteten Funktion u gegen die Ausgangsfunktion u für ! 0 in der entsprechenden Norm. Wir beginnen mit dem Raum der stetigen Funktionen. Satz 5.42. Sei G Rn offen. Dann liegt C01 .G/ dicht in jedem C0m .G/, m 2 N0 , bezüglich gleichmässiger Konvergenz. Zu jeder Funktion u 2 C0m .G/ und zu jedem " > 0 gibt es eine Funktion ' 2 C01 .G/ mit kD ˛ u D ˛ 'kC 0 .G/ < ";
8j˛j m:
Beweis. Sei u 2 C0m .G/ und sei ein " > 0 vorgegeben. Wir setzen u außerhalb von G durch 0 zu einer Funktion auf ganz Rn fort und wenden die Definition der Glättung auf die Ableitung D ˛ u an. Z 1 xy ˛ ˛ u.y/dy .D u /.x/ D D n D D˛ Z D Rn
Z
Rn
Rn
z u.x z/dz
z .D ˛ u/.x z/dz:
243
Abschnitt 5.8 Sobolevräume
Dabei haben wir im zweiten Schritt die Substitution z D x y verwendet. Wenn wir die Rücksubstitution y D x z anwenden, so haben wir direkt eine wichtige Regel bewiesen. Die Glättungsoperation kommutiert mit Differentiation, das heißt D ˛ u D .D ˛ u/ :
(5.61)
Wir benutzen hier aber die Gleichung ohne Rücksubstitution und folgern j.D ˛ u /.x/ .D ˛ u/.x/j ˇ Z ˇ Z ˇ1 ˇ z 1 z .D ˛ u/.x z/dz n D ˛ u.x/dz ˇˇ D ˇˇ n Rn
sup
Rn
˛
˛
j.D u/.x z/ D u.x/j:
z2Rn ;jzj
Dabei haben wir die Eigenschaft 1 n
Z
z dz D 1
(5.62)
Rn
verwendet. Um die entstandene Differenz gegen " abzuschätzen beachten wir, dass nach Voraussetzung D ˛ u stetig und wegen des kompakten Trägers sogar gleichmäßig stetig ist. Es gilt also 9ı."/ > 0 8j˛j m 8x; y 2 G
. jx yj < ı H) jD ˛ u.x/ D ˛ u.y/j < " /:
Daher wählen wir < ı."/ und erhalten so j.D ˛ u /.x/ .D ˛ u/.x/j < " für alle x, also die Behauptung des Satzes. Wir haben damit bewiesen, dass für glatte Funktionen die (noch glattere) Glättung gleichmäßig gegen die Funktion konvergiert. Und dies gilt auch für die entsprechenden Ableitungen. Daraus können wir auch die Dichtheit von C01 .G/ in den Lebesgueräumen folgern. Folgerung 5.43. Sei G Rn offen. Dann liegt C01 .G/ dicht in Lp .G/ für 1 p < 1. Insbesondere liegen damit alle Räume C0m .G/, m 2 N, dicht in Lp .G/. Selbstverständlich bedeutet „Dichtheit in einem Raum“ immer die Dichtheit bezüglich der in diesem Raum herrschenden Norm, hier also der Lp .G/-Norm. Beweis. Aus der Definition des Lebesque-Integrals kennt man die Dichtheit von C00 .G/ in Lp .G/ bezüglich der Lp .G/-Norm. Zusammen mit dem letzten Satz folgt daraus sofort die Aussage.
244
Kapitel 5 Theorie und Numerik parabolischer Differentialgleichungen 2. Ordnung
Insbesondere erhält man so auch: Folgerung 5.44. Sei G Rn offen. Dann liegt C01 .G/ dicht in C0m .G/ für 1 p < 1, m 2 N0 bezüglich der Konvergenz in H m;p .G/. Beweis. Es sei also u 2 C0m .G/. Es reicht aus, die Behauptung für beschränktes G nachzuweisen, denn sonst wähle man zum Beispiel G 0 D G \ BR .0/ so, dass supp u G 0 ist. Sei also G beschränkt. Nach Satz 5.42 gilt die Dichtheit schon bezüglich der C m .G/-Norm, also bezüglich gleichmäßiger Konvergenz für u und ihre Ableitungen bis zur Ordnung m. Da H m;p .G/-Konvergenz auf beschränkten Mengen schwächer ist, folgt also insbesondere auch die Dichtheit bezüglich dieser Norm. Genauer wählen wir nach Satz 5.42 zu u 2 C0m .G/ und " > 0 ein ' 2 C01 .G/ mit kD ˛ u D ˛ 'kC 0 .G/ D kD ˛ u D ˛ 'kL1 .G/ < " für alle j˛j m und schätzen damit die H m;p .G/-Norm ab. p
ku 'kH m;p .G/ D
m X
p
kD ˛ u D ˛ 'kLp .G/
j˛jD0
m X
p
kD ˛ u D ˛ 'kL1 .G/ jGj < "p
j˛jD0
m X
jGj:
j˛jD0
Eine adäquate Umformulierung mit einem "Q liefert die Behauptung der Folgerung. Mit diesem Resultat können wir in der nächsten Folgerung den Sobolevraum mit Nullrandwerten, eingeführt in Definition 2.16 als Abschluss von C0m .G/ in der H m;p .G/-Norm, auch als Abschluss der C01 .G/-Funktionen erkennen. Der Beweis ist klar. Folgerung 5.45. Sei G Rn offen, 1 p < 1, m 2 N0 . Dann gilt: kkH m;p .G/ : H˚ m;p .G/ D C01 .G/
Bisher haben wir Funktionen mit kompaktem Träger in G geglättet und damit Dichtheitsaussagen nachgewiesen. Im Folgenden wollen wir diese Einschränkung aufheben und Funktionen auf dem gesamten Gebiet G betrachten. Damit wird es möglich sein, auch den Raum H m;p .G/ (ohne Nullrandwerte) als Abschluss differenzierbarer Funktionen zu charakterisieren, insbesondere also den Beweis von Satz 3.22 nachzuliefern. Satz 5.46. Sei 1 p 1 und u 2 Lp .Rn /. Dann ist die Glättung u 2 C 1 .Rn / und genügt der Abschätzung ku kLp .Rn / sup ku. z/kLp .Rn / kukLp .Rn / : jzj
245
Abschnitt 5.8 Sobolevräume
Beweis. Die Differenzierbarkeit von u folgt analog zu Lemma 5.41, nun aber mit den entsprechenden Sätzen über Lebesgueintegrale. Wir beweisen die Abschätzung. Der Fall p D 1 ist wegen der Normiertheit der Glättungsfunktion (5.62), Z Z Z 1 z dz D 1; (5.63) .x y/dy D .z/dz D n Rn
Rn
Rn
klar. Wir können also 1 p < 1 annehmen. Dann gilt mit Hilfe der Hölderungleichung mit dem zu p dualen Exponenten p 0 : p Z Z Z p ju .x/j dx .x y/ju.y/jdy dx Rn
Rn
Rn
Z Z
D
1 p0
p
1 p
.x y/ .x y/ ju.y/jdy Rn
Z Z
p0 Z p
.x y/dy
Rn
dx
Rn
Rn
Z Z
D
.x y/ju.y/jp dy dx
Rn
.x y/ju.y/jp dydx
Rn Rn
Z Z
D
.z/ju.x z/jp dzdx;
Rn Rn
wobei wir im vorletzten Schritt wieder die Normiertheit der Glättungsfunktion (5.63) und im letzten Schritt die Substitution z D x y verwendet haben. Wegen des beschränkten Trägers von erhalten wir Z Z Z Z p p ju .x/j dx sup ju.x z/j dx .z/dz D sup ju.x z/jp dx: Rn
jzj Rn
Rn
jzj Rn
Insgesamt haben wir damit den Satz bewiesen. Wir können mit dem vorigen Satz auch quantitativ abschätzen, wie gut die Glättung u die Ausgangsfunktion u approximiert, wenn wir mehr Glattheit von u verlangen. Diese Aussage wird häufig in der Analysis verwendet. Folgerung 5.47. Sei u 2 H 1;p .Rn / mit 1 p 1. Dann gilt: ku u kLp .Rn / krukLp .Rn / :
246
Kapitel 5 Theorie und Numerik parabolischer Differentialgleichungen 2. Ordnung
Beweis. Wir schätzen die Differenz auf der linken Seite wie im Beweis des letzten Satzes ab. Z ju.x/ u .x/jp dx Rn
ˇp Z Z ˇ Z ˇ ˇ ˇ .x y/dyu.x/ .x y/u.y/dy ˇˇ dx D ˇ Rn
Rn
Rn
Rn
Rn
ˇp Z ˇ Z ˇ ˇ ˇ .x y/.u.x/ u.y//dy ˇˇ dx D ˇ Z
sup jzj
ju.x z/ u.x/jp dx:
Rn
Und weiter können wir abschätzen: Z Rn
ˇp Z ˇ Z1 ˇ ˇ ˇ ju.x/ u.x z/j dx D ru.x sz/ zds ˇˇ dx ˇ p
Rn
0
jzjp
Z Z1
jru.x sz/jp dsdx
Rn 0 p
Z
jru./jp d ;
jzj
Rn
wobei wir im letzten Schritt die Substitution D x sz verwendet haben. Setzen wir dies oben ein, so folgt die Behauptung. Im letzten Schritt haben wir den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung für Sobolevfunktionen verwendet. Man überlege sich, wie man dies umgeht. Wir zeigen nun, dass die Glättung u in Lp .Rn / gegen u konvergiert. Für p D 1 kann dies nicht richtig sein, denn dann wäre ja wegen der gleichmäßigen Konvergenz auch die Grenzfunktion stetig und nicht nur eine Funktion aus L1 .Rn /. Folgerung 5.48. Sei 1 p < 1 und u 2 Lp .Rn /. Dann gilt: u ! u
. ! 0/
in Lp .Rn /:
Beweis. Sei " > 0 vorgegeben, zu zeigen ist ku ukLp .Rn / < " für hinreichend kleine . Nach Folgerung 5.43 gibt es ein ' 2 C01 .Rn / mit " ku 'kLp .Rn / < : 3
247
Abschnitt 5.8 Sobolevräume
Dann folgt mit der Linearität der Glättung, also mit u ' D .u '/ , und der Abschätzung aus Satz 5.46: ku ukLp .Rn / ku ' kLp .Rn / C k' 'kLp .Rn / C k' ukLp .Rn / 2ku 'kLp .Rn / C k' 'kLp .Rn / : Auf die differenzierbare Funktion ' können wir Satz 5.42 anwenden und erhalten " k' 'kLp .Rn / < 3 für hinreichend kleines . Damit ist die Konvergenz bewiesen. Unser nächstes Ziel ist die Approximation von Funktionen aus H m;p .G/ durch differenzierbare Funktionen – anders als in Folgerung 5.45 also nicht notwendig mit Nullrandwerten. Der erste Schritt dahin ist, die Konvergenz für die Restriktion einer H m;p .G/-Funktion auf eine kompakte Teilmenge von G zu beweisen. Hilfssatz 5.49. Sei G Rn offen und u 2 H m;p .G/ mit 1 p < 1. Auf jeder Teilmenge G 0 G mit dist.G 0 ; @G/ > 0 gilt dann u ! u
. ! 0/
in H m;p .G 0 /:
Beweis. Sei G die charakteristische Funktion zu G. Die Produktfunktion G u ist dann ohne Einschränkung der Allgemeinheit auf ganz Rn definiert. Mit Satz 5.46 gilt Z . G u/ D . y/u.y/ G .y/dy 2 C 1 .Rn /: Rn
Wir betrachten einen festen Punkt x0 2 G 0 . Dann gibt es nach den Voraussetzungen an G 0 ein " > 0 mit dist.x0 ; @G/ > ". Wir berechnen die Ableitungen der geglätteten Funktion in x0 . Z Dx˛ .x0 y/u.y/ G .y/dy D ˛ . G u/ .x0 / D Rn
D .1/j˛j
Z
Dy˛ .x0 y/u.y/ G .y/dy:
Rn
Wir setzen .y/ D .x0 y/. Dann hat für die Wahl < " < dist.G 0 ; @G/ ihren Träger ganz in G. Es ist also 2 C01 .G/. Damit folgt Z Z ˛ j˛j ˛ 2j˛j D .y/u.y/dy D .1/ .y/D ˛ u.y/dy D . G u/ .x0 / D .1/ Z D
G
.x0 y/D ˛ u.y/dy D
Z Rn
G ˛
D . G D u/ .x0 /:
G
.x0 y/D ˛ u.y/ G .y/dy
248
Kapitel 5 Theorie und Numerik parabolischer Differentialgleichungen 2. Ordnung
Nun können wir für < dist.G 0 ; @G/ die Konvergenzaussage von Folgerung 5.48 auf die Funktion g D G D ˛ u anwenden und erhalten kD ˛ u D ˛ ukLp .G 0 / D kD ˛ . G u / G D ˛ ukLp .G 0 / D k. G D ˛ u/ G D ˛ ukLp .G 0 / D kg gkLp .G 0 / ! 0 für ! 0. Um das Ziel der Approximation von H m;p .G/-Funktionen auf dem gesamten G durch stetig differenzierbare Funktionen zu erreichen, verwenden wir die Strategie, G durch eine sogenannte Zerlegung der Eins in Teilmengen zu zerlegen und auf diesen die Konvergenzaussage des letzten Satzes zu verwenden. Bevor wir eine solche Zerlegung der Eins einführen, benötigen wir noch folgendes Hilfsmittel. Hilfssatz 5.50. Sei A G Rn so, dass A ¤ ;, A kompakt und G offen und beschränkt ist. Dann gibt es ein ' 2 C01 .Rn / mit 0'1
in Rn ;
'D1
auf A;
'D0
auf Rn n G;
derart, dass der Träger von ' sogar kompakt in G liegt, insbesondere also ' 2 C01 .G/ ist. Beweis. Die Idee des Beweises besteht darin, eine charakteristische Funktion auf A durch die Glättungsoperation differenzierbar zu machen. Wir setzen B D Rn n G und stellen fest, dass mit den Voraussetzungen an A gilt: dist.A; B/ > 0. Also können wir D 13 dist.A; B/ > 0 setzen und die um vergrößerten Mengen A D fx 2 Rn j dist.x; A/ g;
B D fx 2 Rn j dist.x; B/ g
erklären. Die gesuchte Funktion ' ergibt sich nun durch Glättung der charakteristischen Funktion zur Menge A . Wir wenden auf die Glättungsoperation mit einem Parameter 0 < " an, Z " .x y/ .y/dy; " .x/ D Rn
und behaupten, damit ein gesuchtes ' D " gefunden zu haben. Wir sehen sofort, dass " mit unserer Wahl von " kompakten Träger in G hat. Zu zeigen bleiben die restlichen drei Eigenschaften. Zuerst folgern wir aus " ; 0, dass gilt: Z Z 0 " .x y/ .y/dy " .x y/dy D 1: Rn
Rn
249
Abschnitt 5.8 Sobolevräume
Demnach ist 0 " 1. Um " D 1 auf A zu zeigen, betrachten wir für x 2 A die Kugel B .x/ A . Da der Träger von " .x / gerade die Menge B" .x/ B .x/ ist, gilt Z Z " .x y/ .y/dy D " .x y/ .y/dy " .x/ D Rn
Z
Z
B .x/
" .x y/dy D
D
" .x y/dy D 1: Rn
B .x/
Dabei haben wir ausgenutzt, dass die charakteristische Funktion auf B .x/ identisch 1 ist. Also folgt " D 1 auf ganz A. Schließlich gehen wir noch einmal ganz analog vor, um zu zeigen, dass " auf B verschwindet. Zu einem beliebigen x 2 B gilt B .x/ B . Damit liegt der Träger von " .x / für " in B und wegen A \ B D ; sind die Träger von " .x / und " disjunkt. Also gilt Z Z " .x y/ .y/dy D " .x y/ .y/dy D 0: " .x/ D Rn
B .x/
Damit ist " D 0 auf B D Rn n G, und alle geforderten Eigenschaften der Funktion ' D " sind nachgewiesen. Die im letzten Lemma konstruierten Funktionen ' bilden die Grundeinheiten einer Zerlegung der Eins, deren Existenz wir im folgenden Satz beweisen. Satz 5.51 (Zerlegung der Eins). Sei A Rn eine kompakte Menge und fGi giD1;:::;N eine Überdeckung von A mit beschränkten, nichtleeren und offenen Mengen Gi Rn : A
N [
Gi :
iD1
Dann gibt es Funktionen 'i 2 C01 .Gi /, i D 1; : : : ; N , so dass gilt: 0 'i 1;
N X
'i .x/ D 1
.x 2 A/:
iD1
Man nennt die Funktionen f'i j i D 1; : : : ; N g eine Zerlegung der Eins auf A. Tatsächlich wird damit die charakteristische Funktion auf A in glatte Funktionen mit kompaktem Träger zerlegt. Beweis. Wir gehen schrittweise vor. Zunächst konstruieren wir innerhalb der Gi kompakte Teilmengen Ai und erhalten so für jedes Gi eine Lokalisierungsfunktion im
250
Kapitel 5 Theorie und Numerik parabolischer Differentialgleichungen 2. Ordnung
Sinne des letzten Hilfssatzes. Danach fügen wir diese Lokalisierungsfunktionen geschickt so zusammen, dass ihre Summe immer 1 ergibt. 1. Schritt: Wir behaupten, dass es kompakte Mengen Ai gibt, so dass die Mengen Ai immer noch A überdecken, jedes einzelne Ai aber ganz in einem Gi liegt. 9Ai W
Ai Gi ;
N [
A
Ai :
iD1
Zum Beweis benutzen wir die Offenheit der Gi und bilden so zu jedem x 2 Gi eine Umgebung Bi .x/ .x/, deren Abschluss in Gi enthalten ist. Die Gesamtheit dieser offenen Kugeln überdeckt A: A
[
B.x/ .x/:
x2A
Also muss es wegen der Kompaktheit von A eine endliche Teilüberdeckung geben: A
m [
Bk .xk /:
kD1
Jede Kugel ist ganz in einem Gi enthalten. Wir fassen den Abschluss aller Kugeln in einem Gi zusammen und definieren: [ Ai D Bk .xk / Gi : xk 2Gi ; kD1;:::;m
Da die Kugeln fBk .xk /j k D 1; : : : ; mg die Menge A überdecken, besitzen auch die Ai die Überdeckungseigenschaft: N [
Ai D
i D1
N [
[
iD1
xk 2Gi ; kD1;:::;m
Bk .xk / A:
2. Schritt: Wir wenden auf jedem der Gi Hilfssatz 5.50 an und erhalten Funktionen 1 i 2 C0 .Gi /, so dass gilt: 0
i
1 in Rn ;
i
D 1 auf Ai ;
i
D0
auf Rn n Gi :
3. Schritt: Im letzten Schritt konstruieren wir aus den Funktionen gungs-Funktionen 'i induktiv durch: '1 D
1;
'i D
i
.1
1 / .1
i1 /;
i
.i D 2; : : : ; N /:
die Zerle-
251
Abschnitt 5.8 Sobolevräume
Wir zeigen, dass die behaupteten Eigenschaften der Zerlegung der Eins für f'i gi D1;:::;N erfüllt sind. Mit den Eigenschaften der i aus dem letzten Schritt erhalten wir sofort supp 'i Gi ; 0 'i 1: Zu zeigen bleibt, dass die Summe 1 ergibt. Dazu behaupten wir zunächst, dass die Identität N X
'i D 1 .1
1 / .1
N/
(5.64)
i D1
besteht und beweisen dies mittels vollständiger Induktion nach N . Für N D 1 gilt '1 D 1 D 1 .1 1 /. Der Induktionsschritt von N nach N C 1 folgt so: N C1 X i D1
'i D 1 .1
1 / .1
N/
C 'N C1
D 1 .1
1 / .1
N/
C
D 1 .1
1 / .1
N / .1
N C1 .1
1 / .1
N/
N C1 / :
Damit ist (5.64) nachgewiesen. Aus dieser Identität folgt aber sofort die gewünschte Konstanz auf A. Denn wegen der Überdeckungseigenschaft der Ai gibt es für ein x 2 A ein i0 , so dass x 2 Ai0 ist. Damit folgt i0 .x/ D 1, also verschwindet einer der Faktoren .1 i0 .x//. Mit (5.64) folgt somit N X
'i .x/ D 1 .x 2 A/:
i D1
Damit erfüllen die Funktionen 'i (i D 1; : : : ; N ) alle Eigenschaften einer Zerlegung der Eins auf A. Im obigen Satz war die Grundmenge A, auf der die Zerlegung der Eins konstruiert wurde, als kompakt vorausgesetzt. Dies ist eine sehr starke Voraussetzung, die deutlich abgeschwächt werden kann, ohne die Beweisidee aufgeben zu müssen. Wir können ganz wie im Beweis zum vorigen Satz eine Zerlegung der Eins für eine offene beschränkte Menge G Rn konstruieren. Dazu schöpfen wir G mit einer Folge offener nichtleerer Mengen G0;i Rn aus. Wähle für i 2 N 1 : G0;i D x 2 G j dist.x; @G/ > i S Dann gilt G 0;i G0;i C1 und G D 1 iD1 G0;i . Als Grundgebiete der Zerlegung sind die G0;i noch ungeeignet, da die Überdeckung nicht lokal endlich ist. Wir konstruieren daher Grundgebiete Gi so, dass jeder Punkt nur zu endlich vielen der Gebiete gehört. G1 D G0;1 [ G0;2 ;
GiC1 D G0;iC2 n G0;i
.i 2 N/:
252
Kapitel 5 Theorie und Numerik parabolischer Differentialgleichungen 2. Ordnung
Dann S1 bilden auch die Mengen Gi (i 2 N) eine offene Überdeckung von G. G D i D1 Gi , und außerdem ist diese Überdeckung lokal endlich, das heißt 8x 2 G 9ı > 0 W jfi 2 N j Bı .x/ \ Gi gj < 1: Auf diesen Gi können wir nun wie im Beweis von Satz 5.51 kompakte Ai bilden, so dass 1 [ Ai Ai Gi ; G D iD1
gilt. Damit folgt dann die Existenz von Funktionen 'i 2 C01 .Gi / mit den Eigenschaften einer Zerlegung der Eins: 0 'i 1;
'i D 1 auf Ai ;
1 X
'i .x/ D 1
auf G:
iD1
Da die Funktionen 'i ihren Träger in Gi haben und die Überdeckung fGi j i 2 Ng lokal endlich ist, ist die Summe für jedes x 2 G endlich. Wir haben bei der obigen Konstruktion die Beschränktheit von G verwendet. Doch auch diese Voraussetzung ist nicht notwendig. Für ein unbeschränktes G bilden wir die Ausschöpfungen G0;i jeweils mit dem Schnitt von G mit der Kugel Bi .0/. G0;i D
1 x 2 G j dist.x; @.G \ Bi .0/// > i
:
Dann bilden auch die so definierten G0;i eine Überdeckung von G. Wir können genau wie oben fortfahren, und so eine lokal endliche Zerlegung der Eins auf einer unbeschränkten offenen Menge G konstruieren. Wir fassen dies in einer Folgerung zusammen. Folgerung 5.52. Zu einer offenen Menge G Rn gibt es eine lokal endliche offene Überdeckung fGi j i 2 Ng und eine zugehörige Zerlegung der Eins f'i 2 C01 .Gi / j i 2 Ng. Mit der so konstruierten Zerlegung der Eins ist es nun möglich, Dichtheitsaussagen für Sobolevräume zu beweisen. Insbesondere holen wir damit den Beweis von Satz 3.22 nach. Satz 5.53. Sei G Rn beschränkt und offen, m 2 N0 und 1 p < 1. Dann ist C m .G/ \ H m;p .G/ dicht in H m;p .G/. Zu jeder Funktion u 2 H m;p .G/ gibt es also eine Folge uj 2 C m .G/ \ H m;p .G/, so dass ku uj kH m;p .G/ ! 0 für j ! 1 konvergiert.
253
Abschnitt 5.8 Sobolevräume
Beweis. Sei also u 2 H m;p .G/. Die Strategie für das Finden einer Funktion u" 2 C m .G/ \ H m;p .G/ mit der Eigenschaft ku u" kH m;p .G/ < " besteht darin, die Approximierenden auf kompakten Teilmengen von G, die wir nach Hilfssatz 5.49 schon besitzen, durch eine Zerlegung der Eins zu einer auf ganz G definierten Approximierenden zusammenzufügen. Nach Satz 5.51 und Folgerung 5.52 gibt es eine Zerlegung derPEins mit Mengen fGi j i 2 Ng und Funktionen 'i 2 C01 .Gi /, für die auf G gilt 1 iD1 'i D 1. Der Abschluss Gi G ist kompakt. Demnach gibt es nach Hilfssatz 5.49 Funktionen u"i 2 C01 .Gi /, die u auf Gi in H m;p .Gi / approximieren. ku u"i kH m;p .Gi / < "ci :
(5.65)
Die Konstante ci > 0 werden wir später geeignet klein wählen. Wir konstruieren nun eine gesuchte Approximierende u" auf ganz G mit Hilfe der Zerlegung der Eins. Mit u" D
1 X
'i u"i :
iD1
folgt dann (die Summe ist für festes x 2 G endlich!) "
u uD
1 X
'i ui
u
i D1
1 X
1 X 'i D .u"i u/'i :
iD1
iD1
Da die Konvergenz in H m;p .G/ nachzuweisen ist, berechnen wir die Ableitungen dieser Differenz. Sei ˛ 2 .N [ f0g/n , j˛j m. Aufgabe 5.54. Deuten Sie und beweisen Sie die verallgemeinerte Produktregel ˛
D .fg/ D
˛ X ˛ ˇ D0
ˇ
D ˇ f D ˛ˇ g
für genügend of partiell differenzierbare Funktionen f und g. Damit erhalten wir unter Verwendung von (5.65): 1
X
kD ˛ u" D ˛ ukLp .G/ D D ˛ 'i .u"i u/ iD1
Lp .G/
˛ 1 X
X
˛
D ˇ 'i D ˛ˇ .u"i u/ p ; D ˇ L .G/ i D1 ˇ D0
c
1 X i D1
k'i kC m .G/ ku"i
ukH m;p .Gi / c"
1 X iD1
k'i kC m .G/ ci :
254
Kapitel 5 Theorie und Numerik parabolischer Differentialgleichungen 2. Ordnung
Wir wählen – eigentlich schon zu Beginn des Beweises – die Konstanten ci so klein, dass die Summe konvergiert. ci D .c2iC1 k'i kC m .G/ /1 und erhalten damit schließlich kD ˛ u" D ˛ ukLp .G/ < "; woraus die Behauptung des Satzes folgt.
Teil III
Erweiterungen von Theorie und Numerik
Kapitel 6
Theorie und Numerik der linearen Wellengleichung
Wir haben in den vorherigen Kapiteln die grundlegenden Techniken für die Analysis und die Numerik elliptischer und parabolischer partieller Differentialgleichungen kennengelernt. Bei der nun folgenden Untersuchung des Modellfalls einer hyperbolischen linearen partiellen Differentialgleichung zweiter Ordnung wiederholen sich die Argumente. Deshalb besprechen wir in diesem Kapitel vor allem die Dinge, die neu sind und verzichten insbesondere bei der Numerik auf die Vollständigkeit der Argumente. Wir machen uns zunächst mit der Analysis der linearen Wellengleichung vertraut.
6.1
Der eindimensionale Fall
Wir beginnen mit der räumlich eindimensionalen Wellengleichung, u t t uxx D 0;
(6.1)
um uns in das typische Verhalten von Lösungen der Gleichung einzuarbeiten. Außerdem untersuchen wir zunächst ähnlich wie bei der Wärmeleitungsgleichung das Cauchyproblem für die lineare Wellengleichung. Lemma 6.1. Alle Lösungen u 2 C 2 .R2 / von (6.1) haben die Form u.x; t / D f .t C x/ C g.x t /; wobei f; g Funktionen aus C 2 .R/ sind. Beweis. Dies folgt mit einer wichtigen Koordinatentransformation. Wir setzen D t C x; sowie
D x t;
1 x D . C /; 2
1 t D . /; 2
1 1 v.; / D u . C /; . / ; 2 2
u.x; t / D v.t C x; x t /:
Damit wird aus der Differentialgleichung (6.1) für u eine Differentialgleichung für die transformierte Funktion v, nämlich v D 0:
258
Kapitel 6 Theorie und Numerik der linearen Wellengleichung
Alle Lösungen dieser Differentialgleichung erhält man durch Integration. v .; / D 0 impliziert, dass v .; / D fQ./ ist, und weiter folgt dann, dass v.; / D f ./ C g. / gilt. Es ist offensichtlich möglich, zwei Funktionen f und g vorzugeben. Dies geschieht nun auf eine Weise, die es uns später erleichtern wird, eine Lösungsformel in n Raumdimensionen herzuleiten. Satz 6.2. Sind u0 2 C 2 .R/ und u1 2 C 1 .R/, so ist durch 1 u.x; t / D 2
xCt Z xt
xCt Z @ 1 u1 .s/ds C u0 .s/ds @t 2
(6.2)
xt
die einzige Lösung des Cauchyproblems für die eindimensionale Wellengleichung, u t t uxx D 0
in R2 ;
u.x; 0/ D u0 .x/; u t .x; 0/ D u1 .x/ .x 2 R/;
gegeben. Beweis. Wir sollten uns ansehen, wie man auf diese Lösungsformel kommt. Damit zeigen wir, dass jede Lösung des Cauchyproblems diese Form hat. Danach wäre zu verifizieren, dass durch (6.2) eine Lösung gegeben ist. Nach Lemma 6.1 hat die Lösung die Form u.x; t / D f .t C x/ C g.x t /;
u t .x; t / D f 0 .x C t / g 0 .x t /:
Damit ergibt sich ein sehr einfaches Gleichungssystem für f und g, wenn man t D 0 setzt: f .x/ C g.x/ D u0 .x/;
f 0 .x/ g 0 .x/ D u1 .x/;
.x 2 R/:
Aus der rechten Gleichung folgt Zx f .x/ g.x/ D
u1 .s/ ds C f .0/ g.0/; 0
und damit erhalten wir als Lösung des damit entstandenen Gleichungssystems für f .x/ und g.x/: 1 f .x/ D 2
Zx
1 1 u1 .s/ ds C .f .0/ g.0// C u0 .x/; 2 2
0
1 1 g.x/ D u0 .x/ 2 2
Zx 0
1 u1 .s/ ds .f .0/ g.0//: 2
Abschnitt 6.2 Das Cauchyproblem für die Wellengleichung im Rn
259
Also lautet die Lösungsformel für u: 1 u.x; t / D f .x C t / C g.x t / D 2
xCt Z xt
1 u1 .s/ ds C .u0 .x C t / C u0 .x t //: 2
Das ist aber die behauptete Gleichung (6.2). Es ist wichtig zu sehen, wie die Lösung des Cauchyproblems von den Anfangswerten abhängt. Insbesondere ist es interessant zu sehen, welche Bereiche der Anfangswerte auf der x-Achse die Lösung beeinflussen. Im Gegensatz zur Wärmeleitungsgleichung (siehe Satz 5.6) hängt die Lösung bei der Wellengleichung nicht von allen Daten auf t D 0 ab, sondern nur von einem durch die endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit gegebenen Bereich. t
(xo ,to)
to
T x xo−to
xo
xo+to
Abbildung 6.1. Die Lösung der Wellengleichung in einer Raumdimension hängt im schraffierten Bereich von den Anfangswerten im Intervall .x0 t0 ; x0 C t0 / ab.
Satz 6.3. Sei u 2 C 2 .R2 / Lösung der Wellengleichung u t t uxx D 0 und seien u.x; 0/ D 0, und u t .x; 0/ D 0 für x 2 Œx0 t0 ; x0 Ct0 . Dann ist u.x; t / D 0 für alle .x; t / 2 T , T D T .x0 ; t0 / D f.x; t / 2 R2 j 0 < t < t0 ; .t t0 /2 .x x0 /2 > 0g: Beweis. Das ist wegen der Lösungsformel (6.2) offensichtlich.
6.2
Das Cauchyproblem für die Wellengleichung im Rn
Die Erweiterung der Resultate für die räumlich eindimensionale Wellengleichung auf höhere Raumdimensionen ist im Prinzip klar, birgt jedoch einige Überraschungen. Wir beginnen mit dem Analogon zu Satz 6.3.
260
Kapitel 6 Theorie und Numerik der linearen Wellengleichung
Satz 6.4. Sei u 2 C 1 .T / \ C 2 .T / für T D T .x0 ; t0 / D f.x; t / 2 RnC1 j 0 < t < t0 ; .x; t / > 0g; wobei .x; t / D .t t0 /2 jx x0 j2 ist. Die Funktion u sei eine Lösung der Differentialgleichung, u t t C q.x; t /u t u D 0 in T: Dabei sei q eine beliebige Funktion, die für .x; t / 2 Rn .0; t0 / stetig und dort 0 ist. Ist dann u.x; 0/ D 0 und u t .x; 0/ D 0 für jx x0 j t0 , so ist u.x; t / D 0 für alle .x; t / 2 T . Beweis. Wähle Zahlen 0 < 0 < 1 < t0 und definiere G D f.x; t / 2 RnC1 j .x; t / > 0; 0 < t < 1 g als den Teil des Kegels T , der zwischen t D 0 und t D 1 liegt. Auf G gilt 0 D 2u t .u t t C qu t u/ D
.u2t / t
C
2qu2t
2
n X
..u t uxi /xi uxi uxi t /
iD1
D .u2t / t C 2qu2t C
n X
.u2xi / t 2
iD1
n X
.uxi u t /xi :
iD1
In über G integrierter Form ergibt dies die Gleichung Z Z 0 D 2 qu2t dxdt C .u2t / t C .jruj2 / t 2r .u t ru/ dxdt: G
G
G ist Normalgebiet im Sinn von Definition 1.2 mit Rand @G D 1 [ 2 [ 3 , wobei 1 D f.x; 0 / 2 RnC1 j .x; 0 / > 0g; 2 D f.x; 1 / 2 RnC1 j .x; 1 / > 0g; 3 D f.x; t / 2 RnC1 j .x; t / D 0; 0 < t < 1 g sind. Die äußere Normalen sind D .0; : : : ; 0; 1/ auf 1 , D .0; : : : ; 0; 1/ auf 2 P 2 auf 3 . Mit dem Gaußschen Integralsatz 1.3 folgt und nC1 D p1 , niD1 i2 D nC1 2 nun Z Z Z 2 2 2 0 D 2 qu t dxdt .u t C jruj /do.x; t / C .u2t C jruj2 /do.x; t / G
Z C 3
1
.u2t C jruj2 /nC1 2u t
2 n X iD1
uxi i do.x; t /:
Abschnitt 6.2 Das Cauchyproblem für die Wellengleichung im Rn
261
Der Integrand im Oberflächenintegral über 3 lässt sich geschickt umschreiben. Es ist nämlich .u2t
2
C jruj /nC1 2u t
n X
uxi i
iD1
1
D
D
nC1 p
2
2 .u2t C jruj2 /nC1 2
n X
u t uxi i nC1
iD1
n X
.uxi nC1 u t i /2 :
i D1
Also erhalten wir die Relation Z 0D2
qu2t dxdt C
G
Z
u2t C jruj2 d o.x; t /
2
Z
u2t C jruj2 d o.x; t /
1 n p Z X 2 C 2 uxi nC1 u t i do.x; t /: 3 iD1
Da nach Voraussetzung u 2 C 1 .T / und u D u t D 0 für t D 0 ist, konvergiert das Integral über den Randteil 1 für 0 ! 0 gegen Null, und es bleibt eine Summe Integralen über nicht negative Integranden übrig. Z 0D2 G
qu2t dxdt
Z C 2
.u2t
n p Z X C jruj / d o.x; t / C 2 .uxi nC1 u t i /2 : 2
3 iD1
Also folgt insbesondere u2t C jruj2 D 0 auf 2 , und da 1 beliebig war, liefert dies, dass u t D 0 und ru D 0 auf T ist. Demnach ist u auf T konstant. Wegen u D 0 auf t D 0 für jx x0 j t0 folgt, dass u in T verschwindet. Das war die Behauptung des Satzes. Jede Lösung des Cauchyproblems für die Wellengleichung im Rn ist also durch u und u t auf f.x; 0/j jx x0 j t0 g eindeutig bestimmt. Wir versuchen nun, eine Lösungsformel in höheren Raumdimensionen herzuleiten. Dies geschieht in Analogie zum räumlich eindimensionalen Fall mit der Methode der sphärischen Mittelwerte. An dieser Stelle sollten wir eine kleine Formel für den Flächeninhalt der Einheitssphäre herleiten. In Abschnitt 1.2 hatten wir !n D jS n1 j definiert.
262
Kapitel 6 Theorie und Numerik der linearen Wellengleichung
Aufgabe 6.5. Für den Flächeninhalt der Einheitssphäre im Rn gilt: n
2. 12 / 2 2 !n D n D . 2 / . n2 / mit der Gammafunktion . Dies ist mit elementaren Methoden R 1 zu beweisen. Zur Erinnerung: Die Gammafunktion ist definiert als .x/ D 0 t x1 e t dt für x > 0 und genügt der Funktionalgleichung .x C 1/ D x.x/, und demnach ist .k/ D .k 1/Š für eine Zahl k 2 N. Satz 6.6. Für k 2 und n 2 sei f 2 C k .Rn /. Dann ist durch Z 1 v.x; r/ D f .x C r/do./ .x 2 Rn ; r 2 R/ !n S n1
eine Funktion aus C k .Rn R/ gegeben, die für r 6D 0 der Darbouxschen Differentialgleichung n1 vr x v D 0 vrr C r genügt. Außerdem ist v eine gerade Funktion in r: v.x; r/ D v.x; r/ für r 6D 0. Als Vorbereitung für den Beweis sehen wir uns den Laplace-Beltrami-Operator auf der Sphäre an. Wir geben eine einfache Definition für diesen Differentialoperator. Definition 6.7. Sei f W S n1 ! R gegeben; f D f ./, . 2 S n1 /. Es sei durch x .0 < jxj < 1/; F .x/ D f jxj eine Funktion F 2 C 2 .Rn n f0g/ gegeben. Dann heißt f ./ D F ./ . 2 S n1 / Laplace-Beltrami-Operator von f auf S n1 . Die Größe rf ./ D rF ./ . 2 S n1 / heißt tangentialer Gradient von f auf S n1 . Beispiel 6.8. Ein einfaches Anwendungsbeispiel ist die Funktion f ./ D i . In diexi , und man rechnet leicht nach, dass rf ./ D ei i und sem Fall ist F .x/ D jxj f ./ D .1 n/i für 2 S n1 ist. ei ist der i -te Standardbasisvektor im Rn . Mit dem Laplace-Beltrami-Operator können wir die bekannte Formel für den Laplace-Operator in Polarkoordinaten im Rn leicht ausdrücken.
Abschnitt 6.2 Das Cauchyproblem für die Wellengleichung im Rn
Aufgabe 6.9. Für g 2 C 2 .Rn nf0g/ und r D jxj, D im Rn in Polarkoordinaten g.x/ D
x jxj
263
lautet der Laplace-Operator
1 n 1 @G @2 G .r; / C 2 G.r; /: .r; / C 2 @r r @r r
(6.3)
Dabei ist G.r; / D g.r/, und der Laplace-Beltrami-Operator bezüglich zu nehmen. Eine einfache Folgerung wird später sehr hilfreich sein. Lemma 6.10. Es liege die Situation von Definition 6.7 vor. Dann gilt: Z f ./do./ D 0: S n1 x Beweis. Sei also F 2 C 2 .Rn n f0g/ durch F .x/ D f . jxj / definiert. Wir betrachten
die Kugelschale R D fx 2 Rn j 12 < jxj < 2g. Die Greensche Formel aus Satz 1.3 ergibt Z
Z
@F .x/do.x/ D 0: @
F .x/dx D R
@R
Man beachte, dass F konstant in Normalenrichtung ist. Andererseits erhalten wir aus (6.3) wegen F D F ./, dass (siehe Hilfssatz 1.8) Z
Z
1 f jxj2
F .x/dx D
0D R
1 2
Z2 f ./do./
S n1
Z2 Z x dx D jxj
R
Z D
r n3 dr D
1 f ./do./r n1 dr r2
S n1
Z f ./do./c0 S n1
1 2
mit c0 6D 0. Damit ist die Behauptung bewiesen. Nun sind wir in der Lage Satz 6.6 über die Darbouxsche Differentialgleichung zu beweisen. Mit der Definition Z 1 f .x C r/do./ .x 2 Rn ; r 2 R/ v.x; r/ D !n S n1
264
Kapitel 6 Theorie und Numerik der linearen Wellengleichung
erhalten wir mit (6.3) und Lemma 6.10 Z 1 x v.x; r/ D f .x C r/ do./ !n S n1
D
1 !n
D
D
Z
@2 n1 @ C @r 2 r @r
S n1
@2 n1 @ C @r 2 r @r
1 !n
f .x C r/ do./
Z f .x C r/ do./ S n1
@2 v n 1 @v .x; r/: .x; r/ C @r 2 r @r
Damit haben wir Satz 6.6 bewiesen. Jetzt können wir mit Hilfe der Darbouxschen Differentialgleichung das Cauchyproblem für die Wellengleichung im R3 lösen. Die oben betrachtete Funktion v lautet für n D 3 Z 1 f .x C r/ do./: v.x; r/ D !3 S2
Sie löst nach Satz 6.6 die Differentialgleichung 2 vrr C vr x v D 0; r und diese ist äquivalent zur Differentialgleichung .rv/rr x .rv/ D 0: Setzen wir also u.x; t / D t v.x; t /, so löst diese neue Funktion u die Wellengleichung. Dies ist der Gegenstand des folgenden Satzes, wobei wir gleich noch die Anfangswerte mit einbauen. Satz 6.11. Es seien u0 2 C 3 .R3 / und u1 2 C 2 .R3 /. Definiere Z 1 f .x C t /do./: M.x; t; f / D !3 S2
Dann ist die Funktion u.x; t / D tM.x; t; u1 / C
@ .tM.x; t; u0 // @t
die Lösung des Anfangswertproblems u t t u D 0
in R3 .0; 1/;
u.; 0/ D u0 ; u t .; 0/ D u1
in R3 :
Abschnitt 6.2 Das Cauchyproblem für die Wellengleichung im Rn
265
Beweis. Der Beweis dieses Satzes ist nun sehr einfach. Dass u die Differentialgleichung löst, ist nach obigen Untersuchungen klar. Man überlege sich lediglich, wie die Differenzierbarkeitseigenschaften der Anfangswerte eingehen. Sehen wir uns die Annahme der Anfangswerte an: Wegen u.x; t / D tM.x; t; u1 / C M.x; t; u0 / C t
@ .M.x; t; u0 // @t
folgt u.x; 0/ D M.x; 0; u0 / D
1 !3
Z u0 .x/ do./ D u0 .x/: S2
Wegen @ @2 .M.x; t; u1 // C 2 .tM.x; t; u0 // @t @t @ D M.x; t; u1 / C t .M.x; t; u1 // .tM.x; t; u0 // @t
u t .x; t / D M.x; t; u1 / C t
erhalten wir u t .x; 0/ D M.x; 0; u1 / D u1 .x/, und das Cauchyproblem für die Wellengleichung in drei Raumdimensionen ist gelöst. Zur Information geben wir an, wie unser obiges Vorgehen für n D 1; 3 auf höhere ungerade Raumdimensionen verallgemeinert werden kann. Satz 6.12. Die Raumdimension n 3 sei ungerade. Für die Anfangswerte gelte nC3 u0 ; u1 2 C 2 .Rn /. Dann ist die Funktion n3 2 @ 1 @ 1 .t n2 M.x; t; u0 // u.x; t / D 1 3 .n 2/ @t t @t n3 2 1 @ C .t n2 M.x; t; u1 // t @t die einzige Lösung des Cauchyproblems u t t u D 0
in Rn .0; 1/;
u.; 0/ D u0 ; u t .; 0/ D u1
in Rn :
Da wir später an der Numerik für die lineare Wellengleichung auch in zwei Raumdimensionen interessiert sind, und es von allgemeinem Interesse ist, versuchen wir im Folgenden kurz, eine Lösungsformel für das Cauchyproblem für die Wellengleichung im Fall n D 2, beziehungsweise in geraden Raumdimensionen, herzuleiten. Der Trick besteht in der sogenannten Abstiegsmethode von Hadamard. Man verwendet die Formel für n D 3, beziehungsweise in der nächst höheren Dimension, für trivial fortgesetzte Daten und reduziert danach die Formel.
266
Kapitel 6 Theorie und Numerik der linearen Wellengleichung
Es sei n 2 eine gerade Raumdimension. Sei u D u.x1 ; : : : ; xn ; t / eine Lösung des Cauchyproblems in n Raumdimensionen zu den Anfangswerten u0 und u1 . Setze U0 .x1 ; : : : ; xnC1 / D u0 .x1 ; : : : ; xn /; U1 .x1 ; : : : ; xnC1 / D u1 .x1 ; : : : ; xn /: Sei U D U.x1 ; : : : ; xnC1 ; t / die Lösung zu den Daten U0 und U1 (die nicht von xnC1 abhängen!). Da die Raumdimension n C 1 ungerade ist, gibt es nach Satz 6.11 beziehungsweise Satz 6.12 sogar eine Formel für die Lösung U . Allerdings enthält diese Formel die Variable xnC1 . Wir versuchen im Folgenden, diese Variable zu beseitigen. Wir beweisen, dass @U D0 @xnC1
(6.4)
gilt, das heißt, dass U nicht von xnC1 abhängt. Setze v.x1 ; : : : ; xnC1 ; t / D
@U .x1 ; : : : ; xnC1 ; t /: @xnC1
Falls U 2 C 3 .RnC2 / ist, gilt dann v t t v D 0
in RnC1 .0; 1/;
v.; 0/ D v t .; 0/ D 0:
Satz 6.4 ergibt dann, dass v identisch gleich Null ist, und demnach ist (6.4) bewiesen. Nach dem soeben Bewiesenen und mit der Lösungsformel in ungeraden Raumdimensionen gilt mit der Bezeichnung x D .x1 ; : : : ; xnC1 /: 1 1 3 .n 1/ 1 @ n2 @ 1 @ n2 2 2 t n1 M.x; t; U1 / : .t n1 M.x; t; U0 // C @t t @t t @t
u.x1 ; : : : ; xn ; t / D U.x1 ; : : : ; xnC1 ; t / D
Dabei ist selbstverständlich M.x; t; U0 / D
1 !nC1
Z U0 .x C t / do./: Sn
Wir reduzieren nun diese Formel unter Verwendung der Tatsache, dass U0 nicht von xnC1 abhängt. Dazu verwenden wir die Bezeichnung x D .x1 ; : : : ; xn / für x 2 RnC1 . Wir beschreiben die n-dimensionale Sphäre durch zwei Graphen: q ˚
n n [ Sn ; S˙ D 2 RnC1 j nC1 D ˙ 1 jj2 ; jj 1 : S n D SC
Abschnitt 6.2 Das Cauchyproblem für die Wellengleichung im Rn
267
q Hier müssen wir Vorsicht walten lassen, den mit der Funktion g./ D ˙ 1 jj2 ist d o./ D
q
1 C jrg./j2 d ;
also am Rand jj D 1 singulär. Man überzeuge sich davon, dass dies für die nun folgenden Argumente kein Problem ist. Man arbeitet auf jj 1 " und lässt am Schluss " gegen Null gehen. Es ist q 1 q 1 C jrg./j2 D 1 jj2 : Wegen der Unabhängigkeit der Funktion U0 von der Variablen xnC1 folgt Z u0 .x C t / 2 M.x; t; U0 / D d q !nC1 2 1 jj n B1 .0/R
D
Wir substituieren D
M.x; t; U0 / D
s t
!nC1
0 S n1
u0 .x C t / d o. /n1 d: p 1 2
und erhalten 2
!nC1
2!n D !nC1
Zt Z 0 S n1
Zt 0
D
Z1 Z
2
2!n !nC1
Zt 0
1 !n
u0 .x C s / s n1 d o. /ds q n t s2 1 t2 Z S n1
s n1 u0 .x C s / d o. / p ds t 2 s 2 t n1
s n1 M .x; s; u0 / ds: p t 2 s 2 t n1
Hier haben wir vorsichtshalber M für das Mittelwertintegral im Rn geschrieben. Mit Aufgabe 6.5 erhalten wir: ( n 13.n1/ 2 2 . nC1 2!n 2 .l C 12 / .n 6D 2/ 2 / D 24.n2/ D2 Dp : nC1 n !nC1 .l/ 1 .n D 2/ . /2 2 2
Hierbei wurde verwendet, dass l D n2 2 N ist, da n eine gerade Zahl ist. Damit haben wir den folgenden Satz bewiesen. Man kontrolliere die Glattheitsvoraussetzung an die Anfangsdaten.
268
Kapitel 6 Theorie und Numerik der linearen Wellengleichung
Satz 6.13. Ist die Raumdimension n 2, gerade und sind u0 ; u1 2 C wird das Cauchyproblem u t t u D 0
in Rn RC ;
nC4 2
.Rn /, so
u.; 0/ D u0 ; u t .; 0/ D u1
durch die Funktion n2 Zt 2 @ 1 @ s n1 1 u.x; t / D M.x; s; u0 /ds p 2 4 .n 2/ @t t @t t 2 s2 0
C
1 @ t @t
n2 2
Zt 0
s n1 M.x; s; u1 /ds p t 2 s2
eindeutig gelöst. Der erste Koeffizient ist für n D 2 auf 1 zu setzen. Die vorausgegangenen Untersuchungen und Formeln zeigen, dass die Lösung u des Cauchyproblems in geraden Raumdimensionen von den Anfangswerten in der ganzen Basiskugel abhängt, in ungeraden Raumdimensionen aber nur von den Anfangswerten auf der Oberfläche dieser Kugel abhängt.
6.3
Das Anfangsrandwertproblem für die lineare Wellengleichung
Für das Anfangsrandwertproblem gibt es im Gegensatz zum Cauchyproblem im Allgemeinen keine geschlossene Formel für die Lösung. Das Anfangsrandwertproblem lautet u t t u D f u.; 0/ D u0 ;
in G .0; T /; u t .; 0/ D u1
(6.5) auf G;
uDg
auf @G .0; T /:
Für klassische Lösungen müssen wir voraussetzen, dass u 2 C 2 .G .0; T // \ C 0 .G .0; T // \ C 1 .G Œ0; T //: Die Daten des Problems G Rn , ein beschränktes Gebiet, 0 < T < 1 sowie u0 , u1 , g und f sind aus geeigneten Räumen gegeben. Ähnlich wie bei der schwachen Lösung der Wärmeleitungsgleichung werden wir die Existenz einer schwachen Lösung der Wellengleichung für relativ reguläre Anfangswerte u0 ; u1 2 H˚ 1 .G/ nachweisen. Für die später entwickelte Numerik benötigen wir eine gewisse Grundregularität, um überhaupt eine vernünftige Konvergenz des numerischen Verfahrens zu beweisen. Andererseits ist uns klar, dass wir für diskrete Funktionen aus Finite-Elemente-Räumen mindestens die räumlichen zweiten
269
Abschnitt 6.3 Das Anfangsrandwertproblem für die lineare Wellengleichung
Ableitungen in schwacher Form schreiben müssen. Für die folgende Definition reicht jedoch u0 ; u1 2 L2 .G/ aus. In Anlehnung an unsere Ideen zur schwachen Lösung der linearen Wärmeleitungsgleichung in Abschnitt 5.4 vermuten wir, dass eine sinnvolle schwache Formulierung von (6.5) durch die folgende Definition gegeben ist. Definition 6.14. Es sei G Rn ein beschränktes Gebiet und 0 < T < 1. Wir schreiben GT D G .0; T /. Weiter seien f 2 L2 .GT /, g 2 H 1 .GT / und u0 ; u1 2 L2 .G/. Dann heißt u schwache Lösung des Anfangswertproblems für die Wellengleichung (6.5), falls u 2 H 1 .GT /, u.; t /g.; t / 2 H˚ 1 .G/ für fast alle t 2 .0; T /, u.; 0/ D u0 ist und außerdem die Gleichung Z Z Z Z ut 't ru r' C u1 '.; 0/ C f' D 0 (6.6) GT
GT
G
GT
für jede Testfunktion ' 2 H 1 .GT / mit den Eigenschaften '.; t / 2 H˚ 1 .G/ für fast alle t 2 .0; T / und '.; T / D 0 erfüllt ist. Zunächst sollte man sich klar machen, dass alle in dieser Definition vorkommenden Terme sinnvoll sind. Die Integrale über GT existieren unter den Voraussetzungen. Insbesondere sind u.; t / und '.; t / für alle t 2 Œ0; T aus L2 .G/, denn wir können den Spursatz 5.37 auf Gebiete der Form G .0; t / anwenden. Wir überzeugen uns davon, dass wir für glatte Daten und eine schwache Lösung u gemäß Definition 6.14, die genügend glatt ist, eine klassische Lösung des Problems (6.5) zurückerhalten. Wir dürfen die Testfunktion '.; t / außerhalb von G durch Null fortsetzen und über ein größeres Normalgebiet G0 G integrieren. Deshalb muss G kein Normalgebiet sein. Ist u 2 C 2 .GT / \ C 1 .G Œ0; T //, so erhalten wir für die Terme aus (6.6) durch partielle Integration:
ut 't D Z
GT
u t ' t dxdt D 0 G
Z u t .; 0/'.; 0/ dx
G
Z
ru r' dxdt D GT
Z
ZT Z
Z
u t t ' dxdt;
GT
u' dxdt:
GT
Hier wurde verwendet, dass '.; T / D 0 ist. Demnach folgt aus (6.6), dass Z Z .u t t C u f / ' dxdt C .u1 u t .; 0// '.; 0/ dx D 0 GT
(6.7)
G
ist. Dies impliziert dann zunächst mit der Hilfe von Testfunktionen, die auf t D 0 verschwinden, dass die Wellengleichung u t t u D f auf GT erfüllt ist, womit der
270
Kapitel 6 Theorie und Numerik der linearen Wellengleichung
linke Term in (6.7) verschwindet. Also ist der rechte Term für alle '.; 0/ gleich Null, und dies ergibt den Anfangswert u t .; 0/ D u1 auf G. Wie in Abschnitt 5.4 bei der Lösung der Wärmeleitungsgleichung versuchen wir die Existenz einer Lösung des Anfangsrandwertproblems für die Wellengleichung durch eine geeignete Zeitdiskretisierung nachzuweisen. Dazu sei > 0 eine Zeitschrittweite, M 2 N so, dass M D T ist. Zur Vereinfachung setzen wir in den nächsten Hilfssätzen g D 0 und zunächst auch f D 0. Als Zeitdiskretisierung wählen wir ein Crank-Nicolson-Verfahren. Für m D 1; 2; : : : ; M 1 bestimme um 2 H˚ 1 .G/, so dass 1 mC1 1 .u 2um C um1 ; '/L2 .G/ C .rumC1 C rum ; r'/L2 .G/ D 0 2 2 für jede Testfunktion ' 2 H˚ 1 .G/ gilt. Mit dem Satz von Lax-Milgram (Satz 4.3) beziehungsweise mit dem daraus abgeleiteten Existenzsatz für schwache Lösungen linearer elliptischer partieller Differentialgleichungen Satz 4.5 erhalten wir sofort die Aussage des folgenden Hilfssatzes. Hilfssatz 6.15. Zu um1 2 L2 .G/ und um 2 H˚ 1 .G/ gibt es genau eine Funktion umC1 2 H˚ 1 .G/, so dass 1 mC1 1 .u ; '/L2 .G/ C .rumC1 ; r'/L2 .G/ 2 2 1 1 D 2 .2um um1 ; '/L2 .G/ .rum ; r'/L2 .G/ 2
(6.8)
für jede Testfunktion ' 2 H˚ 1 .G/ ist. Der nächste Schritt im Existenzbeweis ist der Nachweis geeigneter A-Priori-Abschätzungen. Dazu wählen wir in (6.8) die Funktion ' D umC1 um 2 H˚ 1 .G/ als Testfunktion. Dies ergibt 1 mC1 1 mC1 2 ku um kL .u um ; um um1 /L2 .G/ 2 .G/ 2 2 1 2 m 2 C .krumC1 kL 2 .G/ kru kL2 .G/ / D 0; 2 und daraus erhalten wir 1 mC1 1 m 2 2 ku um kL ku um1 kL 2 .G/ 2 .G/ 2 2 1 2 mC1 2 2 C 2 k.umC1 um / .um um1 /kL kL2 .G/ krum kL 2 .G/ C kru 2 .G/ D 0:
Abschnitt 6.3 Das Anfangsrandwertproblem für die lineare Wellengleichung
271
Wir summieren diese Gleichung über m von 1 bis l 1 mit einem 2 l M auf und erhalten l1 1 l 1 X l1 2 l 2 2 ku u kL2 .G/ C kru kL2 .G/ C 2 k.umC1 um / .um um1 /kL 2 .G/ 2 mD1
D
1 1 2 1 2 ku u0 kL 2 .G/ C kru kL2 .G/ : 2
Dies ergibt unsere erste A-Priori-Abschätzung. Hilfssatz 6.16. Es seien u0 ; u1 2 H˚ 1 .G/. Wählen wir u0 D u0 , u1 D u0 C u1 , so gilt für die Lösungen u1 ; : : : ; uM aus Hilfssatz 6.15 die Abschätzung ul ul1
C krul kL2 .G/ c.ku0 kH 1 .G/ C ku1 kH 1 .G/ /:
2 L .G/ lD1;:::;M (6.9) max
Wir interpolieren die zeitdiskrete Lösung in der Zeit, um eine Funktion zu erhalten, die auf ganz GT definiert ist. Dabei verwenden wir die Bezeichnung tl D l . Wir setzen u .x; t / D
tl t l1 t tl1 l u .x/ C u .x/;
x 2 G; t 2 Œtl1 ; tl /:
(6.10)
Dann ist offensichtlich u 2 H 1 .GT / mit der Eigenschaft, dass u .; t / 2 H˚ 1 .G/ für jedes t 2 Œ0; T ist. Wir übertragen die in Hilfssatz 6.16 erreichte Abschätzung auf die interpolierte Funktion u . Folgerung 6.17. Es ist u 2 H 1 .GT /, u.; t / 2 H˚ 1 .G/ für alle t 2 Œ0; T , u .; 0/ D u0 ;
lim
t!0;t>0
u t .; t / D u1 ;
und es gilt die A-Priori-Abschätzung sup .ku t kL2 .G/ C kru kL2 .G/ / C ku kH 1 .GT / c.ku0 kH 1 .G/ C ku1 kH 1 .G/ /;
.0;T /
mit einer Konstanten c, die nicht von abhängt. Beweis. Zunächst erhalten wir aus Hilfssatz 6.16, dass
ul ul1
c.ku0 kH 1 .G/ C ku1 kH 1 .G/ / sup ku t kL2 .G/ D sup
2 L .G/ .tl1 ;tl / .tl1 ;tl /
272
Kapitel 6 Theorie und Numerik der linearen Wellengleichung
ist. Analog folgt sup kru kL2 .G/ .tl1 ;tl /
t t t tl1 l krul1 kL2.G/ C krul kL2 .G/ t2.tl1 ;tl / sup
c.ku0 kH 1 .G/ C ku1 kH 1 .G/ /: Außerdem erhalten wir wegen der Poincaréschen Ungleichung (2.8), dass ku .; t /kL2 .G/ ckru .; t /kL2 .G/ gilt, und damit ist die Folgerung bewiesen. Wir beweisen nun, dass die Funktion u die schwache Differentialgleichung (6.6) bis auf einen Restterm erfüllt. Hilfssatz 6.18. Für alle ' 2 C 1 .G T / mit '.; t / 2 C01 .G/ für t 2 Œ0; T / und '.; T / D 0 gilt Z Z Z u t ' t dx dt ru r' dx dt C u1 '.; 0/ dx D R .'/; (6.11) GT
GT
G
und R .'/ ! 0 für ! 0. Beweis. Wir erhalten mit der Definition (6.10) von u die folgende Gleichung. ZT Z
u t ' t
ZT Z dx dt
0 G
Z
ru r' dx dt C 0 G
u1 '.; 0/ dx G
Z M Ztl Z X ul ul1 tl t ' t dx rul1 r' dx D lD1 tl1
G
t tl1
Z
G l
ru r' dx dt C G
D
M X
Z
lD1 G
Z
ul ul1 .'.; tl / '.; tl1 // dx C
u1 '.; 0/ dx G
Z u1 '.; 0/dx G
Z Z M Ztl X tl t t tl1 l1 ru r' dx C rul r' dx dt: lD1 tl1
G
G
273
Abschnitt 6.3 Das Anfangsrandwertproblem für die lineare Wellengleichung
Wir formen den ersten Term auf der rechten Seite dieser Gleichung geeignet um, indem wir die zeitdiskrete Differentialgleichung (6.8) verwenden M Z M Z X X ul ul1 ul ul1 .'.; tl / '.; tl1 // dx D '.; tl / dx lD1 G
lD1 G
M 1 X
Z
ulC1 ul '.; tl / dx
lD1 G
Z
u1 u0 '.; 0/ dx;
G
und mit der Wahl des Anfangswerts u1 D u0 C u1 weiter D
M 1 X
Z
lD1 G
D
2
M 1 X
Z
ulC1 2ul C ul1 '.; tl / dx
Z u1 '.; 0/ dx G
.rulC1 C rul / r'.; tl / dx
lD1 G
Z u1 '.; 0/ dx G
Z Z M Ztl X t tl1 tl t l ru r'.; tl1 / dx C rul1 r'.; tl1 / dxdt D lD2 tl1
G
Z
G
u1 '.; 0/ dx:
G
Damit folgt insgesamt Z Z Z u t ' t dx dt ru r' dx dt C u1 '.; 0/ dx D R .'/ GT
GT
G
mit dem Restterm Z M Ztl X t tl1 R .'/ D rul .r'.; tl1 / r'/ dx
lD2 tl1
G
tl t C
Z ru
l1
.r'.; tl1 / r'/ dx dt
G
Z 0
t
Z
0
Z
ru r' dxdt G
0
t
Z G
ru1 r' dxdt:
274
Kapitel 6 Theorie und Numerik der linearen Wellengleichung
Diesen Restterm schätzen wir nun geeignet ab.
jR .'/j
M X
l
l1
.kru kL2 .G/ C kru
Ztl kL2 .G/ /
lD2
kr' r'.; tl1 /kL2 .G/ dt
tl1
C .kru0 kL2 .G/ C kru1 kL2 .G/ /
Z kr'kL2 .G/ dt: 0
Wir verwenden die Abschätzung (6.9) aus Hilfssatz 6.16 und erhalten mit der Konstanten C D ku0 kH 1 .G/ C ku1 kH 1 .G/ ; dass
jR .'/j C
M Ztl X
Z kr' r'.; tl1 /kL2 .G/ dt C C
lD2 tl1
kr'kL2 .G/ dt: 0
R .'/
! 0 für ! 0 für die von uns zugelassenen Testfunktionen '. ist. Also gilt Man beachte, dass r' gleichmäßig stetig auf GT ist. Wie üblich können wir nun in der zeitdiskreten Gleichung (6.11) für ! 0 zur Grenze übergehen. Dazu sei k ! 0 für k ! 1 und uk D u k . Nach Folgerung 6.17 ist kuk kH 1 .GT / c unabhängig von k. Es gibt demnach nach Lemma 5.17 eine Teilfolge .ukj /j 2N mit der Eigenschaft, dass es eine Funktion u 2 H 1 .GT / gibt, gegen die die Funktionenfolge in folgendem Sinn schwach konvergiert: ukj * u;
rukj * ru;
ukj t * u t
.j ! 1/ in L2 .GT /:
Damit können wir aus Hilfssatz 6.18 schließen, dass für alle ' 2 C 1 .G T / mit '.; t / 2 C01 .G/ für t 2 Œ0; T / und '.; T / D 0 gilt: ZT Z u t ' t dx dt 0 G
Z
ZT Z ru r' dx dt C 0 G
u1 '.; 0/ dx D 0:
(6.12)
G
Die Behandlung der rechten Seite f geschieht analog zu dem Vorgehen im Rahmen der Wärmeleitungsgleichung in Abschnitt 5.4. Man überlege sich, dass sich Testfunktionen der Form, wie sie in Definition 6.14 vorkommen, durch Testfunktionen, wie sie oben verwendet wurden, approximieren lassen.
Abschnitt 6.3 Das Anfangsrandwertproblem für die lineare Wellengleichung
275
Satz 6.19. Sei G Rn ein beschränktes Gebiet und 0 < T < 1. Weiter seien f 2 L2 .GT /, g D 0 und u0 ; u1 2 H˚ 1 .G/. Dann gibt es eine schwache Lösung u 2 H 1 .GT / der Wellengleichung gemäß Definition 6.14. Außerdem gilt die A-Priori-Abschätzung kukH 1 .GT / c.ku0 kH 1 .G/ C ku1 kH 1 .G/ /:
(6.13)
Ähnlich wie bei der Wärmeleitungsgleichung fragen wir uns, welche Gleichung auf den Zeitschnitten besteht – dies selbstverständlich nur für fast alle Zeiten. Wir dürfen in der schwachen Differentialgleichung Z Z Z Z ut 't ru r' C u1 '.; 0/ C f' D 0 GT
GT
G
GT
als Testfunktion eine Funktion der Form '.x; t / D .t / .x/ einsetzen, wenn 2 C01 ..0; T // und 2 H˚ 1 .G/ sind. Dann erhalten wir ZT
Z t
0
ut
ZT Z dxdt ru r
G
0
oder mit den Funktionen Z U D u t dx; G
ZT Z dxdt D f
G
0
Z V D
dxdt;
G
Z ru r
dx;
F D
G
f
dx;
G
die nach dem Satz von Fubini in L2 ..0; T // sind, dass für alle 2 C01 ..0; T // gilt: ZT
ZT t U dt
0
.V F / dt D 0: 0
Demnach besitzt U eine schwache Ableitung, die in L2 ..0; T // liegt. Wir können also im schwachen Sinn die folgende Gleichung formulieren. Folgerung 6.20. Es seien die Voraussetzungen von Satz 6.19 erfüllt, und es sei u die schwache Lösung der Wellengleichung. Dann haben wir die Gleichung Z Z Z d u t C ru r D f (6.14) dt G
im schwachen Sinn für jedes
G
2 H˚ 1 .G/.
G
276
Kapitel 6 Theorie und Numerik der linearen Wellengleichung
Diese Form der schwachen Wellengleichung ist im nächsten Abschnitt die Grundlage für eine räumliche Diskretisierung der linearen Wellengleichung. Wir haben bisher nicht die Eindeutigkeit der schwachen Lösung der Wellengleichung bewiesen. Dies würde einiges an Regularitätsuntersuchungen bedeuten, die wir hier nicht anstellen wollen. Der Eindeutigkeitssatz für das Cauchyproblem Satz 6.4 ist wegen der starken Annahmen an die Glattheit der Lösung nicht direkt anwendbar, enthält aber auch für den Eindeutigkeitsbeweis schwacher Lösungen die richtigen Ideen. Man rechne nach, dass für eine in GT genügend glatte Lösung u der Wellengleichung mit f D 0 und g D 0 die Gleichung Z d u2t C jruj2 D 0 dt G
erfüllt ist. Also ist
Z
u2t
G
2
Z
C jruj D
u21 C jru0 j2 :
G
Ist u die Differenz zweier Lösungen zu den gleichen Daten, so folgt u D 0.
6.4
Ortsdiskretisierung der Wellengleichung
Wir diskretisieren das Anfangsrandwertproblem für die Wellengleichung (6.5) für Randwerte g D 0. Dazu sei Xh H˚ 1 .G/ ein endlichdimensionaler Teilraum, der die Annahme 5.23 an die Ritzprojektion erfüllt. Durch '1 ; : : : ; 'N sei eine Basis von Xh gegeben. Für die diskrete Gleichung wählen wir Anfangswerte uh0 ; uh1 2 Xh . Als diskrete Lösung bezeichnen wir eine Funktion uh 2 H 2 ..0; T /; Xh / – wie üb2 N lich zu interpretieren PN als u 2 H ..0; T /; R / für die Koeffizienten u D .u1 ; : : : ; uN / von uh .x; t / D j D1 uj .t /'j .x/. uh sei Lösung von Z Z Z uht t 'h C ruh r'h D f 'h 8'h 2 Xh : (6.15) G
G
G
Außerdem werden die Anfangswerte angenommen: uh .; 0/ D uh0 und uht .; 0/ D uh1 . Nehmen wir an, dass u eine genügend reguläre Lösung der Wellengleichung Z Z Z u t t ' C ru r' D f ' 8' 2 H˚ 1 .G/ G
G
G
ist, so folgt die Fehlerrelation .u t t uht t ; 'h /L2 .G/ C .r.u uh /; r'h /L2 .G/ D 0
8'h 2 Xh :
(6.16)
277
Abschnitt 6.4 Ortsdiskretisierung der Wellengleichung
Wir verwenden die Eigenschaft (5.26) der Ritzprojektion Ph u von u und erhalten .u t t uht t ; 'h /L2 .G/ C .r.Ph u uh /; r'h /L2 .G/ D 0
8'h 2 Xh
und wegen .Ph u/ t t D Ph u t t folgt dann .Ph u t t uht t ; 'h /L2 .G/ C .r.Ph u uh /; r'h /L2 .G/ D .Ph u t t u t t ; 'h /L2 .G/ 8'h 2 Xh . Wir setzen hierin die Funktion 'h D Ph u t uht als diskrete Testfunktion ein. Dann erhält man mit der Approximationseigenschaft (5.23) der Ritzprojektion 1d 2 2 kPh u t uht kL 2 .G/ C kr.Ph u uh /kL2 .G/ 2 dt kPh u t t u t t kL2 .G/ kPh u t uht kL2 .G/ chsC1 ku t t kH sC1 .G/ kPh u t uht kL2 .G/ :
(6.17)
Daraus erhalten wir insbesondere die Ungleichung d kPh u t uht kL2 .G/ chsC1 ku t t kH sC1 .G/ ; dt und nach Integration bezüglich der Zeit von 0 bis t folgt: sC1
Zt
kPh u t .; t / uht .; t /kL2 .G/ ch
ku t t kH sC1 .G/ dt C kPh u1 uh1 kL2 .G/ : 0
(6.18) Verwendet man die Abschätzung ku t Ph u t kL2 .G/ chsC1 ku t kH sC1 .G/ , so folgt schließlich ku t uht kL2 .G/ ch
sC1
(6.19)
Zt ku t kH sC1 .G/ C
ku t t kH sC1 .G/ dt C kPh u1 uh1 kL2 .G/ : 0
Ebenfalls aus (6.17) erhalten wir die Kontrolle der Gradienten, nämlich 2 kr.Ph u.; t / uh .; t //kL 2 .G/
kr.Ph u0
2 uh0 /kL 2 .G/
sC1
Zt
C ch
ku t t kH sC1 .G/ kPh u t uht kL2 .G/ dt: 0
278
Kapitel 6 Theorie und Numerik der linearen Wellengleichung
Wir verwenden (6.18) und erhalten schließlich für alle t 2 .0; T /: kr.Ph u.; t / uh .; t //kL2 .G/ sC1
ZT
ch
ku t t kH sC1 .G/ dt C kr.Ph u0 uh0 /kL2 .G/ C kPh u1 uh1 kL2 .G/ : 0
Wir verwenden noch die Approximationseigenschaft der Ritzprojektion für den Gradienten, kr.Ph u u/kL2 .G/ chs kukH sC1 .G/ und haben damit den folgenden Satz bewiesen. Satz 6.21. Es gibt genau eine diskrete Lösung uh von (6.15) zu Anfangswerten uh0 ; uh1 2 Xh . Für den Fehler zwischen kontinuierlicher und im Ort diskretisierter Lösung der linearen Wellengleichung gelten die Abschätzungen sup ku uh kL2 .G/ C1 hsC1 C kPh u1 uh1 kL2 .G/ ;
(6.20)
.0;T /
sup kr.u uh /kL2 .G/ C2 hs C C3 hsC1
(6.21)
.0;T /
C kr.Ph u0 uh0 /kL2 .G/ C kPh u1 uh1 kL2 .G/ : Dabei sind, mit von u unabhängigen Konstanten c, ZT C1 D c sup ku t kH sC1 .G/ C c .0;T /
ku t t kH sC1 .G/ dt 0
C2 D c sup kukH sC1 .G/ ; .0;T /
ZT C3 D c
ku t t kH sC1 .G/ dt: 0
Als Voraussetzungen für diese Fehlerabschätzungen müssen die in den Konstanten C1 ; C2 ; C3 auftretenden Normen der kontinuierlichen Lösung endlich sein. Außerdem muss der Teilraum Xh so sein, dass die Annahme 5.23 zur Ritzprojektion erfüllt ist. Man beachte, dass wir zum Beispiel in der Abschätzung (6.21) für C3 eine schwächere Norm der kontinuierlichen Lösung hätten verwenden können. Wir hätten lediglich von vornherein nur die Konvergenzordnung hs anstreben können. Dies kann man ohne Probleme selbst erledigen. Jedoch ist die Information, welche Teile des Fehlers
Abschnitt 6.4 Ortsdiskretisierung der Wellengleichung
279
von welcher Ordnung konvergieren, von Interesse für praktische Anwendungen. Die Ordnung des Verfahrens adaptiert sich selbst in Abhängigkeit von der Regularität der Lösung. Geeignete A-Priori-Abschätzungen der Lösung durch die Daten unter Annahme der entsprechenden Regularität leitet man leicht her. Dabei wird deutlich, dass wir für die im Satz formulierten Konvergenzresultate eine sehr hohe Regularität benötigen. Zum Beispiel folgt aus der Wellengleichung, dass ku t t kH sC1 .G/ kukH sC1 .G/ C kf kH sC1 .G/ ckukH sC3 .G/ C kf kH sC1 .G/ gilt. Eine besondere Rolle spielen die diskreten Anfangswerte. Der hyperbolische Charakter der Wellengleichung führt dazu, dass Fehler bei der Approximation der Anfangswerte nicht – wie zum Beispiel bei der parabolischen Wärmeleitungsgleichung – mit der Zeit gedämpft werden. Sie bleiben erhalten. Deshalb ist unbedingt zu empfehlen, für die diskreten Anfangswerte uh0 und uh1 die Ritzprojektionen der kontinuierlichen Anfangswerte Ph u0 und Ph u1 zu wählen. Dann tauchen die entsprechenden Fehler auf den rechten Seiten von (6.20) und (6.21) nicht auf.
Kapitel 7
Datenapproximation und Quadratur
7.1
Quadraturformeln
Es ist oft schwierig, manchmal unmöglich, die bei der Implementierung der FiniteElemente-Methode benötigten Größen rechte Seite Z bj D
f .x/'j .x/dx
.j D 1; : : : ; N /
G
und Steifigkeitsmatrix
Sij D
Z X n
akl .x/'ixk .x/'jxl .x/dx
.i; j D 1; : : : ; N /
G k;lD1
explizit zu berechnen. Darin sind 'i , 'j Basisfunktionen des Finite-ElementeRaumes, typischerweise also stückweise Polynome mit kleinem Träger auf einer Triangulierung. f und akl sind aber gegebene, ziemlich beliebige Funktionen. Deshalb ersetzt man Integrale durch Näherungsformeln, zum Beispiel für ein Simplex T mit Schwerpunkt xT Z f .x/'j .x/dx Š f .xT /'j .xT /jT j T
und hofft, dass durch eine solche Quadratur der Fehler nicht übermäßig vergrößert wird. Dies geht selbstverständlich nur dann, wenn eine punktweise Auswertung, hier von f , vernünftig ist. Eine Stärke des Ritz-Galerkin-Verfahrens ist aber gerade, dass die rechte Seite nur in L2 .G/ oder zum Beispiel nur ein Funktional aus H 1 .G/ sein muss. Trotzdem kann man in der Praxis sehr oft Näherungsformeln für die zu berechnenden Integrale verwenden. Wir beginnen mit der Herleitung einiger oft verwendeter Quadraturformeln. Zunächst jedoch ist folgende Definition für eine Klärung der Begriffe sinnvoll. Man formuliert Quadraturformeln meist auf dem Einheitssimplex T0 und nutzt dann eine affine Transformation, um sie auf ein beliebiges Simplex zu übertragen. Siehe dazu Abschnitt 3.2.1
281
Abschnitt 7.1 Quadraturformeln
Definition 7.1. Für einen Funktionenraum P .T / L1 .T0 / heißt die Quadraturformel fN. / D
L X
cNl .xN l /
(7.1)
lD1
mit Gewichten cNl 2 R und Knoten xN l 2 T0 exakt in P .T0 /, wenn für alle gilt: Z fN. / D 0:
2 P .T0 /
T0
Die in dieser Definition geforderte punktweise Auswertung von L1 .T0 /Funktionen kann auf praktische Probleme führen. Deshalb vereinbaren wir, dass der Repräsentant Z Q .x/ D lim sup .y/dy: "!0
B" .x/
fast überall und insbesondere für 0 /-Funktionen gewählt wird. Dann ist Q D Q .x/ < 1, falls 2 L1 .T0 / ist. Auf ein beliebiges Simplex T überträgt sich das Schema (7.1) wie folgt. Ist F W N D AxN C b die kanonische affine Transformation aus Hilfssatz 3.13, T0 ! T , F .x/ so führt (7.1) auf eine Quadraturformel für auf T definierte Funktionen. L1 .T
Z
Z .x/dx D jdet Aj
T
.F .x//d N xN Š jdet Aj T0
L X
cNl .F .xN l //
(7.2)
lD1
also Z .x/dx Š T
L X
clT .xlT / mit xlT D F .xN l /; clT D cNl jdet Aj:
lD1
Nützlich für das Folgende ist die leicht zu beweisende Formel für die Integration von Polynomen. Aufgabe 7.2. Sind T ein n-Simplex, ˛ 2 N0nC1 , so gilt mit den baryzentrischen Koordinaten D . 0 ; : : : ; n / Z ˛Š nŠ jT j:
.x/˛ dx D .j˛j C n/Š T
Damit kann man durch einfaches Nachrechnen Quadraturformeln herleiten, die auf Polynomräumen exakt sind. Wir formulieren diese Ergebnisse auf einem beliebigen nicht degenerierten Simplex.
282
Kapitel 7 Datenapproximation und Quadratur
Satz 7.3. Es sei T ein nicht degeneriertes n-dimensionales Simplex mit Ecken a0 ; : : : ; an . 1. Sei xT der Schwerpunkt von T . Die Quadraturformel Z .x/ dx Š jT j
.xT /
T
ist exakt in P1 .T /. 2. Es seien aij D 12 .ai C aj / .i; j D 0; : : : ; nI i < j / die Kantenmittelpunkte von T . Dann ist die Quadraturformel Z .x/ dx Š
1 jT j 3
T
X
.aij /
0i
n 2
1 ist, so gilt für alle wh 2 Xh
jB.uh ; wh / Bh .uh ; wh /j chk kwh kH 1 .G/ kukH kC1 .G/ : Damit haben wir die Frage nach der richtigen Quadraturformel für den wichtigsten Spezialfall beantwortet. und das Resultat zur Koerzivität aus Hilfssatz 7.6 mit dem abstrakten Satz 7.5 kombinieren und ein entsprechendes Konvergenzresultat formulieren. Für lineare Elemente k D 1 ist also eine in P0 exakte Quadraturformel mit positiven Gewichten notwendig. Analog kann man das folgende Resultat für die Approximation der rechten Seite beweisen [6]. Hilfssatz 7.8. Unter den Voraussetzungen von Satz 7.7 gilt für f 2 L2 .G/ mit der Eigenschaft, dass für T 2 T f jT 2 H k .T / ist, im Fall k > n2 , für jedes wh 2 Xh ˇ ˇZ L X 12 X X ˇ ˇ T T T k 2 ˇ ˇ f wh c f .x / w .x / c h kf k kwh kH 1 .G/ : h l ˇ l l ˇ H k .T / G
T 2T lD1
T 2T
Kapitel 8
Partielle Differentialgleichungen höherer Ordnung
8.1
Die Plattengleichung
Wir besprechen das Modellproblem für partielle Differentialgleichungen höherer Ordnung. Die Differentialgleichung wird Plattengleichung genannt, auch wenn die Position u.x/, x 2 G einer eingespannten Platte durch das mathematische Modell 2 u D f
in G
u D 0;
@u D0 @
auf @G
(8.1)
nur sehr primitiv beschrieben werden kann. Es ist für zwei Raumdimensionen 2 u D ux1 x1 x1 x1 C 2ux1 x1 x2 x2 C ux2 x2 x2 x2 : Dies ist eine lineare Differentialgleichung vierter Ordnung. Ohne zunächst auf die Differenzierbarkeit zu achten, versuchen wir analog zu den bisher betrachteten Differentialgleichungen zweiter Ordnung, ein Funktional zu finden, dessen Minimum eine schwache Lösung von (8.1) liefert. Dazu sei ' 2 C02 .G/. Es ist mit dem Gaußschen Integralsatz Satz 1.3 in einem Normalgebiet G Rn Z
Z
2
u' D G
r .ru/ ' D n Z X
Z uxi i '
i D1 @G
D
.uxi /xi '
iD1 G
G
D
n Z X
n Z X
Z D
uxi 'xi G
Z u i 'xi
iD1 @G
u ' G
u ': G
Demnach vermuten wir, dass ein zugehöriges Funktional durch Z Z 1 .v/2 f v; v 2 H˚ 2 .G/ I.v/ D 2 G
G
293
Abschnitt 8.1 Die Plattengleichung
gegeben ist, denn ein Minimum u 2 H˚ 2 .G/ des Funktionals I , I.u/ D
inf
v2H˚ 2 .G/
erfüllt die schwache Differentialgleichung Z Z u' D f ' G
I.v/;
8' 2 H˚ 2 .G/:
(8.2)
G
Dies sieht man genau wie Abschnitt 2.1 so ein: Für " 2 R liegt die Funktion uC"' im Raum H˚ 2 .G/. Demnach hat das Polynom ."/ D I.u C "'/ in " D 0 ein Minimum. 0 .0/ D 0 führt dann auf die schwache Differentialgleichung (8.2). Wir verwenden den Satz von Lax-Milgram (Satz 4.3), um die Existenz einer schwachen Lösung zu beweisen. Als Hilbertraum wählen wir X D H˚ 2 .G/ zu einem beschränkten Gebiet G Rn mit der Standardnorm 2 2 kvkH 2 .G/ D kukL2 .G/ C
n X
2 kuxj kL 2 .G/ C
j D1
n X
2 kuxi xj kL 2 .G/ :
i;j D1
Auch die Wahl der Bilinearform ist klar. Wir definieren Z B.v; w/ D v w; v; w 2 X:
(8.3)
G
Um die Voraussetzungen von Satz 4.3 zu erfüllen, sind die Stetigkeit und die Koerzivität von B auf X zu beweisen. Die Stetigkeit folgt sehr einfach mit der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung.
jB.v; w/j kvkL2 .G/ kwkL2 .G/
n X
kvxj xj kL2 .G/
j D1 n X
n
2 kvxj xj kL 2 .G/
j D1
n 12 X
n X
kwxk xk kL2 .G/
kD1
2 kwxk xk kL 2 .G/
12
nkvkH 2 .G/ kwkH 2 .G/ :
kD1
Die Koerzivität folgt mit einer Zusatzüberlegung. (Für die Poissongleichung war lediglich die Poincarésche Ungleichung notwendig.) Durch geeignete partielle Integration zeigt man für eine Funktion v 2 C03 .G/ die Gleichung Z
2
.v/ D G
n Z X i;j D1 G
vx2 i xj :
294
Kapitel 8 Partielle Differentialgleichungen höherer Ordnung
Indem man v durch Null auf den Rn fortsetzt, kann man den Gaußschen Integralsatz auf ein Normalgebiet anwenden. Danach approximiert man eine gegebene Funktion w 2 C02 .G/ durch solche Funktionen, nutzt die Approximierbarkeit (Definition 2.16) von H˚ 2 .G/-Funktionen durch Funktionen w 2 C02 .G/ in der H 2 .G/-Norm aus und hat 2 B.v; v/ D jvjH 2 .G/ :
Um auf der rechten Seite die für die Koerzivität nötige gesamte Norm in H 2 .G/ zu erhalten, benötigt man noch eine verallgemeinerte Poincarésche Ungleichung. Hilfssatz 8.1. Es sei G ein beschränktes Gebiet im Rn und m 2 N. Dann gibt es eine Konstante c > 0, so dass für alle Funktionen v 2 H˚ m .G/ gilt: kvkH m .G/ cjvjH m .G/ : Beweis. Man wendet induktiv die Poincarésche Ungleichung in H˚ 1 .G/ aus Satz 2.20 auf die Ableitungen von v an. Allerdings ist dabei zu beachten, dass v 2 H˚ m .G/ impliziert, dass D ˛ v 2 H˚ mj˛j .G/ für j˛j m 1 ist. Beispiel 8.2. Der Satz von Lax-Milgram erlaubt rechte Seiten, die Funktionale sind, f 2 X 0 D H˚ 2 .G/0 D H 2 .G/. Ein solches Funktional ist zum Beispiel durch Z f .'/ D f '; ' 2 H˚ 2 .G/ G
L2 .G/
für eine Funktion f 2 zeichnung für f hat man
gegeben, denn mit dem üblichen Missbrauch der Be-
jf .'/j ckf kL2 .G/ k'kH 2 .G/ : Der Regularitätsgewinn beim Lösen der Plattengleichung ist also besonders groß. Wie es sich gehört, gewinnt man im Wesentlichen vier Ableitungen. Nun sind wir in der Lage, die Existenz schwacher Lösungen der Plattengleichung zu beweisen. Unsere obigen Überlegungen erlauben es den Satz von Lax-Milgram anzuwenden, und damit erhalten wir sofort den folgenden Satz. Satz 8.3. Sei G ein beschränktes Gebiet im Rn , und sei f 2 H 2 .G/. Dann gibt es genau eine schwache Lösung u des Problems 2 u D f
in G
u D 0;
@u D0 @
auf @G;
das heißt es gibt genau ein u 2 H˚ 2 .G/, so dass für alle ' 2 H˚ 2 .G/ gilt: Z u ' D f .'/: G
295
Abschnitt 8.1 Die Plattengleichung
Man überlege sich, dass bei Vorliegen genügender Regularität die RandbedingunD 0 auf @G nichts anderes bedeuten, als dass sowohl u als auch gen u D 0 und @u @ ru auf dem Gebietsrand verschwinden. Da u D 0 auf dem Rand ist, folgt auch, dass die tangentialen Ableitungen ru D ru ru D 0 auf dem Rand sind. Dies bedeutet, dass die Randbedingungen in Satz 8.3 Dirichletrandwerte und nicht, wie es zunächst aussehen mag, Neumannrandwerte vorschreiben. Die zur schwachen Lösung der Plattengleichung verwendeten Techniken sind nicht auf den Fall elliptischer Differentialgleichungen zweiter Ordnung beschränkt. Mit denselben Techniken lassen sich Differentialgleichungen noch höherer Ordnung lösen. Mit den gleichen Methoden wie in Kapitel 4 betrachten wir Differentialgleichungen 2m-ter Ordnung mit L1 .G/-Koeffizienten. Für m 2 N und gegebene Koeffizienten a˛ˇ 2 L1 .G/;
q 2 L1 .G/
für Multiindizes ˛; ˇ 2 .N [ f0g/n mit der Symmetriebedingung a˛ˇ D aˇ ˛ für 0 j˛j; jˇj m und der Elliptizitätsbedingung X a˛ˇ .x/ ˛ ˇ c0 jj2m ; q.x/ 0 (8.4) j˛jDm jˇjDm
für fast alle x 2 G und alle 2 Rn mit einer Konstanten c0 > 0.1 Als rechte Seite dürfen wir ein Funktional f 2 H m .G/ zulassen. Wir versuchen, eine Differentialgleichung 2m-ter Ordnung der Form X D ˛ .a˛ˇ D ˇ u/ C qu D f in G (8.5) .1/m j˛j;jˇ jDm
zu lösen und schreiben die Randwerte u D 0;
@m1 u @u D 0; : : : ; D 0 auf @G @ @ m1
im schwachen Sinn vor. Wir definieren die Bilinearform Z Z X ˛ ˇ B.v; w/ D a˛ˇ D vD w C qvw G j˛j;jˇ jDm 1 Dabei
ist wie üblich
˛
D
1˛1
n˛n .
G
(8.6)
(8.7)
296
Kapitel 8 Partielle Differentialgleichungen höherer Ordnung
auf dem Hilbertraum X D H˚ m .G/. Die Bilinearform B ist stetig, denn X
jB.v; w/j
ka˛ˇ kL1 .G/ kD ˛ vkL2 .G/ kD ˇ wkL2 .G/
j˛j;jˇ jDm
C kqkL1 .G/ kvkL2 .G/ kwkL2 .G/ c1 kvkH m .G/ kwkH m .G/ mit einer nur von m; n; ka˛ˇ kL1 .G/ und kqkL1 .G/ abhängenden Konstanten c1 . Um den Satz von Lax-Milgram anwenden zu können, ist die H˚ m ./-Koerzivität nachzuweisen. Der Nachweis dieser Eigenschaft erforderte schon bei der Plattengleichung eine besondere Technik. Für den Fall m > 1 ist dies etwas schwieriger. Wir demonstrieren die Methode für konstante Koeffizienten. Eine vollständige Übersicht über die allgemeine Theorie findet man zum Beispiel in [1]. Hilfssatz 8.4. Für konstante Koeffizienten a˛ˇ gilt für die Bilinearform (8.7) unter der Voraussetzung (8.4): Es gibt eine Konstante c0 > 0, so dass für alle v 2 H˚ m .G/ gilt: 2 B.v; v/ c0 kvkH m .G/ :
Beweis. Dazu verwenden wir die Fouriertransformation Z 1 v.y/ O D p e ixy v.x/dx; . 2/n Rn
1 v.x/ D p . 2/n
Z
e ixy v.y/dy O
(8.8)
Rn
glatter Funktionen v 2 C01 .Rn /, denn Funktionen aus H˚ m .G/ lassen sich unter trivialer Fortsetzung durch solche Funktionen in der H m .G/-Norm approximieren. Es ist vO 2 C 1 .Rn ; C/. Für uns ist jedoch vor allem die folgende Eigenschaft der Fouriertransformation wichtig:
b
D ˛ u.y/ D .iy/˛ u.y/: O
(8.9)
Außerdem gilt für u; v 2 C01 .Rn / Z
Z u.x/ v.x/dx D Rn
u.y/ O v.y/dy: O
(8.10)
Rn
Mit diesen Werkzeugen können wir nun die Koerzivität der Bilinearform (8.7) für konstante Koeffizienten a˛ˇ beweisen. Damit wird für v 2 C01 .G/, das wir uns
297
Abschnitt 8.1 Die Plattengleichung
durch 0 auf den Rn fortgesetzt denken: Z B.v; v/ D
X
˛
a˛ˇ D v D v C
G j˛j;jˇ jDm
X
D
D
X
D
qv G
Z
a˛ˇ D ˛ v D ˇ v
j˛j;jˇ jDm Rn
Rn
Z
.iy/˛ .iy/ˇ v.y/ O v.y/dy O
a˛ˇ Rn
Z
2 i j˛j .i /jˇ j y ˛ y ˇ jv.y/j O dy
a˛ˇ
j˛j;jˇ jDm
Z
X
2
D ˛ v.y/D ˇ v.y/dy
a˛ˇ
j˛j;jˇ jDm
D
b b
Z
j˛j;jˇ jDm
X
Z
ˇ
X
Rn 2 a˛ˇ y ˛ y ˇ jv.y/j O dy:
Rn j˛j;jˇ jDm
Mit der Voraussetzung (8.4) mit D y können wir diesen Term nach unten abschätzen. Z 2 B.v; v/ c0 jyj2m jv.y/j O dy: Rn
Mit der Identität X X X .iy/˛ .iy/˛ D i j˛j .i /j˛j y 2˛ D y 2˛ cjyj2m j˛jDm
j˛jDm
j˛jDm
können wir schließen, dass gilt: Z c0 X .iy/˛ .iy/˛ v.y/ O v.y/ O dy B.v; v/ c j˛jDm Rn
D
b
b
Z c0 X D ˛ v.y/ D ˛ v.y/ dy c j˛jDm Rn
D
Z c0 X D ˛ v.x/ D ˛ v.x/ dx c j˛jDm Rn
c0 2 jvjH D m .G/ : c Dabei wurde wieder die Parsevalgleichung (8.10) verwendet.
298
Kapitel 8 Partielle Differentialgleichungen höherer Ordnung
Damit haben wir alle Voraussetzungen für eine Anwendung des Satzes von LaxMilgram bewiesen und wir können zum Ende dieses Paragraphen den entsprechenden Existenzsatz für eine Klasse elliptischer Differentialgleichungen 2m-ter Ordnung formulieren. Satz 8.5. Es seien die Voraussetzungen (8.4) mit konstanten Koeffizienten a˛ˇ erfüllt. Außerdem sei f 2 H m .G/. Dann gibt es genau eine schwache Lösung u von (8.5), (8.6), das heißt es gibt genau eine Funktion u 2 H˚ m ./, so dass für alle ' 2 H˚ m ./ gilt: Z Z X ˛ ˇ a˛ˇ D u D ' C qu' D f .'/ : (8.11) j˛j;jˇ jDm
8.2
Hermite-Elemente
In Abschnitt 3.2 wurden C 0 -Elemente konstruiert. Es handelt sich um endlichdimensionale Teilräume Xh H 1 .G/. Wie wir gesehen haben, lassen sich damit partielle Differentialgleichungen zweiter Ordnung effizient lösen. Im Abschnitt 8.1 haben wir gesehen, dass Probleme höherer Ordnung, wie zum Beispiel die Plattengleichung (8.1) vernünftig im Raum H m .G/, mit m D 2 bei der Plattengleichung, gestellt und lösbar sind. Deshalb ist ein diskreter Raum zu konstruieren, für den Xh H m .G/ gilt. Da wir grundsätzlich die Struktur beibehalten wollen, bei der für eine Triangulierung von G die diskreten Funktionen auf jedem Simplex genügend oft differenzierbare Funktionen sind, müssen wir nach Satz 3.15 dafür sorgen, dass der Übergang zwischen den Elementen entsprechend glatt ist. Das bedeutet für m D 2, dass Xh C 1 .G/ zu finden ist. Ein solches C 1 -Element ist das folgende HCT-Element in zwei Raumdimensionen. Element 8.6 (Hsieh-Clough-Tocher-Dreieck). 1. Es sei T ein Dreieck mit Ecken a0 ; a1 ; a2 , Kantenmittelpunkten b0 ; b1 ; b2 und Schwerpunkt a D 13 .a0 C a1 C a2 /. Dann ist durch Vorgabe von p.aj /, rp.aj /, @p .b / .j D 0; 1; 2/ eindeutig eine Funktion p 2 P .T /, @ j P .T / D fp 2 C 1 .T / j pjTj 2 P3 .Tj /; j D 0; 1; 2g gegeben. Es ist dim P .T / D 12. Dabei sind T0 ; T1 ; T2 die durch den Schwerpunkt bestimmten Teildreiecke. 2. Ist G R2 zulässig trianguliert und sind aNj (j D 1; : : : ; m) die Ecken und bNj .j D 1; : : : ; m0 / die Kantenmittelpunkte der Triangulierung T , so ist durch
299
Abschnitt 8.2 Hermite-Elemente
a2
a2
b0
b1
T0
T1
Γ0
Γ1
T0
T1
a
a T2
T2 b2
a0
a1
Γ2
a0
a1
Abbildung 8.1. Zerlegung des Dreiecks für das HCT-Element 8.6 mit 12 Freiheitsgraden (links) und für das RHCT-Element 8.7 mit 9 Freiheitsgraden (rechts).
Vorgabe von uh .aNj /, ruh .aNj / und
@uh N .bj / @
eindeutig ein uh 2 Xh ,
Xh D fuh 2 C 1 .G/ j uh jT 2 P .T /; T 2 T g H 2 .G/ gegeben. Dabei hat für jede Kante eine fest gewählte Richtung. Den Beweis für dieses Element führen wir sehr ausführlich, weil er typisch für die Untersuchung beziehungsweise die Konstruktion von C 1 -Elementen ist. Beweis. Auf jedem der Teildreiecke T0 ; T1 ; T2 von T ist p ein Polynom dritten Grades in zwei Variablen, ist also durch 10 freie Konstanten bestimmt. Insgesamt sind auf T 30 Koeffizienten zu bestimmen. Es sind aber in der Definition des Elements mit p.aj /;
@p @p @p .bj / .aj /; .aj /; @x1 @x2 @
.j D 0; 1; 2/
(8.12)
scheinbar nur 12 Bedingungen vorgeschrieben. Da die Bedingungen (8.12) auf jedem Teildreieck separat zählen, haben wir 3 7 D 21 Bedingungen. Die restlichen Konstanten müssen aus der Bedingung, dass p 2 C 1 .T / ist, bestimmt werden. Auf den Kanten ij zwischen den Teildreiecken Ti und Tj ist mit der von Ti nach Tj weisen2 P2 .ij / für i; j D 0; 1; 2, i < j . Die Stetigkeit den Normalen ij die Funktion @p @ von p und rp auf ij ergibt zusätzlich 3 3 D 9 Bedingungen. Es ist insgesamt demnach ein lineares Gleichungssystem aus 30 Gleichungen für 30 Unbekannte zu lösen. Es reicht also zu zeigen, dass aus p 2 C 1 .T /, p.aj / D 0; folgt, dass p D 0 ist.
rp.aj / D 0;
@p .bj / D 0 @
.j D 0; 1; 2/
(8.13)
300
Kapitel 8 Partielle Differentialgleichungen höherer Ordnung
Zunächst zeigt man dass p D 0 auf @T ist. Für j 2 f0; 1; 2g (zyklisch) ist durch q.s/ D p.aj C s.aj C1 aj // (s 2 Œ0; 1), ein Polynom q 2 P3 .Œ0; 1/ gegeben. Nach (8.13) ist q.0/ D q.1/ D q 0 .0/ D q 0 .1/ D 0, also q D 0. Als nächstes D 0 auf @T gilt. Analog zum obigen Vorgehen ist durch q.s/ D beweist man, dass @p @ @p .a C s.aj C1 aj // ein Polynom q 2 P2 .Œ0; 1/ gegeben. Mit (8.13) folgt, dass @ j q.0/ D q.1/ D q. 12 / D 0, also auch q D 0 ist. Da nun p D @p D 0 auf @T ist, hat das Polynom p auf einem Teildreieck Tj die @ Form p.x/ D q.x/2 r.x/ .x 2 Tj /
(8.14)
mit q; r 2 P1 .Tj / und q.aj 1 / D q.aj C1 / D 0, q.a/ D 1. Das sieht man ein, indem man angepasste Koordinaten s; t einführt: x D aj 1 C sj C t j , j D , Q t / D p.aj 1 Csj Ct j / ist, wobei j D .aj 1 aj C1 /=.jaj 1 aj C1 j/, so dass p.s; Q t / D t 2 r.s; Q t/ man p.s; Q 0/ D pQ t .s; 0/ D 0 zur Verfügung hat. Also folgt, dass p.s; mit einem rQ 2 P1 ist. In den ursprünglichen Koordinaten erhält man .x aj 1 / j 2 p.x/ D r.x/ .x 2 Tj /: .a aj 1 / j Nach Voraussetzung ist p 2 C 1 .T /. Also folgt rp D rr q 2 C r 2q rq : Auf j;j C1 D Tj \ Tj C1 ist demnach rpjTj rpjTj C1 D 0, und da q 6D 0 auf T˚ ist, und r und q auf T stetig sind, folgt auf j;j C1 .rrjTj rrjTj C1 / q C 2.rqjTj rqjTj C1 / r D 0: Nach Konstruktion von q sind rqjTj rqjTj C1 6D 0 und q.aj 1 / D 0. Dies impliziert r.aj 1 / D 0. Auf jedem Teildreieck Tj ist demnach r.x/ D r.a/q.x/
.x 2 Tj /:
(8.15)
Aber da r.a/ D q.a/2 r.a/ D p.a/ ist, gilt die Darstellung (8.15) auf ganz T . Also folgt: p.x/ D q.x/2 r.x/ D r.a/q.x/3 .x 2 T /: Das wiederum impliziert wegen der Stetigkeit der Ableitungen von p über j;j C1 hinweg 0 D rpjTj rpjTj C1 D 3r.a/q 2 .rqjTj rqjTj C1 /
auf ˚j;j C1 :
Daraus folgt r.a/ D 0, also insgesamt p.x/ D 0 .x 2 T / wie behauptet. N ist, folgt nun auf jeder Kante zwischen zwei benachbarten Dass Xh C 1 .G/ Dreiecken der Triangulierung in derselben Weise wie oben p D rp D 0 auf @T gezeigt wurde.
301
Abschnitt 8.2 Hermite-Elemente
Das soeben konstruierte HCT-Element hat auf einem Dreieck der Triangulierung 12 Freiheitsgrade. Man kann die Anzahl der Freiheitsgrade noch reduzieren. Dies ist das sogenannte reduzierte HCT-Element, das RHCT-Element. Dieses hat nur 9 Freiheitsgrade. Siehe dazu auch Abbildung 8.1. Element 8.7 (RHCT-Element). 1. Es sei T ein Dreieck mit Ecken a0 ; a1 ; a2 , Kanten 0 ; 1 ; 2 , Schwerpunkt a und äußerer Normale . Dann ist durch Vorgabe von p.aj /, rp.aj / .j D 0; 1; 2/ eindeutig eine Funktion p 2 P .T /, o n @p ˇˇ P .T / D p 2 C 1 .T / j pjTj 2 P3 .Tj /; ˇ 2 P1 .j /; j D 0; 1; 2 @ j gegeben. Es ist dim P .T / D 9. Dabei sind T0 ; T1 ; T2 die durch den Schwerpunkt bestimmten Teildreiecke. 2. Ist G R2 zulässig trianguliert und sind aNj .j D 1; : : : ; m/ die Ecken der Triangulierung T , so ist durch Vorgabe von uh .aNj / und ruh .aNj / eindeutig ein uh 2 Xh , Xh D fuh 2 C 1 .G/ j uh jT 2 P .T /; T 2 T g H 2 .G/ gegeben. Für die Implementierung des HCT-Elements, beziehungsweise seiner einfacheren Version des RHCT-Elements, benötigt man die Basisfunktionen. Die Knotenbasis zum HCT-Element ist durch die Funktionen 'j 2 Xh mit 'j .aN k / D ıj k , 'j .aN k / D 0, 'j .aN k / D 0, 'j .aN k / D 0,
@'j .aN k / @x1 @'j .aN k / @x1 @'j .aN k / @x1 @'j .aN k / @x1
D 0, D ıj k , D 0, D 0,
@'j .aN k / @x2 @'j .aN k / @x2 @'j .aN k / @x2 @'j .aN k / @x2
D 0, D 0, D ıj k , D 0,
@'j @ @'j @ @'j @ @'j @
.bNl / D 0 .bNl / D 0 .bNl / D 0 .bNl / D ıj l
für k D 1; : : : ; mI l D 1; : : : ; m0 I j D 1; : : : ; m C m0 gegeben. Die Zeilen sind horizontal zu lesen. Das HCT-Element ist eigentlich schon ein sogenanntes Hermite-Element. Dies sind Finite Elemente, bei denen nicht nur die Funktionswerte, sondern auch die Werte gewisser Ableitungen zur Konstruktion des Elements verwendet werden. Das HCTElement ist aber auch in soweit ein Sonderfall, als P .T / kein Polynomraum ist. Das einzelne Element ist aus „Unterelementen“ zusammengesetzt. Hilfssatz 8.8. Es sei T ein n-Simplex, bj 2 T nicht notwendig paarweise verschiedene Punkte und ˇj 2 N0n zugehörige Multiindizes .j D 0; : : : ; m/. Außerdem sei
302
Kapitel 8 Partielle Differentialgleichungen höherer Ordnung
P .T / ein endlichdimensionaler Raum von Polynomen auf T mit dim P .T / D m C 1 und Pk .T / P .T / für ein k 2 N0 . Weiter gelte, dass .p 2 P .T /; D ˇj p.bj / D 0 .j D 0; : : : ; m//
)
p D 0:
(8.16)
Dann ist durch Vorgabe von D ˇj p.bj / .j D 0; : : : ; m/ eindeutig ein p 2 P .T / bestimmt. Außerdem ist p.x/ D
m X
D ˇj p.bj /'j .x/ .x 2 T /
j D0
mit der durch D ˇj 'i .bj / D ıij , .i; j D 0; : : : ; m/ bestimmten Knotenbasis f'j j j D 0; : : : ; mg. Dieser Hilfssatz gibt eigentlich nur den Rahmen für allgemeine Hermite-Elemente vor. Die wesentlichen Dinge werden vorausgesetzt und müssen im Einzelfall überprüft werden. Der Beweis ist einfach und wird deshalb fortgelassen. Element 8.9 (Hermite-Element). 1. Sei T ein n-Simplex mit Ecken ai und aij k D 13 .ai Caj Cak / .0 i < j < k n/. Dann ist durch p.aj /, rp.aj / .j D 0; : : : ; n/ und p.aij k / .0 i < j < k n/ eindeutig ein Polynom p 2 P3 .T / bestimmt. Es ist dim P3 .T / D nC3 3 . 2. Ist G Rn zulässig trianguliert und sind aNj .j D 1; : : : ; m/ die gesamten Knoten aj ; aij k und aNj .j D 1; : : : ; m0 / die Ecken der Triangulierung, so ist durch Vorgabe von uh .aNj / .j D 1; : : : ; m/ und ruh .aNj / .j D 1; : : : ; m0 / eindeutig ein uh 2 Xh , N j uh jT 2 P3 .T /; T 2 T g H 1 .G/ Xh D fuh 2 C 0 .G/ N ist! bestimmt. Man beachte, dass Xh 6 C 1 .G/ Beweis. Der Beweis bleibt dem Leser überlassen. Das Element fügt sich in den Rahmen von Hilfssatz 8.8 ein. Definiere dazu ˇj D .0; : : : ; 0/, ˇnCj Ck D ej , ˇ3nCl D .0; : : : ; 0/,
bj D aj .j D 0; : : : ; n/. bnCj Ck D ak .j; k D 0; : : : ; n/ b3nCl D a.l/ l D nC3 3n C 1; : : : ; nC3 , 3 3
wobei a.l/ eine Abzählung der aij k sei. Der wesentliche Beweisschritt ist dann die Unisolvenz (8.16) des Elements. Ich würde es mit vollständiger Induktion über n versuchen. Zwei wesentliche C 1 - das heißt H 2 -Elemente seien hier noch aufgeführt, das Argyris- und das Bell-Dreieck. Diese Elemente verwenden zweite Ableitungen für
303
Abschnitt 8.2 Hermite-Elemente
die Definition und sind deshalb in manchen Fällen dem HCT-Element beziehungsweise dem RHCT-Element unterlegen, das nur erste Ableitungen verwendet. Man beachte auch die Dimension des Polynomraums. Im Argyris-Element wird jedoch ein Polynomraum verwendet, der noch relativ einfach zu implementieren ist. Element 8.10 (Argyris-Dreieck). 1. Sei T ein Dreieck mit Ecken a0 ; a1 ; a2 und Kantenmittelpunkten b0 ; b1 ; b2 . Dann ist durch Vorgabe von p.ai /, px1 .ai /, px2 .ai /, px1 x1 .ai /, px1 x2 .ai /, px2 x2 .ai / und @p .b / .i D 0; 1; 2/ eindeutig ein Polynom p 2 P5 .T / bestimmt. Es ist @ i dim P5 .T / D 21. 2. Ist G R2 zulässig trianguliert, so bestimmt die Vorgabe von D ˛ uh .aNj / .0 h .aNj / .j D m C 1; : : : ; m0 / eindeutig eine j˛j 2, j D 1; : : : ; m/ und @u @ Funktion uh 2 Xh , N j uh jT 2 P5 .T /; T 2 T g H 2 .G/: Xh D fuh 2 C 1 .G/ Dabei sind aNj .j D 1; : : : ; m/ eine Abzählung der Ecken und aNj .j D m C 1; : : : ; m0 / eine Abzählung der Kantenmittelpunkte von T . Element 8.11 (Bell-Dreieck). 1. Sei T ein Dreieck mit Ecken a0 ; a1 ; a2 und Kanten 0 ; 1 ; 2 . Die Daten D ˛ p.aj /, 0 j˛j 2, j D 0; 1; 2 bestimmen eindeutig ein p 2 P .T /, n o @p ˇˇ P .T / D p 2 P5 .T / j ˇ 2 P3 .j /; j D 0; 1; 2 : @ j Es ist dim P .T / D 18. 2. Unter den Voraussetzungen wie in Element 8:10:2 wird genau ein uh 2 Xh , N j uh jT 2 P .T /; T 2 T g H 2 .G/; Xh D fuh 2 C 1 .G/ durch Vorgabe von D ˛ uh .aNj /, j D 1; : : : ; m, 0 j˛j 2, bestimmt. Beweis. Zu 8.10. Wir haben nur zu beweisen, dass für ein Polynom p 2 P5 .T / die Bedingungen D ˛ p.aj / D 0; 0 j˛j 2;
@p .bj / D 0; @
(8.17)
j D 0; 1; 2, nur erfüllt sein können, wenn p identisch verschwindet. Genau wie für das HCT-Element beweist man, dass p D rp D 0 auf @T ist. Wie dort zeigt man N auch, dass mit den baryzentrischen Koordinaten gilt p.x. // D p. / N D 20 21 22 q. /. Also muss q D 0 sein.
Teil IV
Anhang
Anhang A
Elementare Funktionalanalysis
A.1
Abstrakte Räume
In diesem Anhang werden die Ergebnisse der elementaren linearen Funktionalanalysis zusammengefasst, wobei die Betonung auf elementar liegt. Dieser Teil ist als Übersicht gedacht. Man kann hier Sprechweisen oder Räume nachschlagen, die weiter vorn nicht erläutert wurden. Es werden hier der Vollständigkeit halber auch einige Resultate aufgeführt, die im Buch bewiesen werden. Zum Nachschlagen empfiehlt sich das für unsere Zwecke sehr gut geeignete Buch [2].
A.1.1 Metrischer Raum Definition A.1. Sei X 6D ; eine Menge. Eine Abbildung d W X X ! R heißt Metrik auf X, wenn für alle x; y; z 2 X gilt: d.x; y/ D 0 , x D y d.x; y/ D d.y; x/
(Symmetrie)
d.x; y/ d.x; z/ C d.z; y/
(Dreiecksungleichung).
.X; d / heißt dann metrischer Raum. Definition A.2. Zwei metrische Räume .X; d / und .XQ ; dQ / heißen isometrisch, wenn es eine surjektive Abbildung g W X ! XQ gibt, so dass für alle x; y 2 X gilt: d.x; y/ D dQ .g.x/; g.y//. Definition A.3. Ein metrischer Raum heißt vollständig, wenn in ihm jede Cauchyfolge konvergiert: Ist .xm /m2N eine Folge in X mit d.xn ; xm / ! 0 .n; m ! 1/, so gibt es ein x 2 X, so dass d.xn ; x/ ! 0 .n ! 1/. Satz A.4 (Vervollständigung). Sei .X; d / ein metrischer Raum. Dann gibt es einen vollständigen metrischen Raum .XQ ; dQ /, so dass X isometrisch zu einer dichten Teilmenge von XQ ist. .XQ ; dQ / heißt Vervollständigung von .X; d /.
308
A.1.2
Anhang A Elementare Funktionalanalysis
Normierter Raum
Definition A.5. Sei X ein linearer Raum (Vektorraum) über K D R oder C. Eine Abbildung k k W X ! R heißt Norm auf X , wenn für alle x; y 2 X; ˛ 2 K gilt: kxk D 0 , x D 0 k˛xk D j˛j kxk
.Definitheit/
.Homogenität/
kx C yk kxk C kyk
.Dreiecksungleichung/:
.X; k k/ heißt normierter Raum. Ist nur die Definitheit nicht erfüllt, so bezeichnet man k k als Halbnorm. Folgerung A.6. Ein normierter Raum .X; kk/ ist mit der induzierten Metrik d.x1 ; x2 / D kx1 x2 k .x1 ; x2 2 X / ein metrischer Raum. Definition A.7. Ein normierter Raum heißt vollständig, wenn er mit der induzierten Metrik ein vollständiger metrischer Raum ist. Ein vollständiger normierter Raum heißt Banachraum. Satz A.8. In einem endlichdimensionalen linearen Raum X sind alle Normen (paarweise) äquivalent, das heißt es gibt Konstanten c1 > 0; c2 > 0, so dass für alle x 2 X gilt: c1 kxk1 kxk2 c2 kxk1 mit den beiden Normen k k1 und k k2 auf X .
A.1.3
Hilbertraum
Definition A.9. Sei X ein linearer Raum über K D R oder K D C. Eine Abbildung .; / W X X ! K heißt symmetrische Sesquilinearform, falls für alle x; y; z 2 X und alle ˛ 2 K gilt: .x; y/ D .y; x/ .˛x; y/ D ˛.x; y/ .x; y C z/ D .x; y/ C .x; z/. .; / heißt positiv semidefinit, falls für alle x 2 X gilt: .x; x/ 0. .; / heißt Skalarprodukt (positiv definit), falls für alle x 2 X gilt: .x; x/ D 0 , x D 0. Ist .; / ein Skalarprodukt, so nennt man .X; .; // Prä-Hilbertraum.
309
Abschnitt A.2 Konkrete Räume
p Folgerung A.10. Auf einem Prä-Hilbertraum ist durch kxkX D .x; x/ die induzierte Norm gegeben. Ein vollständiger Prä-Hilbertraum heißt Hilbertraum. Lemma A.11 (Cauchy-Schwarz Ungleichung). p p j.x; y/j .x; x/ .y; y/: Satz A.12 (Projektionssatz). Ist X ein Prä-Hilbertraum und ist U X ein vollständiger Teilraum, so gibt es zu x 2 X genau ein p 2 U mit kx pk D inf kx uk; u2U
und es gilt .x p; u/ D 0
8 u 2 U:
Definition A.13. Eine Folge .xk /k2N aus einem Hilbertraum X konvergiert schwach gegen x 2 X , xk * x
.k ! 1/;
wenn für jedes ' 2 X gilt: .xk ; '/ ! .x; '/ für k ! 1. Satz A.14. Es sei X ein Hilbertraum. Dann besitzt eine beschränkte Folge .xk /k2N , xk 2 X .k 2 N/ in X, kxk kX C .k 2 N/; eine schwach konvergente Teilfolge .xkj /j 2N , xkj * x gegen ein x 2 X . Außerdem ist kxkX C . Satz A.15. Es sei X ein Hilbertraum und Y ein abgeschlossener Teilraum. Dann ist Y schwach abgeschlossen. Ist .xk /k2N eine Folge xk 2 V , die schwach gegen ein x 2 X konvergiert, so gilt: x 2 V .
A.2
Konkrete Räume
A.2.1 Lebesgue-Räume Definition A.16. Für p 2 Œ1; 1/ sei Z p1 jf jp d ; kf kLp ./ D S
kf kL1 ./ D
inf
sup jf .x/j:
N-Nullmenge x2S nN
Für p 2 Œ1; 1 ist Lp ./ D ff W S ! K j f ist -messbar und kf kLp ./ < 1g: Gleichheit zweier Funktionen ist definiert als f D g in Lp ./ , f D g -fast überall.
310
Anhang A Elementare Funktionalanalysis
Satz A.17. Sei G Rn offen. C00 .G/ ist dicht in Lp .G/, falls 1 p < 1. Satz A.18 (Hölderungleichung). Für 1 p 1; p1 C p0
1 p0
D 1; f 2 Lp ./; g 2
L ./ gilt: fg 2 L1 ./ und kfgkL1 ./ kf kLp ./ kgkLp0 ./ : Folgerung A.19 (Minkowskiungleichung). 1 p 1; f; g 2 Lp ./. Dann ist f C g 2 Lp ./ und kf C gkLp ./ kf kLp ./ C kgkLp ./ : Satz A.20 (Riesz-Fischer). Lp ./; 1 p 1, ist mit k kLp ./ ein Banachraum.
A.2.2
Hölder-Räume
Definition A.21. Sei G Rn offen. Für k 2 N [ f0g sei C k .G/ D ff W G ! R j f besitzt stetige partielle Ableitungen bis einschließlich k-ter Ordnung in Gg; C 1 .G/ D
1 \
C k .G/;
kD1
C k .G/ D f 2 C k .G/ j die partiellen Ableitungen D f D
@x11
@jj f : : : @xn n
sind stetig auf G fortsetzbar für jj D 1 C C n k : Satz A.22. Sei G Rn offen und beschränkt. C m .G/ ist mit X max jD f .x/j kf kC m .G/ D 0jjm
x2G
ein Banachraum. Definition A.23 (Gleichmäßige Hölderstetigkeit). Sei G Rn offen und beschränkt und 0 < ˛ 1. Für M Rn heißt die Größe jf .x/ f .y/j jf jC 0;˛ .M / D sup jx yj˛ x;y2M x6Dy
Hölderkonstante (für ˛ D 1 Lipschitzkonstante) der Funktion f W M ! R. Für m 2 N [ f0g definiert man C m;˛ .G/ D ff 2 C m .G/ j jD f jC 0;˛ .G/ < 1; jj D mg X jD f jC 0;˛ .G/ : kf kC m;˛ .G/ D kf kC m .G/ C jjDm
311
Abschnitt A.3 Stetige lineare Abbildungen
Satz A.24. G Rn offen und beschränkt. C m;˛ .G/ ist mit k kC m;˛ .G/ ein Banachraum. Definition A.25 (Lokale Hölderstetigkeit). Für G Rn offen, m 2 N, 0 < ˛ 1 definiert man C 0;˛ .G/ D ff 2 C 0 .G/ j 8M G; M kompakt W jf jC 0;˛ .M / < 1g; C m;˛ .G/ D ff 2 C m .G/ j D f 2 C 0;˛ .G/ 8jj D mg: Definition A.26. G Rn . Als Träger (support) einer Funktion f W G ! R, bezeichnet man die Menge supp f D fx 2 G j f .x/ 6D 0g Rn . Für m 2 N [ f0; 1g definiert man C0m .G/ D ff 2 C m .G/ j supp f ist beschränkt und supp f Gg:
A.3
Stetige lineare Abbildungen
A.3.1 Der Begriff des linearen Operators Definition A.27. Für normierte Räume X; Y sei L.X; Y / D fA W X ! Y j A linear und stetigg: Satz A.28. L.X; Y / ist mit der Operatornorm kAk D kAkL.X;Y / D
kAx kY D sup kAxkY x2X; x2X nf0g kxkX sup
kxkX D1
ein normierter Raum. Es gilt für alle x 2 X: kAxkY kAkL.X;Y / kxkX . Ist Y ein Banachraum, so ist auch L.X; Y / ein Banachraum.
A.3.2 Dualraum Definition A.29. Ist X ein normierter Raum über K, so heißt X 0 D L.X; K/ Dualraum von X. Ein Element x 0 2 X 0 heißt lineares Funktional auf X . Für x 2 X und x 0 2 X 0 schreiben man auch hx; x 0 i D x 0 .x/. Satz A.30 (Rieszscher Darstellungssatz, Satz 4.2). Ist X ein Hilbertraum, so gibt es zu jedem x 0 2 X 0 genau ein x0 2 X , so dass für alle x 2 X gilt: x 0 .x/ D .x; x0 /: Außerdem ist kx 0 kX 0 D kx0 kX .
312
Anhang A Elementare Funktionalanalysis
Satz A.31 (Lax-Milgram, Satz 4.3). Sei X ein Hilbertraum und sei B W X X ! K eine Sesquilinearform. Sie sei stetig, 9 c1 0 8 x1 ; x2 2 X W jB.x1 ; x2 /j c1 kx1 k kx2 k; und koerziv, 9 c0 > 0 8 x 2 X W B.x; x/ c0 kxk2 : Dann gibt es genau ein A 2 L.X; X /, A bijektiv, so dass B.y; x/ D .y; Ax/ 8 x; y 2 X, und 1 kAk c1 ; kA1 k : c0
Anhang B
Lebesgueintegral
Hier werden die wichtigsten Sätze zum Lebesgueintegral aufgeführt. Diese Sätze sollten aus den Analysisvorlesungen bekannt sein. Beweise findet man aber auch im Buch [2]. Im Folgenden sei G Rn eine offene Menge und Z 1 L .G/ D f W G ! Rj f ist Lebesgue-messbar und jf j < 1 : G
L1 .G/,
fk 0 (k 2 N). Satz B.1 (Satz über monotone Konvergenz). Seien fk 2 Außerdem gelte fk % f fast überall für k ! 1, und es gebe eine Konstante C mit Z fk C < 1 8k 2 N: G
Dann ist f 2
L1 .G/
und fk ! f in L1 .G/ für k ! 1. Insbesondere gilt Z Z f D lim fk : k!1
G
G
L1 .G/
Satz B.2 (Lemma von Fatou). Sind fk 2 und gilt Z fk C < 1
mit fk 0 fast überall für k 2 N,
8k 2 N;
G
so ist lim infk!1 fk 2
L1 .G/
Z
und
Z
lim inf lim inf k!1
fk :
k!1
G
G
Satz B.3 (Konvergenzsatz von Lebesgue). Es seien fk 2 L1 .G/ (k 2 N). Die Folge konvergiere fk ! f
.k ! 1/ punktweise fast überall auf G:
Es gebe eine Funktion g 2 L1 .G/, so dass jfk j g fast überall auf G. Dann folgt: Z Z lim fk D f: k!1
G
G
Satz B.4. Es konvergiere fk ! f für k ! 1 in L1 .G/. Dann gibt es eine Teilfolge .fkj /j 2N , die punktweise fast überall auf G gegen f konvergiert.
Literaturverzeichnis
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Literaturverzeichnis
315
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Index
A , 49 a b, 6 Abbildung affine, 91 monotone, 162 stark monotone, 162 Ableitung schwache, 50 Anfangsrandwertproblem Wärmeleitungsgleichung, 196 Wellengleichung, 268
B Banachraum, 308
C C k .G/, 310 C k;˛ .G/, 311 C01 .G/, 50 Cauchyproblem Wärmeleitungsgleichung, 186 Wellengleichung, 258, 264, 265, 268 CG-Verfahren, 140
D Differentialgleichung elliptische, 157, 183 hyperbolische, 183 parabolische, 183 ultrahyperbolische, 183 Differenzenverfahren, 75 Dirichletsches Prinzip, 45 Distanzfunktion orientierte, 127 Dualraum, 311
E Einbettung, 109 Einheitssimplex, 90 Element allgemeines Lagrange, 101
Argyris, 303 Bell, 303 HCT, 298 Hermite, 302 lineares, 95 quadratisches, 99 RHCT, 301 Elementmassematrix, 143 Elementsteifigkeitsmatrix, 142 Enveloppenbildung, 27
F Fehlerabschätzung abstrakte, 158 elliptische Differentialgleichungen, 160 Neumann-Problem, 172 Poissongleichung, 116 Wärmeleitungsgleichung, 218, 231 Wellengleichung, 278 Fouriertransformation, 296 Friedrichssche Glättungsfunktion, 241 Funktion harmonische, 8 Funktional lineares, 311
G Gaußscher Integralsatz, 6 Greensche Formel, 6 Greensche Funktion, 13 für die Kugel, 13 Grundlösung Poissongleichung, 9 Wärmeleitungsgleichung, 185
H
0
H m;p .G/, 55 H˚ m;p .G/, 54 H m;p .G/, 52
318 Hölderräume, 310 Hölderstetigkeit, 36 gleichmäßige, 310 lokale, 311 Harnacksche Ungleichung, 24 Harnackscher Konvergenzsatz, 25 Hauptkrümmungen, 129 Hilbertraum, 309 Hyperflächenstück reguläres, 3
K Kegelbedingung, 32 Klassifizierung, 183 koerziv, 312 Kondition, 141 Konsistenz, 79 Konvergenz, 79 schwache, 309 Koordinaten baryzentrische, 90 Kugelbedingung, 32
L Lax-Milgram Satz von, 153, 312 Lebesgueräume, 49, 309 Lp .G/, 49, 309 Lploc .G/, 49 L.X; Y /, 311
M Maximumprinzip elliptisches, 21, 23 parabolisches, 190 Metrik, 307 Minimalfolge, 47 Mittelwerteigenschaft, 23 Mittelwertgleichung, 20 Mollifier, 241 Multiindex, 50
N Neumann-Problem, 169 Newtonpotential, 34 Norm, 308 Normalkoordinaten, 129
Index
O Operator linearer, 311 Oszillation, 124
P Perronverfahren, 24 Plattengleichung, 292 schwache Lösung, 294 Poincarésche Ungleichung, 55, 107 Poissonintegral, 16 Poissonscher Integralkern, 16 Potentialgleichung, 9 Prä-Hilbertraum, 308 Projektionssatz, 309
Q Quadraturformel, 281
R Randpunkt regulärer, 30 Raum metrischer, 307 normierter, 308 Rieszscher Darstellungssatz, 152, 311 Ritz-Galerkin-Verfahren, 83 Ritzprojektion, 210
S Satz von Fischer-Riesz, 50, 310 Lax-Milgram, 153 Riesz, 152 Schrankenfunktion, 30 Schwerpunkt, 90 Simplex, 89 Singularitätenfunktion, 9 Skalarprodukt, 308 Sobolevräume, 52 Sobolevscher Einbettungssatz erster, 119 zweiter, 123 Spursatz, 237, 240 Stabilität, 79 Steifigkeitsmatrix, 85
Index subharmonisch, 23 superharmonisch, 23 supp, 50
T -Verfahren, 223 Träger, 50 Triangulierung, 92
V Vergleichssatz parabolischer, 191 Vervollständigung, 307
Y Youngsche Ungleichung, 47
Z Zerlegung der Eins, 249
319