Nürnberger Blätter für Literatur #2 3921499119

Inhalt: Vorbemerkung Günter Herburger — Aufgerissene Gräber Peter Rosei — Eine Geschichte Gerhard Falkner — Aufzeichnu

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German Pages [92] Year 1976

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Nürnberger Blätter für Literatur #2
 3921499119

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Nürnberger Blätter für Literatur 2

Nürnberger Blätter für Literatur Heft 2 Herausgegeben von Gerhard Wagner

Verlag Klaus G. Renner Erlangen 1976

Vorbemerkung Nach einem Jahr liegt nun das zweite Heft der Nürnberger Blätter für Literatur vor. Aus der einmaligen Auflage von 500 Exemplaren wurden 25 Exemplare entnommen und mit je einer Originalzeichnung von Annette Engerer versehen. Es handelt sich dabei um Variationen zum Thema »Lesende Person«. Diese fünfundzwanzig Exemplare sind numeriert und von der Künstlerin signiert. Alle Beiträge zu diesem Heft sind Originalbeiträge, wobei im einen oder anderen Falle eine spätere Veröffentlichung nicht ausgeschlossen ist. Leider mußte auch dieses Heft ohne jede Hilfe finanziert werden; des­ halb bitte ich alle Leser, die dem Heft beigefügte Postkarte ausgefüllt an den Verlag zu senden. Hier wohnhafte Autoren möchte ich auf­ fordern, mir Manuskripte zuzuschicken. Nicht verheimlichen möchte ich, daß ein Lyriker aus Berlin mit seinem letzten Gedichtband auf der Bestenliste des Süddeutschen Rundfunks zu finden war. Zwei dieser Gedichte waren als Vorabdruck in den ersten Nürnberger Blättern für Literatur enthalten. Sein Name ist F.C. Delius. Erneut soll mit dieser Publikation ein Überblick über das literarische Schaffen in Franken gegeben werden - wobei nicht Vollständigkeit, sondern schlaglichtartige Beleuchtung einzelner markanter Punkte Richtschnur ist. Dadurch, daß auswärtige, oft bekanntere Autoren mit aufgenommen werden, soll ein Rahmen gesetzt werden, der nicht zuletzt dem Autor selbst als Orientierung dienen kann : und für den Leser ein Hinweis, daß die fränkischen Autoren nicht isoliert vom Literaturgeschehen stehen.

Im Frühjahr 1976

Gerhard Wagner

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Aufgerissene Gräber Günter Herburger

Genießend die Vergangenheit, als die Sänger und Schauspielerinnen noch jung waren, die jetzt vor uns in einer riesig beleuchteten Muschel der Olympiahalle ihre Gebisse sausen lassen, ihr Fett zum Tanzen bringen und ihre Pisse tropfenweise von den Lippen lecken, so sehr fühlen sie sich überwältigt von sich, da sollen wir glauben, daß die Toten, die Millionen Gasleichen vergessen sind; daß die alten Schlager und Lieder aus der Reichsgetreidezeit Charm und Berechtigung hatten; daß damals noch nicht in den Arsch gevögelt, sondern nur geliebt wurde; daß die Alkoholiker noch im Frack auftraten und unsere sorgenvollen Mütter, die einsam blieben und nun bitterlich gerührt zuhören, noch Steno lernten und vor der Kasse knixten; daß es Ausflüge ins Grüne gab ohne Folgen; daß die Fische im Wasser noch atmen konnten, der helle Fleck am Hintern der Rehe noch weiß war und in den Spinnereien die Mädchen noch sangen, weil sie arbeiten durften wie jetzt.

Auf den Zacken des zertrümmerten Glockenturms der Gedächtniskirche von Berlin begatten sich Quandt, Flick, Mannesmann und Bosch, und darunter, auf einem Sägebock im Licht der Scheinwerfer, die wir aufgestellt haben, schieben sich Siemens und Mercedes gegenseitig einen dicken, nassen Priem ins Maul. Daneben steht ein gelb behaarter Sänger namens Rudolf Schock und singt. Anders geht es nicht. Wo legen die Leichenschiffe noch an ? Wie groß kann unser Appetit auch sein ?

Über die Autobahnen, die nicht Hitler baute, sondern wir errichtet haben, kriecht die Krebsschlange, die es damals noch nicht so feist gab, aber heute trällern und sammeln die traurigen Gestalten aus der großen Vergangenheit dafür und verrecken nicht aus Scham auf dem Fleck.

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Marika Rökk, die hunterjährige Soubrette, steppt in Himmlers unerkannter Uniform. Das Liedgut Peter Alexander aus Österreich kommt wieder im Liebesstrudel des Holländers Johannes Heesters als steinerner Gast mit einer kindisch weißen Tolle über der Stirn, die man haßt, Siemens und Thyssen schenken Abs, dem Bankier, eine Orgel, er spielt darauf, bis Bauch und Seele sich endlich öffnen und heiß ersehnte Tropfen auf den Boden fallen, wo Geld an Wert verliert, nur noch der alte, treue Hund, schon blind vor Andacht, seine Schnauze hebt und jault.

War es so ? Soll es so bleiben ? Können wir endlich Jaspers deutsche Lüge aus unserer lästerlichen Geschichte vertreiben ?

Nie mehr wollen wir mit Quax dem Bruchpiloten, der einst Heinz Rühmann hieß, durch die Lüfte segeln. Nie mehr täglich hundert Zigaretten wie der letzte Krupp, der Angst vor Frauen hatte, doch Milliarden besaß, leise zu Ende stoßen. Wir sind nicht so reich. Nie mehr wollen wir Zeuge sein, daß die Regensburger Domspatzen Feen und Fexe wie Anneliese Rothenberger, Vico Torriani, die Kleinmutter Meysel und den blechernen Affen Frankenfeld auf den Schultern tragen und statt ihrer singen, weil deren Schleim zu Schorf geworden ist. Nie mehr soll ein fetter Industrieller wie Gunter Sachs, diese internationale Leiemabe, in Frauenkleidem auftreten dürfen. Und nie mehr sollen Farben Höchst und Springer im selben Kübel rühren. Die Suppe, die sie kochen, müssen sie selber fressen, bis sie zugrunde gehen. Höre ich Glöckchen, Gelächter, Radau ? Zieht meine Tochter ihre Söckchen aus und zeigt die verkrüppelten Füße ? Der Maler Salvador Dali, der den Faschistendiktator Franco ein wunderbares Wesen nannte, gehört uns. Die merkwürdig grauen Sportsmänner, jeden Morgen in Flugzeugen unterwegs von Stadt zu Stadt und Gesundheitswerte beredend, gehören uns. Die zu kurz gewachsenen Flakhelfer, die inzwischen an die Macht kamen und ihre dritten Zähne zeigen, als könnten sie Starkstromleitungen wie Saiten von Zithern schlagen, gehören auch uns. Die Pianisten, Feuilletonisten und Chronisten aus den verwaisten Niettaschen von Blohm und Voss, wo früher Schiffe gebaut wurden, jetzt aber nur noch

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Drucke alter Meister gesammelt werden, gehören auch uns. Und die krummen Wichser in den Pissoirs, die von Stalingrad zurückkamen und die letzte Hälfte der Zigarren, die wir ihnen schenkten, unterm Hutband tragen, sie gehören ebenso dazu.

In der rosafarbenen Muschel der Olympiahalle verebben die Stimmen unserer Vorfahren, die einmal jung waren und nicht alt werden wollten. AEG pumpt Messerschmitt auf, Hand in Hand; Politiker, früh erschöpfte, die einst tollkühn in fremden Städten Widerstand schufen, entschuldigen sich, als hätten sie Schande begangen, statt den Flieder um die Kameras zu hauen und in Baracken neue Kraft zu holen, wo mit Handwerkszeug und einer Flut von Literatur und Gegenwart wir warten, um die Fehler der Geschichte aufzuklären und die abgetretenen Schuhe neu zu sohlen.

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Eine Geschichte Peter Rosei

(Eine Geschichte erzählen: Dem Schweigen nah kommen ! Das Schweigen umschließt die Kenntnis. Was gesagt werden kann, ist innerhalb der Kenntnis. Was über die Kenntnis hinaus will, sind Worte, ist Geschwätz.)

Er ging also den Hang hinauf und auf das Haus zu. Es war erst sechs Uhr, doch herrschte schon völlige Dunkelheit. Im Vorfrühling wird es um diese Zeit dunkel. Obwohl er also nichts sehen konnte als Schwarz und in dem großen, dumpfen Schwarz die zwei erleuchteten Fenster des Hauses, auf das er zustrebte, wußte er doch, daß der Hang, den er hin­ aufstieg, von gelbbraunem, niedergepreßtem Gras bedeckt war. Die Schneelasten waren erst vor einigen Tagen verschwunden. Es gluckste. Er spürte, wie der feuchte Lehm seine Schuhe haftend um­ schloß. Oben an der Haustür würde er die Lehmklumpen an der Schwelle von den Füßen scheren. Dort blieben sie liegen, trockneten aus und knirschten, wenn man auf sie trat.

Der Hang stieg nicht stetig an. Erst hatte man eine Steilstufe zu über­ winden, dort war der Weg von eisigen Gerinnen überzogen, dann folgte ein flaches Stück, eine von jetzt entlaubten Birnbäumen bestandene Mulde, an deren tiefster Stelle sich zur Zeit der Schneeschmelze ein trüber, lehmiger Tümpel bildete, zuletzt war der Hang so steil geneigt, daß ihn der Weg nicht in der Fallinie, sondern nur in zwei langgezo­ genen Kehren überwinden konnte. Dabei war er bloß für Fußgänger gedacht, ein schmaler Steig, bei dessen Anlage auf nichts anderes Rücksicht genommen worden war, als auf die Leistungsfähigkeit menschlicher Beine, Lungen, Herzen. (Was eine Geschichte ausmacht, ist immer nur der Rest, das sind die übrigbleibenden Sätze, die dann so auf dem Papier stehen, daß man glauben könnte, es hätte nie andere gegeben und diese da wären schon alle.) Er ging also den Hang hinauf und auf das Haus zu. In der Früh war er den Weg in umgekehrter Richtung gegangen. Er ging diesen Weg jeden Tag zwei Mal. Er arbeitete im Holz, in der Rutterschen Forstver­ waltung. Auch Tschemer, mit dem zusammen er die Baracke, das Holzhaus, bewohnte, auf das er nun zustrebte, arbeitete dort. Offen­ sichtlich war dieser heute früher aus dem Schlag heimgekehrt, daher das Licht. Vielleicht hatte er schon Wasser aufgesetzt für den Tee, für das Heißmachen des Rums. Es war kalt geworden. Der Himmel schwarz und hoch, ohne Wolken.

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Er erinnerte sich einer schwarzen, triefend nassen, vom Wind geblähten Fahne. Diese Fahne war aus Anlaß des Todes des alten Rutter aus der Dachluke der Forstkanzlei gehängt worden. Das war schon Jahre her. Das ist mindestens fünf oder sechs Jahre her, dachte er. Der alte Rutter war damals bei einer Inspektion am Hochschlag oben von einem stürzenden Baum erschlagen worden. Die Umstände, die zu dem Un­ glück geführt hatten, waren nie ganz aufgeklärt worden. Es fanden erst polizeiliche, dann gerichtliche Nachforschungen statt, ein Arbeiter, ein gewisser Irsigler, wurde verhaftet, dann angeklagt, dann verurteilt, zu einer langen Haftstrafe verurteilt und eingekerkert. Irsigler war nicht geständig gewesen, mancher Nebenumstand ließ seine Schuld unwahr­ scheinlich erscheinen, die Wahrheit ist also nicht ans Licht gekommen. Jetzt ist der Hochschlag ein kahler, steiniger, von verrotteten Baum­ stümpfen und Brombeerstauden durchsetzter Steilhang.

(Vorgebliche Bestimmtheiten, die ein einziger Satz als Setzungen ent­ larvt: Er blickte zur Baracke hinüber, sah die Lichter hinter den Fenstern verlöschen, dachte, Tschemer ist in das Dorf, in das Wirtshaus hinunter gegangen, was tue ich allein in der Baracke, und kehrte nach einer kurzen Verschnaufpause in der Dunkelheit um.

Die Geschichte gibt sich als eine Kette von Fakten. Sein Gesicht war klein und weiß in der Nacht und er weinte, als er sah, daß oben in der Baracke das Licht verlosch. Er kniete nieder, grub seine Finger in Erde und Gras und achtete des Schmutzes nicht und der Kälte nicht und der Zeit nicht. Die Windrose der Möglichkeiten, scheinbar unbegrenzter, tatsächlich begrenzter.) Er ging also den Hang hinauf und auf das Haus zu. Obwohl die Luft kalt war, erfüllte sie ein Geruch nach modrigen Blättern und faulen Grasstengeln. Im Sommer stand das wilde Gras kniehoch. Wegen der Steilheit des Hanges wurde es nicht abgemäht. Maschinen konnte man nicht verwenden, die menschliche Arbeitskraft war aber zu kostspielig, um sie an einer solch unproduktiven Stelle zum Einsatz zu bringen. Immer mehr Landarbeiter wanderten in die Stadt ab. Viele aus der Gegend waren diesen Weg gegangen. Beinahe hätte er, Marko, es auch getan. Warum auch nicht ? - Nichts band ihn an diesen Ort. Die Holz­ arbeit war schwer und gefährlich, der Lohn nicht angemessen. Er war trotzdem geblieben. Vielleicht war • es Angst vor dem Ungewissen gewesen, die ihn davon abgehalten hatte. Er hatte von Leuten gehört, die in der Stadt keine oder doch nur eine unbefriedigende, eine leichte, stumpfsinnige, ja zermürbende Arbeit gefunden hatten. - So war er ge­ blieben, arbeitete in der Rutterschen Forstverwaltung und bewohnte mit Tschemer die Holzbaracke am Hang, die, Überbleibsel einer früher weit größeren Arbeitersiedlung, etwas außerhalb des Dorfes gelegen war. Sie war das Ziel seines Weges.

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(Anders: Marko war Holzarbeiter geblieben, weil mehrere Firmen seine Bewerbung abgelehnt hatten.

Anders: Bei der Holzarbeit, genauer gesagt, beim Bloch-Ziehen im Winter hatte ihm eine zerreißende Eisenkette, die die Stämme auf dem Schlitten zusammengehalten hatte, zwei Finger, Daumen und Zeige­ finger der rechten Hand derart verstümmelt, daß er sie jetzt nur mehr als Klaue zum Ergreifen von Ästen, Hackenstielen, Sägegriffen, von Bier- und Schnapsflaschen verwenden konnte. Was taugt aber ein Fabrikarbeiter mit einer zur Klaue verkrüppelten rechten Hand ? So erzählen sich die Geschichten.) Er ging also den Hang hinauf und auf das Haus zu. Je länger er ging, desto heller, gleichsam von einem geheimen Licht erfüllt, erschien ihm die Finsternis. Er konnte einzelne Steine, die im Weg lagen, unter­ scheiden. Rechter Hand sah er ein gefrorenes Gerinne aufblitzen. Die Lichter in der Baracke oben waren verloschen. Tschemer schläft, dachte er, Tschemer liegt auf seiner Pritsche und döst, oder er starrt vor sich hin ins Dunkle oder er hat eine Frau bei sich und fickt sie im Dunklen, weil sie sich bei Licht nicht ficken lassen will. Diese Weiber, dachte er und lachte. Es war allerdings kein richtiges Lachen, denn der steile Aufstieg hatte ihm den Atem genommen. Ich gehe immer zu schnell, dachte er, in der Baracke wartet nichts und niemand auf mich, denn Tschemer wartet nicht auf mich, wir warten nie aufeinander. Jetzt hatte er die zweite Steilstufe überwunden. Die Baracke stand nicht direkt an der Geländekante, sondern etwas weiter zurückgesetzt, in der Mitte einer sanft ansteigenden Wiese. Oberhalb läuft die Straße vorbei, die ins Dorf hinunterführt. Diese Straße, eigentlich müßte man sagen, dieser Karrenweg wird schon lange nicht mehr benützt. Früher, als die Baracke bloß Teil einer ganzen Siedlung gewesen war, als fünfzig oder hundert Holzarbeiter hier gewohnt hatten, war sie täglich zwei Mal von einem Lastwagen der Rutterschen Forstverwaltung befah­ ren worden. In der Früh hatte er die Arbeiter abgeholt und abends wieder heimgebracht. Für zwei Arbeiter, für Tschemer und ihn, lohnte sich dieser Aufwand nicht. Sie gingen zu Fuß den Abkürzungsweg über den Steilhang ins Dorf hinunter. Die alte Fahrstraße verkam zusehends, wurde von Wildbächen ausgewaschen, zerschnitten, versank unter Himbeerranken und Haselstauden, ebenso wie die Trümmer der an­ deren Baracken, die er jetzt als schwarze, drohende Haufen rings um die ihrige aufgestellt sah. (Rekonstruktion von Sinnzusammenhängen, scheinbare Rekonstruktion der Welt. Dabei weder in der Welt, noch im Schreiben Sinnzusammen­ hänge, hier der Glauben an, dort das Vortäuschen von solchen.)

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Als er an die Haustür trat und eben damit begann, sich den Kot von den Schuhen zu scheren, bemerkte er, daß in der Dunkelheit neben ihm etwas atmete, Mensch oder Tier. »Wer ist da ?« rief er und sprang einen Schritt zurück. Gelächter. -

»Ich bin es, ich bin es: der Paul, der Irsigler Paul!« Paul, dachte er, Irsigler, dachte er, das Blut stieg ihm zu Kopf, etwas wie Scham. Langsam trat er auf den anderen zu. »Du bist heraußen«, murmelte er, als sie einander die Hände schüttelten, »du bist schon heraußen.«

Irsigler entgegnete nichts und so standen sie eine Weile stumm in der Finsternis. Jetzt war es Freude, was Marko empfand, nicht eigentlich Freude, ängstliche Freude, ein durchbohrtes Glück, und er spürte, daß dieses Gefühl auch im anderen groß wurde und zwischen ihnen war. »Der Paul«, sagte er leise, ganz leise, beinahe unhörbar, dann zog er ihn zur Tür, sein Gesicht hatte er noch nicht gesehen, öffnete die Tür, schlug dabei zwei Mal schwer dagegen, damit Tschemer drinnen wisse, daß er heimgekommen war, dann traten sie ein. In diesem Moment ging das Licht an. Tschemer, der offensichtlich geschlafen hatte, stand benommen neben seiner Pritsche, von der er sich gerade erhoben hatte. Man sah, daß er auf dem Gesicht gelegen war, es war rot und gedunsen. In der Baracke stank es nach Bier.

»Irsigler ist da !« rief er ihn an und wandte sich dann jenem zu, der hinter ihm eingetreten war. Irsigler lächelte. »Es ist kalt. Ich bin das nicht mehr gewöhnt: das Land und die Kälte draußen, den Wind«, sagte er. »Sechs Jahre !« rief Tschemer, »sechs Jahre !«

»Ich bin auf Bewährung entlassen worden. Ich bin wegen guter Führung frühzeitig entlassen worden.« Irsigler lachte. »Dreizehn Jahre Kerker, schwerer, verschärfter Kerker«, murmelte Tschemer, »im Prozeß damals das Urteil: dreizehn Jahre! - Man hat keine Vorstellung, wenn man hört: dreizehn Jahre -, und vielleicht ist das gut so.« Sie halfen Irsigler aus dem Mantel und warfen diesen, weil es keinen freien Haken zum Aufhängen gab, auf eine der Pritschen. »Kann ich hierbleiben, nur für diese eine Nacht ?« fragte Irsigler, »geht das ?« Er schaute sich im Raum um. Die Baracke bestand nur aus diesem einzigen Zimmer: Links und rechts je eine Pritsche an der Wand, daneben zwei Spinde, bei der Tür der Ofen, ein Kanonenofen, visavis die beiden Fenster, je ein Wandbrett über den Pritschen, voll mit Speck und Schnapsflaschen und Zigarettenschachteln, das war alles, das heißt, ein Tisch war noch da, wenn man das unter den Fenstern entlanglaufende Brett so bezeichnen will. »Ja«, sagte Tschemer, »ja«,

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sagte Marko, »was wirst du anfangen, Irsigler ?« Dieser schwieg, ließ sich lang und schwer auf die Pritsche fallen, so daß die Bretter knackten, und lachte. Als Mörder, meinte er dann, als einer, der wegen Mordes eingesperrt war, finde man nicht so leicht Arbeit. Stumm räum­ ten sie daraufhin Speck, Brot und Schnaps herbei, Tschemer strich mit der Hand ein paar Mal über das Brett, das als Tisch diente, Marko warf große Kohlenstücke in den ohnehin schon rotglühenden Kanonen­ ofen. »Das nimmt dir keiner ab«, murmelte Irsigler, »den Mörder putzt dir keiner ab und das Gefängnis auch nicht!« Er lachte laut auf und die anderen stimmten zögernd in sein Lachen ein.

»Iß ! Greif zu !« sagte Marko und schob ihm ein Brett mit Speck und Brot hin, legte dann ein Messer dazu. »Sechs Jahre«, fuhr Irsigler fort, »sechs Jahre jeden Tag an den Hoch­ schlag denken, an das Unglück und wie es geschehen ist! Das könnt ihr euch nicht vorstellen ! - Immer wieder sehe ich das vor mir: Der Rutter unter der Fichte, unter der großen Fichte, wie sie am Hoch­ schlag oben gewachsen sind, am Steilhang bis in die Schlucht herunter ... die Fichte und die Äste und wie sie den Rutter unter der Fichte herausgezogen haben ...« Er schüttelte den Kopf, schaute vor sich hin. »Iß, Irsigler !« rief Marko vom Ofen herüber. In einem Topf stellte er Wasser auf. »Willst einen Tee ? Heißen Tee ?« - »Tee mit Rum, ja, sechs Jahre keinen Schnaps.« - »Sechs Jahre Gefängnis«, fing Tschemer an, »sechs Jahre Arbeit im Holz ...« Er sprach nicht zu Ende. Keiner sagte etwas. Sie aßen, sie rauchten. Draußen hatte sich ein Wind erhoben. Jetzt konnte man durch die Fenster die Sterne sehen. Das Teewasser auf dem Ofen summte. Marko zog den Topf zur Seite, aus einer Blechbüchse warf er Tee hinein. Dann goß er mit Rum auf. Tschemer und Irsigler schauten ihm zu.

»An diesem Tag«, begann Irsigler, »haben wir vormittags noch am Waldsee gearbeitet, oberhalb des Hochschlags. Es war neblig, wie es im Dezember neblig ist. Der See ist langsam zugefroren. Wie Rauch ist der Nebeldampf über das noch dünne, faserige Eis hingetrieben. Es war ganz still. Nur manchmal hat das Eis geknackt. Da ist man unwillkür­ lich zusammengeschreckt. Wir haben Steine auf das Eis geworfen. Sie haben es mühelos durchschlagen. Morgen, hat einer gesagt, ist der See schon dick zugefroren. Dann sind wir mit den Hacken und Seilen in Wald hinein, in den Hochschlag hinunter, damals.« Sie schwiegen. Sie tranken so lange, bis alle Flaschen leer waren. Ist ja nicht jeder Tag ein Entlassungstag, meinte Tschemer. Der Ofen ging langsam aus, aber ihre Gesichter glühten. Als sie sich zum Schlafen auskleideten, sahen sie, daß Irsiglers Körper bleich und schwammig ge­ worden war. Sie lachten, obwohl ihnen nicht zum Lachen war.

»Ins Holz arbeiten gehen«, sagte Tschemer, aber die anderen schliefen schon. Er drehte alle Flaschen um, aber es was nichts mehr drinnen. So legte er sich vor dem Ofen auf den Boden, ein wenig Glut spritzte noch aus der Asche hervor, als er hineinblies, der Gestank in der Hütte war dumpf und warm.

AUFZEICHNUNGEN

aus einem kalten Vierteljahr Gerhard Falkner

dem Andenken Paveses und dem Ldautauds

Vorbemerkung: Ich begann diese Aufzeichnungen mit der Absicht, etwas über Literatur zu neinsagen. Dem hier veröffentlichten Ausschnitt wäre davon nichts mehr anzumerken, hätte ich nicht gegen die Chronologie mir mit früheren Eintragungen ausgeholfen. Das Datum habe ich eingepaßt, sodaß man es in Ordnung finden müßte, wüßte man nicht von mir selbst, daß es das keinesfalls ist. Ich habe das alles einem Wunsch zum Gefallen getan und kann jedem Bedenken nur entgegensetzen, daß es mir eh’ nicht um Richtigkeiten, sondern um Möglichkeiten geht. Wer sich an nichts erinnert fühlt, hat wohl ein schlechtes Gedächtnis für seine Langeweile, oder: Was beinahe wahrscheinlicher, aber ein anderes ist, er ist langweilig.

»Außerdem hasse ich es, eine indifferente Masse über meine Erfah­ rungen abstimmen zu lassen« Freud in einem Brief an C G Jung. 15.2. Sie redet Figuren, beglänzt und geglättet wie ein metallener Brancusi. 13.2. Löste man aus einer Situation die Aktualität, die tektonischen Gebilde der dinglichen Wirklichkeit, es bliebe: das Interessante. Dieses Inter­ essante ist eine Art klimatischer Reiz, den ich die Irritation nenne. 10.2. Dem Ungefähren muß sich das Wort mit dem Charakter eines Diebes nähern. Das Ungefähre ist eigensinnig. Es sammelt Pretiosen, die in einem kühlen Schrein verschlossen liegen. Nur der äußersten Leichtig­ keit gelingt es, etwas daraus zu entwenden und es bedarf einer anhal­ tenden Kaltblütigkeit, damit dies leicht Verderbliche frisch bleibt. Für die Literaten wäre hinzuzufügen, daß das Ungefähre Eigenschaft der Beute, nicht des Diebes sein sollte.

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9.2. Jede Frau hat zwei Seiten: - die eine und die andere. Nur ganz ausge­ suchten Stellungen gelingt es, die eine zu bedecken ohne die andere zu entblößen.

4.2. Die Metaphern, die ich in meinen Gedichten verwende folgen einem logischen Befehl. Es sind keine Vögel, die ich steigen lasse.

2.2. Haimendorff getroffen. Er stand in einem Mantel, der sich in gotischer Geradlinigkeit von seinen Schultern hinabfaltete, mit einem Gesicht, als würde er sich überlegen, ob er eine Hostie auf der Zunge habe und drehte mit der linken Hand gedankenlos gelockte Figuren in die frühkalte Luft. Hinter ihm schmetterte ein Preßlufthammer sein kurzatmiges Echo an die klir­ renden Hauswände. »Kannst nicht denken, bei diesem Lärm«, dachte ich und bemerkte den Widerspruch. »Hallo Haimendorff« Wer eine weidende Kuh von hinten mit lockerem Sand bewirft wird einen vergleichsweise hektischen Vorgang erleben neben dem, wie er den Kopf aus einer achttausender Meerestiefe zu heben schien. »Hallo« Sein Auge: eine kleine, tiefblaue Tintenkapsel, die, wenn man sie auf­ stach, eine zwimdünne Spur über sein Gesicht zog. Ich fror. - In den Taschen plättete ich die Handflächen auf die gespannten Oberschenkel. »Zur Akademie«, antwortete er überraschend auf irgendeine Frage in diesem Zusammenhang, wobei er das »Aka« wie Acker herausnümbergerte, - mir schlug der Hammer kurz über den Amboß, ... ver­ klungen. Mit der Zungenspitze holte ich Klümpchen aus Toast und Honig hinter den Zähnen vor, schob meine Hand unter seinen Oberarm und pro­ bierte einen leichten Druck solange, bis es ausreichte, daß er ihn durch einen Schritt nach vorne ausgleichen mußte. - Wir gingen ! Eine feige Kälte fand jede Blöße, die wir in der Bewegung freigaben, dort stach sie ein. Sein Haar flog dem Wind davon. Der Unschlittplatz protzte mit Karosserien und Chrom und völlig verwinterte Meisen laubsägten winzige Triller aus dem Rauhen der Stadt.

1.2. Man vergleiche die schöne Schulter eines Mannes mit der Schulter einer schönen Frau. 31.1. Wenn es Sommer wäre, der die hellen, hohen Portale südlicher Städte hätte zwischen bedrängten Wohnhäusern, die kleine, feuchte Schatten

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wie eine Zunge aus den Eingängen strecken. Wenn es Sommer wäre, der den Atem der Fische ablöst vom Wasser und ihn ein Wegstück neben dir herträgt, gesetzt es ist Abend. Wenn es für die herrliche Dauer der Entfernung des Flusses zum Hori­ zont Sommer wäre.

29.1. Stellen Sie sich vor, eine Frau würde, wenn sie ihren Mann verläßt, »Lebwohl« zu ihm sagen. Er müßte, wie Voltaire, antworten können: »Sterben sie wohl,Madam«, oder, verstört vom Geschick einer bedrängenden Vieldeutigkeit eine törichte Hoffnung lang auf der Kehrseite ihrer Bemerkung zubringen. 28.1. Herr, es ist große Not. Der »Neue Mensch« ist alt geworden. Unter einer riesigen Gehirn­ schale ergötzt sich ein kleiner, grauer Geist mit roten Albinoaugen. Er blinzelt hinauf in die weite Kuppel und grübelt über das Phänomen ihrer Stabilität. Einst war sie erbaut worden wie die Vorgänger Brunelleschis das Dach des großen Domes bauen wollten; man füllte den Innenraum, in diesem Fall mit Hirn, und verspannte den Schädel darüber. Der Abtransport des Füllmaterials hätte den Italienern sicher eine teure Mühe gekostet, indes, das Novecento hat es geschafft, die Materie des Geistes in sich selbst abzubauen. Vorzeiten war dieser kleine, graue Geist ein Gargantua und Ausbund, der sich von der Stirnplatte bis ins Mark streckte. Eine Art Moderne befiel diesen Strotzenden wie ein verschleppter Morbus gallicus und zehrte an ihm, bis er zu dem wurde, was er jetzt ist: ein kleiner, grauer Geist, der ein dreistlustiges Blindekuh spielt mit den Primäraffekten. Herr, es ist große Not. Dieser Neue Mensch war hingegangen und hatte gezeugt. Die kleinen, grauen Geister vermehrten sich, wie es scheint, durch Teilung. Wenn sie sich immer genau in die Hälfte spalten, wird dies kein Ende nehmen und nimmt man sie alle zusammen, ergibt ihre Summe genau und exakt den kleinen, grauen Geist, es ist wie bei Abraham.

Eines der Merkmale, an denen sie ihre schändliche Stammbrüderschaft erkennen ist der geometrische Ort, der sich als Schnittpunkt bilden würde, wenn man von Endpunkten ihrer Schultern je eine Gerade im Winkel von etwa 45° errichtet. Dieser Ort, den zu benennen indiskret wäre, ist ihre kleine graue Zentrale. Die Kugel-, Birnen- oder sonstwie unförmige Figur, die all dieses Infame umschließt, ist in ihrer Gesamt­ heit von Ausdruck und Gossip das, woran sie sich erkennen. Sie besitzt eine rundum glatte Oberfläche, an deren Vorderseite sich bewegliche Ornamente befinden, bei denen man wohl Engländer oder Amerikaner sein müßte, um sie positivistisch oder utilitaristisch irgendeiner Bedeu­ tung (Zweckmäßigkeit) zuordnen zu können.

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Ein wahrscheinlich aus dem Verdauungstrakt aufsteigendes Gas hält dieses Gebilde in einer aufrecht ausbalancierten Lage über der Mitte des Körpers. 27.1. Wollte ich jemand entrüsten, dann doch nicht so, wie sich zum Beispiel alte Damen, gleich welchen Geschlechts, entrüsten, die bei klirrendem Regen spitzzehig unter den vorspringenden Dächern tänzeln und sich Unbeschirmten nötigen, ihrer Gedankenlosigkeit ins Tropfnasse auszu­ weichen.

26.1. Aus einem Brief: Da gibts doch das Sagen von dem, der bis zum Halse im Dreck steckt. Das ließe dir Zeit! Wenn du könntest, würdest du sogar staunen, wie du sinkst; vom Spann übers Knie, dann das Gerät, Hüfte, Brust, Schulter. Himmel! Uns taucht man kopfüber ein : erst die Stirn, dann wirds schon dunkel. Heute hat die Kälte ein kristallines Licht über die Dächer verstrahlt. Als ich, mit dem Honigbrot an Kerberos vorbei, in die Bahnhofsunter­ führung hinabstieg strahlte ein Taubenbündel auf, planschte mit den Flügeln in durchsonnter Kühle und zerspleißte.

12.1. Ein derber Kerl, Catull, aber er hält die Form. Man muß sein »Maul oder Hintern« lesen um einzusehen, wie großartig das Gräßliche bei ihm Bild wird. Ich schätze die, deren Haß sich keine formalen Blößen gestattet.

9.1. Ich muß diesen Aufzeichnungen hier etwas entgegenbringen, das mir mehr Intimität erlaubt. Ein »Merkbuch des Appetits« wollt ich. es nennen. Appetit wäre der Name des Pegels über einer Skala, die die größere oder geringere Neigung, eine Situation aufzunehmen (oder ein­ zunehmen) aufzeigt. So, wie ich die Totalität einer Situation vor finde wollte ich sie ver suchen. Wäre es dann verwirrend, wenn sich unter diesem Titel die Geschlechtskrankheiten aussprächen, die herzlichen Verstimmungen, Schmerzen, Exaltationen; die frühvergorenen Erleb­ nisse, wenn sie stark und würzig werden ? Wer das Obszöne oder Verführerische in einem Sinne von Gombrowicz oder Kierkegaard versteht, hört richtig. Appetit, das sollte heißen: ein Bedürfnis nach dem Gelegentlichen, Akzidentiellen, nach etwas, das außerhalb des Bereichs wirklichen Ver­ langens liegt doch dessen vage Penetranz sich zu einem Genuß hin­ bewegt. Appetit, das wäre, was aufkommt, wo Beziehungen noch Berührungen sind. Aber mit dem Appetit gegenüber dem Hunger ist es wie mit der

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Angst gegenüber der Furcht. Der Appetit ist die Angst. Er bleibt ohne exakte Vorstellung aber mit der Idee, daß da irgendwo eine Vor­ stellung sein muß. Ein Merkbuch des Appetits, es sollte das Ungefähre aufnehmen; nicht das Denken, sondern die Blüte des Denkens vor der Frucht. 8.1. Letztlich ist der Lichtenbergsche Witz ein Syndrom seiner Geilheit. Aber er versteht es, unter dem Rock einen Wind zu fangen.

4.1. Als ob sie die Nacht nur zur Seite hätte, sich abzuzeichnen, die eigene Form herauszuheben aus ihr, die gegen andere die ganze Verschlagen­ heit ihrer Beschattung aufbietet.: Es macht sie haltlos. Die Freizügigkeit, mit der alles um sie Gelagerte ihrem Weiß ausweicht ermöglicht ihr, ungehemmt jeder wünschbaren Bewegung nachzugeben. Was mit einem Knie oder einer Ellbogenspitze hinausprallt aus dem Zirkel der Proportionalität dämpft das dunkle Polster. Alles bleibt weich. Die Verderbnis ist eine optisch nicht wahrnehmbare. Es ist eher die aus ähnlichen Erfahrungen abgeleitete Vermutung, ein Stoff müsse sich unter solchen Bedingungen zersetzen. Keine Empörung ! 3.1. Der einzige Vorsprung, den dir das Leben gewähren kann, heißt Selbst­ mord. Marginalie (grantig): Wem wird man Vorsprung gewähren ?

2.1. Wie, wenn bei der Frau der Zwiespalt eine topographische Affaire des Unterleibs wäre ? 1.1. Der Umgang mit Literaten ist mir schlechthin unangenehm. Irgend­ etwas an ihrer Art erinnert mich an von der Hitze blauaufgeschwollene Blutwürste. 31.12. Ich lese zuweilen sogenannte kulturelle Zeitschriften, etwa aus den Gründen, die wohl einen Taubenzüchter dazu bewegen, sich für die Geflügelbörse zu interessieren. Wenn ich Pech habe, stoße ich zwischen den Beiträgen aus Angst und Bildung auch auf Lyrik. Jetzt gehöre ich nicht einmal zu denen, die in der modernen Poesie den Abhub, oder die freihändige Kunst, oder das Jonglieren mit Glaskugeln sehen, - ich kenne zu viele Meister, ich lasse mir das Bild nicht von Pinseln verstellen.

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Was ärgerlich ist neben einer Unsumme an Mittelmäßigkeiten : vom Augenschein trügt oft nicht einmal der flüchtigste. An dem, was da korsettiert und entschlackt sich durch die Kürze der Zeilen als Gedicht ausweist ist der Sinn ebenso dünn wie die poetische Statur. Kein Reiz, keine Raffinesse, nicht der Gedanke an eine Vibration. Sie nennen diese Gebilde »Akademische Elegie« oder »Erdbeer­ marmelade« und brechen sich über einem Dutzend Sätze die Hirne bis sie Stumpf sinn. Arbeit ist nirgends zu entdecken und Imagination ist eh ein fremdstämmiges Wort, für das man im Deutschen besser Ein­ bildung setzt.

30.12. An den Toten ist die Beharrlichkeit, die Hartnäckigkeit, nicht mehr dazusein eine Sache, von der sie wie von einem Vorwurf gebrauchmachen. Ihr unterirdisches sich ausbreiten, das Maul voll süßlichem Moder, müßte der Erde doch irgendwann einmal lästig werden. Über­ haupt, daß sich ein so großer Gott nicht geniert, sich von jedem unter den Rock schauen zu lassen, jetzt vor allem, wo beinahe mehr Erlebnisberichte vom Aufenthalt hinter dem kalten Fluß gedruckt erscheinen als sonstige Lügen. Als die Leute noch ehrbar und ehrlich hinabstiegen, von einem stolzen Krieg zertrümmert oder zumindest mit tiefreligiöser Verschwiegenheit, so daß das Skandalöse wenigstens der Literatur vorbehalten blieb, durfte man noch hoffen, sich für die restliche Dauer des Universums der Ruhe hingeben zu können. Aber heutzutage muß man ja befürch­ ten, daß die einem dort unten einen Sekretariatsposten antragen. 29.12. Überrascht ? : du Abkömmling deines Vaters, du unglückliche Emanation aus dem einen Fortpflanzungsprinzip. Überrascht dich deine machtlose Intuition ? 28.12. War mit Viruel und Clarissa flanieren diesen Tag. Einer aus dem Hippodrom hatte vorher angerufen und gefragt, ob wir den Delphinen lauschen möchten. »Bei voller Wut«, hab ich ihm gesagt, aber mit sol­ chem Ausdruck, daß es weltraumstill wurde im Kabel. Ob ich nicht wüßte, was ein Hippodrom sei. Als hätte ich nicht Freuds »Kampf ums Pferd, — oder die ätiologischen Sensationen einer berittenen Kindheit« gelesen. Haben denn die Alten ihre Tritonen mit den seidenen Schirm­ ehen den Delphinen abgeschaut, - oder den Pferden ? So ein Trottel. Wir knüllten also alle drei unsere sechs Hände in die Taschen und ließen uns vom Wind in die Mäntel schlagen. Ich war so frisch rasiert, daß die sichtbare Länge des Barthaars in einem tatsächlich schmerz­ lichen Verhältnis zur unsichtbaren stand, was mir ein Gefühl gab, als trüge ich die Haut seitenverkehrt auf dem Gesicht. »Was trüge nicht ?« meinte Clarissa dazu mit weltanschaulicher Noblesse.

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Alte Damen mit vorgespannten Hündchen kamen entlang, so breitge­ wachsen, daß es der steifen Luft merklich Mühe machte, sich hinter ihnen wieder zu schließen. Bei der Betrachtung schillernder Wasserblasen im Brückenzwickel unter dem Kettensteg machte Viruel Clarissa endlich den Antrag, indem er sorgfältig ein Stück verblichenes Seidenpapier aus der Schatulle seiner Faust wickelte und sie lange und tief hineinblicken ließ. Allmählich begriff Clarissa, wie köstlich und einzigartig es war, Ver­ traute dieser so bedächtig entwickelten Wirklichkeit geworden zu sein und er schloß seine Hüfte mit ihrem Arm, einen Finger an die Stelle seiner zwölften Rippe gepreßt. Armer Viruel. Als der Tag so hoch stand wie er bei dieser Jahreszeit nur eben stehen kann und der Himmel, als hinge er voller Graugansdaunen flaumweich über den Fluß den Mittag bettete schien es, als hätte das schlagende Wasser deinen Namen gerufen, - armer Viruel, und die Tritonen lachten.

Ich wandte mich um und fragte dich, lächelnde Clarissa, was die Ge­ schichte vom beißenden Pferd dabei sollte. 27.12. Da vögeln sie die halbe Nacht.: Dann wachen sie auf mit nassen,verpapptem Gefieder und bejammern, daß sie die Luft nicht mehr trägt.

Nach Ezra Pound: Wenn eine Möse den Mund aufmacht, höre darauf, wie es klingt. Eins und eins gibt zwei, - das mag für die Mathematik gelten. Eins und eins gibt entzwei, das sei der Psychologie gesagt.

Ich liebe das Kühle am Stein, nicht das Harte. Eine Denksportaufgabe für die Verliebten: dem stieg die Röte ins Gesicht, dem die Verwirrung, wer mag der Dritte sein ?

26.12. Wieder so ein Tag, der über dem Sekundenstich gespitzter Wörter ver­ strich. Man meint, einem Gespräch zuzuhören, aus dem man die eigene Stimme nicht heraushört. Die Erinnerung an etwas, das möglich wäre, gesagt zu werden, schlägt die Silben nur kurz an. Die Beunruhigung ist groß. Ich laufe im Zimmer auf und ab und brülle ein Hölderlingedicht, das ich nicht einmal auswendig kann, obwohl ich weiß, daß man seine Gedichte nicht brüllt. Vor dem Spiegel, den ich mir ins Zimmer stellte, um eine Idee zu verdoppeln und die Wand an einer Stelle durchlässig werden zu lassen übe ich ein bißchen Zerknirschung, ein bißchen Stolz, oder, als zerdrückte ich mit der Zunge das Fleisch einer heißen Kirsche, denke an den Sommer.

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25.12. Wo eine nicht in der Lage ist, versteht sie dir den Weg.

Liebte ich eine Frau, was kaum vorkommt, aber denkbar ist und läge bei einer anderen, was oft vorkommt, - deshalb aber nicht weniger denkbar ist, wer löste mir grammatisch, wen ich da mit wem betrüge. Mit der Moral ist es wie mit dem Atheismus. Du schreibst darüber, und schon bist du Epigone.

20.12. Na gut, ich gebe zu, daß die Bilder heftig sind, daß ich einen Gedanken oft nur aufgreife, um ihn an einer Form aufzuschlagen; ich gebe ja zu, daß mir nichts daran liegt, eine Idee bis ans bittere Ende ihrer allge­ meinen Nachvollziehbarkeit zu führen. Was mich reizt ist eine Art Aphorismus ohne Pointe. Karl Kraus kann man nicht lesen. Wenn der recht hat, und er hat meist recht, dann würgt er einem das wie ein Lächeln hinunter, das den schmerzhaft umgekehrten Weg nimmt. Ich habe, nachdem ich diese Aufzeichnungen begann, mir oft den Italiener und den Franzosen zum Meister gemacht. - Lieber Himmel, doch nicht, weil was sie schrieben ähnlich klang wie was ich dachte. Schirrt diesen Ochsen doch nicht über den Steiß auf : der Verdruß war ähnlich. Nur will ich und wollte mein Bestes am liebsten so sagen, daß niemand mutmaßen könnte, es müsse mit der Erfahrung einer Wirk­ lichkeit zu tun haben. Könnte ich bloß Worte dafür verwenden, wie sie in der Natur nicht vorkommen. 18.12. Who, if I were to cry ... - eine Kollektion giftgemischter Gefühle. Wir Hedonisten mit dem heliotropen Himbild, Schwarzmäuler, die Innenwelt mit Kleinkunst verstellt. Am Greifzug gibt es die Backen, die Rändelschraube, den Schaft. Vonnöten ist ein Überfluß. Da der Markt nicht mehr eine Gemeinheit bezeichnet, sei verzichtet auf dieses Wort. Seite an Seite mit mir, oder Kopf an Kopf, wie man so sagt, liege ich vom, die Schultern wie Schaufelräder Luft schöpfend. Ich habe schon einmal vom eisigen Atem gesprochen, der die Innenseite der Haut wie Rauhreif beschlägt. Was so und nicht anders sich sagen läßt soll so und nicht anders gesagt sein. Stirb und werde ?: keinen Gide geb ich dafür, deutstausend. Das Krumendeutsch altbackener Wisser von feiner, säuerlicher Lebens­ art knetet ihr mir zu keinem Teig mehr. Ein Jahrhundert der Engel­ macherei, ich meins doppelt und dito, enjoyce it!

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11.12. Was mit dem Begriff: Emanzipation alles unter einen alten Damenhut gebracht oder daraus hervorgezogen wird ist im Varietö der augenblick­ lichen Eitelkeiten und Eigenheiten keine schlechte Nummer. Der Schmetterling »Weib« larvt sich zur Raupe. Dabei gehen die »schönen Damen ohne Gnade« in ihrer gottesanbeterischen Natur oft weit über die Schnur. Manche von ihnen, durch deren goldene Rede die Horn­ brille schimmert, betuchen sich mit dem Kattun ritueller Aufgeschlos­ senheit, der mich an die sieben Unterröcke ihrer Großmütter erinnert. Das ist nicht sachlich, ich weiß, das ist polemisch. Pardon, - es war nicht anders gemein (t). Zur Ernsthaftigkeit in dieser Sache fehlt mir der Wille zur Ausführlichkeit. Etwas ganz anderes: nehmen wir an, der Untergang des Abendlands hat stattgefunden und die Verbesserung von Mitteleuropa ist geschei­ tert. Wer war jetzt, nachdem dies soweit geklärt ist, die erste Frau an der Seite Casanovas, die bemerkte, daß der kein Verführer war. 9.12. Einer ernsthaften ästhetischen oder intellektuellen Überprüfung hielte die gegenwärtige Literatur nicht stand. Es ist müßig, hier das potenti­ elle Mehr oder Minder einzelner Autoren zu berücksichtigen. Die, denen eine handvoll Ausnahmen einfällt jenseits einer grauenhaft banalen Rezeptierbarkeit können sich wohl in keiner allzugroßen Ent­ fernung von dieser Ansicht aufhalten: Eine windelweiche Prosa Eine Lyrik ohne Rhythmus und Tanz

8.12. Die Personen deiner Umgebung sind Gewohnheiten. Personen sind keine Gewohnheiten ! Sind Gewohnheiten keine Gewohnheiten ? 6.12. Die Liebespflicht der Adjektive. 2.12. Was ist es eigentlich, diese Beherrschung, die ich mir abverlange ? Ist es die Kaltschnäuzigkeit eines Bewüßtseins, das sich freimachte von der Rücksicht gegen das eigene Gefühl ? Ist es die Totenmaske, abgenom­ men von einem Gesicht, das die schwerfüßige Spur der Affekte nicht mehr abzeichnet ? Sind diese Beherrschten, die Kaltblütigen, nur Arte­ fakte ihrer selbst, die die Spontaneität in die innere Emigration schick­ ten ? Ist es eine Schwäche des Gefühls, die als Stärke des Verstands getarnt sich vor den imaginären Windmühlen der Sozialität postiert; die Auskunft gibt über eine allenfalls bedauerliche Immunität gegen die alles aufrecht erhaltende Bewegung ?

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Oder ist Beherrschung, die erfordert, wach zu sein, so wie die Über­ müdeten wach sind, überreizt wach, doch die notwendige Verweigerung sich einer Situation hinzugeben, die eine Intensität nicht respektiert. Sind die, die ihre Empfindungen nur in deren Katastrophen wahr­ nehmen nicht nur Gegenstand oder Material einer Maschine, deren Motor sie eigentlich sein sollten ? 22.11. Der Spleen ist die Philosophie des sanften Übermuts gegen den Gleich­ mut. Er ist wie das Parfum des verdrängten Raums, den manche Frau zurückläßt, - amorph, - ätherisch. Der Spleen ist ein Karneval, den der Geist wie ein Fest begeht.

21.11. Alles macht böse Miene zum bösen Spiel. Ich bin weit draußen, sehe alles bloß durch einen winzigen Herzspalt, das Rohe:, das Rote:, die Karitas. 20.11. Zu den vielen Wörtern, die es gibt, gehört auch das Wort: Hoffnung. Ich habe mir überlegt, welches wohl zu denen gehört, die es nicht gibt. Obwohl mich der Übermut beinahe soweit gebracht hätte, auf diese andere Seite das gleiche zu setzen habe ich mich doch für ein anderes entschieden. Hier ist es: 19.11. Amalgamy, mit ausgeschneuzten Wammen, ein elendsüßes türkisches Konfekt im Stuhl, hockt hunnisch über einem porzelligem Blütenkelch. Luzula, langbehaarte, du dreisamig gekapselte. Oleander, reite, klei..,n, mir eine Schlange schenken, närrisch,: ein zweiterer hebet den Kopf: tropf. 18.11 Jede ernsthafte Beziehung beginnt mit einer Niederlage, die dem ande­ ren entgeht, der beim Versuch einer Berührung, im Begriff also: sich zu verlassen, die Positionen einen Moment außer Acht läßt. Im Verlauf der Beziehung überrascht es, daß die Erinnerung über den Beginn der Beziehung hinausgreift. Die Niederlage bringt sich in Zusammenhang mit den entscheidenden Niederlagen; ein Verdacht an ein mögliches Glück kommt auf.

17.11. Mein Wohnungsfreund, der Kaffeetrinker und Rabulist R., hat den Verstand verloren, — er liebt. Wenn man, wie wir, im zweiten Stock wohnt, könnte das eine bestürzend gefährliche Angelegenheit werden. Schreibt er doch auf alle Seiten seiner Notizbücher oder in die Bahn der fliegenden Zettel dröhnende Botschaften die sich anhören, als stünde einer, den Oberkörper vomübergekippt, parallel zu einer Wand und schlüge mit dem Kopf im Herzrhythmus dagegen.

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Er, der vorher die Hähd öfter in der Hose hatte als irgendwo sonst, der wie ein Satyr sommerlich und bocksärschig ausging und aller Kreatur den Antrag machte,: ein pompejisch Entblößter, den Penis auf der Handwaage, pervertiert zur Keuschheit, (ennui nubile ?) 16.11. Im Traum gelingt mir die Quadratur des Kreises ! Mit gewaltigen Stechzirkeln vermesse ich das Bodenlose (siehe Blake). Ein Prometheus mit dem Feuer auf der Flucht vor der Rache der Götter, - mein Traum. Kann sein, daß ich übertreibe. Heute Nacht neben einer Frau, die den Schweiß wie ein hauchdünnes, kühlendes Laken über ihren Schlaf gezogen hatte, fieberte ich halbschlafen den Bildern nach, die auf eine Leinwand aus wehenden, mahagoniroten Taft geworfen waren. Mein Traum hat ein Fest gefeiert vor Pilastern und Plüsch, jede ihrer Bewe­ gungen, die mich fast aus dem Bett drückten, war eingeladen; nur ich, der Fröstelnde, mit dem kleinfingerdick geschwollenen Stimpuls, war der vom Fest ausgeschlossene. Ich stand vor der Fassade des Hauses, vor Park und Remisen, ins Ohr ein Knistern gesteifter Stoffe erzählt.

14.11. Sie sind eigentlich töricht, diese Verletzten, Beleidigten, Bedrückten. Sie nehmen sich aus dem Spiel und stützen auf ihre Hintern die ganze Last ihrer eingesunkenen Physis, den ganzen bleiernen Überdruß. Aus dem Verlegenheitswinkel einer Strafbank verfolgen sie den Vorgang weiter, - irgendeinen Vorgang übrigens, der vorher auch durch sie bestimmt war und bemerken, wie dieses Spiel, eigenen Gesetzen gehor­ chend, sich ohne sie und über sie hinweg fortsetzt. Hinter ihnen, hinaufgestaffelt, empört sich eine Meute; oder jubelt. Es macht wohl keinen Unterschied.

Ich überlege mir, ob man mit seiner Umgebung spielen sollte und ob man mit seiner Umgebung spielen kann. Ich weiß, daß man sollte, ich bin nicht ganz sicher, ob man kann. Es gibt ja immer Leute, die einfältig genug sind, zu glauben, weil man es emstmeinen sollte ist dieses ernst Gemeinte auch schon emstzunehmen. Dabei ist diese Aufrichtigkeit, an die sie ängstlich appellieren, ein verwachsener, fauliger Strunk, unter dessen Schutz sich ein Leben von kurioser Dreistigkeit abspielt, das, wenn dieser beiseite gerollt wird, rasch versickert oder abenteuerliche Mimikry wird.

Gesetzt den Fall, ich treffe jemand, mit dem mich kein eigentliches Interesse verbindet, keine von mir bis dabemerkte oder gewünschte Gemeinsamkeit oder Widersprüchlichkeit. Durch etwas, das oft fahrlässig Zufall genannt wird, sind wir Personen ein- und derselben Situation. Alles was wirksam ist: Geräusche, Wärme, Licht, Bewegung, so kann ich annehmen, wirkt auch auf ihn. Welche Möglichkeit habe ich, wenn ich wül, zu erfahren, wie er empfindet.

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Ihn fragen ? Nicht einmal jemand aus einer Schule für Sozialwesen könnte so unberührt sein von feinerer Psychologie, das vorzuschlagen. Durch das Herübemehmen einer Einzelheit in eine Frage würde sich alles verzerren. Er müßte täuschen. Listig könnte er seine Überzeugung hinter jede seiner Bemerkungen stellen und von diesem festen Punkt aus deinen Bewegungen nur mit denen seines Kopfes folgen. Wollte ich herausfinden, was er empfindet, ich würde versuchen, zu spielen. Gehört er zu denen, die immer gleich annehmen, daß einer da ist, der spielt, aber ein anderer, mit dem gespielt wird, zu diesen Ver­ knöcherten, Fischblütigen, Schmalbrüstigen, die einen Schritt nur dann tun, wenn sie einen ähnlichen bereits einmal gesetzt haben, so schadets nichts, wenn der Versuch :zu spielen, scheitert. Jemand, der spielt, befolgt seine Phantasie (was voraussetzt’ - er hat sie). Er befolgt jeden Wink aus dem rosaroten Überbau seines Ver­ stands, der chaotisch und geballt ist. Wollte ich mit jemand spielen, ich gäbe ihm lauter (auch leiser) glitzerndes Zeug zu verstehen. Muß man einen Ball, den jemand zuwirft, gleich verschlucken und ihm dafür einen Stein vor die Füße spucken ? Ist der Millimeter keinen Majuskel wert ? Spart man in den Bemerkungen aus, was wichtig ist, die Penetranz der Stimme, die Wärme, die man wie durch einen vorgehaltenen Wollschal einatmet, das Licht, durch die Sparren der Leute gebrochen, das den Geschmack des Weins zu haben scheint, den man im Mund behielt, so verschaffen sich diese Dinge einen Charakter, der wohltuend wirkt wie der Schweiß nach einem Sprint.

Will ich durch spielen erfahren, wie weit jemand seine Umgebung er­ fährt, so muß ich das Fabulieren nur ausdehnen in diese Bereiche: Geruch, Bewegung; alles was ich herausgriff vorher kann ich belassen oder verändern durch den Anteil, den ich selbst daran habe. Jede seiner Reaktionen gibt mir ein Maß, an seiner Person geeicht, das es mir ermöglicht, die Weite seines emotionalen Bereichs zu überschlagen. Da ist die Pupille, die jedem Einstich mit einer Verengung erwidert, die Schulter pariert eine Riposte, ein Knie, das die Bügelfalte bricht. Die Lippen sind in Wulsten über die köstlichen Vokale gezogen; die Rede abschmeckend. Ich sage : Ingwer, oder : Halb Drei, oder : Reserve, und er wird betroffen kurze, reimlose Gedichte stammeln bis es ihm die Zunge im Maule herumdreht: SPIELEN. 13.11. Das mit der Nacht war übrigens eine Idee von mir. Ich habe Gott gleich gesagt: ohne Nacht hält dir das kein Mensch aus.

27.10. Ich frage mich, ob ein Zweifel an einer Gewißheit möglich ist. Wenn ja, ist dann die Gewißheit ein gesetzter, ruhender Pol, der durch den Zweifel nicht oder nur so bewegt wird, daß sich eine aus der Gewißheit

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abgeleitete Möglichkeit mit einer aus dem Zweifel abgeleiteten Mög­ lichkeit verständigt ?

25.10. Nachmittage wie dieser heutige wirken wie Nervengifte. Sie lähmen die Muskulatur, eine Überreizung halluziniert die Farben neben ihre Gegenstände, etwas deckt sich nicht mehr mit der von etwas existie­ renden Vorstellung, - was zu einer prinzipiellen Erschütterung meines festen Glaubens an die Überprüfbarkeit sinnlicher Eindrücke durch den Verstand führt.

Eine Erschöpfung trägt man davon, weil man dieser strotzenden Gebärde herbstlicher Landschaft nichts mehr entgegenzusetzen weiß. Blondzöpfig reicht das Licht aus den Ufererlen in die Pegnitz, ein unberechenbares Spiel grüner und schlammbrauner Farblappen verun­ sichert das Auge, die kanariengelben Kastanien schwanken wie eine subreale Unterwasserflora im kristallklaren, lockergewellten Blauwasser des Himmels. Man kann endlich zweifeln an einer Wirklichkeit, die selbst ein Zweifel ihrer einstigen oder sonstigen Wirklichkeit geworden zu sein scheint. 24.10. Es gibt Frauen mit instinktiver Intelligenz. Es gibt Frauen, die man nie vergißt, (:) solange man an sie denkt. 23.10. Was an der gegenwärtigen Lyrik ihrer Banalität wegen geschätzt wird, das vermeintlich photographische, dokumentarische, ist wohl eher die unverfälschte Wiedergabe eines für sie derzeit symptomatischen Zu­ stands aus dem Geiste des Dilletantismus. Diese Dinge sollten nicht Angelegenheit der Literatur, sondern der Hygiene sein.

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Drei Gedichte Helmut Bronnenmeyer

DER PROPHET JONA

Tranig und schier restlos mit strähnigem Tang bewachsen trieben wir durch die Furchen und Rinnen des Haffs durch Schlick und quirrlige Priele stiegen wir vorbei an hundsohrförmigen Muscheln Werften leckgerotteten Tankern hinauf

Zur Uferbefestigung die trotznackig unter der Gischt sich wälzte robbten wir und schnitten uns endlich die brackigen Tiefseemonturen vom Leib sahen das hohlgerostete Tauchgerät so tröstlich die Dünenrücken hinabschlittem als jemand

Gewahr wurde daß wir ausnahmslos eine kaltblütige Geschwulst eisern über der schwartigen Nasenwurzel trugen einen am Stirnbein starr festgewucherten Schnorchel sozusagen und wie zudem unsere schuppigen Köpfe in den Messingschamieren schartig zu Quietschen begannen da ließen wir diese knöcherne Welt heillos zurück und hechelten mit zischenden Kehlen übers Watt bis das Meer uns wieder lind einsog und bis wir hinunterstiegen an den glitschigen Rumpf der Riffe und Klippen in diese fischige Kühle

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DIE BALLONFÜHRER

Jeder Ballonführer kappt zunächst ohne Scheu die Seile und Gurte der Halterung schwingt sich in die wendige Gondel und läßt dann ein paar Sandsäcke kühn über Bord gleiten Worauf das Luftschiff sich bewegt und erhebt und letzten Endes sich entfernt von allem Erdreich bis über ihm bald nur noch das Gewölk zerzischt und dort unten eine hingestreckte Ortschaft vergeht Bezirke im Dunst Lichtungen und Reviere erlöschen und Obstgärtchen Kirchtürme und Schlachthäuser aber auch eine klirrende stürmische Beklemmung fliegt mit

Die raubt dem Ballonführer den Atem als er nun wie abschiedstoll lauscht ob ihm nicht endlich ein entsetzlicher Schrei ein Schluchzen folge und ihm setzt das kopflos schlagende Herz Vollends aus wenn sein Gefährt jetzt das Wolkendickicht durchbricht und dem dürr dort schwebenden Mond zurast der diese unter dem Ballon dahinflutenden Baumwollwälder in loderndes Leuchten

Stürzt und mit brausendem tosendem Licht ihr nächtliches Blätterwerk übergießt da muß ein solcher Anblick jedes menschliche Gemüt unsagbar erschüttern und auch der Ballonführer Klammert sich fiebernd vor Furcht und eisigem Rausch an der Gondel fest so gräßlich schwitzt er daß er später Küsse und Triumph wird wie ein nasser windiger Hund über sich ergehen lassen müssen

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ODYSSEUS

Was starrst du übers Meer und hältst Ausschau nach Passagierdampfem und Fischkuttern hier landen keine Schiffe an den Quais laß dir also von deiner pinupblonden Circe sanfte Dinge sagen und sieh den Sommer wie einen Leoparden über eure Insel ziehen die schroff und alt vor der See liegt lauf nicht hinunter zum Strand du zerschneidest dir die nackten bloßen Füße an Muscheln und den scharfen Rändern der Konservendosen Die bei Ebbe im Sand stecken es wird dich bleibst du nicht hier an Floridas oder Kaliforniens Küsten verschlagen in den Hafenstädten wirst du wie Scharen schwarzhäutiger Arbeiter Baumwollballen schleppen und in den Slums deinen Verstand

Verlieren denn dort wo Ananas und Tabak geerntet werden brennt der Asphalt heiß unter deinen Sandalen so träum doch lieber von Diana und Pan der spielt dem Wind ein Lied oder deinen Herden auf Ithakas scholligem Land in das die Bauern Jetzt nur noch ihr eigenes Elend pflügen wenn du abfährst mit deinem Floß aus roten Tonnen kehrst du heim zu Stahlhütten und Bohrtürmen zu Fabriken wo du Lastwagen zusammenschweißen wirst und Circe weint vielleicht nicht einmal um dich

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RUND-UM-DEN-WANNSEE-GEDICHT Fitzgerald Kusz

Bäume, Staub und Hitze. Wir gehen lange im Kreise. Der Ortssinn interessiert nicht mehr, der Umgebung weichen wir aus mit dem sicheren Gefühl, daß wir schon ankommen irgendwo auf ein Bier. Das Gehen wird zum Sprechen. Wir gehen durch unsere Wörter und die Wörter gehn uns durch und durch. Jeder Satz von mir gibt dir ein Stichwort, du sprichst dich aus, ich hör dir zu: »Ein Schiffbruch nach dem andern, ich frage, liegt es bloß an mir ? Deshalb versuche ich mich jetzt kennenzulemen, ich gehe zurück bis zur frühesten Kindheit, finde aber zu wenig, was mir hilft. Sie wird bleiben, diese Angst vorm Zusammenleben und der schale Nachgeschmack der immer gleichen Scheiße. (Es hat mir viel Zeit gekostet, bis ich sagen konnte »Scheiße«). Ich trete auf der Stelle, schuld bin ich, nicht die anderen, was weiß ich von ihnen, ja, wenn ich in sie hineinschauen könnte, wüßte ich, woran ich bin. Ich kann nichts in Gesichtem lesen, andere haben ein Gespür dafür, ich bleibe hilflos, ein kleines Mädchen, jeder kann mit mir spielen und mich wegwerfen nach Gebrauch, eine Einwegflasche nichts weiter für diese Männer, die mich aussaufen und fallenlassen, wo sie gehen und stehen. Der Anspruch auf Glück ließ mich an die falschen geraten. Der Wunsch nach Geborgenheit wirft mich bloß um Jahre zurück. Das Bedürfnis nach Liebe liefert mich aus. Komisch, auch in den letzten war ich verliebt wie in den ersten. Das Telefon wurde mir unheimlich, jedes Klingeln hielt ich für einen Liebesbeweis von ihm. Ich wartete hartnäckig auf seine Hilferufe. Dieser Tick, jedem helfen zu müssen.

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Dieses Scheiß-Bedürfnis nach einem bißchen Zuwendung, das die alten Abhängigkeiten zu den Eltern mit noch schlimmeren Abhängigkeiten ersetzt. Mein Ich floß aus mir raus und in ihn rein. Frage: Sind es die Eltern in mir, die mich nicht leben lassen oder diese ganze Theorie, die ich gefressen habe und nun endlos wiederkäue, um sie zu leben ? Oder ist es Berlin, diese »Frontstadt«, wie geschaffen für Wiederholunszwänge, wo die Leute nicht mehr wissen, wie kaputt sie bereits sind in ihrem Chic ? Wer ist es, sag mir, wer ?« Es wird mir peinlich, ich lenke ab: »Wir haben uns verlaufen !« Ich verteile Streicheleinheiten mit Wörtern, die mir nichts kosten, blödle, lache, deute auf die Müllfahrzeuge auf der Straße: »Ich glaube, wo du mich hinfühist, ist der Schuttplatz !« Du nimmst alles ernst, auch das: »Ich führe alle auf den Schuttplatz, sie gehn wieder weg, aber ich bleib liegen. Es ist nicht nur Selbstmitleid, wenn ich sowas sage. Manchmal hat er mich sogar geschlagen, mein letzter, verprügelt, einmal blutete ich im Bett, mir war alles recht, ich ließ ihn gewähren. Wie er besoffen war, wollte ich ihm immer wieder eine kleben, es hätte mir geholfen, doch irgendwas zog meine Hand zurück. War er bloß ein Abklatsch von meinem Vater ? Mein Vater schlug mich auch, wenn Mutter ihm was sagte. Mein Vater soff genau wie er, früh nahm er eine Pille, dann hielt er durch, am Nachmittag wurde er ganz kribbelig, am Abend soff er eine Flasche Cognac. Jetzt lese ich Bücher über Alkoholismus. Vielleicht klärt das die Frage: Warum ich immer an solche Typen gerate ? und wiederhole, was ich schon längst wiederholt habe ?« Staub und Hitze nehmen zu, die Bäume werden spärlicher. Ich bringe meinen Durst zur Sprache, aber du hörst nicht hin, was ist schon mein Durst gegen deine Probleme: »Ich kann nicht denken, weil er mich noch beherrscht. Diese Vaterfiguren, ich sehe sie überall an Drähten ziehen. Wer weiß, vielleicht gehörst du auch dazu,

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obwohl du zuhören kannst oder bilde ich mir das bloß ein ? Ich weiß nicht, ob es etwas nützt, wenn ich dir noch mehr eizähle. Schau dort, die Villen, da möchte ich wohnen, vielleicht wäre hier draußen alles leichter.« Und dort ist eine Kneipe. Das Sprechen wird wieder Gehen. Der Rest bleibt Schweigen. Die Wörter fallen aus uns raus und vor uns liegt der Wannsee mit Segelbooten, die weiß in der Sonne leuchten.

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Variationen über Intschu-tschunas Tod Helmut Meyer

Nun, dachte ich, mußt du einfach schreiben. Was soll das ganze Höllen­ syndikat um dich herum. Du bist Intschu-tschuna und du wirst Intschutschuna bleiben. Als ich damals mit Karl May ins Wasser stieg, - die einzig wahre Begebenheit -, fröstelte midi bei der Unzahl von Mög­ lichkeiten, umzukommen. Ein Schilfrohr, so versichern mir heute Erstklässer, sei keine ausreichende Rechtfertigung, am Leben zu bleiben. Nun, ich schwamm crowlend auf Militiades zu. Aber es nützte nichts. Ich schwamm crowlend auf mich zu. Es hatte etwas für sich. Denn ich erwartete mich schon seit einiger Zeit. Aber, daß ich so aussehen würde, hatte ich nicht erwartet. Mit Schlitzohren und ohne jeden Sinn für anorganische Chemie. Aber wer versteht dich schon. Ich schloß die Läden und bildete mir ein, der letzte Gedankengang von Henry Miller gewesen zu sein. Die Lampe erlosch. Es ging schief. Man wollte mich nicht. Weder am Popocatepeti noch in der Lungenembolie unserer Linksintelligenz. Schweine hast du genug, dachte ich und tauchte auf Karl May zu. Der wollte gar nicht. Er spielte gerade mit den Brust­ warzen einer gutaussehenden Fünfzigerin. Literaturgeschichte ist gut, dachte er, sechzehn Jahre sitzend. Hauptsache sie ist homophil. Unter Wasser gestand er mir, der einzige Knabe, den er gehabt habe, sei Ale­ xander von Humboldt gewesen. Ich tauchte weg, so graute mir damals. Denn schließlich hatte ich jahrelang André Gide gelesen. Wer will ver­ dammen. Enzensberger lebt noch und die anderen Komiker sind tot. Das also das Ende. Und Adorno hatte gesagt, die Studentenbewegung reiche bis ins Alte Testament zurück. Nun bin ich von Haus aus kein Wasserwerfer und lehne Begriffs-Autonomien wie hartnäckige Trinker ab. Aber, was ich seinerzeit an den deutschen Universitäten erlebte, ist menstruationsreif. Die Rektoren hatten alle Handballtrikots an. Man versicherte mir, das gehöre zum Stil. Des weiteren: pralle dicke Leder­ handschuhe, mit denen sie baseballhaft die Kultusminister bedrohten. Was dabei herauskam, sah man an Friedeburgs mövenzeihacktem Ge­ sicht. Die Steuerreform lag ihm mehr am Herzen als Dutschkes Gehimschuß. Schließlich verdiente er dabei ganz gut. Aber, lassen wir Hessen, ich tauchte weiter. Die Biegung des Felsens lag hinter mir. Von Karl May war nur noch Arno Schmidt zu sehen. Und das war verdammt wenig, wie man bei der Preisverleihung in Frankfurt gemerkt hat. Ich dachte mir, er wird schon kommen. Schließlich muß er dich ja töten. Da las ich unter Wasser in der Frankfurter Rundschau, Schmidt sei ein Pazifist. Es konnte sich also nur um Karl May handeln. Stifter hat sich ja selbst umgebracht. Ich legte mich auf den Rücken und sah mir meinen Job in Alfred Vohrers Femsehfassung an. Pfui Teufel. Da sollte ich auf dem Bauch schwimmen und längst die einundvierzig Seiten Hegel gelesen haben. Das konnte ich nicht. Denn Hans Mayer hat festgestellt, man braucht zu einer Seite Hegel zweiundzwanzig

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Stunden. Marx und Loyola lesen heute noch. Ich dachte: da stimmt doch was nicht. Tauchte auf und sah fünfzig Haifische - Emst Bloch war der frechste - an Heidegger nagen. Der alte Mann und das Meer, dachte ich. Aber das war keine Erklärung. Man hatte schließlich Ver­ antwortung. Und erkenntnistheoretisch hatte Fritz Mauthner bereits die Begriffs-Peranjas begrüßt. Ich schnellte mit einem jähen Schwimmstoß flußabwärts. Wo ich unwillkürlich an Albert Schweitzer dachte. Nun haben mir Flugkrokodile einen Hang zum sadistischen Zynismus nach­ gesagt. Auch Habermas war darunter. Da kann ich nur sagen: sie wissen nicht was sie tun. Denn: Idee und Wirklichkeit, Schwimmen und Fliegen zugleich können nur Bewußtseinssadisten wie Echnaton, die ein ganzes Volk verführen oder eben Zyniker. Was wir brauchen, sind Handlungsmenschen wie Stalin und Hitler. Das Denken abschaffen, hat Valéry gesagt. Was für Schweine doch unsere größten Lyriker sind. Oder heißt: Lyrik immer Schwein. Jessenin schüttelt den Kopf. Die meisten waren so anständig und brachten sich um: Trakl, Celan, Pavese. Vielmehr brachten sie die Essayisten um, die über sie schrieben. Tag und Nacht. Sie gehören lebenslänglich nach Sing-Sing. Aber sie verdienen mit den Freitoden Anderer Tausende: Staiger, Friedrich und das Handwörterbuch der deutschen Gegenwarts­ literatur seien hier stellvertretend genannt. Aber wovon sollten die Pro­ fessoren in unserer Zeit sonst leben ? Sie haben schließlich ihr Leben daran gesetzt, Anderen das Leben zu nehmen. Es gibt leider auch solche Mutwillige, die manchem das Leben nehmen, obwohl er schon zu Lebzeiten gestorben ist. Siehe Grillparzer. Fern plätscherten May und die Stifterforschung. Des Meeres und der Liebe Wellen, denke ich mir. Und schlafe weiter. Da stößt mir eine Alge in die Seite. Ich denke an nichts Böses, aber die Alge meint es anders. Sie sagt, sie sei vom Bund Freies Deutschland. Und was ich mir einbilde. Ich bilde mir gar nichts ein. Ob ich eintreten wolle. Danke nein. Einmal kriegsversehrt reiche mir. Ich sei ein Faschist. Wie Majakowski und Neruda. Da sagte ich, ich sei kein Faschist. Sie aber nicht einmal Rosegger. Daraufhin er­ hielt ich Kulturverbot. Ich schwamm und schwamm. Da sah ich eine Insel. Karl May und das Kulturverbot waren vergessen. Ich war an Land. Viele werden jetzt denken, es sei die Sozialdemokratie. Aber es war der langgestreckte Rimbaud. Er hatte ein Raucherbein. Aus seiner Algerienzeit. Und sonst nichts. Gerade das war mir sympathisch. Während andere - auch er - Waffen schmuggelten - schmuggelten, legte sich eine einzige Insel von Gedichten ins Mittelmeer. Ich zog mich hinaus. Die Zunge hing mir heraus wie Voltaire. Eine Kaktee kratzte mich noch am Buckel, dann verlor ich das Bewußtsein. Es war viel­ leicht ganz gut so. Mir ging es wie den Nationaldemokraten. Ich dachte mit den Zehennägeln. Und selbst da brannte mir ihr Einzug in den Landtag noch. Ein holländischer Kolibri nahm mich in die Arme und sagte, er sei die Gallistlsche Krankheit. Ich winkte - obwohl bewußtlos - ab, und sagte, ich hätte sie schon. Die ganze Insel war entsetzt, ein­ schließlich Augstein. Dann trug mich der Kolibri unter den Schatten

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einer neukantianischen Palme. Dort hielt ich es wieder nicht aus. Kein Wunder. Zu dieser Jahreszeit. Aber die Leute haben ja kein Gespür. Am liebsten würden sie im Pazifik Vorlesungen über die Postulatenlehre halten, selbst wenn das Hauptsegel bereits als Streck­ verband dient. Offenbar kann man bewußtlos noch ganz gut denken. Dachte ich. Siehe Gadamer. Aber still! Niemand soll wissen, daß er noch lebt. Sonst käme jemand auf den Gedanken, Düthey sei der nächste Bundeskanzler. So weit sind wir noch nicht. Verstehn tun wir noch gar nichts. Nicht einmal dein Hauptwerk »Politik und sadomaso­ chistisches Grunderleben«. Immerhin haben Löwenthal und Steinbuch starke Sympathien für das Buch. Was nachdenklich genug stimmen sollte. Und da behaupten klinische Saboteure, ich sei noch bewußtlos. Aufgewacht schleppe ich mich unter der Palme weg ins Inselinnere. Da sehe ich gerade noch den verbeulten Dreispitz von Amo Schmidt an der Felsbiegung auftauchen und denke mir noch, die haben heut’ auch keinen Humor mehr. »Isolabella« schreie ich verzückt und hetze hinter meinem neunzehnten lyrischen Ich her. An einem Wassersturz habe ich es erreicht. Es schwitzt ebenfalls. Siebenunddreißig PEN-Kongresse hat es hinter sich und den Freitod von Hermann Kesten noch vor sich. Ich frage, ob es verrückt sei. Es bückt sich etwas zur Seite und holt aus seinem Brotbeutel Oskar Panizzas Aufsatz »Genie und Wahnsinn«. Schlingel, dachte ich mir. Du willst kneifen. Lenau, Conrad Ferdinand Meyer, Hölderlin und Grabbe seien infolgedessen keine politischen Menschen gewesen. Im Gegensatz zu Bakunin. Da hat es die erste Ohrfeige von mir. Kein Klassenbewußtsein, du Schwein.

Ich spiele mit dem Gedanken, einen Politkommissar anzurufen. Aber selbst die sind inzwischen für größere Sinnlichkeit in den Texten. Ich brülle. Ich rufe die Landesleitung der CSU an. Ob der Niederbayer sich endlich für ein 1. Klasse-Attentat nicht mehr zu schade sei. Wenn man einen Liebknecht erledigt habe, müsse man s o etwas wie ihn laufen lassen. Aus moralischer Fairness gegenüber Liebknecht. Der General­ sekretär erklärt betont sachlich, Strauß sei zur Zeit in Österreich und mit dem Auswendiglernen von Rilke-Gedichten beschäftigt. Ich schmeiße den Hörer in den Sand. Ich habe genug vom lyrischen Ich. Es hat nichts verhindert. Nicht daß sich die Massengräber füllten. Im Gegenteil. Heidegger - Rosenberg - Heydrich. Wehmütig Adornos Testament über lyrische Dichtung im Ohr. »Die strengste ästhetische Negation der Bürgerlichkeit!« Ich rase weiter ins Inselinnere. Auf einer Zwergkaktee sitzend ruft mir Moravia noch zu: »Die soziale Funktion der Kunst ist antisozial zu sein.« Dann verschlingt mich der Dschungel. Viele schon haben mir prophezeit, ich werde bald auf die Realität stoßen. Ich war gespannt. Ob es die Lukacz’sche oder die Brechtsche sein würde ! Oder gar wieder die Sozialdemokratische. Aber nichts der­ gleichen. Nur ein paar Eingeborene, die Angst vor mir hatten. Ich tippte auf Pygmäen. Aber als ich genauer hinsah, erkannte ich sämtliche Teilnehmer des Moskauer Hegel-Kongresses. Ich brach in

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einen wagnerschen Freudentaumel aus, der vor keiner Totalorchestrie­ rung zurückschreckte. Die Ouvertüre zum »Fliegenden Holländer« zer­ schlug mir das Trommelfell. Es stand zu befürchten, daß ich wissen würde, was Realität sei. Und schon kam einer der Eingeborenen auf mich zu und sagte, ich solle mich völlig entspannen. Ich solle mir irgendeine These vorstellen und warten, bis sie sich ganz inkarniert habe. Ich solle den Gottes-, aber auch den Staatsgedanken völlig bei­ seite lassen. (Sofort funkte es bei mir: aha, er will die Rechtshegelianer ausschalten !) Da muß ich nun ehrlicherweise einschieben, daß ich heute noch warte. Aus Angst, vielmehr aber noch aus Höflichkeit, dachte ich mir die - wie sich danach herausstellen sollte - richtige These aus, »die Linkshegelianer gibt es gar nicht«. Und ließ sie inkarnieren. Wer Erfahrung in solchen Dingen hat, weiß, wie lange so etwas dauert. Aber es ging mit dem Teufel zu. Irgendwie telepathisch an­ sprechbar stürmte der Eingeborene auf ich zu und schrie, ich hätte ge­ mogelt. Eine solche These sei unrealistisch. Ich gehörte vor ein er­ kenntnistheoretisches Kriegsgericht, was mich in fataler Weise an die Neukantianer erinnerte. Daraufhin besann ich mich auf eine neue These und sie war spontan zur Stelle: »Hegel war ein Witz«. Glück­ licherweise versagte angesichts dieser Lebensweisheit, die heute zum Allgemeingut aller Philosophiedozenten gehört, jene telepathische Fähigkeit meines schwarzen Gegenübers. Er nickte mit, wie ich sagen muß, indisch-meditativer Übertreibung und sagte jenes uralte »Placet«. Blieb mir noch die Antithese. »Die Linkshegelianer - ich fürchte Tod und Teufel nicht - sind nach Savonarola die graunigste Wirklichkeit die es gibt. Genauer: sie sind Onanisten der Revolution. Lenin dagegen sei der Übergang von der Pubertät zur heterosexuellen Beziehung ge­ glückt.« Da bog sich der Eingeborene vor Lachen. Offenbar wußte er, daß Lenin Autoerotiker war. Er tats im Simca. Wo denn sonst ? Da zückte der Buschmann plötzlich das Messer: »Und die Sündthese, du Hund ?« Ich war einer Ohnmacht nahe. Schon hatte er mich am Hals gefaßt, wetzte das Messer gierig an meiner Halsschlagader auf und nieder, als ich röchelnd und abgehackt hervorstieß: »Hegel-war-eingrausiger Witz!« Da ließ er mich sofort fallen. Ihn ekelte. Seine verzerrte Larve bot einen so fratzenhaft-bösartigen Ausdruck, daß ich für einen Moment dachte, Schopenhauer stehe vor mir. Mit irrem Gelächter trot­ tete er schließlich ab ins Inselinnere, wo mir noch manch unheimliche Entdeckung zu machen blieb. »Operantes condicionieren!« durchzuckte es mich blitzschnell und ich war geheilt. Ein richtiger Selfmade-man. Dann ging ich etwas zögernd ins Dschungelholz hinein. Denn ein biß­ chen beunruhigte mich der Gedanke schon, daß ich laut letztem Tele­ fonat schon längst gestorben sein sollte. Aber was wissen die Arsch­ löcher in Radebeul schon. Sie werden schon noch dahinter kommen, was sie an dir haben, dachte ich. In stillem Trotz stapfte ich weiter bergauf, denn ich hatte inzwischen ein felsig-kahles Hochplateau er­ reicht, von dem aus es weiter bergauf ging. Aber: felsig-kahles Hoch­ plateau dachte ich. Da stimmt etwas nicht! Im Dschungel! Und Karl

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May war, das wußte man überall, der absolut zuverlässigste Landschaftsschilderer. Es konnte also nur an mir liegen. Ich riß meinen Augenprüfer aus der Gesäßfalte, wohin ich ihn aus Angst vor den Ein­ geborenen, die es nun womöglich gar nicht gab, versteckt hatte und blickte angespannt hindurch. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Erst vor kurzem hatte ich frische Brambilla-Linsen einsetzen lassen. Ich war er­ schüttert. Von tropischer Urwaldsonne hellgolden erleuchtet spielte der nackte Meyrink mit dem Colt. »Um Gottes Willen !« rief ich, »hören Sie auf!« Aber er dachte nicht daran. Genießerisch drehte er den 65er in den Händen. Erst jetzt sah ich, daß er eine Nickelbrille trug. Hinter­ gründig lächelnd sah er mich durch seine verschmierten Brillengläser an, riß plötzlich den Revolver hoch und richtete ihn auf mich. Es war mir klar, daß ich mich in höchster Lebensgefahr befand. Ohne weitere Reaktion von seiner Seite abzuwarten, schleuderte ich meinen Augen­ prüfer herunter - und landete im Wasser. Offenbar war ich mittler­ weile, immer fasziniert durch die Linsen schauend, wieder langsam zum Meer zurückgelaufen. Ich hatte zu tun, mich über Wasser zu halten. Ich riß den Brustkorb hoch aus dem Wasser, holte tief Luft und warf mich anschließend sofort auf den Rücken. Denn eine Haifischrotte, die sich in unmittelbarer Nähe am Ufer tummelte, konnte mich nur so für einen See-Elefanten halten, wenn ich wie jetzt ganz ruhig und mit leicht angewinkelten Armen auf dem schäumenden Ungetüm der Uferbrandung lag. Bis ich wieder richtig zu mir kam, war die Rotte verschwunden, ich relativ unversehrt an Land - aber mein Augenprüfer war weg ! Ich war verloren.

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START INS ENDE Ludwig Fels

Wachend oder träumend, ganz egal nach Amerika komm ich nicht mehr so schnell zurück. Mein Koffer ist kaputt, auch mein Hirn ist aus allen Nähten geraten franst aus, kriegt Löcher und was weiß ich.

Heb ab, verdammtes Gemüt, verfluchte Seele hebt ab bevor ich Lebkuchen scheiße und Bratwürste kotze oder das Schaufenster von McDonald’s küsse. Gesalbt mit Negerschweiß bin ich der Wohltäter aller Gis. Paßt du hier noch auf meinen Kopf schöner Wildlederhut aus Virginia du fühlst dich an wie ein gegerbtes Hymen Schimmel nicht gleich. Gott, tausend Mark würde ich aus einem Opferstock klauen wenn meine Schwiegermutter nicht gestorben wär bei meiner Ankunft, die alles bloß nicht freiwillig war. Amerika, es grüßt dich aus Franken dein Crazy Bavariaen, der Dollars sammelt du weißt schon warum und wofür, bestimmt nicht zum Hausgebrauch.

Schön wie ein Totengräber pack ich meine Gefühle auf weißes Papier, Woolworth-Qualität ich schwöre euch, DAS ist DER Supermarkt schaut euch selbst die Typen an die dort mit falschen Maßkrügen hantieren und ihr schreibt Gedichte auf die Kassenzettel. Kinderreime fallen mir nicht ein.

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Oder wißt ihr nicht, wo ihr lebt ? Ich merks in allen Nerven. Zum Beispiel springen morgens meine Haare in die Luft und werden wie ein Netz das Luftpostbriefe fängt, die von Joan und Anita, liebvoll geschrieben hat keiner was mit Sex zu tun obwohl ich Eierfresser bin.

Mann, ich werde weich beim Gedanken an den Schwulen, den ich verführte in New York City, genauer in Manhattan bis man uns lynchen wollte in der Kneipe irgendwo aber das Gras hatte kräftige Wurzeln die steckten im Fleisch, die riß keiner aus. Seitdem geb ich jedem echten Kerl nen Zungenkuß. Mir schmeckts halt auch wenns nach Zwiebeln und Knoblauch stinkt. Ich meine, so sollen Dichter sein die nicht mit ihresgleichen verkehren. Amerika, wir sind per Du und ich decke mich mit Landkarten und Stadtplänen zu, les nur Ginsberg und Kerouac und Michael Avallone, der Ed Noon ist wie ich nicht mehr ich bin und Nürnberg nicht mehr das Dorf. Ich sags nicht laut, daß ich auf das Grab meiner Schwiegermutter einen Wolkenkratzer pflanzen möcht weil sie in ihrem Leben so riesenhaft genügsam war, so durch und durch verloren, von Anfang an. Predigend die Revolution an der Ostküste verfiel ich der Unerreichbarkeit Kaliforniens sang in den Bars das Lied vom neuen Deutschen man ließ mich stehn ich ließ mich gehn. Freunde seid Brüder, seid Geliebte ihr Schwestern laßt euch enthaupten und verkörpert das Schiff, das im Sand versinkt ich bin das Schaf auf der Spindel

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ich halt mich nicht auf. Ich geh nach DRÜBEN, das kriegt frischen Klang. Ich kappe die Leine bin ohne Pelz zieht euch an Land.

Eben bin ich dabei, mit allerlei möglichen Tränen die Schlaglöcher der Mulberry Street zu füllen das Pflaster zu waschen, die Plastikscherben kein Taxi hält. In den Ecken wo man die Bekifften abspritzt und nur noch mit Flaschen Schlägereien fuhrt, dort finde ich mich überlebt. Blumen für die Bowery los, züchtet sie ! Macht reinen Tisch für einen kloakenfrischen Rattenfisch !

Vielleicht ist meine Liebe Betrug nimms trotzdem nicht tragisch, Amerika, jedenfalls werde ich die jüngsten Krüppel deiner Staaten nicht als Vietnamkämpfer bezeichnen sondern als Opfer eines Krebsgeschwürs dessen Herd das Weiße Haus ist samt den Burschen mit den grauen Westen. Ich mach mir Vorwürfe wegen dir aber das reicht wohl nicht. Hey, ich möchte in einer Soulband singen schreien beim Schwanz des Kometen der aufwärts rast mit glühendroten Düsen Betonstaub an den Reifen und ohne Trauer möcht ich brüllen: Schwarz ist nicht dunkel!

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DREI GEDICHTE Nadu Schmidt

GLÜCK ich hab mein glück an ein fädchen gehängt da kam einer mit der scher der hat sich nicht mal angestrengt schnitt nur einmal quer

da hab ich auf mein glück vertraut und auf einem hügel ihm ein dickes nest gebaut und plötzlich hatte es flügel

LANDSCHAFT 2000

I blühende wiesen gevierteilt von Straßen schwarze bremsspuren ziehen hinterbliebene an

LANDSCHAFT 2000 II

unsichtbar an den nagel gehängtes leben baumgruppen gleich macht autobahnen zu alleen

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ES FREIT EIN WILDER WASSERMANN Wolf Klaußner

ES FREIT EIN WILDER WASSERMANN ühühübem See. Andante. Wenn ich will kann ich mich ins Leben zurückversetzen was so vor fünfundzwanzig Jahren Leben hieß, meins. Ich erinnere mich grau-lichter Buchenwälder meiner Trauer. Sonne über den Blättern, die eben, Anfang Juni vom hellen Grün ins dunkle Grün verlederten. Das Jahr stand starr und lauschte. Unmerklich der Übergang von Grün zu Grün, von weich zu hart. Inzwischen ist so viel geschehen auf den Baikonen des Lebens. Merk­ würdigerweise ging ich damals viel auf Friedhöfe. Ich war da noch lebendig.

Jeden Satz muß ich mit Kraftanwendung aus dem schwarzen Brunnen hochhieven, Hand über Hand. Und das Wasser oben schütt ich, schütt ich und zähle: eins zwei drei vier.....irgendwann hör ich’s unten klack klack klack. Den Toten ist die Zeit eine einzige Blumenwiese, überall zu, ein Schutzgewölbe; die Alten haben noch eine Verbindungslinie von zwei drei Jahren, da hängt noch eine Nabelschnur der Zeit in die Nichtzeit. Buchenblätter. Herbst. Aber es gab doch einmal neue grüne Blätter. Die schöne junge Lilofee Andante cantabile Ich seh mich, eine schlanke, schwarzgekleidete Figur, wie sie in der Erinnerung meiner Freunde aus dem Jahre 1946 fortlebt, lauschend in Wäldern stehn. Weißt du wie bitte die Zeit auf blühender Zeitlosigkeit riecht: noch der Mai ein Herbst ? Stand da schwarz und traurig unter hohen Bäumen. Wen die Götter lieben. Fern fern Lilofee. Ich sah ein Blatt an: so hat mich Helmut fotografiert. Boyish-poet-love, sagt Poe. Ich kannte kaum was von ihm, er erinnerte mich an nichts. Alles hob ich aus seinem Brunnen. Die grünen saftsatten Wiesen. Das Haus auf der Höhe. Steile Dächer, die der Blitz schonte. Stille Gemächer, endlos durchklungen vom Nichts.

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Von Gesang; rauschen die Linden: nie mehr, Tränen sprangen aus hellen Augen. Der weiße Steinway, zag angetippt, dann ein leiser Akkord für Lilofee. Bücher und unruhige Nächte im Föhn. Allein. Die schwarze Gestalt, ich, im talfallenden Park, weit hinaus. Salomonssiegel und Knabenkraut. Unruhiges Wandern. Durch menschengefügte Kuben, durch Walddom und gefurchtes Land, immer weiter. Vorbei der Krieg, verstunken, erlogen: nicht zählt er, so laut er brüllt - wer kennt ihn ? Vielhundertjährige Bäume, jahr­ tausendaltes Land und aus den Wäldern zag schreitend eine helle Gestalt. Die Wälder waren verrufen damals und karg bebaut die Felder; den Grillen gehörten sie bei Nacht und bei Tag und mir.

Der schließlich hinter den Ulmen sprach: vergeh. Aber ich wußte nicht wohin. Ich hatte mich ja vergangen unter den Schatten im Licht. Häuser schreckten mich, die Gänge, Zimmer groß und Zimmer klein, Stuben und Säle, einerlei Menschen­ fallen, da hauchte es und wisperte und wisperte von Nichtleben, abgetanen Toden. Oft schlief ich im Wald damals, da war kein Tod und ich brauchte nichts. Ich war erst spät in das Haus dort oben gekommen. Es ängstigte mich vom ersten Tag; es höhlte mich aus. Und wenn ich am Fenster stand und hinabsah in das Tal, schien alles Todesbang und ich spürte, wie sich in mir die Leere einrichtete und ausweitete, schreck­ liche Angst litt ich. Versuchte mich zu erinnern und lauschte - es gab nichts. Gestern war ich in dieses Haus verschlagen worden, und was war vorher ? Nichts hob sich. Traurige Bilder an den gilbenden Wänden, Baronin L., eine junge Frau. Tot jetzt, längst tot, eine grinsende Mumie im Zinnsarg. Der Tod schreckte mich nicht, aber die Forderungen, die man wider mich erhob, zu leben in dieser Gruft. Es dauerte lange, bis ich mich dem in kleinen Schritten zu entziehen wagte: ein­ mal über den Park hinaus. Ein Labsal die eingestürzte Mauer neben einer kleinen Stele Wielands. Noch kam ich immer zurück, oft heiter sogar. Doch wenn die Freunde ge­ gangen waren, sauste wieder die Leere wie Sensenschnitt. Nachts war es noch erträglicher. Da füllte Dunkelheit die Räume und senkte die hohen Decken, rückte die Wände näher. An meinem Bett der kleine Licht-

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kegel über meinem Buch. Was las ich damals eigent­ lich, ich kann mich nur schwer erinnern. Es werden wohl diese veralteten Kriminalromane gewesen sein, die ich damals verschlang, aber nur in den Nächten. Tagsüber langweilten sie mich. Nicht ein einziger Titel hat sich erhalten. Ich weiß noch: je gruse­ liger und absurder, desto treuherziger fand ich sie; je schurkischer, desto mehr verdrängten sie die wahre Schurkerei, die hier in die Säle und Gänge ge­ schlichen war und alle Realität aufgefressen hatte, bis mir nur noch ein morsches Gehäuse blieb, das über mich hereinzufallen drohte. Die beiden verwaschenen Wappenlöwem am Parktor, die verschlungenen Initialen über dem Portal und die Jahreszahl: wie untod und lemurisch. Alles welk und herrisch fordernd: gib, gib. Gib mir dein Leben, gib her Enkel, dein Leben für unsere leeren Allüren. Glücklich, wem beizeiten eine Bombe all dies aus der Landschaft geputzt hat.

Bei Regen und Sturm gefiels mir. Da knackte und zitterte es in dem gelben alten Kasten, da sprangen klirrend Fenster auf, da ächzten die Lemuren im Wind und ich spürte, daß die Gemäuer stürzen würden. Doch nicht zu bald, nicht zu meinen Zeiten. Es war eine Regennacht, als ich zum erstenmal dem Haus den Gehorsam aufkündigte, es kreischte mir noch verzweifelt nach mit seinen Wetterfahnen und ich lachte. Ich lief sogar unverholen durch das Parktor hinaus und hörte später mit Behagen, wie die schweren Eisengitter im Wind schlugen und keine Rast fanden. Später ging oben Licht an, da hatten sie meinen Aus­ gang entdeckt und sie fürchteten sich. Ich setzte mich unter eine Fichte, es kam fast kein Regen durch und ich sah sie drüben mit Laternen rennen. Zum ersten mal spürte ich, wie meine Angst nachließ. Der Wald donnerte und pfiff. Ich lehnte mich be­ ruhigt an den Stamm. Als die Sonne aufging, lachte mir Wald und Au, komm, riefe, und nicht: gib, ein zarter Wind strich durchs hohe Gras, leuchtende Blumen nickten, nur der stumpfe Ocker des Hauses schien grämlich durch die Ulmen. Ich ging zurück und wieder durch das Parktor, warf die ratlos stehenden Torflügel krachend in die Rasten, was mir Tadel eintrug, auch mein Verschwinden. Ich schlief lange und gut. Gegen Mittag sah ich aus dem Fenster ins Tal, es war

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weit und kühl, am Waldrand gingen Menschen. Das tat dem Auge wohl. Es gab nichts zu essen diesen Tag, da der Wind das Remisendach abgedeckt hatte und männiglich zur Rettung des widerwärtigen Schuppens beschäftigt war. Ich verließ die umcircte Leere durch die Mauerlücke und ging zu den Buchen. Am Hang sprang eine Quelle aus einem Wildenmannskopf, das dunkle Plätschern unter lichten Buchenblättem - wie heiter sah das Tal. Selbst die blauen Schieferdächer des Hauses und des Spitzturms brachten nur eine komische Note in die bukolische Landschaft. Ich dachte nichts, ich fühlte, wie mir Leben zuwuchs, ein bißchen. Ich setzte Wachstumsringe an nach innen, die Leere ward geringer. Als die Schatten lang wurden, fiel Trauer ein, ich ging. Im weißen Saal spielte jemand Klavier. Man hatte mich abermals vermißt, aber da ich wortlos heiter blieb, ließ mans damit bewenden. Doch quälend lange ging die Sonne unter, Schatten krochen kalt vom Abendhang das Tal herüber und ich ersehnte schnelle Nacht. Aus weiten Fenstern die Musik ins graue Tal, nun sang man gar: wer in die Fremde will wandern. Ich wollt nicht wandern. Ich wollte sein. Der muß mit der Liebsten gehn.

Ich las. Auf einen neuen Sturm konnte ich so bald nicht hoffen. Im Park schrieen die Enten. Später quarrten auch die Frösche. Meine Fenster immer weit geöffnet. Dies war ein fruchtbarer Totensommer. Das Haus blühte in grämlicher Arroganz: sah es doch verarmtes Edel­ volk in seinen schmachtenden Hohlräumen wie seit dem Rastatter Gesandtenmord nicht mehr, Musik und Tanz und Gelächter, und wurde immer lemurischer dabei, schluckte Leben in sich hinein. Gib Leben ! kreischte es und es bekam Leben, uraltes Leben, mit der Geburt den Totenhäusem gelobt, bedenklich rauschten die Wälder. Kein Sturm mehr diesen Sommer, kein Unwetter. Helmut verliebte sich in die Baroneß L., letzte Ur­ enkelin, Freund Hans war wegen einer anderen Cousine bang. Wo seid Ihr geblieben, Ihr Freunde ? Ein Jahr - warens zwei ? Laß das Wasser unten. Wer will hören, wie es zählend klatscht. Was wispert das trockene Gras des vergangenen Herbstes ?

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Manchmal wanderten wir zweitausend Jahre in die Vergangenheit, zu Gräbern, die keine Ansprüche mehr stellten, weil ihre Leere eingesunken war; zu Häusern, von denen nur noch Fundamente erkennbar waren: wahre Häuser, ehrliche Häuser ohne die Lüge des Dachs. Laß unten die Wasser. Wispernde Rispe wischelt nur verlorenen Tod und verblichenen Skandal. Soviel Tränen zählen die Zeit, soviel Weinen in diesen verfluchten Mauern, ungelöschte Bitterkeit, die nicht vergessen wird. Allongeperücken tanzten in der Salle Louis XV, Kostüme ohne Gesichter, Schnallenschuhe schleiften Gespensterpolonaisen am Stemenparkett. Die Zeit und die Stunde ist aus !

Eine schwere Kette goldener Sonnentag . Unerträgliche Einsamkeit, umsonst murmelte die Wildenmannsquelle. Die Wasser der Tiefe wurden mir verhaßt. Regen muß rauschen, Synkope und Intervall : der stete Legatobogen laugte alle Substanz, kettete mich an ein hundert­ jähriges Motiv in ewiger Wiederkehr : ists denn noch immer nicht ausgemacht, o vieljähriges Elend ? Ich begann mich vor dem Haus, dem Park, der Wielandstele, dem vertrockneten Springbrunnen mehr und mehr zu entsetzen. Ich entfernte mich einer Gegenwart nicht ausgetragener Altzeit, ich wollte diese Traditionskette munkelnder Skandale anno 1679 oder die anläßlich eines Rennens in Hoppegarten gescheiterte Ehe meiner Ur­ großcousine L. - und wie hatte man es dem armen Weibe heimgezahlt - nicht tragen, so golden sie angegeben wurde. Vielfältiges Ankertau im treibenden Grund. Und die Schatten in den Wänden. Ich entzog mich. Es geschah dies nicht bewußt. Ich bin kein Mann des Schwertes; Ich bin dazu verdammt, Knoten geduldig aufzuziehen, und wenn ich mir zu Leide Alexander heiße, so ist das nur ein Traum goldkettentragender und ruhmdürstender Eltern, denen der Kuckuck ein traditionsloses Ei legte. Ich soll Brüder gehabt haben. Ubi sunt. Ich wills nicht wissen. Ich hasse alte Märchen wie ich alte Ratten hasse. Meist las ich bis zur Morgendämmerung. Freundlich war die Nacht; ein wärmendes Rund, geduldig und mit lebendigen Geräuschen. Hoffnungsvoll der erste Lerchen­ schlag, die Wiesen, der jugendliche Wald, dampfender Acker und wogendes Kom. Aber ab Mittag der Sensen­ klang, Chopingedengel im weißen Saal, kleine

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Mädchen verstört im Prinzeßkleid zur Soiree über gespenstische Korridore huschend: und noch zehn Stunden zum Trost der Nacht. Ich wurde selten im Schlosse. Noch hatte ich keine Gewohnheiten entwickelt, man ließ mich gewähren, und das hieß: man legte mir die Kette nicht voll auf. Ich floh. Ich war nicht stark, wie man glaubte, ich trachtete nicht, mich abzustählen, ich konnte nicht mehr wohnen im Saal mit den goldenen Ranken. Trauer stieg, wie Wasser aus Klüften. In Betrachtung eines Baumblattes. Trauer verlor ich, wenn ich aus dem Hause ging. Angst legte sich im Wald. Nächtliches Knistern des le­ benden Holzes vertraut, doch wie verrucht das Knacken des alten Hauses. Wie verschollene Meintat Rache lech­ zend. Dieses Haus wollte mein Leben. Immer wieder fing es mich ein, lockte mich an den Flügel, schwer und traurig schwang das Legato übers abendliche Tal. Im Spätsommer kam noch ein Treck aus Schlesien, die Jägemdorfer L.’s. Nun war das Haus wahrlich voll, doch nicht lebendiger. Wird eine Gruft lebendiger, wenn hundert Särge darin stehen ? Im alten Kirschgarten hatte ich ein verfallenes Feld­ hüterhäuschen entdeckt, abgetretene Sandsteinstufen führten zu einem Hochparterre, ein einziger Raum nur, backsteingepflastert, roch gut nach Obst und würzigen Laub. Wenn schon ein Dach sein mußte, dann wollte ich dieses Dach. Ich war bereit, mein Zimmer im Schloß aufzugeben, aber gerade die Jägemdorfische Baronin L. sah mich in einer Weise an - nun - einen Skandal wollte ich nicht heraufbeschwören. Der September legte seine blauen Schatten aufs Land, noch waren die Nächte warm. Dies ist die Zeit, da ich zu leben beginne, da mein Herz schneller schlägt. Die Feme wird klar, Tapferkeit des Abschieds und heitere Trauer, es ist die Zeit gewisser Beethoven­ sonaten: dann hoffe ich, einmal die Kette abzuschütteln, den Brunnen zuzuwerfen, die Häuser vergessen zu können. Ahnung lebendiger Stürme und krachender Eichen. Glück und sei’s im Herbst.

Die Jägemdorfer hatten eine böhmische Cousine mitgebracht, die mit uns so gut wie nicht verwandt ist, doch war Baronin L. auf ihre hoch­ fahrende Weise ein Seelenmensch, und Eleonore W. war Comtesse. Man traf mich selten im Schloß damals.

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Cousinen und Cousins wimmelten allenthalben, und als gar auf dem Bösendorfer im kleinen Salon (an den Steinway im weißen Saal ließ Alfred niemanden) Czerny-Etüden zu hören waren, vertrieb mich das voll­ ends. Überdies pflegte Baron L., ein hinfälliger Greis mit großen leeren Adleraugen neuerdings ein und dieselbe Lisztsche Rhapsodie unendlich fehler­ haft doch mit Energie speziell zur Abenddämmerung ins fahle Ulmenlaub zu schmettern, wozu Eleonore auf einem Stühlchen saß und lauschte, die Hände im Schoß verschränkt. Dies rührte mich. Sie war so verstört und still. Ich sah sie nur, wenn sie zufällig an mir vorüberhuschte, meist von der allesbeherrschenden Jägemdorferin zu nützlichen Beschäftigungen angehalten. Einmal, es war wohl im Oktober, ich las Walter Scott, es muß Oktober gewesen sein — was nützt es, sich zu verstecken, ich weiß es doch genau, es war der zweite Oktober, ein herrlicher Tag, in Feuerfarben dröhnten die Wälder wie Celloklang, hoher Nachmittag war es und warm, ich hatte lange am Fenster gesessen und ge­ lesen. Ein Schubert-Thema verfolgte mich seit Stunden, ich suchte die Noten hervor und nun floß alles zu­ sammen in dieser Musik, die Wälder, die Sonne, der Schmerz. Wieder einmal war alle Zukunft ausgelöscht, alle Gegen­ wart leer. Was zählte, war eine milde Vergangenheit, der ich nur zu sehr angehörte. Eleonore trat ein, blieb unter dem Bildnis Fouquds stehen, der mit den L.’s verwandt ist, und der alte Herr blickte starr und doch gütig über Eleonore wie über sein Kind. Ich fühlte Tränen aufsteigen. Ver­ zweifelt schlug ich den letzten Akkord, ich zitterte. Sie ging mit leichten Schritten auf mich zu, neigte sich und küßte mich heiß auf den Mund. Dies war kein scheues Zeichen, sie glühte. Sie hatte ihr Aschen­ puttelkleid an und hielt einen Bund Astern, um den Saal zu schmücken, denn diesen Abend sollte wiederum Soiree sein. Ich überwand mich und blieb. Ich wollte sie sehen unter den Lemuren, Einverständnis herstellen mitten im Larvengezücht - einen Blick geliebtes Leben. Gästen waren angesagt, ich kannte sie nicht, doch Alfred verzog den Mund.

Ich ging in den Park, um mich zu sammeln. Ungeheures war mir widerfahren. Die Welt war verändert von einem Augenblick zum andern; noch dunkler glühte der

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Herbst. Und schwerer war alles geworden, noch hoff­ nungsloser, noch unübersteigbarer türmten sich Mauern. Ein Gefühl riet mir zu fliehen, entsetzt be­ griff ich: zu fliehen. Aber warum ? War hier nicht Zukunft zum erstenmal ? Liebe, Vertrautsein in soviel Freude ? Sang ich nicht vor Glück ? Was raunte da und flüsterte Unheil ? War ich nicht stark geworden auf einmal, zuversichtlich vor Liebe, Hoffnung und Zärt­ lichkeit ? Was raunte da.

Über dem Tal stach der runde Turmhelm empor, herber Geruch der Hangwiesen, bald würde es kalt werden, bald der erste Frost - ein paar Tage noch, morgen, heut nacht, silbriger Reif aus kurzgemähtem Gras: und wir würden in der Wärme sitzen, im alten Haus, wortlos im Glück. Wenn nur schon Frost wäre, ein Ende der Herbstestrauer: Neubeginn: klirrender Glitz in schwarzblauen Wäldern, und wir im bücherverstellten warmen Refugium, auf alle Ewigkeit, ihre Hand in meiner. Vergessen werden, eingeschneit, nur die Winde ums Dach. Doch war noch Herbst und Niedergang. Ich fror und ging zum Haus zurück. Kalt hauchte es aus dem Tal, abweisend: du gehörst nicht zu uns. Sag mir zu wem ? Wer es wüßte. Die Lemuren huschten auf den Gängen, Baronin L. musterte mich im Vorbeirauschen, ich gefiel ihr nicht. Ich fürchtete sie auf einmal, bisher war sie mir nur lästig gewesen, nun schien sie mir wie der gemalte Tod, der plötzlich aus dem Rahmen steigt. Entsetzliche Angst auch wieder ganz plötzlich vor dem Haus, als müsse alles in selber Minute einfallen und versinken: und ich nicht zu Nichts werden, jetzt noch weniger als vorher. Mit Eleonore im Feldhüterhäuschen, von Kohlsuppen lebend und Kartoffeln, doch echt und prätentionslos. Unter dem Schicksal wegschleichend, unbeladen von Altem und ohne Schuld daran. Keinem zu Leide, keinem zur Last - kann man weniger verlangen ?

Wie ich heute weiß, kann ich nicht mehr verlangen. Ich wußte auch damals schon, log die Götter bieder an: ich will euch nichts, wollet also mir nichts. Schicksalslos wie ein Gott wollt ich sein. Und das in einem alten Haus, nach einem Kriege wollt ich an Eleonores Hand extraterrestisch werden. Meine Trau­ er sank immer tiefer in den Brunnen, denn ich sah: dies konnte nicht gewährt werden. Es hätte aber vielleicht gewährt werden können, wenn

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mir die Götter nicht gelächelt hätten. Der Fluch der Götter ist weniger zu fürchten als ihr Lächeln. Ihren Fluch verlach ich, hassen sie mich. Wen schiert der Haß der Götter ? Aber ihr Lächeln willst du nicht verlieren. Schon bist du bestochen und zermürbt. Wem konnte ich Hohn künden ? Denen, die mich Musik gelehrt hatten ? Die mich uralt gemacht hatten, Schmerz zu erkennen ? Wem künd ich Hohn ? Mir selbst, sonst schrieb ich nicht. Eingezwängt in Menschen, hager und grau, mir selbst kaum mehr ver­ ständlich nach so langer Zeit, subaltern, subaltern, der ich einst frei in dachlosen Wäldern ging. Nicht streifte: ging. Das Streifen bleibt den Gottverhaßten, hinter denen sich die Büsche pfeifend schließen - mir Götterliebling wurden sie lichter, bis ich auf planer Odung stand — da lachten die Götter laut und ver­ schlossen das Ohr mir mit Musik. Und das Auge mit Bildern. Und das Herz mit Weißblech. Da sehnte ich den Winter herbei und die Geborgenheit des Schnees und den glitzernden Harsch, und die Hand Eleonores. Verachtet die Götter. Ehrt nicht die Wälder, glaubt den Meistem nichts. Betrug, ungeheuerer Betrug. Ich bin nicht unfähig, Schmerz zu empfinden. Ich habe seit langen Jahren keine Musik mehr gehört, lese nichts mehr. Ich habe meine Zahlen im Kopf und ganz hinten ein göttervemichtendes Grinsen parat für den Tag, da ich gottlos alt die Büsche hinter mir pfeifen höre und den Göttern ihr Lächeln retourniere. Vielleicht werde ich dann Eleonore wieder begegnen - ich bin nicht neugierig darauf. Ich glaube nicht ans »wieder« und ich halte nichts von Nietzsche und der Welt als ewiger Czerny-Etüde. Midi könnt ihr nicht lausen: ich bin kahl.

Ich stand an der Parkmauer, kalt kam der Abend und kompromißlos, im weißen Saal stimmte jemand eine Violine, hackte den Kammerton a auf dem Klavier. Dann saß ich beunruhigt in meinem Zimmer. Man würde wohl den schwarzen Anzug heraussuchen müssen. Ein Jeep fuhr vor, danach ein Pontiac, fremde Stimmen auf den Gängen. Ich hörte die Baronin L. Namen und Titel nennen und daß man gleich beginnen werde. Und Eleonore sei stolz darauf. Es kam mir nun doch etwas zu gemischt; immerhin hätte es sich gehört, mich zu informieren. Letzte hastige

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Schritte auf der Treppe zum weißen Saal. Akkorde, dem Anschlag nach Alfred, und dann hörte ich zum erstenmal die Stimme, betäubend süß und so hell, daß sie fast klirrte, schneidende Wollust: Es freit ein wilder Wassermann Es ergriff mich und drehte mir das Herz um. Ich sprang auf und trat vor die Tür, um die Stimme besser zu hören: wer war das ? Wer sang Tod ? Leise ging ich näher, blieb vor der Tür des weißen Saales stehen. Als der Gesang geendet hatte, trat ich ein, wurde im eigenen Hause von kecken Augenpaaren ge­ mustert; Alfred warf mir einen bekümmerten Blick zu. Neben dem Flügel stand Eleonore und nahm Lobsprüche entgegen von Leuten, die ich nicht kannte. Sie sah mich an, Geheimnis verband uns. Baronin L. zischte um Ruhe, ich suchte nach einem Stuhl, sie warf mir tödliche Blicke: dies würde ich heute Abend noch ab­ stellen und total und sehr schmerzhaft. Alfred neigte sich über die Klaviatur. Eleonore sah mich voll an und sang: Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht. Ich blieb neben der Tür stehen. Das Lied sang sie für mich, hätte sie’s nie gesungen. Danach spielte Alfred eine Noc­ turne von Chopin, man ging zum seriösen Kunstabend über, Eleonore sang Hugo Wolf, aber mich erreichte nichts mehr. Ein Colonel hatte Wein mitge­ bracht, unsere alte Minna trug Brezen auf, ich wurde geduldet. In Eleonores Nähe stand stets ein fettlich aussehender Enddreißiger mit Pomadescheitel und protzigen Ringen an den schweinemäßigen Fingern, Herr Stefan. Einer der vielen Schieber dieser ver­ schobenen Zeit. Er wurde hofiert wie ein Fürst. Gemischte Gesellschaft, sehr desparat. Professor Wehofschic aus Agram, Geografie-Oberlehrer, ich taxierte ihn auf Ustascha, und noch mehr solche. Wondrejs aus Brünn, Hotelier, einer von der Henlein-Blase, und Stefan, der mit schmalziger Stimme umherging und anerkennend nickte als hätte er uns alle in Kommission. Eleonore stand im langen weißen Kleid, verloren und still, mich über Stefan und andere mit Blicken suchend, doch abgeschirmt von Baronin L., die mir ängstlich­ giftige Augen warf, und diesem Stefan, der allen Ernstes mit dem Daumennagel aus der Vergoldung des Rokokostucks zu kratzen begann. Als ich ihm dies untersagte, musterte er mich abschätzig. Die Jägemdorferin huschte schlangen-

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haft herbei: Eleonore, willst Du Dich nicht um unseren Gast kümmern ? »He !« sagte ich, »dies hier, inklusive Sie, werte Cousine, sind alles meine Gäste, wenns schon darum geht«. Ein Herr Wiedfeld sprach hört hört. Wiewohl ich Skandale hasse, war ich nahe daran, ich sagte: »Ein von Eurer Generation inszeniertes Desaster gibt Euch nicht das Recht, Jüngere zu provozieren, wenn wir schon Euren Bankrott bezahlen müssen; im übrigen erwarte ich Sie, chère cousine, nach fünf Minuten in der Bibliothek.« Sie kam, doch nicht zu Wort. Gewiß, heilig ist der Gast, zumal, wenn verfolgt. Doch ganz aus dem mir an­ gestorbenen Hause wollte ich mich nicht verdrängen lassen. Ich ersparte ihr, ihre Reden zu verstehen. Die Hurenmentalität gewisser altadeliger Damen von fünfunddreißig mit unversorgten Kindern hätte mich sonst womöglich erstaunt. Doch weil wir bei der noblesse schon waren, ließ ich sie’s spüren, der jägergrün ge­ tarnten Nazisau. »Du hast mal in Berlin als belle du jour eine Rolle gespielt«, sagte ich und sie wußte nicht, was das heißt, — hier spielt man nicht cercle. Ich pfeife nicht, aber wenn, dann wird getanzt. Sie waberte vor Wut und memorierte mit zuckenden Lippen den Gothaischen Kalender. Ihr violettes Ge­ wand changierte Gemütsverfassungen. Gottvoller An­ blick. »Auf Schloß Lenoir steht noch der Donjon mit alten Gewölben«. Ich deutete hinaus und sagte: »Als Chef de maison laß ich Dich da einsperren, daß Du ancienneté lernst.« Widerwärtige Slavennutte mit den nazistischen Allüren. Die gelben Haare, die gelbe Fresse, der geduckte Blick. Läufige Hündin. Seit mehreren Jahrhunderten existiert in unserer Familie der Brauch, daß der Erstgeborene einen eisernen Reif ums linke Handgelenk geschmiedet bekommt, sobald seine Hand zu wachsen aufhört, also etwa mit sechzehn. Es ist ein sehr sinnreiches Symbol der Kette, die uns an Tradition und Besitz fesselt, wir haben dieses Knechtsymbol selbstverständlich auch im Wappen. Alfred klimperte Zartes, doch die Doppeltür zum weißen Saal blieb geschlossen. Ge­ schlossen blickten Bücherwände auf mich, in Jahrhunderten gesammelt, auf mich, den Geketteten und die jägergrüne Gelbnutte.

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»Sieh Dich um«, sagte ich, »wir stehen in jeder Kunst­ geschichte und in keiner Weltgeschichte, was eine Ehre ist: und das möchte ich respektiert wissen. Solltest Du Ambitionen haben, dann lehr Deine Sprößlinge besseren Anschlag am Klavier. Mir aber, der ich dies alles hasse, brauchst Du nichts von Deiner Men­ talität mitzuteilen - küß den Ring ! Und laß Eleonore zufrieden.« Sie wollte den Ring nicht küssen, nicht gleich. Doch wozu wäre meine Erziehung denn nütze gewesen, wenn sie mich nicht wenigstens zum Latentsadisten gemacht hätte (und mit dem Ethos voll auf meiner Seite): sie küßte den eisernen Ring schließlich doch, und Alfred hatte eben die Mondscheinsonate inszeniert, da klang ihr Stöhnen wie silbriger Hauch durch die goldgeschmückten Türen. Sie war siebzehn Jahre älter als ich und glaubte an Noblesse und Anciennetät. Ihre Ahnen waren von dem verdreckten Hohenzollemfritz erst geleutnantet worden und bei uns war versammelt, was alt und degeneriert war von Wittelsbach bis Ibsen. Na so ein widerlicher Jux. Sie biß ins Eisen und ich brachte sie so weit, daß sie derartigen Verblödungsschüben anheim fiel zu bitten — noblesse oblige - zwecks Abbüßung wenigstens zwei Stunden im unteren Donjon verbringen zu dürfen. (Und oben rauschten die alten Wälder) Ich gewährte ihr die Gnade. Als trotz Alfreds Meisterspiel die Soiree auseinander­ gestoben war (nur den Colonel fand man anderntags im Park) da wollte sie mir Böses antun und begab sich tatsächlich mit Büßerblick in den längst sinnvoll ge­ nutzten Kartoffelkeller unter dem alten Turm, Minna war dagegen. Wegen der Wachstränen auf den Kartoffeln. Schluchzte deutlich und empfahl ihre Seele Gott. Verwirrt sahens die Kinder. Sie sollten mich hassen lernen und beerben. Doch fiel mir eine Bosheit ein. Solche mit Gott haben meist eine Höllenangst vor Kirchen - und auf Lenoir gibt es selbstverständlich eine Kapelle mit Grablege. Wir kommen schließlich aus der weiteren Familie Karl Hammers, uns braucht man nicht zu zeigen, wo der hängt. In Jägemdorf Polacken trietzen ist eins, ein anderes gegen den sandsteinemen Sigmund Kraft von Brunn bei Kerzenschimmer und dem Bewußtsein: da unten schwärzen seine Knochen, anzutreten - da hätte auch der Spießrutenparvenue höchstens einen Brief an Voltaire zwecks Verbesserung seiner Grammatik abgefaßt.

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Es ekelte mich vor Geschichte. Emst heischt sie vor mir. Blutlachengeneration. Spätestens in der dritten Generation wird die schäbige Pleite zur Heldentat und heißt siebenjähriger Krieg. Es ist auch keine Ehre, so wie wir in der Kunstgeschichte zu stehen. Allüren, leere Zimmer, erfüllt vom Leben des italienischen Stuckers, dessen Namen keiner weiß. Er soll aus Potsdam gekommen sein. Auch ihn hatte ich beerbt, er war mir angestorben. Schlaf sanft, toter Meister. Ich will dich nicht, nichts gehört mir. Bald werden die Dächer stürzen. Es ist kein Gericht, kein altes und kein jüngstes. Nichts ist von Dauer, auch der Schmerz nicht, und wenn die Kette noch so laut klirrt. Mit Samt verbrämt zu Zeiten, doch stets unter­ füttert mit klappernder Dummheit. Lasset uns Lächeln was sonst sollen wir tun, wenn wir uns fürchten, lasset uns lächeln der zischelnden Aktivität, der hohlen Betriebsamkeit, des stinkenden Wahnwitzes. Auch auf Lenoir — wo doch Gelassenheit und Raffinement angesichts der Bluthistorie die einzig mögliche Attitüde gewesen wäre. Doch nein: Aktivität bäumte sich zum Verrecken. Das haßte ich aus Herzensgrund: Energieaufwand für die Bestellung eines Hektars Weizen, um drei Reihen Radieschen zu säen. Mag sein, daß dies ein ewig wiederkehrendes Kindheitserleb­ nis war. Lenoir zuunterst gekehrt, die Küche in hellem Aufruhr, weinende Dienstmädchen - und das Resultat ? Die Griechisch-Grammtaik vom seligen Kaegi unter dem Weihnachtsbaum. Ewig sinnloses Aktivität der Mediokren, sie macht einen rasen. Wenn ich nicht einen Bihänder von der Wand reißen und alles nieder­ mähend durch die Korridore schreiten wollte, mußte ich gehen. Ich pfiff dem Hund und hatte nicht vor, alsbald zu­ rückzukehren unter das emsige Dach, da rief mir die Jägemdorferin nach, daß ich doch jetzt nicht etwa fort wolle, wo sie umzögen ? Wer zieht um ? Ich dachte an meine Dachkammer, die sie vielleicht entdeckt hatte »Wir ziehen nach der Julienburg, das weißt Du doch ?!« Ich pfiff dem Hund und ging. Verwünschte Person. Ich hoffte, sie nicht anzutreffen, wenn ich je wiederkam. In der Auffahrt begegnete mir ein Auto, gesteuert vom fettlichen Stefan, hinter­ drein rumpelte ein Lastwagen. Sie war vor acht Wochen mit einem Bündel gekommen, nun brauchte sie einen Büssing für den Umzug. Sollte sie mitnehmen aus Lenoir,

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was sie brauchte, was ihr gefiel, es war mir recht. Es sah nach Regen aus. Ich nahm den Weg zum Franzosenholz. Immer wenn ich aus der Drohdistanz des läppischen Spitzturmes war, die blauen Schieferblitze hinter den Eichenwipfeln des Franzosenholzes wußte, kam das Land zu mir, der Wald; wich die Verstörung, konnte ich anfangen, meine Gedanken zu ordnen. Ich brauchte lange dazu. Meine Erziehung war kläglich, ich mußte mir alles selbst erwerben. Ich ließ den Hund laufen und suchte mich zurechtzu­ finden in Beweggründen. Als ich die Buchenklinge hinabstieg, stand da Eleonore. »Ich muß auf die Julienburg« »Du ? Wieso ?« »Laß uns nicht reden. Ich liebe Dich.« Die schöne junge Lilofee »Wir dürfen uns nicht mehr sehen.« »Halt«, sagte ich, »wer zwingt Dich oder mich« »Sie,« sagte Eleonore, »ich muß auch gleich wieder gehen« »Die Julienburg ist eine Ruine, seit zwanzig Jahren unbewohnbar« »Seit Montag ist ein Bautrupp der Army dort. Laß das doch. Wir sehen uns zum letztenmal.« Sie fiel in meine Arme. »Ich werde nie einen anderen lieben« stammelte sie »Geh mit mir«, sagte ich, »fort, weit weg von hier« »Ich bin schon so weit gegangen, ich kann nicht mehr« »Dann bleib, laß sie gehen«. »Red nicht. Ich muß gehen. Laß mich.« Ich stand und ließ sie gehen. Am Hang oben schrie sie noch einmal: von der Burg wohl über den See.

Ich sehe sie noch in ihrem hellen Kleid, die langen wehenden Haare unter den alten Fichten, die zwarte Gestalt. Das ganze Sein ein flammend Leid. Was war geschehen, daß es so war ? Wer schlug mich und sie ? Wie kam es, daß ich so verarmte von Minute zu Minute, wer stahl mir mein Leben ? »Eleonore !« schrie ich. Sie schüttelte im Laufen den Kopf. Die Julienburg, dieses blödsinnige Gemäuer; der Bau­ trupp des Colonels, die gottverfluchte Jägemdorfische ich ahnte. Wußte auch den Wassermann, wollt ihn nicht wissen.

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Allein wollt ich sein, fern diesem allen, wollt mich entziehen diesen Schlesiern, die nach dreckiger Wäsche und Diminutiven rochen und Gottsucherei; mich grauste. Der Hund brachte einen Hasen, ich zog ihn ab und steckte ihn auf den Spieß. Der Hund wußte, der zweite gehörte ihm, danach würden wir in der Waldscheune übernachten. Ich konnte vom Hund leben. In der Struth stand eine Fichtengruppe, so dicht wie ein Zelt, wir brauchten die Scheune nicht, es sollte denn schneien. Und selbst dann Warum ging sie von mir ? Wer zwingt uns ? Hatten wir nicht Acker und Wiese, ein Gewölb für die Frucht und uns ? Wer wollte uns zwingen ? Der Hund blaffte, witterte etwas. Krank war ich vor Enttäuschung. So viele weite Wege auf wunden Füßen gegangen und dann den Wassermann. Dämmer ward unter den Buchen, die Quelle sprach lauter.

Die Königstochter wollt er hahn Wie trügen die Dächer; ich hab ihnen nie getraut. Wie leicht fällt ein, was lang gebaut. Schilde ein Spinnweb, Name ein Rauch. Wußt ichs nicht ? Mich zwingen sie nicht, und wenn alle Wassermänner alle Quellen springen lassen, mich zwingt ihr nicht, mir beweist ihr nichts.

Ich briet den Hasen und machte mich auf, der Regenwand entgegen. Die Sonne ist mir recht, doch mein Alliierter war immer der Regen. Er hüllte mich ein, baute Wände um mich, Dach ohne Dach, erzählte mir nichts, Peregrinus, der endlos Wandernde vom Fels zum Meer. Ich nahm Äste, stellte sie zum Zelt und machte Feuer davor. Der Wald dampfte, Nebel­ schwaden zogen. Noch war die Erde nicht kalt. Bald wird der Alliierte auf eisernen Füßen und im schneidenden Wind einherziehen, wird Schneemauem bauen. So lange mein Handbeil scharf ist und der Hund jagen kann Wie weit war das alles, der Wassermann, das Löschhomdach - wie nah Eleonore, verloren im rumpelnden Wasser. Was wußte sie vom Wispern des Regens in feingefügten Nadeln. Immer war ich verraten und verloren; wenn ich mich auf andere verließ, gehörte ich denen. Im Wald im Regen im Nebelgrau gehörte ich mir. Was Schmerz, was Trauer, irgendwann muß gestorben sein, warum nicht gleich ? Ich saß und schlief, den Regen zu meinen

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Häupten, den Hund zu meinen Füßen, dem Wald anheim­ gegeben, reichsunmittelbar.....Dann wanderten wir weiter, hungrig und ohne Gedanken, Hund und ich. Zu dieser Zeit gabs keine Feuerwaffen, unvorsichtig wurde das Wild. Auf zwanzig Schritt warf ich mein Beil nach einem Reh, ohne an Gelingen zu denken, und es fiel im Sprung. Ich machte Feuer, buk das Fleisch in Lehm, wartete. Satt und zufrieden der Hund. Aus Ästen wieder das Zelt, wir vermißten nichts. Mich zwingen sie nicht ? Man kann das wohl zwischen den Zähnen schwören, aber die Zeit ist lang. Der Trotz bleibt stehen wie ein verwitterter Sandsteinlöwe, die wilderhobene Pranke gleicht nach­ gerade einer Bettlergebärde. Floh ich etwa nicht vor dem Wassermann, sah ich nicht das Rencontre scheuend zu, wie sie an dem ungeliebten Bau rüttelten, aus Vorsatz, aus Mutwillen ? Dies sollte nicht sein. Es war nicht mein Dach, es gehörten den Folgenden, wenn es nun schon stehen geblieben war, vielleicht liebten die es dereinst. Die schöne junge Lilofee

Der Schmerz fiel auch mich nun Unbetäubten wie Geröll. Trüber Nachmittag über abgeemteten Kartoffeläckern. Lohnt sichs denn ? Weiß ichs ? Doch die Waffen zu strecken, als Unbehauster achselzuckend einem als sinnlos er­ kanntem Vabanquespiel anderer auf meine Rech­ nung zuzusehen, das nicht. Noch war es früh am Tage. Was war schon unbedrängt im Leben ? Nicht einmal der Schlaf. Auf, laßt uns wider die Bedrängnis stehen, nicht soll Gemeinheit unverwundet siegen. Ich stand vor einem alten Grenzstein mit dem Eisenringwappen, dem Kettenglied der Besitztradition. Wenn wer die Kette sprengte: dann ich. Aber nicht die Jägemdorferin und ihr Cortège. Wenn jemand Besitz aufteilte, dann die Gerechten. Mein Recht war es nicht, durch nie­ mand gezwungen als ein stupides Weib, auf Rechte zu verzichten, die mir nur der Demos aberkennen mochte. Es waren Bauern auf dem Felde. Sie kannten mich und grüßten, was mir peinlich war. Die auf Lenoir waren nie als Bauernschinder aufgetreten. Immerhin: das Haus lebte von ihnen. Für den Steinway allein hatten mindestens zehn Bauern lange Zeit schuften müssen. Was hatten wir für sie getan ? Nichts hatten wir für sie getan. Zorn. Dann mußte den rechtmäßigen Eigentümern zurück­

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gegeben werden, was ihnen zustand, doch durfte nicht eine neue Hurenwirtschaft auf der Julienburg etabliert werden, die ohne mein Befragen von einem Bautrupp der Army (oder des RAD wie in Jägemdorf vielleicht) re­ pariert wurde. Wie hatten sie das alles hinabgewirt­ schaftet, zu Grunde gerichtet im Kleinen und Großen, mitsamt dem römischen Reich. Von den Ulmen tropfte der Nebel, durch Wolkenlumpen schien matt spätgelbe Sonne, als ich das Tor passierte. Der Kiesweg war aufgewühlt, Wasser stand in Radfurchen, das Tor verschrammt: après nous la déluge. Das fritzische Gesindel war abgefahren. Der Adel wie immer als Hure der Wölfe. Ich kleidete mich um, formal dress, zum erstenmal überlegt, mit eigener Absicht und schlug auf den Gong in der Halle. Dies war schon immer das äußerste Zeichen gewesen: Flut, Feuer und schwere Not.

Minna schluchzte auf, als sie mich sah, Alfred murmelte, man müsse die Suchaktion abblasen, die Jägemdorfische erbleichte, der Rest von Lenoir trappte unbehaglich. Wo ist Eleonore ? Noch gelber wurde die Gelbe; sie sie auf die Julien­ burg vorausgefahren. Sie selbst müsse mir leider mit­ teilen Ich bedauerte öffentlich, daß der Blutbann und die Gerichtsbarkeit seit 1796 an das damalige Kurfürsten­ tum Baiem übergegangen sei, und besah die Periöken. Der Bauer brauchte keine Herren: diese jedoch dringend. Ich würde ihnen ein scharfer Herr sein, hatten sie doch geschworen, je blutiger der Herr, desto lieber wollten sie ihm folgen. Vor allem die in Jägemdorf und ähnlichen Randgebieten des von ihnen verspielten Landes. Sie duckten vor mir und nickten schal. Es kam mir nicht zu und nicht den Folgenden; aber diese ver­ standen keine menschliche Vokabel, sie tanzten wie räudige Füchse, wenn der Wolf heult. Mir wurde übel. In meiner Abwesenheit hatte sich der Hausstand vergrößert: der böhmische Vetter war mit sechs Lippizanem in die leerstehenden Stallungen eingezogen.... hatte sogleich alles organisiert, und, da man mich sowieso für verloren hielt, mein Kämmerchen besetzt, die Jägemdorferin hatte es ihm abgetreten. Alfred zuckte die Achseln - ich konnte nichts machen. Das war schnell geregelt. Der Vetter zog zu seinen

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Lippizanem, es gab da eine Kammer für den Pferde­ pfleger, und ich zog wieder unter mein Dach. Und haßte das alles. Zu befehlen, zu koordinieren, Kontoauszüge zu lesen, Übermut zu dämpfen - ver­ stand dieses depravierte Gesindel allgemeine Zwänge denn nur, wenn i c h tobte ? Hatte nicht die Geschichte gerast in unsinnigen Ausbrüchen, waren sie taub ? Mußte ich ihnen erst sagen, daß sie verspielt hatten, bei den Bauern in die Lehre gehen mußten, daß nichts wächst, was man nicht gepflanzt hat, und dann nur mit Glück ? Des Colonels Protection hatte die Schlesierin gestählt, auch Stefan. Längst war die Julienburg - gegen meinen Willen - bewohnbar: sie ging nicht. Stefan hatte ich abgeschafft, der Colonel hielt immerhin vor dem Parktor. Es wurde Dezember. Die Bauern lieferten ihre Pacht­ erträge, aber die Lippizaner machten mir schwere Sorgen. Wie ein Sandsteinlöwe tanzte der Vetter, als sie vor den Pflug gehen mußten, was blieb uns sonst übrig ? Sie gingen übrigens gut vor dem Pflug, die Stuten. Die Hengste mußten geritten werden, Alfred blühte auf. Die weiche Chopinhand allerdings wurde dabei ruiniert. Eleonore auf der Julienburg. Ein Lenoir hatte sie gegen 1680 als Zatzenstift für seine Nichtrechtmäßige errichten lassen; seit dem 70er Krieg stand sie leer, ausgestorben, abgetan, in der Kunstge­ schichte beerdigt. Im verfallenen Hurenkobel Eleonore, gehorsam. Ich liebte Dich, Eleonore. Du warst so klar. Deine kleinen wohlgestalteten Füße im müden Staub langer Straßen. Dein zartes Ohr voll Musik, die schattenlosen Augen. Das Wasser kam über uns, mein Alliierter der Ewigrinnende. Verwischt wurden wir; wo war die Grenze ?

Wasser über unseren Augen, das Feste vom Wasser nicht zu scheiden. Schlimm schien die frühe Sonne, kroch feig unter spiegelnden Wolken, als wir erwachten: Morgenrot. Sagtest Du: mm geh ? Noch einen Blick im branstigen Frührot. Ich ging. Auf dem kalten Balkon der Julien­ burg eine kleine ferne Gestalt, winkend und nackt. Fern, wie fern. Ich trabte durch die Wälder, besinnungslos, der Regen nahm mich unter seinen Mantel, bis das tote Dach Lenoir mich bedeckte. Der Vetter trainierte die Hengste, ich sah ihm vom Fenster aus zu. Eleonore. Mein Leben, mein Ich.

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Abend unter den schwarzen Dächern von Lenoir. Mein Weib Eleonore in dunklen Wäldern, Du Botin einer fernen Weit. Deine Gestalt, dein jauchzender Schoß. Nie mehr. Ihr Zimmer in der Julienburg, der prunkende Stuck, hoch und feierlich. Ewige Zeit, ihre Arme um meinen Hals, elfenbeinern: die eine lange Nacht bis zum feigen Morgenrot. Sie wiegte mich in ihren Armen, ihren rossigen Schenkeln, sang leise, mein Weib. Die Stuten gehen vor dem Pflug. Ich befahl die Jägemdorferin in die Bibliothek. Es dauerte lange, schließlich erschien sie im Abendkleid, hatte schwül angelegt und roch nach faulem Parfüm. Ich dachte an die Ruhelose in der Julienburg. »Inwieweit Du Eleonore erpressen kannst, entzieht sich meiner Kenntnis.« »Ich erpresse sie nicht,« sprach sie kühl. »Warum entfernt sie sich dann von mir ?« »Frag sie.« »Ich hab sie gefragt. Sie konnte nicht antworten«. »Ist das nicht Antwort genug ?« »Wir sprechen hier keine Boulevaid-Stichomythie: sag was Du spielst«. »Rouge spiel ich auf Lenoir, aber —« »Hör auf damit, bitte, meine Geduld ist erschöpft. Was soll aus Eleonore werden ?« »Morgen: Frau Stefan.« Sie zuckte die fetten Schultern, sah müde aus, schlapp, manwom. Zündete sich eine Zigarette an und sagte: »Davon fällt weder das inzwischen imaginäre Haus zu­ sammen, noch das bald imaginäre Haus Lenior.« »Ew. Liebden geruhen zu scherzen« sagte ich, »Häuser interessieren mich nicht, Ew. Liebden wissen seit wann, und weil Ew. Liebden dies wissen, wissen Sie auch, daß ich nicht leer drohe. Wenn diese Hochzeit stattfindet, lasse ich Dich, den Herrn Bräutigam und auch den Colonel morgen noch vor dem Altar verhaften.« Sie stampfte ihre Camel in den Fuß eines RenaissanceLeuchters und zuckte wieder mit den Schultern. »Ich weiß. Ich weiß auch noch mehr: hierher kommt ein Feldflugplatz, Lenoir steht im Wege. Nicht mehr lange.« »Ich kenne das«, sagte ich, »tröste Dich, es ist ein Gerücht. Das Tal schützt uns vor dem Feldflugplatz. Unter diesem Dach hat schon Hermann Görinj geschlafen und ähnliche Intentionen nach Lokalaugenschein aufgegeben«.

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»Dann ists ein Panzerübungsplatz«, sagte sie schrill. Ich rief Minna: »Entfernen Sie bitte den Rest der eben von Frau Baronin gerauchten Zigarette aus dem Leuchter und schließen sie ihn bitte in meinem Schrank ein. Der Schlüssel: hier.« »Du Idiot«, sagte die polnische Freifrau, »was bist Du denn ? Was glaubst Du, wovon Du die ganze Zeit gelebt hast ?« »Von den Bauern. Auch vom Hund.« Sie überschlug sich schier vor Gelächter: -»Ich. Ich habe doch dafür gesorgt -« Ich griff in die Schublade und zeigte ihr den KontoAuszug. Es stand ein stattlicher Betrag. »Dreck, Papier !« schrie sie, »nicht einmal ein Ei hättest Du dafür - hast Du nicht Tee getrunken ?« »Ja, einmal, ich wunderte mich schon.« »Und Comedbeef gegessen ?« »Kaum. Es wäre mir aufgefallen.« »Trottel!« sagte sie aus Herzensgrund, »Dir und etwas auffallen ! Daß sie Dich nicht unter Kuratel stellen hast Du doch nur Buchen —« »Halts Maul«, sagte ich, »Du Nazisau. Wenn wir so mit­ einander verkehren wollen, dann bist Du binnen einer Woche nach Jägemdorf zurück spediert, und Ew. Liebden haben alle Ursach, das zu fürchten, wie ?« Sie changierte und schüttelte sich ein neues Stäbchen aus dem Papier mit dem Camel. »Zeus Xenios sei mein Zeuge,« sagte ich - »daß dieses Dach noch keinen erschlagen hat. Doch Normen haben mich nicht zu kümmern, Ew. Liebden, ich kann sie durchbrechen —« »Und sag nicht immer Euer Liebden zu mir«, fauchte sie, »Ew. Liebden die weiland stolzthronende Nazisse hat Glück, wenn ich Normen beachte, die zeitweilig gar nicht einhaltenswert schienen. Was nun den Kontenstand betrifft, so mag er ruhig Papier sein. Ich werde auch den Vertrag mit den Bauern ändern.« »Duu ?« kreischte sie, »Du Bengel! Noch nicht mündig — wie willst Du ändern ?« Sie warf sich im Sessel zurück und lachte schallend: »oder gar heiraten ? Du ? Eleonore heiraten, die ein Tschechenkind trägt ?« Das hallte von den Wänden wider. Ich stand auf, schritt hin, schritt her. »Und wenn schon«. Der gemeine kleine Mund blieb ihr zum ö offen: - »Was ?« Sie keuchte, sprang auf, faßte mich an die Hemdbrust:

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»hast Du nicht begriffen, sie ist schwanger!« »Wenn sie ein Tschechenkind - wie ich annehme, da: Du sagen wolltest unter dem Herzen ? - trägt, muß sie wohl schwanger sein. Und nimm Deine schmutzigen Finger von mir sonst« Minna klopfte, trat ein, gab mir den Schlüssel wieder, ging»Deshalb muß sie nicht Frau Stefan werden«. »Dezember ist der letztmögliche Termin. Im Juni kommt das Kind, ich kann Dir« Eleonores Kind. Die Wände hallten. Und war es nicht mein Kind seit gestern ? »Rührend« sagte ich, »wie Du auf meine Hausehre bedacht bist, aber der Colonel ist schon verheiratet, sonst hätte sie Mrs. Robertson werden müssen, wie ?« Sie nickte halb unbewußt. Ich wurde geradezu heiter. Tout de bruit pour un embryo »Du mußt verrückt sein,« sagte sie »und Dein Onkel Alfred, Vormund, unbegreiflich —« »Auch dies,« sagte ich, »nicht mehr lange. Zum 15. Dezember« »Wieso ?« Sie war entsetzt. »Es läuft seit Ende Mai. Glaubst Du vielleicht, ich habe meine Zeit dort umsonst verbracht und nichts gelernt ?

Wollen wir doch so verbleiben: Du machst Deine Intentionen ab. Im Advent heiratet man sowieso nicht. Überdies weißt Du ja, daß auf dem Besitz steuerfreier amerikanischer Zigaretten sechs Monate wegen Schwarz­ handels erhältlich sind. Es sollte mir leid tun.« »Du wärst imstande ?« kreischte sie. Ich hob den Telefonhörer. Es knackte laut. »Drei Buchstaben nur und fünf Sätze und in einer Stunde schon sitzest Du im Jeep, wenn Dir das Spaß macht ?« Ich legte den Hörer zurück, als sich die Vermittlung meldete. »Sie ist ja nicht vergewaltigt worden,« sagte sie probeweise. »Nein ?« Dies ergriff sie noch mehr. »Sie hatte im August« »Eine gelbe Polenhure als Tante«, sagte ich, »die ihr zuredete, dem Herrn Jelinek entgegenzuhalten, wie ?« Sie schoß aus dem Sessel hoch. Ich hob den Hörer auf. Es knackte. Sie sank zurück. »Es war also folgendermaßen,« sagte ich, »als Ihr über Böhmen floht, habt Ihr Euch, sagen wir: durchgegeben.

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Eine legitime Methode des Überlebens. Nur: dies nach­ her gegen jemand anzuführen, gibt keinen Sinn« Ja, bitte ? Den CIC. Ja doch. Lieutenant Olson. Ich warte. Sie sprang auf und schlug auf die Gabel. Sie kämpfte, aber mir machte es keinen Spaß. »Ich habe sie mit Stefan beim Wielandgrab ertappt!« »Gelogen. Wieland liegt in Oßmannstädt, nicht weit von Bu-« doch sie unterbrach mich wieder: »Sie hat sich ihm auch freiwillig hingägä-« »Laß sein. Wenn ich sie liebe, kann sie unter einem Kosakenregiment gelegen haben. Und laß mich nun den CIC anrufen: denn ehe Du nicht eingesperrt bist, wird kein Frieden«. Laut weinend stand sie auf. Was sie unter Polen und Tschechen gelitten habe. »Und ich durch Deutsche« Olson war nicht erreichbar »Wie Du das machst, ist Deine Sache,« sagte ich, »ich trete Ew. Liebden sogar das Telefon ab. Aber Frau Stefan, ich finde, da klingt selbst unehelich besser.« Ich reichte ihr den Hörer. Sie lehnte ab, ich rief Minna: der Herr Vetter möchte eine Lippizanerin satteln. Seine Liebden der Herr Vetter glaubte sich etwelche Emotionen schuldig zu sein, sattelte aber dann zwei, für Alfred und mich. Der regenfeuchte Wald. Eingesunken auf den Sätteln: Wir. Vor der Julienburg Jeeps mit Militärpolizei. Eine Nacht auf harter Pritsche. Glockenschall, Glockenschwall supra urbem: Frau Stefan. Zwar: weitgehende Konsequenzen, als man mir endlich Olson gab, fürchterliche für den Colonel, ätzende für Herrn Stefan. Die Jägemdorferin kam, wie geahnt, mit sechs Monaten davon, das war ihr Leuthen, sie konnte mit Recht singen: nun danket alle Gott. Alfred nahm sich der Kinder an. Natürlich saß auch Stefan nicht lange genug. Noch heute betrügt er als Landmaschinenvertreter die Bauern der Deggendorfer Gegend in seria. Und wer nahm sich meines Kindes an ? Und Eleonores ? Wer hilft mir im Tann ? Es war aber dies: daß Eleonore Alfred und mich mit einem Wort hätte auslösen können, und es nicht tat.

In dieser Gegend ist der Winter sehr still. Schnee fällt und zerrinnt. Gleich langsam ziehen

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die Wolken. Wenn die Sonne durchkommt, so geschieht kein Glitzern. Vergilbte Winterwiesen, Wasser; der Wald. Die geduldigen Buchen über dem Tale warten. Gerade deshalb wirkt der aufgeregte Spitzturm von Lenoir so lächerlich. Wir spielten Schach, Alfred und ich, es war ein langer, schneereicher Winter, die Bauern waren zufrieden. Alles unter Dach und Fach, bestellt gesät und in Ordnung. Zwei Stuten gingen trächtig, der Vetter behandelte sie mit Delikatesse, die Hengste gingen Hohe Schule. Meist saßen wir in der Bibliothek vor dem Kamin. Wir hatten genug Holz, Bücher, und zu essen. Beim Schach braucht man nicht zu reden, beim Lesen kann mans nicht, beim Essen schickt sichs nicht. So ver­ brachten wir sehr schweigsame Tage und Abende. Überdies hatte ich aufzuarbeiten, Gedanken zogen wie die Alt­ mühl unter dem Eis. Dann aber die Jägemdorfer Kinder. Die hochtrabenden Pferde. Piaffe. Immer stolzer ward der Vetter. Die dicken, irrblickenden Stuten. Die verrückten Hengste mit den gespreizten Nüstern. Die alarmierenden Heurechnungen. Hafer noch aufregender. Im Frühjahr, schwor ich, gehen die auch vor dem nährenden Pflug oder der Wassermeister helfe ihnen. Die Freunde verweht, verloren auch sie; klein geworden und bitterlich vor dem Leben in so kurzer Zeit. Und im Südosten überm zackig gefransten Waldhorizont die Julienburg, la maison blanche.

Nie vergeß ich die Nacht im Kotter. Es war ein Luxusetablissement, verglichen mit den anderen. Niemand schrie, weinte, wurde gefoltert, an die Bäume gebunden - himmlische Ruhe im Knast. Wir spielten Schach ohne Brett, beim 19. Zug war Olson da, und es war höchste Zeit, ich seh nicht mehr durch; hatte — als wirs später nachstellten - die Dame direkt vor dem schwarzen Läufer stehen lassen, blamable partie. Auge um Auge, Zahn um Zahn ist ein reeller Rechts­ grundsatz. Ich schonte im trüben Morgen weder den Colonel noch Bürgermeister und Polizei, Alfred begann zu zittern. Doch warum hatte sie uns im Stich gelassen, die alles hätte klären können ? Warum ließ sie die Lemuren walten ? Ich verfüge nicht über abrufbare Emotionen. So mag der Winter auf der Julienburg hart gewesen sein ich konnte nichts dazu....

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Ich hatte mein Domizil unter dem Dach verlassen; das ergab sich allmählich. Immer wieder hatte ich in der Bibliothek zu tun und die Giebelkammer war unheizbar. Wir erlebten damals 35° Minus als Maximum; die Bib­ liothek hatte Kamin und Ofen. Zeitweilig glich sie einem Heerlager; die Kinder dicht um den weißen Ofen gelagert, wir anderen im Viertelslicht des ewig brennenden Kamins, in dem die Meterscheite glühten. Ich dachte oft an die Julienburg; es war zu hoffen, daß der Bautrupp auch für Anthrazit ge­ sorgt hatte, denn die Kamine hatten sie vermauert. Doch im März begannen wir uns wieder zu recken; wir, das heißt nicht ich, die andern. Ich hatte schon vorher das Recken verlernt, sonst wäre ich nicht im Giebelkämmerchen zufrieden gewesen und nun schien mich der Winter vollends getötet zu haben. Die Jägemdorferin kam vor der Zeit zurück, abweisend betrachtet von ihren inzwischen wildwüchsig gewordenen Kindern; und gleich wollte auch wieder die schrille Stimme durchs Haus zuunterst zuoberst kehren, schon knallten die Türen wieder von Minnas ohnmächtig wütender Hand, und Alfred mußte sich verantworten, wo er die zehn Klafter Buchenholz gelassen habe. Die Machtüber­ nahme war in vollem Gange. Da entraffte ich mich der Lähmung, die mich seit der Rückkunft der Gelben be­ fallen hatte. Ich bestellte sie in die Bibliothek. Dies stieß auf Widerstand. Gerade dessen hatte es bedruft. Meine Grausamkeit wurde wach. Es war ein ruhiges lautes Leben gewesen unter dem lecken Dach - die Kinder waren von Alfred in den Grund­ rechnungsarten, vom Vetter im Reiten, von Minna im Religion und von mir in Lesen und Skepsis unterwiesen worden, eben fingen sie an, die Lektionen zu begreifen. Da war die neunjährige Irmin, die konnte nach einem Vierteljahr mein ganzes Latein und schnoperte im Gallischen Krieg, fing auch schon an, Minna in die Sümpfe der Theologie zu treiben, so sehr auch Minna verzweifelt den Katechismus lauthals memorierte. Als nun die Mutter in schlotternden olivgrünen Hosen Lenoir wieder in ihren Schick zu bringen gedachte, begann ich die Rolle zu begreifen, die man mich spielen lassen wollte. Wie schwarze Spiegel lagen die überschwemmten Wiesen; die Wälder blauten ins frühe Jahr, allgegenwärtig hinter den dunklen Fenstern zwischen den Lederrücken - und ich sollte mich in Auseinandersetzungen mit dem Gesindel begeben ? In diesen Bücherwänden hatten die Schaftstiefel

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geknallt 1939, lag einer in roter Lache um den Kopf wie Heiligenschein: und ich argumentierte mit den Schaftstiefelproduzenten ? »Du wirst dieses Haus noch heute Nacht verlassen«, sagte ich, »die Kinder kommen später, wenn Du ein Domizil hast.« Sie schrie. Geschlagenes Weib, das sie sei. »Dieses Haus sagt mir nichts. Ich habe eine Zeit meiner Kindheit hier verbracht, es war die Zeit des leichten Mordens. Doch mit Dir unter diesem Dach zu leben, verdüstert mich vollends. Schweig oder ich laß Dich vom Hund abtun. Ich kann nicht leben mit Leibern, die vom Blut anderer Leiber lebten. Ich mag nicht im selben Tal gehen mit Figuren, in deren Fell noch das Blut der Opfer krustet, auch meins. Du verläßt zur Stunde das schwarze Haus« Es war nicht klug von mir. Doch ich kann es heute noch nicht bereuen, denn es war gerecht. Sie hatte den Mord über Lenoir gebracht und war hierher geflohen, sie hatte nichts verlernt von ihren schmutzigen Kabalen. Ich war nicht gesonnen, sie das Experiment abermals durchführen zu lassen. Der Frühlingswind rauschte durchs Haus, es war kalt draußen und naß. Sie sah an sich herab. »Zieh feste Schuhe an und versuch Dein Glück auf der Julienburg«.

»Du rächst Dich, wie ?« sagte sie geduckt. Sie begriff nichts. »Ich habe versucht, die Vergangenheit perfekt zu machen. Es wäre vielleicht gelungen, wenn Du klug und leise gewesen wärst. Doch Deine Dummheit war zu laut und die Vergangenheit beginnt hier vom Parkett zu brüllen. Wenn ich mich rächen wollte, stündest Du in vier Wochen unter einem polnischen Galgen, ich will das nicht. Du sollst Deine Chance bekommen: doch nicht hier. Du störst meine Trauer. Du störst alles Böse auf in mir, ich spüre, wie mein Haß wächst. Geh, schnell und denk daran, daß die Drahtseilschlingen warten.« Sie schluckte. Dann sagte sie: »Du wirsts bereuen.« »Möglich. Doch Deinetwegen gewiß nicht.« Plötzlich begann sie zu plärren; die Heimatlose, aber­ mals verstoßen. »Aber Du lebst, Henkerin.« Sie stürzte hinaus.

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Am Morgen rief Frau Stefan an: Baronin L. sei wohlbe­ halten auf der Julienburg angelangt, man möge ihr die Kinder überstellen. Wieder Schwierigkeiten. Die Kinder wehrten sich. Minna schluchzte. Auf grüngelben Wiesen schwarze Lachen: da fuhren die Kinder in der alten Kalesche, der Vetter am Bock, an den Löwen vorüber zur Julienburg, die weißen Gesichter. Voll Haß. Es war nicht klug. Klug wäre es gewesen, sich zum leisen Sterben anzuschicken, da doch sowieso gestorben werden muß. Doch war mir nicht danach zumute. Gegen Abend begann es zu schneien, schräg wehte es über die Felder, eine helle Wand zwischen Lenoir und der Julienburg. Der Vetter besorgte lautfluchend seine Gäule. Ich ließ ihn kommen. »Ne erstklassige Schweinerei«, sagte er und warf sich in einen Fauteuil, zündete erregt eine Zigarette an — »die Frau mit den Kindern auszusetzen«. »Paß auf, Hund !« sagte ich zum Hund. Warum soll ein Hund nicht seinen ehrlichen Namen tragen ? Und mein Hund hieß Hund. Der Hund stand vor: »Ich bleib hier auch nicht länger«, sagte der Vetter »ich zieh auf die Julienburg«. Ich blätterte die Kontoauszüge auf. Die Futterrech­ nungen wurden untragbar. Ein Zentner Heu gleich einer Stange Amis gleich 1200,- RM: 7200,- im Monat für Hafer, 10 000,- mit Heu, Streu und Schmied. »Es sind Lippizaner« »Herrliche Pferde. Aber die Landwirtschaft ist ver­ pachtet. Wir bekommen kaum Deputate, wir bekommen Papiergeld. Weißt Du, was wir vom Stumpfacker ein­ nehmen ? 30 RM pro Monat. 360,- RM im Jahr. Der Stumpf­ acker trägt 18 Doppelzentner Roggen. Verstehst Du, auf welcher Seite augenblicklich das Brot gebuttert ist ?« »Aber es muß doch mal wieder besser werden !« »Muß es unbedingt, sonst muß ich spätestens im De­ zember Grund verkaufen, den Quadratmeter zu 30 Reichs­ pfennig.« »Das gibts doch nicht!« »Wo bist Du eigentlich aufgewachsen,« fragte ich »bist Du nur im Stall gewesen und hast aus einer un­ erschöpflichen Futterkiste gehoben ?« Er rauchte und schwieg in Plänen. Ich öffnete das Fenster. Das Wetter war umgeschlagen. Föhn brauste heulend, die alten Wipfel im Park pfiffen. Irgendwo am Haus schlug ein Fensterladen.

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Ich sah dem Vetter eine Weile beim Schnelldenken zu. Dann sagte ich: »Wieviel bringt ein Lippizaner ?« Er bäumte sich. »Das ist nun alles nicht mehr seine Rechnung,« sagte ich - »Du gehst jetzt auf die Julienburg.« »Sieh Dir die Pferde an !« »Ich seh sie jeden Tag. Du hast ja die alten RabattenBarock ! mein Lieber ! - zum Parcours umgebaut. Es sind schöne Tiere, aber Du mußt sie loswerden oder einen Mäzen suchen. Die Finanzen von Lenoir sind auf Null. Du erwartest doch nicht, daß ich unnützer Pferde wegen Besitz zertrümmere ?« Er bäumte sich wieder. »Du wirst morgen im Dorf die Pferde vermieten —« »Lippizaner ?« Er traute seinen Ohren nicht. »Oder sie spätestens im Mai durch die Wurstspritze quellen sehen.« »Du Hund !« brüllte er und sprang auf, da stand der Hund schon über ihm. Der Vetter hatte keinen Schimmer von meinen Dressurmethoden. Noch einmal das Wort Hund, und Hund würde ihn unweigerlich abkehlen. Die Zigarette schwelte am Parkett. Von Windstößen verweht kam ein Glockenschlag. »Rühr Dich nicht,« sagte ich, »alles was unter ihm ist, gehört ihm. Dann bringt er mir die Beute. Ich bin kein Kannibale; der Fall ist neu. Wir müssen uns überlegen, wie wir alle drei da herauskommen. Bis­ lang hatte ich keine Veranlassung, ihn von einer Beute zurückzurufen. Kennt er nicht. Das ist ein echtes Problem« Der Vetter atmete hautleicht. »Dumme Situation,« sagte ich, »wenn ich aufsteh, beißt er zu. Wir haben uns im Wald nur mit Gesten ver­ ständigt. Er kennt kaum Wörter. Ich hab auch einen solchen Fall nie bedacht, bedauerlicherweise. Laß mal Du Deinen Tierverstand walten. Endlich kam mir ein Gedanke. Ich schrie Minna. Endlich, nach dem fünftenmal, kam sie. »Führen Sie das Tier ab !« sagte ich. Minna begriff nichts oder alles, sie lockte: woisser denn, komm, komm, mei Guter - der Hund wedelte, sie gab ihm immer Äpfel, ich nickte, er ging. Im Parkett war ein Brandfleck. Nach einer Weile stand der Vetter auf. »Verbalinjurien können bitter werden«, sagte ich, als er den Mund öffnete. Er schloß ihn.

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»Du Kazettler !«, keuchte er endlich. Ich sah ihn an. Es hatte alles seine Richtigkeit. »Ihr habt alles verschlissen, Geduld und Recht. Am Ende blieben Euch nur als letzte Zuflucht die Gemarterten. Ihr wußtet: sie würden nicht wieder martern. Ihr habt uns ja kennengelemt. Glaubst Du, daß mir Kinder mehr gelten als Tiere ?« Er mußte nicken. »Dann wirst Du wohl kaum annehmen, daß ich die Pferde schone.« Und der zweite Flüchtling verließ gegen Morgengrauen das schwarze Dach, wohlgenährt, die Relaisstation. Ein Werstchen weiter, was ist es schon ? War er nicht monatelang der drückendsten Sorgen überhoben gewesen, vor der Morgenröte eines Neubeginns ? Ob dieser neuen Aufregung traf den Lisztbaron der Schlag. Ich fürchtete die Beisetzung, denn es war kaum zu vermeiden, daß die nun sich wieder stolz zu ihr bekennende Sippe anreisen würde, die Jägerndorferin war mir sicher. Sie war vom Colonel begleitet und sprach eisig: »Der Zustand Eleonores von W. erlaubt keine per­ sönliche Teilnahme an der Bestattung ihres Vetters Wilhelm - wo ist das Kondolenzbuch ?« Ich hatte genügend Scherereien, den alten Wilhelm einlöten zu lassen, denn die Särge standen frei in der Krypta, darüber hatte ich ganz vergessen, das seit Jahrhunderten treulich geführte Kondolenzbuch aufzulegen. »Meiner Eltern wird darin auch nicht gedacht«, sagte ich und dem Colonel wurde unbehaglich. »Die sind ja auch nicht hier bestattet« Ich krampfte die Fäuste. »Colonel,« flüsterte Alfred bleich, »schaffen Sie die Dame fort, sonst geschieht ein Unglück.« »Nur beruhigt!« sagte sie schrill, »ich wollte nur Eleonore eintragen !« Und stolperte durch den Kinder­ chor, fortgerissen vom geplanten Arm des nun ernstlich besorgten Colonel. »Laß,« sagte Alfred hastig, »laß !« Der Chor setzte ein. Jesu meine Zuversicht. Und ich gedachte der Verstümmelten.

In die Giebelkammer regnete es, so behielt ich mein Domizil in der Bibliothek bei, in den kritischen Wäldern der braunen Leder- und Föhrenrücken. Para­ lysiert saß Alfred, nicht ohne Grund. Ich hatte mir

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die Zulassung zum Studium an allen deutschsprachigen Hochschulen erworben. Bevor ich das Haus verließ, wollte ich noch säuberlich abrechnen. Ich saß im immer toller rotierenden Markkarussell, keine Papiermark Hypothek am dummen Dach, während von der Julien­ burg stärker SOS erklang - dies mir und Hund. Wir waren wieder viel unterwegs, Wald schützte uns, sein Zahn und meine Axt, wir waren autark und sahen doch zu oft die dunkelroten Dächer der Julienburg über den violetten Wipfeln. Manchmal sichteten wir den Vetter. Auf der Julienburg gab es keinen Park und keinen Parcours, er mußte in die Wälder, denn auf den Feldern und Wiesen duldeten ihn die Bauern nicht. Stefan hatte ebenfalls Strafnachlaß bekommen und hauste nun in meinem Eigentum; es fuhren auch wieder viele Amerikaner vor. Ich bin in der Historie erzogen worden; ehe ich noch denken konnte, gab es nichts als den Glanz und das Herkommen des Hauses, ich schleppte an der Geschichte wie an einem nassen Seil. Wozu sollte dies nützen ? Nichts als eine Kette von Entsagungen, Bitterkeit in fressenden Häusern, die vor keiner Not schützten wozu jetzt noch ? Man hat mich nie dazu angehalten, Verwicklungen zu begreifen, Verstrickungen mit dem Verstände aufzulösen. Schranken überall, der Familie, der Rasse, des Geldes, der Zeit. War es noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen, daß eine W. den Herrn Stefan heiratete — warum ging das jetzt ? Warum war ich andererseits zu gering ? Es interessierte mich nicht mehr. Sie war dahingegangen, hatte mein Leben berührt vorüber. Wäre nicht die Jägemdorfische gewesen doch dann hätte ich Eleonore nie gesehen. Ihr Gewinn schon der unabwendbare Verlust. Wäre nicht die böse Zeit Wer bringt mir mein Leben wieder ? Ich habe es in tormentis gelassen, in der Historie. Mein Entsetzen vor der Kultur, vor dem alten Haus Lenoir. Wohl dampften auch die Wälder vom Blut, was ist nicht über diese Weltecke an gedrängtem Entsetzen jahrhunderte­ lang hinweggaloppiert. Doch dann wuchs Neues und Ver­ gessen; in den Häusern häufte sich Elend auf Elend, und nichts wurde vergessen, die Wände bewahrten es.

Und was bewahrenswert war, die feine leichte Gestalt neben dem Flügel, das geht mit mir ins Grab, keiner weiß davon. Noch lange Jahre wird der sanft kretinöse Blick des Herrn de la Motte-

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Fouquö darüber hinwegsehen, wenn sie ihn nicht in ein Museum verkaufen, was ihm recht geschähe. Dickens beschreibt Bleak House als warm, aromatisch nach Leben duftend - Lenoir roch nach Schimmel, ewig fror man in dem fluchbeladenen Denkmal, das Leben fraß wie der karthagische Gott. Ein Stück wollte ich retten. Im Regen, unter jungen und alten Bäumen. Was verlangen sie von mir ? Nichts, sie schützen mich,sie treten in Komplizenschaft. Wer ist schon in Komplizenschaft zu mir getreten ? Ich will nicht ungerecht sein: John Olson. Aber der auch nur, weil er meine Geschichte kannte. Die Bäume kennen mich nicht, der Regen rinnt namenlos über mich, Hund bringt Speise wie der Rabe dem Josua. Ist das Beil mein Komplize, wenn ich auf das langgestreckte Dach der Julienburg starre: das Moos, der Ast, mit dem ich mein Feuer zünde ? Nicht besser wurde ich davon. Wir waren nur noch zu dritt in Lenoir, Minna, Alfred und ich. Beifuß und Gänsedistel auf dem Parcours, der nie mehr Rabatte würde. Die Wielandstele endgültig vom Frost gesprengt - und das Haus barst nicht. Es ächzte zwar im Föhn, doch würde es mich auch noch über­ stehen. Eichenbalken brauchen Dezennien, um abzufaulen und zu fallen; es wird fallen wir das Haus Usher, wenn es an der Zeit ist, unter dem Bulldozer. Seine Zeit ist nicht meine. Ich hatte es nie geliebt, doch nun freute mich das kleinste Zeichen des Ver­ falls. Im März waren durch die Überschwemmung, wie schon oft, die Sarkophage in der Krypta ins Schwimmen geraten, plauzten manchmal leise aneinander. (Dies dürfte mein Alter sein, sagte Alfred einmal und lächelte sanft übers Schachbrett - er mochte nie Schwimmen lernen. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans doch). Minna betete. Als wir uns später den Um­ stand ansahen, lag alles kreuz und quer durcheinander. Früher hatte man darob Pfarrer und Cingulum bemüht zur erneuten Konsekration, nun mochte es die nächste Überschwemmung in die Richte bringen, wiewohl Ehren­ fried Lenoir im 40° Winkel auf Ferdinand Hartenstein steilte: ich war für zumauem, Alfred für Besichtigung gegen ein kleines Douceur. Die Herrschaften wagten daraufhin nichteinmal mehr über das etatmäßig Modrige hinaus zu stinken, wozu sie doch nach jeder Überschwemmung ihr verbrieftes Recht hatten. Im Juni drangen Gerüchte zu uns, auf der Julienburg stehe es nicht zum Besten, der Bau komme unter den

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Hammer, von den Pferden aufgefressen. »Davon müßten wir etwas wissen«, sagte Alfred beim Kieseritzky-Gambit - »denn immer noch gehört die Julienburg zu den Lenoirschen Liegenschaften« »Wir wollen das wie immer abwarten, lieber Vetter. Was mich schon lange interessierte: wie kamst Du eigentlich in die Horst-Wessel-Nachfolge als Sturm­ führer in den Horst-Wessel-Sturm ?« Alfred stellte einen Springer akkurat ins Feld. »Ich wollt das Schlimmste verhüten. Sie haben mich dann ja auch abgesägt. Außerdem war ich feig und überzeugt.« Na gut. »Daß ich noch lebe, liegt daran, daß meine Scheidung noch nicht durch ist. Danach kannst Du mich auf den Stumpfacker als Thomasmehl streuen lassen: dann war ich doch noch etwas nütze.« Er überzeugte mich nicht, aber was sollte es. Drei Tage später ging er übrigens auch. Dafür kam die Wohnungskommission und beschlagnahmte das ganze Haus für sechzig Flüchtlinge. »Im Sommer ist es hier recht hübsch«, sagte ich den Hitlerschnurrbartträgem von der KPD (die waren damals alle bei den Zwangsämtem, bevorzugt Wohnungsamt, was gleich nach der Reichsklippenmeisterei kam) — »aber Herbst, Winter, Lenz ist ungemütlich. Es wohnt ja auch keiner mehr hier. Als sie meiner nicht schonen wollten, rief ich Olson an, und es war Ruhe. Ich wollte niemanden sehen, Menschen machten mir Pein. Auch Hitler war einmal ein liebes Kind. Ich fürchtete mich vor allen. Ich schaffte mir noch einen Hund an. Wir lebten von Wurzeln, Pilzen, Beeren, Rapunzel und was die Hunde erlegten, Minna und ich. Sie saß mir am Kamin gegenüber, fingerte im Katechismus, nachdem sie sorgfältig alle Türen versperrt hatte. Die blauen Couverts: Frei durch Ablösung (dick überdruckt: Reich) warf ich ungeöffnet in den ewiglodemden Kamin, schliff aber meine Messer, um mit den Hunden längere Zeit für die Fleischverteilung gewappnet zu sein: ich war entschlossen, mich nie finden zu lassen und alle meine Obliegenheiten unter dem Löschhutturm den Rechtsnachfolgern des weiland Königreiches Baiern zu überlassen: Minna hatte eine gute Schwester. Zwei Jahre nun im Turm und in der Freiheit, und ge­ häuftes Elend, vermehrter Jammer, sichtbarer Bankrott. Schlank waren die Hunde und gut imstande: Geh, Minna,

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geh. Die Zeit und die Stunde ist aus. Sie war nicht blind, sie ging. Ich habe mich oft gefragt, was das ist, Genuß. Für mich, ich möchte meine Erkenntnis nicht ungebührlich ausweiten, ist Genuß Erkenntnis. Kunst ist Erkenntnis­ zuwachs, daher Genuß. Des Auges freilich bedarf man dazu und eines Lehrers für den Anfang. Erkenntnis ist lehrbar, Erfahrung nicht. Manchmal schmerzte es mich, daß dies hier alles schon der Vernichtung ge­ hörte — ein Nachkomme hätte es vielleicht Ich genoß es nicht, im alten Haus zu leben. Ich kannte es, ich fürchtete es. Seine Ansprüche waren nicht ge­ ringer geworden, auch wenn ich jetzt den ganzen Süd­ teil mied mit den Prunkgemächern. Die Lemuren schwiegen nicht. Ein weher Laut über den Wäldern, verworrenes Brausen über dem Schieferdach. Vergeh. Zu lange hast du die Landschaft bedrückt. In der Liebesnächte Kühlung die dich zeugte, da du zeugtest Saß die Ammer am Draht und zirpte verhalten und verloren: weit, weiit.

Eines Morgens im Juli, die Sonne stand hoch, leichter Wind ging durch die alten Wipfel, ich saß am offenen Fenster im Gartensaal und las, blafften die Hunde. Gleich darauf hörte ich Schritte auf dem Kies. Die Herren des blauen Couverts. Sie betrachteten kopfschütteldn den Verfall. »Marsch !« sagte der eine und stampfte mit dem Fuß auf den Kies, als erwarte er, Turm, Pallas, Kemenate werde daraufhin einstürzen. Von solchen ärgert mich das. Es wird einstürzen und froh bin ich darüber, aber es wird nicht etwa deshalb zusammenfallen, weil ihr etwas dazu getan hättet. Dieses servile Gesindel kroch un­ verbeamtet jedem Mächtigen unter den Absatz und wenn das Lupanar des Schakals neu errichtet wird, werden die als erste wieder unter dem Absatz stampfen. Ich stand in der Fenstertür und sagte: »Was glauben Sie, wie morsch das Empire-StateBuilding ist«. »Hä ?«, sagten sie verblüfft »Oder erst der rote Platz«. »Wir sind von der Kommission.« Ich bat sie um eine Weile Geduld, befahl den Hunden, die Kommission im Auge zu behalten und rief Olson an. Ich bin nicht mehr bereit, mit Menschen um Meines zu verhandeln, bin nicht aberwitzig genug, mich der durch

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einen gerechten Zufall kurzfristig überkommenen Macht­ mittel nicht zu bedienen, wenn die Schnurrbärtigen mir wieder an die Kehle wollen. Die Kommission sott in der Morgenhitze und wagte nicht, einen Fuß zu heben, die Hunde sind scharf, bis Olsons Jeeps in den Hof einfuhren. Es gab nicht einmal einen größeren Wort­ wechsel, das Gesindel war es ja gewohnt, vor jeder Macht zu kuschen, sie waren nur zu einverstanden, in Fahrzeuge verstaut und abgekarrt zu werden. Was sie sich merkten und auch merken sollten, war dies, daß ich mit Lenoir tabu war und auch mit Julienburg. Zweifellos, es formte sich ein neuer Staat aus der Bankerottmasse des Lupanars, doch hatte man ihnen den aufgezwungen, von selbst hätten sie sich noch lange im Blut gesuhlt. Von zehn waren zuwenigst acht Schlächter­ gehilfen. Man muß mit ihnen leben, doch braucht man sie nicht zu schätzen, und man muß sie überall auf die blutigen Finger schlagen. Ich verschloß das Tor. Es war noch nicht Mittag, ich ging mit den Hunden übers Feld in den Wald. Die Hunde rissen ein Jungreh, ich machte Feuer. Am frühen Nachmittage waren wir wieder im Haus. Ich setzte meine Lektüre fort, Friede. Ungestörte Sonne, stillwandemde Schatten, doch der Abend noch weit. Die Hunde dösten satt im Hof, sprangen plötzlich auf, bellten. Ich ging hinaus, gewahrte eine erschöpfte Frau am Tor, ging näher. Bei jedem Schritt schien ich tiefer einzusinken, schwarze Flocken tanzten mit vor den Augen. Eleonore, mein Weib. Eleonore mit einem Säugling auf dem Arm. Ich riß das Tor auf. »Eleonore«, schluchzte ich endlich. Sie antwortete nicht, sie hob die Augen vom steinigen Weg, da neigte sich Laub und grünes Gras. Ich küßte ihr die Füße. Sie weinte. Ich nahm ihr das schlafende Kind ab, wir schritten auf das Haus zu, da fuhren die Hunde herum und eine grelle Stimme schrie: Halt! Beim Klang dieser Stimme sank Eleonore nieder. Herr Stefan sprang aus dem Auto und sah sich den Hunden gegenüber, wollte abermals schreien, bezwang sich aber angesichts der mörderischen Gebisse. »Das Kind !« »Wessen Kind ?« fragte ich »Mein Kind,« schrie er. Die Hunde knurrten. »Eleonores Kind !«, schrie ich zurück. Eleonore setzte sich auf im jeepzerwühlten Kies, sagte: »Gib mirs.«

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Ich gab ihr das Kind. Ein flüchtiger Blick war mir gegönnt auf mein Kind - da saßen sie im Staub, mein Weib, mein Kind, die Schatten wanderten, und Stefan hing über der Autotür und speichelte: »Das andere willst Du wohl verrecken lassen, Hurenmensch !?« »Ich konnte nicht tragen. Wenigstens eins,« sagte Eleonore. »Es weint nach Dir !« Die schwarzen Flocken kamen wieder. »Ich ersäufe, wenn Du nicht zurückkommst«, gellte Stefan. Sie erhob sich ächzend, ging im tiefen Wasser Schritt für Schritt zurück. Eh ich die Kindlein weinen laß, stieg zurück in das Auto, die Hunde wandten ihre Blicke fragend zu mir. Stefan fuhr behutsam rückwärts, die Allee hinab. So schieden wir beide von Laub und grünem Gras. Wasser über uns, Schlaf, Brunnen der Trauer.

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VIER GEDICHTE Gerhard Falkner

meine trauer soll sein wie ein vom tode durchduftetes herz an keinem gefallen gestillt ein herbstlich gesonnenes spiel

süßlich, vom verfall erfüllt sinkt der flüchte überreifes fleisch, schon von schimmern beginnender fäulnis verhüllt in eine betäubtere form

wir, die die Verstörung fühlen gehen schmerzlicher nach kühlen zimmern, wo ein strahl im staub schwimmt lindert sich der äugen flimmern

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Wer weiß wie Du die du mich nach den dingen nanntest die nah uns sind die dich und mich beweisen die zwischen dir und mir die räume überspannten daß sie die kluft gebrochen den grat, den karst, die kanten Wer kennt wie Du die dämmer in den weichen den traumzerfall den dunkeltanz der sinne dies blindenspiel der hand die noch vom schlaf gerauht nach hellen spuren tastet im atem deiner haut Wer spürt wie Du den pulsschlag meiner lieder reibt mir von meiner brust die asche und den staub wenn alles abgetaut was wie ein frost tiefinnen war wenn funkelnd jenes fest beginnt dem, wer je gast, nie mehr entrinnt

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herzwärts - brinkmann wenn wir es geschafft haben brinkmann zu vergessen und die, für die er steht die schmalzüngigen poeten die mit entwendeten äpfeln sich den fluchtweg in die autobahnen freigeschossen westwärts in die asphaltlandschaften des unfalls, ihrer tödlichen Vegetation wollen wir uns gern erinnern daß er recht hatte aber eben nur talent wenn ich am fenster stehe die zündholzkopfgroßen brustwarzen in der hand unter dem hemd spüre knötchen gegen kälte und enttäuschung herzwärts und der regen an die scheiben pißt: pausenlos weiß ich, was du meinst, brinkmann aber das ist nicht wichtig, verstehst du ? wir wollen nicht, daß das wichtig ist

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Fünfhundertdreiundzwanzig Meter über Normalnull Teil 1 Gerhard Wagner Jeden Tag zwei Stunden im Freien verbringen, jeden Tag über die Felder zu den Wäldern streifen, nach dem Vogel, dem Reh und dem Fuchs spähen, jeden Tag das Haus beheizen, das Essen aufs Feuer stellen, Holz machen und Geschichten schreiben. Tägliche Zeit zum Träumen und Finden. Die Nachbarn sehen, ein paar Worte mit ihnen wechseln, die wenigen unverbindlichen Beziehungen pflegen. Sich wohl fühlen. Alleine sein. Sein. Hoch über dem Dorf kreist ein Habicht. Immer dichter zieht er seine Spirale über dem Hühnerhof zusammen. Unmerklich sinkt er nach unten ab. Blitzschnell legt er die Flügel an und stößt senkrecht nach unten. Hilflos schreit die geschlagene Henne, verstört gackern die anderen und der Hahn treibt sie in den Hühnerstall. Dort werden sie nebeneinander aufgestellt. Es handelt sich um drei Gefangene männ­ lichen und weiblichen Geschlechts. Die Männer sind fünfundzwanzig und zweiundvierzig Jahre alt, die Frau etwa sechzig. Die Soldaten, keiner älter als dreißig, lachen. Der jüngste Soldat frägt den älteren Mann nach seinem Namen. Er spricht ihn. Als Antwort schlägt ihm der Soldat den Handballen unter die Nase. Das Blut stürzt aus der Nase, der ältere Mann geht in die Knie und hält die Hände vor das Gesicht. Wie er sich bückt, schlägt ihm der Soldat den Gewehrkolben in das Genick. Der Mann bricht zusammen und bleibt ausgestreckt liegen. Die Frau schreit: »Ihr Schweine !« Ein anderer Soldat lächelt sie an: »Warte nur Püppchen, Dich nehmen wir zum Schluß.« Der jüngere Mann stürzt auf einen der Soldaten, dem ein weiterer zu Hilfe eilt und den Jungen von hinten packt. Er drückt ihm die Arme nach oben, der Oberkörper des jungen Mannes beugt sich nach unten. Der vor ihm stehende Soldat schlägt mit seinem Knie gegen das Kinn des jungen Mannes, so daß sein Oberkörper wieder nach oben geschleudert wird. Der Soldat hinter ihm brüllt ihm ins Ohr: »Willst Du wohl gerade stehen ?« Die Frau schreit, drei Soldaten packen sie, drücken sie an die Wand, fesseln und knebeln sie. Dann binden sie sie an einen Stuhl. Ebenso verfahren sie mit dem Älteren, der reglos am Boden lag.

Dann sagt der oberste Soldat: »Macht ihn fertig.« Einer hält den jungen Mann und die anderen schlagen, der Reihe nach, auf ihn ein. Einige schlagen mit der Faust, andere mit dem Fuß. Einer nimmt das Gewehr und schlägt, weit ausholend, den Kolben flach auf die Knie­ scheibe. Der junge Mann wehrt sich nicht. Nun halten ihn zwei Sol­ daten. Sein Gesicht ist blutüberströmt. Aus seinem Mund quillt hell­ roter Schaum. Die Frau wird ohnmächtig. Die Soldaten lachen. Der

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Kommandant sagt: »Laßt ihn liegen.« Dann sagt er zum älteren Mann: »Siehst DU ?« Der ältere Mann schaut weg. Der Soldat nimmt seinen Haarschopf, reißt ihn hoch und schreit ihm ins Gesicht: »Du sollst sehen, habe ich gesagt!« »Und singen soll er,« lacht ein Soldat dazwi­ schen. »Schnauze, jetzt rede ich,« schreit der Kommandant. Dann wendet er sich wieder an den älteren Mann: »Na, willst Du erzählen, wo die anderen sind ?« Der Gefangene antwortet mit Schweigen. »Wie Du willst ..... « und zu einem Soldaten gewandt: »diese verstockte Landbevölkerung.« Der Kommandant geht noch einige Male um den Stuhl des Gefangenen herum, dann dreht er sich blitzschnell um und schreit den Mann an. Sichtbar schreckt er auf, die Soldaten lachen. Die Frau ist wieder aus ihrer Ohnmacht erwacht. »Oder sollen wir uns erst dem Täubchen widmen ?« fragt der Soldat. »Vielleicht überlegst Du es Dir inzwischen.« »Wollt Ihr sie ficken ?« Zuerst antwortet keiner. »Was, Ihr wollt nicht ? Geilt euch auf!« Einer der Soldaten holt aus seiner Tasche eine zusammengefaltete Fotografie. Ein weibliches Ge­ schlechtsteil in Großaufnahme ist darauf zu sehen, die Person, zu der diese Teile gehören, scheint jünger zu sein als die Frau, deren Augen groß und stumm und heftig rollen. Ihr Kopf bewegt sich kaum, sie ist auch am Hals gefesselt. Ein Soldat öffnet seinen Hosenlatz, geht auf seinen Kumpan zu und nimmt ihm das Bild: »Gib mal her !« Er nimmt sein Glied und reibt es solange, bis es steif geworden ist. »Bindet sie auf diese Bank !« befiehlt der Kommandant. Die Frau wehrt sich heftig, nur mit größter Kraftanstrengung gelingt es den Soldaten, die Frau so auf das Bankende zu fesseln, daß ihr Geschlechtsteil bequem für ihn erreichbar ist. Der Soldat mit dem ver­ steiften Glied tritt hinter sie und dringt schnell in sie ein. »Sie macht sich steif«, ruft er zu seinen Kumpanen, stecht ihr doch die Nadel in den Arsch !« Der Kommandant nimmt eine Nadel vom Revers seines Uniformrockes, tritt auf die Frau zu und sticht schnell in ihr Gesäß. Sie schreckt auf wie ein Tier und im gleichen Augenblick stößt der Soldat zu. Die anderen lachen bewundernd. Der Soldat stößt heftig. Seine Bewegungen werden weit und tief. Er beugt sich über sie. Er stößt heftig im Rhythmus. Die anderen johlen, brüllen und lachen, einer fängt an zu klatschen, der Soldat übernimmt den Rhythmus des Klatschens und mit dieser Begleitmusik vollendet er seine Tat. Dann beugt er sich hoch und sagt, während er sein Glied aus der blutigen Scheide nimmt, »der Nächste bitte ..... « Und dieser hat das Bild erst gar nicht in die Hand nehmen müssen. Lachend steht er vor ihrem Körper. Der Kommandant unterbricht ihn und sagt: »Sie ist zwar jetzt schön naß, aber fragen wir doch zuerst mal den Herrn, ob er nicht so nett sein will, das Schlupfloch dieser Dreckschweine zu verraten !« Der Mann hat der Vergewaltigung nicht zugesehen, er blickt noch immer zu Boden. »Na, soll’n wir ihn mit der Nadel zupfen ?« fragt lachend der Kommandant seine Soldaten. »Nein, wir wollen ficken«, schreien die anderen. »Fickt euch selbst.« Dann nimmt er die Hand des Mannes

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und hält sie in das Licht des Fensters. Dann sagt er ruhig: »Hat der dreckige Fingernägel.« Er nimmt seine Nadel wieder vom Revers und fährt fort: »Wir wollen nur die Fingernägel putzen, sag, wenn’s weh tut!« »Verstanden !«, brüllt er ihm noch ins Gesicht. Dann sticht er mit der Nadel senkrecht in die Spalte zwischen Daumennagel und Daumenkappe. Die Hand des Mannes zuckt. »Nur ruhig, es tut doch gar nicht weh !« Zu einem Soldaten gewandt: »Haltet mal die Hand, aber fest.« Dann nimmt er sein Messer aus der Scheide und klopft vor­ sichtig auf den Kopf der Nadel. Der Mann schreit. »Nicht so laut,« ermahnt ihn der Kommandant: »sag lieber, wo ihr Schweine euch ver­ steckt habt!«

Das Gesicht des Mannes ist schweißgebadet. Er stöhnt und heult. Der Kommandant klopft erneut gegen den Nadelkopf, dann schlägt er mit einem Male so fest auf die Nadel, daß sie bis zum ersten Daumen­ gelenk hinunterfährt. Der Mann brüllt und brüllt und aus seinem Brüllen vernimmt der Kommandant die Worte: »Ja, ich will, ja, hört auf, hört auf, ich werde alles sagen, hört auf, bitte.« Der Kommandant zieht die Nadel aus dem Daumen, sagt »sehr klug, sehr klug ...« dann holt er einen Schreibblock und nimmt seinen Stift aus der Jackentasche. Der Alte beschreibt stockend die Lage des Verstecks. Der Komman­ dant schreibt genau mit. »Wehe wenn das nicht stimmt!« droht er ihm. Der Gefangene hat nun alles gesagt was er weiß, der Kommandant be­ fiehlt: »Erschießen. Ihn lassen wir, er wird uns zum Versteck bringen.« Ein Soldat ruft enttäuscht: »Schon gehn ?« »Ja, Jungs, wir haben keine Zeit zu verlieren. Gebt der Vettel den Gnadenschuß, dem anderen auch. Und fesselt ihn mir ja gut 1« Die Soldaten nehmen ihre Pistolen und schießen der Frau in den Kopf. Dann dem anderen Gefangenen. Die anderen fesseln den Überlebenden so, daß er gehfähig ist. Bald ist der Trupp abmarschbereit. Im Gehen summt der Kommandant: »Auf gehts zum Kommunistenschießen ?«

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Fünfhundertdreiundzwanzig Meter über Normalnull Teil 2 An einem Frühlingstag ging sie bei Sonnenschein den Berg hinauf. Von dort aus konnte sie die Stadt mit ihren Fabriken und glitzernden Büro­ häusern überblicken und wenn sie ihren Blick schweifen ließ, lag unter ihr auch die weite Landschaft. Im Hintergrund die blaugrün ruhenden Berge, sanft ins Unendliche verschwindend, davor Wälder und Felder, ein Fluß, Alleen und Dörfer, Wiesen, Teiche und Gärten. So stand sie lange im lauen Frühlingswind und spürte nicht, wie sich vor ih der Himmel öffnete. Lautlos wich das Blau zurück und eine riesige Treppe schob sich heran. Wie selbstverständlich trat sie auf die Treppe zu, setzte ihren Fuß auf die erste Stufe, die zweite Stufe.....und mit jedem Schritt, den sie nach oben tat, verflüchtigte sich ihr Gewicht. Leicht, körperlos schritt sie hinauf, die Luft wurde mild und kühl zugleich, ein sachter Wind bewegte ihre offenen Haare. Sie verlor die Zeit, denn wie sie endlich nach oben gekommen war, meinte sie, schon Tage unter­ wegs gewesen zu sein, obgleich keine Sekunde verstrich.....

Mit einem Male stand sie in einem riesigen Dom. Wie die Pfeiler und Verstrebungen einer gotischen Kathedrale wuchsen die Wände in die Höhe, nur daß sie nicht aus grauem Stein, sondern von gleißendem, goldweißen Licht waren. Weit weit oben konnte sie erkennen, wie die Bögen zusammenwuchsen und das Dach schlossen, durch eine riesen­ hafte Rosette strömten die Spektralfarben. Leise ertönte Musik, sie schwoll an, wurde deutlich und deutlicher, bis sie einen Choral heraus­ hörte, der aus einer Orgel mit Tausenden von Pfeifen hervorklang. Die tiefen Töne verwandelten sich in dunkles Blau, die mittleren Stimmen hinterließen braune und rote, ständig miteinander verquirlende Farb­ streifen, während die hellen Klänge in munter sprudelndes Gelb, ja in ein Weiß, heller als das der Diamanten sich verwandelten. Sie durch­ schritt den Raum, eine schwerelose, leise Stimme über ihr hieß sie will­ kommen und aus den Nischen der Halle sah sie Menschen hervor­ treten. Alterslos und in weiche, fließende Gewänder gekleidet, traten sie einige Schritte vor und blieben dann, einen Halbkreis bildend, in einiger Entfernung vor ihr stehen. Sie erkannte die Menschen. Lächelnd standen sie vor ihr: All diejenigen, die ihr lieb gewesen waren, die sie verloren hatte, die sie vergessen hatte lange bevor sie jenen Spaziergang auf den Berg gemacht hatte. Sie spürte eine so helle Freude, daß sie glaubte, ihre Brust würde zerspringen. Auf die Men­ schen zustürzen wollte sie, jeden Umarmen, doch leicht, fast schwebend stand sie da und bemerkte, daß sie gar kein Herz mehr schlagen hörte, daß es keine Brust mehr gab, die zerspringen könnte, daß sie ein körperloses Wesen geworden wie die andern, daß sie angekommen, ihr Ziel erreicht, den Frieden erreicht und langsam schritten sie alle hinaus, getragen von einem breiten, heißen Strom der Zuneigung....

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Draußen erblickte sie eine Landschaft, die weiter, lieblicher, sanfter, ruhiger und schöner war als alles, was sie jemals zuvor gesehen. Ein sanfter Bach, von Bäumen gesäumt, schlängelte sich durch eine von Blumen übersäte Wiese. Dahinter stieg ein leichter Hügel an, vom Waldesrand hingen schwere, belaubte Äste über den Weg, Eichen, Buchen, Fichten, Tannen, Hecken, Büsche, Sträucher, alles blühte und grünte aufs Üppigste und doch war keine Spur des Überdrusses. Lerchen zwitscherten über den wehenden Lüften, Amseln schlugen, aus den Büschen trillerte es, ein Summen war in der Luft, der Bach plätscherte und gluckste, murmelnd trieb das schnelle, klare Wasser, übersprang Steine, fing sich in Strudeln und stand in dunklen Nischen, wo Fische ruhig zitterten. Ein Lächeln überflog ihr Gesicht, wie sie langsam erkannte, daß ihr all dies zur Verfügung stünde, daß es ihr gehörte genauso wie es ihr nicht gehörte, daß es niemandem gehörte, keinem, allen, jedem Wesen das ihr jemals begegnete, jedem noch ungeborenen Menschen genauso wie jenen, die schon lange bevor sie selbst die Welt erblickte, hier oben weilten.

So ging sie den Weg entlang, und weit vor ihr, getrennt durch viele Windungen, erkannte sie einen Menschen. Einen dunklen Punkt, einen kleinen Fleck in der Landschaft, von dem sie nicht wußte, ob er sich bewegte, und wenn, ob er sich fort oder auf sie zu bewegen würde. Sie beschleunigte ihren Schritt, so als ob sie angezogen wäre von der Gestalt, die ihr, wie sie nach und hach bemerkte, entgegenkam. Erneut verlor sie die Zeit, erneut glaubte sie eine halbe Ewigkeit sei vergangen. Eine weitere Ewigkeit lang glaubte sie, abermals zer­ springen zu müssen vor Glück: Der Mensch, den sie zuerst nur als Punkt, dann als Person, als Spaziergänger auf sich zukommen sah, war sie selbst, ihr Äußeres, genau so, wie sie sich aus ihrer Jugend kannte. Daß sie sich gar nicht entgegenkam, sondern schon immer vor ihr stand, in voller Größe vor ihr stand, erkannte sie ebensowenig wie die Tatsache, daß gar keine Zeit vergangen war. Über die Maßen glücklich erkannte sie sich selbst und sie spürte, daß ihr Wesen in diese Person gehörte, daß sie in diese fleischliche Hülle nahtlos hineinpaßte. Sie verschmolz mit sich selbst, erfüllte jede Faser mit ihrem Wesen und, eins geworden mit sich selbst, konnte sie nichts anderes, als sich nieder­ zusetzen ins duftende Gras. Dort schlummerte sie unmerklich ein und kurz bevor sie hinübersank, wußte sie, was kommen wird: sie ver­ wandelte sich in eine Hecke, die fortan zu dieser Landschaft gehörte, genauso wie es all die Anderen zuvor auch schon taten. Lange stand sie auf dem Rücken des Berges. Die Stadt mit ihren glitzernden Bürohäusem, mit ihren Fabriken und Straßen, die Dörfer, die Wälder und die Welt hält uns nicht ab zu träumen.

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TRANSIT WEINBAUER-ROLANDSECK Manfred Ach

Fahren wir nach Straßburg zum Kotzen, sage ich. Fahren wir nach Thanning zum Schiffen, sagt Dürrmeier. Fahren wir nach Stromboli hinauf, sagt Heininger. Fahren wir zum Mond hinunter, sagt Dossi. Scheiße, sagt Heim, fahren wir ins Rolandseck. Trinken wir erst noch eins, sage ich. Und dann gehen wir, sagt Dürrmeier. Hinüber, sagt Heininger. Querdurch, sagt Heim. Langsam, sage ich. Ex, sagt Dossi.

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KÖNIGLICH Manfred Ach

Weiß eröffnet scharf und zweischneidig. Schwarz schlägt voll in die Flanke. Weiß bricht auf der g-Linie durch. Schwarz drückt den Damen­ flügel ein. Weiß kontrolliert die Brettmitte. Schwarz stemmt sich auf d5 entgegen. Weiß schwächt den Stützpunkt e6. Schwarz vergiftet den Bauern. Weiß räuchert das Nest aus. Schwarz rollt die Frontstellung auf. Weiß bleibt mit der Vorhut auf der Strecke. Schwarz rechnet mit dem Läufer ab. Weiß drückt mörderisch aufs Tempo. Schwarz opfert originell auf b3. Weiß fesselt den Läufer doppelt. Schwarz droht mit tödlichem Abzugsschach. Weiß dreht den Spieß eiskalt um. Schwarz zieht sich mit Sxd4 leidlich aus der Affäre. Weiß erleidet schwere Materialverluste. Schwarz jagt den Springer quer übers Brett. Die vor­ geschobenen Truppen brechen unter dem verheerenden Gegenangriff zusammen. Der weiße Turm fällt auf schreckliche Art. Der schwarze Läufer verhungert auf c6. Weiß kann sich aus der brutalen Um­ klammerung nicht lösen. Schwarz verschleißt rücksichtslos die Türme. Die räuberische Dame strauchelt am heimtückischen Springer. Die geballte Streitmacht zersplittert den geschwächten Königsflügel. Schwarz schießt sich auf g3 ein. Weiß wirft noch einmal alles nach vorne. Das glänzende Damenopfer erzwingt einen Positionsvorteil. Schwarz schickt die Bauern ins Feuer. Weiß verheizt die letzten Reserven. Schwarz schnürt den Feind erbarmungslos ein. Der Springer stirbt im Kesseltreiben. Die Festung ist geknackt. Weiß bäumt sich noch einmal auf. Schwarz ermattet den König und erstickt ihn. Schach beruhigt.

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INHALT

Vorbemerkung

5

Günter Herburger Aufgerissene Gräber

6

Peter Rosei Eine Geschichte

9

Gerhard Falkner Aufzeichnungen aus einem kalten Vierteljahr

14

Helmut Bronnenmeyer Drei Gedichte

27

Fitzgerald Kusz Rund-um-den-Wannsee-Gedicht

30

Helmut Meyer Variationen über Intschu-tschunas Tod

33

Ludwig Fels Start ins Ende

38

Nadu Schmidt Drei Gedichte

41

Wolf Klaußner Es freit ein wilder Wassermann

42

Gerhard Falkner Vier Gedichte

76

Gerhard Wagner Fünfhundertdreiundzwanzig Meter über Normalnull

79

Manfred Ach Transit Weinbauer-Rolandeck, Königlich

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Günter Brus Heilige St. Moritz

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DIE AUTOREN

Günter Herburger, Jahrgang 1932, lebt in München. Veröffentlichungen: u.a. zuletzt ‘Die Eroberung der Zitadelle’ (1972) ‘Operette’ (1973). Peter Rosei, Jahrgang 1946, lebt in Bergheim bei Salzburg. Veröffentlichungen: u.a. zuletzt ‘Entwurf für eine Welt ohne Menschen’, ‘Klotz spricht mit seinem Anwalt’, ‘Landstriche’ (alle 1975). Gerhard Falkner, Jahrgang 1951, lebt in Nürnberg. Helmut Bronnenmeyer, Jahrgang 1955, lebt in Lauf bei Nürnberg. Veröffentlichungen in ZET und Collage.

Fitzgerald Kusz, Jahrgang 1944, lebt in Nürnberg. Veröffentlichungen: u.a. ‘momg sixtäs suwisu nimmä’ (1973), ‘kehrichdhaffn’ (1974 im Verlag Klaus G. Renner), ‘Fünf Fastnachts­ spiele von Hans Sachs’ (1976 im Verlag Klaus G. Renner). Helmut Mayer, lebt in Augsburg als Lehrer. Veröffentlichung: ‘Transpiration’ (1974) Ludwig Fels, Jahrgang 1946, lebt in Nürnberg. Veröffentlichungen: ‘Anläufe’ (1973), ‘Platzangst’ (1974), ‘Ernüch­ terung’ (1975 im Verlag Klaus G. Renner), ‘Die Sünden der Armut’ (1975). Nadu Schmidt, Jahrgang 1941, lebt in Nürnberg. Veröffentlichungen: u.a. im Bayerischen Rundfunk

Wolf Klaußner, Jahrgang 1930, lebt in Brunn bei Nürnberg. Veröffentlichungen: ‘Die Hochzeit des Origenes’ (1973), ‘Die schöne Müllerin’ (1975 in Nürnberger Blätter für Literatur 1) Gerhard Wagner, Jahrgang 1950, lebt in Nürnberg. Veröffentlichungen: ‘Anhäufungen’ (1971), ‘Schönes Wochenende’ (1975).

Manfred Ach, Jahrgang 1947, lebt in Grünwald/München. Veröffentlichungen: ‘Moratorium’ (1973), ‘Percussion - langes Ge­ dicht für Pietro Valpreda’ (1974), ‘Beste Empfehlungen’ (1974), ‘An der Nase des Mannes erkennt man den Johannes’ (1975).

Günter Brus, Jahrgang 1938, lebt in Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen: u.a. ‘Irrwisch’ (1971), Herausgeber der ‘Schastrommel 1 - 12’ (1969-1974) und der ‘Drossel’ (ab 1975). Annette Engerer, Jahrgang 1954, lebt in Nürnberg. Studium an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg.

NACHBEMERKUNG

Erst bei Drucklegung dieser Ausgabe wurde dem Herausgeber und dem Verlag bekannt, daß die Autoren Herburger und Rosei ihre Bei­ träge gleichzeitig in Zeitschriften der Verlage Rowohlt und Wester­ mann veröffentlichten.

G.W.

Nürnberger Blätter für Literatur Heft 2/1976 herausgegeben und begründet von Gerhard Wagner

Fotosatz und Offsetdruck: Reichenbach KG, Nürnberg Bindearbeiten: Otto Albang, Nürnberg Einmalige Auflage: 500 Exemplare • bei den Autoren ISBN 3 921499 11 9

Manuskripte an den Herausgeber: Gerhard Wagner, Königstr. 65/67, 8500 Nürnberg

Bestellungen an den Verlag: Verlag Klaus G. Renner, Österreicher Str. 15, 8520 Erlangen