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German Pages 168 Year 2016
Stine Marg, Katharina Trittel, Christopher Schmitz, Julia Kopp, Franz Walter NoPegida
X T E X T E
Stine Marg (Dr.), geb. 1983, arbeitet am Institut für Demokratieforschung zu den Themen Protest sowie politische Einstellungen und ist Mitherausgeberin der BP-Gesellschaftsstudie. Katharina Trittel, geb. 1984, arbeitet am Institut für Demokratieforschung zu den Schwerpunkten Nationalsozialismus und Geschichte der Bundesrepublik. Christopher Schmitz, geb. 1988, arbeitet am Institut für Demokratieforschung zu den Themen Protest und Netzkultur. Julia Kopp, geb. 1986, arbeitet am Institut für Demokratieforschung zu den Themen Protest und Zivilgesellschaft. Franz Walter (Prof. Dr.), geb. 1956, ist Leiter des Instituts für Demokratieforschung in Göttingen sowie Herausgeber von »INDES. Zeitschrift für Politikwissenschaft und Gesellschaft«. Er publiziert vor allem zur Geschichte und Entwicklung der deutschen Parteien, u.a. regelmäßig auf SPIEGEL ONLINE.
Stine Marg, Katharina Trittel, Christopher Schmitz, Julia Kopp, Franz Walter
NoPegida Die helle Seite der Zivilgesellschaft?
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Inhalt
1. Einleitung und Fragestellung | 7 1.1 1.2 1.3 1.4
No-Was? | 7 Forschungsstand | 10 Studiendesign | 12 Wer wurde befragt? | 15
2. Orte des Protests | 23 2.1 Dresden | 23 2.1.1 Residenz, Kultur, Exzellenz und Opfer: Die Leiterzählungen Dresdens | 23 2.1.2 Netzwerke und Organisation der Gegenproteste in Dresden | 25 2.2 Karlsruhe | 31 2.2.1 Privilegienbrief, Integrationsgeschichte und »Residenz des Rechts« – das Selbstbild Karlsruhes | 31 2.2.2 Netzwerke und Organisation der Gegenproteste in Karlsruhe | 32 2.3 Frankfurt | 35 2.3.1 Die Bewegungsmetropole, die keine mehr ist: Frankfurt a.M. | 35 2.3.2 Netzwerke und Organisation der Gegenproteste in Frankfurt | 36 2.4 Leipzig | 39 2.4.1 Die Metropole, die wieder in Bewegung ist: Leipzig | 39 2.4.2 Netzwerke und Organisationen der Gegenproteste in Leipzig | 41 2.5 Ähnliche Organisationsstrukturen trotz unterschiedlicher politisch-kultureller Traditionen | 45
3. NoPegida und das Verhältnis zu Gewalt und Polizei | 55 4. Selbstverständnis und Selbstwahrnehmung | 63 4.1 Protestmotivation | 63 4.2 Politische Verortung zwischen »links« und »rechts« | 67
5. Gesellschaftsbild und Werteordnung von NoPegida | 73 5.1 Sicht auf die Gesellschaft und ihre Gestaltbarkeit | 73 5.2 Welche Werte strukturieren die Vorstellungen der NoPegida-Demonstranten? | 76 5.3 Bürgerrechte und Bürgerpflichten | 81 5.4 Selbstverortung innerhalb der Gesellschaft und: wer wird aktiv? | 82 5.5 Feindbild Pegida | 86 5.5.1 Konstruktionen über den Pegida-Anhänger | 86 5.5.2 »Besorgte Bürger« oder »Neonazis«? | 93 5.5.3 Gehört Pegida zur Demokratie? | 96 5.6 Elementare Werte auf dem Prüfstand: Gleichheit und (Meinungs-)Freiheit | 98
6. Die Sicht von NoPegida auf die Politik | 103 6.1 Einstellungen zu Politik, Parteien und Politikern | 103 6.2 Die Gretchenfrage: Wie halten Sie es mit der Demokratie? | 111 6.3 Was bedeutet Ihnen der Staat? | 116
7. NoPegida und ihr Verhältnis zu den Medien | 119 8. Konklusion | 125 8.1 NoPegida – eine spontane Reaktion auf die »Patriotischen Europäer«? | 125 8.2 Historische Quellen des kollektiven Selbstverständnisses | 130 8.3 Der NoPegida-Aktivist als verantwortungsvoller und partizipierender Staatsbürger? | 133 8.4 NoPegida und die Schattenseiten des Toleranzpostulates | 140 8.5 Versuch einer Typisierung der NoPegida-Demonstranten | 142 8.6 NoPegida – Die helle Seite der Zivilgesellschaft ? | 144
9. Literaturverzeichnis | 149 9.1 Literatur | 149 9.2 Onlineressourcen | 154
1. Einleitung und Fragestellung 1.1 N o -W as ? Seit Herbst 2014 und somit seit den Protesten der Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) waren deutschlandweit bald Gegenstimmen zu vernehmen, die landläufig als NoPegida-Bewegung bezeichnet wurden. Während sich von Dresden ausgehend in zahlreichen anderen Städten Menschen versammelten, die ihren Unmut und Hass gegen religiöse Minderheiten, gegen die »Lügenpresse« und gegen die »Volksverräter« zum Ausdruck bringen wollten1, traten ihnen, zunächst nicht an allen Orten der Pegida-Versammlungen und nicht immer in der Mehrheit, Menschen entgegen, die das Ansinnen der Pegida-Anhänger entschieden zurückwiesen. Als No-, Anti- oder Gegen-Pegida-Demonstrant stellte man sich gegen Hass, Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit und trat ein für Weltoffenheit, Freiheit, Gleichheit, Toleranz und Solidarität. NoPegida stand – zumindest im Sommer 2015 – für eine funktionierende Zivilgesellschaft, die eine »Willkommenskultur« für Migranten vorlebte. Ein Umstand, der immer wieder von Politikern, Journalisten, Schauspielern, Sängern, Gewerkschaftern, Kirchenvertretern oder anderen etablierten Organisatoren der Zivilgesellschaft betont wurde. Im Kontrast dazu ist Pegida Ausdruck von Ablehnung, Intoleranz und Rassismus Flüchtlingen gegenüber. Auch wenn die Aufrufe der Pegida-Organisatoren außerhalb von Dresden zu Beginn des Jahres 2016 nur noch eine Handvoll Anhänger anziehen und in Sachsen selbst bei weitem nicht mehr so viele Personen wie im Dezember 2014 und Januar 2015 mobilisiert werden können, blieben die NoPegida-Demonstrationen – insbesondere angesichts der rasant gestiegenen Flüchtlingszahlen in Deutschland im Laufe des Jahres 2015 – ein wichtiges Zeichen. Während einerseits die zunehmende Gewalt gegen die Unterkünfte von Asylbewerbern und die zahlreichen rassistischen Kommentare in den sozialen Medien als Folge von Pegida gedeutet werden, interpretieren andere die Hilfsaktionen der Bevölkerung für ankommende Flüchtlinge und die »Willkommensfeste« als Ausdruck von NoPegida. NoPegida gilt damit gemeinhin als Repräsentant einer »guten« Zivilgesellschaft, die links(-liberal) statt rechts, demokratisch statt
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NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t?
antidemokratisch, pluralistisch statt egalitär ist. Mit den zahlreichen und teilweise gut besuchten Aktionen von NoPegida gelang es – zumindest in der medialen Wahrnehmung – die Bewegung der »Patriotischen Europäer« öffentlich zu delegitimieren. Auch aus dieser Erfahrung heraus verspricht man sich von NoPegida eine positive Wirkung auf den demokratischen Gehalt der bundesrepublikanischen Zivilgesellschaft. Doch die Frage, ob die Anhänger und Aktivsten, die sich unter dem Oberbegriff NoPegida versammelten, tatsächlich der »bessere« Teil der Zivilgesellschaft sind, kann nur beantwortet werden, wenn man ihre Wahrnehmung und Bewertung von Politik, Demokratie und Gesellschaft kennt, wenn man den Deutungshorizont ihres Wertekanons aufspürt, wenn man sich die Organisatoren der Proteste genauer anschaut. Was treibt die Menschen an, die sich öffentlich gegen Pegida positionieren? Was sehen sie in der Dresdner Bewegung? Darüber hinaus muss nach der Motivation und Selbstwahrnehmung der Protestierenden gefragt werden: Fühlen sie sich selbst als Teil einer »besseren Gesellschaft«, möglicherweise sogar als Repräsentanten der Mehrheitsgesellschaft, während in ihren Augen Pegida nur für ein Fragment der bundesrepublikanischen Bürger steht – oder basiert diese Hypothese lediglich auf Fremdzuschreibungen? Begreifen sich die Aktivsten selbst als Fackelträger des »hellen« Deutschlands, während Pegida für sie ein Teil »Dunkeldeutschlands« ist 2, verspüren sie selbst eine moralische Überlegenheit gegenüber denjenigen, gegen die sie demonstrieren? Und: Sind die NoPegida-Aktivisten wirklich Auslöser und Motor der zahlreichen »Willkommensinitiativen«, organisierter Aktionen, die ankommende Flüchtlinge an Bahnhöfen oder Unterkünften mit Decken, Getränken und wärmerer Kleidung empfingen, gewesen, wie gemeinhin unterstellt wird? Zwar stößt man vereinzelt auf solche Zusammenschlüsse, doch deuten neueste Untersuchungen der Zivilgesellschaftsforschung darauf hin, dass es eine »zunehmende Abkoppelung von Protest und zivilgesellschaftlichen Engagement« gibt,3 was ein Anhaltspunkt dafür sein könnte, dass NoPegida eher Ausdruck eines kurzfristigen denn eines nachhaltigen politischen und gesellschaftlichen Engagements ist. Dieser Hinweis macht ein genaueres Hinschauen erforderlich, insbesondere wenn man die Frage stellt, ob all das, was unter dem Phänomen NoPegida so positiv begrüßt wurde auch über das Jahr 2015 hinoaus tragfähig sein kann. Neben der Binnensicht von NoPegida müssen die Mobilisierungen auch gesamtgesellschaftlich eingeordnet werden. Es stellt sich die Frage, ob die Proteste in den verschiedensten Städten gegen Pegida Ausdruck der Stadtgesellschaft beziehungsweise der Mehrheitsgesellschaft sind, oder nur, wie oftmals bei Demonstrationen und Protest üblich, ein öffentliches In-Erscheinung-Treten von Minderheitenmeinungen. Wie kommt es überhaupt, dass die Demonstranten von NoPegida beispielsweise in Dresden oder Chemnitz häufig in der Minderheit sind, während sich in anderen Gemeinden und Städten, wie Mün-
1. Einleitung und Fragestellung
chen, regelmäßig mehrere tausend NoPegida-Aktivisten knapp hundert Pegida-Anhängern in den Weg stellen? Wann und unter welchen Voraussetzungen ist der Gegenprotest erfolgreich, nicht nur hinsichtlich medialer Deutung und Präsenz, sondern auch in numerischer Überlegenheit? Insbesondere zahlreiche Lokalpolitiker reklamieren mit Verweis auf »ihre« NoPegida-Proteste eine funktionierende Zivilgesellschaft und bezeichnen demgegenüber die örtlichen Pegida-Läufer oftmals als Demonstrationstouristen, die nicht aus der eigenen Stadt oder Gemeinde kämen.4 Entspricht diese Wahrnehmung den realen Gegebenheiten? Und ist die Legitimation, die den NoPegida-Protesten durch die öffentliche Unterstützung und Zustimmung aus beinahe allen parteipolitischen Lagern 2015 entgegengebracht wurde, gerechtfertigt? Immerhin gehen einige Kommentatoren und Forscher sogar soweit, dem Protest gegen Fremdenfeindlichkeit aus der Mitte der Zivilgesellschaft weitaus mehr Wirkung zuzubilligen als Aktionen und Statements der Politik insgesamt.5 Auch daher ist ein genauerer Blick auf die Motive von NoPegida lohnenswert, ebenso wie die Frage, was die Protestierenden unter Freiheit, Gleichheit, Weltoffenheit und Toleranz verstehen, wie sie Antirassismus konnotieren, wie es um ihr Verhältnis zum Staat, zur Polizei und letztlich zur Gewalt bestellt ist, aber auch, wie sie Pegida interpretieren. Insbesondere im Vergleich zu den Pegida-Demonstranten, über die zahlreiche Studien erstellt worden sind6, wissen wir über die NoPegida-Teilnehmer so gut wie gar nichts. Angesichts all der Erwartungen hinsichtlich einer positiven Auswirkung auf die Zivilgesellschaft, die auf den NoPegida-Akteuren lasten, müssen diese Wissenslücken geschlossen werden. Dies ist umso wichtiger, wenn man den Befund aus der Bewegungsforschung berücksichtigt, dass wenig darüber bekannt ist, »wie sich spezifisches politisches Wissen auf das politische Partizipationsverhalten auswirkt« 7. NoPegida ist eine Gegenbewegung zu Pegida, eine Abwehrreaktion einer gesellschaftlichen Teilgruppe gegenüber einer anderen. Daran schließt sich die Frage an, ob die Mobilisierung somit ausschließlich aus einer Negation heraus entsteht oder ob hier noch andere Faktoren eine entscheidende Rolle spielen. Ist der Protest von NoPegida unter diesen Umständen tatsächlich Ausdruck einer aktiven Bürgergesellschaft oder nicht vielmehr Symbol des Bewahren-Wollens, einer Dagegen-Mentalität, wie sie schon den so genannten »Wutbürgern« unterstellt worden ist?8 Glauben die NoPegida-Aktivisten an die prinzipielle Gestaltbarkeit und an Verbesserungsmöglichkeiten der Gesellschaft, wie es den Akteuren von sozialen Bewegungen gemeinhin nachgesagt wird,9 oder ist ihre Sicht der Dinge unter diesen Umständen gar eher als reaktionär zu bezeichnen? Auch kann bezweifelt werden, ob im Zusammenhang von NoPegida überhaupt von einer breiten Front der Zivilgesellschaft gesprochen werden kann, die sich Pegida entgegenstellt, wenn sich die Organisatoren in einigen Städten gegenseitig blockieren, zeitgleich meh-
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rere Gegenproteste unter verschiedenen Initiativen anmelden, gemeinsame Netzwerke und Bündnisse gegen Pegida nur schwer schließen können. Interessant ist auch, dass es einigen NoPegida-Veranstaltern offenbar gelingt, die ansässige Wirtschaft in den Protest gegen Pegida miteinzubinden, wie beispielsweise in Braunschweig, während dies in anderen Städten so gar nicht gelingen mag. Welche Faktoren spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle? Auch hier bedarf es einer Differenzierung, bevor ein Urteil gefällt werden kann. Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, was Demonstrationsaktivisten von NoPegida tatsächlich unter Demokratie verstehen, wenn eines ihrer obersten Ziele ist, Pegida »nicht laufen zu lassen«, die »Hoheit der Straße« unter keinen Umständen abzugeben und die genehmigten Demonstrationen zu blockieren. Wie demokratisch ist es, das Recht auf Demonstrationsfreiheit der anderen zu beschränken? Und inwiefern ist das mit dem eigenen Wertefundament und dessen postulierter Allgemeingültigkeit vereinbar? Wie weit haben sich einige NoPegida-Demonstrationsanmelder, die mitunter aus dem linken bis linksextremen Spektrum kommen, von geltenden Verfassungsnormen entfernt? Dieses vorweg: NoPegida ist extrem vielfältig und muss auch in dieser Heterogenität untersucht werden. NoPegida fungiert demnach nur als Chiffre, die für zahlreiche Proteste in unterschiedlichen Städten steht, die jeweils von anderen Akteuren und Netzwerken organisiert werden und die sich teilweise auch unterschiedlich benennen.
1.2 F orschungsstand Die Aktionen von NoPegida sind in erster Linie Protest. Darüber, wie man diesen im Rahmen einer repräsentativen Demokratie beurteilen kann, wird spätestens seit den »Stuttgarter Wutbürgern« intensiv diskutiert. Für die einen unterminiert jede Art von politischem Protest die demokratische Herrschaft und ist Ausdruck eines »Vertrauensschwundes« ohne »dauerhafte Bindungen« und »belastbare politische Loyalitäten«10, für die anderen ist Protest ein Zeichen einer aktiven Zivilgesellschaft, der als »demokratische Produktivkraft« den »Modus repräsentativer Demokratie auf fruchtbare Weise ergänzt«.11 Unabhängig davon ist Protest ein »Kommunikationsereignis«, in dem die individuelle Wahrnehmung von gesellschaftlichen Krisen verarbeitet und der latente Konflikt in manifesten Protest überführt wird.12 Dabei muss auch hinterfragt werden, ob der Konflikt zwischen Pegida und NoPegida Ausdruck einer (neuen, großen?) gesellschaftlichen Spaltung ist, die die Gesellschaft zu polarisieren droht.13 Auch wenn in Deutschland, seit den Protesten gegen den Stuttgarter Bahnhof 2010, das Verhältnis zu Protest öffentlich wieder neu ausgelotet wird, scheinen sich die NoPegida-Demonstranten doch stark von den
1. Einleitung und Fragestellung
Protesten gegen städtische Infrastrukturprojekte oder gegen Windkraftanlagen zu unterscheiden. Diese neuen, hier als »Bürgerproteste« bezeichneten Mobilisierungen sind bisher intensiv am Göttinger Institut für Demokratieforschung untersucht worden und sollen daher hier teilweise auch immer mit den NoPegida-Protesten kontrastiert werden, auch um Gemeinsamkeiten und Unterschiede der bundesrepublikanischen Protestkultur im 21. Jahrhundert zu eruieren. Denn während die Bürgerprotestler vorwiegend mit dem staatlichen Handeln unzufrieden sind und nach den »richtigen Lösungen« suchen, beziehungsweise die repräsentative Demokratie am liebsten durch eine (in ihrem Sinne entscheidende) Expertokratie austauschen möchten14 und damit für zahlreiche Beobachter die Entpolitisierung vorantreiben, bringen die NoPegida-Aktivisten moralische Werte und Tugenden gegen die Pegida-Organisatoren in Stellung. Damit geht es in der öffentlichen Debatte nicht mehr um Eigenlogiken und Sachzwänge, sondern um Werte und Moral, was letztlich eine Repolitisierung der Öffentlichkeit bedeuten könnte. Innerhalb der Forschung über sozialen Bewegungen lassen sich die NoPegida-Proteste als Mobilisierung und Protest von und für Migranten einordnen, die an sich keine neue Erscheinung sind und »in vielen Fällen durch ausländerfeindliche Haltungen und Aktionen ausgelöst« wurden.15 Im Vergleich zu anderen Protesttraditionen, wie beispielsweise Demonstrationen für Frieden oder Arbeiterproteste, hat die Mobilisierung für Migranten jedoch eher eine kurze Traditionslinie. Frühere Migrationswellen, wie die Einwanderung der Gastarbeiter in den 1960er Jahren, lösten beispielsweise kaum Proteste aus. Dies änderte sich erst signifikant in den 1990er Jahren und den in dieser Dekade zunehmenden ausländerfeindlichen Aktionen. Darauf hin entstand eine gesellschaftliche Gegenmobilisierung, die »von den weitgehend stummen Lichterketten mit Massenbeteiligung über lautstarke Demonstrationen gegen Ausländerfeindlichkeit bis hin zu konfrontationsbereiten Antifa-Gruppen aus der radikalen Linken« reichte.16 Und nicht nur gegenwärtig, sondern auch schon vor 15 Jahren konnten sich diese Proteste einer breiten zivilgesellschaftlichen und politischen Unterstützung sicher sein. Nach einem Brandanschlag auf eine Düsseldorfer Synagoge im Oktober 2000 rief der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zu einem »Aufstand der Anständigen« auf, während »Programme gegen Rechts« des Bundes und der Länder diesen Appell flankierten. Doch letztlich kann nur eine genaue Untersuchung der Motivation der Teilnehmer von NoPegida-Demonstrationen sowie deren Protestframing, also die Rahmung ihrer Proteste, Aufschluss darüber geben, ob NoPegida tatsächlich als Protest gegen Rechts eingeordnet werden kann und welche anderen Deutungsmuster und Protestmotivationen möglicherweise noch existieren. Aktuell liegen keine Studien über NoPegida vor, wir können nur über thematisch ähnliche Forschungen einige Rückschlüsse ziehen, Hypothesen
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formulieren und Fragen entwickeln. Das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung hat eine erste »explorative Online-Umfrage« unter 460 Ehrenamtlichen in 70 Organisationen zum Thema Flüchtlingsarbeit vorgelegt.17 Sie stellten fest, dass diese ehrenamtlich Engagierten vorwiegend weiblich und gut gebildet sind, einen höheren Anteil mit Migrationshintergrund und eine geringere Religiosität als die Mehrheitsgesellschaft aufweisen, überdies sind viele Jüngere und Studierende in diesem zivilgesellschaftlichen Segment zu finden. »Mit diesem Profil setzt sich die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit weitgehend von anderen freiwilligen Engagements ab.«18 Interessant ist auch, dass die Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen offenbar umso größer ist, desto größer eine Gemeinde, desto urbaner das Umfeld ist und dass mehr Freunde mit Migrationshintergrund ebenso einen positiven Einfluss auf die Bereitschaft zur Arbeit mit Zuwanderern haben.19 Die Autoren der Studie fragten unter anderem auch nach der Motivation für das Ehrenamt. Die meisten gaben an, aktive Gesellschaftspolitik betreiben und eine zivile Willkommensgesellschaft etablieren zu wollen. Ob sich diese Motive bei den NoPegida-Aktivisten auch finden oder möglicherweise ganz andere Demonstrationsgründe vorhanden sind, wird die vorliegende Untersuchung zeigen.
1.3 S tudiendesign All diese komplexen Fragen sind nur mit einem mehrteiligen Studiendesign beantwortbar, insbesondere, wenn ein Phänomen untersucht werden soll, das ad hoc und kurzfristig auftaucht und dessen Akteure sowie Strukturen weitgehend unbekannt sind. Ohnehin ist Protest als Ausdruck von Widerstand kein leicht zu erforschender Gegenstand, nicht nur, weil das Objekt an sich fluide ist, sondern auch, weil die Akteure, die Organisatoren und Sympathisanten wechseln. Hinzu kommt, dass diese oftmals aus grundsätzlichen Erwägungen heraus – immerhin äußert man öffentlich Widerspruch – wissenschaftlichen Befragungen und Beobachtungen skeptisch bis ablehnend gegenüber stehen. Daher haben wir NoPegida mittels einer quantitativen Online-Umfrage und Gruppendiskussionen unter Demonstrationsteilnehmern, Experteninterviews mit Protestorganisatoren, teilnehmender Beobachtung von zahlreichen NoPegida-Veranstaltungen und einer Analyse der Kommentare und Berichte über NoPegida (insbesondere die Fremd- und Selbstdarstellung in einschlägigen Blogs und sozialen Medien) zwischen April und August 2015 systematisch untersucht. Als explorative Vorerhebung stand uns die im Januar 2015 vom Institut für Demokratieforschung durchgeführte Online-Umfrage unter den Teilnehmern von NoPegida-Demonstrationen in Duisburg (am 19. Januar 2015),
1. Einleitung und Fragestellung
Leipzig (NoLegida am 21. Januar 2015) und Braunschweig (NoBragida am 19. Januar 2015) zur Verfügung. Während in Leipzig ca. 20.000 Teilnehmer vermeldet wurden, fanden sich in Braunschweig 8.000 und in Duisburg 4.000 Menschen gegen Pegida zusammen. Auf den Demonstrationen wurden knapp 6.000 Handzettel verteilt, die zur Teilnahme an der Online-Umfrage einluden. Da jeder Demonstrationsteilnehmer theoretisch die gleiche Chance haben sollte, an der Umfrage teilnehmen zu können, haben wir gezielt an Zugangswegen zum Versammlungsort und ggf. während des Demonstrationszuges Flyer angeboten. Insgesamt konnten 743 Personen für die Erhebung gewonnen werden. So war es möglich, einen ersten Einblick in die Teilnehmerstrukturen und Motivationen zu erhalten. Durch die Beobachtung der Medienberichterstattung wurde schnell klar, dass nicht nur die Protestgröße von Stadt zu Stadt stark variiert, sondern dass es offenbar – ebenso wie bei den Pegida-Veranstaltungen – eine Rolle spielt, ob die Demonstrationen in einem westdeutschen oder in einem ostdeutschen Bundesland organisiert wurden. Daher entschieden wir uns zudem, zwei ostdeutsche als auch zwei westdeutsche Demonstrationsorte genauer zu betrachten. Während die sächsischen Städte Leipzig und Dresden aufgrund der Entstehungsorte von Pegida und der zahlenmäßig großen Proteste unmittelbar feststanden, gestaltete sich die Auswahl der westdeutschen Untersuchungsräume schwieriger, da im Frühsommer 2015 die Hausse der Demonstrationen bereits vorüber war. Da jedoch die Teilnehmer für die Gruppendiskussionen unmittelbar auf einer Demonstration anhand eines auf Grundlage der quantitativen Umfrage erstellten groben Quotierungsplanes rekrutiert werden sollten, waren Gruppendiskussionen letztlich in Karlsruhe und Frankfurt möglich. In Braunschweig wurde leider keine nennenswerte NoPegida-Demonstration während des Untersuchungszeitpunktes organisiert. Daher musste hier die Untersuchung nach der Vorerhebung mit teilnehmender Beobachtung, Medienanalyse und Experteninterviews abgebrochen werden.20 Diese umfangreichen Vorerhebungen in den jeweiligen Untersuchungsorten dienten dazu, die Auswahl der Teilnehmer für die Gruppendiskussionen und schließlich deren Durchführung vorzubereiten. Insbesondere die bei den Experteninterviews gewonnenen Informationen über den jeweiligen NoPegida-Protest waren essentiell, um den Ablauf der Gruppendiskussionen zu planen. Gegenstand der insgesamt sieben Interviews mit Experten war die Protestgenese, die Zusammensetzung der Akteure auf Organisationsebene, das Verhältnis zu und die Sicht auf Pegida, die Zusammenarbeit mit Parteien und Politik, gegebenenfalls anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren, die Bewertung der Rolle der Polizei und der Medien. Darüber hinaus wurden die Organisatoren der NoPegida-Proteste nach ihrer individuellen Motivation für ihr Engagement sowie ihrer politischen Sozialisation befragt.
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Gruppendiskussionen beziehungsweise Fokusgruppen werden in Deutschland verhältnismäßig selten zur Erforschung von Protest eingesetzt.21 Dabei nimmt diese Methode die Ausgangsüberlegungen der Bewegungsforschung ernst, dass die Bedingungen für Protest im 21. Jahrhundert schon lange keine Deprivationserfahrungen mehr sind, sondern Protestakteure gut gebildet und ressourcenstark sind. Daher kann die Protestmotivation nicht mehr aus der sozialen Lage oder den gesellschaftlichen Strukturen abgeleitet, sondern muss untersucht beziehungsweise erfragt werden. Auch deshalb geht man davon aus, dass die »soziale Konstruktion von Protest«, also die Herstellung kollektiver Identitäten im Widerstand, in den Mittelpunkt gerückt werden muss.22 Dafür bietet sich die Methode der Fokusgruppe vortrefflich an. Hier werden circa fünf bis zehn Personen durch ein oder zwei Moderatoren mit Themen konfrontiert, die durch einen Ablaufplan vorgegeben sind.23 Ziel ist, unter den Teilnehmern eine selbstläufige Diskussion entstehen zu lassen.24 Die Anwesenden sollen also nicht einzeln befragt werden, sondern in Interaktion miteinander treten, so dass diese wechselseitig Bezug auf das Gesagte nehmen. »Mit Gruppendiskussionen lassen sich kollektive Orientierungen und gemeinsame Wissensbestände, Werthierarchien und Bedeutungsstrukturen der Teilnehmer erfassen. Die Idee hinter der Methode ist, dass das Alltagsbewusstsein und die sich im Gespräch artikulierende und somit öffentliche Meinung weniger abfragbares Wissen, sondern oft subkutane Stimmungen und Gefühlslagen birgt. […] Somit ist die Gruppendiskussion für den Sozialforscher quasi eine Produktionsstätte von in seriellen Befragungen nicht erfassbaren Daten. Die innerhalb einer Diskussion reproduzierten Meinungen, also Sprache, Formulierungen und Ausdrucksweisen, sollen identifiziert und kontrolliert – das heißt nachvollziehbar und von mehreren, sich gegenseitig in der Diskussion kontrollierenden Wissenschaftlern – ausgewertet werden, um herauszufinden, wie die Befragten quasi ihre Realität erfahren und deuten.«25 Dabei waren der Verlauf und oftmals auch die Formulierung der Fragen durch die Moderatoren der jeweils zwei Gruppendiskussionen in Dresden, Leipzig, Frankfurt und Karlsruhe durch den erarbeiteten Themenkatalog identisch. Neben einem thematischen Einstieg über die Frage nach Erlebnissen auf NoPegida-Demonstrationen und dem eigenen zivilgesellschaftlichen Engagement fragten wir nach bestimmten Werten, die den Teilnehmern wichtig sind, nach ihrer politischen Einstellung und nach ihrer Sicht auf Pegida. Die Diskussion über die Wahrnehmung der bundesrepublikanischen Politik und Gesellschaft sowie die Selbstverortung innerhalb des Gemeinwesens wurde über ein kleines Planspiel initiiert. Dabei beschrieb ein der Gruppe ausgehändigter fiktiver Zeitungsartikel den Umstand, dass in einem kleinen Städtchen in der Mitte Deutschlands rasch circa 40 Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Die seit zwei Jahren im Ort nicht mehr genutzte Grundschule soll hierfür her-
1. Einleitung und Fragestellung
gerichtet werden, wird jedoch kurz vor der Fertigstellung der Renovierungsund Umbauarbeiten durch einen Wasserrohrbruch massiv beschädigt. Somit ist die Unterkunft vor Ankunft der Flüchtlinge nicht bezugsfertig. Aufgeteilt in Kleingruppen sollten Lösungsvorschläge und, angebunden an die individuelle Lebenswirklichkeit, mögliches eigenes Engagement anhand dieses Szenarios diskutiert werden. Daran schloss sich ein Gesprächsblock zum Thema Demokratie an, woraufhin die Fokusgruppe, die in der Regel zwischen 120 und 150 Minuten dauerte, mit der Frage nach gesellschaftlichen Wunschvorstellungen und Utopien endete. Zum Abschluss verteilten wir unter den insgesamt 54 Fokusgruppenteilnehmern einen Fragebogen, über den soziodemografische Merkmale, Mitgliedschaften in zivilgesellschaftlichen Gruppen und politische Einstellungen erhoben wurden. Im Anschluss wurden die Gruppendiskussionen nach einfachen Transkriptionsregeln verschriftlicht und mit Hilfe der Software MaxQDA codiert sowie schließlich ausgewertet.26 Dabei wurde nicht nur jede Gruppe für sich analysiert und die insgesamt acht NoPegida-Fokusgruppen untereinander verglichen, sondern es konnte auch auf andere Erhebungen des Instituts mit einem ähnlichen Zugriff Bezug genommen werden. Im Göttinger Institut für Demokratieforschung konnten bisher zahlreiche Fokusgruppen mit den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Milieus durchgeführt werden. Wir haben bislang nicht nur die Politikwahrnehmung und Gesellschaftsbilder von Pegida-Anhängern, sondern auch von Organisatoren zahlreicher anderer Proteste, Grünen-Wählern und Unternehmern erkundet; von Personen, die soziologisch betrachtet aus der gesellschaftlichen Mitte, der Unter- oder Oberschicht kommen. Auf Basis dieses Materials können Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit den artikulierten Meinungen der Demonstrationsteilnehmer von NoPegida wahrgenommen, Auffälligkeiten oder allgemeine Konventionen erfasst werden.
1.4 W er wurde befr agt ? Die knapp über fünfzig befragten Personen der qualitativen Erhebung sind selbstverständlich keinesfalls repräsentativ für alle NoPegida-Demonstranten deutschlandweit. Dennoch lassen sich im Vergleich mit der quantitativen Umfrage unter den Demonstrationsteilnehmern sowie mit den Befunden aus der teilnehmenden Beobachtung durchaus Aussagen über die NoPegida-Teilnehmer treffen. Auffällig ist, und das deckt sich mit den bereits erwähnten Forschungen über zivilgesellschaftliches Engagement für Flüchtlinge, ein relativ hoher Anteil von Frauen auf den NoPegida-Veranstaltungen.27
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NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t?
Geschlecht 55,5% 51,9% 48,1%
44,5%
NoPegida quantitativ
NoPegida qualitativ
männlich
weiblich
Zwar ist in unserer Erhebung die Verteilung des Geschlechts verhältnismäßig ausgewogen, dies ist jedoch nicht nur im Vergleich zu Pegida-Demonstrationen ungewöhnlich, wo wir auf einen deutlichen Männerüberhang stießen, sondern auch im Vergleich zu anderen Bürgerprotesten, bei denen mehrheitlich Männer unterwegs sind. 42,6%
Alter
25,0%
NoPegida quantitativ 19,4%
19,3%
NoPegida qualitativ 15,8%
15,6% 13,0%
13,0%
13,0%
5,6%
16-25
26-35
36-45
4,8%
46-55
56-65
5,6%
über 65
Die Akteure der NoPegida-Proteste sind in der Regel jünger als die sogenannten »Wutbürger«, also beispielsweise die Protestierenden gegen den Stuttgarter Bahnhof, dennoch war der Anteil der 16- bis 25-Jährigen in der qualitativen Befragung noch einmal deutlich höher als in der quantitativen Umfrage. Diese »Überrepräsentation« hat möglicherweise zwei Gründe: Grundsätzlich ist die Rekrutierung der Teilnehmer für eine zwei- bis dreistündige Gruppendiskussion in den Abendstunden bei berufstätigen Personen, die möglicherweise in familiäre und berufliche Verpflichtungen u.ä. eingebunden sind, deutlich schwieriger als beispielsweise bei Studenten. Überdies haben wir uns bei der
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Rekrutierung bemüht um junge Menschen, da wir aufgrund der teilnehmenden Beobachtung den Eindruck hatten, dass der Protest oftmals von einer älteren gemäßigteren Gruppe und einer jüngeren radikaleren Fraktion geprägt war. Während sich, so unsere Erfahrungen in der Erforschung von Protest, erstere leichter für qualitative Forschungsarbeit rekrutieren lassen, gehen letztere oftmals auf Distanz. Diese Spreizung wollten wir durch eine Überrekrutierung im jüngeren Alterssegment ausgleichen und haben überraschend viele junge Personen für die Forschung gewinnen können. Sowohl die Personen aus der qualitativen Befragung als auch diejenigen, die sich an der quantitativen Umfrage beteiligt haben, verfügen mehrheitlich über einen Universitätsabschluss oder streben diesen an. Dies ist – im Vergleich mit den Protestakteuren beispielsweise gegen den Bahnhofsumbau in Stuttgart – keinesfalls überraschend und deckt sich mit den aktuellen Befunden der Protestforschung.28 Bitte nennen Sie Ihren höchsten erreichten Bildungsabschluss! 44,8%
35,2%
25,9% NoPegida quantiativ
NoPegida qualitativ
16,7%
14,1% 11,0% 7,5% 4,2%
5,6%
4,4%
6,1%
5,6%
3,7%
1,9% noch Schüler
Schule beendet ohne Abschluss
Hauptschulabschluss (Volksschulabschluss)
Realschuabschluss (Mittlere Reife)/ Polytechnische Oberschule)
Fachhochschulreife
Berufsschulabschluss
Allgemeine oder Fachgebunde Hochschulreife/Abitur (Gymnasium oder EOS)
Bitte nennen Sie Ihr durchschnittliches Nettoeinkommen! 27,8% 23,8%
unter 900 €
900 bis unter 1.300 €
16,8%
1.300 bis unter 1.500 €
14,8%
14,6%
1.500 bis unter 2.000 €
12,6%
2.000 bis unter 2.600 €
11,1%
2.600 bis unter 3.600 € 3.600 bis unter 5.000€
9,3%
8,5% 6,0%
über 5.000 €
7,4%
6,3%
3,7% 2,4%
1,9% 0,0%
NoPegida quantitativ
NoPegida qualitativ
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NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t?
Auffällig ist das – im Verhältnis zu dem, was wir über die Protestakteure in Deutschland im 21. Jahrhundert wissen – relativ niedrige Nettoeinkommen der Befragten. Dies mag einerseits mit dem Alter zu tun haben, andererseits mit einer vergleichsweise großen Zahl an prekär beschäftigten Personen. 46,%
In welcher Erwerbssituation befinden Sie sich? Aufgrund der unvollständigen Angaben in den Fagebögen der qualitativen Errhebung können hier nur die Angaben der quantitativen Umfrage wiedergegeben werden.
vollzeiterwerbstätig teilzeiterwerbstätig
geringfügig erwerbstätig/400-EuroJob/Minijob in beruflicher Ausbildung / Lehre 13,7%
11,3% 8,6% 4,0%
noch nicht erwerbstätig (SchülerIn o.A.)
10,1% 4,8%
nicht mer erwerbstätig (RentnerIn o.A.) nicht erwerbstätig
NoPegida quantiativ
Lediglich 51 Prozent der Fokusgruppenteilnehmer scheinen einer Vollzeittätigkeit nachzugehen.29 Aufgrund der zum Teil recht geringen Bereitschaft, den Fragebogen im Anschluss an die Fokusgruppen vollständig auszufüllen, lässt sich schwer etwas über die sozioökonomische Spreizung der Befragten formulieren. Dennoch kann festgehalten werden, dass neben der studentisch geprägten Teilgruppe unseres Untersuchungssamples circa ein Drittel der Befragten als bildungsbürgerlich Vernetzte bezeichnet werden können. Das sind dann all diejenigen, die eher Vollzeit tätig oder auch schon pensioniert sind, die vorwiegend angaben, im Bildungs- oder Kultursektor beschäftigt zu sein, die die oberen Einkommensgruppen abdecken und die in verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen eingebunden sind. Durch eine recht hohe Engagementquote insgesamt lässt sich zumindest zunächst vermuten, dass die Befragten zu den Stützen der Zivilgesellschaft gehören. Knapp vierzig Prozent der in der qualitativen Studie befragten Personen sind über den Protest hinaus engagiert, beispielsweise in Vereinen, Nichtregierungsorganisationen, Bürgerinitiativen, Parteien oder Gewerkschaften. Obwohl diese Angaben lediglich der Beschreibung des Untersuchungssamples dienen und keinesfalls repräsentative Aussagen über die heterogenen NoPegida-Proteste darstellen, kann aufgrund der Größe der Stichprobe und den ergänzenden Erhebungsmethoden ein differenzierter Einblick in die Protest-
1. Einleitung und Fragestellung
formationen gegeben werden, die zunächst mit einer Beschreibung der spezifischen Protestorte fortfahren wird, um Besonderheiten und Eigenarten des jeweiligen städtischen Milieus und deren Folgen für NoPegida aufzudecken, aber auch um Gemeinsamkeiten und Unterschiede von NoPegida und deren Objekt der Ablehnung sichtbar zu machen. Da »in Städten Eigenlogiken, im Sinne verborgener Eigensinnigkeit, dauerhafter kultureller Dispositionen, historisch motivierter Erzählungen und spezifischer lokaler Pfade existieren, die das Denken und Handeln lokaler Akteure vor Ort bis zu einem gewissen Grade strukturieren und prägen« , soll die politische Kultur der einzelnen Städte mit dem Fokus auf die Entstehungsgeschichte von NoPegida im Folgenden nachgezeichnet werden.
A nmerkungen 1 | Vgl. grundlegend zu Pegida: Lars Geiges, Stine Marg, Franz Walter, Pegida. Die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft?, Bielefeld 2015. 2 | Während eines Besuches einer Berliner Flüchtlingsunterkunft im August 2015 formulierte Bundespräsident Joachim Gauck: »Es gibt ein helles Deutschland, das sich hier leuchtend darstellt, gegenüber dem Dunkeldeutschland, das wir empfinden, wenn wir von Attacken auf Asylbewerberunterkünfte oder gar fremdenfeindlichen Aktionen ge-gen Menschen hören.« Vgl. o.V., Gauck lobt Engagement gegen »Dunkeldeutschland«,in: ZeitOnline, 26.08.2015, online einsehbar unter www.zeit.de/politik/deutsch land/2015-08/fluechtlinge-joachim-gauck-fluechtlingsheim-berlin [zuletzt eingesehen am 13.09.2015]. 3 | Ruth Simsa, Protest ohne Organisation?, in: Forschungsjournal Soziale Bewegungen, Jg. 26 (2013) H. 4, S. 6-23, hier S. 6. 4 | Vgl. exemplarisch die Aussage des Duisburger Oberbürgermeisters Sören Link: »Ich weiß, dass es in Duisburg einen breiten gesellschaftlichen Konsens gibt, die Unterbringung von Asylsuchenden als eine absolut unumstrittene humanitäre Aufgabe zu begreifen und anzugehen. Der Duisburger Appell hat gezeigt, dass die Stadtgesellschaft da zusammen steht. Pegida hat in Duisburg bislang keinen Platz gefunden – und wird das auch in Zukunft nicht. Wir brauchen in Duisburg keine Hetzer und Scharfmacher, die als Demo-Touristen durch die Lande reisen und mit ihren platten Parolen darauf abzielen, Menschen und ihre Sorgen und Ängste zu instrumentalisieren.« Zitiert in: Rubert Joemann, Pegida-NRW will in Duisburg-Neumühl aufmarschieren, in: Der Westen, 16.07.2015, online einsehbar unter www.derwesten.de/staedte/duisburg/in-duis burg-demonstrieren-pegida-anhaenger-und-deren-gegner-id10886752.html [zuletzt eingesehen am 13.09.2015]. 5 | Dieter Rucht im Gespräch bei Mephisto am 31.07.2015, online einsehbar unter www.mephisto976.de/news/die-entwicklung-einer-wutbewegung-50987 [zuletzt eingesehen am 03.09.2015].
19
20
NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t? 6 | Vgl. neben der bereits erwähnten Studie auch: Priska Daphi u.a., Protestforschung am Limit. Eine soziologische Annäherung an Pegida, online abrufbar unter https://www. wzb.eu/sites/default/files/u6/pegida-report_berlin_2015.pdf [zuletzt eingesehen am 13.09.2015]; Hans Vorländer, Wer geht warum zu den Pegida-Demonstrationen. Präsentation der ersten empirischen Umfrage unter Pegida-Teilnehmern, online einsehbar unter https://tu-dresden.de/aktuelles/news/Downloads/praespeg [zuletzt eingesehen am 13.09.2015]; Werner J. Patzelt, Was und wie denken Pegida-Demonstranten? Analyse der Pegida-Demonstration am 2. Januar 2015, Dresden. Ein Forschungsbericht, online einsehbar unter http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/philosophi sche_fakultaet/ifpw/polsys/for/pegida/patzelt-analyse-pegida-2015.pdf [zuletzt eingesehen am 13.09.2015]; Ders., Drei Monate nach dem Knall: Was wurde aus Pegida?, Vergleichende Analyse der Pegida-Demonstrationen vom 25. Januar, 27. April und 4. Mai 2015 in Dresden, online einsehbar unter https://tu-dresden.de/die_tu_dresden/ fakultaeten/philosophische_fakultaet/ifpw/polsys/for/pegida/patzelt-analyse-pegi da-mai-2015.pdf [zuletzt eingesehen am 13.09.2015]. 7 | David Johann, Spielregeln und AkteurInnen. Politisches Wissen als Ressource verschiedener Formen politischer Partizipation, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, Jg. 41 (2011) H. 4, S. 377-394, hier S. 377. 8 | Vgl. hierzu exemplarisch den Spiegeltitel 35/2010: »Die Dagegen-Republik«. 9 | Ansgar Klein, Bewegungsforschung: Quo vadis? Ein Überblick zur Entstehung, Ausprägung und Forschungsstand, in: Vorgänge, Jg. 68 (2013) H. 4, S. 12-21, hier S. 12. 10 | Jüngst Peter Graf Kielmansegg, Erwartungen, Enttäuschungen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.09.2015. 11 | Dieter Rucht, Soziale Bewegungen als demokratische Produktivkraft, in: Ansgar Klein und Rainer Schmalz-Bruns (Hg.), Politische Beteiligung und Bürgerengagement in Deutschland, Bonn 1997, S. 382-403, hier S. 384. 12 | Thorsten Bonacker und Lars Schmitt, Politischer Protest zwischen latenten Strukturen und manifesten Konflikten. Perspektiven der soziologischen Protestforschung am Beispiel der (neuen) Friedensbewegung, in: Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegung (2004) H. 32, S. 193-213, hier S. 206. 13 | Wie es der Sozial- und Konfliktforscher Andreas Zick in einem Interview formulierte: »Es bildet sich eine rechtsterroristische Mentalität«, Andreas Zick im Gespräch mit Sandra Schulz, in: Deutschlandfunk, 24.08.2015, online einsehbar unter www.deutsch landfunk.de/krawalle-in-heidenau-es-bildet-sich-eine.694.de.html?dram:article_id =329115 [zuletzt eingesehen am 3.9.2015]. 14 | Vgl. zu den Bürgerprotesten seit 2010: Franz Walter u.a. (Hg.), Die neue Macht der Bürger. Was motiviert die Protestbewegungen, Reinbek 2013. 15 | Vgl. grundlegend hierzu und im Folgenden: Dieter Rucht und Wilhelm Heitmeyer, Mobilisierung von und für Migranten, in: Roland Roth und Dieter Rucht (Hg.), Die sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945. Ein Handbuch, München 2008, S. 573-592, hier S. 575. 16 | Ebd., S. 584.
1. Einleitung und Fragestellung 17 | Serhat Karakayali und Olaf Kleist, Studie des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung über Strukturen und Motive der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit, EFA-Studie, Berlin 2015, online einsehbar unter www.fluechtlingshilfehtk.de/uploads/infos/49.pdf [zuletzt eingesehen am 14.08.2015]. 18 | Ebd., S. 4. 19 | Ebd., S. 22f. 20 | Zu den Spezifika der jeweiligen Protestorte vgl. Kapitel 2. 21 | Zur Anwendung von Fokusgruppen in der Politikwissenschaft vgl. Stine Marg, Mitte in Deutschland. Zur Vermessung eines politischen Ortes, Bielefeld 2014, S. 91-143; vgl. eingehender zu der Methode insbesondere im Zusammenhang mit der Erforschung von Protest: Stephan Klecha, Stine Marg und Felix Butzlaff, Wie erforscht man Protest. Forschungsdesign und Methodik, in: Franz Walter u.a. (Hg.), Die neue Macht der Bürger, S. 14-47, hier insbesondere 25-34; auch: Lars Geiges, Occupy in Deutschland, Die Protestbewegung und ihre Akteure, Bielefeld 2014, S. 58-66. 22 | Bonacker und Schmitt, S. 211. 23 | Vgl. Marlen Schutz, Quick an Easy!? Fokusgruppen in der angewandten Sozialwissenschaft, in: dies. u.a. (Hg.), Fokusgruppen in der empirischen Sozialwissenschaft. Von der Konzeption bis zur Anwendung, Wiesbaden 2012, S. 9-22, hier S. 9; vgl. grundsätzlich zur Methode der Fokusgruppe: Thomas Kühn und Kay-Volker Koschel, Gruppendiskussionen. Ein Praxis-Handbuch, Wiesbaden 2011. 24 | Vgl. zur Selbstläufigkeit: Aglaja Przyborski und Monika Wohlrab-Sahr, Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch, München 2010, S. 116. 25 | Geiges, Marg und Walter, S. 90. 26 | Die im Verlauf der Studie verwendeten Zitate sind – aufgrund der den Befragten zugesicherten Anonymisierung – nicht konkret gekennzeichnet, entstammen jedoch alle den Transkripten aus den acht Fokusgruppen beziehungsweise den sieben Experteninterviews. 27 | Wenn hier und im Folgenden von Teilnehmern, Befragten, Aktivisten etc. die Rede ist, sind immer, wenn es nicht separat ausgewiesen ist, sowohl Frauen als auch Männer gemeint. 28 | Vgl. hierzu: Göttinger Institut für Demokratieforschung (Hg.), Neue Dimensionen des Protests? Ergebnisse einer explorativen Studie zu den Protesten gegen Stuttgart 21, online einsehbar unter www.demokratie-goettingen.de/content/uploads/2010/11/ Neue-Dimensionen-des-Protests.pdf [zuletzt eingesehen am 12.06.2015]; Göttinger Institut für Demokratieforschung (Hg.), Stuttgart 21 nach dem Schlichtungsverfahren. Ergebnisse einer zweiten Untersuchung zu den Protesten gegen Stuttgart 21, online einsehbar unter www.demokratie-goettingen.de/content/uploads/2011/08/Stuttgart21_ II.pdf [zuletzt eingesehen am 12.06.2015]; Dieter Rucht u.a., Kurzbericht der Befragung von Demonstranten gegen Stuttgart 21 am 18.10.2010, online einsehbar unter https:// www.wzb.eu/sites/default/files/projekte/stgt21kurzbericht2010.pdf [zuletzt eingesehen am 04.02.2013]. 29 | Überdies sollte erwähnt werden, dass wir nicht dezidiert nach einem B.A. oder M.A.-Abschluss fragten. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass einige Fokusgruppen-
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NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t? teilnehmer angaben, über einen Studienabschluss zu verfügen und damit der B.A.-Abschluss gemeint war, während sie weiterhin als Masterstudenten immatrikuliert sind. Auch dies würde – trotz Studienabschluss – das relativ niedrige Haushaltsnettoeinkommen erklären.
2. Orte des Protests 2.1 D resden 2.1.1 Residenz, Kultur, E xzellenz und Opfer: Die Leiterzählungen Dresdens »Wer neugierig auf elegant vornehmes Barock war, fuhr nach Dresden. […] Das barocke Dresden ging im Kriege unter. […] Doch das alte Dresden springt wie der Phönix aus der Asche auf und widerlegt erfolgreich das ›barocke München‹ als ein harmloses Isarmärchen.«1 Die opulente Kulisse Dresdens ist der Stadt ganzer Stolz. Aber gerade diese kulturelle Seite Dresdens ist stark mit der Geschichte der Monarchie verbunden. Mit der Gründung des Deutschen Reiches wendete das sächsische Königshaus noch mehr Mühe auf für die Förderung von Kunst und Kultur in der Stadt.2 Hofstaat und Residenz hatten einen hemmenden Einfluss auf die Entwicklung eines liberalen Bürgertums, das seine eigene Rolle nach vier Jahrhunderten unter dem »gerade in kultureller Hinsicht tonangebenden und übergewichtigen Hof zu lösen und die Bevormundung durch die in der Stadt unmittelbar ansässige Fürstengewalt abzuschütteln«3 versuchte. Erschwert wurde dies womöglich durch die Tatsache, dass Dresden zugleich Garnisonsstandort war und mit der Albertstadt eine der größten Kasernenanlagen Deutschlands beherbergte, so dass viele tausend Offiziere, oftmals noch adeliger Abstammung, die Stadt bevölkerten.4 Obgleich diese Traditionen zum Teil lange zurückliegen und Dresden und die nähere Umgebung – so zum Beispiel das naheliegende Freital5, die Heimatstadt des Pegida-Gründers Lutz Bachmann – zugleich auch eine Wiege und Hochburg der Sozialdemokratie waren, wurde in den Erzählungen und Selbstbildnissen der Stadt diese besondere Perspektive der Bürgerlichkeit in der Nische eines gewissen kulturellen Elitismus bewahrt, während von der Sozialdemokratie und ihrer Tradition in Sachsen bekanntlich nicht viel geblieben ist. »Zugespitzt formuliert, weicht das sächsische Parteiensystem deutlich von den anderen ostdeutschen Bundesländern ab.«6 Keine andere Partei ist in Sachsen derart dominant wie die CDU. Bei den ersten drei Landtagswahlen nach der Wiedervereinigung erzielte die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten
24
NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t?
und langjährigen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf absolute Mehrheiten, seitdem regiert sie – von einem schwarz-gelben Intermezzo zwischen 2009 und 2014 unterbrochen – zusammen mit der SPD in einer großen Koalition, die diesen Namen auch nur trägt, weil ein Bündnis aus CDU und SPD überall sonst eine solche wäre und nicht, weil dies den sächsischen Verhältnissen mit einer christdemokratischen Übermacht entspräche. Komplementär zur Dominanz im sächsischen Landtag durchwirken und dominieren die Christdemokraten auch die Kommunalpolitik im Freistaat. Nahezu alle Landkreise und ein nicht unwesentlicher Teil der Gemeinden unterstehen Politikern der CDU.7 Der Dresdner Politikwissenschaftler Dietrich Herrmann bezeichnet den sächsischen Landesverband der CDU als »sächsische Staatspartei«, Kurt Biedenkopf als »Fürst der Nachwendezeit« 8. Biedenkopf, bisweilen von den Medien als »König Kurt«9 porträtiert, bringt dabei ein gesellschaftliches Verhältnis zur Politik derart auf den Punkt, dass es gleichsam schon wie Folklore anmutet. Gleichzeitig ist diese Zuwendung zur Autorität, das sorgsam gepflegte Kümmererprinzip der CDU-geführten Staatsregierung, genuiner Teil der sächsischen Identität und damit – weil Residenz- und Garnisonsstadt – der Identität Dresdens: »So kam es immer wieder vor, dass kritische, innovative Geister in Dresden zusammenfinden, dort aber auf Grund der Bräsigkeit der städtischen Gesellschaft kaum zur Entfaltung kamen und kommen […].«10 Miro Jennerjahn geht schließlich soweit, die demokratische und politische Realität in Sachsen als »Halbdemokratie« zu bezeichnen, deren »demokratische Hülle« existiere, während alles, »was eine Demokratie lebendig macht wie etwa die aktive Einmischung von Bürgerinnen und Bürgern […] oftmals nicht erwünscht [ist], sondern häufig behindert [wird]. Jedenfalls wenn es über unpolitisches, ehrenamtliches Engagement hinaus geht und auf die aktive Gestaltung einer Bürgergesellschaft zielt.«11 Dieser Tradition konnte sich die Politik in Sachsen lange Zeit geschickt und überwiegend bruchlos be- und sich derselben zugleich auch erfolgreich andienen: Einem Leuchtturm gleich rage die sorgsam kultivierte Exzellenz der Elbmetropole (Wirtschaftsstandort, Geburtenhauptstadt, Kultur) aus dem sächsischen Umfeld heraus. Mit der Folge, dass eben dieses Umfeld politisch, sozial und auch infrastrukturell verdorre oder zumindest stark in Mitleidenschaft gezogen werde.12 Die sächsische Urbanisierung hat ihre Schattenseiten. Ein Ausdruck dafür ist die Stärke der NPD in Sachsen: 2004 zog sie mit fast zehn Prozent der Zweitstimmen in den sächsischen Landtag ein, 2009 entfielen noch immer fünfeinhalb Prozent der Listenstimmen auf die rechtsextreme Parteiformation.13 In manchen Regionen erreichen Parteien wie die AfD und die NPD zusammen ein Viertel aller Stimmen.14 Die Haltung Sachsens und der Stadt Dresden zu rechtsextremen und rechtsradikalen Positionen sind bestenfalls ambivalent. Einem geflügelten Worte gleich wird immer wieder der Satz Kurt Biedenkopfs in einem Interview für die Sächsische Zeitung im Jahr
2. Or te des Protests
2000, dass die Sachsen immun gegen rechtsextremistische Versuchungen seien, kolportiert und kontrastiert: Mit dem zweimaligen Einzug der NPD in den sächsischen Landtag, den brennenden Flüchtlingsunterkünften in Hoyerswerda 1991, mit der Rolle Sachsens im NSU-Komplex.15 Diese – metaphorisch gesprochen – sächsische Blindheit auf dem rechten Auge betrifft auch einen weiteren, elementaren Punkt für die Stadtgeschichte und Selbsterzählung Dresdens: die alliierten Bombenangriffe zwischen dem 13. und 15. Februar 1945. Über Jahrzehnte wurden verschiedenste Mythen über die Zerstörung der Stadt verbreitet, stellenweise war von 200.000 bis 300.000 Toten die Rede. Die alliierten Luftangriffe waren dauerhaft Anlass und »Ergebnis einer systematischen geschichtspolitischen Symbolbildung«, welche »in den propagandistischen Auseinandersetzungen der Nachkriegszeit und im ›Kalten Krieg‹ unablässig weiter verwendet« wurde.16 Alle diese Punkte haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Selbstverständnis des Stadtbürgers, mit dem er sich selbst, die Gesellschaft und seine Rolle in ihr betrachten, auf seine politische, zivilgesellschaftliche Betätigung – ob nun individuell, vereinsgebunden oder parteipolitisch. Dies ist auch am Wirken und Selbstverständnis der NoPegida-Proteste in Dresden erkennbar. Der Soziologe Joachim Fischer hat diese Demonstrationen jüngst – gewissermaßen im scharfen Kontrast zu den sonst vorherrschenden Deutungen – in eine Reihe von öffentlichen Ereignissen, die ihren Ursprung und Kulminationspunkt in der sächsischen Landeshauptstadt hatten, gestellt, »in denen die Dresdner Stadtgesellschaft mit den ihr entspringenden, stets heftig umstrittenen Aktionen und Initiativen Funktionen für gesamtgesellschaftliche Debatten in der Bundesrepublik Deutschland übernommen hat und übernimmt.« So gesehen wären die einheitsfreudigen Kundgebungen zur Begrüßung von Helmut Kohl im Dezember 1989, der Streit um das Gedenken der Bombardements vom 13. Februar 1945, die Anstrengungen zum Wiederauf bau der Frauenkirche in Disputen um die richtige Architektur in Innenstädten wie jetzt auch die sich in Pegida und Anti-Pegida-Manifestationen artikulierenden Gegensätze in der Beurteilung der Flüchtlings- und Einwanderungsfrage jeweils frühe, antizipierende, weichenstellende Interventionen der lokalen Öffentlichkeit in Dresden gewesen und nicht störrisch rückwärtsgewandte Handlungen in der Tradition eines vorbürgerlichen Elitismus beziehungsweise eines nachbürgerlichen »Tals der Ahnungslosen«.17
2.1.2 Netzwerke und Organisation der Gegenproteste in Dresden In aller Breite zeigte sich der Protest gegen Pegida zuletzt beim Sternmarsch am 13. April 2015. Das Protestbündnis Dresden für Alle hatte unter dem Motto »Vielfalt vor Einfalt« anlässlich des Besuchs des niederländischen Rechtspopu-
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NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t?
listen Geert Wilders die Veranstaltung organisiert. Dresden für Alle gründete sich – und hier unterscheidet sich Dresden von den anderen untersuchten Städten, die auf zum Teil lang bestehende Bündnisstrukturen zurückgreifen können – erst in Reaktion auf die Aufmärsche von Pegida und befand sich somit noch in einem Selbstfindungs- und Organisationsprozess, den die Bündnisse in den anderen Städten teils schon vor Jahren vollzogen hatten. Die Bildung eines neuen Netzwerkes und stadtweiten Bündnisses ist insofern interessant, als es mit Nazifrei! – Dresden stellt sich quer (im Folgenden Dresden Nazifrei) bereits einen Akteur in der Stadt gibt, der sich gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Faschismus engagiert. Das Bündnis »entstand im Oktober 2009 als spektrenübergreifendes Bündnis von Menschen, Parteien und Organisationen mit dem Ziel, den damalig größten alljährlichen Naziaufmarsch Europas durch Massenblockaden zu verhindern«18 und der als problematisch empfundenen Erinnerungskultur zum 13. Februar einen eigenen inhaltlichen Impuls entgegenzusetzen. Dabei folgt Dresden Nazifrei einem Aktionskonsens, der darauf basiert, auch mit Mitteln des zivilen Ungehorsams und Menschenblockaden Naziaktivitäten zu verhindern, dabei passiv zu bleiben und Eskalationen zu vermeiden.19 Doch immer wieder kam es im Rahmen dieser Blockaden zu Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Linksautonomen, Rechtsextremisten und Geschichtsrevisionisten sowie der Polizei. Somit wird Dresden Nazifrei auch aufgrund der Berichterstattung, die neben den vielen friedlich verlaufenen Blockaden und Aktionen schnell auf die Eskalation fokussiert, leicht mit Gewalt, tausenden Polizisten und allgemein einer Stadt im Ausnahmezustand assoziiert. Der Blockade-Tradition wiederum ist Dresden Nazifrei treu geblieben. Das Bündnis war, vor allem bevor sich Dresden für Alle konstituierte, für die Blockade mehrerer Pegida-Züge verantwortlich. So beispielsweise auch am 1. Dezember 2014: Der Abendspaziergang Pegidas war durch eine Blockade von ca. 1.000 Menschen zur Umkehr gezwungen worden.20 Bis zu diesem Zeitpunkt konnte Dresden Nazifrei als das alleinige Organisationszentrum des Gegenprotests gelten. Dresden Nazifrei hat die Pegida-Demonstrationen seit dem ersten Auftritt im Oktober 2014 beständig begleitet und beobachtet, ist mittlerweile aber nicht nur in Dresden und gegen Pegida aktiv, sondern engagiert sich beispielsweise auch für Flüchtlinge in Freital und Heidenau. Dies kann man als ersten Anhaltspunkt deuten, dass die Folge des Protestes gegen Pegida nicht nur Formen des Widerstandes sind, sondern dass daraus auch gestalterische Aspekte und positive Wirkungen für eine aktive Zivilgesellschaft erwachsen können. Die Thematik der Blockaden prägt jedoch das Verhältnis beider Organisationen zueinander, das dadurch nicht frei von Komplikationen ist. Ein wesentlicher Punkt, der zu Differenzen zwischen den beiden Bündnissen führt, lässt sich an der Natur der Gegenkundgebungen zur Wilders-Reede am 13. April zeigen: Eine Blockade von Pegida sei dabei nicht explizit Ziel des Sternmarsches
2. Or te des Protests
gewesen, auch wenn den Teilnehmern natürlich freigestellt sei, sich nach dem Ende der Kundgebung an weiteren Aktionen zu beteiligen. Damit war an jenem Tag unter anderem das Vorhaben von Dresden Nazifrei gemeint. Sie hatten von Anfang an eine Blockade oder Verzögerung der Pegida-Veranstaltung geplant, die ihnen schließlich untersagt wurde.21 An dieser Stelle wird deutlich, dass sich die Organisatoren von Dresden für Alle nicht offen gegen das Konzept von Dresden Nazifrei stellen wollten, auch, um so den gemeinsamen Protest gegen Pegida nicht aufzusprengen. Dennoch lassen sich die unterschiedlichen Versammlungsstrategien auf verschiedene Wahrnehmungen des politischen Gegners, also Pegida, zurückführen, die aufgrund der kurzen Dauer der Zusammenarbeit noch nicht ausdiskutiert sind und daher in der Praxis immer wieder zu Problemen und Konfrontationen führen: Während Dresden Nazifrei in Pegida eine hauptsächlich rassistisch motivierte Bewegung sieht, der gemäß der Maxime »Kein Fußbreit den Nazis« in Übereinstimmung mit dem Aktionskonsens mittels Blockaden entgegengetreten werden müsse, betrachtet Dresden für Alle die Teilnehmer der Pegida-Märsche differenzierter: Nicht alle, die dort mitliefen, seien Nazis. Diese Leute müssten anders angesprochen, ihre Motivation mitzulaufen hinterfragt und aufgegriffen werden.22 Dies und die Tatsache, dass mit Blockaden die Unterstützung von wichtigen städtischen Wirtschafts- und Kulturinstitutionen nicht zu erlangen sei, führen also zu unterschiedlichen Strategien. Obgleich sich Dresden Nazifrei durch die Blockadeaktionen im Umfeld des 13. Februar in Teilen der sächsischen und dresdnerischen Zivilgesellschaft eine hohe Reputation erarbeitet hat, ist ihre Reichweite zugleich noch immer begrenzt. Jenseits davon gibt es Raum für weitere Bündnisse mit anderen Strategien, Zielsetzungen und – wenn man die Zahlen zugrunde legt – einem höheren Mobilisierungspotential. Diesen Freiraum hat sich Dresden für Alle auserkoren, das sich als Bündnis mit der Organisation eines Sternlaufs am 8. Dezember 2014 erstmals konstituierte. Zu diesem Zeitpunkt motivierte Pegida Woche für Woche bereits eine hohe vierstellige Teilnehmerzahl zu seinen Abendspaziergängen, denen sich hier zum ersten Mal eine annähernd gleich große Zahl Widerspruch artikulierender Menschen entgegenstellte. Was als loses Bündnis im Dezember 2014 begonnen hatte, konstituierte sich im Mai 2015 schließlich als festes Netzwerk.23 Doch ist diese Bündnissituation in Dresden im Rahmen der untersuchten Städte nicht die einzige Besonderheit der Elbmetropole: Sie ist im Vergleich zu Leipzig, Karlsruhe und Frankfurt die einzige, bei denen die Anzahl der Gegendemonstranten konsequent und durchgängig unter jener Zahl lag, die hinter dem Banner Pegidas durch die Dresdner Innenstadt marschierten. Neben der Rekordteilnehmerzahl von circa 25.000 Pegida-Anhängern unmittelbar nach den Anschlägen auf das Pariser Satire-Magazin Charlie Hebdo im Januar 2015 mobilisierte Pegida (nach einer kleineren Flaute) im Spätsommer des Jahres
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NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t?
noch immer zwischen 4.000 und 5.000 Spaziergänger,24 während zum Jahrestag im Herbst 2015 die Teilnehmerzahlen vorübergehend wieder anstiegen. Demgegenüber agiert der Gegenprotest konsequent und fortdauernd aus einer Position der zahlenmäßigen Unterlegenheit auf der Straße heraus. Von Interesse ist an dieser Stelle auch ein anderer Aspekt der Selbstwahrnehmung in der andauernden Minderheitenposition: So gab es unter den Mottos »Offen und bunt – Dresden für Alle!« ein Konzert des Vereins Dresden – a place to be am 9. Februar mit 20.000 bis 25.000 Teilnehmern und »Für Dresden, für Sachsen – für Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Dialog im Miteinander« am 9. Januar 2015 ein von 35.000 Teilnehmern besuchtes Event, zu dem die Stadt Dresden und der Freistaat Sachen aufgerufen hatten. Das waren zwei sehr große politisch-kulturell orientierte Veranstaltungen, deren Größe damit an jene der erfolgreichsten Pegida-Demonstrationen heranreichte oder diese gar übertraf.25 Diese wurden aber zumindest von den uns befragten NoPegida-Anhängern nicht als Gegenproteste wahrgenommen, sondern als von der Stadt und der Landesregierung organisierte Events, die man dezidiert nicht als Teil der Gegenbewegung begreift. Getragen wird der Gegenprotest in Dresden überwiegend von einem jungen, studentischen Milieu. Ein Großteil der von uns aus diesem Segment Befragten gab an, in dem Stadtteil Dresden-Neustadt zu wohnen. Dieser Bezirk scheint im Hinblick auf die Gegenproteste eine Schlüsselrolle zu spielen. Ein Blick in die Daten, die von der Kommunalen Statistikstelle in Dresden bereitgestellt werden, verrät, dass die Neustadt in mehreren wichtigen Punkten vom Dresdner Durchschnitt abweicht. So offenbart der Lebensbaum im Vergleich mit der Gesamtstadt einen massiven Überschuss bei den Männern und Frauen zwischen 20 und 39 Jahren, während der Ausländeranteil mit 8,6 Prozent fast doppelt so hoch ist wie der Durchschnitt.26 Auch das Wahlverhalten der Neustädter gibt weitere Hinweise. Neben den Bundestagswahlen am 22. September 2013 und den Landtagswahlen am 31. August 2014 waren die Dresdner am 25. April 2014 auch dazu aufgerufen, die Kommunalparlamente zu wählen. Gerade in der Äußeren Neustadt erreichen die Grünen bei den Stadtratswahlen mit fast 40 Prozent der abgegebenen Stimmen einen Höchstwert und können hier auch bei den Bundestags- und Landtagswahlen die höchsten Stimmanteile aller Parteien für sich verbuchen. Bezogen auf den Ortsamtsbereich der Neustadt erreichen die Grünen immer noch 32,8 Prozent der Stimmen bei der Kommunalwahl und stellen in diesem Bereich, genauso wie bei den Landtagswahlen, somit die stärkste Partei, während sie bezogen auf den Bund faktisch gleichauf mit der LINKEN zweitstärkste Kraft hinter der CDU geworden sind.
2. Or te des Protests
Tabelle 1: Wahlergebnisse in Dresden, eigene Darstellung 27(Angaben in Prozent) Wahlergebnisse in Dresden – Stimmenanteile in Prozent
CDU
DIE LINKE
SPD
GRÜNE
FDP
AfD
Sonstige
zum Bundestag am 22.09.2013
38,6
18,7
14,9
9,1
3,1
6,9
8,6
zum Landtag am 31.08.2014
34,3
19
13,7
10,9
3,8
8,2
10,1
zum Stadtrat am 25.04.2014
27,6
20,9
12,8
15,7
5
7
11
zum Bundestag am 22.09.2013
23,3
21,4
15,6
21,5
2,8
4,4
11
zum Landtag am 31.08.2014
18,4
22,8
14,5
24,6
2,6
4,4
12,7
zum Stadtrat am 25.04.2014
13,38
21,4
12,4
32,8
3,3
3,3
13
zum Bundestag am 22.09.2013
17,6
20,8
15,9
27,2
2,3
3,7
12,4
zum Landtag am 31.08.2014
13
22,5
15,1
30,8
1,9
2,8
13,8
zum Stadtrat am 25.04.2014
8,7
20,2
12,6
39,6
2,6
2
14,3
Wahl in: Dresden (gesamt)
Wahl in: Ortsamtsbereich Neustadt
Wahl in: Äußere Neustadt
29
30
NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t? Wahl in: Innere Neustadt zum Bundestag am 22.09.2013
30,4
21
17,2
14,9
3,9
4,3
8,2
zum Landtag am 31.08.2014
26
23,6
15,4
17,8
3,3
5
8,8
zum Stadtrat am 25.04.2014
21,5
22,3
13,9
23,9
4,3
4
10,2
Gleichzeitig waren die Dresdnerinnen und Dresdner im Juni dieses Jahres aufgerufen, eine Nachfolgerin für die aus Gesundheitsgründen von ihrem Amt zurückgetretene christdemokratische Oberbürgermeisterin Helma Orosz zu wählen. Aufgrund der Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt Pegida seit einem Dreivierteljahr in Dresden regelmäßig zu Demonstrationen und Kundgebungen aufrief und mit der ehemaligen AfD-Politikerin Tatjana Festerling eine eigene, unabhängige Kandidatin aus dem Umfeld von Lutz Bachmann für die OB-Wahl antrat, wurde diese zu einer Art Lackmustest für die Dresdner Zivilgesellschaft stilisiert. Anhand des Wahlergebnisses sollte die Dresdner Bevölkerung demonstrieren, dass Pegida trotz der zum Teil zehntausenden Demonstrationsteilnehmer nicht für sich in Anspruch nehmen könne, für die Stadt als Ganzes zu sprechen. Insbesondere die Organisatoren von NoPegida, die wir vor der Wahl interviewten, hofften, dass Festerling nicht mehr Stimmen als die NPD bei der letzten Wahl – also fünf Prozent – erreichen werde. Es zeigt sich jedoch, dass Tatjana Festerling mit fast 10 Prozent der Stimmen ein sehr gutes Ergebnis erreichte. Gleichzeitig ist aber auch klar erkennbar, dass die gemeinsam von Linkspartei, Sozialdemokratie, den Grünen und der Piratenpartei aufgestellte Kandidatin, Eva-Maria Stange, im Vergleich zum Gesamtwahlergebnis für Dresden in den von unseren Diskussionsteilnehmern benannten Stadtteilen der Neustadt überdurchschnittlich gut abgeschnitten hat. Dort ist der Zuspruch für die Kandidatin des linken Lagers überwältigend. Im Ortsamtsbereich und in der Inneren Neustadt reicht es jeweils zur absoluten Mehrheit, in der Äußeren Neustadt liegt der Stimmenanteil bei über 70 Prozent. Gleichzeitig ist die Zustimmung zu Festerling in diesen Wahlbezirken unterdurchschnittlich. Die Neustadt ist tatsächlich eine Art von kleiner, alternativer Insel in Dresden.28 Gleichzeitig lässt sich für die überaus jungen und alternativen Teile der Stadt – auch anhand der Wahlergebnisse – bezüglich eines weiteren zivilgesellschaftlichen Engagements einigermaßen optimistisch in die Zukunft blicken. Ein solches Engagement gibt es zwar auch in anderen Stadtteilen, diese
2. Or te des Protests Ergebnisse der Oberbürgermeisterwahl in Dresden 2015 für die Stadt Dresden und Dresden-Neustadt 29 70,6%
56,8% 51,6%
36,0% 31,7% 24,5%
20,2% 15,4% 12,0%
6,5%
10,0%
5,9%
1,1%
CDU, Markus Ulbig
11,1%
9,6% 4,8%
2,4% 2,5%
AfD, Stefan Vogel
Dresden (gesamt)
2,7%
5,4%
Festerling, Tatjana Festerling Äußere Neustadt
6,0%
2,5%
Gemeinsam für Dresden, Eva-Maria Stange Innere Neustadt
3,5% 4,8%
Die Partei, Lars Stosch Unabhängige Bürger für Dresden e.V., Dirk Hilbert Neustadt (Ortsamtsbereich)
weichen in ihrer Struktur aber nicht so stark vom Schnitt der Gesamtstadt ab. Sollte sich, um noch einmal Dietrich Herrmann zu zitieren, der »Mehltau, der über Jahre, Jahrzehnte über Sachsen, und vor allem Dresden lag«30, schließlich lüften, wird dies vermutlich in der Neustadt zuerst der Fall sein. Nimmt man allerdings zudem die Anregung von Joachim Fischer auf, dann wäre das, was in der Kommune außerhalb der oder gar gegen die Neustadt sich formiert, nicht einfach ein schlichter Mehltau, sondern Ausdruck eines beiderseitigen vitalen Konflikts in der bundesrepublikanischen Zivilgesellschaft über Wahrnehmung, Verständnis und Bewertung vermehrter Einwanderung, der in spezifischen artikulationsfähigen und handlungsbereiten Milieus stellvertretend ausgetragen wird.
2.2 K arlsruhe 2.2.1 Privilegienbrief, Integrationsgeschichte und »Residenz des Rechts« — das Selbstbild Karlsruhes Karlsruhes Geschichte ist durch den Status als neu gegründete Residenz eng mit einer weiteren Neugründung, die des historischen Staates Baden, verknüpft und sieht sich in einer ausprägten Tradition des Liberalismus. Diese wird bis in die Gründungstage der Stadt und den so genannten Privilegienbrief von 1715 zurückgeführt, mit denen der damalige Markgraf Karl Wilhelm Anforderungen und Zugeständnisse für Zuwanderer für die zu errichtende Residenz formulierte. Die Bürgerstiftung Karlsruhe, auch beteiligt an dem städtischen NoPegida-Bündnis, hat zum 300. Geburtstag der Stadt den Privi-
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legienbrief von 1715 in der Form eines Bürgerbriefs von 2015 einer Aktualisierung unterzogen. Darin verleihen die Bürger ihrer historischen Tradition als Zuwanderer und, daraus abgeleitet, einer besonderen Verantwortung gegenüber gegenwärtigen Neuankömmlingen Ausdruck.31 Eine weitere grundlegende Ressource der Erzählung über die Stadtgeschichte für die Stadt ist neben dieser liberal-migrationspolitischen Tradition das Selbstverständnis als Residenz des Rechts und der Stadt der Grundrechte: Mit dem Bundesgerichtshof, der Bundesanwaltschaft und vor allem dem Bundesverfassungsgericht haben die höchsten Rechtsinstitutionen der Bundesrepublik ihren Sitz in Karlsruhe. »Die Stadt begreift das Recht als ihr ideelles Fundament«, wie Thorsten Jungholt schreibt.32 Beide Traditionen führen zu einem sehr ausprägten, positiven Selbstbewusstsein einer Stadt, die das historische Erbe der fortdauernden Integrationsaufgabe, zunächst nach der Stadtgründung, dann als Hauptstadt Badens, schließlich in das Verständnis als Grundrechtsgarant überführen konnte. Mit diesem Selbstverständnis fügt sich Karlsruhe in die politische Kultur Baden-Württembergs ein, das geprägt ist von einer starken und zugleich flexiblen CDU, die als »Landes«- und »Staatspartei«33 die Politik des Südweststaates seit seiner Gründung bis zum Jahre 2011, als mit Winfried Kretschmann der erste grüne Ministerpräsident der bundesrepublikanischen Geschichte in Amt und Würden gelangte, entscheidend und fortdauernd prägte. Die Grünen wiederum sind auch auf eine besondere Art und Weise mit der Geschichte Baden-Württembergs und Karlsruhes verbunden: 1980 fand der Gründungsparteitag in der so genannten Residenz des Rechts statt; Dienstleistungs- und Wissenschaftszentren wie eben Karlsruhe, aber auch Freiburg, Stuttgart, Tübingen und Heidelberg gelten als grünes Kernland,34 mehrere Städte, darunter Tübingen und Stuttgart, werden von grünen Oberbürgermeistern regiert. Derzeit regiert mit Frank Mentrup wieder ein Sozialdemokrat in Karlsruhe, so wie es nach dem zweiten Weltkrieg bis zum Jahr 1970 der Fall war. Danach war das Rathaus über 40 Jahre lang in der Hand der CDU.
2.2.2 Netzwerke und Organisation der Gegenproteste in Karlsruhe Dies sind die Leitlinien, in denen sich die Gegenproteste gegen den Karlsruher Ableger von Pegida – Kargida – bewegen. Kargida demonstrierte zum ersten Mal am 24. Februar in der Karlsruher Innenstadt und rief seitdem regelmäßig zu Kundgebungen auf. Seit Anfang Juni firmiert Kargida nach eigener Aussage auf der Facebook-Präsenz unter dem Namen Widerstand Karlsruhe und ist Teil des Netzwerks Widerstand Ost West, das Ende Juni nach Frankfurt a.M. mobilisierte.35 Bei der ersten Demonstration erschienen circa 250 Personen, denen sich circa 800 Menschen bei Gegenkundgebungen entgegenstellten. In
2. Or te des Protests
den folgenden Wochen gingen die Zahlen bei beiden Lagern tendenziell zurück: Fünf Wochen später waren es bei Kargida noch etwa 100, bei den Gegenkundgebungen 200 Menschen; Vertreter des bürgerlichen Lagers hätten sich aus den Protesten zurückgezogen. Medienberichten zu Folge kam es dabei vor allem während der ersten Kundgebungen immer wieder zu Zusammenstößen zwischen den verschiedenen Lagern und der Polizei.36 Zu erwähnen ist, dass sich ein breites Bündnis aus Zivilgesellschaft und der Stadt Karlsruhe bereits einen Monat vorher unter dem Motto »Vielfalt willkommen heißen« eindeutig gegen Pegida und seine Ableger in der Stadt positioniert hatte. Dabei hatte auch der regierende Oberbürgermeister Karlsruhes vor 1.000 Zuhörern das Wort ergriffen und damit wiederum einen Bezug zum historischen Werdegang der Stadt hergestellt. Unter dem Motto »Karlsruhe zeigt Flagge« organisierte der Gemeinderat in Sichtweite zum Schloss am Platz der Grundrechte eine Kundgebung für Toleranz und Vielfalt, zu der sich im Laufe eines sonnigen Samstagnachmittags etwa 2.000 Menschen eingefunden hatten, um dem bunten Rahmenprogramm zu folgen und sich mit Vertretern von Parteien und Zivilgesellschaft auszutauschen.37 Ort und Zeit waren sicherlich nicht zufällig gewählt. Der Platz der Grundrechte schließt direkt an den Schlossplatz an, wo vor 300 Jahren mit der Grundsteinlegung für das Schloss die Geschichte der Stadt Karlsruhe ihren Anfang nahm. Noch dazu ist das Bundesverfassungsgericht nur einige hundert Meter entfernt. Weiterhin fand die Veranstaltung am 23. Mai, dem Tag der Verkündigung des Grundgesetzes im Jahre 1949, statt. Deutlicher kann eine Stadt die eigene Geschichte und die daraus abgeleiteten Leiterzählungen nicht in eine symbolträchtige Form verwandeln. Unter demselben Motto hatte die Stadt auch schon im Mai 2013, in Person des zu diesem Zeitpunkt seit knapp zweieinhalb Monaten sich im Amt befindenden Frank Mentrups, zu einer Veranstaltung geladen, um einem neonazistischen Aufmarsch Einhalt zu gebieten. Die Stadt verteilte über 8.000 Plakate und »zeigte« im Namen von ca. »60 Institutionen, Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen aus der Fächerstadt« knapp 300 Flaggen: »›Für Grund- und Menschenrechte‹, ›für Toleranz und Vielfalt‹, ›gegen Hass und Gewalt‹, ›gegen neue und alte Nazis‹.« Vertreter der örtlichen IHK, der Porsche AG und der Kirchen hielten neben Mentrup Redebeiträge.38 Offenbar fällt es Unternehmen öffentlich leichter, ein Zeichen gegen Rechts zu setzen, wenn sie durch das etablierte politische Personal gerufen werden. Die Kundgebung der Neonazis hingegen kam aufgrund von Blockaden nicht zustande. Während der Blockade ereigneten sich Zusammenstöße mit der Polizei, wobei das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region in diesem Zusammenhang ausdrücklich die moderate Haltung der Stadt gegenüber den Gegenprotesten lobte, die die Blockadeaktionen erleichtert habe.39 An dem Beispiel aus dem Jahr 2013 wird deutlich, dass sich der Gegenprotest in Karlsruhe im Grunde in zwei verschiedene Teile gliedert. Diese sind mal
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mehr, mal weniger miteinander verknüpft, im Vergleich zu 2013 haben ihre Bindungskräfte gegenwärtig eher abgenommen. Die direkten Gegenkundgebungen wurden im Wesentlichen von dem Netzwerk Karlsruhe gegen Rechts und der Grünen Jugend organisiert. Das Netzwerk hat sich im Jahr 2014 als Zusammenschluss von über 40 Organisationen, Gruppen und Institutionen auf Einladung des Stadtjugendausschusses konstituiert. Das Selbstverständnis des Netzwerks rekurriert ebenfalls auf die liberale, migrationspolitische Tradition der Stadtgründung. Obwohl sich alle Akteure des Gegenprotests gleichermaßen auf dieselben Karlsruher Traditionen sowie deren Wert und Bedeutung für die Stadtgesellschaft als Ganzes berufen, ist feststellbar, dass eine Kluft zwischen den Vertretern der direkten Gegendemonstrationen und Blockaden auf der einen Seite und dem Handeln und Wirken offizieller städtischer Repräsentanzen und der von ihr angesprochenen Klientele auf der anderen Seite existiert. Einer der Karlsruher Diskussionsteilnehmer interpretiert dies so, dass der Zusammenschluss mit der bürgerlichen Mitte gescheitert sei: Zwischen den Leuten, die dienstags direkt gegen Kargida demonstrierten und jenen, die sich bei »Karlsruhe zeigt Flagge« eingefunden hätten, gäbe es quasi keinerlei Schnittmengen. Kritik und Unmut konzentrierten sich während der Diskussion schnell auf die Person des Oberbürgermeisters: Dieser sei mehr um das Image seiner Stadt und das Gelingen der Feierlichkeiten anlässlich des Stadtjubiläums besorgt als daran interessiert, sich eindeutig gegenüber Kargida zu positionieren. Mentrup distanziere sich von allen radikalen Einflüssen und Erscheinungen innerhalb Karlsruhes, um sie der Erzählung von 300 Jahren Liberalismus, die nunmehr gefeiert würden, anzupassen. Für ihn ist Karlsruhe von der »Verwirrung durch Kargida« quasi kuriert, wie er es auf der Veranstaltung am 23. Mai formulierte. Diese diskursive Katharsis gegenüber extremistischen und als demokratiefeindlich wahrgenommenen Strömungen ist nichts ungewöhnliches, sondern vielmehr ein rhetorischer Standard der bürgerlichen Gegenproteste. Demgegenüber betonten einige Befragte das Engagement der städtischen Jugend. Ihre positive Würdigung ist insofern von doppelter Bedeutung, da die direkten Gegenproteste, um die es hier geht, hauptsächlich vom Netzwerk gegen Rechts geleistet werden, das eine Initiative des Stadtjugendrings ist. Der Initiative der Jugend wird in unseren Gruppendiskussionen ein desinteressiertes, und folgerichtig deutlich älteres Bürgertum gegenübergestellt, das, noch immer stark von konservativen Werthaltungen geprägt, kein wirklicher Teil des Protestes sei. Dies führt in der Stadt zu einem ambivalenten Bild: Der von Seiten der Stadtverwaltung und der Zivilgesellschaft forcierte Gegenprotest scheint aus dieser Perspektive einerseits stark mit der Person des Oberbürgermeisters verbunden, auch die Bildung des Netzwerks gegen Rechts in Karlsruhe fiel in seine Amtszeit. Auch wissen Stadt und Zivilgesellschaft die Geschichte Karlsruhes
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geschickt zu nutzen. Dennoch stellt sich andererseits die Frage, ob diese überall durchscheinende Leiterzählung für einen Großteil der Bevölkerung tatsächlich so einflussreich ist, wie es von den verschiedenen Akteuren suggeriert wird: Im Vergleich zu den anderen Städten ist die Zahl der Menschen, die in Karlsruhe zum Protest gegen Pegida und seine Derivate mobilisiert werden konnte, zu jedem Zeitpunkt doch eher übersichtlich zu nennen. Bei keiner der Veranstaltungen, weder 2013 noch bei den beiden zentralen Kundgebungen im Jahr 2015, sprechen Medienberichte von mehr als 3.000 Teilnehmern. Das ist für eine Stadt mit einer Bevölkerung von 300.000 Menschen, die sich noch dazu so stark und positiv auf ihr liberales und integratives Erbe beruft, zwar ein solider, aber nicht unbedingt herausragender Wert. Auch die Kritik, die im Rahmen unserer Diskussionsrunden an der Person des Oberbürgermeisters und seinem Verhalten gegenüber Kargida geübt wurde, gewinnt aus dieser Perspektive noch etwas an Schärfe: Indem sich die offiziellen Stellen der Stadt so stark auf symbol- und geschichtsträchtige Aktionen konzentrieren und dafür den direkten Schulterschluss mit den eigentlichen Gegenkundgebungen und zentralen Akteuren vermeiden, fehlt es diesen womöglich an Rückendeckung und Legitimationsressourcen, die sich positiv auf ihre Wahrnehmung in der Stadtbevölkerung auswirken könnten. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass das Karlsruher Bürgertum den Veranstaltungen von NoKargida und auch »Karlsruhe zeigt Flagge« in der Wahrnehmung unserer befragten Aktivisten überwiegend ferngeblieben ist. Das Resultat ist ein Selbstverständnis des Gegenprotests als abgespalten von der Mitte der Bevölkerung und distanziert von städtischer Verwaltung und kommunaler Politik.
2.3 F r ankfurt 2.3.1 Die Bewegungsmetropole, die keine mehr ist: Frankfurt a.M. Frankfurt war Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre eine hochgradig polarisierte Stadt. Politische Auseinandersetzungen spielten sich vor dem Hintergrund ab, dass Frankfurt gleichzeitig Hochburg der neo-marxistischen Linken und des »Finanzkapitalismus« war. Gerade im Schatten der Bankentower »Mainhattans« gab es also mehr Verdichtungspotential für eine aktive und schlagkräftige linke Szene. Vom Häuserkampf im Westend bis hin zur Auseinandersetzung über Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Personennahverkehr – die von unseren Fokusgruppenteilnehmern zum Teil noch selbst erlebt wurde – über die Proteste gegen den Atomreaktor Biblis oder die Startbahn West, wurden viele Protestereignisse von einer bunten linksalternativen Szene, die von Spontis, K-Gruppen bis hin zu feministischen Netzwerken und Kinderläden reichte, begleitet, kommentiert und ermöglicht: »Die gesellschaftliche Re-
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aktion auf die krisenhafte Entwicklung der spätindustriellen Wirtschaftsweise […] [ließ] sich in Frankfurt wie unter einem Brennglas beobachten.«40 Diese Entwicklungen hatten einen prägenden Einfluss auf die Selbstwahrnehmung der Stadt Frankfurt, die sich in dem Spannungsfeld zwischen linksalternativer Bewegungs- und hochmobiler, elitärer Wirtschaftsmetropole bewegt. Ein guter Teil dieser Selbstwahrnehmung kann auch durchaus als geronnene Geschichte bezeichnet werden. Für Oliver D’Antonio ist Frankfurt heutzutage vielmehr das »Zerrbild einer Bewegungsmetropole«, die nur noch mit Hilfe von »punktuell aufflammenden Protestereignissen« – wie dem Protestcamp der Occupy-Bewegung oder dem Blockupy-Protest bei der Neueröffnung der Europäischen Zentralbank – die bewegte Vergangenheit als Reminiszenz zu reaktivieren vermag.41 Frankfurt ist insofern zwar eine hochgradig von Mobilität und Fluktuation, dem dauernden Zu- und Fortzug vor allem von akademischen Eliten, gekennzeichnete, jedoch keine primär bewegte Stadt im Sinne schlagkräftiger sozialer Bewegungen mehr. Die Lokalpolitik sei, auch gerade unter dem Einfluss der vor allem früh in Frankfurt und Hessen elektoral erfolgreichen Grünen, dazu übergegangen, die Momente der Bewegung in ein Gefüge von Institutionen zu überführen und so für eine reguläre, aber auch in der Wirkungsweise domestizierte Integration der bunten und schillernden Bewegungslandschaft zu sorgen.42 Nahezu jedes Interesse, das irgendwie zu organisieren sei, ist in Frankfurt auch institutionalisiert worden. Diese »Fetischisierung des Runden Tisches« habe zwar seine unbestreitbaren Vorteile, tendiere gleichzeitig aber auch »dazu, Graswurzelbewegungen zu ersticken.« 43 Es ist hier sozusagen eine besondere Variante des im Rahmen der 68er-Bewegung proklamierten Marsches durch die Institutionen zu beobachten. Insofern ist es auch nicht sonderlich überraschend, dass nunmehr gerade die Grünen als ein nicht unwesentlicher Ausfluss der bunten linken Szene in Frankfurt auch nach der Kommunalwahl 2011 zusammen mit der CDU die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung stellen können,44 während die Schlüssel für das Rathaus seit 2012 mit Peter Feldmann wieder einem Sozialdemokraten überreicht wurden.
2.3.2 Netzwerke und Organisation der Gegenproteste in Frankfurt Diese Institutionalisierung der Bewegungen und Interessen in Frankfurt lässt sich auch einigermaßen treffend an den beteiligten Akteuren der Proteste ablesen: Dazu ist zunächst voranzustellen, dass der Protest von Pegida in Frankfurt unter verschiedenen Labeln und Namen firmierte. So wurden in Frankfurt zwischen Januar und Juni 2015 unter anderem unter den Namen Fragida, Freie Bürger für Deutschland und Widerstand Ost/West Kundgebungen abgehalten. Hinter diesen verschiedenen Bezeichnungen stehen auch zum Teil
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unterschiedliche Personen, die jedoch von den Gegenprotesten meist synonym behandelt werden. Auch deshalb ist es möglich, diese Gegenproteste unter dem Begriff der NoPegida-Proteste zu subsummieren. Erste Planungen zu einem Ableger in der Mainmetropole gab es nach Zeitungsberichten ab Mitte Dezember 2014. Zu diesem Zeitpunkt wurde aber auch bereits die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung aktiv und verabschiedete eine Erklärung; erste kleine Gegenproteste gegen Fragida gab es bereits Ende Dezember.45 Der letzte größere Gegenprotest am 20. Juni 2015 zeichnete sich durch ein interessantes Nebeneinander von zwei verschiedenen Artikulationsmustern aus. Auf der einen Seite rief das Römerbergbündnis zu einer Kundgebung am Goetheplatz, das ist in unmittelbarer Nähe des Roßmarktes, auf dem der Widerstand Ost/West seine Kundgebung angemeldet hatte, auf. Die Kundgebung war ein buntes, zentral organisiertes Kulturprogramm mit vielen Redebeiträgen von Gewerkschaftlern, Vertretern aus der Politik, Ausländerbeiräten, Migrationsvereinen, religiösen und sonstigen zivilgesellschaftlichen Initiativen, dem schätzungsweise 1.500 bis 2.000 Menschen beiwohnten.46 Das Römerbergbündnis selbst wurde bereits im Jahr 1979 als Reaktion auf das von der NPD geplante Deutschlandtreffen auf dem Römerberg vom Frankfurter Stadtjugendring, dem DGB, der Jüdischen Gemeinde sowie der Evangelischen und Katholischen Kirche gegründet. Damit existiert in Frankfurt seit über 25 Jahren ein zivilgesellschaftliches Bündnis gegen Rechtsextremismus, das hochgradig organisiert und vernetzt und nebenbei das mit Abstand älteste Bündnis dieser Art in den untersuchten Städten ist. Während das Römerbergbündnis jedoch anfänglich als Blockadebündnis galt, hat diese Form des Widerstandes nicht mehr viel mit der Protestrealität im Jahre 2015 gemein. Immerhin wolle man nicht, wie zu Beginn der Versammlung am 20. Juni betont wird, den politischen Gegner in seinem Recht auf Meinungsäußerung einschränken und lehne deshalb das Konzept der Blockaden ab. Der Verlauf der Gegenkundgebung gestaltete sich auch einigermaßen durchgetaktet, es reihten sich mannigfache Redebeiträge faktisch pausenlos aneinander. Dies kann durchaus als Zeichen der Domestizierung und Integration in mondäne und gemäßigte politische Diskurslogiken gewertet werden. Ähnliches spielte sich auch auf der ersten Römerbergbündnis-Veranstaltung gegen Pegida und seine Ableger am 26. Januar ab: Unter dem Motto »Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit« wurde zu einer Kundgebung geladen. Bei dieser Veranstaltung sprachen der Oberbürgermeister Peter Feldmann, der Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler, die Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg, ein Vertreter des Römerbergbündnisses, des Rates der Religionen, des StadtschülerInnenrates, des Frankfurter Jugendringes, zwei Personen aus der Anti-Nazi-Koordination (darunter einmal unter #NoFragida), die Kommunale AusländerInnenvertretung und ein Flüchtling aus Ghana. Die Liste der Unterstützer-Organisationen ist ansehnlich lang und umfasst 209 Organisationen, Institutionen und
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Gruppierungen aus Frankfurt und Umgebung.47 Zu der Kundgebung kamen laut Polizeiangaben ca. 10.000 bis 12.000 Menschen. Zusätzlich sammelten sich noch einmal knapp viereinhalbtausend Demonstranten in der Nähe der Hauptwache und verhinderten den Schweigemarsch von Pegida. Es flogen Steine und Böller aus den Reihen der Gegendemonstranten.48 Während des Besuches von Geert Wilders bei Pegida in Dresden wurde Frankfurt a.M. auch als »Nahkampfzone« bezeichnet. Die ersten Wochen waren tatsächlich von härteren Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und der Polizei geprägt. Diese Tendenz setzte sich aber nicht fort. Für eine Gegenkundgebung Ende März berichtet Katja Thorwarth für die Frankfurter Rundschau von einer beinah gelösten, fröhlichen Stimmung zwischen Polizeikräften und Demonstrierenden.49 Gleichzeitig gab es am Rande der NoPegida-Proteste entlang der vermuteten Demonstrationsroute von Widerstand Ost/West überall Ansammlungen von hauptsächlich jungen Leuten aus dem antifaschistischen und linksautonomen Spektrum, die sich die Blockade von Widerstand Ost/West zur Aufgabe gemacht hatte. Diese wurden offenbar von der Anti-Nazi-Koordination in Frankfurt mobilisiert.50 Das ist der zweite wesentliche Akteur, der in Frankfurt den Protest gegen Pegida und verschiedene daraus hervorgegangene und davon abgespaltene Gruppierungen organisierte. Die Anti-Nazi-Koordination gründete sich im Jahr 2001 als »ein Zusammenschluss von gleichberechtigten und selbstständigen Organisationen und Institutionen, die in Frankfurt und im Umfeld der Stadt gemeinsam und koordiniert gegen Nazis und Rassisten vorgehen wollen«, was im Endeffekt auch bedeutet »Veranstaltungen und Auftritte von Nazis und Rassisten aktiv zu verhindern.«51 Diese Insistenz auf zivilem Ungehorsam und Blockaden führt dabei immer wieder zu Konflikten mit dem Römerbergbündnis, das grundsätzlich auf Aktionsformen des zivilen Ungehorsams verzichtet. Dies sei, so die Anti-NaziKoordination, eine Folge der sozialdemokratischen Dominanz innerhalb des Römerbergbündnisses, das seinen Fokus auf rein repräsentative Veranstaltungen ohne praktische Konsequenzen für Pegida lege. Zwar hat auch die AntiNazi-Koordination den Aufruf des Römerbergbündnisses für die Kundgebung im Januar unterzeichnet und sich aktiv daran beteiligt, aber parallel dazu zu der Blockade des Pegida-Aufmarsches aufgerufen.52 Dieses Geschehen ist im Vergleich zu Dresden, wo der Aufruf zur Blockade seitens Dresden Nazifrei schlicht im Verbot der Kundgebung und ganz allgemein im faktischen Scheitern von Blockaden endete, ein genuiner Unterschied. Darüber hinaus gibt es mindestens eine Facebook-Initiative, die von Menschen mit Migrationshintergrund ins Leben gerufen wurde und auch hauptsächlich Menschen mit Migrationshintergrund für die Aktionen von Pegida, Fragida und Widerstand Ost/West sensibilisieren und zu Gegenprotest motivieren will. Die Gruppe nennt sich selbstironisch asoziale Kanacken, kurz:
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Azzlacks. Dabei sollte mit dem Namen genau das Bild geliefert werden, das Pegida von Ausländern konstruiere und propagiere. Ein wesentlicher Grund für das Engagement besteht nach eigener Aussage in der neuen Qualität, die die Pegida-Proteste darstellten, da sie fremdenfeindliche Ressentiments in die Mitte der Gesellschaft transportierten. Diese Initiative ist insofern interessant, weil sie tatsächlich eine andere Art der Selbstermächtigung der potentiell von Pegida geschmähten Bevölkerung darstellt. Eine ähnliche Initiative konnten wir in anderen Städten nicht beobachten.
2.4 L eipzig 2.4.1 Die Metropole, die wieder in Bewegung ist: Leipzig Nur gut eine Stunde Zugfahrt oder knapp 110 Autobahnkilometer trennen Leipzig und Dresden voneinander. Dennoch scheinen zwischen den beiden sächsischen Metropolen Welten zu liegen.54 Einige Gründe dafür sind historischer Natur, die in eine Zeit lange vor dem Zweiten Weltkrieg und der innerdeutschen Teilung zurückfallen. Andere Momente sind dagegen sehr viel jünger und erst ein Produkt der Entwicklung seit der Wiedervereinigung. Leipzig hat eine lange Geschichte als ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt und als Zentrum von Verlagswesen und Messehandel, ist geprägt durch das Gewandhausorchester, den Thomanerchor und eine alte Universität.55 Leipzig ist darüber hinaus auch Geburtsort der SPD und damit eine Kernschmiede der Sozialdemokratie. Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein, der Vorläufer der SPD, wurde 1863 in Leipzig ins Leben gerufen.56 Zu DDR-Zeiten wurde Leipzig vor allem zu einem Aushängeschild des SED-Regimes, dessen Fundament aber aufgrund der sozialistischen Mangelwirtschaft stetig wegbröckelte, so dass von Leipzig schließlich mehr Schein als Sein und zum Ende der DDR nicht einmal mehr das blieb. Während das Besitzbürgertum unter dem SED-Regime nahezu vollständig verschwand, gelang es dem kulturellen Bildungsbürgertum, in Nischen und Rückzugsorten zu überdauern. Diese »Rudimente des bildungsbürgerlichen Milieus« wurden schließlich zu einem der wesentlichen Faktoren für den Leipziger Neuaufbruch nach dem Ende der Teilung.57 Durch ein hohes Maß an Wohnungsleerstand in den 1990er Jahren entwickelte sich vor allem im Leipziger Süden eine Hausbesetzerszene. Insbesondere im Stadtteil Connewitz konnte sich dadurch, so die weitverbreitete, landläufige Meinung, eine der schillerndsten und größten linksalternativen, antifaschistischen Szenen in der Bundesrepublik auf bauen. Dabei hatte es in in diesem Stadtteil in den Wirren der Wendezeit zunächst relativ unpolitisch begonnen. Im losen Anschluss an die Praxis des »Schwarzbezugs« waren es
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vor allem Studierende und junge Akademiker, die den massiven Leerstand in diesem Stadtteil in Beschlag nahmen. Die Bausubstanz war vielerorts bestenfalls als marode zu bezeichnen, das soziale Leben war prekär und drohte auszutrocknen. Allein in den 1980er Jahren war ein Drittel der Einwohner aus Connewitz fortgezogen. Zunächst konnten die Erstbesetzer, die sich schon früh unter dem Namen Connewitzer Alternative in einem Verein institutionalisiert hatten, auf politische Unterstützung und mediales Wohlwollen zählen: Dies lag maßgeblich daran, dass diese Erstbesetzer die Legalisierung der Wohnverhältnisse anstrebten und keinerlei Ähnlichkeiten mit der zum Teil militanten Hausbesetzerszene im Westen des Landes erkennen ließen. Dies führte auch zu einer Akzeptanz im Viertel, die Anwesenheit der Besetzer wurde als Gelegenheit zur Revitalisierung des sozialen Lebens und zum Erhalt der Gebäude angesehen. Wie auch bei dem vorherigen Schwarzbezug zu DDR-Zeiten waren viele Erstbesetzer vor allem Studierende. Durch Uneinigkeit über die Reaktion auf die Angriffe durch Rechtsextremisten schälten sich schließlich zwei Gruppen heraus: die Pazifisten, die zunächst eine »Sicherheitspartnerschaft mit der Polizei« durchsetzten, und die gewaltbereite »Molli-Fraktion«. Über fortlaufende Diskussionen der Gewaltfrage zerbrachen die Strukturen der Erstbesetzer weitestgehend und es rückten andere nach.58 Eine Änderung der Zusammensetzung, die letztlich auch Vorschub für die Durchsetzung der Molli-Fraktion leistete, bedeutete der Zuzug einer Gruppe jugendlicher Aussteiger, einer Bande Kleinkrimineller, die wegen rechten Angriffen im Zentrum nach Connewitz wechselten. Diese »crash-kids«, wie sie auch genannt wurden, waren schließlich der Auslöser für eine politische Radikalisierung der Besetzer. Eine von den crash-kids ausgelöste Straßenschlacht im November 1992, bei der sich am Ende 400 Polizeibeamte und mehrere hundert Jugendliche gegenüberstanden, stellte eine Zäsur für Connewitz dar. Daraus erwuchs eine Abkehr von bisher praktizierten Umgangsformen: Die Stadt wandte sich von ihrer Politik einer stillschweigenden Duldung ein Stück ab und verkündete im Rahmen der »Leipziger Linie« eine Räumung von Neubesetzungen und kriminellen Hausbesetzern bei gleichzeitiger Unterstützung der friedlichen Besetzerszene. Die potentiell gewaltbereite Besetzerszene wiederum konstruierte daraus den »Mythos Connewtiz«: die jederzeit mögliche Mobilisierung von Gewaltpotential. Schließlich »kam es zu einer Vernetzung mit der autonomen Szene, die ihrerseits in den besetzten Häusern ein für sie lohnendes und zukunftsträchtiges Kampffeld entdeckte. Eine Auseinandersetzung mit und Abgrenzung von den Crash-Kids oder den Auslösern der Ereignisse fand ebensowenig statt wie eine Diskussion der Gewaltfrage.«59 Die Folge war eine politische Generation von Besetzern, hervorgegangen aus der Molli-Fraktion, die ihren Namen wohl tatsächlich deshalb trug, weil sie zur Abwehr gegen rechte Angriffe Molotow-Cocktails bereitgehalten haben soll. Es ging nicht mehr primär um den bezahlbaren Wohnraum, sondern um »poli-
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tische Akte des ›Häuserkampfs‹«, auch wenn die Erlangung und Erhaltung von Freiräumen weiterhin wichtig blieb. Aber die Rhetorik hatte sich geändert: »Im ›Kampf gegen das System und gegen die Faschos‹ wurde Gewalt als legitimes Mittel angesehen und sich dadurch von den ›Kerzen-Revolutionären‹ der Wendezeit und den ›Mehltütchenwerfern‹ von 1990 distanziert.« Diese Hervorhebung des Mythos der Gewaltbereitschaft diente aber auch zur Provokation und zur Herstellung eines Zusammenschlusses im Kiez Connewitz – ein Mythos, von dem das Viertel auch noch heute zehrt, für den es noch heute berüchtigt ist.60 Heute ist Connewitz tatsächlich bunter, differenzierter, ja verschiedener geworden und zieht längst nicht mehr nur junge Studierende an. Seinen Nimbus als Zentrum alternativer Lebensstile hat Connewitz aber deshalb noch nicht verloren. So ist es ein Teil des Wahlkreises Nummer 28, Leipzig 2, bei dem Juliane Nagel bei der letztjährigen Landtagswahl das einzige Direktmandat in ganz Sachsen erringen konnte, welches nicht unmittelbar an die CDU ging.61 Es gibt also gute Gründe, gerade auch in diesem Stadtteil einen Großteil der ideellen und auch persönlichen Ressourcen für die Proteste gegen Legida zu suchen.
2.4.2 Netzwerke und Organisationen der Gegenproteste in Leipzig Bei der Organisation der Gegenproteste zu Pegida spielte auch der »Mythos Connewitz« eine Rolle. Aus dem Viertel wurde seit den späten 1990er Jahren zu antifaschistischen Aktionen mobilisiert, wobei es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei, den Neonazis und Autonomen kam. Darüber hinaus gründete sich im Zuge dieser Proteste im Jahr 1998 der Verein Leipzig zeigt Courage und veranstaltete ein »Rock gegen Rechts«Konzert.62 Dieses Konzertereignis findet seitdem jährlich am 30. April als Festival gegen Rechtsextremismus statt und wird von einem sehr breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis unter der Schirmherrschaft des jeweiligen Oberbürgermeisters getragen: Neben dem DGB agieren die örtlichen Niederlassungen von BMW und Porsche sowie die LeipzigStiftung als Hauptförderer. Die 18. Ausgabe des Festivals mit laut Pressemitteilung des Vereins 7.000 Gästen stand ganz im Zeichen des Protests gegen Legida. Mit diesem Verein hat Leipzig somit auch eine mittlerweile fast zwei Jahrzehnte währende Tradition, sich mittels eines breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses gegen die Aufmärsche von Rechtsextremisten zu positionieren und für Gegenprotest zu mobilisieren. Seit 2009 gibt es darüber hinaus auch noch das Netzwerk Leipzig nimmt Platz, das vor allem mit Methoden des zivilen Ungehorsams und dem Mittel der Sitzblockaden direktere Aktionen unternimmt, um Demonstrationen mit rechtem Gedankengut zu stören. In einer so genannten »Leipziger Erklärung« vom Januar 2015 hat Leipzig nimmt Platz seine Ziele hinsichtlich des Umgangs
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mit Legida klargestellt: »Kurzum: LEGIDA läuft nicht!« Weite Teile der Leipziger Stadt- und Zivilgesellschaft sind dieser Erklärung als Erstunterzeichner angefügt.63 Dieses Papier, das eine Erklärung aus dem Jahr 2011 aktualisiert, präsentiert das Selbstverständnis des Bündnisses als einer Dachorganisation. Die Formulierung eigener Inhalte über den erklärten Anti-Rassismus und Widerstand gegen Neonazismus und andere Ideologien der Ungleichwertigkeit hinaus werden dabei explizit nicht angestrebt, sondern werden den im Netzwerk assoziierten Organisationen und Initiativen wie den Parteien und Gewerkschaften überlassen. In Leipzig sind Stadt und Zivilgesellschaft also in gewisser Weise erprobt darin, sich zahlreich gegen eine Vereinnahmung ihrer Straßen durch fremdenfeindliche und menschenverachtende Positionen zu erwehren. Davon zeugt die Geschichte der Gegendemonstrationen in Leipzig – auch im Vergleich zu Dresden – in einer besonderen Weise. Der 12. Januar 2015 war ein »Großkampftag an beiden Orten. In Dresden demonstrierten 25.000 Menschen, in Leipzig sogar fast 30.000. Doch während in Dresden die islamkritische Pegida-Bewegung die Massen anzog, waren es in Leipzig die Proteste gegen den örtlichen Ableger Legida, die Zehntausende mobilisierten.« 64 Bereits am 29. Dezember 2014 berichtete die Leipziger Volkszeitung über die Anmeldung von sieben Gegendemonstrationen in Form eines Sternmarsches anlässlich des ersten Aufzuges von Legida durch die ostdeutsche Messestadt. Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung wurde mit den Worten zitiert, dass Leipzig am 12. Januar 2015 eine breite Gegenbewegung aufstellen werde. Eine Übersicht über die angemeldeten Demos zeigt an, dass die verschiedenen Veranstalter mit insgesamt 5.000 bis 5.500 Teilnehmern rechneten. Zu den anmeldenden Initiativen zählten neben NoLegida und dem Verein Courage zeigen auch die Nikolai- und Thomaskirche, das Bündnis 8. Mai, die Leipziger Friedenswache im Nikolaikirchhof und eine Refugees-Welcome-Initiative.65 Für die Folgewoche, am 21. Januar, hatte Legida eine weitere Demonstration angekündigt, demgegenüber meldete Leipzig am Vortag der Demonstration nicht weniger als 19 Gegenversammlungen, auf denen auch Oberbürgermeister Jung das Wort ergriff.66 Dies waren die beiden Großkampftage der Leipziger Zivilgesellschaft, in der sie, im Gegensatz zu Dresden, mit durchschnittlich 30.000 Teilnehmern sehr klar Stellung bezog und sich gegen die von Legida vertretenen Inhalten und Forderungen positionierte. In den folgenden Wochen und Monaten meldete Legida regelmäßig neue Kundgebungen an, denen mit gleicher Regelmäßigkeit Gegenveranstaltungen gegenübergestellt wurden. Beide Lager schrumpften dabei deutlich in der Teilnehmerzahl, so dass am 13. April 2015 das Verhältnis bei ungefähr 150 Legida-Anhängern zu 250 Gegendemonstranten lag. Damit einher ging bei den Gegenprotesten eine nicht unwesentliche Veränderung in der Sozial-
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struktur der Demonstrierenden: Im Januar fanden sich zwar auch viele junge Menschen, aber auch Menschen älterer Alterskohorten – demgegenüber hatte sich das Bild zu Gunsten der jungen Demonstrierenden gewandelt. Viele davon waren aufgrund von Kleidung und Habitus studentischen, alternativen subkulturellen Milieus zuzurechnen. Die Zusammensetzung der Gegendemonstrationen hatte sich von einem einigermaßen akkuraten Querschnitt durch die Leipziger Gesellschaft hin zu einem dezidiert links-studentischen Protest verlagert. Dies wurde damit begründet, dass sich der bürgerliche Protest größtenteils aus den Gegenaktionen zurückgezogen habe. Es sei mehr als deutlich geworden, dass für Legida kein Raum in Leipzig sei. Dies hätten die Großdemonstrationen und die darauffolgenden Wochen klargestellt. Der verbleibende Protest wird größtenteils dem Netzwerk Leipzig nimmt Platz in Zusammenarbeit mit NoLegida organisiert. Diese Haltung ist auch ein Zeichen für das Selbstbewusstsein des Leipziger Gegenprotests. Mit zwei Großkundgebungen wurde klargestellt, welchem Lager die Diskurshoheit auf der Straße gehört. Die weiter aufrechterhaltenden Gegenkundgebungen erwachsen dabei dem Selbstverständnis, dass solchen als Nazis wahrgenommenen Bewegungen in Leipzig die Straße niemals überlassen werden dürfe. Solange Legida anmeldet, solange werden NoLegida und Leipzig nimmt Platz reagieren und über die Mehrheitsverhältnisse auf der Straße an den Status der Diskurshoheit in der Stadt erinnern. Gleichzeitig, so ließe sich argumentieren, sind sich die Bündnisse auch sehr genau über potentielle Grenzen der Engagementbereitschaft der breiten Bevölkerung im Klaren. Es wird schlichtweg davon ausgegangen, dass diese ohnehin nicht auf Dauer in solchem Maße mobilisierbar sei. Die breite bürgerliche Mitte ist in dieser Perspektive vor allem eine Mobilisierungsressource, die aktivierbar ist, sofern sie benötigt wird und ansonsten »aufgespart« wird. Insofern wird diese Gesellschaftsschicht bei den Leipziger Gegendemonstrationen, anders als beispielsweise in Dresden oder Karlsruhe, nicht vermisst. Der Symbolwert, der in diesen Städten durch die massenhafte Teilnahme dieses Bevölkerungssegments eingefordert, ja bisweilen geradezu herbeigesehnt wird – in Leipzig wurde dieser erbracht. Beide Netzwerke können dabei maßgeblich darauf zurückgreifen, dass sehr wesentliche Personen für den großen Massenprotest als Legitimationsgrundlagen dienen: So hat beispielsweise der Oberbürgermeister NoLegida noch einmal im August seinen ausdrücklichen Dank für das Engagement ausgesprochen, nachdem er im April bereits als Schirmherr des Vereins Courage zeigen durch die Verleihung des Engagementspreises des Vereins unter anderem an NoLegida dessen Engagement öffentlichkeitswirksam legitimiert hatte.67 Der Gegenprotest in Leipzig folgt also anderen Regeln als in Dresden, Karlsruhe und Frankfurt. In keiner anderen von uns betrachteten Stadt ist das Verhältnis zwischen der städtischen Lokalpolitik und jenen Demonstra-
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tionskräften, die sich dezidiert dem zivilen Ungehorsam und der Blockade verschrieben haben, so ungetrübt und ungestört wie in Leipzig, zumindest bis zum Dezember 2015. Dabei ist dies in doppelter Hinsicht nicht selbstverständlich und auch erklärungsbedürftig. Schließlich ist der blockadeorientierte Teil der Gegenproteste in Leipzig nicht unbedingt friedlicher als in den übrigen Städten. Auch in Leipzig kam es, wie in den anderen Städten, zu Auseinandersetzungen zwischen linken Gegendemonstranten, polizeilichen Kräften und dem Legida-Lager. Traurige Höhepunkte waren der Ausschreitungsexzess, den Anfang Juni 2015 etwa 100 Autonome in Leipzig veranstalteten, indem sie randalierend durch die Innenstadt zogen und die Krawalle mit massiven Angrifffen auf die Polizei im Dezember desselben Jahres. Auch aufgrund solcher Ereignisse gilt Leipzig als Hochburg linksmotivierter Straftaten. Dass es der lokalen Politik dennoch möglich war, sich positiv auf Demonstrierende und deren Organisationsnetzwerke zu beziehen, die aus einem zunächst ähnlichen politischen Umfeld stammen, liegt vermutlich daran, dass diese Szene nicht derart homogen ist, wie es bisweilen suggeriert wird. So stellt der sächsische Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2013 beispielsweise fest, dass die angemeldeten Demonstrationen aus dem linksextremen Spektrum im Vergleich zu »Spontandemonstrationen« überwiegend störungsfrei und friedlich verlaufen. Das Netzwerk Leipzig nimmt Platz wird in diesem Zusammenhang auch explizit als gemäßigt bezeichnet.68 Hier wird ein ähnlicher Umgang mit linksmotivierten Protesten im Zuge der NoLegida-Geschehnisse praktiziert, wie er schon im Rahmen der Hausbesetzerszene in Connewitz erprobt wurde: Während kriminelles Verhalten schlichtweg verurteilt und ihm konsequent mit den Mitteln der Strafverfolgungsbehörden begegnet werden soll, besteht daneben Raum für eine Annäherung an die nicht gewaltbereite linksautonome Szene, um auch von deren Gestaltungspotential zu profitieren. Dies lässt sich beispielsweise darauf zurückführen, dass Leipzig eine – vor allem im Vergleich zu Frankfurt – geringere Institutionalisierung als positive Ressource benutzt: »Leipzig scheint alles in allem immer noch bewegungsaffiner, strukturoffener und in seinen Facetten politisch und gesellschaftlich gestaltbarer als die Bankenmetropole Frankfurt zu sein.« So finden Netzwerke und Initiativen, die sich wie NoLegida beispielsweise gegen Rechtsextremismus engagieren, eine andere Resonanz als in der geregelten Mainmetropole. »Die vielfältigen und autonomen Aktivitäten der kreativen und sozialinitiativen Szene in der Stadt werden dabei von den örtlichen Parteien explizit gebilligt und unterstützt, ohne von ihnen vereinnahmt zu werden.«69 Damit ist die Protestkultur, aber auch die Protestkonjunktur in Leipzig eine andere als in den übrigen Städten. Und im Vergleich zu Frankfurt, dessen Leiterzählung nicht unwesentlich auf der Geschichte des linken Protests beruht, dieser aber etwas zur Ruhe gekommen ist und andere Orte und Kanä-
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le zur Artikulation gefunden hat, sind diese bewegungsförmigen Muster in Leipzig sowohl weiterhin aktiv als auch wirksam. Leipzig ist also in gewisser Hinsicht bewegungsförmiger und auf diese Bewegungsförmigkeit und die zivilgesellschaftlichen Initiativen dahinter angewiesen.
2.5 Ä hnliche O rganisationsstruk turen trot z unterschiedlicher politisch - kultureller Tr aditionen Letztlich ist das Engagement in seiner Form in den betrachteten Städten einander ziemlich ähnlich: Zentrale Kundgebungen, die mit viel Aufwand von den lokalen Verwaltungsbehörden im Verbund mit örtlichen Initiativen und Vereinen organisiert wurden, gab es in jeder Stadt. Diese Kundgebungen waren unterschiedlich groß und wurden auch unterschiedlich wahrgenommen: Obwohl die beiden zentralen Großveranstaltungen in Dresden sehr gut besucht waren und unter einem eindeutigen Motto durchgeführt wurden, gerieten diese in der Wahrnehmung der protestierenden Akteure schnell unter Druck. In den Gesprächen fand sich keinerlei Hinweis auf eine Kenntnisnahme dieser Kundgebungen als NoPegida-Veranstaltung und auch die Netzwerke vor Ort waren ihnen gegenüber kritisch. Leipzig konnte mit seinen großen zentralen Kundgebungen ähnlich viele Menschen mobilisieren, die Wirkungsgeschichte ist hier jedoch eine gänzlich andere: Konzipiert als direkte Gegenveranstaltungen wurden sie, so nah als unter den Auflagen der Genehmigungsbehörden möglich, abgehalten, um den Widerspruch direkt zu artikulieren. Während dies in Dresden dazu führte, dass bei dem WildersAuftritt die Protestierenden das Fernbleiben der breiten gesellschaftlichen »Mitte« kritisierten, führte dies in Leipzig dazu, dass die »Bürgerlichen« aus ihrer Protestverantwortung entlassen wurden, weil sie ihren Teil im Rahmen der Widerstände beigetragen hätten. So fällt auch auf, dass die prägenden Leiterzählungen der Stadt Dresden für den Gegenprotest kein großes oder sonst irgendwie geeignetes Mobilisierungsreservoir bereitstellen können, auf den der Gegenprotest positiv Bezug nehmen und daraus Sinnstiftung ziehen könnte. Die Deutung von 1989 hat Pegida durch die frühe Inanspruchnahme der Losung »Wir sind das Volk!« okkupiert und die Wahrnehmung des 13. Februars als ein den Neonazis und Geschichtsrevisionisten entrissener Deutungspunkt ist auch nur bedingt geeignet, weil dies innerhalb der Stadt stark mit Ausschreitungen und Gewalt und dem Chaos durch die Blockaden verknüpft ist und dadurch (bis jetzt) wenig Identifikationspotential über die enge Gruppe der Blockadeaffinen hinaus bietet. Diese Schwierigkeiten sind in Dresden noch derart im städtischkulturellen Denken etabliert, dass die Herausbildung eines gänzlich neuen Protestakteurs als notwendig angesehen wurde. Ganz anders als in Leipzig:
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Trotz der nicht weniger turbulenten Blockadegeschichte gegen rechtsextremistische Aufmärsche in der eigenen Stadt konnte dieses Potential bewahrt und sogar transformiert werden – in Form einer kulturellen Veranstaltung, die die Friedfertigkeit des Protests in Form eines Festivals hervorhebt. Diese Tradition bietet genug Raum für Anknüpfungspunkte, an denen sich auch das relativ junge Netzwerk Leipzig nimmt Platz orientieren kann. Gleichzeitig war das Bekenntnis der Lokalpolitik zu den verschiedenen Formen und Netzwerken des Gegenprotests in keiner anderen Stadt so hoch wie in Leipzig. Inwiefern dies allerdings auch in Zukunft bestand haben mag angesichts der Krawalle und der Gewalt gegen Polizisten, die im Dezember 2015 am Rande einer »Demonstration gegen Rechts« ausbrachen und vom Leipziger Oberbürgermeister mit den Worten kommentiert wurden, dass dies »offener Straßenterror« sei, mag bezweifelt werden. Bemerkenswert ist, dass in keiner anderen Stadt der Thematisierung einer Kluft zwischen Lokalpolitik und zivilen Protestakteuren eine so dominante Stellung eingeräumt wurde wie in Karlsruhe. Die Stadt ist derart von ihrer Leiterzählung geprägt, dass diese zwar über alle Instanzen des Protests, Widerspruchs und Engagements hinweg als Orientierungspunkt und auch als Argumentation für den Gegenprotest dient. Zugleich hat diese Bezugnahme aber auch einen bisweilen derart formelhaften Charakter, dass die verbindende Wirkung dieser Erzählung paradoxerweise nicht in dem Maße zustande kommt, wie es aufgrund der Referenzen auf die Erzählung vielleicht zu erwarten gewesen wäre. Oder anders herum: Auch diese sehr prägende Leiterzählung reicht nicht aus, um die verschiedenen Lager des Gegenprotestes wirksam zusammenzubinden. Stattdessen, so ließe sich argumentieren, war der betrachtete Karlsruher Gegenprotest, der ähnlich wie in Dresden zeitlich versetzt zu den Aufmärschen von Kargida stattfand, um den geschichtsträchtigen 23. Mai als Datum nutzen zu können, in seiner Symbolpolitik vielleicht auch schlichtweg überzeichnet. Der überragenden Leiterzählung der Karlsruher Bürger für Toleranz, Immigration, Liberalität und Willkommenskultur stehen in dieser Perspektive die relativ übersichtlichen Reihen des direkten Gegenprotests gegenüber, dessen Klientel eine völlig andere ist als jene der zentralen Veranstaltung seitens des Oberbürgermeisters. In Frankfurt ist das Engagement gegen rechtsextreme Positionen beinahe schon so etwas wie geronnene Stadtgeschichte. Das vor einem Vierteljahrhundert gegründete Römerbergbündnis ist die mit Abstand älteste Institution – in diesem Falle noch von einem Netzwerk zu sprechen scheint aufgrund der starken Etablierung längst nicht mehr zutreffend – innerhalb der untersuchten Städte, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren und vor allem den Protest organisieren. Gleichzeitig ist es aber auch diese Institutionalisierung, die in Frankfurt eine enge Anbindung an das Rathaus und lokale Entscheidungsinstanzen sicherstellt, aber ebenso dazu führt, dass gerade die »antifa-
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schistischen« Netzwerke – beinahe so wie die Zwischenmeldungen während der Römerbergbündnis-Kundgebung auf dem Goetheplatz – wie ein Störfeuer innerhalb dieser etablierten Protestkultur wirken. Was in Dresden zumindest unter den verschiedenen Protestakteuren und Netzwerken ein offenes Geheimnis ist – das Verdienst des Bündnisses Dresden Nazifrei hinsichtlich der Nazi-Aufmärsche um den 13. Februar –, gilt in den anderen Städten in ähnlicher Weise: Überall wird ein rhetorisches Muster des Platzmangels für fremdenfeindliches oder rechtsextremes Gedankengut bedient – hergestellt wird dieser Platzmangel jedoch allerorts weniger durch zentrale Kundgebungen, sondern durch direkte Aktionen des zivilen Ungehorsams, maßgeblich durch die Blockade von Routen. Innerhalb der vier skizzierten Städte hat aus dieser Perspektive lediglich Leipzig einen Weg gefunden, sich gegenüber den blockierenden Protestkräften positiv zu positionieren und die Politik der Straße und ihre eigenen Regeln als eine solche anzuerkennen. Nun scheint seit Ende 2015 auch dieses Bündnis zu bröckeln.
A nmerkungen 1| Eberhard Straub, Warum Dresden München den Rang abläuft. Die Schönste im Land, in: faz.net, 21.03.2007, online einsehbar unter www.faz.net/aktuell/feuilleton/ debatten/die-schoenste-im-ganzen-land-warum-dresden-muenchen-den-rang-ablaeuft1408655.html?printPagedArticle=true [zuletzt eingesehen am 02.09.2015]. 2 | Vgl. Karlheinz Blaschke, Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Kultur in der Landeshauptstadt Dresden 1871-1914, in: Dresdner Hefte, Jg. 7 (1989), H. 5, S. 4-12, hier S. 4-6. 3 | Ebd., S. 7. 4 | Vgl. ebd., S. 6. 5 | Vgl. Franz Walter, Freital in Sachsen: Die Geisterstadt der SPD, in: Spiegel Online, 23.07.2006, online einsehbar unter www.spiegel.de/politik/deutschland/freitalin-sachsen-die-geisterstadt-der-spd-a-423190.html [zuletzt eingesehen am 02.09. 2015]; Franz Walter, Modellstadt der SPD: Die Tragödie von Freital, in: Spiegel Online, 27.06.2015, online einsehbar unter www.spiegel.de/politik/deutschland/freitalvom-spd-modell-zur-protest-hochburg-a-1040775.html [zuletzt eingesehen am 02.09. 2015]. 6 | Miro Jennerjahn, Politik als Lebenswelt und Karriere: Warum wir die Politiker haben, die wir haben, in: Stephan Braun und Alexander Geisler (Hg.), Die verstimmte Demokratie. Moderne Volksherrschaft zwischen Aufbruch und Frustration, Wiesbaden 2012, S. 163-168, hier S. 164. 7 | Vgl. ebd., S. 164-165.
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NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t? 8 | Dietrich Herrmann, Warum gerade Dresden?, Heinrich Böll Stiftung, 14.01.2015, online einsehbar unter https://www.boell.de/de/2015/01/14/dresden-staat-zivilge sellschaft-pegida [zuletzt eingesehen am 02.09.2015]. 9 | Vgl. Lisa Erdmann, Kurt Biedenkopf: Der König von Sachsen, in: Spiegel Online, 13.01.2000, online einsehbar unter www.spiegel.de/politik/deutschland/kurt-bieden kopf-der-koenig-der-sachsen-a-59685.html [zuletzt eingesehen am 02.09.2015]; o.V., »König Kurt« I. von Sachsen, in: www.SZ.de, 28.01.2010, online einsehbar unter www. sueddeutsche.de/politik/kurt-biedenkopf-koenig-kurt-i-von-sachsen-1.73709 [zuletzt eingesehen am 02.09.2015]. 10 | Herrmann, Warum gerade Dresden? 11 | Jennerjahn, S. 166. 12 | Vgl. Herrmann, Warum gerade Dresden? 13 | Für eine kurze Übersicht der Wahlergebnisse der NPD in Sachsen vgl. Alexander Thumfart, Wahlergebnisse rechtsradikaler Parteien in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, in: Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen (Hg.), Nazis in den Parlamenten. Eine Bestandsaufnahme und kritische Analyse aus Thüringen 2011, S. 15-25. 14 | Vgl. Michael Lühmann, Pegida passt nach Sachsen, in: Zeit Online, 16.12.2014, online einsehbar unter www.zeit.de/politik/deutschland/2014-12/pegida-dresdenpolitische-tradition/komplettansicht [zuletzt eingesehen am 01.09.2015]. 15 | Vgl. Jennerjahn, S. 166-167. 16 | Historikerkommission zu den Luftangriffen auf Dresden 13. bis 15. Februar 1945, Einleitung, in: Rolf-Dieter Müller/Nicole Schönherr/Nicole Widera (Hg.), Die Zerstörung Dresdens 13. bis 15. Februar 1945. Gutachten und Ergebnisse der Dresdner Historikerkommission zur Ermittlung der Opferzahlen, Göttingen 2010, S. 11-49, hier S. 20. 17 | Joachim Fischer, Hat Dresden Antennen? Die Funktion der Stadt für gesamtgesellschaftliche Debatten seit 1989, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Jg. 69 (2015) H. 795, S. 16-28. 18 | »Nazifrei – Dresden stellt sich quer«, Bündniskonsens, dresden-nazifrei.com, 18.12. 2014, online einsehbar unter www.dresden-nazifrei.com/index.php/home/43-phantom/ phantom/677-buendniskonsens [zuletzt eingesehen am 27.08.2015]. 19 | Vgl. »Nazifrei – Dresden stellt sich quer«, Aktionskonsens, dresden-nazifrei.com, 18.12.2014, online einsehbar unter www.dresden-nazifrei.com/index.php/home/74uncategorised/678-aktionskonsens [zuletzt eingesehen am 27.08.2015]. 20 | Vgl. o.V., Rassistische Demo in Dresden: Gegendemonstranten stoppen Pegida mit Sitzblockade, in: Spiegel Online, 01.12.2014, online einsehbar unter www.spiegel. de/politik/deutschland/rassistische-demo-in-dresden-pegida-gestoppt-a-1006056. html [zuletzt eingesehen am 11.08.2015]. 21 | Vgl. Stephan Lohse, Sternlauf von Dresden für alle gegen Pegida und GeertWilders – Nazifrei kündigt Sitzblockaden an, in: DNN online, 09.04.2015, online einsehbar unter www.dnnonline.de/dresden/web/regional/politik/detail/-/specific/Pegida-GrosskundgebungDresden-Nazifrei-plant-Sit zblockaden-Demos-angekuendigt-3950403305 [zulet zt eingesehen am 24.08.2015]; o.V., Stadt verlegt Protest-Demo, in: Sächsische Zeitung,
2. Or te des Protests 10.04.2015, online einsehbar unter www.sz-online.de/nachrichten/stadt-verlegt-protestdemo-3078373.html [zuletzt eingesehen am 18.09.2015]. 22 | Vgl. hierzu Kapitel 5.5. 23 | Vgl. Andreas Weller, Bis Dresden weltoffen ist, in: Sächsische Zeitung, 02.05.2015, online einsehbar unter www.sz-online.de/nachrichten/bis-dresden-weltoffen-ist-30947 99.html [zuletzt eingesehen am 11.08.2015]. 24 | Vgl. o.V., Dresden: Pegida bekommt wieder mehr Mitläufer, in: Spiegel Online, 15.09.2015, online einsehbar unter www.spiegel.de/politik/deutschland/bachmannwill-partei-5000-pegida-anhaenger-demonstrieren-a-1052921.html [zuletzt eingesehen am 18.09.2015]. 25 | Vgl. o.V., »Für Dresden, für Sachsen – für Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Dialog im Miteinander«, in: Medienservice Sachsen, 09.01.2015, online einsehbar unter www.medienservice.sachsen.de/medien/news/196084 [zuletzt eingesehen am 06.08.2015]; o.V., Friedensbotschaft vor der Frauenkirche, in: mdr.de, 12.02.2015, online einsehbar unter www.mdr.de/sachsen/dresden-fuer-alle100_zc-f1f179a7_zs9f2fcd56.html [zuletzt eingesehen am 06.08.2015]. 26 | Vgl. Landeshauptstadt Dresden, Kommunale Statistikstelle (Hg.), Statistische Mitteilungen. Stadtteilkatalog 2013, Dresden 2015, S. 37-38, online einsehbar unter www.dresden.de/media/pdf/onlineshop/statistikstelle/Stadtteilkatalog _2013.pdf [eingesehen am 26.08.2015]. 27 | Vgl. ebd., S. 40, 48, 224, 228, 260, 296. 28 | Vgl. Antonie Rietzschel, Ich will kein Ossi mehr sein. Krawalle in Heidenau, Süddeutsche Zeitung, 31.08.2015, online einsehbar unter www.sueddeutsche.de/politik/ krawalle-in-heidenau-ich-will-kein-ossi-mehr-sein-1.2628210 [zuletzt eingesehen am 31.08.2015]. 29 | Bei den Daten für die Stadtteile beziehungsweise den Ortsamtsbereich handelt es sich um die ungewichteten Mittelwerte der betreffenden Urnenwahlbezirke bei o.V., Oberbürgermeisterwahl Dresden 2015 – Erster Wahlgang am 07.06.2015, online einsehbar unter http://wahlen.dresden.de/2015/OBW/uebersicht_direktwahl_gemeinde612-dresden_gesamt.html [zuletzt eingesehen am 15.06.2015]. 30 | Herrmann, Warum gerade Dresden? 31 | Vgl. Bürgerstiftung Karlsruhe, Vom Privilegienbrief von 1715 zum Karlsruher Bürgerbrief 2015, buergerstiftung-karlsruhe.de, 15.03.2015, online einsehbar unter http:// buergerbrief.buergerstif tung-karlsruhe.de/wp-content/uploads/2015/04/Buerger brief2015-d.pdf [zuletzt eingesehen am 04.09.2015]. 32 | Thorsten Jungholt, Karlsruhe – Die, wo recht haben, in: Die Welt, 03.09.2009, online einsehbar unter www.welt.de/politik/deutschland/article4454860/KarlsruheDie-wo-recht-haben.html [zuletzt eingesehen am 04.09.2015]. 33 | Vgl. Reinhold Weber, Politische Kultur, Parteiensystem und Wählertradition im deutschen Südwesten, in: Reinhold Weber und Hans-Georg Wehling (Hg.), Baden-Württemberg. Gesellschaft, Geschichte, Politik, Stuttgart 2006, S. 56-89, hier S. 83-84. 34 | Vgl. ebd., S. 86.
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NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t? 35 | Vgl. Widerstand Karlsruhe, Über Widerstand Karlsruhe, facebook.com vom 02. 06.2015, online einsehbar unter https://www.facebook.com/WiderstandOWKarlsruhe/ info?tab=page_info [zuletzt eingesehen am 04.09.2015]. 36 | Vgl. o.V., Kargida vs. No-Kargida: Hunderte bei Protesten gegen Pegida in Karlsruhe, in: ka-news.de, 24.02.2015, online einsehbar unter www.ka-news.de/region/ karlsruhe/Karlsruhe~/Kargida-vs-No-Kargida-Hunderte-bei-Protesten-gegen-Pegidain-Karlsruhe;art6066,1586917 [zuletzt eingesehen am 04.09.2015]; o.V., Karlsruher OB klagt über Pegida-Demos, in: Südwestpresse, 02.04.2015, online einsehbar unter www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Karlsruher-OB-klagt-ueber-PegidaDemos;art4319,3143403 [zuletzt eingesehen am 04.09.2015]; o.V., Polizei riegelte Karlsruher Innenstadt für »Kargida«-Demonstration ab, in: Rhein-Necker-Zeitung, 01.04.2015, online einsehbar unter www.rnz.de/politik/suedwest_artikel,-Polizeiriegelte-Karlsruher-Innenstadt-fuer-Kargida-Demonstration-ab-_arid,87482.html [zuletzt eingesehen am 04.09.2015]. 37 | Vgl. o.V., Botschaft: Karlsruhe zeigt Flagge für Vielfalt, in: StadtZeitung Karlsruhe, 15.05.2015, online einsehbar unter http://presse.karlsruhe.de/db/stadtzeitung/ jahr2015/woche20/botschaft_karlsruhe_zeigt_ flagge_fur_vielfalt.html [zuletzt eingesehen am 12.08.2015]. 38 | Vgl. o.V., Rechter Aufmarsch in Karlsruhe geplant – Gegendemo angekündigt, in: kanews.de, 19.04.2013, online einsehbar unter www.ka-news.de/region/karlsruhe/RechterAufmarsch-in-Karlsruhe-geplant-Gegendemo-angekuendigt;art6066,1121558 [zuletzt eingesehen am 05.09.2015]; o.V., »Karlsruhe zeigt Flagge«: Stadt wehrt sich gegen geplante Nazi-Demo, in: ka-news.de, 17.05.2015, online einsehbar unter www.ka-news. de/region/karlsruhe/Karlsruhe-zeigt-Flagge-Stadt-wehrt-sich-gegen-geplante-NaziDemo;art6066,1142060 [zuletzt eingesehen am 19.08.2015]. 39 | Vgl. o.V., 2500 Menschen blockieren Neonazi-Demo, in: SZ.de, 25.05.2013, online einsehbar unter www.sueddeutsche.de/politik/rechtsradikale-in-karlsruhe-men schen-blockieren-neonazi-demo-1.1680753 [zuletzt eingesehen am 05.09.2015]; aabs, Nazidemonstration in Karlsruhe verhindert!, Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region vom 10.06.2013, online einsehbar unter http://aabs.blogsport. eu/?p=1205 [zuletzt eingesehen am 19.08.2015]. 40 | Vgl. Oliver D’Antonio, Zwischen Rathaus, Milieu und Netzwerk. Über die lokale Verankerung politischer Parteien, Wiesbaden 2015, S. 87-88. 41 | Ebd., S. 530. 42 | Vgl. ebd., S. 534. 43 | Ebd., S. 530. 44 | Vgl. Hessisches Statistisches Landesamt (Hg.), Endgültiges Ergebnis der Gemeindewahl am 27. März 2011 Frankfurt a.M., Stadt, statistik-hessen.de, 27.03.2011, online einsehbar unter http://web.statistik-hessen.de/K2011/EG412000.pdf [zuletzt eingesehen am 08.09.2015]; CDU + Die Grünen, Koalitionsvertrag, Frankfurt a.M. im Mai 2011, online einsehbar unter www.frankfurt.de/sixcms/media.php/738/25948d01.pdf [zuletzt eingesehen am 08.09.2015].
2. Or te des Protests 45| Vgl. Fabian Scheuermann, Fröhlicher Protest gegen Fragida, in: Frankfurter Rundschau, 01.01.2015, online einsehbar unter www.fr-online.de/frankfurt/fragida-froehlicher-protest-gegen-fragida,1472798,294581 50.html [zuletzt eingesehen am 08.09.2015]; Thomas Remlein, Warum Fragida hier nichts zu suchen hat. Die Woche im Römer, in: Frankfurter Neue Presse, 20.12.2014, online einsehbar unter www.fnp.de/ lokales/frankfurt/Warum-Fragida-hier-nichts-zu-suchen-hat;art675,1184764, [zuletzt eingesehen am 08.09.2015]; Christian Palm und Stefan Toepfer, Pegida bald am Main?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.12.2014, online einsehbar unter www.faz.net/ aktuell/rhein-main/fragida-demos-angekuendigt-pegida-bald-am-main-13323727. html [zuletzt eingesehen am 08.09.2015]. 46 | Auf der Webpräsenz des Bündnisses heißt es zu dem geplanten Programm: »Während der Kundgebung sprechen: Günter Burkhardt, Bundesgeschäftsführer PRO ASYL, Gaby Hagmans, Caritasdirektorin/Katholische Stadtkirche, N.N, Flüchtling, Nilüfer Bicakci, Vorstand Frankfurter Jugendring, Dr. Nargess Eskandari-Grünberg, Integrationsdezernentin/Magistrat, Turgut Yüksel, Landtagsabgeordneter, Dr. Meron Mendel, Geschäftsführer der Begegnungsstätte Anne Frank, Harald Fiedler, DGB.« Siehe auch Römerbergbündnis, Kundgebung Römerbergbündnis 20.06.2015, in: frankfurter info, 02.06.2015, online einsehbar unter www.frankfurter-info.org/Termine/kundgebungromerbergbundnis-20.06.2015 [zuletzt eingesehen am 11.08.2015]. 47 | Römerbergbündnis et al., Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit!, frankfurtgegen-rassismus.de, 27.01.2015, online einsehbar unter www.frankfurt-gegen-rassis mus.de/home-slider/ [zuletzt eingesehen am 11.08.2015]. 48 | o.V., Pegida sagt Schweigemarsch in Frankfurt ab, in: faz.net, 26.01.2015, online einsehbar unter www.faz.net/aktuell/rhein-main/pegida-sagt-schweigemarsch-infrankfurt-ab-13392033.html [zuletzt eingesehen am 11.08.2015]; Hanning Voigts, Pegida will wiederkommen, in: Frankfurter Rundschau, 27.01.2015, online einsehbar unter www.fr-online.de/frankfurt/pegida-in-frankfurt-pegida-will-wiederkommen,1472798, 29678546.html [zuletzt eingesehen am 11.08.2015]. 49 | Vgl. Katja Thorwarth, Heidi Mund singt nicht mehr, in: Frankfurter Rundschau, 31.03.2015, online einsehbar unter www.fr-online.de/frankfurt/-freie-buerger-fuerdeutschland--heidi-mund-singt-nicht-mehr,1472798,30262616.html [zuletzt eingesehen am 08.09.2015]. 50 | Gitta Düperthal, »Wir erwarten gewaltbereite Hooligans und Neonazis«. Rassisten bereiten für den 20. Juni Demonstrationen in Frankfurt a.M. und Berlin vor. Dagegen gibt es Widerstand. Gespräch mit Annette Ludwig, in: Junge Welt, 02.06.2015, online einsehbar unter https://www.jungewelt.de/2015/06-02/041.php [zuletzt eingesehen am 11.08.2015]. 51 | Anti-Nazi-Koordination Frankfurt, Gründungserklärung der Anti-Nazi-Koordination Frankfurt (Juni 2001), Frankfurt a.M., 28.06.2001, online einsehbar unter https://anti nazi.files.wordpress.com/2007/02/grc3bcndungserklc3a4rung-der-ank-2002.pdf [zuletzt eingesehen am 11.08.2015].
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NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t? 52 | Vgl. Anti-Nazi-Koordination Frankfurt, Selbstverständnis und Entwicklung der ANK. Selbstverständnis und Entwicklung der Anti-Nazi-Koordination 2001-2015, antinazi.wordpress.com, online einsehbar unter https://antinazi.wordpress.com/gruen dungserklaerung/ [zuletzt eingesehen am 11.08.2015]. 53 | Vgl. Katja Thorwarth, »Wir sind die Azzlacks«, in: Frankfurter Rundschau, 04.05.2015, online einsehbar unter www.fr-online.de/frankfurt/anti-pegida-bewegung --wir-sind-die-azzlacks-,1472798,30616610.html [zuletzt eingesehen am 08.09.2015]. 54 | Vgl. Michael Fabricius, Warum Leipzig den Rest der Bundesrepublik abhängt, in: Die Welt, 26.06.2015, online einsehbar unter www.welt.de/finanzen/immobilien/ article141484589/Warum-Leipzig-den-Rest-der-Bundesrepublik-abhaengt.html [zuletzt eingesehen am 08.09.2015]. 55 | Vgl. Werner Rellecke, Wegmarken sächsischer Geschichte, in: Werner Künzel und Werner Rellecke (Hg.), Geschichte der deutschen Länder. Entwicklungen und Traditionen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Münster 2005, S. 315-350, hier S. 331. 56 | Vgl. ebd., S. 339. 57 | Vgl. D’Antonio, S. 92-95. 58 | Vgl. Dieter Rink, Der Traum ist aus? Hausbesetzer in Leipzig-Connewitz in den 90er Jahren, in: Roland Roth und Dieter Rucht (Hg.), Jugendkulturen, Politik und Protest. Vom Widerstand zum Kommerz?, Opladen 2000, S. 119-140, hier S. 121-123. 59 | Vgl. ebd., S. 124-126. 60 | Vgl. ebd., S. 127. 61 | Vgl. Statistisches Landesamt Sachsen (Hg.), ‘1. Direkt gewählte Bewerber bei der Wahl zum 6. Sächsischen Landtag am 31. August 2014 nach Wahlkreisen, statistik. sachsen.de, 31.08.2015, online einsehbar unter www.statistik.sachsen.de/wahlen/ lw/lw2014/LW2014.xlsx [zuletzt eingesehen am 09.09.2015]. 62 | Vgl. Korinna Klasen, Völkerschlacht in Leipzig, in: Jungle World, 22.04.1998. 63 | Vgl. Leipzig nimmt Platz, Leipziger Erklärung 2015 – LEGIDA den Platz nehmen!, leipzig-nimmt-platz.de, 16.01.2015, online einsehbar unter http://leipzignimmtplatz. blogsport.de/images/LNP_Leipziger_ Erklaerung_2015_Legida.pdf [zuletzt eingesehen am 27.08.2015]. 64 | Martin Machowecz, Connewitz, komm raus, in: Zeit Online, 16.04.2015, online einsehbar unter www.zeit.de/2015/16/antifa-leipzig-connewitz-besetzte-haeuser [zuletzt eingesehen am 07.09.2015]. 65 | Vgl. Robert Nößler und Matthias Puppe, Breiter Protest gegen LEGIDA in Leipzig: Bereits sieben Gegendemos für 12. Januar angemeldet, in: Leipziger Volkszeitung, 29.12.2014, online einsehbar unter www.lvz.de/Leipzig/Lokales/Breiter-Protest-gegenLEGIDA-in-Leipzig-Bereits-sieben-Gegendemos-fuer-12.-Januar-angemeldet [zuletzt eingesehen am 10.09.2015]. 66 | Vgl. Stadt Leipzig, Stadt Leipzig beauflagt angemeldete Legida-Demonstration, leipzig.de vom 20.01.2015, online einsehbar unter www.leipzig.de/news/news/stadtleipzig-beauflagt-angemeldete-legida-demonstration/ [zuletzt eingesehen am 13.08. 2015].
2. Or te des Protests 67 | Vgl. Matthias Puppe, OBM Jung dankt NoLegida – Rechter Marsch durchs Waldstraßenviertel, in: Leipziger Volkszeitung, 27.08.2015, online einsehbar unter www.lvz.de/ Specials/Themenspecials/Legida-und-Proteste/Legida/OBM-Jung-dankt-NoLegidaRechter-Marsch-durchs-Waldstrassenviertel [zuletzt eingesehen am 27.08.2015]. 68 | Vgl. Sächsisches Staatsministerium des Innern und Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen (Hg.), Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2013, Dresden 2014, S. 196-197. 69 | Vgl. D’Antonio, S. 542.
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3. NoPegida und das Verhältnis zu Gewalt und Polizei
So groß die Differenzen zwischen den unterschiedlichen Städten hinsichtlich ihrer Akteure, Netzwerke, Proteste und der grundierenden Erzählungen zum Teil auch sein mögen, in einer Hinsicht besteht über alle Protestorte hinweg ein Moment der Gemeinsamkeit und Einigkeit: die Thematisierung der Polizei. In den meisten Fällen erfolgte diese über Problematisierung und Kritik an der Rolle der Polizei selbst. Die Erwähnung der Polizei und vor allem die Wahrnehmung ihrer Funktion und ihres Auftretens seitens der Demonstrierenden waren über alle Gesprächsrunden hinweg sehr präsent, bisweilen dominierte das Thema ganze Gesprächsabschnitte. Die Art und Weise der Bezugnahme auf die Ordnungskräfte ist allerdings von Unterschieden geprägt. Grundsätzlich lässt sich bei der Thematisierung der Polizei zwischen drei Varianten unterscheiden. Zunächst das Fremderleben oder auch Hörensagen. Hierbei werden Erlebnisse geschildert, die nicht Teil des persönlichen Erfahrungshorizonts sind, sondern zur Illustration und Untermauerung der eigenen Argumentation und Position im Gespräch oder aber auch der Motivation zur Gesprächsteilnahme herangezogen werden. Sowohl in Dresden als auch in Karlsruhe berichtete beispielsweise jeweils eine Teilnehmerin über die Demonstrationserfahrungen ihrer Kinder bei den Blockupy-Protesten in Frankfurt beziehungsweise bei den Protesten gegen den Karlsruher Pegida-Ableger. In beiden Fällen wurde primär die nachvollziehbare Sorge um die körperliche Unversehrtheit des Kindes deutlich. Eine weitere Frankfurter Teilnehmerin wiederum hatte Zugriff auf die Erzählungen eines Rettungssanitäters während der Blockupy-Proteste und schilderte aus dieser Perspektive Verletzungen mit zum Teil gravierenden Folgewirkungen für die Protestierenden durch das Handeln der Polizei. Die zweite Variante der Thematisierung ist die Ebene der Beobachtung. Dieser Punkt umfasst die Schilderungen von Demonstrierenden auf den verschiedenen NoPegida Kundgebungen, die zumeist in einem Befremden oder Unverständnis ob der beobachteten Vorgänge gipfeln. Die Spannweite der hier-
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NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t?
bei thematisierten Beobachtungen variiert bisweilen stark. Häufig wird in diesem Zusammenhang von den Befragten Unverständnis geäußert, wenn den Demonstrierenden das Verhalten der Polizei gegenüber Pegida nicht verständlich erscheint. Beispiele, die häufiger Erwähnung finden, sind verfassungsfeindliche Symbole und Parolen durch Pegida bei gleichzeitiger Untätigkeit der Polizei: »Wobei man aber auch sagen muss, dass es auch Beweise gibt dafür, dass die Polizei wirklich weggeschaut hat […]. Reichsflaggen, ist klar. Hat man ja schön öfter die Bilder gesehen oder war selbst dabei. Aber auch beim Hitlergruß waren jetzt erst kürzlich […] wieder ein paar Bilder auch online und wo man halt gesehen hat, dass die Polizei eindeutig hinschaut […] und nichts wird gemacht.« Diese Wahrnehmung korrespondiert nicht selten mit einer Einstellungszuschreibung gegenüber den eingesetzten Polizeikräften, denen eine heimliche Sympathie mit den Werten von Pegida nachgesagt wird: »Aber man hat es gesehen teilweise, dass die Polizisten nicht gerade froh waren, da bei den Gegendemonstrationen zu [sein]. Sie hatten ein teilweise sehr mürrisches Gesicht und sehr, sehr unfreundlich teilweise – nicht alle – wo man sich gefragt hat: Ja, auf welcher Seite steht jetzt der Polizist, der mich beschützen soll, eigentlich?« Auch gibt es Erzählungen, die erkennen lassen, dass das Verhalten der Polizeibeamten im Rahmen der konkreten Situation nicht nachvollziehbar erscheint. So erinnert sich ein Teilnehmer aus Dresden an eine relativ spontane Gegenkundgebung, bei der er sich, auch um Erfahrungen zu sammeln, ziemlich weit vorne aufgehalten habe: »Und da ist mir halt sowas begegnet, wo Polizei provokationslos eine ganze Truppe mitten in die Menge geschickt hat, was mir immer noch ein Rätsel ist, wie die darauf gekommen sind. Also das ist ein sehr einprägsames Erlebnis für mich gewesen.« Deutlich wird, dass die Handlungsweise der Polizeibeamten für die Demonstranten in ihrer Ausprägung und Schärfe als nicht notwendig eingeschätzt wird. Dazu trägt vielerorts auch das Befremdungs- und Beklemmungsgefühl bei, das sich bisweilen einstellt, wenn man sich im Rahmen der Demonstrationen den hochgerüsteten Polizeikräften in voller Körperschutzpanzerung gegenübersieht. Die dritte Ebene ist schließlich jene der unmittelbaren Konfrontationserfahrung. Gerade in Leipzig und Frankfurt sind diese Schilderungen vergleichsweise häufig. Eine Gesprächsteilnehmerin aus Frankfurt bekam nach eigener Aussage Tränengas ab: »Erst […] versuchen zu blockieren, ja, dass die Teilnehmer da von diesem Fragida gar nicht erst auf den Platz kamen. Das war ja ein massives Polizeiaufgebot. Das war so gar nicht möglich. Also Tränengas hab ich auch noch abbekommen. So aus dem Nichts!« Allgemein gefasst kulminiert eine derartige direkte Konfrontationserfahrung mit der Polizei in einem Gefühl der Hilflosigkeit und Frustration: »Wir sind bei der Demo rumgelaufen, wollten eine Straße blockieren und dann kamen 50 Polizisten, dann waren wir eingekesselt und konnten dreieinhalb Stunden nicht mehr weg. Und als wir gefragt haben, ob wir irgendwann noch weg dürfen, da haben
3. NoPegida und das Verhältnis zu Gewalt und Polizei
die uns nur dumm angegrinst. […] Und man kann nicht weg, man kann nicht die Polizei rufen, weil die schon da ist, man [kann] in der Situation […] einfach gar nichts machen. Du kannst wirklich einfach nur da sitzen und hoffen, dass die dich nicht gleich verprügeln.« Diese Situation der permanenten Anspannung ist gerade im Rahmen der Leipziger Gespräche mehrmals thematisiert worden: Polizeibeamte hätten freimütig zugegeben, dass sie sich darauf freuten, den Demonstrierenden wieder »Pfeffer zu geben«, Erzählungen von witzelnden und feixenden Polizisten angesichts auf dem Boden liegender, blutender Demonstranten werden ebenso dargeboten wie die Schilderung, fast von einem Polizeifahrzeug überfahren worden zu sein. Alles in allem gipfeln diese Erlebnisberichte sehr häufig in dem Gefühl, einzig von der Polizei schikaniert zu werden. Das eigene Engagement gegen Rechtsextremismus und für Menschlichkeit werde, so die Befragten, von der Polizei auf diese Weise stark eingeschränkt: »Man hat halt das Gefühl, dass man dafür diskriminiert wird. […] Also es wird extrem hart sofort gegen jeden Gegendemonstranten losgegangen. Also […] ich wurde teilweise von Beamten beleidigt, ich wäre ein linker Steineschmeißer. […] Das war irgendwie so dieses Gefühl, dass halt mit aller Macht versucht wird, mich zu kriminalisieren, obwohl ich für eine gute Sache auf die Straße gehe.« Das Gefühl, für die Artikulation der eigenen Meinung von Polizeikräften angegriffen, schikaniert oder zumindest verspottet zu werden, ist ein häufig wiederkehrendes Motiv. Sekundiert werden derartige Erzählungen oftmals mit Schilderungen über nachsichtiges Verhalten der Polizei gegenüber Verfehlungen, die aus den Versammlungen von Pegida heraus begangen werden. Aus den Reihen von NoPegida wird an dieser Stelle also das Narrativ des blinden rechten Auges bemüht. Selten sind die Ausführungen dazu so ausführlich wie die einer Frankfurter Teilnehmerin, die ein solches Verhalten der Polizei in Zusammenhang bringt mit einer Kontinuität rechter Eliten in Behörden und Verwaltungen. Darüber hinaus fühlen sich mehrere Teilnehmer unserer Diskussionen von den Polizeikräften regelrecht gegängelt. So auch eine Teilnehmerin des Sternlaufs in Dresden, die sich später noch an Blockadeversuchen beteiligt hatte: »Wir wurden dann […] wirklich von der Polizei förmlich so eingekesselt und jetzt bloß keinen kleinen Zeh über den Bürgersteigrand hängen lassen. Also das finde ich immer schwierig, wenn da wirklich Leute mit Kindern dabei sind und jetzt nicht die böse Antifa […]. Also man fühlt sich da wirklich wie ein Schwerverbrecher, nur weil man jetzt sagt: Ich bin damit [mit Pegida] nicht einverstanden.« Hier offenbaren sich Gefühle der Kriminalisierung politischen Engagements durch die Polizei und schließlich auch die Wahrnehmung der schlichten Verhinderung der Meinungsäußerung durch diese. »Also seit Anfang des Jahres wurde mein Recht auf Versammlungsfreiheit, was ein Grundrecht ist, vier, fünf Mal – ich kann da gar nicht mehr mitzählen – auf jeden Fall eingeschränkt, teilweise komplett verweigert,
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NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t?
weil ich zu einer Kundgebung nicht durch konnte.« Dadurch entsteht für einige Demonstranten der Eindruck, dass das Versammlungsrecht für die verschiedenen Pegida-Varianten seitens der Polizei höher bewertet wird als der von ihnen artikulierte Widerspruch im Sinne einer Gegendemonstration. Sekundiert werden diese Wahrnehmungen oftmals durch konkrete Beispiele der Unverhältnismäßigkeit: So wurde in Braunschweig eine Kundgebung von Bragida seitens der Polizei nicht aufgelöst, obwohl es im Laufe der Veranstaltung aus der Menge der Demonstranten zu Übergriffen auf Journalisten gekommen sein soll. Die bereits erwähnte Präsentation von Reichskriegsflaggen, die Zurschaustellung von verfassungsfeindlichen und volksverhetzenden Symbolen und Parolen, auch das Zeigen des Hitlergrußes in Dresden und die ausbleibende, als sprichwörtliches »Wegschauen« klassifizierte Reaktion der Polizei gehören ebenso dazu. Wie die Polizei Versammlungen mit – aus Sicht der Demonstranten – offensichtlich verfassungsfeindlichen Tendenzen auch noch schützen könne, führt oft zu Unverständnis. Dieses Unverständnis steigert sich bisweilen gar noch in Empörung, wenn Erlebnisse erinnert werden, bei denen Polizeibeamte die Notwendigkeit ihres Einsatzes mit der Anwesenheit der Gegendemonstranten begründen. »Der Polizist sagt zu mir: ›Wir müssen nicht hier sein.‹ Weil ich fragte: ›Wie ist das für Sie, wenn Sie auftreten?‹ ›Wir müssten nicht hier sein, wenn es Sie nicht gäbe.‹« Während sich die NoPegida-Demonstranten wünschen, dass für alle – auch für die Ordnungskräfte – Pegida der gemeinsame Feind sei, entsteht bei ihnen durch polizeiliche Äußerungen und Verhaltensweisen der Eindruck, dass überraschenderweise sie selbst für die gegnerische Fraktion, für die Widerständigen gehalten werden. Diese »Gegnerverschiebung« weg von den Pegida-Demonstranten hin zu den Gegendemonstranten ist dabei in ihren Augen hoch problematisch und diskreditiert das Anliegen des Gegenprotests auch bei der übrigen, nicht engagierten Bevölkerung. Diese Haltung der Ordnungskräfte, die Gegendemonstranten als Ursache für den Polizeieinsatz verantwortlich zu machen, stellt die Welt für NoPegida regelrecht auf den Kopf, da es in ihrer Perspektive gerade die Anwesenheit der Pegida-Demonstrationen sei, die die Werte der Gesellschaft herausforderten und somit Widerspruch geradezu zwingend notwendig machten. Dadurch entsteht ein Klima der Unsicherheit und eine Verteidigungshaltung, verstärkt durch die bisweilen martialisch gerüsteten Polizeikräfte als Begleitung der Demo-Aufzüge, die das Anliegen von NoPegida – auch durch die Gewalt-Fokussierung der Medien in ihrer Berichterstattung – in Verruf brächten und somit eine Atmosphäre der Abschreckung gefördert werde. Politische Meinungsäußerung auf den Straßen werde dadurch unattraktiver, weil dies bisweilen als unangenehm oder gar gefährlich empfunden wird. Diese Wahrnehmung führt zu einem interessanten Aspekt in der Interpretation von Meinungsäußerung im Zusammenhang mit Versammlungsfrei-
3. NoPegida und das Verhältnis zu Gewalt und Polizei
heit: Freie Meinungsäußerung wird in der Vorstellung der NoPegida-Demonstranten – am pointiertesten in Leipzig – mit einer Besetzung und Politisierung des öffentlichen Raumes zusammengedacht. In diesem Sinne wird der öffentliche Raum als Boden und Grundlage für die freie Meinungsäußerung angesehen. Die Besetzung, bisweilen auch die Blockade, dieses öffentlichen Raumes ist genuiner Teil der freien Meinungsäußerung im Sinne einer Politisierung des Raumes: Meinungsbildung, insbesondere die politische, finde in manifester Form gerade auf den Straßen statt.1 Der öffentliche Raum als Inbegriff von Demokratie muss frei verfügbar für die politische Meinungsbildung sein und auch bleiben. Die Intervention steht diesem Wettstreit der Meinungen in gewisser Weise im Weg.2 Die Polizei wird aus dieser Perspektive als eine Institution aufgefasst, die die Politisierung der Räume unterbindet und damit letztlich antidemokratischen Entwicklungen einen gewissen Vorschub leiste. Somit wird die Polizei zugleich auch ein politischer Akteur mit einer eigenen Agenda auf der Straße. Auch wenn die radikalen institutionellen Argumente gerade aus den eher antifaschistisch und autonom orientierten Kreisen der Gruppengespräche bezüglich der Wahrnehmung der Polizei in dieser Schärfe nicht durch alle NoPegida-Befragten aufrechterhalten werden, ist die Tendenz der Betrachtung dennoch kritisch. Allerdings bewerten keineswegs alle Teilnehmer der Fokusgruppen die Polizei auf diese Art und Weise. Hauptsächlich bricht sich dieses Empfinden vor allem entlang der politischen Selbsteinschätzung. Je linker sich die Demonstranten in der Selbsteinschätzung bezeichnen, desto eher neigt ihre Wahrnehmung der Polizei zu dem oben skizzierten Muster und desto häufiger sind die Erzählungen über die Polizei auch Berichte von tendenziell direkten Konfrontationen und manifesten körperlichen Erfahrungen. Auch scheint das Alter eine Rolle zu spielen, da diese Schilderung überwiegend – wenn auch nicht maßgeblich, da es einige Teilnehmer um die 50 und älter gibt, die zum Beispiel in Brokdorf oder um die 1970er in Frankfurt in der linksautonomen Szene aktiv waren – von Beteiligten unter 30 Jahren gemacht werden. Von diesen Ausnahmen abgesehen sind es aber zumeist die Älteren, die in dem Auftreten der Polizei keine oder nur geringfügig zu problematisierende Verhaltensweisen ausmachen können. Da sich die älteren Befragten jedoch zumeist auf Veranstaltungen aufgehalten haben, die als zentrale Kundgebungen ohne sonderliche Nähe oder gar direkten Kontakt zu Pegida-Aufmärschen konzipiert waren und oftmals keine Blockadeabsicht intendiert war, fehlt vermutlich der entsprechende Erfahrungsschatz, um derartige Erlebnisse in eine Narration persönlicher Betroffenheit oder direkten Erlebens kleiden zu können. Über alle Altersgrenzen und Sphären der politischen Selbstverortung hinweg gibt es jedoch eine Tendenz bei den NoPegida-Demonstranten, die Polizei als einen singulären, von anderen Institutionen und Zuständigkeiten – und auch Weisungen – abgekoppelten Akteur wahrzunehmen. Durch die teils mas-
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sive Präsenz der Polizeikräfte, die in ihren Rüstungen aussähen »wie Turtles«, tritt die Erkenntnis vor allem in den Gruppengesprächen in den Hintergrund, dass die Polizei in den meisten Fällen kein eigenständiger Akteur ist, der das Versammlungsgeschehen nach eigenem Gutdünken prägt, sondern im Verbund mit anderen Behörden und in Bindung an geltendes Recht das Versammlungsgeschehen begleitet.3 Diese Perspektive ist gerade in den Einzelgesprächen mit Aktivisten, die zum Teil direkten Umgang mit den zuständigen Versammlungsbehörden haben, eine andere. Weil sie beispielsweise als Anmelder von Kundgebungen agieren und in dieser Funktion von Gesprächen zu Sicherheitskonzepten der Veranstaltungen mit Vertretern der Polizei und des Ordnungsamts berichten können, bricht sich die Perspektive an dieser Stelle. Daneben meinen einige, die schroffe Haltung gegenüber den Demonstranten aus den Reihen der Polizisten vornehmlich auf jene Einsatzkräfte zurückführen zu können, die ortsfremd sind und somit im Zuge der Amtshilfe zur Sicherung der Demonstrationen eingesetzt werden. Lokale Polizeikräfte, die mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut sind, oftmals selbst aus der Stadt kommen, seien NoPegida gegenüber bisweilen wohlgesonnener. Auch vice versa gibt es aus den Reihen der Demonstranten, die die Polizeikräfte in Schutz nehmen, Verständnis für ihre Situation und die Anspannung, in der sich diese befänden und unter der sie stünden. »Die Maßnahmen, die die Polizei ergreift, kann ich zwar nicht vollkommen nachvollziehen und verstehen, aber […] wenn man jetzt einen Polizisten anspuckt, der jetzt einfach nur […] den Weg blockiert, dann erwarte ich auch in dem Moment eine Gegenmaßnahme von der Polizei.« Darin wird die Einsicht deutlich, dass es nicht zwingend angenehm ist, als Polizist zwischen zwei Demonstrationslagern zu stehen und immer damit rechnen zu müssen, dass es »knallen« kann. Auch die Tatsache, dass die Polizei als Vertreterin des staatlichen Gewaltmonopols die Aufgabe hat, öffentliche Sicherheit, Ordnung sowie die Durchsetzung der verfassungsmäßig garantierten Grundrechte zu gewährleisten, und dass dies auch die Absicherung von Demonstrationen wie jene von Pegida mit einschließt, wird von unseren Gesprächspartnern durchaus anerkannt. Die Polizei habe hier – auch im historischen Verlauf 4 – viel Vertrauen eingebüßt, indem sie unprofessionell oder überhart reagiert habe. Gleichzeitig wäre es aber auch ohne die Präsenz der Polizei auf einigen Veranstaltungen zu konkreten Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Vertretern beider Lager gekommen. Die Anwesenheit der Polizeikräfte habe hierbei vor allem für die breite Masse der Demonstranten eine sehr positive Wirkung gehabt. In der Rückschau offenbart sich das Verhältnis der Demonstranten zur Polizei als ambivalent. Die Erzählungen über negative Erlebnisse überwiegen deutlich die Feststellungen von positiven Erfahrungen. Viele Demonstranten haben direkte Erfahrungen mit Polizeigewalt oder wurden Ziel von »unmittelbarem Zwang«5, wie dies im Sprachgebrauch der Polizeibehörden heißt, wur-
3. NoPegida und das Verhältnis zu Gewalt und Polizei
den eingekesselt oder ihnen wurde der Zugang zu Versammlungen verwehrt. Gleichzeitig betrachten sie die Polizei auch als eigenständigen Akteur, statten ihn mit einer politischen Agenda und politischen Präferenzen aus, die sie zum Teil als deckungsgleich mit denen von Pegida wahrnehmen. Unter Umständen wird die Polizei dann gerade im antifaschistischen, linksradikalen Demonstrationsspektrum selbst zum politischen Gegner auf der Straße. Bedenkenswert ist letztlich auch das überwiegend schlechte Image, welches Polizeikräfte auch bei den Demonstranten haben, die selbst über keinerlei manifeste negative Erfahrungen mit ihnen verfügen.
A nmerkungen 1 | Vgl. hierzu beispielsweise Georg Glasze, Politische Räume. Die diskursive Konstitution eines »geokulturellen Raums« – die Frankophonie, Bielefeld 2013, S. 73: »Räume sind als ein Element der (Re-)Produktion von Gesellschaft immer umstritten, veränderbar und in diesem Sinne politisch.« 2 | Vgl. hierzu Kapitel 6.2. 3 | Versammlungsbehörden sind in den Städten und Landkreisen für gewöhnlich die Ordnungsämter beziehungsweise die Landräte, denen als »Kreispolizeibehörden« die Genehmigung und ggf. Erteilung von Auflagen für Versammlungen obliegt. Demzufolge müssen Versammlungen auch bei diesen Behörden angezeigt werden. 4 | Gerade in antifaschistischen und linksautonomen Kreisen, so heißt es aus den Leipziger Netzwerken, hätte sich dadurch auf Demonstrationen der Ruf »Wo wart ihr in Rostock-Lichtenhagen?« etabliert. Damit werde die Polizei als Ganzes mit dem kollektiven, institutionellen Versagen im Zusammenhang mit den damaligen Ausschreitungen und Brandstiftungen bei Asylbewerberheimen assoziiert. 5 | Andreas Lopeki, Pressemitteilung zum Versammlungsgeschehen um LEGIDA am 21. Januar 2015, Polizei Sachsen, 21.01.2015, online einsehbar unter www.polizei. sachsen.de/de/MI_2015_34063.htm [zuletzt eingesehen am 13.08.2015].
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4. Selbstverständnis und Selbstwahrnehmung 4.1 P rotestmotivation Die Dynamiken von Protesten (beziehungsweise Protestbewegungen) und die Motivation, sich an diesen zu beteiligen, hängen neben ihren politischen Inhalten oder ihrem ideologischen Gehalt auch mit dem Selbstverständnis ihrer Anhänger auf individueller wie kollektiver Ebene zusammen. Die Frage nach dem Umgang mit dem politischen Gegenüber etwa wird vermutlich nicht nur durch politisch-theoretische Überlegungen bestimmt, sondern im Hinblick auf das Handlungsrepertoire auch durch individuelle und kollektive Selbstkonzeptualisierungen geprägt. Dies gilt gleichfalls für die Bereitschaft und Motivation des Einzelnen, sich an den Protesten zu beteiligen. Auch hierfür ist die Möglichkeit, sich mit der Protestbewegung zu identifizieren, konstitutiv. Für das Verhältnis von individueller und kollektiver Ebene gilt: Einerseits ist die »Zugehörigkeit zu einer freiwilligen Gruppe […] selbst gewählt und sagt etwas darüber aus, wie jemand sich selbst sieht«1, andererseits »betrifft kollektive Identität geteilte Überzeugungen«2 . Wie nehmen sich also die Protestierenden der NoPegida-Bewegung wahr? Was treibt sie an, sich an den Protesten zu beteiligen? Welche Eigenschaften und Merkmale schreiben sie sich in ihren Erzählungen und Diskussionen selber, welche dem Kollektiv der Protestbewegung zu und welche Selbstverständnisse kommen dadurch schließlich zum Ausdruck? Bedeuten kollektive Identitätskonstruktionen zumeist die Herstellung von »Eigengruppe-Fremdgruppe-Dynamiken«3, ist auch die Sicht der Protestierenden auf »die Anderen«, insbesondere auf die Pegida-Bewegungen, als politisches Gegenüber und Adressat des Protests relevant. Denn indem »das Andere als negative Spiegelung des Selbstbildes und der eigenen Merkmale«4 dient, ist es Bestandteil der Selbstwahrnehmung und der Konstruktion der eigenen Bewegung und ihrer Anhänger.5 Die Motivation der Diskussionsteilnehmer, sich an den Protesten zu beteiligen, ist in allen Untersuchungsorten überaus hoch. Viele der Befragten betonen, bei den Demonstrationen »von Anfang an« dabei gewesen zu sein und bei nahezu keiner Veranstaltung gefehlt zu haben. Wurde dennoch ein Gegen-
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protest verpasst, bemühten sich einige darum, ihre Abwesenheit zum Beispiel mit dem Verweis auf Krankheiten oder Auslandsaufenthalte zu begründen. Auch neben ihrer Teilnahme an NoPegida-Demonstrationen sind (oder waren) viele der Befragten zivilgesellschaftlich aktiv und engagieren sich im politischen, sozialen oder kulturellen Bereich. Ihr Engagement reicht dabei von der Mitgliedschaft im Chor bis hin zum Vorsitz von Bürgerstiftungen. Umfang und Art des Engagements variieren dementsprechend. Neben »regulären« Zugängen zum Engagement wie sozialen Netzwerken, also Freunde oder auch die Familie, wird auch ein lokaler Bezug hergestellt. Man werde beispielsweise häufig mit Problemen in der Stadt, in der man lebt, konfrontiert, oder ist in einen sozialen Zusammenhang im eigenen Dorf eingebunden, der nun als Inspiration für das eigene Engagement dient und als Begründungsmuster in den Gesprächsrunden bemüht wird. Eine spezifische Regionalkultur kann so mobilisierende Effekte haben und schließlich zu Engagement und Politisierung führen. Ein kleinerer Teil der NoPegida-Aktiven bezeichnet sich selber als »politisch interessiert« oder als »sozialer Typ«, nimmt sich selber aber nicht als besonders engagiert wahr – trotz vereinzelter Aktivitäten wie etwa in der Freiwilligen Feuerwehr oder der Mitgliedschaft bei den Pfadfindern. Andere, die aktuell nicht regelmäßig zivilgesellschaftlich organisiert sind, rekurrieren auf die Zeit vor ihrem Studium oder bevor Kind und Beruf den Großteil ihrer Zeit beanspruchten: Damals hätten sie sich beispielsweise in Vereinen engagiert oder seien politisch im linken bis linksextremen Spektrum (»Schwarzer Block«, »Brokdorf«) aktiv gewesen. Gerade dieses politische Engagement mit seiner thematischen Nähe zu NoPegida wird aus der Sicht der Befragten durch die aktuellen Proteste reaktiviert. Neben diesen gibt es eine größere Gruppe, die regelmäßig und zum Teil sogar in mehreren Bereichen oder Organisationen ehrenamtlich aktiv ist. So berichtet eine Teilnehmerin im Verein Bücherfrauen e.V., einem pädagogischen Berufsverband, sowie im Stolperstein e.V. aktiv zu sein, was für sie »demokratische, politische Teilhabe« bedeute. Ein anderer Teilnehmer erzählt: »Mein [privates] Engagement ist in zahlreichen Vereinen. Ich bin, glaube ich, in fünf Vereinen der Kassierer«, einer davon ist die islamisch-christliche Gesellschaft, in der sich – wie sich im Verlauf der Diskussion herausstellte – auch andere Teilnehmer der Fokusgruppe engagieren. Neben eingesessenen sozialen Institutionen wie der Arbeiterwohlfahrt beteiligen sich auch einige NoPegida-Anhänger, vor allem Ältere, in eher bürgerlicheren Vereinigungen. Sie arbeiten in (Bürger-)Stiftungen wie der Hanne-Landgraf-Stiftung, die sich gegen Kinderarmut einsetzt, der Gesellschaftspolitischen Initiative Norbert-Vöhringer oder im Verein für Zivilcourage. Hier gaben die Befragten oftmals auch an, InitiatorenRollen oder Vorsitzenden-Aufgaben zu übernehmen. Ein weiterer wichtiger Bereich, der häufig von zumeist jüngeren Teilnehmern unter dreißig Jahren
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genannt wurde, ist der des politischen Engagements in linken Zusammenhängen und Netzwerken, wobei oftmals auf antifaschistisches Engagement verwiesen wird. Teilweise werden auch verschiedene Aktivitäten zusammengeführt, so berichtet ein Teilnehmer von Synergieeffekten zwischen seiner Chaos-Computer-Club-Mitgliedschaft und seinem Engagement bei Amnesty International. Andere wiederum berichten davon, vor kurzem ein freiwilliges Jahr im Jugendzentrum oder bei den Dresdener Musikfestspielen absolviert zu haben. Die Themen, die im Zusammenhang mit dem eigenen Engagement angesprochen werden, sind – über die unterschiedlichen Organisationen hinweg – oftmals die Bereiche Rechtsradikalismus und Flüchtlingspolitik. Einige setzen sich damit stärker theoretisch auseinander, während andere konkret im Asylbereich aktiv sind. Hier bestand in den Gesprächsrunden zum Teil auch ein Zugang über die Erwerbstätigkeit. Ein Befragter arbeitet beispielsweise in einer Landeserstaufnahmestelle, andere in einer Sozialbehörde. Auch durch private Kontakte und Vernetzungen waren einige wenige Gesprächspartner in stärker migrantisch geprägte Communitys eingebunden. In diesem Zusammenhang verweisen die Gesprächspartner häufig auf angrenzende Themen wie »Islamfeindlichkeit« oder Alltagsrassismus. So engagiere man sich etwa im Netzwerk gegen Islamfeindlichkeit oder berichtet davon, wie man diese Form von Ressentiment auch in seinem eigenen »Milieu im bürgerlichen Lager« erlebt habe. Neben dem vielfältigen Engagement verfügen die meisten Befragten auch über Protesterfahrungen, häufig auf anderen linken Mobilisierungen wie Anti-Nazi-Demos, Blockupy, den Ostermärschen, dem Bildungsstreik, gegen die GEMA oder für Tierrechte. Auffällig ist, dass sich die meisten nicht an den Zeitpunkt einer bewussten Entscheidung oder ein auslösendes Moment für die Teilnahme bei NoPegida erinnern. Demgegenüber schildern Aktivisten, die wir außerhalb des Pegida/ NoPegida-Kontextes in den letzten Jahren befragt haben, häufig eine Art Erweckungserlebnis, das sie zum Protest animiert habe beziehungsweise das sie als Akteur in die Öffentlichkeit habe treten lassen. Eine solche narrative Überhöhung haben die NoPegida-Demonstranten nicht nötig. Ganz im Gegenteil: Für sie ist Protest gegen Pegida selbstredend. Die Teilnahme an den Veranstaltungen wird »nicht hinterfragt«, vielmehr »war es klar«, dass man wieder hingehe. Mitmachen gilt in diesem Sinne nahezu allen als Selbstverständlichkeit, erfolgt für sie geradezu intuitiv – oder, wie eine Teilnehmerin anmerkte: »Es war wie so eine Reaktion, wie so ein Automatismus«. Das Engagement gegen Pegida, und damit für die meisten auch »gegen Rechts«6, wird damit als fester Bestandteil der eigenen Selbstwahrnehmung präsentiert. Dass der Entschluss zur Teilnahme nicht weiter ausgeführt wird, kann darüber hinaus auch auf eine hohe Akzeptanz im eigenen oder gesellschaftlichen Umfeld verweisen oder darauf, dass man sein eigenes Verhalten
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als gut und richtig bewertet – auf keinen Fall jedenfalls als etwas, für das man sich rechtfertigen müsste. Immerhin schilderte ein Großteil der Befragten, dass bezüglich Pegida die meisten Menschen in ihrem Umfeld so urteilen und zum Teil auch handeln würden wie sie selbst. Auch die Hinweise, dass die hier Interviewten aus ähnlichen städtischen Vierteln beziehungsweise gar Milieus kommen, unterstützen die These, dass es für sie kaum zur Disposition steht, wie man sich gegenüber den »Patriotischen Europäern« zu verhalten habe. Dies korrespondiert mit einer positiven Konnotation des eigenen Engagements und dem Bewusstsein, mit NoPegida auf der »richtigen« Seite zu stehen. Beides sind gewichtige Momente der Motivation, die etwa deutlich werden, wenn in diesem Zusammenhang von einer »moralischen Verpflichtung« zum Protest gesprochen wird. Darin deutet sich an, dass sich die Motivation ebenso aus einer Art Pflichtgefühl und einem Gefühl der Verantwortung speist. So changierten beispielsweise auch die Begriffe »können« und »müssen«. Ein Teilnehmer etwa meint, »wenn ich nicht da gewesen wäre, hätte ich ein schlechtes Gewissen gehabt«. Dieses Gefühl der Verantwortung, das von vielen geteilt wird, war für die Fokusgruppenteilnehmer zumeist an die spezifische Thematik der Proteste gebunden: Nicht um des Engagements willen gingen sie auf die Straße, sondern gegen Rassismus, Intoleranz und Ausländerfeindlichkeit. Dagegen wollten viele ein Symbol setzen, Pegida nicht den öffentlichen Raum überlassen, ihre Stimme erheben, »Gesicht […] und Zivilcourage zeigen«. Sie sehen sich durch Pegida in ihren Werten und in ihrem Gesellschaftsbild getroffen und betroffen. Gerade die Älteren wählen häufiger den historischen Bezug, des »Nie wieder!« und leiten daraus eine Verpflichtung ab, sich gegen Pegida zu engagieren. Andere beziehen sich stärker auf ihren Wohnort: »Da hab ich mich für Leipzig geschämt« – der eigene Protest kann in diesem Fall auch dazu beitragen, die positive Identifikationen mit dem Ort, in dem man lebt, wiederherzustellen beziehungsweise – darauf deutet die hohe Quote der Zugezogenen hin, die sich unter den Befragten zeigt – erst zu begünstigen. Manche der Demonstrierenden fühlen sich betroffen und angegriffen durch den Protest von Pegida und von denen, die diesen tolerieren oder gar goutieren: »Dass man halt sagt: Ja, ist mir egal, aber irgendwie haben die Recht. […] Also ich bin da wirklich gerade sehr stark emotional angegriffen, weil ich das nicht verstehen kann, dass so viele Leute einfach weggucken.« Teilt man also das gemeinsame Ziel, Pegida nicht den öffentlichen Raum zu überlassen oder zumindest die Inanspruchnahme der Öffentlichkeit durch »die Rechten« nicht unkommentiert stehen zu lassen, können die individuellen Gründe, sich an den Protesten zu beteiligen, durchaus variieren. Es sind also individuelle Antriebsmotive für den Protest gegen Pegida ausschlaggebend. Als kollektiver Akteur, als ein »wir«, findet man sich erst im Protest zusammen. Insofern wird die kollektive Identität erst im Protest selbst
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hergestellt und ist keine Voraussetzung desselbigen. Aus dieser Perspektive ist der NoPegida-Protest offensichtlich kaum in der Lage, bei einem Individuum eine Politisierung auszulösen, sondern diese erscheint als Voraussetzung für die Protestteilnahme. So erkennt man sich zwar im Protest auch als »wir«, als diejenigen, die aus ähnlichen Antriebsmomenten heraus gegen Pegida auf die Straße gehen, doch darüber hinaus wird ein recht breites Spektrum hinsichtlich der Beurteilung von Mitteln und Zielen der Mobilisierung aufgespannt. Dies erklärt dann auch zum Teil die Unterschiedlichkeiten und Widersprüche der hier Befragten.
4.2 P olitische V erortung z wischen » links « und » rechts « Während der Gruppendiskussionen wurden auch die politischen Kategorien »links« und »rechts« thematisiert. Auf ihre eigene Verortung hin befragt, reihen sich nahezu alle Teilnehmer auf einer Links-Rechts-Skala (von 0 ganz links bis 10 ganz rechts) in das linke Spektrum ein, wobei die meisten der Befragten die »0« als »zu radikal« ablehnen und sich zwischen eins und drei beziehungsweise vier positionieren. Grundsätzlich jedoch wird einer solchen Einordnung mit Unbehagen begegnet und auf die Heterogenität des linken Spektrums verwiesen. Ein paar Teilnehmer kritisieren die von ihnen mit diesem Instrument assoziierte Extremismustheorie und lehnen eine Gleichsetzung von links und rechts vehement ab. Bei vielen entstand der Eindruck, dass man eine konkrete Positionierung in der Öffentlichkeit der Gruppendiskussion vermeiden möchte, weil man sie an sich ablehnt und als Privatsache deklariert. Überdies ist auffällig, dass bei der konkreten Nachfrage, was »links« oder »rechts« für die Befragten bedeutet, sie nicht übermäßig sprechfähig sind. Selbst Parteimitglieder der Grünen oder der Linkspartei zögern, auf Anhieb Inhalte zu benennen, die aus ihrer Sicht sowohl für die eine als auch für die andere Seite stehen. Die dadurch sichtbaren Verunsicherungen bezüglich der Kategorien »rechts« und »links« werden mitunter auch verbalisiert. So fragte sich ein Teilnehmer, ob man gegenwärtig als Linker überhaupt noch guten Gewissens Antikapitalist sein könne, wenn es doch gleichzeitig kapitalismuskritische Rechte gäbe. Durch die Okkupierung eigentlich genuin linker politischer Inhalte durch »die Rechten« entsteht – aus Sicht der Befragten – eine zusätzliche Unbestimmtheit der Kategorien. Angesichts der Auflösung dieser Eindeutigkeiten ist es umso erstaunlicher, wie selbstverständlich die Befragten die sich selbst zugeschriebene grundsätzlich linke Einstellung als Mobilisierungsgrund heranziehen. Dem linken politischen Spektrum schreiben die Befragten überwiegend Eigenschaften zu, die sie als positiv bewerten wie »Vielfältigkeit, das Multikulturelle, eine offene Weltsicht, das sozial Engagierte«. Unabhängig von der ge-
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meinsamen Affinität zur linken Seite weichen die Auffassungen davon, was die einzelnen Teilnehmer dann konkret darunter verstehen, doch voneinander ab. Die jeweiligen politischen Positionierungen der Befragten unterscheiden sich ebenfalls. Kaum jemand ordnet sich am äußersten linken Rand ein und nur ein Teilnehmer formuliert, dass er »das Wirtschaftssystem in dieser Sekunde noch abschaffen würde, wenn es ginge, alles, kein Staat, Nationen – alles« und wünscht sich stattdessen, »dass man alles mit allen ausdiskutiert«. Wobei diese Kapitalismuskritik, die – so eine Hypothese – hier eigentlich verstärkt erwartet wurde, innerhalb der Gruppendiskussion nicht auf Zustimmung stieß. Grundlegende Kritik am Kapitalismus spielte bei unseren Gesprächen – fast überraschend – kaum eine Rolle, eher wurde die »Ellenbogengesellschaft« kritisiert oder vereinzelt »Umverteilung« gefordert. Grundsätzlich scheint zu gelten, dass die Befragten, umso linker sie sich selbst einstufen, desto kritischer den Zustand der Ist-Gesellschaft beurteilen. Wobei beinahe alle Gesprächsteilnehmer – entgegen der Erwartung bezüglich der Selbstcharakterisierung als »links« – ungern Utopien formulieren, sich teilweise geradezu weigern, Wunschvorstellungen für eine ideale Gesellschaft in der Gruppe zusammenzutragen und es stattdessen eher bei Kritik derselbigen belassen. Der überwiegende Teil der Befragten nimmt sich daher auch nicht als »radikal« wahr. Viele sehen immer, dass andere noch »intensivere«, »linkere« Positionen vertreten, deren Protagonisten auch politisch »aktiver« seien als man selbst. Obwohl sie selbst sich eher als gemäßigte Vertreter einer linken Politik einstufen und danach auch ihr Handlungsrepertoire auf den Demonstrationen ausrichten, formuliert ein Teil durchaus Sympathien für extremere Positionen. Für sich selbst jedoch befinden sie, »anders sozialisiert« zu sein und »gewisse Werte und Emotionen« in sich zu tragen, die man nicht ablegen könne, »auch wenn ich das manchmal Stück für Stück versuche«. Können sich die Befragten hingegen auf ideologischer Ebene mit extremeren Positionen identifizieren, so lehnen sie zum Teil jedoch die dort gewählten Mittel ab. Kritisierten sie linke Gewalt, sahen viele aber doch einen Unterschied zwischen Sachbeschädigung und Übergriffen auf Personen, die man eher mit dem rechten Lager verband. Die Fremdzuschreibung hinsichtlich der Gewaltbereitschaft und auch des Eskalationspotentials im linksextremen politischen Lager ist häufig sehr negativ. Auch bei den Pegida-Befragungen äußerten sich zahlreiche Personen über die »Chaoten« auf Seiten der Linken, die alles kurz und klein schlagen würden. Anhand unserer Erhebung war im Einzelnen nicht immer nachvollziehbar, wie weit der jeweils Befragte tatsächlich bereit ist zu gehen, wo für ihn die Grenzen liegen, inwiefern er möglicherweise zwischen »Gewalt gegen Sachen« und »Gewalt gegen Personen« unterscheidet beziehungsweise unter welchen Bedingungen Gewaltanwendung möglicherweise für ihn legitim ist und wie er überhaupt Gewalt definiert. (Immerhin
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wählte ein Gesprächspartner die Formulierung, dass er »bewaffnet« auf eine Demonstration gegangen sei, während sich auf Nachfrage eines weiteren Gesprächspartners in der Fokusgruppe herausstellte, dass er das Tragen eines Motoradhelms als Bewaffnung empfand.) Doch bei aller Ungewissheit ist aus den Gesprächsrunden und Experteninterviews sehr deutlich geworden, dass sich die Befragten sehr intensiv mit der Frage nach der Legitimität von Blockaden und Gewalt auseinandersetzen, dass sie hier Vor- und Nachteile sehr reflektiert gegeneinander abwägen, dass sie Gefahren und Potentiale dieser Mittel intensiv diskutieren und das hier kaum spontan oder unüberlegt gehandelt wird. Auch daher distanzierten sich nicht wenige und meinten, kein »unbedingter, linksradikaler Mensch« zu sein, denn der halte »sofort schon einen Stein in der Hand«. Sich selbst stufen sie »eher links, aber halt nicht so links« ein, sympathisieren auch mit Politikern der LINKEN und beziehen sich zudem auf Positionen, die ihnen dann als sozialdemokratisch gelten: »arbeitnehmerfreundliche Politik«, »Besteuerung und dann Sozialleistungen für ärmere Schichten«. Wieder andere lehnen extreme Positionen dezidiert ab oder kritisieren, was sie damit verbinden: »zehn und null ist beides schlecht«, Begriffe wie »linkstotalitär« fielen, »ganz links« sei »die Schiene, wo man dann in den Kommunismus reinrutscht« und »[d]a sehe ich mich definitiv nicht«. Gerade die älteren Gesprächspartner, die eher einen (bildungs-)bürgerlichen Hintergrund haben, äußern in diesem Zusammenhang, dass man sich in einigen Bereichen doch als »wertkonservativ« empfände. Vor allem in Dresden wird die Ablehnung links- wie rechtsextremer Positionen betont. Denn den »wirklich extremen Leuten« gehe es »nur noch um Gewalt«, von den Inhalten bleibe da nichts mehr übrig. Die Gesprächsteilnehmer dort sprechen sich dafür aus, dass »es prinzipiell auf jeden Fall gut ist, wenn man sich irgendwo in der Mitte postieren kann. Weil man dann den Blick für die andere Seite noch nicht völlig verloren hat und noch nicht so verbohrt ist.« Mehrere Male wurde lobend auf das Grundgesetz verwiesen, im Allgemeinen schätzte man die Demokratie sehr. Dennoch: abgesehen von den Ausnahmen in Dresden – vor »der Mitte« graute es den meisten. So sehr die Befragten in den meisten anderen Bereichen der Diskussionen vermieden, ihre eigene Meinung absolut zu setzen, besonders starke Wertungen auszusprechen, Urteile zu fällen – oder zumindest diese ohne Relativierung stehen zu lassen –, umso mehr fällt in den Diskussionen um die politischen Lager die normative Aufladung dieser auf: »böse und gut« sind zum Teil die spontan gewählten Konnotationen. Während linke Positionen affirmativ als »gut« gelten, bewertet man die rechte Seite als »schlecht« oder gar »böse«. In diesem Sinne stehen dann die, die sich mit der linken Seite identifizieren, auf der guten Seite, während Anhänger rechter Positionen damit moralisch
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diskreditiert und auf die böse Seite verwiesen werden. Auch wenn diese starken Verurteilungen nicht die Diskussionen dominierten, blieb der Blick auf rechte Bewegungen und ihre Anhänger äußerst negativ und es wurde scharfe Kritik geäußert. So bezeichneten die Teilnehmer Pegida und die Anhänger als »rechtsextrem«, »ausländerfeindlich«, »populistisch« und »unreflektiert«, »wahnhaft« oder auch »pathologisch«, manchmal einfach als »dumm«. Die Abwertung von Pegida war immer wieder, teilweise äußerst dichotom, an die Aufwertung der eigenen Position gebunden. Während beispielsweise diejenigen auf der rechten Seite, »ein Problem haben mit Leuten, die anders sind« etwa »vom rein Optischen« oder der »Religion«, sei man auf der linken Seite »viel toleranter«. Bei Demos von Rechts gehe es um »Rechtebeschränkungen«, während Demos von linker Seite darum bemüht seien, »eine Gleichberechtigung herzustellen auf verschiedenen Ebenen«, wie etwa »gegen Sexismus« oder »gegen Fremdenfeindlichkeit«. Neben diesen pauschalisierenden Vorurteilen werfen die Befragten den Pegida-Demonstranten vor, über ein zu geringes Reflexionsvermögen zu verfügen: »Also ich meine, dass die Hierarchien und Selbstverständlichkeiten […] hinterfragt werden können, dass es möglich ist und dass man es auch selber tut. Und dass man aber auch fähig ist zur Selbstkritik, also selbstkritischem Verhalten. Das finde ich schon wichtig.« Vielfach wird in den Gruppendiskussionen über die Motive der Pegida-Anhänger gesprochen, gegen »Islamisierung des Abendlandes« auf die Straße zu gehen, wobei einige Beurteilungen auch für Diskussionen sorgen. Als ein Teilnehmer die Pegida-Anhänger als »Sozialabgehängte« bezeichnet, ergänzt ein anderer: »Zumindest Leute, die sich so fühlen, weil das sind ja jetzt nicht die Ärmsten der Armen«, eine andere meint: »Man könnte uns auch sozial abgehängt nennen«, schließlich sei man, wie ihr Beitrag wiederum ergänzt wird, »schlechter gestellt als die Mehrheit der eher älteren Leute, die bei Pegida rumlaufen«. Eine Frage des Einkommens sei die Teilnahme bei Pegida demnach nicht. Virulent bleibt jedoch das Bild von »diesen Abgehängten«, wenn nicht ökonomisch, so aber doch »sozial Entwurzelte« oder solche, die »Frust aufgestaut« hätten durch »irgendwas«. An diese Zuschreibungen7 schließen sich oftmals längere Ausführungen über die möglichen Ursachen für Pegida an. Sind die NoPegida-Aktivisten also augenscheinlich auf der Suche nach Motiven, drückt sich darin nicht unbedingt ausschließlich das Bedürfnis nach einer Erklärung des Phänomens aus, sondern auch das Selbstbewusstsein, dieses bereits verstanden zu haben und erklären zu können. Faktoren wie beispielsweise Bildung, Selbstwert, Sozialisation oder auch kognitive Fähigkeiten werden herangezogen, um Pegida zu interpretieren. Oft haben diese Stellen Anklänge sozialwissenschaftlicher Ausführungen oder tragen die Züge eines bildungsbürgerlichen Gestus’. Unabhängig von dem jeweiligen Erklärungsansatz steht dabei für die meisten Teilnehmer fest: Pegida gilt als ein Symptom
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von Problemen, erwächst aus Defiziten – individueller wie gesellschaftlicher Art. Grundsätzlich zeichnete sich dabei eine Konstellation ab, in der – allen sozioökonomischen und politischen Problemen zum Trotz – zumeist dem einzelnen Individuum die Schuld zugeschrieben wird, bei Pegida mitzulaufen. Mögliche gesellschaftliche Ursachen, die zwar immer wieder am Rande erwähnt werden, bleiben in dieser Interpretation schließlich unberücksichtigt. Wobei die Aggressionen sich weitaus stärker gegen Pegida als Phänomen und als Ausdruck rechter Positionen und Stimmungslagen richten als gegen die einzelnen Personen. Auch hier bestätigt sich noch einmal das Muster der Selbsterhöhung durch die pauschalisierende Deklassierung des Gegenübers. Indem Pegida individuell die Schuld dafür gegeben wird, den falschen Idealen hinterherzulaufen, werten sich die NoPegida-Demonstranten durch ein moralisches Überlegenheitsgefühl basierend auf ihrer eigenen individuellen Entscheidung selbst auf.
A nmerkungen 1 | Bert Klandermans, Identität und Protest. Ein sozialpsychologischer Ansatz, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, Jg. 10 (1997) H. 3, S. 41-50, hier S. 47. 2 | Ebd. 3 | Ebd., S. 43. 4 | Lukas Nieradzik, Göttinger Autonome und ihre Gegner. Zur Konstruktion von Identität und Alterität am Beispiel der Proteste in den 80er Jahren, Göttingen 2008, S. 24. 5 | Vgl. insbesondere zum Bild von Pegida Kapitel 5.5. 6 | Zu Differenzierungen hierzu siehe ebenfalls Kapitel 5.5. 7 | Ausführlicher dazu siehe Kapitel 5.5.1.
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5. Gesellschaftsbild und Werteordnung von NoPegida
5.1 S icht auf die G esellschaf t und ihre G estaltbarkeit Um den Protest gegen Pegida zu verstehen, hat uns interessiert, wie die Gegendemonstranten auf die Gesellschaft blicken, wie sie ihren aktuellen Zustand beschreiben und welche Rolle sie selbst in ihren Augen darin spielen. Dabei kristallisierte sich vor allem heraus, dass die Wahrnehmung der Gesellschaft durch ein bestimmtes Wertefundament strukturiert und der Rahmen durch bestimmte Rechte sowie Pflichten abgesteckt wird. Diese Werte klar zu benennen, mit Inhalt zu füllen, fällt indes schwer – ihre Gültigkeit im Alltag und ihre Grenzen wurden intensiv diskutiert. Verglichen mit dem skeptischen Blick auf Politik1 wird die Gesellschaft tendenziell als etwas Positives wahrgenommen und ist der vorrangige Bezugspunkt für die Pegidagegner. Sie gilt als wichtiger Aushandlungsort, der zwar kritisiert, aber insgesamt als gestaltbar und veränderbar wahrgenommen wird. Trotzdem fällt auf, dass es gerade Jüngeren, die eigentlich ein recht geschlossenes linkes Weltbild verfechten, schwer fällt, ihren Platz in der Gesellschaft zu beschreiben. Obwohl sie wissentlich von einer privilegierten Position aus sprechen, keinen grundlegenden Mangel leiden, studieren können und mehr Möglichkeiten haben als andere, zeigen sie sich dennoch mit dem jetzigen Zustand der Gesellschaft wenig zufrieden, auch, weil sie ein gewisses Gefühl der Ohnmacht ihre eigene Rolle betreffend verspüren. Demgegenüber kennen diejenigen, die sich bereits lange Zeit zivilgesellschaftlich engagieren, ihren Platz oft sehr genau. Auffällig ist, dass die NoPegida-Anhänger die politische Haltung der Gesamtgesellschaft deutlich rechter wahrnehmen als ihre eigene. Demgegenüber beschreiben gerade die bildungsbürgerlichen Teilnehmer in den Gesprächsrunden die gesamtgesellschaftliche Tendenz nicht als so dramatisch und nach rechts tendierend, konstatieren gleichwohl auch Verbesserungspotential. Den von ihnen vorgebrachten Vergleich mit dem Ausland, wo beispielsweise der »Front National« Wahlerfolge erziele, lehnen stärker Linksorientierte als unzu-
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lässig ab: Man dürfe sich als Relation nicht nur die Orte ausgucken, in denen es noch schlechter laufe. Es fällt auf, dass viele gerade in »antifaschistischen« Bündnissen Organisierte den Zustand der Gesellschaft grundsätzlich eher über das, was sie ablehnen beziehungsweise das, was sie verteidigen wollen, beschreiben. Folgt man dieser Perspektive ist es nicht vorrangig ihre Aufgabe, eigene Themen zu setzen. Allgemein sei man gegen Rassismus und alle »Ideologieelemente des Rechtsextremismus«, die man auch bei Pegida wiederfände. Die eigene Werthaltung bleibt hier diffus: Wenn man gegen Rassismus sei, sei man automatisch für eine gute Gesellschaft. Insgesamt sehen viele Teilnehmer die Werte, die ihnen wichtig sind, in der Gesamtgesellschaft nicht besonders hoch angesehen oder gelebt. Gerade in Dresden wird betont, wie neidvoll oft auf das vermeintliche Glück des Nachbarn geschaut würde. Der Vergleich von Statussymbolen wird als Zeichen einer übersättigten Konsumgesellschaft interpretiert. Der Tenor der NoPegida-Anhänger des »Uns geht es hier viel zu gut« ist deutlich vernehmbar, man beschwert sich über ein Jammern auf höchstem Niveau (»Irgendwo als Sahnebaiser oben die Kirsche zu sein und zu sagen: Ja, Gottchen, könnte ja auch noch mehr Eisunterlage sein.«), welches gerade für Pegida charakteristisch sei, vor allem im Vergleich mit der Situation der Geflüchteten. Man achte nur darauf, den eigenen Lebensstandard zu halten, ohne einen Blick dafür zu haben, auf wessen Kosten der eigene Wohlstand gehe. Diese Einstellung gehe Hand in Hand mit einer gewissen Spießbürgermentalität. Nach Meinung der NoPegida-Anhänger nimmt ein Großteil der Gesellschaft weder Anteil am Gemeinwohl noch an der Politik. Dabei ist ihnen die Aktivierbarkeit der Massen ein äußerst wichtiges Thema: Was das Anliegen von NoPegida angeht, sei eine breite Mobilisierung jedoch kaum möglich, außer im direkten Umfeld. Die Grundstimmung in der Bevölkerung wird so wahrgenommen, dass viele es gut fänden, wenn alles bleibt, wie es ist »oder so, wie es vor 50 Jahren war«. Das habe sich schon in der Debatte um Sarrazin gezeigt; hinzu käme eine gewisse Bräsigkeit. Die Teilnehmer wähnen die Gesellschaft in einer »verschlafenen Privatisierungssituation«, einem gesättigten, ruhig gestellten Zustand, in dem gesellschaftliches Engagement nicht gefragt sei und auch nicht provoziert werde. Es fehle an geistigem Niveau und einer gesellschaftlichen Anspruchsebene, auf der man diskutieren wolle. Stattdessen sei die vorherrschende Haltung lethargisch und rückwärtsgewandt, die Masse nur an der Besitzstandswahrung der Verhältnisse interessiert. Vor allem jüngere Gesprächspartner empfinden die Gesellschaft als sehr machtdurchwirkt. Es gäbe viele Gruppen, die kaum in der Lage seien, über ihr eigenes Leben oder gar gesellschaftliche Prozesse zu bestimmen, während andere innerhalb dieser Machtstrukturen über Gebühr Einfluss nehmen könnten.
5. Gesellschaf tsbild und Wer teordnung von NoPegida
Die gesamte Gesellschaftswahrnehmung der Aktivisten ist eng mit bestimmten Wertvorstellungen verknüpft. Während Teilnehmer der Pegida-Gesprächsrunden oft einen Wertemangel beklagten, weil ihnen wichtige Werte zunehmend an Relevanz verlören, betonen die NoPegida-Aktivisten häufig den Wertewandel, den das Jahr 1968 mit sich gebracht habe. 1968 und alles, was diese Zahl bedeuten kann, ist ihr beliebtester historischer Bezugspunkt. Die Selbstzuschreibung, ein »68er« zu sein, wird vor allem dann stark gemacht, wenn man die eigenen Demonstrationserfahrungen und -traditionen, die damals erstrittenen Veränderungen und den Wert einer demokratischen Streitkultur unterstreichen will. Überspitzt entsteht der Eindruck, was 1989 für Pegida bedeutet, ist NoPegida 1968 – mit allen den Daten innewohnenden Verklärungen, Chiffrierungen und Deutungsverschiebungen.2 Gerade die Älteren erläutern gerne, dass die 1960er Jahre für sie »eine große Nummer« gewesen wären, in denen sie respektlos mit ihrer Väter- und Großvätergeneration abgerechnet hätten, denen sie aufgrund ihrer Verwicklung in die NSVerbrechen nicht mit Achtung hätten begegnen können und wollen. Heute ist Respekt anderen gegenüber jedoch ein wichtiger Wert für eben jene; dass man diesen jedoch verdienen müsse, schwingt gleichfalls mit. Insgesamt sei man heute aber gemäßigter als zu jener Zeit und erfreut darüber, »dass die Revolution, die wir damals wollten, nicht geklappt hat«. Dennoch sei man weiter »seit 68, wenn irgendwas ist, auf der Straße«: Fahrpreiserhöhungen, Notstandsgesetzgebung und Anti-AKW-Bewegung sind Stichwörter, die gemeinsame Erfahrungen reaktivieren für die heutige Sache. Aber auch Jüngere beziehen sich, wenn gleichwohl zurückhaltender, auf die gesellschaftlichen Veränderungen, die »68« angestoßen habe, die auch eine Liberalisierung bestimmter Wertvorstellungen bedeuten würden. Vor allem aber betonen sie die Relevanz der Jugend, die »historisch oft für Veränderungen da gewesen sei«. Eine gefühlte derzeitige Starre wird dann über die demografische Situation und den geringen Jugendanteil erklärt. »68« dient aber nicht nur dazu, den eigenen Standpunkt zu verdeutlichen, sondern es wird auch als erklärendes Moment für Pegida herangezogen. Da es in Ostdeutschland keinen vergleichbaren Reibungspunkt gegeben habe, hätte sich dort auch keine Streitkultur etablieren können – so fehle insgesamt der »Geist von 68«, durch Protest eine Gesellschaft letztlich weiterzuentwickeln, denn: »Die Entwicklung einer Gesellschaft findet nicht im Bundestag statt.« Bei den NoPegida-Anhängern ist demzufolge die Neigung, einen früheren Gesellschaftszustand zu verklären, durchaus vorhanden. Früher seien die Leute eben politischer gewesen, hätten ihre Konflikte ausgetragen, während sie sich heute unpolitisch ins Private zurückzögen. Dies sei ein allgemeiner Trend der Gesellschaft, dass Menschen sich in unsicheren Zeiten Fixpunkte in ihrem Privatleben suchen würden. Auch das humanistische Bildungsideal, als dessen Verfechter sich Teile der Pegidagegner implizit begreifen, habe sich
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aufgelöst. Diese Position erntet allerdings auch Widerspruch, man sei heute eben anders politisch als damals, in anderen Strukturen, auf anderen Gebieten. Das müsse sich nicht ausschließlich bei Demonstrationen auf der Straße zeigen, sondern drücke sich beispielsweise in der Beteiligung an sozialen Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen aus. Sehr unterschiedlich wird überhaupt die prinzipielle Veränderbarkeit des Ist-Zustandes der Gesellschaft beurteilt. Während gerade die Zweifler ihre Wandlungsfähigkeit in Abrede stellen, die Dinge »pragmatisch und realistisch« sehen, sind andere felsenfest davon überzeugt, mit ihrem Engagement die Verhältnisse und so letztlich auch die Gesellschaft selbst verändern zu können. Dass man überhaupt jemals am Hebel der gesellschaftlichen Veränderung sitzen könne, geschweige denn, ihn gemeinsam bewegen, negieren hingegen die Skeptiker und malen das Bild der Fremdbestimmtheit durch politische Mächte, was von den Veränderungsgläubigen als Einrichten in der vermeintlich eigenen Hilflosigkeit abgelehnt wird. Je engagierter und vernetzter die Teilnehmer sind, desto eher sind sie jedoch von der Wandelbarkeit der Verhältnisse überzeugt. Der Glaube an die gesellschaftliche Gestaltbarkeit scheint demzufolge ein Motiv für Engagement zu sein.
5.2 W elche W erte struk turieren die V orstellungen der N o P egida -D emonstr anten ? Die Wertediskussion bildete einen Schwerpunkt der Fokusgruppen und des Erkenntnisinteresses. Auf welche Werte und Tugenden berufen sich die Demonstranten gegen Pegida? Und hierarchisieren sie diese eventuell? Ergänzt ihr Wertefundament möglicherweise Erklärungen, warum sie sich gegen Pegida engagieren und wofür sie selbst auf die Straße gehen? Die Diskussion über Werte wurde sehr unterschiedlich geführt. Während manche scheinbar von einer sehr gefestigten Position aus klar artikulieren, welche Werte für sie maßgeblich sind, für die sie sich eine grundsätzliche Gültigkeit ungeachtet des Bezugsrahmens wünschen, kommt in anderen Gruppen die Diskussion recht stockend in Gang. Auch wenn ansonsten auf sehr abstraktem, reflektiertem Niveau gesprochen wird, gelingt es den meisten nicht, Werte zu benennen und diese mit Inhalt zu füllen: Sie seien etwas »Schwammiges«. Auch wurde zwischen Werten, die im zwischenmenschlichen Miteinander gelten, und denen, die theoretisch in der Gesellschaft gelten sollten, unterschieden. Von der Gesellschaft könne man prinzipiell weniger und anderes erwarten, danach richte sich auch der Anspruch. Die Umsetzung, da besteht Einigkeit, sei im kleineren Rahmen einfacher als in der Gesamtgesellschaft. Es wird jedoch der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die Anwendung der für richtig befundenen Werte im Zwischenmenschlichen sich auch
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auf die Gesellschaft auswirken könne. Wichtig sei, die Werte nicht nur vor sich herzutragen, sondern sie wirklich zu leben. Oft wird dieser Grundsatz aus der eigenen Erziehung hergeleitet und betont, dass es auch wichtig sei, dieses Prinzip an Kinder weiterzugeben. Vor allem Pegida müsse man die eigenen Werte entgegenstellen – diese Perspektive wird jedoch erweitert: Man könne auch Werte verteidigen, die einen grundsätzlich nicht direkt beträfen, so könne man beispielsweise als Atheist für Religionsfreiheit kämpfen, wie es ein Teilnehmer formulierte. Häufig wird angemahnt, dass es zwar schön und gut sei, bestimmte Werte zu haben, aber man müsse ihre Anwendbarkeit in der Gesellschaft permanent überprüfen. Es ist spürbar, dass sich gerade Teilnehmer, die sich links verorten, für das Festhalten an gewissen Werten gar ein wenig zu schämen scheinen. Radikal sein bedeute, eigene Werte abzulegen, die einem wichtig sind, im Sinne einer größeren Sache. Ein gewisser beharrender »Wertekonservatismus« wird insbesondere von den Älteren hier befragten Pegidagegnern nicht nur zugegeben, sondern auch eigentlich als nichts Negatives angesehen. »Naja, also dieses ständige, wir machen alles neu und das wird dann noch staubiger als vorher, […] das geht mir auch ziemlich auf den Geist. Da denke ich lieber oldschoolmäßig, das ist für mich irgendwie die gradere Linie.« Die NoPegida-Anhänger unterscheiden sich nicht maßgeblich darin, welche Werte sie in der Gesellschaft als moralische Werte im psychologisch-normativen Sinne, als Rechte oder auch als Pflichten empfinden. Es scheint jedoch eine gewisse Akzentuierung hinsichtlich einer Grundrechtshierarchie durch, die in erster Linie über Wertvorstellungen strukturiert wird.3 Bestimmten Rechten liegen definierte Werte zugrunde, doch jenseits davon gibt es auch für sich stehende, eher ethisch-moralisch begründete Werte, die nicht selten absolut gesetzt werden. Die Gewichtung und Beurteilung der Relevanz innerhalb dieses Feldes fällt indes unterschiedlich aus, wobei der allgemein benannte Wertehorizont recht konsensual ist und wenige Streitpunkte beinhaltet. Eine wichtige Säule in der Werteordnung ist der gesellschafts- und lebensweltprägende Wert des Zusammenhalts, worunter auch soziale Wärme und Gemeinschaftssinn subsumiert werden, Rücksichtnahme und Empathievermögen, auch eine nach außen gerichtete Weltoffenheit und Pluralismus. Diese Begriffe wurden vor allem von denjenigen in die Diskussion eingebracht, die aktiv in der Flüchtlingshilfe sind und die ihr Engagement auch durch ihre Verpflichtung zu helfen begründen. Ebenfalls absolut zentral waren die verfassungslegitimierenden Werte Freiheit beziehungsweise Meinungsfreiheit und Gleichheit – dies gilt vor allem für jene, die ihr Engagement gegen Pegida als Verteidigung ihrer Rechte und Werte begriffen. Gerade an diesen Begrifflichkeiten entzündete sich innerhalb der Fokusgruppen auch die Diskussion um die Gültigkeit der Werte und ihrer Grenzen.4
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Die wichtigsten Faktoren in einer Gesellschaft waren jedoch nahezu uneingeschränkt Engagement und Partizipation im Sinne von Beteiligung, Einsatz zeigen, mitbestimmen und aktiv sein. Partizipation bedeute »Teilhabe an den Errungenschaften der Demokratie, aber auch Teilhabe an der Verantwortung für die Demokratie. Also für mich ist das ein wechselseitiger Prozess, von dem man selber profitiert, aber auch verpflichtet ist.« Partizipation wird als die eigene Lebenswelt, die Gesellschaft und Politik prägender Wert aufgefasst. Bis auf Ausnahmeargumentationen, in denen Demokratie insgesamt skeptisch beurteilt wurde, empfanden alle Beteiligten trotz unterschiedlicher Sichtweise gleichsam diese Bürgerpflicht, vor allem – wenig überraschend – diejenigen, die schon in zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen engagiert sind. Diese Erkenntnis scheint hinsichtlich der Wertediskussion zentral: Jeder Bürger ist verpflichtet, Gesellschaft aktiv mit zu gestalten und sich in ihr zu engagieren. Hier liegt ein fundamentaler Unterschied zu Pegida, die in den Diskussionen den Standpunkt vertraten, Politik und Gesellschaft sei ihnen gegenüber zu Dienstleistungen verpflichtet, auf die jeder ohne eigenes Zutun auch einen Anspruch hätte. Darüber hinaus wurde Menschlichkeit als eine Art zentraler ethischer Wert jenseits der politischen Skala immer wieder in die Diskussion eingebracht. Insbesondere von denjenigen, die sich für Flüchtlinge engagieren. Sie betonen nicht ihr Demokrat-Sein oder ihr Links-Sein, sondern ihr »MenschSein«, und begreifen dies als einen normativen Wert, den »eigentlich jeder von uns haben sollte.« Ihr Engagement ist also eher persönlich-moralisch als politisch motiviert. Stellenweise wurde Menschlichkeit sogar in die Definition von Demokratie aufgenommen: »Alle Herrschaft und Menschlichkeit geht vom Volke aus. Also diesen Grundsatz von Demokratie erweitert ein bisschen mit Menschlichkeit, […] denn ohne Menschlichkeit […] überlebt eine Demokratie ja nicht lange.« Menschlichkeit üben sie jedoch nicht nur aktiv aus, sondern es ist auch ein Wert, für den sie auf die Straße gehen, gerade gegen Pegida, die sich unerlaubterweise anmaßten, über den Wert von Menschen zu urteilen. Menschlichkeit bedeute vor allem auch Hilfsbereitschaft Schwächeren gegenüber, ein grundlegend »sozialer Wert«, der sehr hohe Zustimmung in allen Gruppen findet, weil er den Zusammenhalt befördere. Geklagt wird über eine mangelnde Hilfsbereitschaft und Ignoranz, jeder schaue nur auf sich, man agiere gegeneinander und nicht miteinander, dabei ist der »Blick für den anderen« vielen besonders wichtig. Mehrfach wird das Beispiel herangezogen, dass niemand außer einem selbst einen Krankenwagen rufe, wenn ein Betrunkener draußen zu erfrieren drohe, sondern die Passanten lediglich Schadenfreude äußerten. Die Hilfsbereitschaft ist für viele aber nicht nur ein zwischenmenschliches Prinzip, sondern ebenso Grundlage der Forderung, auch der Staat müsse Schwächeren helfen: »Wir sind eine reiche Industrienation, wir können den Leuten helfen, die aus irgendwelchen
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Gründen nach Deutschland kommen. Und ich verstehe nicht, warum wir denen dann sagen, wir wollen euch nicht helfen.« Der Antrieb für ihre Hilfsbereitschaft sei ein »gutes Gefühl«, das dazu führe, dass man sich mit sich selbst im Reinen fühle. Die meisten sehen ihre Hilfsbereitschaft als Selbstverständlichkeit, die man nicht instrumentalisieren dürfe, um sich selbst »als Superheld« profilieren zu wollen. Sehr bedeutsam ist in diesem Kontext der in Dresden gewählte Bezug zu den Elbeflutkatastrophen von 2002 und 2013, die als Chiffre für gegenseitige Hilfsbereitschaft und Unterstützung5 innerhalb der Zivilgesellschaft firmieren. Es wird die Frage aufgeworfen, warum diese Hilfsbereitschaft, die die NoPegida-Anhänger an diesem Punkt der Gesamtgesellschaft attestieren, in Bezug auf die Flüchtlinge nicht reaktivierbar sei,6 sich eher ins Gegenteil verkehre, da Pegida sich gemäß des Mottos verhalte: »Das Wasser gehört nicht in meinen Vorgarten, ebenso wenig wie die Flüchtlinge.« Daraus folgern die Befragten, dass der Zusammenhalt der Stadtgesellschaft nur funktioniere, wenn man sich gegen eine kollektiv empfundene Bedrohung zusammenschließe. Zusammen gegen Katastrophen vorzugehen, sich der eigenen, geschlossenen Gemeinschaft über gemeinsames Erleben zu vergewissern, sei gerade in Dresden auch fester Bestandteil eines historischen Mythos’ und der identitätsstiftenden Selbsterzählung. Die Organisatoren des Protestes betonen vor allem, dass sich bereits während der Überflutung in Dresden zivilgesellschaftliche Hilfsstrukturen herausgebildet hätten, die man jetzt nutze, um den Protest und die Hilfe für Flüchtlinge zu koordinieren, allerdings auch, dass sich Pegida ebenfalls auf Netzwerke, die sich damals zusammengefunden hätten, stütze und partiell die Flut-Gemeinschaft für ihre Zwecke reaktiviere. Obwohl die Gemeinschaft anders als bei Pegida kaum verherrlicht wird, viele das Konzept mit einer verführbaren Masse assoziieren und deshalb auch eher kritisch beäugen, werden dennoch positive Gemeinschaftserfahrungen von den Demonstrationen geschildert. Obwohl man die Leute nicht kenne, spüre man einen Zusammenhalt, wenn man gemeinsam eine Menschenkette bilde. Doch müsse dieser Gemeinschaftssinn auch über die eigene Gruppenzugehörigkeit hinausgehen, um Solidarität zwischen unterschiedlichen Gruppen zu schaffen. Eine moralische Argumentationsweise zielt darauf ab, dass man in einer Gemeinschaft lebe und deswegen auch ein Verantwortungsgefühl empfinde, dieser etwas zurückzugeben. In den Augen vieler Pegidagegner eine explizit linke Einstellung. In unserer quantitativen Erhebung unter NoPegida-Anhängern wollten 69,1 Prozent, dass Solidarität in der Gesellschaft eine größere Rolle spielt. Damit erhielt dieser Wert mit Abstand die größte Zustimmung.7 Auch die Bündnisse gegen Pegida und Rassismus halten ihn besonders hoch. Dieser Befund wird durch die Fokusgruppen etwas relativiert und es zeigt sich, dass Solidarität als Motiv offenbar doch nicht so bedeutsam ist: Der Begriff wurde hier weit
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weniger exponiert aufgegriffen, möglicherweise, weil er nicht als Vorgabe in die Diskussion eingebracht wurde und die Affirmation innerhalb der Umfrage eher reflexhaft ausfiel aus der Auffassung heraus, ein passendes Schlagwort erkannt zu haben. Zwar zählen die Fokusgruppenteilnehmer Solidarität zum Grundwertekanon, in der Grundrechtehierarchie ist sie aber weniger zentral. Sie betonen: »Wobei Solidarität ja keine Einbahnstraße ist. Also nicht, dass wir uns an dem orientieren, der nur nimmt, ja? Sondern da gehören ja immer beide Seiten dazu. Wenn einer solidarisches Verhalten einfordert und man ihm das gewährt, wird er gleichzeitig dann auch Verpflichtungen haben.« Verstanden wird Solidarität vor allem im Sinne von Zivilcourage im Alltag. In engem Zusammenhang werden auch soziale Gerechtigkeit und Fairness genannt, allerdings eher als utopische Zielwerte. »Jeder hat natürlich eigene individuelle Bedürfnisse. Das heißt, man kann Fairness nicht mit gleichen Sachen für alle regeln. Aber es geht, glaube ich, darum, dass sich niemand benachteiligt fühlt.« Toleranz als Begriff wird in erster Linie verwendet, um die Gesellschaft zu beschreiben, in der man leben möchte. Für viele ist Toleranz eine Selbstverständlichkeit. Es bedeute, offen für andere zu sein als Voraussetzung für eine heterogene Gemeinschaft. Toleranz wird auch als Synonym für Akzeptanz verwendet. Ein Bekenntnis zur Weltoffenheit, also Menschen ohne Vorurteile zu begegnen, und Toleranz gehörten zur Demokratie dazu, denn der Kern der Demokratie sei eine Toleranz gegenüber anderen Meinungen, Einstellungen und Menschen. Toleranz dürfe aber nicht Duldung heißen, sondern man müsse für dieses Prinzip offensiv eintreten, daher ginge Akzeptanz eigentlich noch über Toleranz hinaus, die man eben auch im negativen Sinne als Desinteresse und Gleichgültigkeit interpretieren könne. »Also wir haben das Gefühl, dass die Gesellschaft sicherlich sehr viel toleranter geworden ist, aber das ist eher keine Toleranz aus Bejahung von Heterogenität und multikultureller Vielfalt, sondern eher eine Gleichgültigkeit […] und ökonomische Berechnung.« Gerade die Protestorganisatoren sehen die Gefahr, dass der Begriff nur noch plakativ verwendet werde. Werte wie »Toleranz, Weltoffenheit und Vielfalt sind schnell und leicht gesagt, werden dann aber nicht wirklich mit Inhalten gefüllt.« An die Proklamation müsse sich eine Diskussion anschließen. Man könne zwar viel über Vielfalt reden, aber das käme nicht an als Wert, von dem der einzelne profitieren könne in unserer überalterten Gesellschaft. Das hier deutlich werdende Verständnis, dass Geflüchtete unsere Wirtschaft und Gesellschaft bereicherten, wird mehrfach geäußert. Pluralismus und Toleranz ziehen sich als Leiterzählungen durch das bürgerliche Selbstverständnis der Befragten. Es scheint, als gäbe es zwischen ihnen einen einigermaßen gefestigten Grundwertekonsens, der ein eher (links) liberales als sozialdemokratisches Gewand trägt. Obwohl der Begriff der Selbstverwirklichung verbal mit Skepsis verwendet wird, ist das inhaltliche
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Konzept doch sehr stark sichtbar. Das Gemeinschaftsdenken solle zwar nicht hinter einem »kompletten Individualismus« zurücktreten, aber grundsätzlich solle jeder die Möglichkeit haben, nach seiner Façon glücklich zu werden. Überraschenderweise ist die Zustimmung, dass die Freiheit des Einzelnen in der Gesellschaft mehr Bedeutung haben sollte, in den Umfragen – hier stimmte nur ein Viertel zu – deutlich geringer als in den Fokusgruppen. Es erscheint zumindest möglich, dass die individuelle Selbstverwirklichung eine Art »blinden Fleck« der NoPegida-Aktivisten darstellt. Während sie in einem Fragebogen vermutlich auch aus Gründen der sozialen Erwünschtheit adhoc abgelehnt wird, vielleicht gerade wegen dem ihr anhaftenden »Geschmäckle«, wird sie im freien Gespräch doch von vielen, mehr oder weniger direkt, verfochten. Diese Leitkategorien deuten, wenn auch indirekt, eher in Richtung eines liberaleren Weltbildes.8 Auch wenn sich alle Pegidagegner irgendwie als links begreifen – was das auf Grundlage ihrer Werte bedeutet, darüber ist die Sprechfähigkeit selbst bei den Parteimitgliedern begrenzt. Während Pegida ein allgemeines Unwohlsein proklamiert, das an eine Kritik an den Verhältnissen geknüpft wird, ist der gesellschaftliche Gegenentwurf der NoPegidaDemonstranten eher ein hintergründiges Rauschen, welches sich keinesfalls eindeutig fassen, über die artikulierten Wertvorstellungen aber möglicherweise in einer ungefähren Frequenz bestimmen lässt.
5.3 B ürgerrechte und B ürgerpflichten Es besteht ein allgemeiner Konsens, dass in einer Demokratie theoretisch jeder die gleichen Rechte und Pflichten gegenüber der Gemeinschaft hat. Doch tatsächlich ist die Divergenz zwischen den postulierten Pflichten und den tatsächlich wahrgenommenen Verpflichtungen oft recht hoch: Die Verpflichtung könne eine innerlich empfundene sein, um seinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, oder auch die gefühlte Notwendigkeit, eine Außenwirkung zu erzielen. So ist es für die meisten Teilnehmer als »Demokraten« ein Muss, eine nahezu ethische Verpflichtung, gegen Pegida »aufzustehen und sich zu wehren«. Auch wenn die Demos nicht immer Spaß machen, auch gar keinen Spaß machen sollen, empfinden es viele als ihre Pflicht und Selbstverständlichkeit, an ihnen teilzunehmen. Am grundlegendsten wird die Verpflichtung genannt, sich in die Demokratie einzubringen, sie aktiv zu gestalten und sich zu engagieren. Demokratie sei ein fragiles Konzept, das kaputt gehe, wenn sich nicht jeder engagiere. Außerdem wird das Bedürfnis ausgedrückt, der Gesellschaft, in der man lebe und von der man profitiere, »etwas zurückzugeben«, weil die Infrastruktur »auch nicht vom Himmel fällt.« Auch gilt es als Bürgerpflicht, dass man »sich informiert, dass man nachdenkt, dass man versucht, sich ein bisschen
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mit der Gemeinschaft in der Summe ihrer Möglichkeiten und Probleme zu befassen. Und daraus möglicherweise eine gewisse Meinung ableitet.« Ebenso können Rechte, die die Demokratie bietet, gleichzeitig Pflichten sein, wie zum Beispiel das Recht auf Meinungsäußerung für viele auch als Verpflichtung gesehen wird, sich für seine Überzeugungen und die genannten Werte einzusetzen. Einige äußern den Wunsch, dass Bürger mehr Rechte haben sollten, sehen es aber gleichzeitig als problematisch an, dass so viele von den bestehenden Rechten wie dem Wahlrecht keinen Gebrauch machen würden. Sie würden damit quasi die Grundlage verspielen, ein Recht auf mehr Rechte zu haben. Ebenso sehen einige ein weitergehendes Engagement für Flüchtlinge als moralische Verpflichtung an, mit der sich jeder individuell auseinanderzusetzen habe. Auch hier wird zwischen Bürgerpflicht und moralischer (Selbst-)Verpflichtung unterschieden. Es besteht aber durchaus eine gewisse Erwartungshaltung, dass sich jeder in der Gesellschaft moralisch verpflichtet fühlen sollte zu helfen, aus einer Art »menschlicher Verantwortung« heraus. Es fällt aber auch auf, dass häufig davon gesprochen wird, was man theoretisch tun würde, doch nicht davon, wo man sich konkret engagiert. Verantwortung thematisieren die Befragten vornehmlich als Selbstverantwortung. Der erste Schritt, Verantwortung zu übernehmen, sei, für seine Meinung einzustehen.9 Zwar könne Verantwortung auch etwas Zugeschobenes sein, aber es könne eben auch, hier wird auf Immanuel Kant verwiesen, das Erkennen der eigenen Fähigkeit sein, Verantwortung für sich zu übernehmen. Zwar sei Bildung ein zentraler Schlüssel zu dieser Fähigkeit, aber sie allein befähige nicht, »kluge Entscheidungen« zu treffen, wenn diese überhaupt noch möglich seien. »Wir sehen ja, dass auch Bildung nicht unbedingt verhindert, dass es zu Meinungskonglomeraten kommt, die eventuell gar nicht heilsam sind für die Demokratie.«
5.4 S elbst verortung innerhalb der G esellschaf t und : wer wird ak tiv ? Diese Selbstverantwortung drückt sich auch ganz praktisch aus. Mindestens die Hälfte der Fokusgruppenteilnehmer äußert ganz klar die Überzeugung, dass man in Notsituationen direkt mit anpacken würde, um spontan und unmittelbar zu helfen. Vor dem Hintergrund, dass nicht abstrakte Institutionen wie der Staat oder Behörden aktiv werden müssten, sondern sie selbst als »Menschen«, und in diesem Falle nicht als »Bürger« oder »Demokraten«, werden die sonst genutzten Rollenmuster abgelegt beziehungsweise durch das des »einfach Mensch-Seins« ersetzt, der eben »Menschlichkeit« zeige und Verantwortung übernähme. Man fühlt sich also selber zuständig und will nicht
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spontan die Verantwortung an übergeordnete Instanzen delegieren. Dieses Engagement komme aus einem selbst heraus, nicht weil jemand dazu auffordere oder einen anleite, denn für so selbstverständliche Schritte brauche man keine externe Hilfe. »Das macht man einfach so.« Die Hilfe ist also eigenverantwortlich und unbürokratisch, ehrenamtlich wird im wörtlichen Sinne mit einem persönlichen Ehrgefühl verknüpft, das einem gebiete, zu helfen. Hilfe sei schließlich ein inneres Bedürfnis, sie funktioniere nur miteinander »und nicht so wie in der Politik«. Dass diese Haltung keine theoretische ist, zeigen die zahlreichen lebensweltlichen Berührungspunkte: Insgesamt leisten etwa gut ein Viertel der Teilnehmer aktiv Hilfe für Flüchtlinge.10 Es werden Sach- und Geldspenden gesammelt, Deutschkurse und Unterstützung bei Behördengängen angeboten, Kinderbetreuung, aber auch Wohnraum zur Verfügung gestellt und Patenschaften übernommen. Vereinzelt wurde auch berichtet, dass im Freundeskreis Menschen aufgenommen wurden, die illegal in Deutschland sind. Hier erscheint die Hilfe als eine in erster Linie politisch motivierte, um ein Zeichen zu setzen, unter dem Motto: Kein Mensch ist illegal. Einige arbeiten ehrenamtlich bei Flüchtlingsunterkünften, bieten medizinische Hilfe an und erleichtern den Zugang zu Informationen, die sie für so elementar ansehen und setzen sich für eine sinnvolle Beschäftigung der Geflüchteten ein. Vor allem aber könne jeder helfen, es gäbe genug Anlaufstellen, wo man sich melden und Hilfe anbieten könne, die einen auch persönlich bereichere. Die Engagierten sind entweder schon länger in zivilgesellschaftlichen Projekten zu unterschiedlichen Themen aktiv und erweitern ihren Aktionsradius um die Flüchtlingshilfe, oder sie haben erst vor Kurzem aus aktuellem Anlass begonnen, sich konkret für Flüchtlinge zu engagieren. Das Engagement ist hier ein sinnstiftender Lebensinhalt, aber auch eine Möglichkeit, Freunde zu finden unter den anderen Helfern. Von Freundschaften mit Flüchtlingen wird nur vereinzelt berichtet. Bei den direkt Engagierten erscheinen die Flüchtlinge in erster Linie als Hilfsbedürftige, obwohl man betont, dass man mit ihnen zusammen agieren und entscheiden müsse und somit der Objektstatus dieser Personen aufgebrochen werden könnte. Andere betonen vor allem, dass Hilfe gut organisiert sein müsse. Sie sei nur dann effektiv, wenn man sich vernetze, Zivilgesellschaft und staatliche Verantwortliche müssten sich zusammenschließen, idealerweise noch durch die Presse unterstützt. Die örtliche Politik habe die Aufgabe, die Bürger zu mobilisieren, bei ihnen »um Hilfe zu bitten«. Ihr Credo lautet: »Alles muss koordiniert werden«. Es besteht aber auch ein Konsens, dass das bereits geschähe, allerdings stellenweise noch verbesserungswürdig sei. Gerade Teilnehmer, die mit logistischen und administrativen Aspekten der Flüchtlingsunterbringung betraut sind, betrachten eher die organisatorische Herausforderung. Hier erscheinen die Geflüchteten als eine Masse, mit der möglichst effizient umge-
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gangen werden sollte, was den Fokusgruppenteilnehmern immer wieder Anlass zur Kritik gibt. Vernetzung leiste vor allem einen Informationsfluss und Dezentralisierung, die die meisten für wichtig und sinnvoll halten. Den Vorwurf, anpacken sei wichtiger als informieren, wehren sie ab, indem sie betonen, dass Information, vor allem der unbeteiligten Bürger, das Bewusstsein schärfe und auch bei skeptisch-rechts Eingestellten Vorurteile gegenüber Flüchtlingen möglicherweise abbaue. Die Notwendigkeit, politisch zu agieren, wird hier besonders betont. Der Impuls, sofort und kurzfristig zu helfen, steht bisweilen einer längerfristigen Perspektive des eher hintergründigen Agierens gegenüber. Gerade beim längerfristigen Engagement, das auf Bewusstseinsbildung abzielt, erscheinen die Flüchtlinge eher als ein abstrakter Umstand, mit dem man die eigene Gesellschaft behutsam konfrontieren müsse. Auch ein gewisser Unterton ist hörbar, die Zivilgesellschaft fange das Versagen des Staates auf; auf sie werde die Verantwortung »abgewälzt«, vor der man sich aber – im Sinne der Gemeinschaft – nicht drücke. Diejenigen, die weniger aktiv in der Flüchtlingshilfe sind, betonen, dass sie für diese Aufgabe als erstes den Bund in der Pflicht sehen und erst danach die Bevölkerung. Sie gehen grundsätzlich optimistisch davon aus, in einem Rechtsstaat zu leben, der seine Pflicht auch wahrnehmen werde. Schließlich gäbe es zuständige Behörden, die verantwortlich sind – welche, das bleibt diffus. Dass sie sich bisher selbst nicht beteiligt haben, erklären sie unter anderem damit, dass spontane Hilfe auch »planloser Aktionismus« sein könne, der niemandem helfe und eher Ausdruck einer »persönlichen Hilflosigkeit« sei. Man überlasse die Hilfe lieber Menschen, die das besser könnten als man selbst. »Denn es hat ja keinen Sinn, wenn viele Leute guten Willens irgendwo rumlaufen und irgendwas versuchen. Das muss dann irgendwie auch Hand und Fuß haben. Sonst muss man nicht bloß auf die Flüchtlinge und Asylanten aufpassen, sondern möglicherweise auch noch auf die Hilfswilligen. Die brauchen dann auch noch einen Kindergärtner oder jemanden, der sie organisiert.« Wenn man überhaupt helfen könne, benötige man dafür logistische und koordinative Unterstützung, eine vorgegebene Struktur mit einer gewissen Professionalität. Man gibt unumwunden zu, zu bequem zu sein, sich selbst einen Ansatzpunkt zu suchen, aus einer gewissen Unsicherheit heraus. Diese Haltung stößt bei den Helfern auf systematische Ablehnung, gar Empörung: »Also dieses: ›Oh, ich weiß gar nicht, […] ich kann nicht so viel beitragen‹, das finde ich eigentlich ganz schrecklich, weil ich glaube, wir alle können ganz viel beitragen.« Vor allem die Pegidagegner, die eher auf die Straße gehen, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen, weniger, weil sie für aktive Flüchtlingsarbeit werben wollen, reflektieren die Problematik auf einer theoretischen Ebene, sehen den größeren, schwierigen Rahmen. Ihnen ist bewusst, dass sie aufgrund ihrer theoretisch proklamierten Werte in einer Verantwortung wären und es
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ist ihnen auch unangenehm, ihr nicht gerecht zu werden. Sie geben zu, Berührungsängste zu haben und sich nicht überwinden zu können, »ins kalte Wasser zu springen«. Es ginge ihnen zu weit, jemanden bei sich in der Wohnung aufzunehmen, schließlich seien die meisten Geflüchteten traumatisiert, damit könne »ein normaler Mensch« nicht adäquat umgehen. Es gäbe aber auch bestimmt Menschen in Rente oder ohne Kinder, die mehr Ressourcen hätten und sich über Gesellschaft freuen würden, man selbst könne aber zum Beispiel den Bücherschrank aussortieren. Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, sich nur hinter Schutzbehauptungen zu verbarrikadieren, geht man in die Offensive: Man würde es bei sich selbst nicht als authentisch wahrnehmen, zu behaupten, dass man aktiv helfe. Man habe eben »mehr Geld als Zeit«. In ihrer Wahrnehmung ist daher der Staat als erster verantwortlich, genauso wie Initiativen, die sich für eine »Willkommenskultur« einsetzen. Diesen Begriff halten sie zwar für »abgenutzt« und man würde auch keinesfalls Ratschläge geben, wie diese zu etablieren sei, »weil man ja nichts irgendwie den Leuten auferlegen sollte, was man selber nicht tun würde.« Sie spekulieren auf Grundlage von Medienberichten über Folgeprobleme wie Bildungslosigkeit, die es erfordern würden, längerfristig über Integration nachzudenken, denn wenn man die Flüchtlinge untergebracht habe, »fangen die eigentlichen Aufgaben ja erst an«. Man zeigt sich jedoch ehrlich beeindruckt von dem Engagement der anderen – gut, dass es solche Menschen gibt. Obwohl auch nicht aktiv in der Flüchtlingshilfe, grenzen sich davon noch jene ab, die mit Vehemenz auf die Straße gehen, um die »linke Sache« zu verteidigen, jedoch nicht in erster Linie für die Flüchtlinge und ihre Rechte. Sie verstehen sich grundsätzlich als Antifaschisten und sehen in der Flüchtlingsfrage den Staat in der Verantwortung, glauben aber nicht, dass er ihr gerecht werden würde. Sie unterschieden zwischen rechtlicher und moralischer Verantwortung, wobei die moralische höhergestellt sein sollte. So ist auch die Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen, eher eine theoretische, weil sie eben zum Selbstverständnis gehört, demgemäß sich jeder verpflichtet fühlen sollte zu helfen. In ihrem Weltbild müssen »Leute, denen es gut geht«, Verantwortung übernehmen, »dann könnte man den Staat ja auch weglassen«. Eine funktionierende, wenn auch abstrakt bleibende, Solidargemeinschaft ersetzt hier also den Staat. Sie fühlen sich eher verantwortlich, auf der Straße für die Werte einzutreten, die eine »Willkommenskultur« bedeuten – welche das sind, bleibt äußerst vage, ebenso wie der Begriff. Es reiche nicht, festzustellen, »das Boot ist voll«, sondern man müsse fragen: »Was können wir als Gesellschaft tun?« Sie werben dafür, dass Stadt und Gesellschaft ein »offenes Gesicht« zeigen. Es wird jedoch auch oft einschränkend dagegen gehalten, dass man Weltoffenheit nicht verordnen könne, sondern dass es ein langer Prozess sei, der sich aus positiven Erfahrungen speise, »die man sich erarbeiten« müsse. Eine Gesellschaft, die »den Pluralismus zu leben vermag«, müsse eingeübt werden.
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Als Beispiel für gelebte »Willkommenskultur« erzählt ein Teilnehmer, dass in seinem Heimatort sechzig Flüchtlinge in einem alten Hotel untergebracht werden sollen. Er plant gemeinsam mit anderen ein kleines Willkommenskomitee, welches die Flüchtlinge begrüßen und Hilfe anbieten solle, da man insgesamt mit einer ablehnenden Haltung der Dorfgemeinschaft rechne. Großstädter erzählen, wie sie sich »daran gewöhnt hätten mit Migranten zu leben«, aber auch, welche Bereicherung sie für die eigene Stadt bedeuteten, zum Beispiel an den Universitäten, »die leben von dem Zuwachs von außen. […] Und das Renommee basiert auf der guten Mischung von Außen und Innen.« Für einige ist die Diskussion um Flüchtlinge eine ausschließlich theoretische, getroffen haben sie noch keinen. Aber auch diejenigen, die sich aus linker Überzeugung für Flüchtlinge einsetzen, Mahnwachen vor Heimen halten, um Übergriffe durch Rechte zu verhindern, erzählen von eher vorsichtigen Begegnungen, in denen die Flüchtlinge als schützenswerte Objekte wahrgenommen werden. Solche Aktionen werden vor allem von Bündnissen gegen Rechts unterstützt, die ihr Engagement für Flüchtlinge als Gegenwehr gegen Nazis verstehen. Insgesamt blicken die Fokusgruppenteilnehmer recht zufrieden auf die Unterstützung, die sie im eigenen Umfeld bei ihrem Engagement erhalten oder zu erhalten meinen. Die meisten sind überzeugt, dass man dort »sehr solidarisch« und kreativ auf eine Notsituation vor Ort im Zusammenhang mit Flüchtlingen reagieren würde oder berichten, dass das geschehen sei. Allerdings fällt auf, dass sich die meisten auch in einem Umfeld bewegen, in dem ähnlich gedacht und agiert wird. Hier ist Dresden eine wirkliche Ausnahme. Andernorts mache es Mut zu sehen, wie breit das Engagement in der eigenen Stadt ist und welches Potential zu mobilisieren sei. In Karlsruhe erscheint es fast so, als werde die Hilfsbereitschaft größer wahrgenommen als die Bereitschaft, sich den Demonstrationen anzuschließen. Ob das beobachtete Engagement Anlass zur Hoffnung und für eine optimistische Sichtweise auf die Gesellschaft gebe oder ob die Kritik an der Gesamtsituation und der Umgehensweise der Politik mit dem Problem überwiegt, hält sich in den Gesprächsrunden in etwa die Waage.
5.5 F eindbild P egida 5.5.1 Konstruktionen über den Pegida-Anhänger Es ist konstituierend für Protestgruppen und auch für die Pegida-Gegner, das eigene Selbstverständnis und die Gruppenidentität zu einem nicht unbeträchtlichen Teil über ihre Sichtweise auf andere Gruppen, über ein »Außen«, zu definieren. Pegida gehört natürlich an erster Stelle dazu, aber auch die Polizei,
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die gesellschaftliche Mitte und Flüchtlinge werden mit bestimmten Zuschreibungen versehen. Die Perspektiven auf Pegida unterscheiden sich vor allem dadurch, ob sie als »besorgte Bürger«, als »rechts« oder als »Nazis« wahrgenommen werden. Diese Deutungsvarianten werden sehr unterschiedlich gefüllt und verwendet. Welche Merkmale werden also von den Pegida-Gegnern bei Pegida besonders betont? Als Pegida begann, auf die Straße zu gehen, war die Unsicherheit nicht nur in Dresden groß, mit was für einem Phänomen man es überhaupt zu tun habe. Auch Experten stellten lange keine Prognosen, wie Pegida sich weiter entwickeln würde – das lag nicht zuletzt daran, dass die »Patriotischen Europäer« kaum kommunizierten und sich einer expliziten Selbsterklärung verweigerten. Auch deshalb sind die Versuche von allen Seiten, Pegida erklären zu wollen, mannigfaltig – bis heute. Zu Beginn vor allem mit den Friedensmahnwachen und der verschwörungstheoretischen »Querfront«11 assoziiert, zog Pegida auch sehr rasch die Aufmerksamkeit »antifaschistischer« Bündnisse auf sich. Man habe anfangs gedacht, »das sind die üblichen Verdächtigen« und war dann überrascht, dass auch »normale Bürger« dabei waren. Gerade diese Bündnisse hätten sich gewünscht, dass vor allem die Presse genauer hingeschaut hätte, wer bei den deutschlandweiten Pegida-Demonstrationen mitläuft, um Spekulationen einzudämmen und ein klareres Bild zu zeichnen. In ihrer Wahrnehmung hätten vor allem die Bündnisse selbst einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, auf rassistische Gewaltaufrufe im Umfeld von Pegida hinzuweisen und ausgemachte Nazis zu »outen«. Dennoch sei es Pegida vor allem in Dresden gelungen, ohne ein direktes Label beziehungsweise »mit einem scheinbar neutralen Label« versehen zu werden, trotz der Heterogenität der Gruppe und ihrer Forderungen. Als sich das Phänomen erfolgreich hielt, wurde die Frage laut, wer eigentlich hinter Pegida stehe. Viele glaubten, Bachmann und Co. seien ohne logistische und finanzielle Unterstützung nicht in der Lage, eine solche Bewegung am Laufen zu halten, da sie keinerlei Erfahrung hätten und ihnen teilweise auch schlichtweg die Kompetenzen zum politischen Agieren abgesprochen wurden. Zu Beginn habe das so genannte Orgateam keine klare politische Botschaft oder Ausrichtung gehabt, sondern »sehr diffus Stammtischparolen gut auf die Straße gebracht. Als der Zuspruch größer wurde, merkten sie, sie müssen der Sache eine Richtung geben« – der Forderungskatalog wurde aufgestellt. »Und erst ab da wurde das dann politisch untersetzt und dann haben sich im Hintergrund ehemalige und aktive AfD-Politikerinnen und Politiker, ehemalige NPDler beziehungsweise Menschen, die dahin Kontakt haben, sich dahin engagiert und die Kontakte ins Hooliganmilieu und in die Freie Kameradschaftsszene hatten.« Richtig ernst genommen wurden die »Patrioten« meistens dennoch nicht. Man beruhigte sich, wenn erst der Weihnachtsmarkt käme, würde das Phänomen »im Glühwein ersäuft«.
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Trotz dieser Diffusität haben die NoPegida-Demonstranten vielfältige Vorstellungen, was den typischen Pegida-Anhänger ausmache. Die eigenen Eindrücke werden häufig mit Erklärungsversuchen und Analysen verbunden, was Pegida auf die Straße treibe, so dass sich bestimmte Narrative unter den Gegendemonstranten verfestigt haben. Sicherlich auch durch die zu dem Zeitpunkt vorhandenen Studien beeinflusst, wird der typische Pegida-Teilnehmer als Mann zwischen 40 und 60 Jahren beschrieben, man vermutet – aus einer für viele Befragten typischen sozialpsychologischen Perspektive heraus –, dass Pegida-Läufer meist alleinstehend und einsam seien. Die wenigen Frauen gelten den Gegendemonstranten als unmündig und lediglich als Anhängsel ihrer Männer. Über angenommene Bildung und Einkommen ist man sich uneinig: Während manche eine eher ungebildete Unterschicht unterstellen, relativieren andere und verorten Pegida eher mittig. Interessanterweise ist das Misstrauen diesem Bild gegenüber trotz erhobener Daten groß. Schließlich könne Pegida nachmittags demonstrieren, wenn »normale Menschen« arbeiten müssten. »Also es heißt ja immer, der Anteil der Rentner und Arbeitslosen ist gering gegenüber den Leuten in besten Jobs und so in der Mitte der Gesellschaft. Aber das ist schon irgendwie auffällig.« Allerdings haben die Erhebungen unter Pegida-Demonstranten ergeben, dass deren durchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen deutlich über dem der Gegendemonstranten liegt. Vor allem in Dresden spielten die NoPegida-Aktivisten auf die DDR-Sozialisation der Pegida-Anhänger an, die man deutlich an der Rhetorik auf den Veranstaltungen erkennen würde. Ganz anders als bei Pegida sind die Bezüge auf die DDR bei NoPegida allerdings sonst kein dominantes Motiv. Bei Pegida nicht nur versinnbildlicht in dem Slogan »Wir sind das Volk«, sondern auch in Gesprächsrunden vielfältig als Beleg dafür bemüht, welch umwälzende, geschichteschreibende Kraft »dem Volk« innewohnen könne, bemühen die NoPegida-Anhänger Rekurrenzen auf die DDR sehr unterschiedlich und ebenso wie Pegida auch widersprüchlich. Auch sie erinnern sich an die ungeheure Strahlkraft, die 1989 noch heute habe. Eine 18-Jährige erzählt, sie müsse vor Freude weinen, wenn sie die Bilder des Mauerfalles sehe. Eine Gleichaltrige habe ein Stück der Mauer auf ihrem Schreibtisch als »Symbol, dass die Menschen zusammen alles schaffen können.« Jenseits dieser gemeinsamen Verklärung dient manchen Fokusgruppenteilnehmern die Zeit des sozialistischen Regimes als Erklärungsangebot dafür, dass sich aufgrund der fehlenden Auseinandersetzung mit dem Erbe der NS-Zeit12, dem von oben verordneten Antifaschismus, rechte Einstellungen in Ostdeutschland eher hätten verfestigen können. Gleichzeitig träten viele Ostdeutsche aber mit einem Selbstverständnis auf, dass sie »qua Geburt Antifaschisten« seien. Allerdings wird das Bild der DDR als »antifaschistischem Schutzwall« von manchen NoPegida-Demonstranten auch recht unkritisch übernommen.
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Die Charakterisierung der unterschiedlichen Pegida-Veranstaltungen läuft auffallend wenig über äußerliche Zuschreibungen. Dass man den Pegida-Teilnehmer »einfach erkenne, das ist so«, ist eher eine Ausnahmeaussage, die für Hooligans und Rechtsextreme, die sich durch Symbole kenntlich machten, herangezogen wird. Abwertende Beschreibungen von Äußerlichkeiten, mit denen die Gegendemonstranten von den Pegida-Teilnehmern oft und in harter Sprache belegt wurden, sind ebenfalls singulär, wenn, dann werden sie verschämt und inhärent-relativiert vorgetragen. Die meisten Gegendemonstranten bemühen sich, Pegida ohne Klischees und Vorurteile zu beschreiben und ihrem eigenen Anspruch nach Differenzierung gerecht zu werden, der auch über eher pauschale Deutungen auf NoPegida-Kundgebungen hinausgeht. Dennoch haben die meisten Erklärungsansätze komplexitätsreduzierende Allgemeinplätze als Ausgangspunkt, möglicherweise ein Versuch, die Bewegung zu homogenisieren und damit greif barer zu machen, denn die Heterogenität von Pegida gibt Rätsel auf. Als einendes Element sehen sie einen latenten Rassismus, Vorurteile, eine diffuse Angst vor einer Islamisierung und Zuwanderung. Aber es würden eben auch »unzufriedene Dynamo-Fans und GEZ-Gegner« mitlaufen. Viele Erklärungen, die die Pegidagegner finden, zielen auf eine wie auch immer geartete Schwäche der Pegida-Demonstranten ab. Ihre vermeintliche »Dummheit« wird zwar nicht aggressiv, aber doch konsequent und durch Gruppendynamiken innerhalb der Diskussionsrunden auch etwas forciert als Argument ins Feld geführt. Die »dumpfen, leeren Gesichter« auf den »Spaziergängen«, die Argumentationsunfähigkeit in Onlinechats, das Gepöbele auf Facebook, all das spräche für Verbohrtheit und Unbildung, die der Grund sein müsse, warum man sich überhaupt den inhaltsleeren Forderungen von Pegida anschließe. Die Benachteiligung, die Pegida für sich proklamiere, sei ein Jammern auf höchstem Niveau, mittels dessen es gelänge, Teilnehmer zu rekrutieren. Interessanterweise wird eine Schuld in diesem Zusammenhang weniger in gesellschaftlichen Strukturen gesucht, die vermeintlich abgehängte Gruppen nicht auffangen, sondern beim Individuum. Eine kollektive Verantwortung für das Entstehen von Pegida wird nicht thematisiert, obwohl ihm eine direkte Auswirkung auf die Demokratie unterstellt wird. Man könnte vermuten, dass hier liberale Leitvorstellungen durchscheinen, denen zugrunde liegt, dass jedes Individuum in der Gesellschaft selbst für sich verantwortlich ist. Pegida als Suchende zu charakterisieren, die Probleme hätten, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, von der sie sich verstoßen fühlten, erscheint den NoPegida-Aktivisten plausibel. »Die wirken so, als wären die einmal zu oft verprügelt worden und hätten Frust aufgestaut durch irgendwas.« Deswegen seien sie auf der Suche: nach einer Verbesserung, nach Erklärungsmodellen, von denen sie die der Neonazis für die erfolgsversprechenden hielten, aber auch auf der Suche nach einem Schuldigen, innerhalb derer lediglich »der
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Jude« gegen »den Islam« ausgetauscht werde. Dieser Trugschluss sei möglich, weil die Pegida-Teilnehmer kein gefestigtes politisches Weltbild hätten: »Wenn man das nicht hat, wenn man den falschen Leuten glaubt und hinterherläuft, dann kann man natürlich auch zu Verschwörungstheorien kommen und sagen: ›Hier, die Amerikaner sind an allem schuld‹ und ›der Russe ist sowieso doof‹ und ›alle Ausländer müssen raus‹ und wir sollen uns nur von Kartoffeln ernähren. Also ich glaube einfach, dass die manchmal ziemlich blöd sind. Dass die nicht zu wenig Intellekt haben, aber sich zu wenig informiert haben. Aber dass die einfach mal ein bisschen Weiterbildung brauchen.« Der Horizont von Pegida sei dementsprechend beschränkt. Komplexe Sachverhalte würden sie pauschalisieren, was bei den permanent reflektierenden Gegendemonstranten auf Ablehnung stößt: Auch deswegen begriffe Pegida nicht die Möglichkeiten, wie Politik funktioniere, funktionieren könne, weil sie ein Bild von Politik als Dienstleistung hätten – »wir haben euch gewählt, dann macht ihr euren Job und lasst uns in Ruhe«. Diese Dichotomie, hier Bürger, dort Politiker – das widerspricht dem Idealbild des partizipativen Bürgers, welches die Pegidagegner vehement vertreten. Auch kulturell wird Pegida ein Tunnelblick unterstellt, der nur den nationalen Bezugsrahmen sehe und als Perspektive keine internationalen Lösungen ins Auge fasse. Allerdings, so wird einschränkend angemerkt, sei ein immer noch überzogenes Nationalgefühl und überhebliches Auftreten von Deutschen leider nicht pegidaspezifisch. Gleichzeitig wollten die Pegidas etwas beschützen. Die eigene Identität (vor allem im Osten, nachdem sie durch die Wende schon einen Identitätsverlust hätten verkraften müssen), den eigenen Lebensentwurf, die eigene Gesellschaft, ihre Heimat. Die größte Schwäche jedoch, die die Befragten bei Pegida ausmachten, sei ihre Unsicherheit und Angst, eher gefühlt als real. Die Angst, gesellschaftlich abzusteigen, vor Unbekanntem, eine diffuse Verlustangst. Vor diesem Hintergrund attribuieren viele Befragte Pegida als pathologisch-wahnhaft. Dieser Stempel ermöglicht es leicht, sich mit den Inhalten von Pegida kaum auseinandersetzen zu müssen, gar aus einer erhöhten Position auf die, die krankhaft anders sind, herabblicken zu können. Wahnhaft sei vor allem ihr Glaube, dass sie »das Volk« seien, schnell werden die Führungsfiguren in ihrer »Schizophrenie« mit den »Größen des Faschismus« verglichen: »Ob das Hitler war, ob das Himmler war, … die waren – also nach meinem Dafürhalten, was man aus ihrem Leben alles weiß – total schizophren, weil die waren brutalst und dann waren sie so liebevoll, nicht nur zu Hunden, sondern auch zu Kindern. Erstaunlicherweise.« Spekulationen, ob manche der Pegidabewegungsorganisatoren glaubten, in einem »höheren Auftrag« zu handeln, öffnen nicht nur das Repertoire der Verschwörungstheorien, sondern ermöglichen es auch, die Pegida-Anhänger aufgrund ihrer »Hirnschädigung« der Lächerlichkeit preiszugeben. Damit entlarve man viel mehr, als wenn man sie beschimpfe.
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Diese Zuschreibungen lösen jedoch – wenn auch nicht ganz so lautstarken – Protest bei anderen Fokusgruppenteilnehmern aus: Vor allem für die einfachen Menschen auf der Straße sei diese Erklärung nicht zutreffend, gleichwohl es sich möglicherweise um schwache Persönlichkeiten handele. Es wird vermutet, dass gerade die Unscheinbaren extreme Überzeugungen mit sich herumtragen würden, die zunächst aber nicht sichtbar seien. Aus dieser Perspektive heraus entwickeln auch die NoPegida-Anhänger ein durch Pegida ausgelöstes Angstnarrativ: »Also das macht mir viel mehr Angst, als wenn ich denke, ich sehe da jemanden so brutal stehen und weiß ganz genau den einzuordnen, als wenn das so subtil abgeht.« Diejenigen, die bei Pegida »so brutal stehen«, werden als hasserfüllt, martialisch und gewaltbereit beschrieben. Die Assoziationen mit Hooligans und Neonazis werden jedoch fast nur in den Untersuchungsorten Leipzig, Karlsruhe und Frankfurt aufgerufen. Insbesondere das Massenphänomen, das besonders intensiv in Dresden beschrieben wurde, weil allein dort die Gegendemonstranten zahlenmäßig konsequent in der Unterzahl waren, wird gerade auch aufgrund der sich in den Augen der NoPegida-Anhänger anbietenden historischen Parallelen häufig als Erklärung bemüht. Aufgrund ihrer Unreflektiertheit seien die Pegida-Demonstranten in der Masse verführbar. Populistische Phrasendrescherei würde sie einladen, dazuzugehören, wenn etwas Großes passiere. Dieser Mechanismus ermögliche Mitläufern ein identitätsstiftendes Moment. Die Befragten, die sich selbst einen Eindruck von den »Spaziergängen« verschafft haben, erzählen, wie sie das »dumpfe, rohe Massenverhalten« abgeschreckt und eingeschüchtert hätte. Es wären Grenzen überschritten worden durch die Dynamik der Masse, »die eigentlich nicht überschritten werden dürfen«. Die auf vielfältige Weise als schwach beschriebenen Pegida-Anhänger könnten sich in dieser Gruppe stark fühlen. Pegida sei somit auch ein Event, auf dem sich ein Gemeinschaftsgefühl entwickle, »wenn tausende Fahnen geschwenkt würden und man gemeinsam die Nationalhymne singt«. Große Angst haben die NoPegida-Demonstranten, dass diese Massen durch einen charismatischen Anführer bewegt werden könnten – sie lehnen starke Führungspersönlichkeiten konsequent ab.13 Parallelen zu den 1930er Jahren werden reflexhaft gezogen, sowie überhaupt grundsätzlich und konsequent historische Bezüge bemüht werden, um Phänomene zu erklären, Perspektiven zu untermauern oder auch um Kenntnisse zu illustrieren. Historisches Wissen und Bildung sehen die Pegidagegner per se als wichtig an, diese sollten einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft erhalten. Sie ermöglichen es, sich selbst in größere Zusammenhänge und Traditionen zu stellen, um der eigenen Position mehr Gewichtigkeit zu verleihen. Vor allem aber evozieren historische Bezüge bestimmte Bilder, aktivieren Chiffren, die vergangenen und aktuellen kollektiven Ängsten und Hoffnungen Ausdruck verleihen, die weitergehende Erklärungen dann aus Perspektive der Sprechenden überflüs-
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sig machen. Am intensivsten wird immer wieder auf die nationalsozialistische Vergangenheit hingewiesen, als Fundierung der eigenen antifaschistischen Einstellung: Das »nie-wieder« ist eine dominante Narration, die ein Bedrohungsszenario aktiviert, welches gar nicht weiter ausgeführt werden muss. Andere Verweise verfestigen Mythen, die Identitätszuschreibungen aufrufen. Historische Bezüge, so scheint es, werden vor allem an Stellen bemüht, an denen eigene, neue Deutungen schwer fallen. Formulierungen wie »das sollten wir mittlerweile aus unserer Geschichte gelernt haben« und »damit sich die Geschichte nicht wiederholt« gehören zum festen Repertoire, behindern aber stellenweise auch das Forschen nach tieferliegenden Zusammenhängen oder werden herangezogen, um bestimmten Einstellungen eine Allgemeingültigkeit zu verleihen, zum Beispiel »weil es eben nicht sinnvoll ist, Krieg zu führen. Das haben wir auch gelernt aus unserer Geschichte.« Für manche ist »der Lauf der Dinge« aber auch eine unangreif bare Schicksalhaftigkeit: Manches lässt sich nicht ändern, so »dass man damit leben muss«. Ob Pegida grundsätzlich über die befürchtete Führungspersönlichkeit aus der Kategorie »schlaue Nazis« verfüge, darüber besteht unter den Pegidagegnern keine Einigkeit. Lediglich Lutz Bachmann biete sich hier aufgrund seiner Rolle als volksnaher Macher während der Elbflut 2013 an. Da habe er ohne lange zu fackeln »mitangepackt« und vor allem in der Nähe des Dresdner Stadions eine Fluthilfeaktion auf die Beine gestellt, für die er sogar mit dem Fluthelferorden ausgezeichnet wurde.14 Nun stilisiere er sich aufgrund seiner »gewissen Ausstrahlung« erfolgreich als »Führer«, als Gesicht der Bewegung, der Teilnehmer anziehe. Gerade in Bezug auf den Masseneffekt der Pegidaveranstaltungen wird vielfach die Angst vor einer erneuten Faschisierung der Gesellschaft artikuliert. Schon einmal in der Geschichte sei eine Masse durch eine charismatische Persönlichkeit verführbar gewesen. Es wird unterstellt, Pegida wünsche sich gar keine Demokratie, sondern »das, was einmal war«, weil sie »dumme Mitläufer seien, das sind eben gerade die, die schon mal aufgesammelt wurden.« Besorgt äußern sich die Pegidagegner darüber, dass Pegida einige Themen okkupiere, die eigentlich genuin linke Themen seien, wie beispielsweise Umverteilung, von Pegida jedoch genutzt, um »gegen Ausländer zu wettern«. Und auch die Skepsis der Presse und der Wirtschaftspolitik gegenüber teilen sie. Als Kuriosum beschreibt ein Mitglied eines »antifaschistischen« Aktionsbündnisses aus Braunschweig folgende Konstellation: »Wir werden eine Großdemonstration machen, und es kann durchaus sein, dass Bragida da auch dabei ist oder beziehungsweise Pegida. Also, dass die mit zur Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes nach Berlin fahren, weil sie auch gegen TTIP sind.« Darüber hinaus ist gerade die persönliche Betroffenheit darüber, dass es Pegida gibt, sehr groß. Vor allem außerhalb Dresdens dominiert Fassungslosigkeit, dass es einen Ableger dann auch in der eigenen Stadt gab und man das
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Phänomen nicht mehr als eines im fernen Osten abtun konnte. Die Emotionen reichen von Scham bis hin zu Ekel (»Ich habe mich vorher noch nie vor einem Menschen geekelt«).
5.5.2 »Besorgte Bürger« oder »Neonazis«? Für die Pegidagegner ist die Frage der Einordnung von Pegida zentral. Handelt es sich vielleicht doch um »besorgte Bürger« oder hat man es mit »Neonazis« zu tun? Die Beurteilung der NoPegida-Aktivisten läuft über einen FramingProzess, in dem Pegida in den eigenen subjektiven Deutungsrahmen eingebettet wird. Dieser Prozess führt dazu, Pegida in eigene Vorstellungskategorien wie den »besorgten Bürger« oder »Neonazi« einzuordnen. Die Wahrnehmung »der Anderen« lässt jedoch auch Rückschlüsse auf die Sprechenden zu, denn »wer über die anderen spricht, spricht vor allem über sich selbst.«15 Dementsprechend führt dieser Prozess je nach Perspektive der Nopegidas zu unterschiedlichen, mehr oder weniger eindeutigen Resultaten. Zwei dominante Deutungsmuster liegen der Sichtweise auf die Pegidas zugrunde, die zugleich stadtspezifisch sind und bei denen Dresden stets die Ausnahme bildet. Vor allem Pegida, partiell auch Legida, wird zuerkannt, dass diese Bewegungen »besorgte Bürger« aufnehmen würden, die berechtigt »einen gewissen Unmut zeigen wollen«. »Es gibt einerseits welche, die lassen wir ja auch dann durch und beschimpfen die auch nicht, die da hingehen wollen. Das sind Papa, Mama, meistens Pärchen. Ich weiß es nicht, ob es Hartz IVEmpfänger sind. Aber von der Kleidung her sind das jedenfalls keine Leute, die jetzt viel Geld haben, sondern sind eher aus dem ärmeren Milieu.« Bald sei dann aber eine gewisse Dynamik entstanden, die diese Leute abgeschreckt habe. »Ich glaube, dass ist sehr viel mittiger gestartet und auch wahrscheinlich mit einer ganzen Menge frustrierter Bürger, aber die Organisatoren sind ganz bewusst geradeaus gefahren und dann rechts abgebogen und kriegen ihre Rechtskurve nicht mehr in den Griff.« Das bedeutet für die NoPegida-Anhänger, dass im Verlauf zunehmend Hooligans und Menschen aus dem rechtsextremen Spektrum bei den Pegidaablegern mitliefen, was aber weniger als Radikalisierung der Bewegung, sondern vielmehr als ein Zusammenschrumpfen auf den harten Kern gedeutet wird. Insgesamt ist die dominante Erzählung der Gegendemonstranten eindeutig die der Pegidas als Nazis. Je nach Sprecher werden in dieser Bewertung allerdings noch Abstufungen vorgenommen. Die Pegidagegner mit einem geschlossenen linken Weltbild scheuen oft nicht davor zurück, in den Pegidas »die tiefsten Nazis«, »die Bösen« zu sehen – diese Einsicht erleichtert ihnen die Deutung und den Umgang mit dem Phänomen und ist auch Motor für die empfundene Verpflichtung zum Engagement, möglicherweise auch Quell eines moralischen Überlegenheitsgefühls. Es fällt auf, dass viele Fokusgruppenteilnehmer über Erlebnisse bei anderen Demos gegen
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Nazis berichten (NPD-Aufmärsche etc.) und das selbstverständlich in den Pegidadiskussionszusammenhang stellen. Auch wird das Vokabular »Rechter«, »Nazi«, »Neonazi«, »Pegida«, »Faschist« und »Rassist« oft synonym verwendet. Dabei wird auf die aktenkundigen Teilnehmer der Demos mit rechtsradikalem Hintergrund und auf HoGeSa verwiesen als Beleg dafür, dass die Pegidas nichts anderes als eine Naziveranstaltung seien. Eine beliebte Deutung der Befragten über Pegida ist der »getarnte Nazis«, der sich unter dem Deckmantel des besorgten Bürgers verstecke, den man aber durchschaut habe. Nazikadern wird unterstellt, dass sie über die Pegidas versuchten, mittels rassistischer Einstellungen oder Politikunzufriedenheit jenseits ihres Stammklientels zu mobilisieren – das wird aus NoPegida-Perspektive als »schlaue und folgerichtige« Strategie gedeutet, sich bürgerlicher »zu inszenieren«. Man versuche eine Doppeltaktik zu fahren, weil einem bewusst sei, dass man mit »diesen ganz klaren Nazi- oder NPD-Parolen halt wirklich nur die ganz Hundertprozentigen hinterm Ofen hervorlocken kann. Und gleichzeitig gibt es ja genug rassistische Einstellungen und so weiter oder auch Unzufriedenheit mit der Politik.« Daher sei es die Pflicht der Pegidagegner, die Pegidas als Naziorganisationen zu enttarnen, ihr Gewaltpotential zu verdeutlichen. »Dankenswerterweise waren die auch noch dumm genug direkt beim ersten Aufmarsch, dass da Leute wirklich bei denen dabei waren, die einen Hitlergruß gezeigt haben«, erzählt ein Bündnismitglied aus Leipzig. Daneben wird betont, dass es sich in erster Linie um Zugereiste handele. Gerade die Hooligans würden aus der dörflichen Umgebung anreisen, die NPD-Kader aus dem gesamten Bundesland. Das sei aber kein Grund, die Pegidas zu marginalisieren. Sie deswegen nicht ernst zu nehmen, sei das völlig falsche Signal. Wie sich Rechte von Nazis abgrenzen lassen, nach welchen Kriterien sie als solche identifiziert werden, bleibt schwammig und wenig trennscharf. Es ist auffällig, dass die NoPegida-Demonstranten die Unterschiedlichkeit zwischen links und rechts vor allem über Werte erklären. Ein rechtes Menschenbild sei »menschenverachtend und ausgrenzend«16, reduziere Menschen auf bestimmte Ethnien und schließe damit Menschengruppen, die »nicht in die Norm passen«, aus. »Und das würde ich versuchen meinem Kind zu erklären, dass das nichts mit Freiheit, nichts mit Solidarität, Toleranz und den mir vorschwebenden Werten zu tun hat.« Rechte empfänden die eigene Nation als etwas Schützenswertes; ebenso wird die Angst etwas an andere abzugeben genannt, die auch als Charakteristikum von Pegida empfunden wird. Pegida sei es gelungen, »das, was es schon immer gab, auf die Straße zu bringen. So einen gewissen Prozentsatz von Leuten, die nationalistisch, voller Vorurteile gegen Fremde und Flüchtlinge… also das, was man vielleicht früher so als Stammtisch bezeichnet hätte, und […] so ist es ihnen gelungen, ein bestimmtes Publikum, was sonst politisch nicht sichtbar ist, auf die Straße zu bringen.«
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Nazis werden darüber hinaus als ausländerfeindlich und rassistisch beschrieben. Viele glauben, dass der Rassismus aus Unwissenheit resultiere, »oder der Verweigerung, diese Unwissenheit zu beheben.« Auch werden Nazis mit Forderungen in Verbindung gebracht, die nicht mit der freiheitlichdemokratischen Grundordnung in Einklang zu bringen seien. So habe Legida explizit eine »Beendigung des Schuldkultes und Souveränität des deutschen Staates« gefordert und damit bewusst Anknüpfungspunkte an Verschwörungstheoretiker und Reichsbürger gesucht und sich mit dem Wort »Schuldkult« einer Vokabel aus dem klassischen neonazistischen Spektrum bedient. Genauso groß sind jedoch auch die Bemühungen, eine differenzierte Sichtweise je nach Stadt und handelnden Personen zu präsentieren. In erster Linie ist einigen Protestorganisatoren die Beschreibung von Pegida als Nazis zu kurz gegriffen. Man erfasse so nicht das tiefer liegende Problem, vermeide die diskursive Auseinandersetzung und lasse vor allem in Sachsen die Spezifik des Landes außer Acht. In dieser Wahrnehmung handele es sich eher um Menschen, die Demokratie als Überlastung empfänden und gerade deswegen versuchten, »die Mitte« für sich zu besetzen – ohne sie genauer qualitativ zu bestimmen –, weil diese mit Ordnung assoziiert sei. Der Topos an sich sei aber besonders wirkmächtig. Gerade weil Pegida am Anfang proklamiert habe, gegen Nazis zu sein, ohne diese Behauptung diskursiv zu verankern, sei es leicht gewesen, eine Mitte zu erreichen. Die »Pegida-Leute würden ja sagen: Es gibt die roten Nazis und es gibt die braunen Nazis und wir sind gegen beide.« Das sei ja gerade der interessante Aspekt. »Die sagen: ›Wir sind die Mitte‹. Und die hissen eine Israel-Flagge. […] Die rufen ›Nazis raus‹. Das hatten wir bisher nicht gehabt, also als Nazis zu Identifizierende – oder früher hätte man die einfach Nazis genannt – und heute rufen die Nazis: ›Nazis raus‹! Also wir kommen in so paradoxe Situationen, die diese Links-RechtsSchemata ein bisschen aushebeln.« Manche unterstellen Pegida in solchen Aktionen aber auch eine bewusste Strategie, sich von der Neonaziszene zu distanzieren, was von den Pegidagegnern als widersprüchlich bis unglaubwürdig empfunden wird. Zwar sieht man in der Pegidabewegung grundsätzlich nicht Bürger der Mitte, unterscheidet aber doch zwischen unterschiedlichen Trägergruppen. Ihnen sei es gelungen, das klassisch rechte Stammtischklientel anzusprechen. Es sei gerade über das Internet erreicht worden, eine breite Schicht jüngerer Leute zu aktivieren und auch diejenigen zu mobilisieren, die sich nicht traditionell in rechten Strukturen bewegt hätten und sich jetzt erstmals bekennen würden. Es wird aber auch betont, dass Alltagsrassisten, obwohl sie nicht unbedingt dem Extremen zuneigen, gerne mal zu den Pegida-Veranstaltungen gegangen seien, um zu hören, worum es da ginge. Das Mitte-Image zu etablieren sei allerdings vor allem außerhalb Sachsens eigentlich gescheitert. Der Effekt, der in Dresden gelang, »da spazieren normale Menschen, die sich als Bürger-
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tum verstehen und als Mitte der Gesellschaft präsentieren mit einem ruhigen, friedlichen Spaziergang, das war hier nie«, berichtet ein Braunschweiger. Zusammenfassend fällt auf, dass für die NoPegida-Anhänger die Erzählung ihres eigenen Kollektivs maßgeblich in Kontrast zu der Fremdkonzeption, welche möglicherweise auch eine gewisse Verharmlosung beinhaltet, funktioniert, insofern, als dass Nazis in ihrer Wahrnehmung außerhalb der demokratischen Grundordnung stehen und daher nicht in die Demokratie integriert werden müssen. Es würde ein genauerer Blick lohnen, was die unterschiedlichen Framings und Labelings für die jeweils Sprechenden leisten, ob sie als Verharmlosungsstrategie fungieren oder auch als festes Umreißen einer Gruppe, die eigentlich nicht dazu gehört.17 So könnte sich hinter dem Hinweis, derart in den Karlsruher und Frankfurter Gruppengesprächen vorgetragen, die meisten Pegidabewegungsdemonstranten seien Zugereiste aus dem ländlichen Raum, auch ein Entschuldungsmechanismus verbergen, dass dieser Demonstrant eben keiner der aufgeklärten, modernen Stadtbürger ist, zu denen man sich selber zählt. Jedenfalls werfen die unterschiedlichen Zuschreibungen die Frage auf, inwiefern die Pegidas zur Demokratie gehören, deuten aber auch die Frage an, wie weit die Gültigkeit der Werte der NoPegidaAktivisten wie Meinungsfreiheit und Gleichheit eigentlich reicht.
5.5.3 Gehört Pegida zur Demokratie? Ob Pegida zur demokratischen Gesellschaft gehört, wird je nach Wahrnehmung der »Patriotischen Europäer« unterschiedlich beantwortet. Mehrheitlich ist die Überzeugung, dass Pegida durchaus Teil der Demokratie sei, weil das Versammlungsrecht für alle gelte. An dieser Stelle erinnern sich die Teilnehmer der Fokusgruppen oft selbst an die eigens von ihnen aufgestellten Werte. Niemand geht so weit zu sagen, dass Pegida-Anhänger grundsätzlich nicht in den eigenen Rechtsraum eingeschlossen seien, es wird aber durchaus der Wunsch geäußert, dass andere, zum Beispiel durch ein Verbot, Pegida aus der demokratischen Gesellschaft ausschließen und ihnen Rechte aberkennen sollten, beispielsweise unter dem Verweis der Volksverhetzung. Vielen fällt es durchaus schwer, die Meinungsäußerung der Pegida-Anhänger, auf die diese ja ein grundsätzliches Recht hätten, zu ertragen. So stoßen die Gleichheitsmaßstäbe, die die Pegidagegner grundsätzlich postulieren, bei Pegida an ihre Grenzen – womit sie sich ebenfalls in gewisser Weise ausgrenzend verhalten. Es fällt den Befragten jedoch schwer, eine innere Grenze zu beschreiben, die aus ihrer Sicht nicht übertreten werden darf. Wann ist man »im Recht«, wenn man in einer Demokratie die Werte anderer beschneidet? Die Mehrheitsmeinung ist, dass eine stabile Demokratie Phänomene wie Pegida aushalten müsse, auch wenn sie einem selbst unliebsam seien. Es sei in gewisser Weise sicherer, wenn es einen Raum gäbe, in dem so etwas geäußert
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werden dürfte, als wenn derartige Bewegungen von vornherein unterbunden und kriminalisiert würden. Können sie Pegida nicht ertragen, erklären die Gegner das damit, dass Pegida eine antidemokratische Meinung vertrete und sich damit selbst jenseits der Demokratie stelle, dass sie eben nicht »diskursfähig« seien. Für sie gehören »Faschisten« grundsätzlich nicht zur Demokratie, das bedarf keiner Erläuterung. Wenige betonen, dass Pegida uneingeschränkt zur Demokratie gehöre und für diese auch wichtig sei. »Es gibt in jeder Gesellschaft einen gewissen Prozentsatz der Unverbesserlichen und ewig Gestrigen. Die wird man nicht los und das wäre auch nicht richtig, die loszuwerden in jedem Fall. Und klar haben die ein Recht auf Versammlungsfreiheit. Aber es ist eben auch genau das Recht, dagegen zu sein. Und das finde ich in einer demokratischen, freiheitlichen Gesellschaft eben wichtig, dass das auch passiert.« Das mache schließlich auch den Reiz einer »wehrhaften Demokratie« aus. Der Minimalkonsens besteht somit darin, dass Pegida demonstrieren dürfe, nur dann habe man eben auch das gute Recht, zu demonstrieren und seine Meinung und Werte dagegen zu halten. Die Frage, ob man den Dialog mit Pegida suchen sollte, polarisiert hingegen enorm. Einige der Gegendemonstranten hatten Pegidaveranstaltungen besucht, weil es ihnen wichtig erschien, sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Dabei wurden häufig zwei Typen ausgemacht: Die »Harmlosen« und die »Unverbesserlichen«, mit denen jedes Gespräch zwecklos sei. Manche finden gar die Dialogangebote »ganz schrecklich«, vor allem durch Politiker, man käme damit den Pegidas viel zu weit entgegen und heuchele Verständnis für etwas, was man vorher geflissentlich ignoriert habe. So müsse man sich präventiv dafür einsetzen, dass ein solches Gedankengut gar nicht erst entstünde, aber nicht im »Rahmen von solchen Showveranstaltungen«. Überhaupt mit Faschisten zu reden widerspricht vor allem dem Selbstverständnis der »antifaschistischen« Bündnisse: »Also mit Leuten, die so viel Dummheit und Gewalt in sich haben, ich sehe da gar kein Land, dass man sich je mit denen irgendwie verständigt.« Die Erfahrungen in Gesprächen zwischen Privatpersonen beider Seiten waren sehr unterschiedlich. Einige berichten davon, dass man sich durchaus auf einen Minimalkonsens wie beispielsweise Gewaltfreiheit habe einigen können, so gemeinsame Werte festgestellt und ein gewisses Verständnis füreinander habe, wiederum andere Gespräche führten zu nichts, man sei schockiert über die Borniertheit des Anderen. Häufig endeten sie jedoch so, dass jeder auf seiner Meinung beharre und einem nichts anderes übrig bleibe, als das zu akzeptieren. Einige verspüren, obwohl sie eigentlich aus eigenem Anspruch heraus dialogbereit sein wollen, eine innere Hürde mit Menschen zu sprechen, die ihre Werte nicht teilen und beispielsweise offen ausländerfeindlich sind. Aus ihrer
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Perspektive heraus ist es aber keine Option, die Gegenseite mundtot machen zu wollen, weil es immer Raum für Diskussion und Auseinandersetzung geben müsse.
5.6 E lementare W erte auf dem P rüfstand : G leichheit und (M einungs -)F reiheit Diese Deutungen von Pegida leiten zu der Frage über, welche Gültigkeit die proklamierten Werte der NoPegida-Aktivisten überhaupt besitzen: Gelten die als universell beschriebenen Grundwerte der Meinungsfreiheit und Gleichheit, essentielle demokratische Werte, auch für Pegida? An diesen beiden verfassungslegitimierenden Werten, die für die NoPegida-Anhänger zum festen Wertekanon gehören, gleichzeitig aber auch in allen Gesprächsrunden sehr intensiv und kontrovers diskutiert, teilweise sogar gleich zu Beginn von den Anwesenden selbst ins Plenum getragen wurden, lässt sich illustrieren, wie schwierig es für die Befragten ist, diese Werte zu füllen, vor allem aber ihre Gültigkeit, Reichweite und Grenzen in einer Demokratie und in Bezug auf Pegida zu bestimmen. Die Diskussion, ob diese Werte, die als so elementar empfunden werden, wirklich für alle gelten können und auch sollen, geriet vielfach zu einem unauflöslichen Dilemma hinsichtlich der eigenen Toleranz, Werthaltung und den Grenzen der Demokratie zwischen Selbstentfaltung und der Freiheit und Gleichheit aller. Die Zerrissenheit und Zwiespältigkeit wird auch an einer in den Fokusgruppen plakativ geführten Kopftuch-Burka-Diskussion deutlich. Trotz eines scheinbar gefestigten Wertefundaments besteht eine große Unsicherheit im Umgang und auch in der Bewertung von Ungleichheit, die hier im optischen Sinne virulent ist. Eine kopftuchtragende Frau sei »etwas, was ich als Ungleichheit jedenfalls im Aussehen dulden muss oder was heißt dulden muss? Was ich akzeptieren kann einfach. Das ist dann beides, Gleichheit, weil die das gleiche Recht haben wie ich und gleichzeitig ist es auch Gleichheit in der Form, dass auch Ungleichheit in verschiedenen Bereichen da sein kann.« Reflexartig wird die Frage gestellt, ob dies auch für eine burkatragende Lehrerin, die die eigenen Kinder unterrichte, gelte. Die Situation wird nicht aufgelöst: Dem Bedürfnis, die eigene »nachhaltige Irritation« behutsam im Gespräch deutlich zu machen und ohne Verletzung unterschiedliche Haltungen in den Raum zu stellen, steht die Vermutung gegenüber, allein schon die Konfrontation könne sehr verletzend sein. Dabei dreht sich der Kern der Diskussion um die Frage, wo die Freiheit des Individuums aufhört und ob sie überhaupt für alle gleichermaßen gelten sollte. Wollen wir denn, dass alle gleich sind, widerspricht das nicht dem Wunsch nach Vielfalt? Sind Nazis ebenso »gleich« wie ich? Dürfen sie ebenso ihre Mei-
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nung äußern? Letztlich: Gelten meine als unverbrüchlich erklärten Werte der Demokratie für alle ihre Mitglieder? Wo liegt die innere Grenze, die überschritten werden muss, bevor man »zu Recht« sage, jemand dürfe seine Meinung nicht artikulieren? Wann ist welches Recht mehr wert, wann darf man Rechte und Werte überhaupt hierarchisieren? Grundsätzlich bedeute Freiheit, dass jeder so leben könne, wie er wolle. Reflexartig folgt die Gegenreaktion der Gruppe: »Und wenn der Nazi glücklich wird, wenn er gegen Muslime hetzt?« Die Frage nach Meinungsfreiheit wird also dann interessant, wenn Meinungen artikuliert werden, die man selber nicht teilt. Gleichheit sei seit der Französischen Revolution einer der Grundwerte überhaupt in einer Demokratie. Genauso sei Meinungsfreiheit ein in jedem Fall zu verteidigendes Gut: Einige würden mit Bezug auf Voltaire sogar dafür eintreten, dass jemand eine Meinung, die man selber verabscheuungswürdig findet, äußern darf. Anderen geht das entschieden zu weit. Der erste Versuch, dieses Dilemma aufzulösen, wird meist unternommen, indem man mit demokratischen Rechten argumentiert. Auf dem Boden des Grundgesetzes hätte auch Pegida das Recht zu demonstrieren und ihre Meinung kundzutun. Die meisten finden, dass müsse man aushalten, viel zitiert: Freiheit sei auch immer die Freiheit des Andersdenkenden. Es sei jedoch eine Möglichkeit, Pegidas Gedankengut quasi die Legitimationsgrundlage zu entziehen, denn wer sich substanzlos äußere, verwirke sein Recht auf Meinungsäußerung. Zu urteilen, was »gültige Gedanken« seien, liege dann bei den Gegendemonstranten: »Also die sagen nichts Falsches, sondern die sagen eigentlich gar nichts.« Einige ziehen die Grenze der Demonstrationsfreiheit mittels gesetzlicher Definitionen: Wer volksverhetzende Inhalte transportiere, verwirke sein Versammlungsrecht. Andernfalls könne man es nicht verbieten, aber doch »ein klares Zeichen« setzen, also ein moralisches Verbot aufstellen. Auch werden praktische Grenzen gezogen: Für einige endet Meinungsfreiheit bei Gewalt oder Gewaltandrohung oder wenn andere Menschen durch die artikulierte Meinung abgewertet werden würden. Für jene hat die Gleichheit also Grenzen, man könne nicht tolerant gegenüber Intoleranz sein. Sie stehen dazu, dass ihre Werte keine uneingeschränkte Gültigkeit haben und sehen es als berechtigt an, selbst zu entscheiden, wo ihre Grenze liegt. Die Werteverletzung des anderen legitimiere in diesem Fall, dass dieser auch nicht nach den eigentlich artikulierten eigenen Wertmaßstäben behandelt werde. »Wenn diese Leute selbst intolerant sind, dann finde ich, ist das ein Kriterium sagen zu dürfen, da hört die Toleranz auf.« Diese Haltung wird zwar als »vermessen« erkannt, aber ebenso als moralisch vertretbar. Toleranz sei somit eine Frage des Standpunktes, dürfe aber keinesfalls mit Gleichgültigkeit und Desinteresse verwechselt werden. Wenige gehen soweit, klar zu artikulieren, dass sie auf die Straße gingen, um die Freiheit von Pegida zu beschneiden, weil sie dafür triftige Gründe hätten. Das löst aber auch Unbehagen in den Gesprächsrunden aus:
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Pegida niederzubrüllen spiele ihnen nur in die Hände hinsichtlich ihrer Argumentation, dass sie die eigentlichen Demokraten seien, die im Gegensatz zu den Gegendemonstranten niemanden daran hindern würden, seine Meinung kundzutun. Der Gegenstandpunkt meint, die eigene Freiheit höre dort auf, wo sie die eines anderen einschränke. Die Grenzen können jedoch nie fixiert werden, man argumentiert mit gesellschaftlichen, konsensuellen Wertvorstellungen, häufig ohne den inhärenten Zirkelschluss zu bemerken. Ohne die »Detailfragen« klären zu können, wird das Prinzip Freiheit doch unbeirrt proklamiert. Man müsse eben die Dialektik dieses Wertes akzeptieren, Toleranz müsse Intoleranz mit sich bringen. »Und seitdem ich das […] auf die Reihe gekriegt habe, lebe ich auch etwas entspannter, weil ich sage, ich kann offensichtlich dieses Leben nicht in einer Gesellschaft führen, für die die Grundwerte eingemeißelt sind und wo sich alle danach richten. Sie können schön her reden, aber sie tun etwas anderes.« Es wird aber auch der prinzipielle Anspruch vertreten, Andersdenkende so sein zu lassen, wie sie sind. Gleichheit und Freiheit, das sei ja schön und gut, dann müsse man aber eben auch die Spannungen und den Widerspruch, den sie mit sich brächten, aushalten und nicht immer versuchen, ihn moralisch auflösen zu wollen. Das sei ja auch »die Stärke unserer Gesellschaft bei aller Gleichheit, wie wir behandelt werden wollen, dass wir auch gerade diese große Unterschiedlichkeit hinkriegen.«
A nmerkungen 1 | Vgl. dazu Kapitel 6. 2 | Die kontroverse Auseinandersetzung mit 1968 und den diesem Datum innewohnenden Mythen, Zuschreibungen und Chiffrierungen ist in jüngerer Zeit auch durch die »68er-Generation« selbst betrieben worden, vgl. u.a. Peter Schneider, Rebellion und Wahn. Mein ’68, Köln 2008, jedoch auch Thema zeitgeschichtlicher Historiker, z.B. Wolfgang Kraushaar, 1968 als Mythos, Chiffre und Zäsur, Hamburg 2000. 3 | Allgemein zur Wertehierarchie und Wertebindung, Joachim Detjen, Die Werteordnung des Grundgesetzes, Wiesbaden 2009. 4 | Vgl. dazu Kapitel 5.6. 5 | Beispielsweise Fabienne Kinzelmann, Hochwasser in Dresden: Eine Stadt packt an, in: Spiegel online, 05.06.2013, online einsehbar unter www.spiegel.de/panorama/hoch wasser-in-dresden-buerger-kaempfen-gegen-die-flut-a-903968.html [zuletzt eingesehen am 15.09.2015]. 6 | Hier muss noch einmal daran erinnert werden, dass die Fokusgruppen im April, Mai und Juni 2015 stattfanden, zu einem Zeitpunkt, als die Flüchtlingsdebatte und die damit verbundene Welle der Hilfsbereitschaft sich noch nicht in der Dynamik des Spätsommers 2015 entfaltet hatten.
5. Gesellschaf tsbild und Wer teordnung von NoPegida 7 | »Die rot-grüne Herkunft wird besonders deutlich bei den Antworten auf die Frage, was in unserem politischen System an Bedeutung gewinnen sollte. Den Pegida-Unterstützern in Dresden fielen vor allem Recht und Ordnung sowie nationale Interessen ein. Ihre Widersacher plädieren hingegen vor allem für Gleichstellung, Solidarität und Umverteilung. Die letzte Forderung wird noch dadurch untermauert, dass die NoPegidaBefürworter größtes Misstrauen gegen Großkonzerne und Banken bekunden und der freien Marktwirtschaft (zu 97 Prozent) keine größere Relevanz mehr zumessen mögen.« Vgl. Franz Walter, Studie über Pegidagegner: Jung, kinderlos, weiblich, in: Spiegel online, 26.01.2015, online einsehbar unter www.spiegel.de/politik/deutschland/franzwalter-ueber-die-anhaenger-der-gegenbewegung-nopegida-a-1014993.html [zuletzt eingesehen am 15.09.2015]. 8 | Interessant dazu, wie Solidarität durch Wahlfreiheit ersetzt wird, siehe auch Sebastian Schoepp, Hilfe, bin ich links?, in: Süddeutsche Zeitung, 17.08.2015, online einsehbar unter www.sueddeutsche.de/politik/essay-hilfe-bin-ich-links-1.2603848 [zuletzt eingesehen am 16.09.2015]. 9 | Die Verpflichtung, Verantwortung zu übernehmen und sich aus einer persönlichen Überzeugung heraus für demokratische Grundwerte einzusetzen, ist ein vielfach beschriebener Zusammenhang, vgl. u.a. Klaus von Bismarck und Hildegard Hamm-Brücher, Verantwortung ist Bürgerpflicht, Reden zur Verleihung des Theodor-Heuss-Preises, München 1967. 10 | Ein Sechstel der Fokusgruppenteilnehmer gab an, mindestens ein Elternteil zu haben, welches nicht in Deutschland geboren sei. Es ist allerdings nicht zu beobachten, dass diese sich stärker als andere für Flüchtlinge engagieren würden. 11 | Vgl. dazu beispielsweise Martin Niewendick, Rechte, Linke, Verschwörungstheoretiker – die neue »Querfront«, in: Tagesspiegel, 29.12.2014, online einsehbar unter www.tagesspiegel.de/politik/friedensmahnwachen-rechte-linke-verschwoerungtheo retiker-die-neue-querfront/11165150.html [zuletzt eingesehen am 25.09.2015]; Steven Geyer, Was Pegida-Fans und Anhänger der Linkspartei verbindet, in: Berliner Zeitung, 15.08.2015, online einsehbar unter www.berliner-zeitung.de/politik/studie-der-ottobrenner-stif tung-zur--quer front--was-pegida-fans-und-anhaenger-der-linkspar teiverbindet,10808018,31469374.html [zuletzt eingesehen am 15.09.2015]. 12 | Zum unterschiedlichen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in Ost- und Westdeutschland vgl. u.a. Jeffrey Herf, Zweierlei Erinnerung: Die NS-Vergangenheit im geteilten Deutschland, Berlin 1998. 13 | 98,8 Prozent der befragten NoPegida-Demonstranten sagen, eine »starke Führungspersönlichkeit« solle keine größere Bedeutung in unserer Gesellschaft haben. 14 | Vgl. Harald Lachmann, Sachsen – ein Biotop für Rechte? In: Stuttgarter Zeitung, 11.02.2015, online einsehbar unter www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.der-harte-kernvon-pegida-sachsen-ein-biotop-fuer-rechte.db0a26b3-613c-478b-be1d-04d2a 217ce49.html [zuletzt eingesehen am 16.09.2015]. 15 | Vgl. hierzu besonders Geiges, Marg, Walter, Pegida, S. 117.
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6. Die Sicht von NoPegida auf die Politik 6.1 E instellungen zu P olitik , Parteien und P olitikern Nach den bisherigen Ausführungen ist es keinesfalls überraschend, dass die NoPegida-Anhänger im linken politischen Lager beheimatet sind. Während die Teilnehmer der quantitativen Umfrage mehrheitlich noch für Rot-RotGrün votierten, sind die in den Fokusgruppen Befragten vor allem Anhänger der Grünen und der Linkspartei. Hätten bei der letzten Bundestagswahl ausschließlich NoPegida-Demonstranten wählen dürfen, läge die Regierungsverantwortung derzeit bei den Grünen und der LINKEN.
Was haben Sie bei der letzten Bundestagswahl gewählt? 36,9% 31,5%
33,3% 26,6%
17,5%
16,7% NoPegida quantitativ
5,9% 0,1%
1,9%
3,7%
4,0%
0,0%
2,3% 1,9%
5,4% 5,6%
NoPegida qualitativ
Insbesondere bei der Frage nach der zukünftigen Wahlentscheidung schnitten die Sozialdemokraten in der qualitativen Studie noch einmal schlechter ab und kamen nur noch auf 14,8 Prozent. Demgegenüber bleiben die Teilnehmer der quantitativen Umfrage auch bei der nächsten Bundestagswahl der Sozialdemokratie treu. Mit einer Zustimmung von fast 26 Prozent kommt die SPD dabei den aktuellen Prognosen unter allen Wahlberechtigten recht nahe1. In der qualitativen Umfrage hingegen gewinnen sowohl Bündnis 90/Die Grünen als auch Die LINKE bei der Frage nach der zukünftigen Wahlentscheidung noch einmal mehr potentielle Wähler hinzu.
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Wenn heute Bundestagswahl wäre, welche Partei würden Sie wählen? 39,2%
37,0%
25,9%
25,6%
25,4%
NoPegida quantitativ 14,8%
NoPegida qualitativ
5,5%
AfD
2,8%
1,9%
0,2% 0,0%
CDU/CSU
0,0%
Die Grünen
Die Linke
Piratenpartei
SPD
Auffällig ist die hohe Wahlbeteiligung der NoPegida-Demonstranten. Während sowohl in der qualitativen als auch in der quantitativen Studie deutlich weniger als sechs Prozent der Befragten angaben, dass sie nicht zur Wahl gegangen sind, bekannten sich in der Umfrage unter den Pegida-Anhängern immerhin 14,1 Prozent zur Nichtwahl. Dennoch liegt auch dieser Wert deutlich unter dem bundesdeutschen Trend, da sich beispielsweise bei der Bundestagswahl im Jahr 2013 nur 71,5 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung beteiligten. Protestierende gehören demzufolge mehrheitlich dem Lager der Wähler statt der Nichtwähler an. Tabelle 2: Sind Sie Mitglied oder aktiv in einer der folgenden Organisationen?2 NoPegida
Pegida
Gewerkschaften
16,6 %
5,4 %
Vereine
19,9 %
15,4 %
Kirchen
17,2 %
7,5 %
Bürgerinitiativen
5,6 %
3,1 %
Die Ursache für die große Wahlbereitschaft der NoPegida-Anhänger ist hauptsächlich in deren umfassendem Selbstverständnis als Staatsbürger zu sehen. Der Wahlakt gehört, so die Interpretation der Befragten, zur obersten Bürgerpflicht. Hier sind sie sich im Übrigen mit den Pegida-Demonstranten einig. Doch bei der Wahl allein belassen es die NoPegida-Anhänger keinesfalls. Ihnen ist das Sich-Einbringen essenziell für die Gesellschaft. Denn nur, so ein dominantes Deutungsmuster innerhalb der Fokusgruppen, wenn man aktiv ist, sich einmischt, kann man politisch Einfluss ausüben und Verhältnisse ändern. Nur wenn sich möglichst alle am Gemeinwesen beteiligen, könne das
6. Die Sicht von NoPegida auf die Politik
politische System fortbestehen. Diese dominante Konstante des politischen Denkens der NoPegida-Aktivisten fußt auch auf der Vorstellung, dass Politik an sich größtenteils direkt erfahrbar sein sollte. In der Praxis sollte nicht nur die Kommunikation mit den Politikern direkt und unmittelbar funktionieren – ohne intermediäre Instanzen –, sondern man wünscht sich auch einen fühlbaren Einbezug bei politischen Aussprachen und Entscheidungen. Insgesamt hätten sich Politiker intensiver um ihr Klientel zu kümmern. Damit geht der Wunsch einher, dass Politik in der Lage sein sollte, die Menschen direkt zu berühren. Auch diese Sehnsucht nach Unmittelbarkeit teilen die NoPegidaAnhänger mit den Vertretern von Pegida und bestätigen damit einmal mehr eine politische Haltung von Demonstrierenden im 21. Jahrhundert. Dabei agieren die NoPegida-Aktivisten keinesfalls aus dem Gefühl der Unterdrückung oder Ohnmachtserfahrung heraus – ganz im Gegenteil: Der Großteil der Befragten geht davon aus, dass er – eben weil er sich als ein aktiver Teil der Gesellschaft sieht – Einfluss ausübt. Sie nehmen an, dass sie mit ihrem Protest Unzufriedenheit artikulieren sowie auf Missstände aufmerksam machen können und dass dies wiederum Politik und Gesellschaft beeinflusst – vielleicht nicht immer mit dem gewünschten Ziel, aber in dem festen Glauben, mit dem eigenen Tun Effekte auslösen zu können.3 Verdrossenheit ist demzufolge kein Motiv der NoPegida-Protestierenden. Es lässt sich daher auch schlussfolgern, dass sie – insbesondere im Vergleich zu anderen Protestgruppen – in der Mehrheit das politische System für durchlässig halten, demjenigen, der sich einbringen möchte, stünden auch zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, um einzugreifen. Die NoPegida-Anhänger sind politisch interessiert und verfolgen die Geschehnisse aufmerksam. Während insbesondere für die im Bereich der Flüchtlingsarbeit unengagierten Jüngeren Protest politisch ist, begreift ein Großteil der Befragten sein zivilgesellschaftliches Engagement nicht als dezidiert politisch. Aus dieser Perspektive heraus reagieren nicht wenige Fokusgruppenteilnehmer recht empfindlich auf die direkte Beteiligung einzelner Politiker an den NoPegida-Aktionen. Dies steht im Widerspruch zu der Forderung nach Unmittelbarkeit, die – sobald sie praktiziert wird – von einigen als unauthentische und aufgesetzte Instrumentalisierung der Proteste durch die Volksvertreter empfunden wird. Während man der Beteiligung von Politikern an NoPegida-Protesten, auf deren Autonomie großer Wert gelegt wird, eher skeptisch gegenübersteht, wünscht man sich doch gleichzeitig, dass die Politik ein öffentliches Bekenntnis für NoPegida abgeben möge. All diese Disparitäten geben einen ersten Hinweis darauf, dass hier unbewusst widersprüchliche Erwartungen an die Politik formuliert werden, die jedoch die Betroffenen nicht auflösen. Stattdessen bewahren sie ihre Ansprüche und beobachten den politischen Betrieb genauer. Da Wirklichkeit und Anforderungen dann umso mehr auseinanderklaffen, bleibt die Unzufriedenheit mit der Politik bestehen
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beziehungsweise wächst mitunter sogar an. Der Terminus der Unzufriedenheit wird hier im Sinne von interessiertem und aufmerksamem Beobachten der Politik und Wahrnehmen von Missständen verwendet, während sich der Begriff der Verdrossenheit auf diejenigen bezieht, die sich enttäuscht und frustriert von der Politik abwenden. Die NoPegida-Anhänger sind zwar zum Teil unzufrieden mit der Politik, aber keinesfalls politikverdrossen. Hinter dem Wunsch, eine breite politische Unterstützerfront möge sich für NoPegida formieren, steht die Vorstellung, dass dies unabdingbar sei für den Erfolg der Bewegung. Denn nur wenn sich die Politik geschlossen hinter die NoPegida-Aktionen stelle, so eine Argumentationslinie der Befragten, würde sich auch die Mehrheitsgesellschaft gegen Pegida und hinter den Werten von NoPegida positionieren. Die Interviewten dulden in dieser Frage keinerlei Differenz und fordern, dass sich die Politiker hier über alle Parteigrenzen hinweg einig sein und mit den postulierten Protestzielen übereinstimmen müssen. In dieser Argumentation wird die Annahme sichtbar, dass die Demonstranten der Politik weitreichende Handlungsmacht zuschreiben. Sie gestehen den Politikern einen signifikanten Einfluss auf einen Großteil der Gesellschaft zu. Insbesondere für die Unpolitischen und Unengagierten könne der Politiker als Vorbild dienen und sollte diese Aufgabe auch ernsthaft übernehmen. Daneben formulieren die Befragten ein Bedürfnis nach Anerkennung durch die Politiker als weiteren Grund, warum sie deren öffentliche Unterstützung für wichtig halten. Indem die Volksvertreter sich hinter die Ziele der Bewegung stellten, setzten sie ein wichtiges Zeichen und würdigten den Einsatz sowie die Arbeit der Demonstranten. Doch sehen die Studienteilnehmer ihre Forderungen nicht erfüllt. Viele betonen deutlich, dass die Parteien, insbesondere die Christdemokraten, die hier zum Teil immer noch zur Verharmlosung neigten, zu lange gezögert und nicht entschieden genug auf Pegida reagiert hätten. Überraschend ist in diesem Zusammenhang, dass, trotz einer eindeutigen Selbstzuordnung zu einem politischen Lager, die Protestierenden ebenfalls großen Wert darauf legen, dass sich sowohl die Christ- als auch die Freidemokraten an der öffentlichen Zustimmungsbekundung für NoPegida beteiligen sollten. Obwohl die Vertreter der CDU und FDP am härtesten kritisiert werden, ist es auffällig, dass die CDU – bis auf wenige Ausnahmen – offenbar nicht als politischer Gegner wahrgenommen wird. Als Feindbild fungieren die Konservativen für NoPegida nicht. Auch wenn sich viele Anerkennung und Unterstützung von der Politik für ihr Engagement wünschen, sind nur die wenigsten bereit, politisch initiierte Projekte zu unterstützen. Offenbar möchte man lieber autonom agieren und keiner Bevormundung durch Politiker erliegen. Man kann auch den Eindruck gewinnen, dass sie den Politikern keine privilegierte Rolle innerhalb der Zivilgesellschaft zugestehen möchten und bezüglich der Gewichtung ihr Engagement als gleichberechtigt neben der politischen Arbeit interpretieren.
6. Die Sicht von NoPegida auf die Politik
Tabelle 3: Parteimitglieder unter den Demonstranten
Anteil organisierter Parteimitglieder unter den Befragten
NoPegida qualitativ
NoPegida quantitativ
S21-Demonstranten
G7-Demonstranten5
16,4 %
10,4 %
11,7 %
11,8 %
Obwohl die Quote der Parteimitglieder unter den Befragten der qualitativen Studie sehr hoch ist – von den insgesamt sieben interviewten Protestorganisatoren und den 54 Fokusgruppenteilnehmern gaben immerhin 16,4 Prozent an, Mitglied einer Partei zu sein –, so sind die NoPegida-Anhänger doch keine klassische Stütze des Parteienstaates. Dies liegt jedoch nur zum Teil an der recht hohen Quote der Parteiaustritte. Immerhin kehrten 9,3 Prozent der Teilnehmer aus der qualitativen Studie und 7,4 Prozent der quantitativ Befragten insbesondere der Sozialdemokratie und den Grünen den Rücken. Die in den Fokusgruppen zum Teil deutlich geäußerte Parteienkritik hebt sich kaum von den typischen Urteilen aus der Mitte der Gesellschaft über die Institutionen der politischen Willensbildung ab:4 Der Großteil der Parteien unterscheide sich nicht voneinander, Parteien seien oligarchisch organisiert, erst nach einer langjährigen Mitarbeit und einem zähen Aufstieg über die Lokal- und Kreisebene dürfe man teilweise an Beschlüssen mitwirken, während die eigentliche Politik ohnehin in staubigen »Hinterzimmern« gemacht werde. Darüber hinaus erkennen die Befragten, trotz zahlreicher Reformbemühungen insbesondere der Volksparteien, keinerlei Veränderungs- und Wandlungspotential in den Parteien und ziehen sich größtenteils von diesen frustriert zurück. Trotz dieser Parteienkritik – die ebenso bei den Pegida-Aktivisten und Bürgerprotestlern zu beobachten war – nehmen die hier Interviewten die Parteien selbstverständlich als Akteure des Politischen wahr, denen man eine Legitimität für ihr Handeln auf legislativer und exekutiver Ebene zuschreibt. Als verkrustete Organisationen und lähmende Verhinderer einer »echten Demokratie«, eine Konsequenz, die die Bürgerprotestler oftmals aus ihrer Parteienkritik ziehen, gelten die Parteien den NoPegida-Aktivisten nicht. Immerhin – und dies sollte die Parteistrategen in allen politischen Lagern nachdenklich stimmen – sind ihre größten Kritiker diejenigen, die ihnen abtrünnig geworden sind und, dies vielleicht noch überraschender, die Parteimitglieder selbst. Denn nicht nur die ehemaligen, sondern die Noch-Mitglieder von Parteien formulierten in den Fokusgruppen eine große Frustration und Enttäuschungserfahrung: »Also wenn man sich das Parteileben anguckt, […] dann kann ich verstehen, warum viele Leute da frustriert sind. Gerade wenn sie über eine Partei irgendwie denken, dann in
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die Politik gehen zu wollen und da was zu bewirken. Also das ist auch sehr frustrierend.« Weniger überraschend fällt die dezidierte Kritik der Befragten an der Asylund Einwanderungspolitik aus. Man fühle sich in einer »Parallelwelt«, da die politischen Entscheidungen auf diesem Gebiet in eine völlig andere Richtung gingen, als sich dies die Befragten wünschen würden. Überdies sei die Politik keinesfalls hinreichend auf den Flüchtlingsansturm vorbereitet, obwohl viele Fakten hinlänglich bekannt gewesen wären. Gleichzeitig habe die Politik versäumt, die Bevölkerung ausreichend auf das Kommende vorzubereiten, nicht nur die Ankunft der Asylbewerber in den jeweiligen Gemeinden hätte besser kommuniziert, auch die Vorteile der Zuwanderung medial deutlicher herausgearbeitet werden müssen. Insgesamt ist jedoch überraschend, wie wenig über Asylpolitik in den Gruppen debattiert wurde. Im Vergleich mit den PegidaFokusgruppen wurden politische Inhalte in den Gesprächen deutlich weniger thematisiert. Vereinzelt äußerten einige NoPegida-Gesprächspartner dezidiert Kritik an den Politikfeldern Innere Sicherheit (Abhörskandal) und Außenhandel (Handlungsfreiheit der Wirtschaft, aber vor allem TTIP). Thematisch und inhaltlich waren sich hier Pegida- und NoPegida-Anhänger einig: TTIP gehöre öffentlich verhandelt und dürfe keinesfalls wie von der Politik geplant umgesetzt werden und die Haltung der Bundesregierung gegenüber ausspionierenden Ländern sei skandalös und fahrlässig. Ähnlich negativ wie die Institutionen des Parteiensystems werden auch dessen Akteure, die Politiker, beurteilt. Man vermisse nicht nur Persönlichkeiten, an denen man sich reiben könne, sondern auch eine Streitkultur. In den Augen der Befragten redeten Politiker viel, meist in »Phrasen« oder »vorgestanzten Spruchblasen«, und hielten sich selten an ihre Versprechen; sie brüsteten sich mit nicht selbst erarbeiteten Erfolgen und inszenierten sich als Krisenbewältiger, statt harte Kärrnerarbeit zu betreiben. Gerade die Unzufriedenheit mit der Politik ist auch ein Punkt, den die interviewten NoPegida-Aktivisten als Antriebsmotor für die Pegida-Proteste nachvollziehen können. Zumindest der von den Befragten als »bürgerlicher« oder »mittiger« Pegida-Anhänger Identifizierte hätte aufgrund des Versagens der Politik hinreichend Gründe für sein Engagement. Genauso wie die Befragten den Politikern Wirkmächtigkeit im Sinne der Bekämpfung von Pegida zuschreiben, unterstellen sie ihnen auch, Pegida zu fördern. Weil sich die Politik abgekapselt habe, hätten sich diese Menschen »auf den falschen Weg« begeben. Überdies agiere die Politik hinsichtlich der virulenten Probleme wie Langzeitarbeitslosigkeit, Umgang mit Migranten, latentem Alltagsrassismus oder alternder Gesellschaft überaus hilflos, verfolge keinen Plan, ließe keine Initiative erkennen. Die jahrelange Herrschaft der Merkel-Regierung habe sich wie Mehltau über das Land gelegt, die politische Elite wirke »starr«, »eisern« und nicht wandlungsfähig. Dies schläfere die Bevölkerung ein und erkläre ihr
6. Die Sicht von NoPegida auf die Politik
politisches Desinteresse. Gleichzeitig werde eine Politik im »Burgherrenstil« betrieben, die die Ängste der Menschen nicht ernst nähme und nun nachgeholte Bürgernähe mittels Dialogangeboten simulieren möchte. Dabei wird genau diese Praxis von vielen NoPegida-Akteuren als große Gefahr gesehen, da ein zu großes Entgegenkommen und Auf-Pegida-Zugehen befürchtet wird. Demgegenüber bemühen sich viele Befragte, insbesondere diejenigen ohne direkte Erfahrungen innerhalb von Parteien, um eine differenzierte Bewertung. Sie scheuen sich in den Gruppendiskussionen gelegentlich davor, ein einheitliches Urteil über den Politiker zu fällen, trennen zwischen den »Professionellen«, also solchen, die stark in die Partei involviert sind, und denjenigen mit Bodenhaftung, zwischen jenen, die den sozialen Bewegungen nahe stehen und zwischen den liberalen sowie christdemokratischen Politikern, zwischen solchen, die Forderungen der Demonstranten ins Parlament tragen und die Möglichkeiten des Parlamentarismus im Sinne der NoPegida-Anhänger nutzen (kleine Anfragen, Informationsbeschaffungen) und den anderen, die sich im politischen Tagesgeschäft verlieren. Während Unternehmern, Managern oder Bürgerprotestlern befragt danach, welcher Politiker gute Arbeit leiste, beinahe ausschließlich Herbert Wehner, Willy Brandt und Helmut Schmidt einfallen, können die NoPegida-Anhänger zahlreiche amtierende Politiker benennen, die in ihren Augen Hervorragendes leisten. Es fielen Nahmen wie Juliane Nagel (Die LINKE), Jürgen Kasek (Die Grünen), Gregor Gysi (Die LINKE), Manfred Kretschmann (Die Grünen), Sylvia Kotting-Uhl (Die Grünen) oder auch Sven Giegold (Die Grünen). Politiker wurden dann positiv beurteilt, wenn sie in den Augen der Interviewten trotz Betätigung innerhalb der politischen Institutionen und Organisationen ihre Ideale nicht verloren hätten, sondern diese weiterhin verfolgten. Am nachsichtigsten im Urteil über die Volksvertreter waren schließlich diejenigen, die über einen aktiven Politiker in der Familie zu berichten wussten. Sie erwarteten deutlich weniger Erfolge, hielten fest, dass auch für erfahrene Gestalter des Politischen in einer interdependenten, komplexen Welt die meisten Probleme nicht vorhersehbar seien und der Politik daher oftmals nichts anderes übrig bliebe, als zu reagieren statt zu gestalten. Dass die Wahlversprechen vom Anfang der Legislaturperiode an deren Ende nicht mehr gelten und eingehalten werden können, sei unter diesen Bedingungen nur allzu verständlich. Zusammengenommen findet sich bei den NoPegida-Anhängern also nicht das »Gefühl von Nicht-Repräsentation«, wie es beispielsweise für die Occupy-Demonstranten festgestellt wurde5, sondern sie haben einen politischen Ort, dem sie fest verbunden sind und von dessen Volksvertretern sie sich – zumindest derzeit – angemessen vertreten fühlen. Wobei der politische Ort eher die »linke Seite« ist, der weniger von Parteien als vielmehr durch zivilgesellschaftliche Zusammenschlüsse und individuelle Wertvorstellungen geprägt ist.
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Dennoch: Die Arbeit der Parteien aktiv zu unterstützen, kommt für die meisten Gesprächspartner nicht in Frage. Wie passt das mit dem Ideal des engagierten Bürgers zusammen? Die meisten plädieren für (politisches) Engagement im Kleinen. Sie fordern, sich in politischen Gremien wie dem Gemeinderat oder in das städtische Parlament einzubringen, nur eben außerhalb der Parteien. Politik müsse vor Ort erfahrbar sein – für alle Menschen und nicht nur als exklusives Erlebnis für Parteimitglieder. Dieser erfahrungsorientierte Zugriff auf Politik erklärt auch, warum sich die Teilnehmer der NoPegida-Gesprächsrunden in Bezug auf die Politikinhalte stark auf lokale Räume fokussieren, während die Pegida-Gruppen Politik meist auf nationaler oder europäischer Ebene diskutierten. NoPegida-Aktivisten nehmen Politik vornehmlich durch direkte Erfahrungen vor Ort wahr, während die Pegida-Anhänger ihre Informationen über Politik aus zweiter Hand, den Medien, beziehen. Während die einen demzufolge die Fremdwahrnehmung als Grundlage für die Beurteilung von Politik heranziehen, halten sich die anderen an ihre selbst gemachten Erfahrungen und fordern dies auch für die anderen ein. Die NoPegida-Anhänger sind davon überzeugt, dass politikverdrossene Bürger ausschließlich durch unmittelbare Praxis zu politisch interessierten Bürgern erzogen werden können. »Selbstbestimmte« und »selbstverwaltete« Politik »im Kleinen« gilt ihnen als der aussichtsreichste Ansatzpunkt für die politische Bildungsarbeit hin zur Zielutopie einer aktiven und anteilnehmenden Bürgerschaft. Dabei argumentieren die meisten Befragten keinesfalls naiv: Viele merken in den Gesprächen an, dass gleichberechtigte Partizipation schwierig bis unmöglich ist, dass Politik voraussetzungsreich ist und ein hohes Maß an Ressourcen wie Zeit, eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit, Durchsetzungsvermögen, rhetorisches Talent, Unterstützer und ein höheres Bildungsniveau erfordert. Nur unter diesen Bedingungen könne man sich Gehör verschaffen und sich durchsetzen. Doch diese realistischen Vorstellungen von Politik teilen nicht alle. Neben den oben beschriebenen enttäuschten Parteimitgliedern kritisieren all jene Politik und Parteien am entschiedensten, die hier als einsame Aktivisten bezeichnet werden sollen. Damit sind all jene gemeint, die in den Erzählungen über ihre Protesterfahrung betonen, allein auf NoPegida-Demonstrationen zu gehen, dort auch allein zu bleiben und die gleichzeitig nicht in zivilgesellschaftliche Institutionen wie Vereine, Verbände, Bürgerinitiativen oder dergleichen eingebunden sind. Der einsame Aktivist geht mit der Politik am härtesten ins Gericht. Er konstruiert häufig die Gesellschaft, in der es um ein »Miteinander« ginge, als Gegenbild zur Politik, in der nur Egoismus und Kampf herrsche. Für ihn sind Politiker selbstbezogen und schotteten sich als Kaste in Berlin und Brüssel ab. Interessant ist, dass wir auf diese einsamen Aktivisten lediglich in Dresden gestoßen sind. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass in der sächsischen Landeshauptstadt tatsächlich ein großer Teil der Bürgerschaft
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zivilgesellschaftlich inaktiv ist, somit die Pegida-Proteste auf eine »schwache« Zivilgesellschaft stießen und daher so erfolgreich waren.6
6.2 D ie G re tchenfr age : W ie halten S ie es mit der D emokr atie ? Bei der Frage nach dem Verständnis von Demokratie sollen selbstverständlich nicht abfragbares Wissen und kognitive Fähigkeiten erhoben werden, schließlich ist sich die Politikwissenschaft selbst nicht einig darüber, wie Demokratie definiert werden kann, und greift daher meist auf eine prozedurale Begriffsbestimmung zurück, da »Aushandlung und Konflikt« zum »Wesen der Demokratie« gehören.7 Es geht auch nicht darum, die Demokratie normativ als die beste Herrschaftsform zu glorifizieren und an dieser Folie die Fokusgruppenteilnehmer zu messen, denn Demokratie ist »eine Herrschaftsform, die nicht nur typische Stärken hat, sondern auch typische Schwächen, die nicht nur Probleme löst, sondern auch Probleme erzeugt oder verstärkt.« 8 In den Fokusgruppen soll vielmehr das demokratische Verständnis, besser: Selbstverständnis der Befragten durch Assoziationen, affektive Haltungen und emotionale Beziehungen entschlüsselt werden. Schließlich hängt der Grad der Enttäuschung der Bürger auch stark davon ab, was genau unter Demokratie verstanden wird. Interessant ist, dass die Befragten die Schwierigkeiten der Begriffsdefinition auf den demokratischen Prozess an sich transformieren und damit dem Wesen der Demokratie recht nahe kommen. So sei Demokratie unbestimmt, beinahe eine »Worthülse«, in die man alles hinein interpretieren könne. Ein Begriff, der für unterschiedliche Konzepte des Zusammenlebens stünde, die insgesamt äußerst schwierig zu organisieren seien, da die verschiedensten Menschen und Bedürfnisse zusammengebracht werden müssten. Für die Befragten ist Demokratie ein umfassender, reversibler, dynamischer, aber auch beständiger und langfristiger Aushandlungsprozess, der nicht allein durch die Abstimmung zum Ende gebracht werden könne, sondern immerfort weiterzugehen habe. Änderungen müssten dauernd möglich sein, technokratische Zwänge sollten in den Hintergrund treten und Intransparenz eingeschränkt werden. Darüber hinaus dürften nicht nur Mehrheitsmeinungen die Debatten dominieren, sondern müssten auch singuläre Ansichten vernehmbar sein. Sie fordern also die Schaffung von Möglichkeiten ein, damit alle gehört werden und sämtliche Einwände und Bedürfnisse zur Sprache kommen. Vor allem aber dürfe die Prozedur des »Souveräns« nicht durch irgendwelche zeitlichen Vorgaben beschränkt werden. Man wolle so lange diskutieren können, wie die Entscheidungsfindung es nötig mache. Demokratie hat demzufolge ein emanzipatives Potential, dass nicht auf die Sicherung des Bestehenden fokussiert ist, sondern die gemeinsame Weiterentwicklung der Gesellschaft im Blick hat.
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Demokratie bedeutet den NoPegida-Anhängern somit kollektive Selbstbestimmung, auch Selbstregierung, die durch den Wahlakt und durch das Aktivwerden des Einzelnen ausgeübt werden kann. Demokratie müsse man selbst in die Hand nehmen und sich erarbeiten, mitunter auch erkämpfen. Sie ist nichts, wie es die Pegida-Anhänger verstehen, was »von oben« bereitgestellt, sondern etwas, was aktiv hergestellt beziehungsweise ausgehandelt werden muss. Demokratie erscheint so als gelebte und ergebnisoffene Lebensform, »in der unter Wahrnehmung ihrer politischen Rechte die Bürger sich selbst um ihr Gemeinwesen Sorgen machen«.9 Da in der bundesrepublikanischen Verfassung die Volksherrschaft durch das Prinzip der politischen Repräsentation verwirklicht werden soll, ist angesichts der zusammengetragenen Befunde die Frage nach der Bedeutung der Repräsentativität für die NoPegida-Anhänger interessant. Schließlich ermöglicht es diese erst, dass die öffentliche Gewalt »rechtlich eingehegt, zeitlich befristet, gemeinwohlgebunden und rechenschaftspflichtig« ist.10 Ist demgegenüber der Wille nach Mitbestimmung bei den Befragten so groß, dass das Prinzip der Repräsentation abgelehnt wird und man es bestenfalls durch eine institutionalisierte direkte Demokratie ersetzen möchte? Im Gegensatz zu den Bürgerprotestlern und den Occupy-Aktivisten stehen die NoPegida-Anhänger der direkten Demokratie recht skeptisch gegenüber. Direkte Demokratie berge immer die Gefahr, dass durch Wahlenthaltungen oder schlecht formulierte Entscheidungsfragen sich eine »echte Mehrheit« gar nicht an der Abstimmung beteiligt. Außerdem sieht man die mit Volksentscheiden, Volksbefragungen und ähnlichen Instrumenten der direkten Demokratie verbundenen Risiken recht deutlich: Die Umstände und Rahmenbedingungen des zu bearbeitenden Problems müssten simplifiziert und die vorhandenen Alternativen polarisiert werden. Darüber hinaus fehlten zahlreichen Wahlberechtigten eine entsprechende Bildung oder das nötige Hintergrundwissen, um im Entscheidungsfall sachgerecht urteilen zu können. Aber der größte Einwand gegen die direkte Demokratie wird aufgrund der Gefahr der Unterdrückung der Minderheiten durch die Mehrheiten gesehen. Dies formulierten einige Befragte auch als der Demokratie an sich inhärentes Problem. Dabei schien ihnen besonders heikel, dass in einer Volksherrschaft der Sieg der Mehrheit über die Minderheit als Unterdrückungsmechanismus gleichsam konstitutionell ist. Weil diese Repression jedoch innerhalb der Demokratie zur Anwendung komme, werde sie beständig positiv konnotiert, wodurch eine kritische Deutung derselben außerordentlich schwer falle. Doch Mehrheitsentscheidungen, so die Fokusgruppenteilnehmer, münden nicht zwangsläufig in »bessere« Entschlüssen. Schließlich ließe sich die Demokratie auch mit Hilfe der Mehrheit abschaffen, wie die Geschichte bereits gezeigt habe. Radikale Alternativen zur repräsentativen Demokratie, wie beispielsweise die Occupy-Aktivsten mit dem starken Plädoyer für das Konsensprinzip vor-
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trugen,11 formulieren die hier Befragten jedoch kaum. Zwar erwähnen einige Gesprächsteilnehmer die Möglichkeiten, mehr Basisdemokratie zu praktizieren, Politiker mit imperativen Mandaten auszustatten, mehr Selbstverwaltung in kleineren lokalen Einheiten umzusetzen oder statt alle vier Jahre für eine Partei abzustimmen regelmäßig über einzelne Inhalte zu votieren. All diese Vorschläge erzeugen jedoch innerhalb der Gruppendiskussionen keinen großen Widerhall und bleiben damit singulär. Somit vertreten die NoPegida-Aktivsten bei weitem nicht so einen partizipativen Demokratiebegriff, wie man es von den Protestbürgern der Bundesrepublik der letzten Jahre gewohnt war. Die hier Befragten befürworten jedenfalls kein »neues, stärker basisdemokratisch geprägtes Demokratieverständnis, das weitergehende Partizipationsforderungen und unkonventionelle Willensbekundungen« einschließt, wie es noch jüngst verallgemeinernd von einigen Vertretern der Protestforschung angenommen wurde.12 Auffällig ist jedoch noch ein anderer Aspekt, der eng an das Repräsentativitätsprinzip gekoppelt ist, durch die Befragten jedoch keinerlei Wertschätzung erfährt: Erst durch politische Repräsentanten werden Bedürfnisse von Bevölkerungsgruppen, insbesondere wenn diese ressourcenarm und/oder deutlich in der Minderheit sind, in die öffentliche Debatte eingebracht, denn nur über Repräsentanz werden die Sprachlosen gehört. Somit tragen – idealerweise – die Volksvertreter zur Befähigung der Schwachen bei. Demnach schaffen Repräsentanten Strukturen, die die Unsichtbaren sichtbar machen und deren Präferenzen in den politischen Entscheidungsprozess transformieren. Es ist bemerkenswert, dass dieses Argument von keinem der hier befragten NoPegida-Aktivsten in der Debatte um repräsentative Demokratie formuliert wird. Interessant ist hingegen, dass die Demokratie für die Befragten einen Ort hat. Sie wird vor allem im öffentlichen Raum beziehungsweise auf der Straße ausgetragen. Nur so seien Verhandlungen, Argumentationen und der Austausch von Meinungen möglich. Einzig durch das Moment der Öffentlichkeit mache die Auseinandersetzung, der politische Streit, überhaupt erst Sinn, weil nur so unterschiedliche Meinungen aufeinander stießen, man einander zuhören müsse, gegebenenfalls den anderen überzeugen könne. Der öffentliche Raum ist eine der Schlüsselvokabeln der NoPegida-Demonstranten. Das ist umso bemerkenswerter, als dass dieser bei den Aktivisten gegen Startbahnen, Windkraftanlagen, Stromtrassen oder Umgehungsstraßen keine Rolle spielt. Dort gilt die öffentliche Demonstration auf den Plätzen der Republik ausschließlich als Mittel zum Zweck und nicht, wie bei NoPegida, als Zweck an sich. NoPegida geht es im öffentlichen Raum um Sichtbarkeit und körperliche statt – wie ausschließlich im Internet praktizierte – virtuelle Präsenz. Dies erhöht den Einsatz für die eigene Meinung erheblich. Denn, so die Befragten, erst auf der Straße werde man zum Bürger. Diese Prämisse gilt nicht nur für sie selbst, sondern insbesondere für Minderheiten wie Migranten und
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Flüchtlinge, die in der Öffentlichkeit beziehungsweise im Stadtbild präsent sein sollten, statt an die Peripherie abgedrängt zu werden. Denn ausschließlich im öffentlichen Raum könnten ihre Rechte sichtbar sein, nur dort könne Versammlungsfreiheit und offene Meinungsäußerung, ein zentrales Moment der Demokratie, wahrgenommen werden. Außerdem könnten durch die Anwesenheit auf der Straße wirkmächtige Zeichen gesetzt und Bilder produziert werden, die helfen, das entsprechende Anliegen über die räumliche Gebundenheit hinaus in die breitere Öffentlichkeit zu tragen. Es geht ihnen auch darum, vor den Augen aller die Vielfalt politischer Positionen zum Ausdruck zu bringen, um »Hören und Gehört-werden, um das Verdeutlichen politischer Alternativen, um Responsivität und Expressivität in einem ernsthaften Diskurs und einer scharfen Debatte zwischen konfliktiven, möglicherweise gar unvereinbaren Meinungen«, wie es Vertreter des kämpferisch-streitbaren Republikanismus formulieren würden.13 Erst im öffentlichen Raum könne man, so die NoPegida-Aktivisten, Einfluss ausüben, Zustimmung oder Ablehnung signalisieren, Unmut äußern. Auf der Straße kann ein räumlicher Standpunkt eingenommen und so die politische Betätigung möglich werden. Aus dieser Perspektive lässt sich auch das »Spiel mit den Zahlen« verstehen: Begreift man den öffentlichen Raum als Austragungsort für politische Konflikte, ist das Wissen um das Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit substantiell. NoPegida möchte, wie es ein Fokusgruppenteilnehmer ausdrückt, »König der Straße« sein. Somit ist es auch nachvollziehbar, dass die Befragten allein aus der Teilnehmerzahl eine gewisse Potenz, ja: politische Macht ableiten. Dabei sind sich die Befragten durchaus bewusst, dass die Relation zwischen Mehrheit und Minderheit äußerst instabil ist. Somit wird die Straße auch zum umkämpften Ort. Wobei Kampf durchaus wörtlich gemeint ist. Die Straße muss »erobert« und darf nicht »den Rechten überlassen werden«, sie muss »gehalten«, »verteidigt« und notfalls »rückerobert« werden, wie sich die Gesprächspartner ausdrücken. Sie wollen unter allen Umständen und mit einem ausgedehnten Arsenal an Mitteln die Diskurshoheit im öffentlichen Raum erringen. Allein diese Interpretation macht es verständlich, warum NoPegida-Anhänger darauf beharren, Protest in »Hör- und Sichtweite« von Pegida durchführen zu wollen. Einige gehen hier noch weiter und sind prinzipiell darum bemüht, den »Lauf« der »Patriotischen Europäer« gänzlich zu verhindern oder sie zumindest aus dem städtischen Zentrum in die Randlagen abzudrängen. Dabei sind einige auch davon überzeugt, dass Konflikte, die auf politischer Ebene nicht gelöst werden können, auf der Straße bearbeitet werden müssen. Daher weisen die NoPegida-Anhänger mehrheitlich die Reglementierung des öffentlichen Raumes, beispielsweise durch die Polizei oder das Ordnungsamt, zurück. Sie kritisieren darüber hinaus die »Raumpolitik« der Ordnungskräfte und sind der Ansicht, dass die Straße notfalls für den gewalttätigen Kampf freigehalten werden
6. Die Sicht von NoPegida auf die Politik
sollte. Sie gehen nicht zwangsläufig davon aus, dass auf diese Weise sämtliche Widersprüchlichkeiten aufgelöst und Konflikte befriedet werden können, da sie aber – wie oben beschrieben – die Auffassung vertreten, für das moralisch Gute einzustehen und auf der Straße mit Pegida das Schlechte zu bekämpfen, sind sie bemüht, ihr teilweise gewalttätiges Verhalten im öffentlichen Raum gegen die anderen zu legitimieren. In dieser Argumentationslinie ist es auch verständlich, dass die Befragten einerseits für sich als grundlegendes Recht die Demonstrationsfreiheit einfordern, während sich einige, nicht alle Befragten gegen dieses Recht für Pegida aussprechen. An dieser Stelle muss nach den Grenzen der Demokratie aus der Perspektive der NoPegida-Anhänger gefragt werden, da Gewalt an sich hier offenbar nicht für alle eine Demarkationslinie der Demokratie darstellt. Die meisten Befragten weisen Gewaltbereitschaft zwar weit von sich und überschreiten diese Grenze auch nur in den seltensten Fällen. Dennoch: Das Urteil über Gleichgesinnte, die Gewalt praktizieren, fällt oftmals recht milde aus, insbesondere im Vergleich zu den harschen und mitunter dramatisierenden Aussagen über diejenigen, die Gewalt gegen NoPegida ausüben. Gleichzeitig lehnen nur ganz wenige Befragte Gewalt dezidiert ab. Diese sei weder für sie selbst ein legitimes Mittel, um Ziele zu erreichen, noch dulden sie diese Praxis in ihrem Demonstrationsumfeld. Neben Gewalt machen die Befragten weitere Grenzen der Demokratie aus. Diese beginne sich aufzulösen, wenn die Bürger die Herrschaft über sich selbst nicht wahrnehmen, wenn sie nicht Partei ergreifen, den Wahlurnen fernbleiben und sich selbstbezogen in ihren privaten Raum zurückziehen. Daneben formulieren die Fokusgruppenteilnehmer unter den Begriffen Menschlichkeit und Menschenrechte eine weitere Bedingung, von der die demokratische Herrschaftsform abhängig sei. Nur wenn Menschenverachtung sowie Rassismus entschieden zurückgedrängt werden und für jeden die gleichen Rechte gelten, könne man von der Realisierung einer demokratischen Lebensform sprechen. Die Befragten sind also keinesfalls demokratieskeptisch, sehen jedoch in der täglichen Ausgestaltung der Politik einige Probleme. Oftmals fehle es an »tatsächlichen« Partizipationsmöglichkeiten, die den engagierten Bürger über die Wahl hinaus in politische Entscheidungen einbinden würden. Zusätzlich wird ein Ausschluss bestimmter Anspruchsgruppen aus der Demokratie beklagt: Dass Kinder und bestimmte Migranten beispielsweise nicht wählen dürften, war für einige Fokusgruppenteilnehmer höchst problematisch. Es wurde, wenn auch nur vereinzelt, beklagt, dass die vorhandenen Eigentumsverhältnisse die Möglichkeit einer »echten Demokratie« verhindern könnten. Interessanterweise ist der Aspekt der Gleichheit aller als elementare Voraussetzung der Demokratie in anderen Fokusgruppen mit der gesellschaftlichen Mitte, den Bürgerprotestlern oder den Unternehmern bisher nicht formuliert worden.
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Ebenso singulär sprechen die NoPegida-Anhänger davon, dass der demokratische Aushandlungsprozess durchaus streithaft sein könne, auch daraus erwachse möglicherweise etwas Positives. Man müsse Meinungen und Gegenmeinungen aushalten können – eben dies mache die demokratische »Herrschafts- und Lebensform«14 so schwierig. Nur wenige deuten die Demokratie als konfliktreiches Feld, dessen Polarisierung sie dadurch aufgelöst wünschen, dass alle gemeinsam an einem Strang ziehen und »miteinander« statt »gegeneinander« die anstehenden Probleme lösen. Insbesondere die einsamen Aktivisten verteidigen dieses harmonische Demokratieverständnis und sehen sich in der Dichotomie als Beherrschte unter den Herrschern. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass Protest als zivilgesellschaftliche Betätigung keinesfalls ausreichend ist, um eine differenzierte Sicht auf politische Prozesse, demokratische Strukturen und bürgerschaftliche Pflichten zu gewinnen. Ganz im Gegenteil: Die Protesterfahrungen können dann bei einigen Akteuren aufgrund der konfrontativen und konflikthaften Erfahrung möglicherweise die eingefahrenen Sichtweisen noch verfestigen.15
6.3 W as bedeute t I hnen der S ta at ? Neben diesen recht abstrakten Reflexionen über die Demokratie drückt sich das Verhältnis des Gemeinwesens gegenüber der Herrschaftsform auch über die Beziehung zu den Institutionen des Staates aus. Überraschend war, dass die Polizei, wie oben beschrieben, zwar negativ wahrgenommen wurde, sie jedoch den Befragten nicht als Institution des Staates an sich zu gelten scheint. Die Polizei agiert in den Augen der Gesprächspartner offenbar unabhängig und eigenständig. Als Repräsentant des Staates wird hingegen das Ordnungsamt begriffen. Hier wird nach Demonstrationsanmeldung über Demonstrationsroute, -regeln und -auflagen entschieden. Angesichts der Wahrnehmung der NoPegida-Anhänger, dass die Demonstrationen von Pegida bevorzugt genehmigt würden, sich die Behörde nicht an Absprachen halte, die Möglichkeiten von Pegida unnötig ausweite und demgegenüber den Handlungsrahmen von NoPegida unrechtmäßig einschränke, ist es nicht verwunderlich, dass die örtlichen Vertreter des Ordnungsamtes hart kritisiert werden. Insbesondere in Dresden gilt den Befragten die politische Einstellung der Mitarbeiter als »rechtslastig«. Obwohl hier Vertreter des linken politischen Lagers befragt wurden, war es überraschend, dass in den seltensten Fällen eine dezidierte Staatskritik geäußert wurde. Man steht dem Staat an sich eher positiv statt distanziert gegenüber. Einige postulieren gar, ganz im Sinne ihres (bildungs-)bürgerlichen Selbstverständnisses, eine Einheit von Staat und Gesellschaft. Prinzipiell ist der Staat für die Grundversorgung der Bürger zuständig, hier insbesondere für
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die (politische) Bildung. Die meisten Befragten gehen jedoch nicht davon aus, dass dem Staat alles zu verantworten ist, schließlich benötigten sie ihn auch nicht, um zu wissen, was zu tun sei oder um politisch aktiv zu werden. Für die Zivilgesellschaft müssten jedoch die finanziellen Ressourcen und die grundlegenden Organisationsstrukturen durch den Staat bereitgestellt werden, damit diese – möglichst autonom und ohne staatliche Bevormundung – aktiv werden kann. Grundsätzlich gestehen die Befragten dem Staat Macht und Gewalt zu. Sie sprechen sich nicht für die Negation des staatlichen Gewaltmonopols aus, ganz im Gegenteil: Staatliche Macht könne auch positive Wirkungen haben, angeführt werden hier die Schulpflicht, der Schutz des Individuums und der Minderheiten, Gewährleistung der universellen Geltung der Menschenrechte, Schutz der Kinder und Frauen vor Gewalt in der Familie. Die Befragten neigen dazu, ein umfassendes statt ein minimalistisches Staatsverständnis zu postulieren. Während ein entscheidendes Protestmotiv der ’68er und folgender Demonstrationen war, Proteste gegen den Staat zu organisieren – was diejenigen Befragten, die sich in diese Traditionslinie stellen, auch immer noch betonen –, spielt das In-Stellung-Bringen gegen den Staat bei NoPegida überhaupt keine Rolle mehr. Die Befragten scheinen mit dem Staat ausgesöhnt zu sein, bringen sich nicht in eine Gegnerschaft zu diesem oder gar dem politischen Establishment.
A nmerkungen 1 | Vgl. Politbarometer September 2015, online einsehbar unter www.forschungs gruppe.de/Aktuelles/Politbarometer/ [zuletzt eingesehen am 11.09.2015]. 2 | Die Daten stammen aus den quantitativen Umfragen unter Pegida- beziehungsweise NoPegida-Demonstranten, Mehrfachnennung möglich; hier wird nur eine Auswahl der Institutionen wiedergegeben. 3 | Wobei angemerkt werden muss, dass nicht alle Befragten hiervon durchgängig überzeugt sind. 4 | Florian Finkbeiner, Hannes Keune, Julian Schenke, Lars Geiges, Stine Marg, »Stopp-T TIP-Proteste« in Deutschland. Wer sie sind, was sie wollen und was motiviert die Freihandelsgegner, online einsehbar unter: www.demokratie-goettingen.de/studien [zuletzt eingesehen am 30.1.2016]. Das Göttinger Institut für Demokratieforschung hat unter den Teilnehmern der G7-Proteste 2015 in München (5.5.2015) und in Garmisch (6.5.2015) sowie unter den Demonstranten gegen das Handelsabkommen TTIP in Berlin (10.10.2015) Onlineumfragen durchgeführt. 5 | Vgl. zur politischen Einstellung der gesellschaftlichen Mitte: Marg, Mitte in Deutschland. 6 | Vgl. Geiges, Occupy, S. 266.
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NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t? 7 | Dies ist auch ein Argument, welches bereits in der Debatte zur Erklärung der sächsischen Erfolge von Pegida angeführt worden ist. Hierzu: Dietrich Herrmann, Warum gerade Dresden? 8 | Samuel Salzborn, Demokratie. Theorien, Formen, Entwicklung, Baden-Baden 2012, S. 7. 9 | Manfred G. Schmidt, Demokratietheorien. Eine Einführung, 5. Auflage, München 2010, S. 465. 10 | Ottfried Höffe, Kritik der Freiheit. Das Grundproblem der Moderne, München 2015, S. 215. 11 | Kielmansegg, Erwartungen, Enttäuschungen. 12 | Vgl. Geiges, Occupy, S. 291. 13 | Sabine Mecking, Vom Protest zur Protestkultur? Träger, Formen und Ziele gesellschaftlichen Aufbegehrens, in: GWU 64 (2013) H. 9/10, S. 517-529, hier S. 523. 14 | Vgl. Christian Volk, Zwischen Entpolitisierung und Radikalisierung – Zur Theorie von Demokratie und Politik in Zeiten des Widerstandes, in: PVS 54 (2013) 1, S. 75-110, hier S. 100. 15 | Paul Nolte, Was ist Demokratie? Geschichte und Gegenwart, München 2012, S. 19. 16 | Um dies jedoch hinreichend zu verifizieren, wären qualitative Langzeitstudien nötig beziehungsweise müssten die hier im Demonstrationskontext Befragten in einem zeitlichen Abstand erneut interviewt werden.
7. NoPegida und ihr Verhältnis zu den Medien
Die negative Beurteilung der bundesrepublikanischen Medienlandschaft, verteufelt als sogenannte »Lügenpresse«, war ein zentrales Antriebsmoment der Pegida-Demonstranten. Die Medien würden Tatsachen verfälschen und Inhalte aus dem Zusammenhang reißen, ohnehin seien sie nur von Lobbyisten und Dritten gelenkt statt unabhängig. Dabei war die Ablehnung der etablierten Medien bei den »Patriotischen Europäern« gefestigt und kategorisch. Medien berichten, so der Tenor in den Pegida-Gesprächsrunden, weder unabhängig noch analytisch oder differenziert. Stattdessen nehmen sie lediglich einen medial gesteuerten »Einheitsbrei« wahr, der von »Lobbymächten« gelenkt werde und die Bevölkerung in ihrer Ahnungslosigkeit belasse. Daher weigert sich ein Großteil der Pegida-Anhänger, die »Mainstreammedien« zu konsumieren und weicht lieber auf »alternative« Informationsmöglichkeiten über die Junge Freiheit, Compact. Magazin für Souveränität oder Politically Incorrect aus.1 Interessant ist, dass die Pegida-Demonstranten mit dieser Medienschelte keineswegs singulär sind. In einer von uns breit angelegten Befragung 2013/14 von über 160 Unternehmern und Managern in Deutschland stellten wir fest, dass es weder den Sozialdemokraten, noch den Vertretern der Linkspartei oder der Gewerkschaften gelingt, den Unternehmern einen Schrecken einzujagen, sondern dass ihr, wenn man so sagen möchte, »neues Feindbild« einzig und allein die Medien sind. Ihnen gegenüber äußern sie heftigste Ablehnung. Auch sie bringen ähnliche Argumente vor wie die Pegida-Anhänger: Medien pauschalisieren, skandalisieren und berichten einseitig statt faktenorientiert.2 Eine vergleichbare negative Medienrezeption lässt sich auch bei der Mitte der Gesellschaft feststellen oder aus Umfragen ablesen, in denen es um das Ansehen und das Vertrauen in den Beruf des Journalisten geht.3 Medien organisieren und legitimieren die Kommunikationsprozesse zwischen den politischen Repräsentanten und den von ihnen Repräsentierten. Sie prägen somit die öffentlichen Diskurse und Willensbildungsprozesse und erfüllen damit eine essentielle Aufgabe für ein demokratisches Gemeinwesen. Angesichts der großen Skepsis gegenüber der medialen Politikvermittlung stellt sich die Frage, ob sich auch die NoPegida-Demonstranten der vorherr-
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schenden Medienkritik anschließen oder ob sie sich auch hier – ähnlich wie bei der Bewertung der Volksvertreter – um Differenzierungen bemühen. Die in dieser Studie Befragten sind sich der immensen Bedeutung der Medien für eine Bürgergesellschaft, wie sie sie für wünschenswert halten und anstreben, vollkommen bewusst. Medien trügen zur Aufklärung und Meinungsbildung bei, sie fungierten als Vermittler zwischen unterschiedlichen Interessen und übten eine für das Gemeinwesen befriedende Funktion aus. Die Medien sind ihnen ebenso eine Voraussetzung für die politische Bildung und demzufolge eine Grundbedingung für Teilhabe und Demokratie. Somit sind Medien, so die NoPegida-Demonstranten, eine qualitative Voraussetzung der Demokratie. Jeder habe die Pflicht, sich mit Hilfe der Medien innerhalb von Politik und Gesellschaft zu orientieren. Zwar gestanden einige ein, dass man dafür mittlerweile angesichts der Unübersichtlichkeit auf diesem Feld eine große Medienkompetenz benötige, um sich zurechtzufinden, verstanden dies aber äußerst selten als individuelles Problem, da sie sich einer eigenen Medienexpertise sicher sind. Überdies benannten viele Befragte einzelne Blätter, die sie durchaus als wertvoll und qualitativ hochwertig einstufen: die taz, Süddeutsche Zeitung, Die Zeit und Junge Welt könnte man daher als Leitmedien von NoPegida bezeichnen. An dieser Stelle muss jedoch in Erinnerung gerufen werden, dass sich NoPegida als Gegenbewegung zu den Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes konstituierte und dass deren Schlagwort der »Lügenpresse« in den Medien nicht nur breit rezipiert wurde, sondern – und dies mag vielleicht auch ein Hinweis auf einen Mangel an selbstregulierenden beziehungsweise selbstkritischen Kräften innerhalb der Medienlandschaft sein – leicht spöttisch als Beleg für die Verblendung der Dresdner Demonstranten herangezogen wurde. Dieses Deutungsmuster, vielleicht auch aus einem gewissen Gefühl der intellektuellen Überlegenheit gegenüber den Pegida-Anhängern heraus, übernahmen die von uns befragten NoPegida-Demonstranten und grenzten sich dezidiert von dem »Unwort Lügenpresse« ab. Dennoch: Einige Befragte können den Vorwurf an die Medien, dass diese qualitativ mangelhaft arbeiten, durchaus nachvollziehen. Auch sie kommen auf die Schattenseiten der gegenwärtigen Medienlandschaft zu sprechen und kritisieren insbesondere die Lokalzeitungen. Hier vermissen sie nicht nur Pluralität der Presseerzeugnisse, sondern auch eine größere Distanz zum städtischen Rathaus und eine kritischere Haltung gegenüber den lokalen politischen Eliten. Ihnen ist es unverständlich, dass die städtischen Journalisten nicht in der Lage seien, sich ein eigenes Bild von den Demonstrationen zu machen und direkt vor Ort zu recherchieren, sondern ihre Informationen aus dritter Hand bezögen und sich dabei auf zweifelhafte Quellen verließen. Auch stört die Befragten massiv, dass sie in den Lokalzeitungen ausschließlich als meist randalierende und pöbelnde Gegendemonstranten dargestellt, dass sie
7. NoPegida und ihr Verhältnis zu den Medien
als die Aktivisten von NoPegida unter der Überschrift eines destruktiven Widerparts und Störenfriedes subsummiert würden, während man über all die positiven Projekte im Zusammenhang mit den sich um NoPegida als Initiator kristallisierenden »Willkommensinitiativen« kaum berichte. Stattdessen werde Pegida mit einer medialen Aufmerksamkeit überschüttet, die diese Bewegung keinesfalls verdient habe und zu einer unzulässigen Aufwertung dieser, und das bezieht sich explizit auf die Proteste außerhalb von Dresden, »FünfMann-Demonstrationen« beitrage. Während Pegida als Protestbewegung in den Medien so völlig überschätzt werde, fehle gleichzeitig jegliche kritisch-intellektuelle Auseinandersetzung mit den Wurzeln des Phänomens. Die Presse weigere sich, den Extremismus der Mitte und die Radikalität gesellschaftlicher Subgruppen gegenüber Asylbewerbern und Menschen mit Migrationshintergrund wahrzunehmen und darüber kritisch zu berichten. So beklagten NoPegida-Aktivisten in Fokusgruppen, die wir im Mai 2015 durchgeführt haben, die gewalttätigen Übergriffe auf Flüchtlinge in Freital und in anderen sächsischen Gemeinden und berichteten darüber, wie sie selbst in diese Orte fahren und sich unter Einsatz eines hohen persönlichen Risikos schützend zwischen »die Nazis« und Flüchtlinge stellten. In der nationalen Presse wurden diese Geschehnisse in der Tat lange Zeit ignoriert und fanden erst Ende Juli einen größeren Widerhall. Überdies kritisieren die Befragten nicht nur die mangelnde und einseitige Berichterstattung über die eigenen Proteste gegenüber den ausufernden und wenig analytischen Reportagen über Pegida, sondern geben den Medien auch eine Teilschuld an dem von ihnen beobachteten Alltagsrassismus und der Abwertung von Zuwanderern. Die Befragten attestieren zahlreichen Medien aufgrund einer latenten islamkritischen Haltung eine große Anschlussfähigkeit für die Pegida-Demonstranten und machen sie somit als Nährboden für rassistische und menschenfeindliche Tendenzen in der Gesellschaft verantwortlich. Die Kritik an den konventionellen Medien durch die NoPegida-Anhänger ist demzufolge nicht ganz so apodiktisch, wie wir das im Pegida- oder Unternehmermilieu beobachten konnten. Interessant war auch, dass bei aller Kritik vereinzelt auf die Selbstregulierungskräfte der Medien hingewiesen wurde, dass insbesondere Institutionen wie der Medienrat auf journalistische Redlichkeit achten würden und bindende Regeln für eine qualitative Berichterstattung aufstellen und kontrollieren. Dennoch: Die Befragten kritisieren, dass – insbesondere in den lokalen und landesweiten Medien – die eigenen Aktionen und Positionen verkürzt dargestellt werden, während die Pegida-Bewegung zu Unrecht in der Berichterstattung einen zu großen Raum einnimmt. Dieses Phänomen ist seit den 1980er Jahren als Hostile Media Phenomenon bekannt.4 In einer Studie stellten Vallone und seine Kollegen fest, dass die Wahrnehmung der medialen Berichterstattung stark durch den eigenen Wertehorizont determiniert ist und
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dass insbesondere Anhänger bestimmter religiöser Überzeugungen oder politische Aktivisten zu einer selektiven Wahrnehmung neigen. Sie gehen davon aus, dass die eigenen Positionen in der Öffentlichkeit und durch die Medien prinzipiell zu wenig präsent sind und zu negativ dargestellt werden. Offenbar wird die Dissonanz zwischen der Wahrnehmung der Medienberichterstattung und der eigenen Position umso größer empfunden, desto stärker eine individuelle Haltung verfestigt ist. Daher ist die Differenz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung, die auch bei den NoPegida-Anhängern beobachtet werden konnte, für die Forschung über soziale Bewegungen und Protest kein neues Phänomen. Interessant war jedoch die Konsequenz, die die Befragten aus ihrer Kritik der lokalen Berichterstattung zogen. Insbesondere in Karlsruhe und Dresden nehmen die NoPegida-Anhänger die örtliche Tageszeitung zwar noch wahr und verfolgen deren Berichterstattung, verlassen sich aber keinesfalls mehr darauf und lassen sich von dieser auch kaum beeinflussen. Stattdessen fokussieren sie sich auf lokale Internetmedien, wie Mopo (Dresden) oder KA-News (Karlsruhe). Hier erwarten sie weder einordnende Kommentare noch intellektuelle Debatten, sondern lediglich eine ausgewogene Berichterstattung über die Ereignisse vor Ort. Sie stellen an diese Onlinemedien Minimalanforderungen wie eine simple Darstellung der Fakten und dass weder Proteste ignoriert, Teilnehmerzahlen geschönt oder Geschehnisse verzerrt dargestellt werden. Analysen und Erklärungen beziehen die Befragten dann entweder aus den nationalen Medien oder aus Internetblogs und -reportagen. Aber eine Art »parallelen Medienkonsum«, wie wir ihn bei den Pegida-Anhängern beobachten konnten, scheinen die NoPegida-Demonstranten insgesamt nicht zu praktizieren. Interessant ist darüber hinaus, dass die Befragten in den Online-Medien auch kein Allheilmittel gegen das partielle Versagen der Medienlandschaft sehen. Insbesondere an den Internetmedien kritisieren sie, dass sich in den dortigen Kommentarspalten »der rechte Mob« ungefiltert auslassen könne. Überhaupt ist ihnen, und hier meldeten sich insbesondere die älteren Gesprächspartner zu Wort, das Internet nicht nur Segen, sondern auch Fluch zugleich. An Pegida habe man gesehen, dass sich im Internet rassistische Gruppen leicht und unkontrolliert zusammenfänden und ausländerfeindliche Hetze in Foren und auf Blogs betrieben. Das Phänomen habe sich in den letzten Jahren rasant ausgebreitet und führe dazu, dass menschenverachtende Kommentare auch außerhalb des Internets zunehmend hoffähig würden. Das Internet bietet in ihren Augen zwar die Möglichkeit, verhältnismäßig einfach gleichberechtigte Partizipation zu organisieren, es ist aber auch gleichzeitig ein Ort, von dem aus die Demokratie angegriffen werde, da hier Kritik so leicht sei, man rasch Gleichgesinnte treffe und ungehemmt pöbeln könne. Dessen ungeachtet ist jedoch auch das Internet für NoPegida – ebenso wie für die Pegida-Bewegung – ein Instrument der Vernetzung und Mobilisierung.
7. NoPegida und ihr Verhältnis zu den Medien
Hier werten die NoPegida-Anhänger die Demonstrationen aus, posten Bilder und Videos, kommentieren das Verhalten der Polizei oder ventilieren Meinungen über die Pegida-Demonstranten. Damit ist – bei aller Kritik – das Internet für NoPegida ein notwendiger und außerhalb der Medienlandschaft selbstgestalteter Resonanzboden, um Anhänger zwischen den Demonstrationspausen immer wieder zu mobilisieren und das Feindbild Pegida zu reproduzieren.
A nmerkungen 1 | Vgl. hierzu: Geiges, Marg, Walter, Pegida, S. 100-106. 2 | Vgl. Franz Walter und Stine Marg, »The business of business is business, not civics«, Unternehmer in Deutschland – Fazit und Ausblick, in: Dies. (Hg.), Sprachlose Elite? Wie Unternehmer Politik und Gesellschaft sehen, Reinbek 2015, S. 286-250, hier S. 215217; Teresa Nentwig, »Wo ist die Verantwortlichkeit der Journaille?«, Die Medienkritik der Wirtschaftselite, online einsehbar unter www.demokratie-goettingen.de/blog/medienkritik-der-wirtschaftselite [zuletzt eingesehen am 01.09.2015]. 3 | So landeten bei einer Umfrage im Jahr 2014 die Journalisten auf dem viertletzten Platz, vor Werbefachleuten, Versicherungsvertretern und Politikern. Während nur 37 Prozent der Befragten den Journalisten vertrauen, haben immerhin 96 Prozent der Menschen Vertrauen in die Feuerwehrleute, die die Liste anführen. Vgl. Job Ranking, Diesen Berufen vertrauen die Deutschen, in: Spiegel, 21.02.2014, online einsehbar unter www.spiegel. de/wirtschaft/soziales/vertrauensvolle -berufe-die-meisten-vertrauen-feuerwehrmaennern-a-954481.html [zuletzt eingesehen am 16.09.2015]. 4 | Maßgeblich geprägt und erstmals erforscht von: Robert P. Vallone, Lee Ross und Mark R. Lepper, The hostile media phenomenon: Biased perception and perceptions of media bias in coverage of the Beirut massacre, in: Journal of Personality an Social Psychology, Jg. 49 (1985) H. 3, S. 577-585.
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8. Konklusion 8.1 N o P egida — eine spontane R e ak tion auf die »Patriotischen E uropäer «? Für Toleranz, Weltoffenheit und Pluralität – das ist das Credo der NoPegidaDemonstranten. Doch ebenso sind »Widerstand leisten«, »Gesicht zeigen« und die »Straße zurückerobern« Bestandteile ihres Vokabulars und Handlungsrepertoires. Die NoPegidas sind in erster Linie Gegendemonstrationen. Sie bilden jedoch keine Opposition gegen die Exekutive, Legislative oder eine Arbeitgeberfraktion, die so oft Gegner von massenhaften öffentlichen Mobilisierungen sind, sondern gegen Pegida. Damit ist NoPegida kein Protest der Peripherie gegen das Zentrum, sondern – wie in modernen Gesellschaften nicht unüblich – Gegenprotest als Reaktion auf Protestierende.1 Der Widerstand gegen die Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes ist ihnen Protestanlass, -motivation und -begründung zugleich. Es geht ihnen in erster Linie nicht um Kritik an der Politik und nicht darum, die »Demokratie […] zur Rechenschaft« zu ziehen2, wie es gemeinhin den Wutbürgern unterstellt wird. Auch wenn andere Motive hinzutreten mögen, so ist der Hauptfeind Pegida. Das sind, je nach Standpunkt, »Nazis«, »Wölfe im Schafspelz«; nur für wenige auch einfach »besorgte Bürger«. Und diesen Widersacher möchte man direkt ansprechen: Mittels einer überlegenen Demonstrationstechnik, das heißt, erstens, dass den »Spaziergängen« und »Schweigemärschen« von Pegida Sternläufe, bunter Protest und Blockaden entgegengesetzt werden, und zweitens mit Hilfe von Onlinekampagnen, die über Twitter, Facebook und einschlägige Blogs organisiert werden. Und in der Tat: NoPegida-Veranstaltungen sind – nimmt man einmal die Blockaden aus dieser Betrachtung heraus – sichtbar bunter, vielfältiger und anspruchsvoller; vor allem deren Repertoire des »kollektiven Handelns«, wie es die Bewegungsforschung ausdrückt 3, ist deutlich erprobter als das der PegidaDemonstranten. Während die einen beim sogenannten Weihnachtsliedersingen völlig asynchron und unrhythmisch nach der ersten Strophe scheiterten, lenkt bei den anderen der Dirigent des städtischen Orchesters höchst profes-
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sionell die singende Masse. Halten die einen aus einem kleinen weißen Wagen heraus ihre Reden, warten die anderen mit großen Bühnen sowie nationalen und sogar internationalen Künstlern auf. Und liest bei den einen der »Franzose aus Leipzig« oder »der Martin« eine Ansprache vom Zettel ab, präsentieren die anderen zum Teil routinierte Moderatoren und gewiefte Rhetoriker. Einige NoPegida-Anhänger begleiten die Kundgebungen in bunten Kostümen, Sambagruppen geben den Takt vor oder flashmobartige Aktionen, wie die Störung einer Pegida-Kundgebung durch den per Beamer erzeugten Schriftzug »Refugees welcome!«, irritieren die Gegner. Demgegenüber ist das Aktionsrepertoire von Pegida auf Kundgebungen, Schweigeminuten und Märsche begrenzt. Deren Stimmung ist oft ernst, bei NoPegida hingegen geht es auch um Spaß und eine gute Atmosphäre. Dabei liegt die Erklärung für die Verschiedenartigkeit des Aktionsrepertoires klar auf der Hand. NoPegida-Demonstranten verfügen im Vergleich zu dem Großteil der Pegida-Anhänger mehrheitlich über eine ausgeprägte Demonstrationskultur und -tradition. Pegida in Ostdeutschland mag sich in seiner Rhetorik zwar immer wieder auf die Montagsdemonstrationen des Jahres 1989 berufen haben, doch waren die wenigsten seinerzeit tatsächlich vor Ort. Demgegenüber waren die älteren NoPegida-Teilnehmer nicht nur bei den Studentenprotesten 1968f. dabei, sondern sammelten auch in Brokdorf, Grohnde oder bei der Friedensdemonstration im Bonner Hofgarten 1982 eindrückliche Protesterfahrungen. Selbst die Jüngeren waren bereits auf zahlreichen Demonstrationen, beispielsweise gegen Studiengebühren oder -reformen, aber vor allem »gegen Nazis« und Rassismus. Insbesondere ihnen ist Pegida ein Symbol für etwas, gegen das man sich schon immer engagiert habe. Diese Protestformationen sind auch die organisatorische Wurzel beinahe aller NoPegida-Proteste, die keinesfalls ungeplant und organisch aus der Zivilgesellschaft heraus gegen Pegida entstanden sind. Sie fußen vielmehr auf Initiativen und Organisationen, die sich in den jeweiligen Protestorten bereits seit Jahren oder Jahrzehnten mit dem Problem des (Alltags-)Rassismus beschäftigen, Kundgebungen gegen die NPD veranstalten oder Rechts-Rock-Konzerte zu verhindern suchen. Nur durch dieses Fundament an Personal konnte zu den NoPegida-Veranstaltungen mobilisiert, nur durch den dort angesammeltem Vorrat an Erfahrungswissen die Kundgebungen in diesen Dimensionen durchgeführt werden. Hier kannten sich Sprecher und Vorsitzende von Vereinen, existierten über die unterschiedlichen Institutionen hinweg bereits Bündnisse, gab es personelle Kontakte und Verflechtungen in Stadt und Verwaltung. So konnten rasch Absprachen getroffen, bestehende Verteiler genutzt, eingespielte Organisationsteams gebildet und ein vielfältiges Rahmenprogramm ausgearbeitet werden, um sich Pegida in den jeweiligen Orten entgegenzustellen. Demonstrationsmentalitäten also können sich über Jahrzehnte lebensweltlich und lokal- wie regionalgeschichtlich verstetigen, gewissermaßen kulturell
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vertäuen. Traditionen des Protests, zuweilen gar binnenfamilär vermittelt, bilden Polster und Ausgangsorte für bleibende Akteure und neue Heranwachsende, resistente Lebensformen und protestorientierte Handlungsweisen als selbstverständlich für die eigene Lebensgeschichte anzusehen. Die Geschichten der Revolten werden immer weiter erzählt, begründen einen ortsspezifischen Mythos, sind verflochten mit Wertmaßstäben und Sozialisationsnormen, die von Gerechtigkeitsmaximen bis zu Solidaritätserwartungen reichen, sich und auch, soweit vorhanden, den eigenen Kindern Sinn und Ziel eines an Prinzipien orientierten Lebens vermitteln sollen.4 Das trifft in erster Linie für explizit politische und weltanschauliche, in aller Regel eher von linken Einstellungen motivierte Bewegungen zu. Ihre historische Konstanz ist oft beträchtlich. Denn ein wertgebundenes Engagement hat, so auch Forschungen in der Psychologie, eine größere Stabilität und Dauer als eine rein interessengeleitete, nutzenorientierte Aktivität.5 Zu Protestaktivitäten kommt es zyklisch vor allem dort, wo solche Äußerungsformen und -methoden schon Tradition haben. Auch in der Kultur der Aufständigkeit herrscht offenkundig in den Nationen eine Pfadabhängigkeit. Erfolgreiches Aufbegehren oder die Abwehr von Zumutungen ermutigen auch neue Generationen zur aktiven Obstruktion und radikalen Kritik der Verhältnisse. Außerinstitutionelle Opposition, die zum Ziel geführt hat, wird zu einer legitimen Methode der Auseinandersetzung und führt sich fort. Wesentlich ist zudem, dass die Werte, die hierbei proklamiert und skandiert werden, in verlässlichen Gemeinschaften überzeugend vorgelebt worden sind.6 Zugehörige solcher Gemeinschaften sind positiv disponiert für altruistisches, ehrenamtliches Tun und Widerständigkeiten gegen als ungerecht oder unlegitim empfundene Entscheidungen politisch beziehungsweise ökonomisch Herrschender. Dagegen scheuen Personen ohne solche Bindungen und haltenden Netzwerke mehrheitlich die Teilhabe in kollektiven Selbstorganisationen. Diese Personen verfügen zwar über ein üppiges Zeitbudget, aber ihre Bindungsschwächen verhindern den zivilgesellschaftlichen Einsatz. Soziale Integration, Kontaktreichtum, Kommunikationsfähigkeit, vertrauensfördernde Ligaturen, ein tragendes Werteset sind basale Voraussetzungen für kontinuierliches und nicht nur erratisch auftretendes Engagement.7 Mit Dresden Nazifrei existiert zwar auch in der Elbmetropole ein Akteur, der große Erfahrungen und Erfolge mit dem Verhindern von rechten und rechtsextremen Aufmärschen hat, jedoch konnten hier keine nachhaltigen Brücken zu anderen etablierten Akteuren der Zivilgesellschaft und der Lokalpolitik geschlagen werden. Die Kriminalisierung von Aktionen des Bündnisses auf der einen und das Beharren auf der Aktionsform der Blockade unter allen Umständen auf der anderen Seite verhinderten, dass sich gemeinsame Umgangsformen, Strukturen und Sprachregelungen herausbildeten, so wie das in Frankfurt, Karlsruhe und vor allem Leipzig geschehen konnte. Daher gab es in Dresden keinen Akteur, der über eine breite zivilgesellschaftliche Ko-
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alition hinaus wirkmächtigen Protest organisieren konnte, sondern lediglich ein Nebeneinander zwischen etablierten und sich neu gegründeten Akteuren, die zunächst eine gemeinsame Sprache finden mussten, um zusammen Aktionen planen, sowie diese ohne Verlust großer Bewegungsenergie umsetzen zu können – alles Prozesse, die die Akteure in den anderen Untersuchungsstädten bereits längst hinter sich gelassen hatten. Daran schließt sich auch die Beobachtung an, dass die zwei Dresdner Großveranstaltungen beziehungsweise Konzerte unter dem NoPegida-Motto von den Kernanhängern NoPegidas gar nicht als eine solche Gegenveranstaltung wahrgenommen wurden, sondern als städtische Parallelveranstaltung, die sich im Moment des Geschehens weder zeitlich noch räumlich Pegida entgegengestellt habe. Dies ist auch ein Faktor dafür, dass sich zwar eine gesellschaftliche Mehrheit durch Events auf die Straße locken lässt, aber eine Politisierung offenbar nicht aus der Exekutiven heraus organisierbar ist. Im Gegensatz zu Dresden konnten die NoPegida-Bündnisse in vielen anderen Städten auf die Mobilisierungskraft der Gewerkschaften zurückgreifen. Diese sind bereits ebenfalls seit einigen Jahrzehnten in der lokalen »antifaschistischen« Arbeitsgemeinschaft mitorganisiert und präsent. Den Gewerkschaften wiederum gelang es, wie beispielsweise in Braunschweig, über die Arbeitnehmervertreter tief in die örtlichen Betriebe hinein gegen Pegida zu mobilisieren. Ganze Betriebsräte trafen sich hier auf den Gegenkundgebungen. Auf diese Weise wurde auch innerhalb der Unternehmen für NoPegida Interesse geweckt oder zumindest für deren Argumente geworben und so insgesamt ein anderes Klima in der Stadt geschaffen. Demgegenüber reagierten in Dresden viele Unternehmen zunächst sehr zögerlich und hielten sich bezüglich einer Positionierung für NoPegida bedeckt – auch, weil sie dadurch unnötig Spannungen innerhalb der Belegschaft und eine möglicherweise damit einhergehende Verschlechterung des Betriebsklimas verhindern wollten. Interessant in diesem Zusammenhang ist dann auch, dass die meisten Befragten davon überzeugt sind, dass Zivilgesellschaft nicht organisch entstehen könne, sondern eine koordinierende und ordnende Hand benötige. Diese Funktionen konnten bei den NoPegida-Protesten nicht nur die lokalen und etablierten Bündnisse »gegen Rechts« übernehmen, sondern in einigen Städten auch durch Gewerkschaften ausgeübt werden. Im Grunde kann man es gar so zuspitzen: Der zivilgesellschaftliche Protest des Jahres 2015 gegen die pegidistischen Varianten des Rechtspopulismus war nicht neuen oder spontanen Charakters, sondern Fortsetzung einer über viele Jahrzehnte solide fundamentierten Zivilgesellschaftlichkeit, die ihren Ausgang in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts genommen hat. Zumindest die Parteien, die im Reichsgründungsjahrzehnt der 1870er Jahre noch obrigkeitsstaatlich bekämpft, zwischenzeitlich vielfach ausgegrenzt worden waren, also die katholische Zentrumspartei und die Sozialdemokratie, galten zeitge-
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nössischen Interpreten und gegenwärtigen Historikern in ihrer Genese als unzweifelhaft zivilgesellschaftliche Assoziationen. Um diese herum hatten sich vor allem mit den 1890er Jahren bis in die späten 1920er Jahre kräftig wachsende karitative, bildsame, gewerkschaftliche, genossenschaftliche und zahlreiche Facetten einer zunehmenden Freizeit organisierende Vereine wie Verbände gelegt, die man lange als das Herz der Zivilgesellschaft in Deutschland betrachtete.8 Im Laufe des 20. Jahrhunderts sind viele dieser anfangs selbstständig in sozialmoralischen Lebenswelten konstituierten Zusammenschlüsse in enge Bezüge zu staatlichen Strukturen gekommen, woraus sie auch teilalimentiert wurden. In diesem Prozess fielen ihnen sukzessive öffentlich-rechtliche Funktionen und Aufgaben zu. Die Parteien, die in ihrer Sattelzeit in misstrauischer oder gar fundamentaler Distanz wie trotziger Opposition zu den politischen Herrschaftsverhältnissen standen, adaptierten sich im Laufe der Zeit dem politischen System, das allerdings in diesem Prozess auch vormalige obrigkeitsstaatliche Züge ablegte und neue Elastizitäten anstelle exkludierender Restriktionen zeigte. Die zunächst autonom agierenden und sich unterhaltenden Gewerkschaften wurden ebenfalls nach und nach Teil von korporatistischen Geflechten. Und auch die ursprünglich, im Akt ihrer Entstehung, auf ihre Unabhängigkeit und innere Freiheit so stolze Jugendbewegung überdauerte das 20. Jahrhundert und die Abschnitte der Bewegungsverluste und emotionalen Enttäuschungen letztlich nur in lokalen und nationalen Jugendausschüssen, in Stadtjugendringen und Ringen politischer Jugend, die aus den Budgets staatlicher Ressourcen schöpften. Die Kirchen in Deutschland schließlich, die protestantische zumal, waren erst recht etatistisch eingebunden. Aber diese Organisationen, Verbände und Institutionen bildeten auch im Jahr 2015 zentrale Scharniere der Bündnisse gegen Rechts, der NoPegida-Allianzen. Dass auf die Pegida-Aktionen unmittelbar, robust und in weit größerer Zahl Gegendemonstranten antworteten, hing zumindest im Westen Deutschlands mit der erstaunlich zählebigen Tradition der Zivilgesellschaft des 19. Jahrhunderts zusammen, die nach der strengen Definition puristischer Sozialwissenschaftler die Auszeichnung »Zivilgesellschaft« wegen ihrer korporativen Verwebung mit öffentlich-staatlichen Strukturen gar nicht verdienen dürfte. Doch ist die Traditionsweite, dadurch auch der Erfahrungsreichtum, die solide Organisationsbasierung, das infrastrukturelle Know-how und eben auch keineswegs zuletzt die kalkulierbare Förderung durch staatliche Stellen eine elementare Voraussetzung dafür, dass populistischen Erregungen oder gar Exzessen ein vernunftgeleiteter kollektiver Einspruch verlässlich entgegentritt. Auffällig ist in diesem Kontext, dass selbst in jenen Orten, wo Migranten auf eine institutionalisierte Vertretung (beispielsweise über den Ausländerbeirat) verweisen können und so eigentlich in eine sich vernetzende Bürgergesellschaft eingebunden sind, diese – von der Ausnahme in Frankfurt einmal ab-
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gesehen – den Protesten gegen Pegida fernbleiben. Sie treten zwar gelegentlich als Mitorganisator der verschiedensten Bündnisse in Erscheinung, sind jedoch als größere Menge auf den Demonstrationen an sich kaum präsent. Hier stellt sich im Anschluss die Frage, warum quasi die Objekte des Protestes nicht für einen solchen gewonnen werden konnten und wie eine Aktivierung und Mobilisierung derjenigen, um die es sowohl Pegida als auch NoPegida in Teilen ging, erreicht werden könnte. Ein Anhaltspunkt für diese Frage ist in der Sicht der Gesprächspartner auf Nicht-Deutsche, Flüchtlinge oder Asylbewerber zu suchen. Wobei es im Übrigen interessant war zu beobachten, wie unsicher die Befragten hinsichtlich eines vermeintlich politisch korrekten Sprachgebrauches in dieser Angelegenheit agieren und dies auch problematisieren. Auch sie trennen zwischen einheimischen und zugewanderten Bevölkerungsteilen und degradieren den Migranten, den man eigentlich bedingungslos aufnehmen und willkommen heißen möchte, häufig zum Objekt ihres Tuns. Dabei wird auch der Zugewanderte oft nach seinem Wert für die Gesellschaft beurteilt und nicht ausschließlich »als Mensch« gesehen, wie es die Befragten postulieren: »Und es geht eben nicht um Interkulturalität, also es geht nicht darum, nur Menschen zu integrieren, sondern es geht darum, dass beide Seiten davon etwas haben. Also wir haben etwas davon, dass Leute mit neuen Ideen, mit neuem Gedankengut nach Deutschland reinkommen. Das bereichert uns und gleichzeitig haben die Leute, die hierher kommen … nehmen etwas von uns an. Und so kann Gesellschaft funktionieren. […] Ich will, dass wir uns weiterentwickeln in dieser Gesellschaft und deshalb brauchen wir den Zustrom von Flüchtlingen, von Migranten.« Nur wenn Interkulturalität auch als Wert verkauft werde, von dem alle profitieren, so der Tenor vieler NoPegida-Anhänger, könne er im Bewusstsein verankert werden.
8.2 H istorische Q uellen des kollek tiven S elbst verständnisses Blickt man auf die kollektive Erzählung der Pegidagegner, warum und wofür sie auf die Straße gehen, was ihr Engagement und ihre Rolle, mithin vor allem die Merkmale ihrer Gruppe, ausmacht, auf ihre geteilten Überzeugungen, fällt wiederum auf, wie sehr sich dieses Narrativ aus der Geschichte und aus kollektiven Erinnerungen speist. Gemeinsam geteilte Erinnerungsorte, verstanden als Metapher, haben nicht nur eine symbolische Bedeutung, sondern dienen vor allem zur Sinnstiftung und Identitätsbildung innerhalb der eigenen Gruppe. Dieser Prozess ist nicht singulär für die Pegidagegner, sondern typisch für Gruppenprozesse allgemein, und lässt sich auch bei Pegida beobachten.
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Interessant ist hier indes, welche Erinnerungen und historischen Ereignisse als Quell der Sinnstiftung bemüht werden: Es sind die großen Chiffren der deutschen Nachkriegsgeschichte: 1968 (im Westen bei NoPegida) und 1989 (im Osten bei Pegida). Das ist kein Zufall. Die Selbstbemächtigung dieser Ereignisse erfolgt kollektiv in der Gruppe, auch durch diejenigen, die gar nicht selbst dabei waren, die aber dennoch Teil der Erinnerungsgemeinschaft sind und die Deutungsprozesse, den Erinnerungsprozess, selbstverständlich mit durchlaufen. Ungeachtet, auf welche Zäsur man sich bezieht und diese in die eigene Identitätsstiftung einbaut, erinnert man sich vor allem an solche Ereignisse, die man zum gegenwärtigen Zeitpunkt als zeitgemäß und gültig erachtet. Auch wenn die dadurch aufgerufenen Assoziationen und Erklärungsangebote manchmal sogar widersprüchlich sind, in einer kognitiven Dissonanz nebeneinander gestellt werden und auch unwidersprochen zusammen stehen bleiben, leisten sie dennoch ihren Beitrag zu einer Gruppenerzählung. So können Pegidagegner und -anhänger gleichzeitig betonen, welch umwälzende Kraft die Ereignisse von 1968 und 1989 gehabt hätten, eine Kraft, die man selbst entfesselt habe, und dennoch parallel dazu einen verklärten Blick auf die vergangenen Zustände werfen. Vielleicht ist es eine deutsche Besonderheit, die Last der eigenen Geschichte besonders schwer abschütteln zu können. Vielleicht wird in einem »Zeitalter des Gedenkens«9 Geschichte besonders oft instrumentalisiert, um eben jenen Gruppenfindungsprozessen ein Fundament zu gießen. Die »gegenwärtige Vergangenheit«, wie sie von Alexander und Margarete Mitscherlich beschrieben wurde, ist in der Auseinandersetzung um Pegida ein wirkmächtiger Topos. Wird die Erinnerung an die deutsche Geschichte oft als etwas betrachtet, was man allgemein lieber verdränge, als aktiv auf sie zurückzugreifen, zeigt sich bei den Pegidagegnern das Gegenteil: Verweise auf vergangene Ereignisse erfolgen oft: als Mahnung, als Motivation, als Erklärung, immer als Moment der Sinnstiftung. »Wir sind, was wir geworden sind. In unseren Erinnerungen erkennen wir, wer wir sind, was wir werden wollen und worin wir uns von anderen unterscheiden.«10 Wenn sich die Pegidagegner also vor allem an den Wertewandel erinnern, den 1968 in ihrem Deutungsmuster mit sich gebracht habe, an das antwortende Auf begehren gegen die Vätergeneration und ihre Schuld in der NS-Zeit, wenn sie die Schrecken des Nationalsozialismus, die Verführbarkeit der Massen durch eine charismatische Persönlichkeit, die Menschenfeindlichkeit gegenüber anderen in den Mittelpunkt ihres Protestes und ihrer kollektiven Erinnerung stellen, befriedigen sie dadurch auch ihr durchaus milieuspezifisches Bedürfnis nach Sinnstiftung. Sie machen Ereignisse zu ihren Erinnerungen, die für sie relevant und konstitutiv sind. Und über genau die gleichen Mechanismen funktioniert die Gruppenbildung bei Pegida. Die Erinnerung an die Wende von 1989, das Auf begehren gegen »die da oben«, die
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absolute Gemeinschaftserfahrung des »Wir sind das Volk«-Moments instrumentalisiert auch hier den konstruktiven Aspekt von Erinnerung: »Sie hilft, die Gegenwart wahrzunehmen, gibt ihr Sinn und ordnet sie zwischen Vergangenheit und Zukunft ein; als solche produziert sie Identität und Kontinuität.«11 Geschichte betont also in beiden Fällen nicht nur die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns, sie beschwört auch eine positive Erinnerung an bereits Geschafftes und Erreichtes, verleiht Glauben in die eigene Kraft. Die Wahl der historischen Bezugspunkte ist aussagekräftig: Begreift man die Zeit des Nationalsozialismus und die Wiedervereinigung als historische Ereignisse im 20. Jahrhundert, die für Deutschland in besonderer Weise erinnerungsgeschichtliche Konsequenzen nach sich ziehen, fällt auf, dass sich Pegida vor allem auf 1989 bezieht: Wirft die Wiedervereinigung Fragen nach einer deutschen Identität auf, danach, was Deutschland zusammenhält, wie sich Vergangenheit und Zukunft zu einer Identität verschränken, ist das Ereignis an sich für Pegida schon Quell der Sinnstiftung. Für die Bezugnahme von NoPegida und Pegida ist es auch kein Zufall, dass 1968 zwischen 1945 und 1989 liegt.12 Dass man in 1968 einen Auf bruch, eine »Nachgründung der Demokratie« gesehen hat, auch eine Vertiefung des demokratischen Engagements in der Gesellschaft, umreißt den Deutungsrahmen, den die Pegidagegner 1968 anlegen. Anders als 1989, das die Frage nach einer neuen Identität aufwirft, eine Unsicherheit und Verunsicherung verkörpert, die die Pegidagegner auch bei Pegida wahrzunehmen meinen, ist 1968 ein sicherer Erinnerungsort, ein allgemein anerkannter ohnehin. Genau hier schließt das Selbstverständnis der Pegidagegner an: Man engagiert sich selbstverständlich, man begreift sich als Demokrat und man spricht allgemein von einer selbstgewissen Position, steht auf einem festen Wertefundament, hat einen reflektierten Blick, der die Unsicherheit, die Ängste und die demokratiefeindlichen Tendenzen der Gegenseite durchschaut hat und sich gegen sie stellt. Der Soziologe Heinz Bude deutet 1968 als eine Geschichte von »Aufruhr und Versöhnung«13 – auch die Pegidagegner machen Aufruhr, doch sind auch sie größtenteils versöhnt mit der Gesellschaft, in der sie leben. Ganz anders als Pegida, vor allem in Ostdeutschland. Hatte 1968 im Westen eine Auseinandersetzung mit dem Faschismus bedeutet, unterstellen die Pegidagegner oft, dass diese Auseinandersetzung im Osten auch nach dem »Zusammenbruch des antifaschistischen Legitimationsgebäudes der DDR«14 nicht ausreichend stattgefunden habe. Und so ist 1968 für die Pegidagegner ein »Erinnerungsort romantischer Hoffnungen einer Veränderung der Welt«, während sie in Pegida das Resultat eines fehlenden 1968 im Osten sehen. Doch auch Pegida rekurriert auf ein Ereignis, was für sie die »Veränderbarkeit der Welt« symbolisiert. »Wir sind das Volk!« – »Was verleiht diesen Worten Flügel? Was hebt sie über den Augenblick hinaus ins Bewusstsein der Zeitgenossen und bewahrt sie auf diese Weise vor dem Vergessen?« 15
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Diese Frage stellte sich natürlich bereits, bevor Pegida die Formel für sich instrumentalisierte. Diese Worte erweckten eine umwälzende Kraft, die von unten die Verhältnisse oben ändert, zum Leben. Der Ruf ist ein Bekenntnis, welches mobilisierend wirkte und wieder wirken soll. Der Ruf bannte die Angst, integrierte jeden Einzelnen in die Gemeinschaft, er artikulierte den »Zorn der Gerechten« 16 – nicht ihr, die Mächtigen, sondern wir, das Volk, lautete das Bekenntnis; ein Volk, welches einen Raum politisch besetzte und eine Gegenöffentlichkeit etablierte. Mögen dies die Gründe dafür sein, dass der Ruf als Erinnerungsbestandteil eines Umsturzes die Zeiten überdauert hat, erzählt das Wiederaufgreifen durch Pegida viel über die eigene Wahrnehmung der Bewegung. Pegida ist vor diesem Hintergrund auch eine Erinnerungsgemeinschaft, der es jedoch an Traditionssicherheit mangelt, weil gerade die professionell betriebene Zeitgeschichte zahlreiche DDR-Bezüge delegitimiert.17 Es zeigt sich aber auch, dass die Chiffren und instrumentalisierten Erinnerungsversatzstücke von 1989 ein wenig anders konnotiert sind als die von 1968. Betonen beide die Kraft der Umwälzung und Befreiung, ist das Selbstverständnis der Akteure in der Erinnerung doch unterschiedlich: NoPegida bezieht sich aus dem sicheren Deutungsraum 1968 heraus auf Überzeugungen, auf Fundamentalliberalisierungen, auf eine Avantgarde. Pegida hingegen stilisiert auf der Grundlage von 1989 als äußerst fragilem Deutungsraum eine zu allem entschlossene Gemeinschaft, die sich selbst Mut zuspricht, empfindet das eigene Auf begehren als existentiell, als ungleiches Kräftemessen, welches David gegen Goliath gewinnen kann.
8.3 D er N o P egida -A k tivist als ver ant wortungsvoller und partizipierender S ta atsbürger ? Die meisten NoPegida-Demonstranten haben ein durchaus realistisches Bild von den Möglichkeiten und Rahmenbedingungen politischen Handelns. Sie nehmen das politische Geschehen interessiert wahr, sind Kompromissen gegenüber größtenteils aufgeschlossen, zwar gelegentlich enttäuscht, jedoch keinesfalls frustriert. Sie haben ein aktives und partizipatives Verständnis von ihrer Rolle als Bürger in einer modernen Demokratie des 21. Jahrhunderts. Demzufolge ist ihnen Politik jedoch mehr ein gleichberechtigter Partner, der sich auf seine Rolle in dem ihm zugeordneten System beschränken und sich eher weniger in die Angelegenheiten der Bürger einmischen soll, wobei sich die Forderung nach Zurückhaltung vor allem auf inhaltliche Aspekte bezieht und keinesfalls auf finanzielle Unterstützung. Mit dieser Haltung unterschätzen die Befragten jedoch auch Möglichkeiten der Politik. So ist diese nicht nur eher technisch oder prozedural für eine effektive und nachhaltige Ge-
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setzgebung und deren Umsetzung verantwortlich, sondern kann auch tief in die Gesellschaft hineinwirken. Dies muss nicht immer als Intervention beziehungsweise Einmischung gedeutet werden, sondern kann auch eine Form der Unterstützung sein. Hilfe zur Selbstermächtigung und das Eintreten für Schwache, das zur Sprache bringen von marginalisierten Bedürfnissen – auch das ist Aufgabe von Politikern. Dieses, modern gesprochen, Empowerment als Funktion der Politik ist den NoPegida-Anhängern überhaupt nicht präsent. Sie schauen diesbezüglich nur auf ihren eigenen Lebensbereich und ihr persönliches Vermögen. Diese starke Fokussierung auf die eigenen Fähigkeiten führt auch dazu, dass das Deutungsmuster der subjektiven Verantwortungszuschreibung äußerst dominant ist. Die Befragten sehen zwar das Problem der hemmenden, teilweise unterdrückenden Strukturen, legen aber letztlich die Alleinverantwortung, sich dagegen zur Wehr zu setzen, in die Hand jedes einzelnen Bürgers. Dies zeigt sich auch an der in diesem Milieu wider Erwarten relativ schwach ausgeprägten Kapitalismuskritik.18 Sie thematisieren zwar am Rande die Auswüchse des Neoliberalismus, beargwöhnen die Leistungsgesellschaft und kritisieren die wirkmächtigen Lobbyisten der Großkonzerne, doch interpretieren sie keinerlei Verantwortlichkeiten für diesen Zustand. Es ist in dieser Sichtweise der NoPegida-Anhänger letztlich immer das Vermögen beziehungsweise das Unvermögen des Einzelnen, das verantwortlich gemacht wird. Ob ich ein kritischer Verbraucher bin, mich hinreichend bilde, um mich aktiv am demokratischen Gemeinwesen zu beteiligen, ob ich als Einwanderer eine Bereicherung für die bundesrepublikanische Gesellschaft bin oder ob ich mich innerhalb meritokratischer Regeln zurechtfinde, obliegt allein mir. Pierre Rosanvallon beschreibt dieses Paradox als Bousset-Syndrom: »Man verdammt die faktischen Ungleichheiten, während man die sie bedingende Ungleicheitsdynamik implizit als legitim anerkennt.«19 Laut Rosanvallon liegen die Ursachen für die Unsichtbarkeit der hinter der Ungleichheit stehenden Strukturen in einer Fokussierung auf Tugend, das Verhalten des Individuums, Talent und seiner Ausstattung durch die Natur.20 Ein Muster, was in Teilen die NoPegida-Demonstranten durch ihren Anspruch, der »bessere« Staatsbürger zu sein, der mit seinem Wertefundament auf der »richtigen« Seite stehe, durchaus zeichnen. Dennoch: Die NoPegida-Aktivisten können durchaus als verantwortliche Bürger im Sinne eines aktiven und partizipierenden Staatsbürgers bezeichnet werden. Für sie bedeutet gesellschaftliche Teilhabe mehr als die Ausübung der Funktion des Stimmbürgers und beinhaltet konkretes Tätig-Werden sowie – und das stellen sie mit ihrer regelmäßigen Teilnahme bei den NoPegidaVeranstaltungen auch sichtbar unter Beweis – das öffentliche Eintreten und Kämpfen für ihre Überzeugungen und Wertvorstellungen. Bislang merkwürdig wenig beachtet wurde, wie sehr diese Einstellungen und Normen in der Kontinuitätslinie eines in Deutschland über viele Jahr-
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zehnte eher schwachen politischen Liberalismus eines städtischen Bürgertums stehen. Die Demonstrationskultur und die Zielkataloge der Anti-PegidaDemonstranten des Jahres 2015 weisen wenig Affinitäten mit den Auftritten und Postulaten der Arbeiterbewegung und der Linken aus. Dagegen ist die Affinität zu den frühliberalen Leitideen und frühbürgerlichen Identitäten frappant. Wie das liberale Bürgertum in den vorindustriellen Jahrzehnten zur Mitte des 19. Jahrhunderts, setzt die libertäre, gebildete Mitte in der deutschen Gesellschaft des frühen 21. Jahrhunderts auf die Verantwortung des Einzelnen, auf seine Bereitschaft und Fähigkeit zum Engagement, zum freiwilligen Mittun in einer frei gewählten, sich autonom regelnden Assoziation.21 Doch ist das primäre Elixier und der Motor einer guten Gesellschaft nicht das Kollektiv, sondern das mündige, selbst-denkende, in eigener Entscheidungssouveränität handelnde Individuum.22 Dieses selbstbewusste, durch Wissen befähigte Individuum ist der Nukleus der »Bürgergesellschaft«, wie man 1840 gesagt hatte, beziehungsweise »Zivilgesellschaft«, wie es in der Gegenwart heißt. Und damals wie heute ist für diese liberale Bürgerlichkeit die Stadt, welche Freiheit und Optionsvielfalt von Lebensformen, auch Orte der Debatten und Diskurse bietet, die ideale Sphäre einer selbstverwalteten, infolgedessen durch und durch liberalen Öffentlichkeit.23 Das neuhumanistische Bildungsideal und die liberalen Leitsterne aus der Zeit vor dem Kaiserreich, vor der Nationalstaatsbildung, vor der Hochindustrialisierung, vor der Macht zentralistischer Großorganisationen haben offenkundig mehr Spuren und Prägungen hinterlassen als oft vermutet. Versucht man, den Politikbegriff der NoPegida-Demonstranten zu erfassen, so fällt vor allem auf, dass das Verständnis der Politik auf einen relativ engen Bereich begrenzt ist. Wenn sie sich engagieren, in die Öffentlichkeit treten, dann betreiben sie keine Politik. Denn von der Politik – in Gestalt von gewählten Volksvertretern und Parlamentariern – wollen sie nicht vereinnahmt werden. Unterstützung hingegen wünschen sie sich von ihnen durchaus. Obgleich sie keine Politik im klassischen Sinn betreiben, sind sie gleichsam politisch tätig. Ob bewusst oder unbewusst, transportieren die NoPegida-Demonstranten ein Denken, bei dem sie zwischen der Politik und dem Politischen unterscheiden. Demokratie begreifen sie als etwas, was nicht seitens der Politik bereitgestellt werden könne, sondern in einem Prozess der Ermächtigung herausgebildet werden müsse. Die Fokussierung auf die Straße als den öffentlichen Raum, als den eigentlichen und genuinen Ort der politischen, der demokratischen Auseinandersetzung, legt ein Denken nahe, dass sich auch an die Denktradition Hannah Arendts ankoppeln ließe: Politische Tätigkeiten sind bei Arendt mit – und zwar ausschließlich – dem Begriff des Handelns verbunden. »Die Grundbedingung, die ihr entspricht, ist das Faktum der Pluralität […].«24 Das Handeln hat also zwei wesentliche Voraussetzungen: Es ist zwischenmenschlich und
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gemeinsam, also kommunikativ und öffentlich: »Das von Anderen Gesehenund Gehörtwerden erhält seine Bedeutsamkeit von der Tatsache, daß ein jeder von einer anderen Position aus sieht und hört.«25 Auch deshalb, so ließe sich argumentieren, ist der Protest in Sicht- und Hörweite den NoPegida-Demonstranten ein so starkes und wichtiges Anliegen. Politisches Handeln im Sinne Arendts bedeutet, »dass […] ein neuer Anfang in die Welt verwalteter Routinen geworfen wird.«26 Handeln, politische Tätigkeit, markiert einen Neubeginn, einen Bruch in der Ordnung des Bestehenden, in der gegenwärtigen Politik. Oliver Marchart bringt den Arendtschen Handlungsbegriff auf eine biografische Formel, die sie von ihrer Mutter übernommen habe: »Man darf sich nicht ducken, man muss sich wehren!«27 Dieses Motivationsmuster ist uns mehr als einmal begegnet. Auch Arendts Überzeugung, dass das Handeln, die politische Tätigkeit, durch die »Massengesellschaft« und die Ökonomisierung der Gesellschaft behindert,28 ja geradezu marginalisiert werden ist eine rhetorische Figur, die, gewandet in die Kritik an den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen, bisweilen in den Diskussionen transportiert wurde. Weniger als zunächst angenommen scheint die Beziehung zwischen der Zivilgesellschaft beziehungsweise den NoPegida-Akteuren und der Politik ausschlaggebend für den Erfolg oder Misserfolg von NoPegida zu sein. So hoben einige Kommentatoren beständig hervor, dass die Schwäche der Dresdner Zivilgesellschaft und demgegenüber die Stärke von Pegida hauptsächlich auf die Dresdner Stadtpolitik oder die seit über zwei Jahrzehnten im Freistaat Sachsen regierenden Christdemokraten zurückzuführen sei. Nun mag das ein Teil der Erklärung sein. Auffällig ist jedoch, dass in den von uns untersuchten Städten die in den Fokusgruppen befragten NoPegida-Anhänger nirgends so auf die lokale Politik und den Oberbürgermeister schimpften wie in Karlsruhe. Und dies, obwohl der Sozialdemokrat Frank Mentrup erst 2013 die vierzig Jahre währende CDU-Regierung ablösen konnte. Während in Sachsen zwar insbesondere von den Protestorganisatoren die bleierne Schwere als Folge der ungebrochenen CDU-Herrschaft seit dem Mauerfall problematisiert wurde, war dies in den Gesprächsrunden an sich völlig irrelevant und stellt so offenbar weder einen Motor noch ein Hemmnis des Protestes dar. Auch eine weitere Argumentation der Protest- beziehungsweise Engagementforschung scheint auf die NoPegidas nicht zuzutreffen: So wird gemeinhin angenommen, dass eine große Verbundenheit mit der Stadt, die vielfach wiederum mit der Sozialisationsthese erklärt wird 29 – also je länger man an einem Ort lebt, desto größer ist die Verbindung mit diesem –, Engagement und Einbindung in zivilgesellschaftliche Gruppen wahrscheinlicher mache. Während jedoch die von uns im Januar befragten Pegida-Demonstranten für ihre Heimat schwärmten und größte Zugehörigkeitsgefühle zu Sachsen erkennen ließen, setzte sich nicht nur ein Teil der von uns befragten NoPegidaAnhänger von diesem Heimatnarrativ demonstrativ ab, sondern ließ darüber
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hinaus erkennen, dass dieses für sie selbst keine Gültigkeit haben kann, da man zugewandert und kein gebürtiger Karlsruher, Leipziger, Dresdner oder Frankfurter sei. Obwohl einige Befragte angaben, gegen Pegida zu demonstrieren, weil man sich für seine Stadt schäme beziehungsweise weil man ein Zeichen dafür setzen wolle, dass Pegida kein Teil der städtischen Identität ist, liegen die tatsächlichen Antriebsmomente für den Protest nicht in einer Heimatverbundenheit, sondern in der Gegnerschaft von Pegida, die sich wiederum aus einem spezifischen Wertefundament speist. Selbst wenn die NoPegida-Demonstranten nicht immer hundertprozentig sprechfähig über die Ausgestaltung der von ihnen präferierten Werte wie Toleranz, (Meinungs- und Demonstrations-)Freiheit sowie Gleichheit sind, so sind dies nichtsdestotrotz die hinter ihrem Engagement stehenden und sie antreibenden Werte. Vor dem Hintergrund dieses Wertehorizontes sehen sich die Befragten größtenteils auf der moralisch richtigen Seite. Sie sind gut, Pegida ist böse, sie sind weltoffen und tolerant, während ihnen Pegida als engstirnig, ausgrenzend und zum Teil menschenverachtend sowie rassistisch erscheint. Diese Zurechnungsfunktion ist elementar für den Protest und fungiert somit als »moralische Zweitcodierung«.30 Daher ist es auch verständlich, dass einige Befragte dazu neigen, das von Pegida ausgehende Bedrohungsszenario für die Gesamtgesellschaft zu überzeichnen (was sie im Übrigen wiederum ebenfalls den Pegida-Anhängern vorwerfen, die sich mit »dem Ausländer« im Allgemeinen und »den Muslimen« im Besonderen ein spezifisches Feindbild kreierten). Doch durch diese Übertreibung hinsichtlich der Gefahr, die von Pegida ausgehe, wird nicht nur die zum Teil rabiate Gegenwehr bei Blockaden oder anderen Formen des zivilen Ungehorsams gerechtfertigt, sondern sie ist gleichzeitig ein Motor der intrinsischen Begründung, dass man als aktiver Bürger und Demokrat die Pflicht habe, gegen Pegida zu demonstrieren. Darüber hinaus ist die Überschätzung der von Pegida ausgehenden Gefährdung auch Auslöser für das moralische Überlegenheitsgefühl der Befragten, das sie gegenüber den Pegida-Anhängern deutlich zum Ausdruck bringen. Hier neigen die Befragten dann zu starken Vereinfachungen und versuchen, die gesellschaftlichen Komplexitäten auf einen Moraldiskurs31 beziehungsweise die Dichotomie »gut« versus »böse« herunterzubrechen. Somit ist der Protest von NoPegida auch Ausdruck von Angst beziehungsweise eine »emotionale Abwehrreaktion«, mit der das Problem moralisiert wird.32 Als Folge dieser dualistischen Weltsicht neigt ein Großteil der Befragten dazu, die Pegida-Anhänger beziehungsweise ihr Anliegen aus der Gesellschaft auszuschließen. Dass auch die Pegida-Demonstranten ein berechtigtes Anliegen haben könnten und gehört werden sollten, erscheint nur den wenigsten einsichtig. Sie kündigen den tausenden von Demonstranten somit nicht nur ihren Respekt auf, sondern möchten ihnen auch die Beachtung der
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Politik entziehen beziehungsweise zielen zum Teil mit der radikalen Gegenwehr auf der Straße darauf, Pegida sogar den »Kampf um Anerkennung«33 abzusprechen. Wie kann dann noch gelingen, was man vor rund 20 Jahren besonders gern und häufig als »gesellschaftlichen Zusammenhalt« benannt und als Zukunftsproblem besorgt thematisiert hatte? Die Debatte darüber war zwischenzeitlich auffällig verebbt, wenngleich innergesellschaftliche Heterogenitäten und Disparitäten währenddessen gar zugenommen hatten. Im Jahr 2015 aber ist, in Anschluss an Pegida, den rasanten Zuwachs der Flüchtlingszahlen, den Terroranschlägen der IS, die Frage nach dem Integrationsstoff, der in modernen Demokratien ohne ein verbindlich vorausgesetztes Werteset gleichwohl ein ziviles Miteinanderauskommen von Bürgern sehr unterschiedlicher Provenienz zu ermöglichen vermag, wieder stärker zurückgekehrt. Doch weit vorangeschritten ist die Erörterung noch nicht. Die klassische Integrationsformel für den bundesdeutschen Verfassungsstaat bot anfangs der Staatsrechtler Rudolf Smend, die er aus dem Scheitern der auch von ihm als Deutschnationalem in jenen Jahren nicht geschätzten Weimarer Republik analytisch gewonnen hatte.34 Die Weimarer Gesellschaft, die in zum Teil blutig ausgetragene weltanschauliche und soziale Konflikte gespalten war, hätte, so Smend, Erlebnisse der Einheit, einen von allen Bürgern geteilten Sinn benötigt, welcher sich durchgängig in einer erlebten Gemeinschaft reproduzieren müsse. Die Integration der Gesellschaft, durch die der Staat sich erst wirklich als Staat realisiere, habe sich in einer anerkannten und die Konflikte überwölbenden Führungsgestalt zu erfüllen. Wichtig für die Integration war für Smend zudem der Erlebnischarakter35 von Gemeinschaft und Gemeinsamkeit. Und die Integration brauchte Symbole, Manifestationen und Rituale in Form von nationaleinträchtigen Gesängen, Feiertagen, Gedenkveranstaltungen, Fahnen. Das alles zusammen bildete seinerzeit die berühmte Smendsche Faktorentrias gelungener Integration: Vergemeinschaftung über Persönlichkeit, Sachlichkeit und Funktionalität. Smend forderte überdies die Integration von den Staatsbürgern selbst ein; ihnen war die Aufgabe gestellt, aktiv an der Einheit von Werten und Staatsanpassung mitzuwirken.36 Der Einzelne hatte die Pflicht zur Gemeinschaft, zum Dienst am Staat, zur bereitwilligen Subordination unter den Imperativ der Geschlossenheit. Nur: Wie realitätsadäquat ist das alles (noch)? Schaut man sich die aktuellen Fragmentierungen in der europäischen Politik an, dann könnte man auf den ersten Blick für eine Reaktualisierung von Smend plädieren. In der Europäischen Union fehlt schließlich alles, was hiernach an Faktoren für eine gelungene Integration zusammenkommen sollte: einbindende, sammelnde und orientierende politische Führung, das Erlebnis einer gemeinsamen politischen Öffentlichkeit, emotionalisierende und Homogenität stiften-
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de Symbole für die Gemeinschaft eines europäischen Volkes. Die massiven Flüchtlingsbewegungen im Jahr 2015 haben die Kontroverse um die Integrationsformeln weiter verschärft. Viele Muslime, geben Experten zu bedenken, stören sich an der Beliebigkeit der Wertevorstellungen, die im Westen, ihrer neuen Heimat, gang und gäbe ist: »Es gebe keine Regeln, keine allgemeingültigen Werte mehr, man könne alles so oder auch andersherum sehen«37, lautet die Klage. Auf der anderen Seite fürchten konservative Politiker aus dem deutschen Politikspektrum, dass die Überlast an muslimischen Flüchtlingen »die Identität und Integrität unserer deutschen Kulturnation« 38 gefährde. Und dazwischen äußern sich Zugehörige einer kommunitaristisch orientierten, bildungsbürgerlich-ökologisch gesinnten Mitte schon seit Jahren in Sorge darüber, dass die hochindividualisierten Gesellschaften des Westens nicht einmal mehr ein Minimum an verbindlicher Ethik, auch an gesellschaftlichem Konsens, hervorbringt, was Solidaritäten zerstöre, Antinomien züchten müsse. Kurz: Verlangt scheint ein Integrationsmaterial, das die gesellschaftliche Entwicklung nicht nur nicht recht hervorbringt, sondern geradezu konterkariert, vereitelt. Moderne Gesellschaften zerfallen immer stärker in Teilmilieus, Einstellungspräferenzen, spirituelle Vorlieben, ethnische Herkünfte und Zuordnungen, Überzeugungen und Lebensstile, man mag zudem sagen: in autonome Subsysteme mit je eigenen Codes und Logiken. Und auch die politisch-gesellschaftlichen Partizipationspraxen der letzten Jahre erleichtern Integration nicht unbedingt, da die Aktivitäten zumeist gut ausgebildeter und selbstbewusster Bürger vielfach allein projektbezogen und dabei robust interessenorientiert charakterisiert sind, die allein politische Moderation und balancierenden Ausgleich nicht ganz einfach machen.39 Insofern lautete die zwar trotzig formulierte, wohl auch aufmunternd gemeinte, im Grunde aber resignierte Empfehlung des Sozialwissenschaftlers Helmut Dubiel schon vor gut zwanzig Jahren: »Die demokratische Gesellschaft hingegen sollte auf jede – und noch so schwache – Suggestion von Einheit verzichten. Im Unterschied zu einem so interpretierten Totalitarismus bezeichnet Demokratie das Projekt einer Gesellschaft, die sich einzig in der institutionalisierten Anerkennung ihrer normativen Desintegration integrieren kann.« 40 Es seien einfach »nicht mehr Ähnlichkeiten des religiösen Bekenntnisses, ethnischer Merkmale oder nationaler Traditionen, die moderne Gesellschaften integrieren, sondern einzig ihr historisches Kapital ertragener Divergenz.« 41 Ganz geheuer aber war Dubiel sein eigener Ratschlag wohl auch nicht. Denn zum Ende seiner Überlegungen gab er zugleich zu bedenken: »Und am Phänomen des Konfliktes ansetzende Theorien politischer Integration – wie die unsere – müssen die Grenze bedenken, jenseits derer Konflikte nur noch desintegrativ wirken.« 42
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8.4 N o P egida und die S chat tenseiten des Toler anzpostul ates Was bedeuten diese Überlegungen für unsere Gruppe, die Befragten von NoPegida? Ihr zentraler Wert, gewissermaßen das Losungs- und Lösungswort in diesem Dilemma, heißt Toleranz. Insbesondere in ihrem Protest halten die NoPegida-Aktivisten die von ihnen praktizierte Toleranz gegenüber Personen, die anders aussehen, die andere Gewohnheiten und Bräuche pflegen, die einer anderen Religion angehören oder einfach ein alternatives Lebensmodell pflegen, den Pegida-Demonstranten und der Mehrheitsgesellschaft entgegen. Für sie bedeutet Toleranz »erstmal an die Sache heranzugehen, ohne Vorurteile, oder einfach füreinander da zu sein«. Es besteht oftmals ein Konsens darüber, dass Toleranz, die für sie auch »Respekt«, »Pluralität« und »Akzeptanz« bedeutet, ein »linker Wert« und essentiell für eine »heterogene Gesellschaft« ist. Toleranz ist somit eine Art Masterframe der NoPegida-Proteste. Nicht nur aus Sicht der hier Befragten, sondern auch im Alltagsverständnis und teilweise in der sozialwissenschaftlichen Forschung, wird das Vorurteil als Gegensatz zur Toleranz konzipiert. Doch Toleranz hat neben einer vermeintlichen Vorurteilsfreiheit auch eine andere Seite. Für sich selbst beansprucht, bedeutet sie nicht nur »Selbstverwirklichung«, wie es ein NoPegida-Aktivist formulierte, sondern kann auch die Vorstufe einer gewissen Distanz gegenüber dem Anderen sein. Somit wäre Toleranz, wie es Heiner Hastedt formulierte, dann nichts weiter als ein »Durchgangsstadium zur Indifferenz«.43 Folgt man diesem Ansatz, ginge von der Toleranz an sich keine gesellschaftsformende Kraft aus, sondern dann sei sie eher Ausdruck einer minimalen Form des Zusammenlebens, die ohne jegliche emotionale Bindungen auskommt.44 Aus dieser Perspektive ist es auch verständlich, warum die individuelle Freiheit, also die positive Freiheit und nicht die negative Freiheit, um die gängige Differenzierung zu bemühen, für die hier Befragten einen solch hohen Stellenwert einnimmt. Toleranz ist dann auch einem Großteil der Befragten eine Rechtfertigung dafür, dass jeder nach seiner Façon selig werden soll. Auch Henryk M. Broder und Alice Schwarzer, zwei lautstarke und teilweise polemisch argumentierende Kritiker des von ihnen ausgemachten gesellschaftlichen Toleranzgebotes45, machen dieses für die Nichtbeachtung und somit Nichtbearbeitung gesellschaftlicher Konflikte verantwortlich. Ein Gesprächspartner unserer Studie ging ebenso auf diese negative Dialektik der Toleranz ein und formuliert, dass Toleranz in der Gegenwart zwar eine zentrale Rolle einnehme, aber nicht aus Gründen »der Bejahung von Heterogenität und multikultureller Vielfalt, sondern eher [aus Gründen der] Gleichgültigkeit«. Mit Nietzsche gehen die Kritiker der Toleranz mitunter soweit, all denjenigen, die Toleranz praktizieren, das Fehlen eigener Werte vorzuwerfen, die man verteidigen sollte. Doch ist Toleranz tatsächlich der »Beweis gegen ein
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eigenes Ideal« oder gar Ausdruck »für das Fehlen desselben? […] Ist Toleranz nur ein anderes (selbstgefälliges) Wort für Opportunismus und Prinzipienlosigkeit?«46 Rainer Forst setzt sich äußerst differenziert mit der Problematik der Toleranz auseinander.47 Er konzipiert Toleranz in vier Dimensionen, deren Reihenfolge eine Hierarchisierung von abnehmenden Machtbeziehungen und zunehmender Gleichberechtigung zwischen Toleranzsubjekt und Toleranzobjekt ausdrückt. Für Forst kann Toleranz Erlaubnis (der andere/die Minderheit darf so lange gemäß seinen Überzeugungen leben, wie er die Vorherrschaft der Autorität/Mehrheit nicht in Frage stellt), Koexistenz (zwei gleichstarke Gruppen tolerieren einander aus pragmatischen Gründen), Respekt (moralisch begründete Form der wechselseitigen Anerkennung) und Wertschätzung (das Denken und Tun des anderen wird als ethisch wertvoll verstanden) bedeuten. Hinsichtlich der Konnotation und Begriffsfüllung gewinnt man den Eindruck, als spielten bei den hier befragten NoPegida-Aktivisten die Gedanken von Erlaubnis, Koexistenz und Respekt eine große Rolle, während – auch aufgrund von fehlenden Berührungspunkten mit dem Anderen und der starken Bindung an ein verhältnismäßig homogenes Milieu – die Wertschätzung deutlich in den Hintergrund tritt. Diese These korrespondiert auch stark mit der Beobachtung, wie die NoPegida-Anhänger über Migranten sprechen. In der von ihnen definierten Beziehung steckt eher eine Asymmetrie, in der den Bedürftigen mit Verständnis und Großmut gegenübergetreten wird, aber weniger deren Traditionen, Bedürfnisse und Werthaltungen als wertvoll geschätzt werden. Überdies stellt Anna Klein in ihrer empirischen Forschung fest, dass offenbar die Erlaubnis-, Koexistenz- und Respektkonzeption keinerlei Einfluss auf die offenen Vorurteile und Diskriminierungen von Personen hat.48 Ist Toleranz vor diesem Hintergrund für die Pegidagegner mehr als ein Postulat? Während insbesondere in den schriftlichen Statements der Bündnisse oder in den Redebeiträgen auf den Kundgebungen ausschließlich der positive Wert der Toleranz für die Gesellschaft in den Vordergrund gestellt wird, geraten hingegen in den Gruppendiskussionen einige Teilnehmer in einen persönlichen Konflikt hinsichtlich dieses Wertes, der kaum aufgelöst werden kann. Sie fragen sich nicht nur, inwiefern Toleranz auch für Pegida oder die Burka tragende Lehrerin zu gelten habe, sondern ob es überhaupt Toleranzgrenzen geben könne und wie diese gegebenenfalls mit dem eigenen Relevanzsystem in Übereinstimmung gebracht werden könnten. Die essentielle Frage sei schließlich, »ob man auch gegenüber Intoleranz tolerant sein sollte«. Hier wird deutlich, dass Toleranz ein, wie es Forst nennt, »Konfliktbegriff« ist, dessen Versprechen laute, dass »Miteinander im Dissens möglich ist«.49 Dennoch: Toleranz benötigt – um nicht in Indifferenz und Prinzipienlosigkeit umzuschlagen – recht klare Grenzen, die den Bereich des Tolerierbaren von dem Bereich des Nicht-Tolerierbaren scheiden.50 Und über eben jene
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Grenzen bestand bei den hier Befragten größte Unsicherheit. Doch: »Wenn der Begriff der Toleranz die Notwendigkeit einer Grenzziehung impliziert, dann führt eine jede Konkretisierung des Begriffs zu einer Grenzbestimmung, die die Toleranten gegenüber den durch diesen Akt ›intolerabel‹ beziehungsweise ›intolerant‹ Genannten auf die ›gute‹ Seite stellt. Dann aber gibt es gar keine wirkliche Toleranz, denn dieser einseitige Akt erscheint selbst als ein Akt der Intoleranz und des willkürlichen Ausschlusses. Was sich Toleranz nennt, dient nur dazu, die eigenen Wertüberzeugungen und Praktiken zu schützen und zu festigen und für sie einen höheren Legitimitätsanspruch zu reklamieren.«51 Dieser Aspekt sollte zumindest immer mitbedacht werden, wenn man der Selbstaufstellung der NoPegida-Demonstranten auf der »guten« und der Platzzuweisung für Pegida auf die »schlechte« Seite der Zivilgesellschaft folgt.
8.5 V ersuch einer T ypisierung der N o P egida -D emonstr anten Trotz des verhältnismäßig heterogenen Bildes, welches die Zusammenschau der NoPegida-Demonstranten zeichnet, soll versucht werden, durch eine annähernde Typenbildung etwas Struktur in die amorphe Gruppe zu bringen. Dabei soll die Typenbildung die am deutlichsten hervortretenden Merkmale beschreiben und kein repräsentatives Bild der Aktivisten abbilden. Als Ausgangspunkt der Gruppierung bietet sich der Blickwinkel an, den die Teilnehmer der Fokusgruppen auf ihren Protest, auf Pegida und die Flüchtlingsproblematik haben. Vor diesem Hintergrund lassen sich drei unterschiedliche Zugänge unterscheiden, die innerhalb unseres Untersuchungssamples etwa gleich stark von den NoPegida-Demonstranten gewählt wurden: ein analytischpflichtbewusster, ein hilfsorientierter und ein kämpferisch-verteidigender. Es gab, erstens, diejenigen, die von ihrer Perspektive des Pflichtbürgers auf ihr eigenes Engagement und gesellschaftliche Werte schauen, die die Ereignisse eher analytisch betrachten und so ihren Standpunkt ausbilden, der sich mit der Metapher »Flagge zeigen« fassen lässt. Diese Gruppe belegte den eigenen Wertehimmel am häufigsten mit einer Verpflichtung. Ihnen galt der Imperativ, sich einzubringen und Engagement zu zeigen, als selbstverständlich. Sie empfinden besonders stark die Verpflichtung, sich auch über den Protest hinaus in die Gesellschaft und Demokratie aktiv einzubringen. Auf Politik haben sie einen differenzierten Blick, betonen auch die Komplexität und Schwierigkeit dieses Feldes, verorten sich selbst zwar grundsätzlich links, aber innerhalb dessen eher gemäßigt-mittig statt radikal. Ähnlich differenziert blicken sie auf Pegida: Sie versuchen das Phänomen in erster Linie zu erklären. Sie bewerten zwar auch, aber im Vordergrund steht die Analyse. Diesen Zugang wählen
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vor allem ältere, meist männliche Fokusgruppenteilnehmer, die überwiegend einer christlichen Konfession angehören. Neben diesem pflichtbewusst-analytischen Zugang stellte, zweitens, ein anderes Drittel das Gebot der Hilfsbereitschaft heraus. Hier handelt es sich nahezu ausschließlich um Frauen, der Altersschnitt ist deutlich gemischter, von der Schülerin bis zur Rentnerin ist alles vertreten. Sie sind in unterschiedlichen Flüchtlingsprojekten engagiert und argumentieren stark mit zwischenmenschlichen Werten wie Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe, ihre Perspektive ist auf die Migranten gerichtet, weniger auf sich selbst oder auf Pegida. Sie verstehen ihr Handeln als ein von »Menschlichkeit« geleitetes. Dieser Typus der Hilfsbereiten hat zahlreiche lebensweltliche Berührungspunkte mit Migranten. Im Hinblick auf Politik und Gesellschaft ist ihre Perspektive eher auf das zwischenmenschliche Zusammenleben in kleineren Kontexten gerichtet als auf die abstraktere Gesellschaftsebene. Dennoch ist es ihnen wichtig, die Werte, die eher im kleineren Bezugsrahmen geprägt und gelebt werden, auf die Gesellschaft zu übertragen. Nur ein Drittel von ihnen gehört einer religiösen Konfession an, was im Vergleich zu der Pflichtbürgergruppe, die vermehrt einer Konfession angehört, sehr überrascht. Es scheint, als sei Hilfsbereitschaft oder auch Barmherzigkeit nicht an die christliche Konfession gebunden, wie man vielleicht hätte vermuten können. Demgegenüber existiert offenbar eine (wenn auch nicht besonders stark ausgeprägte) Korrelation zwischen der Zugehörigkeit zu einer christlichen Glaubensrichtung und einem spezifischen Pflichtbewusstsein. Auch im 21. Jahrhundert scheinen sich hier wirkmächtige Residuen der protestantischen Pflichtethik erhalten zu haben. Unter den Hilfsbereiten sind kaum Wähler der Linkspartei zu finden. Sie rekrutieren sich in erster Linie aus dem rot-grünen Lager (schaut man auf die letzte Bundestagswahl) und gehören überwiegend nichtpolitischen Vereinigungen oder Verbänden an, sondern organisieren ihre Hilfe jenseits dieser Zusammenschlüsse. Im Hinblick auf Pegida betonen sie, dass es sich zwar um eine rechte Bewegung handele, sie vermeiden aber den Begriff »Nazi« für die Demonstrationsmasse und verwenden ihn eher in Bezug auf die Organisatoren und die kleineren Pegidaableger in Städten außerhalb Sachsens. Für sie passe Pegida aufgrund der dort vorhandenen Menschenfeindlichkeit nicht in ihr Wertearrangement. Auffällig ist auch, dass es für die Helfer-Typen wichtiger ist, den stets sichtbaren Alltagsrassismus statt Pegida an sich zu problematisieren. Sie beschäftigt die »schweigende Mehrheit«, die sich weder engagiert noch informiert und nicht Teil der helfenden, zupackenden Gemeinschaft sein will. Insgesamt und im Speziellen in der Flüchtlingshilfe ist es ihnen wichtig, zusammenzuhalten und gemeinsam etwas zu bewegen. Dafür vernetzen sie sich, vor allem im zivilgesellschaftlichen Bereich. Und: Sie stilisieren sich innerhalb der Gruppe der Pegidagegner noch einmal als separate Gruppe, die auch mehr oder weniger vehement kritisiert, wie sich der Staat in Flüchtlingsfragen verhält.
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Der dritte hier beobachtete Zugang war ein kämpferischer im Sinne einer linken Idee, von der man überzeugt ist, auch im Sinne einer Verteidigung der eigenen Rechte und Wertvorstellungen. Diese Pegidagegner sind insgesamt eine junge, überwiegend konfessionslose Gruppe; über die Hälfte von ihnen ist unter 25. Zwei Drittel der Vorkämpfer haben bei der letzten Bundestagswahl DIE LINKE gewählt. Ihre Perspektive ist schwerpunktmäßig auf das gerichtet, was es abzuwehren gilt, die unmittelbaren Berührungspunkte mit Flüchtlingen sind hingegen eher gering. Es geht ihnen um einen grundsätzlichen Kampf für bestimmte Einstellungen und gegen die als falsch wahrgenommenen Werte von Pegida. Dieser Kampf ist auch ein Stück weit »Ehrensache« und gehört zum eigenen Selbstverständnis. Darüber hinaus nehmen diese Aktivisten Pegida am stärksten als Nazis war und sind weniger bereit, den Topos des »besorgten Bürgers« in Bezug auf Pegida gelten zu lassen. Sie üben innerhalb der Befragten die schärfste Kritik an Politik und Gesellschaft, die vereinzelt eine diffuse Kapitalismuskritik miteinschließt und sind die deutlichsten Vertreter einer eher basisdemokratisch ausgerichteten Demokratie. Sie messen ihrem Versammlungsrecht (welches sie häufig eingeschränkt sehen) und ihrem Recht auf Meinungsfreiheit eine große Bedeutung bei. Vor allem der Dialog, das Miteinander reden, aber auch das Aushalten von Gegensätzen und Widerspruch, sind für sie wichtige Themen. Sie betonten, dass ein Wandel, der für eine Gesellschaft notwendig sei, auch aus Konflikten heraus entstünde und konnotieren so quasi die Auseinandersetzung an sich auch positiv. Interessanterweise fasste diese Gruppe ihre Verpflichtung zum Engagement etwas enger als die anderen, indem sie es explizit als Engagement gegen Nazis bezeichnete und teilweise auch zivilen Ungehorsam forderte. Darüber hinaus waren die wenigsten Vertreter dieser Gruppe in zivilgesellschaftliche Kontexte eingebunden, daher verwundert es auch nicht, dass insgesamt von ihnen deutlich weniger Pflichten artikuliert wurden und sie stattdessen vornehmlich ihre Rechte betonten.
8.6 N o P egida — D ie » helle « S eite der Z ivilgesellschaf t ? Geht man davon aus, dass ein demokratisches Gemeinwesen von der Aktivität seiner Mitglieder abhängig ist, kann NoPegida auf eine äußerst positive Bilanz zurückschauen. Hier sammelten sich 2015 Menschen auf vielen Straßen der Republik, um aktiv für ihre Überzeugungen und Wertvorstellungen einzutreten. Darüber hinaus beschränkt sich ihr Engagement keinesfalls auf Straßenprotest und Ausdrucksformen des Widerstandes. Die Befragten deuten dies hingegen größtenteils zwingend als Tätigkeit in und für die Gemeinschaft, als Praxis der Menschlichkeit, als Verpflichtung des Staatsbürgers. Auch deshalb sind zahlreiche Befragte neben den NoPegida-Protesten in zivilgesellschaftlichen Vereinigungen aktiv.
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NoPegida formierte sich im Widerspruch zu Pegida, ist darüber hinaus aber ebenso Ausdruck eines aktiven Verhandlungsprozesses über Zivilgesellschaft. Denn diese ist alles andere als ein friedlicher Ort, sondern auch durch Konflikt, Kompromiss und Verständigung geprägt. In der Zivilgesellschaft müssen Differenzen und Spannungen ausgehandelt, aber auch ausgehalten werden.52 Damit haben zwar einige Befragte ihre Schwierigkeiten, dennoch ist ihnen bewusst, dass dies ein elementarer Bestandteil von Politik ist. Somit sind auch die Proteste von Pegida und ihre Gegendemonstrationen als Möglichkeiten der Konfliktaushandlung zu interpretieren.53 Aushandlung statt Konfrontation ist jedoch nicht immer leicht. Auch das ist den Befragten bewusst und kann auch nicht von allen beherzigt werden. Dennoch war es auffällig, dass einige Gesprächspartner immer wieder davon berichteten, dass sie sich auf eine Pegida-Demonstration begeben haben, um mit den dort Anwesenden ins Gespräch zu kommen. Aller Unterschiedlichkeit zum Trotz praktizieren sie auf diese Weise das Ideal des Miteinander-ins-Gespräch-Kommens. Überraschend ist auch, dass bei einem Teil der Befragten eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich bestimmter Werte und Kategorien verbalisiert wird und sich gleichzeitig zum Teil ein hohes Reflexionsvermögen in den Gruppen über die Grenzen der Demokratie, der Toleranz oder auch der Gewalt abzeichnet. Die meisten Befragten haben zwar ein festes Wertefundament, das sie motiviert hat, an den NoPegida-Demonstrationen teilzunehmen, doch ist dies keinesfalls für alle absolut und starr. Harte und fixierte Identitäten und ausschließliches Denken in der Kategorisierung von Freund und Feind – also all das, was nachhaltige Aushandlungsprozesse innerhalb der Zivilgesellschaft verhindern würde – fand sich bei NoPegida nicht.
A nmerkungen 1 | Vgl. hierzu Niklas Luhmann, Protest. Systemtheorie und soziale Bewegungen, hg. von Kai-Uwe Hellmann, Frankfurt 1996, S. 47 und 62. 2 | Nolte, S. 11. 3 | Grundsätzlich hierzu: Sidney Tarrow, Kollektives Handeln und politische Gelegenheitsstruktur in Mobilisierungswellen. Theoretische Perspektive, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 43 (1991), S. 647-670. 4 | Aus historischer Perspektive vgl. Paul Nolte, Was ist Demokratie? Geschichte und Gegenwart, München 2012, S. 185f.; allgemein hierzu Constanze Beierlein und Raoul Pra, Veränderung und Veränderbarkeit – Politische Sozialisation, in: Günter L. Huber (Hg.), Enzyklopädie Erziehungswissenschaft Online, Fachgebiet: Pädagogische Psychologie. Bedingungen pädagogischer Einflussnahme, München 2010 (www.erzwissonline.de/fachgebiete/paedagogische_psychologie/beitraege/21100147.htm).
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NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t? 5 | Auch Constanze Beierlein und Siegfried Preiser, Gesellschaftliches Engagement. Gesellschaftlicher, gewerkschaftlicher und berufsständischer Einsatz aus dem Blickwinkel psychologischer Forschung, in: Report Psychologie 30 (2005), S. 210-217. 6 | Siehe das Gespräch des Rektors der Psychologischen Hochschule Berlin Prof. Dr. Siegfried Preiser mit Dorette Gühlich, »Macht der Glaube an Gerechtigkeit ungerecht?«, in: Psychologe heute 4 (2012). 7 | Vgl. François Höpflinger, Wandel des Alters – neues Alter für neue Generationen (www.hoepflinger.com/fhtop/Wandel-des-Alters.pdf). 8| Franz Walter, Milieus und Parteien in der deutschen Gesellschaft. Zwischen Persistenz und Erosion, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 46 (1995), H. 9, S. 479-493. 9 | Die These einer überbordenden Erinnerungskultur wird auch bei Jarausch aufgegriffen. Zur Entstehung und Definition von Erinnerungskultur als Aspekt der Zeitgeschichte vgl. Konrad H. Jarausch und Martin Sabrow (Hg.), Verletztes Gedächtnis. Erinnerungskultur und Zeitgeschichte im Konflikt, Frankfurt a.M. 2002. 10 | Etienne François und Hagen Schulze (Hg.), Einleitung, in: Deutsche Erinnerungsorte, Band I, München 2001, S. 9-27, hier S. 13. 11 | Ebd., S. 14. 12 | Vgl. hier und im Folgenden vor allem Heinz Bude, Achtundsechzig, in: Etienne François und Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte II, München 2001, S. 122134. 13 | Ebd., S. 133. 14 | Ebd., S. 134. 15 | Hartmut Zwahr, »Wir sind das Volk!«, in: Erinnerungsorte II, S. 253-265. 16 | Ebd., S. 253. 17 | Zur geschichtlichen Ausgrenzung der Ostdeutschen und deren Auswirkungen auf die Erinnerungskultur vgl. Dietrich Mühlberg, Vom langsamen Wandel der Erinnerung an die DDR, in: Jarausch, S. 217-253. 18 | All dies ist umso bemerkenswerter, weil noch vor einigen Jahren für die links(radikale) Szene ein Revival des Antikapitalismus vorausgesagt worden ist, vgl. Haunss, S. 472. 19 | Pierre Rosanvallon, Gesellschaft der Gleichen, Hamburg 2013, S. 14. 20 | Ebd., S. 108. 21 | Vgl. Dieter Langewiesche, Liberalismus in Deutschland, Frankfurt am Mai 1988, S. 27ff.; Gunilla Budde, Blütezeit des Bürgertums. Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert, Darmstadt 2009, S. 17ff. 22 | Siehe Andreas Schulz, Lebenswelt und Kultur des Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert, München 2005, S. 19. 23 | Michael Schäfer, Geschichte des Bürgertums, Köln u.a. 2009, S. 131ff. 24 | Hannah Arendt, Vita Activa oder Vom tätigen Leben, München 2013, S. 171. 25 | Ebd., S. 71.
8. Konklusion 26 | Oliver Marchart, Die Welt und die Revolution, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Jg. 56 (2006), H. 39, S. 33-38, hier S. 34. 27 | Hannah Arendt, Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk, München 1998, S. 52. 28 | »Ein jeder ist nun eingesperrt in seine Subjektivität wie in eine Isolierzelle, und diese Subjektivität wird darum nicht weniger subjektiv und die in ihr gemachten Erfahrungen nicht weniger singulär, weil sie ins Endlose multipliziert erscheinen.« Arendt, S. 73. 29 | Vgl. hierzu grundsätzlich Ronald Inglehart, The Silent Revolution. Changing Values and Political Styles among Western Publics, Princeton 1977; zuletzt: Sarah Perry, Was erwarten Bürgerinnen und Bürger von ihrer Stadt, in: Jan W. van Deth (Hg.), Demokratie in der Großstadt. Ergebnisse des ersten Mannheimer Demokratie Audit, S. 2349, hier S. 39. 30 | Im Sinne Luhmanns als essentielle Grundbedingungen für ein System, wie beispielsweise haben/nicht-haben für die Wirtschaft oder wahr/falsch für die Wissenschaft. Vgl. Bernhard Miebach, Soziologische Handlungstheorie. Eine Einführung, Wiesbaden 2014, S. 267f.; im Kontext der Protestforschung siehe hierzu: Bonacker und Schmitt, Politischer Protest, S. 207. 31 | Vgl. hierzu: Herfried Münkler, Die Tugend, der Markt, das Fest und Krieg. Über die problematische Wiederkehr vormoderner Gemeinsinnserwartung in der Postmoderne, in: Hans Vorländer (Hg.), Demokratie und Transzendenz. Die Begründung politischer Ordnung, Bielefeld 2013, S. 297-331, hier S. 330. 32 | Luhmann, Protest, S. 47, 62. 33 | Slavoj Žižek, Ein Plädoyer für die Intoleranz, Wien 2013, 5. Auflage [1998], S. 29. 34 | Rudolf Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, München 1928; hierzu auch und besonders der scharfsinnige Aufsatz von Horst Dreier, Integration durch Verfassung? Rudolf Smend und die Grundrechtsdemokratie, in: Friedrich Hufen (Hg.), Verfassungen. Zwischen Recht und Politik. Festschrift zum 70. Geburtstag für Hans-Peter Schneider, Baden-Baden 2008, S. 70-96. 35| Wilhelm Hennis: »Der Begriff des Erlebnisses ist zentral für Smend«, ders., Integration durch Verfassung? Rudolf Smend und die Zugänge zum Verfassungsproblem nach 50 Jahren unter dem Grundgesetz, in: Juristenzeitung, Jg. 54 (1999), S. 485-495, hier: S. 493. 36 | Etwa Axel Freiherr von Campenhausen, Zum Tode von Rudolf Smend, in: Juristenzeitung, Jg. 30 (1975), S. 621-625, hier: S. 623. 37 | Morten Freidel im Gespräch mit Ahmad Mansour, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.11.2015. 38 | So der frühere Bundesminister Rupert Scholz, zitiert nach: Eckard Lohse und Albert Schäfer, Schläge aus München härten ab, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.11.2015. 39 | Vgl. auch Michael Th. Greven, Politisierung ohne Citoyens. Über die Kluft zwischen politischer Gesellschaft und gesellschaftlicher Individualisierung, in: Ansgar Klein und
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NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t? Rainer Schmalz-Bruns, Politische Beteiligung und Bürgerengagement in Deutschland. Möglichkeiten und Grenzen, Baden-Baden 1997, S. 231-251, hier S. 248. 40 | Helmut Dubiel, Ungewißheit und Politik, Frankfurt a.M. 1994, S. 113. 41 | Ebd., S. 114. 42 | Ebd., S. 116. 43 | Heiner Hastedt, Toleranz, Stuttgart 2012, S. 14. 44 | Jean-Claude Michéa, Das Reich des kleineren Übels. Über die liberale Gesellschaft, Berlin 2014, S. 77. 45 | Vgl. Henryk M. Broder, Kritik der reinen Toleranz, Berlin 2009; Alice Schwarzer (Hg.), Die Gotteskrieger und die falsche Toleranz, Köln 6 2002. 46| Hastedt, Toleranz, S. 76, 79. 47 | Vgl. hierzu und im Folgenden: Rainer Forst, Toleranz im Konflikt, Geschichte, Gehalt und Gegenwart eines umstrittenen Begriffs, Frankfurt a.M. 2013, hierfür insbesondere S. 12-47. 48 | Anna Klein, Toleranz und Vorurteil. Zum Verhältnis von Toleranz und Wertschätzung zu Vorurteilen und Diskriminierung, Opladen u.a. 2014, S. 185f. 49 | Forst, S. 12. 50 | Ebd., S. 38. 51 | Ebd. S. 49. 52 | Vgl. grundlegend hierzu Jürgen Kocka, Zivilgesellschaft in historischer Perspektive, in: Ralph Jessen und Sven Reichardt (Hg.), Zivilgesellschaft als Geschichte. Studien zum 19. und 20. Jahrhundert, Wiesbaden 2004, S. 29-42, hier S. 33. 53 | Vgl. Dieter Rucht, Die konstruktive Funktion von Protesten in und für Zivilgesellschaften, in: Ralph Jessen und Sven Reichardt (Hg.), Zivilgesellschaft als Geschichte. Studien zum 19. und 20. Jahrhundert, Wiesbaden 2004, S. 135-152, hier S. 136.
9. Literaturverzeichnis 9.1 L iter atur Hannah Arendt, Ich will verstehen. Selbstauskünfte zu Leben und Werk, München 1998. Hannah Arendt, Vita Activa oder Vom tätigen Leben, München 2013. Klaus von Bismarck und Hildegard Hamm-Brücher, Verantwortung ist Bürgerpflicht, Reden zur Verleihung des Theodor-Heuss-Preises, München 1967. Constanze Beierlein und Siegfried Preiser, Gesellschaftliches Engagement. Gesellschaftlicher, gewerkschaftlicher und berufsständischer Einsatz aus dem Blickwinkel psychologischer Forschung, in: Report Psychologie 30 (2005), S. 210-217. Karlheinz Blaschke, Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Kultur in der Landeshauptstadt Dresden 1871-1914, in: Dresdner Hefte, Jg. 7 (1989), H. 5, S. 4-12. Thorsten Bonacker und Lars Schmitt, Politischer Protest zwischen latenten Strukturen und manifesten Konflikten. Perspektiven der soziologischen Protestforschung am Beispiel der (neuen) Friedensbewegung, in: Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegung (2004) H. 32, S. 193-213. Henryk M. Broder, Kritik der reinen Toleranz, Berlin 2009. Gunilla Budde, Blütezeit des Bürgertums. Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert, Darmstadt 2009. Heinz Bude, Achtundsechzig, in: Etienne François und Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte II, München 2001, S. 122-134. Oliver D’Antonio, Zwischen Rathaus, Milieu und Netzwerk. Über die lokale Verankerung politischer Parteien, Wiesbaden 2015. Joachim Detjen, Die Werteordnung des Grundgesetzes, Wiesbaden 2009. Horst Dreier, Integration durch Verfassung? Rudolf Smend und die Grundrechtsdemokratie, in: Friedrich Hufen (Hg.), Verfassungen. Zwischen Recht und Politik. Festschrift zum 70. Geburtstag für Hans-Peter Schneider, Baden-Baden 2008, S. 70-96. Helmut Dubiel, Ungewißheit und Politik, Frankfurt a.M. 1994.
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NoPegida — Die helle Seite der Zivilgesellschaf t?
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X-Texte bei transcript Lars Geiges, Stine Marg, Franz Walter
Pegida Die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft?
März 2015, 208 Seiten, kart., farb. Abb., 19,99 E, ISBN 978-3-8376-3192-0, E-Book: 14,99 E, ISBN 978-3-8394-3192-4 Die Jahreswende 2014/15 brachte mit Pegida einen ganz anderen politischen Winter. Unter dem unmittelbaren Eindruck der Ereignisse entstanden unzählige Deutungen. Dieser Band liefert nun eine erste fundierte Analyse von Pegida. Im Ergebnis steht ein tiefer Einblick in die deutsche Zivilgesellschaft und ihre Ambivalenzen. »Als umfassender Materialaufriss stellt das Buch eine Pionierarbeit dar, an der man schwer vorbeikommen wird.« (Portal für Politikwissenschaft, 18.06.2015 ) »Die brandaktuelle Inspektion [erhellt] informationsreich aus erster Hand eine in ihrer Resonanz beispiellose Bewegung, die das Misstrauen [...] gegenüber dem Establishment verdeutlicht.« (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.06.2015 ) »Das nennt man lebendige Wissenschaft.« (www.tagesspiegel.de, 22.04.2015)
www.transcript-verlag.de
Studien des Göttinger Instituts für Demokratieforschung Felix Butzlaff
Die neuen Bürgerproteste in Deutschland Organisatoren – Erwartungen – Demokratiebilder
Dezember 2015, 304 Seiten, kart., 32,99 E, ISBN 978-3-8376-3341-2, E-Book: 32,99 E, ISBN 978-3-8394-3341-6 Der »Wutbürger«, 2010 zum Wort des Jahres gekürt, hat die Krise demokratischer Repräsentation in Deutschland auf einen Begriff gebracht: Immer mehr Bürger äußern Misstrauen gegenüber der etablierten Politik. Bei einer Betrachtung dieser Krise und ihrer Ursachen sind die Vorstellungen der Bürger von einer guten und gerechten Organisation von Politik, Wirtschaft und Staat zentral. Die Studie beschäftigt sich mit den Protagonisten der neuen Bürgerproteste – jenen Akteuren also, die ihren Glauben an die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie eingebüßt haben: Wer sind sie, was fordern sie und welche Demokratie schwebt ihnen vor?
www.transcript-verlag.de
X-Texte bei transcript Jürgen Manemann
Der Dschihad und der Nihilismus des Westens Warum ziehen junge Europäer in den Krieg?
Oktober 2015, 136 Seiten, kart., 14,99 E, ISBN 978-3-8376-3324-5, E-Book: 12,99 E, ISBN 978-3-8394-3324-9 Warum übt der Dschihad auf junge Menschen in Europa eine so große Faszination aus? Jürgen Manemanns Essay zeigt: Es sind die kulturellen Krisen der westlichen Gesellschaften, die den (Ab-)Grund bilden, aus dem der Dschihadismus und sein aktiver Nihilismus Zulauf erhalten. »Jürgen Manemanns Buch ergänzt die üblichen Erklärungsmuster zum IS-Phänomen auf sinnvolle Weise. Die psychoanalytisch grundierten Ausführungen zeigen insbesondere auf, dass es in die Irre führt, anzunehmen, der Islam sei eine wesentliche Ursache für den IS-Terror.« (http://publikative.org, 01.12.2015 ) »Jürgen Manemanns Büchlein [...] erscheint zur rechten Zeit.« (der Freitag, 26.11.2015 )
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Sozialtheorie bei transcript Iman Attia, Swantje Köbsell, Nivedita Prasad (Hg.)
Dominanzkultur reloaded Neue Texte zu gesellschaftlichen Machtverhältnissen und ihren Wechselwirkungen
Juni 2015, 354 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 29,99 E, ISBN 978-3-8376-3061-9, E-Book: 26,99 E, ISBN 978-3-8394-3061-3 Dieser Band versammelt Beiträge, die Geschlecht, Sexualität, Behinderung, Religion, Kultur, Ethnizität und Klasse als machtförmige, verwobene und ambivalent aufeinander bezogene Dimensionen diskutieren. Sie analysieren die Wechselwirkungen struktureller Verhältnisse, diskursiver Formationen und subjektiver Ein- und Umarbeitungen in ihrer Komplexität, Gleichzeitigkeit und Widersprüchlichkeit. Mit Beiträgen u.a. von Theresia Degener, Sabine Hark, Encarnacion Gutierrez Rodriguez und Nira Yuval-Davis.
www.transcript-verlag.de
Gender Studies bei transcript Sabine Hark, Paula-Irene Villa (Hg.)
Anti-Genderismus Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen
September 2015, 264 Seiten, kart., 26,99 E, ISBN 978-3-8376-3144-9, E-Book: 23,99 E, ISBN 978-3-8394-3144-3 »Homo-Lobby« oder »Diktatoren der Political Correctness«: Medienwirksame Diffamierungen von Vertreter_innen post-essentialistischer Geschlechterverständnisse nehmen zu. Dieser Band bietet Analysen und Kontextualisierungen zu derartigem »Hate Speech«. »Dieser Sammelband bietet [...] eine wichtige Grundlage für eine weitere und tiefergehende Auseinandersetzung mit ›Anti-Genderismus‹Diskursen.« ( www.aviva-berlin.de, 12/2015) »Exzellent zusammengestellter Sammelband.« (an.schläge, 8/2015 )
www.transcript-verlag.de
Globaler lokaler Islam bei transcript Florian Kreutzer
Stigma »Kopftuch« Zur rassistischen Produktion von Andersheit (unter Mitarbeit von Sümeyye Demir)
April 2015, 236 Seiten, kart., 29,99 E, ISBN 978-3-8376-3094-7, E-Book: 26,99 E, ISBN 978-3-8394-3094-1 Rassistischer Blick aufs Kopftuch – der Band dechiffriert die stereotype Stigmatisierung des Kopftuchs als antimuslimischen Rassismus und legt die rassistische Produktion von Andersheit als soziale Praxis moderner Gesellschaften frei. »Insbesondere angesichts der Debatten um Integration und Flüchtlingskrise ist dieses Buch unbedingt empfehlenswert.« (http://www.elisabeth-mantl.de, 12/2015 ) »Man kann diesem Buch nur eine breite Leserschaft wünschen.« (Frankfurter Rundschau, 10.06.2015 )
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